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defatttmclte 5d)nften

üon

Irieörid) Strauß.

91ad) beö Söcrfoffcvö (c(5ttüiUic;cn 53cftimmuii(tcn

jufam ni cngcftellt.

Singelcitet iinb mit crflärcnbcu 9Jad;U)ei|uii9cn ucrjcbcn

t)on

öbuarb Beller.

7. 58onb.

1. Ulricß öon J^utten.

2. ®orrcbc ju „^uttcn’S ©efpräcßen überjcßt t)on 2)aoib ^nebricß ©troufe".

tBonn,

Verlag bon 6m il ©Iraujj. 1877.

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Wlrid) tion ;|uttfn.

S3on

S)ritlc ?(utlafle.

ßonn,

SScrtac; üon @mU ©traiif3. 1877.

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iHnnuort i)C5 i^crausgtbers*

9^ad^bcm 0trau^ feine erften epod^cmaeöenben SBerfc l)cr== faßt patte, trat befanuttiep mit bem 3apr 1841 in feiner litera^ rifepen Xpätiqteit ein ©tittftaub ein, ber nnenoartet, mic er (^e^ fommen mar, mopl ben ©inbrnef madjen fonnte, alö pätte ftd) feine ^robnftiüität in ipren fo bebeutenben nnb fo rofep aufein^^ anbcrfolflenben @i;^enßniffen für lange, menn nid)t für immer erfepöpft. . 2)aß nun baö teptere nid)t ber 5^11 ^uar, pat er ber Ädt in ber Jolge ^nr ©enüge gezeigt; unb menn er junö^ft allerbing^ naep ad)t Snpren eincö unauögefepten, faft atpemlofcn geiftigen 0djaffenö ber (Srpolung (leburfte, fo mar bo^ me^ niger (Srmattnng alö Unluft, maö ipn longe abpiclt, bie !öapn mieber ^u betreten, auf ber er fepon fo früpe bie glün» .^enbften ©rfolgc errungen patte. Ueber bie SSerpältniffe, melcpe bamal^ auf feinem ®eift lafteten unb ipm bie illeigung 511 fdprifts ftellcrifdjcn 5lrbeiten benapmen , pat er felbft fiep (Siterar. !Iientm. 15) noep nod) f^man^ig unb mepr Sapren mit einer Öit^ terfeit auögefprodjcn, auö ber man nur ju beutlicp perau^füplt, mie fepmer fic ipn fogar in ber bloßen Erinnerung nod) be^ brüeften. ^en erften cntfdjeibenbcn 5Inftoß, um auö biefer ßn^wcfpal* tung peraib^.^itreten, erpielt er, alö fid) ipm Eelegenpeit bot, bie ©riefe (£cpubart’ö ,^u fammeln unb mit biograppifepen Einleitungen peronö^^ugeben ; nnb uon ba an maren löSopte lang, bi^ j\um Erfepeinen beö ^meiten Seben«^ 3efn, faft opne ^^uönapmc bio» grappifd)e nnb biograppifepditerarifepe ^arftellungcn, mit benen

VI

^IBortoort be§ Iperau^gebeiS.

et fic^ befc^äftißtc. 3rf) f)abc mic^ fo eben cvft ini ^Sonuort jii ben ©ebic^ten (33b. XII biefer (Sammlung) barüber geäußert, marum gerabe biefe 3(rt non SIrbeiten feiner ^nbiüibualität be= fonbetiS jufagte, biefe Stoffe il)n oor anberen anjogen, mic feine fünftlerifc^e unb feine roiffenfd)aftlic^e Begabung fiel) oereinigten, um if)m auf biefem ©ebietc SBerfe oon eigenartigem ©epröge unb mufterl)aftcr SBolIenbung möglici) ju mad)cn. S^teben ben fleineren biograpl;ifc^en Sfij^en, meldje bie erften ^mei iöänbc ber gegenmärtigen Sammlung gebracht l)aben, gehören l)ic^er bie Schriften über Sc^ubart, 3JMrtlin, gvifd)lin, |)utten unb iRei* maru^, nebft ben S3rncl)ftücfcn auö bem ßeben Ällopftod'ö, mo^u 1870 nod^ ba^^fieben SSoltaire'ö Ijin^iifam. 3Bie nun ba^ lefetere, alö i^unftmerf betrachtet, über alle biographifdjen 3lrbcitcn feineiJ JöerfafferiS heroorragt, fo nimmt unter ben früheren ^arftelluiis gen biefer ©attung bojg SBerf über Ulrich oon §uttcn unftreitig, fomohl burch bie gefchidjtlidjc 33ebeutung feinei^ .§dben, alö burch bie gefchiefte, lichtooUc unb fpmpathifdjc 33cl)anblung, bie bem anjiehenben ©egenftanb hic’t ju Xl)^^l tourbc, bie erfte Stelle ein. 3ch ojeig nid)t, ob biefer ©runb mar, ber unfern greunb ju ber 3lnorbnung oeranla§te, bag in ber nadj feinem Xobe ju oeranftaltenbcn Sammlung feiner SGÖerfc ber Jütten bie fReil)c ber biographifchen Sdjriften eröffnen, ber 33oltaire fic fd)liegcn folle. SBir moUten oon biefer Slnorbnung um fo meniger ab* gehen, ba mir bei einigen anberen 33unften, mie fd)on 33b. I, S. Ul bernerft ift, amS ben bort entmicfelten ©rünben an ben oon Strang getroffenen 33eftimmungen nid)t feftl)alten fonnten. 3Bnö fonft jur Einführung in baö oorliegcnbe SGÖerf nod) \\i fagen märe, hol fein 33erfaffer felbft fd)on theilö in ben 33orreben ju ben beiben früheren Sluögaben tl)cilö in ben Sitcrarifchen ®enf* mürbigfeiten (S. 36 ff.) auSeinanbergefeht.

33 erlin, 20. 9(loobr. 1877.

(&. 3fUrr.

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jDai5 $(nbcntcn tl)curcr '-öcrftorbcnen erneuert fid) uiiö in guten lüic in böfeu Xagcu: baö eincmal üerlaugt u n ad) i() rem $Rat[) uub iBeiftaub, ba<g aubremal und) i()rer Xtjciluatjiue au uufrem (^liirf. Uub maö bcu (Siu^elueu, baö begegnet ebeufo ben iöölferu: in Qcitcw ber Xraugfal mic ber SGBo^lfa^rt rufen fie gerne bic ©elfter if)rer grofjen lobten t)erauf. ^ie grofu’n 9D?änner ber Sflatiüuen finb aber gemeint)ln Atämpfer, finb bieienigen, bie für bai? ^id)t gegen bic ginfternig, für Gilbung gegen S3ais barci, für grel^cit gegen 5)eiSpütenbrnd, für baö 35atertanb gegen ben 3lnbrang ber gremben geftritten haben; gleich chremuertl), glcid) theuer ben 5Rad)lebenben, ob fie Dom 0iege gefrönt morben, ober in üergeblidjem 9iingen untergegangen finb. @inc „SBolfc Don biefer 5Irt um fid) 511 miffen, barin beftel)t ber

?lbel einer ^Jiation; unb tuenn einefold)cn 5(bel0 fid) rühmen barf, fo ift bic beutfchc.

@ine ©eftalt auö biefer Söolfe h'^^’c id) chebem rufen in einer böfen luaren bic gnhrc, ba ©ermania

nach einer crfd)öpfcnben gel)lgeburt in tiefer 0d)tuäche lag, ba bic gro6cn unb fleincn Dränger il)rer üon iRcuem 2)^’iftcr gc= mürben maren, ba übermütbige Utad)barn fie verhöhnten, ba fclbft jene fd)mar5en 33ögel, alö märe fie fchon eine fieid)e, hcrangeflogen famen unb fie frächAcnb nmfd)märmten. mar bic ßeit ^er (Soncorbatc, jener Alncchtunge^verträge mit IHom, von benen, nad)? bem Ccfterrcid) üorangegangen, and) bic übrigen 0taatcn bcö füblichcn ^eutfchlanbcJ fich bebraht f«hen. ^amald rief id): ift beim fein .^litten ba? nnb meil unter ben ßcbenben feiner mar, unternahm id) eö, baej '^ilb be«J ^erftorbenen erneuern nnb

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VIII

SBormort bc§ ®crfQ|'fcr§.

bein bcutfrfjcn ^ol!e uor klugen 511 ftcUcn. blieb nid)t ül)iie SBirfung; man faiib in bem ßorncifer $Rtttcrö gegen baö

lid^ts unb freif)citöfcinblicl}c iRom, feinen cinbringlicljcn ÜJ^aljnuns gen an bic ®eutfd)en, einig unb felbftbetmifet gegen ben Ueber* mut§ ber gremben jnfammen^^nfte^en, ein SSort 511 feiner

S(uf bic böfen ^:age finb unterbeffen bic guten gefolgt: $Rom ift, rcd)t im 0innc ber antifen 9Remeft§, ba eben in

ma^ntoi^igem grcodmnt^c feine @rl)cbnng über baö mcnfcblid)c äRag ooQcnben gebadjte, mic ein morfd)eö ©öjenbilb ^ufam^ mcngcbrod^cn; ber übermüt()igc 9^ad)bar, unfer Dränger feit Saljr^unbcrten, l)at burd) ben ruc^lofeftcn feiner ^^Ingriffc nnfrer Uncinigfeit ein (Snbe gemad)t, @cfammtbcutfd)lQnb I)at il)n in einem ©iegeölauf ol)nc glcid^cn ju 33oben gemorfen, nnb ftel)t, angeftaunt nnb bencibet Oon ben SSölfern ringö innrer, an ber ©pige ber Sflationcn ba. SBir bf»bcn micber einen Äaifcr, unb jmar 511m crftcnmal einen fold)cn, ber ^err bal)cim, auömörtö nic^tö fud)t, unb ebenbarum @ebcif)en im 3nncrn, ©id)crt)cit unb Unab^ängigfeit nad) äugen ju fd)affen, megr ab^ irgenb einer feiner Vorgänger im ©tanbe fein tuirb. Unb nun foHtcn mir nid)t abermaU unfreö §uttcn gebenfen, ba crrcid)t ift, mornad) er Icben^Iänglid) gerungen gat, nun, ba er in meit ooUcrem ©inn (xU ju feiner 3e’it fpred)cn fönntc: ift eine 5^^cube

5U leben!" 2öir mären fcl)r unbanEbar, menn er unö Ijcutc nicl)t ein fiele.

Unb magrljaftig, nid)t alö mügigen Xafclgaft bei unfrem ©icgcöfeftc lägt fid} Jütten berufen, noeg mürbe er glauben, mit einer fcgmungoollen Xifc^rebe über 2)eutfd)lanbö ^crrlicgfcit fid) abgefunben 311 l)abcn. Ober er mürbe bod) fc^on in biefer Xifegs rebe fagen: geilte feiern, aber morgen mit ocrboppcltcm @ifer an bic Arbeit gegen! ®cnn, mürbe er erinnern, meint fdjiocr für ein 33olE ift, 311 einer gemiffen ,§ögc fid) ginan3uarbcitcn, fo ift nod) oiel fd)micriger, fid) auf bcrfelben 3U begaupten. Sr* forbert jene^ in ber iRegcl Sagrgunberte, fo ift biefe ©tcllung oft in menigen 3agrcn micber ucrfd)cr3t. Unb finb mir beim in jeber ®infid)t fd)on auf ber §öge? SBcnn mir @in^ gemorben, finb mir barum aueg einig? SSenn mir ftarf finb, finb mir and) frei? ®er ^au nnfrcö neuen fRcicge^ nimmt fieg naeg äugen ftattlicg genug auö, aber im 3nncrn feglt nod) Diel, bag er fegon

55orttort bc3 ScrtofferS.

IX

n)o()n(id) cincicridjtct ipörc. 9J^it bcö ^apftcö )üc(tlid)cr ^crr^ fd)aft ()at tüoI)t ein @nbc, aber mit ber qciftlic^cn fo meniq, ba^ üictmctjr feine finftern 0d)aaren, nod) mic nor jebem Qciftic^en gortfe^ritt mie jebem nntionolen 03ebei()en feinb, mitten im bcntfd)cn fianbe fte()en, ja mitten im beutfe^en 9fieid)§taß fifecn. SSir (affen iinö ba^ nnterric^tctftc ber 58ölfer nennen nnb finb and); aber wie laiifle merben mir noc^ bniben, baß bie iSrniinen nnb SSaffer^ leitungen ber @r!enntnig, felbft im proteftantifd)cn 2)eutfd)(anb, fo nielfac^ unter ber neibifc^en SBermaltung pfäffifc^ gefinnter ginfterlinge berütmmern? |)utten an feinem ^^eile I)at fid) ^entfd^Ianbw 95?ad)t nnb C35rößc, für bic er fd)märmtc, ftetö be= grünbet gcbac^t auf mcnfd)lic^ freie, üüu feiner Sterifei, feiner fird)lid)cn 0a^ung beengte C^ciftcöbilbung, nnb mie er in bem fo eben beenbigten Kriege unter ben SSorberften gegen ben öiigern geinb mitgefod^ten haben mürbe, fo mürbe er je^t, nach bem Jrieben, abermals unter ben ^Jorberften gegen bie innevn geinbe ber greifjeit nnb ber 53ilbung fämpfen.

^)aö fofl er nun in biefem 93ud)e t()un, unb eeJ mirb il)in biegmal, fo hoffe id), leichter merben alö oor oier^ehn fahren bei beffen crftem @rfd)eincn, fofern fid) feitbem auger ben v^li* tifegen auch literarifd)cn 33erhältniffe günftiger geftaltct hfiben. ^)amalö gab cd oon .^utten’ö SBcrfen nod) feine .vioerlöffige ©e* fammtauögabe ; feine cinjelnen 3d)dften aber, unb nod) mehr bic feiner iüdtarbcitcr unb ©egner, maren feiten nnb .^erftreut, ben menigften fiefern ^yigänglid). 3d) mugte alfo, menn id) auf ©teilen barauö oermcifen unb ben 2efcr in ben ©tanb fejen moHtc, biefe mirflid) nachi^ufehen, bic ©teilen au^fülirlid) unter meinen Xejt fe^en. ®aö bclaftctc aber mein iönch unb crfd)mcrte feinen Umlauf in meiteren .greifen. Unterbeffen ift nun bic 33öcfing’fd)c Huögabc Don §uttcn’^5 iilk'rfcn crfchicncn, bie fold)c Umftänblid)feit überflüffig macht, ©ic gibt nid)t bloö imn feinen eigenen ©diriften, fonbern and) oon ben il)n betreffenben ©tücfcn auö ben ©egriften feiner offen ben Xejt fo corrcct, unb

baju ben fritifchen unb l)iftorifd)cn §lpparat fo oollftänbig unb genau, bag fortan genügt, ben Sefer, ber bic ^^yelegftcllcn Der* glcid)cn unb meine ^arftellung controliren miß, auf biefe SWuftcr* auögabc, bic in feiner beffern öffentlichen ^ibliothcf fehlen barg ^u oermcifen. ^ueg fonft gat in ber 3^üifcgcnjcit bie ©mfigfeit

X

Vorwort bc§ ^öerföffcrS.

bcr bcutfdjcii ©cfd)ic^t!Sforfrf)unß einer .giittenbiograpfjic mand)er(ei görberung gebradjt, auf manchen biö()cr bunfeln ^unft befonber^o feiner jüngern ^al)ic neuest Sic^t geiuorfcn: auc^ biefe SIrbeiten finb Don mir banfbar benu^t, überi)aupt mein iöudj an unjä^ii« gen Stellen im ©in^elnen ctgän^t, beridjtigt unb uerbeffert mor= ben; menn ic§ gieid), feinen ©runbftod unücränbert ju laffcn, alle Urfac^e i\u f)«bcn glaubte.

Unb fo trete benn ber S^itter, bießmal burdj fein ©epäcf befd)mert, feinen jmeiten Slueritt an, jc^t, ba er jur guten Stunbe fommt, feineö minber freunblidjen ©mpfangö gemörtig, alö er einft jur böfen gefunben ^at.

^armftabt, im SU^ai 1871.

SD e r 58 c r f a f f e r.

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XI

pnpaft 5eo fieGenteii ^anGeo.

Seite

SBortoort bc§ i^crou§flcber§ V

*j3orroort be§ üSfrfofferg VII

UeberHc^t ber ^SdinaMt^fti ^uttenougflnbe XIV

SerAcicbnife ber in bielcm 2Üerfc befproebtnrn 6d)riftcn ^uttcn’S XV

€r|lc5 iJurij.

^^orübungen unb .Vlainpffpidc i

©rftcö 5tapitcl.

^ulten’S 'Äbfunft unb ÄloftcrUbfn 3

Stveited 5Iapitc(.

Uniocrfitätsjofirc. Grfte i^rfunbe 16

XrUtci< ^apUcl.

2ßonbcrungcn unb Abenteuer in Dcutlc^tonb 40

^ierted ftapitd.

(^rfter ^ufcnt^alt in Italien unb 9?üclff^r noch 'I)cut|(^lQnb 62

JVuuftciJ 5^lapitcl.

§anS ^uttcn’§ Grmorbung bur^i ben ^vrjofl Ulritb bon 36üttfinberg,

unb lllritb ^uttcn’4 3Iflitntion gegen ben J^ersog 79

Scrf)i3itfd .Kapitel.

^utton’ö jtteitc JRcife nnc^ Italien 104

0icbcttke< jtapücl.

91eu(^lin’§ i?anip| mit ben i^ölnern unb ^utten’S ^tjeilna^me an bemfclben 132

9(d|tet< iiapitd.

3)ic Epistülac obsciirorum viruruni 165

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XII

^eite

9{euntel^ jlaphel.

J^uttcn’6 ®ic^lcrfrönunfl unb |c|Ic ^Inftctlung in 9)Iainj. 6cinc 2ücn-

bung gegen 9lom 198

^utten in 'HugSburg njä^ircnb unb na^ bem 9Icid(|§tQgc 211

C^Ufted Kapitel.

^ultcn’ö ^ranff;cit unb bic ©uoiof^fiur 236

3tuölflc<^ Kapitel.

t^elbjug unb ^eirot^SpIanc 261

3iuctte0 iBudj.

glitten im Kampfe c^cßcn 9iom 265

(frftcö 5iapitc(.

pullen in unüb()ängigcr toiffcnfcbnttliebcr 'JJlufec. Seine 'ilu§fi(blen unb

?lbjicbtcn 267

3wcttc{$ Kapitel.

Gntjc^iebencS 'Äuflreten gegen 9iom. 5>erl)ältni& ju öut()er 279

5topite(.

^utten’ö 9iei|e an ben .^o| beö 6rjbcr$og§ öerbinanb, (^nltäui(bung.

^äpfUiebe 5BerfoIgung 312

'Viertes 5{apitcL

Jütten auf ber Sbernburg bei f^ranj öon Sidingen 321

3'unftcd .UnpUcI.

glitten fängt on beutjd) jju jebreiben 345

3erf)dtc{) Kapitel.

Sranj bon Sidingen J^utten’§ Sdbülcr unb ber ^elb feiner neuen Biologe 372

Siebentel Kapitel.

3)er 9Iei(b§trtg ju 29orm§. tputten’S 5)robungen 395

91cbtc$ .Kapitel.

Jütten tummelt fub in fleincrn Sebben unb bemüht ficb um eine 53er»

binbung jmiftben ber 9Iitterf(bQft unb ben Stäbten 414

91euntci^ 5iapUe(.

Sidingen’S fjelbjug gegen “^riet. i^utten’S Entfernung qu8 55eutf(blQnb 436

^n^alt. XIII

s

©fitf

3c^nted

iputlcn’S ©treit mit GroSmuS 448

©idinßen’S unb ^utten’S Gnbc 485

3toö(fted

Stimmen über ^utten’S lob unb ^uSgänge jeiner ölten ö04

SJorrcbe 5U bcu ®cfprärf)cn 535

9?omenregifler

6G3

\

bcr Sööcf ing^fc^en ^uttcitQuögabc. '

Ulrichi Hutteni equitis Germani Opera quae reperiri potuerunt omnia. Edidit Eduardus Bücking. Lipsiae in aedibus Teiibnerianis.

inrid)!§ non Jütten ©c^viften ()craiiögegcbcn non @buarb Sööcfing. ßcip^^ig, ^rucf unb SScrlag non 33. (3. Xcubncr. Vol. I et II. 1859. Epistolae et documenta. @rftcr unb ätücitcr 33anb. ' 33ricfe.

Vol. III. 1862. Poemata. dritter 33anb. ^octifc^c ©djriftcn.

Vol. IV. 1860. Dialogi. Item pseudohuttenici nonnulli. 33icrtcr 33anb. @c|'präc^c.

(SSergl. ©efprädjc non Ulrid) üon .'öuttcu, übcrfc^t unb criöiu tert uoii g. Strauß. Scip^ig, 35rüdl)Quö, 1860.)

Vol. V. 1861. Orationes et scripta didascalia. günftcr 33anb. Sieben unb 2el)rfc^riften.

Ulrichi Hutteni eq. Operuin Supplementum. Epistolae obscuroruin virorum cum illustrantibus adver- sariisque scriptis. Collegit recensuit adnotavit Eduardus Bücking. Lipsiae in aedibus Teubnerianis.

Tomus prior 1864. Textus.

Tomi posterioris Pars prior 1869. Indices ad Epistolas 0. V. Toini posterioris pars altera 1870. Index biographicus et onoinasticus et Coinmentarius ad Epist. 0. V.

^aju: Index bi bliograp hicus lluttenianus. 33er* ^eid)ni& bcr ©d)riftcn lUrid)’ö non |)uttcn. ^erau^gegeben non ßbuarb 33öding. Seip^ig, ®rucf unb 33crlag üon Xeubner. 1858.

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ber in biefcm SBerfe befproc^enen ©c^riftcn §utten’l

Seite

duflenbgebic^te ,38

Querelen gegen bte 25fte 46

(Rebic^t non ber %erSfunß 61

^tufmobnunflggebtibt an ben j^aijer gjtagimUiQn 67

@et)i(bt. bafe ^eutfiblanb nii^t entartet 59

@rufc an 20ien 60

@ra6f(brift für fidb felbft 63

golferebtttramme 65

Epigramme gegen ben $abft 69

gebiebt Dom bra&en ^ann 71

^lugrufung über ben perbronnten ^fefferforn 74

^neg^rieug auf ^Ibredbt Don ^olnj 75

3:roßf(breiben an Subtoig Don Butten 83

3lrQuergebt(bt*auf ^ang Jütten 84

Xeben gegen ben ^eraog UIrtcb Don gßürtemberg .... 85. 92. 99. 258

^er gZtcmanb . . . 106. 222

Neffen Quetgnung an Srotug 106

Cbigromme aug 9?om 112

^rognofHcon anf bog 3abr 1519 an geo X 116

Qebidbte gegen 33enebig 121

^oetiiebe gptftel 3taIio*g an ben P?aifer ^JJ^agimtUon 122

^Qg ®eiprft(b; ^balotigmug 126

Cabnion’g 2^riumbb 166

Briefe an Seutbtin 162. 343

®ebi(bt an ben Satblnal ^abrion p fünften 9teu^Un*g 161

^tttten’g ^ntbeit an ben Briefen ber g)unfelmänner 183

SBrief an ben ®rafen J&ermonn Don 9?uenar 206

3:flrfenrebe Q12. 24fi

3ujtbytft an QÜe freien unb roabren ^eutjeben (gur Dottitfinbigen ^u§»

gäbe ber ^ürfenrebe) 246

(Beiprfitb Dom ^offeben 226

6enbj(breiben an ^irdbeimer über feinen ßebengblan 230

€^rift über bo8 (8uaia! unb bie Sranaofenfrantbtit 243

(gebttbt an Cbnftopb C>ocǤ 245

XVI

^erjeic^nig Don ^utten’S 8d(|rtften.

€«ite '

Sortebc w ber neuen ^fuSflobe beg gioiuS 247

^uttcn’g gwcTgbricfe .♦ 263. 273

3)ittIofle

Sortuna 268

?^eber I 248

glcbcr 11 275

Sobigeug ober bic r5mif(^c ^reifaltißfett 285

^ic ^nfebouenben 293

SSerbcutje^unfl ber ®cfpräcbe 356

^uci^nung an ??rana oon Sidinflcn 373

3ueiflnunfl einer alten 5c()u^j^rl|t [ür gnijer ^cinrid^ IV. an ben (&xh*

Sferbinonb S02

Butten an alle f^^eien ^cutfe^en (3u He achiamate extinguendo etc-) 308

Briefe on Sut^er 313. 333. 407. 408

j^lttflidbrcibcn an btn ffönig ffarl 326

an ben ^urfürften griebricb Don Soebfen 328

an ben i^urtürft»grabif(bof ^Ibrtdbt 331

an bie Xeutf(bcn aller Stänbe 333

Serbcut|(btt ftlagt^nibcn 355

©loffen au Bannbulle flcflcn gutber 338

®cbi(btf über bic SBcrbrennung Don l^utbcr’g Sebriften 340

Plag unb ^ermobnung flegen ben Übermöfelgen ©eroalt beg ^gpftg tc. 346 ^nacig rote antoegen fitb bie ^äpfte gegen ben j^atjern gebalten. . . . 363

gntjcbulbtgung roibtt StUeber mmabrbQftigcg ^uggeben :c 361

6ln Sieb Don Butten 365

91eue 3)iaU>gc 376

g)lc ^6ullc ob« btt guflentbbter 371

gPorner 1 380

aPamer II 382

2)U gifluber 38Ö

3nDcctiDcn 397

g^egen aiUanber 397

(Rtgcn Saracciolt 398

(gegen bic aSiieböfe tc. au gOormg 399

gpci 6enbfdbreiben an jlaifcr Pari 402. 404

yoetij(!bc aintrport aut (Soban^g ^ufmabnungggebiebt 412

grmabnung an äBormg 423

aSetlggung ber greiftfitte beutfeiber 91ation 426

aSejebwerbejebtift gegen Sragmug 468

8e^e asriefe 491

Xgg naibgelaffene (gcfbtäcb: ^rminiug 600

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Pud}.

^orüüttitgen imb 0am|)ff|iieIe.

SiQcerlter oitr» pompam. (9Ieblt(4 unb ol)n( %<nint.)

^utten’e frUI)ertT SBaI)(fbru(^.

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(Erpes fiapitd.

JlBInnfi ttni)

ff

1488—1505.

Xa tüo grantens unb äufqmmenftoßcn, jtüifc^cn

bcm Sogel^bcrfl, bcm 0peffnrt unb bcr 9^l)üii, an bcn Ufern ber Äinjiq unb bcr Sa^a, Raufte non alten ßcil^n l)er baö ritter^ li^c ©efc^le^t bcr ^utten. ^acS) ber gamilicnübcrlicferunq bi^ in baö 10. ^a^r^unbert l)inaufrcid)cnb, crfd)cint in Uvfunben feit ber ^ujciten §älftc bcö 13., unb jiuar gleich non Einfang fo ja^lrcic^, ba§ aHerbingö ein fdjon längerer öcftanb beö ®c* fc^lec^te^ nja^rfc^einlid^ njirb.

®ie fränfifd^c SUttcrfc^aft, ju luelc^cr bic Jütten fic^ rcd)netcn, tnar aU eine bcr Iräftigftcii unb fampftüc^tigften, aber aud^ ftoU jeften (SJenoffenfdjaftcn in beutfd)cn fianben anerfannt. Seit bcm ©turje bcö §o^enftaufifd)cn $aufcö ol)nc ^cr^^og, menn and) bcr S3ifd)of non Söür^burg biefen 3^itcl füljrtc, unter allerlei fleinc geiftlic^e unb meltlic^c Herren getl)eilt, bot baö Xreiben einer unabl)ängigcn 5Ritterfd)aft bcn gecignetften 0picU roum bar. Ißon benad)bartcn ^^rölatcn unb ÖJrafcn ließ man fic^ Remter unb £cl)cn auftragen, madjtc in J^ljbc^ügen 33cute, non beren Ertrage man Surgen baute, (iJütcr unb ÖJcfälle taufte, ober ^fanbfe^aften ertnarb, biömeilcn auc^ Mlöfter begabte, ober 0eelmcffen unb 3ol)rcdtagc für SSerftorbene ftiftetc. 2)abei med)^ feite man nac^ ©clieben ben Xienft; oft traten fic^ aud) gegen einen ber grögern Herren bic fRittcr unter fid) in fricgerifc^c ®erbinbungen jufammen. ^)icfcn freien ^)icnftncrl)ättuiffcn beu benachbarten ßanbedherren gegenüber ertanntc man nur

I

4 I. $ud^. 1.

bcn Ä'aifer old tüirfüc^en Dbcr^errn an; ober jebermann tncife, lüie njcuifl baö in ben Seiten beö finfenbeu SDüttelalterö ju bebcu* ten ^attc.

Unter folc^cn Üßcrl)ältniffcn tarnen and) bie Jütten empor, öci mägi(^em SUIobialbefi^e maren bejonberö bic Slcmtcr unb ßc()en, bie fic non bcn Siebten gulba unb ben ©rafen üon §auau, ben Sifdjöfen unb @r^bifd)öfen oon SBürgburg unb SD^iainj uatjmen, moburc^ fte fic^ au fbalfcn, 2Bir finben fie alö S3urg^ mauueu unb Slmtleute, alö 9^ätl)c, 9J^ar{d)olfe unb ^ofmeifter in ben Xienften ber genannten §crrcn. ©in^elnc mürben geift- lid) unb begegnen un^ alö ^oml^erren ber fränfifd}cn ©tifter ju SSürjburg, iöambcrg, ©idjftabt; aud) alö Slbt 51t ^eriSfclb mirb ju Slnfang beö 14. ^Q^r^unbert^ ein Jütten genannt. 2)oc^ maren fic im 2^urnier unb im gelbe mcf)r alö am Sütar in il)rem (Elemente. Einige Ijabcn größere gclb^ügc rül)mlic^ mit- gemad)t; meit öfter jeboc^ fct)cn mir fie in jenen uadbbarlic^en Sftaufereien, gcl)ben genannt, fic^ tummeln, mobei fie fic^ im ©engen unb trennen, Söüftlcgen ber Dörfer, Sßegtreiben ber beerben unb iöerauben ber ifauflcutc mit nidjtcn aB bic lebten ermiefen.

griil)5citig tbeilte fid) baö 4?utten’fd)e (^cfd}Icd)t in mcl)rcrc ©tömmc, bic fid) meiftensj nad^ bcn 2öol)nfifeen nannten, melc^c bic ©prößlinge bcffclbcn, in uerfd)iebcnen ^ic^tungen fic^ auö^ breitenb, fid) nad) unb nac^ bauten ober ermarben. ©0 finben mir eine £inic 5U ©tol5cnberg unb ^u Raufen, 5U Fronau unb ju ©tcdclbcrg, §u Irimbcrg unb Slvnftein, 33ictcnfclb unb grau* tenberg. Unö finb ^icr neben berjenigen )ilinie, mcld)cr ber §elb biefer ficbcn^befc^rcibung ongel)örte, nur jene mid)tig, oon benen einzelne ©lieber in bic 2ebcnögefd)ic^te bcffclbcn eingegrif* fen Ijobcn.

©egen ba^ @nbc be^ 15. unb §u Slnfang bc‘5 folgenbcn ga^r^unbertg mar boö ©cfd)lec^t ber ^utten burd) jal)lrcic^e ©prößlingc oertreten unb oon Einfluß unb ©cmic^t im gran* fcnlanbe. Ulrid) oon ,§uttcn ^öl)lt nic^t meniger aU breißig feinet S^amenö, melc^c bem Äl’aifcr Siajimilian im Kriege gebient l)abcn, unb fein iöcttcr fiubmig oon Jütten fagt in feinem SlusJ- fd)reibcn gegen Ulrid) oon SBürtemberg, biefer ^erjog merbe ni^t im ©tanbe fein, nur l)alb fo oicle Splitter ju feinem 5öciftaubc

reü^^oo

J^utten.

5

Qufju bringen, al^ er, ber etnfad^c Slbelige. tiefer Subnjig bon Jütten, bifc^öflicft n)üräburgifcf)cr 9^at^ unb ©rbomtmann berg, burc^ beii 2tnfauf be§ ©c^ioffeö SBorberfranfenberg (bei Uffen^eim) ©tiftcr ber franfenberger fiintc, njar bamal^,

neben bem mainjifc^cn 2J^ar)c^Qlf grotüin üon ^utten, a(ö baö ^aupt ber gamilie betrachten. 3n jüngern Saftren h^tte er

njeite ^Reifen gemalt, Stalien unb @riecf)enlanb gefehen, Serus folcm befucht, unb tuar nach feiner ^eimtehr öom Äaifer mit Stuöjeichnung empfangen morben. @r mar fo begütert, ba§ er bem uerfchmenberifchen §erjog Ulrich üon SBürtemberg 10000 Ql. uorftreden fonnte, unb feinen ©influg auf bic fränfifchc fRittcr^ fchaft höttc berfelbc gürft erft ju feinem 93orthci(, fpäter, mie fchon ermähnt, ^u feinem SSerberben ^u erproben. SBie Submig'^ äRittcl auch bem jungen SSetter Ulrich ju gute famen, unb mie ein gamilienunglücf, bag il)n traf, ein ^aupthebel in Ulrid^’ö fchriftfteHerifchcr (Sntmicflung mürbe, merben mir an feinem Orte finben.

SSon ber ßinie ju Raufen, einem ßmeige be§ ftolsenbergcr ^ftc^, lebte bamalö Ijochangefehcn am mainjer §ofe alö SJ^ar^ fchalf unb fpäter alö ^ofmeifter gromin oon §utten. S^achein? anber im SSertrauen ^meier ©rjbifchöfc, h^Uc er fich burd^ feine ©emanbtheit in ©efcljäften auch bei bem ^aifer SlRafimilian bc* liebt gemacht, ber ihn, neben mancherlei 33egünftigungcn, ju feinem 9^athe unb 5)iener oon §au§ auö ernannte. Dh^c fclbft gelehrt ju fein, mar er hoch ein ©önner ber belehrten, mie er an feinem Setter Ulrich, unb empfänglich für hohe unb fühne ©ebanfen, mie er burch feine Serbinbung mit 0icfingen unb feine Sorliebe für fiuther bemieö.

3luf ©tccfelberg fag um bie SBenbe beö ^ahrhunbertö Ulrich üon §utten, ber Sater beö gleichnamigen @of)neg, bem unfere Sebenöbcfchrcibung gemibmet ift. ®icfc Surg, oon ber je^t nur noch loenige Xrümmer übrig finb, lag auf einem fteilen Serge (moher ber S^ame) in ber fianbfd)aft, melche oon ihren Suchen« mälbent Sud)au ober Sudjonia hieg, unfern ben Duellen ber Äinj\ig, oon bem heffifegen ©täbtehen 0chlüchtcvn ^mci, oon gulba fechö, oom 3J^ain ctma neun ©tunben entfernt, ßu Slnfang be3 15. Sahrhnnbert'S mar bie ©tecfelburg aU mür^burgifche^ Sehen ein ganerbfchaftlidjer öJemeinbefife fämmtlicher ^utten'fchen Sinien,

6

I. %ud^. 1.

unb btcfe faßten um bie SKitte be§ 3Q^t^unbcrt§ ben öcfd^Iuß, and) über bie ©rennen bergamilie t)inau§ mciterc 32 ©anerben, gtcidjfam tuie 5lctionäre, aufjune^men, melc^c c^egen ein (Sinfauf^* gelb unb einen jä^rlicben S^eitrag baö 9ted^t ^aben foHten, fic^ im üorfommenben galle bei* Öurg alö eineö Söaffenpla^e» ju be^ bienen. 9Run müßte man aber bie S^tatur ber gelben jener Qcit menig fennen, um nidjt ju miffen, baß ba§ nid^t uiel anbere^ Ijieß, alö bie S3urg jum S^laubneftc madjen: mie auc^ bie Um^ gegenb gar halb ju empßnben betam. 2)er Unfug mürbe arg, baß ber 2ef}n§^err, ber S3ifd)of 3ot)ann non SBürgburg, fic^ be^* mögen fanb ein^ufd)reiten. 3m 3ul)^c 1458 vüdte er mit einem 5(ufgebüt feineö Sanbüoltiö unb etüdjcn fRittern oor bie 33urg, belagerte unb eroberte fie, unb gab fie erft im folgenben 3a^re unter befd^ränfenben iöebingungen ben ©anerben 5urücf. Db bieß ober fpäter ber Sanbfriebe ben 2^^eil^abern ben S3efi^ oerleibete: ju @nbe beö 3öl)U)unbertö pnben mir nic^t blo§ bie meitere gan* erbfc^aftlic^e S^erbinbung aufgelöft, fonbern auc^ bie ^utten'fc^en ßinien, meldje neben bem auf ©tecfelberg angefiebelten Steige beö'gronauer Slfteö an ber iöurg X^eil Ijatten, sogen fid) jurücf, fo baß bie Öurg s^lefet Ulrid) oon |)utten, bem SSoter unfern gelben, oerblieb, ber oergeblid) bie Lettern ju ben Unterbaltung^* toften beijusieben fuebte.

SBie auf folcben [Ritterfi^en auöfab unb juging, fönnen mir anö einer 0djilberung unferö fRitterö felbft entnehmen, beren oornebnifte ßüge er unftreitig oon feiner oätcrlidbcn 33urg l)cx^ genommen b^^l- @ebäulid)!eiten maren bunter SBaU unb Ü)?auern sufammengebrängt, unb ber enge S33ol)nunggraum üoeb bureb iRüft* unb ^uloerfammern, burd) SSiel)' unb §unbeftälle befebränft unb oerbüftert. 5)ie (um <5 teef eiberg menigftenö) mas gern gelber, oon armen hörigen mübfelig befteHt , marfen bem ^öurgberrn eine fpärli^e fRente ab, mäbrenb fie jabrauö jabrein bie §lrbeit unb 0orgenidjt au^geben ließen. ^eöD^itterö ^Befdbäftigung mar bie 3agb in feinen SBälbern unb ba^ fd)on ju feinem ©d)u§e unentbebrlidie iHtieg^b^^t^^^crf. Söaffen unb ^ferbe maren, näcbft ben §unben, fein liebfter Sefi^, reiftge Unechte, o()nc oiel §Iu§- mal)l angemorbeu, jum Xbeil mabre 3^anbiten, feine täglid)e Um* geOung. 3l)t^ kommen unb ©eben, bie $ferbe, ^^arren, S3ieb*' beerben, machten e^ lebljaft unb geräufcbooH aufberöurg; moju

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lg>utten bon Sie^elberg.

7

auf ©tecfelberg, nad^ §uttcn’^ ©c^itberung, nod^ ba^ @cf)eul ber SEBölfe auö ben bcnacbbarteu SBälbcrn fam‘).

Unter folc^cn Umgebungen; in folc^en iöerpltniffen ertoud)^ ein fräftigeö; aber aud^ l^arte^ unb milbeS ÖJefc^Icc^t. ©einem ©roBnater Sürenj Ulrid) uon Jütten, ber ben ©reid alö Änabe no^ gefannt batte, um feiner altertbümücben ©infadbbeit unb 3Äö6igfeit miücn in einer feiner ©Triften ein EDenfmal ge* fe^t. ®er 33iebermann lieg feinen Pfeffer, ©afran ober ^ngmer inö §au§, fleibete ficb nur in einbeimifdbe SSotte unb eiferte laut gegen bie eben ju feiner Qcit einreigenbe Ueppigfeit. @r mar erft banauifeber Slmtmann, bann fulbaifeber fRatb, b^^Hc gern S^bren an ben ©cmalttbaten unb fRäubercien, meldbe bie ©anerben ton ©tecfelberg auö oerübten, auch fein reblidbeö Xbcil genommen.

Söon feiner grau, einer geborenen Oon X()üngen, b^iUc 2orenj\ §utten brei ©öbne, unter benen ber fd)on genannte Ulrich ber Sßater unferö fRitter^ mürbe, tiefer ältere Ulricb ftanb in banauifeben unb beffifdjen 2)ienften, b^^tte im faiferlii^en §eere in Ungarn gefoebten, mar aber auch in griebenSgefebäften üon gürften unb ©tobten oielfacb gebraucht morben. äRit feiner (Gattin, Dttilia oon (Sberftein, erzeugte er oier ©ohne unb jmei Töchter, ©einem Sbornftcr nach erfebeint er al^ ein harter, Oer« fcbloffener 2J^ann, beffen ftarrfinnigeö 33eborren auf bem einmal gefaßten ißorfabc für ben ©ol)n oerbängnigOoU gemorben ift. ^)agegen tiitt bie ÜRutter, obmobl il)r 33ruber, SRangolb Oon ©berftein, bag 9)2uftcr cined raub« unb febbeluftigen fRitterö mar, fo oft ber ©ol)n ihrer gebenft, im Siebte ;\arter SBeiblicbfeit unb äJ^üttcrlicbfcit beroor. 5)ie Unfälle feiner jugenblicben Srrfabrt mill er iljr oerfdjmiegen miffen, um. ihr nidbt noch mehr Äummer ^u machen, al^ er ihr febon habe machen müffen; unb bei bem fübnen Söagnig feiner SIRanne^iobre fallen ihm bie Xbränen feiner frommen SUiutter febmer aufö §cv5*).

®on ber Söoblbabenbeit feineö 3^aterö macht ber ©obn in einem feiner 3ngenbgebid)te eine ©ebilberung, bie freilich auf

1) Epistola ad Bilibaldum Pirckheynier, Ulrid^ t)on Iputten’d I,

6. 201-203.

2) Querelarum L. II, Eleg. 10, v. 113 118. UIri(!^ bon l^utten’§ 8d)rlften III, S. 71. 9teime jum ®e|prS(t|bU4|I(in, C^iciften I, 8. 450.

8

I. ^ud^. 1.

ben ©ontraft mit bcm 9Kangel unb @(enbc, morin er felbft ftc^ ebcnbamolg bcfanb, angelegt ift. @r fpric^t t)on mebrern ®urgen unb Dörfern, jabtrcicber S^ienerfebaft, mabrljaft fürftlicbem S3e=* fibc*). i)ogcgen begrünbet nun jmar bie SDiittcHofigfeit , morin er noch bei Sehweiten beö SBaterö erfebeint, infofern feine ©ins menbung, al^ fie bie golge eincö jmifeben beiben eingetretenen ßermürfniffcö mar. ®ocb befennt Ulrid) Jütten fpäter felbft, ba§ fein oäterlicbc^ SSermögen, bad er freilich mit fünf ©es febraiftern 5U tbeilcn b^ttc, ibm bie äßittel nicht gemübren mürbe, mit bcm erforbcrlicben Slnftanbc ^u leben*). Ueber bie febmere 93aulaft ber ihm allein ocrblicbencn febabbaften 0tecfclburg hc- flagtc ficb ber alte Ulrich micberbolt; boeb baute er im 3abrc 1509 ba^ nod) jebt in feinen Xrümmern erfennbare fRonbcl, ba§ auf bem ©eblufeftein beö Xbürbogeng feinen Flamen mit ber Sab^^^äf^b^ cingebaucn jeigt.

©ö mar am 21. 2lpril bc§ Sob^^e^ 1^88, SBormittagS b<^^^ 10 Ul)r, al§ bem fRitter Ulrid; auf ber genannten 93urg ein ©obn geboren mürbe, melcbem er feinen eigenen SJornamen beis legen lieg. äRcland;tbon mit feiner ©d;mad;e für 5lftrologie mollte b^rnad^ au3 bcm ©tanbe ber ©eftirnc in feiner ©eburtös ftunbe bie förperlid)e Äräntlicbfeit ^uttcn’ö ableitcn: unglcidb bebeutfamer jeigt fid) in ber biftorifeben ©onftcUation, ber ©rups pirung merfmürbiger öegebenbeiten unb ©eburtgjabre um ba^ feinige her, feine geiftige unb gefcbid)tlicbc ©tcllung üorgebilbet. Jütten erblidte baö Siebt ber SSelt in ben lebten Scibt^cn Äaifcr gricbricb’ö III., mitten unter ben 33emegungen, mclcbe bie Ums bilbung ber fReicb^oerfaffung jum 3^cde batten; 33 3obrc nach 9leucblin, 21 Sab^e nacl; ©ra§mu^, 18 nad) Söilibalb ^irefbeimer, 16 nach SiRutianug fRufuö, 8 nach ©rotuö fRubionuö, 7 nach 2franj bon ©idingen, 5 na^ Sutber, 4 nach felben 3al)rc mit ©oban §cffe unb 9 3abre oor SRelancbtbon. 3Rit aUcn biefen äRänncrn bat ihn baö ©cbidfal hernach in S3es rübrung gebracht; märe er nicht Jütten gemefen, fo mürbe bag freilich menig bebcutet haben ; aber auch ein Jütten märe ohne

1) Querei. I, 10, v. 17-24. ©d^riften III, 6. 43 f.

2) Fortuna, Dial. ©d^rtften IV, 77 f. 3ln meiner Ueberfe^ung non iQutten’s ®efpr&d^en, 16.

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l^utien*§ ®eburi. .

9

folc^c (SonfteUation nid^t tjctuorbcn, lüaö er mittclft bcrfclben gc* tüorben ift.

Ulrich war bcr (SrftgcDorcne; gleid^wo()( bcftimmtcn i^n bic (Sltcrn für bcn gciftüc^cn 0taab, waö fonft cl^cr mit nac^gebo* rcnen 0ö^ncn ju gc)d}eben pflegte. S8icHeicl)t mar ein frommer Semeggrunb im ©eifte jener Qclt, eine ^rt Don ©elübbe im ©piele; oiefleirfjt bag beö 5^nabcn fieibeobefc^affenbeit if)n al§ minber geeignet |\um friegerifeben ©tammljalter erfd)einen lieg: benn Ulrich war oon fleinem unb fcbwäcblicbem Körperbau. er babei früpi^eitlg einen aufgeweeften Äopf, ßernbegierbe unb gaffungöfraft, fo lag ber Ölebanfe an eine gciftlicbe Saufbabn nabe; wie bei bem SlJerbältnig ber gfamilie ju ber Slbtei gulba unb anbern fränfifeben (Stiftern ber ÖJebanfe, bab biefe Saufbabn ibn b*>b^^ führen werbe. So fam eö, bag im elften

Sabre be^ Änaben, mithin im ^al)xc 1499, feine Sltern ihn, wie er felbft ftcb au^brüefte, „auö anböebtiger guter ÜJ^einnng" in baö benachbarte Stift gulba brachten, unb jwar nicht bloö, bag er beffen Schule burd)laufe, fonbern „mit bem Söorfahe, bag er barin oerharren unb ein $üiönch fein foUte"‘).

^)ie iöenebictinerabtei gulba, be^ 5lpoftel§ bcr 2)cutfchcn hochberühmte Stiftung, hatte freilid) oon ihrem alten ÖHanj unb 9leid)thum oiel eingebügt ; auch ftlr ihre Schule waren bie Qdkn beö 9labanuö 31Muruö lange oorüber, wo fie bie blühenbfte in gan,^ 5)eutfchlanb gewefen war. Sw Saufe be^ 15. Sc^h^^ianbcrt^ namentlich waren firchliche §lnftalten biefer ^rt nicht mehr im Staube, mit bcr Sntwicflung ber ßeit Schritt ^u halten. ®er Schrer ber jungen Seute war j\uglcid) Snftructor ber DJ^önche unb mu6te fich in bcr erftern Xhätigfeit burch bac$ Icptcrc Ser* hältniS nothwenbig gehemmt fühlen. 2)cr bamalige ?lbt aber, Sohann II., auö bem Ölefd)lechte ber ©rafen oon ^enneberg, •war ein ftreng firdjlichcr 3J?ann, bcr auö ben 93?ancrn feines Stifts aUc weltlichen ®efchäftigungcn auS^^ufd)lic6en unb feine Untergebenen auf geiftlichc Uebungen bcfchrönfen fuchte. 2öaS Jütten oon ihm hie’lt, erhellt bcutlich auS ber 5(rt, wie er fpäter oon ihm fpra(^ unb nicht fprach. ^uch augerbem fcheint cS an bilbungSfeinblichen Elementen im Älofter nicht gefehlt ju haben:

1) (Snbtjd^Ulbigung u., 6(hnften II, 145.

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10

I. 1.

tocnn ^uttcn in ber feine loonbcrnbe 3J2ufc crmal^nt, in ' gulba fid) t)or U)vem gdnbe Xunboluö in Slc^t 5U nel^men, fo batte er beffen njibrige ©efinnung o^ne njöbrcnb feineö

eigenen ^lufcntbaltö bafelbft ju erfahren gehabt. @bcnfo bürfen tt)ir aber anbrerfeitd njohl annchmen, bag er bie ©ciftlichen, @es brüber 9J?örlin, toie auch ^^n $cter Stjungia, beren Stubien unb SBohltüoüen er in bcmfelben 3nfntnnicnhange bei Erwähnung gulba'ö rühmt, eben mährenb feiner i^tofterjahre bon biefer ©eite fennen gelernt Ä'enner unb ©önncr ber auffommenben

beffern ßiteratur mar §artmann, 53urggraf bon Äirchberg, ben im Sahre 1507 ber §lbt 3ohann ^u feinem Soabjutor beftcllte, bi)§ er nach beffen Xobe 1518 fein fWachfolger mürbe: in ben fahren, bie Jütten in gulba 5ubrachtc, mar er freilich Äanonifug ' in ÜJiainj; bod) fam er, mic auö S3riefen erhellt, borübergehenb auch Wnn bamalö nach 5nlba unb founte t)kx bie 33cfanntfchaft beg aufftrebenben Ä^naben unb Sünglingg machen, ber fpöter mit fo bicler SBärmc bon il)m fprach^).

5llö Ulrich bon Jütten in feinem elften Sahve mit beröes ftimmung jum ÜJ^öndjöftanbc nad) gulba gebracht mürbe, hnttc er fid) nicht miberfe|t, ba er, nad) feinem eigenen Sluöbrucf, „bas SBerftänbnig noch nicht hotte, bag er hotte miffen mögen, maö ihm nüp unb gut unb mo^u er gcfd)idt märe". 2öie er aber allmählid) fich felbft unb ba<S Seben beffer fennen lernte, moHte ihn „bebünfeu, er mügte feiner 9tatur nad) in einem anbern ©taub bicl bagöott gefällig unb ber SBelt nüplich 511 manbcln"*). 2)cr 51 bt gab fid) aUc 3Jiül)c, ihn ^um mirflirhen @in tritt in ben Drbcn 511 bemegen. ©einen ©Itcrn cröffnete er bie glän^enbftcn 5luöfichten für ben ©ol)n, um fich ihrer SJdtmirfung ju bcr= fichern. 5lber ein bortrefflid)er unb bielgeltenbcr ÜJMnn hotte bciS Süngling^ 53eftimmung beffer erfannt unb fdhüpte ihn gegen folche 3nbringlid)feiten.

2)ieg mar ber fRitter ©itelmolf Dom ©tein, unb er l)ot nid)t nur auf .^utten’ö ßeben fo Oicl ©influg gehabt, fonbern ift oud)]^jür jene gaiije 3^it unb ihren Sulturjuftaub eine fo oor* bilbliche ©eftolt, bag mir oon ihm auöfül)rlid)cr reben müffen.

1) Quorel. II, 10, v. 135-166. S(hnflen III, S. 72. f.

2) €nbt|(hüU)i6ung a. a. O.

" v

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^utien im ©tiftc ju

11

(Sincm cbeln @efci^(cd)te ui ©^maBcn cntfproffcn, toor ©itcltuolf erft JU ©c^lcttftabt burd) Graft Uben()eim untcrridjtct roorbcn, bann ber eben aufgefommenen <Sittc gemäg nac^ Italien gcioans bert, tüo ^croalbuö ju Bologna fein 2ct)rcr im 2atei=

nifc^cn mürbe, itaum ba§ er ()crnac^ auc^ baiS ©ried^ifc^e ans gefangen ^atte, mürbe er non feiner gainilic jurüdgerufen, mag er lebenölänglid) beflagte. §eimgefe^rt trat er in bie ®ienfte beö Äurfürften 3t>bann Giccro üon ^^ranbenbiirg unb mürbe öon biefem fomot)( ölö non jeinem ©ot)nc unb 9lad)folger 3oac^iniI. JU ben mid)tigften 0taatögefc^äften gebraud)t. ®ie Stiftung ber Uniüerfität ju gi^anffurt an ber Ober burc^ ben le^tcrn mar üorjugömeife fein SBerf. Öefonberö folgenreich mar fein S3ers hältnig JU bem 2Jtarfgrafen 5Ubrecht, bem jüngern Jöruber 3oas chim% ben fein Umgang oorjüglid) mit ber 9^ieigung für bie maniftifchen Stubien erfüllt ju höben fcheint, burdh bie er fich nachher alö Grjbifchof üon SJiagbeburg unb 2J?ainj auöjeichnetc, mo er bann aUbalb ben alten greunb in feine ^ienfte jog.

Gitelmolf hötte fid) jur Lebensaufgabe gemacht maS bamalS menigftenS in ^eutjchlanb noch neu mar: bie ^hötig^eit in hohen ©taatSämtern mit miffenfchaftlicher Sefchäftigung ju oerbinben. $Wit bem ganjen ®emid)tc feiner $erfönlidj!eit unb Stellung trat er bem rohen, ccntaurif(^en SBefen ber 9}?ehrheit beS bamaligen §lbels, ihrem Sorurtheil gegen feinere ©eifteSbilbung entgegen. Gr mar ber GJönner aller belehrten unb t)öt oiele grogmüthig unter* ftü^t. Gin belehrter falle ihm nie jur Saft, hotte er einft einem fold)en jur 3lntmort gegeben, ber feinen Gintritt bei ihm ent» fd)ulbigen ju müffen glaubte. 33riefe, ßofeh^^ften oon miffen* fchaftlichen 9J^äniicrn ju erhalten, mad)te ihn glüdlid). GS fam oor, ba6 er einen oornehmen ^ofmann, ber ihm eine michtige iUachricht bringen moUte, märten liefe, bis er ein GJcbicht §cr* mann'S oon bem 53ufche, baS ifem eben ju §anben gefommen mar, mieberholt burchgelefen hotte. §ÜS Jütten einmal mit il)m oon „Leuten unferS StanbeS" fpvad), fragteer: melcheS StanbeS? beS gelehrten ober beS 9flitterftanbeS? beim mir gehören beiben an. ^ie 23ücher nannte er bie anbere ^ilrt oon Söaffen unb hotte felbft JU ^ferbe immer bergleid)en bei fid}. Unter ben eilten fchöhtc er LioiuS, Sirgil unb Lucan befonberS; oon ben jeitgenöffifchen GJröfeen mar ihm feine fremb. ^en lebhofteften ^nthcil nahm

12

I. ^ud^. 1. Pa))tiel.

er an Äam^fe mit ben fölner ginfterlingen, bic er

ßapnionöläufe nennen pflegte. Äam it)m eine neue 0c^rift

non (grasmu^ ©cfic^te, fo qing i^m frifc^c ^offnun^ für ^eutfc^lanb ouf. @inft erfuhr er, ®ra§mu§ fei mit S^teuc^lin unb |)crmann üon bem ^ufc^c in gronffurt am 3Wain; eilig reifte er bat)in, um fic mit allen Slnbängcrn ber neuen fRid)tung, bie bafclbft ju finben mären, gu einem fofratifcf)cn 0aftmalile laben: al§ ein Slnfall uon ©tcinfd)mcr.^en il)n barniebermarf unb baS ®or^abcn Ocrcitcltc. 2(m anbern 3)?orgen reifte ©ra^muö ab: ©itelmolf fonntc e^ Jütten lange nid)t üerjeiben, bog er il)n baoon niegt jeitig in Ä'cnntnig gefept batte. Jöcfonbcrö oiel f)iclt ©itelmolf auf bie 53elebrungen ber ÖJefd)ic{)tc. @in märfi* feger fRittcr mofltc ign cinft nor einer SSerfammlung burd) bic S3cmcrfung befegämen, er fei ja niegt alt genug, um ficb ber 0ocbe, üon ber bic 0ftebc mar, erinnern ju fönnen. ?Utcr, ermiberte igm (Sitclmolf, ibr möget mogl im ©cbäcbtnig 1)®^^^^^

3abrcn ober etmo^3 barüber fid) jugetrngen ,b^l; gii^OTcn auch ba^, ma^ oor gmeU ober breitaiifenb Sagren. Ueberboupt fprod} er, naeg 5lrt ber Slltcn, gern in ©enteilten unb ©pigranis men. ^llö einer berichtete, ber nenetianif^e Äricg fei trefflicg bc? febrieben movben, ermiberte er: mär’ er lieber glüeflieb geführt morben. ^ic 5^ugenb führt in bic $öhc; Unglücf erprobt ben sodann; man mug auf bic Umftänbe ber bei ber iJladjmclt fehen : baö maren ©prüchc, bic er h^^Pö 3Kunbc führte*).

3Bir merben auf ©itclmolf oom ©tein in .^uttcn’ö £cbcn^- gefchid)tc noch öfter jurüefjufommen SScranlaffung h^*ben : hmr ift jum crftcnmal, bag er aU fein guter ©eniu^ erfdjeint. 2Bäb= renb feiner branbenburgifd)en 2)icnft5cit mug er einmal in 5**iba unb ber Umgegenb gemefen fein, ben jungen §uttcn fennen gc= lernt unb fid) für il)n p intcreffiren angefangen h^*^cn. 2)ie Bemühungen bcö 5lbt^, bcnfclben burch 'Ueberrebung unb Ber= fpred)ungen, bic in^befonbere auf bic @ltcrn berechnet maren, für ben 9Jtönch'5ftanb; ^u /geminnen, erregten feine Beforgnig.^ @r

1) S5gl. über Gitclmolf ^utten’5 if)m gcioibmeten ÜfJefroIog in ber Epiatola ad Jac. Fuchs, ©c^riften I, S. 42 45. ferner bie an

©itelroolf not bem ^aneg^rifuS ouf ben drjbif(!^of ?Ilbred)l »on Woinj, ebenbof., 6. 34—37.

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(Sitelioolf üom Stein.

13

warnte bie @ttem, ben @ol^n nid^t ju einem ©d^ritte ju bereben, ber i^n fpäter gereuen fönnte; ju bem 5lbt aber fprac^ er: 2)u wollteft ein folc^eS Talent 5U @runbe richten ? ein SEÖort, bag bie ÖJefc^ic^te bem ©itelwolf fo wenig Uergeffen wirb, al^ ber banf- bare Jütten jemalö üergeffen t)at. ?luf §utten’iS iöater übrU gen^ fc^eint bie SSkimung @ite(wolf'i3 nur fo weit ©inbruef ge- macht ju ^aben, bag er ben @oI)u nic^t gerabeju mit bem ^In- finnen, ^rofefe ju t^un, übereilte: oou bem einmal gefugten 53es fc^luffe über bie SebeuiSbeftimmung beffelben ging ber ftarrfinnige 2}iann nic^t ab. 0o mugte ber 0o^n fid) felbft gelfen. 2)cr @e^ banfe ber giucgt ftieg in igm auf.

(Sin ©djritt wie biefer wirb niegt leiegt ogne ben öeiratg oon Sßertrauten befcgloffen, ogne bie 23eigülfe oon äJtitwiffenben auggcfügrt. (Samerariuö, im ßeben SQielancgtgon'ig, nennt in biefer 9tolle ben ßrotuö SHubianuö, einen Sugenbfreunb §uttcn'ä, oon bem halb aui?fügrlid)cr bie Siebe fein wirb. 2)er gäbe igm, wenn niegt ben erften Slatg j^ur glud)t gegeben, bod) bei ber Sluöfügtung gegolfen. ©ooiel wir wiffen, lebte ßrotuö um jene 3eit al^ 0tubirenber ober üielmcgr Sluöftubirter auf ber Uni* oerfitot (Srfurt; oon ba auö mag er giilba, 5U beffen 3)lönd}cn er ältere S3e^icgungcn gegabt ju gaben fegeint, zuweilen befuegt, bei ber (SJelcgengeit bie iöefanntfcgaft beö jungen $utten gemad^t unb fcglieglicg ben glucgtplan mit igm entworfen gaben. ®ag (£rotu^ oon früger 3ugenb au fein oertrauter greunb gewefen, bezeugt Jütten felbft; in öejug auf feine gludjt aber erwägnt er feiner, oiclleicgt um igm feine SScrantwortung jujujiegen, niegt, fonbern fagt nur: wie er ,^u ber ©infiegt gefommen, bag er niegt für baö Älofterlebcn tauge, „gäbe er fieg, alö noeg mit feinem ^rofeg ober (^egorfam oerbunben ober oerftrieft, barau^ getgon, um anbern 2)ingen, bie ^u oerwefen er fieg gefd)idter geaegtet, nad)5ugegen" *}. ^en ffunft mit bem ^rofeg gebt er begwegen befonberi^ geroor, weil feine Gegner ign fpöter gern aU^ entlaus fenen SJlöneg branbmarften, ber bereite abgelegte (^clübbe gebros egen gäbe, ßcgtereö fteHt *§utten niegt allein feierlid) in Slbrebe, fonbern forbert and) feine geiube fo naegbrüeflieg auf, ign, wenn fie fönnen, 2ügcn ju ftrafen, igm ben ^bt, ^rior, $robft ober

1) i^af. Sc^rifttn 1, S. 44. @nbtjc(tUIbigung, Schriften II, S. 145.

14

I. 1. Äoj)itct.

^)ctf)antcn ju nennen, unter bem er ^rofeg getlE)Qn, ober ber i^n ein^efegnet ^abe, U)aS boeb bei einer ©oc^e, bie mitten in ^)eutf(^s lanb tjorgegangen, noc^ möglich fein müßte: boß mir an ber SEBaßrbeit feiner öerfießerung nid^t ^meifeln fönnen. SBenn ber Sieget na^ ging, fo mar er ja au^ jur Slblegung ber lübbe noc^ ju jung.

®er ßeitpunft üon ^utten’ö (Entfernung au§ gulba läßt fieß öon jmei ©eiten ßer j^iemlid^ genau beftimmen. (Einerfeit^ fprießt er felbft in einem ©cßriftftücf, bag im Februar 1515 gc^ brurft ift, öon ben 3Wüßen unb Strbeiten, benen er au§ ßiebe ju ben SBiffenfd^aften bereite feit jeßn 3at)ren unter ben ßeftigften ©c^icffalöftürmen in ^eutfd^lanb unb Stalien fieß unterzogen ßabe: biefe ©cßicffal^ftürme aber braeßen mit feiner gegen be§ öater^ SBillen unternommenen glucßt au^ bem Älofter über ißn ßerein. Stnbererfeitö mar menigftenS (Erotuö im ©ommer 1505 noeß in Erfurt ; benn am 17. 3uti jeneg 3aßreö erfolgte Sutßcr'iS (Eintritt in ba§ Sin guftinerf (öfter, unb oon biefem ©reigniß fprießt ßrotuö atS einer, ber bamalö an Ort unb ©teile mar*). ®a- gegen ßnben fieß ju Stnfang be§ SGBinterfemefterö bie Slamen beiber greunbe in ber fölner Uniüerfität^matrifcl eingetragen, unb baßin ging oon ©rfurt unb gulba au§ ißr SBeg.

(5Jtei^fam oorbilblicß fteßt in bem 3ugenbleben oerfeßiebener zur freien ©ntmicflung unb zu*^ S5efreiung Stnberer berufenen äJienfcßen eine folcße glucßt. ®er ®rucf beengenber SSerßältniffe fpannt unb fteigert bie innemoßnenbe Äraft; ein, ftarfer SBiHe nimmt hai ©cßicffal in bie eigene §anb; bie geffet mirb gefprengt: unb bamit ßat ber (Eßarafter unb baö fernere Seben fein blei^ benbeg ©epräge erßalten, ©o bei ©d)iller, fo bei $utten: Der* manbten ©eeten, nießt allein bureß biefen 3**9- anbern ©eite, ganz in .ber Stöße, melcß ein feltfameg ©egenftürf. Stur menige Söoeßen, eße Jütten au^ bem 5Hofter zu gulba in bie SBett entfloß, flüeßtete fieß Erfurt Sutßer au8 ber Söelt in bag Äloftcr. 2Bie bczcicßnet biefer (Segenfa^ Statur unb S3es ftimmung beiber SJtänner. ®er eine miU fieß unter 3}tenf(ßen umtreiben, ber anbere mit @ott inö Steine (ommen. 3^*^^ ertennt

1) Jütten in ber 3uf<^rift beS ^anegi^rifuS, SrotuS in einem Briefe an Sutber, in ^utien’S ®(ßnfien I, 6.37. 311.

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^utien’S au% ^ulba.

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biefer fpäter bcn falfc^cn SBcg unb Derläjjt baS Ätoftcr: ol^nc jeboc^ feiner ®euf- unb ^anbeUrocife baö bort erhaltene ©epräge toieber obt^un ju fönnen. 33ei aller Sreite unb ©rogartigfeit feinet fpätern SBirfen^ blieb Sutljer eine ftreng in fid^ jufams mengefagte, aber auc^ eine geiftlic^e, baburc^ gebunbene unb oer^ büfterte ^ßerfönlic^feit: n)äl}renb Jütten eine ujeltlic^e, ritterliche, freie, felbft im Unglücf heitere, aber freilich auch unftete unb in ihrem Xhun fich uielfach übernehmenbe 9^atur ift.

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jutdlts

^niverfifSidia^re. frße

1505 1509.

2Bic uub auf tücldjcm 2öcc\c bie bcibcn Säncilinge nac^ Äöln gefonimen, ob §uttcn bcn Srotuö in Erfurt ober biefer jenen in gulba abge^olt, jo, ob fie überhaupt miteinanber gereift, unb nidjt oieöeidjt ber eine bem anbern erft fpoter nac^gefommen, barüber fehlen unö bie S^oc^ric^ten. 2iuf bie festere ®ermutt)ung fönnte unö ber Umftanb führen, ba§ in ber fölner Unioerfitätg= matrifel Adelricus hotten, baö ift aber fein anberer alö unfer Utrid) Jütten, unter bem 28. Detober, fein greunb hingegen erft unter bem 17. 9^toocmber 1505 al§ Stnge^örige ber 2lrtiftenfacultät fid) eingefc^rieben finben.

ben oon ^utten’s 9ffeife nac§ 5^öln gibt 6^ama*ariuS baö 0tubium „ber beften Mnfte unb SBiffenfe^often" an. ©o bejeid)nete man bamal^, im ©cgenfa^c ju ber alten @d)olaftif, bie ^umaniftifd)en 0tubien ; bonis literis operam dare l^iefe ßatein unb (yriedjifdj auö ben claffifc^en ©d)iiftfteUern beiber 0pra^en, ftatt, mie biö^er, Icjtercö gar nid^t unb erftcre^ auö Äird)enoätern unb 0d)olaftifern lernen, unb @efd)macf, 0til unb 2)enfart nad^ i^nen bilben. 9flun fönnte man fid^ aber tounbern, mie bie beiben jungen Seute biefe beffern SBiffenfe^aften gerabe in Äöln fud^en mod)ten, mo bod), mie fic^ menige Sa^re bernoc^ in bem iReucblin^ fd)en ©treit auöroieö, bie ©djolaftif uub mittelalterlicbe ni6 nodb i^rc fefteftc ^urg batten. SRiebt umfonft lagen b*f^

©t. 2lnbreaS 2llbertuö 3Jiagnug, bei ben TOnoriten 5)unö ©cotug in ihren ©räbeni: noch immer berrfebte auf ben Äatbcbcrn burdb

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i^uttrn in j^5In.

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einen ?(rnolb non Xmiflern, einen ^onrab 5loUin, benen ber j^e^ermeifter 3atob ^od)ftroten alö furd)tbare 3J?ad)t ,;\nr 0eite ftanb, bie fd)oiaftifcbe £ei)rnrt, in bereit ®icnft and) Ortuinu^ @ratiii^ feine '3)oi)enter erhaltene pbUolo^ifd^e SUbiin^ fleftellt f)atte. ^üd) felbft in Slöln rechte fid) in jener einj^icicn 3^'it ba^ neue ioiffenfc^aftlid)e ßeben. (^ebeU)en ^tuar fonnte ex^ an einem Orte, lüo bie fird)lici^cn Sntcreffen fo überinäcbtifl lonrcn, nic^t: einer nad) bem anbern nmrben bie 33ertreter ber l)uinaniftifc^en fRid)tiin^ uertrieben: fo 3oi)ann ^äfarinö, ^ermann non bem Sufd)c, ^ßeter oon fRaoenna, S^b^öinö Slefticampinnu^; bod) lüQf)rs fd)einlic^ hielt fich eben bamal^ ber (entere noch on ber Unioers fität. @ettfamcnneife jog übrigens auch bie fölnifd)e 0d)olaftif loenigftenö ben altern ber beiben ©tubiengenoffen an, auf ben mir, ba fein Sebenöfaben üon je^t an mit bem unferö gelben üerfchlungen bleibt, an biefer ©teile näher eingehen muffen.

drotu^ iRubianud hi^S eigentlich 3ohnnn Säger unb mar in bem thüringifd)en glccfen ^ornheim, unmeit ^rnftabt, muth- maßlid) um ba^J S^h^ geboren, dr fcheint geringer iieute ilinb gemefen ju fein: menigftenö oerfid)erte er fpäter, alö Änabc Siegen gehütet 511 hnben. 3ni Sahre 1498 bc.^og er bie Uniners fität drfurt, mo er ^^oei Soh^e fpäter ben @rab eiltet 33accalaureu^ enuarb. ©eine ©tubien maren ^unädjft herfümmlich ber fd)ola* ftifdjen ^h^ofoph^e unb Xheologie gemibmet. ^)urd) ben freunb« liehen fiel)rer SDiaternu^ ^iftoriö fd}einen bie erften iteime ber humoniftifd)cn 9iid)tnng in feinen dJeift gelegt morben fein, bie in ber Solge burd) ben Umgang mit bem h^chgebilbeten Äa^ nonifu^ in bem benachbarten ®otha, SDhitianuö fRufuö, geförbert mürben. 5)amit hing feine 9^amendänberung i^ufammen; unb ba fic ber erfte gafl unter Dielen biefer ?lrt ift, ber unö in unferer @r,^ählung begegnet, fo foU unö eine fleine dpifobe über bergleichen 9^amen3änberungen um fo meniger Derbrießen, je be« ^eichnenber biefe ©itte für bie Seit unb bie fRidjtung ift, momit mir unö befchäftigen.

X>er Gebrauch, beutfd)e 9iamen ^u latinifiren, ftammt nid)t erft auö ber bamaligen Seit, fonbern bie (Geltung be-g 2ateinifd)en al^ Äircheiu unb (^elehrtenfprad}e h^tte benfelben feßon mäl)renb

1) 3Jgl. Comm. De Jo. Croto Rubiano, B<mnae 1862.

VII. 2

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I. 2.

bc^ SD^ittelaltcrö l^crbcigcfül)rt; aber jc^t erft, ba man fid^ bc§ toirflid^cn Satein unb baju beö ©ried^ifi^en mächtig bün!tc, ttjurbc jene Umgcftaltung in größerem SJiagftabc unb juglcic^ mit fc^madE unb aJEetljobc betrieben; menn aud^ ber ©efdjinacf nid^t immer ein guter unb bie 2)ietl)obe jum X^eit menig beffer qB 3^oU^cit mar. ®er ^umanift fütjlte fic^ alö ^Bürger beö alten lHom§ unb ©riec^enlanb^; fo l)atte er aud^ §lnfpruc§ ouf einen lateinifdjen ober gric^ifc^eu S^amen, unb an ÖJefc^idf, fic^ einen foldjcn ^ured^tjumad^eu, lonnte e^ il)m al^ Kenner beiber ©praßen nic^t fehlen. 2J?bn ging babei, mie gejagt, nic^t ol§ne SJiet^obe ju SBerfe. S3alb maren bie ^erfonennamen, halb bie S^amen beö @eburt^ort§ ober ber ©egenb, halb beibe ^ugleic^, morau man fid) l)ielt. 2)ie ^erfonennamen mürben jum X^eil i^rcr mirflid^en ober oermcintlidjcn S3ebeutung nac^ überfe^t. ®aju maren oor allem bie Dielen beutfi^en S^amen geeignet, bie Don §anbmerfen ober öcruföarten ^ergenommen finb. 2)a mar fdjneU au§ bem Piscator, au^ bem 3J2üller ein Molitor, au^

bem Mrje^ner ein Pellicanus gemadjt. ^5)od) finb nid^t aUe Ueberfc^ungen biefer 5lrt fo leidjt 511 ratzen. ®em Foeniseca merben menige auf ben erften 33lid anfe^en, bag er j\u beutfe^ 3J2aber (SWäl^ber) Ijieg. SBo bie leidet überfefeenben Söerufös nameu aufl)ören, mirb o^ne^in bie @ad)e Dermidclter. 3n Capito ift Ä'öpflin moljl noc^ ungefähr ju erfennen, in Brassicanus unb Cuspinianus ilol)tburger unb ©pieg^ammer fc^on fd^merer, unb in Velociaiius mürbe menigften^ l^eutjutage nid)t leidjt jemanb einen iRefc^ Dermutl)en. S^^^cileu mußten bie Sftamen erft nDc^ geroaltfam geredt unb Derbrel)t merben, eße fid) etma^ mit i^nen machen ließ. ©0 ^atte ber 9tame ©c^mar^ert, menn aueß in ber jud)tlofen Drtßograp^ie ber ßcit nic^t feiten ©eßmarjerb gefd)rie= ben, barum bod) fo menig aU bie Denoanbten garbennamen SBcißert, ©runejt, ©elbert mit ber SWutter @rbe etmaö ju tl)un: nur um fo mel)r tßat fid^ ©roßo^eim Sieuc^lin barauf ju gute, baß iljin ber Sflame Sü^clan^t^on bafür eingefallen mar. 3)aä mar überbieß ein gricc^ifc^er S^tame, unb bie galten bcgreiflid^ alö bie Dorneßmern. iöei Sfleucßliu felbft mürbe bie latcinifd^c lieber^ fefeung feinet S^amen^; Fumulus, nur fpottmeife Don ©egnern, baö griecbifdje Capnion, momit ißn in Stolien ber Denetianifc^e ^umanift ^ermolauö Öarbaruö befdjenft l)atte, Don feinen SBev^

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^umanifHfd^e 9{atnenfd^5pfung.

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. extern gebraust; toä^renb er fctbft fid^ am UeOften feinet beutfd^cn 9iameng bebieiitc. ©tatt einer Ueberfe^ung ber ©igennamen be* gnügte man fic^ aber nicf)t feiten audj mit einer biogen antifi^ prenben Umlautung, befonberiS menn ein beutfcl^er 9tame ba§ @lücf l)atte, Oon felbft fd}on an einen lateinifcgen ober gricc^ifdjen anjuflingen. §icg einer De^mler, loie na^e lag baö eble römifdje Aemilius; ein 9Kaier mar im Umfe^en 511m Marius gemacht; Soa^im Don SBatt ^ieg Vadiamis; Sodann IRacf befam ab5 Rhagius fogar einen gricc^ifdjen Slnftric^. 3cber ^umanifirenben Änftrengung fd^ien ein S^tame mic Äradjenberger 511 flotten, beffen Sep^er pc^ ba^er Pel^entlid) an ben ©rogmeiftcr IReuc^lin um §ülfc manbte: unb in !urjem felgen mir in ber Xl)at auc^ biefe l)äglic^e 9laupe f^lp^engaft alö Gracchus Pierius baoonfliegen. Äuger ben ^erfonennamen merben aber aud) gern bie Manien ber Geburtsorte ober biefen benachbarter Ströme 5111* Geminnung clafpfchcr S3e§cichnungen benu^t. Unb jmar merben biefe latini* prten Ortsnamen halb neben bie ^erfonennamen gefept, mie ber eben genannte ?Rl)agiuS oon feinem Geburtsorte Sommerfelb Rhagius Aesticainpianus, Georg Xannftettcr oon 9lain in Ober= baiem Tannstetter Collimitius l)ieg. Sltod) öfter jebodj fel)cn mir oon bem ^eimatnamen ben ^erfonennamen gan^ üerbrängt; fo ift Georg iöurfarb aus bem ic^t Ijopfcnberühmten Stäbtd)cn Spalt als Spalatinus, Heinrich ßoriti auS 9)toUiS bei GlaruS als Ölareanus, 93eat 95ilb auS iRgeinau im obern @lfag als Beatus Rhenanus, $eter Sd)abe auS S3ruttig an ber 9Rofel als Petrus Mosellanus bcrül)mt gemorben. Söei ^Ibelichen, felbft bei pöbtif^en ^atriciern, benen i^r Slame in ber Urform mertl) ju fein pPegt, pnben mir feltencr eine folcge Umgeftaltung. 3)er humaniftifche Graf ^ermann oon S^tuenar miirbe oon feinen greunben olS comes de nova aquila ober Neaetius ftilifirt; bei bem guten ©itelmolf Oom Stein oerftiegen fic fich^noch über ben de Lapide ginauS 5um Ololycus (0?.6lv7iog) für ben Vornamen ; aber nicht allein §utten, fonbern auch ^irefheimer unb tinger liegen, auger ber lateinifchen (Snbung, ihre Spanien un* Oerönbert.

Um fchlieglich auf ben SRann jurücf^ufommen , oon bem mir ^u biefer Spifobe abgefegmeift pnb, fo bietet fein 9tome ein rechtes SRufter oon humauiftifcher Umgeftaltung unb Steigerung.

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I. ?u(^. 2. l^opitcl.

3of)ann ^öflcr au^3 ^orn^cim ^icß er noc^ 1506 Joannes , Dornheini Venatoriiis; aber baniit tuar ber ©eburt^ort norf) c^ar nic^t, ber ^erfonenname nur l)öc^ft geinöbiilid) überfe^t. Säger U)ar freilid) Venator ober Venatoriiis; aber ein Säger niar auc^

. ein 0djü^e, nnb ber ©djübc tvax nic^t bloi? im SBalbc finben, fonbern and) am ^immel unter ben ©ternen, nnb biefer ©cbüfcc al^ ©ternbilb bieß mit feinein Eigennamen Crotiis. Er mar ber ©ot)n ber SJtufenamme Eiipbemc Dom $an gemefen, batte, neben feinem Sogbnergnügen, auf bem §elifon mit feinen 3Rild)fd)roeftern gefpielt, unb biefe ibm barum Dom SSatcr Supitcr bie Erbebnng unter bie ©terne erbeten, ©o lafen bie bnmaniftifeben greunbe im^bgin*), »nb mie ließ ficb für einen angebenben ä^hifenbiencr ein aii^gefucbterer S^tame finben? ^amit bann auch name nid)t in feiner bornigen Urgeftatt bliebe, mürbe er mittelft einer freilid) nid)t gaiij genauen Ueberfebiing beim nibus be'iSt üörombeerftraueb abS Rubianus ober Rubeaniis bem Job, Crotus beigefügt, nnb babnreb and) noch ber S^orfd)rift beö bcutfd)en Er^bwnianiften itonrab Eelti^ genugget()an, ba§ ein $oct (mic einft bie alten fRömer) brei iJtamen l)flb<‘n müffe.

Um bie i}eit inbeg, ba er mit Jütten in Äöln feine ©tubien fortfe^te, mar bei Erotu^ meber bie 9tamengs noch bie ©innei^s änberung fc^on ooll^ogcn. Er mar nod) ein SSerel)rer ^(rnolb’d uon Xungern nnb feiner fd)olaftifc^en 9J?eifter, lernte mit bem jüngeren grennbe, moran biefer it)u fpäter fd)er,\enb erinnerte, mit ©ijllogi^men blifeen, opponiren, affumiren, refponbiren, pro unb contra argumentiren, fur^ alle bie bialeftifd)en ged)terfünfte bamaliger $l)iiofopl)ie unb 3^^eologie. S3alb aber mürben biefe 2)inge für Erotuö ^um ©piel: er mugte bie Sebrer trefflich nach* 5ual)nien, unb mad)te fo fd)on in Äöln bie SSorftubien ju ben üöriefen ber 2)unfelmänner.

Erotuö rtiar ein SJienfcb bon bebeutenber S3egabung unb großer ßicbenömürbigfeit. ©ein ^aupttalent mar ber SBip. ©ich über bie ^l)orl)eiten ber SJ^enfeben luftig ju moeben, fein liebfte^ Xreiben. 28ic mußte bieß bei bem jungen Jütten jünben, in bem gleichfalls ein beutfeber Sueian oerborgen lag. greilid) mar bie 91icbtung, bie fittlicbe EJrunblagc biefeS Talents bei beiben

1) Fab. 224 unb Poet, astronom. II, 27.

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^roiuS d^ubtanug

21

eine iH’rfc^icbcnc. 33ci Jütten, fo mic er fpötcr fid) cntiüicfeltc, tuar bem SScrfcl)rtcn flcc^cnübcr bav^ Sachen nid)t basS fiepte, fan= bern ber SERigbtäueben, bic er Uerfpottete,

nic^t blo^' baö Xbörid)te, fonbern nicf)r noc^ ba^ Sßerbcrblic^c. ®eö ßrotuö eic^cntlic^e^ (Element lüar eben ba^ fiadjen fcibft. @r ließ fid) über bie ©d)Qben biefer närrifeßen Söclt feine grauen §aare inad)fcn. Sind) einen fogenannten fcßlcd)tcn 2öi^ uerfd)inöf)te er nid)t. 3)?if biefer ftet^ anfgelüccften 2aune mußte er ber an^ gencßmfte ©efeUfdjüfter fein. 2)en 2J?ann oller Stunben nennt il)n SKutian. Slber eben biefer ältere unb ernftere SJ^ann fprießt non Srotu^ mit einer toclcße bemcift, baß er jnglcid)

ßöcßft fd)ä^bare moralifd)e @igcnfd)aftcn an ißm fannte. @r feßilbert ißn alö reblid)cn Ü)^ann, aufridjtigen iinb treuen greunb, non ber fanfteften 03emntß^art unb einer Sln^ieljung-^fraft, bie felbft einen §nftfranfen ju einer fReife ^u ißm in ©emegung fe^en fönnte. Äeinem ging in ber golge bic 9Rißßanblung beö cßnuilrbigen ^Rcud)lin non 'Seiten ber Äolner ginfterlingc meßr p iJutßer empfanb er eine 3^^l ^^*^9 öegeis

ftening: bod) ßier liefen bic ©rennen feiner äftßetifd)en, guietiftifeßen Statur, bie er moßl einmal überfpringen, boeß nidßt für bie ^aucr ßinter fieß laffen fonntc.

®er Sllterdoorfprung Don beiläupg ad)t 3oßrcn unb baö, alö Jütten e^ anpng, non ißm in ber ^auptfaeße nollenbctc ofa* bemifeße ©tubium befäßigten ben Grotuö, in maneßen ©tücfen ben fießrer unb Süicntor beiiJ jüngeren Ji^^^wnbeö j\u mad)cn. ^aß fpäter in @vfurt biefcö S3crßältniß 5mifd)eu ißnen ftattgefunben, bezeugt Jütten fcibft; oßne f^)on in Ä'öln

fo gcftaltct. 2öer außerbem ßier .^utteirö fießrer gemefen, läßt fid) nur uermutßen. Xeö fRßagiuö ©d)ülcr nannte er fid) fpäter öffentlicß. ^a mir aber bo^^ 3aßr ber SlJertreibung biefer SDtanncö auö itöln nid)t genau luiffen, unb Jütten fpäter nod) einmal mit ißm pfammentraf, fo läßt fid) aud) nid)t mit 0id)crßeit feft* fefeen, baß er feßon ßier fein Seßüler gemefen ift. Soßann fRßagiuö toar <^u ©ommerfelb in ber Cbcrlaufip um 14GO geboren unb ßattc feine pßilologifdic iöilbung erft in krafau, bann in 33ologna erßalten. 'i)iad)bem er in fRom üon bem ^apftc felbft ben ^)id)ters lorbeer empfangen, fid) ßicrauf einige Qc\t in $ariö aufgeßaltcn, trat er nad)cinanber an oerfi'ßicbencu Orten ^cutfcßlanbö aliJ

22

I. 2. Plapitd.

ßc^rer auf. 3n la§ er unter auberm über ^(iuiuiS. @r war ein burd) fittlid)c SBürbc wie buvd) ©cle^rfamfeit qu%’s 5cid)uctcr 2J2ann: ben Sßiebererweefer ber erftorbenen ßatinität nannte if)n 2J2utian; ©itetwotf üüiu @tein begrüßte it)ii al^ e()rs Würbigen Sßater, unb (Soban ^effe woQte ein mäßiget 2J^aßt, in feiner öiefellfcßaft genoffen, nid^t mit einer ©öttevtafet üertaufd)cn. Sßeitcr mag Jütten bei Safob ®ouba gel)ört ()aben, ber X()eolog unb $oet ^*^or, unb beffen elegifdjeS Xalent er fpätcr

rnfjmte. ^uc^ mit S^lemaclu^ auö Sioren^, bem SSerfaffer oon ©pigrammen unb Stmoren, fpäter faiferlicßcm ©eßeimfe^reiber, unb mit einem ber brei ©rüber C^anter, muti)inaßlid^ bem jüngften, 3afob, ber gteidjfall^ ^id)ter war, fc^eint Jütten fidj bamalö bc= freunbet 511 ßaben.

bie 0tü^e ber §umaniftenpartei in Ä'ölu erfd)eint einige 3al)re fpäter, in |>ermann ©ufc^'ö unb 9teudjlin'^ $änbeln, ber @raf ^ermann Don 9tuenar, ober 9^teuenar, uon beffen Stamme fd)Ioß in ber benad)barten $Ü)rgegenb nod) fc^öne Xrümmer ^u feßen finb, Älanonifuö unb nac^tjer ^ompropft bafetbft, bamal^ and) mit J^utten in freunbfc^aftlidjer ©erbinbung. 5)a er, brei 3at)re jünger al<g biefer, ein 3aßr oor ißm in Ä'ötn inferibirt Ijatte, möd)te man ißre ©erbinbiing oon jener ©tubienjeit ßer batiren; baß in einer @legie au^ bem 3at)r 1510, in weld^er glitten feine 9Jiufe bei ben beutfdjen §unianiften bie fRunbe madjen läßt ‘X be^ ©rafen oon 5Ruenar leine ©rwäßnung gefd)icl)t, tonnte feinen ©riinb barin Ijaben, baß berfelbe bamal^ Oermut^s lid) in Italien abwefenb war. ^iefe elegifc^e SJ^ufenwanberung gebt erft oon bem norböftlid)en ^eutfcblanb, wo fidj ber ^id)ter eben aufbielt, an ben ©bein nad} Ä'öln, bann über Sioblenj unb äJ^iinj ftromaufwärtö; le^tere^ jum Xl)eit wenigften^ berfelbe 3öeg, ben $utten entweber bei feiner SReifc nach Äöln in inus gefebrter, ober bei feiner fRücfreife Oon ba in berfelben Diiebtung gemadjt b^^ben muß. ©on felbft ergibt firb bie ©ermus

tbung, er möge bie SJMnner an biefer Straße, ju benen er feine ÜRufc fenbet, eben auf jener $Rl)ciureife tennen gelernt b^ben. ^ieß trifft nad) ber ^auptftation ^^öln gleich bei ^oblenj 5U, wo er mit befonberer besg Ulrid) gabriciuö gebenft, ben

l) Quijrelar. L. II, Elcg. 10. ^uttcn’S Sd^riiten UI, ©.64—81.

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Siterorifd^e %e(anntj(^aften.

23

i^m, aU er jene ©cflcnbcn burd^hjanbert, bie frcunblid^e $alla§ ©tubiengenoffen gegeben ^abe. Slrbeit mib Slaft, ja bnö gan^c Seben fei if)nen gemeinfam getuefen; enblirf) habe baiJ 0c^icffal, feinen ©tiibien feinbfelig, fie getrennt, üt)ne boc^ ben 33unb i^rer ^er^en jerreigen ju fönnen. 9Äit biefem I)at nun ,§utten nermutblid), wenn and) bie 53efanntfc^aft in Ät'obleni^ fic^ angefnüpft haben mag, fofort in ilöln ftubirt ; er war ein humas niftifd) gebilbeter Surift, ber in ber Solge feine ©tcllung am furtrierifd)en §ofe befonberö auch jur ^Inffpürung uerborgener ^anbfehriften non Slajfifern iinb Ä’irchenüätern benupte. dagegen wirb weiter aufwärts, bei 3J?ain^, üon ben ^wei ©refemunben, als Suriften unb ^oeten, in einer SBeife gefprochen, bie nur an eine iöefanntfchaft aus ©chriften, unb nicht einmal eine genaue, benfen lägt. 'Jtahe bei ©peier, heißt eS bann weiter, bewohne, mit SBenigem ^ufrieben, Söimpheling ein engeS .^auS. 9^ur um .^eiliges bemühe er fich; ^^lleS, waS er fdjreibe, fei erfprießlich ; Diel üerbanfe ihm bie beutfd)e ^ugenb, auS ber er immer manche burd) feine ^clehrfamfeit an fid) i\iel)e; aucl) ihm felbft, ,§ntten, haben feine Unterweifungen oft genügt. 2)aS fönnte, ^umal babei SäJimpheling ongerebet wirb, auf perfönlidjcn ©inblicf in feine |)äuSlichfeit ^u beuten fdjeinen; allein bie ^öcrhältniffe beS oieU befud}ten iiehrerS waren in hMmaniftifd)en Greifen allbefannt, unb ob .^utten bamalS fo weit rheinaufwärtS gefominen, ift mehr als zweifelhaft. @ben um jene übrigens gab SBimpheling zu einem ©treite 93eranlaffung, ber ein iöorfpiel beS üteudjlin'fdjen ^anbelS werben follte. 3n einer um baS 3al)r 1505 heraus^ gegebenen ©chrift ftellte er, ber felbft nid)t ohne S^orliebe für baS ©infieblerleben war, bie ©ä^e auf, baß bie SßeiSheit nicht an ber Äutte h^fte, baß eS and) im weltlid)en ©taube oerbiente ÖJel^hi^te gegeben hübe, ja bie gelchrteften Theologen felbft nicht 3Könd)e, fonbern Söcltgeiftlid)e gewefen feien, wie inSbefonbere ber h<^iiigc Sluguftin mit Unrecht zu ben ©remiten ober 9J2önd)en gerechnet werbe. 2)aS nahmen bie 2J?önche, oor allen bie 5tugus ftiner, gewaltig übel, fie fchrieben gegen SSJimpheling unb oer* flagten ihn beim ^^Japfte. (Sr Oertheibigte fid), unb, wie baS gel)t, nun bewies er fdjon, baß bie 9teben an bie ©infiebler, auf welche feine ÖJegner fid) huuptföchlich beriefen, gar nid)t oon ^luguftin feien. ®od) wenbete er Jid) zugleid) mit unbebingter Unterwerfung

24

1. 2 j^apttel.

an bcii ^apft 3^iiUnö II., nnb mit ^)ülfc bcbcutenbcr güvfprcc^cr, mie Äonrab ^cutinc^or u. a., flelanQ c^, bie SSorlabunc^ und) 9lom ,yi I)intcrtrcibcn. än bcvfclbcn @ei]cnb, fül)rt §utten in jenem poetifdjcn Sßegmeifer fort, l)alte fid) aiid^ Sä^olf^ancj 5tngft auf, ber einft ber 0einii]e ^ernefen, b. mit bem er bamalö, ober bei einer anbern ©ele^entjeit oor bem 3al)r 1510, greunbfdjoft fle- fc^loffen ®ie iöriefc ber S)nnfe(männer führen il)n in

^aflenau (ben SGÖimpt)elin(j in ©d)lettftabt) anf, too er in ber ®rudcrei be^ 5^f)oma‘3 5lnöl)elm, mie fpäter bei ©d)öffer in 9}?ain\, al§ gelehrter Gorrector t^ötig mar nnb in ber goige and) ben ^rnd Don Schriften feinet greunbeö Jütten leitete. ®af3 biefer ben S^erfaffer beö berühmten Starren fd)iffö, 0ebaftian 58rant in ©tragburg, beffen ber SBegmeifer ferner gebenft, bamalö perfon* lid) fertnen gelernt Ijabe, ift nun oollcnbö unmaljrfdjeinlid); nod) meniger magen mir e§, bcmfelben meiter lanbeimoärb5 nad) ©tutt^ gart nnb hingen ju 3ol)ann S^eudjlin imb ^einrid) :öebcl jn folgen; fonbern mir feieren ju Jütten nac^ Ä'öln ^urüd, mo übrigen*^ feineö 93leibenö nic^t mel)r lange fein follte.

iliur eine brängt fid) nod) auf, el)e mir mit itjm

meiter jiel)en: mol)er er nämlid) mäbrenb feiner afabemifd)en 3al)ie bie SDiittel ju feinem Unterhalte genommen habe? 0eit feiner glnd)t aug gulba hotte ber ®atcr bie §anb üon ihm ab^ gej^ogen. ^)eö ©ohne^^ eigenmiüiger 0d)iitt biirdjfreujte bie ße^ benöplane, bie er für benfelben entmorfen hotte, nnb fe^tc ihn, bei ber oieljährigen Serbinbung ber gamilie mit ber 5lbtei, in Sßerlegenheit. 2Bir miffen and) nicht, ob er ben 5lufentl)olt boig ©obnesi fogleid) erfuhr; oielIeid)t hm'tt biefer, um nicht mit ©emalt ^urnrfgeholt merben, für gerathen, fiel) eine ß^'^t long üerborgen 511 holten, ^er Später aber bachte il)n am mirtfamften ^ur 9tüdfehr 511 nötl)igen, inbem er ihn ohne Unterftü^ung lief). Sßenn Ulrid) Jütten fpäter an feinen SSettern gromin nnb ßnbmig bie greigebigfeit rühmte, mit meld)er fie feine ©tubien unterftüpt hoben*), fo hotten fie l)ic§u fd)on bamalö alle SSeranlaffung.

3m 3al)re 1506 foH ber gemöl)nlid)cn Einnahme zufolge gemefen fein, ba§ bie Umtriebe ber Dominicaner ben 9U)agiu<5

1) ?ln ®?arquorb öon ihotftdn unb on Sitclwolf öom 6tfin, Schriften I, e.36. 39.

V

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i^ultcn in 6r|urt.

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3lcfticampiaiiuö nöt^igten, Äöln ;^ii ucrinffcu; unb ba in bcmfcl= bcn 3abre quc^ ßrotu^ unb |)uttcn auö Äöln Ucifc^tuinbcn, um anbcr^tüo micbcr jiim Sßorfd^cin füinmcn, fo ift nic^t tjcrmunbcrn, bafe man in bcr SBcrtrciOung bc^ öo^rcrö bcn ^Inla^ ju bcr SBanbcriincj bcr 0c^ülcr 311 fndjcn pflegt, ^iefc folgten übrigen^ nidjt, mic in fold)cm gaüc 3U eimartcn märe, bem 2cl)rcr an bcn Drt feiner neuen SäJivffamfeit; fonbern, mäljrenb 9tf)agiuö an ber im ^Ipril jene^^ eröffneten Unioerfität 311 graidfurt

an ber Ober bie il}m übertragene £el)rftcflc antrat, brad)te (Irotu^S feinen jungen greunb uorerft nad) ©rfurt, mol)in tl)n bie @rin^ ncrungen unb SSerbtnbungen feiner frühem 0tubienjal)re 3ogen.

i)ic gegen bcn 0d)(ug beö 14. 3ctl)r^iinbertö geftiftete er- furter Unioerfität’) genoß am Einfang be^ 16. cineö 5lnfel)cnö in 2)cutfd)lanb, baß, mie 2utt)er fid) einmal auebrüefte, allc'anbern bagegen aU flcinc 0cßü^cnfd)ulen galten. Qxix großen

0d)iöma entftanben, ßatte fic langcßin für baö bafeler (£oncil unb beffen fReformibcen Partei genommen, unb unterfd)ieb fid) aud) fpätcr nod) oon anbern beutidjen Unioerfitäten burd) einen liberaleren ®cift. ^)urd) Seßrer mie ^iaternuiS ^iftoriö unb 9^i= folauö 3}^arfd)alf mit ißren 0d)ülern mürbe fic bie ^flan3ftättc bcö ^nmanmmuö in 5)eutfd)lanb. 3f)rc ®lüte3cit erftreefte fid) oon ber iWitte bciS 15. 3al)rl)unbert^ bb5 in baö erfte 3ol)r3e'l)nt bcö folgenbcn, mo erft bürgcrlid)c Unrußen in ber 0tabt, bann bie firc^licßen SEBirren ißr oerberblid) mürben. 93on einem erften 0toß, einem SBorboten ber ftärfern, bie tommen folltcn, einer ©treitigfeit 3mifd)cn Bürgern unb ©tubenten im 3ol)r 1505, l)attc fid) bie Unioerfität fo eben crl)olt, bie ^orlejungen gingen mieber i^ren @ang: für §utten’ö (Sntmicflung inbeß mar (5rotuö, ber feine freunbfd)aftlid)eficl)rtl)ätigfcit l)ier fortfe^tc, maren ein talcnt- ooücr l!Oiitfd)üler unb ein l)od)gcbilbctcr ^rioatgelcßrter, bereu ©cfanntjd)aft er fofort mad)tc, mid)tiger alö alle ^ßrofefforen.

3mei 3ol)rc oor glitten, im 3al)re 1504, mar au‘5 graru fenberg in Reffen, mo er bcn Untcrvid)t be‘5 3atob ^orläio;J gc^ uoffen ßatte, ber fcd)3cl)njäl)rige @oban §cffe nad) Erfurt ge^ fommen, unb mit il)m fd)loß nun $utten bie 3mcite jener atabe^ mifc^cn 3ugenbfTcunbfd)aftcn, mcldjc, gleid) bcr mit Srotnö, il)ii

1) 3j0l. i^ompld^ulte, 3)ic Unioerfität Erfurt, Xrier 1858. 1800.

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I. %u(^. 2. Kapitel.

burc^ ba^ Scbcii begleiten foUtc. SBcnu ßrotu6 Uor Jütten ettua ad)t ScbciBjaljrc uorauöl^attc, fo weil (Soban in bcmfelbcn 3a()tc mit it)in, nur brei SWonatc t^^ül)cr, öoefenborf in Reffen büren, ©ein 3?ater mar ein ^ienftmann beö benachbarten Älofterö ^aina, beffen ^ftarnc nid)t feftftet)t, ber aber bem ©oljne, üon einem in ber Umejeflenb üerehrten ^eili^en, ben SSornamen iSoban fchöpftc. tiefem fe^te ber ©ot}n in ber Solche ftatt beö ©efchlecht^ nameiii^ ben ^eimatnamen Hessus nach, unb, um bie ^reijaht ber 5)id)ternamen DoU^umachen, mit 33e^ug fomohl auf ben ©oniu taq, an bem er ejeboren, alö auf ben ©onnens unb 5)ichter90tt, beffen 5)iener er mar, ben ^tarnen Helius uoran. ©chon in bem i^naben h^i^c fich baö ^id)tertalent in be^eichnenber SBeife an* flcfünbiflt. 5(1^ einft ^orläuö ihm unb einigen befferen ©chiUern bie Slufgabe geftellt h^^tte, ben Xejt auig bem (Suangelium So* hanniö: Ego suin lux mundi, qui sequitur nie, non ambulat in tmehris in lateinifd)en Serfen mieber^ugeben, bemerfte ber junge @oban fogleich in ben legten Söorten ben hfll^*cn $enta* meter unb brodjte in furj^er grift eine fo fchmungüoUe Umfd}rcis bung beö 3^ejteö ^u ©taube, baß ber iiegrer erftaunte unb üon ba an bie größten .^Öffnungen üon bem ©chülcr faßte. S)iefer feßrieb nun immerzu nnb quälte ben ßeßrer unb 2lnbere mit ber 3umuthung, ißm feine S^erfe corrigiren, Sind) in Erfurt madjte fid) @oban halb bureß gelungene Dichtungen befannt: be^ feßrieb bie ^luömanberung ber ©tubenten auö Einlaß ber $cft bcö Süßrö 1505, ben ©tubentenframaH beffelben Soßre^, fang baö iJüb ber erfurter Uniuerfität unb üerfudßte fid) naeßeinanber in 3bl)llen, §eroiben, epifeßen, elegifd)en unb lßrifd)en ©ebießten aller ^rt. ©cßon bamalö fagte ßrotuö üon ißm, er fei an Sußven ein Änabe, an bid)terifcßer Ä'unft ein @rei(J; ber cßrmürbige yj^utian rief ißm ben 5jerö j^u, ber bem @oban lebemSlänglicß mie ein Orafel tßeuer blieb:

^(jrtje^er ^nabe, ber 8to4 bu be§ ^eiligen Ouens; unb in furjem galt er nid)t allein in Deutfd)lanb, fonbern aueß im yiuölanbe für ben erften neueren Dicßter. Sßenn bie ßuma^ niftifd) miebererroeefte ßatinität in ©raömuö ißren ^rofaiften ßer* üorgebradjt ßatte, fo ßatte fie nun in @oban ißren ^oeten. 2öar jener ber moberne Sicero, fo mar biefer 5^irgil unb Düib. Die Icgtcre ^ergleicßuug ift menigftenö infofern nießt blo^ ?ßrafe,

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6oban

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alö ®oban mit bie|cm ?Römcr bic Scid^tigfcit gemein l^at, bic 5Bcrfc luiv fo l)injufc^üttcn ; mcßwcflcii uoii it)m i^efaßt mürbe, er fei ber cinjiflc $oet, ber feine SSerfe i^uflleic^ marf)e iinb fc^reibc. (Soban mar aber nic^t blo^ ein fllücflic^er ®irf)tcr, fonbern auc^ ein fleißiger unb tüd)tiger ©eleßrter: feine SSorlefiingcn an ben §od)fc^utcn ju (Jrfnrt unb fpätcr ju 9)iarburg batten großen 9iuf unb ^ogen oon fern bei' ©ebüler berbei ; uon 3^ol). Sange unb 3oacbiin ßamerariuö . lernte er @ried)lfcb unb überfejte in ber golge ben Xbeofrit unb bic Sliud in lateinifcbe ^ejameter, mic auf Sutber’ö unb Ü}ictand)tbon’<S Slntveiben bic ^falmen in la^ teinifebe 2)ifticbcn.

^abei mar @oban ein SD^enfeb oon ber feltenften ©utber' jigfeit. ©in großer, feböner, moblgebautcr 2J^ann mit prächtigem 5s8art unb martiolifdjcm @efid)ti?auöbrud (?llbrecbt ®ürer pflegte ^u fagen, menn er ißn nicf)t fennte unb ein iöilb oon ißm i\u feben befämc, mürbe er für ba^ eineö Ä'riegömanneö b^'ilen), ein au^e^eiebneter 5ed)tcr, ^^äii^^er, ©ebrnimmer unb leiber au(b Xrinfer, fünfte, ju beren meiterer Vlu^bÜbung ißm halb ein inebr^ iäbriger Slufcntbalt an bem $ofe beö Jsöifcbofö ,§iob ^u S^liefen* bürg an ber 2öeid}fcl bic befte ©elcgenbcit bot, mar er jmar rafcb unb berb, aber argloö mic ein Äinb. 9Ud)tö mav ibm mebt ju* miber alö öcrflcinerung anberer, unb er bulbete nid)t, baß in feiner ÖJegenmart oon ^Ibmcfenbcn übel gefproeben mürbe. Sift unb fclbft SBorfiebt maren ißm fremb; hoppelt meb tljat cjS ißm baßer, menn er fieß, maö ßäußg oorfam, jum beften geßalten faß. 5öci fpärlicßem ©infommeu, mad)fcnbcr Jomilie (mir greifen ßier ber 3eit oor) unb feiner poctifeßen (Sorglofigfeit für allc^ 0cfo* nomifeße ging ißm ftct‘5 fnapp, biömeilcn mirflicß elenb; aber nie Ocrlor er ben ßeitern Scbenömutß. Patientia! pflegte er bei mibrigen '^egegniffen fid) ,yi,yirufen. 3J^it einer grau, oor ber feine greunbe ißn gemarnt, bie ißm feine aJiitgift, bagegen einen unlciblidjcn 0d)miegcroater unb liebcrlid)c 0^mägcr jugebraeßt ßattc, lebte er halb gang frieblid) unb oergnüglid).

S53ir ßaben gaßlrcicßc 33ricfe oon @oban ; fie geßörcn gu ben gcmütßlid)ften, ßerg* unb tempcramcntoollftcn, bie and jener 3eit übrig finb. ©angc Briefe, burrßaud perfönlid), nießtö ©tubirteiJ, aÜe^ ©timinung unb Eingebung beö 3lugcnbticfö. darunter eine 3J2enge 3ettel an greunbe, bic im glcid)eu Orte moßnen, ©ins

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1. ^ud^. 2.

Inbimgcn jum Sabcn, jum iWittagcffcn um 10, ^um ^benbeffcn um 4 Uf)r, Quf ein paar 5ifd)c mit Änoblauc^, ein @tü(f SBilb^ pret, baö er (jefd)enft befommen, flcmür^t burd) ein beitercö ©cfpräd).

fommt Uür, baß er einen greunb suflleid) aliS @aft 5um @ffcn unb um ein Xarleßn üon 2 C^iulben bittet. ®a ©obaii bo‘5 33ier qIö ein fd^äblicße^S ©ebroue fd)eute, fo ßielt er fid) befto mel)r an ben SBein. 9tid)tö ermunterte ißn fo feßr jum gortfaßren in bem frommen Söerfe feiner ^falmenübcrfejung, al^S baß fein er^ furter a)?äcena^, ber rcid)c ^Ir^t unb öergtoerf^befi^er @eorg (Stiir5, ißm jebe^mal einen Ä^rug SBein oorfe^te, fo oft er i^ni eine neue Stummer brachte. Oft erbittet er fid) üon biefem aueß etmad Oon feinem Söermutmein, um nad) bem gcflrigen 9^aufcßc fein föniglid)c^ ©aupt mieber in ben ©tanb p fe^en. ®enn au^ Einlaß einer Heußerung iReucßlin'^,. ber, mit 33e^ug auf einen S3eriS beö ft\inimad)u^, ben Hessus f-oor]v, b. l). Äönig, genannt lf)atte, f)icß er nun im reife feiner greunbe Rex, unb mit biefem Ä'önig^mantel loeiß er fid) fortan in feinen ©riefen auf^ brofligftc ju brapiren. @r gebietet ben greunben al§ ^önig, marnt, fie mögen ißn nid)t nötßigen, ben ^^prannen ßerauö^ufepren, grüßt Don feiner Königin, berid)tet oon ben ^rin^en (reguli), batirt feine ©riefe ber armen Äönig^burg, Verlangt eine 0albc für feine föniglid)e S^tafe, bic ber S33ein etmaö rotl) j\u färben ange= fangen patte. SEßenn er bann aber für einen greunb, einen S^otpleibenben fid) oermenbet, fo finb feine ©riefe ooH beö tpeiU nepmenbften @iferg; ein 0d)reiben üon ipm an fReud)Iin atpmet bie reblicpfte ölcfinnung ber ©ereprung unb Siebe; an Sutper unb feiner 0ad)c mie an §uttcn ping er lebenölänglid) mit ber rcinften ©egciftcrung. gn feiner poetifepen ii^önigöroUe patte fiep @oban einen ^erjog (dux) bcigefeHt in ber ^erfon be^ $eter ©berbad), eine^ förperlicp fcpmäcplid)en, aber geiftüoUcn unb lie= beiüSmürbigen jungen SJ^anne^, me(d)er, ber 0opn eines erfurter 5lr^teS, bafelbft bie S^ceptSgeteprfamfeit, mit ©orliebe jeboep bie fepönen 2öiffcnfd)aftcn ftubirte, fpäter gleid)jeitig mit §utten, Stalien bereifte unb in bem tpüringifepen §umaniften!rcife eine auSge^eiepnete 0tellung einnapm ').

2)er eigentlid)e §crrfd)er in biefem Streife jeboep loar niept

1) ^gl. Ilel. Eobaui ilessi operura farragines duae, 1539. 2)e§*

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WuttnnuS 9{ufuS.

29

@ü6aii, er tuor überhaupt nirf)t in (Srfurt fcibft finben, fonbern in bcni brei ^Keilen baüon entfernten C^otpa, in ber ^erfon bc^ fc^on öftere enuöpnten $Kutian. Äonrab 3Jhibt ober ^utl), ber fid) aU Mutiamis latinifirte imb DieKcici^t üon feinen rötl)lic^en paaren fid) ben !0einomen Riifiis i^iitegte, luar um 1472 .'pom* biirg in Reffen geboren, mo fein iöatcr ein obrigfeitlid)c^ 3(int beflcibete. @r mar burd) bic <Sd)uIc bcS SUe^anber ^cgiii^ in ^^eoenter, bic frud)tbarftc §umQniftcnpf(an5fd)ulc jener ßeit, gc^ gangen, l)attc bann in (ärfart ftubirt, c^ber üblicpermajicn

ju feiner meitcren Sluöbilbung fid) nac^ Italien begeben, gier erlangte er in Bologna bie jnriftifd)c 5)octürmnrbc, fnnpftc mit ocrfdjicbcncn ita(icnijcl)en gumaniften iik\ycl)ungen an nnb enuarb fic^ aiK^ in 9ftom unter ben Sarbinälen Gönner nnb greunbe. 9tad) feiner gcimfcl)r im gerbfte 1502 biente er eine om l)effifc^en gofe, mo fein iöruber ba^S Ä'ai^leramt Ocnualtete. öalb jebod) mürbe er be^ gof- nnb @efd)äft55lcbcn^ übcrbrnßig: ein ;^meitcr trüber imn i^m mar er,^bifd)öflid) main^ifd)cr löcamter ju Erfurt, ber ücrfc^afftc ipm burc^ feine SScrmenbuug ein Äta» nonifat in @otl)a. gier lebte er feit 1503 in miffcnfd)aftlid)er SD^uge, in ber er fic^ fortan burc^ leinen noc^ fo locfcnbcn Eintrag mel)r ftören lieg. 3c meniger il)in feine Kollegen, über bereu ©tumpffinn er fic^ miebergolt bitter beflagt, 5lnfnüpfiing^punftc boten, befto mel)r fal) er fid^ auf bie benad)barte Unioerfitöt Erfurt gingemiefen, bereu augefegenfte fiegrer, mic Dor aßen 9Jlatcrnuö, feine greunbe, bereu begabtefte ©d)üler, ein (Jrotuö, @oban, ©bers baeg, ©palatin, halb auc^ glitten, feine 0d)üler mürben. SBir finben, bag in jenen 3ogrcn in Erfurt uerfd)iebenen ©tubeuten „auö §lcgtung für D. aJhitianu^J" bic 3nimatriculationögebül)ren erloffen morben finb. 3lber and) fein je^iger ßanbc'jgerr, griebrieg ber Sä>cife Don @ad)fcn, lernte il)n halb Icnncn nnb fc^öpen. §luf SJ^utian’ö @mpfcl)lung l)in crgielt im 3agre 1508 ber junge ©palotin bic mii^tigc ©teile eineö ©rjielicrö bei bem Äurprinjen

{((ben Epistolao familiäres, 1543. Joach. Camerarii Narratio de Eobano Hesso, mit ange^Sngter ^ric|}omnilung, 1553, ber noc^ brei meitere folgten. Der ^roteft gegen bie Wiblionblung 6oban’§ burt^ Dein^/orbftein in feinem €<^oufpieI, unb ouf beffen Serantmortung burd^ Sor^ing in feiner Oper

fei ou(^ in biefer neuen Auflage, toenigftenS mit jmei ^Sorten, n)ieberl()o(t.

30

I. 2 Popitel.

3o^ann gricbrid^. §Iuf feine gürbitte tnurben nerurt^ciltc SBcr^ brec^er bcflnabicjt. ^efe^entmürfc ^tjurben U)m jur S3egutac^tun9 üorgelcflt. bie anfcl)nüc^e ©teile cineö ^ropftcö an ber ^Uer^ l)eiliflenfird)e ju SBittenberg burd) Henning ©öbe’ö Xob erlebigt toar, lic6 ber Äurfürft fic bem äJ^utian anbicten. aWutian enipfal)l ben 3uftu^ 3onaö, unb ber erhielt bie ©teile, ^öd^ftenö eine f leine ^frünbe, bie i^m fein ©efc^aft mad)te, na^m er noc^ an, um @elb •Jöüc^craufäufcn gewinnen. 5)enn bamit unb mit literarifc^er ©aftfreunbfe^aft ging fein rnäfeige^ @infommen auf.

mar bie gebrudten 5luögabcn ber lateinifi^en

unb griec^ifc^cn Slaffifcr eben erft anfingen, bei §llbuö in S5enebig unb fonft in 3talien ju erfc^einen unb nod) jiemlic^ treuer maren : SKutian mar bei meitem nic^t im ©tanbe, fid) %Ueö, mag er münfe^te, fclbft an^ufd^affen ; feine greunbe, üor allen ber ©ifter^ienfer ^einrid) Urban, SBermalter bc(8 georgent^aler §ofiS in Erfurt, t^cilten i^m uon tl)ren ©infäufen mit. Älö er cinft burc^ einen folc^cn greunb Siccro, Sucre, v Surtiuö u. a. ^lutoren jugleid) befam, meinte er uor greuben. 5)ic italienifc^en Kriege jener 3al}rc bebauerte er Ijauptfäc^lid^ befemegen, mcil fic ben Serlagöartifcln 3talicnö bie Sllpcnpäffc fperrten. Sßenn er il)m feine 3Uic^er fc^iefen fönne, bittet er ben (5-rotuö, fülle er i^m menigftcnö bie 2:itel mittt)cilen, fd^on biefe machen i§m grcubc. 9lid}tö bcflagte er fc^merjticbcr, alö fo manchen Xag o^nc gute liöüdjcr jubringen ju müffen.

®ei allem fReic^t^um feineö äöiffcnS unb aller Ueberlcgcn* l)cit feiner @infid)t l^attc SKutian eine ?lbneigung gegen ©d^rift» ftellcrci. 33riefe fdjrieb er gern unb Diele, unb eine beträd)tlici^e Sln^abl ift un«, ^um Xl)eil noc^ ungebrueft, aufbebalten *). SBenn @obanö ©riefe bie l)erj\lic^ften au^ jenen 3ol)ren finb, bie @ro^- mifc^en bie gelel)rteften unb ^ierlid)ften, fo finb bie bc^ ÜÄutian bie geiftreii^ften. ©iömeilen merben fie burc^ Älürje bunfel, nie ermüben fic burd) SBcitfc^meifigfeit, felbft in ben gelehrten ?lb=

1) ®ic meipfn in einem bflnbj(^riftli(^cn ßobej bet franffurter ©tabt» bibtiotbet. ^uS^ttge borau§ in Tentzelii Supplementum Historiac Gotbanae, 1701. ßinjclnc ®riefe oudb in ben oben angeführten ^ameratifdien Samm- lungen. 9Ba§ fub in TOulian’S ®riefen auf iputten bejiebt, b<*t ®5(fing in ben jroei erflen ®änben feiner 'üu§gabe abbrutfen laffen.

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ü}2uitanu§ 9)ufu§.

31

fc^ioei fünften nid)t, in bic fie fi^ ftcUemneife uerüeren. SWanci^* mal t^eilt 3)2utian ben gveunben ein ©pifttamm ober fonft ein {leinet ^oem nic^t o^nc ©elbftftefälliftfeit mit; aber er ift fe^r unftc^alten, menn einer fic^ einfaüen läßt, etloa^ bauon bruefen ju laffen. 33efroftte man i^n über bie @rünbe biefer ^Ibneiftunft ftegen bie 0effcntlid)teit, fo ern)iberte er, feine Sachen feien if)m nie ftut ftcnug, barum moHe er fic^ lieber an ?lnberer 5^l)or^eit ergefeen. @r fanb bebcutfam, baß ©ofrateö nnb ßl)riftuö auc^ nießtö ©c^riftlic^eö bi^terlaffcn l)aben. @r mar überjeugt, ba^ iBefte maö mir miffen tauge für bie SJienge nic^t. 5)a^er fudjte er nie^t, mic (Sraömuö unb fReuc^lin, burc^ gebrudte Schriften auf bad geniifc^te ^ublifum, fonbern burd) münblic^e unb brief* lic^e öele^rung auf einen engeren teiiS ju mirfen. 9lid)tö machte i^m größere J^^wbe, fagt (Samerariuö, alö ju pren, baß junge ikute fieß mit @ifer ben pmaniftifd)cn Stubien mibmeten; unb folc^en pflegte er alle görberung, bie in feinen Ähäftcn ftanb, angebeipn ju laffen, fie gaftfrei, fo menig er auc^ im Ueberfluß lebte, bei fic^ auf^uncpien.

. hinter ber ^omfird)e ju ®otp ftanb fein §au3, ba<S er fic^ nac^ eigenem ©cfdpnacf eingerichtet hatte. Ueber bem (Sin* gange fah man auf einer fleinen Xafel bie Snfehrift: BEATA TRANQVILLITAS. SllcJ ©cgenftücf hatte er einft, alö i()m gelungen mar fid) auö bem hcffifdjcn ^ienftc loiS^umad)en, auf bie Xl)üre feiner Ä^an^^lei bie Sorte gefdjdeben: VALETE SOLLICITVDINES. Deffnete fid) bie Pforte, fo lub eine jmeite Snfehrift: BONIS CVNCTA PATEANT, jur ©elbftprüfung ein, ob man au^ foldjcn mürbig fei. Wn ben Sänben

ber fah nian bie Sappen erprobt gefunbener greunbe:

ben ©torch ©palatin'ö, beö Srotuö riemenumrnunbene ^örner, ®oban’^ Dom Sorbcerftrauch in bie Sollen fteigenben 0chman. Sn bem ^auehc^^*' l^at bem Slnfömmliug bie ebelfte 9J?anneö- unb ©reifcngcftalt entgegen; fein ^Benehmen auö Sürbe unb greunblichleit gemifd)t, fein ©efpräch uoH gebiegenen SiffenS, reifer (Sinficht unb anmuthigen ©cherje^.

Saren bie jungen fieute, bie oon (Srfurt il)n ,^u befugen lomen, burch il)rc afabemifchen 2cl)rcr mit ben gönnen bed §Uter^ thumd belannt gemacht, mit einem ®orrothe uon ^h^afen unb mpthologifchen ©Übern für ihre eigenen ©tilübungen auögeftattct

32

I. »ud^. 2. ifa|)itcl.

tüorbcn, fo fud^tc 5IWutian fic in bcn ©cift unb 0inn bcr Slltcn cin,vifüt)rcn. (Sbcufo tuar it)m in bcr äidit^ion um ein tiefered SSerftnnbniS 0einc junc^cn greunbe tbcild^u prüfen, tbcild

förbern, Ic^te er it)nen bidiucilcn ^lufgabcn üor, halb ^ur äugen« bHdlid)cn fiöfung, halb jur fd)riftlid)cn ^ludarbeitung, bic er nod^« t)er ücrbcffertc. So b^ttten fic einmal bcr 9flell)e noch 3Serfe auf bcn üerftorbenen ^id)tcr ilonrab (Seltid 511 mod)cn. @in anber« mal gab er feinem §cinricb Urban auf, ctmad ^um Sobe bcr Vlrmutl) ju fd)rcibcn; bem Spalatin aber legte er bie gragc öor: menn boeb adein bcr 2S3cg, bic SS3at)rl)cit unb bad Seben

fei, mie beim fo oielc l)unbcrt Sa^re oor feiner (>icburt bie 9Äen« fdjcn baran gciocfen? ob fic an bcr 2Bal)rl)eit unb bem §cile gar feinen §(ntf)cil gehabt b^^ben? (Sr looüc il)m einen gingcr5cig ^ur ßöfung geben, febrieb er ibm bann. SDie ^Religion ©brifti b^t nicht erft mit feiner a}^cnfcbiuerbung angefangen, fonbern fic ift fo alt old bic SSelt, ald feine Geburt and bem Sater. ^enn luad ift bcr mabte ßb^fi^^» ^cr cigcntlicbc Sobn ©otted, Sin« bered ald, mic ^^aulnd fagt, bie Söcidbeit C^Jotted, mit tücld)er er nidjt allein bcn Snben in einer engen fprifeben Sanbfdjaft beimobnte, fonbern and) ben ®ried)en, bcn S^ömern unb ^eutfdjen, fo Der« fd)ieben auch ib^c rcligiöfcn (^cbräud)c maren.

Slueb über bie ibibel, indbefonbere bic (Soangelicn , b^Uc a)hitian l)<^dc S3lide, bie fiel) aber jum Xl)cil mit mnnberlid)cn (grillen mifebten. iöon bem Unterfd)icbc ejoterifeber unb efoteri« fd)cr £el)rart audgebenb, meint er, bic S^erfaffer bcr eoangelifdbcn ©cfcbicbtc böben manebed ©cbeimnifj in Oiätbfcl unb (SJleicbniffe cingcbüllt. iBic Slpulcjud unb Slcfop fabeln, fo aueb bie b«-’iüüc Seprift ber guben. ®al)in reepnet er bad iöueb $iob, babin bic ÖJcfcbidjte bed gonad, bereu SBunber er bureb bic Slndfunft löft, ber SEÖalfifd) fei ein 33ab mit einem folcben Sdjilbc, ber Äiürbid ober ein iöabcbut geiucfcn. ^ad ift läcberlid), fept er felbft binju. ®ocb icb b^be noep fpaßb^iftcrc ^ingc, bic auf Sateinifeb sacramenta, ©ricebifeb SD^pftcrien l^on benen iep nidjtd

fagen merbc. 2)al)in gepört auep bic Slcußcrung SJ^utian’d, in ber aWeinung bcr Sdhipammcbaner, baß Spriftud nid)t felbft ge« freu^igt loorbcn fei, fonbern einer, bcr ipm äpnlicp gefepen, fteefe eine gepeime SBcidpcit. 3'oar beutet er cd ;^unäd)ft auf Sprifti Stiüfdjiueigcn oor ^ilatud, ba bed SÜtenfdpen loapred 3cp bic Seele

V

9Ruttanu§ 9tufu§. 83

fct, lueld^e burd^.baS SCBort fid) funbgcbc: bod) bel^ält er offenbar bie ^auptfac^e noc^ ^urüd, benn er brid)t mit ben Söortcn ab, er molle ^ier nid)t aiiöfagen, ma§ ©e^cimnig bleiben müffe.

mar etmaö S^lcnplatonifc^eö in ben Sbeen biefer ^uma^ niften, baig fie mit il)rcn Sprad)fcnntniffen in Stalien gel)olt bitten, mo Ü)2utian in^befonbere and) mit bem ©rafen ^icuö oon Wu ranbula in S3ejie()ung getreten mar. ift nur ©in ©ott, febreibt er feinem Urban ein anbermal, unb ©ine ©öttin. ^ber e^ finb oiele ©eftaltcn unb Diele ^tarnen: 3«piter, ©ol, 5lpoIIo, SKüfcä, ©briftuS, Suna, ©ereö, ^roferpina, Xelluö, Üßaria. Hber büte bicb, ba^ au^jubreiten. 2Wan mug in ©cbmeigen büßen, mie ©leufinifebe ü^pfterien. 3n ©acben ber ^Religion muß man fteb ber 2)ede Don fabeln unb 9tätbfcln bebienen. ®u, mit 3u^ piter’3, b. b- be§ beften unb größten ©otteö, ©nabe, oerad)te ftißc bie fleinen ©ötter. Söenn id) Jupiter fage, meine icb ©b^^f^w^ unb ben mabren ©ott. 2)ocb genug Don biefen afl,^u hoben 3)ingen.

SBie bem SDhitian Don biefer mobl nod) etma^ nebeligen $öbe berob baö bamalige iiird)enmefen erfd)ienen fein möge, läßt fid) benten. ®en IRod, feßreibt er, unb ben ^-öart unb bie Sor*= baut (©brifti) Dereßrc id) nid)t: id) Dereßrc ben Icbenbigen ©ott, ber meber 9lod nod^ 33art trägt, aueß feine SBorßaut auf ber ©rbe jurüdgelaffen ßat. i)k goftenfpeifen nannte er Xßorenfpeifen, bie '^cttelmöncße futtentragenbe Untßiere; Dermarf bie Dßrenbeicßte, bie ©celenmeffen; bie ©tunben, bie er mit bem ?lltarbienftc braeßte, betracßtetc er alö oerlorcnc ßeit. 3n feinem $aufe mar eö, mo ©rotu^ feine fd)ärfften SBißc in biefer ?Ricbtung lo<^ließ, mo er bie SRcffe eine Äomöbie, bie 9leliquien Änodßcn Dom [Ra- benftein, ben ^oragefang in ber ^iireße ein §unbegeßeul, in ben Käufern ber 3)omberren ein ©ummen iiicßt Don 53ienen, fonberu Don foulen ^roßnen nannte, ©an^ im ©efeßmaefe beö ©rotu^ mar ßinmieberum, menn ßJiutian am äJ^ogbalencntage über biefe magna lena fid) aUerßanb ©d)er/^e erlaubte.

®ocß ed mar fcineömegö bloö biefeö ilritifcßc ober aueß ^ßilologifcße, überhaupt nießt ein bloßeö [löiffen, maö Sß^ution in feinen jungen greunben 511 pflanzen fueßte. Söir manbeln, ffßreibt er, einen engen unb fteilen [pfab: eng, meil nur menige mit unö naeß befferem SSiffen unb milberen ©itten ftreben; fteil, fofern ^ur i^enntniß ber lateinifcßen ©prad)e, unb, maö bamit

VIL ^ 3

34

I. 2.

jufammcn^öngt, bcm ipa^ren ®ute bcr ©ccle, 9liemanb ol^ne 9Jiüf)e gelangen fann. Sßir ftreben nac^ @ercd)tigfeit, ÜKafeigfeit, ©ebulb, @intrac^t, SBabr^eit unb cinmütl)iger greunbfc^aft. ber übte 9Kutlan über bie ibm uerbunbcnen Sünglinge moralifcb faft noch mehr aU tniffenfcbaftlicb eine 3“cbt- Seine

(Srmabnung^briefe an ben talentüoUen unb fenntnigreicben, aber eiteln, anmagenben unb auöfcbnjeiienbcn jungen fRecbtögelebrtcu ^erborb uon ber 3Kartben finb üoll reifer fittlicbcr SBci^beit, bic ftcb nicht feiten in äebt ©ofratifd)e 3tonie bwöt. (£r bulbetc Ecine ©ntjiueiungen unter ben jungen fieuten, bic ficb ju il)ni hielten, ©einen Xabel burften fie ihm nid)t übel nehmen. 3ch meig euch ^u fchelten, fchreibt er, unb euch uerjeihen. 3h^ fönnt mich nidjt beleibigcn, aU menn ihr mir nicht folgen moUt, tüo ich euch sum S^lechtcn anmeife. Sßäre euer ©inn rein, fo mürbet ihr mir noch banfen, bag ich ^wd) jure^tmeife. @in fo überlegene^ Söefen hielt bie 3ünglinge mie ein ßauber feft. SEöenn 2Wutian etmaö höben miü, fchreibt ^eter ©bcrbach an iReud)lin, fo ift fein Sßunfdh für mich ein 3ö?öitg. 3n ben humaniftifd)en Ähcifen fprach man üon einer „aJiutianifd)cn ©chaar", unb fie mar uidjt ber unbeträchtlidjfte Xl)eil bcö „lateinifdjcn §eereö".

X>ie greunbe bcö gortfehrittö hatten aber auch allen @runb, fid) gegen bie Slnhängcr bcö eilten feft jufammenjufchliegen. ®enn bereite mar bcr Scrbacht gegen fie ak gefährliche grei= geifter rege gemorben. @r ift ein ^J3oet, er fpricht @ricd)ifch, alfo ficht c^ fchlecht um fein C^heiftenthum, hieß c$. $oet galt in fird)lichcn Greifen für ein ©chimpfmort, baö man nidjt auf fid) fthen laffen mochte; c$ mar eine Sraubmarfc, mic heut §u ^age ^Pantheift ober SKatcrialift. ^octen oerberben bie Unioerfitäten, fagten bie alten Herren; ja man moUtc fie gar uid)t für gute ^cutfehe gelten taffen, fonbern nannte fie Böhmen unb SBalen. Huch ^h^^afophen l)ie6 man fie, aber in gleich l)^uiifd)cm ©innc. S^tatürlid) fehlte babei oon ©eiten bcr frommen SWänner nicht an Umtrieben aller Hrt, bic @eha§tcn unb befürchteten nirgenb^ anfommen ju laffen. SScr fann noch glauben, fchreibt in biefer ^ejichung ÜKutian, ba§ biefc Pfaffen bic mahrc ^Religion unb ein ehrliche^ bemiffen haben? Um mie oict heiliger finb ba bie poetifchen ÜRcnfchcn, bic menigftenö S^iemanben burch oerborgene Äunftgriffc ju fehaben fuchen. 3a, mit noch tieferer geinbfelig*

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^RutianuS SiufuS.

35

feit fügt er einmal: ®ie X^eologcn feigen unö l)offcn, um unS 5u betrügen; mö^renb mir auf beu §immcl warten, ben fie un^ oerfprcc^cn, eignen fie fi^ bie irbifc^en @üter ju.

2)ag äJtutian, wie auf @oban unb 0palatin, auf $eter (Sberbac^, @uriciuö Sorbuö u. 21., bie ju uerfc^icbenen ßeiten bei i^m auö' unb eingingen, fo auc^ auf ben jungen Ulrich Jütten (ginbruef gemad^t unb (Sinmirfung au^geübt b^^t, Wiffen mir auö beffen eigenem Unmeit (Erfurt, fagt er in ber

Don unö fd)on oft angeführten, fünf ^a^re nach biefer ßcit 9^^ febriebenen Slegie, lebt IRufuö frieblid} nur ficb fclbft, ob er mobl feinem ju meicben, feinen Äampf ju febeuen nötbig b^tte.

fragt ^rotuS um 9tat^, unb ^effuS ermöI^U il^n }um ^ü^rer :

Wir auch tl<^t gar oft feine Sele^rung genügt*).

ÜJ^utian feinerfeitö bemunberte §utten'ö Talent; aber fein ungc^ ftümed geuer, feine Sieijbarfeit, maren bem Siiebbaber ber beata tranquillitas unbeimlicb- 5)abcr b^ttc fid) Jütten in ber golge mebrmabs über bic ©d^mcigfamfeit be^ ocrebrten 2)tanneö, mit bem er gern fleißig Briefe gcmecbfclt büttc, ju beflagen. Ueber:= baupt Oor ben $octen im engeren 0inne, ben 2)icbtern oom §anbs merf, feblug ÜJtutian boeb bii^ wnb mieber ba^ Äreu^. gb^^c ©clbftgefälligfeit mißfiel ibm, unb baß fie ficb nidjtö fagen laffen mollten. (Soban febien ibm noch ber beftc §u fein, ber nur bureb feine milbe Xrinflaune bem mürbigen 2llten bi^meilen unbequem mürbe.

2Ber fonft nod) ju ^utten'ö erfurtcr greife gebörte, ift nicht ficber, auf feinen gall oollftäubig befannt. (5r fagt, mit allen ^octen, mclcbc bamalö am Orte gemefen, fei er in Serbin* bung gefommen. S^tambaft aber macht er (eben in jener @lcgic) außer Srotuö unb @oban nur noch einen Xemoniuö, ber mit munberbarem ©rfolge bic gleichen 0tubien treibe unb mit nid)t geringem Xalente begabt fei. ^n ihn b^il ^^web @oban al3 el)c* maligen ©tiibiengenoffen brei ©ebiebte geridjtct, auö benen mir erfeben, baß er auö Xbüringen gebürtig mar, unb fpöter eine IReifc nach Som gemacht b^^l- |)utten nid)t, mic früher (Srotuö, in @rfurt auch ßutber fennen lernte, ift natürlich, ba Suther bamaU bereite in beug iäofter getreten mar. Son langer

1) Quercl. II, 10, v. 89 94. S^l’^iften III, S. 70.

I. ^u(^. 2. Uaptid.

36

»

kalter übrigen^ luar auc^ biefer erfurter ^ufent^alt |)uttcn'ö uic^t. X)cu 2öintcr üou 1505 auf 1506 Ijattc er in Ai bin juge- brac^t, ben Sommer bcw lotteren in Erfurt, untr im

barauffolgcnbcn iöintcr finbcii mir il)u auf ber neueröffneten Uniücrfität ju granffurt au ber Cber, mo^in ber iljm oermutt)= lid) fd)on oon ilölu b'-'t inertbc 2cbrcr fR^ngius ^leflicampianuö if)m oorangegangen mar. 3n einem nod) 1506 gefd)ricbenen, menn aud} erft im 3ni)re barauf gebrudten ©ebic^te bcflagt @oban ben beuorftebenben §(bgang feinet ^cr^euöfrcunbeö Jütten nach granffurt, unb biefer fclbft bot ber im gebruar 1507 er^* fd)icncnen Sefebreibung ber gcftlidjtcitcu jur ©inmeibung ber neuen Uniücrfität ein Ülcbidjt beigegeben, auf beffen Xitel er fid) einen Sd)üler be*^ 3nbnnn Üibngin^ ^lefticampianuij nennt.

3n feinen SJ^arten eine Unioerfität ju grünben, bntte fdjon fturfürft 3nbnnn (Sicero beabfidjtigt; fein Sobn unb^3^ad)fülger, 3oad)im L, oon feinem Sebrer, Xietrid) Don iöülom, 33ifcbof oon fiebuv, unb feinem S^atbc, (Sitelmolf uom Stein, ermuntert, führte ben ©ebanfen au», unb am 26. ^tprit 1506 mürbe bie neue ^n^ ftalt feierlid) eröffnet. X)er genannte Xietricb oon iöülom mar it)r Ä'nnjler ober donferoator, »Honrab S33impina, ber fid) bernad) aU dJegner 2utber’i? befannt gemad)t bnt, ibr erfter ^Rector, 3o= bannet Sinbbo^ ber erfte Xecan ber pbilofopbifd)en gacultät, ^ubliuö ®igitantiU‘3 33aciIIanii‘:5 ^li'ungia mirb aU ber i^uerft berufene ober am Orte befinblidjc ^rofeffor genannt, iiebterer, ben ditelmolf Dom Stein ben berebteften Xeutfeben nannte, ben er nie genug bören fönne, mie ber oon ditelmolf gleid)faüö boeb' gefdjäbte fRbagiu«?, mögen auf fein 'betreiben berufen morben fein, ^ilußer ihnen lehrte nod) .germann Xrebcliuö an ber Unioerfität, ben Jütten feinen fianb^mann nennt, mäbrenb er felbft ficb halb al^ Notianus (Surminb?), halb ale^ Isenacensis be^eidjnet. 3Rit ihm mar $utten sugleicb burd) greunbfd)aft Oerbunben; aber aud) 3^igilantiuö muß il)ni febr gut gemefen fein, mie mir aue ber SiJärme feben, momit beibe 3Ränner einige g^b^e fpäter bei einer Unbill, bie ihrem ehemaligen Schüler miberful)r, fid) beffelben angenommen hoben. Xrebeliuö mar zugleich ber gübrer jmeier jungen pommerifeben dbelleute, 3ol)onn unb Sllejanber oon ber Dften, bie, mie fo oiele bamal^, mit bem fRccbtigftubium baö ber .^nmanitäti?miffenfcbaften oerbanben, mit Jütten fomobb oB bem

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Jütten in tVrQiif|urt a. b. O.

37

crfurtifc^en uitb fpäter bcm tüittcnbcrgifd^cn Greife in enge SJer» binbung traten, unb an bcm Ä^antpfc mit ben frf)ülaftifd)cn ^)un* fclmänncrn ben Icb^afteften 3(nt()cil nahmen. §(udj noc^ mit einem anbern $ommcr, SSalentin 0toicntin, ber bamalö unter feine 0tubicngenüffcn granffurt i\äf)ltc, mar .§utten in greunb* fc^aft unb iörübcrfdjaft ücrbunbcn.

gür §uttcir-5 Uutcrl)alt mag jept außer feinen fd)on gc^ nannten beiben Spettern, üicHcid)t auf (Sitclmolf’d ©mpfcplung, and) ber junge aj^arfgraf aUbrcc^t üon S^ranbenburg ctmaö ge= tßan ßaben, ba |)uttcn Üjm in ber gotge nac^rü^mtc, er pabc it)n, fd)on ct)c er (Srjbifdjof unb Garbinal gemorben, untcrftil^t. 3(ud) ber '-öifdjof üon Sebuö crmicö fid), ^uttcn’iS jpätercr Söers fid)crung feinen uäterlidjcn ©onucr, unb naßm it)ii

gegen ben .§aß ber unmiffenben ©ienge (uon bcm mir nidjt miffen, mobureß er fid) bcnfclbcn ^ugejogen ßatte) in 0d)u^.

®cm ^erfommen nad) mar c^ jept nießt mebr /^u früf)e für |)uttcn, ben unterften ÖJrab bei ber atrtifteufacultät, ben cincö '^accataureuö,* ju ermerben. 5tber er ftelltc fpäter nad)brilcflicß in atbrebe, jemaU 2)octor, a}^lgifter ober 33accalaureu^ gemorben ,^u fein. Unb bod) ift er bamals in granffurt iöaccataureu^ ge^ morben; ber eben genannte fiinbbol^^ ßat U)u alö ben oierten mäf)renb feinet ^ecamiti^ promooirt*). ^ie fpätere aibleugnung ift tenben^iöö. Xie afabemifdjcu Oirabe mürben üon ben ^uma* niften at^ ©tüde be^^ atpparati^ ber alten ©d)olaftif üerad)tet. 3n ben ^unfelmännerbriefcn ift nießt bie leptc Vlnflage gegen bie ^oeten, baß fie ißre ainl)anger unter ben ©tubenten abßaU ten, jene ÖJrabe ju ermerben. aBeiin §utten in ber golge alö .f)umanift felbft bie geringfte biefer 2Bürbcn üon fid) ablc^ntc, fo mar cd ber tieffte (^rab üon (%ringfd)äpung, bie er biefem gan* ,^cn alten Söefen bezeigen mollte.

3n granffurt fc^eiiit c^ §utten bod) etmaö länger alä in Äöln unb Erfurt, nämlid) ein gan^eö 3nf)r, gefallen ^u ßaben. aiber lönger geßel eei mm feinem Beßrer fRßagiusi bafelbft nid)t. ®ie neue 5od)fd)ule an ber Cber patte halb üon Einfang eine

1) J^utten in ber ®otrcbe jum Nemo, S(^riften 1, 6. 180. SqI. Epiet. obscuror. viror., J, 14. Wogegen bo8 3fügnift quS liecmanni Notit. uni- vers. Fraucof., ©(^riften I, S. 5 f.

38

I. %u(^. 2. Kapitel.

Sflid^tung cinflcfd)lagcn, btc ben 'Slbfid^ten bcö 2)?anneö, ber il^rcr ©rünbung uov allen mitgciüirft l)attc, iuenig entfprad^. 9Äcbr alö einmal geftanb in ber golge, mic $uttcn berid)tct, ©itelmolf Dom <Stcin, er bereue biefe SJiitmirfung, ba er fe^cn müffe, lüie bie neue Uniücrfität, ftatt, feiner Slbfidjt nad^, mit ^umaniftiW gebilbeten 2Jtännern, mit unroiffenben 9)?enfd)cn uom alten ©erläge befefet fei. 3^^*^ Xrcbeliuö unb S^igilantiuö blie- ben noc^; aber iR^agiuö manbte fic^ nac^ Scip.vg, unb i^m 50g Jütten noc^ einmal nac^. 3n ber leipziger Uniüerfitätömatritcl üom SBinterfemefter 1507 auf 1508 finben mir alö erften ber mciSnifc^en S^tation ben ^rofeffor ber S^lcbehinft unb gefrönten ^octen Slefticampiannö, bann in ber 9)7itte ber bairifd^cn Station Ulrich Jütten aud 35ud)cn eingetragen. Scibe erlegen bie ^öd)fte ©ebübr üon 10 @r. ; ein iBemei-^, bag ^uttcn'ö öfonomifd^e Um^ ftänbe bamalö nic^t übel maren*). 3n bem glcid^en ^albja^re mürbe ber fc^on 1500 immatriculirte Sßeit SScrlcr 3J^agifter, ber fpäter feinem bamaligcn Stubiengenoffen ben fc^önen fltad^ruf mibmetc, Pon bem mir nur aUjufrii^c ju reben l)abcn merben. fRad} i^m ^ätte ber junge Öaccalaureuö in Scipjig auc^ mit ©ei* fall gelefen; mofür jeboe^ in ben UniucrfitätiSacten fein 33eleg ju finben ift.

3n biefe Qdt nun, in ^uttcn'ö 18.— 19. 3a^r, faden 5mar fdpücrlic^ bic erften poetifc^cn Sßcrfudjc, bie er gcmad)t ^at, aber bie erften, bie un^ aufbel)alten finb. @0 finb il)rer Pier: eine (Slegie an (Soban, bie er nocl) in Erfurt, ein fiobgebic^t auf bie ajtarf, ba^ er in granffurt, mutf)ma6lid) im 3al)ie 1506, fd^rieb, ein paar fiobPerfe, bie er ju feinet fie^rerö 9tl)agiu§ 1507 ge^ bruefter ©pigrammcnfammlung gab, unb eine poctifdje @nnal)= uung 5ur Xugenb, melc^e er ber Pon ebenbemfelben beforgteii unb im gleichen 3abre gebrudten SluiSgabe ber Xafel beg Sebcö beifügte *). 0ämmtlic^ alfo f leinere 53eigaben ju größeren 0djriftcn ppn greunben unb !ile^rern, mie fie in jenen ßciten üblich maren: bie erfte Pon 18, bie jmeite Pon 20, bie britte Pon 7, bie pierte Pon 28 2)iftid)en. 3n aden geigt fic^ im lateinifc^en Sluöbrucf

1) 8b<nbaj., 6. 8.

2) $on btejen (Sfbid^ten ift baS erfte in ber 95d(ing’f(!^rn Ausgabe 1, 3 f., bie brei anbern III, 6. 5—10 unb 563 abgebnuft.

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)^utlen’§ crfie ^)i(l(|tun0fn.

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unb Sßcr^bau eine bübfe^e gertigfeit. J^ärtcu, Ungcfd^icflid^f eiten fehlen nid)t, aber fte fommen gegen ben SBobHaut unb ging bc§ ©QUi^en faum in Setrad^t. Sßon claffifcben ^tarnen unb Söci:^ fpielen fte()t bem jungen Poeten ein erflccflicber SSorrotb ju @e= bote. 5)er ©ebanfengang enttuicfelt fd^icflic^, obroobl o^ne ftrengc ^iöpofition. alle finb noi^ @d)ülerarbeiten, mehr

ober minber auö fremben ©ebanfen unb Söenbungen sufammens gefegt; baä eigentbümlic^e ©epräge öon |)utten’ö ©eifte trögt noch feinö berfelben.

Sflacb allen ©eiten boltc berSüngling feine ßebrjabrc U)ol)l benupt: um aber 5um 2Kanne, jum fKeifter beran^ureifen, b^tte er erft bie SBanberjabre anjutreten, mußte ber SBiberftanb beö Sebent bie ganje ^aft feinet ©eifteS unb SBillenö jum 33emußt= fein bringen unb in

40

Drittes Äapitcl.

^attberuttgen uttb ^Benteiter in |>eutf($r<inb.

1509 1512.

glitten tuar, lüic unö fc^ou biö()cr nid)t cutflanflcu ift, ein unruhiger @cift. Sßanberluft lag tief in feiner 9iatur. @ie lag and) in ber Qdt, unb Oefonber^ in ber ©eifteöric^tung, ber er fid) frü^jeitig angefd)loffen l)atte. ^ie „fal)renben ©djüler" bc^S anögel)enben ^iJ^ittelalterö finb befannt. Unter ben bentfe^en maniften jener 3of)re luaren bie C£eltiö,'9tl)aginv?, 33nfd), eigent^ lidje SSanberlel)rer. 33ei Jütten fam ber praftifd)e ßug feiner 9latur ba5u. @r f)oUc baö iöebürfnig, bie SBelt nid)t bloö anö iönc^ern fennen ju lernen, ©täbte unb Sänber ^n fel)en, 2J^en:= fc^en aller 2(rt ju beobad)ten, fic^ unter i^nen um;\ntreiben, mit il)nen 5U meffen, baju empfanb er einen unmiberftel)lid)en Xrieb. 0elbft bie SSermief hingen, ©türme, (^efaljren einest foldjen 2ebene' reiften i^n alö ein fül^neö ©piel, beffen ©eminn il)n lodte, ol)ne bag ber möglid)e SSerluft beö ©infageö if)n fd)reden fonnte. @r l)atte auc^ @^rgeij. @r moUte etmo^S bebeuten in ber SBclt: ba fal) er mol)l, bafe er fid^ mit il)r einlaffen müffe. SBasJ einem 9)iutian glüdfeligc 9iul)e mar, erfc^ien iljm alö tröge 2)unfell^eit, üon ber er nid)t!& miffen molltc.

3Jht ©elbftgefül)! fpric^t Jütten mel)r ab3 einmal uon bie* fern 2)range. SBö^renb anbere bie lieben ©Itern unb bie ^eimifc^c ^djüllc nic^t uerlaffen mögen, l)abe er baö bel)aglidje ßeben, baö er bal)eim Ijötte führen fönnen, bem SBunfd)c geopfert, frembe ßönber 5U bef liefen, um felbft etma^ j^u merben unb burc^ X^aten feinem 9tamen 2)auer ju oerfdjaffen. ®arin l)abe er ju SSor^

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^utten’S SBanbfruno nac^ bem tRorben.

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bilbern bic lueifeftcn SKämtcr bcr alten Söcit, einen ^tjtba^oraö unb ipiatü. Unb \m^ beim and) für einen frifd)en jungen 3)2en= fc^cn mct)t fReij ^aben fönnc? befennt er, tnobne nirgenb^ lieber alö überall, meine ^cimat^ ift allerorten '). mar ctmaö tjom fa^renben IRittcr in Ulrich §uttcn.

©0 litt il)n benn, nac^bcin er fie oft genug gemed)fclt, überhaupt auf ben afabcmifd)cn Sänfen nidbt länger mel)r. SBic lange nod), miffen mir freilid) nid^t genau, gür ba<S Sßinters femefter 1507 auf 1508 ^attc er in Seip^ig inferibirt. 3m ©pöt* fommer 1509 treibt er Iran! unb mittellos an bic pommerfc^c Äüftc. Unb in einem ©cbic^tc oom folgenbcn grü^ling rcd)nct er bereits ein 3a^r, bag er für bic greunbe ba^cim ocrfc^oUcn fei®). ^Ifo fc^cint er fpäteftens im grü^ling 1509 ßeipj^ig Oer* laffen unb feine Steife in ben Storben angetreten jn b^^ben. SöaS ibn aber babin fül)rtc, maS er auf ber Dftfce molltc, barüber gibt cS nur Sermutl)ungcn, bereu mir uns, mo fie auf feinem feften iiöoben beruben, am liebften cntfcblagcn. ^ic ingranffurt gcfcbloffcnc Scfanntfd)aft mit ben jungen ^^ommern, oon benen jmei noch bafelbft mciltcn, unb nur einer (SSal. ©toientin) oieU leiebt febon bamals in feine ^leimatl) ^urüdging ober ^urüdge* gangen mar, reichte boeb für fid) fdpoerlid) bio» Steifeluft ^uttcn’S gerabe biefe Stiebtung j^u geben.

Sbenfo menig, mic über bie 33emeggrünbe, miffen mir über bic ©tationen unb bic cini^clncn Jöegcbcnbcitcn biefer unglücf^ lieben Steife, bis ,^u bem Übeln ?luSgang bcr gabrt auf bcr Dftfec. Unb fcltfam, nud) biefer ©ecfabrt gebenft ,§utten fclbft nicht ausbrüeflieb , fonbern nur beS mannigfadjen Ungemachs einer SBanberung ;^u Sanbe, mclcbe auf biefen Unfall folgte. Soaebim SJabian ift eS, ber ,poci 3al)re fpötcr bcrid)tet, mie Ratten ^u ihm unb anberen greunben nach SBien gefommen unb oon ihnen als oiclgeprüftcr UlpffeS mit SluS^cidjnung empfangen * morben fei. Sluf ihr S^crlangcn er ihnen bann bie ^Ibcnteuer feiner Steife ber Crbnung nach cr^öblt, mic er auf bem bcutfdjcn Ocean,

1) S)iejc Sctbpbffenninilje finben in t)cr|d)iebcnfn Stellen bcr

Ouercten, t^eilS in ^utten’§ firo^em SBriefe an ^irtf^eimer über jeinen ße* benSpIon, jene im 3., biejer im 1. 99onbe ber SörfinQ’jc^en ?lu80Qbe. 53on bei* ben ©(^rijten unten on i^rem Orte.

2) Querei. II, Eleg. ü. ad Crotum^iib. v. 9 f. ©t^rijten III, >5. 54.

A

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42

I. ^ud^. 3. PapUet.

bcu er bcrül)vt, bic Sßut)^ ber 0c^lla erfahren l^abc, fofort am näd)ftcn Ufer in bie §änbe ber S^flopcn gefallen fei u. f. tu. 0b nun tüol)l in biefer ^arfteünng Sßabian'ö auc^ ineitcr^in SJianc^cg augenfd)einlid^ in bie gönnen ber 0bl)ffee gegoffen ift, fo bürfen U)ir bod) ni(^t fo toeit ge^en, auc^ toaö oon bem Unfall jur 0ee gefagt wirb, bloö für eine ber ^omerifdjen ^arobie julieb oorge^ nommenc (Sintleibung ju galten: um fo weniger, ba Jütten felbft um jene ßeit, wenn and) nur poetifc^ unb im Allgemeinen, neben ben ©efa^ren Öanbe auc^ oon folc^en ju SBaffer fprid^t, bie er biird^gemac^t §abe ^). SBorin nun aber biefer Unfall beftanb, ob nur in einem ©türm, ober ob baä ©d^iff ftranbete u. f. f., wiffen wir wieber nic^t.

ift eine fläglic^c ©eftalt, in weld^er unfer junger ^R{U ter^mann am Ufer ber 0ftfee uu!§ wieber begegnet. @r war gänj^ lid) mittellos, nnb überbieg fc^wer franf. @r bettelte fid) bur^ ba^ Sonb, flopfte an arme SÖauergütten um ein ©tüd 93rot unb ein iRacgtlager, mugte aber megr al§ einmal, abgewiefen, im greien ben garten löoben jum ^fügle negmen. Umwege 5U maegen, um nad^ ber ©itte fagrenber ©tubiofen bei @elegrten Unterfd)leif unb ßegrung 5U fuegen, oerboten igm unabläffig geg erneuernbe ilranfgeitöanfölle. ©0 fegilbert er halb naegger in ben fd)on oft angefügrten Älaggebicgten feine bamalige Sage; Wägrcnb mitten auö berfelben geraut ein paar 33erfe an Xrebeliuö ge» fd)rieben finb, bie biefer im grügling 1509 einem S3udg @pi» gramme beibruden lieg. §ier wirb buregauS baö unrugüolle fümmerltcge Seben, baö §utten in ber grembe j^u fügren gat, fein ^am^f um bie 9tagrung, feine 9lotg mit unfiegerer Siebe, bem geimatg liegen unb göuälidgen Segagen beö greunbeö entge» gengeftellt^).

3ene tonfgeit befegreibt §utten im folgenben 3ogre, wo fie noeg immer fortbauerte, aU ein oiertägigeö gieber, baö ign aufö äugerfte gefcgwöd}t unb abgemagert gatte, in löerbinbung mit einer ober megreren eiternben SBunben. gragen wir: wo» ger bie Söunben? fo fpriegt Jütten Oon einer garftigen ©eud)e.

1) Sabion’S '®rict an CfoIUmitiuS f. in ^uttcn’S ©d^riften I, S. 22 f. $utien’§ ©ebid^t ebenbaj. III, 6. 159.

2) ©(griften I, ©. 8 f.

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Jütten in @reif§U}an>. ^te Cö^e.

43

on ber er (im Sci^rc 1510) fc^on feit ^mei Sagten leibe, unb bic, ftatt abjune^men, immer Ijefticjcr mcrbc. Sin mclc^cr SiranN beit Jütten fpäter litt, ift befannt. (Sö ift mie bie Äc^rfeitc feiner begeifterten Xl)ätigfeit für bie Sbeen ber 9teii,^eit, bog er an ber cigcntl)ümlicbcn ?ßcft biefer mobernen erften litt unb ©runbe ging. Slui^fübrRd)er über biefen $unft banbeln, merben mir fpäter ©clegenbcit nebmen.

2)iübfclig fcblepptc fid) ber büiPofc unb franfe SBanberer enblid) nad) ©rcifömalb, mo bie ^o^fcbule ibn öciftanb boffen lieg. @r manbte fid) an bie ßebrer bcrfelbcn (bic jmar fämmts lieb nur befebeibene Siebter maren): unb mirflieb febneb ibn ber IRector, ^rof. jur. §cinrieb Suefom, in Slnbctracbt feiner gänj' lieben ÜKittellofigfcit, uncntgeltlid) in bie Uniuerfitätömatritel ein. ®in 5)atum ift nicht beigefügt: meil aber Jütten ber üiertlcbte ber im ©ommcrbalbjabr ©ingefebricbenen ift, fo nimmt man mobl nicht mit Unrecht an, bag feine Slnfunft unb ÜWclbung gegen ben ^erbft (1509) bin erfolgt fei^).

S3alb fanb fi^ auch für bie meiteren ©ebürfniffe fRatb- (Jinc ber angefebenften Familien ber ©tabt fd)ien an bem un^» glücflicben Süngling Slntgeil i\u nehmen. Henning Söb, orbent:* lieber ^rofeffor be^ SReebt^, j^ugleid) Äanonifu^ ber SoHegiat^ lirebe ju ©t. 9lifolai unb ©cneralofgcial beö S3ifd)offiJ üon dam- min jmifeben ber ©mine unb ber Ober, nahm ibn in fein ^aug auf. @in reicher 9}^ann; fein Später, Söebeg Söb, mar ©ürger* meiftcr, unb pflegte, oermutblicb alö Kaufmann, bic franffurter aJieffe bejicben. ^er ^rofeffor intcreffirte fid) entmeber mirf^ lieb für ben jungen ^oeten, ober moUte bod) baiS Slnfcbcn baoon haben. (Sr flcibete ihn, mabrfcbeinlicb au^ ben SSorrätben feinet Satcrö, unb ftreeftc ihm @elb oor. Slueb mar bic 33ebanblung Slnfang^J ganj freunblicb; §uttcn fonntc e^ nicht beffer münfeben. SUImöblicb aber änberte ficb bic ©timmung. äJ^an lieg ben @aft im $aufe bie frühere ©efälligleit oermiffen, ber |)audbcrr cr^ febmerte ihm ben bcrrfd)tc ihn mit boebmütbigen Sßorten

an, ober machte ficb njobl aud) über fein f(^öngeiftigeö Xreiben luftig. (Sin greunb, ben §utten mittlcrtocile am Orte ge^ monnen Ulrich 2Ranom, marntc ihn Oor bem SRanne: ben

1) ^uttcn’S ©(^tifien I, S. 9.

44

I. ®U(^. 3. itapilel.

jcboc^ Jütten, tuic er Dcrfirf)crt, burd) Salbung p entmaffnen IjOfftC.

Ratten tair nun nnd^ non ber ßö^'fd)cn ©eite einen Ü8crid)t, tvxc tüir i^n nur aon ber ^nttcn’fc^cn t)aben *), fo tuürbe uns bie SScrgIeid)ung beiber Ujol manches erflärenbe SKittelglieb an bie $anb geben. Jütten tuar jn feiner SebenS baS

ßamni, laie er fid) ^ier barftellt. SBir fönnen nic^t taiffen, ob nic^t and) in bem 53cnct)men beS poetifd^cn 3«nferS manches war, was ben ^rofeffor aerbrießen modjte. Ratten fetbft ftellt ben 3orn beffetben als eine Sfrt aon @iferfnd)t auf feine Ueber^ Iegent)eit an Äcnntniffen bar. 3US einem Snriften aom alten ©ci^lagc fc^eint bem SJiannc l)umaniftifd)c S3ilbung fremb gewefen 5U fein; allein Ijicr fragt fid) eben, ob ber junge $oet fic^ immer entl)alten ^abeu wirb, bie ^löften, bie jener gab, empfinblid) ;^u berühren. SSic fid) bieg aerl)alten b^^ben mag: genug, bie ©ad)c fam fo weit, baß Ratten einfal), baS befte fei, j\u geßen. 9^un wollten aber bie ßö^c erft il)re ^orfd)üffe wicbererftattet l)abcn. ^atte ibnen ber entblößte 9lnfömmling, wie er mit erlaubtem @l)rgefüßle gerne tßat, mand)eS aon ber 2öol)ll)abcnl)eit feines Katers unb feiner S^erwanbten aorgcfproclicn, fo mochten fic bei il)ren ©aben gleich §lnfangS auf @rfap, wohl auch auf reiche @egengefd)enfe, gered)net haben. Ober war eS erft bie feitbem eingetretenc Erbitterung, waS fie ju biefer ^orberung aeranlaßte. Jütten fud)te ihnen begreiflich 511 machen, baß gerabc, wenn eS ihnen um ^c^ahlung ju tl)un, cS baS flügfte fei, ihn pichen ;^u laffen: aielleid)t gelinge eS ihm, anberSwo fein @lüd ^u machen unb fie bann 5U befriebigen; lao/^u il)m h^er bie äliittel immer ' fehlen würben. ÖJefept, baß eS bei biefer (Gelegenheit erft an ben Xag fam, baß .gatten, aon feinem 3Sater aufgegeben, aon biefer ©eite nid)tS ju erwarten l)‘^^c, fo war eine folche Entbeefung Wenig geeignet, bie ©timmung feines SBirtßcS 511 aerbeffern. Enb^ lid), er,^äl)lt er unS, l)flbe biefer feinen SBorftellungen nachgegeben, unb er mit beffen SBiffen unb Söillcn fid) ^ur 5lbreife aorbc^ . reitet. 5lber wir erfahren aon ihm jugleid), baß genning ßö^ fpäter in §lbrebc ftellte, feine Einwilligung gegeben 5U höben.

1) 9läntli(b eben in ben Ouereten ober fflagegebichten, oon benen fo» mehr.

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Äbreife unb Ueberfofl.

45

©'S toax mitten im SBintcr, in ben lebten ^agen bc§ cemberö 1509, atö Jütten (^reifömalb ucrlieg, um nac^ 9toftorf ;\u manbern. ^ic itältc mar ftrcncj, alle äöaffcr, felbft boö 2}ieer an ber Siüftc, gefroren. mar feine itleiniqfcit für ben noc^ feineömcflö non feiner Ärantl)eit (5Jef)eiltcn, in folc^er Sabre^jeit einen SBeg non 12 iDieilen ^u guge ^n rücfju legen : bod) in ber Hoffnung, auf ber mecflenbnrgifcben Uniücrfität eine beffere 21ufs nal)me finben, pilgertc er munter ju. (SJerabe ging er über einen gefronten 0iimpf an einer Söeibcnpflan^nng t*uf

einmal fReiter an« ben iöüfd)en bradjen unb mit brof)enber ©timme if)m ^alt j^uriefen. maren 2ö^'fd)e 2)iener, bie ibm bebrüteten, menig Umftanbe ^u macben, unb ibnen ade« ju geben, ma« er b'ibe. ?ln SBiberftanb mar nicht 511 benfen, fein Bitten unb 5^ebfn mar oergeben«, fie j^ogen ibm bie märrnenben Obers (leiber ab, unb einer fefete ibm, menn er nid)t febmiege, bie gelles barbe auf bie 53ruft. ®er alte Söebeg mollte bie Äleiber jnrüd haben, ju benen er mabrfd)cinlid) ben 3<^ug gegeben. 2lber nicht genug. ^)cr arme SRiifenfobn trug ein fleine« löünbetcbcn, in ba« er, nebft etlichen ^^üd)ern, and) eigene Dichtungen jufammeus gefchnürt hotte. Da« fönne fie bod) nicht reid) machen, meinte er, unb mollte an fid) behalten: and) baö nahmen ihm bie 0d)ergen ab. Unb ^um ©chaben ben ©pott fügenb, trüfteten fie il)n, menn er ben ßenten ein« oorfinge, merben fie ihm fchon onbere iUeiber fd)enfen. ©0 §utten’« eigene poetifche ©r^öhlnng.

§atb nadt manberte er meitcr: in melchcni ^aftanbe er in 9loftocf anfam, lögt fich benfen. 3n einer clenben Verberge fanf er auf ba« ©iechbette, ba Äölte unb iölöge alle feine Uebel ücrfd)limmert hatten. 2/Uttel, fich unb (Srquicfnng ju

oerfchaffen, hatte er feine. 9lad) unb nad) ließ er ben ^rofefforen ber Unioerfität, ließ er oornchnien ©tubirenben Äunbe oon feiner* 9totl), groben feine« Dalent« ^nfommen. 2lnfmerffamfcit, Dl)eiU nähme blieben nicht au«. (Sebert ^arlem, oon feiner nieberlän« bifd)en @ebnrt«ftabt fo genannt, ^rofeffor ber ^hilafophie unb Stegen« ber ©nrfe ^nr ^immelspforte, fueßte ihn auf unb nahm ihn in fein ,gau«. @r lebte al« Sunggcfelle; ein gelehrter unb rcd)tfchaffener ÜJiann, ber aneß anbern außer §utten ßülfreid) mar. Da« mar fein ßöß: feinen @aft ßielt er fo, baß SSabian glitten’« Quartier bei ißm mit bem be« Ulßffe« bei Äalppfo ocr«

46

I. ^«d^. 3.

gleid^cn fonntc. ^ forgtc für 5lrj\nci-unb pflege, unb gab bem SO^ittellofcn @elb in bic §anb. feinem $aufe, an feinem 2^ifcbe, fing glitten an, micbcr aufiulebcn. Slurf) anbcrc fefforcn crmiefcn fid) il)m günftig; ein teiö non (Stubirenben fammcltc fid) um it)n, bencn er fc^önmiffenfd)afüic^c SBorträgc hielt. @r fam orbentlid) in bie SJiobc ju fRoftocf; man hieß ihn nur ben neuen ^oeten; bereite fehien eg ber SU^ühc merth, ih« ju beneiben.

9lun fühlte er fich auch tnieber im Oollen Sefi^e feincg Xalentg. 3a, er fühlte fid) jum crftenmal barin. ®er furje- ßeitraum feit bem Eintritt feiner norbifdjen Dleife mar für ihn reich nn Erfahrungen gemefen. 9J^it smeiunbjman^iig 3al)rcn mar er oom 3üngling jum SJknnc gereift. 2öag aber bag Entfchei^ benbe mar: bie ©pi^c biefer Erfahrungen mar eine empörenbe Unbill, eine offene EJcmaltthat gegen ihn gemefen, bic feine ganje Entrüftung heroorrufen mu§tc nnb suglcid) fein Xalent entbinben foüte. ®ie ^ebamme Oon ^utten'g EJeiftc mar ber ßorn. ©eine SBerfc fteigen an öcbcutung in bem S^erhältnih, alg bic EJegen* ftänbe feineg ßorncg bcbcutenbcr merben, biefer fclbft reiner mirb. SBag §uttcn bie^mal hcroorbrachtc, maren bic Klagen gegen S53cbeg unb Henning fiöp, ober bic Soffier, mic er fie im latci^ nifchen S8erfc nannte*). S)icfc ©chrift nimmt auf ber eben an^ gebeuteten ©tufenleitcr jmar bic unterfte, aber eine mefcntlichc ©teile ein, alg bic erftc, meld)c bag OoHe EJepräge beg §uttcn'fchen EJeifteg trägt, ©eine bigherigen ^crfuchc hüttc aud) ein anberer begabter 3Jinfenfol)n jener Xagc mochen fönnen: bic Querelen gegen bie ßofficr fonntc nur Ulrich §uttcn fchreiben.

5)ic ©d)rift bcftcht aug jjmei 33üd)crn, jebeg oon jehn Elegien, « bic ^nm ^hril t)on größerem Umfange finb. SBorangef^ieft ift.

1) ülrichi Hutteni equestris ordinis poetae in Wedegum Loetz Consulem Gripcsnaldensem in Pomerania et ßlium eins Henningum Vir. Iuris doctorem Querelarum libri duo pro inaigni quadam iniuria sibi ab illis facta, i^inten: Excussa sunt hacc Francophordii cis Oderam per Joannem Hanaw. . . 1510. §uttcn’§ Sd^riften III, S. 19 83 unb I, 6. 10 15. ®gl. Södfing’S Index bibliographicus Huttenianus 9lt. IV, S. 4. S)ic|cr Index toirb öon ^|icr an nid^t mc^ir für jebc Sd^rift §utten’§ bejonberS citirt, jonbrtn dn für onemol, toaS Xitel unb Ausgaben ber ^utten’fd()en SBerle betrifft, ouf benfclben bertoiefen.

i^utten’S j^Iagen gegen bie S5^e.

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Dom lö.Suti (1510) batirt, eine profaifd^e Sueignunti an fed^se^n $rofefforen ber roftoder Uniüerfität, bie fofort norf) jeber ein^\eln in einem i^m befonberö gemibmeten ^ctraftidjon gepriefen merben.

3n ber erften ©iegic fobann, glcic^fam ber Einleitung, flogt ber ®ic^tcr ben ©öttern, in^^befonbere bem leibenöfunbigen ©b^iftnö, fein Unglüd, unb forbert fic ^ur fRoct)e gegen benjenigen auf, ber fo Unmenfc^lic^e^ an il)m üerübt ^abe. 2)ie jrocitc @legic enthält bie (Sjpofition: fie erjäl)lt bie greüelt()at bc^ fioffiuö (facinus Lossii); bie onfc^auli^cn ßüge nuferer obigen ^arfteU lung finb grögtentbcilö au^3 i^r entleljnt. 2)^ britte unb oierte @legie finb §ülfögefuc^e: einö an ben jungen ©rafen ©berftein 511 ^Raugarten, ber bomalg j^u fRoftoef ftubirte, baö anbere an ben SoUegiaten unb ^rofeffor ber $^ilofopf)ic 3oac^im iRigemann gerichtet. finb biefc beiben @ebicl)tc, menn fic

auc^ l)ier oerbeffert erf (feinen mögen, an bie bc^cid)nctcn ^erfonen Don Jütten um bie 3^it flcfdjicft morben, aU er nod) IjülflosS in ber jperberge lag. baö Icgterc menigfteng nic^t o^nc Srfolg loar, fe^en mir auä bem für ^igemann beftimmten Xetraftidjon. 3n ber fünften (Slegie üerflagt ,'putten bie ßö^e bei il)rcm £anbc5l)crrn, bem ©er^^og 3)u§too X., beffen grieben fic gcbrod)en ^aben, unb beffen Wiener fic üicllcid)t bcftcc^cn mö^ten: mobei er Don öatcr unb 0o^n, ai^ fRedjtöücrbrcbcrn, @f)cbrcd)crn u. bgl. ein menig fd)mcic^ell)afte!3 Öilb entmirft unb i^re S5eftrafung forbert. E)ic fcd)ötc Elegie ift baö iöegleitfc^rciben jur oorigen, an ^utten'ö frantfurter Unioerfitötöfrcunb Valentin ©toientin, ber unterbeß 0ccretär be§ §cr^og^ oon ^ommern gemorben mar, nnb nun bei i^rcr alten greunb^ unb 23rübcrfc^aft gebeten mirb, bie Älagfc^rift feinem .^errn 511 übergeben unb bei il)m ju bc^ fürmorten. 3n ber fiebenten @legic fc^ieft ber ^id)tcr feine 2Rufc an feinen SSetter unb S33ol)ltl)ätcr Submig oon §uttcn, mit ber Äunbe oon ber i^m miberfabrenen 2Ri6bnnblung. ®r jeiebnet ibr ben Sßcg Oor, ben fic j^u nebmen l)«^c biö ju beffen 0cblo§ unmeit beö ÜRainö, febilbert bie rittcrlicben Uebungen, morin fic ibn antreffen, bie 2!beilnabme, momit er bie SRaebriebt oon Ulrich’^ Unfall aufnebmen mcrbc. 9JUt ©clbftgcfübl lögt er oon bem b^djangefebenen Setter feine üRufc al^ ben 0tol^ beö ^uttcn'fcben ©cfcblccbtö bejeiebnet merben. 2)aö cigentlicbc öegebren nun aber, ba$ er ibr an bcnfclbcn aufträgt, ift cebt

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I. ^ud^. 3. ÄQpitcI.

rittcrlid^ unb ed)t ^uttcnifc^. @ic foH bem iRitter toon ^rtonffurt reben (n)obd xoix, tuie fortan burd)au^, unö erlauben, feine latei« nifd)en 33erfe fo leiblich aU mög(i(^ 511 oerbeutfc^cn):

a®oI}l ja fennft bu bic Stobt, öorlänöfl in ben Äricgcn ber t^ronfeii ^föorb fie erbaut unb b^i^t no^ ben (Srbouern no(b je^t.

Sie burdbi^neibet ber 3Jtoin, ber unter ber SBrürfe bobinftiebt,

Unb nidbt ferne be§ StbeinS mö^tigem Strome ficb eint.

§0(b Qufrogen bie dauern, prangen bie ftoljen (Sebäube,

' Stolj audb ift auf ben fKubm ihrer ®ctt)obner bie Stabt . . .

^Ißeitber fudben bie Golfer fie auf unb roanbern bie ^enfdben,

Denn für bie 9Öaaren ber 933clt ift fie ber mimmelnbe fDlarft.

Unb nun baö ^Inließen:

Sie toirb 2offiu§ audb, jur fUleffe, ber 95ater, befudben;

3bnt mit criefener Srfjaar, JHitter, oerlege ben 9Beg:

©reif’ unb bntt’ ibn in ^aft, meil ibn ju erfteeben bebenfli(b;

3lbn ju beftrafen fobann bleibe be§ Dieters ©efdbäft.

®ic ac^tc ©Icflie ift an ^utten’ö öreifötoolber greunb Ulrich ÜJianotü, ber ibn oor Henning gcU)arnt Ijattc, bie neunte an ben oornialigcn erfurter Uniocrfitätöüenoanbtcn, je^t mecflcn- burgifeben 9totb Sfiitolauö 9}^arfcbalf gerid)tet, ber il)n, faH^ ber Söiberpart fid) rubig oerbielte, uon toeitern gdnbfeligfeiten ab^ gemahnt b^^c. 5lbcr Soffiuö ftcUc ibm noch immer nad) unb mödjte ibn gern um^$ Seben bringen. ^ic jebnte ift bie ©^lufe? elegie an ben Sefer, in mclt^er ber Siebter über feine .^erfunft, feine fperfönlidjfcit unb feinen ßebenöplan Sluöfunft giebt. @r fcbilbcrt bie Söoblbobenbcit feinet SSatcr^, baö bebaglicbc Seben, bem er au^ ßern* unb fReifebegicr ben iRüden gemenbet b^bc, unb ftcUt bamit baö tröge ^raffen be^ Soffiu^ in Sontraft. 5“^ ben Slugenblid freilid) habe ba^ launifebe @lücf ibm ge^ nommen, biö auf feinen @eift unb SWutb: auch biefe möchte fioffiuö gern Uernid)tet fel)en.

3utn ^^meiten öuebe ift bie erfte ©legie baö ^ormort: nodb fönnc er nidbt fdjmcigen, benn Soffin^, aufgebradbt barüber, bafe Jütten ju fRoftod in ©b^^cn gebaltcn merbe, fud)e nun auch fein ialent unb feinen fRuf an^^ugreifen, unb feinbe jeben an, ber ibm gut fei. Snöbefonberc fei bcrfelbe, führt bie britte (Slegie auö, über ben öeifaU erboft, ben Jütten bei feinen

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^utten’S Alogett ßcfien btf S5^c.

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finbc: bic ftc^ nid)tö barum fümmcrn unb brnb (cmcn foHen. 3n bcr j^tüciten (Slegie bringt fic^ §uttcn feinem alten ÖJönner, bem öifd)of ^ietrid) non Sülom, in ©rinnerunfl; in ber nierten fprid)t er feinem Söirt^e, (Sebert ^arlem,* feinen ®nnf auö; in ber fünften l^ölt er einem fReiber unb Söiberfac^er, bcu er ^^ilüpompuö nennt (in bem aber mit S33al)rfc^einlk^feit Xilemann ^euerlinci, ber neibifc^e ©egner ^ermann’ö non bem 53ufd}e, nermntf)et mirb), ba§ marnenbe SBeifpiel be^ Soffiuö nor; in ber fiebenten fc^t er einem fo eben nerftorbenen 2Bol)ltl)äter, Scifob $aner (^auer) ein Xcnfmal; bie neunte ift an ben 3uriftcn Sodann Sobering, ber §utten'g ©ac^e aU Sfled^tdanmalt übernommen batte, gerichtet. 3n ber fcd)^ten @(cgie menbet ficb ber dichter an feinen alten Sebrer unb Vertrauten, ®rotu§ ?Riibianu§, in ber achten an ben .^erjengfreunb (Soban $effe: an jenen mit einer fürjeren Hnbeutung, an biefen mit einer au§s fübrlicben ©r^äblung ber ßoffifeben Untbat, an beibe mit ber Vitte, gegen feinen unberföhnlichen geinb unb Verfolger entmeber auch etmaö ^u febreiben, ober bodb baö, maö er gegen benfelben gefebrieben höbe, ihm nicht -^u berargen. ©nblidb in ber zehnten unb ©cblugelegic an bie beutfeben ^oeten macht §uttcn feinen :^anbel mit ßoffiug ^ur gemeinfamen @acbe aßer beutfeben ^u^ maniften. Qu bem ®nbe febieft er feine elegiftbc 9JJufe auf eine (i)on unö febon früher gelegcntlid) ermöbntc) Vunbreife im Vater« lanbe, unb lägt fie bei aßen belehrten ber neuen Viebtung, 9)?eiftcrn unb ©efeßen, einfpreeben, um il)r 9)titgefübl, toenn oud) nicht ihre SKitmirfung, für baö migbanbelte ©lieb ibreiS Orbenö rege ju machen.

Xiefev ©emeingeift, biefe ©olibarität unter ben freien unb febönen ©eiftern jener Seit tuar nicht bloS ein S03unfcb §utten’^, fonbern fie beftonb in ber SBirflid)feit. SBenige 3abre fpätcr, fo j^cigte fie ftcb glänjenb in Veucblin'd ^anbel mit ben Kölnern. Zugleich gibt und biefe ©Icgic gleicbfam eine bwntaniftifcbe 0ta« tiftif bed bamoligen Xeutfcblanbd. 3ut ßWecflenburgifd^cn j^eigt fie und ben ©cfcbicbtfcbrcibcr unb Xiebter 5Rifolaud fütarfcbalf; in Xanjig bie ©clebrten ©btiftopb ©ud^ten 'unb ©berbatb Verber; in granffurt o. b: 0. bic und fegon befannten greunbe ^uttcn’d, Vigilantiud unb Xrebcliud mit ben beiben 0ftcn; im Vranben« burgifeben fonft noch ©itelmolf Dom ©tein; in ©cblcficn ^oren,^ VIL 4

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I. 3. ftapitd.

(Sorüin unb ©igmuub gagilucuss (Söud^tvalb); in S3ö^mcn ben nielcjebriefencu 3Käcena^, ^ol)Uölau üou ^affcnftcin, mit feinem grcunbe, bcm 2)i^tcr Soljann ©turnuö (0tQr); in SBittenberö 33altt)ajar ^()acd)u^, ©palatin, fammt ben beiben ^octen ©ibutuö nnb ©bruliu^; in Scip^iß Si^agiu^ Slcfticompianuö unb §iero? nprnuö @mfer; bei unb in ä^agbcburg bie 2)ic^tcrin 9iifg unb ben ^id)terpQtron Äa§par ©teinbed; in Erfurt ©rotuä Sflubianuä, @übnn §effe unb Xcmoniiiö; in ©otl^a 2Jiutianuö S^ufuö; in SBür^buvg ben 5lbt 5:ritbcmiug. ?Im ©peffart merben (Sapeßa unb ©üpfo aufgefudjt; in gulba ber Soabjutor ^artmann öon ^jirc^berg mit ben ©cbiübern 9}iöi*lin unb ^ctruö Slfungia bc^ grüßt; in Reffen SKiüiuö; in SBcftfalcn IHubolf ßnngc unb ^er= mann üon bem önfdjc, jener einer ber Später, biefer einer ber eifrigften §(poftet beö ^umani^mu^, mit ißren ©ebülfen SWur* meßiud unb äJtontanuö; in Ä'ülii ^alob ©ouba, fRemaclu^ unb Sanier; in Äoblen^ unb tueiter rßeinaufmärtö bie fd)on ermähnten SJrefemunbc, gabriciuö, 3ßimpheling, SIngft, ©eb. 53rant unb 3af. Sod)er (^hilomufu^); in ©chmaben eublich Heinrich ®ebel unb 3ol)ann 9leuchtin. äJ^an fieht: S^üruberg, Slugöburg, SBien faden nod) nicht in ben @efid)töfreiö be^ ©tatiftiferö; becJ SraömUiS tonnte er fd)on beßmegeu uid}t mo{)l in biefem ßufammenhange Srmähuung thun, meil berfelbe, fauni au^ Italien ^urüefgefehrt, nad; Suglanb gegangen mar.

®ie ^anbfeprift biefer ^)id)tungen fd)eint §utten nad) grants furt a. b. 0. an feine ehemaligen £ehrer, 35igilantiu^ unb 2^rc= beliug, gefd)icft ^u h^^ben: biefc befolgten ben SDrud unb fügten, nach ber ©itte ber eigene fleinere X>id)tungeu bei, morin fie mit märmfter Xheilnahmc bie ©ache be^ ©chülerö unb nuumeh^ rigen SJeuoffen ,^u ber ihrigen machten. ®cr SJrunbgebanfe ihrer Beigaben ift, mie gefährlich fei, einen 2)ichter ju beleibigen, ber alle SJötter ^um ©chup unb alle ^oeten ju feinem ©eiftanbe habe. Sig jeigte fich aber in biefem galle gerabe l)öd)ft ungefähr^ licl). ®en beiben iiöpen, bie, menn fie aud) fo fd)lecht maren, ;gmtten fie macht, burch fReichthum unb gamilienelnfluß ge* halten mürben, fchabeten bie §utten’fchen ®ichterpfeile fo menig, baß ber ©ohn uacl) menigen gahren oom Äanonifuö ^um ^opft, ber Später oom ,^^meitcn ^nm erften iöürgermeifter aufftieg. Unb aud) ber ©chmach bei ber 9tad)melt, bie ihnen Jütten bereiten

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i^ultfn’8 @ebid(|t Don bcr ScrSfunp.

61

tDoHtc, f^ienen ftc mcrhüürbicjcr S33cife cntgd)cn foflcn. Db bie ^uttcu'fc^e 0c^rift nur in tucnigcn ©jcmplarcn gcbrurft ujorben ttjar, ober ob bic ßö(je fic ouffauftcn : flenng, nad) einigen (Jnoä^nungen in ber näc^ften ßcit fe^en toir an 200 ^af)xc long jebe Äunbe Don berfclben unb i^rcm Sn^altc oerfd)tt)unben. 9ioc^ im So^te 1717 fc^rieb ber gelehrte unb umfic^tige S3urcfbo^^^ über 4>uttcn, o^ne oon bcr ©d^rift unb bcin ganzen grcifömalber 2lufcnt()aUe feinet gelben ctmaö 5U miffcn. @rft feit 1722 taud^t toicber eine 91ac^ric^t Oon berfelbcn auf, ein ©jemplar fpuft in ©c^lefien, baö aber immer nid^t jum SSorfd^cin fommt, bi^ am (Silbe bc^ 3o^r^unbcrt§ in bie .§änbc Oon 3J?eincrö fällt, unb cnblic^ im 3ol)re 1816 äJ^o^nifc, nad^ einem Oon il)m unterbeg 5U Söolgaft gefunbenen ^locitcn ©jcmplar, mit ©rgängungen aug bem göttingifc^cn, eine neue 2luögabc Ocrmiftaltet. ©citbem ift noc^ ein im britifc^cn SJiufcum ^u fionbon bcfinblic^ciJ ©jcmplar befannt gemorben, ba§ ben Sl^orjug befi^t, oon beö ®id)tcrö eigener $onb burc^covrigirt unb mit einer poctifc^cn SSibmung an ben mittenberger Surifton Äilian iRcutcr ocrfcl)cn 511 fein.

SBäl)renb Jütten im Sltorben folcbe 2lbenteiier beftanb, loar er unter feinen greunben im mittleren ^eutfd)lanb ocrfd)ollen. (Sin 53rief oon (Srotu^ 9^nbianu§ ^attc il)ii oergebenö in ©ad)fen unb granfen, ber Wlaxl unb ^^ommern oufgefne^t. @inmol mollte oerlouten, er lebe geplünbert in 33raunfd)loeig. @rft auö ben gebrueften Querelen erfuhr man etloaö (^enauereö über fein ©c^idfal. (Srotuö crljiclt ba^ ^üd)lein oon 3)hitian jum ©efdjcnfe. ©egen @nbe be^5 3abreö 1510 bit'ü cö, Jütten beabfiebtige in granffurt a. b. 0. als £cbrer auf5utreten: ibn j^u l)ören, ging ein junger 3)?enfd), SfiamenS 3ol)ann SÄJciger, bal)in ab, bem SrotnS einen äiociten ^rief an ben greunb mitgab. ©0 oiel loar rid)tig, Jütten mar inittlermeilc oon iRoftoef abgegangen, unb bie greunbe, bie er in granffurt muSte, jogen iljii an: aber am ©djluffe beS 3ol)reS befanb er fid] in SBittenberg unb fd)icfte halb barauf feinen jungen S3erel)rern an bcr Ober, ben beiben Often, ftatt feiner baS (^ebiebt oon ber S8crStunft, baS er auf il)rcn Sä>unfd) oerfogt bottc, ju.

glatten bic ©Icgien gegen bic ßö^c nur menig SSerbreitung gefunben, fo fanb .^iittcirs „(Kroifd)Ci5", b. b- lauter .^icjea*

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I. 3.

mctern gcfdjriebeneö ©cbic^t uon bcr Sßcr{c 5U nmc^en*),

eine um fo mcitere. @0 menig uämlid^ ein ©cbic^t biefer §[rt, beffcii 3^ul)alt icbifllid) tcdjnifc^e iRegcIn, nac^ unferm ©cfci^macfc ift fo fc^r mar im @cfd)macfe jener Qdt iiängft gab e^ uer? fd)icbenc äf}nlic^e S93erfc, üon 3atob Söimpijcling, $einric^ 33ebel u. a. ^utten'fd)e mad)te fic^ befonber^ beliebt. 3n Seip^ig, ^lürnberg unb namentlid) and) $ariä erlebte eine iRei^c üon ^luflagen, jum X^cil mit Kommentaren: e^ ift 0c^ulbudö gemor? bcn. 9tad) einer furzen Kinleitiing ^anbelt erft oon ben S3udjs ftabeu: SBocalen, Konfonanten, ®ipl)t()ongen; bann oonben ©Üben, langen unb furjen; hierauf Don ben Öeröfügen; meiter oon ben SSerömagen, mobei aber nur §cjameter unb Pentameter mit i^ren KJefe(jen unb Sicen^en jur ©pradje fommen. Uebrigen^ fönnen, mac^t §utten bemerflic^, biefe IRegeln nic^t ^lUe^S umfaffen, fonbern müffen burd) Sefen ber i)id)tcr ergänzt merben. Ueber^aupt braucht ber ange^enbe Poet uicl ©tubium: in pijilofop^ie, Sfto# turfunbe, KJef(^id)tc u. f. m. 3ni^bcfonbere muß er bie ©efefee ber 9lcbe!unft fid) einprägen unb bcn Unterfc^ieb ^mifci^cn bic|« terifd^er unb rebnerifd^er 5luöbrucfömeife fid^ beutlic^ mad^en. Quiekt mirb noc§ üon allcrljanb poetifd^en ^Rebefiguren unb Qkx^ ratl)en, üon Kpit^eton unb S(napi)oro, SWetap^er unb SRctaUage, Xran^pofition unb ^iäreftjS, SlUegorie unb 3ronie, ge^anbclt.

Sln^ie^enber al§ baö Söerf felbft ift für unö bic üorongc# fdjicfte profaifd)e gueignung an bic ©ebrüber Dftcn. ©ic foUcn fi^ burc^ bcn ©pott bercr nic^t irren laffen, mclc^c in il)rem ©tubium über bie ^unmnioren ^inmeg ju angeblich Ijö^crn gackern eilen: ba boc^ o^nc jene auc^ in biefen nichts Sicdjtcö auöäurid^tcn fei. ©ein in ®ile auf i^r S^crlangen gcfc^ricbeneS ße^rgebic^t mögen fie frcunblic^ aufne^men; obgleich taum älter alö fie, l)abc er boc§ feinen ^nftanb genommen, cg für fie ju üerfaffen: für junge Seute fc^iefe ftd^ ein junger ^id^tcr.

2)icfcg ©cbic^t üoUcnbcte Jütten om 13. gebruar 1511 in bem §aufc üon Söalt^afar goc^ug (ober p^aed^ug) in SBittenberg, mo er fid^ a(g ©aft aufl)ielt. ®iefer, ^alt^afar gabriciug aug

1) ülrici Hutteni de arte versificandi über unus heroico carmine ad Jo. et Alex. Osthenios Pomeranos equites. (1511). ^utten’S €(^nftm III, @.89 106. ®ic Zueignung on bie Open, I, @. 15 f.

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^uttrn unb jrtn Saier.

53

S3oc^a an bcr SGöerra, tuar §nttcn'ö, tuic bicfcr fdbft faßt, alter niib reblid)cr greunb. ©d)on in ben Ducrclcn tüirb er al^ folc^er ertpö^nt; anö Italien fct)rieb iljm §utten fpäter im 3nl)v 1512 einen Pertraulic^en 33rief, unb in ^Briefen an £ntl)er unb 9Ke= land)t^on lägt er ign grügen. @r ßcgörte bem erfurt*ßotl)a5 tuittenberßifdjcn Äreife an, mar ^rofeffur artium, einmal and) 9lector ber lebtern Uniuerfität, fc^eint aber, mie $eter ©berbad), eine megr befd)aulic^e alö tgötige 9Jatnr gemefen fein. 3n Söittenberg befreunbete fid) §ntten and) mit Philipp (Sngelbredjt, pon feinem ©eburt^ort @iißen im 33abifd)en Kngentiniis ßenannt, ber fid) in einem ber SSeröfunft beö greunbeiS beißegebenen 3)ps be!aftid)on beffen ©ibbrnber (conjiiratus) nennt, nnb fpäter alö anßefegener £el)ver in greibnrß i. ^r. crfd)cint.

SBägrenb biefer mng Jütten mieber in brieflid)en Söer* fel)r mit feinem 3Sater ßetreten fein. bem Umftanbe, bag

(Srotnö biefem bereite ba^ 3al)r Porger ein 0d)reiben an ben 0ül)n jnr iöeftellnnß ßab, ift 511 fd)liegcn, bag ber Söater fd)on bamalö 53riefe an ign abßegen lieg. 3gr 3ngaLt fd)eint aber nnfreiinblicg nnb Ulrid)’ö 9?ncffegr in^ ÄU öfter alö iöebinßuiiß alleö SBeiteren poranßeftellt ßemefen ju fein, ^a manbte fid) biefer an ben alten grennb ©rotnö um ?lnffcglug unb 33crmitt:* Innß. ßrotuö, ben mir feit ^ntten’iJ §lbßauß Pon Erfurt auö ben ?(ußen Pciloren gaben, unb über beffen £ebeiK^ßanß mägrenb biefer wniS aueg nägere 9litßaben feglen, gatte eine (^rjieger* ftellc bei ben jiiiißen ^)enneberg’fd)cn (Grafen, bic er julegt, mir miffen niegt mo, befleibet gatte,, aufßeßeben, unb mar im 3agr 1509 ober 1510 naeg Erfurt j^urücfßefegrt, mogin ber iUeiö alter ©tubienßenoffen, bie nod) bafclbft lebten, ign )iog. $(llein ba gel er ßerabe in bie müften Unrugen ginein, meld)e in jenen Sagren, in golßc eineö ©treiteö j^mifegen 9?atg unb ^ürßerfegaft, bie ©tabt 5errütteten, unb and) ben literarifd)en Äreiö bafelbft aiuJ* einanberfpreiißten. Unter fold)en Umftänben fam im folßenben SEBinter bem ©tille liebenben SrotUiS ein ©rief auö gnlba fegr ßeleßen, ber ign bortgin einlub. @r füllte baö ßeboppclte ^mt cineö ßegrer« an ber itloftcrfcgulc unb eineö 3nftructorö ber SWönege übernegmen. ®r münfd)te Xrennunß beiber Slemter: barniif ßiiiß man niegt ein, fteUte ign nbrißenö leiblid); nod)

64

I. Su(^. 3. ftapitcC.

33cffcrcö ucrfprad) fein (SJöimcr, bei* (Suabjutor, fo bag ber (^enüß^- famc aj^ami fid) galten lieg.

9Son I)icr au<3 crlic6 er nun an Jütten, bet il)m qu§ SiJit:* tenberg gcfdjricbcn Ijatte, o^ne njeber ben einen nod) ben anbevn non Srotiiö' frühem Briefen erF)altcn 511 l)aben, unter bem 3. ge= bruar 1511 ein auöfül)rlic^C!5 5(nttuürtfcbreiben i), baö ben greunb erft ber gortbauer, ja ber ©teiciernni] feiner greunbfdjaft unb ^üc^Qc^tnufl nerfic^ert, nnb if;n bann non bem @tanbe feiner ^In* 9elcflenl)eiten in ber §cimatf) unterrichtet. @r habe, fchreibt Srotnö, feit er fich in bie fulbaifdje ©infamfeit jnrnefge^^onen, nid)tiJ üerfönmt, moüon er h^ibe üermnthen fönnen, bag e^ bem greunbe SJürfd)ub thnn merbe: oft h^be er fomoht mit feinem SSater alö mit ben fd)mar^en SSrübern (ben löcnebictinern 511 gnlba) ehrenüoU uon ihm gerebet unb giivbitten für if)n eingelegt. 5(u§ feinem SSater, meint ©rotuö, fei fd)iuer fing 5U merben, 0o oft berfelbe oou bem*©ohn rebe, gefchehe in ben berädjtlichften ?lnöbrüden, uoU ©pott über fein 5:rciben, al§ ad)tcte er i()n feinc^5 ^fennigö mertl). ^^luf ber anbern ©eite jebod) mad)e ihm nnOerfennOar grenbe, ben 0ohn uon Slnbern gelobt ju hören. ®aher bringe er auch ba^ ©efpräd) fo oft auf il)n, unb fange, menn bie anbern fertig feien, uon uorne an. ^J)aranö glaube er, ©rotuö, fd)lie6en ^u bürfen, bag bem alten .gutten mit feinem Schelten auf ben Sol)n unb feinem bringen auf 'beffen fRüdfehr in bie Äutte nid)t fo ernft, bag beibe^ uielmehr nur eine SD^aöfe fei, bie er uorneljme, nm fid) uor ben 3J^önd)en Uon jebem S^er* bad)t, als märe er mit ber ©nOueichung be^ Sol)ncö einuerftan^ ben getoefen, j\u reinigen. S^eulidh bei einem Schlaftninfe h^be er, nad) bem Slbgang ber übrigen ©lüfte, bem ©rotuö unb nod) 5toci 9Inbern fid) ohne fHücfhnlt aufgefd)loffen. ©rftlich h^^be er geäußert, er loollte toeiß nid)t ma§ barum geben, baß ber Sohn nicht fo uiele 3nl)ve im Älofter jugcbracht l)ötte. gorner habe er jugeftanben, er ^meifle feßr, baß fein Ulrich je einen guten ajiönd) abgeben mürbe. ®rittenö habe er eiltet SJenoanbten ©r^ mühnung gethan, ber in Stalien lebe unb olö Surift emporges fommen fei : toenn ber Soßn ^urüeffehren, feine 9?arrenöpoffen (bie bonas literas) oufgeben unb fid) bem S^echts^ftubium mibmen

1) 3n ^utten’S ©(Triften I, ©. 17—21.

grotuS ol§ SScnnittlcr.

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möd^tc, fo tvolltc er ju biefem Setter fd^iefen; fei beffer, er tuerbe ein Scc^töUerbrc^cr (rabula forensis), tüeld)cr ber ^ut- ten’fd)en gamilic nü^c, al^ ein 9D?öndj, ber bei feinen Obern übel angefd)ricben fei. SJiit IRücffic^t ouf biefe Slcngcrunßen beö Sntcrö ^ing nun ber Satb beö greunbe^, tuie fd)on in ben beiben öcrlorengegangenen Sriefen, bal)in, §utten foOc ^urndffeljren, nidjt um mieber in bo^ Älofter eiujutreten, fonbern um erft einen tiefem ©inblicf in feinet Satere $(bfid)ten ju geminnen. Xraue er biefem nic^t, fo !önne er ja einftmeilen bei juuerlöfftgen grenn? ben unb Sermanbten abtreten, bem Sater feine §tnfnnft an^eigen, unb benfelben um (Sröffnung feiner SBillenömcinung bitten, ©ei er mit biefer nid)t einoerftanben, fo möge er mad}en, toic ^omponiu^ ßätu^, ber ben ©einigen, bie i^n au5 Som nac^ ^aufc beriefen, ^urflcffc^ricb : ,,^omp. Sötu5 feinen Senuanbten nnb greunben feinen ©ruß. 2ßaö il)i* oerlongt, fann nid)t gc= fd)eßcn. Sebet moljl." SDann ftel)c il)in immer nod) bie gan^c SGLk'lt offen. Sorßer aber fode er jenen Serfud) madjen; mo^^t ber greunb ißn ßiemit crmal)ne unb eintabe.

Um feiner bringenben (SJelbnotl) ab^ußelfen, (jottc fid) Jütten, ber feineö Saterd ©tarrfiun fanntc, mit feder 3»t)erfid)t an baö Ällofter felbft geiucnbct, bem er cntfprung'en mar. @r ßatte einen jungen 3J?ann feiner Sefanntfe^aft, (Gürtler) mit Sftamen,

nad) gulba gcfdjicft, mit Sriefen, in benen er für ben gall, baß man ißn jefet oon jener ©eite mcrftßätig unterftüjen mürbe, feine 9ftüdfeßr ing Ä'lofter in ?luöfid)t gcftellt ßaben muß. ^ie Säter ließen ißm bureß Grotud gan^ freunblid) antmorten; and) für fid) l)crfid)erte biefer, baß bie 3jiönd)e, befonber^ ber ^2lbt unb ber ß^oabjutor, bem giüdjtling rnoßl mollen, oiel auf ißn ßalten unb üon il)m ßoffen: aber @elb brad)te ber Sote fein^ ^urücf. 2)ie fingen Söter molUen nießt bie Geprellten fein: er möge nur erft feinem Serfpredjen naeßfommen, ließen fie ißm fagen, fo moUen fie für feine ©tubien auf’d Sefte forgen.

©0 menig aber bie geiftlidjen §erren 511 gulba auf §utten'ö, fo menig mar biefer geneigt, auf feineö greunbeö (Erotu^ 2(nfin' neu ein.^ugeßen, unb fieß feinem Sater ober feiner gamilie mieber 3U ftellen. 3^tad)bcm er im gebruar nod) 311 SBittenberg fein Gebicßt Don ber SersJfunft üoUenbet ßatte, erbliden mir ißn im ©ommer beffclben 3aßrev3 auf ber iianbftvaßc buvcß Sößmen

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56

I. 3. Papitcl.

unb a)iäl)rcn nad) Söicn. Unb jiuar abcrmaU im fläglic^ftcn ^(ufjuge unb in bei* äugerften ^ürfticjfcit : alfo oI)nc Unterftü^ung uon ©eiten feineiJ SSotevö. fci^cint, ei* f)atte fid) noc^ nic^t ju bem SBerfprec^en ^erbeigelaffen, fic^ bem 9led}tdftubium mibnien ju moUen, baö ni^t btoö it)m, fonbern and) bem greunbe ßrotuö al5 ein trourifleö ©tubium evje^ien. @anj fo clenb übrigem^ ging bem SBanberer nur biö Dlmüb in Sü^ä^ren. ^ier mürbe er burc^ ben gelehrten tropft ?luguftin, bei* fd)on beö Äonrab ©eltid greunb gemefen mar, bei bem trefflichen !söifd)of ©tanid? lau^ eingeführt, tiefer, gleich feinem trüber Sohöun,

bem ®ifchof non lör^glau, ein S^ereljrer bc^ (Srai^mu^ unb gör^ berer ber auflebenbcn SBiffenfdjoften , nahm ben irrenben fRitter beö ^umaniömug gaftfreunblich in feinem ^alafte auf, unb be^ fchentte il)n beim §lbfchiebe mit einem $ferbe uebft fReifegelb, baö bii$ 52Bien üorhielt, moju ber tropft einen golbenen S^ing mit einem foftbaren (Sbelfteine fügtet).

3n SBien hf^Hc ^cr ^umaniömuö befonberö burch Ätonrab ßelti^, ber, im 3ul)^c 1497 uon itaifer SDiajimiliau berufen, biö 5U feinem 1508 erfolgten Xobe bafelbft gemirtt hoH^r 5^6 ^efafet. Selti^ mar ber ©tifter ber gelehrten ÖJefeÜfchaften in Xcutfd)- lanb, unb fo lebten in 3Bien bie Slnl)änger ber neuen fRichtung ^um Xh<^ti freien ^auögenoffenfehaften ^ufammen. @in folcheö cjontubernium oereinigte eben bamaU ben ©t. ©aller Soadjim oon SBatt (IBabianuö), einen gemiffen SRariuö (SRaier) *} nnb ben Er- furter ?5eter Eberbach- Shnen, oon benen er oieHeicht ben Eber? buch fchon früher fonnte, gefeilte fich nach fcio^i^ Slnhmft in Söien Ulrich Jütten bei. ©^on am erften Hbenb erzählte er ihnen oon ben Abenteuern unb Unfällen feiner IReifen. ©ic hörten mit Xheilnahme unb öemunberung ju unb glaubten, einen anbeni Xulber Obpffenö oor fid) ju fehen. Unter folgen ©e? fprächen griff |)utten in ben Sufen unb 50g etliche Slötter herauf, bie mit SBerfen befchrieben maren: fei ein ©ebicht auf ben Äaifer ÜRajimilian, fagte er, ba^ er mährenb ber lebten Xage

1) Ouette ^liefüt ifl ®abion’§ ®rief an $annpcttcr, ^uttcn’S Sd()riflcn I, ©.22 24.

2) Ob 3obonn ober ilugufHn »or, bie ftd^ fpfiter in öer|(^iebenem ©inne befannt modjten, baS }u ent|(hciben, ifl nidjt ber Ort.

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I^uttrn in ^ien. &ctn ^ufnta^nung§gebi(^t an ^asimiltan. 57

unter bcn Scfc^njcrlid)fcttcn bcr Steife gefc^riebcn 1)q(h’; fie inöc^cu urt^eiten, U)aö baran fei. 2)en J^eunben, tuie fie eiö üon ben 0ibl}flinifd}eu 33lättern jufammcnlnfen, (gefiel bie ©vfinbiiufl fu gut, ba6 fie eine Ibfc^rift naljmcii unb biefc ciU ein ^ud) jiu fammenbinben üc6en, biö nac^ |)utten’ö ^^(bveife, 5U Slnfmig beö folgenbeu So^reg, S^bian fic^ eutfd^loß, baffclbe in beu ^vuef ju geben. (Sr luibmete bem (5)corg Sollimitiuö (Xannftetter), $rofeffor bcr SJtati^ematif unb SJtebicin iinb SBicefanjler ber Unis öcrfitnt, ber bnn jungen ®ic^tcr iväf)renb feinet SBiener §(ufent= ^oltcö uiel SBo^lmoUcn beroiefen i)attc*).

^ufmal)nungiggcbic^t an ben Äaifcr 9Jtai-iniiliaii 511111 Kriege gegen bie SSene^iancr bejeic^nct einen luic^tigcn ^unft in ^utten’ö @ntmicf(ung. Söon beu tl)ci(ö pcrfönlic^en, tt)ed)5 Ute-' rarifd)en Sntcreffen, benen feine bi^I)erigc ©c^riftftellerei geiuibs met n>ar, tuenbet er fid) je^t ben 5Utgelcgenf)eiten beö SSaterlanbe^ ju. (Sr fül)lt unb betljätigt fid} nid)t nud)r bloä alö 2)titglieb bcr @elel)rtenrcpublif, fonbern beö beutfd)en SSolfeö; ftatt über baö $riuatunred)t, baö bie £ö^e i(}iii unb in i()m ber ganjen ^octeninnung ^ugefügt, 5Ürnt er jc^t über bie poUtifd)e ©d)mad), ujeldjc ®cutfd)lanb unb feinem 0ber()auptc uou ben Venezianern miberfa^ren ift. äJtajimilian, in beffen ()ü^em aber unftätem Reifte bie alte 3bec beö römifdjen ilaifcrtl)uinö beutfdjcr Station noc^ einmal auffladertc, Ijattc nad) alter 0ittc feinen bemaffneten Stömerjug madjen unb fid) zum ilaifer frönen laffen moüen: aber bie Venezianer l)attcn il)m ben $>nrd)zug burd) iljr ÖJebiet uers meigert (1508). @r l)attc fic^ ftärfer gerüftet, um z»üU’id) über* l)aupt bie Verpitniffc Stalicnö micber im Sinne ber alten Obers ^crrlic^fcit beö Slcic^ö zu orbnen: aber nad) einem ©lücf oers fprcc^enben ?(nlaufc fal) er fic^ zufüdgefd)lagen. Von ben ©tänben beö SRcic^ö nic^t gehörig unterftü^t, oon ber treulofen italienifd)= franzöfifd)en ^olitif geäfft (man beide nur an bcn SBec^fel ber ?lllianzen üom Slbfc^lu^ bcr ßiga zu Sambral), 10. S)ecembcr 1508,

1) Ad divum Maximilianum Caea. Aug. F. B. bello in Veuetoa euntem (Jlrici Hutteni eq. Exhortatio. ?lm ©d^tuffc: Viennae Pannoniae apud Hieronyraum Vietorem et Joannem Singrenium. Menae Januario, Anno 1512. mit bcr neuen ^earbeitunß beS @ebid(|t8 bom 3a^r

1518, ©(Triften 111, e. 123-158.

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I. %ud^. 3. i^apitcl.

Oiö bcm ©ünbnifj Don -24. aWärj 1513), bn^u fclbft

fd)iuaufcnb, fc^tc il^oyimitian feinen itainpf O'^gen bic Söcnc^yancr mit borüberge^enben ©rfolgen fort; aber bie Hoffnung, einen Xl)eil if)ve!^ feftlänbifc^en ©ebiete^ bem fJieic^e jnrücfi^uerübern , mugte anfgegeben merben. ®er reidjen fRepubtif fom e^, nm fRu^e ju befüinmen, auf eine 5ln^al)lung, ja auf baö Jöevfpvec^en einer jäl)rlid)en 2lbgabe an ben Äaifer nid)t an (1510): bie ©tönbe maren bafnr, ba^ ^Inerbieten anjunefjmen, non bem ber ritterlich Ä'aifer, in biefer ©efinnung and) burd) fiubmig XII. uon gran!= rcidj beftärft, für je^ noc^ nidjtö miffen mollte.

§ier greift baö ©ebic^t bon §utten ein. iRadjbem bic SIcs ne^^iancr baö ift ber ^auptgebanfe fic§ im ©lücf über* mütl)ig gezeigt nnb ben Ä'aifcr biclfac^ belcibigt I)abcn, foUe man il)nen iefct, ba fic ben grieben fnd)cn, biefen nid)t gemäbren, ba e^ itjiien nur um grift, fic^ 511 berftürfen, ^u tt)Ub fei. ^abei mirb baö ^erfommen unb ^iluffommen ber ^enejiaucr in ba)§ ge* hfPöft''' Öirf)t gcftcUt: morin fid) cineötl)cilö bic ©timmnng ber 3eit gegen ben lange ertragenen bcne^ianifc^cu Uebcrmutl), tl)eil§ aber and) ber Söibcrmille nnfcrö armen iRitter^ gegen eine ?Rc= publif rcidjgcmovbcner Äauflcutc aib^fpridjt, beffen er fid), aud) ben bcutfdjen 9ieid)0ftäbten gegenüber, lebcinMänglid) nid)t ganj l)at cntfd)lagen fönnen.

®ic gbcc beö Slaifertl)nmö faßt ber ritterlidjc ®id^tcr in il)rcr gan,^cn mittclalterlidjcn §öl)c, bod) nid)t oljne bic berän* berten 3eitcn in 33ctrad)t ju 5iel)cn. ©igentlid) unb bon 9Icd)t§ megen ift bem Äiaifer bie ganje SSJclt nntcrtl)an, unb infofern ftünbe c^ il)m allerbing^3 beffer an, gegen bic dürfen ^n jieljcn, ?lfien unb l’lcgpptcn j\n erobern n. f. f. ®od) ba il)it ba<5 ©efe^ief in engere ©renscu cingcfd)loffcn l)abc, möge er immcrl)in ba§ gc^ ringcre Sob 511 geminnen fnd)cn, ba^S ber ©ieg über bic Jöcncjiancr il)m berfpred)c. bebürfe er feiner fremben §ülfc: menn bic

bentfe^en ©tämme (mctd)c fofort einzeln rühnenb anfgejoht merben) 511 il)in ftel)cn, fo fei er jebem geinbe gcmadjfcn. ^arum folle er fid) nid)t länger bcrl)öf)nen laffen, fonbern cnblic^ einmal lO‘5fd) lagen.

^aö ®ebid)t, ba§ §utten in einem boraugefei^ieften (gpigramm al^ eine gugenbarbeit bejcic^net, ber l)offcntlid) reifere grüc^tc folgen iperben (eö fclbft l)at er fed)ö ga^c fpätcr forgfältig um^

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^uUen’S bir ®rulf(^cn nid^t entortet.

(jearbeitet), ift jii iDeitfrljtueifig imb nid^t o^ne SBieberljoluncjen: aber biirrf)bruiiöen uon ^aterlanb^ßeffil)!, unb ftencmucife aud) bev (jcluntjen. ®a^ 53ilb tjon bem ?tb(er (mit

Sliifpieüinß auf ba§ ^cid)gmabj)en), ber öftere prüfenb unb mie ficb befinnenb bie entfaltet unb bic Älaucn ftredt, e()c er

mirflid) Io§brid)t, ift ed)t poctifd); unb cbenfo cd)t rebnerifd) ber ©c^lu6, mo, nac^bem alle ©riinbe für ben Äriccj entmicfclt, unb ^ur Söer()crrlic^ung bcö fünftitjen 0ic(j$ in ^vofa unb Werfen bereite bie geberu eineö @raömu^ unb Srotu^, 53ufc^ unb @oban befteHt finb, jule^t, alö märe bie Ueberrebung gelungen, Ijeigt, SIlcö möge fid) freuen:

©ebt, SHajimilion gegen Senebig ju 3relb.

3nbem §utten anfing, fid^ mit biefen S8crt)ältniffen 511 bes fdjäftigeu, mu|te if)m ber SSiberfprud) auffallcn, mcldjer .^mifdjen bem litcrarifd)cn bcutfd)en 93aterlanbcö, ber bii§

ba()in fein Hugenmerf gemefen mar, unb ber politifd)en Stellung bcffelbeu obmaltcte. ganb er in erfterer ^infidit ®entfd)lanb in rafc^em @mporblüt)cn begriffen, fo mar in ber anbern unläugs bar tief beruntergefüinmen; bort mar 5Ule5 jju hoffen, ^ier Siel ju fürd)ten. 2Bie fid) Jütten biefen SJibcrfpvud) bamalö anöju^ glcid)en fud)te, jeigt unö ein (iJebidjt, bas^ um jene ßeit entftans ben ju fein fd)eint, ba Sabian feiner 5lU‘ogabe ber ^^ufmal)nung an 5laifcv äJtafimilian beigefügt bat. ift baö ©ebidjt, morin ^uttcii 511 bemcifen fud)t, ba§ bie bamaligen ^eutfd)eii, mit bem ^ul)m ihrer Sorfal)ren uerglidjen, nod) feineiomegd entartet beißen föunen*). 3“ biefem Sel)ufe mad)t er jnüörberft auf baö ge* fd)icbtlid)e ©efejj aufmertfam, mornad) auf bie ^eriobe ber frie* gcrifd)en Äiraft bei einem Seife bie ber frieblidjen (Kultur ,^u folgen Vflege. 2)eutfd)lanb fei je^t in ber lebtern begriffen: SJiffen^ fd)aften unb Ätünfte, §anbel unb ©emerbfleiß blül)cn, basS einft unfrudjtbare Sanb fei allenthalben trefflid) angebaut; babei bie Sitten, einige ^2lnftedung oon Stullen unb imibefonbere non 9tom

1) Quod Germania nee virtutibus nec ducibus ab primoribus dc- generaverit, Hcroicum. ©J)fitcr. umgearbeitet unter bem ?^itcl: Quod ab illa antiquitus Germanorum claritudino noudum degenerarint nostrate«^ ülr. do Hutten eq. Horoicum. ^eibe tRebactionen jut 5öergleid()ung ^ufam« mengebrudt, Schriften III, 331—340.

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I. $ud(). 3. j^optic(.

nuö ob(^crcrf)uct, iiod) rein unb unücrborbcn. ®ie Dorangegongene bcutfc^c Äiraftpcriübc aber fei minbeftenö fel)r einfeitig getoefeir. SJ^nffen bod) bie bilbungöeifrigcn (Snfel bie ©rofdOoten i^rer 33ors fahren auö fremben (römifd)en) @efc^id)t[c^reiberu ^ufammeitlcfen, ba unfre friegerifc^en 5Uten luo^l X^aten ju t()nn, ober nid^t ju bcfd)rciben nerftonbeu l)aben. SBcrftünben nun bie jejigen X)eutfd)en nur, frembe Xl)Qtcn ^u befd)reiben, o()ue felbft etiunö ©roße^ tf)un ju fönnen, fo tnärc ba<§ freilid) nur bie uingcfel)rte ©infeitigfeit. ©0 fdjiimm jebod) fte()c mit i^nen nod) iange nid)t. Söären fie, bei aller i^rer Gilbung, nid)t noc^ immer ein friegerifdöc^ iBüIf, marum beim 9tiemanb tuage, fte innerhalb i^rer ©rängen anjngreifen? marum fid) alle Stationen um bie X)eutfd)cn al§ ilricg^le^rmeifter unb SDiitfänipfer bemerben? Unb ein uon .^cruntertommen, üon (Srfc^laffung, fei boc^ and) gemig nicht, baß mahrenb biefer lebten Qc\t bie Xeutfehen jmei ^rfiiu bungen gemacht benen meber baiS ^llterthnm noch bac;

jefeige Stalien etma§ an bie 0cite j^u fe|jen h^'^’c

Viilucrö unb be‘5 Sudjcrbrud^.

9tüch ein flcineiS ©ebicht fügte Sßabian feiner Sluögabe ber Slufmahnung an ül^ajcimilian bei: ^uttcn’ö @ru6 an SBien bei feinem Eintritt in biefe 0tabt‘). Xaß er, nad)bem er unter mand)erlei (gefahren beinahe ganj Xcntfd)lanb burdjmanbert, erft jeht nad) Söien fomme, möge ihm biefeö nicht übel nehmen ; höttc üon ihm abgct)angen, mürbe er gerne üor ^üem SBien befud)t haben. §Ulcin baö 0d)idfal, beffen 9?ufc er folgen müffe, h^^^c il)n jiim Söanbern unb Xulben beftimmt. Um fo mol)ler merbe ihm jeht bie @rl)olung in SBien thun, mo er enblid) fRuhe unb gute Xage ju finben h»jffc. .

Xafj Jütten in Söicn einen langem §tufenthalt beabfid)tigt habe, maö in biefen S5,^orten beutlich liegt, mürbe aud) auö einer @r;^ählung in ben iöriefen ber Xuntclmönner erhellen, menn biefe, mic fehr maljrfdjeinlich, auf il}n bezogen merben bürftc*). $icr

1) Huttoni Viennam intrantis carmen, btttirt Ex contubornio Va- diani, Marii et Aperbacchi. ©(j^riften III, ©. 169f.

2) Epist. obscurorum virorum, I, 14. ®ci ®Ödtng, ü. Hutteni Operum Supplcmentum I, 6. 22, unb baju ®5rfing*8 €rlfiutetungen, Suppl. II, e..888f., 554 f.

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$utten*§ Abgang oon ^ten.

Gl

erinnert fid) näinlid) ber M. ^ol^ann ÄraDaciuS quö S^lürnberg, j\ur ßeit als er in Söien (jetnefen, fei einmal ein ©efeH ou^ Ü}iät)ren ejefommen, üon bem geheißen, er fei ein $oet, audj ()abc er SBerfe gcfc^rieben unb über bic SBerSfnnft lefen mollcn, nnb büdj fei er meber ®accalaureuö nodj ÜJiagiftcr, überhaupt nic^t grabuirt gemefen. 2)er bamalige O^ector, Magister noster ^erfmonn, auö granfen, ein eifriger SD^onn nnb geinb aller ^oeten, ^abe (Sinfprac^e get^an; aber ber ©efell fei fo anmagenb gemefen, bag er fic^ baran nid}t gefel)rt ()abe. 9^un Ijabe ber fRcctor ben ©tubenten üerboten, bic fiectionen bcö ^oeten ju be* fuc^cn. 2)a fei ber @efcll i^m auf’ö Qcfticgcn, ^abc^ i()m

übermütl)igc^8ficbcn gegeben unb il)n fogav gebubt. ^)er 9J^cn[c^ fei bal)crgefommen mic ein Älricger, mit einem $ut auf bem Ä^opf unb einem langen 3)ieffer an ber ©eite. Der [Rector ^abc nac^ ben ©tabtfnec^tcn gcfc^idt, um il^n in’)3 ßarcer füljrcn ju laffeu; aber iöefannte, bic berfclbc in ber ©tabt gcl)abt, b^beu fid) in’ö 3Kittcl gefd)lagcn. Söirflid^ mar 3o^ann §ccfmann eben im 3. 1511 [Rector ber Söicner Unioerfität; iu bem ©cfeUcn aber, ber au$ [Diopren fommt, metra mad^t unb über bie artem inetri- ficandi lefen miH, o()ne grabuirt ju fein, bal)erfommt mic einer, ber in ben i^rieg ^ic^cn mill, unb ben [Rector bujt, glauben mir unfern .^utten nic^t ju uertennen.

0b biefe ©c^micrigfeiten, bic fic^ feiner afabemifc^cn Dl)cU tigfeit entgcgeuftellten, ober maö fonft feinen ^ufcutl)alt in Sßien abfürjte: genug, fc^on im ©pätberbft 1511 uerfc^minbet Jütten auö biefer ©tabt *), wnb im grü^liug be^ nüc^ften 3al)rc^ erfc^cint er in 3talien.

1) $gl. mit bem oben 'S. 56 angeführten Briefe ^abian’S ben %rief ^eter ^berba<h’§ t>om 5. Oct. 1511, in i^utten*d S<btiften I, S. 22.

G2

Vitüts ÄapUel.

fttflex ^ttfettt^afi in ^faften ttttb flüdiße^r itai^ peufff^faitb.

1512—1513.

Qc^tc^ bcio §umaniftciiorben§ l)ättc fic^ ^uttcu

faum betrachten bürfen, ot)nc narf) bem öeifpiele fo üiclcr göncier bic Sßaüfahrt in baö ^cimathlanb beö §unmniänmö gemacht ju h^^t>cn; mo überbieß auch föt bQ)S 9Jccht^ftubium, jn metchem ihn ber ißater brängte, bic mcifte görberung finben mor.

lieber ben 2öcg, ben Jütten nahm, ift nichtö befannt; aber um bic 9JMttc bcö Slpril traf er in ^aüio ein, mo er in ber Xhat, be^ 93aterö Söunfehe fich fügenb, ba^ fRcchtdftubium in Angriff nahm. @r höi^te’ S^orlefungcn bei bem bcrnhnitcn S'lcchtögclchrtcn Safon ÜJiainuö; boef) nahm er baneben auch ©ricchifchcn Un** terricht, mobei er ben Slng^burgcr ?lcgibiuö 91cm jum 91?itfchütcr hatte, ^ber mit feiner ©efunbheit ftanb übel: er hinfte, ba in gülgc feiner Üranfheit bic Seine burch ©efehtpüre unb mürfjfe fchmcr^h^^fl ' befonber^ baö linfe beinahe unbrauchbar gemorben mar. 91och granjofen bic ßombarbei; aber

menige Xagc üor $utten’^ ^nfunft mar in ber mörberif^cn 0chlacht bei fRauenna ber fran^öfifche gelbhcrr, (haften be goiy, fiegreici), boct) nncrfchlich, gefaflen (ll.Slpril 1512): unb nun brangen, Pom S^Pftc gerufen unb Pom ilaifcr jugclaffcn, 20,000 ©chmeijer in ba^ 2anb. gm gnli, |)uttcn faum ein SicrtcU jahr feinen ©tubien obgclcgcn rueften fie Por ^aPia. 5)ie gran^ofen fuchten ju behonpten unb hielten ben jungen fRittcr, ber ihnen jeht, cii^ Unterthan 'Oci ilaifcrö, Pcrbä^tig fein mochte,

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i^uttrn in j{rieg§noi^.

63

brci ganj^c Xoge in einem engen (Skmad^e belagert. 9^od^ bo^u am gieber leibenb, ^ielt er fic^ für einen üerlorencn SDinnn. 2)a bic^tete er fic^ bie

® t Q b f t i f t :

®cr, jum 3ommci flcjeugt, ein unglücIfcliocS ßcben ßebte, oon Hebeln gu 2anb, Uebcln ju ©oRcr öcrfolgt,

^ier liegt ^uttcn’S ®cbein. ber nid^tS ?[rge§ ticrfd^ulbet,

9Burbe non gallif(bem groujont bo§ Seben geraubt.

SBar bom Oef^id i^m beftimmt, nur UnglUrfSjal^re $u fd^auen, bann toar ertoUnj^t, bab er fo jeitig erlag, non (Sefabren umringt, toidb nicht nom ^ienfte ber SRufen,

Unb fo gut er’§ oermoebt, fbradb er im Siebe fub au§').

6nblic^ mußten bie granjofen bie ©tabt räumen, bie ©c^meijer brongen ein, aber ^utten’iS Sage mürbe barum nic^t beffer. ^ie ©c^meijer, bie in i^m einen 95titfämpfer ber granjojen fal)en, plünberten i()n am§ unb fc^leppten il)n elenb ^crum, biö il)m enb:= lic^ gelang, fic^ mit bem SScrluft eineö Xl)cild üon bem Sßenigen, baö il)m nod) geblieben mar, logjufaufcn. ^auia, mo nun Getümmel unb 3)lutöcrgie6en, junger unb ^eft mütl)cten, mar für i^n fein längere!© Öleiben: fo manberte er noc^ im 3uli nac^ öologna, mo er einen fc^önen Älrci^ Oon ÖJelel)rten fanb. Slber er braud)te ben 5(rjt, unb ber 9lcft feiner äJHttel mor halb crfc^öpft.

Xad öid^erige ift ber betrübte 3nl)alt eine^ gemütl)lic^cu, ja mitunter launigen ©ebreibenö auö öologna oom 21. Sluguft an ben mittenberger (^aftfreunb Öaltbafar gad)uö. ^afj Jütten i^m fur^ fc^reibe, gefdfe^e nic^t, alö ob er aud) oon bem greunbe nur einen furj^en örief f)obeu moüte, fonbern Icbiglic^, meil bie Ueberbringer fid^ befc^mert meinen, menn man il)nen große öriefc mitgebe. 3m (^egentbcil foUe gadjuß il)in rec^t auöfül)rlid) über feßreiben, mooon er benfen fönne, baß il)u intereffiren ißn betreffe, fo aßme er immer nod) ben öulcan nac^, unb j^mar noc^ bebeutenb ärger, aU mic ber greunb i^n fürj^lic^ gefeßen; er miffe nic^t, foUe er bem ©d^icffal, ober

1) 8o in bem gleidb anjufttbrenben ^Briefe on f^adbu§, Schriften I, 6. 26. Sermebrt, ober, toie biefe mit bergleidben Soeben fo gerne gebt, nicht oerbeffcit# IR ()utten’§ (ft>igraramen an Äoifer TOoj, Schriften III, S. 225, 3tr. 47.

64

I. 4. ÄQpitet.

üielmd)r feiner Unüorfici^tigfeit j\ufc^reibcn, ba er ft^ im j\arten lÄÜer ju menig gefc^ont I)abe. 2)ennod) münfd^e er fid^ @lü(f, auf bem 2öege ju beii fc^önen SBiffenfd^aften fo äWanc^eö gefunben ju [}aben, maö er am menigfteu gcfiidjt. S53ie e^ beim nun aber bem greuube gc()e? 0b er fic^ entfd)loffen f)abe, ein SEöeib ober bie ^lonfur ju nebmen? ober ob er, nad) feiner gemöbnti^en 9(ntmort, eben bleibe? hierauf folgt bie bereite mitges

tbeilte ©r^äblung üon §utten’§ ©rlebniffen in Stalicn ; bann ber ©ebluji, baß er nun halb in 23ologna oon bem greunbe einen 33rief, bod) nießt bloö oon brei ober oier Söorten, loic berfelbe an gcioöbnlicbc öefannte ju febreiben pflege, ^u erbalten boffc.

2)ie iöriefe §utten')J (oon benen bieß eigentlich ber erftc ift, ber unö begegnet]^ basg toaren 3)cbicationen) bilben

einen toefentlid)en unb bö^bfl fd)ä^bürcit ^b^^^ feiner litcrarifeben ^eroorbringungen. ®urcbaug finb mirf ließe ©riefe; uicmalö, loie fo oft bie (Sra^mifeben, biömcilen aueß bie SD^utianifeßen, bloße ©tilübungen ober ©eleßrfamfeit^proben. ^n ©emütß unb ßaunc fteßen fie ben (Sobanifeßen naße, oor benen fic aber, je loeiter mir im fidben ^utten’iJ oorrüefen, um fo meßr baö ÖJe* präge feiner brangenben Xßatfraft unb fortreißenben Ueberrebungö# gobe oorou^ ßaben merben.

Um biefe f^m 2Wattßäu§ Sang, ©if^of oon ^ur! unb einer ber oa*trauteften Sflätße beö i^aiferS, alö beffen ©cfanbtcr an ben ^apft Suliuö IL, ber ben grieben mit ©enebig Oermit« teilt moHte, bureß ©ologna. ®ie Italiener, in ißrer ?lrt, über^ ßäuften ben oermeinten griebenöboten mit 9teben unb ©ebießten. ia mollten bie ®eutfcßen in ber ©tabt ben ©eßein nießt ßaben, alö märe unter ißnen feiner im ©tanbe, etmaö Sleßnlidße^ 5U maeßen, unb forberten baßer Jütten auf, ctmag ju biefem ßweefe ^u feßreiben. §utten oerftanb fid) baju unb Oerfaßte ein ßob^ gebießt, baö nun abgefeßrieben unb präeßtig gebunben bem faifer* ließen ©efanbten überreießt mürbe. 2)er jeboeß naßm eS mit einer ©leießgültigfeit auf, bie bem jungen $oeten feßr empfinbli^ mar. ^ennoeß maeßte er ben ©erfueß, auf gemießtige ©mpfeß* hingen geftüjt, unter ba^ (SJefolgc bcö ©ifcßofö (ben gleicß barauf ber ©apft jum Sarbinal creirte) aufgenommen ju merben : Oer# gebend, ^er ©ifcßof tßat, alö bemerfte er ißn nießt, menn et ißm in ©ologna begegnete; ba boeß bet bloße ^ufjug bc^ atmen

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^uticn nintmt i(rieg8bT(nflr.

65

3)^ufcnfo^n§ eine bringenbe SD^a^nunq an ben ^od)ftc^enben ÜÄonn mar, für bie empfangene ^ulbigung fic^ erfemitlirf) ju jeigen. 3)iefe SSernad^löffigung Ijat glitten bem ©orbinal Sang 5citlebenö ni^t üergeffen.

^er äufeerfte ÜJ?ange( nöt()igte Jütten enblid), Ä'riegöbienfte ju nehmen ; obmo^l i^ni and) baburc^ nur notl)bürftig gel)olfen mürbe. @inc traurige Störung feiner ©tubien, überbieg bei feinet anbauernben Älranfbcit, befonber^ bem Seiben am guge, ein Seben üoH dual: aber ber geniale 9Jienfc^ fann in feine Sage fommen (fie mügte benn feine X^ätigfeit üööig aufbeben), auö ber er nic^t für ficb unb bie SEBelt Jrüt^te ju geminneu mügte. ©o gemann ^)utten unb gemann bie SRacbmelt, icb mill nic^t fagen auö feinem Äriegöbienft, aber boeb auS bem 5tricgdgetümmel, in boö fein italicnifcber Sfufentbalt bineinfiel, eineg feiner frifebeften, reijenb* ften SBerfe; fein Sud) (Epigramme an ben Äfaifer SJ^ajimilian *). ©ie finb, mie er felbft in bem fpäter gefebriebenen Sonoortc fagt, an uerfebiebenen Orten unb ju nerfebiebenen ßeiten entftan* ben, üeranlagt bureb Vorgänge, beren einige er miterlebtc, anberc üon britten ^erfonen erfuhr; ein erfd)eint alg gleichartig unb mobt auch gleicbjeitig mit bem noch in ®eutfd)lanb entftan- benen ^lufmabnungggebicbt an ajiajimilian ; ein anberer mag in ^aüia unb Sologna uor, möbrenb unb nach ^utten’g Ärieger^ leben gebieptet morben fein ; ja ein^jelne ©tücfc finb erft maprenb feineg jmeiten italienifcpcn 2lufentbaltg p^^ä^gefügt morben. ©o folgt bag Sücplein bem mecpfclnbcn ©ange beg fiep pinjiepenben Äriegg, unb bringt ung ©iege unb 9fieberlagen, Hoffnung unb gurept, ©eminn unb Serluft oon ©täbten unb Sanbfepaften, bie S^nüpfung unb Söfung oon Sünbniffen, jur lebenbigften ^In« fepauung.

^Jbep 5mei Sinleitungggebicpten über bog Suep unb ben 2)icpter menbet fid) biefer ba^u, bie lange Untpütigfeit ber beut* fepen Äaifermaept ju entfcpulbigen unb alg biogen ©epein, olg Vorbereitung ouf fünftige Xpaten, barjufteCien.

1) Ulrichi do Hutten eq. Germ, ad Caesarem Maximiliatium Epi- grammatum Uber unus. 6(^rifUn III, ©. 205—268. '£>oS ilorwort on ben ftaifer, I, €. 234 f-

VII. 5

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66

I. $U(^. 4.

Son betn ?lbler.

ben genxiltigeit ^ar, ber jegt unblutig unb fiiebfam £ag’ unb ^a^re ftc^ ^alb in 9tu^e getoiegi.

?lbcr greif’ i^n einer nur on unb ftbre bie iRofl i^m:

Sterben toill i^, toofem ber ficf) ni^lt Übel get^an.

9Ummer bieg \a ein Sc^taf, ou§ bem fein Q^mad^en gtlbe;

Oft jc^on l^at er, gereift, auf auS ber Stu^

Unb »enn fü^n er bom Soben ß(^ jd^toingt in bie oßenen Stifte,

2Be^e, nie breitet er bann Sc^redten unb ^urdfjt um ßd(| l^er !

SKajimilian aöcrbingS ift mc^r alö fo maiK^cr feiner trieg^e- ttjaltigcn Söorgänger mit menfc^lid^cn frieblic^en ^^ugenben ge^ j^iert; boc^ ift feine gricben^licbe nur ßongmutt), nic^t SÄangel an äJtut^, mie fein enblid^cö ßoöbrec^en bemeift.

Sofort tücrben mir nor ^abua, mitten in ben Äampf ge^ filtert. ®ie SSenejianer brinnen, bie Äaiferlid^en äugen; Jütten, bem leib ift, bag fein gugübel i^n jur 2:^eilna5me am Kampfe unfögig mac^t, gibt erft fc^crjboft üor, nur als migbegicriger iReifenbcr, nic^t als i^rieger gefommen ju fein, bann aber münfe^t er fic^ ben Xob. (£in anbermal übrigens, als er ben 3J^auem ju na^e gefommen ift, unb bie (j^efc^offe ber belagerten um i^n fc^mirren, ^iegt er fid^ boc^, fo fc^nell eS mit bem lahmen guge gcl)en miU, jurücf. lieber eine fleine ©c^lappe, bie fie ben ^fai* fcrlic^cn beigebradjt, froglocfen bie bene5ianer ju frü^ ; halb mirb fid) ber Slbler micber ergeben, bei Sremona l)at er ben gröfd^cn übel mitgefpielt:

$om ifaifer unb ben $ene)ianern.

l^ttngßl^in toagte ber ^rofd^ ßd^ l^erbor ouS ben Sümpfen tSenebigS,

Unb auf bem trodenen ßanb quaft’ er: ®er 99oben mein!

^od^ ipn erfpö^te ber $ogeI beS 3^u§ non erhabener SBarte,

^adt mit ben (fraUen unb toirft berb in ben $fu^l i^n jurflef.

SBaS, mie oerfd^iebene anbere biefer Epigramme, in ber Original^ auSgabc burc^ einen erge^licgen ^oljfc^nitt iHuftrirt mirb. 2111« gemein ift benebigS graufame, röubcrifc^e ^errfd^aft Oer^agt. ©ein gelbl)err bartolommeo b'2ilt)iano ein SJfufter Don Xrcu« unb ©ottlofigleit. 2)agegen mirb bem beutfd^cn gelb^auptmann Safob Don @mS, ber in ber blutigen ©d^lod^t bei SlaOenna fiel, ein @()renbenfmal gefegt, aueg bie Xapferfeit beS jungen föc^fifd^n @bcln, 3oac^im üon 9JfaIpan, mit bem fic^ Jütten bamals be«

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^uttfn’3 (Spigramme an 3)?a£tmilian.

67

frcunbctc, in jtoci Spiöramtncn gcpricfcn. ^Dcm ftoljcn SScncbig roirb’^ no(^ f^limmer ergeben otS Xroja unb öab^lou, Äort^ago unb Äorint^. ^ic SBanbluug Don ^cnebigö @(ü(f unb bie SBan? bclbarfeit bcö @lücf^ übcrljoupt ift baö X^cma einer S^lei^e üon (Epigrammen.

hierauf menbet fic^ ber 2)id^ter me^r gegen bie gran^ofen, melc^e, beim beginne beg Äriegg bie 93unbeögenoffen be^ ^aiferö, i^m äu(c|t al6 geinbe gegenüberftanben. 0c^on halb üon fang mar ein (Epigramm eingeftreut, ba^ in merfrnürbigem löcU fpielc jeigt, mie 9iationen über ga^r^unberte hinüber gemiffc

(Eigenfc^aften beibe^alten.

9luf bte ^ranjofen, als fte bem ftaijer bie onbi(^ieten.

%Ttner ^ran)oS, bu trbfiefi bi(b felbfi unb eibi^ieÜ bir ^reuben,

^a§ nur feiner im $oIf glaube, bir geV (S jo fd^Iimm.

£Uge nur )u unb trbfie mit fehlen bi^ über bein UnglUcf,

SBenn nur ber ßaifer inbeb 2!^aten um ^b^^ten noUbringt.

3iübme bic^ immer, er jei friegSmatt unb beginne ben 9?üdsug,

SBfi^ifnb mit Siegergetoalt er bid^ im 9taden bebrfingt.

Der §ocf)mut^ beö ©a()n^, ber fid} über ben 2lbler bünfe, aber einft noc^ berupft ^eimfd)ren merbe, mirb in uerfdjiebenen SBen» bungen üerfpottet. tjier folgen bie Epigramme ben ©d)man»

fuugen bed Äriegöglüd^. Die granjofen Ijaben SÖ^ailanb; mer^ ben jurüdgefc^lagen ; unter gräulid^cm Unmetter räumen fie bie ßombarbei. ^ier pnbet fic^ ein (Epigramm, baö man geftern ge^ bientet glauben lönnte.

%uf beS $abn§ $Iu(^t auS ^ialien.

ItBarum ftiebt mit blutigem ifamm unb jerrauftem ®efieber 3ebo ber ^a^n, nodb jüngft Sdbreden ber !^BögeI um^er?

^rum, n>eil er bem ^rieben ben Streit nor^og unb ben PriegSIfirm,

Ueber ben 90>Ier binauS fed ft(b Su fdbtningen bebadbt.

3)o(!(l ber merfte ben 5trug, unb nat^bem jd(|on biel er ertragen,

Segt’ et ftdb, enbticb ergrimmt, |(^arf mit ben ftraüen )ur SBe^r.

9Ber ben, ber i^m ein Srreunb fein mollte, fidb lieber jum $einb mad(|t,

@ebt’S bem jcbled^t, fo bezeugt jeber : ibm inarb nur fein Sted^t.

SÄittlcrmeile erlebt man bo3 Ueberrafc^enbe, bag §a^n unb grofe^ (ober £ömc, b. ®encbig), bic fic^ bi§ ba^in töbtlicb befämpft

l)attcu, gegen bcu ^bler fic^ oerbünben (ÜJ^ärj 1513). Äber bic

I. 4.

Cd

SBcrbinbung ift ju unnatürlich unb bet @egner ju gcnjaltig, alö bafe fic [ich günftic^en @rfoIg Ucrfprcchen bürfte.

5)ie 53e»crbeT umbic i^crrfd^oft über SMoIien.

^ret unmerben mid^ je^t (^talia Üagi’S bem ^pobo),

SBibrige freier jumal: ®cnebig, ber 2)cuti4)e, ber ^ronfe;

2)er Dotl 3Trug, ber 9lnbrc üoEl 2Bein, ber dritte boU ^o^imutt).

5JluS benn fein, fo bebenfe mi^ bod^ mit crträglicf)em 3<>4k. Stets treulos, ertoiebert ber ®ott, ift SJenebig; ber Öronle Stets ^octimttt^ig; ber ^eutfd)e nid^t immer betrunlen: fo tofi^le!

aJ^erfiüürbigftc für §utten’ö meitcre ©ntroicflung ift nun aber, bag gegen ben 0d)luf3 bie Epigramme fid) tuiber ben ^apft richten. 9^och im 3ah^<^ ^or ^utten’^ Slnhinft ift Italien mar $opft 3uliu^ II. alö Ärieger in jenen ©egenben gemefen, hatte bie Belagerung öoii 9}tiranbola f)erfönlich geleitet, unb mar in bie eroberte ©tabt mit bem ©chloert in ber ^anb auf einer ©turmleiter eingeftiegen. @r mar, menn auch nicht ber einzige Urheber, bod) ber Senter ber i^riege jener ßeit : ber SBibcrfpruch jmifchen ber gcifttichen Beftimmung unb ber mcltliijten ©teHung be^ Bapftthuniig mar nie greller heruorgetreten. 2)a& Jütten bem ©chaupla^e ber burch ihn erregten ^Iricge fo nahe fam, beren oerheerenbe Solgcn au§ unmittelbarer (Erfahrung fennen lernte, mar oon großer SSichtigfeit. Suliu^ 11. unb fein SBirfen mar eö, moburd) ihm über ba^ ^apftthum überhaupt bie Slugen geöffnet mürben. Statt eine^ §irten ein Söolf, ftatt ber ©chlüffel ^etri mit bem ©chmerte ^auli bemaffnet, aber nicht, um, mie ber ^poftel, baoon ju fallen, fonberu Slnbere bamit ju fällen, iltun menbet fich aber §utten auch gegen bie ©itten beö gegen

feinen Slblag- unb Bullenhanbel, bie 5luöbeutung ^cutfchlanb? oon ©eiten beä popftlidjen §of^. @r, ber fi^ in ©tahl h^Wl fo befchreibt er ihn burch Bart unb §aar fchrecfli^ an* ^ufehen, mit bem milben $luge unter ber tro^igen ©tirn, mit furchtbar brohenber älUene, ber mit ©^mert unb ©efchog ju ßanb unb ju SBaffer bie Bölfer morbet unb bie gürften in SJncge oermicfelt; er, boö Berberben ber Söelt, bie äJienfchen*

gef^lechtg, beffen wirbelt 2;ob, beffen Erholung bie fchönblid^fte ^uSfehmeifung ift; er, in allen ©tüden Sh^ifto unb B^tro un* ähnlich: ma^ thut ober mag hcit er noch, bog beg päpftlichen 9>lameng mürbig märe?

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C^pigramme auf ben ^pf}.

69

®on 3UÜUS’ ffbUfe.

2Bic bo(!^ bte gläubige 3BeIt bet l^rämer l^uIiuS anfU^rt,

2Bel(ber ben ^immet tietfouft, bcn er bo(b jelbfl ni(bt befi^t.

®iete mir feil, toaS bu ^oft! 2Bie fc^iQmloS ip’S, ju üerfoufen,

2Ba§, 0 3uüu§, bir eben am meinen gebricbi.

Pämen bie 9iiefen )urü(!: um Jupiter mär* eS gefdbe^en;

3uliu§ gäbe fürma^r ihnen )u £fouf benClpmp.

9iber fo lang’ im i^immel ein 9lnberer h^nfchet unb bonnert,

6teQ* ich um hiuimlijcheS @ut nimmer qI§ i^äufer mich ein.

Son bemfelben.

dreimal hu6’ ith tnir nun bie f^reuben be§ emigen ßebenS,

Unb maS meiter ich (uum magte 3u h<)ff^> erlauft, dreifach hub’ ich bafür ben ©chein mit bem Flamen empfangen,

Unb mit bem Siegel in 29ach§; ober nur 9tamen unb S^ein. dreifach mar ich fiu ^hor : benn mcr mag hoffen, ju taufen,

SöaS, mer’§ etma befigt, ficher oerfaufen nicht mag;

SBoHt* er jeboch, fo fönnt’ et eS nicht oerfaufen. 3)er i^immel Steht um ben einjigen ^reiS reblichen 9Banbel3 3u Pauf.

^ann mie lä^ierli^ auch, als bebürfte baS hiutmlifche Seben Slrbifcher beugen, bafUr Siegel oerlangen unb $rief!

?luc^ eine ©Qtirc auf bie ßciten Don Suliuö, bie mit ben ©Vifttunimen erft 1519 crfc^icii, ift mo^l im 3ufömmen()ancic mit benfelben entftanben *).

9Bie? ber menfchliche @eift, ein $unfe be§ göttlichen fii^teS,

$on ®ott felber ein Xheil» läfit foburch 9Bahn ftch oerblenben ?

So fleh berfinftern? Äein h&he«r Strahl jerftreute benjjrrthum?

Julius, biefer iBanbit, ben fämmtlidhe fiafter befieefen,

^r oerfchlöffe ben ^immel nach ^illlUr biefem, unb fchlöffe Renern ihn auf? Sein SBtnf befeligtc ober oerbammte?

^uth> Sanbdteiite, gefaxt ! Q^rmannen mir unS ju bem Glauben, mir ba§ göttliche 9tei^ burch reblicheS Heben ermerben ;

2)ob nur eigenes Xhun, unb nimmer ber heilißfle S3ater, i^eilig unS macht; bah ^ugenb allein ben l^immel unS auffchlieht,

9licht ber S^lüffel ®emalt, mit benen ber römifche ©auller,

Ittappert, unb fo boS Soll, baS arme, betrogne, fleh nachsieht.

5(iic^ ^liibcrn mar an biefem SuHuö, beffen trietierifdje .g)errfrf)er(ivö6e Ü)in üon fold)cn, bie U)n an feiner firdjlic^cn 33c*

1) In tompora Julii Satyra. Schriften III, S. 269 f.

70

I. 9ud^. 4. Papitel.

ftimmung maßen, nid^t gutgefc^ricbcu mcrbcu !omitc, ein gefaßr? lic^e^ ßic^t aufgegangen. Ängcblic^ noc^ jii feinen ßebjeiten er- fc^ien in ^cutfdjtanb ein @cbet für if)n '). S^riftnö, ber ja bureß feine ^lUmac^t au§ einem Xenfcl einen Gcngel beö Sid^tö -fd^affen fönnc, möge ben ^opft 3nüu^ ou§ bem Unreinften feinem Xitel gemäß in einen ÄHcr^eiligften, aug einem Xprannen in einen IBater nertnanbeln; möge geben, baß er l)infort nur noc^ öom (Seifte tmnfen fei, nur noc^ beffen, mag fc^änbUd^, fic§ fct)ämc, nid)tg mc^r alg bag §immlifc^e liebe u. f. f. Offen aber brac^, nad^bem 3uliug am 21. gebruar 1513 geftorben mar, bie ©atirc gegen i^n log. Jütten mibrncte bem §irten, ber ein SBolf, bem öullenbänbler, ber felbft nur eine 53lafe (bulla) gemefen, eine ©rabfe^rift*). (Kn Xobtengefpräd^ ®) fnl;rtc ben SSerftorbenen in ^Begleitung feineg ©eniug öor bie ^immelgpforte. ®r mill auf- fd^ließen ; aber er ^at nur ben 0c^lüffel jur ©elbtru^e, nic^t ben j\um ^immelgtl&ore bei fic^. 2luf fein Klopfen unb ßärmen er- fc^eint betrug. X)ie Slnfprüc^c feineg Oorgebli^en S^lac^folgerg imponiren i^m fo menig, alg beffen ?lugfel)cn, ^njug unb SBe- gleitung i^m gefallen. 2)iit 0elbftgefül)l jä^It 3uliug feine X()a- teil ^cr; mobei ber ganj^e Sontraft beffen, mag ^apft unb Äirc^e bamalg in ber SBirflidf)feit maren, mit i^rer urfprflnglic^cn S3e- ftimmung 5ur Slnfc^anung fommt. X)a ^ienac^ ?ßetrug fic^ nur um fo meniger jur Oeffnung ber Pforte ^erbeilößt, fo erflärt 3uliug ben ^immel in öelagerunggftanb unb l)offt, il)n mit $ülfe ber 60,000 Äriegerfeelen, mel^e aug ben oon i^m erregten Kriegen in ber näc^ften Ijerüberfommen merben, in furjeni ju erobern. X)er auggefperrte 3uling mad^te Snt^em greube, unb ©rogrnug mürbe, ju feinem großen S3erbruß, für ben SSer- faffer gehalten. Sluc^ Jütten l^at man bag ©efpräc^ fammt bem ©ebetc für 3utiug j^ugefc^rieben. 2lllein beibe 0tücfe ^aben eine glättere, gelinbere Ä^etorif, alg §utten'g ©djriften äl^nlic^er 2lrt.

1) Oratio ad Christum 0. M. pro Julio U, Ligure P. M. a quo- dam bene docto et Christiano perscripta. ftbßcbrudt in ^utten’d @(tirifim IV, 6. 469—464.

2) Julii II. Liguris P. M. Epitaphium Ilutteno auctore. Gekritten 111,

8) F. A. F. Poetae Regii libellus de obitu Julii P. M. Anno Dni. 1613. 3n §utten’8 ed^riften IV, 0. 421-467.

6. 270.

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@ebid(|t: ^er brotx Wann.

71

Unb auf bcm 2;itcl bcS ^ialoß^ ift ber toa^rfd^cinlid^c SBcrfaffcr angcbcutet: nämlid) gauftuö Slnbrclinuö au^ 5orli, ein. ^)id)ter, ber unter bcm 0c§u^e Submicj'ö XII. üon granfreid) ftanb; mic benn quc^ bic ^olemif bc^ ©efpröc^ö gegen Suliuö metjr Dom fran^öfifc^en al^ öom bcutfc^cn ©tanbpun!tc auöge^t.

3m 3a^re 1513, üermut^lic^ noc^ mä^renb |)utten’ö Sluf^ enthalt in Stalien, crfc^icn aud), fo Diel mir miffen jum erftcumal, eine 2)icl^tung non i^m unter bcm Xitel: X)cr braue 3}iann'), begleitet uon einem feltfamen aUegori feigen ©Übe, beffen ^u§le^ gung bad ©cbic^t ift. X)aö ©ilb ftcHt einen Sliann uor, beffen mit meiten Dl)ren ucrfc^cncr Ä'opf auf einem langen gemunbenen (Schlangen» ober ©c^mancn^alfe fibt: baö full bebeuten, bajs ber braoe Sliann lieber liört aU rebet. 2lug feinem 3Äunbc gcl)t ein Siilicnj^mcig unb ein ©c^mert: jeher bic mohlthätigen SSBirfungen feiner 9iebe, biefeö bie gerechte ©trengc anjubcutcu, bic er, mo gute SBorte nic^t fruchten, in Slmoenbung bringt, ©orn auf ber ©ruft fifet il)m ein Sömenfopf, baö ©innbilb beö 9J^utl)eö; ber eine gu& ift eine ©ärentabc, baö ©eftänbigfeit; bic

rechte ^anb ^ölt einen gefc^loffencn ©cutel, mäl)rcnb bic linfe @clb auöftrcut: b. l). ©parfamfeit unb greigebigfeit, jebe ^ur rechten ßcit. 9>leben biefen aUcgorifchen erinnert ba« (^c*

bic^t burd^ feine moralifc^en (5Jcmeinfprüd)e an baö 3«gcnbgebic^t oon ber Xugenb, unb mciin mir auf bcm Xitel ben ©cifap adolescens ermögen, ber fic^ feit jener 3^it auf ^utten’iS ©djrif» teil nic^t mel)r finbet (er mar ja audj im Sa^rc 1513 bereite 25 3al)rc alt), fo mirb mal)rfc^cinlich, bag mir hier eine Üleliquic aud früheren Xagen oor un^ höben, melchc bie erfurter greunbe bomold jum* Xruefe beförberten.

9^och ctmad oorher mar ber 91iemanb jum erftenmal im Xrud crfchiencn*): mir miffen nicht, ob biefer glücf liehe 2öurf bem Xichtcr noch Xcutfchlanb, ober möhrenb fcincö Slufent* holtd in 3tolien gelungen ift. Xa6 ein folcher mor, mußte ^utten mol)l: baher nohm er bic 2lrbeit fpöter micber auf, unb ließ fie in ermeiterter Qlcftalt noch einmal crfchcincn. 2Bir fparen

1) Ulrici Hutteni, ex equestri ordine adolescontis, carnien omun* ciistiniuin . . Vir bonus. 1618. ©(ü^riften HI, 11—17.

2) Stße iluffoabc * Ulrioi Hutieni Nemo. Wit ber Ibfiteren Umar* beitung jufammengebrudt, St^rißm III, S. 107—118.

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72

I. %ud(). 4.

ein 3Jic^rerc§ über bicfclbc bi§ baf)in auf, um borcrft mit §uttcn noc^ ^)eutfc^lanb jurücf^ufc^ren.

©cnauercö miffcn mir über biefe fRücfreifc nid^t, außer baß mir fie mit übermiegenber SBa^rfc^einlic^feit in bad 3at)r 1513 fc^cn fönnen. S3om lebten ^age biefeg ßaben mir ein

0cbreibeu ^uttcn’iJ an einen beutfd}en gürften, üielleicbt §Ubrccbt uon öranbenburg, o^ne Ortsangabe, boeb bem 3nbalte nadj nid^t fern non bem ^lufentbaltSorte bcS gürften gcfcbricben; außerbem jmei öillete an Ulricb'S SSetter ^Dietricß uon Jütten, in betreff ber OrtSbeftimmung Don ber gleichen i8efd)affcnbeit, baS eine ge^ f^rieben aWittmoeb nad) UrbanuS (= 25. SWai) ohne lesbares 3ob^f anbere 3)ienftag nad) -gituocauit anno rcXiij, baS märe ben 16. gebruar 1513 ‘). Ob mir nun auf biefeS einjige ©ebrift* ftüd, mo boeb möglicbermeife ein ©d)reib- ober ßefefebler im ©piele fein fönntc, bie SSorauSfe^ung bauen bürfen, Jütten fei febon im Söiuter 1512 auf 13 aus 3talien ^urücfgefebrt, miH mir boeb ^meifelbaft borfommen. 2lber auf 0tcdelbcrg als 2lufent:= halt Ulricb'S febeinen bie beiben jule|tgenannten bi«5Ws

meifen, ber barin in gamilien* unb fRitterfcbaftSangelcgenbeiten tbätig erfebeint. 3ui Uebrigen febilberte er fpäter bie 2(ufnabme, bie er bei feiner fRüeffebr in ber gamilie gefunben, als eine feineSmegS erfreulid^e. 0tatt nach ber oieljäbrigen 2lbmefenbeit, ben meiten ^Reifen unb jabHofen öefebmerben, bie er erbulbet, ben ßwrücffebrenben freunbli^ in ber ^cimatl) miUtommen ju beißen, b^l’cn il)n mit menigen 2luSnabmen, unter bie mir jeben^ falls feine gute SThitter merben ^ablen bürfen, feine 2lngebörigen mie ben oerlorcnen 0obn angefeben, ber eS berbiene, i^u ben <Sd)meinen unb Xrebern oermiefen j\u merben. 2)a er feinen Xitel mitbraebte, febien er feine Qcit oerloren ju haben. §luf bie grage eines dritten, mie man ben ^eimgefebrten ju betiteln habe, gab einer feiner IBenoanbten jur 2lntmort, er fei noch nichts. * Xureb ben S3onoanb, baß er ja nichts gelernt habe unb nichts fei, mußte man eS befebönigen, baß man ihn bisher batte barben laffen, unb auch ferner nid}tS für feine SBünfebe tbat*).

1) 8ömmtUd(|; bwt Hctcnßüdfe bei SBöding, ü. Hutteni Opp. Suppl. I Addonda, @. 3—6.

2) ^tttten’§ iBricf an 6!rotuS oot ber jioetten Ausgabe bcS Nemo, ©(briften I, S. 176.

^r^d(tni§ Watn}.

73

3)od) f^iencn ftd^ t)ou einer nnbern @eitc ^er cjünftiqc Äu^pd)ten ju eröpuen. ^cr eben genannte SDtarfgraf ^lbre(f)t öon Sranbenburg, beS 5?urfnrften Soad^im jüngerer öriiber, fo eben j\um ©rjbifc^of üon 3Kagbeburg unb ^Ibminiftrotor uon ^alberftabt gewählt, tuar am 9. 3Jtör^ 1514 überbieg auf ben cT5bifc^öpict)en ©tugl üon SKainj erhoben morben, unb gatte nun ben Flitter (Sitelroolf oom (Stein, ^utten'ö 93cfcgü|er fegon öon gulba ger, au3 ben branbenburgifegen 2)ienften in bie feini* gen gerübergejogen. (Sitetmolf pebeltc al5 lurer^bifcgöpicger §of^ mcifter, SBicebom beö 9tgeingau§ unb ©tabtpräfect naeg 9)?ainj^ über, unb gebaegte feine neue ©teflung gauptfäcglicg ^um SBeften ber micberauPebenben Sßiffenfcgaften ju benugen. 2Baö igm an ber Ober migtungen mar, foflte igm, fo goffte er, an ben Ufern beö fRgein^, unter einem jungen gürften, ben er felbft jum Sieb^ gober ber neuen 9licgtung in ber Söiffenfcgaft gatte geranbilben geifcn, gelingen. ^)ie main^er |)ocgfcgu(e, bie fegon feit bem Sogre 1477 alö ©tiftung be§ ©r^bifegofö ^)ietger uon Sfeuburg beftanb, gebaegte er in einer SBeife ju reformiren, bag fie igre^^ gleicgen in (Suropa fuegen follte. ®ie untauglicgen fiegrer foHten abgefegafft, bie tücgtigften aiMnner uon allen ©eiten gerangen l^ogcn luerben. ?ln SKitteln fonnte e$, bei (Sitelmolf'ö @inpug auf ben freigebigen Ä'urfürften, niegt feglen ; aueg gebaegte er fein ^riuatuermögen babei niel)t ju fegonen. @r fegmärmtc für biefc 3bec. SWainj mit feiner Uniuerfität follte ber ©ip ber gelcgrten 9Kuge fcincö Sllterö fein, menn e^ igm einft gelänge, aller ^ofs ämter entlebigt, nur ben ©tubien unb ben ©elegrten ju leben. 3gm leuegtetc SWutiaii'^ ®eifpiel uor, beffen er im QJefpröegc mit ©emunberung 5U gebenfen ppegte.

5)abei badgte er gleieg uon Einfang gan^ befonberö aueg an Jütten. 3a, tuenn baS Uorgin ermägnte ©egreiben §utten'ö uom lebten ^ecember 1513 tuirflieg an 5Ubreegt geriel)tet mar, fo gatte biefer, fegon ege er ©rjbifegof uon SWainj gemorben, ben jungen ÜÄann, bem er bereite mägrenb feiner ©tubienjagre gülfreieg ge* mefen, in feine ®ienfte ju liegen Uerfuegt. ©ieger erfegeint Jütten im folgenben ©ommer unb ^erbft in ©rfurt unb ^aUc im amts liegen Sluftragc beö Äurfürften tgätig. maren igm riegter* liege gunctionen übertragen, mobei mir ign, naeg bem ?ludbruel eine^ ga^manneö (©öefing), „rigib juriftifeg" ouftreten fegen; ja

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74

I. 9u(l(|. 4. Pat>itel.

nod) mc^r qIö ha^, mcnii ioir bcm frcilid) tjertüorrcnen Scrid^t einer alten erfurter S^ronif glauben bürfen. SlU ein gewiffer 2lngeflagter, tt)irb l)ier erjä^lt, otjne übenuiefen luerben tönnen, in^ @Jefängni§ jurüefgefü^rt ujurbe, ba b^be ber mainjifebe Sonis miffär „Ulricb öon Rotten" fnirfcbcnb uor Söutb au^gerufen: bu mugt nach Urtel unb SReebt fterben, unb wenn bu ^bw^n^^ö^Ö^ bätteft!^ Unterfuebung^riebter in ber Xbot fehlte Jütten ba^ geeignete Xemperament, unb infofem b^^Uc er fo Unrecht nicht, njenn er öom juriftifchen ©tubiurn nichts njiffen ttJoUte. Sflücb ein anberer gall ereignete fidj in bcmfelben ©ommer, ujobei Jütten gleichfalls roeber als fftiebter noch als S)icbtcr ßorbecren fammelte. 3n ®odc fcheint er an ben ©eriebtsfibungen über einen getauften Suben, 3ol)anneS ^fefferforn, Xbcil genommen ju haben, bie beffen martcrooHe Söerbrennung am 1. ©eptember 1514 jum ©rgebnife bitten. S)er 5)elinquent batte ohne ^rieftermeibe ben Pfaffen, unb augerbem ben Slrjt gemacht, unb befannte nun, unter ber golter natürlich, 9KöglicheS unb Unmögliches, mie man eS haben moHte. @r befannte nid)t nur Äirchenraub unb ^oftien» febönbung, ärstliche IBergiftung oon ©b^^ffen unb ©cblacbtung l)on (Sbtiftenfinbern, fonbern auch, ba§ er bie geftocbcncn ^oftien bluten gefeben, unb' ba§ er ficb üon ben 3uben bafür habe be» jablen laffen, fämmtlichc dauern in ben beiben ©tiftern 9Wagbc* bürg unb ^alberftabt ju Oergiften. ^)a6 ^)utten biefen 9Äenfcbcn Ocrurtbeilen half, ift il)m am (5nbc meniger ju oerbenfen, benn nach bamaligen 8ted)tSbegriffen batte berfelbe ohne 2:0b oerbient. Slber er bichtete noch baju über baS rucblofe 2c* ben 3ob. ^fefferforn’S eine 5luSrufung oon 119 ^ejametern, morin er S)inge loie baS ©luten ber §oftien u. bcrgl., bie er unter anbern Umftänben als ©faffen^ unb ^öbelmäbrchen oer* höhnt haben mürbe, gläubig mieberbolte unb feinem Äurfürften @lüd münfehte, ein folcheS Ungeheuer auS ber Söelt gcfchafft ju haben*), ©on bem feltfamen ©)3uf, ju bem bie ÖJleichnamigfeit biefeS ©erbreeberS mit einem anbern ©fefferforn ©eranlaffung gab, mirb in ber Solge ju fprechtn fein.

1) 6. 6(^tiften I, 6. 33.

2) In sceleratissimain Io. Pepericorni vitara Ulrici ab Hutten eq. exclamatio. Sd^rtften III, 8. 345—848. ^o5ei bU actenmft^ige @ejd^id^te beS SerbörS, 8. 349—852,

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i^utten als main^ifd^ier Sommiffär.

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3n bcr X^Qt jcboc^ trat 3cit, bcn neuanflcnonis

menen Xiener in ein i^m angcmcffcncrc^ ga{)riüaffcr jii bringen. Xaju mar je^t eben bie befte Gelegenheit, bic auch fein cinfid)tö^ UoHer Gönner fich nicht entgehen lieg. 5liif ben 8. S^oüember ftanb ber feierliche Sin^ug bcö neuen Äurfürft = Grjbifdjofö in feine äftefibenj bcöor, unb biefen 5lnlag, meinte (Sitehuolf, folltc Jütten benü^en, bemfelben eine $robc fcincö Xalentö ju geben unb fich feiner Gunft ju Uerfichern. Gr Veranlagte feinen ling, einen ^aneghricuö auf ba§ Grcignig ju bichten, ben Jütten, obmohl unter ungünftigen Umftänben (von benen mir nichtö 910« hcreö miffen), bo(h rafch ^u ©tanbe brachte *). Xag er fein Gebicgt nad^ bem Verlangen feines Gönners glcid) auch bruden laffen follte, ging il)m fchmerer ein. ©o fehr er in ber ßueignung an benfelben *) feinen S3ebenflid)!citen bie SBenbung gibt, als bezögen fic fich nur auf bic 9Äangclhaftigfeit feiner Slrbeit, fo ficht man bochr er fürchtete juglcich bcn Sormurf bcr ©chmeichclci. Slber er hielt eS für erlaubte nicht nur, fonbern gebotene ^olitif ber Vertreter einer beffern ßiteratur, bic Grogen and) burd) $ul« bigungen, , bie fie meniger fchon verbienten, als verbienen folltcn, ju ihrer Partei h^i^öberj^ujichen. Xag einem gürften von bcr Sebcutung Sllbrecht’S von 9Jiainj ein 9Jionn mic Gitclmolf jur ©eite gcfteClt mar, betrachtete §uttcn als eine befonbere Gunft ber Götter für bic ©achc bcr Slnfftärung. öeföge Xeutfd)lanb viele fcineSgleichcn, meint er, fo märe cS am Gnbc mit bcr S3ar« barei, unb mir brauchten unS nicht mehr vor anbern ^Rationen unferer felbft ju fehämen. ©einen ©tanbeSgenoffen inSbefonbere ftcllt er ben gelehrten Slittcr als 9J?ufter vor. Sei biefer Gele« genheit leert er über beren centaurifchc ©itten, ihren bummen Äbclftolj unb ihre brutale Verachtung aller Silbung recht fein $crj aus. 2ÖO ein junger §lbelicher Von Xalent fid) mit liberalen ©tubien befaffc, bcr merbc von ihnen ols ein Gntartetcr, feiner Slhncn Unmerther, veraltet unb verfpottet; moburch fchon mancher von bem bereits betretenen beffern SBcge fich tt>icber höbe ob- fchrccfcn laffen. Unb fo unmiffenb unb ungebilbet fic feien, fo

1) In laadem reverendisRimi Alberthi Archepiscopi Moguntini

ülrichi de Hutten Panegyricoi. III, 343, 363—400.

2) Ad clariflsimiim cqaitem Eytelvolfum de Lapide etc. Ulriobi de Hutten eq. in Panegyricum Praefatio. ©d^riften I, S. 34—37,

76

I. %u(^. 4. Pat>itet.

l)alten fic borf) fid) aKein für bic ©tü^cn uttb bic ^offnuitg be§ SSatcrIanbeg, unb meinen, olle ©efc^öfte bat^eim unb auömörtS foHten nuöfd)lie6li^ biird) i()rc .^änbe ge^en.

2)aö ©ebic^t felbft ftellt im (Eingänge bie feftlidje greiibe ber aj^ainjer beim ©in-^uge i^reg neuen gürften bar, melc^em

5U machen, jmei ©r^bifeböfe fc^neU beider einanber hoben fterben müffen. ©cbon beim ^Ibleben beö alten branbenburgifeben Äurfürften Sübreebt Slcbilleö fei bie trauentbe Germania öon SKarö bureb bie §inmeifung auf bie brei @nfcl getröftet morben, meld)e ibr ben ^rogöater bereinft erfe^cn füllten: Soaebini unb unfer Sllbrecbt Don ©ranbenburg unb 5?afimir üon ?lnöbad); bic fofort al^ Äinber, boeb bereits mit ben ©puren ihrer fünftigen ©igcntbümlicbfcit, anfdjanlidb uorgefübrt merben. 3^^ 5^icr üon Sllbrccbt’S iRegiernngSantritt nun bot ber Söater 9tb<^io fämmt^ lid)c beutfebe glufegöttcr ju einer gcftüerfammlung eingelaben. @r fclbft im geierfd)mudc fährt auf feinem ©trome bem dürften entgegen: üon feinen ©d)ultern mailt ein meiter föftlid;er 3)?antel, in mcld}en bie athmpb^u bie gan^c beutfebe @cf(bid)te cingemoben haben. Son biefer mirb nun ein aibrig gegeben, unb ^mar ganj im gbibeUinifeben ©innc: bie §obenftaufen toerben bod^gepriefen, baS SJerfabren ber ^äpftc gegen fic, toenn auch mit IRücfficbt, gctabclt; bag aber ^arl IV. ficb üom ^apft auS IRom mcifen lieg, erfebeint bem ^id)tcr als baS aicugcrftc ber ©cbmacb. *5)eS aibcinftromS ?lnrcbc an ben neuen Ä^urfürften, mclcbc nun folgt, enthält neben ben febönen Sßorten and) gute ßebren, bic üon bem fürftlicben Süngling mit ücrfdjämtem ©rrötben unb erhabenen SBorfä^cn aufgenommen merben. 2)cmnäcbft entmirft ber ^i^tcr üon 3llbrcd)t'S ^erfönlicbfeit eine ©ebilberung, in mclcbcr er ihn als einen ^erculcS am ©ebeibemege bic 5^ugcnb mähten lägt unb ben öifrböfcn feiner ß'-’il ols 9J?ufter ber pflichttreuen Xbätigteit im gciftlicbcn unb fRegentenberufe, ber 9J^ägigung unb ©ittfam? feit, ber ©obltbätigfcit nnb Siebe ^u ^unft unb SGBiffenfebaft barftcHt.

öeibc, ber befungene fomobl als bcr®bclmann, bem baS ©ebiebt jugecignet mar, nahmen eS freunblicb auf. Sc^tcrer moUtc eS nicht als 3)anf für bereits ermiefene Söobltboten, fon* bern als Serpflidjtung ju neuen gelten laffen; benn maS er bisher für §uttcn getban, fei gcfdjcben, um feine greunbfdhaft

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^ulien’S ^oneg^TicuS auf brn Grsbifd^of %[I6r((l(|t uon SRatn}. 77

gu getoinncn, mithin burci^ bicfe bereite vergolten gchjcfcit. S)cr Äurfürft ober Heg if)m burd) (Sitcltoolf ein ©efe^enf Don 200 ^olbgulbcn übergeben unb beftimmte ibm eine ©teile an feinem $ofe, tnenn er erft mit feiner Unterftü^img bie abgebrod^enen ©tubien in Stalien öoUenbet ^oben mürbe. §Iudb jefet fc^on üer^ meiltc glitten eine 3^*1 J^ng in SOiainj, mo er außer (Sitelmolf Que^ in feinem Sermanbten, bem SOiarfcßalf gfromin uon Jütten, einen angefebenen ©Önner b^tte. Öeibe metteiferten gleicbfam, ben uielncrfpredjenben jungen äJ^ann ficb jujueignen. gromin ibn einmal in eine ©efellfdjaft gelehrter ÜJ^änner mit ber 2Ben* bung einfübrte: ba^ ift mein Ulricb! üerfefete ©itelmolf: unb auch ber meinige. ®aö Söerbältniß mit ßc^terem mor infofern bog innigere, aU gromin mobl ein CSJönner ber ©elebrtcn, felbft aber ohne gelehrte Silbung mar. SJ^it ©itelmolf bagegen fonnte Ulrich uom gaebe reben, unb oft, menn fie ficb begegneten, unb ber ßebtere ficb febeute, bem oielbefd)öftigten ©taatömanne befcbroerlicb ju fallen, rief biefer ihn ju ficb mit ben Sßorten: Äommt, ich min ein paar ©tunben für unfere ©tubien fteßlen. greilicb maren folcbe aiiönner 2luönabmen oon ber Siegel. ®ie Herren uom 5)omfapitel inöbefonbere hielten ber SOlehrgahl nach ^uf ^unbe unb galten mehr alö auf 33ücher, auf @elb unb SSohlleben mehr alö auf QJclehrfamfcit. 2öar aber einer in Slom, merin auch im ©tall einc$ bortigen Prälaten, gemefen, fo mar mit einem folcben Ooüenb$ nicht audjufommen. @r moHte auch in gelehrten S)ingen ben Äenncr fpielen , ohne hoch etmaö 5u oerftehen. Unb . Jütten fonnte in bergleichen göllen nidjt mohl febmeigen; ma^ ihn jebt mie fpäter in mand)e Serbrießliebfeit üermidelte ').

3n aJlainj mar e^ auch, Jütten bie erfte 53efanntfcbaft mit (Sradmui^ machte, ber im ©ommer 1514 oon (Snglanb na^ öafel unb im erften griihling be^ folgenben Sahre^ mieber oon ba nach ©nglanb jurücfreifte, mo il)n bann $utten in granffurt am ailain noch einmal fprad}*). S)a^ mar bajumal, alö, mie febon früher gelegentlich ermähnt mürbe, i^uglei^ Sleuchlin unb ^ermann oon bem ^ufebe bafelbft maren, unb (Sitelmolf bahin

1) S)teje Stadtiricfitcn f. in ^utirn’S 93rtef an äolob Sd^iriften I,

6. 43 46, unb an ^id^ael öon 6cin§^|cim, 62 64.

2) Erasmi Spongia, in ^utten’§ @^rifien II, ®. 318. $gl. mit bfffm Briefen aud b<n fahren 1614 unb 16.

78

I. 9u(^. 4. ftapitel.

reifte, um ben auSgejeic^neten äWönnern ein fofratifd^eS ©aftma^l ju geben: woran i^n jcboc^ ein Äranl^eit^fall oerbinberte. 3für $utten war bie öefanntfcbaft mit ^agmuS ein ©reignig, Wie fie e^ im ßebcn @oban3 unb jebeö ©umaniften jener Qc\i war, bem fie ju 3:bcii würbe. @alt er bocb, wie er auch war, für ben aWeifter unb baö ^aupt ber ganjen Stiftung, bem in^befom bere auct) Jütten, wie er felbft ficb au^brücft, eine wahrhaft reli^ giöfe SJerebrung wibmete. SBon feiner pcrfönlicben Sieben^wür^^ bigfeit unb bem ßauber feiner ^ebe wußte biefer nacß jener ßufammenfunft nic^t genug ju rühmen; iReucblin unb S3uf^ feien oor i^m ocrftummt*). 9lun würbe ein S^riefwecbfel an^ gelnüpft, unb Ü)teifter unb Sünger freuten ficb einer beö anbem, ohne j^u abnen, wie fie einft noch fo b^i^t wiber cinanber ftoßen foüten.

Unterbeffen mußte §utten etwaö für feine ©efunbßeit tbun. 3m grübting 1515 ging er nadb @mö, unb eg febeint fein ^lan gewefen ju fein, wenn er bureb ben ©ebraueb ber warmen duellen (eiblicb b^^^flcficllt wäre, unoerweilt bie IReife nach Stalien anju« treten, wo er mit feinem greunbe Sofob guebg, ^omberrn ju Samberg unb SBürjburg, jufammenjii treffen buffte, ^ber eben in feine emfer Sur pet ein gehoppelter bunter 0d)lag. §ln einem unb bemfelbcn Xagc beö SJtai erfuhr er ben Xob feineg ©önnerg Sitelwolf Oom ©tein unb bie Srmorbung feineg Setterg ^ang oon $uttcii bureb ©^^ä^g Ulricb oon SBurtemberg.

Sitelwolf bötte f^on einige 3ob^e an ©teinbefebwerben ge* litten, ^ie Slerjte wußten feinen 8^atb alg ben, welchen ber raftlofe 3Wann am wenigften befolgen mochte: pcb in ber Arbeit ju fronen. @r war noch nicht fünfzig 3nbi^c ^ unterlag. Jütten fühlte tief ben Serluft eineg ©önnerg, in bem er zugleich . einen eblen unb weifen ÜJtann Oerebrte, unb fe^te ihm in bem ©enbfebreiben an 3nfob guebg, bem wir febon früher bie meiften Eingaben über Sitclwolf entnommen höben, ein feböneg 2)entmal.

l) (SroiuS on 9)Quttan, ber übrigens bteje 3u|amtnenfunft nod(i 3Rain} brrlegt. 3n ^uttcn’S 6(briftcn III, @. 544.

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79

fünfltB Kapitel.

<$0119 Srtttor^ititg beit $er)og 3lfrl<p noit

^örlentberg, itiib $ittteit'9 <|tgitotloii gegen ben

$et|og.

1515—1517.

®en nnbcrn Unfall, bic ©miorbung feine« SBettcr«*), be= richtete ber main.vfc^e !Dom^err äWarquarb Don ^otftein on feinen 3freunb nnb „©c^tnager" Ulrich nac^ @m«. S55ir erinnern un« jene« ßubroig non Jütten, bem wir oben al« einem ber ^äupter ber gomilie nnb al« 9Bo^ltl)äter be« üon feinem Sater oerftoßenen Ulrich begegnet finb. ®r ^atte felbft, neben einer Xoc^ter, Uier . ©ö^ne; einen ber füngern oon biefen b^tte er, naebbem berfelbe bem Äaifer im gelbe gebient, an ben ^of be« $erjog« Ulrich bon SGBürtemberg gegeben,* mit bem er in freunblicbem SBernebmen ftanb, nnb ben er halb barauf burdb rin ®orlebn unb bureb ?luf* bringung einer S'leiterbülfe gegen ben armen Äonrab fteb no^ weiter berpfliebtete. Äueb ben tübinger ©ertrag jwifeben bem ^erjog unb feinem Sanbe bntte er, aU Äbgefanbter be« ©ifcbof« bon SEBürjburg, bermitteln brlfcn.

^an« war ber ßiebling bc« alten ©ater«, unb fein SBunber: war er boeb ein angenehmer, frifeber 3ungc, bö^*fcb ^nn ©efiebt unb wohlgebaut bon ©liebem, im ßouf unb Xanj, im 9>lingen unb ©ebwimmen, ^feiten unb ßanjenrennen ber erfte unter feinen

1) ^ie Cuellen für ben (Segenfionb btefei ftapiielS finbet man

in ®Ming’§ Ausgabe bon i^uttrn’l St^riften I, S. 39 101. III, ©. 401— 412. IV, 6. 1—83.

80

I. 99u(!^. 5. Aa^tiel.

©enoffen, ftetS loo^l oufgclcßt, fclbft unter ernften ©efe^äften. @in junger fRittcr biefer 3lrt war für einen jungen leben^luftigcn gürften inic ©erjog Ulrid} ein gunb: er mochte i^n ju feinem 0tallmeiftcr; in SSalb unb gelb, U)ie bo^cim bei ^irunf unb ©picl, ^attc er i^n an feiner 0eite; halb tnaren pe un^ertrenn^ lic^e ©efeßen. Slber fie famen fic^ aü^una^e, unb berührten pc^ in einem fünfte, mo \>a^ gefö^rlic^ ift.

©lücf bciS jungen granfen fd^ien noßenbö gemacht, mic er bie fd)önc Urfula X^umbin alö (S^egemo^l ^cimfül)rtc. 3§r öater, ^onrab Xl)umb uon fyteuburg, mar ber erfte 3J2ann am mürtcmbergifd^cn $üfe: für il)ii ^attc §er^og Ulrich baö ©rbmar* fc^aßamt gegrünbet, i^m erft ju (Stuttgart ein §au3, bann au« feinen pfäljifc^en ©roberungen ba« S^lop Stettenfcl« mit bem Xorfc ©ruppenbacb uertiel)en. Oalt ber 3^ater beim ^erjog Diel, fo mar biefem aud) bie Xod^ter nic^t gleichgültig. S^on al« junger Sß^enfeh mar er oft in ba« $au« gemanbelt, ba« er feinem äl'^arfchalf gefchenft, unb fich befonber« gern im grauen*

^immer aufgchaltcn, mo er mit ber Xochicr feine Scherbe trieb. 5luch nach feiner Serheirathung h^tte er biefe ^efudje um fo meniger eingefteßt, je meniger feine ftol^c unb 5onfifche Sabine, ihm oon ber ^olitif al« ©cmahlin aufgebröngt, thun mochte ober aud) tonnte, feine Steigung ju gemiuneu. ßiun aber mar bie reijenbe Xhumbin (1514, brei 3al)re nad) be« ^erj^og« öermäh^ lung) bie grau feine« Staßmeifter« gemorben. S)a« junge @hc* paar führte noch feine eigene SSirthfehaft, fonbern mohute Oorerft im ©aiife ber Schmiegcrcltern, moi)in ber ^erjog noch immer feinen SBanbel behielt. X)a« mar nun aber hoch bebenflich. Xer $erjog mürbe jubringlich ; ber junge ©h^mann machte ihm S5or* fteßungen: unb nun oergap fich ber leibenfchaftliche gürft fo meit, bap er feinem Stoßmeifter ju güpeu pel unb ihn mit au«* gefpannten Trinen um ^otte« mißen bat, ^u geftatten, bap er feine eheliche ^au«frau lieb hö^>cn möge, beim er tönn', moU’ unb mög’« nicht laffen.

Sßie fehmer oer^eiht ein gürft bemjenigen, oor bem er pch gebemüthigt hot, um fo fchmerer, menn an ber Xemüthigung ber Stachel be« Lächerlichen hoftet. Sßa« hulf c«, pch oon bem Xiener Stißfehmeigen über biefe Scene oerfpredjen ju laffen: halb mar . ©eheimnip, unb ber $erjog

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Cnnorbunfl i^an§ bur^l öen ^frjog 81

fa^ ftc^ bem 0pottc blog^cftcllt. ©incrfcit^ fonntc man bcm jungen §utten nic^t ncrargen, menit er uoit bem SßorgcfaHenen ba uub bort^in 3J^ittf)cilung machte. 3^n feiner bcbcnflic^cn Sage brauchte er guten Statt). Um ben maiibtc er fic^ au (einen er^ fa^renen ®ater. ^er meinte, ba^ 0ic§erfte märe, ber ©o^n fagte feinen ^ienft auf, ritte t)eim, unb liege fic^ bic grau bann bureg ben ©c^miegerüatcr nac^fc^iefen. greilid^ mürbe baö niel Stacks rebe geben. ®in Stuömeg märe, menn igm fein 0c^mä()er ein 21mt fern öom §ofe auömirfcn fönnte, mo bann ju goffen märe, bag bcm $crjog „auSfegmi^en" mürbe. Uracl) freilieg, mogin ign biefer aU Dbcruogt gatte fc|cn mollcn, mar aU galbe Stefibenj ju jenem ßweefe untauglicg, unb bager au^ üon igm aui^gefcglagcn morben. Söägrenb ber junge Jütten naeg bcm fRatge feinet ©egmägerö, ber einen 33rucg 511 nermeiben münfegte, noeg jnj^us märten öor^og, mic ber ^jerjog fieg ferner galten mürbe, fam ;^u Sluftritten. §anö gatte, mie feine gamilic naegger fclbft 5U= geftanb, non ber ©aege, auger mit ©ater unb ©egmiegernater, noeg mit ©erjog Ulricg'ö 0cgmager, bem ^erjog §cinricg non ^^raunfegmeig, mit bcm jener niegt jum beften ftanb, ferner mit 5Jrübern, 33cttcrn unb greunben gefprod)cn. Ueber folcgcn SScr* ratg, mic igm erfegien, ftelltc ber §crjog ben Wiener ^ur 9tcbc, unb fpraeg uon igm bei gürften unb Herren, @bcln unb Unebcln al5 non einem treulofen, nerrätgerifegen glcifcgböfcmicgt, ber, menfcglicg ,^n reben, fo übel an igm gefagren als Subaö an unfenn |>errn ®ott. 9tun fanb §anö |)utten boeg gcratgen, ben ^erjog um feinen Urlaub j\u bitten; aber biefer gcmägrte benfclbcn niegt: mürbe boeg .gand ogne fortgenommen gaben, unb überbieg gatte er fieg geäugert, menn er in Ungnaben megfäme, motic er Urfaeg fagen, bag ber ©er^og feincä gürften unb @gren mertg fei. gc^t fegiefte ber SSatcr Jütten feinen älteften ©ogn Submig jum $er^og mit ber Sitte, ben Sruber ju einer gamilicnbefprecl)ung naeg grauten reiten 511 taffen. 2)cr |)erjog fagte niegt ga unb niegt 9^ein; na(^ ber Segauptung ber §uttcn'fegcn gätte er §an^ bureg münbliegc unb fcgriftliege (Sintabnngen jum Slciben fieger gemaegt; bag er am ?lbcnb üor ber fegreefliegen Xgat ign noeg bei Xifege gegabt, ift nur t)on ber gcmögnlicgcn ^oftafel ^n oerftegen.

?luf ben folgcnben Xag, ben 7. 9Rai, mar ein 9flitt naeg VII. 6

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I. 5. j^apitel.

6^

S3öDüngen angcfejt: unb ^iev 6ef)auptcn bic ^utten’fd^cn , Ulrtc^ l^abc $Qitö in gnäbigcm 0d)cin mitrciten l)cigen, ba tt)oHc er mit i^m megcn feinet ferneren 33 leibend t)anbeln unb i^m bann jum Sefud^e bei feinem 93ater Urlaub ejeben; mät)renb ber ^erjog im d^eflentljeil behauptet, §an5 fei, üon i^m unaufgeforbert unb oon Slnberen gemarnt, im unb ^od) mitgeritten. Se^tere ^at um fo meniger 2öat)rfd)einlid)teit, ba er o^ne ©ornifc^ unb o^ne anberc SSe^r alö einen ®egcn, „auf einem Ueinen unad^t- baren ^ferbiin" erfc^ien, mä^renb ber ^erjog ge^anjert unb fonft molf)lgerüftet mar. Untermeg^ fc^idte biefer bie 33eglciter uorauö, ^ieß bann, aU fie in einen SBalb gefommen maren, aud) feinen 5)iener jjurücfbleiben, unb menbete fid) nun gegen ben e^e^ maligen ßiebling, ber jefet ber ©egenftanb feinet grimmigften ^affeö mar. Ob er biefen ^ier, mic bie ^utten’fc^en i^n befd^ul^ bigen, mit 9?o6, §arnifd) unb Oemcl)r „überrifc^t" unb unge* marnt angegriffen ^abe, ober, mie er felbft ucrfid)ert, il^n juuor angefd^rien, fidb feinet ßeibeö unb Sebenö ju meieren, mad^t bei bem SSort^eil, ben bie uoUftänbige Stüftung bem §er^og über feinen faft mel)rlofen Gegner gab, nur einen geringen Untcrfc^ieb. (Sin orbentlic^cr '^^r auf feinen gall; auc§ mic§

ber 3(ngegriffene jurüdf (fein $ut mürbe nachher entfernt Uon bem Seic^nam aufgefunben), unb üon ben 7 SBunben, unter benen er fiel, maren i^m 5 non f)inten beigebrad)t. 5)em 9Jtorbe fügte ber ^erjog noc^ eine ©d)mad) bei. @r fc^long bem Xobten einen (SJürtel um ben $alö, unb befeftigte benfelbcn an einen ^l)egen, ben er ju feinen Raupten in ben 33übcn ftieg. ^aö füllte baö Rängen bebeuten, bag ber ©ntfeeltc burd) feine Öubenftücfe Der? bient ^abe. 2)a^ fürftlic^e Sagbgefolgc fanb ben ficidjimm; ber $^i^5og ^einric^ üon 58raunfd)meig ^ob if)n auf, mahnte ben 33ruber be^ ®rfd^lagenen 5u fd()leuniger ^eimfel^r, unb forgte für bag Segräbnig. ®ie 3lnge^örigen münfdjten ^ernadj, ben Seic^* nam auögraben unb in ber gamiliengruft belferen ju bürfen: ber ^erjog üermeigertc e^.

33on folc^em 0c^lage betroffen, füllten fic^ bie .^utten’fc^en a(§ 5^imilie unb alö 3lngef)örige eineö mäd^tigen 0tanbeö. (Sin gürft ()atte einen üom 3lbel ermorbet unb befebimpft: boranent* ^ünbete fid) ber ganje ©roll, ber feit bem bro^enben Slnmad^fe ber gürftenmac^t in ber fRitterfc^aft foc^tc. ^Id^tje^n ©rafen unb

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UInc^.$'utlen’§ STroftbrirf unb ^rouftgebid^t. 83

@blc, bic in bc^ ^crjogg 2)ienftcn ftonbcn, foqtcn il^m bicfe auf. ÜKon fc^IuQ an baö 0c^ttjcrt unb griff geben j^ur (extern uor S(Ucn Ulrich §utten, bon, neben bem gamilicn* unb 0tan- be^intcreffe, jugleid) bie fc^önc Gelegenheit rei5te, fid) fchriftfteüe^ rifch hcTUorjuthun. ^)ie gamilie hielt alöbalb eine funft; bei ber aber Ulrich, uicUeicht um feine Siabecur nicht j^u unterbrechen, nidht erfchien. 2)agegen uerfagte er, möglicherrneife noch @mö, ein Xrauergebicht über ben iönimerlichcn Untergang feinet Sertuanbten, unb oon ÜJ^ainj au$ erlieg er fobann, unter bem 29. Suni, ein Xroftfehreiben an ben Satcr bcö (Srmorbeten •).

^eibe Slrbeitcn fönnen mir i^mei ^robcftücfc nennen, mit mcl^n §utten feinen humaniftif^en ßurfuö cum laude abfol^ üirte. 3ciflt baö eine, bag er feinen Siccro, ©cneca unb ^lutarch, ben Xroftbrief beö ©eroiusS <SuIpiciu§ an ben Grfteren mit ein- gcfchloffcn, fi(h grünblid) eingeprägt hatte: fo befunbet baö anbere ein cbenfo Uertrauteö 0tubium bcö ^iegter^, mclcher ben früh ba()ingcrafften 2)apl)niö unb 3J^arceüuö befang. ^Dcm alten IRitter £ubmig trögt ber junge lateinifchc Sßetter in einer Sprache, bic ber Sllte nid)t oerftanb, eine fRcihe üon Xroftgrnnben oor, bic jum Xhcil mahr unb natürlid), j^um Xl)cil aber auch fchulmägig unb froftig finb. ®ag er burch biefen ^obcöfall nicht uerein» famt fei, ba er noch otehr blühenbe Äinber um fich habe, barauf mochte ber ®ater mit iSrfotg h^aö^^'aiefen merben: mogeden bic claffifchc Erinnerung, einen Sterblichen gezeugt ju haben, bic grage, ob er benn jeht fchlimmcr baran fei ald oor ber Geburt biefc^ Söhnet, mo er fidh ja auch ai^t gegrämt habe? toenig bei ihm oerfangen haben mag. SBon ben Jöcifpiclcn cincg ^riamuö unb 2(ntigonUig, ^ßerifleö unb Xenophon, 2lemiliuö $aulu^ unb Q. 9Jiarciuö lenlt ber 3^roftrebncr benn hoch noch jeitig auf ben näher licgenben 93organg bc^ Äaifer^ 3)^05 bei bem Xobe feinet einzigen Söhnet ^h^iipp ein. Uebereinftimmenb mit biefer Spanier ift auch ^er religiöfc Stanbpunlt beö 33ricfftcllerd ber heibnifche. ®ag bic Seelen na^ bem Xobe fortbauern, müffen mir jmar aU

1) Ulrichi de Hutten eq. Germ, in miserabilem Joannis Hutteni gentilia sui interitum deploratio. ©d^riften III, ©.401 412, unb Ulrichi de Hutten etc. ad Ludovichum de Hutten eq. auratum super interemp- tione filii consolatoria. ©t()riften I, 46—62.

64

I. 6.

(5f)riftcn glauben: lücun fie aber aud^ ju ©runbe flinöcn, wäre ber iob bo^ fein Üebel, ba er mit ber (gmpfinbung auc^ alfem ßeiben ein @nbe mod^c. Unb nur bicfcö ßefetere wirb bann weiter auöc^efü^rt. 0d;luffe wirb ber gebeugte 5Ute ju feiner Slufridbtung oud) nuc§ auf bie ftarfc bewaffnete $ülfe ^ingcwic- fen, bie uon ©eiten feiner ©tanbe^genoffen ju feiner SSerfügung ftebe: obwohl bei ber befannten ©credjtigfeitöliebc beö ÄaifcriS nic^t ju fürchten fei, ba^ fie uötbig b^ben werben, ficb fclbft mit gewoffneter ^anb ©enugtbuung 5U nehmen.

@inc ähnliche öcwanbtniß wie mit bem Xroftfehreiben h^t e^ au^ mit bem Xraucrgebidjt. Sfteben ©emeinplähen unb fRe^ minifeenjen enthält monche fdjöne, empfunbene ©teile. SBäh' renb ber SUtörber ober bod) feine ?lmme herfömmlich cm hh^^oni* fchen Tigerinnen gefougt h^t, oon ©chlangen er5eugt unb üon Seifen geboren ift u. f. f., wirb bie Trauer ber jungen grau um ben entriffenen (SJatten in S^ilbcrn unb SBorten bcfchrieben, bic wahrhaft rührenb finb. Sludh hier werben alle granfen aufge- forbert, eine Unthat, bic fcineöwegö bloö bie Jütten angehe, mit ben SBaffen ju rächen: eher werbe bie ©ccle beö ©rmorbeten feine fRuhe haben, alö biö feinen Grabhügel ba^ ölut feinet SIRörberS benehc.

T)aö 93ebürfni6 ber ©uttcn’fchen gamilic, jeht für @incn SRann ju ftehen, unb bie befonbere Sörauchbarfeit Ulridj% wo neben unb oor bem ©d)werte ber geber beburfte, fcheint jefet auch feinen SSater oollenbö umgeftimmt ju h^ben. gm guli reitet Ulrich in ber ^eimath umher, um für feinen Eilten ©chul* ben ein^utreiben. SBährenb biefer Splitte aber, unb bann auf ber oäterlichen ^urg, oerfagte er feine erfte Siebe gegen ben ^jerjog oon SBürtemberg. ©benbamal^ hatten bie ^utten'fchen an ben würtembergifchen Sanbtag, ber gerabe beifammen war, ein ©chrci* ben erlaffen, worin fie biefen erfudjten, bie ^onblung ihres ^er* gogS gu beftrafen, fonft würben fie fich genöthigt fehen, bie ©achc überaü auSgubreiten unb jebcrmönniglich um ©eiftanb angurufen. Tiefem ©efuche nöthigenfallS gewaltfamen SRadhbruef gu geben, hatten fie eine abermalige ßnfammenfunft ber gamilie in ihren Oerfchicbenen ßweigen nach ©peier, SBinbSheim, griebberg unb Slnfpadh auSgefdjricben. Db Ulridh babei erfdjien, wiffen wir nicht; cbenfo wenig, welchen Slntljeil er an ber Slbfaffung bcS

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^utten’S erpf 9?rbc toibcr ^erjoß Ulrid^. 85

*#

?tudfc^rci6cnö Siubtüig $iitten'§ in ba§ fRctd^, baöjtnar erft fpätcr auii^cgcbcn, boc^ um bicfc gcit cntftanbcn ift, gehabt ^abcn mog. @cmi6 ift nur fo üici, bag feine erftc 9tcbe gegen ben ©erjog nur eine rebnerifcf)e 3lu!?fü^rung biefeö Slctcnftürfeö ift. Snöbc* fonbere ift bie i)arftellung beö ©cfc^ic^tlic^en, bcö Serf)ältniffeö ,^mifc^cn bem ^cr^og unb §anö J^utten, in beiben 0d^riften bic gleiche.

SJtan ermattete, bag J^er,^og Ulrich üom i^aifer öor @crid^t getaben merben mürbe, unb fo componirte nun §utten feine IRebc fo, mie menn er oor Äaifer unb 9^eicf) atö 5^läger gegen bcu ^ers jog auftreten mollte. @r entfd^ulbigte bei einem ber greunbe, an bic er fpätcr ?lbfct)riftcn ucrfd)i(fte, bic UnooHfommen^cit feiner 9lrbcit bamit, baß er fieß im gaeße ber ^Infiagcrcbcn früher nie geübt, unb nun überbieß oßnc 93ücßer unb oßnc bie gehörige fRußc ßabc arbeiten müffen: allein baß er bie ßatilinarien unb 3Serrincn unb ^^ilippifcn grünblicß ftubirt, in ®aft unb !ölut Oermanbclt ßatte, geigt biefe mie bic folgenbcn fRebcn über ben^ felbcn ©egenftanb gur ©cnüge. 9tcin, um Slnflagcrcbcn gu feßrei* ben, brauchte §uttcn feine S3üdjer. SBcmi er Xroftbriefe, Xrauer^ gebießte Oerfaßte, mar er nießt in feinem gelbe unb arbeitete nur fcßulmäßig: bei ber gnoectioe ßalf il)m ber cigenftc ÖJeniu^, unb er lieferte SBcrfc, bic fieß ben Ißorbilbcrn, beren 9ftad}al)mung fie nid)t ocrläugnen, guglcid) ebenbürtig gur ©eite ftcllcn. fRcinßcit ber ©prac^c unb ber rcbncrifc^en Äunftform ßat natürlich ber S^ömer Ooraug: aber @eift unb fRebcfüllc, bic @abe, alle Um- ftänbe ßcß gu SRupe gu machen, ben geinb gu feßlagen, nieber* gufeßmettern, ben ^örcr (ober ßefer) gu rüßren unb fortgureißen, ßat Ulrieß oon Jütten gegen ben mürtembergifdjen $ergog ni^t minber al^ ßiccro gegen (jatilina unb G^lobiud bemiefen.

SEÖir fönnen nod) genau beobad)ten, mie fieß baö Xßema in §utten’g ®ciftc allmäßlig entmidclt ßat. ©cßon in bem früßeften isöriefc, ben er in ber ©aeße feßrieb, an ben maingcr ^)omßerrn 3Karquarb oon ^atftein, burd) mclcßcn er bic erftc ^taeßrießt oon bem 35orfall crßaltcn ßattc, finb alle §auptpunftc feiner fpätern ^arftcllung, bod) noeß in cmbrßonif^cm cntßalten.

®erbrcd)cn neu, uiicrßört, geßäuft; ber ©rmorbctc unfeßuU big, 3)tuftcr jeber Xugenb: mirb irgenb eine fRacßc genügen? mer^ ben nid)t bie Jütten aHe, nidjt fämmtlicße fränfifeße Witter, ja

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I. $u4). 5. j^apitcl.

ber cjaitjic bcutfc^c ?lbd, flcgeu bcn 9Jiörbcr fid) ergeben? Unb loaig treibt biefer jebtV bereut er, ober nid)t? SEÖa^ enblid) ift Dom Äaifer ju boffeu? tuirb er ftrafeu? tuirb er fd)onen? ®ieß, neben bem 33ebauern mit bem uncjlüdlicben SSoter, morin baö Xrauerj^ebiebt unb ber Xroftbrief feinten, ift fd)on in jenem erften 0(^reibcn in tür^efter gorm enthalten, ©ntmicfelter erfebeint ber^ felbc Snbalt hierauf in bem ©riefe an 3afob §ier finben

fid) febon bie ©runbjügc ber öJcfcbicbtöerjählung ; baö ^treiben beö ©erbreeberö, baö ©erhalten beö ilaiferö, bie öffentliche 0tims munfl, bie ßiebenörnürbic^feit bcö gefallenen, bie ©erbienfte feinet ©aterö um ben |)erjog finb fchon rebnerifeber auögeführt: ci be* barf nur noch eineö ©d)rittei^, fo finb mir in ber

(Srften fRebe'). SRacb einem etmaö fpiclenben ©inejange über baö ÜJdßüerhältniS jebe^ ^liiiSbrud^ 511 bem ©erbrechen, baö ben ©egenftanb feiner fRebe bilben fülle, nimmt .^utteu erft bie Xl)cilnahmc ber fRidjter in ?lufprucb, inbem er ihnen ben greifen ©ater, bie trauernben ©rüber, bie jammernbe ©djmefter, bie üerlaffcnc ©attin beö ©emorbeten, hinter ihnen bie ganje ^ut^ ten'fche ©ermanbtfd)aft, bie gefammte fränfifebe fRitterfdjaft alö gegenmörtig üor Slugen ftcUt. ©egenfa^c ba^u malt er fo^ bann, gleicbfallö mie menn er anmefenb märe, ben ©erbreeber, an beffen §änben unb ©efidjte man nod) bag unfcbulbigc ©lut feinet @d)lacbtopfcrd ju bemerfen glaube, aug beffen jefet noch milben unb fd)redlicben 5)iienen abäunchmen fei, mie gräulid), mie gar feinem SUienfeben mehr äbnlicb er bei ©erübung ber Xhnt felbft aib^gefchcn hnben möge. 3a, bie 3:bot, über melcbe hier gerid)tet merben foUe, fei bie fd)redlid)fte, granfamftc, un* menfcblid)fte, bie, feit SJienfcben gebe, üevübt morben ; ber ^In* * geflagte unter allen, melcbe bie ©rbc trage, ber üermorfenftc, ab^ febeuliebfte, büöhafteftc ; fein ©erbrechen ein Inbegriff aller ©er* brechen, mit feinem Flamen üoHftänbig unb erfcböpfenb ju bejeiebnen.

©üfort mirb jur ©efcbid)töer,^ählnng übergegangen, ^a^ frcunblid)c ©erhältnifj beö alten Submig §utten ju ©er^og Ulrich; bie 2lufopferung, meldje barin lag, bag er ihm feinen liebfteu @ül)n überließ; beffen ©Sühlberhnlten unb treue ^ienftc, üom

1) ülrichi de Hutten eq. Germ, in Ulrichum VVirtenpergensem oratio prima, bcn folgenbcn Sieben im IV. ®anbe ber Schriften a. a. 0.

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CSrfic Siebe ttiber Ulrid^.

87

$cr^o(^ felbft ancrfonnt; bie SScrtraulid^fcit jhjifc^en bcibcn; bic »eiteren 33crbinblid)feitcn, »cldje ^anfeirö Später bem ©ersog nuferleflt ; baö SSertvauen, tDeld)C)J er auc^ barin 5eigt, baß er bem So^u erlaubt, aud besJ |)cr,^oö!S ßanbe unb §ofe ein SBeib ju nehmen. §icr l)at nun aber bic ©jpofition eine feltfamc ßücfc.

ber ^erjog mit biefer grau ein SScrbältnig gehabt ober ge^ fuc^t, unb hieran baö gute 3Scrne^men ^»ifc^cn §cvrn unb Wiener fic^ .^erftogen ^abc, baoon »irb fein SBort gefügt, ^iefclbc ßücfc pnben mir in bem 5luöfd)rcibcn ßubmig ^utten’ö. mochte im 3ntcreffe ber grau, beren @ad)c bic §uttcn'fd)cn bamalö nod) nic^t non ber if)rigen trennten, gcratl)cner fc^cinen, uon biefem fi^lid}cn fünfte lieber ^u fc^meigen. greilid) »irb of)nc benfeU ben aClci^ golgenbe uncrflärlic^. ®cr IRcbner »ic ber SBcrfaffcr bc!^ ^u^fc^rcibenö mochten fic^ auf bic allgemeine ÄÜunbc Ucrlaffcn, üud mcldjcr §örcr ober ßefer fic^ bic ßücfe auöfüllcn fonnten. 'ilud) je^t, meitcr, ()abe ber ^cr^og ben jungen Jütten feine Ungnabc (morüber?) merfen laffen. SlU biefem auf bed ®atcrö Einberufung ber Urlaub oermcigert loorbcn, ^aben c4 bic * ©einigen aU ein 3^*^fiflwng genommen, oU ob fic^

ber ^erjog nic^t oon i^m trennen tönntc. 3lud) ßubtoig .^utten erlaubt fi^ in bem $luöfdjrcibcn biefen gcfci^id)t^»ibrigcn 3^*9; »ä^renb er fpäter fclbft befannte, bag banmlö löngft j»ifd)en il)m unb feinem ©oljnc über beö §crjogö bcbrol)lic^e ßcibcnfd)aft Briefe gcmcc^fclt »aren. 3m 3wf‘i*^^nicnl)angc bamit »erben »ir oud} üon ben fo Icbljaft au^gemalten 3^^9^n, tuic ber ©erjog fic^ gcftellt bobe, alö »oUte er §anö mit feinem 33rubcr bcim5iebcn laffen, nur fülle er oorl)cr nod) ein ©tücf S53cg§ mit il)m reiten, aud) möge er nur ol)uc SBaffen fommen, gc^c ja liiert »eit unb ber 9Bcg fei ficber u. f. f., auch oon biefen Sügen »erben »ir nur fo oicl aU tl)atfäd)licb fcftbaltcn bürfen, bag in beö ^erjog^ öenebmen nid)tö lag, »aö §anfen'ö 33eforgni§ erregt hätte. ®aoon abgefeben aber unb alo rl)etorifcbcö Äunft»erf be* trachtet, ift bic 3)arftellung, »ie ber ^erjog ben unglücflicbcn 3üngling bureb frcunblicbe 9icbc fid)cr unb »ebrlojg mad)t, »äb^ renb er fclbft ficb inögebeim »affnet; »ic er bann braugen erft bie Begleiter einen nach bem anbern fortfebieft, hierauf, einen 0rt für fein Sßcrbrcdjcn fud)cnb, freu^^ unb quer burch bic gelber reitet, enblid) ben »ilben Söalb jum fiebern ajiorbfcbauplabc au^^

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I. %u(^. 6. j^apitcl.

erficht; ^ier fic^ üon feinem Wiener ©attelcjurt, ©poren unb 3oum fefter fd}nallen lägt, mä^renb fein auiSerlefeneiS ©c^lac^t« Opfer baS fRog be^ ®iencrö ()alten, mithin 5U feinem eigenen üRorbc Reifen muß; bann ber SDiorbangriff, ber ungleiche Äampf, bic 3Ki6l)anblungen bc^ tobten 5^orper£J ; {^ule|t nac^ bem SD^orbc ber graufen^aftc ^(nblicf beg mic Oon gurien gejagten Sßerbro c^erö, baö ©taunen ber Seute feineiS ©efolgc^, alö er fic^ mieber ihnen finbet, bi§ enblich ba^S tebige blutbefpri^te $ferb beä ©emorbeten ihnen bag fRäthfel fchrccflid) löft: biefe 5)arfteHung ift burch §lnfd^aulid^feit unb ergreifenbe (bemalt ein äJceifterftücf ber fRebefunft.

^emnächft beginnt ber j^toeite 2;heil ber 8tebe, beffen 2lufs gäbe ift, auf ben @runb beg bargetegteu Xhatbeftanbeg bie iRid)ter jur SSerurtheilung beg ?tngeflagten ^u bemegen. ®ag augge* 5eid)uetc SSerbrecheu forbert eine auggejeichnete ©träfe : ßeben um Sebeu; unb ba bag fRedjt für SlUe gleid) feiu muß, fo barf oon feiner Slugnahme, feinem ©tanbegoorred)te bic fRebe fein. S^tcbcu bem fRed)te aber fommt nod) bag (^cineimoohl in betracht. ?luch auger unb Uor biefer Unthat h^it fid) ^^erjog Ulrich uon SBür* temberg alg einen gemeinfchäblichcu ^Regenten enoiefen; h^^l neulid) burdj feine öcrfchnjcnbung einen S^olfgaufftanb (beg armen iionrab) henjorgerufen unb bann mit ©raufamfeit unterbrüeft: bic brauen ©djmaben uerbienen, uon einem folchcn SSJütherid) bc* freit 511 merben. ©ingc ihm nun uollcnbg feine Xhat an §ang glitten ftraflog hin. fn tuörc cg um Drbnung unb ©itte im ^eid)c, um ben guten S^amen ber beutfehen 3^ation im Sluglanbc gefchchen. SBer fo ctmag gethan h^t, uon bem ift, toofern er nid)t unfd)äblich gcmad)t mirb, fortan alleg ©chlimmftc ju bc= fürd)tcn. Unb hifi^ ergeht fich nun ber SRcbncr in argen ©hper^ bclu gegen feinen geinb. @r fonntc ihn fdjmar^ genug matten, auch njcnn er bei ber ^orträtähnlidjfeit blieb, unb einmal nimmt er 5U fold)cr ©hnraftcriftif einen ganj guten 3lnlauf. SBcnn er uon ©er^og Ulrid) fagt, bcrfelbc hübe bic Seibcufchaft jur gührevin feineg ßebeng gcmählt ; ftctg höbe bei ihm bie Söernunft ber 33c^ gierbe meichen müffen ; meber in SBorten nod) in SBcrfcn hübe er je ein aRittclmaß cingchaltcn; mo er ctmag angegriffen hübe, fei er entmeber ju mcit gegangen, ober auf hnlbcm SBcgc ftehen ge* blieben; nie hübe er feine ©djtuäche, nie bic 33eränberlid)fcit beg

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ßrfle SRcbe toiber lUrid^.

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bcbac^t, nie fic^ ratzen laffen; feine g^inbe t)aOc er (gering angcfc^logcn, feine greunbe umgebrad)t: mit biefen äugen mor ber ^er^og, menn and) greü, boc^ nidjt eben unmnljr ge* jcid^nct. mar aber bem ^ebner nic^t genug. @r fteHt feinen ©egner atö ben Inbegriff aller ©d)Icc^tigfeit bar, alö einen 5<^inb nic^t bloö bc‘3 ganjen mcnfc^Iic^en @efd)tcd)t‘3, fonbern ber iÜatnr felbft. ,,^)u 0^anbflecf be3 fdjmäbifdjen S^amen^", rebet er i^n an, „emige 0d)mac^ beineö SSolfeö, burd) ^rec^beit, grenel, Sßutf), ©raufamfeit, ^rculofigfeit, Unbanfbarfeit, S3o§t)cit Unmenfd;licb* feit für alle Sabr^unberte ge^eicbneleö ©d^eufal, bn l)aft über bic ©renjen menfeblirber 0itte hinauf geraft. ©emetteifert b^ft um jeben ©räncl. iJficbtä lag bir am §erjen, aU mie bu bureb einen Inbegriff aller Serbreeben alle 53öfen, bie jemals gemefen, übertreffen mögeft." ^>crjog U(rid) mar ein junger fie ^u fein pflegen, menn einer, mie er, mit mitbem 9latiireH, mangelhafter @r,vcbnng, im feeb^ebnten 3^abre ^ur 9tegierung fommt: rob/ toll, cigenmillig, rad)gicrig; aber ein rcineö Unge» bener, moju ^ntten il)n macht, mar er fo menig, alö irgenb ein SKenfeb ein foicbeö ift; in feiner SBilbljeit lag boeb eine SBillenö* fraft, unb, um nur an @ine§ ju erinnern, mie fcltfam märe gemorben, menn unfer fRebner 5mölf 3ubrc länger gelebt, unb benfelben dürften, ben er bureb ba§ 0d)mert feinet SUfunbeö batte üerjageu Ijclfcn, nach feiner SBieberberftcllung alö einen überzeugten S3orfed)ter ber 9leformation, mitbin in benfelben fRci* ben gefunben hätte, in meldjen zulept aud) §utten geftritten hotte?

®lö ©egcnftücf ju bem beö §crzogö mirb nun auS

bem ermorbeten ^anö, bem macfern, fröblidjcn, bonulofen ©e* fcHen, ein Sbeal ber ®ortreff liebfeit. 3^ jeber Xugenb hotte er ben fi(bern ©runb gelegt. @r mar nicht bloö ber @vfte in jebeni Kampfe, fonbern auch, menn er gefiegt hotte (um mit bem 'J)id)ter ju reben) „nicht im minbften eitel": fein SBunber, bag ber fRuf cincö fo feltcnen Süngling^, nach beö Ütcbueri^ 33evficberuug, al^* halb burdb ganj ^eutfcbloub brang, baß Sebermann ihn feben mollte, ein allgemeine^ Söerben um feine gi^cunbfcbaft, ein Sßett* cifer in feinem £ob entftanb ! S3on bödjfter SBirfung ift bann aber, mie ber fRebner ben 0d)atten beö ©rmorbeten felbft fpred)cn läSt: fanfte SBormürfc gegen feinen SOJörber, ben er fo geliebt; bic ^43ittc an benfelben, feinen Seiebuam ber traucrubeu gamilic

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f)crauö5U9cbcii ; ein Scbenjo^l an baö t^eurc SBntcrlanb, für bog ;Vi leben iinb ju fterben fein böc^ftcr ©ebanfe gettjefen, an ben Skater, bie ©rüber, ben gan^^en fränfifc^en iinb beutfe^en ^^belftanb.

@ine ©emerfung bürfen mir l)ier nid)t unterbrüefen, mcil unö bie ©etradjtung üon §iitten’ö grögern, namentlidj rebneri^ fc^en SBcrfen öftere auf biefelbe jiirücffü^rcn mirb: ba§ in biefem jmeiten Xbcilc ber 9tebc, feit ber gaben ber ©cfc^ic^t^erjä^lung abgeriffen ift, eine fefte ^iöpofition öermi^t mirb. ©c^on fatt- fam ericbigte ©unfte merben noch einmal aufgenommen, ©eU fpiele, SBenbungen micber^olen ftc^, man l)at nici^t immer ba^ (SJefü^l, Dormärb3, fonbern biömcilen, im irtreife ju ge^en. l^ängt bieg mit ber 3lrt 5ufammen, mie §utten arbeitete. mar immer oiel Scibcnfd)aft, Diel S^atnrgemalt babei. ©ebanfen imb Sßorte brängten fic^ ju unb mürben mo^l im allgemeinen einem gemiffen ^lane bienftbar gemad^t, tummelten fid^ aber im einselnen mit uicler greil)eit bur^ einanber. ^utten’ö Renten mar ein r^ctorifdjeö, fein logifdjeö; fc^merlid) f)ot er je nac^ einem üor^er burd)bad)ten ©djema gearbeitet, fonbern er überlieg fic^ ber ©trömung feiner ©mpfinbungen unb ©ebanfen; fo, felbft fortgeriffen, rig er 5lnbcre fort. Unb nie oerfel)lt er, ju rechter 3cit mieber ein^ulcnfcn, am gel)örigen Orte bie nötljigen (Sin* fd)nitte an^ubringen, gegen ben ©d)lug aUe Straft ber (Sebanfen unb ber SBorte nod) einmal 5u)ammen;^ufaffen. ©o aud^ ^icr. 3ii fur^em Ucbcrblide merben noeg einmal alle ^auptpunfte ber fRcbe oorübergcfül)vt, unb auf ben @runb bcrfclben bei 5taifer unb gürften auf bie ©crurtl)eilung beä ©cgulbigen angetragen. Ober oielmegr, ücrurtgcilt fei er fd^on, ben ?llleö meibe, 9tiemanb mcf)r grüge, S^icmanb anrebe, ben ?llle Ijoffcn unb felbft bie Sfliebrigften oerac^ten, 9Uemanb ber ©erjeil)ung, Sebermann ber ©eftrafiing mertf) ^alte: übrig fei nur nod), bad^ in ber Xl)at fd^on gefällte ©erbammungdurtbcil and) mit Söorten audjufprec^en. Söaö bie geforberte ©träfe betrifft, fo beutet §ntten mieberljolt bie Xobe§* ftrafe an; bod) jeigt er fid) ein anbermal nid)t abgeneigt, aud^ mit lebenslänglichem ©efängnig fieg j^ufrieben ju geben.

^)iefe SRebe, mie aud) bie folgenben über benfelben ÖJegeii* ftanb, lieg glitten für jept nod) nid)t bruefen, fonbern er unb eine ©tanbeSgenoffen breiteten fic in Slbfcgriften auS. ©ie toivU teil bod). ^ud) ber ^er^og erfuhr baoon, unb eS märe bem

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SBer^aUen bfS Jf?aifer§.

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S^cbncr fc^lcc^t flccjaiiöcn, ttjcmt er in bcffcii §änbc (^cfaUeit toärc. ?(ber Dom Äoifer loar ein crnftlidjc^ ©infrijrciten tjegen ben fd)uU bigen gürften faum ju enuarten. SJ^on n?ei6, inie füinmcrlid) fic^ bamalö bie ilaifcrmad)t in ^entfc^lonb nufvedjt erhielt. 0i)ne auörcic^cnbe eichene ^iUf^queHcn, an ben guten SBillen ber üer^ fc^icbenen 9lcit^^ftänbc gebunben, nun aud) in auswärtige Kriege ücrwicfclt, mufete cS 9JiajiiniIian’S ^olitif fein, einen 0tanb bur^ ben anbern im @d)ac^ ju batten ; feinen ju inädjtig werben, aber Queb feinen gan^ fallen ^u taffen; ficb einzelne ju i)erpftid)tcn, um fte gegen anberc gebrauchen 511 fönnen. ©0 hatte er fid) biefen Ulrich eigentlich als (SJefchöpf herangejogen; hatte bie Slbfcpung feines ^luSfchließung feines geifteSuerwirrten SaterS

Don ber ^Regierung genehmigt, ihn bann üor ben fahren münbig gcfprochen, feine (^oberungen jm ^fäl^crfricg il)m beftätigt, enb^ lieh bie eigene S^iiehte, 0abine üon iöaiern, ihm gur^hc gegeben. ^Begreiflich woHte er biefen ©infap nicht buref) fcharfeS @infd)rei* ten gegen einen gürften, auf beffen ^anf er red)nete, uerlieren. <Bo nahm er benfclbcn, als er gteid) nad) ber an ®anS §utten Derübten ^h^t ju ihm nad) §(ugSburg geritten fam, nicht nur mit ber tröftlichen ^crficherung auf, ihn nid)t im ©tichc laffen ju wollen, fonbern lub ihn aud) halb nachher j^u ber ^oppeloer* lobung feiner (5nfel, gerbinanb unb 3Raria, nach SBien. 3u ber ^uttcn’fchen ©ache aber befteHte er ^fal^ unb Söürjburg als 35ermittler, einen ißergleich herbeipführen. @S foHte eine @rfläs rung abgegeben werben, in weld)er §anS üon §utten als unbe- fchulbigt unb reblich anerfannt, bie an ihm üerübte ein

Unfatt bargeftellt würbe, in ben ber ^erjog aus hi^igem ©emütl) gerathen, welcher baneben bem alten Jütten ^^ur ©rgeplichfeit feines entleibten @ohneS 10000, unb ju ©ectmeffen 2000 gl. j^u befahlen hüttc. 2öer weiß, ob fid) bie §utten'fchen nicht in biefer ober einer ähnlichen Söcife hatten abfinben laffen, wenn nicht burch ein weiteres 9Ri6gefd)irf, baS ben ^erj^og betraf, ihre ©tcU lung eine üortl)eilhafterc geworben wäre.

3n ber SRad)t bcS 24. 9^foüember 1515 entfloh biefem feine ©emahlin, um fich in ben ©chu^ ihrer ©rüber, ber ©aiernher^^ joge, ju begeben. 2)aS fchon üorher gelocferte @hcbanb jwifchen beiben war burch bie @rfd)ütteruugen, welche bie golge ber @r== morbung ^anS ^utten'S waren, üoUenbS ^erriffen. SBährcnb

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I. Sud^. 5. j?apttel.

Ulric^'ö ^biocfcnl)cit bet ben gcftüc^fcitcn ju Söicn ^attc Sabine flcmac^t, U)ii bei bem ntürtcmber^ifc^en Sanbtagc ncr- nogcti. 2)er SSerbac^t lag na^c, bag fie mit ihrem ©ruber, bem ®cr5og SBilhelm, ber mit Ulrich löngft cnt,^mcit roar, auf beffen ^bfejung hinarbeite, um fclbft an bie Spi^e cincö üormunbfchafts liehen Ülegimentö für ihren hnii^jührigen Sohn Shriftoph ^vl tre^ teil. iWad) feiner 9^ücffehr befahl ihr baher Ulrich, loie er ' bc^ hauptetc, zugleich ber (Irfparnig megen, ihre befoiiberc $ofhal^ tung ju Urach auf^ugeben unb ^u ihm nach ©tuttgort j\u tommen. Sie traute nicht (fein SBunber freilich, njenn ber ©efehl be^ (hatten, mic fpätcr ihr Ol)cim, ber Äaifer, fchrieb, bei Renten ober Stücfen lautete), fonbern ritt üon 9türtingen auö, mo fie auf halbem SBege bei ber oermittmeten §erjogin ©lifabeth einge- fehrt unb nod) oon Ulrid) befucht.morben mar, mit Surücflaffung ihrer j^mei iifinber bei 3^tacht unb S^ebel, im ©eleite etlicher Stitter, noch ©hingen, ber öftcrreid)ifchcn Stabt, Don mo fie glücflich na(^ ©aicrn entfam. $)iefe gln^^t mar nach ^mei Seiten hi^ ^i*i ©lücföfall für bie ^utteirfchen : fie fonnten nun hoffen, ba§ fich bie §cr^oge Oon ©aiern mit ihnen gegen ben oon SBürtemberg oerbinben, unb baß außerbem ber Äaifer burch bie S^Uchte gegen biefen oerftimmt merben mürbe.

§luch Ulrich oon .^utten Oerfäumte nicht, biefen ß^oif^en^ fall, fobalb er ba^u 9)^uße befam (maö freilich erft nach 3ahre^' frift ber gall mar), ju einem neuen rebnerifchen Eingriff auf ben ©er|\og 511 benupen. Äaifer unb gürfteii fehen nun (bieß ift ber flirre Inhalt feiner jmeiten fRebe), moju ihr ©ögern führe: bem einen greoel höbe ber ©erbreeßer bereite einen jmeiten, ber ©rmorbung beö greunbeö bie ©ebrohung beö Sebenö feiner @e^= mahlin, hinsugefügt, unb fo merbe er fortfahren,' bi§ fie ihn un* fchäblich gemacht haben. Sie merben nod) fo lange jumarten, biö er an ber Spifee einer §ecre§mocht il)reö ©erichteS fpotten merbe; benn bereite ftel)e er mit ben Sd)mei5ern unb mit gronfs reich in Unterhanblung. 3llfo haben fie mit ihrem Urtheil^fpruch unb beffen ©ollftrecfiing fid) ^u beeilen. „9toch hat er fich nicht oerftärtt: überfallet ihn nnoerfchenö. ©r ift in bie @rube ge^ ftürjt: beefet il)n 511. 3n bie Schlingen oon ©lefeh unb fRecht ift er oerftrieft: haltet ihn feft, ermürget ihn. ßaffet il)n nicht fich lo^mideln. ©Jebet il)m nicht geit, aufjuathmen unb fich ju

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l^utten’3 Siebe totber ^erjog Ulrid^. 93

fammdn." 3^^^ SBcrbrcd^ci* in feinem eigenen Innern

fc^on genug gerichtet. „2)enn'', fagt ber 9icbncr, „fo fc^lQu er ucr« bergen mag, fül)rt er bod) ba^ aüerunglücffeligfte £eben. Ä'ein SBertrauen, ni^tö a(ö gurd)t. Smmer ift er in ©orgen. ^UeiJ ift i^m ucrbäc^tig. ^ie greunbe, menn er foId)e E)at, t)ält er für ^eud)ler. @r fürchtet feben @rfolg. S3ei jebem ©eräufc^ jittert er. 9lie glaubt er S3orfid)t genug angemenbet ju ^aben. (Jr uerftedt fic^ unter bem $affc ber ©einigen, unb unter bem UnmiUen 2111er tritt er ^erüor. ©id) felbft mürbe er trauen, menn er allein fein fönnte. 2lbcr auc^ fo ^at er feine IHaft. 3m SGBac^en mic im Xraume folgt i^m feine ©träfe. Sior feinen Sugen fd)meben bie ÖJeftalten feiner SBerbrec^en. @r nagt fic^ im 3nnem, jagt nac^ außen. 2(nbere ocrad)tcn ißn, er felbft üerjmcifelt an fieß. Umringt ift er oon einem ^cere üon ©Freden, ©elagert üon bem täglichen 2lubcnfen feiner Uebeltl)aten. 3)ie Söcllen ber ©orge treiben i^n um, bie 33ränbe feiner ©eßanb- t^aten jeßren i^n au^." 2)icfe an bem Ißerbrecßcr fid) bcreitiS Don felbft ooUjiel)enbe ©träfe entbinbe aber bie 9lic^ter ißre^ 2lmteö nid)t. 3^rc 2lufgabe fei, i^n unfcßäblic^ ju machen, unb bieß fönne nur burd) feine ^)inrid)tung gefeßeßen. SSenn Ätaifer unb gürften jaubern, follcn bie Untertljanen beö UcbeltßäteriS fieß rüßren. „2luf, ißr ©eßmaben, ergreifet bie greißeit, iiacß ber ißr fo merfli^ oerlanget. 3ßr merbet nidjt einen iRäuber unb SD^eucßclmörber ald gürften bulben, ißr, beren SJorfaßren nießt einmal Äönige fieß gefallen laffen mollten. 2)arum entfejjet ber ^errfdjaft baö blutige Untßier; befreiet 2lnbere oon ber gureßt, cud) felbft erftlicß oom Serberben, bann aueß oon ber ©eßmaeß; un^ aber oerpfließtet eud} bureß eine banfenemertße SBoßltßat, unb feßaffet bie Urfaeße neuer Unrußen ßinmeg.'' „(Sr'^, ßeißt e^ oon Ulrieß ein anbermal, „er ift fein gürft, fein (Sbler meßr, fein 2)eutfcßer unb fein (Sßrift. fein 3)ienfcß ift er meßr. 2)cnn ©ittc unb Sebensart, nießt bie Äörvergeftalt maeßt ben ÜJienfcßcn. (Sr ßat bie 9Jienfcßlid)feit auögcjogen, unb Söilb^ ßeit, Söutß, ©raufamfeit unb Unmenfdjlicßfcit ongejogen. SSom 3Jtenjcßen ßat er nießtiJ meßr al^ baö ©efießt; bod) aueß baö ift fo grimmig unb entfeßlid), baß nießt für ein menfcßließei^ gelten fann. 2lllc^ Uebrige ßat er mit ber milbeften Jöcftie gemein."

Max in ber oorigen 9lebe boa^ li^tc (^egcnbilb ju ber

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I. 5. Jl^apUel.

fd^tüQrjcn ©eftalt bc§ ber Qcmorbctc Jütten, fo erfc^cint

in biefcr aU folc^cg bie ücrtriebcnc ©ema()lin. auggc*

j\cid)nctcr nlö i^rc ©eftalt, nic^tö fanftcr alö il)rc Sitten, nichts angenehmer alö il)r Umgang. $oher §lnftanb in ?Ulem, too^ fic thut unb fpridht; ben ©atten ju geminnen, hat fie aUe $ulb unb ßiebenömürbigfeit aufgeboten." Söenn mir oben bei $anö Jütten ücrmuthen tonnten, baß fein öilb ftarf ibealifirt fein möge, fo fönnen mir bieß 1)*^ betreff Sabinen^ bemeifen. 3h^*c ©eftalt aHerbingö mar au^gc^eidjnet, menigftenö infofern fic größer mar alö mand}er 9J2ann; aber ihre Sitten nichts meniger alö liebend mürbig. Sie mar ein SJtannmeib, h^trt, ftol^ unb SBcnn

Ulrich über fic flagte, „mie fic ihn bicfermalen burch iht über^ fchmenglich, üppig, ^ornig, h^^ife fRebcn fo gereift h^bc, baß er, fich ju enthalten, üiclmal oon ihr oom 53ett müffen aufftehen unb hingehen"; mobei er übrigen^ jugefteht, baß er einmal fieß hoch nicht enthalten, fonbern fic gcfcßlagcn habe: fo merben mir biefe Klagen bc3 ÜJtanneö über bie junge grau glaublid) ßnben, menn mir miffen, baß fie nod) alö breiunbfunf^igjährige gegen ihren 33ruber in einer @rbfd)aftöfad)c fid) fo müthenb bezeigte, baß biefcr fie einfperren unb einige 9J?onatc fi^cn ließ. ®cn Umftanb, baß ber ©erjog ^mci feiner Wiener, bie fich chrentränfenbe ^Icu^ ßerungen über Sabine erlaubt hatten, bem Älaifer hcrauöjugcbcn fich meigerte, unb Sabinenö 33chauptung, fic habe fich bei Ulrich il)re^ ßcbenö nicht mehr fichcr gemußt, breßt ber IRcbncr 5U bem SSormurfc jufammen, ber $crjog habe fic umbringen mollcn, um ihr, menn fic ftumm gemacht märe, bie entehrcnbftcn ®ingc nach' jufagen. 3ft biefe S3cr!nüpfung abenteuerlich, fo ift bie Slnbcu* tung auglänbifd)cr ßaftcr, benen ber ^erjog ergeben gemefen, burd) feine hiftorifchc Spur beftätigt. §utten fclbft geftanb, in feinen Ulridh^rcben fich ber h<^i^^öaimlid)cn rebnerifchen greißeit bebient, eg mit ber gcfcßicßtlidjcn SSahrßeit ber einzelnen ßüge nid)t immer genau genommen ^u ßaben*).

^ie bairifeße Sabine mit ben licßtcftcn garben ju malen, boju mar übrigeng Jütten nid)t blog bureß ben rcbncrifcßcn ©ontraft, fonbern aud) bureß bag SScrßältniß oeranlaßt, in melcßcg.

1) B. ben 33rtef beS ßorenj ©eßaim, ©d^rtften I, ©. 153, 164. (Seßdnbni^ bejog ^undc^ft nur auf bie Uterie IRebe.

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VuSjd^reUxn unb Stillungen ber ^utten'f^en.

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tt)ie fc^on angebeutet, ©abtnen'ö gluckt bie ^utten’fc^cn ju ben Jörübern ber ^erjogin gebracht t)^^tte. 5)ie na^cliegciibe S?er^ cinigung beiber üon ©cr^og Ulrict) belcibigtcn Xbeile erfolgte tüirflic^ am 1. gcbriiar 1516. gejt erft fal)en bie §utteirfd)en eine genügenbe üliae^t hinter fi^; ba()er mcift ihr SRcbncr nun bie angebotene ©ul)ne Oeräd)tlich jurücf: nicht ba^ (^olb beö Der« ruchten ^enferd, fonbern feinen i^opf unb fein Seben forbern fie. ©0 crtlärte beim auch Submig Jütten, nachbem er mit 53aicrn ftch ücrftönbigt, an Dftcrn ben Vermittlern, auf beu oorgefchla* genen ©ühneoertrag nirf)t eingehen ju fönnen; an bem oom Äaifcr auf ben 7. Slpril nach 5lug^burg angefepten Verglei^ötoge crfchien er gar nicht, unb ebenfo meigerten fid) bie Vaiernherjoge, fich auf ctmaö ©ütlidjeö einjulaffen. Sluf ben fRath ber Icptern lie§ nun Submig uon Jütten fein längft gebrudte^ 5(uöfchrciben über feineö ©ohneö ©rmorbung, baö Ulrid) ^utten'ö erfter Vebe parallel lauft unb burch einen ben ÜJbrb oorfteHcnben ^oljfchnitt iUuftrirt mar, enblich au^gchen; mäl)renb jugleid) bie |mtten, in Verbinbung mit Vaiern, fid) -\ur ©elbfthülfe rüfteten. 3m ©ep^ tember ftanben fie mit nahezu 1200 ^ferben bei SSembingen im 9lie6. ^ber $erjog Ulrid) blieb aud) nicht müßig. Sßährenb er eine Sßiberlegung beö ^utteirfchcn 9ludfd)rcibenö abfaffen ließ, bot er feine Unterthanen auf, fd)ricb an bie mit ihm in ©iniing ftehenben gürften, Herren unb ©täbte um mit ben ©ibgenoffen in Unterhanblung. ©o ließ fich Sllleö jum Kriege an: unb hic^^ föüt nun Ulrid) $utten'ö britte fRebe ein, bie jmar, mie f^on bie jmeite, erft fpäter in Stnlien oerfaßt, aber fo componirt ift, mie menn fie etma ju Slnfang ©eptemberö 1516 gehalten märe.

S3aö er, ber Sflebner, ben gürften Oorßergefagt, fei einge* troffen: ber jüngft nod) oon willen Oerlaffcne, oon §lngft gejagte Verbred)er fteße ihnen jept in fricgerifd)cr 9flüftung gegenüber. Älö achter Gatilina fchide'er fich an, ben Vranb, ben er ent^ ^ünbet, burch ben IRuin beig Vaterlanbeö j\u löfd)en. ftehe in beö Äaiferö unb ber gürften 9Racht, ißn burd) ihren ©prud) ju entmaffnen: menn fie baö Verbammungöurtheil über ihn auä* fprechen, merben bie Vanbiten, bie fich um ihn gefchaart, fich Oerlaufen, man merbe ihn fangen, binben unb jur ©träfe führen fönnen. Stber e^ fei bie höthftc ßeit, bie bringenbfte 9lothmcn=

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I. 5. PapHel.

bigfcit. als ob fte, bie §utten, fid^ lüd^t im S^otl^foOe ge^

trauten, auf eigene §anb mit i^rem geinbe fertig merben. 5lÜe brennen fie oon fHac^begier, unb maS inSbefonbere i()ii, ben Sllebncr, betreffe, fo merbe iftn baS Streben, jenen ^enter p üers folgen, nur mit bem £ebcn felbft ocrlaffen. 2lber ben gemeinen Schaben foUen bie gürften bebenfen, ben ein innerlicher Äfrieg biefer 5lrt bringen müßte; bie S<hmacl), toelche bem beutfehen Flamen barauS ertt)acl)fen mürbe, menn eS ^eutfd)lanb

fei fein fRccht ju erlangen außer burch Söaffengctoalt. 3^ ben SBaffen aber merbe eS fommen, menn Ä'aifer unb gürften nicht unoerjüglicl) einfehreiten. 9^ur barum menben fich bie §uttcn'fchcn noch einmal an biefe, bamit gebcmiann fehe, baß fie ungern unb nur beßmegen jur Selbfthülfe gefchritten feien, meil fie auf bem SRochtSmege ihre Gebühr nidjt hoben erlangen fönnen.

2)en brohenben Ältieg ju oermeiben, lub enblid) ber Äaifer ben $erjog, fornoßl megen feiner ^anblung an $anS Jütten als megen feiner ©h^-'hönbel, auf bie ÜJiitte Septembers nach SlugS* bürg oor feinen 9?id)terftuhl. 3)er ^orgelabene fuchte griffen, unb ließ unter bem 6. September 1516 ein SluSfdjreiben inS ÜReid) auSgehen, melchcS bie ^arftellung 2ubmig ^utten’S oon feiner Xl)at miDerlegen foUte. äöährenb er unmittelbar nach bem ajtorbe bem ^fali^grafen brieflich befannt hotte, baß ißm „folche Xhat mit freuen miber unb leib fei" ; mährenb befreuiibete gürften nachher einen SSergleich auf ber (^runblage ju Staube ju bringen gefucht hotten, „baß ber oon SBirtemberg auS Unfall, auch hih^fleoi ©emüth, Ju folcher |)ünblung gemachfen": jjeht nun, 16 älionate nach bem ©reigniß, Ulrid^ baS SllleS jurüd, unb nimmt bie Xßat als eine ebenfo moßlbebadjte, mie- mohU beredjtigte, ganj auf fich- @S fei fein SJiorb, fonbern bie rechte mäßige Einrichtung eines UebclthäterS gemefen. Unter ben Uebel* thaten beS jungen EoUen mirb oor ollem heroorgehoben, baß er bem über feine gelobte unb hanbgegebene Xreue treulos

unb brühig gemorben fei. SBorin unb miefern, mirb nid)t gefagt. gerner höbe er ben bei hoh^^’” onb iiiebern StanbeSper»

fonen hört unb hod) oerunglimpft; inSbefonberc über ihn erbichtet, als batte er fich unterftanben, ein ehrenreid) grauenbilb, löblichS, eßrlichS StammenS, 5RamenS unb EertommenS, bie fid) gegen ihn unb männiglich löblich, ehrlich unb mohl gehalten (baS märe eben

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"WuSjc^iretben bc§ ^crjo0§.

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^onfenö Stöu), nn it)rcn fraulichen fdjn'ächcn, unb fic

SBüübrinqunc; feinet uncicbül)rltd)cn Söillcn^ burd) 2)rohung mit Schlägen unb ^J)?i6l)anb(iing nötl)igcn moUcn. 9lud) üon micbcrholtcn SSovhalten, bie ber §cr,^og bem jungen 9titter megen feincig pflichtmibrigen 53cnel)inenö geniadjt, unb bem halb reu* müthigen, halb tro^igen S^ejeigen beffelben ift bie 9tcbe. SBic menig biefc Urfachen ,^ureid)ten, bie Xljat bcö ©erjogd ju ent^ jd)ulbigen, fül)lte ber Guncipient feineö 5tuö|d)reibenö (nach ^utten’ö ©ennuthung ber mürtembergifdje .ftanjler ©regoriuö ßampartcr) fclbft; baher beutete er nod) „etlid) namhaftig Slrtifel an, in , benen §anö üon Jütten fdjönblich, bö^^lich, untreulid) gegen ben ^er,^og gehanbelt, bie er aber ju @hrcn unb SSerfd)onung anberer hohen unb niebem 0tanbcö ^erfonen üorbeigehen mollc".

®od) gefept, §aiiö mar ein S^erbredjer: mie mar beim fein 2)^orb eine Einrichtung? mar ein feltfamcr ©infall, mer ihn audj gehabt haben mag, mie man hier bem ©erjog 511 helfen f achte. 9^ad)bem fein 0chlachtopfcr gefollen mar, h<^He biefer, mie erzählt morben, am guge einee 33aumeö einen 2)cgcn in ben ©oben geftogen, unb baran einen um ben Ealö be^ ©nnorbeten gefd)lungenen (Gürtel feftgefnüpft. 0d)merlich h^^He er babei ur^ fprünglidh eine anberc ?lbfid)t, alö benfelben alö einen, ber baö Eöngen üerbient h^iHe (mie er ihm and) üorl)cr gefügt hf^ben miH), ju bcfchimpfcn. 9^un fiel aber ihm ober einem feiner S^lath^ geber ein, ba§, nach ben ©röud)cn beö meftfälifchen ÖJcridhtö, in ben Saum, an meldjem ber 0chulbige aufgehenft mürbe, al^ ßeichen, bag na^ gerichtlid)cm Verfahren gefchel)cn, ein 3J^effer gefteeft ju merben pflegte. Ulrich mar, mic mand)c gürften jener 3cit, greifdjöffc be§ l)cii^did)cn (sJeridjtö: freilich h^Ue er fed)ö gahre üorl)cr fich unb feine Ünterthanen burd) ben Äaifer üon bcmfelben befreien laffen; freilich muhte, nad) ben (^efehen beö= felben, ber 5Serbrecher auf ber Xl)at ertappt fein, ber Einrichtung ein Sprud) bed (5Jerid)t^ üorangehen, unb bei ber S3otlftredung brei 0chöffen ,yigegen fein; gefcljmeige baß einer in eigener 0ad)c ben Kläger, Sftidjter nnb mad)en burfte. gm«

merhin: E^^^i^g Ulrich erflörte je^t, er h^^be an E^n^ E^dten ald miffenber greifchöff, gemöh ben ^ed)ten ber freien ©tüljle heim^' lieber @erid)tc, gehanbelt.

2)ie 5iJerfd)meigungen, SGüinfeljüge unb Unglaublirijfeiten VII. 7

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98

I. 6.

bicfcr ()cr5ü9lid^en ©c^u^fd^rift njarcn fo grell, fo ^anbgrciflic^, bafe eine ^)uplif Uon Seiten ber ^utten’fc^en nic^t lange auf fid) tüarteu lieg, ©ie ift uom 22. September 1516 batirt. lieber bad SSergältnig bcö $cr^ogd bem Söeibe beö ©rmorbeten gatten fic bi^ger gefegmiegen; ber $er^og in feinem Äu^fegreiben gatte bie Saege nur gegeimnignoll ablcgnenb berügrt. Segt gingen bie ^uttcn'fdgcn mit ber Spraege geraut. Sic braegten einen öricfmccgfcl ^anfenö unb feinet Segmägerö mit bem alten Jütten jum SSorfd)cin, mcldjcr bie Scrfügrungöucrfucgc bc8 ©erjogö auger 3tücifel fegte; fie entgülltcn bie ücrgängnigUoHc Scene beS gcr^ joglid)cn gugfaHsg. 2luö feinem anbern ©runbe, fagen fic, gäbe ber Xgrann, mic fic ign nennen, „ben frommen unfcgulbigcn SD^tenfegen ermorbet, alö bamit er fürber feintgalb unoerginbert fein böfc Öcgierb mit feiner cglicgcn ^auöfrau befterbag ju SEBege bringen möcgtc".

3J?ittlermeilc f^ien aueg ber alte Äaifer bo^ cnblidg @rnft mad;cn gu mollcn. ®er ^cr^og, auf ben 20. September nadg 2lugöburg citirt, mar nid)t cvfdjiencn, unb bie Sßcrganblungen mit feinen Slbgcfanbten gotten feinem ßidc gcfügrt, ba ber Äaifcr fed)^iägrigcn IHüdtritt bcffelbcn Oom ^Regiment mit (£nts fernung auö bem Sanbe für biefe ßcit verlangte, ber ^erjjog aber fieg biefcö ßugeftönbniffcg mcigertc. 3)arauf gin fpraeg am ll.Dctübcr ber Ätaifer bie 2lcgt gegen Ulrid) au8, entbanb feine Untertganen Oon igrem @ib unb unterfagte benfelbcn, igm in bem beoorftegenben i^riege öciftanb ju Iciften. 2)enn ber mar oor ber Xgürc, ba cinerfeitö bie )öaiern unb bie Jütten, an* bererfeitö ber murtcrnbcrgifcgc ^erjog unter ben Söaffen ftanben. ®ocg auf 2lnbrängcn ber pfäl^ifcgen unb mürjburgifcgen fRätgc gab Icgtcrcr eine, menn er nur bei ßanb unb Scuten bliebe, naegs giebige @rflärung gegen ben Äaifcr ab, mögrenb biefer bureg ben Sarbinal 9Jfattgäu^ Sang, S3ifcgof oon @urf, ju ©unften beS §crjogg bearbeitet mürbe. So fam 10 Eiage naeg ber Siegte? erflärung, am 21. Detober, in ölaubeuren ber nadgger in 2lug§^ bürg beftätigte SBertrag ju Stanbe, mornaeg, unter Beilegung aller gcinbfcligfeitcn üon beiben Seiten, Ulri^ gegen baö B^ge^ ftänbnig, auf 6 3agre bie ^Regierung feincö ^erjogtgumg einem oom Äaifer unb igm gcmcinfam ju beftellcnben fRegimcntc ju überlaffen, oon ber Siegt entbunben, bie S3efriebigung ber ©utten’s

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9(^t§erT(antng unb Settrag.

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fc^cn aber nur ftiflf^toeigcnb in bcr ©ummc bon 27000 ©ulbcn üorc^cfebcn rourbc, bie bon bcr njürtcmbcrgifc^cn Sonbfc^aft ju ^anben beö Äaifer^ bcja^lt iucrbeu füllte.

3Wan fonn fic^ bcnfen, njie aufgebracht Ulri^ §utten über biefen SSertrag tnor. 3n feiner britten iRcbc, bie nad) ber 2lufs ric^tung beffelbcn gcfc^ricbcn ift, er ihn ganj ignorirt. @r ignorirte i()n noc^ einmol in ber bierten, bie no^ fpäter, nadh feiner ^weiten fRüeffehr auö Stalicn, im 2luguft 1517 ju ©amberg berfagt ift. @r fonntc bieg um fo füglidjcr, ba jener ©ertrag bie ©eftalt bcr ®ingc nur einen 2lugenblid bevänbert ju httben fc^ien. ®er ^erjog brad) bcnfelben fogleic^, fiel bem ^aupt^ beiftanbe feiner entflohenen ©emabün, Dietrich Spät, uub bem Xoc^termann ßubmig’ö bon Jütten, Scifolf bon 9iofcnbcrg, in ihre ©c^löffcr unb Dörfer; bie Sanbfehaft meigertc fich, bie @nt^ fchäbigungöfumme ju befahlen; ber Äaifer erneuerte bie ^Ic^tö*- erflärung, bie fßarteien bie Lüftungen: unb 2lIIeg ftanb mieber mic jubor.

SBie ^uttcn'ö erfte 9lcbe bem erften, fo geht nun bie bierte bem jmeiten 3lu^fchrcibcn bcr ^uttcn'fdhcn jur ©eite, unb ftcht, mie biefcig, bcr fRcchtfcrtigungöfc^rift be§ ^>crjog^ entgegen, ©ic ift bie umfongrcic^ftc bon ^utten'i^ ©eben raiber ben Ic^tcrn, ob fie gleid) in menigen Xogen eilig jufammcngcfc^rieben mürbe. SGÖor boc^ bad h^tjogliche SJionifcft mic gemadjt, um bon Jütten fritifc^ unb biolcltiid) jerfeljt ju merben. @r nennt c3 ein Sieten^ ftücf, in bem nic^tö jufammenhängc, 2lllc^ fic^ gegenfeitig auf^ §cbe. gür'd erfte ftimme nid)t jufammen unb berrathe fid) baburdh ald unmahr, ma^ baö Ijcr^oglichc 2luöfdhrciben bon bem ©enchmen beö jungen Jütten fage. @r foUe bom ©cmu6tfcin feiner UcbcU -traten fo 5erfnirfdhl öcmefcn fein, baß er me^r alö einmal ^abc .fterben ober inö @lenb manbern moHen: uub bod) micber gegen ben ^erjog gepocht unb feiner gefpottet h^^ben. ©or jenem lebten ÄueJritte foüe er bor bem §crjog gemarnt gemefen fein, feine brohenbe ajhene fclbft gefchen hf*^>cn: unb bod) iinbcmaffnct mit ihm geritten, allein bei ihm geblieben fein. 2öaö fein ©ergehen betreffe, fo fage bcr DJ^örber immer nur, er höbe bie Xrcue gc^ brochen, fei meincibig gemefen. Slbcr morin? moburdh? bamit möge er hoch enblich hctauörürfcn. ßbenfo boU innerer SSiber- fprüche fei, maö bcr ^erjog bon feinem eigenen ©enchmcu fage.

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I. $u(^. 5. i^apitd.

SBcnn ^aiiö ^uttcn ein 5Scrbrcd)cr luor, niarum lieg er ign nid)t öffentlich bur^ §lnbere richten iinb h^nrichten? brauchte

ben einfamen S53alb, unb eigener ^anbonlegung? SBenn eine Einrichtung tnar, tuaö brauchte er ben E^^äurichtenben ai^ufchrcien, er fülle fich feinet £eben^ ujehren? @iue Eim’id)tung ift fein Äanipf, unb ein Ä'ainpf feine Einrichtung, ©nblich, tuenn er fich unfchulbig unb E^nö mit Ütecljt umgebracht mußte, marum lieg er bem ^atcr beffelben burclj feine äJtittclßmänncr eine ©elb- füljne nebft ©hrcncrflärung für ben ^etöbteten anbieten? ®ie Berufung auf ba^ fRecljt ber meftfälifchen @erid)te mar ohnehin leicht ^urücf^umcifen.

^ie grau betreffenb, maren in bem ^meiten ^msfehreiben ber Enttcn’fd)en nur beö Ecri^ogö ^ilnläufc brieflich belegt, unb bem aWorbe bie 5lbfid)t beffelben untergeftellt, befto eher feine Scibenfehaft befriebigen ^u fönnen: ob fic aber in biefe §lbfid)t eingegangeu, mar nicht gefagt. ®ieg thut nun Ulrich E^tten in feiner üierten fRcbe, nachbem er fd)on in ber <^meiten ange= beutet hnttc. @r nennt- Ennfenö SBcib bie Erlena biefeö ^^riegö, belegt fie mit ben fd)impflichften %tmen unb behauptet, fie fei fchon Oor ihreö fKanncö ^obe mit bem Errang einoerftanben ge^ mefen. 2)er Umftanb, bag fie nad) ber ©rmorbung eineö fold)cn (^emahlö am E^fc unb im Umgänge beö 9)törberö oerharre, reid)c allein fegon hiu, fie ju oeruvthcilen. ggr ^ater, ber im ^ienfte bcö E^r^ogö blieb, heifet jept gerabe^u ber Äuppler, mic ber S3ruber ber ßuftfnabc bcö ältörber^. 0o mirb aud) auf biefem fPunfte, nad) Eutteu'ö 2)arftellung , bcö Errjogö SSertheibigung äunichte: mar feine 5^erleumbung, menn Euuö Eutten il)ni unehrbare 3Serfuche gegen fein SGÖeib jur Saft legte.

SJUt einer fo hultlofen 5Sertheibigung oor Äaifer unb gürften . 511 treten, meint ber fRebner, bajii gehöre oon ©eiten beö UebcU. thätcriS ein hoh<^^‘ ®^^ub Oon Unoerfd)ämtheit, ja mirflicher SBahu* finn. UcbrigeitiS oerlaffe fid) berfelbc aud) nidht auf bie Äraft feiner ©rünbe, fonbern auf feine friegerifchc fHüftung unb ben 93eiftanb ber gremben, ben er ermarte. @r foUe aber nur einmal lüöbrcchen. @r merbe fid) über ben (Srfolg bod) getäufd)t hüben. 5)ie ©chmaben finb feinet fRcgiment^, baä nur auö ©rpreffungen unb ©raufamfeiten beftanb, unter bem Sllleö fäuflich mar, fatt; im übrigen ^cutfchlanb ift er allgemein oerabfd)eut. 3m 9Runbe

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§utten’§ öierU 9?rbe toibcr ^erjog

101

bc§ SSoIfcö I)cigt er bcr luürtembcrgifc^c genfer; ©ebid^tc ocr^ breiten feine ©räuel nnb feine 0c^mac^. 2)iefer allgemeine Derbunben mit ben innern ©cfjrccfniffen, brüeft fdjmerer anf it)n, alä er merfen lägt. (5r ift im Seben nnglüdlicger aU fein ©djlacgts Opfer im 2;obe. @r ift fo gequält, bag 0cgabe tuärc, menn er fieg ergenftc. SBägrcnb ign inmitten feiner 9)Mcgt beftänbige gurd)t umtreibt, ftegt igm Ulrid) Jütten, nad) beffen Seben er traegtet, furd)tIoä gegenüber, erflärt fieg laut für feinen abgefagten unuerfögnlidjcn 5^inb. 2)er Xgronn fteüe fieg, alö ob er ign ocradjtete; aber fei nidjt fein @rnft. @r füregte feine gebet nnb mürbe oiel barum geben, bag er niegt^ gelernt gätte. Xnrd) Jütten nnb feine literarifegen grennbe merbe er nnb feine ^gaten nad) SSerbienft fortlcben. ,,3d) beneibe bir beinen 9tad)rugm, bu genfer'', fprid}t ber 9tcbncr ign an: „man mirb ein gagr nad) bir benennen, mirb beiner Untgat einen ^ueignen. 5)ie 9tacg= mclt mirb lefen, fei einer in bem Sngre geboren, in meld)cm bu X)cntfcglanb mit nnauötöfd)lid)cr 0cgmad) beflccft gaft. ^n mirft in ben Äalenbcr tommen, 0d)urfe. mirft bie (5Jcfd)id)te bereiegern. ^einc Xgat ift unftcrblicg, bein 9kme für alle golge-' ^eit mertmürbig: bu gaft errcid)t, maö bu mollteft." greilid) eine ,^eroftratifd)e Unfterblidjfeit; aber für bic 3Bünfcge eincö Unge* geuerö ein gan-^ entfpred)enbee

ßur ^iuömalung ber S3crmorfengeit feinet fürftlicgcn ©egnerö gatte biefer bem tRcbner um bie ßeit bcr 9lbfaffung feiner oierten 9tcbc retd)lid) neuen 0toff gegeben. Äaum bnrd) ben blaubenrer ©ertrag mieber fid)cr gcftellt, gatte er, gerci^^t, mie er nun mar, angefangen, mit goltern unb .f)inrid)tungen gegen bie SKänner j\u mütgen, meld)e igr fianb oor bcr ©cfd)äbignng burd) einen unbänbigen gürften mittelft cinc-^ S^egimentö gatten fdjügen mollen, baö ben .Öerj^og eine ßeit lang befeitigt unb blcibenb befdjränft gaben mürbe. 5lbcr au0brücflid)c (Srmägnung burftc Jütten oon biefen neuen ©ranfamfeiten nid)t tgun, ba er feine 9tebc in einen frügern ocrlegte. 0o fdjilbert er nur im allgemeineu

ba0 gnncre feiucij C^egner^ al^ ein ülabprintg, auö beffen ÄUünis mnngen unb galten immer neue ©räuel fieg cntmidcln. Söenn er ctmaö ©ofe^ unterlaffe, fo fei er nur ju feig e^ am^^u fügten. $ättc er fo oiel 9J^itg al3 Übeln SBiHen, fo mürbe er längft ilUeö um fid) gcr gemorbet gaben. ,,^u uid)t0mürbigfte'5 aller

102

I. 5. j^apitel.

jttjctbeinigcn ©cfd^öpfe", rebet er if)n einmal an. baftSuft ju allem S3öfcn imb ju nid)t^ ®utem. 5)u bift f^lec^tbin böfe. SBelc^e^ ©lieb Don bir einer bcmcgcn, mclc^cn ©lutötropfen n\u terfu^cn mag: eS ift nid)t§ ©uteg barin. ^IRan mng glauben, bie Statur ^obc in bir eine SEÖerfftätte non Uebcltl)öten bereiten moflen."

©egen einen fo gefäl^rlid^cn SSerbrec^cr cinjufc^reiten, forbert Jütten ben ^aifer unb bie nod^ einmal in einer fc^mung*

l^aften ©c^lugrebc auf. „©ib unö ©c^ör, o Äaifer", fagt er. „©ib un§ ©c^ör, S3efc^ü5er bcr Unfc^ulb, ©rljalter bcr ©erec^* tigleit, ber ^i^ei^eit §ort, Sieb^aber ber gi^ömmigfeit. ©ib unS ©ebör, bu S^ac^folger beä 5luguftu§, 9^ebenbul;ler be^ Xrajanud, §crr bcg ©rbfrcifeö, ßenler be§ menfd^lic^en ©efc^lec^tg. ©ntfcme bie allgemeine gurc^t. S^ette, mag öon ^cutfdjlanb noc^ übrig ift. SRec^tfertige bein ßcitalter, beinen ?Ruf unb fieumunb. 3läc^e bie ©Uten, beftrafe bie 33öfcn. 2)ic Älage ber SBaifen, bag S3lut bcr Unfd)ulbigen fc^rcit ju bir. ©r, bcr Sßtele gemorbet b^t, bie Uebrigen ju morben trachtet, SlUcn SJerberben bereitet; ber ben ©attinnen bie ©atten, ben SSäteni bie ©ö^nc, ben greunben i^r anbereg 3cb, bem gefammten 2)eutfd)lanb feine -.^offnung, feine ©nuartung entriffen Ijat; bcr ^eiligtbümcr geplünbert, an ^rieftcr freuclnbe §anb gelegt, Xempel beraubt l)at; bcr ®cutfcblanb Uef^ lauft, Seben unb©ut reblicber 93ürger feil geboten b^t; ber feine ©emorbeten bem b^iniatbli^cn öegräbnig Oorentbält, ung öers bietet, um unfere ^^obten ju trauern; er, erfinberifeb in ©rau* famteit, tbatfräftig in Unmenfcblicbfcit; bcr 2JJörbcr, 93anbit, genfer ber ©Uten, SBiberfad^er ber Unfebulb, geinb bcr ©öttcr unb SJ^enfeben: merbe jerriffen, j^erftüdt, jcrfi^mettcrt, getöbtet, üerniebtet, bem ©cbmert, bem geuer, bem Äreuj unb ©triefe preiggegeben. 3b^^ Q^cr, bcutfd^c gürften unb iölänner, rciget enblid) aug ber ©d^eibe eurer Sööctwng bag©d)mcrt ber ©crccb- tigfeit. Saffet in bcr S3eftrafung biefeg ÜRäuberg bie ©^neibe eurer ©trenge nid)t ftumpf merben. Ünmürbig ift eg, fcbänblidb, frcOelbaft unb üerbcrblicb, einen folcben Söerbred^er entrinnen ju laffen. ©ebömen merben fidb eure 9lad)fommcn an Voreltern, bie fo Don bcr Xugcnb ihrer 5lbncn entartet maren. 2)arum moblan, entmeber möge (mag unmöglich) bie 9la(^mclt niebt miffen, mclcbc Untbaten Ijicr begangen morben, ober (mag an eurer fRccbt-

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103

Sierte 9lebe toibec Ulric!^.

lic^fcit liegt) möge pc sugteidj tuiffen, bog fic bcftroft toorben pnb."

©0 lange bcr alte Äoifer lebte, lieg er burd) bie Söinfcljügc $erjog Ulrid)'^ unb feinet neuen Äonjlerö, Slmbroftus^ IBoHojib, mic er felbft einmal unmut^ig öugerte, „fic^ um^iel)en": mic Jütten feinen Äam^f gegen ben ^erjog fortfc^tc, unb enblid)

ben Xag bcr iRac^e erlebte, mcrbcn mir fpötcr ju berichten gaben.

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Ä

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104

c^itften’d iweite %tift itacf 9>taneit.

1515-1517.

ift oben crnjö^nt tüorbcn, wie btc 5(ufnal)mc, tDcld)c glitten nadj feiner erften fRücffebr in bie |)eiinat!) bei ber beit feiner ^(ngebörigen fanb, äugerft fränfenb für ibn tnar. ©tatt @b^c i^nb 5(nertennnng fanb er 55eracbtnng nnb ©pott. Singer ber ritterlicb-friegerifcben unb ber fircblicljen fiaufbobn er? fannte ber bomalicje Slbel (fo n)eit bitten firfj bie febon geänbert) aud) no^ bie juriftifd)e als eine folcbc an, burd) iuelcbc einer igreS ©tanbeä fid) nidjt alljn uiel nergebe. SJian ftubirte neben bem fanonifdjen ba^ römifebe ober fogenannte faiferlicbc 9led)t, baS in jenen 3abren immer mehr (Singong in 2)eutfd)(anb fanb, mürbe 2)octor, nnb machte bann am faiferlid^en ober an dürften? unb §errenböfen als fRatl), ^lan^ler u. bgl. fein ©lücf. ®iefe Saufbabn lag bem alten §utten für feinen ©oI)n, nad)bem biefer bie geiftlidje üerlaffen b^^HC/ ©inne. 9^un batte aber Ulrid), nach einem furzen Sin laufe, febon in Stalien fid) mieber ju feinen S^larrenSpoffen (nugae), mie ber Sllte eS nannte, jurücf gemenbet, mar nicht als 9}2agifter ober ^octor, fonbern als S^iebts, als ber 9tiemanb ^urüefgefommen. ©einen Slbcl fd)ien er burd) bie unritterlicben ©tubien Oermirft ju höben, unb eine anbere SIuS^eid)nung l)ötte er nid)t gemonnen. S)ienfte, meld)e für ben Slugenblicf feine feböngeiftige geber in bem ©treite mit bem ^er^og oon SBürtemberg leiftete, nahm man mit, ohne über feine ©tubien im allgemeinen bie Slnficbt ju önbern.

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Umarbeiiuno bc§ ^icmanb

105

2)icfcS uitb 9Zicmanb, baö |)uttcn jo^t oft

l)ören ober bod^ ju empfinben befam, bracljtc U)m einen voctifd)en (^c^erj in Erinnerung, ben er fd)on oor ober luäbrenb feiner erften italienifc^en SReife f)ingetoorfen l)attc: er fudjte feinen „3^iemanb" loieber arbeitete i()it um unb fügte ein pro-

faifc^eö JBonoort an feinen greunb Erotue ()in^u. 33eibed mar, einem 33riefe §utten’ö an Era^muö Dom 24. October 1515 ^u^ folge, bamalö fd)on j^um ^)rucfe bereit, ber jebodj erft brei fpätcr 0tanbe fam. 3n biefer ß^^ifdjen^eit mag mol)l nod) SRanc^e^, befonberö an bem S3ormorte, oeränbert unb jugefe^t loorben fein; bod) mollen mir barum bie fdjon einmal j\urüd= geftcllte SBefpredjung beö 33üd)lein<§ nid)t länger oerfd)ieben. 2)er S^liemanb ift junädjft, mie baö griedjifd)e SBort auf bem STiteP) unb fc^on oor ber erften 5luögabe ein Epigramm an^eigte, ber ^omerifdje Gi ng, mit melc^ein Dbpffeuö ben Epclopen öftte. 0o erfdjeint er auc^ im jmeiten Xl)eile bei? (55ebid)tö alö bie ftel)enbe Sluörebe nid)tönu^iger ^ienftboten: fie mögen jerbrodjen ober fonft ^u EJrunbe geridjtet l)aben, maö fie mollen, immer bat ber 9^iemanb getban. liefern fel)r auögefübrten befd)reibenben Xl)eite ift nun aber, fdjon in ber erften ^luiSgabe, ein tnr,^erer, meljr epigrammatifdjer, i)orauögefd)idt, beffen Söip in ber ßmeis bcutigteit beftel)t, bag ber 9^iemanb ^unäd)ft alö mirflid)e ^erfon erfebeint, oon ber ganj außerorbentlidje, unglaii bliebe ^inge auö^ gefagt merben, biö er auf einmal alo blojje Verneinung jerplapt. (2)er) 9^iiemanb mar uor ber Erfd)affung ber SBelt; Dtiemanb !ann, iRiemanb meiß Sllleö; 9tiemanb bauert immer, 9tiemanb ift oon gebient, oon 3n:tbum frei; ^Riemanb ift in ber Siebe meifc, 9liemanb fann jmeien .gerren bienen u. f. f.

2)aö fo angelegte EJebidjt ift in ber neuen ^lu^gabe mefent* lieb Oerbeffert unb oon 43 ^iftid)en auf 78 oermebrt. ^em 5luö= bruef ift burebmeg nad)gebolfen, oermittelnbe ßiige angebradjt, ba unb bort fdjärfere Sidjter aufgefe^t, bas^ Oian^e feiner unb be« 5Üglid)er gemadjt. 3ni erften Xl)eile befonberö finb Verfe ein* gefdjoben, in benen nun ber SBife nid)t mehr bloö ber logifdje beö Umfdjlagenö eiger oermein tlid)en ^erfon in eine bloße Ver*

1) OtT/f. Nemo, ©(tjtiftcn III, 107 118. 2)tc an

CrotuS i, 8. 175—187.

106

I. 9u(l(|. 6. Pa))itel.

ncinuntj ift, fonbcrn einen moralifd^cn ober politifd)en 0tac^el . befommt. S^iiemanb bringt fic^ burc^ reine ©itten in ber SCBelt empor; S^iemonb fe^t ben gemeinen 9tujen üor ben eigene»; iJliemanb ift fromm unb ^ofmonn 5ugleic^; S^iemanb bringt olle ^)eutfc^en unter @inen gut; S^iemanb me()rt ben 3;ürfen ab; iytiemanb tommt bem feufjenben Stalien 511 gülfe unb befreit bie @tabt be§ jQjiirinug oon ber ^foffen^errfc^aft; 9liemanb mögt eg bie Ueppigfeit unb ben SKüffiggong ber ©eiftlic^feit, 9iiemanb ben ^opft 511 tabeln : bag finb nic^t mefjr bie ^ormlofcn SBifee eineg jungen ©c^öngeifteg, fonbern Oebanfen eineg SO'^anneg, ber bie SBelt gefe^en unb über bie menfd^lic^en SBcrpltniffe nac^s . gebaut t)at.

©ein perfönlic^eg §(ntiegen bringt gutten in bem ©ebid^tc felbft nur in bem ßwge uor, meieren bie neue Bearbeitung eins fc^iebt : S^iemanb reiche ben redeten ©tubien ben oerbienten £ot)n. liefen SRiemanb, fagt er in ber profaifd^en SBibmung an ben alten greunb ©rotug, ^abe er bei feiner Sflücffel^r in bie geimatl^ gefunben. mac^t er fid^ nun aber l^ier, in bie SKeinung

beg großen gaufeng feßerj^aft eingeßenb, felbft jum 9>liemanb, unb mag er rebet unb feßreibt, ju 9tid^tg. ®er greunb bcflagc fic^ (in einem ung nießt aufbeßaltenen Briefe) barüber, baß gutten ißm ein gau5eg 6aßr nic^tg gefeßrieben: allein mer felbft S^id^tg fei, mie fönne man Oon bem @tmag oerlangen? ©0 f(ßicfe er il)m beim ßiemit S^tießtg, unb 5Hiemanb fei ber Ueberbringcr. SBoäe ©rotug miffen, moßer auf einmal biefer ©infall, fo bürfc er fieß nur an ißre näc^ften @rfal)rungen erinnern. Beibe ßaben ße ben Berfueß gemadf)t, Wag bureß bag eifrigfte Betreiben ber beften ©tubien ju erreichen fei. (Srreießt ßaben fte, baß man öffentlich oon ihnen fage, ße höben S^ichtg gelernt unb feien iltidhtg. ^)em greunbe fei eg hictin noch leiblicher gegangen alg ihm, ber fo, wie oben bef(^rieben, bei feiner geimlchr empfangen worben fei. Beßnbe er fich unter feinen 9tittern, fo fühlen ßc ihn nidht, unb auch bie ©eiehrten erlennen ihn nicht an. ®ic IRitter würben ihn gern alg ihrcggleichen gelten laffen, wenn er nur nid)tg gelernt hätte. ®ie ©elehrten aber feßen auf folchc ©tubien, wie er unb Srotug ße gemad)t höben, mit ber üußerften Berachtung herab.

3m augfchließlichen Bcfije beg SBiffeng bünfen fich jejt be*

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^utien an SrotuS.

107

fonbcrig bic beiben Äaftcn ber 3uriftcn unb bcr Xbcologcn. ^ic einen fc^tnören auf ^Iccurftnö, S3art^o(uö unb 33albu^, bic ©loffa* toren unb Kommentatoren bc3 Corpus juris; bic anbern auf X^omaö unb ©cotu^, ^tbertuö unb Sonaücntura mit i^ren Cluäftionen unb ©püogi^mcn. S3cibe aber feien bie $cft, bie einen bcig S^cc^tiS unb beö KJerncimoo^lö, bic anbern ber SRcIic^ion unb Xb^otogie. Sluf beiben «Seiten fei eine einfache ©runblagc burch maffenbaftc Kommentare ocrbccft, ein urfprüngtich faglichc^ ©tubium in unburchbringliche SRebcl gehüllt loorben.

5)ie 3uriftcn fehießen jeht an ben §öfen mic ^iljc auf, gc^ niesen auöfchlicglich bie KJunft unb thcilen bie Schäle bcr dürften. SGBenn biefc burch irgenb ctmaS ihren Unoerftanb bcmcifcn, fo fei bur^ bic SBegünftigung jener ^abuliftcn. „Sllö hätte c3 nid)t beffer um 5)cutfchlanb geftanben, ehe biefc ÜJicnfchcn auffamen mit ihren Dielen Söüchcrbänben ; bajumal, alg h^^^ (nach Xacituö) gute Sitten no^ mehr galten alö anberömo gcfchricbcnc ©efche. Ober alig ob noch jcbc5 ©emeinrnefen um fo beffer

Dcrujaltct märe, je meitcr biefe KJloffotorcn boDou finb. fehc nur einer jene ©achfen am öaltifd)en SKccre, mic fic ohne 5luf* fchub unb ohne KJefährbe Sftecht fprechen, inbem fic 5mar nicht bic genonnten KJcfchfrämcr, aber bie althcrgcbrochtcn heimifchen öräuchc befrogen: mährenb hi^^^ eine Sache 20 3ah^^ jmifchen 36 ^octoren hängen fann/' 3Kan ficl)t: in bem eben bamalS entbrannten Kampfe jmifchen bem alten beutfehen Olcdhte, ba§ un^ gelehrte ebenbürtige ?Ricl)ter in fur^cm münblichem Sßerfahren auö bem ^erfommen fdjöpftcn, unb bem au^ 3talicn cingemans berten, burch eine gelehrte öcrmaltcten römifchen fteßte

fich ber beutfehe S^titter auf bic Seite be^ erftcren; mährenb bcr |)umanift in $uttcn ba^ römifche IRccht menigftcnä unglofftrt, bic altrömifchen Duetten Don bem SBufte bcr mittelalterlid)cn Kr^ flärer gefäubert miffen mottte, unb hierin nicht nur einen 9J?utian, fonbern ouch philologifch gcbilbetc 3uriften mie Ulrid; auf feiner Seite h^^He. Kinj^ig auö Mdficht auf ben SBunfeh bcr Seinigen, fährt §utten fort (unb biefc Stelle möchte mohl fpäter, gegen Knbc feineö j^mciten ^lufcnthaltö in 3talicn, ein* gcfchoben fein), unb auS 2lcrgcr über ben §ochmuth jener IRabu* liften höbe er früher fich entfchloffen, ihnen ihre Äunftgriffc ob* julernen unb ®octor ju mcrbcu, um fich our KJcljör unter ihnen

108

I. ®u(^. 6. i^npitct.

ju t)crfrf)Qffen. SlK^^uoiclc f)nbc er bamit nid^t ju Verlieren gefürchtet, ba fiel) ja nicht um baö ©inbringen in ben Äeni einer SBiffenfefjaft, fonbem nur um ©rmerbnng ber gähigfeit ge* hanbelt höttc, mit ben 0chalcn gu ftappern. liefen ^lan höbe er, unter Sieirath beö greunbeö (hier feheint auf eine ßofoni* mentnnft mit ©rotnö in Senebig angefpielt, auf bie mir batb ju fprcchen fommen merben), bahin abgeänbert, baß er iefet ent* fchloffen fei, nicht S)üctor merben, nnb Urthcil beö großen §aufenö ^n oerachten.

5^ein uortheilhafteref^ 33ilb entmirft $ntten in biefer inhaltö* reifen Siorrebe oon ben ^h^^otogen feiner ßeit. 3)Mt ©citerfeit mirb ber greunb baran erinnert, mic trefflich er einft ihre fchola* ftifchen Älopffed)tereicn nad}3uahmen oerftanben ho^JC. ©r felbft, glitten, höbe fie früher oft geärgert, oft ihren ^ochmuth nnb ihre S3erfehcrungöf licht geregt: je^t finbe er flüger, olö nichts* fagenber 9tiemanb fid) ihrem 3ornc ent5ichen. SBic bie Söor* läiifer ber fRcfornrntion fchon längere 3cit, nntcrfcheibet auch Jütten Oon ber alten nnb ächten ^^hcologic bie feit 300 3ahren aufgefommene fd)olaftifche, meld)e bie Sehre ©hi'ifti oiit einer SJiaffe abcrglänbifd)er @cbränd)c nnb fchlcchtcr 53üchcr ^ngebedt höbe. «Statt mufterhaften Sebenö pod)en biefc 9Jienfd)cn auf ihre Äutten nnb ^rioilegicn ; mährenb fie bie ungefaljenften ©efehöpfe feien, holten fie fid) für baö Sal^ ber ©rbe; meil fie bie 53eid)tc ber gürften hören unb bie ©eheimniffe ber SBeiblcin erforfchen, meinen fie meifer als alle übrigen ä)?enfd)en p fein. 2)aö ©Jute unb maljrhaft ©hnftlidjc, mie bie ^Irbcitcn be^ ©raömiiö, fei ihnen jumiber; ben trefflidjcn fRcudjlin höbe oor ihrer SButl) nur ber Sdjiip bcö Äaiferö aßajimilian gerettet. ©Jclinge ihnen aber, einen alö ilehcr ^u ergreifen, fo gebe feine grau* famern Sieger alö fie. ®a ftellcn fie fid) ganj an ©h^ip* ^tatt: nur- oon feiner ©armheräigfeit, ber oornchmften feiner ©igen* fchaften, mollcn fie nid)tö miffen. Unb nur gegen Schmad)e, nur mo man fie gar nid)t braud)c, jeigen fie .ihren ©ifer : bie 3!ürfcn, ober aud) bie böbmifd)en ^uffiten ju befchren, falle feinem ein; mo e^ Öefahr gebe, ba jichen fie fid) oorfichtig in ihre angeblich . fromme 9tuhc ^urücf.

Sold)e 2)ienfd)en behcrrfd)en bie SJ^enge, mclcher $Rang unb Xitel imponiren, mcld)c nid)t frage, ob einer ctmai^ miffe, fonbern

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$uttcn’§ afteite JReife nod^ 3to(ien.

109

üb er Xoctor ober äRagiftcr fei. tiefer 5IWcinung, fo fcfilicßt Jütten feine fönne fein lDQi)rf)aft freibenfenber 9J^onn

fic^ fügen; er toenigften^ njoUe mit SSergnügen für immer 9ftid)t^ bleiben, fiel) mit bem grennbe, non bem er ein ®leid)eö Dorauö- fe^e, biömeilen über bie X()orbcit ber 2J?enfd)cn luftig machen, fi(^ aber burc^ ben @l)rgei^, @tmaö ju merben, feinen ginger breit Don feinem SBorljaben oblenfen taffen.

Stuf ber anbern ©eite jeboc^ lieg fid) ber alte ©tecfelbcrger Don bem $lnne, in bem ©ol)ne bereinft nodj einen- cinflugreidjen ^vuriften fe^en, gleidjfaHö nid)t abbringen. @r öffnete iljm, in ©emeinfe^aft, mie e^ fd)eint, mit nod) anbern gamiliengliebern, feine Äaffe unter ber 33ebingung, bag er nod) einmal nac^ Italien, unb j^iüür naeg fRom, ge^en nnb fein abgebrodjeneö fWeegt^ftubium lüieber anfnüpfen fülle. Sind) ber ©rjbifdjüf ?llbred)t üün äRain^ unterftüj^te i^n 511 biefer 9feifc: nm 9Jiagbalenentag (22. guli) 1516 befd}einigt ber main,yfd)e ÜRarfdjalf grüiuin üün glitten, üon ben 200 @ulben, bie ilurfürft 2llbred)t „bem üeften Ulrich üün §uttcn, feinem ^Setter, gnäbig i^ngefagt, jur SSüflfüljrung feineö angefangenen ©tubiumö in l)ül)er ©d)ule ^ur ©teuer ju geben", auf feine 53ittc 50 ©ulben crljalten ju l)aben, bie er auc^ fofort „gebad)tcm feinem 3^ettcr, alö er in SBelfc^lanb ge^ ^ügen, überliefert gäbe"*}, ©ü lucnige ga^re üürtjer ber

33ifd)üf §iüb üün iRiefenburg ben gugenbfreunb §utten’ö, @üban ^effe, naegbem er ign eine geit lang an feinem §üfe gehabt unb lieb gemüiinen, jum iRecgtiSftubiumö nad) ßeip^ig gc^=

fegieft, um ign fpöter beftü beffer unb eljrenüüUer in feinen fc^äften üenoenben ju fönnen. Unter ber altern (^eneratiün ber ^umaniften mar biefc Serbinbung be^ juriftifd)en ©tubiumö mit bem pl)ilülogifc^en niegt ungemöl)nlic^ gemefen. 2)aö lepterc gab noc^ feine bürgerliche (Syiftenj: ba nagm man baö erfterc ju ^ülfe. ©0 mar 3ül)ann lReud)Iin erft Jöeifiper beö mürtember? gifchen ^ofgeridjtö, bann fchmäbifcher 33unbeörichter gemefen unb nannte fid) auf ben Xiteln auch feiner philülogifdjdheologifdjen ©üchcr Legum üoetor; unb SÖJilibalb ^irdljeimer galt für einen ebenfü grügen 3uriften alö 5^hilol‘>9en. ^ie Jüngern SRänncr biefer 9tid)tung aber mülltcn fid) ju fülcher iBerbinbung nicht

1) ^utlen’ö Sd^riftfn I, 3. 105.

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110

I. 9u4l- 6. ftapiiel.

mc^r bequemen, ©ie uerfui^ten e§, i^r Seben auf bie ^umanü tät^ftubien allein begrünben; maö fic nad)l^er nic^t feiten ju bereuen batten, ©o üerfaufte @oban eine^ fd}önen ÜJ?orgen§ bie juriftifd)en SÖücber, bie i^m fein 0ifd)of jum 0tubium in fiei^^ig angefebafft batte, unb ging nach Erfurt jurüd, um ficb auöfcblie6= lieb ben febönen Sßiffcnfcbaften j\u mibmen. ^ber ging il)m ba halb fo fnapp, bag er, um ficb unb feiner gamilie S3rob ju febaffen, einmal 9J?ebicin ju ftubiren anfing.

©0 fam jept auch Jütten febmer an, ficb t)em SBunfebe ber ©einigen ju fügen; boeb machte er ficb im §erbft 1515 mit mebreren 33egleitern auf ben 933eg. ©emc märe er über ®afcl gereift, um ben ©raömug mieber ju feben, ber ficb eben bort befanb; bücb feine ©efäbrten ^ogen eine anbere ©trage öor, unb fo febrieb er j\u Söormö, in ber Verberge, unter bem ßärmen ber ®öfte, einen iÖrief an bcnfclben, in melcbem er feine Ißerebrung für ben erhabenen 9J(eifter in begeifterten SÖorten auöfprad)*). ®r betrachte alö ein Unglüd, bag iljn bie SSerbältniffe oon @raömu^ entfernt halten, bem er fo innig mie ^llcibiabeö bem ©ofratei? anbängen möchte; in ber ^Iljat fei ja ©raSmug ber beutfebe ©ofrateg, habe fid) um bie S3ilbung beö beutfeben Ißollö nicht minber alö biefer um bie beö grieebifeben oerbient gemacht. 0b er ba§ @lücf haben mürbe, einem folcben äJ^anne ju gefallen, miffc er freilich nicht; aber ihm - ju bienen märe er mobl nidbt gang unmertb gemefen, unb bem @raömu^ mürbe e^ nicht 5ur Unel)re gereicht haben, menn ein beutfeber Dritter mit Xreue unb Cifer fid; feinem 3)ienfte gemibmet hätte, iöefonbcrö ©rieebifeb hätte er ju feinen Sügen lernen mögen; er habe im ©innc gc* habt, JU ihm ju reifen, ign oielIeid)t nach ©nglanb ju begleiten, unb mürbe biefeg S8erbältnig nicht nur bem §ofleben, ju bem er JU feinem Scibmefen berufen fei, fonbern auch ber fReife nach Stalien oorgejogen haben, mohin ihn bie läftige greigebigteit ber ©einigen beö IRechtöftubiumö megen fehiefe. 5^äme aber ®ragmu§ etma nad) Stalien, fo mürbe er ficb burd) nichts abhalten laffen, auö bem juriftifchen Äerfer, in mclcbcn bie ©einigen ihn oerbon* nen, ju ihm ju eilen. ^Rachbem er fobann nodb feineö ^Ricmanb

1) ^utten’S ©^iriftcn I, ©, 102. §ier auc^ bie 9?0(brid(|t bon ber ®ei» fteuer ber i^utten’|4)en tJoniilie Ulric^’S 9tei}e.

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^utten’S iKetje nad^

111

unb bcr e^rcnüoQen (SrtDÖ§nung bed QhroSmuS in ber iBorrebc (b. f). in bcm S3rief an (Srotu^) gebac^t, aud^ feine ©efunb^eit betreffenb gemelbet ^at, bog er üon bem unb bem guß-

übel gan5 geteilt fei, bittet er fc^lieglic^ ben ^raSmuS um eine (Jmpfe^lung an einen gelehrten ©roßen in fRom, bem er aber nic^t ©tattfnec^töbienfte, fonbern litcrarifc^c ^anbrcid)ung 5U t^un ^ötte. Seneg nömlid} loar nic^t feiten bie Saufba^n ber üon Jütten fpäter fo fel)r befämpften ßurtifanen, b. beutfd^er ©eiftlic^en, bie in jungen Sorten na^ 8ftom gingen, unb fieß ba jju ben elenbeften ^ofbienften bequemten, um betnac^ mit ber Sin» martfebaft auf beutfe^e ^ircbenfteUcn, unb natürlicb 5ugleicb mit burebau^ ultramontaner ©efinnung, jurUefjufebren.

5(uf melcbem SBege Jütten nach fRom reifte, unb lyQÖ ib^i^ untcrloeg^ begegnete, miffen mir nicht, menn mir nicht ber ®er« mutbung 0tatt geben, baß un;^ in einem ber ^unfelmönncrbriefe be^ jroeiten ^cr, mie mir unten pnben merben, ihn jum

^auptoerfaffer b^^lr Ktnc fReiferoute aufbebalten fei. Sftämlicb einige^ oon feiner fReife miffen mir boeb, unb baö trifft mit bem, mad M. Söilbelmu^ 2amp oon ber feinigen berichtet 0, rnerfmürbig jufammen. lieber 9Rain5 muß Jütten oon 0tecfelberg auö fo gut mie ber SRagifter oon Äöln auö gefommen fein; baß er hierauf mie biefer in SBorm^ einfebrte, unb oon ba nicht meiter rbeinaufmärtd in ber Sfliebtung nach S3afcl reifte, fonbern einen anbern SEöeg einfeblug, miffen mir auö feinem in ber Verberge ju 833orm^ gefebriebenen 5Jriefe an ©raömuö; menn ber SJtagifter oon SBormiS aud feinen äBeg Augsburg 5U nahm, fo mar bieß auch für ben Flitter, moHte er nicht über öafel reifen, bie an« gemiefene ©traße; mie ber ^Regen unb Schnee, morüber ber Än« bere llagt, ju bcm 24. October ald bem ®atum oon ^utten’ö mormfer Briefe beftenö paßt. SSon Slugöburg auö reifte M. Samp über ßanböberg unb Sebongau burd) grunblofe SBege nach 3nn§« bruef, mo er ben Älaifer mit zahlreichem ©efolge fanb; bann über ben bereits fdtmeebebceften Brenner nach Orient, mo er S^uge bcr faifcrlicbcn ÄriegSrüftungen mar, bie auch Jütten in einem fpöter zu 9lom gebiebteten (Epigramm in ben 2Upen gefeben z^

1) Epist. obsc. viror. II, 12. Hutteni Opp. Supplem. I, & 206 ff.

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112 1. 6. Kapitel.

fabelt Dcrfid)crt *). Scrona unb 3J?antua fa^ fi^ bcr

äl^afliftcr burd) bic Äricö^mad)t bcr S^cnc^iancr aufgcl^Qlten; nac^ ÖüIognQ mac) nud) .guttcn, it)cnno(cid) nid)t flcrabc, luie bcr bcrc uon fid) ücrfid)crt, tuä{)rcnb, bod) nic^t lange nor ober nac^ bcr bcö ^apftcö mit bem Äiöiiig Don gronfreie^

in jener ©tabt (10.— 12. 2)ccembcr 151.5) gefommen fein; unb ba6 er oon ba gleich feinem obfeuren 5)oppclgänger über gloreng unb ©iena meitcr gezogen, merben mir ebenfo mal)rfd)einlic^ finben, alö mir ibm uor bem ©intritt in bic Sßeltbauptftabt in Ül?üntefia§conc bic |)cr/iftärfung gönnen merben, bic bem SJiagifter fo unoergeßtid) mar; obgicid) an biefer ©teile bic bem '-Brief* fd)rcibcr ,^ur Saft fallenbc 93ermcd)^(ung beö bort cinl)cimifcben Est— Fist mit bcr lacryma Christi üom SSefuo §uttcn'ö ^efannt* fc^aft mit ber Drtögelegcnijcit smcifelliaft mad)en fann. 93ci fo Übeln SBegen unb mandjerlei §inberniffen fann M. ßamp nid)t mof)l oor bem grül)jal)r fein '^ki erreid)t b^^ben: nnb auc^ ba^ ftimmt auf §uttcn, oon bem mir miffen, baß er jur gaften^eit nac^ fRom gefommen ift unb einen 21I)eil beö ©ommer^ 1516 bafclbft ^ugebradjt Oat^).

®en ©inbruef, mcldjen ba§ päpftlid)c $Rom auf Jütten mad)te, ^at er in mel)rcren ©pigrammen au‘5gcfprod)cn, bie er üon fRom au^ an ©rotuö fRubianuiS nad) 2)eutfd)Ianb feßidte®). ©leid} baö erfte lautet:

?Ufo td^ fic benn, 91om§ ^olbjertrümmcrte 5)laufrn,

3Do mit bfm ^eiligen mon jclbcr ben @ott au(^ öerfouft.

Sq^ ben erhobenen ^rieflet, o ßfrcunb, mit bem tjciligen ?Rot^c,

Unb ßorbinäle, oejd^aart, bröd)lig in jc^lebbenbem 3”9- ©d^rciber fo oiel unb $ro& oon überfUlffigen 3Jlcnfd^en,

mit ben Sterben sugleid) mallenb ber Purpur bebceft.

5:t)ätig bie einen im fdbQnbboren SBerl, bie onberen leibenb,

Unter bem t;eiligen Sd(|ein frö^nenb ber roitbeften fiufl.

?lnbre fobonn, bie felbft ou^ ben 6d()ein bc§ ®utcn uedc^ma^cn,

Unb mit erhobener 6tirn Sitte oerljo^nen unb 3u<^t.

9Be((^c mit Suft fc^Iec^t finb unb mit ^ollmad^t; ad^, unb in beren 2lod(| boS teutonifdfie ^oU leiber fo toilUg ftd(i fügt.

miRsa.

1) Schriften III, 6. 216, 9Ir. 18b.

2) Schriften I, S. 104. 105. IV, 8. 186.

3) Ad Crotura Ilubianiim de statu Romano Epigrammata ex Url)c Sj^riften III, 8.278 283.

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9i5mtjd^( ^inbrüde.

113

6te ^nb^aben l93erbot unb ^rlaubntb, f<bHegen unb bffnen,

UnD tote eS ihnen beliebt, tbeilen ben l^immel fie ouS.

Stömerinnen, unb 9tÖmer nicht mehr; ood Ueppigfeit ^deS,

VdeS, toohin bu auch blicfft, Ood ber Oertoorfenften Sujt.

Unb baS ^deS in 9tom, loo (ÜuriuS einft unb ^eteduS Unb ^ompcjuS gelebt: o ber oerfinberten ^cxU S)rum bem Verlangen entfoge, mein Sfreunb, nach ber hri^gen 9loma: 9tömijche§, toelcheS bu juchft, ftnbejt in 3iom bu nicht mehr.

ftärfcr brücft m Jütten übtr bic SSerfäuflic^fcit aller S)in9c in 9iom, inöbefonbere über ba^ Slblaßinefen, in einem anbern (Spigramm ouö:

9luf, ihr dJUlnner, toohlauf! legt ^anb an, lebet Opm Glaube, dJlorbet, oom hrÜigen ®ut ftehlet, Oerlehet ba§ IRecht . . . ßuere IRcbe jei @räul unb euer §anbeln Verbrechen;

9BSl}t euch tm Vfnhlr ber Suft, leugnet im i^immel ben ®ott. . . Vringet ihr @elb nach 9lom, jo jeib ihr bie rechtlichften Seute:

Xugenb unb himmlijchen fiohn tauft unb oerlauft man ju 9tom.

^a, auch fUnftig Verruchtes }u thun, erlauft man )u 9tom ftch:

' ^rum, wenn ihr tod, fo feib gut ; wenn ihr oerftfinbig, feib fchlecht I

Unb im ^inblicf auf ben i^m befonberö na()e licgenben gabt in ÜKainj, beffen ginanjen burc^ ben ^oUienfauf bei mehreren fernen oufeiiianber eingetretenen (Srlebigungcn beö erjbifc^öflic^en 0tublö*) jeiTÜttet mären, ruft er:

^uer Vifchof ift tobt. fianbSleute, nun braucht ihr rin neues Radium: jahlt nur! um ®olb gibt eS ber Simon oon Vom.

Vber bu felber, fo lang ^Deutfchlanb fein i^irn unb fein Vug h^t,

Viete getcofi jum Verlauf V‘»dien, Simon oon Vom!

®in ähnlicher ©to^feufjer mac^t ben ©c^lu6 ber frütjer Don unö betrodjteten Epigramme an ben Üaifer äJiojimilian, unb fönnte, ba jene ©pigramme erft na^ ^uttcn'ö jmeitern ita> lienifc^en Slufent^alt im 2)rucf erfd^ienen finb, au^ biefer geit ftammen :

SBann hoch tommt eS bahin, bab X)eutfchlanbS Vugen fich bffnen, <Sin)ufehen, wie ganj Vom eS )ur Veute gemocht?

SBann hoch fommt eS bahin, bab um @olb man bleierne Vuden Vnberen Vbllern oiedeicht, nur nicht bem beutfehen, oerlauft?

1) Vertholb oon l^enneberg f 1504. 3<tlob oon ßiebenftein f 1608. Uriel Oon Lemmingen f 1514.

VIL

8

114

I. I3ud^. 6.

Ober loirb fo tote ie^t bein !S)euij^lanb, ntfid^iigeT Patfer,

^mmer eih Spott nur fein fUr baS beraubcnbe 9tom?

9lein! baS Scepter beS 9tei(^§, unb be§ 9}ei(!(|S ^auptftabt unb ber 2BeIt, 9tom, (äBa^r^eit reb’ id^^ unb lann anberS ni(l(|t reben) ift bein.

unb nad^ ma(^te §uttcn in fRom allerlei (iterarifd^e öefanntfe^aften. mit $aul öombafiug, an ben if)m @ra^=

mug ein ©mpfe^lungöfc^reiben mitflegeben b^tte (er ftonb al^ 0ecretär im ^ienfte eineg Sarbinolg), geftaltete ficb fein näbereg 9Serbältni§. ^)ag aber bie 93erebrung für ©ragmug, bic er äugerte, beffen ©ebriften, bie er in neuen Huggaben mitbraebte unb uor* jeigte, ibm manchen ©elebrten in iRom jum greunbe gemacht haben, mie er fpäter an ©ragnuig febrieb, ift ficber nicht alg blofeeg (Kompliment für biefen ju betrachten.

(Sin eigentbümlicber SSereinigunggpunft ber $octen 5U $Rom mar in jenen Qabren ein ©arten in ber S^löbe beg Cluirinal unb beg tarpejifeben Reifen, ber einem ^)eutfcben, Sobonn (Koritiug aug Sujemburg, gehörte. 2)er 9Rann, beffen 9flame mit bem beg gartenbauenben ©reifeg bei SSirgil Georg. IV, 125 ff. in SBejiebung gebracht mürbe, beflcibete febon unter mehreren $äp^ ften eine ©teile in ber päpftlicben Äanjlei, mo er in Suftig* unb ©nabenfadben arbeitete unb alg ßiebbober ber

SEßiffenf^aften unb ber ©elebrtcn befannt mar. 3n ©ragmug* ^Briefen mirb feiner freunblicb gebaebt, unb alg eg galt, IReucb- lin'g §änbel mit ben ^)ominicanern ju beffen ©unften ju @nbe ju bringen, mürbe er alg SRittelgmann gebraucht, ©ein SSer^ mögen mar nur mögig, aber er machte baoou, bei einfaebfter Se^ bengmeife , einen ebeln unb originellen ©ebraueb- (Stma um 1514 hotte er in ber Äircbc beg heiligen Sluguftin ber 3lnna mit 9Raria unb Sbriftug eine ÄapeHe mit Slltar, brei SRarmorftatuen unb einem 2lltargemälbe, baju ein täglicbeg ÜReß» Opfer unb ©erätbe'geftiftet. Sebeg 3obt mürbe, mie eg febeint, ber ©tiftunggtag erft burdb feierlichen ©ottegbienft in ber peUe, bann bureb eine Sl^abljeit in bem oben ermähnten ! ©arten gefeiert, moju alle ©elebrte unb dichter gelaben maren, bie nun an Säume unb Reefen, Srunnen unb Silbfäulen ihre Serfe jum 2obe beg SRanneg unb feiner ©tiftung anbefteten. ®ie Serfc mürben gefammelt unb finb fpäter bon einem greunbe beg ®ori= tiug berauggegeben morben; mit bem guten SRaune felbft aber

Sefannifd^ofien in 9tom.

116

HQ^m eg nod^ ein bctrü6teg @nbc. ?IIg im Saläre 1527 bie fat^ fcrlic^ett ^Iruppen IRomlcrobcrten, geriet^ et in i^re ©cfangen?

ücrlor feine ^abfeligfeiten unb burc^ ben SSerrotb beg 2)2aurctg, bet i^m fein @clb b^tte öergroben Reifen, auc^ biefeg. 3n äugerftcr ^ürftigCeit manberte er nad) SJerona, mo U)n bet bifd)öflic^e ©oabjutor eine ßeit lang unterhielt, unb ftarb enblich, t)on Äummer aufgerieben, auf bem Sßege in feine ^eimath.

2luch $utten h^t bem ßoricifchen Slltar fünf .Epigramme geroibmet *)/ beten Sn^alt größtentheilg bet ^reig biefer fc^önen Stiftung beg 2)ichteroaterg ©oritiug ift; bod^ fleht ber öielges prüfte Söanberer gelegentlich auch @ro6mutter, SKutter unb ©ohn in ber ilapeHc um Teilung feineg franfen gugeg an. @g mar alfo bag Uebel, uon bem fidj §utten öor feiner Hbreife aug ^eutfchlanb geheilt meinte, öon Steuern auggcbrochcn. 2)ie6 fehen mir auch ^ug einem ber aug IRom an Srotug gefenbeten @pis gramme, beffen Inhalt ung freilich feltfam bünten mag. ®g be* fanb fich ju iRom ein fpanifcher S3ifchof, ber in bem iRufe ftanb, bie Suftfeu^e, gegen bie man bamalg noch oergeblich ein 9tabi* calmittcl fu^te, heilen ju fönnen. %n biefen menbet fid) nun Jütten, unb bittet ihn bei ber Sl^erbinbung jmifchen ^Dcutfchlanb unb (Spanien, bei ben gemeinfchaftlichen ©öttern unb ben IRech- ten ber ÖJaftfreunbfchaft, um feinen öciftanb. 2lug bem übrigen Äörper fei bie (Seuche gemichen; nur in ber gerfe holte fie fidh noch: ber ^rälat möge fie ooUenbg augtreiben; ba er eg fönne, möge er fich öon bem beutfehen Süngling nicht oergebeiig bitten laffen.

5)och audh an 2lnfechtungen anberer 2lrt foUte eg unferem Slittcr nicht fehlen. 5Rach einer Einbeulung in feiner bierten UU richgrebe hotte ein Elbgefanbter beg mürtembergifchen ©erjogg in 9tom Elnfchlöge gegen ihn gemalt; mie ihn auch h^^ooch, alg er in E3ologna fich aufhiclt, Söilibalb ^irrfh^imer bor ^^örbern mamen ju müffen glaubte, bie ber ^)cr^og gegen ihn hingen fönntc. Söie biel hieran mar, ift nicht mehr augjuma^en: eine mirfliche ÖJefahr aber lam ihm bon anberer ©eite unb hing mit einer ißerünberung in ber politifchen SCßclt jufammen.

©eit bem [altemben SJtafimilian ftatt beg gleichfaüg bes

1) ©d^riftm m, ©. 271 ff.

116

T. 6.

ja^rtcn Subtoig XTI. in granj I. Uon granfrei^ ein junger feurio ger gürft entgegengetreten tuar, bitten fid^ bte SSer^öltniffc 3ta- Itenö aufö iJteuc bebenfUc^ geftaltet. @Ieic^ in feinem erften ©ommer mar granj über bie 5Upen gezogen, um baö üon feinem Vorgänger cingebügte äÄoilänbifcbc mieberj^ugeminnen ; maö i^m auc^ burc§ bie ©d^Iac^t bei 9Jiarignano (13. unb 14. September 1515), menige Söod^cn c^c Jütten feine jmeite fReifc nac^ 3talien Qngetreten ^attc, gelungen mar. 9tun rüftete aber ber Äaifer ; $uttcn (bie fRoute beö ^unfelmannö a{& bie feinige betrachtet) hatte auf feiner §errcife um Orient unb Serona fchon SlUed in friegerifcher öemegung gefunben, unb bei SRantua baö ©efchü^ ber SBcncjiancr feuern gehört. Söenn auch ^cr je^ige ^apft, gleich feinem Slorgänger, bie Ärieggflammc fchüren h^lf» fo fah 3talien fchrecflichen Xagen entgegen, ^ieg ift ber 3nhalt Don ^utten'ö ^rognoftüon auf baö 3uhr 1516 an ^opft ßeo X., eineö fleinen ©ebidhtö in ^ejametern '), um biefe 3^*^ ftanben fein muß. Slftrologifch mic politifd), mirb aiiögeführt, beuten alle unb Serberben für 3talien; ber

i^aifer, granfrcich unb Slcnebig aufö 9teue in Söaffen: ba möge ber ^apft Don ben ©öttern ©chonung unb gricben erflehen, ba^ mit bie Shriftenheit il)rc S^vöfte gegen bie Xürfen menben, baö heilige ßanb unb @rab mieber erobern lönne.

3m 5rül)ling 1516 rüdte ber Äaifer in bie Sombarbei ein, aber nur, um, oon ben granjofen getäufcht, unb Dom @elbe, mie gemöhnlid) im ©tiche gelaffen, halb mieber abju^iehen. 2)a burfte er für ben ©pott Don ©eiten ber 3taliener nicht forgen. 9Ran oerhöhnte ihn in ben Xheatern, erfchienen ^aSquiUc unb Sarricaturen auf ihn. ÜRan malte il)n auf einem Ärebfc reitenb, mit ber Unterfchrift : Tendimus in Latium. SRan jün^ bete bei hellem Xage ßicht, unb fteHte fich an, ben Äaifer ju fuchen. 3)efonberö aber bie granjofen in 3talien entmicfelten bei bem Ärieg^glücf ihreö jungen Äönigd ihren ganzen Uebermuth. liefen S^erhültniffen mibmete Jütten mehrere Epigramme, bie er, mic fcheint, an ®oban ^effe fchidte, ber fic j\u @nbc b. 3- 1516 ^Beilage ju j^mci meitcr unten ^u befprechenben 5)ichs

1) St^rijlcn III, ©. 2r)2-2r>4.

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^uttcn’S Abenteuer mit btn fünf $ton}ofen.

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tungen brucfcn ließ, biö ^utten fpdtcr bic meiften feinem ®pi» grammeiibucß an ben Äaifer einüerleibte.

bie fran^öfifc^e ©roßfpred^erei auf ber einen ©eite, unb ^utteii'ö beutf^eö ^erj unb ßeftige^ Sölut auf ber anbern, mußten bei ber erften ftärfern S^leibung auc^ nod^ einen tbatföd)* licken Auftritt ^erbeifü^ren. @ine^ Xageö ritt $utten mit einem 33efannten nac^ SJiterbo, als gerabc ein ©efanbter beS i^önigS non granfreieß an ben $apft bort burc^reifte. günf granjofen, üielleicßt üom befolge beS ©efanbten, mad^ten fic^ über ÜKaji* milian, ber eben nod^ um SDiailanb fämpfte, luftig; Jütten na^m fieß feines ÄiaiferS an. Son SBorten fam eS f^\l XI)ätli(^feiten ; bie günfe ßelen über ben @inen ber, ben fein fRcifegefäßrte im ©tieße ließ. lHun jog Jütten Dom ßeber, ftad) ben, ber il)in am näcbftcn auf bem ßeibc mar, nieber, unb fd^lug, felbft nur in bie linfe Sßange oermunbet, bie übrigen SSiere in bie glucbt. S'iicbt mit Unred)t ßielt er baS für eine braue Xßat, ucrßenlicbte fie bureß fedßS (Epigramme ^), bie er an SrotuS feßidte, rüßmte fieß ißrer bem Äaifer gegenüber in ber britten feiner UlridßSreben, unb erjäßlte uon berfelben, naeß 2)cutfcßlanb jurüdgefeßrt, feinen greunben, moßin ißr ßftuf, bureß feine 93riefe unb Spigramme, ißm bereits üorangegangen mar. ^enn je meßr er fieß ben ©tu* bien ergab, befto meßr SBertß legte Jütten' barauf, boeß aueß als Flitter unb Ärieger etmaS ju gelten; meßmegen ißm (päter feines feiner Silber lieber mar als baSjenige, melcßeS ißn in SSaffen barfteHte.

Segreifließ ßatte er fieß nun aber bureß biefeS S^fitterftücf bie ganje granjojenfcßaft in unb um 9lom auf ben ^als gezogen, unb fo fanb er fieß bemogen, 9füm mit Sologna ju uertaufdjen, mo er feßon mäßrenb feiner erften italienifcßen fRcife, freilidß in fümmerließen Umftönben, eine Qdt lang fidj aufgeßalten unb feßöjbare Sefanntfeßaften gemaeßt ßatte. Som 31. guli batirt er bereits einen Srief auS Sologna. ^ier moßnte er mit ben beiben mürjburger ^omßerren gafob gueßs unb griebrid) gifeßer ^ufammen. Sin ben crftcren ßatte er im uorigen gaßr, als gueßs fid) bereits in gtalien befanb, ben großen Srief über ©itelmolf oom ©teilt unb §anS $utten’S ©rmorbung gerid)tet, unb barin

1) ©(ßriften III, 8. 280-282.

118

I. S3u(^. 6. ftopitel.

bemerft, cr)pünfd)te i()tn halb nad)fotgcn fönncn. Hud) gricbric^ gifc^cr gc()örte ju ©utten’j^ bcrtrauten grcunbcn; beibc üerbonb mit i^m bie gleiche ^umaniftifc^e ÖJciftcöric^tung.

@d)on in 9lom t)atte Jütten, mie er an SSabian nac^ SSien fd^rieb, oorjug^mcife bem $Red)täftubium gemibmct; in 33os logna fu^r et barin fort, unb ocrtoenbetc auf baffelbc, toenn auc^ bitter ungern, feine mcifte Qcxt 3luc^ in ber fpätem @r- innerung fc^medtc i^m biefe^ 0tubium noc^ mie ein SBermut^s tranf, unb er red)nete, feine beiben italienif^en Aufenthalte ju* fammengenommen, beinahe hier 3ahre, mährenb bereu er mit bemfelben bie oerborben^. 2)a §utten [in'!ibcr Solge oon ^eutfchlahb au^ ben 9led)tögelehrten Sohann ÜJ^aria unb ben ©chlefier @aucrmann in S3olognö grügen lägt, fo ift ju oermu:= then,|bag er bei bem crfterenjbamalö gehört, unb mit bem anbern, einem auch ^uch be^ ©ra^muö Seugnig treff lidhen|jungen äJ^anne, ber einmal in 33ologna 9tcctor unb fpäter ^robft in örcölau mar, freunbfdjaftlichen Umgang gepflogen hat.

SBährcnb er fidh aber fo bem S33illen feiner gomilie fügte, berlor .gjutten fein eigene^ ßiel nicht aus ben Augen. S3efonberö im @ried;ifchen fanb er, nadjbem ber Unterricht in biefer Sprache, ben er mährenb feineiS erften italienifchen Aufenthalte^ ju ^aoia genommen hatte, gaf ju frühe abgebrochen [morben mor, feine ^enntniffe un^ureichenb. 3n Bologna nun, moj eben bamabJ brei junge @euber au^ Sflürnberg, Steffen Sßilibalb Prdh^i*acr% unter ber Seitung beö Sohann ©od)läuö ftubirten, nahm er mit ^meien oon biefen unb nod^ jmei anbern einen ©riechen 5Ramenö Xrpphon jum ßehrer an, ber mit ihnen ben ßueian unb Arifto^ phanciS la^. ^ie S^achahmung ber römifchen Unfitte, in IgteU nifdje 33 riefe unb felbft ©ebi^te griechifdje ^^h^afen unb 33erfc eingumifchen, bie fich fchon nach ber erften italienifchen IReife^bei §utten geigte, mar einJAuiSmu^ö biefeö griechifchen ©iferiS; mie aber boö ^tubium gerabe be^ ßueian unb Ariftophaneö in ^ut^ tcn'i^ ganzer 0chriftftcHerei @podhc machte, merben^mir in Äurjem gnben.

3JUt ben genannten jungen ßanb^Ieuten unb .ihrem ^of*

1) ?ln ®erM toom 31. 3luU 1516; on ^irrf^etmer Dom 26. Del. 1518. 6(^tiflen 1, @. 105. 210.

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Ser^aitnig ju SodiiauS.

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mciftcr lebte glitten in freunblid&cm Umgänge, fpeiftc btsmeilcn bei i^nen, unb trot aud^ mit Söilibalb ^ircf()eimcr in bricftid^cn Serfebr. SKerfttJÜrbig ift meld^en ©inbruef er auf einen

3Rann mie (Soct)läug machte, ber ißcrftanb unb Gilbung genug befag, einen Jütten fc^ä^en ^u fönnen, möhrenb bie ©erf^iebens heit ber iWaturen beibc uon einanber in biejenige gerne fteHtc, melchc bic Scobadjtung begünftigt *). tiefer gohann ®obnecf au« Söcnbelftcin, ber fich öon bem genannten Orte al« God^läu« latinifirtc, mar einer üon benjenigen, mdlche, urfprünglich liberalen humaniftifchen Partei angchörig, felbft Suthem bei feinem erften §luftrctcn günftig, halb, öon bem ©treite abge« fto6^, auf ber einen ©eite non ber ÖJefahr gcfchrecft, auf ber anbem üon ^ortheilcn gclocft, je größer bie ©paltu ng mürbe, fich immer mehr öon ber ^Reformation abmanbten, unb i^ulc^t, ohne au« ihren humaniftifchcn Serbinbungen hctau«5utrctcn, beren cifrigftc ©egner mürben. 2)amal« nun machte ^uttcn'ß SBcfen auf ©ochlöu« ben ftörfften ©inbruef. ®r fchalt ^)cutfchlanb, baß einen 9D?ann oon folchcm @cift unb fo marmer Satcrlanb«- liebe bi«hcr fo üernachläffigt 3n«bcfonberc feinen fpru?

bclnbcn Söip, fein Talent jur ©atirc bemunberte ©ochlöu«; er fah in Jütten, ehe biefer noch einen feiner Dialoge gefchrieben hatte, einen jmeiten ßueian. ^abei mar ihm aber hoch auch Manche« an bem iRittcr ju oiel. ©ein QJeift mar ihm ju fcharf unb herb, er oermißte ?Ruhe unb SRilbc. @r fürchtete, Jütten'« beutfeher greimuth möchte il)m nod^ ©efahr bringen, unb meinte baher, einflußreiche greunbe folltcn il)n ju mäßigen fuchen. ?(uch im perfönlichen Umgang mar ihm beffen ^eftigfeit läftig. @in beleibigcnbe« SBort be« $Rittcr« ftcefte er moljl um bc« grieben« millcn ftilifchmcigcnb ein ; hoch befannte er nach Jütten’« Slbrcife feinem Patron ^^irefheimer im Sertrauen, fic beibe merben mohl in ber ©ntfernung beffere greunbe bleiben, al« fic im täglichen Umgang geblieben fein mürben. ®anj ebenfo ging mit ^ut* ten, mic mir gcfchcn höben, bem 3Rutian; ähnlich, mic mir noch fchen merben, bem @ro«mu«; nicht anber« auch bem SRclandh' thon: er fchäfetc, aber fürchtete ihn: unb baffelbc ift bi«

1) fJgt. Griffe be§ Sod^ISuS an ^it(fb«nter. ^utten'8

6(^ri|ten I, S. 126—153.

120

I. Sud^. 6. ftapitel.

bei (graömifd^sSDicIanc^t^onifc^cn Sfloturcn, tpcnn ftc ftdb ten bcfc^äftigcn, ber gaH, bag fic i^n bctüunbcrn, aber nic^t lie* ben, njeil er il)nen un^eimlt^ ift. Unö öerrat^en bie mittel* mögigen 93ilbniffe, bie üon i^m übrig fiiib^), freilich nic^t (fo menig al3 fie ung feinen @eift ücrratl)en), aber ßcitgenoffen, bie i^n fannten, bezeugen, bag ber fleine, fc^mäd)tige, unje^einbare a^ann mit bem blonbcn §aar unb bem bunflen öarte*), in bem blaffen ©efic^te etma§ Strenget, ja SBilbeö gehabt ^abe, unb feine aiebe oft frf)neibenb unb jurücfftogcnb gemefen fei. ®a6 er baneben in anbern ©tunben unb ©timmungen eine l^crjge* minnenbe grcunblic^fcit entmicfeln fonnte®), miberfprid^t bem nid^t; aber e^ mufete einer felbft eine ftarfe unb ettoaS martialifc^e atatur fein, um §utten, mie @oban ^effe, „burc^aug liebenitoür* big" ju finben. mir fel)ren ju ben bolognefifc^en ©tubien unfereg ähtterö jurüd

ganb Jütten neben bem pflid^tmägigen fRcd^t^ftubium 3^it, fief) im @ried^ifd)cn ju oerooßfommnen, fo fonnte er aud^ bo5 ^id^ten nid^t ganj (affen. @nbe 3uli 1516 fc^idte er feinem greunbe, bem ?Red)tSgele^rten aiifolauö ©crbel ju ©tragburg, feine poetifd)e ©piftel StalienS an 9}^ajimilian ; Einfang ©ep* tember t^eilte ®od)täug bem O^eim feiner §utten’S

©pottgebid)t SRarcuS mit, unb auö berfelben ift ©ebid^t über bie gifd^erei ber SBenejiancr. Sitte biefe ©ebic^tc liegen in gleidjer ßinie mit bem Slufmal)nungögebi(^t an ben Äaifer jur gortfe^ung bcS ^riegö gegen bie Sßenejianer unb ben

1) i^oI)jc^mttbift>er bon Jütten in toerfc^tebener ^orm unb ^uffaffung

finben fi(t) bei mehreren feiner ©Triften, j. ®. bem ^^oloriSmuS, ber ?lbbanb» lung über bo§ ©uaioc, bem ®efprä^büd^Iein, ben Conquostiones , ber Ex- postulatio; toouon baS l^inter ber {extern 6d(|rift gu ben beffern ge^bren mödfite. 85dfing gloubtc in einer ongebli^ 2)ürer’fc^en 3d(^nung bc8 berliner ^ufeumS baS fid^te ^utienbitb gu finben, bie er begtoegen t)or feiner Ausgabe ber l^ut* ten’fd^en SBerfe toiebergeben lieb ; allein biefeS ®ilb mit ber gangen Sammlung, ber ange^ört, toirb fe^t al8 ^filfdbung in ^nfprudb genommen. 6. ^aufing, S)ic falf(^)en ^ürergeittinungen in Berlin u. f. f. 3«üf4)rift für bilbenbe ihinü, ^erauSgegeben oon €. b. Sü^oto, 6. 4. $eft, 8. 115.

2) 8. ben pfeubo^utten’f^en Dialog Huttenus captivus, Schriften 1V> 8. 594, unb ogl. bie ^euberung gfranl’S bon i^ameng, ebenbaf., I, 8. 420.

3) ®rftcre§ begeugt ^amerariuS im Seben ^Dlelam^t^on'S, Se^tereS Otto ^runfelS in einer 8c()u^f(^rift für Jütten, bon toelc^er fpöter.

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l^utten’S ®ebid(|te gegen Senebig.

121

(Jpiflrammen an bcnfelbcn, bjc non nnä früher erörtert morben finb. Unb sn)or richten fid) ber 9}?arcuö unb ba^ ©cbic^t nom gifc^fang mc^r gegen 3^encbig, bem fic mit ber 3J?ad)t bc§ Ä^ai* fer^ bro^en ; mäbrcnb bic ©piftet fic^ an btefen menbet, mit ber ?luff orberung , bic beutfe^e ®i)xc unb Obmac^t in 3talien mieberi ^er^ufteHen.

3)ie beiben erftgenannten ^id^tungen *) be^anbcln eigentlid) einen unb benfetben (^egenftanb : bad Sluffommen unb ben Ueber® mut^ 53enebigö, unb maren, mie ß^oc^läuö au^ J^uttcn’ö SDiunbe berichtet, junäd)ft burdj bie nencjianifd^e ^lu^mrebigfeit in einem ©ebid^te beö ©abellicmg Ocranlafet. SebeiS non beiben aber be^ bient fid^ einer anbem wnb man möchte glauben, nad)bem

Jütten ben ©egenftanb bereite in ber eigentlidjen unb ernftbaften 5orm bebanbelt b^ttc, fei i^m, niefleidjt beim Sefen ber ^omeris feben Satracbompomacbic, ber (SinfaH gefommen, baffelbe liege fi^ noch fcblagenber in ber aHegorifcb^parobiftifcbcn fagen, melcbc biefeg griccbifd)c ®orbilb an bie $anb gab. entmicfclt nänis lieb baö ©ebidbt non ber gifeberei ber ißcnejianer, mie biefc, ur^ f^rünglicb ein auö aßen 5^ölfern jufammengelaufeneö ©efinbcl, erft clenbe gemefen feien, bann fid) burd) Schifffahrt unb

®anbel bereichert, bictauf angefangen b^ben, Stabte /\u fifeben unb ju angeln (maö buid) einen |)olj\fcbnitt ißiiftrirt

ift); mie fic non bem gcftlanb Stalicnö, non 5)almatien, ©rie^ cbenlanb unb ben 3nfcln immer mehrere unb größere Stücfe an ficb gebracht, ihre Stabt mit bem Staub aller ßänber gefd)mödt, unb ficb einer Ueppigfeit unb einem SBobßeben ohne 33cifpiel cr^ * geben bnben. Staebbem fic in biefer Söeifc lange genug ge- trieben, b^^bc fid) cnblicb ber beutfebe 5lbler ^um Äiampfc mit ihnen non ben ^Ipcnböbcn bcrabgefd)mungen, nicht, um S3eutc ju machen, fonbern um gricben, Stecht unb (^ercdjtigfcit mieberhcr^uftcllcn, bic Sßelt, unb 3talicn indbefonbere, non bem 3od)c ber S3cne^iancr ju befreien, unb biefc mieber ju ben cinfadjcn gifebern j\u mad)en, bie fic urfprünglid) gemefen.

SBie gefugt, baffelbe Xbema bebanbclt bad ©ebiebt 9}tarcu^ mit iöenuhung ber 53atrad)ümhomad)ic, auö ber h^^ibe unb ganje

1) De piscaiiira Venetorura, heroioum, unb Marcus, heroicum. 6d>tltten lll, 287—300.

122

I. 6. I^tt|)ilcl.

§cyQmcter, aud^ ^Rei^cn l)on foldjcn^ gricci^ifd) bcm übrit^cnö la- tcinifdjcn dJebid^t eincjefügt ftnb. 2öar SScncbig üon §uttcn fc^on in feinen ©pigrammen unter bcm na^c liegcnbcn Silbe cincö grofc^cö bargeftcHt tnorben, fo crfc^cint nun beftimmter fein dfeniuö ber Äönig S^iuSbad {0L'oiyva&og) ber §omcrifd)cn Sarobic, ber, nic^t nic^r .^iifriebcn, bie cuganeifd)cn ©ünipfe ju bemo^nen, auf baö fefte £anb l^criiberfomint, fic^ in eine 2ön)enl)aut baju glügel annimmt, unb fic^ ciU SRarcuö uere^ren lägt (baju glcicgfaHö ein .^oljfd)nitt). §llö fold)cr l^ält er fic^ berufen, bie römifd)c SBcltgerrfcgaft auf Senebig 511 übertragen, unb maegt bgju biird) dJcmalttl)aten, ^rculofigfcitcn unb fRäubcrcicn jeber 5lrt einen 5icmlid)cn Einfang. @nblic^, ba er in feinem lieber^ mut^e bid ^um §immel emporfliegen miU, beauftragt Supiter feinen §lbler (mic fegon oben im Epigramm), igu 5U bemütgigen unb in feine f)cimifd)cn Sümpfe ^urüd^uftürjen.

i)ag er bem übernommenen fRccgt^ftubium brei Xagc ge- ftoglcn, um bie poctifege @piftel Stalienö an ben Äaifer SRajis milian*) ^u fegreiben, baoon fegiebt glitten in bcm briefc an dicrbel bie Sd)ulb auf feinen .^au^genoffen in Sologna, ben Äanouifuö 3afob guegö, ber igm bamit feine fRuge gclaffcn gäbe. Söenn er babei fagt, er gäbe fieg unterftanben, in einer fegr ernften Saege 511 fdjcrjen, fo ift bieg nur oon ber giction unb Setfonigeation ^u üerftegen, beren er fid) bebientc; beim übrigenö ift bie .^altung bcö dJebiegteö nidjbi meniger alö fcgerjgaft.

®ic ®amc Stalia fegreibt an ben rittcrliegcn 9)tay, fie gäbe froglodt, mic fie nculid) oernommen, er fei oon Orient aufge* broegen unb rüde gcran; halb aber fei fie aufö neue in Trauer oerfunfen, ab5 fie gäbe gören müffen, bag er fieg micber jurüd? jiege. 2)oeg goge fie immer noeg auf ign, cntfd)ulbigc, mie fie nur immer fönne, fein Säumen, unb bleibe igm, unter manegerlei ^umutgungen, im §cr,^cn treu. Sergebenä merben Senebig unb grantreieg mit glän^cnbcn Sergeigungen um fie; oergcblieg fuege @incr in igrem eigenen £anbc (ber fie t)on bcm Äaifer

abiocnbig ju maegen ; fie taffe fieg niegt mit igneu ein ; nur burdg

1) Epistola ad Maximilianum Caesarem Italiae üctitia eie. ten I, S. 106—113. 2)f§ ÄciferS ?lnttoort öon 6oban ebenbof , S. 113— 128. Der Srief ou @erbcl ebenboj., 6. 105 f.

123

i^utien’S Spiflel 5tatia’9 an SRasimUtan.

V ^

bcn Äaifer lüoUe ftc, wie üor SHterd, frei unb cjrog werben. ?l6er er jöflere lange, unb inbeffen habe fie böfe 3fit- Seber lege $anb an fie, iftre Oauen unb ©täbte werben uerwüftet, SRom fei non florentinifc^cn Krämern (ben aJicbiccern, burc^ Seo X.) bebcrr(cl)t. 5)oc^, wenn er nur wirflic^ fomme, fo Wolle fie gerne fo lange gebulbet Ijaben; aber er möge nic^t länger oerfc^ieben. ©ie erinnert ben Äaifer an bie alten ©rogt^aten ber 2)eutjd)en gegen Sftom, an bie Simbern unb 2^eutonen unb an Ärminiuö, an Ä'arl ben Großen unb bie Ottonen; nid^t minber aber auf ber anbern ©eite an be§ alten 9lom ©iege unb SBelt^errfc^aft, bie er al^ römifc^er Äaifer geerbt l)abe: wie er boc^ bie ©tabt unb baö 2anb, bie il)m biefc^ @tbe jugcbrac^t, im ©tid^e laffen tönne? ?luc^ fei fie, Stalio, eine 35raut, um bie in SBaffen j^u werben wo^l ber SWü^e lo^ne. Slber wie fei fie ^ugeric^tet! Unb l)ier fommt Julien, nach feiner ?trt, ben ©trom feiner ©erebtfamleit bureb feine ftrenge ^J)i§pofition ein^ubämmen, fonbern wol)l aud) einmal naf)eju im Greife fliegen ju laffen, üon neuem auf bie Söebrängnig unb baö Sßerberben Stalicnö in golge ber ^Ibwefen* ^cit feines wal)ren ^errn jurücf; wobei ber 9lomS mit

feinem ftumpfen Solle, begerrfc^t oon feigen ©c^reibern unb fit^ tenlofen S^ieftem, fc^arf gejeic^net wirb. SBenn er eS nic^t halb t^ue, fü^rt *3talia bem Äaifer j\u ©emütge, fo werben anbere gürften i^m j^uDorfommen, um bie italienifd^en Slngelegen^eiten ju orbnen. Unb er ^ätte eS om leid^teften ^u fommen: fein SBeg gef)C nid^t über’S 3Äeer, fonbern burd^ feine eigenen iReic^e. Sei jebem ©(^ritte werben neue ^ülfstruppen 5U if)in flogen; er braud^c gar feine 5)eutfd)en mit^ubringen, fönne mit italicnifc^en Flüchtlingen unb Serbonnten ben Ärieg füljrcn. @cwinn unb ®hre feien grog; wie je|jt bie ©chmach unb ber igr faum ertrag* Ii(he ©pott, ber über ben Haifer ergehe. Sei bem iRubme feines ©efchled^tS, ber SBürbe beS ?Reid)S, bei ben ©öttern, bie ihn an feine hohe ©teile gefegt, bei ben ©ebeinen feines SaterS unb ber SBohlfohrt feines @nfelS Äarl befchwöre fie ihn, enblich feine 3ögerung abjubrechen ; fein ©rfcheinen werbe ihr, burch J ®ram unb (Jlenb h^lb getöbtet, neues Seben fchenfen.

2)iefcS ©ebicht fehiefte §utten an Kerbel, ber ihn um ein ßcbenS* unb F^cunbfchaftSj^eichen aus SBelfchlanb gebeten hotte; währenb ein Screhrcr ^uttcn'S in Sologna eine Äbfchrift beffclbcn

124

1. 9u(^. 6. fta|>iteL

uact) iÖJittenberg an öalt^afor abgc^en lieg. Anfang

^ugiift fct)rieb Jütten an ^Ric^arb. (Srocu^, einen (Jnglänber, ber bamaU in iJei^jig ©riec^ifc^ lehrte, er möge fic^ ba^ (gjemplar Devfe^affen, unb wenn er DRuge i“ SDiajimitian’ö iRomen

antmorten; beim baö motte §utten Slnbem überlaffen. ®ie Slnt^ movt nberna^m ber alte greunb unb 2)idjterfönig @oban $effe, ie^t iJebrer an ber erfurter ^oc^fc^ule, ber fie auc^ halb barauf mit ^utteird ©piftcl 5ufammen bruefen lieg.

3l)r !0rief, antroortet ber Slaifer ber fc^önen Stalia, l)abe i()n ganj in glammcn gefegt:

Rlage ni(l()t länger: bereits f(!^naubt blr entgegen mein 9tog.

VI ber bie ©d)mierig!eiten feien für il)n meit größer, atiS biefelbeu für feine Vorgänger gemefen, auf bereu Seifpiel fie i^n ßinmeife.

.•Cjolte mir nimmer ben ®Ianj ber beiben Ottonen entgegen,

^>eren ^Beginnen bie ©unjt befferer 3«ten genoß, damals woren no(^ nic^t |o oiele ber Herren in 2)eutfd^Ianb,

5cgli«bft fc^tc no(!^ niä)t über ben ffaijer fi(^ weg.

3e^t bünft 3eber fetbft ein Äaijer ju fein, unb lo bleibt benn,

®ußer bem Flamen unb Sdjein, nid^tS |ür ben ilaifer jurüd,

@ar ott laff i(^ ^efe^I auSge^n unb berufe ben Steic^Stag,

©in Qud(i, wenn er fidfi trennt, tröftlic^er i^offnungen ooH.

, jietS muß id^ oon oorn onfongen, oon neuem ©erjommtung

galten: eS bre^t enbloS ßd^ ber ©erot^ungen ÄreiS.

Unb inbeß wir bie 3dt unnü^ mit ©crßonbeln oerlieren,

Rollen wir ®eut|d^en als Staub lißigen ^finben anheim.

5)ciinod[) l^abe er jejt, fö^rt SRajimilian fort, bei SSerona einen Vlnfang gemacht, unb gebenfe el)eftenö ju fommen. Vittein er fam nirf)t, unb balb mußte er audj VSerona ben VScnejianern ^er* auögeben, gegen eine ©elbleiftung, bie i^n menigften^ in ben 0tonb fegte, ben STruppen igren ©olb ju bejaglen, bie er ju ber fcglgefcglagenen Unternehmung oermenbet hatte.

2)ie brei @ebid)tc, Oon benen i^ulegt 3J^elbung gefchehen, maren übrigen^ nicht bie einzigen 5Rebenarbeiten, für melche ^ut* teil in VSologna neben bem Siechtöftubium noch 2Ruße fanb. 2)aß er möhrenb biefer Qud; bie jmcite unb britte feiner Ulridj^s veben Oerfaßte, ift oben bemerft morben. Unb nun gaben ihm bie Sucianifchen ©(^riften, bie er mit feinem griechifchen Seßr^ meifter taö, nod} ju einer meitern Vlrbeit V3eranlaffung. 3n biefen

6intotr!un0 Cucion’8 auf i^utien.

125

©c^riftcn trat unfcrm ^Ritter, bcr ft(^ bis je^t in ber $rofa nur bcr Stiebe* ober öriefform bebient ^ottc, bie bialogifc^c ent= pegen. Seiner lcbi)aften, auf Umgang iinb ©efpräc^ angelegten Sf^atur mußte biefe 3)arfteIIunggart befonberö jufagen. @r mußte fic^ geregt ßnben, felbft auc^ etmaö in biefer ^orm berborjubrin« gen. 3n ißr fanb atleö, maö über ben bloßen fRebner l)inauö ^oetifebeö in Jütten lag, feine Unterfunft; mäbrenb ba$, maö ibm jum 2)icbter fehlte, in biefer SJ^ittelfonn nicht bermißt mürbe. 2(lö bie feiner ©eifte^art fcbtcd)tbin angemeffenc mar bie ©e* fpröch^form bie böcbfte, mclcbe Jütten für feine ^^robuction ßn« ben fonntc: fic eignete er ficb baßer, fobalb fic ißm in einem claffifcben SRuftcr naße getreten mar, mit @ifer an, unb ßat in ißr, mic mir ßnben merben, feine borjüglicßften, unb meil er bamit juglcicß eine ßieblingöfonn ber mirffamften S^rifs

ten abgefaßt.

öon hier auö tönnen mir, in ^Ibficßt auf bie gorm, §uts tcn’ö ScßriftftcClcrci in brei ^crioben tßcilen. S)ie erfte bie poctifeße, bon feinen früßeften epigrammatifeßen unb elegifcßen SJerfueßen in ben Saßren 1506 unb 7 an, bi« jum ^anegßricug auf ben ©r^bifeßof ^Ibrecßt unb ber ©piftel Stalia’ö in ben 3aßren 1514 unb 1516. ^er fRccßtößanbei miber ben ^erjog bon 3öürs= temberg mirft ißn feit 1515 in bie rebnerifeße gorm, neben meU eßer er aueß bie Briefform mit Sorgfalt auöbilbet. SSon 1517 an menbet er fieß mit Vorliebe bcr ©cfpräcßöform 5U, greift aber bei ^cranlaffungen jur Streitrebc ^urücf, mic er bie Briefform aueß ferner fleißig anbaut; lateinifeße ©ebießte merben feiten; baß mir bagegen bon ba an nießt menige beutfeße fReimc bei ißm finben, ßängt mit feiner §inmenbung jur beutfeßen Spraeße 5U^ fammen, bon bcr an einem anbern Orte ju reben ift.

Unter fiucian’ö Dialogen bilbcn bie Xobtengcfpräcße eine üorjüglicßc, oft nacßgcaßmte ^Partie. Unb gerabc für biefe ^oxm brauchte Jütten ben Stoff nießt mcit ju fueßen. ^cr crmorbetc Setter; beffen fürjlicß berftorbener Sater; bcr fürftlicßc SRörber, ber nur leiber no(^ nießt in bcr Untermclt mar, mo er ju feiner Seftrafung löngft ßingeßörte. (Sinen geftorbenen Xßrannen lößt aueß üueian in einem feiner ©cfpräcßc (^)ie 5Ricberfaßrt ober bcr Xßrann) in bie Untermclt gebraeßt merben ; ßier, bei §utten, muß bcr Icbcnbc Xßrann ßinabfteigcn, um fieß bei ^ßalariö fRatß^ ju

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126

I. 6.

er^ofctt. fbk *@ituation ‘bcö [Dialog« ^^olariöniug, bcn

§utten ju Bologna auöarbeitetc unb, toä^rcnb bie Sieben nur ^anbfc^riftlic^ umliefen, im SKärj 1517 im ^)turf erfc^cinen liefe*).

©efpröd) beftefet Quö jmei 0cenen, beren ierfte am Ufer be^ jmifefeen ©fearon, ÜJlerfur unb bem X^rannen (fo mirb ©er^og Ulrich bejeic^net). fpielt. Sluf Sfearon’S öermunbe^ rungguoHe grage, mag er ba für einen lebenben SDlenfc^en feer« unterbringe? ertbeUt ber ©eelenfül)tcr iüterfur bie 5lughinft : ber längft üerftorbene i>on bem SBunfefee befeelt, audj in

3)cutfcblanb, roo bergleicfeen big babin ni(bt norgetommen, ^tprannen j\u feben, fei biefem febmöbifeben gürften (perfönlicbe Eigennamen merben üermieben) im Xraume erf^ienen, um ibm bie erforberlicben Slnmeifungen ju ertbeilen. 0b bag öieHeidbt ber Xprann fei, frägt hier Ebaron, über ben ficb lürjlicb ber Schatten eineg jungen frönfifeben Slitterg, unb batb barauf auch ber feineg alten SSaterg, möbrenb ber Ueberfabrt beflagt, unb babei bie tragifebe ©efd^iebte ber Ermorbung beg jungen Slitterg, ju allgemeiner Slübrung ber ScbiffggefeUfd^aft, erjäblt b^ben? Eben ber, ermiebert SWerfur, unb nun entfpinnt fi^ ein Streit jmifd^en Ebaron unb bem Xprannen, ba biefer mit gemobntem Stolj unb Xtoje fid^ mei^ gert, bem erftern rubern ju halfen, moju er ficb am Enbe boeb bequemen mufe.

öon 907erfur geleitet lommt hierauf ber Xprann ;an .bem Orte ber j^meiten Scene, in bem gelfentbale an, mo feine üorange* gangenen Sßorbilber häufen, ^b^larig, ben er alg feinen ßeferer begrüfet, ift hoch erfreut, feinen Schüler unb Siebling ju feben, ber ihm junäcbft Slecbenfcbaft gibt, mie meit er in ber 3roifcbem= jeit feinen ^nmeifungen nad)geIommen. ßu bem Enbe erj^äblt er ihm bie Ermorbung beg |)ang Jütten: mit ber fcbmeicbeU haften SBirfung, bafe ^b^larig ber Ueberlegenbeit feineg Sebülerg bulbigt, ba er felbft eg ni^t fo meit gebracht b^be, greunbe unb SBobltbäter um^ubringen, fonbem fiib auf folcbe, bie ihm alg geinbe oerbäebtig gemefen, befcbränlt höbe. ®er Slacbe für biefen ailorb, er5äb^t ber S^prann meiter, fei er bur^ einen Sßertrag (ben blaubeurer) entgangen, ben er aber nicht böttc: unter bem

1) Phalarismus dialogus Huttenious. Menae Martio 1517. ten IV, S. 1-26.

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^uiten’S SDiotog ^^atariSmuS.

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Somanbc, feine, gu ben Soierfürften, t^ren Srübern, entn>i(^enc @emal)lin jurücfjuforbcrn, rüfte er fid) jum ^nege. 3m gaHc be^ (Siegel gebenfe er feine ganje ©raufamfcit ju Befriebigcn : unb um fic^ ^ie^u bie Singerjeige bcö SlRcifter^ ju erbitten, fei er lebt b^rabgefommen. ^^alariö rät^ it)m ju feinem ehernen ©tier unb äbnlicben claffifc^en Sßorriebtungen; bebauert, bag bem ©d)üler bie Äenntniffe abge^cn, um bie ©efe^iebten cine^ 2^iberiu§, ßatigula, 9^ero in ber Urfprad^c lefen ju fönnen, boci^ möge er fie ficb überfeben taffen. §(ucb uiertbeiten, auö ber Äanone febie^en, mic neuerlicb bie S3öbmen gett)an, ^autabjiet)cn unb baö'gleifcb mit ©atj beftreuen ober mit @ffig befdjütten, §änbe unb 5üge, jungen unb stufen abfdbneiben, klugen unb auöreigen, fei

nicht übel, ©tlicbeö baoon, erwiebert ber ©djüter, habe er bereite in Stnmenbung gebracht ; auch fein äöappen, baö ^irfchhorn, eini* gen auf bie S3acfen brennen taffen, kleine @ötter glauben, bie 33eften am eifrigften oerfolgen, führt $h‘^ineiö fort. 2)aö thuc er lüngft Oon felbft, unb braudje baju feinen ßehrmeifter, meint ber onbere. 9^fach biefen unb ühnlid)en Sieben fteHt ^hnlonö feinem ®afte fümmtUche Xl)rannen, bie um ihn finb, oon Slfttja? geä unb (Sambhfe^ biö Domitian, oor, gibt ihm ben Sluftrag mit auf ben Sßeg, feinem iUtarfchatf (2!hnmb) ba^ ^irfchh^^ni aufs brennen ju laffen, unb jeigt ihm aud) noch feinen Oheim ©ber« harb II., ber mit einem 2ieblingöaffen, biiSroeileii au^ unter ber beerbe be^ $luto, ^furätoeil treibt; worauf älierfur ben Xijrannen jur Oberwelt jurüefführt.

®a& eine fo beigenbe ©atire auf einen immer noch müd)s tigen gürften Huffehen, unb mancher Orten ^Inftog, erregen mugte, lügt fich benfen. 3n SBüräburg, beffen ^ifchof mit bem §erjog oon Sßürtemberg befreunbet war, jeveiß ^er Xomljerr $eter oon Äuffüß ben $h<^^Q^i^muö auf offenem 3)?arfte; wofür er oon bem gefrünften Jßerfaffer in einem gebrueften ©enbfehreis ben fcharf jur IRebe gefteüt würbe *)•

i)ad S3ewu6tfein beö Söagniffeö, welche^ in ber ^eraui^abc einer folchen ©d)rift lag, Oerantagte Jütten, ben Rahmen homa* niftifchen äöahlfpruch, beffen er fich bi^h^^ aHerhanb Variationen

1) ülriohi Hatteni eq. Germ, ad Petrum ‘de AtifBas Canonioiim pro Pbalariamo ab illo discerpto Apologia. 288 299.

128

I. $u(^. 6.

bcbicnt ]^atte, mit jenem SBorte ßäfar'ö ju Uertaufd^en, baö feit* bem in ber ©rinnerung ber SRenfc^cn §utten'§ fte^enbeä Attribut gemorben ift. Öi^^er I)atte er unter feine ^Irbeiteii; im S5emu§t* fein feinet reinen ©trebenö, am liebften ben ©prud^ gefc^rieben: „Slcblic^ unb o^ne $runf" (Sinceriter citrapompam),moäu er mo^I Quc§ einmal ^^ugenbeifer" (zelo virtutis) fügte. Stuf bem 5^itel bc^ ^i)alari^muö fte^t jum erftenmal: Jacta est alea. 3n ber näc^fteu Qcit teerte §utten einigemalc ju feinem alten 2Bal)t* fpruc^e jurücf; fobalb er aber mit bem 3al)t 1520 feinen großen Äampf miber 91om begonnen l)atte, mar nun erft baä fü^ne SBort Dom gemorfenen SBürfel ju feiner rechten Sebeutung gelangt, unb blieb ba^er fortan, halb lateinifc^, halb in ber SSerbeutfd^ung : „3dj l)ab'iS gemagt", bi^meilen nod^ burc^ anberc oermanbte ©prüc^e üerftärlt, baö fte^enbe SKotto unferc^ fRitter^.

®od} mir feeren oon biefer Slbfcf)meifung ^u Jütten nac^ Söologna jurüdl. Sind) ^ier follte er oon feinen gemö^nlic^en plagen, Äranfl;eit unb ©treit, nic^t oerfd)ont bleiben. Sluf ben brücfenb l^eifecn ©ommer bcö 3o^re§ 1516 mar ein ungemö^nlic^ ftrenger SKinter gefolgt, mä^renb beffen, bei ben fc^lcc^ten italieni* fd)en ^eijung^anftalten , bie 2)eutfc^en ganj befonberö litten, §utten ober gegen @nbc beö 3a^reö fermer erfranfte. Äaum mar er mieber^ergcftellt, aU im erften fjrü^ling beö folgenbcn 3a^re^ Unrul)en unter ben ©tubenten auSbra^en. maren Slcibungen jmifd)en ben Uerfdjicbenen Sanbörnaunfci^aften ober fogenannten Nationen. ^Die 2)eutfc^en maren mit ben Sombarben uneins ge= morben; oon ben ^^uälern, ^kentern, ©paniern, Ungarn, $olen unterftüpt, jogen fie mit 2)egen unb S5ü^fen burd) bie ©tragen unb berannten bie Raufer, in melc^cn bie ßomborben fid^ Der* fd^loffen hielten. ^^ge bauerte ber Slufftanb, mäl)renb

beffen jmar niemanb getöbtet, boc^ einige oermunbet mürben; biö bem ©tatt^alter gelang, bie fRu^e mieberfjerjuftellen. ^a C£od)läuö (beffen Seriellen an $ircfl)eimer mir biefc S^ac^ric^ten Uerbanfen) üon feinen ßöglingen, ben jungen ©euberö, menigftend bie beiben altern nid)t oon ber 5;^eilna^me an ben ^änbcln ab* jul)olten mußte, fo fann man fic^ benten, baß um fo meniger §utten gefeiert ^aben mirb. Unb nun follte er, nac^bem ber ©tattl)alter bie ©ad)e oor fein Xribunal gezogen ^atte, ben ©pre* c^er ber beutfe^en Station üor bemfclben madjen. @r meinte, im

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i^utien in ®fnebiß.

129

SSer^ältnig ju ber UnbiH, bic feinen Sanböleutcn inibcrfa^ren tüar, unb ber ^arteilic^feit, luclc^c ber ©tattbalter benjicfen ^atte, fic^ nod) fe()r glimpftid) aii^gebrücft ju ^aben: allein biefer, ein ©enuefe au^ bcm $Qufe gieäco, njar entgegengefefeter ^nfid)t, unb jeigte fic^ fo . aufgebrad)t, bafj §utten für gut fanb, ju üer^ reifen ‘). ?luc^ nod) oon anberer ©eite l)atte il)in ein unoorjic^- tigcS, wenn aud) unoerfänglic^eö Söort S3erbrug gebraut. @r ^atte üon 3)?aria, ben 2eo X. ^u fünften eineö Sftepoten

auö feinem 2anbe Oertrieben l)atte, alö oon bcm $erjog Oon Ur* bino gefproc^en. mar aber Oom ^apftc oerboten, unb fo mürbe Jütten alö t^atfäc^lic^ bem 33anne ocrfallcn betrautet *).

(fr begab fid) junäc^ft nac^ gerrara, mo er bic Üöcfannts fc^aft bc2i neununbad)t5igjol)rigcn 9tifolauö ficonicenuö machte, ber, ebenfomo^l burd) feine SJ^äfeigfeit alö feine @elel)rfamfcit berühmt, bafelbft fRcbefunft, ‘ißl)ilo)opl)ic unb ÜJiebicin Icl^rtc, unb, als5 ber le^te auiä ber (Generation ber großen italicnifc^cn ^umaniften beö 15. 3al)rl)unbcrt^, erft ein 3al)r nad) §utten ftarb. SJtit biefem, mie mit C£öliu^^ ßalcagninuö unb einem fießrer ber gric- c^ifdjcn ©prad)c, 5(ntimad)Uö, mar, außer ber ©ad)c ber beffern S^tffenfe^aften, bic beiberfeitige '-üctanntjd)aft mit ©raörnuö nod) ein befonbercr ?lnfnüpfungöpunft.

Gtur menige Xage mciltc Jütten in gerrara, ba jmei SSettern, bic im iöcgriffc ftanben, nac^ bem ßeiligen 2anbe unter ©egcl ju gc()cn, il)u nac^ Öenebig beriefen. |)ier 5cigte fic^, mie baö (Gcmcingefübl ber ,§umaniften in allen iJanben ftävtcr mar alö bic politifd)snationalen (Gcgcnfä^e. gn feiner ?lufmal)nung an ben ilaifer ^^um Älricge miber löencbig, in feinem ©enbfe^reiben 3td' licn<^ an bcnfclben, ba« ©tärfftc, mie ber fDi^arcu«, bie gifd)crci ber Scne;\iancr unb bic (Epigramme an SJ^a^imilian, mar freilid) nod) ungebrurft aber auc^ bort fc^on ßattc fid) §utten l)öd)ft feinbfelig gegen SJenebig geäußert. i>cffenungead)tct fanb er gc^ rabc in SJenebig, bamaU einem SKittelvunftc ber ßumaniftifeßen

1) S. ^uttfn’8 ?3riff an 6ro§mu§, Sänften I, S. 146. $)ie oben

ertofi(fntcn 53crt(^tc bei 6ot(|Iäu§ j. ebenboj , 129. 132.

2) So erjä^jlte er fpäter in feiner Jürfenrebe. S)ie folßenben 9io(^» rid^ten pnb bem anßcf. Briefe i^utlcn’S an CroSmuS entnommen, womit nocl() ein 5Brief beS ^aptiftn CßnotiuS on benf eiben, J^utten’8 6d()riften I, 6. 136, }u bergleic^en ift.

Vll. 9

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130

I. ^ud^. 6.

:söcftrcbiui()cn, eine 5lufnar)mc, fo freunbüd) unb fc^mcic^cU)aft, alö fie U)m auf allen feinen fReifen nic^t Xljeil fleiuovben ttjar. @ift trat er bei beni, alö 0taatömaiin luic aU @elel)rten be^ rütjinten 33aptifta ©cinatiu^ ab, bem er ©rüge üon ©raöuiuä brad)te, unb ber ign, junädjft um biefer @mpfef)lung, halb aber um feiner fetbft, feiner i^ilbimg unb ßiebensmürbigfeit miüen, fegr freunbfd)aftlid) beganbette, mit feiner |)üra5auögabe befdjenfte, unb H)m für ©raömuö einen isörief unb ein (5i*emplar feiner Caesares nebft einigen anbern 0d;riften auf ben ^eimmeg gab. 5(uf bie Äunbe üon ^uttcn'ö 5lufunft fanben fid) gebilbete 3üng^ linge auö ben erften Käufern, CEuntarini, iöragabini, and) ein gleichnamiger S^teffc bei? berühmten ^ermolauig 33arbaruö ein, bie il)n in ber ©tabt hcnimführten, ihren 33efannten seigten, unb enblich in baö .§auö beö gelehrten !iöud)bruderö 5l)ulanuö brach^« ten. tiefer heilte menige 3al)re 5uüor feinen berühmtem ©chmie^ gerfühn 5llbuö 3Jianutiuö üerloren; aber fein ©uljn Snhann 5ran^ unb anbere gelehrte ^au^genoffen mürben herbeigerufen, unb fein (Snfel, ber fünfjährige ^2llbuö Üü^anutiuö, mugte ben ge^ lehrten ?lnfömmling mit einem ilug empfangen; and) mürbe feine 23üd)erfammlnng. burd) ^^uögaben uou ©ueton unb ben fpätern ©efd)id)tfd)reibern ber römifdjen itaifer, Uou ßicero’ö Dfgcien unb ber fd)on genannten ©djrift be^ (Sgnatiuö de Caesaribus bereidjert.

5)ie SSettern, meldje beii S^titter nadj SJenebig befchiebcii hatten, fprachen ihm ^u, bie Üieife nad) bem 9J?orgenlanbc mit* ^umachen; bcrgleichen ^öallfahrten maren noch immer nidjt auö ber 3Rübe gefommen ; nadj be^S 6od)läuö iöriefen an ^irrfheimer mar (Srotuö S^ubianinS, ber ign 5urüdl)iclt. tiefer greunb mar um jene Qcit gleidjfallg iii Stalien angefommen. ©eine ©tellung in giilba mar nichts meniger alö gtänjenb gemefen; unb nun foUte er auch ©tü^c bafelbft, ben

"^bt ^artmann, oerlieren. S)en mäeenatifdjen Slir^enfürften brach«^ ten ho^Piegrnbe ©ntmürfe unb Oerfdjmenberifcher §auöhalt in ßermürfniffe, bie in bemfelben Qahre 1517 feine SSertreibung, fpäter feine Slbbanfung jur golge h^^Hrn. ©o nal)m SrotUiS mieber eine ©r^ieljerftelle bei jungen Slbelichen, biegmal auö bem ihm unb ßutten befreunbeten §aufe 5ud)ö, an, mit benen er nad) Italien ging, unb nun mit Jütten, mie fd)eint, in SSe=

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Jütten in ^enebtg.

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ncbi(^ jufammcntraf. ^urd^ bcn öcrftönbigcn greunb bon bcr p^ontaftifc^en Sfleifc ab9ct)a(ten, fc^rte Jütten crft nad^ Bologna jurücf, wo er am ?tbenbe beiS 25. 3uni anfam, unb nad^ furj^em Aufenthalte ganj insgeheim, um 9ftad)ftelluugen ^u bcrmeibeii, am 27. ober 28. 3uni, feine iRüdfreife nach ^eutfchlanb antrat.

6od)löu^, ber übrigen# in (efeter ßeit eine ©ntfrembung Jütten’# ju fpftren meinte, gab ihm 55ricfe an ^irefheimer in Nürnberg unb an berfchiebene 33efanntc in Augsburg unb 3n= golftabt mit, bei benen er ihn einführen wollte ; bcn erfteren bat er nach $utten’# SBunfehe, biefen nicht mit bem gewöhnlichen nürnberger ^runf aufnehmen j^u wollen, ba er nicht feinen leefern SD^ahljeitcn, fonbem feiner gelehrten Unterhaltung juliebe ben Umweg über SRürnberg ju machen gebenfe. ^)aß c# gcrabe Sodh* lüu# war, bei welchem Jütten noch Qm Xage bor feiner Abreife bic Schrift bon Saurentiu# Salla über bie erbidjtcte Schenfung Äonftantin’# fol), mit beren ^erau#gabc er nach feiner ^cimfunft feinen ^elbjug gegen fRom cröffnete, ift ebenfo merlwürbig, al# ba§ Sochläu# bamal# jwar wegen bcr $erau#gabc ängftlich, übri* gen# mit bem 3nhallc ber 0d)rift bollfommeu einperftanben war. 2öir fommen (einer ßcit auf bicfelbe jurüd: l)icr lönnen wir e# unmöglich länger bcrfchieben, über bcn iReuchlin'fchcn Streit, an welkem $utten auch fdjon früher, ganj befonberö aber jefet in 3talien, Antl)eit genommen h^Ue, im ßQlQQ^ötcnhange Bericht ju geben.

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132

Siebentes iKapitet.

^etti^fiti'd ^ampf mit ben ^ofnern itttb c$uttett’$ §:9eirna9me an bemfeeben.

1511 1517.

Unter beu 3)7änuern, iueld)c ouö ber Serbumpfunfl bc!§ fiii= fenben SKittclaltcrö bic ©elfter an bic freiere £uft l)eraii!§füf)ren Ralfen, inbem fie Umüiffcnl)eit iinb ©d^olaftif bnre^ (Sröffnnng ber Quellen tualjrcr öilbung mittelft t^rünblidjer ilenntniffe ber alten ©prac^en befämpften, unter ben Tätern beö ^umaniiomuö mit @inem Söorte nal)m um bie SSenbe beö 3nl)rt)unbcrtö 3o- f)anu S^leuc^lin ‘X ober luie ^ermolauiS S3arbaruö iljn öröcifirt

1) Qtte, Sapuion, eine ber erfteii ©teilen ein. mar baj? allere- meine Urtt)eil, menu §utten il)n unb (Sraömuö bie beiben Vlugen ^)eutfc^lanbö nannte. 3l)r SSerbienft fei e^, ba^ baö beutfd}c ®olf aufl)öre, ein barbarifdjc^^ 5U fein*-*), ©ie (^enoffen eine bei- iuil)e übermcnfc^lic^e 5^erel)rung. SBer ben im ©tillen mirfenben aJiutiauu^ fRufuö (genauer fannte, mar mol)l Qcneiflt, i^n sum

2) ritten im 8unbe ber beiben großen SJiänner ju mad)en: er fclbft lel)nte eine füldje ßufammenftcUung mit feiner ftet^J etma^ ironifdjen Öefc^eibenbeit ab.

Sleud^lin, 1455 in ^forjl)eim geboren, mar 12 3al)re älter alö ®ra^muö, unb l)atte, gleich biefem frübjeitig ben ßcitgenoffen bemerfbar gemorben, uor il)m nic^t blo^S bo^ Filter feineiS 91ul)mö,

1) Sgl. über i^n 2. ©ciger, 3o^. Bleuc^Un, jein ficben unb feine 3öerfe, fieippg 1871.

2) 3n beni oben ®. 118 angeführten Sriefe on (S^erbel.

9{eud^Iin unb @ra§mu3.

133

fonbcrn mic^ bic ©tcHunj^ cincö 93Qf)nbrerfjcrg, cinc§ venerabilis inceptor uorau^. @r war in 2)cutfd)lQnb bcr crftc @clc()rtc neuen ©tild, unb and) fo^lcic^ ber erftc, ber fic^ beö @cbict)§ bamalic^er Siffenfe^aft in feinem ganzen Umfange bemäd)tigte, unb hierin hatte er unter benen, bie übrigen^ feine Anfänge hinter fich liegen, hoch nur wenige S^adhfotger. ©elbft ©ra^muö war nur ber3tniC' fprad)ige, wähvenb S^tcnchlin „bad breifprachige SBunber” war. 3u bem Satein, ba$ er reinigen hntfr lernte er Don gelehrten ©riechen, wie fic bie Eroberung ^ionftantinopelö tn^ö Slbenblanb geführt hnttc, au^ ber lebenbigen dneHe griechifch, cbenfo hernadh Don 3nben hebrüifd). SBenn er baö ©tubium beö ©ricchifdjen in ^cutfchlanb einbnrgern h^lf, fo hnt er baö bcö §ebröifchen überhaupt im neuern ©uropa begrünbet. ©ein SBerf de rudi- inentis hebraicis uoin Sahre 1506, SBörterbuch unb ©rammatif in (Sinem, war, obwohl im 2öcfentlid)en auö ben ©djriften ber alten jübifd)cn ©rammatifer nnb fiejifographen gefdjöpft, hoch baö erfte auf djriftlidjem !0oben entftanbene iiehrgebäube ber hebräifchen ©prache, unb er hntte ooUeö ?Red)t, am ©chluffe be^ iöufhö baö hnra5ifd)e Exegi rnonumentum etc. au^jufprechen. ^a= bei waren aUe biefe gelehrten Seiftungen nur grüchte feiner 9J2uge* ftunben neben ben öffentlid)en 5lemtern, bie er befleibetc. ^h^olog war er nur auü^ Siebhaberei, üon ^rofeffion war er fRechtögelehrter. '-öeffer freilich umgefehrt: bie SnriSpvnben^ war nur fein Srob« ftubium, üon bem er gelegentlich ohne oiele Dichtung fprad). ^aö ©tubium feiner Sficigung war '^hH‘-'‘logi‘-' unb ^hilnfnphic. §icrin war ©raömu^ günftiger gcftcHt. Obwohl mit gürften unb ©rogen geiftlidjen nnb weltlid)en ©tanbe^ in weit oiclfacheren S^ergälts niffen alö fReuchlin, hntte er cv fid) bod), unb /^war jum Xhcil gerabe bnrd) biefe Serbinbungen, möglich i\n machen gewugt, ohne eigentlidjeö Slmt auefd)lieglidj feinen ©tubien unb feiner ©chrift^ ftellcrei j^u leben. 5tein Sßunber, bag er an gru^tbarfeit ben altern ©enoffen überbot, in bcrgolgcand) an Hinflug unbiRuhm ihn überholte, Se^tcreö aud) barum, weil feine Bemühungen um bie beiben claffifchen ©pradjcn, wooon er überbieg bie lateinifdje mit einer (Slcgan^ fd)rieb, bon ber Send^lin'ö funftlofe Slnöbrncfö= weife Weit entfernt war, mit ben humaniftifdjen 3clH’'^fl^<^l’nngen ,^ufommentrafen; währenb Scuchlin mit feiner fiiebhnbcrci für bie barbarifche ©emitenfprache oereinjelt ftanb.

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1, ®ud^. .7. Äopitel.

Ucbcrijaupt ftebcn bic bcibcii 2J?ämtcr, bic man flcmofint ift, jufammen alö bic Vertreter beffdben ^rincipö nennen, boc^ auf biefem gemeinfamen 33obcn fid) in mcrflvürbigcm ©cgcnfo^c gegenüber, ©d^on äugcrlid): ber fd)mäc^tigc, unfc^cinbarc, feine ftctö roanfenbe ©efunb^cit ängftlic^ ^ütenbe ©raönuig, unb bic ftattlic^e imponirenbe ©eftalt fWend)lin'^, ber, fo mägig er für gett)öt)nlid) lebte, bei ©elcgcnbcit bo^ mobl ertrug, einmal mit feinem Sodann SSaefer (SSigiliuä) in ^cibclberg biö tief in bic 9lad^t beffen SBcinc burd^jufoften, auf bic ©efa^r ^in, im Sflcbcl bc^ @m)ad)cnö am anbern SJiorgcn bie Kleiber mit benen be^ greunbeö ju ücrmec^fcln. 3m ßufönnnenbang bamit mar auc^ in fRcuc^lin'ö ^anblung^meifc ©erab^eit unb Offenheit ebenfo ein l)cruorftcc^cnber ti>ie bei ©raömuä ©cmanbt^cit unb ©d)micg= famfeit. konnte jener aufbraufen unb zürnen, unb in folc^cr ©rrc= gung bie ©rennen ber ©erec^tigfeitmieber ©c^icflic^fcit überfc^rciten, fo nehmen fid) bod) feine gauft- unb Äculenfd^lägc neben ben in aller ^rtigfeit bcigebrac^ten S^abel* unb moljl auc^ ^)olc^ftic^en in ber ^olemif be^ anbern ocr^öltnigmä^ig unfd^ulbig aug. 9G0a« ben 9J2ut^ betrifft, fo mar aud) fReud)lin gerabc fein |)elb; er l)attc t)on Statur ein forglid)cs Temperament unb ift üor brofien* bcr©cfa^r mcf)r alö einmal ängftlic^ ^urücfgcmic^cn ; bo^ l^at er in ber ^auptfad^c immerhin fo feften ©taub gehalten, bag ber gemalti^e 5^ampf fic^ entfpinnen fonntc, morin er julept alä mof)rs baft'tragifc^c gigur crfd)cint. 95ei ©raömuö lägt fic^ ein tragu fdjcr ßonflict biefer 5lrt gar nid)t benfen ; ber S^ielgemanbte gätte bemfelben oon ferne ger fd)on auSjumeiegen gemußt. 3^* biefen im 9iatureII unb SbQi^Qftcr ber beiben 9J2änner gelegenen SBcr^ fd)iebenl)eiten fam aber aueg noeg eine in igrer geiftigen Einlage. Söar ber jüngere ein nüchterner, ironifeger ©eift, feine Tenfart, meint man ben ^u^bruef niegt migoerftegen miß, rationaliftifeg, fein Söirfcn ein aufflärcnbeS: fo mar ber ältere, bei gleidjcr Tenffraft unb niegt geringerem 933iffen, ein mgftifeger ©eift, ben ein bunflcr Trang nadh Uerborgenen Tiefen ^og. ©ben bamit ging aueg feine SSorliebc für baö ^ebräifege, feine ©unft für bie 3ubcnbüd)cr ju^ fammen, bic ign in ben ©treit Oermiefelte, oon bem mir gier ;;u reben gaben.

9fteud)lin'^ 3ntcreffc am §cbröifegen mar ;iunäd)ft baig pgilo= logifd)c an einem fo cigentgümlidjcn unb bamolö fo menig ge^

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^o^ann ^cui^ün.

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faimtcn ©pracfjt^cbäubc. Xic Uncutbe^rlid)fcit bicfcr ihinbc ^um 33erftänbni6 boö eilten Xcftamciitö, alfo büö tbcoloivfc^c Sntcrcffc, fom 5lbci* bi>5 .^cbräifd)c luar für fRcuc^lin Jiiölcid) bic

0prnd)c, in luclc^cr Öott fcibft iiiib bic ©nqcl gcrcbct l)attcn, bic heilige 0prad)c tuie feine anbcrc. Hub in bicfcr Sprache f)ot GJott nidjt nur ba^jenige gerebet, lua^ in ben 23nd)crn ÜJ^ofiö nnb jonft in ber heiligen 3d)rift für alle nicbcrgcicgt ift, fonbern auch nod) eine üerborgene Sehre burd) @ngcl an 5lbain, bic ©r^uäter unb SU^ofeä gelangen laffen, bic in fpätern jübifchen Schriften anfbchaltcn ift. trat jum philolagifchen unb thcülogifdjcn 3ntercffc an ber hcbräifdjcn Sprache baö mt)ftifd}c hi»J»- -^iefc mpftifdje fRid)tung luar in ^Rcud)lin nod) üon einer anbern 0eitc her angebahnt. @r h^ttc bic 0hftemc ber gried)ifd)cn fPh^^ofophie ftubirt, unb fid) unter biefen bcfonbei\^ 511 bein ppthagoreifchen, in feiner fpätern Umbilbung natürlich, gefunben. ^i\

einer 0djrift uoni Sahrc 1515 fprid)t er baö '-8ürl)aben auö, luie in Italien 3J^arfiliuö J^icinu*? bic platonifd)c ^hil‘^)i^Ph^'-' begrüiu bet, in 55i^onfrcid) gelber non Stapleö bie ariftotelifd)c erneuert habe, gebenfe er, Gapnion, unter beni 33eiftanbe ber (Sngcl ^cutfd)lanb mit ber pt)thagin*eifd)en befd)aulichen

3)^enfd)cn ftetö angenehm gemefen , ,^u befd)enfen. *iHud) hi'-'n» inbeß mar ein Italiener imrangegangen, ber (^raf 3ol)onn '*^3icuö üon Ü/iiranbula nämlich, unerad)tet ihre perfönliche iöerührung nur eine flüd)fige mar, bod) auf bie (Sntmidlung üon fRcud)liirö Sorftellungcn uon tiefgehenbem ©influffe gemefen ift. fpiciiö mar ein mhftifd)cr (Sfleftifer, ber in ncuplatünifd)cr SBcife nicht bloe^ '’^^t^^tonminuö unb ^^^hthagorei^muiä, fonbern mit beiben nod) bic jübifd)c ©cheimlehrc, bie fogenannte (Sabbalah, ^u eombiniren, unb biefe Üiijchung übcrbiefi ^u fünften beö (5hiiftt’»fhum^; ^u üermerthen fud)te. .^icrin trat fRenchlin gan^ in bie guftftapfen \>c<$ ^icuö. 3n feiner Schrift „uom munberthätigen SSorte" au^J bem 3rthi^c 1494 finben fid) bie Säpe: (^iott ift bie Siebe, ber 3Jienfd) bic Hoffnung, ba^3 ^^anb 5mifd)en beiben ber (Glaube, ^urch unbefd)rciblid)c ^Bereinigung aber fönnen fid) beibc fo üer^ binben, bafj ber mcntcl)lid)e ÖJott unb ber göttliche iüienfd) fortan nur alö ©in ÜÖefen bctrad)ten finb. ^iefc ^Bereinigung fommt j\u Staube burd) baö munberthätige äSort, b. h- ben gcl)cimitift^ Dollen 3t'hDua= unb 3e)uönamen. ^on biefen einfach mpftifchen

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I. 7. j^apitel.

Slnfängcu arbeitet fid^ nun aber iReud^lin'^ SBorftellunci^iucife in bie üernjicfcitfte $t)antaftif bi^cin. 3n p^tOagoreifdjer 5lrt fpielen bie 3<^bitJcrbältniffc, in rabbinifc^er bie S3ud)ftaben eine gro§c Stolle. 3n jebem SBorte, jebem ©uc^ftaben, ja in ben S3ud)ftabcns ^eic^cn beö SHten Xeftamentö fab 9^eud)lin ©ebeimniffe. ®en Saurenj S3ebaim, ^omberrn ju iöamberg, b^^ttc er ju fRom ges. lebrt, au^ @inem S8erfe beö ^ttjeiten ^öucbiS 3Rofiö bie 72 unanö^ fpre^b^icben Flamen @otte^ bc^^^u^jufinben. 3n ben brei S3ucb= ftaben bcö b^’i^i^difd)en SBorteö, mit tueicbem 1 äRof. 1,1 bag göttlidbe ©dbaffen bejeid)net ift, fonb er bie ^reieinig!eit ; nach eben berfelben ^eutung^art in ©prüd;m. 30, 31 eine Söeiffagung (bie ficb freilich nicht erfüllte), bag nad) ÜJtajimilian fjricbricb üüu ©adjfen Äiaifer merben mürbe, ^ergleidjen öeftrebungen mie§ @raömu!3 im „ßob ber ^Rarrbeit" ihren $la|j an. Söelcben SBertb bagegen für?Reud)lin bie fpätern jübifeben ©ebriften herben mußten, in benen fold;e SSeisi^beit ju finben mar, erbcHt üon felbft.

Sßaö, bicDon abgefeben, fReud)lin'ö pbi^ologifd)eö 33emübcn um bie (SJrunbfpra^c beö 2Utcn STeftamentö betrifft, fo mar e^ auf ber einen ©eite jmar ganj fromm, alö ©egenmirfung nid^t allein gegen bie ©djolaftit, fonbern ebenfo auch gegen bie profane 91id)tung gemeint, melcbe ber ^umanisJmuö, befonbe^i in 3talicn, genommen b^itte. 2luf ber anbern ©eite jeboeb mor üielfacber ßufammenftog mit ber bcrgebrad)ten 5lu‘3legung nid)t ju Der* nieiben. iReudjlin ehrte bie Vorgänger, aber lieb fid) burdb feine 2lutorität binben. Xen heiligen |)icronbmuö, febreibt er, oerebre id) mic einen Sngel, unb ben SRifoloiiö oon ^pra achte ich aU Sebrer, aber bie SBabrbcit bete id) an mic einen @ott. Söic bei folcbcn örunbfö^en 9ieud)lin über bie alte, auf febr mangelhafter ©prad)fcnntnib berubenbe lateinifdbc 33ibelübcrfcpung, bie fogcs nannte SSulgata, urtbcilcn mufjte, labt ficb benfen. 5ln Dielen ©teilen feincä Söcrfcö über bie bebräifebe ©praebe mirb fie Don ihm gctabclt, bie mabre Ueberfebung il)r gcrabe^u cntgcgcngeftcHt. yflun aber mar bie S^ulgata in ber abenblänbifcbcn üirebe löngft an bie ©teile bcö Originale getreten, beffen ®crftänbnib mit ber Äunbe ber ©runbfpracben möbrenb ber mittlcrn Dcrlorcn gegangen mar. 3n ber Ueberfepung ber SSulgata allein fannten bie ÖJciftlidjcn bie 33ibcl ; auf St^tbümer biefer Ueberfefeung maren

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JReud^Un unb ^fcfferlotn.

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firc^tic^c ßct)rfä^c unb ^cbröud)e ^cßrünbet luorbcu. 9J^it bcr SBuigata festen bid)cr 9icucl)liu bie Äirdjc fcibft anjutaften, unb ba er feine Sßerbefferunflcu überbiefe auö bcu 33elcl)run(^cn unb 0c^riften ber Subeu fdjöpftc, fo laß e^^ nabe, fein Sbriftentl)um ju üevbädjticjcn, felbft ebne ben Slnlag, uon bem luir fofurt p bcridjten hoben loerben.

^ereit^ botte fRcud)lin ba^ funfjic^ftc Seben^jabr überfdjrittcn, unb fing an fid) nach iRube ju febnen. @r bottc uicl erlebt, in jüngern 3al)rcn in granfreidj ficb aufgebaltcn unb gtalicn njieber* bolt bereift; njar in bob^n 0taatiggefd)äften gebraudd, uomitaifer griebricb III. gcabelt, non einem bcr treffliebften beutfeben gürften, bem mürtembcrgifd)en ©tafen unb nadjuiali^ 5cr^og ©berbarb im 53art, mit freunbfd)aftlid)cm SSertrauen beebrt morben ; nur feinem unmürbigen 9lad)folgcr bottc er fliehen muffen, mar nad) beffen ^Ibfcfeung 5mar nach Stuttgart in fein |)eimmcfcn bod) fonntc bcr greunb bcö meifen ©berbarb an bem ^^3üd)cn unb ^raffen bcö jungen ^er^^agö Ulrid) feine greubc hoben. So 50g er ficb, ba baö 9^Iid)tcramt beö fd)mäbifcbcn 33unbei^, ba^^ er K'il. 1502 ücrmaltcte, il)n nur ^citcnmcifc in 5lnfprucb nahm, allmäblicb jurücf, lebte mit feiner fränfclnben ^meiten grau am liebften auf einem fianbgütdjen unmeit Stuttgart, mc er feinen £icbbabercien, 5.33. meige Pfauen ^u pichen, unb feinen Stubien naebging.

mar im September 1509, alö, mic febeint in Stutt^ gart, ein getaufter gube au5 iiöln mit einem feltfamcn 5(nfinnen bei fRcucblin eintrat*). Der äJ^enfd) hotte, nadjbem il)m, feine ehemaligen @laubcni?gcnüffen burd) (Srmabnung ^u befebren, nidjt gelungen mar, einen anbern 3[Beg eingefd)lagcn. 3n einer 91eibc üon Sd)riften, non benen il)m mcnigftcnö bie lateinifeben bie tölner Xb^’ologcn unb iD^agifter äurcdjtmad)cn bolfen, forberte er Dbrigfeitcn unb S^olf ju gcmaltfamcr ^efebrung ober 23ertrcilning bcr Suben unb jur Sßerbrennung ihrer 23üd}cr auf. Xa aud) bic6 ohne S33irfung blieb, ritt er im Süinmer 1509 ^um Äaifcr SKajimilian, bcr eben gegen ©enebig ,^u gelbe lag, unb mivfte im Heerlager uor $abua üon ihm unb feinen beftecblidjen Sdjrcibern

1) 2)ic Äronif bf§ folocnbcii Streites fmbet man bet ®örfing, Ilutteni operura Supplem., Tom. II, S. 117 156; boS Serjeidjnife ber in bem Streite (jetoet^jelten Schriften ebenbaj., S. 66—115.

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I. ®u(^. 7. Äopitcl.

ein ÜJ^Qubat an fämmtlidjc Suben bcö auö, fie foUcn alle

il)ve !söüd)cr, bie flcflcn ben d)viftltd}cn glauben c|cvid)tct feien, ober and) il)rem eigenen C^Jefe^e ^^utoibcrlanfen, „unferem unb beö 9ieid)^ getreuen 3o()annfen ^fcffer!orn (fo ber SJiann) ali;^ einem moblgcgrünbcten unb erfahrenen il)re§ ©laubeuö" oor^eigen, bem bie 93oUinad)t ert()eilt mirb, mit beö ^farrerö unb

jmeier Dbrigfeitöperfonen jebeiS Crtö biefe 33üd)er uon ihnen ju nehmen unb ju unterbrüden. ®iefe^ 9J?anbat mieö ^fefferforn je^t 9fieud)lin oor mit bem @rfud)cn, er möge mit ihm an ben 9fU)cin reiten unb bie 0adhc in§ SGÖerf richten helfen. Sltlein meber ber arienfd) noch fein ?(nfinnen fonnte 9ieud)lin gefallen. @r entfd)ulbigte fich mit ©efdjäften, auch Ö^l^e ba^ yj^anbat etliche SUiängel in ber gönn, locldje ber red)t^funbigc Wann bem 3»ben erft mit bem ginger , geigte, bann, al§ biefer fie fchriftlid) ^u herben münfdjte, vig er „ein ^ebelin ab einem iöap^ier" unb fd)rieb fie ihm auf.

©0 fd)ieb ber üerbäd)tige Wenfeh ; aber S^eudjlin foUtenoch nid)t fo halb fRuhe oor ihm h^^ben. Um löartholomäi beö folgen^ ben 3al)tö fam il)m burd) ben 5Uirfürften Uriel Oon Wainj ein faiferlidjer Befehl ju, fein (^3utad)ten barüber ab^ugeben „ob folchc 23ücher, fo bie Suben über bie ^üd)er ber 10 ©ebote ÜRofiö, bie Propheten unb $falter beö eilten ^eftament^^ gebrauchen, ab^iu tl)un, göttlid) unb löblid), unb unferm heiligen ÖJlauben nnglich fei". Wan loollte alfo bie ©ad)e, bie ^fefferforn aufjencö erfte Wanbat hin in granffurt unb ber Umgegenb gleich h^h*Ü genommen htiUc» e’rft noch reiflid)er überlegen; aber auberer» feit!^ ftcHte man bie grage nid)t mehr bloiä auf bie S3ertilgung lüirflid)er ßäfterbüd)er, fonbern aller jübifd)en 33üd)cr auger ben biblifd)en: fo meit hatten iu5toifd)cn bie Umtriebe ^fefferforn'ö unb ber mit ihm Oerbünbeten fölner Dominicaner gebracht. Sieben fRcud)lin mar nod) ber Dominicanerprior unb i^epermeifter 3afob ,§od)ftraten ju Äöln unb Victor oon (Farben, oormalö IRabbiner, jept Shi^ift nnb (^eiftlicher, bann bie Unioerfitäten ju ilöln, Wain^, (Erfurt unb §eibelberg )jur ^Ibgabe oon @utad)tcn in ber ©achc aufgeforbert.

$Reud)lin’g ®utad)ten ober „9?athfd)lag, ob man ben 3uben alle ihre Bücher nehmen, abthun unb oerbrennen foU", gegeben Stuttgart am G. 9loo. 1510, ift eine fchöne ^robe ber Klarheit

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9leud^Un’8 wegen ber 3uben6ttd(|er.

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fciiied SSerftanbeg, ber S3iebcrfeit feinet ßb^rafterg unb bcr9)?ilbc feiner ©efinnunfl; obmobi nid^t ju nerfennen ift, ba§ if)iu bie @r()altung ber 3ubenbüc^er nic^t bioö um ii)reö üterarifd)en ^ert^eö ober beiJfRec^tö i^rer 53efiber, fonbern auc^ um ber bariu oermut^eten ©ebeimniffe miflen rätblid) unb münfdjenömcrtb er* festen; bag alfo, toie bieg in menfc^lid)en Gingen fo gerne ge^ fdbie^t, an bem guten SBerfe, melc^eö er t^at, neben ber SBobr* beit Queb ber SBabn feinen Slntbeil b^tte.

laffe ficb, meint fReucblin, über bie oorgelegte 5rage oiet bin unb mieber biöputiren; um aber auf ein fi^creö ©rgebnig ju fommen, müffc man unter ben jübifeben 33ücbcrn oerfebiebene Älaffen unterfdjeiben. Xa finbe man benn 1) bie b<^ii»9c ©ebrift be^ Stiten ^eftamentö, 24 iöücber, bie aii§erl)alb ber 5ragc fteben. 2) ®en 2;bQiniub, b. b- eine ©ammlung oon Einbiegungen beb mofaifeben ©efejeb aiib Oerfdjiebenen 3^iten. biefer beb

JJeuerb mürbig, fönne feiner fagen, ber feine ©prad)en nid)t oer= -ftebc (momit fReucblin nid)t allein bie fölner Xb‘^‘^^ogen, fonbern oueb ^fefferforn meinte, bem er bie nötljigen Äenntniffe nid)t ^u* traute): er felbft b^bc ein ©jemplar beffclben, unerad)tet er cb gerne hoppelt bc5ablt bdtte, bib jebt nicht erbalten fönnen, fein 3nbalt fei ibm baber nur aub ben SBiberlegungbfcbriften befannt. ^Darnach ju urtbeilen, möge toobl $Wancbeb miber bab C£briften* tbum borin fteben: allein bafe bie 3uben fur@ott

anerfennen, bab fei einmal ibr ©laube, unb nid)t unb ^ur 0d)inad) ju rechnen; baneben aber fei auch mand)eb @ute im Xl)almub cntbolten, bab aub bem Jööfen b^raub^ufueben eine b^ilförne Uebung unfereb ©laubenb fei. 3) pnbe man bei benSuben „bie bobe ^eimlicbfeit ber SReben unb ‘SÖörtcr ÖJotteb, bie fie Cabbalah". X)ab mar nun Sfleucblin’b ©cboobfinb, rücfficbtlid) beffen er ganj mit ber Xbefib beb Grafen Sobann ^icub oon SRiranbnlo übereinftimmtc, eb fei „feine Äunft, bie unb mehr ge? miß madje oon ber ©ottbeit (Sbnftb 3)iagia unb CSabbalab". 6ine 4. ftlaffe bitben bie erflörenben ©loffen unb grammatifdjen (Sommentare über cinj^elne biblifebe S3üd)er, oon Äimcbi u. El.; für ein riebtigeb Serftänbnig beb Eliten Xeftamentb fo unentbel)r? lieb mie 0eroiub unb Xonat jum E3erftönbni6 beb ESirgil. 5) X)ie ^rebigt? unb 6ercmonienbüd)er geboren j\u bem ßultub, ber ben 3uben bureb faiferlidbe unb päpftlicbe fRecbte jugeftanben fei.

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I. ®ud(). 7. ÄQpUel.

6) 3I)tc Sucher üon allerlei Ä'ünften unb SBiffenfe^aften touren nur infotoeit 511 oertilt^en, al^ fie oerOotene Älünfte, toie §eyerei unb 0d)u^(^rüberei (ehrten, ©nblic^ 7) unter iljren ^oetereien, gabeln unb @jempelbnd)lein mööen fidj etlidje, obtool)! toenige, finben, toeld)c ©pott unb ©djiimljungeu ntiber 6l)riftn^, feine iÜ^utter, bie 5lpoftel n. f. tu. enthalten. ®em SSerfaffer bee @ut= ad)tenö finb nur jntei bergleid)en, Nizahon unb Tholdoth Jeschu, befannt, bie aber oon ber äl^’brljeit ber guben felbft für apofrpp^ unb erlogen gehalten toerben. „töei toeld)em Suben nun ntiffents lid) gefnnben toirb ein fold) ^43nd), ba^3 mit an^gebrneften SBorten fc^ledjtö unb ftrad^5 ,^u ©djinac^, ©c^anb unb Unc^re unferm ^erru ©ott gefu, feiner toertl)en 3)iutter, ben ^eiligen ober ber d)riftlid)en Drbnung gemadjt märe, ba^ mödjt man burc^ taifer^ lidjen ^efel)l oerbrenuen unb bcnfelben guben barum ftrafen ; bod) nic^t anberö, benn nad) genugfamer 93crl)örung unb redjts mägig ergangener llrtl)eil." XieSBertilgung i^rer fämmtlid)en^üc^er ol)ue Untcrfdjieb mürben bie Suben alö ein 3^-’idjen aufe^en, bag bieß^riften iljrer eigenen ©ad)e nidjt trauen; mäbrenb für biefc 511 fürchten märe, baft fie, menn il)nen ber ©toff 511m ©treite mit aioJmäitigen ©egnern fehlte, befto mel)r unter fid) felbft verfallen mürben, ^emnad) gel)t Oteud}lin’i? ©utadjten fdjließlid) bal)in, „bag man ber guben 53üd)er nid}t foll oerbrennen, foiibern fie burd) oernünftige Xiöputationen fanftmütl)ig unb gütlich 511 unferm ©tauben mit ber $ilf ©otteö Überreben". Unb um aihS ber©ad)c überbieö einen ©eminn für bie 2Biffenfd)aft 311 sieben, mac^t er ben SSorfebtag, ber Äaifer möge befehlen, bag febe beutfd)e UnU oerfität auf jel}n 3al)i^c ^mei ßebrftüble ber bebräifeben ©pradje erridjte, mo^u oorerft bie 3ubcn bie töüdjer b^mjuteibeu bütten.

^ie übrigen ©utaebten lauteten freilid} anber^l Sitte, biö auf baö bcibelbergifcbe, baö auf S^erufung einer Gommiffion an^ trug, mollten beu 3uben oorerft alle ihre iöücber ^um 3tocde ber Unterfud)ung meggenommen miffen, mit alleiniger Sluönabme bcö Slltcn Xeftamentö; ja bie ttf^ainjer nabmen and) biefeö nid;t au§, biö fid) ermiefen mürbe, baf3 bie ©jcmplare nid)t Triften'

feinblicb gefälfebt feien. 9teud)lin fdjidte feinen fttatbfcblag Oer? fiegelt bureb einen gefd)morenen 33oten au ben Ä^urfürften oon ^Wiaiiti^, tueldjer, laut be^5 faifcrlicben äl^anbatö, fämmtlicbe ©ut* aebten mit feinem S3ciberidjte „bei 3obaunfen '4^feffcrforn" aU

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^fefferforn’S ^anbipifßet unb 9?fud()Iin’§ ?lu0enj|)icQcl 141

faiferlid^cm ©oflicitotor in bcr ©odjc, an bcn Äoifcr gelten laffen füllte. 2)ic brei 9J?änncr, benen biefer fic üorlcgte, entfc^icben fic^ im ©inne bcr 9Äe^rljcit bcr @utacl)tcn ; bocl) bcr Äaifer, chu mnl bcbcnflic^ gcmacl)t, fc|tc bic ©ad}c auf eine öerat^ung mit bcn ©tänben bcö fReicl)cö auiS, unb ba ein fRcic^^tag fic^ tjcr^og, blieb fic liegen, mittlcrmcilc bie Suben bic i^nen Hon

^feffertorn abgenommenen ©üc^cr bisJ auf Sßcitereö juriief erhielten, mar biefem uncrträglidj unb fteigerte feine S33utg auf Stcuc^lin, beffen ©utadjten er für bic gan<^c ©törung feinet fo mogl cin^ geleiteten ?lnfdjlagö ücrantmortlid) mad)te. ®icfcö ©utadjten ju Icfcn, ^atte er o^nc amtfic^eö fRec^t gel)abt; um fo

meniger aber ba,^u, üon bem amtlid) 511 feiner i^enutnig gelang* teil in einer 3)rudfd)rift öffcntlid)cu ©ebraud) ^u mad)cn. (^leidjs iDol)l tgat er bieg in feinem „^anbfpicgel", toorin er auf jene^ Hetenftüd gin fReud)Iin gcrabeju befdjulbigtc, er ^abe fidj üon bcn Snben bcftcd)cn laffen, ein @utad)ten ju il)ren ©unften auö- juftcllcn. fpvtid) et fid) über beffen ii^enntnig ber Ijebräi*

fc^en ©prad)c äugerft gcringfd)äpig auö. 9ftcucglin rügme fid), ein gebräifd)c^ SBörterbud) gefdjricbcu >^u gaben; aber barin fei iDcnig ober nid)t!^ üon igm felbft, alleö uon bcn !3üben ^ufanis mcngcbettclt. ^iefe ©djinägfcgrift gat ^fefferforn, nad) Sfteucglin’ö SBerfiegerung, auf ber franlfurtcr 0ftcrmcffc 1511 „fclbft umge* tragen, üerfauft unb bureg fein Slöcib im offenen ©rempcltram 3ebcrmann fcilgcboten, aud) cincötgcilö üerfegidt unb ücrfdjcnft". fturj barauf fam ber Slaifer bureg ©d)lüaben; in Reutlingen übergab igm Rcud)liu flagcnb baö ^fcffevforn'fdje ßibell; ber Älaifcr be5cigtc fein SRigfallcn, aber locil er @ile gatte, cntlicg er ben 2)octor mit bem 5icfegeib, ba» gütlid)c 5^ergör bem iöifdjof üon §lug§burg übertragen ^u moUcn. ^ieg fdjciut jeboeg üer^ geffen morben 511 fein: baburd) fag Rcurglin fid) ücranlagt, jur uäcgftcn ^erbftmeffe fieg ju üerantmorten, unb, mie er fid) au^- brüeft, „aU ein ®eriüunbctcr fid) fclber 5U ar^^encien unb geilen".

©0 entftanb Rcud)lir/ö „^liigenfpicgcl" (b. g. ©rille, bic aud) auf bem Xitel ju fegen mar), bic ©d)rift, um melegc ber gansc fernere ©treit fid) bregen füllte, ^ier erj\öglt er ^uerft bcn Her- gang bcr ©aege üon Einfang an-, rüdt bann fein ©utaegten mörtlicg ein; güngt biefem eine fcgülaftifd)c (Sontroücrfe in latci^

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I. 9u4i. 7.

nifd^cr an, in toeld^cr gecjcn bie Slnfid^tcn be« ©utoc^tcnd >v

eine 9ici^e non ^^cfd^ulbigungcn uorgcbra^t, aber auc^ jcbc ber- felbcn n)ibcrlegt njirb; enblid^ fud)t er nac^^unjeifen, ba§ „bcr qc* taufft 3ub" nid)t loentger alö 34 £ügen” gegen il)n norgebrac^t habe. 33or allem meift er ben Söormurf ber Seftcc^ung mit adern Umoidcn eines @f)renmanneS jurürf. (£r bet^euert, bag er „aU fein ßebtage, üon feinen finblic^cn ö^f biefc ©tunbe,

non ben Snben ober non ibretmegen meber ^eUer noch Pfennig, meber 5lreu^ nod) 3)?nni\, nie empfangen, genommen, noch nerfc^afft ()abe, auch inöbefonbere biefen iRatljfcblag betreffenb il)m ni^tiS bergleicben nerfproeben nod) erboten morben fei; unb mer non ibm, SSerleJung feiner anberS rebe ober fc^reibe, bcr*>

felbe lüge aU ein leichtfertiger e^rlofer 33öfemicht". ®benfo cm:= pört fid) gegen bie §lnfd)ulbigung ^fcfferforn'ö, ideuchlin höbe feine hebräifche ©rammatif nicht felbft gemacht, baö node ©clbft« gcfül)l be$ grünbli^en unb nerbienftnoden ©eiehrten. Slnbcre nor ihm höben toohl einzelne Spiegeln gegeben, aber deiner bie ganje hebräifche ©prad)e in ein regulirt: „unb fpdt ber 9teib (ruft er gegen feinen SEÖiberfachcr aus) fein ^cr^ ^erbrechen, bennodb bin id) ber @rft". 2)er ganje £ärm fei nichts meiter als eine ©peculation beS getauften 3uben, „bag er mit mir", fagt ?Reuchlin, „als ein 33ud)grempler niel ©elbS möcht gewinnen, fo er mich gebrueften ©üchlein hinterwärts nerfaufte; benn er höt jept mehr ©ulben auS mir gelöft, als 3uboS Pfennig auS unferm $errn ©ott". 5)aS war bie ©rwieberung ber ^feffcrforn’fchcn Sßerböchtigung gegen Sfteuchlin, unb wenn aderbingS bie le^terc einem SD^anne oon ber anerfannten ©hnröfterwürbe Sleuchlin'S gegenüber eine maglofe Unüerfchämtheit war, fo ift hoch auch gegen ^fefferforn bie dleuchlin'fche S3efd)ulbtgung nicht erwiefen. Sind) reicht i^ur ©rflörung feines Benehmens ber ganatiSmuS bcS ©onoertiten, bie $ipe einer leibcnfchaftlichen iRatur, Oerbun^ ben mit ber Söetriebfamfcit beS 3uben, oodtommen auS. 3nbeffcn gewinnt er faum etwas babei; er erfcheint als ein bösartiger unb rachgieriger, anmagenber unb jubringlicher, mit feinem cnblofen, ftetS wieber oon oom anfangenben ©ebclfer wahrhaft unauS? ftchlichcr ÜRenfeh-

3ur ^erbftmeffc war ^fefferfom wieber in gronffurt unb wußte (fReud)lin erinnerte fich nicht mehr genau, ob audh bie

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S5et^onbIunöcn jwiidbcii unb ben Äölnem. 143

^üDfc^c.fJraii *) bc§ 3ubcn bobci Dcrtucnbct lüorbcn) bcn l^änbeU fäc^tigcn Pfarrer $ctcr ÜJicljer bcvcbcu, ba§ er i()n, iDcnn aud) nur aujicu uor ber 5iird)c, gegen bie 3uben unb i()re ©önner, namentlid) ?Reud)(in, prebigen lieg, ^cn ^(ugenfpiegel fa() ber Pfarrer bnve^, erlieg ein Verbot bagegen unb fd)idte benfelben al^ ein gefägrlicgeö, genfermägigeö iönd) an bie tgcolügif^e gas cultät naeg 5l'öln. ^iefe, grögtentgeilö bem Xominicanerorben ongegörig, unb ben Äe^crmeifter felbft unter i^re 9)titglieber ^öglcnb, übergab baffelbe igrem ,^octor unb $rofeffor ^rnolb (2ut)bc) Don 2:ungern 5ur Prüfung feiner 9ied)tgläubigfeit.

l)ieuon 9^cud)lin burd) einen il)tn befreunbeten Drben^s bruber 9flad)rid)t ergiclt, fanb er bod) ratgfam, baö auf^iegenbe Ungeiüitter tuo niöglid) nod) ju befd)tui)rcn. @iner ber fölner 5:i)cologen, ber ^rofeffor Äonrab itollin (uennutglid) ÄöHe), ^rebigerorben^, au^ Ulni, luar non frügev ger fein ®efannter: an il)n unb glcid)^eitig an ^Irnolb Don 3^ungern felbft tuenbete er fieg nun in überouö artigen, ja untcnuürfigcn Briefen, ©ein ÖJutaegten, fügrt er gier, unter Dielen unüerbienten CEomplimenten für bie itölner, auö, gäbe er auf gögern 33cfegl auö fdjulbigem ©egorfam gefteüt, babei an abiucid)enbe Hnficgten SInberer niegt gebad)t, inöbefonbere ber fölner gacultät niegt Dorgreifen njoUen. Xa eine gcfeglidje S3orfd)rift in S3etrcff ber gubenbüeger niegt üorgelegen, fo gäbe er barüber frei, alö ein 9>?ebner, biöputiren fönnen, unb er gäbe fieg für bie milbera 5lnfiegt auögefproegen. XgeoIogifd)e^ gäbe er aU ßaie nur fo eingemifd)t, wie ettoa ein Sanbgeiftlid)er einmal aud) ben ^r^t inaege. 9taegbrüdlieg Der* fidjert er feine burd)gängige ©inftimmung mit bem Äiregengtauben unb feine iöereitmilligfeit, faüö er gegen benfelben in etmaö Der* ftogen gätte (beffen er fieg jebod) nid)t entfinne), bieg 5urücf5Us negmen. ,,^abe öiebulb mit mir", fdjreibt er an Xungern, in ?lnfpielung auf befannte 0d)riftftelIcn, „icg mill bir ^lleö be* jaglen. 23egegl, fo ftede id) mein Segmert ein; e5 fröge mir ber §agn, fo mill icg meinen; bonnere erft, beoor bu bli^eft". (£troaö fpigiger lieg er fieg glcid)^eitig gegen ben alten ^efannten Äoüin auö, inbem er unoergoglen uon ^fefferforn’ö ©peculation

1) Hellula mulier nennt fle 9?eu(!()lw. ^n ergiebißeS ?;^cmQ fflr bie Fipistolae ubseurorum virorum, n)ie n>tr balb finben werben.

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I. ©u(^. 7 StapM.

auf baö Subcngdb unb bcm Unbautc bcr Dominicaner gegen irjn ffjrac^, bcr au^3 ererbter ^nl)änglic()feit beni Drben, in beffen Dienften einft fein SSater geftanben, eine fRci^e oon 3at)ren un* cntgclttic^ al^3 Slmoatt gebient t)abc.

S^euc^lin mochte für 5ttugbeitöfac^c t)a(tcn, in biefer Söeife feine SiJürbc einen ?lugenblidE bei (Seite ,^n fe^cn: aber Pfaffen gegenüber ift eine, menii auc^ nur fc^cinbare, 9(tad)gie‘ bigfeit niematö fing. (Sie meinen bann ben (Gegner in gurd^t gefe(jt j;u l)aben, unb oerbop^eln il)re Unocrfd)ämt^eit. Dic6 jeigte fid) foglcic^ in bem Stntmovtfdjreibcn ber fölner t^eoIo= gifd)en gacnltät, bereu Defan gcrabc bama(v5 ber ^efeermeifter 3afob .^oc^ftraten fclbcr mar. Daö ©rgebnifi bcr Prüfung feiner ©djrift fei aUerbing^^ fein für 9^eud)lin günftigeö. @r fuc^c ba<3 bnrdj ben ilaifcr löblid) begonnene 53crfat)rcn gegen btc jübifdjen 33üc^cr 511 ucrciteln ; moburd) er fid) nic^t nur ber ^egünftignng bei3 jübifd^en Unglaubeui^ Uerbäd)tig mac^e, fonbern anc^ ben Silben ,^n neuem Spotte gegen bie S()riften ^Inlag gebe. Ueber- bieß t)abe er nnftid)t)altige '^emeife- gebraud)t, Stellen unb Sä^e anö bcr ^eiligen Sdjrift unb beiben 9^ec^ten nngd)örig angcfül)rt unb uerbrel)t, and) einige anftögige, übeltlingenbe unb für fromme ärgerliche S3el)anptungen eingeftreut, nnb babnrd) feine 9iechtglänbigfcit ^meifeÜ)aft gemalt. 5(u§ TOtIcib mit bem franfen (bliebe fd)iden fie it)in, e()c fie ^nm ^lengerften fd)reitcn, ein 3^cr^eid)ni6 bcr Udn ihm falfch angemenbeten St^rift* nnb 9^echt‘5fähc mit bcm 33egcl)rcn, bag er fid) über biefetben genü? genber in ben feinem 9^athfd)Iag angel)ängten latcinifd)cn Säpen auöfprcchcn, ober nad) bcm 33cifpielc beö bcmütt)igcn unb mcifen 5luguftinu^5 einen Söiberruf Iciften möge. Diefcä Sd)rciben bcr gacnltät bcgtcitetc il'ollin mit einem ^rioatbriefe, ber frennbs fd)aftlid) fein foHtc, in ber Dt)at jebod) nur barauf bercd)nct mar, 9?cud)lin cin^ufd)üd)tern nnb ben Kollegen inö (3)arn 511 jagen; babei ift er ganj in bcm barbarifd)cn fiatein unb mit bem theologifchcn öauernfto^c abgefaßt, morüber fich na^ßer bic Epistolae obscurornm viroruin luftig machten.

Sfioch einmal hielt ?Hcnd)lin, menigftenö ber gacnltät gegen* über, an pch. @r lobte in feiner Slntmort ihre grömmigfeit unb 9J^cnfd)cnliebc unb banftc für bic Schonung, ihn uor ber S3cr* iirthcilung erft uerhören ju mollcn, mic @ott ben §lbam. (£r er*

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®er^onblunßen jnjijd^ien Sifui^Iin unb bfit <?ölncm. 14ß

fcnnc bie 33cfcf)ränft^cit feiner ©eifte^froft, unb maße fid) atS jnjeimal üerijeira tretet* Soie über feinere tbeolocjifdje Sra^en fein Urtbeil an, fonbern überlaffe baö ber gacultät, unb molle fic^ gern, luo er geirrt l)abe, belehren laffen. Xie lateinifc^en Erläuterungen, bie er feinem ÖJutac^ten im Hugenfpiegel an^ gebongt, höbe bie gocultät nic^t genügenb gefunben. ^a er nun nid)t miffen fönne, maö fie genügenb Reifee, fo möge fie, jur 5lbs fd)neibung Don SBeitläufigfeiten, bie Erflärung, bie fie uon i^m uerlange, fcpriftlid) uerfagt, bureb eigenen 33oten auf feine Äoften ibm ^ufenben, unb biö j\um Einlaufe feiner 5lntmort ficb njeiterer ©d)ritte gegen ibn enthalten. ?lud) biefemal entfdjäbigte fid) SReudjlin für ben gocultät gegenüber aiu

getban, in bem ^egleitfdjreiben an ben Uorgeblicben greunb, ber in ber Xb^t einer ber bümmften unb gemeinften in ber fölner fRotte gemefen ^u fein fd)eint. Erft jücbtigt er ibn tuegen feiner unlateinifcbcn Schreibart. ^)ie <Sad)e betreffenb, miffc er uon einem löblid) begonnenen ©efebäfte gegen bie gubenbücber, baö er geftört l)ütte, fo menig, qlö er ficb einer iöegünftigung beö jübifeben Unglauben!^ bemufet fei; oielmebr b^ibe er nur nach Ueberjeugung, mie oon ihm oerlangt gemefen, ein @utad)ten ob* gegeben. 5lergerni§, menn je baoon bie fRebe fein fönne, habe nicht er gegeben, fonbern bie Serrätber, melcbe ein oerfiegelteö, für ben i^aifer beftimmteö ©utaebten unredjtmäfeiger SGBeife, fogar im 2)rude, befannt gemacht h^ben. darauf ftebe nad) bürger^ liebem SRed)te ber EJalgen: an ben mögen ®ott unb SD^enfehen jenen ©efellen helfen.

Sefet enblicb rüdten bie Ä'ölner mit ihrem eigentlichen ©e* gehren beeuor. $Reud)lin möge, fchrieben fie an ihn, Hnftalt treffen, bag jur näd)ftcn Dftermeffe feine Exemplare feiner Schrift mehr feil getban merben; ferner burch eine öffentliche Erflärung bie bereite auögegebenen jurüdnebmen unb alle iöefifeer oon foldjen bitten, oon ihm nicht anbere benfen ju motten, als bog er in Allein mit ber fatbolifd)cn 5iird)e übereinftimme, unb bie Suben mit ihren gottlofen 33üd)crn, befonberS bem Xbalmub, oermerfe. 3m SBeigerungSfattc mürben fie genötl)igt fein, il)n oor^ulaben. 2)ie6 j;u forberu, fei oon ihrer ©eite Siebe, eS ^u leiften, oon ber feinigen nid)t bloS $flid)t, fonbern oud) Ätlugbcit. 5)enn leicht fönne er fid) benfen, bafi fonft nad) feinem Xobe VII. 10

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I. 7. ÄnliilcI.

nic^t QU fülc^cn fehlen tuürbe, bic, luenn er nic^t mel)v ber*» antiDorten fönnc, beu tobten ßöiocn am iöarte ;\upfen, unb bon it)m alö einem tiefften §öllc S^erbammten fomo()( reben alö f^rciben mürben. 9^od) einmal legte ber unbcrfd)ämte ÄoUin ein frcunbfc^aftlid) einfd)iic^ternbe^ (Schreiben bei: boc^ nun mar 9lcud)lin’ö (^ebulb erfd)öpft, nnb er trat je^t cnblic^ ben ginfter* lingcn fo gegenüber, mie er gleich ^nfangö ptte tl)un foHen.

@r l)ättc bon i^rer menfdb licken unb d^riftlidjen äJ^ilbe gc* l)offt, ba§ fi(v il)m, nac^bem er burc^ feine (Srflärung ben geleljrs teften SJiänncrn gcnuggctl)an, Gelegenheit geben mürben, and) ihnen genng^^uthun, inbem fic ihm genau an^cigten, in mcldjcr ^rt nnb 5orm er bie bcrlangte Gvflärung abjufaffen hütte; benn, menn and) ber Geift Danicri? ^miefad) in ihm märe, fo mürbe er fidj bod) außer ©tanbeö fehen, einem 3cben feine Xräume au^ 5ulegen. Söcil fic nun aber biefe feine 33itte nid)t gemährt h^ben, fo molle jix, um bod) ihrem (Kollegium millfährig 511 fein, bic Gr* läntcrung, bic er im 5lngcnfpiegcl feinem Gutachten lateinifeh angchängt h^be, ^ur näd)ften äJ^effe in ermciterter Geftalt unb bcutfd)cr ©prad)c h'-’i^^^^ögcbcn. ^en ^erfanf ber Gycmplare feinet 5lugenfpicgclö Bnnc er nicht ba fic Gigenthnm

beö Sudjbrucfer^ feien. 3^^ biefer 9Ibfcrtigung erhielt ber greunb Ä'oüin ben Gommentar. SBenn er fid) mirflid), mie er fchreibe, fo fcl)r für 9teud)lin oermenbet h^be, fo h^be er bamit ebenfo fcl)r feiner gaenltät nlö il)m einen Gefallen gethan. ®enn er, fRcud)lin, fei in biefer ©ache fo trcfflid) bcratl)en, unb h^^c fo mächtige 33cfd)ühcr hinter fid), baß ein Gcmaltftreid) gegen ihn für feine Gegner übler al« für il)n fclbft auöfdjlagen mürbe. 2cid)t fei cö, 3nnf ju erregen, aber feßmer, ihn beijulegen; baö ßnbe nidht bloö er, fonbern and) fic jn bebenfen. „®cnn melcße Jöcmegung", fd)reibt er, „müßte ücrurfad)cn unter ben Äricgölcutcn uon §Ibel unb Unabel, and) jenen, mcld)c bic üöruft ohne ^arnifeß, aber Doller Starben haben, menn ein fRcbncr mit ber Ä'raft cinc!? ^emoftßcnc^ ißnen Einfang, SJUttcl unb Gnbc biefeö |)anbclg entmicfcln unb jeigen mürbe, mem babei um Gßriftug, unb mein um ben Sieutel ^u tßnn gemefen . . Unb glaube nur, ju jener Sdßaar ber ©tarfen mürben fieß aueß bic ^oeten unb §ifto^ riter gcfeHen, beren in biefer ßdt eine große ^Injaßl lebt, bie mid) ai^ ißren ehemaligen iießrer, mie billig, eßren; fic mürben

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9}(U(^Itn’S „6farc 55rrflfntnu§" unb 5Tun0ern’§ Articuli. 147

ein fo großcö Unrcdjt, öon meinen gcinben an mir öeriibt, eroU flcm ^Inbcnfen übergeben, unb mein unfd)iilbigeö Selben fc^ilbern, eurer bot)cn ©c^ule unüergänglic^er ©c^mac^*)".

$iemit mären bie Untertjonblungen abgebrodjen; 9ieudjlin lie6 uerfproc^enermagen feine „Slare Serftentnuö", b. 1;. feine beutfd)e @rlQuterun9ßfd)rift erfc^cinen, bie Äölner aber gaben ic^t ba§ ©rgebnig ber Xungern’fd)en ?ßrüfung beS 5Tugenfpiegelö (Articuli sive propositiones etc.) lf)erouö. SBoran ftanb ein ©ebic^t üon Drtuinu^ ©ratiu^, b. I). Drtroin be (SJrae^, ber, aus ber münfterfeben ^iöcefe gebürtig, ju ®euenter unter Slleyanber ^egiuS, ber fonft beffere ©djüler ju j^ic^en pflegte, gcbilbet, je^t an ber fölner §od)frf)ule bonas literas bocirte, unb ben nun bie Xbeologen uoranfd)oben, um $ReucbIin gegenüber ju geigen, baß aud) fie einen $oeten auf i()rer ©eite ()aben. 2)ie ©c^rift ift bem Äaifer gugeeignet unb üon bem fc^on genannten Slrnolb üon Xuugcrn mit aller ^ufgeblafenbeit eines t()eoIogifd)en ©d)ülaftiferS, aUer 58erfcperungSfud)t eines Pfaffen, unb mit ber 93cfd)ränftl)eit eines ülicnfd)cn abgefafet, ber im ©tanbe mar, gegen 9ieud)lin'S auf gang anberm ®oben rul)enbe öemeisfül)rung mit ber 5Iutos ritöt eines $übertuS unb 2^t)omaS ins gelb gu rüden. 3“ölcid) mußten aber bie Kölner einen faiferlidjen 33efebl an alle ^Rci^S= angebörigen, inSbefonberc oueb an ben franffurter iRatt), auSgus mirten, baß ber §Iugenfpiegel, mo man ißn finbe, confiScivt merben foöte; mäbrenb ^fefferforn gegen benfelben ein SibeÜ erfebeinen ließ, baS fid) febon bureb feinen Xitel: „iöranbfpiegel" binläng* lieb fenngcid)nct.

Sept fal) fid) aber aueß iReucblin Don jeber ^Rüdfidjt ent= bunben unb überließ fid) gang bem ßuge feiner cbolerifcßen, gmar bureb SBellbilbung unb Sllter gemäßigten, nun aber lange unb empßnblid) gereigten Statur. @r fd)rieb eine „SSertbeibigung gegen feine tölnifeben Serläumber^' bie er gleid)falls bem Äaifer gueig^ ncte. 5ioran fteßt als Summarium beS 53ud)S bie ©rflärung: „9Beld)er feßreibt ober fagt, baß ieß obgenanntcr Xoctor in meinem Sftatßfeßlag bie Subenbüeßer betreffenb, auS ©efeßl taiferlid)er äJiajeftät gemaeßt, ßabe geßanbelt anberS bann ein d)riftenließer

1) 5)icfer ßnbet in ber Sammlung: Clarornm virorum

GpiKiolat» nd Uoticblinum, mouon batb me^r.

148

I. 33u^. 7. fiapitfl.

frommer erbar Sibcrmann, berfelb lügt alö ein ungloubl)afti9cr leichtfertiger eh'rlofer Söömicht; beS erbeut id) mich ^u (Shren unb 9fted)t fürjufommen." ^ättc mau in feinem Gutachten etmaö ^liu ftögige)^ gefunben, fo märe ber rechte 2öeg gemefen, ihn oor ber gefammten Ä'irche ober bei feinem S3ifd)of ju oerflagen. 2)er i^eher== mciftcr höbe feine 33efugni6, über <Etrcitfragcn innerhalb ber Äirche, auch nicht über biogen Serbacht ber Äe^crei ju ridjten, fonbern nur gegen entfehiebene unb beftimmt oerurtheilte Äe^erei oorjugehen. ^od) aud) gegen oermeintliche iie^er habe man mit ©djonung unb 3Wilbc ju oerfahren, um ihnen mieber auf ben rechten SGBeg ju h^^lfcn. ^arum freilich fei e^ ben Kölnern nicht ju thun, fie moClen ihn nur oerberben. ©ie feien aber auch feine mirflichen ^Ih^^ologen, fonbern 2^h^ologiften, bie fich, ftatt mit ©rforfchung ber SBahrheit, mit leeren SSortftreitigfeiten ab= geben. @in S^ubengönner fei er in feinem anbern ©innc, al^ mie ^äpfte unb Äaifer gemefen. @r mollc nur, bag fie fein Unrecht thun, ober aud) fein Unred)t leiben. 3n ^^ungern'ö ©chrift inöbefonbere gnbet fRcud)lin mehr (Schmähungen alö ©rünbe, unb bie lehtern meiftenö auö feinen eigenen ©chriften entlehnt, bem latcinifchcn 5lnl)ang beiS Slugenfpiegclg, unb hierauf im „claren S5erftänbnig", hotte fReuchlin möglid)e @ins mürfc gegen fein (;^utad)ten aufgcfteHt unb befeitigt: biefe hotte ber SSerfaffer ber folnifd)en ©d)rift fid) angeeignet, aber bie ^2luf* löfungen mcggelaffcn, unb ftatt bereit ein breitet theologifchcö ©cmäfchc hio^ugefügt. ®o brauchte alfo fRcuchlin fich Icbiglich auf feine frühem Schriften j^u berufen. @in ^auptoormurf feiner ÖJegner mar, bag er Stellen ber heiligen Schrift in einem ihnen fremben Sinne angemenbet habe. 3ieuchlin ftellte in Slbs rebe, bag er bieg gethan, aber auch ^oenn er gethan hätte, bag unerlaubt märe. ®ie 5tirche felbft menbe manche Schrift^ ftclien, bag 9lcue ^eftament mand^c Stellen beg eilten anberg an, alg fie urfprünglid) gemeint gemefen. So merbe bag §ohe Sieb auf Shriftng unb bie itirche ober bie menfd)lid)e Seele ge= beutet ; fo gebe ^aulug bem ^Itar in Slthcn eine anbere 3nfd)rift, alg berfelbe mirfli^ gehabt höbe; fo führe 3Jiatthäug eine Stelle beg !3eremiag an, bie gar nidjt fo in biefem ftehc. S3crfehlc hiebei bie fpätere ^(nmenbung ben mörtlidhen Sd)dftfinn, fo crrei^c fie bafür ben tiefer liegenben allegorifchen, melchcr bie eigentliche

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9lcud(inn’§ SJertj^eibißiinö. 149

§lbfic^t bcö §ci(igcu (5JeifteS beim (Sinc^eben jener 0c^riftfteHcn flemefen.

®ocl^ nid^t bloS an @rünben, fonbern auc^ an 0c^impfreben wollte 9?eud)lin feinen ©egiiern nic^tö fcf)ulbifl bleiben. S^ennt er ben ^fefferforn ein fliftige^ Xf)ier, ein ©cfieufai iinb Un9cl)cuer, fo bfißt er beffen tbeoloflifcbe (Gönner biffiqe ^iinbe, $ferbe nnb 9}?aiilefel, 2cf)Weine unb güctjfe, reigenbe &ölfe, ft}vifd)e Söwen, ßerberuffe unb ^öüifc^e gurien. Sbrem gübrer, ?(rnolb oon hungern, fteben ^ur ©eite ein b^tber 3ube unb ein b^l^Jcr §eibc, toclcbcr ber ©ebrift fcblecbte ®erfe oorgefefet höbe: unb bicr ergebt ficb ^Reucblin ttjeilö in einer fReil)e oon Sßortwiben im Ungef^maefe ber tbeil^ b^^t er bic ©cbmaebbeit, bem Ortuin, weil er bie 9)^aria Jovis alma parens genannt b^^tte, alö über eine neue, im ^immet, auf @rben unb in ber ^ööe unerbörte Äe^erei ganj fircbenuaterlid) ben ^ejt ^\u Icfeu; worauf er mit ber Slnflage gegen 2(rnolb aU SSerläumber unb 5ätfd)cr ffbliefet.

^uf fRcudjlin'ö greunbe unb ©efinnungögenoffen mad)te biefe ©treitfebrift einen uerfcbicbencn ©inbnid. 3n ber SSenoers fung feiner (Gegner waren alle einüerftanben ; aber @ra§muö unb 'i^irefbeimer urtbeilten, 9^cud)lin bötte ein ©djeufal, wie ^feffer^ forn, nicht bureb feine ©ebriften oerewigen follen. ?EcbenfalI^, meinten fie, bötte er mit weniger £eibenfd)aftlicbfcit tbun follen. ^em bebutfamen SJ^utian war befonberj^ baö bebenflicb, ba^ fRcucblin ber Ä'ircbe falfcbe ©d)riftauölegungen ©ebulb gab. Tag er bhmit Jted)t \)abc, läugnete ber Älanonifuö j^u @otba nicht, aber fRcud)lin b^tte biefe efoterifebe Sinfiebt für fid) behalten follen. Ter Äircbc bürfe ein @lieb berfclbcn nidjt wiberfpred)en, felbft wenn einfebe, bag fic geirrt b^be. löicteö fei oon ben weifeften 3Jiännern erbiebtet worben, unb fromme Täufd)ung jum gemeinen 33eften uncntbebrlid). 5lnbcrö oerftebe ber einfältige Sefer, anberö ber @elel)rte bie ©ebrift. „Sn feinem Söege jeboeb bürfen wir @el)eimniffe auöplaubern, ober bie 9Keinung ber SJfenge erfebüttern, ogne bie Weber ber Äaifer ba^ fReid), no^ ber ^apft bic Äircbe, nod) wir boö Unfere in bie £änge behaupten fönnten, fonbern Slllc‘3 in baS alte Gbnoö jurüeffinten würbe. Tarum lag unö ben üäterlicbcn ©lauben, gclcbrtcfter (£apnion, unb be* günftige bie 3uben niegt fo, bag bu ben ©egaben tbuft.'^

Tegwegen urtbeilte aber SRutian bod), mügte einer gong roh

150

I. 7. Äapitel.

uub o^ne 3Jcrnuuft fein, um bem $Rcuc^Un nid)t mobtjumoflen, beffen Slnfcd)tun9 er mit ber bcö ©ofratcö in eine S^ei^e ftellt.

0eine Sert()eibiöuii9 fanb fRcuc^lin @ele9cnl)eit im Suni

1513 ölei^lingen bem Äaifer jii überrcidjcn’unb ein StRanbat bei U)m augj^umirfen, baö beiben Xi)ei[en ©c^tucicien ouferle^te; aber fc^on einen 2J2ünat fpäter l)atten feine geinbe benfelbcn Äaifer bal)in gebraeftt, baS er einen 33efd)t an bie r^einifc^en @rjbifd)öfe, mie auc^ an ben Äc^ermeiftcr erlieg, bie fReuc^lin'fd^e ©d)u^fd^rift, mo fie fid) fänbe, meg^uneljmen unb ju untere brüden. Unb nun manbten fid) bie Kölner, mie frütjer megen ber 3ubenbüd)er gefegegen mar, megen fReud)(in'ö ^(ugenfpiegel unb S3ertgeibigung um @utad)tcn an bie nambafteften Uniüerfü täten, ^u benen fie bicgmal, ftatt beö nid)t miHfäbrig befunbenen ^eibelberg, nod) Sömen unb ^ariö fügten. S3on aUcn mürbe, mit mehr ober meniger ©djonung gegen ben 93erfaffer, ber Slugen^ fpieget oerbammt; am meiften Stuffeben madbte i^ulept noch bie ©enten^ ber parifer X()cologen, bie nad) 44 ©ipungen am 2. ?luguft

1514 fi^ faft einftimmig babin aiiöfpracben, bag ba§ Sflcucblin'fcbc S3ucb meg^unebmen unb ju oerbrennen, ber Sßerfaffer aber ^um SBiberruf anjubalten fei.

9lacbbem bie tbeotogifdbc gacultät ju Äöln febon ein 3obr früher über ben 2(ugenfpiegel baö gleiche Urtbcil gefällt botte, forberte ber Äepermcifter §odbftraten am 9. ©eptember 1513 9ieud)lin auf, am 15., alfo fd)on am feeb^ten Xage nad) ber ^orlabung, in äJiainj oor feinem fRicbterftuble ju erfebeinen. 21 uf ben ^roteft beö Don fReudjlin gefd)icftcn ^rocurator« mürbe burd) Sßermittlung beö main^ifeben ^omfopitelö ber tomin cr= ftreeft, unb fo erfebien am Xage ^ionpfii, ben 9. Detober, fReucblin SJiainj, in SJegleitung eine^^ ^)octorg theol. unb juris unb eineiS abcligen Dberoogtö, bie $erjog Ulrid) =\u feinem öeiftanbe Oerorbnet l)Otte. ^omfapitel machte billige SBergleicböOor=

febläge; ber ©rjbifcbof oerlangte ?luffcbub; fReucblin appeHirte au ben $apft: ber Äe^ermeifter, ber bie SGöitterung eine^ ©ebeiters baufeUiS batte, mar nicht mehr j^u halten, geierlicb jogen am 13. Detober bie Dominicaner auf ben fRid)tplap; oon Neugier unb überbieg oon 2lblagocrbeigungen gelocft, ftrömte eine uner- meglid)c SSolfiSmenge ^u; $od)ftraten nahm feinen fRicbterftubl ein; febon mar ber ©djeiterbaufen aufgcfcbid)tct, unb eben foUte

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üDaS ®eri(^i }u ^Dlatn} unb bie fpeienjd^e Renten}. 151

baö Urt^cil Detlefen iuerben, iDelc^e^ ben §(ugcnfpiegcl jum geuer Derbammtc: ba fam ein 33otc quö ^Ifdjaffenburg mit einem er^«» bifc^öflid)en 53efel)le, ben er auf bem ^la^e Detlefen ließ, ftaft beffen baö 3nquifitionöi]etid)t aufgehoben, baö meitete Setfahten nntetfagt nnb fReudjlin'ö 5lppellation an ben $apft genehmigt mürbe. Ätnitfdhenb Dot 2öuth trifte §ochfttaten ab, h^llc abet halb hei'na^ bie ^eftiebigung, baft in feinem Äöln, auf ben ^nttag cineö fehetmeiftetlichen ©ollegen, bet §lugenfpiegcl alö ein nach i^egetei fehmeefenbeö, iubenfteunblicheö, gegen heilige Äitchenlehtet unel)tetbietige^, ätgetlidjeö iöudb (am 10. gebtuat 1514) öffent* lieh Detbtannt mutbe.

3Jiittlctmeile h^tte nun abet $apft fieo X., an ben bie, 5lppellation gelangt mat, bie 0arhe bem 33ifd)of Don 0peiet, bem jungen ^faljgtafen (SJeotg, übetttagen, bet feinetfeitö feine ^om* hetten, ben Dr. ^l)oinaö 2^tud)fe6 unb @eotg Don 0d)malbad), ju feinen ©ubbelegitten etnannte. Untet bem 29. 2)^ätj unb 24. §lptil 1514 etfolgte il}t 0ptudj bahin, baß 9teuchlin’ö Slugeiu fpiegel nid)t nad) Äejetei fdjmecfe, nid)t ätgetlich, nicht unchrets bietig, nid)t all^u jubenfteunblich fei, baßet oerfauft unb gelcfen metben bütfe; baß bagegen ^ochfttaten mit feinet SSetbammung beffelben Unteeßt gehabt h^^t^e, ihm 0tillfd)meigen unb Äofteiu etfa^ Don 111 gl. tl)etnifd)en ©otbeö aufetlegt, unb bei ©ttafe besJ ^anneiS geboten fein folle, binnen bteißig Xagen fidj mit Steuchlin ^u Detgleidjen.

21 Hein ^ochfttaten, bet gegen ba« fpeietifd)c ©cticht gleich 2(nfang« an ben ^apft appellitt h^ttc, fehttc fich an ben 2lu«^ fptud) beffelben nidjt, unb fo fanb and) ?Reud)lin fid) Deranlaßt, bie 2(cten nad) 9lom ^u fenben, mit bet iöitte an ben $apft, bie Sad)e ohne Diel (^etöufci) unb Äfoften enbgültig entfeheiben ^u mollen. ^iefe« ©efuch mat Dom Slaifct, Detfd)iebenen iiutfürften, gütften, Söifdjöfen, Siebten, auch 53 fchmäbifdjen ©täbten untet« ftü^t, meld)e fämmtlid) füt 9{eud)tin'« etbaulid)e« fiehten unb öeben ablegten. Sluf ben neuen ^opft 2eo X. obet,

al« einen gteunb bet humanen 23ilbung, glaubte man bie beftc Hoffnung fepen ju büvfen. ^ie il'ölnet inbeß, um fid) füt alle gälle ^u beefen, beeilten fich, bie 511 ißten (fünften ausgefallenen UniDctfitätSgutad)tcn mit einet (Sinleitnng auS bet gebet ißteS Ottuin ÖJtatiuS im X>iucf ausgehen ^u laffcn.

152

1. $U(^. 7. jtapitel.

®er $apft ()attc bic <Bad)c bcm ()clcf)rtcu Sarbinal ©rimmii,

, Patriarchen üon ^quileja, übertragen, nnb btefer citirte nun ben ^ochftraten perfönlict) (n^oüon bei iReuchlin Umgang genommen mürbe) nach iRom. ®er Äcfeermeifter fam, gleichfalls mohl empfoh» len, mohl beritten, nnb maS bie §auptfacl}e mar, mohl mit ©olb^ ftücfen oerfehen: baburd) hoffte er mit Üieuchlin, ber, jeht ohne ^mt, oon feinen fpärli^en dienten lebte, fid)er fertig merben. @S mar bereits eine 9^achgiebigfeit gegen bie 2)ominicaner, ba§ ber Papft nun eine Sommiffion oon 18 Prälaten ^ur ©ntfehei* bung ber ©adje ernannte; bod) auci) in biefer fchien fid) bie ©timmung ju 9?eud)lin'S ©unften neigen, unb &co felbft fagte 511 bem gelehrten g^orentiner PoggiuS: ©ei unbeforgt, mir merben bcm aRannc nid)ts gefdjehen laffen.

tiefer fehmanfenbe @ang ber ©achc brad)tc allen Ueber^ muth unb alle iieibenfehaft ber Prebigennönchc in 33cmcgung. ©ie fehimpften auf ben Sarbinal ©rimani, fprachen oon bcm Papftc mie oon einem ©chulfnabcn, unb brohten, auf ben einer ihnen ungünftigen ©entenj, mit ber Berufung auf ein ßoncil, ja mit offenem Slbfall oon bcm römifchen ©tul)lc. ^ud) Pfefferforn fuhr fort ju j\ctcrn unb 51t' ht^cn; bcm „Pranb* fpiegcl'' liefe er eine „©turmglocf" folgen, unb mic bie SSerbren» nung feines 9lomcnSbruberS in 5aHc unlicbfamc SBcrmechSlungen herbeiführte, nannte er fich auf feinem nächften Buchtitel „3. Pfeffer* !orn ben man npt oerbrannt l)ol"-

9leuchlin feinerfeits jeigte, bei med)felnbcr ©timmung, bod) im QJan^en feften SRuth- @r felbft Ocrglich fich einem cblcn Pferbc, baS, menn auch fchon alt, hoch nod) muthig bleibt, @r hatte einen tüchtigen ©achmaltcr unb thätige ©önncr in 9^om; maS ihn aber am meiften erheben mufete, mar bie SBahrnchmung, mie alle heß unb gut ®cnfcnben in ^)eutfchlanb unb Italien fich um il)n fehaarten, feine ©achc als ihre eigene betrachteten, ihn ihrer Pcrchrung oerficherten unb ihm ihre ®icnfte anboten. Um p beurfnnben, melchc auSgci\cichncte geiftige ^^räftc unb einflufe* reiche 9Jiänncr ihm jur ©eite ftehen, ocranftaltctc er im 3qI)^c 1514 eine ©ammlung Oon „Priefen berühmter ajiönner" an ihn, meldjc im 3öh^c 1519 in neuer Stuflage mit einem anbern Xhcilc Oer* mehrt mürbe, mo bann auf bcm ^mciten Platte baS „§ccr ber

%n:l()anblungen }u SRom. Stimmung in Xcutj^Ianb. 153

9ficud)liniftcn" öcrjcic^nct ftonb *). „?Reud)liniftcn imb ^rnoU biftciV' imirbc baö gclbgcjc^rci ^tpcicr fcinblic^cn fiaqcr: mit bcn crftcrn ju Ratten, lc^tcrc-i\u ücrad)tcn, ^alt für bic ©c^uU bigfeit jebeö @t)renmannc^ ; ^Rcuc^linift, tuar. ^nrebe unb Untcr= fc^rift in Briefen; ba§ einer ein guter fReucl)linift fei, mar bie befte ©mpfe^Iung in ber bamaligen gelehrten fRcpublif. SD^erf* mürbig ift ba^ @emeingefül)l unb bie SBetriebfamfeit in biefein ßager. ®er ftillroirfenbc 9}ktian marb münblic^ mie fd)riftlic^ für fReud)tin; bie ^eutingcr, Sßelfer u. ?l. üermenbeten fic^ am faiferlic^en unb römifeben §ofe für itjn; (5raömu^ empfal)! Ü)n unb feine 0acbe bem ^apft unb ben ß^arbinälen. 53ei ©etegeiis beit biefeö §anbctd, fann man fagen, lernte fiel) bie gortfd)ritt^= Partei j^uerft aU gefcbloffcne 9Äacbt fühlen.

Unterbeffen j\og ficb bie gerid}tlicbe ^Serbanblung üor ber ,6ümmiffion ju fRom, unter immer neuen SBinfeljügeu ber Ü)iönd)ös Partei, Sabre lang bi«- @nblid) am 2. Suli 1?>16 fanb bie öffentliche 0d)lu6fibung ftatt, in melcber baö Urtbeil gefällt mer* ben füllte. 2)er Sorfibenbe, ber et)rmürbige @r^bifd)of üon 9ta» jaretb, gab feine ©timme für ben 2lugenfpiegel unb miber beffeu Slnflöger ab, unb ihm folgten fömmtlidje iBeifiper, biö auf ben Magister sacri Palatii, ben Dominicaner ©ploefter ^rieriai^, ber hier an lReud)lin bie Stolle begann, bie er halb gegen fiutber meiter fpielte. ©o mar ber ©prud) ^u Steudjlin'ö ©unften ge? fallen, unb fehlte nur nod) beffen Serfünbigung. 2lber 2eo X. fürchtete ben mächtigen ^rebigerorben boeb. @r moUte nicht mit ihm oerberben unb ebenfo menig bie beutfeben gürften ermu^ tbigen, bie, mäbrenb fie fid) für Steud)lin oermenbeten, jugleid) immer nacbbrüdtid)er auf eine ^Reformation beö päpftlicben ^ofe^ brangen. ©o erfolgte ein Mandatum de supersedendo, b. b*

1) 2)ie crflc ?lu§gabc bcn 5!UcI: Clarorum virorum bic

jtDcitc öcrnicbrtc IlluBtrium virorum Epistolae hebraicae graecao et latinae ad Jo. Reucblinum etc. bem Sicuc^ItniftcnbCTjeid^nil ^anb @ro3* mu§ al§ ,bcr gclc^rtcjlc 9Konnbc§ 3o^)rbunbcrt§“ oornn, bann folgten bic beiben ^belieben ü^uenor unb §uttcn, bifwuf ein cnglij^er ißif^of u. f. f., meiterbin bic ^cutingcr unb ^irdbftmcr, SJlution mit feinen jüngern gteunben 6rotu§, Sobon unb (Sbetba^b, t^^i^aann oon bem %ufcbc, ^Sobion unb @(arean, Weinnebtbon mit Ocfolombob unb ^opilo, jufommen 48 Flamen, worunter jebodb ein fdbon borber mit bem eigentliebrn 9tamen bagewefener ^feubongmuS.

154

I. 7. jlapitcl.

bcr ^anbcl stüifc^cn ?Rcud)lin unb bcn itölucrn nmrbc nic^t cnt^ fd)icbcn, fonbcrn niebcrgcfc^laj^cn.

2)oc^ auc^ bicfo‘5 fc^on luar ein ©leg bcr gortfd)ritt#partci. 9?cud)lin c|inn auö bem fcd)öjäi)rigcn j^ampfc jiuar mit fd)mcrcn 5iennö(\en^l)crluftcn burd) bic ^ro^efdoften, bic er fdjoii 1515 auf mcl)r aiö 400 ©olbflulbcn anfd)lufl, aber mit bcr ©lode eiltet geretteten ÜJ?ortl)rerö t)crt)ür. §od)ftraten, nac^bem er ftc^ noc^ ein 3iat)r lauß, eine ©ntfd^eibnnc^ feinen fünften ^cr^

bci5ufü()ren> in 9^om auffld)alten, sulcht unücrrid)tetcr ©ac^e unb atö ©egenftanb beS §affed nnb bcr SScrac^tung aller Sßof)U bentenben nad) §aufe. ©c^riften erfdjicncn jur SBcrf)crrlic^ung bcö erftern, ^ur ^erfpottung feiner SBibcrfac^cr. ^er burd) @e* lef)rfamfeit, 9?eid)tf)um unb f)o()c bürgerliche ©tellung gleid) auö^ ge^eid)netc Söilibalb ^^5irdl)cimcr , nürnbcrgifd)er ©enator unb faifcrlid)er fRatI), fc^idte feiner latcinifd)en Ueberfehung non £ucian'ä 5ifrf)er, bic im 3ial)rc 1517 crfchicn,, einen ^rief jur S^ertheibi- gnng fReudjlin'ö oovauö, in lucidjem er fid) beö ebnoürbigcn ÜJ^inneö mit ebenfo oiel SBärinc al^ SSürbc aunahm. ^^Rid^t^l mar mehr übrig, befter unb ocrchrtcr (iapnion“, fo rebet er ihn am.©d)Iuffe an, „maö ^u bem ^ollmaße beincr Xugenbeu hin^u» treten fonntc. ®ic hbchftcn ©h^enämter hntteft bu oermaltct. @in £cben h^tteft bn geführt, mie bic 33eften fid) nur mün^ fehen mögen. Stuf bid) h^idc bic 9iatur alle il)rc @aben gehäuft : burch reid)c ©clehrfamfcit hiidcft bu bid) auöge.^eichnet ; bie latei- nifd)e ©prad)c hödeft bu geförbert, bic gried)ifd)c beinahe i^uerft in 2)cutfchlanb cingeführt, bic hebräifchc mit feltcncm ^leigc i\u allgenidncr 53emunberung gelernt ; Diele unb nicht gemeine ®ciif= male bcincö (^ieiftcö h^tteft bu aufgcftclit; mit fo zahlreichen unb über mcnfchlichc^ S3crftäubni§ fchmicrigcn ßeiftungen h^ltcft bu beinen Sauf oollcnbct: unb nur bail? Sine mar nod) übrig, bag burd) eine auögczcid)netc Söibcrmärtigfcit bic @rö§c beiner ©celc geprüft unb mie baö (5Jolb im geuer bemäl)rt mürbe, ©iche, ba hat fid) bir eine trcffli^e (Gelegenheit geboten, um Don beiner . ^apferfeit, ©tanbhaftigfeit unb ^echt[d)affenheit bic fd)önftc ^robe abzu legen."

Sefonbere Xh^dnahme erregte bei* fReud)lin’fd)c §anbcl gleid) Don Einfang in bem engem Greife, bem Ulrich Don §uttcn an= gehörte. Äeinem ging basi ©d)idfal bei^ h‘^d)Dcrbienten ai^anncö

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*5)08 ®cbi(^t: ^Qpnion’S Iriump^.

155

näl^cv, alö ^utten’g älteftcm grcunbe (Erotuö Ülubianiiö. Äcinor uerfic^crtc bcnfclbcn trcut)erjic^er feiner ^erel)ruiu^ unb ßiebe, alö (£obau §effc. ber ibm ja feine (Srnennnn^ -\nin ^icf)tcrföni(^ Der* banfte^). S^iemanb fprad) fid) fdjävfer j]eflen iHencbün’ö Sä^iber^ fad)cr anö, alö ^nttcii'^ ,@önner, ©iteÜPülf üom 0tein. Sßie hätte ba Ulrich nnerrec^t bleiben fönnen? tuar nicht mehr bic äufäUieje örutalität jmeier holbcjebilbetcn (^elbnmnner hinten an ber Oftfec (^eßcn einen armen ^oeten; nid)t bie ©rmorbunfl eineö unbcbcutcnbcn Sßetterö nnb ©tanbe^^enoffen burd) einen Icibcnfchaftlidjen gürften : hier mar ein planmaßic^cr, burd) (jemals tige i^räftc untcrftü^tci* 93crfud) ber 9^tüctfd)rittöpartei, in einem ber 53orfämpfer ber 33ilbung unb ©ciftcöfrciheit alle^^ baöjenige ^u unterbrüefen, mag auch für §uttcn ba^ ^nar.

Hlö Jütten in 3)iainj jnm erftcnmolc bic 'ik’fanntfd)oft bc$J @ra<Smuö machte (eö mar üor feiner ^^meiten D^teifc und) Italien im 3ahre 1514), jeigte er biefem ein ölebid)t, fHenchlin v Irinmph betitelt. (SraMus fanb bie ^^rbeit hübfeh, bod) rebetc er .*putten ju, fie Porerft nod) nid)t bruefen ^u laffen, um nid)t burd) ben üorjeitigen Xrinmpl) tl)eiU jum Spott ?(nla§ ,yi geben, tl)cilsJ ber noch fchmebenben Sad)e 9tcnd)liirö ^n fd)aben. ^afe baö ©ebicht, mcld)eö il)m hi^^’V §utten )icigte, biefen felbft ^nm ^i^cr^ faffer gehabt h^be , fagt ©raömniJ einmal ainibrndlid). @in anbermal aber fchreibt er barüber an $utten fo, baji man an mehrere S^erfaffer benfen möd)te*). 3m 3nh^''' 1517 fd)eint bic ^crau^gabe im SBerte gemefen jn fein ; mirflid) erfd)ien Ci5 aber erft ju @nbc beö folgenben 3nl)rei5 unter bem erbid)teten Spanien eine^ @lcuthcriud 23päennö®).

Um bicfelbc* 3cit ungefähr, ald ,'pntten bem ©ra^Mu^i ben , Triuinphus Capnionis oorjeigte, fam and) bem ältutian ein (iJes bicht, unter bem gleid)en 2itel nnb in berfclben 3tid)tung ge^

1) 3)ic ®rie|e biejer ^Wänncr an 5Keucf)lin finben fict) in Illustr. viror. Opiat, ad Ucuchlinum.

2) 2ln bem Briefe öom 23. 9IpriI 1519, ^uttcn’8 Sctiriftcn I, S. 261.

3)ie onbern 9feuf;erunocn finben jtet) in jetner Spongia, ^utten’S Sctiriftcn II, ©. 274. 318. 376 ff.

3) Triumphua Doc. Rouchlini . . . Enconiion triunii)hanti illi . . . a>) Eloutherio Byzono decantatum. r^uhen’S Stbriften III, 0. 413—417. I)aS ®or* unb 91o(b»ott cbenbaj., I, ©. 236—238.

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156 I. 7.

fc^ricbcn, ju. trug aber ftatt ©Icut^criu^ 93^jcnuö ben 9iamcii eincö Slcciuö S^cobiui^. Unb alö ioa()rcn SSerfaffer nennt SWutian nic^t , Jütten, fonbern ^ermann üon bem iöufc^e; üon Jütten fei nur ein ©piciramm au^ bem ©tegreife babei gelnefen *).

^ennann non bem '^ufd)c, etma ätnanjig 3af)re älter als Jütten, mar burd) ßebenSart unb 0c^icffale in mancher ^infic^t ein Sßorbilb non biefem. @inem eblen mcftp^älifdben (5Jcfc^lec^tc angc^örig, ©d)üler beS ?llei'anber $cgiuS in ®cüenter, bann in Stalicn meiter gebilbet, mit iRubolf §lgricola, fRubolf Sange, bem ©rafen ^ermann uon S^uenar unb allen S3orfec§tern ber neuen Stiebtung, mic fpäter auc^ mit §uttcn, innig befreunbet, mar er, beftänbig auf fReifen in ^eutfc^lanb, grantrcici^ unb ©nglanb, ein mal)rer 9Riffionär beS Humanismus. 2öar er üon einer Uni* uerfität burc^ ben S^teib ber ^rofefforen t)om alten ©c^lagc uer^ trieben, maS il)m in Äöln, Seip^ig, iRoftoef, jum Xpeil mieber*» polt, begegnete, fo manbertc er an eine anbere, laS über grie- d)ifd^e unb römifd)c 0d)rtftfteHer unb führte beffere 0d)ulbüc^er ein. ©eine @mpfe()Iung bcS ®onat, als einer auc§ für berühmte Uniuerfitäten nod) l)öd)ft nöthigen Seetüre, fanb ber ^rofefforen^ Hod)mutl) beleibigenb. gür feinen roftoefer Sßiberfacher Xilemann Heuerling finb bic 53 ©pigramme feines Oestrus ein ähnliches ^)enfmal, mic H^dtcn’S Querelen für ben greifSroalbcr Bürger* mciftcr unb ^rofeffor. ©eltfam, bag bei bem §luSbruchc bcS fRcuchlin’fdjcn ©treites 33ufd) fi^ h^H^ beftimmen laffen, bic ©rhrift 5lrnolb’S üon hungern mit einem ©pigrammc gegen 3u= ben unb 3ubcngönncr ju jieren. ©r h^t eS fpätcr genug bereut. 9Rutian fd)reibt im 3ahrc 1514, 33ufch höbe eine ^ßalinobic gc^ ^ fungen, unb ftehc mit fReuchlin gut. ScptcrcS erhellt auch auS einem 33riefc in ber fReu^lin’fchen ©ammlung, aus ber 3^it als Hochftraten in IRom mar, mo 3iufch als ber märmfte Slnhängcr 9^euchtin'S fpricht. Ob jene ^alinobic eben ber Triumphus Capnionis bcS SlcciuS SRcobiuS mar? unb ob bieg bcrfclbc Tri- umphus mar, ber jeht ben 9^tamen ©IcuthcriuS öp^^enuS trögt, ober ein anbercr? ©rftcrer foll üon einem H^dten’fchen ©pi* gramm begleitet gemefen fein: Icptcrcr h^l profaifcheS SBor^ unb S^adjmort, ganj in H^dtcn'fd)em ©Jeift unb ©tilc. ^iefe

1) 5)ic 3Kutianijd^cn j. in ^utten’S Schriften I, @. 31 f.

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S)a§ 6Qpnion’§ $nump^.

167

felbft fonnte ÜJ?utian nic^t füglic^ ein ©pigranim nennen: aber löä^renb ber 3öt)re, bie jiuifc^en ber Slbfaffung unb bem ^)rncf vergingen, fonnte, neben anbern Umarbeitungen, and) ba^3 granim mit ^toei ©tüden in $rofa üertaufc^t morben fein. (Soban §effe f)atte ben (banbfc^riftlic^en) Xriumv^ beö ^Icciusi 9fleobiu§ feiner ßcit üon SKutian alö eine §lrbeit ®ufd)'ö mitgct^eilt er* galten: unb bod), mie er nun burc^ ben erfnrter ^uguftiner So^ f)onn Sange unfern gebrudten ert)iett, mar er nur einen 5(ugen« büd 5meifel^aft; fobalb er fid) tiefer ^incingelefen fjatte, glaubte er §utten’ö ©d)i*eibart fieser p erfennen, unb fdjmur barauf, baß baö ©ebidjt oon biefem fei. ©ntmeber mar alfo ein an= bereit, alig baö er früher gefel)en ßatte, ober er ßielt 3Jiution’§ Eingabe, baß oon ^ermann isöufd) fei, aii!§ innern ©rünben für irrig. (Sbenfo fanbte 2Jielanc^tl)on ben Triuinphus an ©pa-* latin alö ein feiner 2Jkinung nad) ^utten’fc^eö ©ebic^t. ©o ift er auc^ in bie ©ammlung §utten'fc^er 2)ic^tungen oom Stifte 1538, bie man oon @oban oeranftaltet glaubt, aufgenommen, nnb 3oacßim Samerariuö, ber §utten unb öufd) perfönlic^ fanntc, fdjreibt il)n bem erftern ju. ^aä fRcuc^liniftenoer^eidjniß oor ben ©riefen berüljmtcr SDMnncr an fRcuc^lin refpectirt baä 3n^ cognito beö ©erfafferö, unb füf)rt ben ©leut^eriuö ©l^jenuö al^ befonbere ^erfon neben ©ufd) unb Jütten auf.

^aß nun baö profaifd^e ©or^ unb S^tadpoort beig ®ebid)t§ mirflid) oon Jütten fei, fann feinem ß^^ifel unterliegen, ^ic ©l)ctorif ift, menn mir ä^nlic^e Slrbeiten .^utten'ö, 5. ©. bie Sieben gegen $erjog Ulrich, oergleicßen, ganj biefelbe. §lucß bie gleidjen ©djlagmorte ßnben fic^ , bie §uttcn fonft ge^ läußg finb: baß ^eutfc^lanb enblid) Slugen befommen l)abe, baß bie 2:i)eologiften fic^ ßängen foUcn, unb befonberö, baß ber Söürfel gemorfen, ber Äcrfer burc^brod)en fei. ®ie 5^eube über baiJ (Jrmaeßen ber ©cifter, über baiJ rege Seben in allen 3meigen ber Sötffenfdjaft, ift ßier ebenfo ^uttenifd) empfunben unb au)^ gebrüdt, alö bie ^roßung mit me^r beim jmanjig jum ©erberben ber Xl)eologiften ©erfc^morenen, unter benen er nic^t ber oor« jüglic^fte, aber ber ungebulbigfte fei, bem ©itter oollfommen äljii« lid) fiel)t. X)a^ entfdjcibenbe ^utten'fc^en Ur«

fprung biefer ©eilagen aber liegt in ber burd^ge^enben, ftcHen« meifc mörtlic^en, parallele, meldje ^mifdjen bem ©ormorte jum

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I. $ud^. 7. ftoptiel.

Triiimphus Capniotiis unb einem ©d^rciben ^utten’8 an ben ©rafen ^ermann Don S^lucnar in berfelben Slngelcgenbeit ftatt* finbet ‘).

3n bem l)ejamctrifc^cn ÖJcbic^tc fclbft ift üor adern ber oft n)iebcvfel)rcnbc Sflefrain :

3au(f|jc, ttjofern bu bi(^ fciber erfennft, o jaud^je, mein S)eut|4iIonb ! bem §utten’fd}cn (SJebanfenf reife oermanbt. ,2)af3 5)eutfd}lanb an ni^tiä fc^le alö an ©dbftfcnntniß, am 53emuj3tfcin feiner Ä'raft unb be^ SUdßbrauc^fä , ber oon einer auölönbifc^en ^ierard^ie mit it}m getrieben merbe, ba^ fprid)t .g)utten an Dielen ©teden faft mit ben gleichen S53orten auö^j^ 8fleud)lin’)^ ©erbienfte um

bie bcutfd)e Salbung merben ^icr mit benfelben Huöbrücfen, mic fonft Don . Jütten, bezeichnet®); ber Subei beg ^riumpl)zuge^ Z“”' Xl)cil mit benfelben 33ilbcrn mie in bem ßobgebicht ouf ben @rz^ bifdjüf 5llbred)t Dorgeftedt ; bie armen ©ünber treten in berfelben Orbnung unb znm Xl)eil mit benfelben ^4^räbicaten tuic in §utten’iS gürbitte bei bem (Sarbinal ^brion auf; bie beiben Pfarrer, $eter ajiehcr in granffurt unb !öartl)olomäuS 3<^()cnber in 3)^ainz, bie befonbern ©egenftänbe Don ^utten’sS äBibenoiden, finb thcilmeife mit ben glcidjen 5luöbrüden lüie in einem §utten'fct)en Briefe gc' fchilbert^); bie ^^bfclpoeifung auf SSenebig unb benXriumplj, ben geben mürbe, menn bem Äaifer beffen ^emüthigung gelänge, tann an ben Jöerfaffer ber §lufmahnung gegen S^euebig unb ber

1) Sgl. bie beiberjeitigen StcIIfn in ^ulten’S Sd^riften I, ©. 236 §. 2 unb 3 mit ©. 166 §. 2 unb 3; ©. 237 §. 5 unb 6 mit ©. 166 §. 11 unb 167 §. 13. 3)aju bie ©teilen üom ©tritt in bem Dtod^mort jum Triumphus, ©d^riften I, ©. 237 unb 238, unb in bem ©enbiebreiben on ißiretbeimer, ebenbaj., ©. 217. HDcnn einer früher geäußerten ^ermutbung jufolge bie Steifebejebreibung bc§ M. SBilbclm fiamp in ben Epist. obscuror. viror., II, 12 bie IKoute non ^utten'3 gmeitcr italienifcbcr Steife gibt, fo bitten mir noch ein meitcrcS @r> tennungSscidben. ^enn fomobl ber IBorrcbner als ber IBrieffteller tooQen in Italien leßterer gibt Bologna an mit §o(bftratcn jufammcngelroffen fein.

2) Bton oergleicbe mit bem oben angeführten 9tefrain beS @ebid()tS bie BrieffteOen an 3ul. Bftugf, §utteu’§ ©tbriften I, ©. 185 §. 4; an ©renbergt, ebenbaf., ©. 259 §. 10.

3) Bgl. mit v. 965 f. bcS ©ebitbtS §utten’§ Brief an ©erbel, ©d()tipen I, ©. 106 §. 6.

4) Bgl. mit v. 772—841 ^utten’S Brief an ben @rafen ^ermann Don 9luenar, ©tbriften I, ©. 165. 166.

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'DqS @cbid^t: Capnton’§ ^riump^.

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(Jpigrammc an SWoyimiltan erinnern. ®ie ettnaö ^enfermägige ^^antafie, bic fic^ in ber löcfc^rcibung ber üon ^fefferforn üer^ bienten dualen funbgibt*), berechtigt unö Icibcr nicht, bie^lrbcit Jütten ab^ufprechen ; währenb boö über iöufd) auögefprochcnc Sob*) hoch gar ju plump märe, menn biefer fclbft eiS fid) gejpcn- bet höben foHte. Son ben geplcrn gegen bie $ro)übie im Tri- uniphus höl Won (Süban bie größere Sln^ahl ben Sehern jur ßaft gelegt 3); maö auch nod} auf 9technung beö SSerfafferö bleibt, ift menig mehr alö maö mir Jütten mie überhaupt biefen 9tenaiffance*^üeten auch fonft nadjjujehen haben. ^Demnach mirb baö ©ebicht, mie e^ üorliegt, für^utten'ei Arbeit ju halten fein; ob er bie oon iÖufch mit ber feinigen oerfchmoljen ober gan^ bei ©eite gelaffen, ober ob eine foldje oielleidjt gar nicht eyijtirt habe, möchte fchmer ju entfcljeiben fein.

©emö6 bem Xitel (bieji ift in turpem Umri§ ber 3nl)alt beö (yebid)tö) mirb bem alö ©ieger über bie ©ophiften, b. h- öic theologifchen ©cholaftifer, heimfehrenben 9teud)lin in feiner ^ater= ftabt ein feierli^cr (Sii^ug, nadh 3lrt eineö antifen Xriumph^, bereitet, ©ein Sftuhm gehört Xcutfd}lanb, in befonberm ©inne jeboch ^forjheim unb ©chmaben an, meldje baher 5ur ^erherr^ lichung feincö Xriumph^ oor anbern berufen finb. Xer ^iila^ biefer 5cftlid)feit ift fein ©ieg mit leiblid)en, jonbern mit geiftigen SBaffen: unb nun mirb ber Xhatbeftaub beö ©trcitcij jmifchen fHeuchlin unb ben Äölnern, bie Xrefflid)feit unb baö Jßerbienft be^J erftern, bie Xollljeit unb öertoorfenheit ber Ichtern, audein* anbergefeht. Snöbefonbere mad)t fid) ber Unmille über bie ^rebiger«' mönche, ber in jenen 3al)ren oufö höd)fte geftiegen fcljien, hoch halb au^ ißeranlaffung ber Xe^cl unb ^4^rteriaö noch h^hcr fteigen foUtc, au^jführlich iiuft, unb e^ merben auiä ihrem ©ünbenregifter; olö befonberö fd)mere 5äUe, hier mie in einer S^eihe $utten'fcher unb anberer ©d)riften jener Qc\t, bie Vergiftung beö Ätaifcrö ^einrid) VII. burch eine $oftie, bie betrüglichen (Srfdjcinungen unb V^unber im Xominicanerflofter 511 Vern unb cinigeö ^^lehn^ liehe angeführt, ©ojort eröffnet fid) burch bie mit Üaub unb

1) V. 704—735.

2) V. 678 I

3) 9ln 3o^. Cangc, i^uttcn’s 8<^riften I, ©. 240.

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I. Sud^. 7. j^Q)>ltet.

ölumen beftrcutcn Strogen unb 5n)ifd)cn fcftlic^ Behängten Käufern ber SSoron Werben bic Sßoffen unb bte @ö^cn ber UeBer^

wunbenen getrogen: jene^ fopBiftifdje Schlüffe unb 33ewcife, cr^ taufte Xitel, Blutige griffet, S^citer^oufen im ^BBilb u. bergl.; bicfcö bie üier Ungetl)üme: ^IbcrglouBe, iöarBorei, Unwiffen^cit unb 9^cib, üon benen eine obfd)rccfcnbc Öefc^rciBung im oUegoris fc^cn ©cfc^mocfc gegeben wirb, hierauf folgen in^^etten bic Be^ fiegten geinbe: üoron $ocl)ftratcn, ber geuermonn, ein onberer ß^ocuö unb Xi}pl)ocuö, ber geuer frigt, geucr fpcit, unb beffen onbereö Söort: inSgeuer! ift; bonn ber trunfene, neibifc^c Drtuin, ber el)rfücBtige, fc^einljcilige Slmolb oon Xungern, ber guboö ^fefferforn, gegen mcld)cn berXic^tcr ben genfer ^erBeiruft, i^n ^u ocrftümmeln unb an ben gügen ju fc^Icifen ; cnblic^ bie fRcuc^' linsfcinbc ju ältoinj unb gronffurt. 2luf bic befangenen folgen Opferftierc, bann 9Äufif unb Sänger, bie ein ßoblicb auf (Sapnion anftimmen; enblic^ ouf einem mit allerlei eblcm ©efträue^ unb iBlumcn gegierten lilBagcn bic ebrwürbige ©eftalt be« Xriumpl^atorS fclbft, bie grauen Schläfen mit ßorbecr unb @pl)cu ummunben, ben ^ugcnfpicgcl in ber rcdjtcn unb einen De^mcig in ber Unten ^anb; jum 53efc^lug, gleichfalls Betränkt, bie Schaar bcrfRechtS* gelehrten unb^octen, bic er alle Oom Untergang, ber au^ ihnen oon ben Xuntclmänncrn jugcbacht mar, Befreit hot. X)er ganje Xriumphäug ift in ber öltcftcn SluSgaBc burch einen ^oljfchnitt anfchaulich gemacht.

SBie aud) immer Jütten an biefem Xriumphgefange Bctheiligt fein mag: auS feiner Seele ift er jebenfaUS gcf^ricBcn. 9Wit regfter Xheilnahmc, im Söechfcl jmifchen Hoffnung unb gurcht, mar er möhrenb feines jmeiten 5lufcnthalteS in gtalien bem fchman* ienben bange bcS fReuchlin'fchen fßroceffeS gefolgt. ?luS fRom fclBft hotten mir unmittelBar teinc 9tachrid^t oon il)m, menn mir nicht, moOon Balb mehr, fo manche S^otijen im jmeiten Xheilc ber XuntelmönncrBricfe bafür nehmen mollcn. 2Bic genau er fich aber bafclbft um alles jenen ^anbcl iöetreffcnbc ertunbigt hotte, fchen mir barauS, bag er, taurn in Söologna angetommen, bem SÖabian oon HUem S^tadjricht gab, maS mährenb ber lebten üRonate ju IRom in ber Soche fReuchlin'S ocrljonbclt morben. X)ie SluS' fichten maren bomals günftig: auch on SflitolauS berbcl fdjricB Jütten aus Bologna unter bem leptcn guli 1516, bic fRcttung

^utien an dtrut^Itn.

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fei na^c, ^oc^ftratcn ^abc mit ben unge^cucnt ©ummcn, bie er uerfc^menbet, nic^tö auögcric^tet. Sim 9. 5luguft fc^rieb er an 9licl|arb ©rocuö nad) ficipjig, bag bie ßomnüffion über iRcud^lin’^ 0ad)e ücr^anblc, unb man täglich ben ©prudj ermarte, ber alö eine ©ntfe^eibung nic^t bloö über 9tcud^lin, fonbern über bie ganje l^umaniftifc^e Sflic^tung anjufeljen fei. (5inen 9Konat fpätcr gaben i^m feine greunbe auö 9lom immer noc^ gute Hoffnung; aber er fürchtet aufö neue ben @influ§ besJ 0opi)iftengolbeö, ba er bie ÖJelbgier unb ^eftec^lic^feit ber römifc^en Höflinge fennt. @r münfd)te bie Gac^e einmal entfe^ieben, um nic^t länger jroifc^en gurc^t unb Hoffnung fc^manfen ju müffen^).

$atte (Svaömuö für 9leuc^lin bei bem $opft unb bem ©arbinal ©rimani ein gute^ Söort eingelegt, fo manbte fic^ Jütten, mie cd fc^eint um biefe ßeit, menn nic^t fc^on mäl)renb femed Äufent^altd in 9tom, an ben Sarbinal ^brian, ber fpäter Seo’d 9tad)folger auf bem päpftlic^en (Stul)lc gemorben ift. 3)er redjt== fc^a^cne, aber befc^ränftc unb fc^olaftifc^ gebilbete SD^ann mar nic^td meniger ald ein ©önner ber ^umaniften, einige 3a^rc fpäter finben mir in einer bem fRcuc^liniftcnfreifc ange^örigen Satire il)n gerabc^u ald geinb aller miffcnfc^aftlid)cn SDiänner bcjeic^net; bod) l)üfftc i^n Jütten ald 2)eutfc^cn (9ticbcrlänbcr) für ben angefod)tenen beutfc^cn ©elc^rten geminnen ju fönnen. 2)ad elcgifc^e ©ebiebt, bad er an il)n richtete fann man, mad bie ßeiebuung non 9teucblin’d Sßerbienften unb ber Sßermorfenbeit feiner SSerfolgcr betrifft, ald einen Slud^ug aud bem Triumphus Capnionis betrachten. Söirfcn tonnte cd begreiflich nichtd; bafür mar ed }^u fehr an bie falfche 5lbrcffc gerichtet.

@ar j^u gerne mürbe Jütten in biefer geit öftevd an fReuchlin gcfchriebcn, ihm bie 9Rad)richtcn über ben (^ang feined ^roceffcd fclbft mitgctheilt, il)n feiner unmanbclbarcn Verehrung unb %i)ciU nähme mieberholt oerfichert haben. ?lber Ütücffidjtcn auf IRcuchlin fclbft oerbüten cd. @d mar bamald in SBürtemberg eine Qdt bed politifchen Slrgmohnd, ber ^ochnerrath^proceffc, unb bereitd mar

1) S)iejc Briefe f. tn ^utten’S 8(t)riftcn I, S. 104. 106. 124—126.

2) S4iripcn I, 6. 138 141. %I8 2)cutjd^cn tonnte er nur biejen Don Utrecht gebürtigen , ni(^t ben anbern Sarbinal ^abrian au8 t^orneto, ber aOer« bingg 9teu(tiltn gUnftiger uar, oorjteüen.

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I. 5Bud^. 7.

aud^ 9?cud)lin bei bem ^erjoq* tjerbäd)tigt tvorben. @r ()attc auf bem fRat^^aufc ju Stuttgart an öcfprcc^ungen t^eilgenommen, iüclcbe ben Snjcd batten, ba$ Sanb gegen bie üerberblicben folgen non Utridj’ö ungeftümem ^t)un, n)cnn e^ fein müßte bnreb beffen jeitmeitige (Sntfernung Dom fRegimente, fieser ju ftellen. Sßäre nun überbieß ein 33riefmecbfef ämifeßen ißm unb bcö ©erjogiS feinbe Jütten entbedt morben, fo ßätte baö für 9ieud)lin bie übelften ßaben tonnen. So fd)ineriilid) für Jütten

mar, fo fügte er fid) biefer 9iücffid)t bodj, unb beiberfeitige greunbe Übernaßmen feine ©rüße unb 9iad)ricßten on ben oereßrten 2Reifter gelangen ju laffen '). Einmal jebod), ba ißm fReueßlin felbft, unb in gebeugter Stimmung, gefeßrieben ßatte, glaubte er ißm and) felbft antmorten 50 füllen, ^ie boößafte ©inflüfterung berÄt^ölner, menn er oor (Sntfeßeibung berSadje ftürbe, mie leidjt ißn bann feine geinbe noeß unter bem Soben alö Sicher üer^ bammen tönnten, ßatte boeß ©inbruef auf ben alten 9Rann gemadjt.

„Sei beinern £eben", feßrieb ißm nun Jütten am 13. ganuar 1517 auö Bologna, „bei beinern ßeben, unb menn unS beiben etmaS nod) tßeurer ift, befdimöre idj bid): gib feinen trüben 5lßnungen fRaum. SBaö min boö fagen: SBcnn icß halb fterben füllte? £aß bir beine eigene SCugenb barauf antmorten. . . S55er fo gelebt ßat, ftirbt nießt. Urib ma^ bu beinen gaßren nod) ßin=-* jufügen mirft, ift reiner (^leminn. ®e§ IRußmeö ßaft bu genug. Silod) bei £eben ßaft bu folcße wber bieß ücrnommen,

mie fie Söenigen naeß ißrem ^obe j\u Xßeil merben, unb bift felbft unter beiner 9^acßmelt gemefen. mieß betrifft, fo glaube icß meinen @ifer für bidj feßon babureß ßinlänglid) beloßnt, baß icß mieß öffentlicß ju ben fReud)liniften ge^äßlt feße. 2)arnm faffe äRutß, tapferfter Sapnion. SSiel üon beiner £aft ift auf unfere Sd)ultern übergegangen, ßängft mirb ein 33ranb üorbereitet, ber 5U reeßter ßoffe icß, aufflaminen füll. 2)icß felbft ßeiße id) rußig fein, gcß gefelle mir fül^e ^enoffen ju , bereu Sllter unb SSerßältniffe ber 3lrt beö Ä\impfe)$ angemeffen finb. Salb mirft bu baö fläglicße ^rauerfpicl ber 2Bibcrfad)cr üün einem lad)enben $aufe au^gejifd)t feßen. 2)amit geße icß um, mäßrenb bu ganj

1) SBrtef on ^ird^eimer, I, 136. ^ird^eiimt an ^utteUi ebenso!., S. 137.

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Jütten Ubrr Steud^Iin on ^irdf^eimer. 163

Slnbcrcö Don mir üermutr^cft. 2)cnn tücnn bu richtig Don mir bäd)tcft, fönnteft bu mir nic^t fc^reiben: S3crlaffc bic ©oc^c bcr SSäü^r^eit nid^t! fie ober bic^, i^ren gü()rcr, Dcriaffen? kleine gläubiger Sapnion, loie menig fennft bu §utteu! S^ein, menn bu fic l)eute Derliegeft, mürbe icl) (fo Diel in meinen Ä^röften ftünbe) ben Ä’rieg erneuern, unb glaube nid)t, bog idj für mein Untere nel)mcn untüchtige ©ehülfen Ijobc. 2Wit foldjen ©enoffen um# geben fd)reite ich einher, Don beiten jeber (Sinjelne, bu barfft c3 glauben, jenem ©cfiubel gcmachfen ift. (Sapnion’ö ^reiö (im Triumphus?) mirb Don SJ^unb ju SKunbe fliegen, ^arauö mic ouö §luberem mirb bir hohe*^ Söb ermachfen, mährenb bu ruhig außer ber ©efaßr bich höilfl- moHt' id) bir ni^t unange^ jeigt laffen. £cbe mohl unb erhalte bich für unö frifd)'"^).

Sin ^irefheimer aber, bem bcr ®ang bcö Sfteuchlin'fchcn ^^roceffciS bebenflid) 511 merben anfing, fchricb Jütten: „2^apfcrcr SBilibalb, marum fürchteft bu fo für bic ©ochc unferö ßapnion, ben feine Unfdjulb gegen mcnfd)lid)c Singriffe fidler [teilt? ©0 Diel taufenb fchlcd)tc ÜJienfchcn Derfolgen il)u: einige @ute (beim gut nenne ich bie ©old)cö thun), einige ©utc, fagc id), bef^ühen ihn. SBirb mehr gelten bei bcr S^adpDclt, baß Diele ©chlcdjtc ihn Derfolgen, ober baß einige (^utc ihn Dcrtl)cibigt hßl>cii? Slbcr N. N. (bcr ?^apft) mirb ißn Dcrbammen, biir^ baiJ (^olb bcr Drbenöbrüber umgeftimmt. dagegen hDbcn ein (Sra-Smuig, ein gaber (Don Staplet), Sßilibalb, äJiutian unb bic beften SüJönner ollc ihrer mürbig gehalten, bcr SSahrßeit ßeugniß 5U geben. Unb menn bu midh folterft, ieß muß fagen mag maßr ift: baß mir mehr an beinern S3cifallc liegt, alg an bem jeneg SD?anncg, ber leichter alg ©preu, bemeglidjcr alg eine glaumfebcr ift. Sind) mirb mir nie, bu magft fagen mag bu millft, ein ^fcil, ben ®rag= mug auf einen ©churfen abfd}neHt, meniger gelten alg jeßn iöann* flücße jencg glorcntincrg, bie aug Dielen unb triftigen ©rünben Don Sillen, in benen noeß einige 3)?anngfraft ift, nießt meßr ßoeß angcfd)lagcn merben. ^arum mögen jene Slllcg burd)fehcii: mir feßirmen bic Partei, bereu Unfcßulb aller SÖelt ebenfo befannt ift alg jebem ©innbegabten beg ßeiligftcn £co Unßeiligfcit; beim mer

1) ©(ßriften I, 129 f.

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I. %ud(|. 7. Pfapttel.

borübcr noc^ im Unftarcn ift, bcr muß eine fc^Icd^tc gaffung§= fraft befi^en/'

?lber bcr mclterfa^rcnc ^ircf^cimer fd^rieb jurücf, unter bem 0c^ilbc bcr Unfc^ulb fei fdjon mand^cr j^u @runbe gc= gangen »).

1) 3)ic beiben Briefe toom Sommer 1517 in ^uttcn’8 Sd^riften 1, 6. 133-135 unb S. 136 f.

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:3lt^trs iSiqiitrl.

|He Epistolae obscnrorom virorom.

1515—1517.

©cfton ein 3a^r nor biefen lebten Briefen, ^nfancj 9(ufluft 1516, ()ottc tUric^ Jütten in Bologna auö ber §cimat^ bic 91ac^ric^t erhalten, bag bafdbft eine ©otire gegen 9leu^lin’g Söiberfac^er unter bem ^ itei : Epistolae obscurorum virorum, er^ fc^ienen fei unb Diele ßefer finbe. @ineö gebrueften (SyemplarS n>ar er noc^ nic^t gabgaft geworben, ober fegr begierig, eincö ju befomnten. ©inen 3)7onat fpoter, am 11. ©eptember, fegrieb er an fflic^arb ©rocuS nac^ ßcipjiö- »»®ic ^unfelmönner ^abe ic^ erhalten. ©Jute ©Jöttcr! welche nirfjt unfeinen ©d^er^e. 91un aber l)aben bie ©opl)iften mid) alö SSerfaffer nic^t bloö im S3ers backte, fonbern geben mid), wie id) t)öre, öffentlid) bafür auö. 9>limm bic^ gegen fie beö abmefenben greunbeö an, unb lag mic^ nic^t mit biefem ©c^muje befubeln. ©c^reibe mir aud) auöfü^rs lic^ oon ber ©ac^e, unb lag* mic^ miffen, ma^ fie im ©cgilbc führen" *)• bereits mürben bie ©riefe aud) in ©nglanb mit ©ei^ fall gelefen, mö^renb in ^eutfcglanb eine jmeite 2(uögabe ber« fclben erfc^ieu.

SGÖad Jütten oon bem ©d)muje fpric^t, mit bem er geg nid^t gern befubeln laffen mode, ift nid)t auf bie ©riefe felbft, bie er ja eben oorger gelobt gatte, fonbern auf bie ^uöfäöe ber barin oerfpotteten 5)unfelmänner gegen ben ocrmeintlicgen ©erfaffer ju

1) €(grigen I, ©. 125.

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I. $ud^. 8. jlapitel.

Bcjicl^cn, tuel^c her grcimb Don ibm abttjc^rcn folltc. SBtc fe^r bic ©riefe nadb feinem ©cf^maefe maren/jeigte fid) borin, bog er bolb borouf feinen Sonböleuten in ©ologno ©riefe berfelben Slrt DorloiS, morin fie U)n alö ©erfoffer ju erfennen glaubten, toenn er bic§ gleich mit ber fc^erjböftcn SBcnbung oblc^ntc, „@Jott fclbften'' fei (est Deusmet) ^). So erfc^ienen benn ou(^ noc^ einonber, juerft jur britten §lu^gabe ein ^nl)ong, bann ein jmeiter Xf)cil ber ©riefe, bem halb ebenfalls ein ?lnl)ang beige* fügt mürbe. hefteten alfo bie Epistolae obscurorum virorum, mie fie un§ jefet Oorlicgen, 1) au§ ben 41 ©riefen ber erften unb ^meiten 5luögabe Dom ^erbft 1515 unb Anfang 1516; 2) auS ber jur britten SluSgabc, auc^ noc^ oom 1516, fommenen Appendex oon 7 ©riefen; 3) bem 1517 erfd)icnenen ^roeiten X^eile mit 62 ©riefen; moju 4) in ber jmciten 2luögabe noc^malö ein 2ln^ang oon 8 ©riefen (benn ber neunte ober oieU met)r erfte ift nur SBieber^olung einer 5)lummcr au3 bem erften 2^1) eile) fam. 3)cr ac^te ©rief ber erften Appendex erfc^ien erft* mal^ in einer Sluögabe oon 1556 unb ift ein plumpe^ fpötercö SJiac^merf; ber fogenannte britte ^^bcil ber Epistolae aber, 1689 jum crftenmal gebrudt, eine Sammlung oermcintlidjcr Seiten* ftüde ba^u auö oerfd)iebener 3^it, ootlcnbiS mit bem urfprüng* lid)en ©uc^e nid^tö mcl)r §u fd)offen*).

®er iitel unb mol)l ber ganje ©ebante ber Sdjrift ift alö ©egenftüd ju ben Epistolae claroruin virorum ou fReud)lin ent* ftanben, bic im 3al)rc 1514 oon feiner Seite oeröffentlid)t morben maren, um in bem Streite mit ben Kölnern ein @emid)t in feine SSagfd)ale ju merfen. SBie nal)e lag eö, biefem mirflicben ©rief* mcd)icl auö bem ?Rcudjlin'fd)en Ärcifc einen erbiebteten au^ bem Ä'rcifc feiner 2Bibcrfa(^cr cntgegcnjtiftellcn. Stanben auf feiner Seite rubmeöbrile, allbcfanntc ä)7änner, fo maren bic 2lnbönger ber (Gegenpartei bunflc, obfeure SJiänncr, oon benen iRiemanb ctmaö mußte. SBar bic crftcrc Sammlung barauf berechnet, ju

1) ßoc^IfiuS an ^irrflieimct, in $uttcn'§ Schriften I, 126.

2) Epistolae obscurorum virorum ad venerabilem virum M. Ortui- num Gratium etc. ®cr Jejt in i85(!ing’§ Hutteni operum Suppl. I. 6. 1—79. 181—300. ®5din0’§ (Jommentat ebenbaj., U, 6.515—784. S)a8 »iblioötapbilci^c II, 1-37.

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5)t< Briefe bet 25unfelmflnner.

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jeiflcn, tüclc^ eb(c 9J?cnf^cit, tüeld)c löblichen S3eftrc6un(;cn für SUbuno unb gortfebritt fid) um $Rciid)lin (jefammclt l^attcn , fo galt ()icr, einen 331id in ben ^fnf)l non Unmiffenf}eit, ®nmm^ ^eit nnb (^emeinl)eit ^u eröffnen, meld^cr baö ©lement feiner (5Jegner mar. SBenn jeneö grögtent^eiU S3riefe an ober Oon 9?end)(in ge* mefen maren, fo mürbe ^ier alö ?lbreffat mit gutem 5^afte ni^t ^fefferforn (ber mar ^n gemein), nid)t ^oc^ftraten ober Xungern (bie maren ^u furchtbar), fonbern i^r lateinifc^er §anblnnger unb poetifdjer 0d^ilb()alter Cvtninu^ ©ratiu^ gemailt. SKit bem 2Biberfprnd)e, cinerfeit^ felbft and) ein ^umanift unb fc^öner ®cift fein ^u moHen, unb bod) anbererfeit^ ber alten 0d)olaftif ju bienen, mar er fd)on oon $anfc auö ein fomifd)eö ©ubjcct; mä()renb ^ngteid) ein foldjer SU^enfe^, ber bie ©Übung, meld)e er bem neuen ^rincip üerbanft, ju beffen ©cfämpfnng im ^ienftc beö ölten üermenbet, alö ©erröt^er ein ©egenftanb befonbern ©affcö für alle biejenigen ift, bie mit bem neuen ©rincip et)rlic^ meinen.

äöie aber nac^ ber einen ©eite ^n ben ©riefen berühmter ÜWänner an 9lend)lin, fo bilben nad) ber anbern bie ©riefe ber ^unfclmänner and) ju bem Triumphus Capnionis ein ergän^enbeö ©egenftüd. SSßaren in biefem (^ebid)te bie (Gegner lRcud)ltiüd unb be^3 ^umaniömud mit (Srnft unb $atl)o^, mit allen Söaffen be^ UnmiHend, ber ©cradjtung unb beö $affed glcid)fam tragifc^ be^ lömpft, fo gefd)iel)t biefe in ben ©riefen ber ^nnfelmänner fomifc^, mit ben SBoffen ber ©atire. ^ag aber nid)t ein §lnbcrer über bie ^nnfelmänner fd)reibt, fonbern biefe felbft, bie SJ^agifter unb ©accalaureiGenselinus, Caprimulgiiis, Scherschleiferius, Dollen- kopfius, Mistladerius n. bgl., einigemale and) Drtuin, $oc^ftraten unb Xungern in eigener ^erfon bie angeblid)en ©rieffteller finb, ift eine SBenbnng, meld)e bie @rl)ebnng ber ©atire in baö 6Jcbiet ber reinen Äomif erleichtert. ®ie ©orbarei mirb, mit @raömn§ ^n reben, barbarifd) Oerlacl)t, b. l). baburd^, baft fie fich felbft ungefchent, ohne ^l)nung il)vcr ©crfcl)rl heit, barlegt. ©oH biefe ©elbftbarfteQnng fd)lagenbe Äraft h^ben, fo muß fie il)tcn ©egen- ftanb ibcaliftren, bie in ber Söirflichfeit 5erftrentcn ßöflc tjon 9^ol)eit, ©löbfinn u. f. m. in ©rennpnnfte fammeln: ba^ fntirifchc Sbcal ift nothmenbig (Sarricatur. 5lber Ä'unftmert ift biefe nur bann, menn fie fich fo meit mäßigt, bie Ucbertreibnng fo mit

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I. 8. ^a|)iiel.

Sebcnöroal)t^cit ju mifd^cn iDcig, bog bic Xäufc^img nic^t gcftört tt)irb, alö Ijättc man mit mirflid^en SBcfcn, in unfcrm gallc nic^t mit frcmbcm ©pottc, fonbcrn mit bcm eigenen ©id^gel^ens laffen unbefangener 33rieffteller ju t^un. Xiefe fj^robe beftanben befanntlid) bie 33riefc ber Xunfelmänner in bem ©rabe, bag bei it)rer erften ©rf^einung bie Settelmönd)e in ©nglanb jubelten, im guten ©lauben, eine 0c^rift ju il^ren fünften unb gegen 9teucblin in ^änben ju ]^aben, unb in 33rabant ein Dominicaners prior eine Slnja^l oon ©jemplaren jufammenfaufte, um feinen Dbem ein ©efd^enf bamit ju ma'd^en. @rft ber le|te ©rief beä 5(n^angö jum ^meiten Xljeile, ber auö bem Xone ber Stonie in ben ber 3nüectioc fällt, öffnete ben guten Seuten bie 5lugen ').

©on ber 3lrt beg SBerfeö eine ©orfteHung ju geben, ift gteidj ber erfte ©rief befonber^ geeignet, melc^er mit fünftlerifc^er ©erec^ung gleid)fam al3 ©jpofition oorangeftellt ift. Unter atter^anb (Zitaten aud 5lriftoteIe^ unb ber ^eiligen ©djdft legt ber Theol. ©accalaureuö Xl)omag Sangfd)neiber feinem e^emalis gen Se^rer Drtuin ©ratiu^ eine Streitfrage jur @ntfct)eibung oor, bie lür^lic^ bei einem fOiagifterfc^many in Seipjig aufgemors fen toorben fei. @r Oergigt nic^t, oor^er ju befebreiben, toie bic Doctoren, äJ^agiftcr unb Sicentiaten fid) bei ber ®clegenl)cit auf ^^often ber neuen 3J2agifter gütli^ get^an mit gebratenen ^übnern, i^apaunen unb gifdjen, SJtaloaficr unb fRb^ii^^^cin, einbeefer, tors gaucr unb neuburger ©icr. So erheitert, beginnen bic fD^agiftcr fcbulgcrccbt Don mid^tigen reben, unter anberm, ob

einer, ber Doctor ber Xbcologie, b. b- ^^Qcb bamaligem Sprach' gebraud)c Magister noster, j^u merben im ©egriffe ftebe, Magister nostrandus ober noster Magistrandus ju nennen fei. M. Sßarms fcmmcl, ein feiner Scotift, entfebeibet fid) für ba<g Sc^tcre. Denn, fagt er, magistrare ift ein verbum, f. o. a. magistrum facere, unb baoon fommt magistrandus; bagegen nostro, nostrare, ift nicht gebräuchlidh, unb fommt nidjt im SSörtcrbuch. ^iegegen hält M. Deli^fcb, Slrtift, 9Kcbicincr unb 3unft juglci^ (eine mirflichc ©erfon, ©rofeffor unb cinigcmalc auch Spector in Seip5ig), ben Söibcrpart. fei gar nicht einerlei, ob noster oor ober nach Magister ftehe: Magister noster bezeichne herfömmlich einen

1) t»en ^licf be§ ©roSmuS, ^uttcn’S ©(Stiften n, 6. 442.

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3nl^alt unb g^orm ber ^uttfelmännerbriefe.

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Dr. Theol., noster Magister aber fönnc nac^ Umftänbcn jcbcr aJieiftcr in irgenb einer freien ober unfreien iJunft genannt »erben ; alfo fönne nur Magister nostrandus ba^ SRic^tige fein. 2)a§ ein Serbum nostrare nic^t gebräuc^lid), ftc^c bem nic^t im Söcge, ba ja narf) $oraj (Ars poetica) geftattet fei, neue SBortc ^u bilben. SBcIc^e oon beiben Slnfic^tcn nun bic richtige fei, bittet ber öricffteüer, möge Ortuin entfe^eiben, unb itjn au^ in Kenntnis fe^cn, »ie mit bem Kriege ^tt)ifd)en i^nen unb bem Dr. fReuc^lin ftetje; benn er ^abe gehört, bag biefer 0d}uft immer noc^ nic^t »iberrufen looHe. $(uc^ baö artifclmcife gefc^ricbcnc 33ud^ ?(molb'ig Don Xungern (gegen fReud^lin) möge er i^m noc§ einmal fc^iden, unb fein t)crtrauli(^eö ©c^reiben nidjt übel nel)men. $ln biefem erften ©riefe mit feinem prandium magistrale l)atte (Sraömu^, bem er fc^on oor bem ^ruef abfd)riftlid) iu* gefommen nrnr, eine fold)c greube unb laö i^n fo oft unter greunben oor, bag er i^n beinahe au^toenbig nnigtc*).

^)urc^ benfelben finb mir nun fc^on oöllig in baö ßeben unb Xreiben, in ben geiftigen ^orijont ber aRcnfd)cn Oerfe^t, mit »eichen bic Epistolae obsc. viror. ju t^un b^^ben. Slcbn» liebe ©eenen, öl)nlicbc ©treitfragen eine immer fdjolaftifcbcr aU bie anbere, »icberbolcn ficb. So b^ttc Drtuin einmal oon einem gemiffen Magister noster ben ^uöbruef gebraucht, er fei ein öUicb (membrum) Oon ^ebn Unioerfitöten. ^ber ber febarffinnige Dr. Älorbiuä*) moebt ibn aufmerffam, »ic unftattbaft fei, oon einem ©liebe mehrerer Äorper 511 fpreeben, ba loobl ein Äörper mehrere ©lieber haben, aber nicht ein ©lieb mehreren Äörpern angchören fönnc. genen Magister noster ftatt cincö ©liebet oielmchr Körper oon jehn Unioerfitöten ^u nennen, gehe aber auch nicht an, ba ja bann bic Unioerfitöten feine ©lieber, alfo ihm untergeorbnet, unb er mehr fein mü6tc aU jehn Uniocr* fitöten: lüclfhc)^ für biefe ocrfleincrlicb, unb fclbft für einen Ma- gister noster, bic ja bod) immer noch SUienfeben feien, ^u oicl »Öre. 9Bad bleibt alfo für ein Huöiocg? 2öcr auf ^ehn Unioers fitöten immatriculirt ift, entfebeibet Dr. Ä'lorbiuö, loelcbcr folcbc SBcidheit ^u ßöioen gelernt hat, ber fann fagen: gd} bin ©lieber

1) Erasmi Spongia. l£>utten’8 6<htift€n IT, 6. 277,

2) Epist. obsc. viror., II, 13.

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I. 93ud^. 8.

(membra) üon ^cljn Uniücrfitätcn ; h)obci bic Sncon^rucnj^ bc§ 9?iinuTuö fo lücnit; fc^abct, al^ mcnn SBirgil bcn einen delicias feineö ^errn nennt. 5(ucl) ©etniffenöföllc geben oft öbnlidjen fd)Qrffinnigen ©törterungen SSeranlaffung. igt einer ein @i, tnorin fd)on ein Sinigeö ju bemerfen; nad)l)er befinnt er fid), ba6 Freitag ift, unb bie gebrochenen giften fallen ihm onf§ ©emiffen. @in greunb tröftet ihn, baö junge §nt)n(^en, fo lange e^ nod) nicht au^gefd)lüpft, merbe nicht anber^J betrachtet alö toie bie Söünner im käfe ober in Äirfd)en, bie man au^h un* gefcheut jur gaftenjeit Oerfdjlucfe. 3(llein ber 33rieffteIIer ift bamit nod) nicht beruhigt unbmenbet fich um ?(u^funft an Ortuin; benn bie äöürmer, l)ot er Don einem Slr^te gehört, ber ein guter S^aturforfcher fein foll, red)ne man ju bcn gifchen, ftc feien alfo gaftenfpeifen, bagegen baö au^^gcbilbete |)ühnd)cn im @i mirfs lidjciS ücrboteneö gleifch‘).

SGBährcnb fie auf biefe Söeife am 9^id)tö ihren <Sd)arffinn üben, j\eigcn fich unfere bunfeln 3)2änner in allem bemjenigen, moran fich ber geiftige Jortf^ritt fnüpfte, in Sprachen«

unb 3lltcrthum)§fenntni6, auf^^ 5lcuhcifte umoiffenb. Sie oer« toed)feln bcn ©rainmatifcr 2)iomebcö mit bem §omerif^en gelben. Sie flagen, bag 9^eud)Iin (auf hebräifeh Capnion genannt, toie ein anbermal oon ihm wnb ein 5lnberer, 9tarnen§ Pro- verbia Erasini (bej^ieht fich auf bic oon ©raörnuö hcrau^gcgcbencn Adagia), ein ncuc§ Latein in bic Rheologie einführen tooflen. Sie holten @ried)ifch unb ^ebräifeh für unnü^; benn 1) fei bie ^eilige Schrift fd^on genügenb überfe^t, unb 2) bürfc man bie ungläubigen Subcu unb bic fchi^matifd)cu @ricd)en nid)t baburch ftolj madjcn, bag man ihi'c Spradjen lerne*). 5)ic gragc toirb aufgemorfen, ob jur cloigcn Seligfcit nothmenbig fei, bag bic Sd)olaren bie ÖJrammatif au§ mcltlid)cn ^)id)tcrn, toie Sirgil, ßiccro, ^liniuiS, lernen? Sie mirb ocrncint, ba nach 2lriftotelcö Metaph. I. bie dichter oicl lügen, unb tocr lügt, ber fünbigt, unb mer fein Stubium auf Sügen grünbet, ber grünbet auf Sünben, maö aber auf Sünben gegrünbet ift, baö ift nicht gut, fonbern toiber ©ott, ber bcn Sünben feinb ift®). tiefem Stanb

1) Epist. o. V., II, 26.

2) I, 18. II, 33. 35.

3) I. 7.

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3n^a(i unb ^ortn bet ShtnlelntSnneibricfe.

171

i^rer 0prnd^femitniffc ftnb aud^ bie Söortablcitunf^cit (^cmöß, bic fic^ in bcn Briefen ber 2)unfctniQnncr finben. liDiQüorö, ber Äriegögott, ift ber 3JMnncrfrcffcr, mares vorans; SJ^'reuriuö bet' jcnit^c, qui mercatores curat; Magister ift jufammenqcfcjt ent^ toeber au^ magis unb ter, tt)eil er breimnl met)r iniffen muß aU ein ?lnbcrer, ober au« magis unb terreo, mcit er feinen 0c^ülem fc^rccflic^ fein foll u. bgl. m.*).

2)abei geben aber Ortuin’ö dorrefponbenten fo menig q(3 biefer felbft ben 5lnfpruc^ auf, ^oeten unb 0c^öngeiftcr ju fein. 0ic miffen rbeturifd^ unb poetifc^ ju fc^rciben, unb tt)un fic^ jum Xl^eil etmaö ^u gut auf i^ren 0til. 0ie fc^iefen if)rem Se^rer i^re bic^tcrifc^en Slu^arbcitungcn (dictamina) mit ber öittc ^u, fie ju üerbeffern unb j\u feanbiren; benn itjrcr 0c^mäcbc auf ben güßen ftnb fie fic^ bemußt. Snbeffen, maö fümmern fie bie güße? 0inb fie bod) feine mcltlid)en, fonbern t^eologifc^e ^oeten, bie nur auf bcn 0inn, nic^t auf bic gorm ju fcf)cn f)abcn. @in Änberc^ nämlid) fei bie gute alte ^oetcrei, mcld)c audö bic Ma- gistri nostri in ^ariö unb Ätöln gelten laffen, ein Slnberc^ biefe neumobifc^c, mcIC^c jc^t üon ungrabuirten ©cfellen nad) Einleitung cined ®irgil, ^liniuö unb anberer neuen Elutoren aufgebracht luerbe. ®icfe mcltlichcn ^octen machen fRarrenöpoffen, möhrenb bie firchlichen baö 2ob ber ^eiligen fingen; bic erfteren crflörcn bic heibnifchen ©chriftfteller bloö bud)ftäblich, möhrenb bie Ichtcrn fogar auf bic Duibifchen 9}Zctamorphofcn bic üicrfachc Eluölegung anmenben, unb in ©cmclc unb E3acchu^ eine Elllcgoric auf SWaria unb ehriftuö ju finben miffen*).

33cfonbcrö Ucrbcvbiid) mirften biefe poetae seculares, menn mir ben Älagcn unfercr 93ricfftcIIcr ein Ch^^ leihen, auf bic Uni= öerfitöten. 3jiit Subcl mirb bic ißertreibung cinc^ bcrfclben, beö fRhofliuö Elcfticampianuö, au^i ßeip.^ig erzählt, unb bic Äölner ermuntert, mit ihrem ^ermann 33ufch ebenfo ju machen. M. ®clihfch, unfer 33efanntcr üon bem 3J2agifterfd)maufc hev, h^^»c öon jenem gefügt, er fei an ber Uniuerfitöt mie baö fünfte iRab

1) I, 28. II, 23. 2ln biefem 6lücfe freilich ^latle mon Dort feiner ©eite

Urfod^e, in bie ®ruß ju werfen. Stbmologic war nic^t bie ftorfe ©eite

jener 3«t. 3Kond(|e SBortobleitunoen 9leu4)Iin’§ geben ben oben angcfü^irten Wenig nad^.

2) I, 25. 28. U, 27.

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172

I. $u(i^. 8.

am SGBa^cn unb f)iubcre nur bic übrigen gacultätcn. Unb immer mehr fal) man biefeö Unmefen um fic^ greifen. 3^^ feiner 3cit, feftreibt ein alter 9J?agiftcr, ^abe nur (Sinen ^oeten gegeben, 9lamenö ©amuet (ben SSerfaffer ber crbaulid^en fReime: Disce, bone Clerice etc); jc^t gebe aÜein ^ier (ma^rfc^cinlid^ in Scibäig) bereit moi}l ^manjig, melc^e ben SIn()ängem beö mitten jeben ©c^abernaef ant()un. Unb mochten biefe 9Uten bie ^oeten immer ba^in münfe^en, mo ber Pfeffer mäd)ft: halb mußten fic fid^ überzeugen, felbft menn ein $oet ba märe, mo ber Pfeffer mäd^ft, mürbe er fommen unb fieß an it)rer ©eite ^abiütiren. ÖJing baö fo fort, fo fonntc e^ nid)t fehlen, bic UniOerfitäten, unb in^befonbere bic pbilofopßifc^c gacultät, mußten ju ©runbe ge^en. Sntmer mc^r fc^manb ja ber ®Ianz unb oeröbeten bic ^örföle ber Magistri artium, bei meieren oorbem bic Sugenb fo feine Untcrfrfjcibungen, fo fd^arfftnnige ©inmürfe unb Söfungen, fo bünbige ©c^lüffe l)atte maeßen lernen, ^ueß bic afabcmifc^cn @rabe, bic fic zu crt^cilen Ratten, famen in 3Wißad)tung: bie 3ut)örer ber ipocten moUten bic fc^olnftif^cn Stürben eincö iBaccalaureuö, einc^ SJ^agiftcr, nid)t meßr ermerben. Äamen fic bann nad) §aufe, unb bic ©Itern fragten, maö fic gemorben feien? fo mor bie Slntmort: 9lid)tö (mic bei .^utten); bie @ltern bebauerten i^r I)inauggcmorfcncö ®elb unb marnten anbere, i^re ©ö^nc auf Uniüerfitäten zu fd)icfcn^).

©0 nahmen benn bie iRcibungen zmifc^cn. SJiagiftern unb ^octen, unb nehmen bie Scric^tc oon folc^en ©eenen in unfern ©riefen, fein @nbe. ©alb ftreiten fic fi^ bei einer (in una zecha) über ben triercr ^od, ben ein folc^cr ^octcnfd}ülcr ein laufigeö altcö Ä'leib nennt; über bic Steliquien ber ^eiligen brei Könige zu Äöln, uon benen berfclbc greigeift meint, baß fie leicht oon brei mcftfölifdjcn ©auern ^errüf)rcn fönnten; über bic alten fd^olaftifd)cn Scßrbüc^cr, meldjc bie ilfeuercr oerfpotten; bann über bic 2^agcöfragc: fRcuc^lin unb ^od^ftraten, meld^cr Ic^terc bei ben $oeten eine oerflud)tc ©cftic l)eißt, mic bie parifer Unioerfität megen il)rc<g ©crbammung^urtl)eil§ geqen ben klugen» fpiegcl fid) gefallen laffen muß, i^ren alten @l)rcntitcl aU mater Studiorum mit bem einer mater stultitiae oertaufc^t zu fc^cn*).

1) I, 17. 26. n, 46. 58. ^

2) I, 22.

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3n^|alt unb §orm ber 3)un!clmannerbncfe. 173

?(uc^ an ^^^ätlid^feiten ^mifc^en bciben Parteien, tnic fie in ein ^offenfpicl gehören, fe^lt in unfern 33riefen nic^t. 2)ie 9leifc bed M. ©c^iauraff, bie er in ^Reimen befdjreibt, ift eine Äette non ©erlögen, puffen unb Dijrfeigen, bie er, Söerber gegen 9teuc^Iin, non ben ^oeten unb i^ren '^inbängern befommt, unb mittelft beren er Don einer Uniöerfität ju ber anbern in bolb 2)eutf(blanb bei^umgeftogen mirb. Öefonberö boö ©aftbauö jur Ähone in ©iainj ift bureb feine böfe 5!ifcbgefeflfcbaft, aU boiS Heerlager ber Poeten unb greigeifter, ben $Diagiftern ein ÖJräuel. 3enc ÜJtenfcben gingen mit ©ebtuertern unb 2)egen an ber ©eite, mürfelten um §ocbftraten'ö Slblag^ettel, führten läfterticbe Sieben unb ließen einen ebrfamen ÜJlagifter nicht einmal für fein ®elb mit Slube effen. i)a ging and) Ulrid) Don Jütten j^eittueife ein unb auö; ein böcbft beftialifeber 3)lenfcb, mie ein ©rief ihn febilbert, ber einmal gefagt b^tte, menn bie ^rebigermönebe il)m baö tbäten, mag fie bem Sleucblin tbun, fo moUte er ihnen gebbe anfagen, unb jebem Don ihnen, ber in feine §änbe fiele, Slafe unb Obigen abfebneiben. 2)er 33riefftetlcr ift nur froh, baß §utten je^t fort ift, um 2)octor ju merben, unb feit einem 3abre ficb in ÜJlainj nicht böt bliden laffen; er münfebt, ber Xeufel holte il)n*).

dergleichen ©treitunterrebungen finb eg benn auch, mittelft beren in unferc Briefe ber birecte ernfte 5^abel beg Unmefeng, bem bie örieffteller fonft bag Sßort reben, einbringen fann. ®ie guten ßeute berichten einanber treuherzig, mag fie ba unb bort für berbe Söabrbciten anbören müffen. Hm faiferlicben

$oflager ju 3nngbrud hört M. SBill). ßamp auf ber 5)urcbreife laute iöef^merben über bag ßurtifanenmefen unb bag SBanbern beg beutfeben ©elbeg nach Slom; bei einem ©aftmabl in Sßormg ein anberer febarfe Sieben gegen bie ^öufung ber ^frünben, bag SBobKeben unb bie anftößigen ©itten ber böb^^i*^' ©eiftlicbfeit. ®in mür^burger SJlagifter flagt über ben ^rebiger an ber ^aupt« firebe bafelbft, 3obann Slepß, ber in Hllem einen eigenen 2öcg gebe, feiner ©cbule alg ber ©cbule ©bnfti angebören moUe, Oon ben SJlöncbggelübben unb i^utten menig holte, ba @ott nicht auf bie Kleiber fehe. Huch im ^rebigen höbe er feine befonbere Hrt: er biete gar leine Äunft, feinen ©chorffinn mit S^ogen, ®inmtirfen

1) I, 11. II, 9. 12. 56.

174

I. I9ud^. 8.

unb 0c^lugfolgcrungcn auf, fonbern gel^c ganj einfad^ ju SBcrfc, unb fonbcrbar! bic Scute ^örcn boc^ gerne, öefon? berd Oebenflic^e ^leußerungen ^abe er fic^ über ben Slblaß erlaubt. 2)em iöruber :5afob, ber auf ber Äonjel gefagt ^abe, lua^ in ben ^Iblaßbriefen ftebc fei fo lua^r tuie ba^ ©üangelium, unb mer biefelben empfange fei fo uoUftänbig abfoloirt, alö l)ättc S^riftug fclbft if)n oon feinen <Sünben loögejä^lt, b^bc 8flel)6 öffentlidb mit ben S53orten miberfproeben: „iJticlitö ift mit bem @üangelium ju oerglcid}cn, unb loer rec^t b^nbelt, mirb felig. SBenn einer l)unbertmal jenen ^Iblag empfängt unb nid)t gut lebt, fo mirb er üerbammt, unb ber ^blag nic^tg. dagegen, toenn

einer recbtfd)affen lebt, ober, fall^ er gefünbigt, öufee t^ut unb fidb beffert, ficbe bem oerfünbige icb, bag er ein 33ürgcr beS ^immelreidjö fein mirb, ogne anbere ^ülfiSmittel nötbig ju haben *)•"

3ft bicr noch uor ßutber’^ Slblagftreite ber loefentlidie 3nbalt feiner Xbefen unb 0treitfcbriften auögefprodjcn, fo 5eigt eine anbere ©teile ooUenbö beutlid), mie meit i()m oorgearbeitet mar. 3n granlfurt a. b. D. mug ficb M. Äiingefor oon einem, „ber ibm immer S53iberpart Sßeiffagung 8^P?)ön. I, 12: Qu.

berfelbigen Qcit miß idj 3erufalem mit Saternen burebfueben, unb mill l)cimfud)en bie £eute, bie auf ibven ^efen liegen u. f. f., fo au^legen laffen: ,,3d) mill 3erufalem burd)fud;cn'', fpriebt ber ^err, b. b- id) mill meine iiircbe unterfueben, um fie ju refor« miren unb bie 3rrtl)ümer ju entfernen, bie ficb in biejelbe ein^ gefcblicbcn b^ben; unb boö miß icb tbun „mit fiaternen'', b. b- burd) gelehrte 2}iänner, bergleicben in Xcutfd)lanb ©raömuö oon 9totterbam, 3ob(tuu fßeucblin, Ü)^utianu^ 9tufu§ u. finb; „unb miß beimfueben bie SWänner", b. b- Xbeologen, „bie liegen'", b. b- b^^i^l^öcfig beharren, „auf ihren |H:fen", b. b- ^uf einer febmubigen, pnftern unb miberfinuigen Xbcologie, meld)e fie feit einigen bunbert 3ab^<^*^ aufgebracht hoben, mit Slbmeicbung oon jenen alten unb gelehrten Xbeologen, bie im mabren Siebte ber ©ebrift geuxiubclt batten; mäbrenb fie fclbft meber Satein, noch (i^riecbifcb ober ^ebroifd) oerfteben, um bic ©cbrift au^lcgcn ju lönnen. fßaebbem fie alfo jene ächte unb urfprünglicbc Xbeologie

1) II, 43.

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3n^alt unb ^orm bcr 5)unfeImflnneTbriefe. 176

üerlaffcn ^obcit, t^un fic nichts tueitcr, aU bag fie biöputiren unb argumentircn unb uunü^c 5raflcn oufiüerfcn. S)aruin luirb fic bcr $err „l)cimfuc^cn'' unb anberc ^)üctorcn fcnbcn, tucldje jene ©prad)cn ücrftc^cn, unb nad) Söegväumung bcr ,,§cfcn" b. I). jener aOßcfdjinadten ©pi^finbigteiten einer falfc^cn Xf)cos logie, i^re „Saternen'' bringen, b. l). unö bie <Sd;rift bclcud)tcn unb bie alte, maljrc Xl)cologie wiebcrt)crftcUcn ; tuic für^lid) ber genannte (Sraömuö bie Sdjriften bcö ^ieronpmuö uerbeffert i)cu auögegcben ^at. 5lud) ben Xcit bcö dienen STeftainentö l)at er uerbeffert, unb l)altc id) für nüblic^er, fagt unfer 0d^rift* aui^lcger, aU lucnn 20000 Geotiften unb 2;t)omiften 100 3al)te lang über Ens unb Essentia biöputiren mürben 0-

^od) bcrglcid)cn ©trafprebigten ober anbere Unfälle ncl)men unfre 2)unfelmänner nic^t alläufd)mcr. @ffcn unb Xrinfen fd)medt il)ncn boc§, Deo gratias, nid^t minber <©d)laf unb 2icbe^= freuben. ®ie c()elid)en jmar finb ihnen, fomcit fie bem geiftlidjcn ©tanb angehören, burd^ ihr öielübbc unterfagt, unb bie auger^ ehelichen gelten für fünbhaft; baö erfennen fie an: buch miffen fic fiel) äu halfen, fogar an bcr §anb bcr Schrift, ©age beim nicht bcr ^vebiger ©aloino i^ap. XI, SS. 9: greuc bich, Jüngling, beiner Swgenb? unb III, 12, fei nichts 53cffcre-5, alö bag ber 9Kcnfch fid) freue in feinem SBerfc? unb IV, 11, menn 3^cie bcicinanbcriiegcn, merbc ihnen marm, @incr für fid) aber fönne nicht marm merben? ©o fei ber 255anbcl ©imfon’fS jur Mila unb ©alomo'ö Äebömeiber ohne betannt, unb bod) fei über ben erftern nad)inaU bcr heilige ©eift gefoinmen, unb bcr Icpterc fei, nad) bcr gemeinen Sinnahme bcr 3)octoren, felig gemorben: mithin fönne jene ©ünbe nicht fo groü fein. „3ch bin nid)t ftärfer ai^ ©imfon'', fchrcibt M. Sonrab oon ber oor-

äug^rocifc crotifd)c SSricfftcIlcr bcö erften 3!heilö, „unb bin nicht meifer alö ©alomo (eine SSenbung bcö Slcneai^ ©pluiu^, nach=* maligen ^apftö ^iuö II.): folglich mug man bigmcilcn eine greube haben, benn baö, fagen bie Slcrjte, ift gut gegen bie 2)iclancholie. Nachher beichten mir bann, unb ©ott ift barmherzig, unb mir bürfen auf ©nabe h'^ffen* Sft man hoch fein ©ngcl, fonbcni ein aWenfeh, unb jeber SJJcnfd) irrt. 3a, o>enn ©ott bie £icbc

1) n, 60.

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176

I. $u(^. 8. Papltel.

ift, fo fami bie ßicbc ni^t§ ©d)Iimmc3 fein: tpibcrleget mir biefen ^emciö", fc^t ber ücrliebte SJiogifter fclbftjufriebcn *). 2J?an wenn überhaupt bei biefer glücflid^cn 3J^enjc^cnart bic ©rünbe mol)lfeil finb, fo finb fic befonber^, roo gilt, Ucbcrtretuiigcn beg fed^öten ©ebotcö befd^önigen. ^£)a^er laufen anftögige Slnefboten burc^ ba§ ganje S3ud^ : mie ein Dominicaner gcnötl)igt mirb, naeft auö bem genfter feiner ©eliebten ju fpringen; mie bie ^rebigermönc^e in ©tragburg SSeiber in i^re nehmen unb alö 3)iönc^e oerfleibet 5um ©infaufen auf ben ÜKarlt fc^iefen ; mie ein äJiagifter oon Drtuin einen fiiebe^auber Oerlangt, unb biefer il)m ftatt beffen aU ©egenmittel gegen fleifc^lic^e fec^tungen ^^reujfc^lagen, SBei^maffer unb gemei^teö ©alj anrätg, baneben übrigen^ ganj nac^ ber Sorfi^rift ber Doibifdjen Reme- dia il)n baburd^ ^u curiren fud^t, bag er ign freilich in fegr efelgafter SBeife auf bie förperli^en SJiängel feiner ©eliebten aufmerffam ma^t^).

Dabei gehört ein intimeg SSergöltnig Drtuin'g felbft ju ber grau feineg jubencgriftlicgen ©unbeggenoffen, jener bellula mulier, mie fReud^lin fie genannt gatte, ^u ben ©runbooraugfejungen beg 33ucgeg. ^fefferforn, meint ein örieffteller, follte in biefem gaHe gar niegt eiferfücgtig fein, naeg bem ©pruege, bag jmifegen ‘greunben SlUeg gemein fein müffe. Daoon moUen jmar einige bie SBeiber auggenommen miffen: aöein eg fomme ginju, bag Drtuin feine grau gäbe, unb benen, bie nidgt gaben, foHen mir mittgeilen ^). ©in paar mormfer Suben, bie übel oon ^fefferfont reben, miberlegt ein SJfagifter unter anberm babureg, menn ber SJiann fein guter ©grift märe, fo mürben ign bie Dgeologen unb S3ürgermeiftcr oon Äöln niegt 5U igrem ©pitalpfleger unb ©alj* meffer gemaegt gaben. 3^®^^ ^>öfe ßiingen, biefe ©unft

ber Herren oerbanfe er feiner gübfegen grau. Äber bag fei niegt magr, benn 1) gaben bie fölner ^ürgemieifter felbft fegöne grauen, unb bie Magistri nostri fragen befanntlicg ben SBeibem niegt naeg; 2) aber fei grau ^feffertorn ein fo gonetteg grauen* jimmer alg eineg in Äöln, unb ber 33rieffteHer gäbe fie oft fagen gören, fie gobe oft igre 3J?utter fagen gören, bag befegnittene

1) I, 9.

2) I, 4. 33. 47.

3) II, 39.

Sln^Qlt unb 5orm bet 5)untclm5nnerbrtefe.

177

SD^önner faciunt feiiiinis majorem voluptatem alö nid^tbefd^nittcne, uiib barum ^cbenfe fie auf bcn Xobcöfaü if)rcö äJianne^ luicber einen befc^nittenen nehmen ; bcinnad) fei nid)t ^u glauben, bag fie ficb mit 53ürgevmeiftern einlaffen merbe, bie ja nid)t in biefe Älaffe gehören ‘). ift ein beigenber ©pott gegen baö ftifd)c SBefen, menn bergicidjen unfaubere ^inge gan^ in ben . formen ber (Schule mit Pro unb Contra erörtert merben. ©o bie 5rage, menn ein 3ube ßt)rift merbc, ob bann renascitur sibi praeputium ober nic^t? unb menn nic^t, ob bann nid)t am jüngften Xagc Srrungen ^u befürchten feien? ferner, ob Pfeffer* forn in ber @igenfd)aft alö immer noch heimlicher 3ube, ober nur al# gemefener SDichger, fo übel rieche?*) ^iefe ?lrt be^ 0chcrjcö inbeg mar bcn öerfaffern ber Epistolae obscurorum v. burd) einen öffentlichen Gebrauch ber ßeit an bie $anb gegeben. 3)en 5)iöputationen an ben Unioerfitäten, befonberö bcn foge* nannten Quoblibetö, pflegten fich fchon feit bem 15. 3ahrhi*ttbert, mittclft ber Unterfcheibung oon quaestiones principales unb minus principales, fomifche 9iad)fpiele an^uhängen, mo in ben herge^ brachten 0chulformcn niebrige, am liebften fehlüpfrige (55egenftänbe abgehanbelt mürben. finb unö oerfchicbene ©tücfe biefer 3lrt erhalten®), auö benen mir unfcre ©riefe theiU beffer oerftehen, tl)eilö aber auch h^hcr fchäpen lernen; beim bei aller ©ermanbts fd^aft übertreffen fie (in ihren ächten Ä'unft unb

Reinheit, felbft im ©chmuhigen, jene 3)?uftcr meit.

^)urch alle biefe 0pä6e unb mol)l aud) Unjiemlichfeiten übrigen^ gel)t mie ber rothe gaben bie 9fleuchlin’fchc Angelegenheit hinburd); momit eineötheilö für ben poffenhaften ©orbergrunb ein bunfler, ernfter .^intergrunb, onberntheilö für bie lofe gönn einer ©rieffammlung ba^ ©anb einer gabcl gemonnen, baö ölan^e bem fRoman nahe gerüeft mirb. ©d)on im erften ©riefe beö erften I HJirb gefragt, mie mit ber gehbe jmifchen fReuchlin unb ben Ä'öinern ftehc? unb ber Icpte ©rief beö Anhemgö üom jmeiten Xh^ilc mirft bem Drtuin unb feinem Helfershelfer nuns

1) I, 36.

2) I, 37. II, 26.

3) 6in erfurter OuobUbrt, De generibus ebriosorum, onflcblid^ ouS bem So^te 1515, mit Seifen u. o. oon (Sobon eingeleitet; ein h«belbergi|d^eg De fide meretricum u. bgl. m.

VIL

12

178

T. 8. J(la|)itcl.

mcl)r offen bie ©rf)led^ti(\tcitcn Oor, bic fic an bcm red)tfd)affcncn imb gcief)rten 9leud)liii ocrübt t)abcn. bcibcn @nbs

punttcn aber finb nur wenige iöriefe, in toeid^cn bicfcö Xl)cina nic^t 5ur ©pradje !ämc. ®alb üon Einfang toirb §od)ftratcn’^ alö in iRom bcfinblic^ @nuät)nunß ßctl)an, nnb fofort ift ber . fc^ttjanfenbe @anc^ bc^ 9?cc^töf)anbcU jtoifdjcn i^m unb Sicuc^lin, ber SSec^fcl 5U)ifc^cn J^urdjt unb Hoffnung, toic mir il)n quö §uttcn’ö, 9Rutinn’^ u. a. Isö riefen fennen, ber fic^ in benen ber ^unfclmänncr oon ber Äct)rfcite abfpicßcU. Söalb enipfaiiflen ober crtbcilen fic c^utc 3<^itin^n aus 9?om: §oc^ftratcn ^atS33cd)fcl erhalten, ben ßarbinälen unb 5lubitoren ein fettet ^aftnial)! geben: ba finb fie OoH Hoffnung auf einen für fic günftigen ^uö^ gang bcr(Sad)c; ^umal menn gleic^^^eitig oerlautct, baß iReud^lin’ö 9Rittcl burc^ bic ^rocejifoften gän^lic^ erf^öpft feien. @in a\u bcrmal aber Ijcigt cö, ber $apft moUc bie fpeicrfd^c ©enten^ bc* ftätigen unb ben 2)rucf be^ ?(ugcnfpiegeU in IRom geftatten; ßeo bcm X. trauen fic überhaupt nid)t, mcil er fclbft ein $oet fei unb ben h- 2^homa§ Contra gentiles nicht ücrftct)c ; nun gcl)t auch bem §od)ftraten baö (5Jclb auö, ein befuchenber äRagiftcr ficht feine Äuttc liegen unb finbet fic OoUcr Saufe, maö ben guten 2Rcnfchcn biö 511 STh^Önen rührt. ®er erfte ^h^d ber Briefe enbigte urfprünglid) mit bcm Gerüchte, baS jeboch ber ®riefftcUer unglaublich finbet, baß lRcud;lin obgefiegt höbe; in ber Oermehrten 5luögabc ift ein örief, angeblidj oon ^odhftratcn felbft, auö 9ftom, hinäugefommen, in meldjcm er gcftcht, er tooUte, er höttc ben §anbcl nid)t angefangen, benn ftcl)c fd)led)t, er habe oft nicht ba§ liebe 33rob, unb menn er mit $ctcr SReper oon gi^anffurt auf bcm Campo Fiore fpasicren gehe, fo fpotten bie (Surtifanen: ba gehen bic 3^Jei, bie ben 9tcud}lin freffen toollcn^). ©egen ben 0d)lu6 bc^5 ^meiten Xh'-'d^ fepmebt i\toar ber |)anbel in 9^om noch immer, bod) ift befannt, baß bic 9Rchr= heit ber nicbcrgcfcptcn (^ommiffion für 9^eud)Iin ift, unb bicSluf* merffamfeit unb Hoffnung toenbet fid) ber großen 9teuchliniftcn*= ocrfd)mörung j^u, mclchc fid) mittlcnocilc in ^cutfdjlanb gebilbet unb bic ©ad)c 3ftcuchlin')g unb ber ©eiftcöfrcihcit oor bcm Richters ftuhtc ber öffentlichen SJWnung burdhjufcchten fid) oorgefefet höt*)-

1) I, 48. 2) II, 53. 66. 69.

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Sleud^Iin in ben Briefen ber 5)unfelmamtcr. 179

9^iad)bem fo oft Oon -Slcuc^lin bic SRcbc gemefen, bag man gefponnt fein mug, iljn felbft Quftreten ju fc^en, eröffnet enblid) ein 53rief bcö jlociten Xl)cüö ben (Sinblicf in ba*^ ©tubirjimmer beö et)rn?ürbigen, nunmehr 61jät)rigen iDianneö. „2öic ic^ in fein $nu^ tarn", er^ä^lt ein iöaccalaureuö, „ba fagte er ju mir: SßiUfomnien , $crr SBaccatanreuö, fepet @ud). Unb er ^at einen ^rid (unum brillum) auf feiner 9^afc unb ein öue^ uor fic^, ba^ mar feltfam gefd)riebcn, unb idj fal) gleich, baff eg meber bcutfd), nod) bö^mifd), auc^ nic^t lateinifc^ gefc^rieben mar. Unb ic^ fagte ju it)m : SSortreffUc^cr ^err ^octor, mie nennt man fott)aneg 53uc^? @r antmortete: cg nenne fid) ber griec^ifd^e ^lutard)ug unb b^nble oon ber ^^?t)ilofopbi^- fogte ic^: ©o lefet eg in (^otteg fJtamcn! unb ba^er glaube id), bag er mun* bcrfanie fünfte ücrftc^t. 2)ann fal) ic^ ein fleineg 23ud), ncugc= brudt, unter ber iöanf liegen, unb fagte §u i^m: SSortrcfflic^cr §err ®octor, mag liegt benn ba? @r antmortete: @g ift ein an^ ftögigcg 93uc^, bag mir fürjlid) ein greunb aug ilöln gefc^idt l)at, eg ift gegen mid) gefd^rieben, unb bic fölner ^b^^ologen Ija^ ben eg uerfafft, unb fagen nun, 3of)ann ^feffertom l)abc folc^cg ®uc^ gcmad)t. ^a fagte ic^: Söag tt)ut 3l)i' bagegen? moUet 3^r @uc^ nic^t rcd)tfertigcn ? Slntmortct er: 9Uc^tg meniger; ic^ bin fc^on btnlönglid) gcred)tfcrtigt, id) fümmere miep nid)tg mehr um biefe Xl)orl)citcn, meine klugen rcidjcn faum noc^ ^in, bag ju ftubiren, mag mir nüfelid) ift. ^:ag S3ü^lcin aber mar betitelt : Defeusio Jo. Pfefferkorn contra famosas." ')

§aben mir ung big baber reblidb bemübt, Oon wnb

Snbalt, gönn unb Anlage ber 3)unfelmännerbriefe bem ßefer eine SorftcElung i^u geben: fo fönnen mir ung i^um ©ebluffe bag nicbcrfcblagcnbc Sefenntnig nid)t erfparen, bag mirctmag unternom* men hoben, bag ficb eigentlid) niegt leiften logt, ©offen mir mit @inem 2Bortc ben fßunft biefer Unmöglidjteit bejcidjnen, fo liegt er in ber ©praege unferer löriefe. 5)a eg bie 2)unfclmänner beg beginnenben fccgjebntcn 3abrbnubcrtg felbft finb, mclcge fieg borin augfpred)cn, fo tgun fie cg in igrer ©praege, b. g. in einem ßa^ tein (menn eg noeg fo genannt merben fonn), mic eg fieg im ßaufe beg ÜlUttelalterg aug ber SJUfegung fircglicger unb lanbeg^

1) II, 34. 58on ber ^fefferforn’jc^cn Defensio balb mehr.

V

180 I. 8. i^aptiel.

fpra^Iic^cr S3cftanbt()ci(e mit bem urfprüncjlic^en ©runbftodc gc* bitbet l)attc. 2)icfc 0prad)e ift baburc^ fomifc^, bag fie jmat auf jcbcm ©d)rittc mit bcn ©cfc^cn bcr claffifd)en ßatiuitöt im SBi^ bcrfprud), ober tro^bem ctmaö für fii^, eine ©proc^c ift, ber man t)cutc nod) anmerft, bag fic, menn and) in unfern 33riefen fomifd) ibealifirt, b. übertrieben, bod) it)rer ÖJrunbanlage naci^ flelebt ^at unb mirflic^ gcfprod)cn morben ift; mie bie ©rief® ftcUcr itjrcrfcitö, trop beö flrcllcn SBiberfpruc^ö, morin it)r ^reU bcn mit 35ernunft unb ^^ilbung ftct)t, bod) fo einig mit fic^, fo üergnügt in fid) unb unter fid) fiub, alö nur je ein galftaff, ober fonft ein äd)t tomifd)eö Subject gemefen ift. Slber biefer fomifc^c Stjarafter ift an baö ßateinifc^e gebunben. @r ge^t in jeber Ucberfc^ung uerloren. 2)iefe Slrt non läc^erlid)er 93erberbs ni§ ^at eben nur baö Sateinifdje in feinem ^urc^gangc burd^ baiJ üJ^ittelalter unb bie anberörebenben 9tationa[itöten erlitten. Ä^cine 5trt, roie ber Ucberfc^cr ba^ 2)eutfd)e ober fonft eine ©prad^c ^anb^aben möchte, fann bcn ©inbruef bc(3 DriginaliS micbergeben.

§lm et)eftcn gel)t e^ nod) an folc^en 0tcUcn, mo bas^ mifc^c be^ HuöbrudiS meniger in bem grammatifc^cn aU in bem togifc^en unb rt)etorifc^en iöaue liegt, mie 5. in folgenbcm ©ingange bcö Öriefö üon Sföillj. ©c^erfc^leiferiuö auö granffurt.

munbre mic^ fc^t", fc^reibt er an Drtuin, „marum Stjr mir nid)t fc^rcibet, unb 3l)r fd)reibet bod) an anbre, bie ©uc^ nid)t fo oft fc^reiben, alö ic^ ©uc^ jc^reibe. SBenn 3l}r mein geinb feib, bag 3^r mir nid)t fct)reibet, fo fdjrcibet mir boc^, marum 3^r mir nic^t mel)r fd)reiben moUt, bamit id) meiß, marum 31)^^ nic^t fc^reibet, ba ic^ ©uc^ bod^ immer fc^reibe, mie ic^ @ud) auc^ je^t fc^reibe, unerac^tet i^ meiß, bag 3l)t mir nic^t mieber fc^reiben merbet" u. f. p). Ober menn bie liebe Unmiffenl)cit fo naio fic^ oorträgt, mie in bcin 33rief cinecJ monnfer 2)iagifterö an Ortuin auö 9tom: „3l)t ^abt mir (beim 5lbfc^iebc) gefagt: $eter, menn 3l)i^ nnc^ S^om !ommt, fc^et ju, ob neue Süc^cr gibt, unb fc^iefet mir etliche. @c^auet nun, ba ^abt 3l)r ein ncue^ iöud), baö ^icr gebrueft ift, unb meil 3^t ein $oet feib, glaube ic^, ba§ 3l)t oiel S^ujen barauö jie^cn fönnet. ®enn ic^ l)abe Ijier in ber ^ubienj oon einem 9totariuö gehört, ber perfect

1) I, 15.

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groben qu8 ben 5)unfclniömierbrtefcn.

181

fein füll in biefer ^imft, fotljonc^ ©urft fei ber Duellbrunn ber ^oeterei, unb fein SSerfaffer, mit 9>tamcn §omeru§, fei ber Sßatcr oller ^octen. Unb er ^ot gefogt, gebe nod) einen anbern §omeru^, auf (Mriec^ifd). 2)a fogte ic^: moä gcl)t mid) boö ®ried)ifc^c an? ber lateinifdic ba ift beffer, benn ic^ mill i^n naci^ 2)cutfd)lanb fd^tden an M, Drtuinuö, ber fragt nid)tö nad^ bie« fen gried)ifd)cn ^^antafeien. Unb idt) fragte il)ti : luaö ift in bem 33uc^ begriffen? ?(ntmortct er, ^anble Uon gemiffen ßcuten, bie ©ried^en l)ie6cn, bie ^aben Äricg gcfüljrt mit anbern, bic fid) Xrojaner nannten, bic ic^ ouc^ fc^on uorbem ^abe nennen l)ören. Unb biefc Xrojaner Rotten eine große ©tobt, unb jene (5Jricd)cn legten fieß uor bic Stabt unb lagen aUba moßl 10 Soßre; ba famen bic Xrojancr biömcilcn ju ißnen ßcrauö unb fdilugcn fieß ßanbgreiflicß mit ißnen, unb mürgten fieß gar fcltfam untereiiis anber, alfo baß bic gan^e @bcne blutig mar; unb c^ mar ein SBaffer ba, bag mürbe üon bem 3Uute gefärbt unb ganj rotl); unb^bag (^efeßrei ßot man im ^immel geßört, unb einer ßat einen Stein gemorfen, ben 12 SD^tänncr nid)t ergeben tonnten, unb ein ..^ferb ßat angefongen ju reben unb ßat gcmciffagt. 9lber icß glaube fplc^cö nießt, mcil mir unmöglid) oorfommt, aueß feßeint mir ba^ S3ucß nießt feßr autßentifcß; bitte, fdjreibct mir, mag 3ßr baoon ßaltet."*)

So fann man moßl aud) oon ben latcinifcßcn Werfen nuferer 3J?agiftcr bureß Ueberfeßung bem beutfeßen Sefer eine öorftcHung «f^u geben fueßen, 33. menn Sorncliug jcnftcrmacßcr feine Äla^ gen über bic main/^cr Äronengäftc in fReimc faßt:

3u ^Qtn) im gemeinen ®afl^au§ 3ur jhroiie,

2Bo i(^ mnlxä) jd|Iief in eigner ^erfone,

^0 ftnb jmei unnerje^amie Spo^mac^er,

®ie ll»ielen gegen unjre Wogifler bie ßoe^er,

^rftetien nic^t fbrmlict) in Schulen ju biSputiren,

» 91o(!^ ou§ einem Sc^lu^iaQ Diele @oroIIarien ju formiren,

2Bic ber Doctor subtilis grUnblic^

(2Ber i^|n Derat^tet, ifl je^r Derfelirt) . . .

53on bem allem Derlle^en nichts bie Poeten,

Saturn füliren fie jo ungetonjt^ene Sieben,

1) II, 44.

182

1. $u(^. 8. Kapitel,

3öic jene jWfi frechen ^offenrei^cr,

Die unfre üRagifler 9iarren ^eifeen,

?lber unfer SJiogiper öon igjocbftroten mu§ fte citiren,

Dann wirb i^nm öerge^en, erleuchtete 5Känner ju oejiien*).

^od) auc^ ()ier öon ben cinjclnen geint)citcn bcö SJligau^ bru(f0 abgefcljcn, bic JJorm beö tDÜben ^^nittclreimö mit ber ©iflcntbümlic^tcit ber bcutfc^cn 0prac^e lange nic^t in bem fomU fc^en SSiberftreite, mie mit ber e^atten SJietrif ber (atcinifc^en; ber gortfe^ritt ber S^erberbnig, tt)ie auö bem §ejameter burc^ SScrmittlung erft beö 2eoninifd)en SSerfeö bann beö Söergeffen^ ber Duantitöt, ber barbarifd)e Änittelüerig gemorben, ift nur im latcinifc^en Original, nicht in ber Ueberfehung bemcrflich- ©o bleibt ber uolle unb ganje @enu§ ber Epistolae obscurorum viroruin auf biejenigen befchränft, luelchc fie in ihrer Urfpradje 5U lefen üerftehen.

®a^ thut aber ihrem 2öertl)e fo inenig (Sintrag, alö in jener geit, ino baö Sateinifd)e noch SBelt' unb @efd)äft!Sf^rache nmr, ihrer SlBirffamfeit gethan htit. Untcrfcheiben mir biefe beU ben ©efichtöpunfte für ihre 3^eurtl)eilung, fo geht bie gemöhnliche 3)teinung bahin, ben SBcrtl) ber Epistolae obscurorum virorum mehr in ihrer gefchichtlichen SBir!ung, alö in ihrer 33ebeutung alö Äunftiücrf ju fu^en. S33enn unfere bi^h'^^^Ö^^ 3)arftellung ihren Quuj ücrfehlt h^*t, fo merben bie ßefer mit

un^ anberer 5lnficht fein. Unö ^Briefe ber ®unfel^

inänner an fein Sud) lebhafter erinnert, alö an baö erfte in feiner 5lrt, ben 5)on Ouijote, biefe meltgefchichtliche ©atire, ju melcher ber ©toff in bem ßontraft einer abgängigen ®enf* unb Sebenöform mit einer neu auffommenben gegeben mar, aber oom ©eiiie ergriffen unb über bie ©phäre ber biogen ©atire h^t^^uö in bie §öhe beö §umor$ erhoben mürbe. @ine ähnliche 33emanbts nig hot mit ben ^Briefen ber ^unfelmänner. ®ie gefchloffene (Einheit ber fRomanform, baö plaftifche §erüortrctcn hoobelnber §auptperfoncn, geht ihnen freilid) ab: fie finb einem pguren* unb gruppenreichen ^Relief ^u oergleidjcn, auf meld)em ©ilen unb @fel, ©atpr unb 33acd)antin fich burd}cinanbertreiben , unb mo ber 9^eid)thum bci^ ©in^elnen für ben äRangel an Einheit besJ

1) I, 11.

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brr ^unfdmönnerbriefe.

183

(^an^eii fc^abloö f)ält. biefc gleic^tüo^l nidjt gan^ fe^lt,

babeu roir nad)9ciüicfeii, unb bog, njaö bic §auptfa^c ift, bic @rl)cbiuig in baö (Gebiet bcö poctifc^cn §umor^ in ollen §aupt- Partien gelungen ift, bouon luirb jeben ber (Sinbruef überjeugen, ben boö Öefen be^ 33üc^leinö unb feiner cinjelncn ^t)cile in il)nt ,^urucflägt, unb luclc^cr ber islBirfung einer ^ilriftüp^onifc^en Äo- niöbie, einer Sonc^os ober golftofföfcene, üoUtüinmen ebenbürtig ift.

So aii!5fül)rlict)> loie gefdje^cn, Don ben iöriefen ber i)mu felmönncr ^ier ^u Ijonbeln, l)otten mir fein fRedjt gcf)abt, menn nid)t unter benen, meld)e auf bic 5ßerfafferfd)aft beö ol)ne fJlamen erfc^ienenen Söerfeö Slnfprudj l)üben, Ulridj Jütten in elfter fReiljc ftünbe. ®aft er in frühem 3al)ren fic^ mit bcrglcic^en anonymen Spottfe^riften gegen bic geinbe ber Slufflörung obgc? geben, gcftel)t er felbft, menn er fpöter einmal an ^45ircfl)eimer fdjreibt, fallö jene 3)ienfd)en fo fortmad)en, l)obc er befd)loffen, fie nic^t mcl)r blo^ l)intcrrücfi? ^u uerfpotten, fonberu fie mutl)ig inö gefickt anjugreifen ‘). So fam er beim aud), faum bag bie erfte iJicfcrung ber Xunfelmönnerbricfc erfdjicnen mar, in ben Serbac^t ber !Öerfafferfd}ait. ©roi^imm fagt oon bem iürief über ben 3U^a= gifterfc^mauö, l)abc gcl)ei6cn, er fei oon §uttcn®), unb biefer felbft lernte feinen 5tntl)cil an bem JÖud)c nic^t fo ernftlic^ ab, alö beforgte greunbe um feiner Sid)crl)cit millen l)ätten münfd)cn mögen*). 9?ur oon einem 5lntl)cile nämlid), nic^t oon auöfc^lics 6enber Url)eberfc^aft ^uttciri^ ift gleich 5lnfang<^ bei ben beffer Unterrid)tetcn bie 9fcbe: Sraömub glaubte beftimmt oon brei ®erfaffern ^u miffen^j. ^l)cilt fid) mitl)in jefct bie gragc in bic beiben: mcl^e Xbeile ber Sammlung für ^uttcn’ö 3lrbcit gelten fönnen? unb mcld}efi5 feine ÜJiitarbeiter unb bereu Slnt^eile gemc^ fen fein mögen? fo fd)cint er fid) oon ber SSerantmortlic^feit für ben erften Xl)cil in ben fdjon crmäljnten beiben S3riefcn an fRid)orb (i£rocuö los^jufagcn. 9^äl)cr jugcfc^cn inbc& erfd)cint bieg al3 ber Stil, morin bic fReuc^liniften ben Älampf für ben oer* ehrten SDfeifter führen ju foUcn meinten : mie baö ernfte Xriumpl)*

1) €(^riften I, B. 197.

2) iriner Sponf^ia, iputtcn’S ©(tiriften II, ®. 277.

3) ®rie| be§ Courenj SBe^oim an ^irifbcinier, J^utten’S 6(^ri|tcn I, 8. 160.

4) %. a. C. S. 278.

184

I. $U(^. 8. j^apitel.

(jebid)t, fo foHteii auc^ biefc fatirifc^cn ©cfc^offc nid)t bon einem einzelnen, fonbern oon einer Ü}k^r()eit 5um S3crbcrbeu ber ginfter^ lingc Söcrfc^morcncr (toie ba^ 9^ac^mort jum Triumphus fid) auö* brüeft) 5U fonimcn fc^cinen. @o faften mir ja §uttcn aud^ bic Ur^ebcrfd)aft eineö Briefs im jmeiteu Xt)eit, menn gleich nur fc^er^böft, abie^nen, ber i^m mit ber größten SBa^rjc^cinlic^fcit pgcfc^riebcn mirb; bic (Sinjclncn traten planmäßig j\urücf, um, ernftßaft genommen, alö oertappte $Räd)erfc^aar befto {urd^tbarcr, fo^ mifc^ gefaßt alö namenlofer SBe^penfe^marm befto unbequemer ju fein.

©el^en mir unö in ben bamaligen ^umaniftentreifen um, jiu bem einftmeilen bie (SJegenb ju ermitteln, mo mir

ben erften Urfprung ber Epistolae obsc. v. ^u fud)en l)aben, fo meift un^ eine Sfici^e oon Slnjeic^en auf ben unö fc^on mo^U befannten gotlja^^erfurter ICreiiS l)in. ,,^)u paft", fc^reibt SrotUiS , im 3of)rc 1514 an ben angefod)tenen 9ieuc^lin, „bu ^aft für bic^ ben ganzen äJtutianifc^en Orben, er faßt ^^ilofop^cn, ^oeten, fRebner unb X^eologen in fic§, alle bir ergeben, ade gerüftet für bid} ju tömpfen. iöepel)! nur; fobalb bu millft finb mir bereit." 0 3m ©in^elnen mad^t ßrotuö aus biefem Ä'reife außer bem ßod)« gelehrten 3J?utian ben @oban |>effc mit feinem ^immlifd)en 2)ic^s tertalent unb Jütten mit feinem geuer unb feiner ©c^ärfe nam= l)aft; baß er babei bereite an baS Unternehmen ber Epistolae gebadet, mirb barauö mahrfcheinlich, baß er hinjufe^t, mit (Sinem Einlaufe merbe biefer ben faftlofen Drtuiu ben ^auptabreffaten ber iöriefe -- zermalmen, gür fich fclbft nimmt ©rotus in bie= fern §eerc nid^t bie ©teile beö gelbf)errn, fonbern nur bie eines ÄriegStribunen in 3lnfprud). ®aß er inbeß, menigftenS bei bem in IHebe ftehenben Unternehmen, mehr als nur ein ©ubaltems ofpeier mar, bafür ift unS ein unoermerflicheS aufbchalten.

SBir befifeen ben Srief eines Ungenannten, in bem man frü» her ben auS ber fädjfifchen OieformationSgefchichte mohlbefannten 3uftuS 3onaS oermuthetc, feit ^öcfing'S Unterfud)ungen mit mehr S33ahrfcheinlid)!eit ben bemfelben Greife angehörenben 3nftuS 3JteniuS ßnbet, an ©rotuS fRubianuS, gefchrieben im 3^1)^^ 1532*).

1) ^uttcn’8 6rf)nftcn I, S. 29.

2) Ad Apologiam Jo. Croti Rubeani responsio amici etc. 3n §utten’8 @(briften II, 6. 456—466. SBomit }u öergl. bie ebenbojelbft onge» führte llb()anblung bon ^13öding.

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Scrfoffet b<r 5)un!clniänncrbne|e.

185

5)amald war ©rotii^, bcr cinft ^uttcn'ö 33ufcnfrcunb, fRcuc^Iin^i^ cifriflcr SBcrt^cibiger, halb aiic^ i2utbcr’iä warmer SScrcfjrcr gewc^ fen war, üon ber ©adjc, beren 5lnfängc er nic^t wenig geförbert ^attc, ?\urücfgetreten, b^^tte fic^ ben S3erti)eibigeru ber alten Äird^e beigefeüt, unb biefer SBanblung in einer ©dju^fc^rift für ben (Srj;* bif^of 5llbred)t Sluöbrnd gegeben. ®iefc neue Stellung be^ Slb* gefallenen fuc^t nun ber ©rieffebreiber baburd} 311 untergraben, bag er feine ?lntecebenticn entl)üllt. @r erinnert it)ii an bie beigenben ©c^er^reben gegen baö alte S^irc^enwefen, bie er im 3)?utianifc^en Ä'reife ju @ot^a geführt, an bie namenlofen ©pott^ fc^riften, wcld)c noc^ uor Sutber'ö Sluftreten non i^m unb §ut^ ten, ben aber er erft ba^u aufgeftiftet, gegen ^apft unb Sarbi* näle, X^eologen unb SJtöncbe, verbreitet worben feien. 2)aö ©c^ärffte üon allem aber feien feine Epistolae obscurorum viroriiin gewefen; ein ©uc^, baö ber Ungenannte mit fRedjt ein „3war nic^t unoergleid)lid)eö, bod) ewigem ©ebic^t" nennt, bag ^e^n '^emofriten 3U lachen geben fönnte, ein ©ignal, ba^ alle biejeni» gen, bie für fid) fo viel 2öip nic^t auf^ubieten gehabt, mit neuen SBaffen gegen bie ^apiften auägerüftet, unb ber päpftlid)en ,§errs fc^aft me^r al§ vielleicht irgenb ein anbereö 33uch be^ ^ohtbuiis bertö gefchabet habe. S)a6 er ben ©pott beö Srotu^, ber 3unäd)ft gegen bie fcholaftifche ©arbarei unb nur mittelbar gegen bie alte Kirche ging, unmittelbar gegen biefe geridjtet fein läftt, gehört 3ur Xenbenj beö Slnoupmu^. 5)er ©rieffteüer fpricht alö einer, bcr bem bamaligcn Ärcifc beö Srotuö angchörte (SKeniuö h^tte in ben ©rfurt, wo SrotivS fich feit 1515

wicber aufhielt, ftubirt), er erinnert ihn an ihre Vertraulichen ©efpröchc, an bie ©pa^iergänge unb SD^ahl^citcn, wo ßrotuö fein entftehcnbcö SBerf bei fid) gehabt unb barauö vorgclcfcn h^bc. 3n Kirchen unb §örfälcn, berichtet er, habe biefer ein ©chrcib- täfclchcn mit fich geführt, um folche fRebcn, bie ihm ^ur ©crar^ beitung in fein SBert paffenb crfd)ienen, barin 3U verzeichnen. §luf biefcö höbe er fich nid)t wenig ju gute gethan, unb bcr ©ricffteller fagt c^ auch bem Slpoftaten noch auf ben Ä'opf zu, ba6 er baffclbc aU feine ©rfinbung immer noch im ©tillen zürt^ lieber liebe als eine §Ieffin il)r SungeS, unb eher möd)te, baß ^omer'S 3liaS ©runbe ginge, als beS ßrotuS anmuthige ©cherze unb unfterblicheS fiachen über bie ^^Sopiften.

186

I. ®u(^. 8. Äopitcl.

2)ie ©rfinbuiiß alfo, bie G^onccption imb erftc Sbcc bcr iöricfc bcr ^unfclmänitcr niirb l)icr uoii einem offenbar genau initmiffenbcn Grotuö äU9cfd)rieben. |)uttcn'jJ

5(nt()eil tuivb nic^t geleugnet, ein isörief itjm auebrücflic^ beigelcgt, iDciter^in jeboe^ bemerft, in biefem 5^^c^e, mo fic^ um 2)uvd)s j^iel)cn bcr ^apiften, um beifeenbe 3}crl)ö()nung üon ßarbinälen unb iöifc^öfcn gcl)anbeü fjabe, fei §utten, mit n(l feiner l)ot)en 9tcbncrs unb ^ic^tergabe, bem Srotiiö bei )iBcitem nic^t gemad)* fen gemefen. 2öir merben nid)t nergeffen, ba§ ber isörieffd^reiber ein 3ntercffc ^attc, fic^ t)ier ftart auö,^ubrücfen, meil, maö er in bie 2ßagfd)alc beö e[)cmaligen (Srotuö legte, bie bcö abgcfallcncn in bie §öl)e ^og; beftmegen ()at er fid) mol)l Qudj über bai§ S3cr- Ijältnift feinet fatirifdjen Talents ju bem üon Jütten allgemeiner au%'fprod^cn, als^ baß mir fein Urt[)cil ül)nc ©infe^ränfung geU teil laffen tünnten. 9lur fo uiel ift richtig : für fic^ märe |)uttcn fc^meriid) auf biefc 2JJanier üerfallen, bie feinem greunbe Grotu^ eigcnt^ümlid) mar; nac^bem biefer jebod) einmal ben Ion angc^ geben, mar er oennöge feineö üielfcitigcn lalcntö im ©tanbe, auf benfclben ein^uge^en. ^ür fid) mar er, auc^ alö ©c^rift== fteller, ernftcr, patl)ctifd)er geftimmt. üon Jütten, auc^

feine ©atire, fpornt ^ur Iliat, nie ücrgifet er, bag man baö Iiiminc unb ©c^led)tc nic^t blog belachen, fonbern befömpfen mufj. lern Öerfaffer ber Kpistolae bagegen ift unter feinen lunfelmänncrn offenbar gan^^ bct)aglid). @r ücrgi^t, ba§ fie ©c^ufte finb, meil fie fo gar ergc^lidjc Il)orcn finb. @r mutl)ct il)nen nic^t ^u, anberä ju fein, ja müßte il)m leib tßun, menn fie anberö mären, meil er bann nic^t)^ mcl)r ^u ladjen ^ätte. lieber bem äftßctifc^en (^cfic^täpunftc fommt il)m bcr praftifc^c au‘:^ ben klugen: unb baö pflegt |)utten, mo er ganj er fclbft ift, nid)t ju begegnen.

Um fo genauer paßt biefc @igcntl)ümlid)fcit be^ SBcrfeö ju bemjenigen, maö mir oon bem Sßarafter beö ©rotuö miffen. S3on jeßer l)abc biefer, fagt eben jener ungenannte iÖricffc^reibcr, eine Slbncigung üor ernften politifd)cn ®efd)äften gct)abt; nie l)abc er fid) burd) bie SRotl) ber ßcit, ben bcö ©taatö, bie ©nt^

artung bcr Äirc^c, ©c^laf, Slppctit unb ^urnor üerberben laffen; immer lieber im Ärcifc feiner greunbe fd)crj^en mögen, alö fid) für ba)§ gemeine iöefte abjuarbeiten unb abjuforgen. loö ift

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ßrotuS’ Qn ixn ^Briefen ber 3)unfclmänncr.

187

nun ^ujar einfeitig: baö ^umoriftifc^c SBcfcn in Srotuö fc^lofe, wie wir bereit!^ gcfe^cn ^aben unb noc§ beftimmter fc^en njcrbcu, einen innern ^nt^cit an ben ©egenfäten unb Kämpfen ber Qcit nic^t auö; fclbft fein 0d)cr^ unb ©pott ioar nidjt blo^ a(g ge* feUigciS ©rgefeen, fonberii juglcic^ alö SBaffc gegen baö 3Serfe()rtc gemeint, Slber jener ernftc Slntpcit an ben Gingen ging niefjt fo tücit, ba§ ßrotuö fiel) bafür t)ätte auiäje^cn mögen; bag er nic^t lieber fd)lie6licf) mit bem mitten feinen grieben gemalt ^ätte, als burd) entfd^iebeneS (Eintreten für baS 9lcue fic^ in meitauSfe^enbe Kämpfe ^u uermicfeln. ^arum fanbte er bie Pfeile feines ©potteS gern auS bem iöerftede; ^u feiner feiner ©c^riften ^at er feinen Flamen l)ergcgcben, als ju jener lepten, burc^ welche er fid) bie bittre Slntmort beS ^ilnonpmuS i^ujog, bie i^n bann für ben 9^eft feines ßebenS ^um ftummen iD^ann’e mad)te. ®ine befonbere ©e^ieftung ju ben ^£)unfelmünnern, benen bie Epistolae obsc. v. galten, b. f). ben fölner Xl)eologen, nerleugnete er gleid)mol)l nic^t. „älieine Äölner“, fc^reibt er fpäter an üut^er, „l)aben beine iöüd)er üerbrannt." ^abei falle if)m bie Xragöbie beS e^rmürbigen fReuc^lin mieber ein, non ber er ein lang gufc^uuer getoefen fei, unb babei baS rafenbe (^ebal)ren ber Xbcologen beobachtet l)Qbe. 9Jiöd)ten nur, münfeht er, bie b unfein 2J2änncr mit ihrem ^nfchlage (gegen ßuther ebenfo, mie einft mit bem gegen Sflenchlin) hcroortreten, um aufS neue nach 58er= bienft beleudjtet ju merben ; toaS fie nur mit ihrem eigenen ßichte burch fomifche iRachahmung fönnen*); eine Sflachahmung, mit ber ftch, mic mir burch Ü)iutian miffen, in ^Betreff beS Äü* chenlateinS jener ÜJiönner ß^rotuS auch feinen ©riefen ju bc> luftigen pflegte.

5(uS biefer ©tcHc geht nun überbieg h^r^ör, bag (SrotuS mährenb beS iRcud)linifd)en ©tveiteS fich eine ßeit lang an einem ber ^auptfdjauplähe beS Kampfes, oermuthlich iu Äöln, aufges halten hoben mug; benn ein gofehouer aus ber gerne mar er nicht bloS ein Sagr lang. 2)amalS, 1512 ober 1513, hotte er audh ben ^fefferforn fennen gelernt, unb ihn abfichtlich ouf feinen $anbel mit SReuchlin ju reben gebracht. ®ag er an biefem mar^ men Slntgeil nagm, miffen mir tgeilS aus 2J2utian’S ©riefen.

1) igutten’S Sänften I, @. 433 f.

188

I. 58u(i^. 8. ftüpitel.

tl)cil§ auö bcm oben anc;cfftf)rten ©^reiben bc§ ßrotuö an 9?cuc^s lin, in njelc^cm er i{)m mit bem gefammten 9J2utianifct)cn §ccrc feine ®ienftc anbietet, fallö er beren bebflrfen foUtc. ^cn @e= lehrten nnb S^erftänbigen übrigen^, meint er bort, geben $Rcud)' lin'ö (SJegner unb if)rc ©rf)riften nur ©toff ^um Sachen, mar inöbefonberc (Srotuö aud) unter Umftänben aufgelegt, bic fonft Diel 5U mfinfd)en übrig ließen, ßmar maltetc fein alter ©önner, 33urggraf §artmann oon Äird)berg, big baßin (Soab* jutor, feit 1513 alg 9(bt in gulba. 9(uf fein 3«i^cben trat Srotug in ben geiftlid)en ©tanb, mag ißn in ber mitunter reuen

moHte; bodj oerßalf eg ißm ju einer ^frünbe, mäßrenb er oon bem Seßramte bei ben 9J2önd)en entbunben mürbe. Hber bie ^frünbe mar gering unb ißre föumig fließenben ©infünftc reieß^ teil faum für bie befd)eibenften öebürfniffe, namentlidi nießt für bie literarifd)en ißreg Snßaberg ßin. ®ai\u tarn ber ©tumpffinn ber ©tiftggeiftlicßfcit, unter ber ißm jeber anregenbe Umgang feßlte. S3itter beflagte er fieß barüber in einem 33ricf an SJiutian*); gerne ßättc er feinen Slufentßalt üeränbert, g^ilba mit Erfurt ober Äöln oertoufeßt, menn nießt feine gciftlicßen gunctionen ißn feftgeßalten ßötten. gnbeffen unterßiclt er fid) bureß allerlei fati* rifeße Hugarbeitungen, beren mir in SO^utian'g Briefen gebadßt ßnben, unb in benen mir oßne Vorarbeiten unb ^n»

fange ber ^unfclmänncrbriefc 511 erfennen ßaben. 3m Soßre 1515 feßte er enblicß fein Vorßaben cineg längeren §lufcntßaltg in Erfurt bureß, mo er im Umgänge mit ben alten greunben, einem @oban, gonag, halb audß (Sberbaeß, unb üor 5lllen mit bcm benaeßbarten 3Jiutian, bic feßon in gulba begonnene Slrbeit fortgefeßt unb oollenbet ßoben mag.

Ulrieß §utten mar feit bcm §erbft 1515 in Stalicn. Vorßer ßattc er bem ©ragmug, mic mir ung erinnern, ben Triumphus Capnionis, aber nießtg oon ®un!clmönncrbriefcn gejeigt. 5^er fReft beg gnßrcg, big ju feiner 5lbreifc, gefeßt aueß, baß er mit Srotug nod) einmal jufammentraf, oerging unter bem erften ©türme, ben bic ©rmorbung feincg Vetterg in ißm unb feiner gamilie erregte. ®icfc Umftänbe mürben crflören, mie eg möglicß mar, baß er an einer Unterneßmung, bic ißn in ißrem gortgangc

1) ißuttcn’§ Schriften III, 6. 543 f.

jnjeitc 3ü(|etl bei: ^unfelmfinnerbrtefe. 189

fo (cbt)aft intcreffirtc, bod) üon Slnfang an Uicücic^t feinen tf)ä^ tiflen ^Intijeil Ijatte. Sßenn er nun aber halb barauf feinen ßanböleuten in iBoIogna ä()nlid)e Briefe üorlieft, non benen mir je^t menigften^ einen beftimmt im .^roeiten Xi)eile ber Epistolae obsc. V. finben, unb menn er fid) fpoter offenbar mic ein 9Wit= Urheber beö SScrfci^ äußert*): fo liegt e^ nal)e, feine Xb^*ilnal)me baran oor^ugemeife auf ben jmeiten 5^l)eil ju belieben, ^ie Äölner febienen bureb ben erften noch nicht genug gefd)lagen. ^fefferforn b^Hc gegen benfelben feine Defeusio'O berauögegeben, morin er feinen ^anbel mit iReucblin nod) einmal oon oorn auf* nahm unb bie 2)unfelmönnerbriefe aU ein uerläumberifcbeö, got== te^löfterlicbci^, mel)r aU faracenifd)e)ä ^ud) bei ^5apft unb ilaifer benuncirte. 2)arauf mar eine neue ^Ibfertigung nötbig, unb fo entftonb ber jmeite Xb^^l-

2)iefer jmeite einmal befonber^

anfeben muffen, ift einerfeitö feinem altern trüber ooUfommen ebenbürtig. Sein ober feine SSerfaffer, fofern fie onbere maren, hielten ben oon (Srotuö angegebenen Xon ein. 2)er fpätere Xbcil ber Epistolae obsc. üerbält fid) ju bem frühem in mancher ^iii^ fidjt mic ber jmeite ^on Quijote 511111 erften. @3

mirb fingirt, bie 53rieffteüer haben ben früher erfchicnenen gelefen unb reflectiren .nun barüber. (Siner bebanft fich, ba§ man einen feiner 53riefc in ben erften aufgenommen habe ®). 2)er ißerfaffer beö ©chlauraff'fdjen SleifegebichtiJ mug bereite gemußt haben, bag ben ©uasJniuö ber (Sröffnung^brief befonberö ergebt hatte, ba er ihm ba^ ©chlagmort beffclben aufiJ neue präfentirt. Sluch bie 9tad)richt, bag manche mirflid)en ^untelmänner bie ©riefe für (Srnft genommen hatt'-’ib gleich im erften ©tücfe be<5 imeiten Xheilb benu|jt. Sichtlich ift biefeiS eine 9tachbilbung be^ Sröffnungöbriefeö ^uni erften Xhcile. ©eibeniale mirb über einer SÖ^ahljeit eine Streitfrage aiifgemorfen, bie in fd)olaftifcher SBeifc erörtert mirb, unb ^mar beibemalc unter Slnfühmng beffeU ben Spruch^ aud bem Slriftoteleö. X)ie Streitfrage ift biefemal,

1) 3n bfin Briefe an ®ro8mu8 oom 21. 3luU 1617, Sihriften I, 6. 147, §. 16.

2) Defensio Jo. Peperioorni contra famosas et criminales obsc. v. epistolae etc. Hutteni Opp. Supplem. I, ©. 81 176.

8) II, 36.

190

I. 8. Äat>itcl.

ttjarum M.^Drtuin feine 33rieffammlung gerabc Epistolas Obscu- rorum genannt ^abe? unb bic Hntmorten fo njcnig alö bic ganjc Jöebonblung bleiben hinter bcm SSorbilbe ^urücf. ^icg gilt über- haupt non bem ^njciten Xhcile; roeßmegen toir auch oben unfcre Öeifpicle ohne Untcrfchicb au^ beibcn genommen hn^n^n.

^och finb gcmiffe Untcrfchicbc smifchen beiben Xhcilen nicht ju oerfcnnen. ©rftlich ein äufecrlichcr. ^ieöriefe beö urfprüng^ liehen erften Zhcili^ finb fömmtlich üuö beutfehen Orten (bic S^icber«^ lanbe mitcingcrcchnet) gcfchricbcn; erft im Slnhang crfchcint ein 33ricf aus? ^Rom. Unter 48 ©riefen finb 9 auö ^ipjig, 3 auö ajiainj, ebenfo Diele auö 2Bittcnbevg, 4 (moriintcr 2 im Slnhang) anö ^eibclbcrg u. f. f. 2)agegen ift Don ben 70 ©riefen be^ j^iDciten mehr alö ein 2)ritthcil auö ?Rom batirt. 9iach*

richten bal)cr enthält aud) ber crftc^h^il häufig; hoch nur mittcU bar, inbem bie in Xcutfd)lanb befinblichen ©ricffteHer fchrcibcn, fic hoben biefj ober jeneö burch ©riefe ober 9lcifcnbc auö 9iom erfahren. $icr im ;\mciten, mic fchon in jenem ©riefe §och= ftraten'ö im 3lnhang jum erften, merben biefc 9tachrid)ten nun auch unmittelbar auö IRom, Don folchen, bie bafelbft ftubiren, foHicitiren u. bgl. gefdjrieben. @^3 fommen römifd)c 5lnfchauungen unb Erfahrungen : ber ©apft unb fein Elephant, ber Campo Fiore unb bie Orangen, bic uncrträglid)c ©ommerhifee, ja eine (bereite ermähnte) Oleiferputc au3 ^eutfchlanb nach ^f^om mit Eingabe ber einzelnen ©tationen unb beren 9J?erfmürbigfcitcn Dor'). Erotuö iRubianuö aber, baö )tcl)t feft, mar bamaU noch nicht in Stalien gemefen. greilid) tonnte er jene S^otijen Don ^leifcnben unb au3 ©nd)ern hoben: hoch ©efonberheiten mie bic, bag in tRom feine gute Ärcibe, feine orbcntlidjen 9teftel jum ©chnüren ber ©tiefel 5U befommen feien*), meifen eher auf einen folchen hin, ber an Ort unb ©tcHe biefc fleincn ßeiben felbft burchge* madjt hotte.

3u biefem äußerlichen Untcrfchicbc fommt nun aber ein innerer, ßmar, maö man mohl Don einer ©erfchiebenheit beö 3^oneö fpricht, muß erft näher beftimmt merben, um ju^utreffen. 2)er ©cherje, ^offen unb ßolcn finb im jmeiten Xheile nicht

1) II, 2. 8. 12. 23. 31. 48.

2) II, 19.

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5)er l»fr 5)unMmännfrbriefe. 191

tücnicjcr alö im crftcn; aber ba§ fommt ^äufi^cr Dor, bag unter ber ^«^rm bc^ Scric^tö uon cjcbaltcnen ©cfpräc^cn fe^r ernfte Erörterungen eingejTod)ten loerben, ©riefe mie ber über bie Sebr^ meife beä mür^burger ^rebigeriS, ober ber mit ber Deutung einer ^rop^etenftetle auf bie 9tcform ber entarteten Xt)eologie, oon benen oben bie SRebe gemefeu, finb ot)ne ©organg im erften Xtjcitc. ^)urd) bie Sronic ff^lägt im ^meiten Xt)eile öfter baö ©att)oö burd). darauf unb auf einen bamit ^ufammenljängenben Unter' fd^ieb in ber ©pradje be5iet)t fic^ ©öding'ö oortrefflidjeö ©ilb: im erften 3^bcil arbeite ein ©ol)rer, ber, nid)t minber fc^arf aii ber im ;\meiten, boc^ meniger ©eräufd) unb meniger ©päne mad)e‘). Unb biefen geräufc^üoücrn ©ol)ier bc^ ^roeiten Xl)eiU (b. b- Jütten alö ©erfaffer) glaubt ©öcfiiig f^on in bcu ©riefen be^ ^nl)angö jum erften X()eile ,^u bemerten. ^leid) im erften ber^ felben, ber oon einer ßofö^'^oenfunft mit Eraömu^ cr;^äblt (mie fte §uttcn hir^ oort)er in ÜJ^ainj^ unb granffurt gehabt unb auf bem SBege nad) Italien erfel)nt batte), oerfällt ber ©erfaffer fteHenmeifc in ein gan,^ guteö (|)utteirfd)eö) Satein, aU^ märe er beöSörgonö ber ^unfelnüinner nod) nid)t mäd)tig; mie er aubrer- feitö, meint itjm einfätit, men er reben läßt, bie 0pracbc oict gemaltfamer oerbrebt, alö bieft ber §auptoerfaffer beö erften XbeiU mit feiner genauem ©adjfenntniß unb feinem OJUmif getban batte. 3m ^meiten bamit beffer, bod) bleibt in

ber 9J?ebr^abl ber ©riefe ber Unterfd)ieb immer nod) bemerfbar. ^)er Anhang jum ^meiten loit beffen jmciter Huögabe

jum crftenmal erfd)ien, Oerrgtb eine fdjmererc §ünb. Er ift über« baupt ein Ueberflug. 3JUt ben 110 ©riefen bcö erften unb jmeiten XbeiU mnr baö Xbenia erfeböpft, bureb alle möglid)en ©ariationen burd)gefüi)rt. Einmal mu6 aud) ber befte ©pag ein Enbe b^ben, menn nid)t Ueberfättigung eintreten foll. 5)er ^anbel ©Jimpbe* ling’d, aU eeitenftücf be^ 9teud)lin’fcben beigebradjt, möd)te früher 933irfung getban hoben ; jebt ermübet er. 9(ucb fonft üermigt man in ben ©riefen biefe^ Slnbangö ben redeten Sd)icf, gefebmaeflog Unflätigeö läuft mit unter, unb ber lefete ©rief OoU^iebt bie Ent* täufd)ung über ben 0iun unb Smd ber ©riefe in meit gröberer SBcifc, alö ber le^te ©rief bc^ urfprünglicben jmeiten XbeiU febou

1) Hutteni Opp. Supplem. II, 6. 647.

192

I. ^ud&. 8. i^(4>Uet.

get^an ^attc. SBie günftig ba§ aüe^ bcr Scrmut^ung ift', bog am jmcitcn X^cUc bcr Epistolae, einfc^lieglic^ bcö ^In^angöjum erften, aber Qu^fd)lie6lic^ beffen ;\um jmeiten Xbcilc, §uttcn al§ ^Qupturbeber bctt}ciUgt fei, erhellt üon fclbft. §lud^ bog er ^icr mel)rmalö uon ben ÖricfftcUern genannt unb fd)lcc^t gemacht inirb ^), ftimmt bamit jufammen. Söenn er bann im Januar 1517 an 9lcud)lin fdjrcibt, halb merbe bic Don beffen Jeinben angc* fangene Xragöbic in eine Äomöbic fic^ ücrtoanbcln, biefe non einem lac^enbcn ®aufc auögcjifc^t merben; baju t)abc er, |)uttcn, fid^ mit Ätampfgenoffen uerbunben, bereu Sllter unb (Stellung ju einer feieren Äricgfül)rung paffe 2): fo fann man fic^ jmar munbem, roic Jütten ba^ iiad)cu unb ^^luö^ifdjen erft ali^ ein fünftige^ bar^ fteücn mochte, bad boc^ mit bcr erften ©rfc^cinung ber Epistolae bereite laut genug begonnen f)attc ; bodj mirb man feine 2(cu6es rung fcbmcrlid^ auf ctmaö ^nbere^ alö auf ben jmeiten I^eil jener Sammlung, beffen ©rfc^cinen beoorftanb, belieben fönnen.

Sic er l)icr felbft üon feinen Ä^ampfgenoffen in bcr 9D7ebr» beit fpriebt, fo bnt, mic mir früher faben, (Sra^muö im ©anjen brei, anbere noch mebrere ^erfaffer ber Epistolae angenommen. S^amboft macht Sra^muö, aufeer §uttcn, feinen; auch bcr Sßerf. bcr Lamentationen (moüon naebb^^^) öerfid)crt, er fennc fie mobl, aber er mollc fie nid)t nennen, ^er bamberger 2)ombcrr Saurenj 33eboim, ein greunb ^ircfbcimer’ö unb ein SBcfanntcr $utten’^, übrigen^ ein fcbmacber ^^opf, oermutbete, fein College 3afob guebS, juglcicb 2)ombcrr in Sürjburg, b^^>c einige bcr S3ricfc oerfagt, ober fei bod) nidjt mcit baoon gemefen, alö fie gemadjt mürben*). S)aö Icfetcre bat freilid) feine 91icbtigfeit, fofern gueb^ mit Jütten im 3abt^ 1^16 in iöologna mar; bad erftcre bleibt möglich, aber auö ber greube bcö geiftreicben SJtanncö an bcrgleicbcn ^robuften lögt ficb fo menig mit S3cftimmtbeit crfd)lic6cn, alö auö feiner übrigen (^efinnung, oermöge beren er fpätcr ben gciftlicbcn ©tanb ocrlaffen unb gebeiratbet bat. Ser au6crbem noch an ben 2)untel5 männerbriefen äJtitoerfaffer betbeiligt gemefen, barüber finb

1) 11, 9. 20. 66. ben %rief be§ Sauren} %ebaim an ^trefbeimer, ^ulten’8 S^iriften I, 6. 133.

2) «. a. O. 6. 130.

3) %. a. O.

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^itorbeiter an ben Griffen ber ^hinfelmanner. 193

befonberö in neuerer 3cit Derfd^iebcnftcn SWutl^mogunflen auf* geftellt worben. ÜKon ^at auf ^ermann oon bem S3ufc^e unb J^ennonn oon S^uenar, auf (goban ^effc unb ^etreju^ (gber^ bac^, wooon ber (entere im 3a^r 1516 mit Jütten in 9^om ge* mefen, mit()in SSerfaffer eineö X^eilS ber bortljer batirten S3riefe beö jmeiten X^ciliJ fein fönnte, gerat()en, unb aud^ SSerfu^c gc^ mac^t, jebem feinen mutbmaglic^en Slnt^eil äujufc^ciben. @lücf= licbermeife liegt in unferer Slufgabe nicht, un^ auf bicfcö weite gelb p begeben, ba wir böcbftenS für ben Hntbeil unfereö gelben an ber in Siebe ftebenben 2(rbeit oerantwortlid) fein fönnen.

Slueb bicr übrigen^ fommen Wir über SBcmiutbungcn, bie freilich gum Xbcil einen hoben ©rab.öon SEÖabrfcbeinlicbfeit hohen, nicht hinawS. Slm ficherften fcheint mir bic @a^e bei bem Steife* gebicht bc^ M. ©chlauraff*) ju ftehen, fofern biefe^ .^utten in Jöologna üorgelefcn unb bic ihm jugemuthete Slutorfchaft mit einem fo burchfichtigen ©cherj\wort abgclehut hot. Sogleich hilbet ein ©citcnftücf j\u einer früher bcfprochcnen @legic in $utten'ö Oucrelen, wo ebenfo bic ÜKufe, wie hier ber 2)unfelmann, bei fämmtlichen bem 2)ichtcr befannten ^umaniften 2)cutfchlanbS bic Slunbe macht^). ^iefeö Carmen rithmicale mit feiner fprubelnbcn ßoune, feinen unerfchöpflich fortqueUenben 93erfen unb hoffen, mit ber jcbcörnal üugerft glücflichcn ©infprengung bcütfcher Steime unter bic latcinifchen, 3. ö.

Et ivi binc ad Hagenaw: bo lourben mir bie äugen blalo.

Per te Wolffgaoge Angst, ®ott gib boS bu ^angft,

Quia me cum baculo percusseras in oculo

biefed ©chlauraff’fchc Steif cgcbicht ift ohne grnge baö ^rachtftürf ber ganjen ©ammlung, baö lautefte Slufjauchjen ber fatirifchen fiuft, bie höchftc 0chaumwelIc in biefem SKccrc bcö ^umord. Unb biefe in gewiffem 0inne höchfte ßeiftung ift nicht bem (grfinber ber ganzen (Sonception unferer 33ricfc, fonbern einem onbern ge* lungen, ber in biefem gelbe hoch nur Stachahmer war. SlUcin jener (grfinber war jwar in bem gache ber mimifchen 0atirc, wie wir bic Epistolae obsc. v. bejeichnen möchten, eine 0pccialitöt,

1) II, 9. ®gL ben ®rief t>on 6o(hIöu8 on ^irdheimer in ^utten’8 6(hrift<n I, 126.

2) S. oben «. 22 f. 48 f.

vn. 18

.V

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194

I. 8.

bet S^lad^Q^mcr hingegen ba§ umfoffenbere Xolent, ber bf)antafics reichere, genialere ^opf. SBenn @rotu8 mngefcl)rt in ©utten’ö gad^c ücrfudjtc, bem ber ernften ?Rcbe ober beö ßucianifc^en 5)ia* logg, loic in einigen anonymen ©tücfen, bie i^m mit SBa^rfc^cin:* lic^fcit jugefc^rieben toerben^), fo l)ot er ben greunb nic^t übcr= troffen, fonbern ift merflicb t)intcr i^m j\urücfgcbliebcn. ?luf baS Sfteifegebid^t mirb bann gleich in bem folgenben Schreiben beö M. SBÜ^elm ßamp*) öcjug genommen, boö, mic fc^on früher bc^ merft, nod^ auö einem anbern ÖJrnnbc ouf §utten als SSerfaffer ^in^umeifen fc^eint, fofern nämlic^ bie Steife, oon melier ber ^unfelmann borin berid)tet, nac^ Qeit unb Stic^tung mit ^utten’ö jmeitcr italicnifd^cr ?Reifc ^ufammentrifft. 3n bem S3rief bed M. ajteöoe*) hierauf mirb bem (Sebert ^arlem, ^utten’d roftoder ©oftfreunb, ein S)enfmal gefegt; in bem be^ M. $acfftro*) öon ben ©taUbienften ber beutfe^en ^^frünbenfud^cr in Sflom in ä^n* lieber SBeife mie in ^uttcn’g ouf ber Sfleife gefc^ricbenem S5rief an ®raömuö gefproc^en; ber Sicenciat ßapp'^) fd^ilbert bie emigen ©tic^blöttcr oon ^uttcn’j^ polemifd^er 5^ber, bie ^rebiger ^eter 3Äcper in gronffurt unb Söartbotomäug ße^enber in Ü}tainj, ganj mie ber Sßerfoffer be^ Triumphus Capnionis. greilic^ fommen biefe beiben aud^ fd)on im erften 2^^cilc ®) baran, mo aufeerbem nod^ bie' genaue S3efanntfc^aft mit ben mainjer Äronengöften ^), bie ^ecfmannögefc^ic^te auö Söien®), unb manc^eö Ste^nlid^e auf bie Sermut^ung führen fönnte, Jütten ^abe fc^on an biefem ©runbftocfe beö SEöerfcö 5lntbeil gehabt. 2)oc^ mar ja auc^ SrotuS in 3)^ainji befonnt, unb Steigungen mie 2lbneigungen, 2lnefbotcn mie SRebenöarten in bem Greife ber jungen ^umoniften ©emeins gut. 2)a§ bie ernfteren ©tücfe be^ jmeiten XbeitiS, mie bie ftro^

1) 3- Dialogi septem festive candidi, in ^utien’S ©d^riften IV, 6. 554—600. §ier jeigtn nur bieientgen ©tüde, bie, wie bttS Conciliabulum theologistarum, in baS mimifd^e gel()ören, bie boSe SrohtS^d^e ÜReigerjd^aft.

2) 11, 12.

3) II, 24.

4) II, 23.

6) II, 38.

6) I, 6. 26. 27.

7) I, 11.

8) (, 14. $gl. oben ©. 59 f.

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Vufna^me ber ^nfelmSnmrbrirfe.

195

fcnbe ^ro^jl^ctenau^legunö in bcm SBrtef bc§ M. Älingcfor*), bic an ©teilen in bem ©omorte jum ^uttcn'f(^en Nemo onflingt, mit befonbercr ^a^rfc^einlic^teit auf $utten jurüefgefü^rt merben, ift im Allgemeinen f^on angebeutet^ im ©injelnen aber möd^tc ic^ ^ier nic^t meiter ratzen, fonbem bem ©d^arffinn ber Äcfer auc^etmad ju leiften überlaffen.

9lur ®ineö fei ^ier noc^ bemerft, toeil eS ben rafc^cn ®nt' micflungggang jener 3^it be^eid^nct. ^ielBriefe ber ^unlelmönner fanben fc^nell bie mcitefte Verbreitung, boju fo ni^lc iRac^al^mer, bag unferm Jütten julebt ber ßufrnbungcn ad modum obscu- rorum virorum ju biel mürbe*). Von bem erften X^ilc ber Epistolae erfc^ienen, b\& ber jmeite binSbfam, brei, bann öon biefem bi^ jum Sa^re 1518 ^mei Aufgaben; bon ba an hingegen fe^It bi^ 5um Saljre 1556 jebe ©pur, bag bie Vriefc neu oufge« legt morben mären. Am 31. October 1517 nämlicb ^atte fiut^er feine X^efen angefc^lagen, im ©ommer 1519 in iieij^ig mit @(f bidputirt, unb bon ba an ging ba$ gani^e geiftige Sntereffe ber 3cit in ber Bteformation^ngelegen^cit auf.

SEBie bie ^u feinen fünften unb ®^ren beranftaltetc ©c^rift bon Steudjlin felbft auf genommen morben, miffen mir auöbrüdlic^ nic^t : ber Vrief in ben Samentotionen , bcm jufolgc er fie ber^ morfen unb bermünfe^t ^ätte, ift jebenfaß^ bon ben (Gegnern er* bientet ; fobiel aber ift und bod^ glaubhaft überliefert, mie ed an ficb glaublich ift, bag bem mürbigen alten ^erm, menn er auc^ in jüngem Sauren felbft eine fatirifd^e Äomöbie mit fe^r per^ fönlic^cr Vejie^ung geft^rieben j^t ber 9)>{utbmiße

feiner jugenblid^en Vert^cibiger gar ju bunt mar »). Von (Sradmud miffen mir aud feinem eigenen Vefenntni^, mie einjclne i^m bor bem 5)rucfe bed ßkmjen jugefommene V^oben (er felbft fpric^t nur bon einem, anbere bon jmei Vriefen*) i^n beluftigten; bag

1) II, 50.

2) Soureti) an ^träbeimer. ^uiUn’S 6(briftnt I, 6. 160.

3) Camerarius de vita Melanchth. ed. Strobel, pag. 18.

m5bte Sergius, bie 9ieu(blin 1496 in febtieb, toar eine Satire auf

ben SUnfUing befi ^rjogS ^berbarb II. öon SBürtemberg, ben HugufHnermönib ^o4inger, bor bem er fi(b geflUibtet b<ttte.

4) Spongia, ^utten’8 6(briften II, S. 277. Epist. Anonymi adCrotum, ebenbof., S. 460.

196

I. $u(^. 8.

bo^ ßöc^cn barübet i^n burd^ gcfö^rlid^cn

©cfc^tpürö gefunb gemacht b^bc, ift eine alte ©age. öebenfücbcr .ttjat ibm febon bie erfte gcbrudfte Sammlung ; toie nun aber natb furjer 5luflage mit einem 2lnbcmg erfebien, beffen

erfte Plummer gleich ben ©radmug felbft bei einem ©aftmabt im ©efproebe mit einem ^unfelmann norfübrte, uoCi S3erebrung jmar, unb i^um ©preeben getroffen mit feiner febma^en (Stimme unb feinem feinen Söcbeln über bie X()orbeit ber SKenfd^en; mic enb^ lieb gar ein ^toeiter Xbeil folgte, morin er noch öftere, jmar al§ „ein 3J?ann für ficb"^), boeb ber Xbat nach al^ S3unbe^genoffc ber jungen Stürmer unb ^Dränger erfebien: ba mürbe ibm bie Sache fatal, unb er fpracb laut feine Un^ufriebenbeit über ba^ böfe S3eifpiel auö, baö nur ba^u beitragen fönne, bie bwnwniftif^e Sftiebtung oerbagt ju machen*). (Sbenfo fehlte Sutbern, menigftenS bamalö, ber ^urnor, um ein SBcrt mie bie Epistolae rein aufjus nehmen: er fanb fic frech unb nannte ben Söerfaffer einen $an^ murft ®). 2lucb hierin jelgt ficb^utten alö ber umfaffenbe, @egen* fäjje in ficb Oereinigenbe ©eift. (SrotuS fonnte über bie SDunfcls mönner nur lachen ; Öutber nur jürnen unb gegen fie b^nbeln : |)utten oermoebte ®eibeö.

2)ie $lngegriffenen ibrerfeitö manbten ficb, ib^er ganj mürbig, j^unad^ft an bie Äircbengemalt. Sic ließen eS ficb 'Jiel @clb foften, biö fie ein püpftlicbcö öreOe auömirften, melcbcö allen ©b^ft- gläubigen bei Strafe ber excommunicatio ipso facto incurrenda gebot, binnen brei Xagen nad) bem IBcfanntmerben ber Ißerorbnung bie ctma in ihrem Sefibe bcfinblicben (Sjemplare ber Epistolae jiu üerbrennen, unb Urheber, ^ruefer unb S3cfibcr berfclben, bie fie nicht oerbrennen moUten, bem Ort^pfarrer anjujeigen. 3Äit biefer SBaffe oerfeben, glaubte nun Ortuin auch literarifcb gegen ben geinb ju gelbe jieben ju fönnen. @r febrtc bie öejeiebnung : Obscuri viri gegen bie Urheber ber unter biefem 5!itel erfebienenen Söriefc ; biefc, im 2)unfcl ber ^nonbmität oerfteeft, feien bie mabren ^unfclmänner, bie er nun über ihr angeblich fo übel abgclaufene^

1) II, 69.

2) SAfariuS, ^uiten’8 Schriften I, 6. 149.

3) 3ln einem SBrief on Stob. Songe öom 6. Dd. 1617. ßutber’S Briefe, berauSgegeben non be SBette, I, 8. 37 f.

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i^Iagen ber ^unfetmAnner.

197

Untcmcl^mcn lamcntiren läßt*)- ®o^cr »irb gleich toon ?tnfang ba§ päpftüc^e Sreöc unb beS ©roömu^ migbilligcnbcg ©d^rcibcn abgcbrucft : ein lucitcrbin dngcrücftcö angeblich öon 9leuc^lin ;jcigt but(^ feine ^(ump^eit, tnie wenig Ortuin feinen ©cgnem ge» woebfen war. ®ie SBcrfoffer ber Epistolae lägt er ein ganj un^ gcfaljcneö Pater Peccavi onftimmen, in matten ?(uörufungen, langweiligen heu unb eheu, proh Jupiter unb p’roh dii immor- talesl i^re S^ticberlage unb ben ©icg ber X^cologcn bcflagcn. Äuf ein fo geiftöoÜeö ^robuct wie bic Epistolae obsc. v. finb biefe Älagcbricfe eine unerlaubt gciftlofe ffirwicberung. 3“*^ @lü(f pnb bie weiften fegr fur^\, bisweilen nur uon wenigen Seilen; aber man werft au^, bag bad Ißermögcn in ber ^^at nic^t weiter, oft faum fo weit, reichte. ^)a§ Iciblid^ftc ©tücf ift nod^ bo« Scrjeic^nig ber moralifc^en, b. unmoralifc^cn ©runb* fäbe, wel^e ben ^tcuc^liniftcn jugefc^rieben werben*). S)er @til burfte, ba bic oorgcblic^en löricfftcHcr in ben ßamentationen bic ^umaniften finb, nic^t fc^lcdbt fein, bagcr f^rcibt Ortuin offen* bar fo gut er fann; wa§ ^war immer noci^ fc^lec^t genug, bod^ auc^ wieber nic^t fo fd^led^t ift, um wiber rällen ergeplid^. ju fein. Uebrigend will er, wie fold)c ©efellen pflegen, billig fd)eincn, unterfc^eibet jwifc^cn guten unb fc^lec^tcn ^Reuc^liniftcn unb ^oeten, woüon er nur für bie le^tern bebauert, bag bic alte Äirc^enjuc^t mit .^änbeab^aefen, Sw^^Ö^^^Qw^reigen unb (Srbroffeln abgefommen ift, unb fic, als Vorläufer bcS ?lntic^riftS, bem ©traf* geriefte beS Weltlichen ÄrmS empfiehlt.

1) Lameniationes obscarorum virorura, non probibitae per »edem apostolioain, Ortwino Gratio auctore. erü( HuS^abe t>on 46 Briefen toar )ur Oßermeffe 1518 erf(^ienen; eine neue, mit einem )tt>eiten ton 40 ^Briefen »erme^rte: Impressio secunda cum additionibus, erf^lien im fluguit beffelben ^^re4 }u H5In. Sei ^bding , Hutteni opp. Suppl. I, 6. 323— 4ia

2) Lament. obsc. v. novaa Ep. 16.

196

)lennle$

ßutten'$ i>iiftetlttdnun(^ unt feße Sinßeffung itt ^a!it|. feilte ^eitbnitg ^egeii ^om.

1517. 1518.

SGBir l^oben oben ben gaben oon ^utten’S ßebcnöcjefc^ici^tc ba abgeriffen, wo er gegen 6nbe Sunt 1517 bie 9flü(freifc Oon Sologna nach Xeutfd^Ianb antrat. (Sv reifte in ©efeflfebaft bed redjtögele^rten SRitterg ©eorg oon ©treitberg, unb öor ber äfiittc beö Suli finben wir i^n in 2lugöburg, wo ber gelehrte ^tricier, Äonrab ^eutinger, i^n goftfreunbli^ in fein $auö aufnal^m. @ben befanb fic^ ^^aifer ffl^iojimilian in ^ugöburg, unb biefe legenbeit wollte ^eutinger, in SSerbinbung mit bem ©ecretär bc^ Äaiferg, SoJob ©piegel, unb bem laiferlicben ^iftoriograbb^n unb 9Katbematicuö, Sodann ©tab, welche bie ^umaniftenpartei ju ben rechnen burfte, benüfeen, um für Jütten etwoö beim

Äaifer auö^uwirfen. Um biefem ficb befannt ju machen, foHte Jütten feine italienifcben Epigramme, bon benen bis je^t nur einzelne (mit ber (Spiftel StalienS unb ©oban'S Antwort) gebrueft waren, anbere nach bem erften Entwurf in fehlerhaften Äbfchriften umtiefen, mit einer ßueignung an ben Äaifer h^rauSgeben. @r ging auf ben ©ebanfen ein. fah bie ©ebichte burdh unb fchrieb bie 3ucignung: aber fte erfchienen erft im folgenben Soh’^c ber gröbern ©ammlung, welche an erfter ©teEe einen berbefferten Slbbrucf bcS ^ufmahnungSgebichtS gegen Söenebig enthielt ‘).

1) Hoc in volumine hoeo continentur. Ulrichi de Hutten eq. Ad Caesarem Maximilianum ut bellum in Venetos coeptum prosequatur Exhortatorium. Eiusdem ad Gaes. Maximil. Epigram, über I. etc. etc. S)ie 3wf*0nun0 ber gptgromme on ben Äoifer f. Schriften I, ®. 234 f. S)te be4 ^nfma^nungSgebid^tS ebenbaf., @. 233 f.

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^utten’8 !E)t(^teTfT5nung au Augsburg.

199

Sl^ittlcriücilc BracJ^tc ^eutingcr in einer ßlänjenbcn SBer= fammlung beim Äoifer bic 9^cbc auf Jütten, fc^überte feine 0tubien, feine mü^fdigen Sfteifen, Uergag baö ju beö Äaifcrg ®^rcn uon bem ^Ritter beftonbene gran^ofenabcntcuer nic^t, unb brachte aflcriei Xitel unb ^^riuilegicn in IBorfd^lag, mit benen ein fo ouögcjcic^netcr junger Slbelic^cr ju gieren märe. SlRaji^ milion bcfc^log, i^n feierlich jum Xic^ter gu frönen. flocht bic fc^önc unb tugcnbljafte ßonftange, ^cutingcr'ö Xodjter, ba^eim für ^utten ben ßorbeerfrang. ©ic mar bic jüngere ©c^mefter jener früi^ reifen, aber auc^ frü^ uerftorbenen 3uliana, melc^c öor 13 Sauren alö 4jäl)rigc§ ^inb ben Äaifcr 2Raj bei feinem (Singug in bic ©tabt mit einer latcinifc^eu Unrcbc empfangen l^attc. 3n glängenbem Octeite führte ^cutinger am 12. 3uli ben @aft bem ^faifer gu, ber i^m in ©egenmart feinet ^offtaateS ben Ärang auf ba^ §aupt fe^te, mit mclc^em fic^ Jütten non ba an fo gerne abbilben lic6‘).

93on bemöbrten SRännern, beißt in ber barüber auö» geftelltcn Urfunbe, fei bem Äaifer Ulricb t)on §utten, ber ©pröß» ling eines ebeln IRittergefcblecbtS, als ein junger ÜRann empfohlen, ber aus 2icbc gu ben Söiffenfcbaften bic ^eimatb ücrlaffen, einen großen Xpcil oon Europa bur^manbert, babei oicl Ungemad) er^ bulbct, aud) ßebenSgefabren beftanben, biebureß ober eS nunmebr babin gebracht b^bc, bag feine ©ebriften in aller ^änben feien, bic gclcbrteftcn ÜRänner in 3talicn unb X)eutfd)lanb fiep feine greunbe nennen unb in öffentlichem Xrude für feine feltcnen ®orgügc Beugniß oblegen. SBcil er fo gu bem angeborenen 2lbel bcS ©efchlechtS ben burch bie beften ©tubien ermorbenen bi^^SU* gefügt, b^be auch ber Äaifcr ibn mertb geachtet, burch ein 3Rer^ mal feines Beifalls ihn auSgugeichnen. ©o ertbeilc er ihm benn aus eigenem Antriebe, nach gemiffer Äunbfdjoft, mit faiferli^er ÜRachtoollfommenbeit ben Sorbeerfrang unb ben golbenen Üling, ernenne ihn gum dichter unb 91ebner, mit bem Spechte, an allen ©d)ulen, inSbefonbere an ^ochfehuten, in ben JJöchern ber Xicht- unb IRcbefunft gu lehren, überhaupt mit allen ^rioilegien, ®btcn, ©naben unb greibeiten, melcbe bic übrigen foifcrli^ gefrönten ^oeten unb Oratoren oon Spechts ober $erfommcnS megen ge*

1) Jütten an ^eutinger, 6<briften I, 6. 178.

200

i. 99u(^. 9. Po{)iteI.

niefeen. Unb nm il§m nod^ ein befonbere^ SWcrhnal feiner ©nabe ju geben, nefeme ber ^taifer i^n, genannten Ulric^, fammt öden feinen @ütem, Slngelegen^eiten unb S^led^ten, foroo^t je|igcn alö fünftigen, in feinen unb be^ beü. iReicbeö ©(^u^, unb ertbcUc il}m ba§ Sßorrcebt, üot feinem anbern SRiebter alö bem Äaifet unb beffen 0latbc gerichtet merben ^u fönnen. aHe^ jur ^faebü^tung für aHe beö b^^^- 9feicbö geift^ mie meltlicbe gürften, ©tobte, Uniüerfitöten u. f. f., unb bei ©träfe non 15 9Rarf ©olbeö für ben Uebertreter, moüon bei jebem ein;\elnen Ueber^: tretunggfaHe bie §ülfte bem faiferlicben giöcuö, bie anbere $ölftc aber bem befeböbigten Ulricb felbft, ju @ute fommen folle'). 5)0^ 2a\)x barauf uernabm $utten überbiefe öon einem faifer* lieben (Sefebenfe, baö, auf fßeutinger'ö SSermittlung, für ibn un* termegS fei ; ob etmag an bem ©erüebte mar, erbeHt meiterbin nicht.

3m 3i*f^i”iiJ^cnbang mit biefer ©nabeuermeifung fuebten ^eutinger, ©piegel unb ©tob ben neugefrönten Siebter an ben faiferlicben §of ju sieben; anbere g^eunbe erinnerten an ben ©r^bifebof üon 9Rainj, für beffen 2)ienfte er cinft üon (Sitelmolf beftimmt gemefen, oon bem er febon früher ein5elne Sluftröge, bann ^u feiner italienifcben fRcife Unterftü^ung empfangen b^tte. Jütten fonnte ficb nicht fogleicb entfcbliefeen. ßunöcbft begab er ftcb (ohne dlürnberg, um $ivcfbeimer ben oerfpro:»

ebenen S3efu^ ju machen) noch Samberg, mo er feinen greunb, ben 2)omberrn 3ufob 5ucb3, antraf, ber febon oor ihm Sologna oerlaffen unb ben fRücf meg in bie ^eimatb angetreten butte, ^ier fab ihn au^ ber junge Sooebim Samerariu^ jum erftenmale, ber babei oon bem glönjenben fRufe nicht bloS ber ©elebrfamfeit, fonbern auch ber Xapferfeit berichtet, melcber, in fjolge feineö Äümpf^ mit ben fünf granjofen, bem fRitter bei feiner fRücffcbr nach Xeutf^lanb oorangegangen*). 3n granfen trat biefem ber gamilienbanbel mit bem ^erjog Ulrich oon S33ürtcmberg oon Steuern nobe; Oielleicbt fam ihm erft hier baö Sluöfcbreiben beö= fclben roiber bie ^utten'fcben jur ^anb, ^u beffen SBiberlegung er je^t in menigen Xagen feine oierte ^ebe gegen ben ^erjog febrieb®}. Slufeerbem ftattete er in einem Sriefe bem Grra^muö

1) ®te Urfunbe j. in ^utten’S 6<briften I, ©. 143 f. .

2) Camerar. Vita Melanchthonis, in H/ 361 f.

3) oben @.99 103.

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Verausgabe einer 6(brift non Soren) SaQo. 201

23crid)t uon feiner fReife unb feiner ^)icbterfrönunß ob, unb ban!tc i^JU für bic e^rcnooHc @m)äi)nunß feincö S^amenö in ber S^orrebe ju ®radmu^’ 2lu^gabe beö Svenen ^eftamentö. ^)icfcr ®rief ift am 21. 3uli öcfd)riebeu *) : einen ÜRonat fpätcr finben mir Jütten noc^ immer in 33ambcrg; auc^ an ben Sintritt in bie ^ienftc beö bortigen Öif^ofö fdjcint er gcbac^t ju hoben. Seicht lange hernach reifte er ab ; 33efannte in !öambcrg mußten nicht, mohin : gegen baö @nbe be^ Sahreö finben mir ihn bei ben ©einigen auf ©tecfclberg, mit einer merfmürbigen Slrbeit befchäftigt.

ift oben erzählt morben, mie am Xage oor feiner 2(brcifc auä Bologna nach 2)eutfchlanb Jütten bei ßoehläuö ein ©fcmplar ber ©chrift beö fiaurentiu^ Ißalla über bic crbichtete ©chenfung Äonftantin'ö gcfchcn hotte. Sochläuö hotte bic ©chrift üon einem Änbcm geliehen befommen; Jütten moUtc fic in 2)eutfchlonb micbcrabbrucfcn loffen, unb münfehte baher eine Slbfchrift nehmen ^u bürfen ; maö (Sochläuö, obgleich ihm bei ber ©ache nicht ganj mohl mar, hoch um fo meniger abfchlagen mochte, je mehr er mit bem Snholte ber ©d)rift bamalö noch einoerftanben mar. gricbrich Sifchcr, ber mürjburgcr 5)omherr, ber noch in S3ologna jurücfblieb, beforgte bic ^bfchwft, bic bem Flitter nach 2)cutfch' lanb nachgcfchicft mürbe*).

2)a6 bic genannte ©chrift bed um ^h^^ologic unb firchen* gefchichtliche ^riti! hochoerbienten italienifchen ^umaniften aud ber erften ©älftc bcö oorhergegangenen Sohrhnnbertö für §utteu eben jc^t ein miflfommener gunb mar, begreift fich auö ihrem 3nhalt unb @eift, mie quö ihrer gorm. 2Bar fie in lehtcrer IsBcjichung ein mahred $rachtftücf beä homaniftifchen iRenaiffancc« ftiU, fofern fic in claffifchem ßatein, burchauS rhetorifeh geholten, ihre @rünbc nach Ätt ber alten ^iftorifer in crbichtete ?Rebcn ' ber betheiligten ^erfonen (ber ©öhne Ä^onftantin'ö, be^ römifchen SBolf^, bed $Qpftc^ ©hlbcftcr) cintlcibet: fo griff fic, ma<S ihren 3nholt betrifft, bag ©pftem ber römifchen Änmafeungen an einem ber ücrmunbbarften fünfte an, unb thot bie& im ©ciftc jener freimüthigen, opferbereiten SBahrheit^liebe, oon ber Jütten fclbft bcfcelt mar. (£ine ^auptftüpc ber popftlichcn Änfprüchc nämlich

1) 6<hrtften I, 6. 146—148.

2) ^H^lfius an $ir(!h<imer, Vutten’S I, 8. 14£.

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202

1. $n(l^. 9. j^a))itel.

bUbctc ba§ angebliche @bict bc§ Äaiferä Äonftantin, froft beffeu er bem römtfehen öifchof ©hlbefter unb beffen gern, alö S^Ö^be ju bem firdhlichcn Primat, nicht blog feinen lateroncnfifchen ^alaft in 9Rom fammt ben faiferlichen Snfignien, fonbern auch ©tabt fRom, ja Stalien unb baS ganj\e Äbenb* lanb, überlaffen, unb fid) felbft auf ben Orient befchränft ho^^w foH. ®ie Unädhtheit unb Ungereimtheit biefeö ?lctenftücfö jeigt SSalla’g 2)eclamation in fo fchlagenber, ja fchneibenber Sßeife, ba§ unö meber bie SJerfolgung befremben fann, bie er fich baburdh juj^og, noch ber SSerruf, in melchem feine ©chrift bei ben firch* liehen aRachthubern ftanb.

2)iefe @^rift nun, meld)e bie meltliche ^errfdhaft beg ^apftc« in ihrer ©runblage angriff, gab jc^t §utten herauf, unb mibmete fte, mit öcht ^utten'fcher 2)reiftigfeit, bem ^apfte felbft^), mib* mete fie ihm fo, alö märe er oerfichert, bag ber ?5apft mit ber §erau§gobe einberftanben, jo bem Herausgeber für biefelbe banfs bar fein merbe. ®ie§ mar nichts meniger als fein @mft. @r hatte ßeo bem X. mährenb feiner bereits 4jährigen Olegierung längft abgefehen, bag er in ber H^tbptfache ein ^apft mar mie bie anbern auch; h^tte fchon im oortgen ©ommer an ^irtfheimet über ihn als einen lei^tgefinnten, gelbgierigen glorentiner, einen Heiligen, beffen Unheiligfeit bei allen SSerftänbigen eine auSge* mad)te ©ache fei, gefchrieben. @S mar alfo nur eine SBenbung, um ben ?apft in bie Verlegenheit ju fepen, mit guter Slrt nidht mohl eine Un^^ufriebenheit über HuUcn’S Unterfangen äußern ju fönnen.

Hutten fnüpft feine 3ueignung an bie 3«fchtift an, mclche, im ©egenfape ju feinem friegerifchen Vorgänger, ßeo bem X. als bem „SBieberherfteller beS griebenS" in 3talien gefept morben mar. 3Rit bem ^rieben h^be er ©erechtigfeit, SEÖahrheit unb greiheit jurücfgefül)rt : nun fönnen bie SGÖiffenfdjaften mieber auf« leben, nun bürfe anS ßiept treten, maS bisher fidh oerftcefen mußte, unb um fo ^uüerfidjtlicher, je maßrer unb lauterer eS ge^ fchrieben fei, mie biefe ©dhrift beS VaHa. Slnbcrc ^äpftc hoben biefelbe üerboten, meil fie bie SBahrheit nicht hören mollten: ßeo

1) De donatione Gonstantini quid veri babeat etc. 3^i0^ung in iputten’S S(|nlten I, S. 155-161.

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3uetgnung an ben Seo X.

203

toerbc ftc lieben, h)eil er ein greunb ber SBal^r^eit fei. SBag bic gegen fd^led^te ^äpfte fagc, gc^e i^n nid^tS on, ber fid^ benm jt fei, ein guter ^opft fein, ©^(ec^te köpfte aber, ober Oielme^r gar feine ^äpfte, feien biejenigen gettjefen, njeld)e mit »cltlic^em ©inne jene ©c^enfung i^onftantin^ö erbid^tet, ober bic fc^amlofe ®id^tung fic^ ju 9tupc gemad^t ^aben. öeo merbe oon felbft unb gütlich aufgeben, mag man, menn ein fd^Icd)ter ^opft an feiner ©tcHe gemä^lt morben märe, biefem mit ©emalt abge^ nommen ^aben mürbe. 9lur fo fönne er fein Sßort, bafe er ber- SBieber^erfteüer beg gricbeng fein moHe, ma^r machen. 3)enn griebe fönne jmifc^en fRäubern unb 93eraubten nid^t e^er ftatt* finben, alg big erftcre ben le^tcrn bag beraubte jurüdEgegeben ^aben. ©o nennt §utten bic früheren köpfte gerabeju Räuber unb Diebe: unb ju meinen, bag fid^ ßco babur^ beleibigt finben merbe, erflärt er eben für bie grögte Söeleibigung gegen einen ^[kpft, ber mit jenen nid^tg fönne gemein f)aben mollen.

Dabei fü^rt er eine ^eige oon 9Wigbräu^en unb ©ebrüefungen fo auf, alg ob fic nur ben SJorgängern Seo’g i^ur ßaft gclcn, oon benen er boeb fc^r gut mugte, bag fie unter ßeo tgeilg forts bouerten, t^eilg fid^ nod^ Oerfd^limmert Ratten. S^tic^tg fei fo bitter, bag cg nid^t gegen jene köpfte gefagt merben bürfte, „melcge oom gcringften Öormanbe Slnlag ju cnblofen ^lünberungen ge* nommen, ©naben fcilgeboten, mit Digpenfationen unb öuHen aller Ärt fc^on fo lange ßeit ^anbel getrieben gaben. Die für bic ©ünbenüergebung einen 5?aufpreig feftgefe^t unb aug ben ©trafen beg fünftigen Sebeng eine ©rmerbgquelle gemaegt gaben. SBelcge bic geiftlicgen ©teilen bei ung, bic milben ©tiftungen unfrer Voreltern, fieg abfaufen liegen. SBclege bic Deutfegen glauben maegten, bic feien feine öifegöfe, mclcgc niegt igr Gallium für oiclc taufenb ©olbftücfc Oon ignen erganbclt gaben. SBcldge, niegt jufricben, einmal beg 3agrcg eine augcrorbentliegc ©teuer ju erpreffen, fo oft cg ignen gefiel, Scutc fegieften, bie, halb unter biefem, halb unter einem anbem Sormanbe, fammcln mugten, bag einemal für einen Dürfenfrieg, bag anbrcmal um ^u S^iom bem g. ^trug eine l^irege ju bauen, bic fic nie fertig maegen loffen. SGBelcge cnblieg, mägrcnb fie afleg bag oerübten, bennoeg Reg alg ©cligftc unb ^ciligftc begrügen liegen, unb gegen igr Dreiben fein ©ort, oicl meniger eine ^anblung bulbcn moUten , .

204

I. %U(!^. 9. ffapiUL

SBer fold^en iRäuBcrn, fo unl^otbcn X^ranncit, bic^ beijä^lcn tüoClte, foCitcft bu bcn nic^t für bcincn ärgftcn geinb ad^tcn, großer Seo ?" Sßaßrßaft eßrc ißn bagegen berjenige, njelcßcr, tote Jütten bureß bie ßiicignung ber ©cßrift beö SSaüa, t^atfäcßlic^ ba§ SSertraucn ju i^m bereife, baß er fid^ öon ben toeltlid^en tlnmaßungen feiner S8orgänger, gegen tocld^e jene ©eßrift gerießtet fei, burc^auö toögefagt ßöbe. ©o loenig er baßer jtoeifle, fcßließt $utten mit mutßmiHiger Äecfßcit, baß ba§ 35ü(ßlcin bem Zapfte gefallen merbc, fo toöre ißm boeß lieb, menn biefer feinen ^cu fall öffentlicß bezeugen möcßte: bann molle er SJiüße geben, halb mieber ctmaö ^cßnlicßeg aufjupnben.

®incn in biefer bürfen mir nießt außer 3(dßt

laffen, mcil er §uttcn’ö ©rnppnbunggmcife bejei^net, unb bur(ß feine ganj^e ^olcrnif gegen baö ^apfttßum ßinbureßgeßt. 5Ricßt3 bringt ißn ßeftiger auf an jener untergefeßobenen Urfunbe, atö baß ber S3etrug fo plump ift, baß man fießt, er mar oorjug^s mcife auf bie ^eutfd^cn bereeßnet, oon melcßen bie Staliener fag* ten, fic ßaben tein $im. Jütten fic mit anbern Sftationen ju tßun geßabt, meint Jütten, fo mürben pe feiner angegripen ßaben. SBößrenb er baßer über ben ©tumpfpnn unfrer Sor* faßren pcß ärgert, benen man fo etmaS bieten tonnte, füßlt er pcß jugleicß ju boppcltem ^affe gegen biejenigen entpammt, bje unfre ©infalt fo gu mißbraueßen im ©tanbe maren.

SBie feßr biefe bureß Jütten üeröpentlicßte ©cßrift in bic Seit eingrip, erfeßen mir aug bem ©inbruefe, ben pe oufSutßcr maeßte, al^ pe ißm, etma§ oerfpätet, ^u §anben tarn, ©r tonnte niißt genug barüber ftaunen, baß fo craffc unüerfcßömte ßügen fo lange gaßrßunberte ßinbureß pcß ßaben ßaltcn, ja mie ©Jlaus ben^artitel betrad^tet merben fönnen: unb nun erft feßien eg ißm immer meßr, alg märe ber $apft ber leibßaftige Slnticßrift *). 8(u^ bem $appe feßeint bie ißm 5ugeeignete ©(ßrift bamalg noeß nidßt jugetommen ju fein: menigfteng naßm er üon ^utten’g ©cßrift» peUerei erft brei Saßre fpäter öPentlicß 9^otij.

2Kittlenoeile ßatte pcß biefer für bie mainjifeßen 2)ienfte entfeßiebeu. ©ein 33etter gromin unb ber ßeibarjt beg ^r» fürften, ^einrieß ©tromer, ein eifriger greunb ber ßumaniftifdßen

1) Sut^er on @|>alatm oom 23. gfebi. 1520. ^utten’S Sd^riften I, 6. 324.

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^uHrn’S (Sintritt in main^ifd^e ^ienfie. 205

0üc^tung, mod^ten bei i^m tpie bei bem ©rjbifc^of ?Ubrec^t üoflenbg in^ iReine gebracht b^^ben. ®q6 biefer ben 3)^ann, ber fo eben eine 0c^rijt n>ie bic üorcrmäbnte mit einer feieren ®or* rebe Verausgab, o^ne ^nftanb an feinen ^of na()m, ift bejeic^* nenb für bie firc^tid^en S^ftönbe ber ^eit. ®ic ^uöbcutung 3)eutfcblanbö burc^ bie römifc^e Surie mar iängft fo brücfenb ge* morben, ba& baö 3ntercffc eineig beutfe^en Äirc^enfürften mit bem beö p(4)ftfid^en ©tu()leö nic^t me^r in allen ©tücfcn |)anb in ^anb ging; unb indbefonberc bag mainjifd^c ®rjftift mar burc^ ben auf 20000 ©olbgulbcn gefteigerten ^reiö bed crjbifd^öflid^en ^alliumd, ber in ber lebten geit, bei pufigen (Srlebigungöfäüen, mieberbolt böttc erlegt merben müffen, aufd i^eufeerftc erfc^öpft. 9Rit Stüdfic^t barauf botte (Srjbifcbof 2llbrecbt ficb anbeifebig ge* macht, baffelbe and eigenen ^^itteln befahlen: biefe Ü)dttel foHte ibm ber Slblafe febaffen, beffen Scrmaltung ibm ber ^apft uberlieg, unb auf beffen halben Ertrag nun bie Sugger, bie ihm bad ^aUiengelb oorgefeboffen batten, angemiefen mürben. S3on hier auö begreift man, mie berfelbc ©rjbifcbof, ber Sutber'^ 2ln* griff auf ben ^blag fo übel aufnabm, mit ^utten'd Kampfe gegen bie pöpftlicbcn Uebergriffe im 0tiüen gar nicht fo unjufrieben mar.

9^och t^or bem (Snbe bcS Sabreig 1517 machte Jütten im Aufträge feinet gürftcu eine Steife an ben ^of beig Äönigd üon Jranfreicb ^), unb mürbe in biefem ßanbe, nicht bloö biefer äugem 0tcUung megen, fonbem auch um feinet literarifeben Slamenig mitten, ebrenüott aufgenommen. 2luf feiner ®urcbreife bureb $ari^ mürbe er ju bem Unterpräfecten Submig Stu^euö, einem ßiebbaber ber febönen äöiffenfcbaften unb ©önner ber ©elebrten, einge* laben, unb lernte hier ben »Secretair bed Äönig^, Sßilbelm 33u* bäud, ben Sorrefponbenten unb Stebenbubler bcö (Sra^mud, lennen, ber bei biefer ©elegenbeit gegen biefen §utten'^ feineig unb mabr* baft abclicbed Söefen rühmt. ®amaU eilte Jütten, feinem 2luf* trage gemög, baö föniglicbc ^)oflagcr ju erreichen: berührte aber ouf ber Stüdreife ^arid noch einmal, unb befreunbete ficb mit

1) ^er furfürfUid()e 93e^aaung8bti(f Dom 20. @ept. gebt in ^utten’8 6<b^ftm V, S. 507 f. Jütten b(>bt bartn consiliariua noster, unb als feiner 6enbung ig flbldbliegung eines ißünbniffeS nebg einigen anbem ®e» jebäften angegeben, moju i^m plenaria potestas ertbeilt toirb.

206

I. 9.

bcn bort Icbcnbcn ^umaniften nod^ genauer^). 0^ne ßtoeifel tuat auf biefer iReifc, bag er au^ bic ©efanntf^aft be6 alten, um bie 5luölegung bc^ Sfteuen Xeftament^ mic beö SlriftotcleS ^oc^üerbienten gaber uon (Staplet unb ber betben gebilbeten Äcr^tc ©opug unb IRueUiuö machte, beren erfterer, jc^t granj beö I. Scibatit, fic^ üor einigen galten ücrgcblic^ bei ber parifer Uniüerfität für 9teuci^lin nermenbet ^attc. Söenigften^ Pflegte Jütten t)on ba an biefe 3Jtänncr aU bie ^auptftüjen be^ tnif* fenfc^aftlic^en gortfd^rittö in granfreic^ ju rühmen.

9tadj üKainj, mic cd fc^eint, Slnfang gebruar jurilcfgcfc^rt, fam ^utten eben rec^t, um feinen ^turfürften in beffen fäd)fifc^ 2)iöccfcn 5U begleiten, mo biefer bid jum beginne bed ougdburger 9tcic^tagd im 3uli ücrmeilte, feinen neuen S)iencr aber p ®nbc SÄärj ober Slufang ?lprit mit einem tluftrage noc^ 9Jtainj jurüct^ reiten ^ieg. Ä;aum Dom ^ferbe geftiegen, erhielt biefer l^ier einen ©rief non bem Grafen ^ermann non 9luenar aud Äöln, fammt einer ©d^rift non ^oc^ftraten*), in welcher unter onbern Än* l}ängcrn IRcuc^lin’d auc^ ber (jjraf in ber Söeifc jened ke^cx^ mcifterd gcfc^müt)t tnar. @rof ^ermann na^m fic^ gegen biefen Singriff bolb barauf bic ©enugt^uung, bafi er einige ßufc^riften gleic^gefinnter SWänncr an i§n über bie ©oc^c, mit Slntmort non i^m unb ncrfc^icbcnen bcn ©treit betreffenben SlctenftüdEcn, brurfen lieg®). Unter biefen Briefen befinbet fic^, neben einem non fRcuc^^ lin unb einem non ^ermann 58ufc^, aud^ eben berienige Ulric^’d non §uttcn, burc^ ujelc^en biefer bie ermähnte ©enbung S^ucnar'd faft noc^ im ©tcigbügcl bcantmortetc.

Jütten belennt in biefem löriefc gerabep, bog er bic ©c^anb* fc^rift ©od)ftratcn’d mit Vergnügen gclefen ^abe. 3c fred^r, befto

1) Sgl. über biefe Siet je bie ©tiefe öon ©ubüuS on (5to8mu§, ^utten’S Sänften I, 162, 171, unb ^raSmuS’ Spongia, ebenbof., II, 6.270, §. 39.

2) C^ne 3^rifel bie Sd^rift: Ad Sanctiss. D. N. Leonem P. X. ac div. Maxemilianum Imp. . . Apologia R. P. Jac. Hochstraten oontra dialogum 6co. Benigno Arebiep. Naz. in causa Jo. Reuchlin asoriptum etc. Colon. 1618. ©gl. Hutteni Opp. Suppl. I, 6. 419 27 unbll, 6. 101.

8) Epistolae trium illuttrinm viroram ad Hermannum Com. Nue- narium E^usd. Responsoria etc. ©gl. Hutteni Opp. Sapplem. 1, 6. 327—329. 427—429. S)et ©rief ^utten’S öom 8. ©pril 1618 ln beffen 6(^riften I, 6. 164—168.

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Jütten an b«n ®rofen ^mnann t>on 92uenar. 207

beffcr, meint er; um fo früher merben ber beutfc^cn Station bic Äugen über biefe iüienfc^cnflaffe ouf^, unb bie ©ebulb mit ber? felbcn au^c^en. Jreilid^ fei cd faum ju begreifen, unb in Italien i^m, ju feiner Sefc^ömung, mc^r ald einmal üorge^altcu morben, mie uiel mir $icutfc^cn und non ben Orbendbrübern bieten laffen. 5Bon Seuten, bic mir üon unferm ©rbgutc jum ^c^ufc bed ©o^ tedbienfted erhalten, laffen mir und be^crrf(^en unb mife^anbcln. S^tic^td fei ^od^müt^iger, unbänbiger, fd^onungdlofcr ald biefe SÄcnfc^enart; menn fic einmal „jene öurg if)rer gredj^cit, bic Äanjcl, befliegen ^aben", fei fein 9lamc, fein guter fRuf mc^r bor ihren Söftcrungen fid)cr. ^ier nimmt Jütten gelegentlich jmei folchc Pfaffen bor, bie mir fchon aud ber ©efchichtc bed Äcuchlin’fchcn ©treited fattfam fennen. 2)cr franffurtcr ^Icban ^ter aWeher fommt biefemal mit ber furzen öc^^eichnung meg, er fei ber Ungelchrtcftc unb babei Unberfchämtefte bon allen, mclchc bem fReuchlin übel moHen. 2)efto audführlicher mirb 33ar* tholomäud ßehenber bon SOtainjj bebacht, mit bem cd mahl frifchc ßufammenftöfee gegeben h^dtc. Äcinc ^rebigt bor ber unmiffen» ben aRenge hoHe ^cr Söfcmicht, in bic er nid)t irgenb ein ©ift cinflic§cn ließe. ®r fönnc ben 3Runb nicht auftl)un, ohne ©c^ höffigfeiten borjubringen ; alle* ©Uten fche er fdjecl an. ©o höbe er ben Slcuchlin auf ber Äanjel gefchmäht, fo ihn, Jütten, mie^ berholt in feinen ^rebigten heruntergeriffen. 3)ieß mirfc übri? gend nur bei ber ^efe bed ißolfcd: bon ©eiten ber ©cbilbctcn habe er fich baburd) gefährlichen ^oß jugejogen.' ajian bürfc aber ben üRenfehen nur onfehen: er fei ber cingefleifchte ateib. ©ein Äudfchen höbe ctmad bom ©forpion. 3öic beffen ©chmanj immer ^um ©tiche bereit fei, fo jeige bic SRienc biefed ^fä^leind jeben Äugenbtief, baß cd ctmad S3öfed benfe, auf eine ©^mähung finne, einen Xrug bereite, mit ©inem SGÖort irgenb ein ©ift fochc. „©0 fei mir Ö^^dbig, mie i^ jebe suföUigc ©egegnung

biefed ©churfen für ein böfed ^nb baher bon bem

fikg obbiege, bon bem i^ meiß, baß er ihn gehen mirb. ©olchc Äpoftcl höt jejt 3)eutfchlanb, folchc ©erlünbiger bod ©bangelium. SRan lonntc fic bulben, fo lange fic bic gehler ber 3Renfchen mit ©limpf. rügten, atun aber, ba fic fich ^^ed erlaubt h^den unb mit i^ft men fic motten fdhmähcn; ba fich in ihren ©re* bigten fein üchtcr äicligiondeifcr, feine ©pur bon grömmigfeit

208

I. 9.

jcigt; ba ftc ftatt ©ottc^ SBort ©d^im^ftoörter föcn, im öffcnt' liefen ^ciligt^um für ^riüatbcieibigungen ftc^ rächen, ja felbft JsSelcibigungcn jufügen unb Unfc^ulbigc in ©efobr bringen; ba fic baö aUeö ol)iie mit Uebermut^ unb ©raufamfeit betreib ben : mag ^inbert, bag mir nic^t enblic^ mit prügeln unb ©teinen auf folc^c ^euc^ler lo^ge^en?"

2)a6 ber Äampf gegen biefe innern geinbe ber S^riften^eit bringenber fei, alö ber gegen ben Xürfen, mirb auc^ (miein ber SBorrebc jum Triumphus Capnionis) auögefproc^en. S)er SJerfaU ber grömmigfeit, bie ©pattungen in ber Äirc^e, in^be^ fonbere ber 2lbfall ber Sö^men, mirb i^nen ©c^ulb gegeben, auc^ bie berner ÖJefd^ic^te nic^t uergeffen. ^ermann öon S'tuenar bc* gebre ^utten’^ ^^nfic^t, mag gegen fie ju t^un fei. S3iäber b^ibe er bo^ ©cbmeigen ber 93eracbtung allen S^ologien üorgejogen. 3lUcin er fange an ju glauben, ba§ bieß nic^t binreicbe, um beijufübren mag fie münfeben : 2lufblüben ber SKiffcnfcljaften, SSer* bannung ber JÖarbarei, SSerebrung für bie mabren, Verachtung für bie 0cbeingelebrten. (Sinigeg baüon fei erreicht, aber noch lange nicht genug. (Sr möchte fich bem ©rafen münblich mit^ theilen fönnen: unterbeffen fei eg tröftlich, bag bie geinbe felbft fich gegenfeitig dufjureiben anfangen.

Unb nun ift eg merfmürbig, bag unter biefem (5Jefichtgpuntt eineg verächtlichen ÜKönchggejänfg , bei beffen* ^nblicf bie greunbe beg gortfehrittg fich fchabenfrob bie §önbe reiben eine ©ache 5uerft in ^)utten'g ©efichtgfreig tritt, bie jmei gab^^ fpäter bie bciüöfte 5lngelegenbeit für ibn mar : bie (Sache ßutber'g. (Srft erinnert er an bie ©fanbale, melche ber @treit ber 3)ominU caner unb grancigeaner über eine fo nichtige grage mie bic (Smpfängnig ber 2)2oria vor menigen gabten berbeigefübrt boi>c. „9^un aber", fährt er fort, „mag bu oießeicht noch nicht meigt, ift ju Söittcnberg in Soebfen (aug ber 5Rachbarfchaft lam Jütten fo eben jurücf) eine ?ßartei gegen bie ©emalt beg V^Pfteg aufge^ treten, mäbrenb bie anbere ben päpftliihcn 2lblag oertbeibigt. Von beiben ©eiten nimmt man einen gemaltigen Einlauf unb bietet viel Äraft auf. 3Jtönche fteben an ber ©pi^e ber Kämpfen* ben.' S)ie $eerfübrer felbft finb rafcb unb 1)16*9, öoU SKutbunb, (Sifer; halb rufen fie unb fchreien, halb jammern fie unb flageit bog ©chicffal an. S^leuefteng hoben fie fich ouch an bag ©chreiben

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^utifn’8 crpe Äenntnifena^me ton fiul^ct’S ?lbIo6fh:rit. 209

flctnad^t. 5)ic S3urf)brucfer bcfommcn ju tl^un. tDetben 0treit= fäje unb SoroHarien, ©c^Iüffc unb (toa§ fc^on mandjem übel bc^ fommeu ift) 3lrtifel üerfauft. 0o, ^offc id), tücrbcn fic fic^ flcgcu* feitifl ju (5Jrunbe ridjtcn. 3d) fclbft l^abc nculid) einem Drbend^ bniber, ber mir bic aj^ittf)eilung machte, 5ur ?lutmort gegeben : greffet einanber, bmnit i^r öon cinanber gefreffen merbet. SÖ^ein Söunjc^ ift nämtic^, bog unfre geinbe fo Diel olö möglich in ßtüietracbt leben, unb nid)t ablaffen mögen, fic^ unter einanber auf^ureiben. ^a, gebe @ott, bgg ade ju @runbe ge^en unb quö^ fterben, mclc^e ber auffeimenben 23ilbung l)inberlid) ftnb, bamit bie lebenbigen ^flanjungen ber l)errlic^ften Xugenben, bte fie fo oft vertreten l)aben, enblid) fic^ ergeben mögen."

0ofort fpric^t §utten bem ebeln greunbe 2Jtutf) ein. Der* fid}ert i^n feiner treuen üöunbei§genoffenfd)aft für alle gölle, unb t^eilt i^n\ ben ^lan mit, ben feine jejige ©tellung il)m nat)e legte: an ben gürftcnljöfen fo oiel möglid) für bie gemeinfamc 0ac^e ju merben. tiefem ^lane ift $utten bie ganje ^cit, bie er im crjbifdjöflidien ^)ienfte jubrac^te, nad^gegangen. 2)ie 0ad)e, für bic er marb, nannte fic^ nac^ iReuc^lin; fic mar aber bic 0ac^c bcö ^umani^mu^, ber in jeinem SSorfämpfer gcfäl)rbct mar. 5)em |)umani0muö burd) §ulbigungcn gegen gebilbete i^irc^ciu unb 0taatöobcrpuptcr 8d)u^ unb iöobcn ju üerfd)affen, mar aud) bic ^olitif beö @raömuö: mar bic natürliche ^olitif bcö ^umaniömuö, ber auch $uttcn treu blieb, fo lange er nur §u* manift mar. ßuthcr'ö ^olitif, bie -^olitif ber Sleformation, mar eine anbcrc. 0ie manbte fid; nicht an biciöilbung menigerSSor- nehmen, fonbern an baö 33cbürfni6 aller, audj ber ©eringen. 2tufllären lägt fidj mittelft ber (trogen: aber reformiren, ein entartetet itirchen* ober ©taattmefen umbilben, nur, ob mit, ob gegen bic (trogen, burd) bic SJtittleren unb Äleincn. 2)iefc (Sr* fohrung merben mir auch ©utten madjen fehen, fobalb er aut bem 9teuchlin’f chen Äreifc ju ßuther’t gähnen übergetreten fein mirb.

gür jeht freut er fid) ber oiclen 3Jiänncr,

melchc in grantrcich unb ^eutfchlanb, an $öfcn unb in Stabten bie Sache 3leuchlin’t uertreten. 3n Seipjig regen unb erheben fich, troh bet hortnädigen SBiberftanbet ber Sophiftc»» ^ic beffern Stubien. ^ach SBittenberg beruft Äurfürft griebrid) fichrer bet ©riechifchen unb ^cbräif^cn. ©anj befonbert günftig für bic VIL 14

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I. ^ud^. 9. ft(4>iiet

SBiffenfd)Qften aber fei fein Sürft, ber ©rj^bifd^of 5llbredbt, ge= ftimmt. @r fei ber eifrigfte Söetebrer unb Sefer beö ©ragmuö. (Sine 0(^mäbfcl)rift ^fefferforn'ö gegen Üteudb^'^'g greunbe, bic ibm fein Seibar^t ©tromer mitgetbeilt, bobe er jmar gelcfen, bann aber in baö Äaminfeuer, tnoran er eben fag, mit ben emig benf* tüürbigen Sßorten gemorfen : ©o mögen ju @runbe geben bie alfo reben! ^a^ aHe§ gebe Hoffnung, bag man baö Dorgeftedte erreichen merbe. 3)er greunb möge fortfabren, mie er angefangen ; mit üöegierbe febe glitten ber üerbeibenen ©ebrift miber ben morb- brennerifdben Äuttenträger entgegen. „3Kögen fie ung immer baffen, menn fie unä nur ^ugieicb fürchten müffen."

®em ©rafen Don S^iuenar mie noch anbern fjreunben $uts ten’ö mar beffen (Eintritt in ^ofbienfte befremblicb, ja bebcnflicb. 33iö ficb (SJelegenbeit jur münblicben, ober SUiuge 5U ausführlicher fcbriftlicber IRecbtfertigung finbe, bittet Jütten ben greunb, ju glauben, ba§ er feine frühere (literarifebe) ßebenSgemobnbeit barum feineSmegS aufgegeben höbe, gür bie b^bc er im

©inne, ficb ganj mit ben 33iufen auSjuföbnen, menn biefe ihm grollen foUten megen feines notbgebrungenen Eintritts in bie ^)ienfte beS ftoljen äJdarS : boeb eS fei fa fonft febon oorgefommen, ba§ fie im Säger unter bem ©etöfe ber SEÖaffen übernachtet haben.

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c$ittiett in JUtgdBttrg, n)S$rett5 ttnb itai^ bem ^eii^tage.

1518.

9^ad) furjcm 2(ufent^alt in 3Raing fc^rtc ^uttcn jii feinem gürften nac^ ©ac^fen, b. 1^. nac^ $aöe, tt)o biefer olö (grj^bifc^of üon SJiagbcburg feine fRefiben^ ^atte, j^urücf; boc§ meil bet 3^^ fammentritt bed Sleic^ötagö in §tugöburq fic^ immer (än^er uets ^ögerte, finben mir i^n im 9Rai abermals in SRainj, mo er fic^ bie mit einer Arbeit üertrieb, beren gorm unb 3n^alt burd^ ben ©ebanfen an ben fReie^Stog unb beffen Sleranlaffung bc* ftimmt mar.

0cit ©ulton ©elim'ö I. fReftierungSontritt im So^re 1512 mar bie oSmanifc^e 9Rac^t, bie unter feinem Sorgonfter einen ©tillftanb gemacht l)atte, üon neuem furchtbar gemorben. ©clim na^m ©l)rien unb 2leg^ptcn bem 3Ramclufcnfultan ab, ber grie» c^ifc^e ^Renegat $oruf öarbaroffa fe^te fic^ in XuniS feft, unb bie 3Raurcn bis gegen gej ^in, jum X^cil ©panien tributpflichtig, erhoben fich. S)ie gan^e abenblönbifche ©hnftenheit gcrieth in ©chreclen. ®er ^pft, nachbem er bie 33otfchafter ber d^riftlid)en Könige jur 33crathung mit einer Sommiffion oon (Sarbinälen ein^ berufen, lieg ein ausführliches ©utad}ten über ben Xürfcnlrieg an ben Äaifer gelangen, ber fofort bie ©ad)e auf bem für ben ©ommet 1518 nach Augsburg auSgcfchriebenen IRcich^tage ben ©tönben beS fReicheS oor^ulegen gebachte. 0b eS ^apftc mirflich um ben Xürfenfrieg, ober nur um baS ©elb ju thun fei, mar mehr [als jmeifelhaft; auch ber ilaifer gebuchte, burch bie grögcni ^Ib^ unb Ü^riegSmittel, bie er bei biefer ©e-

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I. 53ud^. 10. Äo^Jttcl.

Ie9cn()cit in bie $anb befommcn buffte, feine Der?

ftärfen; aber bieß mußte ja aueß ber beutfeße Patriot münf^eu: unb fo ging Jütten in ber ^Jtebe an bie beutfeßen gttrften, bie er in (Srmartnng beö Üleicß^tagö auöarbeitete, ganj in ben ©es ficßtöpuntt beö Ä'aiferö ein.

gür einen 2;ürtenfrieg mit biefem ©ebanfen eröffnet er feine Siebe treffen eben je^t bie ßöc^fte Slottjmenbigfeit unb bie beftc ©elegeiißeit glüefließ ^ufammen. S3ei ber Ueberüölferung 2)cutfd)tanb‘5 unb ber brüßenben X^eurung in 5o(ge beö üors jäbrigen SJtißmad)feö, müßte man bie S^eranlaffung j^u einem aui^s märtigen Ä'riege fudjen, um ben Stoff 511 innern Unrußen objus leiten, menn fie fid} nid)t in ber Mrfengefaßr uon felbft böte; bie unö äugleid) in feiner günftigern S3erfaffung treffen fönntc, alö eben je^t, mo mir mit unfern 9lad)barn g^icben, Solbaten im Ueberfluß unb einen güßrer mie SÄajimilian ßaben. 3n ber Sluöfüßrung feinet Xßema, bittet ber fRebner, offen fprec^en ju bürfen. @r merbe oiele unangenehm berühren müffen. ^ ed ihm aber lebiglich um bie Sad^e ju thun fei, möge man ihm nichts übel nehmen.

3a, bießmal fei ©ruft mit bem ^ürfenfrieg. ©r fei in ber Xhat nothmenbig, nid)t mehr, mie fonft fo oft, ein 00m ^apfte enegter blinber ßärm. 2)amit bepnbet fich Jütten be* reitö in jenem gal}rmaffer, in bem er fich fortan am liebften unb fröftigften bemegt. 58iö je^t allerbingd h^ben bie ^äpfte, fo oft fie ©elb gebraust, fich baffelbe unter bem S3ormanbe ber Xürfens gefahr bei unö ^eutfdjcn geholt. Unb boeß follten oon fRecßt^ megen fie unö ©elb feßiefen, nießt mir ißnen, menn unfer römi« feßeö Steieß nießt ein bloßer 9lame märe. 2)od) baö geße ißn hier nießtö an, mirft fieß ber Slebner ein ; er füßlt, baß er in ©e* faßr ift, abjufdßmeifen, unb inbem er fieß beffen enthalten ju mollen erflärt, tßut er boeß, meil ißm biefe Slbfcßmeifung min* beftenö ebenfo mid)tig ift, alö ber eigentlid)e ©egenftanb feiner Siebe. Sind) baö fei nießt feine Saeße, fäßrt er baßer fort, fon^ bern bes^ Äaifcrö, ju unterfueßen, mie in Slom jugeße, ob ba^

1) Ulrichi Ilutteni ad principes Germanos ut bellum Turcis infe- rant exhortatoria. Sd()riftpn V, 97—136. (5itic Äeibe onberer auf ben* felben ©egenflanb bejügl^et üctenftüde ebenbaj., 137 300.

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^utlcn’8 Xürfcnrcbe.

21S

ie^ißc S?crp(tni6 bcö Äoifcrö jum ^apftc ba§ richtige fei, bog nämlid^ ber erftcre feine Ärone üon be^ lejtem gügen aufnel^= men, für biefelbc @elb Oe^^ablcn unb §u(bigung leiften müffe. lieber Äonftantin’ö angebliche ©chcnlung magen mir nid^t 5U mueffen. (Sin patriotifcheö §erj müffe ungebulbig merben über ben ^aüienbanbel, bie ^enfionen, bie au^ ^eutfchlanb nach IRom fliegen: ba hoch ba^^ opoftolifchc Slmt mit fich bringe, baö SBort ®otte^ auä^ufäen, frembeö @ut einjnärnten. 5luch ^rieben ju prebigen, nidji Ärieg ju führen, h^be ber 9flebncr biö je^t für ben Seruf beö Dberhauptö ber ß^h^f^enheit gehalten, biiS er unter Suliu^ II. belehrt morben fei, bie Mirche h^^^ ^n $etri ©chlüffeln nicht genug, fonbern müffe auch ©chmerteö $auli fid) bebienen. £eo X. habe fich alö griebenöfürften angefünbigt; feinen Äfrieg gegen ben uertriebenen §erjog non Urbino muthe man unö 511, alö Sflothmchrju betrachten: bag aber unter biefem grieben^fürften bie Sarbinöle unö einen auögearbeiteten ilriegö^ plan jufchiefen, fei hoch feltfam. nerftünben mir ®eutfd)en nichts mehr bom Kriege, fonbern mügten unö bei ben ehrmürbi^ gen SBätern 9flathö erholen, benen beffer anftünbe, für unö ^u beten. Jütten fie unS lieber ®elb gcfchicft, einen Xh^^i beejenis gen, melchesS fie auf ihren maglofen §offtaat menben, ober unö auch nur etmaä oon ben ©ummen narijgelaffen, bie mir ihnen für ^allien unb bergleichcn /^u jahlen heitren.

(Snblid) lenh ber S^lebncr ein, unb fommt auf bie SEÖirflich' feit unb Ölröge ber üon ben dürfen brohenben ©efahr jurüd. (Sr gibt eine Ueberfidht ihrer QJefchichte, ihrer Eroberungen, er jjeichnet ihren unbänbigen mögen fid) bie ®eut?

fchen ermannen, ben 5Ruhm ihrer 33orfal)ren erneuern. 5)ic ^off^ nung auf ben ©chufe burch Gebirge, SÖälber unb ©ümpfe, auf bie ^öglichfeit ber mürbe neben bem ©d)inählid)en in

biefem jjaHe auch töufchenb fein.

3ft bemnadh ber Ärieg unläugbar nothmenbig, unb bie (SJelcgcnhcit, ihn ju führen, günftig, fo fragt fich für’ö Slnbere, mie er am beften geführt merben möge. ®ie mefentlichftc S3ebin=* gung ift Einigfeit, einmüthige Unterorbnung unter ben Ä'aifer. Jütten mir biefe, bann mürbe fid) baö 5Icugerlichc, bie S3eifd)affung ber ÄriegiJfoften u. f. f., üon felbft geben. ^)amit ift ber fRcbner bei einem ä^eiten Sieblingöthcma angelongt, beffen ^Im^führung

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I. ^vkS). 10. «aptUl.

bicgmal nic^t eine ^bfc^iDcifung ift, fonbern jur @q(^c gehört. O^nc ©inigfdt, füfjrt Jütten auö, muß ^cutfd^Innb, aueß abeje* fe^en Dom Xürfen, ©ruubc geßen. 2)aä gegenfeitige 0engcii unb örennen, @robcnt unb ^lüubern unter ben beutfc^cn gür? ften muß auf^ören. Söo^cr, fragt er, fommt euere Uncinigfeit? 2tud ©rcnjftrcitigfciten , ©iferfüc^teteien , JRaugftreitigfciten. ®ie öortt)cile, um bie i^r cuc^ janfet, finb fämmtlicf) üiel geringer, al^ ber, ben ißr äße Don ber ©inigfeit ßaben mürbet. Unb miffet it)r, loie baö Söolf über bie @ac^e benft? ä!^an moUe fid) uon eud^ mol)l bet)errfcßen, aber nid)t üerberbeu laffeu, fagt man, unb benft aueß mo^l auf gemaltfame Slbßütfe. „3n ber Xßat'^ fäßrt Jütten fort, unb mirb bamit fd)ün 7 3aßre oort)er ber ^ropßct beö S3auern(riegö, „menn i^r mir fein @ef)ör gebet (eud) meine id), benen bergleicßen jur £aft fällt), fo fürchte ic^, mirb biefe ^Ration etmaö fe^en, baö il)rer nic^t mürbig ift. ^enn menn bie 0ac^c einmal (mad @ott üerßüte) 5um SBoltöaufftanbe fommt, bann mirb man feinen Unterf^ieb meßr machen, nießt meßr fragen, mic üiel jeber, ober überhaupt, ob einer gefd)abet ^abe, unb an mem iRac^e 5U nehmen fei. 9Rit ben ©d)ulbigen mirb e8 bie Unfe^uU bigen treffen, unb oßne 9flücffid}t, blinbling^, mirb man müt^en." 2Ran nennt und Flitter iRäuber. SlUein bie dürften geßen und mit if)rem S3eifpicle ooran, gebraud)en und tl)cild 5U iljren iRäu* bercien, tßeild berauben fie und felbft. 5lud) im 3ludlanbc, nament^ lic^ in Stalicn, finb bie beutfe^en dürften, i()re Belage unb ©trei= tigfeiten, ©egenftanb ber 9Rißa^tung. Ä^raft l)aben mir 2)eutfcßen im Ueberfluß, aber bie jmedmäßige S3ermenbung fe^lt. SBir geben und ju öicl mit unnötl)igcn 2)ingen, mit ben bloßen Vorübungen jum Kriege, mieSagb unb 5:urnier, ab: fommt ed bann j^ur ©ac^c, ^anbelt ed fieß um bie ©r^altung bed Veießd (beim an feine Ver* mel)rung benft joi boc^ leiber 9demanb), um Verfechtung bed Vaterlanbd unb ber Veligion, fo ift nirgenbd ©ifer.ju oerfpürcn. „©0 bleibt unfere Xapferfeit ftetd eitel, unfere toft nuplod, unb unfere^ 9flad)barn laffen und moßl für gute Kämpfer, aber nicht für tüchtige Ärieger gelten. Unb bad ift nicht ber ©olbaten, foubem oorjugdmeife ber gührer ©chulb. @d lebt in ^eutfeh- lanb eine ftarfe 3ugenb, große, na^ maßrem Vuhm begierige §er^ett: aber berSeiter, bergüßrer fehlt. @0 erftirbt jene kraft. Sie Xapferfeit fpannt fich ab, unb ber glühenbe

^uttcn’S lürfcnrebe.

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fommt im ^)unf du." ^cr Xürfc mei§ ottjugut, mie unerlägltdö ju großen Xljatcn ©inigfeit unb @e!)orfam finb, aU baß er unS 2)eutf4e jemaU fürchten füllte. 2(6er nid)t blog ber Xürfe: fo lange un§ jene ©tücfe abge^cn, fagt §utten üor^er, merbe fein noc^ fo fc^road^c« SBoltfcin, boö unö fürchte, ja ba^ nic^t bei ©elegcn^eit unö anjugreifen magen foHte ! SBte ma^r gutten gcfproc^en, baoon ^aben mir feitbem Oicrtf)albl)unbert 3al)re lang eine Steife oon Erfahrungen, eine immer fd}mäf)licl)er unb fdjmerj* lieber aU bie anbere, gemad)t; enblid) h^ben mir und gefügt fein laffen, um aldbalb ju erproben, mic fRccht er auch init bem anbem 3öort hotte, bas mir halb uon ihm hören merben: menn bic S)eutfchen einmal begreifen, mad ihnen S'totl) thuc, merben ftc bad erftc SoU ber SBelt fein.

Sieben ber Einigfeit, fährt §utten fort, gebrid)t ed ben ^eutfehen auch on ^^efonnenheit, an fluger, nüd)temcr S3eratl)ung unb planmäßiger, ftetiger Sludführung. Hud) hier gel)t bad böfc 5öeifpicl oon ben ©roßen aud, bie felbft auf fRcichdtagen kaufen unb ©pielen ;^ur §auptfache machen. Xk gürften finb auf bad Sllter unb ben ©lanj ihrer ©efchled)ter ftolj\: allein menn fie ihred hohen ^oftend fid^ nicht au^ felbft mürbig jeigen, hot jene ^Ibftammiing unb äußere SBürbe ebenfo menig ^erth ald2)auer.

3ur Einigfeit aber gehört ganj befonberd, baß, mie über« haupt, fo oor allem in biefem Kriege, Einer bad §aupt, ber Führer fei, bem alle ?lnbern unbebingte ^olge leiften. 3m 5^riege liegt am gelbherrn mehr ald am ^eere. 2öad mürbe ber Xürfe barum geben, euch ohne gührer, ober ohne ©ehorfam gegen bie« fen 511 finben. 2)en gührer hobt ihr : na^ bed gefammten ^cutfeh' lanbd Söahl unb SBißen ift ed iiaifer üKajimilian. Er ift biefer ©tellung mürbig : alfo folget ihm. ®cr Äaifer ift bereit : ed fehlt nur an ben dürften, baß fie feinem §lufruf entfpre^en unb ihre ©chulbigfeit thun. 0chon mehr ald 30 3ahre beftreitet er oon bem Ertrage feiner Erblänber bic Saften bed Steiehd, hot feine Blühe noch Blaft bei 2^ag unb bei Blad)t : unb mir, menn er ein« mal feiner fßflidjt gemäß einen ftraft, fehreien übet ^)rucf unb flagen über 2)ienftbarfcit ; Freiheit aber nennen mir cd, um bad Bleich und nichtd ju fümmern, bem Ä'aifer feine 5olge 5U leiften, unb ungeftraft alled und ju erlauben. Einige ~ 5mar nicht gür« ften, aber fürftlichc Bläthe (auch hievin fommt Jütten ben ©ebanfen

216

I. 10. Papltel.

SJiajimilian'ö entgegen) gel)cn mit bem ^lanc um, auf ben galt üon bciS iegigen Äaifcrö Ableben, bic Äronc einem gremben ju übertragen. @in fc^mät)lic^er, unbeutfe^er, l^oc^ucrrät^erifc^cr ^4^tan: alö ob in ^eutfe^tanb baö fürftlic^e öliit anögeftorben märe. Stber man meint, unter einem entfernten ^errfc^er befto freier ju fein, unb bebenft nic^t, bag berjenige, in melct)ern man nur ben läftigen §erni fie()t, oielme()r ber ©r^alter ber greit)eit ift.

^ie i!Öefd}affung ber äußern SO^ittel, ber i^riegöfoften be* treffenb, äußert fid^ Jütten gans einoerftanben mit bem päpftlid^en 5lnftnnen*)- 2)en üppigen Pfaffen unb jllöftern, ben reichen Äaufleuten, ben $5^üßiggängern in ben freien 0täbten, mie er ftc nennt, in bie Seutet greifen ^u taffen, foftete ben tRitter feine Ueberminbung. Slm liebften b^tte er freili(^ moI)l bie ßarbinäte um einen Xt)eit i()rer auö ^entfd)lanb gezogenen 0c^ä^e erteid^s tert, unb eg gefc^iet)t nur um fie befto pärter onjuflagen, menn er augbrüdlic^ erftärt, oon it)nen foüe ju biefem Ä'ricge uid)tg geforbert merben, cg fei genug, menn man aueß fie nidjtg forbern taffe, unb Sorfe^r treffe, baß fie nic^t, mie fie fd}on mc^r get^an bog töbtic^c Unternehmen ftören fönnen. ®icfc Sfiömtingc gönnen et)cr ben dürfen atg ben 2)cutfd)en einen ^umaeßg an 9Jiacht. ©0 haben bie ^äpfte ben oierten unb fünften Heinrich, fo bic |)ohcnftaußfchcn griebrichc, burch ih^c 9tänfc oon bem ßug iw ben Orient jurüefjuhatten gcfud)t. „^arum, menn id) freimüthig fagen fotl, mag id) benfe, h^bt it)r in biefem Kriege ebenfo fel)r gegen Sftom atg gegen Slficn auf ber §ut ju fein; mcit entfernt, baß ihr irgcnb etmag nad) ber chrmürbigen SSätcr fRathc thun bürftet. ^ci euch ^hi^ fudhen, unter euch

33cfchtüffc ju faffen, unb ni(^t jene ränfeüotlcn fRathgebcr oon außen j^u^utaffen."

Sflochmatg ruft fofort ber fRebner jum ^^ürfenfrieg auf unb mieberhott einige ber bigher auggeführten ©rünbe; gtaubt hier- auf unter feinen 3nhö^ern eine juftimmenbe 5tufrcgung 5U bemerfen, unb feptießt mit bem SSunfdje einer bcharrtichcn unb gtücftichcn Slugführung.

1) SBä^renb bie Qrür^en oI§ ©tanbeSperfonen nod^ Selicbcn jau- len jonten, tt)ar für fämmtlic^e ©eifilie^e, »ic für Se^enStrflger bet

jc^Tite, toeiler abwärts ber jwanjigftc u. f. f. X^eil beS SinfommenS für brei l^a^re in ^nfprudfi genommen.

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^utten’S ^ufent^It unb Umgang in 9(ug§burg. 217

®icfc S^cbc fd^icftc ^uttcn am 25. SJ^ai uon SHainj auö feinem ©önner unb greunbe ^eutinger in ^anbjd;rift=

(irfj ^u; feiner fpötern @räiU)Iun(i jufoiqe ()atte er im ©iune, fic am fReic^ötage mirflid) ju ()alten unb ^ernac^ bruden ju laffen. 211^ er aber halb barauf felbft nac^ Slufliisburg !am, vietben be^ formte greunbe, unter iftnen mabrfcbcinlifb ^cutiitfler felbft, il)in uon ber SSeröffentlid)ung ber fRebe ab, mcil fic inöbefonbere üon ben ^luiSfäUcn gegen fRom ^Inftofe unb ©cfabr für i^n bcfürcbtctcn. Jütten gab i^nen 2(nfangö nach, unter bittern i^lagcn über bic fcblecbtc 3cit, in mclcbcr ein freimütl)igc^ 2öort feine ©tättc mct)r finbe. 0päter fc^cint er ficb mit il)ncn, bic jumXb'-’il faifcrlitbc TOtbe unb ©d)rciber toaren, ba^in ocrglid)cn ju buben, baß bic Sflcbc jmar gebrudt, aber bic anftögigen ©teilen, für $uttcn gerabc bic miebtigften, mcggelaffcn mürben, ©o fd)idte er fic am 13. Detober an 3afob uoniöannifiö mit bcriöittc, fic beniÄlaifer oor^ulegcn, unb il)m bei biefem cnblicb einmal eine öeförberung au^^umirfen '). SBic il)m halb barauf bic S3erftümmclung feiner Siebe unerträglid) fiel, unb er fic üollftänbig bruden lie6, merben mir an feinem Drtc finben.

3n 2lugöburg mobntc Jütten mäbrcnb unb noch eine lang nad) bem Slcicb^tagc in bem |)aufc bcö abmefenben 2)onis ^errn @eorg ^ro^, mo fein S3crmanbtcr, ber ^om^err unb 0ffi* cial Xl)omai§ oon Söiröbcrg, ein SJlann, ber ^uttcn’ö (^eift unb ©c^riften ^u fc^äpen mußte, megen äRangcld an Slaum im eige* nen ^aufc il)n cingcfüßrl ßattc unb für feine 53cbürfniffc ©orge trug. Jütten lebte ßier im Umgänge mit oielen trcfflid)cn ÜRän* nern oermanbter ©cfinnung, mcld)e tßeilö in 9lugöburg rnoßn^aft, t^cild burc^ ben fRcic^ötag bal)in äufammengcfül)rt maren. Unter ißnen befanben fieft außer ^cutingcr, ©tab, ©picgcl unb bem ßeibarjtc feinet Äurfürften, ^cinric^ ©tromer, ber eben genannte 3afob oon ©annipö, ^)cfan oon Xrient unb einer ber oertrau* teften Slät^c ÜRaf imilian'd , ben er auc^ auf feinen oermegenen ©emfeniagben ju begleiten pflegte, ©leicßfallö im ©cfolgc bcö

1) lieber bieje ©d^ttflale jetner lürfenrebe ögl. bie 33riefe an Julius oon ^flugf, ^irrfbeimer unb 3ofob oon ®onnifiS, 6cf)riften I, 6. 185. 206 f. 192 f. Qfetner U. Huttenus liberis omnibus ac vere Germania, ebenbaj. e>. 240 I

218

I. Sud(). 10. j^apiiel.

^aifcrö war bcr gelel^vte ÖJraf Ulrich Don ^clfenpcin, bcmSBilis halb ^ircf^cimcr eine feiner Ueberfelungen auö bem ^lutord^ wibmete, unb ben mit §utten nod^ befonberg ber gegen ben ^erjog Ulrich oon Sßürtemberg, ber i^m ein 0c^lo§ niebergc= brannt l^atte, oerbanb. ^er ^ngöbnrgcr ©gibiuö 9flem war ^ut* ten’ö ©tubiengenoffe oon^aüia ^cr; mit bem Staliener Xerbatiu^ Don SSicenja gab beffen au^ejeieftnete ^lenntnife beö ©rie^ifc^en unb ßateinifc^cn einen 33erübrung§punft ; wie mit bem ßicbl^aber geheimer SSci^b^tt, 3obann SJ^aber, genannt gönifeca, bic gemein* fame S^erebrung für S^leucblin. 2)er Xbeolog Defolampabiuö fam Don 33afet unb brachte S^aebriebten über @ra§muö; Sflitter ©ig* munb Don |)erbcrftein, Don einer ©efanbtfcbaft ju bem ÜÄoSco* witerfürften gurücfgefebrt, belehrte ben nach allen ©eiten bin wiß* begierigen |)utten über ben Sauf ber SBolga, nnb bag feine rbbPbniWcn unb üöerge gebe. S)a6 eine ©acbe,

bie in berSWeinung bcr.äJfenfcben fo feft ftanb, Don ber fo Diele treffliche SJiänner al§ Don einer au^gemad)ten gefebrieben bitten, ficb in gabeln, inS^iebtö auflöfte, machte auf Jütten einen tiefen, faft erfebütternben ©inbruef*).

S)ancbcn Derfolgte Jütten ben @ang be§ 9feicb!§tagö mit gefpannter Slufmerffamfeit. „2)a^ angenebmfte ©ebaufpiel", febreibt er an ben meignifeben Domherrn Suliuö Don $flugf nach Bologna, „bietet fid) hier Silier Singen ba. ©o Diele gürften, ausgezeichnet bureb 3ugenb unb Söoblgcftalt, eine fo groge 3Jfenge Don ©rafen unb 9iittern, bie S3lütbc beS beutfeben SlbclS: wer fie anfebaut, bem fönnen bic Mrfen nicht fel)r furchtbar erfebei* nen. SBcnn b^ntc bic 2)cutfcben fo Diel §irn als Äraft b^*P^n, möchte ich bcr SBclt mit Unterjoebung broben. ®cbe @ott, bag biejenigen ficb wohl beratben, Don bereu 9latb alles abbüngt. 5)cnn Was anbereS müffen wir wünfeben, als bag ic|t eben ^eutfeb* lanb ficb erfennen möge?" ©rfreulicb war babei für §utten bie SBabrnebmung, bag weniger Slufwanb als fonft bei folcbcn S3cr» fammlungen gemadjt würbe; er wu^tc freilich nid)t, burfte er cS als ßcicben befferer S3cfinnung, ober nur als golge bcr eben berrfebenben Xbciirung betrauten. 5)cnn in Kleibern war noch

1) S)ifjc 9lotijcn gibt ^utten in bem fo eben ongefü^rten 33riefe an ^irdheimer, a. o. D. 6. 213 ff.

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®ang be§ 9lei(^toQ§.

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große ®ctfc^locnbung ju bctncrfen, tnbem c3 bic 5)cutfcßcn ben gronj^ofcn nac^t()un looHtcn; imb gctrunfcii tourbc auc^ iioc^ tücßtig, um babci bic bcutfc^e 5lrt boc^ nid)t gnuj ücriäugncn.

2öäi)rcnb auf biefcm fRcid>5tagc gegen ^utten'^^ 5einb, ben ’&CT^og Uiric^ oon SBürtemberg, bie erneuert, aber nic^t OoUs jogen mürbe, miberfiibr feinem §crrn, bem @r^bifd)of 5Ubrcc^t, große 6t)rc. ®cr $apft fanbte i^m, unb jmar 511 aUgemcincr Sermunberung unentgeltlich, ben (Sarbinal^hut unb Purpur, mo^ mit ihn am 1. 5tuguft bei feierlichem §o(^amt im ^Dome, im Greife uiclcr gürften unb (£bcln unb unter bem ßubrang einer ^ahU lofen SD^enfehenmenge ber pöpftlichc Segat beflcibetc. ®er ^aifer fclbft gab ihm 00m ^om au8 baö ©elcitc in fein Quartier, unb fehiefte ihm hi^tauf eine fönigliche ©önfte, ^ferbc unb foftbarc Xcppiche j\um ©efehenfe. ^ic folgcnbcn ^gc famen nadh cinan* ber bic 5ütftcn, ihm jju feiner S^eförberung ©lüct ^u münfehen, unb auch Muferm fRitter fchien fo oiel (5Jlücf in fo fur^er (binnen fünf Sahnen jroci ®rjbiöthümcr, bic ii^ur? unb nun bic ©arbinal^mürbe) eine befonbere ©iinft ber ©öttcr für ben noch jugcnblichcn §llbrccht ju berbürgen*). Qb übrigen^ ^uttcn'ä greube über biefc feinem §crrn gemorbenc ^(ugjeichnung fo un« gcmifcht mar, al^ er fie bem gciftlid)cn Diplomaten pflügt gegen* über au^fpricht, ift ju bejmeifcln. Sßar hoch neben bem 3(blaß ein jmeiteg S3anb, um ben gebilbeten unb mohlmoUenben, bafür auch öon glitten mirflich gcfd)ä6ten, aber bequemen unb beftimm* baren gürften an ba^ Sutereffe be^ römifchen ©tuhlö ;^u fetten!

9Rit bem |)auptgegcnftanbe bc^ fReid)ötag^, bem auch ^)utten feine geber gemibmet hatte, ber Dürfenhülfe, ging nicht recht OormärtS. Der fiegat hiett einen SSortrag, in meldjcm er bag päpftliche ?(nftnncn, namentlich in 53ctreff ber 5lufbringung ber Shiegöfoften, barlcgte. 2)iit bemÄaifer üerftönbigte er fid) leicht; aber bei ben gürften ftieß er auf Sßiberftanb. Äm 24. kuguft, alö ^)utten ben ©rief an pflügt fdjricb, fchmebte bic Sßerhanb* (uug noch: ber Äaifer that unb §uttcn hoffte ba^ S3cftc. Drei Dagc barauf mar eine entfehieben ablehncnbe $lntmort ber ©tänbe ba. ©eine halb nachher gebruefte fRcbe nannte Jütten je^t ein ©piel ; nid)t mcil c^ il)m mit bcrfclben nicht ®rnft gemefen, fon*

1) au§ bem ongefU^rten $rief an :^uliu3 non ^flugl.

J

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I. $U(I^. 10. ftapitel.

bcrn lueil bei ben bcutfd^en dürften für gelte, Dom

Xürfenfriege reben. ^utten’ö ©inpfinbungen bobei toareii gemifd^ter Slrt. bic römifd)c ßurie mit ihrem ©clbgefudhc

burchgefaHen mar, gönnte er berfclbcn um fo eher, je mehr er felbft überzeugt mar, ba§ baö ©elb and) bie^mal mieber nur für bie 2!afchen ber römifdhen Höflinge beftimmt gemefen. aber bie beutfdhen dürften gegen bie feincömegS cingebilbete Sürfen^ gefahr fo gleichgültig maren, oerbrog ihn hoch. @r fah eine (Schlaffheit barin, auö ber er ihnen hütte gönnen mögen, burch einen mirfüdhen ©infall ber Xürten aufgerüttelt jju merben*).

9Son hier au§ fäHt auf eine ohne tarnen erfchienene (Schrift, bie fur^ t)or ober mährenb be§ fHeich^tagä gefdhrieben fein mag, ein eigenthümliche^ 2id)t. 0ic h^^l gorm eineö SRunbfchreU bend an bie beutfd)en »»gürften , bag fie ben uerlangten Xürfens jehnten Oermeigern foUen*). 2)aö ®anje fei ein fein angefpon* neuer betrug ber fRömlinge, ben, mie fie meinen, 9licmanb, am menigften bie tollen unb oollcn ®eutfd)en merfen merben. 2)er Xürfenfrieg fei nur ein ißormanb, um ba^ unmiffenbe SSolf auö- juplünbern. §ätte man j^u fRom ober in ®eutfchlanb ba^ ®elb aufbemahrt, baö nur allein unter griebrich 111. unb SRajimilian für Gallien nnb öhnlid)e ©aufelcien nad) 9tom gefloffen, fo hätte man je^t ÄriegSmittel im Ueberflufi, unb brauchte nicht bie ©h^iftenheit mit neuen Sluflagen ^u befchmeren. Unb „ben dürfen moHet ihr fchlagen?'' fragt ber ^ebner. „3ch lobe euer SSorha* ben; ober ich fürchte, ihr irrt euch im Spanien. 3n3talien, ni^t in Slfien muffet ihr ihn fuchen. ©egen ben ofiatifchen ift jeber nuferer gürften jurSßertheibigung feiner ©rennen fid) felbft genug: ben anbern aber ^u bejöhmen, reicht bie gan^e d}riftlid)e Sßelt nid)t hin. 3ener, mit feinen ©renj^nachbarn im Streite, h^t un^ noch nichts gefdjabet: biefer müthet überall unb bürftet nach 33lute ber Firmen ; biefen §öHcnhunb fönnet ihr auf feine anbere 5lrt al§ mit einem golbenen Strome befchmid)tigen." ' Slermeigcrn fie nun ben uerlangten ßchnten, fo ho^cn fie fich freilich auf ben päpftlichen iBonn gefaßt ju machen. Sltlein furdhtbar fei nur

1) ?ln 93Qnnift§ unb ^Ptrd^ieinwr.

2) Exhortatio viri cujusdam doctissimi ad pnnoipes, no in decimae praestatiouem cousentiaut. 9ln ^uiten’S S(htifttn V, 0. 168 175.

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?(non^inc Sd^rift ^eqtn bfn Xütfcnae^nifn.

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(S^rifti S3litftral^I, nid^t bcr florcntinifd^c. Xq6 ^ ftd^ ober bicgmal nur um bic 5lngclc9ent)citcn ber glorcntiucr, b. i). Seo'ö X. unb feiner ^fJepoten, bonble, fei offenbar. 3m oorigen @ommer fei mit ung(aub(irf)cn i^often ber ^)crjiog oon Urbino ju ©unften be^ ßorenj oon fU^ebici ocrtricben unb abgefunben, bi^^^ouf, um baö @elb baj^u 511 bcfc^affen, unter bem S^ortoanbe einer 5^cr* fc^mörung gegen baö ßeben beiS ^ßopfteö, büö SScmiögen bcr rcidjs ften Sarbinälc cingc^ogen morben. Slblaji merbe geprebigt für ben öau ber ^cteröfirc^c : aber bei 9tad)t manbern bie <Stcinc j^um ^alaftc bcö püpftlic^en 9^epotcn; mät)rcnb an jener i^irc^c nur j\mei ?lrbcitcr bcfd)öftigt feien, moruntcr ein lahmer. Unb ba man bem^apfte, feiner 2)idlcibigfcit megen, fein langet ßeben üerfprcc^e, fo braud)e man ®clb, um bem SRepoten für aUc gäHc eine üorncl)mc grau unb ein gürftentl)um in granfreie^ ^u oer^ fd)affen. 2)ic6 ^abc auf fic^ mit bem neuen M

baf)er oon ben 2)cutfc^cn l)offcn, bag fic fic^ ouf einen fo fc^ünbUc^cn ^lan nic^t cinlaffen merben.

grüf}^eitig touvbc biefe 0d)rift Ulrich Oon Jütten juge* fc^ricben. Söcil man i^m in feiner Xürfenrebe bie SluöfäHe gegen bic römifc^cn (Srpreffungen gcftvic^en tjatte, fönnte er in einer anonymen ©c^rift gcrabe biefe ©teilen tociter auögefül)rt, unb bariiber bic ?lngelcgenl)cit beö Xürfenfriegö, alö unburc^fü^rbar, faden gclaffen ^aben. ?ldein fo laltfinnig, alsJ in biefer namen* lofen ©c^rift gefd)icl)t, fprac^ er fic^ oud) nad) bem fReic^^togc nic^t barüber auö. @ine ©tede mie bic, ba§ jur ^Ibmc^r ber dürfen jeber einzelne gürft fid) felbft genug fei, mürbe Jütten fc^mcrlic^ jcmalö gcfc^vicbcn ^aben. ittuc^ ©prac^c unb ©a^bau bcr ©c^rift ift minber flar unb runb atö bei Jütten, ^aß ber Serfaffer fic^ gegen ben ©c^tu^ ald einen oon Sorenj oon Öibra gemeinten $rieftcr be^cic^nct, unb für biefen 33ifc^of oon SBürj^« bürg, fo mie für ben oon iöambcrg befonberee gntcreffe an ben Xog legt, fönnte für fid) adein genommen alö abfic^tlic^eö Ißcr* ftccffpielcn erfc^cinen, aber in Söerbinbung mit bem Uebrigen leitet entfc^icbcn oon Jütten ab. 3)agcgen pa§t oodfommen ouf ben mürjburgcr ^om^errn gricbric^ 5iWcr, bcr in iöologna ^utten’d ©tubcnburfd)e gemefen mar unb bort bie oben ermähnte ©c^rift bed ßaurcntiuiJ ®ada für il)n abgcfc^riebcn ^atte. 2)o er nac^ $uttcn’(^ Slbreife nod^ bofelbft jurürfblicb, fo fann c^ gar

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I. 10. Stcä^t

t

too^l fein, baß er, tote bet SBcrfaffer ber Exhortatio öoi! fogt, bret Don ben iregen beS Xürfenje^nten au^efc^ieften £egaten in Öoiogno ^at einjic^cn fe^en.

Sieben feiner ^efc^äftigung mit ben !ird^lic^b*>iitifci^cn gelcgenl^eitcn fegte inbeß §utten feine gumaniftifc^e SBerbung für fRcuc^ün noeg immer treulich fort. Siele @änge mdd^te er in ^ugdburg, um bie beften SP'^änner im befolge ber onn>efenben gürften für bie 0ad^e ju gewinnen; wobei i^m bie angenehme SBagrncbmung würbe, baß biefe Semü^ung faum me^r nöt^ig, bie mciften oon felbft fd^on für fReucglin waren, ©ein 9^ec^tö* ^anbel fegien ganj eingefd^Iafen. Son ^öln lief bie 9>locl^rici^t ein, ber @raf oon 9tuenar ^abe ben ^oc^ftroten, wegen gemeiner ©c^mä^fd^riften gegen i^n, au^ ber ©tabt Oertrieben. 5luS granfreid^ melbeten bie neuen greunbe (gäbet, Subäu^ k.), baß bort fReucglin’ö 5Uome ^oc^berügmt, unb ben 2;i)eotogiftcn jebe ^Öffnung bCiS ©iegcä benommen fei^).

SBä^renb feinet augöbutger Slufentbaltö war e^ auc^, baß bie oerbefferte unb oermc^rte ^luögabe beö 9tiemanb, welche Jütten größtcnt^cil^ fc^on Oor feiner ^weiten Slbreife na^ gtolicn fertig gemacht ^atte, enblic^ im 3)rucf erfd^ien. Äm 24. 2luguft fün» bigte er bieß bem in Sologna wcilenben Suliuä $ftugf mit ber 9lufforberung an, 2ld^t 5U geben, waä bie gtaliener ju ber ^offc fagen. 3n 2)cutfd^lanb, in Slug^burg befonberö, machte fie jiems lid^cn Sumor. 3a, bie Slugfälle ber Sorrebe machten unter benen, bie fidb getroffen fügltcn, böfeg Slut. 5)ic 3uriften oor SlUen glaubten fid) gröblich angetaftet, jogen bei ßcc^cn unb äRa^ljeiten gegen ben Serfaffer log, unb oerobrebeten fid^, i§m ingfünftige i^ren Sed^tgbeißanb entjie^en ju WoUen. ©elbft bei feinem i^uts fürften würbe er wegen feineg, wie eg ^ieß, unbefd^eibenen Slngrtffg auf bie 3uriftcn unb 3^1^eologen alg ein fd^mäbfüd^tiger 3Kenf^ augefc^wörgt, unb fanb ba^er nöt^ig, in einer feiner näd^ften ©d^riften, bic er bemfelben wibmete, ju Ocrftc^ern, baß er nur biejenigen gemeint ^abe, weld^e, felbft unwiffenb, jebeg beffere ©tubium ju unterbrüefen fud^en. Uebrigeng würbe i^m bic Qk- nugt^uung, baß wa^rl^aft gelehrte unb oerftänbige fU^önner mit

N

1) 3n bem oben ongefU^rten Srtef an

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^itiini tn ^lugSburg. 223

i^m bcr X^orcn lad^tcn, unb i^m i^rcn tjollcn SBcifoII bc^ zeigten »)•

Obwohl ber @ang, ben ^utten'ä (Sntroicflung na^m, ftd^ immer mc^t bem fünfte näi)ertc, too er mit ßut^er j^ufammen? treffen mußte, fo faßte er boc^ für beffen ©aeße qu^ ie|t, mo beibe moc^enlang in ßiner ©tabt jufammen maren, meber eine ttwrmerc X^cilna^me, nod^ einen ßö^ern ©efid^ti^punft. Som 7. blS 20. Cctobcr befanb fic^ Sut^cr in bcr befannten SBerßanblung mit bem Sarbinol CSajetan ju ^ugöburg, oßnc baß Jütten biefer Änmefcnßcit, uielmenigcr einer perfönlic^cn SSerüßrung ermäi^ntc. grcilid^ machte er gerabc njQ()rcnb jener S53od)en feine ©uaiafsSur burc^, welche ißn auf fein Äranfenjimmer befc^rän!tc, unb ben ßutritt ju i^m nur genaueren öefannten möglich ober münfc^cn^s mert^ machte. ^)a^er fprid^t er in 33ricfcn auö jener 3^it Jtnar non bcö jungen 9J^cland)tbon 33erufung nac^ SBittenberg auf ben £c^rftu()( ber gried)ifcbcn ©praeße mit greubc ; non @d’d Angriff ouf Äarlftabt mit lanb^männifc^cr 2^^eilna^mc: luie er aber auf fiut()cr’ö Äriege mit eben biefem @d unb nicicn Slnbcrn ^u reben fommt, inciß er immer noc^ nic^tö Öcffercö j^u t^un, alä fic^ bie ^önbe ju reiben nor Sergntigen über baö ©c^aufpiel, bie ^t^eo^ logen fic^ untereinonber felbft jerfleif^en ^u feßen*).

SBon bem ßegaten, mit melcßcm Sut^cr in ^ugöburg ju t^un ^attf, unb ber ouc^ fc^on bei bem SRcid^ötagc tl^ätig getnefen tnar, naßm bagegen Jütten mc^r 9lotij, alö bem 9Jionnc lieb fein tonnte. ©d)on al^ päpftlic^er ßegat njar er bem Dritter jumiber: nun aber trat überbieß biefer Sarbinal Sajetan in Äugdburg mit einer an iltarr^cit grenjenben ®itcl!cit unb ^runfs fu^t auf ; ein ^oc^nafiger Staliener, mclc^em in bem borbarifeßen 2)cutfc^lanb nic^tö gut genug tnar. S8on allem bem foHtc i^m nic^t^ gcf^cnlt merben: Jütten na^m ißn jcbenfaH^ feßon jc^t aufd ilorn, ttjcnn auc^ fein ©efpräc^ : baö gieber, in tnelc^em er i^n burc^jie^t, noc^ nic^t in Äugöburg gcfc^rieben fein folltc.

9toc^ tein 3u^r lebte $utten im ^ienfte bc^ Äurfürften

1) ?ln ^irdlictincr, ©Triften I, 6. 211. De Guaiac. c. 7. Sd^riflen V, 6. 419 f.

2) 3ht nett 39rtefen an ^uß! öom 24. Äuguft unb an ^rtf^eimer Dom 25. Cctober, aifo iener uor fiut^er’S ^nfunfi tn ^(ugSburg, btefer na(^ feiner «btrife geft^tieben. St^riflen I, ®. 187. 216-

224

I. 10.

uoii 9Rainj, unb tängft ^atte i^m bag ^ofteben au^ feine ©c^Qttenfeiten gejcigt. fra^ft", fc^ricb er im 2Kpi 1518

üon 3J^ainj au§ an ^eutinger, „mie baö ^^oflebcn mir befomme?

nic^t i^um bcften. gmar, ma^ lägt fid^ nic^t ertragen unter einem fo äc^t fürftlld)cn ^errn, ber fo buman unb freigebig ift, mic @ri\bifcbüf ^lbrcd)t?'' unb mit einem fo aufrid^tigen, um' gänglicben greunbe mie fein Seibarjt ©tromer? „3m Uebrigen bin icb jener 2)iiige äugerft fatt : bc§ ^ünfeU ber ^ofteute, ber gläuäcnben SSerfpreebungen unb etteiilangcn öegrügungen, ber binterliftigen Unterrebungen unb beö leeren 2)unfte^.'' Unb an ©tromer fd)ricb er, fic beibc feien j\u gerab unb aufrichtig für ben $of^). igattc boeb ber ßeibar^t felbft im oorigen Scib^e be^ §leneaö ©bloiU§ ©ebrift über baö @lcnb ber ^ofleute mit einer SSorrebc berau^gegeben, bic mau al§ Sluöfübrung bc^ beutfeben ©prüd)tt)ort^ : Sang bei §of, lang bei §öll, bcjcicbncn fönnte. ©0 fanb er benn auch an .^utten'ö ^u^fäUcn unb ©d^erjen über ben ibm neuen ©tanb Gefallen, unb möbrenb ibreö gemeinfebaft* lieben 5lufentbalt0 am fRcidbötagc forberte er ben greunb auf, etmaS über biefe^ Xbema ju febreiben, um ficb ben SSerfammeltcii (ba ber ^)rucf feiner Xurfenrebe no^ bcanftanbet mar) bemerfbar ju machen.

mar feine Älcinigfeit, möb^enb ber ^unbgtage, förperlicb leibenb unb unter ben ©törungen cineö getümmelooHen S^tcidjötagg, in für^efter J^rift, mic ©tromer ücrlangtc, fo etmaö auöjuorbciten; noch meniger für einen angebenben ^ofmann, am §ofe felbft, ctmaö gegen baö §oflebeu ^u oeröffcntlicbcn. ®a§ alles führt Jütten bem greunbe in ber ßueignung ber oon ihm ücraulagten ©ebrift ju (^emütbc ; mobei er befonberS feber/^b^ft bie ©efabren förpcrlicber ÜJ^igbönblung Oon ©eiten oierfebrötiger ©ollegen auS» malt, bie fo etmaS einem „©ebreiber", mie fie bie belehrten fo gerne nennen, nidjt ungeftraft merben bmöcb^^« laffeu. 2)odb nad)bem bie fertige 5lrbeit, außer ©tromer'S, auch bie Billigung ^eutinger'S, ©piegePS unb ©tab'S erhalten bo^c, fcbließt Jütten, fo gebe er nach, inbem er ficb megen möglidjen 5InftoßeS bamit beruhige, baß an Äurfürft Sllbrecbt’S ^ofe ein ©cberj feine öJefabr bringe unb eine fomifebe Uebertreibung 5ured^tgelegt merbe.

1) S(i^rifien I, S. 174. 219.

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^uttni’8 über baS ^oflrbrtt. 225

9Wit feinem ©cf^räc^ über baö ^ofteben*) feierte Jütten ju ber bialo9ifc()cn gomi i^urücf, bie er im $()alariömuö juerft ergriffen, t)ierauf in feiner üierten fRebe gegen ben |)er5og Ulri^ unb ber Xürfenrebe, au^ ©rünben, bic im ©egenftanb unb ber 93eftimmung biefer ©c^riften lagen, mieber neriaffen böttc, bie aber non jejt an feine ßieblingöform bleiben füllte. ^)er 2)ialog eröffnet fic^ bamit, bag (Saftu^, mie er ben aJiifauluö alg ^ofmann mieberfiei)t, an beffen fc^önen Kleibern ein 2öol)lgef allen äußert : morauf i^m biefer crmicbert, er ^abe fic^ früher in feinen ßumpen beffer befunben ; benn bamalö fei er frei gemefen, jc^t fei er ein ©flaue, ßaftud ift gemiffermagen ber frül)cre glitten felbft, ber, nad) einer in ©tubien unb auf IReifen, unter ^Inftrengungen unb ©ntbc^rungen j^ugebrac^ten Sugenb , fic^ ba^ ^oflcben äugerft anmutt)ig, unb aU praftifcl)e fiebenöfc^ule auc^ f)öd)ft lef)rreid^ benft. ^Dagegen ift 2)?ifaulu^ ein alter, erfal)rener, jc^t überbieß ^urücfgefefttcr ^ofmann, ber nur bie ©c^attenfeiten l)öfifc^en Söcfcng fict)t, unb jmar bie ßuft beö anbern am praftifc^cn Seben billigt, aber ben ^of nid)t alö bie redete ©^ule beffelben gelten lägt. ®r üergleicgt bag ^ofleben einem ÜJ^eere, unb fleibet, maS er gegen baffclbe üor^ubringen l)at, oor^ugömeife in biefe ^lüegorie. 2)ic §üfleute finb beö Ulpffeö ©djiffögefeUfc^aft, bereu *irug unb ^interlift man nur bureg befonbere Äluggeit unb ®orfic^t entgegen fann. Ogne IBerfteUung unb ©cgmcicgelci namcntlicg ift bei ^ofe •niegt burcgjufommen. ^)ann finb auf biefem ÜRecre ©türme, nämlicg @unft, 9leib, (Sgrgeij, Ueppigfeit u. bgl., melcge alle bem ©cmütge feine IRuge unb Raffung rauben, gerner ©grten unb ©cgHen, an benen bie ©cgiffenben ju @runbe gegen, b. g. bie SSerbreegen (Unterfcglagung, ®erratg), moju manege fteg bureg ÜRangel, (Jgrfucgt u. f. f. üerleiten laffen. Älippen: bie größte unb gefägrlicgftc, ber ßorn beö gürften; Heinere, fein Ärgmogn (etma wegen freier Sieben), Sieib unb Änfcgwörjung non ©eiten

1) ülrichi de Hutten eq. Germ. Aula dialogus. IV,

6. 43—74 5)08 3“d0nung8|d()rciben I, ®. 217—220. ?II8 3)lufi(T lag bem

^erf., auber ber oben genannten 8(bnft beS VeneoS SbtotuS, bie Sucianif(^e ^eclamation IJn^l rdiv (nl aw6yi(ov oor, bie ft(b iebocti fpecieU auf

bie Dienfle griedfiijd^er Siteraten bei römifeben (Broten beliebt, unb bei gan) berfebiebener Sombofition, !aum blc unb ba in einem einzelnen fünfte mit bem ^utten’jiben (Sefprficbe jufammentrifft.

VIL 16

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226

1. 10.

bcr ßoUcgcn; ein geig, bor bcm man fid^ fe^r pten mug, ift auc^, in bic fc^önc ober 5^oc^tcr beö gürften fic^ j^u

öcrlicbcn, ober fic in fic^ üccliebt mad^en. 2)ie ©ecröubcr auf biefcm .gofmecre finb bic gürftcn, bie, menn fie mit

bicfcm in gc()bc fielen, feinen 3)iener gefangen nehmen lönnen, mo bann biefem übcrlaffen bleibt, fic^ mit feinem eigenen @ute lo^^ufaufcn, oft and) äl^arter unb Xob feiner märten. 2lud^ an einer garftigen ©runbfuppc fcljlt e^ bem §offc^iffc nid)t: ba§ ift bie Unrcinlic^feit in ©efc^irren unb betten, bic oerborbenen 0pcifcn unb ©etränfe , bic unflät^igen Xif^s unb öettgcfcUcn ; mobei Jütten mit fe^r grcUcn , nac^ ben ©itten bcr bamaligcn 3^*1 fc^merlic^ übertriebenen , menn auc^ für ben heutigen ©efc^marf abfto§cnbcn garben malt.

2)er ©c^cin bcS ?Reict)tt)um§ , mirb augerbalb bcr StUegorie bemerft, bcr mand^cn an ben ^of jict)t, ift eben nur ©c^ein. ®ic mciften beutfdE)en gürften finb je^t arm, in golöc i^rer Ißerfc^menbung , i^reö ^raffenö unb ®ro§t^unö; ber §ofmann ^at feine liebe 9^otl), feinen fargen ©olb oon il)ncn ^erauö- jupreffen, unb mug oft im ^ienfte, ftatt ju geminnen, fein ©igeneö l^ufe^eu. Slud^ in bcr SGßa§l unb ©d^öpung i^rer ^)iener i^cigen fid^ bic gürften ^öc^ft unoerftänbig. ©ic moUen at^letifc^e ©eftalten in i^rein ©cfolgc ^aben, gleid^üiel, mie'^ im §irnfaftcn auSfic^t; bogegen merben fleinc, magere, unfe^einbare Seutc, menn fie aud^ bic flügftcn unb gcfc^icfteften finb, l^intangefcjt. -- Unter biefen unb ä^nlic^en S^teben, meld^c bic $ofluft be^ Saftug fc^on j^iemlic^ l^crabgcftimmt ^aben, ertönt mit einem ÜJtale bic ©c^ellc, mclc^e ben SWifaulu^ jum 2)icnftc ruft, unb er ge^t ab, nac^bem er noc^ einmal ben greunb üor bcm ©intritt in gleid^c ^tned^tfe^aft angclegentlid^ gemarnt Ijat.

Unter ben ©rften, benen §uttcn feine neue 5lrbcit mits t^eiltc, mar SCßilibalb ^irdlieimer, ju bem er mä^renb ber lebten Sa^rc in ein genauere^ 93crl)ältni6 getreten mar. ^cin SBunber, bag biefe fcnatorifc^c ©cftalt i^n anjog, mic fie unö nod) l)cutc anjic^t. 3n feinem ?lnbcrn ift baö ^atrieiat bcr beutfe^en SReid^ös ftäbte bem römifd^cn nö^er getreten. $Rid^tö mar flcin unb eng angelegt in bcm 3Rann unb feinen SJcr^ältniffen. ©in großer, gcmaltigcr Körper, üon frü^ auf rittcrlid) geübt; ©eburt au^ einem ebcln ©cfc^lec^tc bcr banialö erften bcutfdjcn ©tobt ; ererbter

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igmHcn unb SBiliboIb

227

9ftcirf)t^um; flcle^rtc ^lugbilbunfl in Stalicn, ^öfifd)c unb friegerifc^c im 2)icnftc bcig i8ifd}ofi? üon @id)ftabt; mo einem ©eiftc non ftarfer unb umfaffenbev Einlage fulc^e 3^iitgabeu {)in^ufamen, bo füimte fic^ etmas iöebeutenbe^' entmicfeln. Äaum er feine Gilbung uoUenbet, fo nahm er im fRat^e feiner 33atcrftabt feine imponirenbe (^eftalt, feine äi>oI)lrebent)eit, feine biplomatifc^c Haltung mad)ten il)n befonberö ju (^efanbtfd)aften gefd^idt; batb lernte Äaifer aj^ai-imilian il)ii fd)ä^en unb ernannte il)n ju feinem $Ratl)e; manche (^unft, bie er ber 0tabt DZürnberg bemieö, ^atte fic ber ÖJeltung ju uerbanfen, in melc^e il)r 0pred)er fic^ bei bem Älaifer ^u fc^en mußte. 5(ud) feine friegerifd)en @aben an,^umenben, fanb ^ilibalb (Gelegenheit. 51U ber Sdjmeijerfrieg be^j 3nhre)g 1499 auc^braeß, führte er bem Äaifer bie nürnbergifchen Xruppen alö il)r Dberfter ^u. ^)er ilrieg mar unglüdlid), ba an ber obern ßeitung fehlte: ^irefhenner an feiner 0telle erprobte feine ^üdjtigfeit unb befdjrieb nachher felbft feinen ^elbjug, mie 3Eenopl)on unb (läfar. 2öäl)renb biefcö Sclb5ugö mar ey, baß Üaifer ÜJiayimilian einmal auf bem 33obenfee in bemfelben 0d)iffe mit ^irdhcinier oon 2inbau nad) ilonftan,^ fuhr, unb ein 0tücf feiner 2)enfmürbigfeiten , baö er auf bem 0d)iffe bictirt h^tte, bemfelben üorlefen ließ, mit ber Jragc, mie ißm baö SHeitcrlatein gefalle? ©cimifdjer 9^eib unb ^nfeinbung fehlten bem h'-’i^^or*: ragenben SU^annc nicht: einmal trat er groüenb auö bem IRathe, unb ließ fich ein anbernial nur burd) bie ehrcnoollftc ÖJenugthuung- barin jurüdhalten.

2)ie ihm oon öffentlichen (Gefchäften übrig blieb,

gehörte ber SBiffenfcljaft, bem pcrfönlidjcn ober bricflid)en öerfchre mit ihren öertretevn. oon benen bie meiften feine 33etanntcn, bie beften feine greunbe maren. ^ber auch bie bebeutenbften unter bcnfelben näherten fid} ihm nur mit Verehrung, legten auf fein Urthcil unb feinen fRath ba^ größte (Gemidjt, unb nahmen feine 3ured)tmeifung millig h^o- ^cin $auö, beffen Gemächer bie 33efiichenben föniglid) nannten, feine mit ittüd)ern unb $anb? fchriften reich oerfehene '^ibliothcf, ftanben jebem (Gelehrten offen. 0cine glänjenben (Gaftmahlc, bei benen er oor^ugömeife Scute oon öeift um fich ju ocrfammeln liebte, maren berühmt. ®urch il)n oornehmlich mürbe Gtürnberg ein literarifcßer liDiittelpunft. 0einc (Geiftcorichtung mar bie Ijomaniftifdje; in bem ^eere ber

228

I. Sud^. 10. I^apitet.

0flcud)(iniftcn na^m er eine ber norberften ©teilen ein. ©ein lateinifc^er ©til ift -nic^t tabefloiä, aber, befonberiS in feinen gebaltüoüen 3^orrcbcn unb 3ucignnngcn, einen claffifcben ©tric^ unb römifdje Söürbe. @ine feltcnc ©tärfe bejag er im ©rrec^i^ fd)en. ©ebriften üon ^loto unb 36enopbon, üon ^(utareb unb ßueian, b^it er in^ ßateinifebe, manche auch inö ^eutfebe über^ tragen. S)cr $ofmcifter feiner Steffen bezeugte ibm non Stalicn auö, tüo biefe einen geborenen ®ricd)en jum ßebrer b^ittcn, ibr befter Sebrer im @riccbi)cben fei boeb ^irefbeimer felbft gemefen. Hui? ©panien erbat ficb nach 3abren einer biefer S^teffen ben 5lbri6 ber Stb^'dorif, ben ber Dbci‘u ^^einft ju il)rem Unterrichte jufammengcftellt ®cm Steffen mar oom aufgetra^

gen, ihm non ben neuen ©eereifen unb ©ntbcefungen ber ©panier in toerifa immer fogleicb bic genaueften S^Zadjricbten ju geben. 3Bie üerförpert ift in ^irdbeimer ber allfeitige SBiffenö' unb Öilbungöbrang ber 3cit- ^ermann, @raf oon 9^ucnar, mccbfclt iöriefc mit ihm über ältere beutfebe ©efebiebte, @raömuö, Gocbläuö über Rheologie; ©abriel §ummelbergcr erbittet fid) ein botani* febeö 'J3ud) auö feiner 33ibliotbcf,-unb forbert il)n auf, auch einige ber griccbifcbcn ^^leri^tc, mic bereite ben Äirebenoater ©regor oon Sftajian^, lateinifcb reben ^u machen; bdämifeben legen ihm Slnbere oermicfelte 9lecbtöfäIIe ^ur ^Begutachtung oor; §ubert Xboma^ oon ßütticb bittet ihn um ©rflärung etlicher ^erfe auö §efiobj (SJlarean freut ficb feinet SBorbabenö, bie ©eograpbic beö ^tole^ mäu3 b^^f^uö/jugeben. 5lucb bie Äunft mar ^irefbeimer nicht fremb. 2)ic äliufif übte er felbft alö ßiebbaber auiS; benßanbö= mann ^^Ibrecbt ®ürer bemunberte er alö 9J?aIer unb liebte iljn als 2Jienfcbcn, unb eS mor ein tiefer Kummer für ihn, bag er ben trefflichen greunb, als baS Opfer ber Quälereien eines böfen SBeibeS, mie er meinte, oor ber Qc'it binfebminben fal).

SBie antit fpridjt baS iöilb unS an, baS Sßilibalb felbft Oon feinem ßanbleben auf bem ®ute feines ©cbmagerS, als ju S^üm* berg bie $eft boufte, unS entmirft. §ier, entfernt Oon ftäbtifeben unb ©taatSgefebäften, lebt er ganj bem ©tubium unb ber Ü^atur, lieft SßormittagS in 5^lato, ficht nach Xifdjc oon b^bet SBurg herunter, ba ihn baS ^obagra am ©eben binbert, bem Xreiben ber ßanblcute auf ben gelbem, ber gifeber unb Säger im ^b^^ unb auf ben umliegenben ^ügeln gu; empfängt unb bemirtbet

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SBinbaH) ^ircf^etmer.

229

SBefuc^c auö ber 9^ac^barfc^aft, ober auc^ bic eigenen 9Kaier unb ©auern mit SBeib unb Äinb; ber ^benb get)ört loieber bem@tu* bium, befonbcri^ gcfc^ic^tlic^er Sßerfe unb folc^er, loelc^c oon ben Bitten ber SJicnfc^en ober ber ^errlic^feit ber S^latur ^anbeln; bobei mac^t er tief in bic 9^ac^t, unb ift'ber ^iinincl fo beobachtet er noch mit Snftrumenten' ben Sauf unb bie Stellung ber SBanbelfternc, in benen er bic (5rcigniffe ber ßufunft, bic ©chieffate ber gürften unb Stationen 5U lefen glaubt*).

93on einem 3J?anne folcher ©tcHung unb Haltung, ber auch einem fRcuchlin unb ©ra^muö nicht oerbarg, toenn etma§ an ihren ©chriften ober ^anblungcn ihm nicht gefiel, mußte ^utten, wenn er il)m eine Slrbcit üorlcgtc, ein freimüthigciJ Urthcil er* märten. Som^oflcbcn überbieß h^ttc ^irefheimer, ber, 18 3ol)re älter alö |)utten, einen Xheil feiner Sugenb an einem geiftlid)en §ofe jugebracht, unb auch feitbem in aßerlei biplomatifdiem S^er^ fehr mit Äaifer unb gürften gelebt hf^Hc^ ungleich grünbs lichere (Erfahrung aU fein ritterlicher greunb, ber barin !aum erft Anfänger mar. 2)iefeö Uebergemicht ließ er ißn jeht, nid)t ohne freunbfchaftlidje Sronie, empßnben. @r fanb fein ©efpröch über ba^ §ofleben ganj h^bfd), aber unreif. @rft menn Jütten gleich ihm 20 Saßre lang alle Xöufchungcn unb Sntrignen, alle Ärönhingcn unb 3urüdtfchungen beö ,^ofoerfehrö erfahren h^tte, mürbe er im ©tanbe fein, grünblich unb nid)t bloö ausS frember SWittheilung oon ber ©adje ju reben. Uebrigenö münfd)e er bem greunbe, baß ihm bie Erfahrung erfpart bleiben, er im §ofbienfte nicht alt merben, oielmehr halb in bie Sage fommen möge, einzig fich fclbft, feinen greunben unb ben ajinfen leben ju fönnen*).

iöeiber SJiänner mürbig ift bie 5lrt, mie ber jüngere biefe 2luSs ftellung bcö älteren aufnahm. Ohne ftine Slrbcit, bic in ber Xhat 5u feinen fchmäd)crn gehört, mciter ^u oertheibigen, menbet er fich gegen ben anbern 5;hcil bcö ^ircfhcimer’fchen ©riefcö,

1) In interpretationem Dialogorum Platonis , qui inscribuntur AxiochuR etc. Praefatio (on 33crn^arb ^Ibclmonn t)on ^bcItnonnSfelben) . . Ex secessu nostro Neopagano (9leu^of) Cal, Sept. 1521. Pirckheimeri Opp. ed. Goldaat, p. 282 ff. SIBomit ju öergleid^fit bic Briefe öon unb an ^trcf^cimcT in bcdcd>cn Sammlung, in l^eumann’S Documenta literaria, unb in ö. ®lurr’§ Journal jur Äunjtgcfc^. unb jur aflg. fiiteratur, X.

2) iBricf an §uttcn, Stritten I, S. 193 f.

230

L 10. StapM.

bcr eine Unjufuicbenfieit mit feinem Eintritt in ben |)ofbienft nic^t üerbar^. @bcn ba er fein ©efpräd) über ba<g ^oflebcn unreif finbe, fottte ^irefbeimer, fo meint ^utten, ibm um fo me^r ßett (offen, om^ofe reif ju merben, unb i^n nic^t fd;on non bcr @d)mcUc bcffelbcn micber binmegreigen mollcn. Unb nun cntmidclt §utten bem greunbe feinen flonjen 2ebcin3plan in einem ouöfübrlicbcn 0d)rcibcn, boö ju bem ^n^iebenbften gehört, moö ouö feiner geber gcfloffen ift, unb einen glcid) tiefen (Sinblid in fein eigene^ Snnere mic in bic S3ilbungönerböltniffe bcr geiDÖbrt ^). ©efermonn fogt cinnuü nun einem @cbid)t, boö ©oetbc ibm ju Icfen gab : „cö möljtc ficb ftctö um feine eigene 2ljc unb febien immer bobin jurücf.^ufebren, mober auögegangen"^). 0b bieg für ein ©ebidjt cinSobfprueb ift, mag man be^mcifcln; für einen iörief ift c^ gemig fein Xabcl. Unb auf biefeö |)uttcn’f^c ©enb* febreiben trifft e^ genau Uebrigenö ift baffclbe ebenfo auf ber einen ©eite eine meitcre 5lu^3fübrimg einciS früher ermähnten ©ebreibenß an ben ©rafen ^ermann üon 9lucnar, mo Jütten ähnliche 33ebcnfcn gegen feinen (Eintritt in böfifd)c 5)icnftc ju befeitigen boUc, mie auf bcr anbern ©eite ben ©toff ju bem ©efpräd) gortuna geliefert bat, baö, mic mir feiner finbeu merben, unter ^uttcn'ö fünftlcrifcben ©cböpfungcn eine ebenfo hohe ©teile cinnimmt, mic baö ©enbfebreiben an $ircfbcimcr unter feinen S3ricfen.

^)afe eine S^erbinbung bcö miffenfcbaftlicben Sebenö mit bem proftifeben fomobl an ficb möglich, alö für eine Statur mic bie feinige 33ebürfnig fei ; bag inöbefonbere feine ©teßung am mainjer §ofc bie Xbätigteit für bic SBiffenfebaften nidbt au^fcbließcn, biefen melmcbr ju ÖJutc fommen folle: bieg ift bcr fur^c Snbalt bciS ©cnbfd)reibcnd, auö melcbcm mir einzelne biograpbtfcbc ^ata febon bisher entlehnt haben, uon bem mir aber hier eine jufam- menbängenbe Uebcrfid)t geben müffen.

^cr greunb febc ihn nid)t gern im §ofbicnftc. ^u^ er felbft mornc in feinem Dialog Slnbcrc baüor, unb boeb bleibe er

1) ülrichi do Hutten ad Bilibaldum Pirckheymer, patricium Norimbergensem, epistola, vitae suae rationem exponens. ©d^riften I, 6. 196—217.

2) (^(jprfid^ mit @oet^e, )um 27. Cct. 1823.

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i^utlen’8 Senbjc^reiben on SBUibalb ^tr^etmet. 281

borin. SBa§ er bcnn aud) Slnbcrcä t^un foöte? ^enn tf)un muffe er etmaö; 5uni Dlogcn ©tubirftubenlcben fei er nod) ju jung (er mar eben brei§ig), menn er überhaupt baju gemod^t fei. Sßor^cr müffc er fid) nodj in ber Sßclt ^erumtummeüi. Slud^ feine SSermanbten unb grennbe bürfe er um bic praftifdien ^ienftc nid)t tQiifc^en, bie fie oon it)in nod^ ermarten fönnen. 2öaS er benn mit ben Xbeilne^mern feiner gelehrten 93efd)äftigungen fünftig reben füllte, menn er nic^t Dörfer etmaö erlebt ^ättc? ^er greunb merbc i^n an feine ^mölfiaprige SSanberfd)aft erinnern. @efel)en allerbingö unb fennen gelernt f)abc er mö^renb berfelben SBieleö ; aber nic^tö get^an, nid)tö geleiftet, ©ic fei nur ein öor= fpicl beö Sebenö gemefen: mirflid) ju leben muffe er erft anfan* gen. ^ircfljeimer fennc il)n nid)t genug, ©eine Statur üerlange neben ben ©tubien Umgang mit SWenfe^en aller §lrt, aud^ foldjcn, bie il)m unöl)nlic^ feien. Unb biel leichter ertrage er biefeS ge- fellige ÖJcräufd), unter bem er fic^ üoUftänbig j^u ifoliven im ©tanbe fei, alö bic (Sinfamfeit. ^al)cr fud)c er beibeö ju ücts binben, unb mic er bereite burd^ ©(^riften einige Sluö^cic^nung erlangt l)abc, fo üerjmeiflc er nidjt baran, and) nod) in großen 2Bclt:= gefeßöften ßftußm ju ermerben. ®abei foUcn ißn jebod) bie tßcus ren ©tubien beftänbig begleiten. 3)ic gveunbe irren, menn fie meinen, feit er fid) bem |)ofbicnft ergeben, ßabe er aufge^ört ju ftubiren; meßmegen fie, jju feinem großen ßeibmefen, mit erfreu^ lieber Slu^na^mc ^irdßeimcr’ö unb bcö Grafen oon Sliucnar, i^m nic^t meßr fc^reiben.

äöic tiefgemurjelt bic Siebe ju ben ©tubien in ißm fei, ßabe er feßon burd) feine bc^arrlid^c Sßcrt^cibigung ^Icucßlin’ö bemiefen. Slueß ferner merbe er, mcnnglcicß nid)t immer ein oorfic^tiger, bod) ein eifriger Kämpfer gegen biejenigen fein, bie fic^ ber auf? geßenben ©onne ber iöilbung alä ^inbernbe SBolfen entgegcnftellcn, baö Sic^t ber SBaßr^cit in feinem Slnbrud^c ju Uerfinftern, ja ouö^ulöfc^cn trachten. Sßren §aß merbc er nießt ju Ocrmcibcn fud)en, fonbern nur barnac^ ftreben, baß fie ißn baneben auc^ fürchten müffen. künftig gcbcnlc er fie nid^t mel)r ßinterrüdö ju oerfpotten, fonbern inS Hngcficßt ^u befämpfen. 2)en lang= famen gortfeßritt ber guten ©a^c bürfe man fieß nießt oerbrießen laffen. ©nblicß merbc boeß baßin fommen, „baß bic beffern SBiffenfcßaften micber ouflebcn, bictontniß beiber ©praeßen um3

232

1. $u(^. 10. I^opitel.

mit ©riechen uiib StoUcnern oerbinbe, in ®cutfc^Ianb 33ilbung i^ren SBo^nfife ne^mc, bie Barbarei über bic b^perboreifdbei' ®erge t)inau§ imb bis jum baltifc^en ÜJ^cerc üerbannt fei. Unterbeffen moHen mir baS ^0(5 ber $alme nac^a^men, inbem mir, je fdb^uerer jene unS aufliegen, um fo beharrlicher emporftreben, unb gegen bie löftigen Unterbrürfer mit unbeugfamer ^artnäefigfeit unS er^ heben." ®abei moUen fic beibe, ^irefheimer als Veteran unb gührer, Jütten als munterer iRefrut, baS Sh^iflc thun; Jütten bie geinbe uon bem gelbe abmehren, baS ^irdPheimer unb anberc mit bem ©amen ber beffern 33ilbung anbauen mögen.

2öie (SraSmuS im 9tieberbeutfchlanb bic

©eiftcr gemeeft, mie fReuchlin feine ©chmaben unterrichtet unb gebilbet höbe, fo fei ^irefheimer ber Schrcr 9türnbcrgS gemorben : iRümbcrg'S, mclchcm an biefer ©teile ein Sob ju baS ber ÖJcIchrtc in Jütten bem ^Ritter, ber gegen bic ©täbte unb bic ©runblagc ihrer ©röge, ben ^anbel, eine ftanbeSmögige ^Ibneigung h^fitc, bie§mal abgemann. Unter allen beutfehen ©täbten fei S^ürnberg bic fruct)tbarftc an guten Ä'öpfcn, unb miffc biefe am beften ju fchä^en. Sin Sftegiomontan , an ScltiS habe eS baS bemiefen. gn SBcncbig gebe eS ein ©prichmort: alle anbern ©täbte in 2)eutfchlanb feien blinb, nur ^Rürnberg fchc auf @incm Sluge. Sluch in 5?unft unb Snbuftric jeichnc iRürns berg fid) auS: nürnberger gabrüatc gelten fd^on als folchc in allen Sänbern für Oortrcfflich, unb houptfächüch für unöcrfälfcht. ^cr SlpcUeS ber neuen Sllbrecht ®ürer, fei ber 3h^^9c, bem bic 3talicner, bie fonft nichts grembeS anerfennen, ihre SBcrfc unterfchicben, um fic oerfäuflichcr ju mad)en. @ine folchc ©tabt fei für ^ircfhcimer'S SSirffamfeit ein banlbarcr ©oben gemefen: ungleich fchmercr unb langfamer gehe cS mit ber Einführung f}iu mancr ©Übung in §uttcn'S ©tonbe. 3ntmer fei hier nod) bie SJieinung herrfchenb, bag ©clehrfamlcit unter ber SBürbc eines 9tittcr'S fei: biefe SReinung höbe ber treffliche Eitclmolf, ber für ihn unb bic SBiffenf^aften ^u früh geftorben, ju entgelten ge* habt. 3c&t eröffnen fich aHmälig beffere SluSfichten: bic oor^ nehmften S^äthe beS ÄaiferS unb ber gürften, auch cinj^elne gürften fclbft, feheinen ber Partei beS §umaniSmuS günftig ju fein, ^aruni lobe man fic, nenne fie 3Jtäccnaten unb Sluguftc^, nicht mcil fic cS oerbienen, fonbern jur Stufmuntcrung. S)aburch feien fchon

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l^utten'S Senbjd^r eiben an SQßilibalb ^irdf^etmer. ^33

einige unter i^nen in bie Sage uerfe^t toorben, ehrenhalber @e^ lehrten ©uted thun müffen, inbem bie Ueber^eugung fiel) feft* ftellc, bag öegünftigung ber SBiffenfchatteu einem gürften mol)l anftehc. ^)aher gehe fein fRath bahin, bafe man uon huntaniftU fcher ©eite ber @unft ber gwrften alle möglidhcn 9tehc ftcllc^): um aber bieg ju fönnen, müffe man in ihre Xienftc treten unb Äemter non ihnen annchmen, mie bie fünften unb ^hrologen auch machen, benen man fid) hierin gleichjnftcllcn h^^be.

5)anon möge ihn (hiemit ift Jütten non feiner §lbfchmeis fung jum Xhema feinet ©d)reibcnö ^urücfgelangt) ber greunb nicht abmahnen. @r fönnte mit @runbc nur bann, meim bei* beö unücreinbar möre: aber gcrabe ^irefheimer fclbft h^bc am fchlogenbften bemiefen, bag man unter ©taat^gefchäften, ja im Äricgögctümmcl, noch 3Ruge für bic Söiffcnfchaft übrig behalten fönne. ©o grogen 33eifpielen mlü fid) $utten nid)t /\ur ©eite fteUen: aber baö mng er miebcrholt erflorcn, bag bie iöefchräns fung auf ein reineö ©elchrtenleben feiner Statur entroeber über^ haupt nicht, ober hoch jept nod) nicht, angenieffen ift. „Sag erft", ruft er bem gereiften greunbe ^u, „biefe |)ipe oerbraufen, biefen raftlofen unb bemegtid)cn ÖJeift ein menig mübc loerben, lag ihn jene 9?uhe erft oevbienen, j\n ber bu mich t)or ber ßeit, mie mir fcheint, beruf ft.''

5ür jene SJereinigung üon QJefchäften unb ©tubien fei ge* rabe feine ©teHung am main^er $ofc befonberd geeignet, ^er gütige 5ürft höbe ihn üon ben gemöhnlichen iöerathungen unb bem gemeinen @cfd)öftögange biis^penfirt. ©o höbe er, trop ber üielen Unruhe, bic ihm mährenb bicfcö erften Söhreö bic ©orge für feine Einrichtung unb bic Erlernung ber ^ofbränche gemacht habe, hoch üicl ftubirt, and) etliches gefd)ricbcn. Um überall Icfen unb arbeiten ^u fönnen, führe er eine tragbare 33ibliotl)cf mit

1) ®ltt »eld^cr Tronic gegen bte großen lg>crren /g)utlen biefe betrieb, tonn man j. 33. au9 jeinem Briefe an 6ra§mu8 öom 6. 1519 (Sctiriflen

S. 248) erleben, ^ier forbert er ben 6ra§mu8 auf, feinen ^rjbifd^of lllbred^t um ber ©unfl toiflen, bie er i^m (Jütten) wiberfat)ren laffc, nur re^t ju loben; er unb anbere ©elefirte werben ju geniefeen feoben; Der 6rjbif(^of boffe glei(^, e8 werbe in eine oon bc8 Cra8mu8 6(tiriften fommen, wenn et einem ^umaniflen eine ®unß erweife.

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I. %ud(|. 10.

unb eben jc^t fud^e er einen jungen 3)?enfc§ert al^ Sßorlcfer, ©d^rciber unb $anblonger bei feinen geleierten Arbeiten.

2ÖÜ er benn l)tn follte, ioenn ^iref epimer i^n nic^t am §ofc tüiffen molle? tiefer bürfe ^utten’ö Sage nicht na^ ber [einigen beurthcilen. Sn ©täbten laffc fich ruhig, ja bequem ftus biren: nicht fo auf einer 9tittcrburg. ^ier laffen bie @nge unb Unruhe, bie ©orgen für bie SBirthfehaft unb für bie SBcrtheibis gung, einer miffcnfchaftlid)cn 33efd)äftigung feinen [Raum. fei nicht ber ruhige ^ort, mohin ihn ^irefheimer auö ben ©türmen beä §üflcbenö rufen bürfte. 58oIlfommene fRuhc unb ©icherheit fei auf @rben nirgenb» 511 fiuben; nid^t allein ber §of fei ein ftürmifchc!^ 9)te, fonbern ba§ Seben überhaupt. ©0 fchlimm fei boi§ ^üflcbcn auf feinen al^ §utten'^ frühere^ Steife« leben, mo ihm oft om 9löthigften gefehlt, unb er auö Ü)?angel fid) ^um ^Iriegöbienft l)obc bequemen müffen.

sticht Siebe 511111 SBcd^fel ober ©enußfucht,. ba§ bürfe SBilU halb ihm glauben, fonbern bie flar erfannte 9lothujenbigfeit höbe il)u bem $oflcbcn angeführt. @r höbe fid) fein beftimmteg ßi^l gefterft: ober um biefe^ 511 erreichen, bebürfe er einer Unters ftü^ung, einer SBeg^chrung glcichfam, unb bie folle ber $of ihm reichen. 2öie? ba§ loolle er bem ^reunbe bei (Gelegenheit münb* lid) auöcinanberfehen. fei ein üernünftiger @1)^9^^» ber ihn antreibe, feinen S^tamen unb feine SBürbe ju behaupten, feinen angeborenen Slbel burd) perfönlicheö SSerbienft fidh erft nmhrhoft an^ucignen, ben fRuhm unb ©lan^ feiner gamilie ju ocrmchrcn. SSerfäumte er biefi über feinen gelehrten 33efchäftigungen , fo mürbe er gerabe baburch feine ©tanbeögenoffen in ihrem SBoruts tl)eil gegen bie SBiffenfi^aft beftärfen. @cioifferma§en rechne er bei feinem ^lane auch ouf ba^ @lücf. ÜRancheö fönne nur ba§ @lücf ihm geben; mäl)renb ihm auf ber anbern ©eite nichts, baä ber fRebe mertl), nehmen fönne. ^5)a fein Sßermögen auf feinen gaü jureiche, um baoon fo, loic er münfehte, leben ju fönuen, fo löge menig baran, menn er auch tjollenbs barum fäme. ©einen 5lbcl aber fönne baö (Glücf toohl erhöhen, aber nid)t üerminbern. ©eine (Gemüth^ruhe merbe er ju behaupten toiffen; benn er glaube bie Raffung ftch errungen 511 hoben, bag er ju gleicher ßeit nach ®hren trachten, unb fie oerad^ten fönne.

©0 möge ber greunb ihn erft bann oom ^ofleben abs

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i^utten’8 ©enbjd^reiben on ©ilibalb ^irdf^eimfr. 235

pflüffcn, tDcnn er barin reif gcn)orbcn fein unb feinen reicht Ijaben werbe, c^pabe er erft einmal etwaö gctt)an, bag ßeugnig gebe, baß er gelebt, bann wolle er fieß in wiffcnfc!^aft= ließe 9iuße unb SSerborgcnßeit begraben, unb ber ftol^^en §ofleute, ber Slbelicßen, Xßeologcn unb Suriften lacßeu.

S^aeß aüerßanb 2.Vittl)eilungen über beii 9teicßetag, über fein förperlidjCiS öefinben unb feinen Umgang in ^Jlugöburg, fommt .^litten auf £iterarifcßc^, auf be^^ ©rawinuö neue ^luögabe be^ Svenen Xeftamentö, öuböu^’ Sommentar ben ^anbeften unb anberc 3'^^cßen bc^ Sluflcbenö ber 2öiffcnfd)aftcn in 2)eutfcß= lanb unb Jranfreid) 511 reben; worauf er feinen iörief mit bem feßönen Xriumpßrnfe fdjlicgt: „C Saßrßunbert! 0 SÖiffcnfdjaftcn! (£ö ift einegreube, 511 leben, wenn aueß nod) nießt, fid) jur Dluße ju feßen, mein S53ilibalb. blüßen bie 'Stubien, bie ÖJeifter regen fieß: bu, nimm ben 0trid, iöarbarci, unb maeße bid) auf Verbannung gefaßt!"

2)urcß biefeö 0enbfcßrciben war Jütten fieß bewußt, feiner greunbfcßaft mit ^ivdßeimer unb biefem felbft ein bleibenbe^ 5)cnfmal gefeßt ju ßaben. ^^ud) feßrieb er bieß offenherzig an ben greunb, alö er ißm eine Sln^aßl gebruefter @i*emplarc (fammt berglcicßen oon bem (^efpräcß über baö ^oflcben unb ber ^ür* fenrebe) jur ?lblieferung an ben nürnberger Vud)füßrer unb zur Veforgung naeß ßeipzifl übcrfdjicfte ^).

1) €(ßnften I, S. 221 f.

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(Stifter iKapitel.

c^ttifeti’d itttb 6ie

(1508—1518.)

0cf)on ju tüicbcr^oltcn äJ^alcn ift in imfcrct ©rjäl^lung non bcr ftranff)cit bic 9tcbe gcnjcfcn, toelc^c bcn gelben bcrfclben bei^ no^c non feinem erften §ernortreten an, unter allerlei SBec^fel non ßinberung iinb neuem 5lnöbruc^, biö t)icl)cr nerfolgte, mo er cnblic^ burd^ eine fRabicalcur mit berfelbcn fertig ju merben f)offte, unb bem SD^ittel, baö it)m fotneit get)olfen, in einer eigenen ©rf)rift ein 2)enhnal fe^te, in welcher er jugleid) eine (Sefd^ic^te feiner Äranffteit gab*). @ben auö biefem ©runbe ^aben mir ein genauere^ ©inge^en auf ben ©egenftanb biö ju biefer ©tefie auf* gefpart.

33e!anntlic^ mar e^ bie nenerifd^e Äranf^eit, an melc^er Ulrich Jütten bereite feit beiläufig 10 3a^ren litt *). @in Seiben, baö, mie e^ i^n förperlid) ju ©runbe gerid^tet ()at, fo non ben ©egnem feiner !0eftrebungen benupt morben ift, i^n mo möglid^ aud^ moralifd} ju nernic^ten. Öefonberjg bie fatl)olifd^e ^olemif, non 9^lainalbi biö auf SBeiölinger, unb non biefem bi^ auf bic Ultramontanen unferer 2^age ^erab, l)at biefen Umftanb mit SSor* liebe auögebeutet. 3^r gegenüber b^ben fid) §utten^g Sere^rer

1) De Guaiaci medicina et raorbo GalHco Uber unus. Sö^rifien V, 397—497.

2) S)te 2)auer bcr nranfbeit beireffenb i^gl. De Guaiac. med. c. 4, Q Q. D. S. 409 §.11 mit Querei. I, 1, v. 31—34, ©(tiriften III, S. 22. Xiornae^ fiele i^r ftnfanfl in bo§ 3abt 1508 ober 9, too l^utten in ßeiujig ober no(!() |(tion ouf feiner Steife no(^ bem Slorben begriffen toar«

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i^utten’§ Äronf^rit.

237

in ber ?Rcgel l^intcr bic 9J2öglic^feit äurücfgejogen, bag man 5U jener at^ bae Ucbel noc^ in ber ganzen ^eftigfeit feineö erften ^nöbrud^^ loüt^ete, mc 5. ^erber firf) auöbrücft, „fe^r unfcgulbig ba^u fommen fonnte''; bag aber Jütten njirfiie^ fo baju gefommen fei, auö ber Dffen^erjigfcit gefolgert, U)omit er überall oon ber 0ad)c rebe. 2öir laffen, um un^ nic^t befangen ju mad^en, ben moralifd;en ®efid)töpunft cinftmeilen ganj auö bem ©piele, unb fegen üorerft nur ju, maiS fid) über bie Slrt, toie Jütten ju ber ^Iranfgeit gefommen, auö feinen ©egriften entnegmen lägt.

(Sine auöbrüdlicgc Eingabe über biefen $unft fuegen mir barin üergebenö. “5)ie frügeftc ©d^rift, in melcger §utten feiner Äranfgcit gebenft, bie Klagen gegen bie iiöge, geben nur ®auer unb 0gmptome, ni^tö über bie ©ntftegung^art. darüber gegen aueg bie gelegentlicgen 5leugcrungen in fpätern Briefen unb biegten ni(gt ginau5. SGBcnn §utten in einem ©riefe an gad)uö oon feinem ^infen (einer golge ber in 9tcbe ftegenben ^franfgeit) fagt, er miffe nidjt, foHe er bem Unglüd, ober ber ^^oUfügn^ geit jufegreiben, mit ber er fidg im garten ^Itcr ju menig gefd)ont gäbe’); menn er an ^irdgeimer fegreibt, nid)t bureg unmägigeö Seben, mie feine nägeren ©efannten miffen, fonbern bureg ©tu^ bium unb fRcifcn, mobei er oon groft unb $ige, ©rmübung, junger unb ®urft, gar ju oft unb geftig gelitten, gäbe er fid^ (nun fagt er aber nid)t: jene Äranfgeit, bie er ja baüon aud) nidjt mogl ableiten fonnte, fonbern:) feine l^ränflicgfcit, näger eine Sffiagen* unb allgemeine Äörperfcgmädje, jugejogen; moju noeg ber übermägige ©lutoerluft auö feinen .SBunben gefommen fei, ber feine Äräfte erfegöpft unb fein Slu^fegen bleicg gemadgt gäbe 2): fo ift gier immer nur üon folcgen Uebeln bie fRebe, bic fieg ju feinem ^auptübel gefeilten, ober oon Urfaegen, bie baffelbe unb feine golgen oerfcglimmertcn, öon feiner (Sntftcgung erfagren mir niegtg.

3n ber ©egrift über baö ©uaiaf aber, mo §uttcn bie ©c* fegiegte be^ erften Sluftretcn^ unb Umfieggreifenö ber granjofen» franfgeit in Europa gibt, grcn5t er baö erfte ©tabium, mägrenb

1) 6. ob«n 6. 62 f.

2) 6i^riften I, 6. 206.

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I. Sui!^. 11. ftopitel.

beffcii bic ©euc^c ebibemifc^ gemefcn unb auc§ o^ne Sontacjium entftanbcn fei, beiläufig mit bem fiebenten Sa^re feit il)rcm @r- fc^einen, alfo mit b, 3- 1500 ab; feitbem, fagt er, fei glaube lid), ba6 fie feiner me^r anberö alö burc^ Sontagium, unb jtoar uorjugömeife burc^ beu S3eifc^laf, befomme*): in biefei^ festere ©tabium fällt aber feine eigene Hnfteefung. greilid) barf man fic^ aber nur an bic Unrcinlic^teit jener 3cit erinnern, unb non ben ^ofbetten, bic §nttcn in feiner Aula bcfc^reibt, ben ©d^lug auf bic ßagerftätten in ben elcnben Verbergen machen, in benen er auf feinen fficifen fo oft 5U übernachten hnttc, um allcrbing^ ein anfteefenbeö Sontagium, auch ohne jene fpccififche 33eranlaf* fung, in biefem ^mciten ©tabium ber ilranfheit noch fel)r mögli^ ju finben. 2öic lcid)t mar e^ für Jütten, mit einem einzigen Sßorte auf eine folche ©ntftchung feinet Uebel^ h^näumcifen: aber nirgenbd hnt er gethan.

9^lun barf man aber hierauf and} micber nicht ju eilig fchliefecn, bag er fich alfo einer anberu, minber unf^ulbigcn, Urfa(he feiner Äranfheit müffe bemugt gemefeu fein. 3n unferer 3cit mürbe, mer funbbar au biefem Uebel litte, unb fich bemugt märe, auf jenem uuncrfänglichcn Söege baju gefommen ju fein, bieg gemig nicht ücrfchmeigen: aber in unferer 3eit mürbe

au^ fRicmanb, mic Jütten, feine iöeobachtungen über bie Suft* feud)c unb bereu Teilung einem ®r^bifchof mit ber naioen SBcnbung jucignen, er münfdjc nicht, bag ber hochmürbige ^err fie jemals fclbft nöthig hoben möge, baö moUc ©hnftn^ ber ^cilanb oerhüten! aber an feinem §ofc fönnen fie oiclleicht gute i)icnftc leiften^); 9^icmanb mürbe heut ju Xage, mie abermals ©utten, ohne iRoth oon feinem noch lebenben 93atcr bruefen laffen, bag auch er an biefem Uebel gelitten höbe“), ^arauö gcl)t heroor, maö Kennern jener 3^nf nnb ihrer Sitcratur ohnehin befannt ift, bag biefe ^anfheit überhaupt bamalö nod) anbersJ angcfchen, bag bic befonberc ©d)anbc, mic jc^t, noch nicht mit bcrfclbcn oerbunben mar; menn bieg aber ju einer 3cit ber gall mar, mo man bereitst mugte, bag fie fich in ber fRcgel nur noch gcfchlcihtlichc

1) C. 1. 71. a. O. ©. 402 f.

2) ©d^Iwjfe ber 6d^)rtft, S. 496.

3) föbrnboj., c. 3 unb 12. S. 407. 438.

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^utten’S i^ranH^rlt.

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©crü^rmtfl, beflrciflidjerlocifc öomcftmlic^ bic Doge, fortpfloiijte, fo folgt, bo§ man oud) uon biefer leiteten fclbft bomatg onbctiS, olö l)cutc bei ocrfcincrtcn ©ittcii, gcbod)t ^oben mub-

5)oö gon^c ÜJhttcloltcr mar, mic befannt, in biefem ©tüdc mcit meniger ftreng, aU man uon feiner religiöfcn 333cltanfd)auung ermorten foHte. 9}tanbcnfe nur on bic breite unb unbefangene S^toUe, mclcbc in ber ©efe^gebung unb ßitcratur jener Qtit bic gemeinen 5raucnl)äufer fpiclcn. 0d)on ber cr^mungene (Zölibat ber ©eift* liefen näbrtc, gerabc in ben gebilbetern Greifen, eine lajc, um nic^t ju fagen friuole 2)cnfart über foldjc 2)inge. 3m funfjcl)nten 3al)rl)unbcrt fam nun in eben biefen Ä^rcifen, burc^ baö erneuerte <ötubium ber ^Iten, bereu naturaliftifd)c £cbcnöanfd}auung l)in^u. 2Baö biö ba^in für eine läßliche 0ünbc gegolten ^atte, bie fic^ burd) 33cic§tc unb eine leierte Öuge abt^un liefe, ba^ crfd)icn je^t al^ etmaö 9^latürlid)c0, mobei auf bie näfeern Umftänbe anfam, ob überhaupt ju fcfecltcn fei. ®al}er brüden fic^ bie ^umaniften jener Xagc über öcrböltniffc unb SSergebungeu biefer ?lrt in einer SScife auö, in bie mir unö faum finben fönnen. 2)cr mürbige ÜJhitian crfcfecint unö in foldjen Stellen feiner 93ricfc gar ju cl)nifcfe, unb Sllbrecbt ®ürer'^ 0cbci>' über 23öilibolb ^irdbeimer')^ jial)lrcicbc 53uljlfcbaftcn gar ju plump. ®aber, alö ^ nun jene Ätranfbeit auftrat, erfebien, uon il)r befallen ju merben, gerobe in biefen 23ilbungöfreifcn am menigften ai^ ein Sebanb^ flcd, ben man uerfteden, fonbern aU ein Unfall, über ben man fo laut mic über jeben anbern ju flogen baö fReebt Älö im 3obr 1523 £utl)cr bebenflieb frünfclte unb bic ulmer ältönebe bereite über feinen Xob jubelten, liefe itjin ber bortige ?lri^t SBolfgong 9tpcbarb, ber in Sutfecr einen anbern ©liaö ucr^^ ebrte, bureb einen greunb in SBittenberg ärjtlicbc fRatbfcblögc ertbcilen, morin auch auf ben gaü iöcbacbt genommen mar, bafe baö malura Franciae mit unterlaufe.

göUt aber bienaeb ber Seblufe babin, bafe §utten, menn er ficb bemufet mor, „unfcbulbig" p feinem Ucbcl gefommen 511 fein, biefe jn feiner notbmenbig audj gefagt b^ben

müfetc: fo läfet ficb ^oeb auf ber anbern Seite, §uttcn alsS Sobn feiner Qcit unb ifercr Xenfmeife betrachtet, oueb niefet mcl)C uon uombcrcin mabrfebeinlid) finben, bafe er ficb bcrjcnigcn !iücrübrungcn entbaltcn b^^ben merbe, mobei auf bem gemeinen

240

I. 11.

SBcge ju jenem Uebel ju gelangen mar. ?lud^ maS mir $crfön- lic^eö üon t()m miffen, fül)rt nidjt auf eine fold}e SBa^rfc^cinlid^feit. ©eine ©djriften jmar zeigen fic^ , menn mir feinen 2lnt^cil an ben ^)unfelmänncrbriefen abrec^nen, mo aber ©c^mu^ unb 3oten burc^ ben fatirifc^en gmeef geforbert maren, merlmürbig rein, unb inöbefonbere feine iÖriefe unterfci^ciben fic^ hierin üort^eilljaft non mani^cn anbern 33riefmed)feln jener 3‘^it. ^ber man bebente fein SfiaturcU unb feinen SebenSgang. 2Jiit einem rafc^en, feurigen Temperamente trat er au§ flöfterlic^em :3a^r in

baö abenteuerube ßcben eincö fa^renben ©c^ülerö über, baö i^n jule^t fogar in ba§ Säger gemorbener ©olbtruppen führte. SBenn fpäter (Sra^muö, mit Berufung auf alle, bie Jütten genauer gefannt, non feinem, gelinb auögebrüdt, folbatifc^en Sffianbcl, feinem $angc ju SScrfc^menbung , ©piel unb Tirnen, uon 2luS* fd)meifungen fprac^, bie felbft feine clcnbe Äranfljeit i^m nic^t ^abc abgemö^nen' fönncn‘): fo merben mir jmar nic^t uergeffen, ba6 ba« bie Dtac^rebe cineö geinbeg ift, ber bamal^ burc^ einen Singriff §utten’i§ (uon bem an feiner ©teile bie 9^ebc merben mirb) auf’iS Slcußerfte gereift mar. Slber ©raömuö fpric^t bauon öffentlich fo alö üon etmaä 9totorifd)em, mic er fchmerlidh magen tonnte, menn, bei aller Uebertreibung üieHeicht, nid^t bod^ etmaö an ber ©ac^e mar. Unb eine ftarle Steigung 5um finnlid)en Siebeögenuffe, bie nur burch feine Äräntlidhfeit in ©dhranfen gehalten fei, befennt §utten, menn au^ in fcherjhofter gorm,

' felbft*). ®alb fd)cr^l)öft mag e^ audh gemefen fein, menn ber felbft nicht fittenftrenge ^ivdheimer ihn möhrenb feiner @uaiaf^ (5ur ermahnte, fich ber Siebeömerfe ju enthalten: aber Jütten beruft fidh bagegen auch *^ur auf feine ©rfdhöpfung burch bie ftrenge T)iät bei biefer ßur, um bem greunbe jeben SSerbacht folcher^rt ju benehmen*). Sluch ber incertus amor, üon bem er in bem Sugenbgebidjt an Trebeliuö fpneht, mug unä f^kx eim fallen *).

1) 9ln Sutber, ^utten’§ Sd^riften II, 6. 409. ?tn ®o^bdni, cbenbaf., 0. 396.

2) Febris secunda, 6(^riftctt IV, S. 136. 3n meiner Ueberje^ung ber ^uttcn’fd(|en ©efprfle^e 0. 86 f.

3) 3n bem 0enb|(l^reiben an ^irdf^cimer, 0d^riften I, 0. 212.

4) 0d^riften I, 0. 8, v. 11.

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(Suren.

241

man mag auf bicfc Wu^fagen unb Slui^ci^cn fo menig ©cmic^t legen alö manmifl: man erinnere fid) nur, ma-g man mügte ermeifen fönnen. 9J?an müßte, mic fdjon gefagt, alö übers miegenb maßrfc^einlicß ermeifen fönnen, baß Jütten üon Sugenb auf fi(^ aller ber S^erüßrungen entl)alten ßabe, bie auf bem gemöl)nlid)en Söegc ^nftedung ßerbeifüßren fonnten. ©etraut man fic^ nid)t, bieß ju ermeifen, fo mirb bann aber für bie moralifd^e 33eurtl)eilung ganj unerßeblicß , ob er nun bei einer folc^en ©elegen^eit oon bem Uebel betroffen luorben, ober ^iebei jmar jufällig frei au^Sgegangen, bafüraber ein anbermal „unfc^ulbig" ba^u gefommen ift.

3ebenfaIIö inbeffen ßatte er ben 3ugenbfel)ler, beffen mir il)n fcßulbig oc^ten, in einem @rabe ju büßen, melcßer felbft be^ unerbittlid)ften 0ittenrid)tcr^ Strenge in 9Jätleib oermanbeln muß- 2)ic Äfranfbeit, mie fd)on ermößnt , mar bamal^ jmar nießt meljr in if)rcm erften, boc^ immer no(i) in einem Stabium, beffen furd)ts bare Symptome über il)re l^eutige @rfd)einungöform meit l)inau^s gingen; mäl)renb bie ^rjneifunft 4ljrerfeitö nodi im unftd)em 2^appcn nad) ber rechten ®el)anblungöart begriffen mar. 9J?an meiß bal)er nießt, maö fd)redlic^er ift, bie !öefd)reibung , bie unö Jütten oon feinem ßi^ftönbe, ober bie er unS oon ben Duälereien mad)t, meld)e oon unoerftänbigen ^lersten ald Suren über ißn oerljängt mürben, ^ie ©drüben, an benen er litt, maren tljeilö offene, fließenbe ©efc^müre, tßeilö gefd)loffene ?lnfd)metlungen unb fnodjenartige 9Scrl)ärtungen, enblid) Sd)minben beö gleifc^cö unb Sloderung ber iüänber an einzelnen Äörpertl)eilcn ; ©teßen, @el)en, ?lrmaufl)ebcn unb ®rel)cn beö Üopfeö mar erfc^mert; jeitenmeifc trat ein ßittern aller ©lieber ein; bie ©efc^müre unb S3erl)ärtungen maren jum ^ßeil unleiblid) feßmer^baft; bie 5luös flüffe fo efel^aft unb übelriecßenb, baß ber Äranfc nic^t allein Slnbern, foubern and) ficb felbft, jur ßaft unb ^um ^(bfdjeu mar. Äein SBunber, baß Äurfürft ^Ibredjt äußerte, er fönntc Jütten mol)l gebrauchen, menn er nur. in beffern ©efunbbeitöumftänben märe, kein äBunber aber aud), baß biefer e^ \)o6) anfcßlug, menn einer, mie fein 5^ermanbtcr, ber augöburger Domherr Sohann oon SBiröberg, burd} ben Dunftfreiö feinet luftbicht oers fchloffencn ÄlranfenjimmercJ fid) nicht abhatten ließ, ftunbcnlang bei ihm ju fijjcn unb il)n buri^ ©cfpräch unb Sr^ähtungen aufs VIL 16

242

I. »ud&. 11. ÄaWtel.

^ul)citcrn. J^üfjcr ^attc ein anberer greunb, alö er §utten’ö flrägüdjcn unb tt)ie fc^ien Ijoffnunflölüfcn ii)ni

ejerabe^u ben 9iatl) cicgcbcn, fic^ umjubrinqcn. Unb biefe ©droben unb ficiben ()attc bi^^^cr Jütten nic^t chua rul)iö abiuarten fönnen, fonbern fic auf feinen S^leifen uon ©reifönjolb bi^ 9f^om, üon Söien unb Dlmüjj bid ilJiain^ unb ^ariö mit fiel) (jerumgefc^teppt.

fehlte i{)in an 9iul)e, fehlte ihm , ba er noch baju meiften^ üon ÜJ^itteln entblöfit mar, an ^flec^e, unb er mar uicl)t feiten genöthiflt, in ©rmaugeluiu] uon Herzten, bie freilich ihrer 3Jiehr- äal)l nach and) menig §ülfe bradjten, fid) ^^3fufchern unb Ouaefs falbem an,^uuertraueu. ^^Qe^ 9J?öglid;e mar im Saufe biefer jeljn ^[ahre an ihm oerfucht morben : iöäber unb ^^riinfe, Bähungen unb 2(epmittel jeber 3lrt. !Dic gräuliche 0chmiercur, bie ben mit (Salden, ^^uloern unb Delen aller ^rt eingeriebenen Ätranfen 20—30 Xage lang in löettcn gemicfelt im glüheubheigen 3immer hielt, biefe fd)recftid)e (£ur. bie mandjem ba^ Seben, anbern ben ^Öerftanö gefoftet, h^il er in oerfchiebeneu gönnen cilfmal burch- gemacht. SlUe biefe ÜJiittel unb Suren aber h^iUen im beften galle phlliatiü gemirft. Sine S^abicalcur hoffte ber ilranfe oon bem SJiiaiafholje, ju beffen ©ebraud) ihm fein greunb ©tromer, ber Seibar,3\t fcinci^ gürften, gerattjcn l)öUe.

^ie Sur mar einerfeit^ eine §ungercur, anbererfeitö mürbe ba^i ^ecoct oon ben Spänen beö SJuaiafhol^e^ getrunfen, mährenb ber .Hranfe in einem mägig geheilten, bem ^oltiUe ber Suft möglidhft Oerfd)loffenen ßimmer, einen Xheil bes^ ^ageö im 33ette, fid) aufhiclt. ^)ie offenen 0d)äben mürben babei mit einer 0albe Oon 33leimeig, ober auch our oon bem 0d)aume bed SJuaiafbccocteJ, behanbelt. iltoch 40 ^agen burfte Jütten mieber ouögehen; hoch ftaub noch einmal 40 Xagc an, biö ber begaben an feinem ©djienbein ganj ^ugel)cilt mar. 9^un aber fühlte er fid) auch mie neugeboren, bie gefchmunbenen Äräfte ftellten fich mieber ein, unb er fdjerjte halb barauf über fein gettmerben. 93on bem $ol^c, bem er feine Stettung ju Oerbanfen glaubte, fpricht er aU oon einer göttlidjcu 32öohltl)at, einer Oom §immel herab gebotenen $ülfc, mit einer 2lrt oon religiöfer S3crehrung, unb er h^elt gemiffermagen für Pflicht ber ^anfbarteit, burd) eine Schrift ^u oerherrlichen unb ber Icibcnben äJ^enfehheit befannt f^u machen, lieber boö SJuaiafholj alö ocrmeintlidjc^ Specigeum gegen

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^utien’S Sd^rifi Uber bte t^Tan^ojentranf^ett unb ba§ @uata!. 243

bic fiuftfcuc^c Tjattc fd)on baö 3at)v üorl^cr bcr ^rofcffor unb faiferlid)c $t)t)ficuö S^üolauö ^oU einen 5^ractat uerfagt, unb benfelbcn bem Sarbinal üon öurf, SJiattböuö Snnc;, flemibmet, ber um bic @rfovfd)un9 unb iöcfanntmac^unc^ bcö uon ben v^paniern auf 0t. ^ominflü ^efunbenen .gcilmitteU ein bejonberes S^erbienft in 5tnfprud) nai)m. 3c^t forbertc (Soüege, ber getaufte

3ube ^aul iRiciuö, |)uttcn auf, bem (^uaiaf feine geber ju tüibmen, unb feine 0d)rift gleid^fallö jenem Gavbinale ^u^^ueignen. 3um Srfteven mar glitten febon üon felbft geneigt; aber bic lefetcrc ^ufforberung empörte fein ganjeö 0elbftgcfüt)l, ba er bem ftül5cn iiird}cnfürftcn bie gcringfdjäbige ^cl)anblung nidjt üerjeÜ)en fonnte, bie er üor 6 3ob^cn in Bologna non bemfelben batte erfahren müffen'). glitten begann feine 0cbrift nad) 5öccnbigung feiner 6ur in 5tug^burg im §crbft 1518, unb üollcnbctc fie mit einer ß^cignung an feinen Murfürftcu um 9tcujabr 1519.

2)ic 0d)rift l)(Jnbclt in 26 Äapitcln fd)r metbobifeb unb in auegejeiebnetem Latein uon bem Urfprung, ben mutbmaglicben Urfacben unb ben ©biiiptomen ber 2nft)cud)c ; ben bis^b<-’^» *inb inöbefonbere aud) üon .giuttcn felbft, gegen fie gebrauchten Ddt* tcln; lommt fofort auf baeJ neue 0pecificum, ba$ ©uaiafbolä, feine Vluffinbung, 9iatur unb ßübereitung, ^u reben; gibt bi»-'rflüt üon bcr mittclft bcffelbcn üor^unebmenben 6ur, mit allem maö babei j^u bcobad]tcn unb j\u üermciben ift, eine umftänblidjc 2)arfteU lung; l)ict tbcilt^uttcn and) üon feinem eigenen Äranlbtit^suftanbe, ben jeneö SDdttcl geboben, eine genaue iöejd)rcibnng mit ; morauf 35erbattungörcgeln für bic (^cne)cnen ben Sdjlujs macben. ÜJ^erl^ mürbig ift bicbei, j\u feben, mic .£)utten, beffen ^rofa ftd) unö bi«>b<^i^ *1»^ 0turmlaufe bcr rebncrifdjcn ^eclamation, ober in bem rafd)cn SBccbfclfpicle be^ ^5)ialogö gezeigt b^'l» ^ueb ben gcmcffcncn 0d)ritt bcr bibaftifeben ^)arftellung fid) fo üollfommen aui^ucignen ücrftanb, aU bdtte er von jeber in biefem^clbe gearbeitet.

9tur an öincr 0telle tbut er ficb auch in biefer 0cbrift aliis 9iebner gütlich: mo er nömlii'b, aud (yclegenl)cit bcr j^ur ©uaiaf- (Sur erforberlicben ftrengen ^)iät, auf ben fiuiuid ju fpred)en fommt, bcr 511 jener Qc\t in ^cutfcblanb bcrrfd)enb gemorben mar.

1) S. oben, 0. 64.

244

I. ^u(^. 11. l^opiteL

tiefem ©ccjcnftanbc lüibmct er ein eigene^, unb jmar baö um^ fangrcic^fte Äopitcl feiner ©c^rift *). @r beginnt mit bem SSunfc^c, ben mir fd)on fennen, bag unfere ^Kation fic^ enblic^ felbft ers tennen möge, b. b- bicgmal einfeben, mie menig ficb folcbe SSöHerci für baö meltbcrrfcbcnbe 83olf gezieme. 2)ie SBorfabren, bie unö biefen S^ang ertömpft b^ben, meicben bie übrigen Sölfer unö nur noch i^um §obnc laffen, b^^beii ein anbercö ßeben geführt, ßunäcbft mirb bicr gegen baöSaftcr ber Xrunfenbeit loögejogen; büd) noch meniger entfcbulbbar ber ßujuö in ©peife unb Ön^ug gefunben, ber jc^t einreige, ber ^ug ^u auölänbifcben ©emürjen, SBübIgcrürbcn unb ilieiberftoffen , mclcber bie Xeutfeben jugleicb entnerue unb arm mache. „2)en ächten alten 3)cutfcben biente nach ^^Jliniu^, mie noch je^t üielcn, §aberbrei ^ur 9kbrung. SGßir hingegen fpeifen überfeeifebe iöiffen, bie mir für fo unentbehrlich halten, bag bei unfern ^auöüätern ©ruubfa^ gemorben ift, ma^ hier mächft ^\i uerfaufen, um jene^ grembe ein^uhanbeln. 9tid)tig ^Inbcreg h^^i bie Jugger fo reich gemad)t, melche, mähreub mir unfereö ßeibeö Pflegen, allein in 2)eutfchlanb ®elb unb foft^ bare .Käufer befi^en. ®enu fo fchr finb biefc Kliener unferer Suft emporgefommen, bag il;r S^ermögen für gröfeer aLS bo^ eines jeben Don unfern dürften gefchäht mirb." ©o bringt benii Jütten bem ©afran unb ber ©eibe ein förmliches Pereat, unb münfeht allen benen baS ^^obagra unb bie gi^anjofeu, bie nicht ohne ^J[$feffer fein fönnen. Äernfprüchc unb ^eifpiele auS ber alten Söclt, uon ©ofrateS unb Diogenes, ßato unb §annibal, auS ber neuern baS feines ©rogoaterS Soreui^, merben beigebracht; eiiu mal, mo eS gegen bie ©eiftlichen als bie Heerführer ber Ueppig- feit geht, auch etliche Sibclfprüche inS’Jelb geführt.

^en eigentlichen (^egenftanb feiner ©chrift anlangeub, be* fdjeibet fich Hutten, basjenige ju geben, maS er als gebilbetcr 3^tichtmebiciner allein geben fonnte: nämlich, außer bem ®cfchicht= liehen, feine eigenen (Erfahrungen in liöejug auf bie Äraufheit unb Sur, mit gelegentlichen ©eitenblicfcn auf baS, maS er an nnbern beobachtet h^^Hc. öei ber ?luSarbeitung mar ihm, ba ©tromer nadh bem ©chluffc beS fRei^StagS mit bem er^bifchöflichcn Hofe nach ©achfen gegangen mar, ber jmeite Scibarjt, ®regor

1) Cap. 19. Contra luxum parsimouiae laus. S. 457 470.

5)ie Jürlenrebc oollpönbig mit 3ufebrift an oHe freien ©eutfd^en. 245

(Soppuö, in cintflcm bc^ülftic^, bcr auc^ bie ^anbfdjrift üor bem ^rucfc burc^fa^. @cbrucft tüurbc fic 9J?ainj, alö §uttcn bc^ reitö jum würtembcrciifc^en fic^ auf(icmarf)t ^attc ; luefj*

1) alb bcr Qclcljrtc gactor bcr ©djöffcr’fd^cn i)rudcrci, SSolfflant]

§lncift, Urfac^e fanb, lucgcn bcr ütclcn ^rucffe^Icr um @ntfd)ul= biguncj ju bitten. ®ic 3d)rift fanb fd)ncüc unb mcitc Serbrei* tung, mürbe inö ^cutfc^c (üon ÜJ?urner), @nglifd)c unb

gran,^öfifc^c iibcrfc^t, unb bct)auptct noc^ ^cute in bcr ®cfd)ic^tc bcr ©eueren unb bcr ^cilfunbe i^ren ^la^.

Snbem mir nun aber, bem iiefer unb unö fclbft ju ©efaflen. bie nähere Erörterung üon ^uttcn'ö ^ranfheit^umftänben biö ju biefer ©teile ucrfd)oben höt>cn, muffen mir unö cineö Unred)t§ gegen unfern gelben fd)ulbig befennen. SBir haben ihm nämlich bamit bisher bie 5(ncrfcnnung untcrfchlagen , bie, neben bcr !0e* munberung feiner ©chriften alö folchcr, bcr ©eiftci^ftärfc gebührt, melche baju gehörte, um mäl)renb cine^ fo fchrcdlichcn, langmic^ rigen unb hoffnungölofcn ©icchthumö SBerfe hcruorpbringen, an benen nidjtä matt, allcö ©efunbheit, grifd)c unb Seben ift. Sind) mährenb feiner Öuäiaf=Eur lieg fich §utten Dom ©tubium, ja üüu eigenen Aufarbeitungen, mic baf aufführlichc ©cnbfchrciben an ^irefheimer, bur^ baf Verbot bcr Acrjtc nid)t abhaltcu, bie nicht mußten, baß berglcichen für ihn nidjt Anftrengung, foubern Sßergnügen mar. ^af ©ebießt an Ehriftoph $acuf, beffen 33cfud) ben Äranfen auf ©tunben gefunb unb h^'il^t machte (mit menigen feiner italienifchcu Epigramme in einem jener iKaßc gcfchriebcn, , beren SBorbilber nicht auf 93irgil unb Ouib, fonbern auf §oraj^ unb Satuü genommen maren), feheint bcr lebten Qcit in SJiainj, uor bem Anfang ber Eur in Augfburg, anjugehören *).

iRoch maren bie ©chäben an feinem ©d}icnbcinc nicht ooU* ftänbig jugcßeilt, alf |)utten im ftrengen SBintcr (Sf^oOember ober

2) cccmber 1518) Don Augfbnrg nach ©tcdclberg reifte, um feine bamalf noch lebenben Eltern ju bcfuchcn*). §icr, auf bcr33urg feiner 33ätcr, hotte er jebcfmal freier Athem; bie ^Rücffichten beren er jmar auch fonft nicht niete ju nehmen pflegte, ßclen ba OoHenbf hioioeg. ®aß feine ^ürfenrebe im ^rude burch bie

1) Äd Christophorum Ilacum. Schriften I, S. 239.

2) Do Guaiac. c. 8., @. 424.

246

I. Sud^. 11.

^cngftlic^feit feiner im {aifer(id)cn 5)ienfte fte^enben ^reunbe öerftümmclt morbni mar, iinb 5mar gcrabe biejenigen X^eile üer^ loren ^atte, auf bie er am meiften ©emic^t legte, mar i^m fc^on auf feinem ^franfen^iinmer ju ^ug^bnrg, atü er fie an ^iref^eis ^ mer fc^iefte, empfinbüd) gemefen. 2eb()aft f)attc er bie Soflifion gefüt)lt, ba6 er, menn er 5lmt unb 3!^erfürgung ^aben moHe, bie ^flic^t beö Patrioten, nngefc^eut bie 2Bal)rf)eit 511 fagen, nid)t erfüllen bürfe. in ber freien Suft feiner ^eimifd)en 'iöerge

l)ielt er baö nic^t mel)r au^. @r entfc^lofe fic^, feine Diebe üolls ftänbig bruefen ju laffen, unb gab i()r eine 3nfd)rift an alle freien unb magren ®eutfc^en mit*).

2öüf)Imeinenbe greunbe, fagt er l)ier, haben if)n gemarnt, feine Xürfenrebe bruden ju laffen, and giirdjt, einige aDjii frei* müthige ©teilen gegen ben römifd)en §of fönnten i^m ©efa^r bringen. @r hnbe ihren DJlahnungen unb iöitten fid) gefügt, unb feinen @ifer jurücfgchaltcn : ungern fd)un bamalö, unb nun fei ihm nid)t länger möglid). fdheine ihm unebel, auö gurdjt üor perfönlicher (Gefahr bem öaterlanbe feinen ^ienft ^u ent,yes f)en. Unb ^ubem fönne er in ber ©ad)e nid)t einmal ©cfahr entbeefen. ©eine Diebe bebiene fich nur einer rechtmäßigen unb nothmenbigen, feiner rnuthmiCligcn Freiheit, unb non ßeo X. Der- fehe er fief) nur beö 33eften ; abgefchen bauon, baß er ja mit bem* felben in ber 51ufforberung i^um ^ürfenfrieg übeveinftimme. ^)och, füllte ihm and) (Gefahr brohen, üerläßt fich §utten auf ben iöeiftanb feiner ®eutfd)en, für bie er fid) berfelben unterzogen hat. Unb felbft bie geinbe unb Unterbrüefer 2)eutfd)lanbö foll* teil in ihrem eigenen S^ntereffe fid) hnlcn, bie ©ad)c jum 5(eiu ßerften ju treiben. „3n ber (mit biefen Söorten, meld)e bie Dleaction aller ß^iten fid) füllte gefagt fein laffen, aber freilid) feine fich flffngt fein läßt, fd)ließt .^utten fein ©enbfehreiben), menn einen gibt, melcher bie beutfehe greißeit fo ücrnichtet münfd)t, baß mir gegen fein Unred)t, feine ©d)mad) mehr (Siti' rebe tf)un bürfen, ber möge zufeßen, baß nid)t jene fo gefnebelte unb faft ermürgte greißeit einmal, zn ber Unterbrüefer größtem

1) ®gl. oben, 8. 212 ff. ®tc neue 91u§gabe mit bem 3ufa^ ouf bem iitet : Inßunt quae priori editione exerapla erant. 5)if guft^rift : Li-

beris omuibus ac vere Gerinanis, Schriften I, 8. 240 —242.

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3uetgnung einer Ausgabe be§ Qtblui.

247

©c^abcn, plö^lic^ auöbrcc^c unb fic^ tütcbcr ^erfteHc. SBic Diel flügcr tüäre ücrftänbig angcfepeu, mic uici gerätsener fclbft üon bem ©tanbpunft unferer Unterbrüefer and, i^r immer noep etmaö 5ltSem ju laffen unb fic nid)t gar ju eng jufammenju* preffen, alö bapin ^u treiben, baß fie im @efül)l ber broßenben ©rftiefung fieß getraltfam burd) einen jerftörenben 5lnebrud) ßuft maeßen muß. ^)cnn einfangen unb teidjt binben laßt fie fid) rnoßl, jumal menn e^ einer gcfd)idt unb fcßlau an^ugreifen meiß; umbringen unb ab(d)lacßten aber läßt fic fid; nid)t, unb fic ganj ^u üernießten ift unmöglid). 5)arum möge man un^ frcimillig ctmaö jreißeit geben, bamit mir unö nidjt mit @cmalt allcö nel)= men. Dbrnoßl nur menig ift, maö ieß mir ßerau^genommen ßabc: nämlid) einen gereeßten (Sdjmerj nid}t oßnc Slui^brud ^n laffen, unb bem gemeinfamen UnmiUcn bci^ Satcrlanbeö ein be^ feßeibeneö SSort ^u leißen. ?llfü 9Jhitß!.. unb ißr, benen bcisJ 5Satcrlanbe^ greißeit am §er;\en liegt, bic ißr ^eutfd}lanbö @ßre erfennet, unb noeß nießt gan^ bem 5(bcrglauben ücrfallen feib, lefet, maget Slcßnlicßeö unb lebet moßl."

9^acß ü)?ain^ um ben Einfang b. 3. 1519 ^urücfgcfcßrt, bereitete Jütten feinem gürften eine hoppelte litcrarifcße §ulbigung : bureß bic ßw^iflnung feiner 0d)rift über baö ©uaiat, mooon bereite gcfprod}en, unb burd) bic 2Bibmung einer neuen Slusgabc beö 2ioiuö. 3^* 3D?artin in SJ^ainj mären @tüdc oon jmei Sücßern auö ber oierten ®ccabe bcö 2iuiuö, bic biößer gcfcßlt ßatten, aufgefunben morben, unb c^ ßatten nun bie beiben Öelcßrtcn, 9lifolauö Sarbaeß unb SÖolfgang ^^Ingft, beibc unS fd)on auö ben 2)unfclmännerbricfen alö älätglieber bci^ ^umaniftenfreifeö befannt, beren erftercr fdjon einige gaßre über 2iüiuö ®orlefungen geßaU ten ßatte, eine neue, and) fonft ocibeffertc ^luägabe biefeö 0d)rift^ ftcllerö in ber 8d)öffer'fd)cn i)rudcrei bafclbft oeranftaltet ‘). 0ic fonnten bk ßweignung felbft abfaffen; aber fic fprad)en Jütten barum an, mcil c? ißnen in Uebereinftimmung mit ben gelcßrten Xomßerrcn, bem ®efan 2orenj Xrudifeß, 2)ictrid) 3^^’cl unb äJiarquarb §atftein, für ben ©rsbifeßof fcßmeidjclßafter fdjien, menn

1) T. Livius Paiavinus historicus, duobus libris auctus etc. 5)ie neuen Stücfe waren Lib. XXXIII o^nc bic 17 crflen Äapitel, unb Lib. XL oon Cap. 37 an. ^uttcn’8 In T. Livium . . . praefatio, ©(^riften 1, $. 249— 2B1.

248

I. 11. ftapHel.

bic öon einem 3Ranne feinet ^offtaat^ auöflinge. ®er

römifc^e @efc^id)t)d)reiber felbft, fül)rt§utten in biefer SBibmnng Quö, menn er fic^ einen "ipotron 5U tt)äi)len l^ätte, mürbe feinen anbern mäftlen moUen, feinen mürbigern mä^lcn fönnen, olö einen um bie beffern ©tubien unb ®clel)rten fo uerbienten gürften mic 2Ubre(^t : auf ber anbern ©eite aber fei auc^ bie ßueignung eineö §lutorö toie SiuiuiS für ben S^urfürften eine f)ol)e @^rc, meld)e biefer mo^l halb burc^ neue mäcenatifd^e SSerbienfte /\u ermiebern miffen merbe. „^u erfennft beinen Öeruf, unb fo fte^t e^ gut; bu begünftigft bie SBiffenfd)aften, unb mirft ^inmieberum oon if)nen Oerl^errfic^t. 9J^it ber ^Barbarei ift ju @nbe: biö ^ie^er mürben bie ©tubien gering geachtet; jefet fef)rt man 5ur magren ©ele^rfamfeit jurücf, bie ©eifter bilben fid^."

3m gebruar 1519 erfd^ien nun au^ ba^ @efpräc^, baö, menngleic^ üieHcid)t erft ju SJiain^ ober auf ©tecfelberg auögear= beitet, bod) feinem SD^otioe nad) in 3(ugöburg, unter bem ©in^ fluffe beffen, ma§ §utten oon bem ßavbinal Sajetan fa^ unb ^örte, auggebac^t mar. Uebrigen^ ift bicfcö ©efpräd), baögicber betitelt^), eine ©atire auf baö üppige ßeben ber ©ciftli^en unb 9ieic^en jener ßcit überhaupt, mit einem befonbem ©tac^el aßer- bingS auf ben Sarbinal. ®ie ©ituation ift biefe. Jütten miß baögieber, baö bei if)m im Ouartier gemefen, auötreiben; biefeö bittet fid) auö, menn fein müffe, menigftenö in eine anberc gute Verberge geführt j\u merben. §utten mcift jum Sarbinal* S. Sixti (Sajetan), ber aug fRom nad) ®eutfdbiönb gefd)icft fei, um (5JeIb, angeblid) ^um Xürfenfrieg, in ber X^at aber für bic S3crfc^menbung bcö römifc^cn §ofc§, auöjumirfcn. Xa fönnc eg gemig hoffen, mohl gehalten ju fein; beim ber 9JMnn rul)e in purpurnem ©emanbe hinter oiclcn SSorhängen, fpeife auf ©ilber, trinfe aug @olb, unb fei ein folcher geinfchmccfcr, bag ihm in Xeutfd)Ianb nid)tg miinben moßc: bic bcutfd)cn fRcbhühner unb 5^rammctgOögct feien nicht nach feinem ©aumen, bag beutfehe SSilbpret fei ihm jum @fcl, unfcr33rob nenne er gcfdhmacfiog, unb

1) Febris, Dialogus Huttenicus. hinten: Mense Febr. an. 1519. 3m folgcnbcn 3öbi^ tn bic ©ommlung ber Dialogi al8 Febris prima üufgc» nommen. Schriften IV, 6. 27 41. meiner Ueberfe^ung öon ^utlen’S ®c|pril(^en S. 50—62.

N

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^utten’l ©efpröc^): Qfieber (bo§ erfie).

249

unfcr SBcin UoIIenbö prcffc i^m Xf)röncn au§. 2)a^cr l^cigc er ^eutfc^lanb ein 33arbaren(anb, unb ^abe fid) feit t>icr 9}?onatcu nic^t fatt (^egeffen, ouö ÜJtoqcl an feinen Riffen. Mein bas; gicber [)Qt feine Snft ju bem binfenbünnen faftlofcn ,^opff)önöer, ber flegen feine 2)ienerfcl)aft ber ärgfte itniefer fei, nnb e^3 getoife gleich mit bem )öanne belegen würbe, fo wie über feine ©cbmcllc träte. S3ei ben gürften nnb reid)cn ilauflcuten aber fürchtet bie 5terjte, f)inter meld)e biefe fiel) uerfebanjen. Snbein ba^ gie^ ber fofort .feine 33itte, in eine gute .'perberge geführt jn werben, mit ber Berufung auf eine alte ^of)ltl)at gegen glitten wiebcrbolt, biefer aber üon feiner folcben miffen will, erinnert il)n baran, wie öor ac^t niertägigeö ein f)alb 3at)r lang

bei i()m ©afte gewefen*), ibn fo fleißig, fromm unb gebulbig gemacht h^be. 3a, gequält habe e^ il)n, nnb er fid) bann and Ueberbruß in bie 5lrbeit geworfen, erwiebert ^utten, unb broßt bem gieber, wenn nid)t fort wolle, mit fd)inaler 5ioft unb Äerjten wie 'Stromer: aber baö feinen Patienten;

weiß, baß Jütten lieber ein 3al)r lang franf fein, alö ein $aar Semmel fRßabarber ober S^ießwur^ einneßmen will. So gibt fid) biefer abermal^3 baran, fieß mit bem böfen öafte wegen bcö OuartierWeeßfeU gütlicß p oerftänbigen : er will ^n ben äJiöncßen füßren, bereu SSoßUeben oßnc 53ewegnng für ba3 gic? ber gan^ befonberö einlabenb fein müffc: allein bie ä)^önd)c, er? innert biefeö, ßaben oon ben alten SBeibern, bie bei ißnen beid); ten geßen, 3o»l>crformeln gelernt, e3 ab^ntreiben. Hueß unter ben ^)omßerrcn, meint ßicrauf Jütten, ßnben fieß fette, woßlges näßrtcßeute, bei benen fid) woßl beßnben müffe; ^war maeßen fieß biefe burd) fReiten nnb 3agen meßr ^öewegung ald bie äl^öncße, bod) werbe baö bnrd) wilbere ?ln«fcßweifung mit ^raffen nnb 33ußten wieber audgcglicßen. ^lllein bie, wenbet ba3 gt^^ber ein, feien oon allen möglid)en anbern Älranfßeiten fd)on oorßer fo eingenommen, baß ißm fein fRanm meßr bei benfclben übrig fei. So füßrt benn Jütten i^ulcßt einem jüngft auö fRom an* gefommenen ßurtifan, bei bem alle (Srforberniffe beö SBoßl*

1) T>ai war ju Sloftorf, im SBinter 1509—10. ®. Querel. L. I, Eleg. 1, V. 9.

250

I. ®u(^. 11. Po^ttel.

lebend uub ber SmpfänQlidjfeit für bog gicber, tüte fte biefeö nur tüünfc^en mag, firf) finben.

Unter bergleid)en fcf)riftftellerifc^cn Arbeiten ücrleibete un» ferm Stitter ba^S eigentlirf)c §ofleben immer mel)r. @r f)Qtte mit biefen leeren aufgeblafencn t&c^ran^cn fo gar nirf)tö gemein. Unb bod) fonnte er baö ©infommen, ba^ feine J^offtellc if)m brachte, nid)t mot)l miffen. ®a it)u fein gütiger ©unften fei^

ner ©tubien, bereite ber getüöbnlid^eii Xiienftleiftungen entbun^ ben t)atte, fo lieg fieg goffen, bag berfelbe ign nod) freier ftcHen, igm eine ^enfion auömerfcn merbe, bie er an einem beliebigen Orte üer^egren moegte. |)alb mar igm fegon juge* fagt, unb nun follte ©ra^muö ben Äurfürften öffentlicg bariim loben, bamit befto gemiffer in Erfüllung ginge*).

1) 6rtt§mu§, SJlainj, G. 1619. 6d^riften I, 6. 248.

k.

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251

BmWflcs fiapitfl.

1519.

5ür bcn ^(ugcnblicf jcbod) njurbc .^uttcn'^ üterarifc^c burd) ein uncnüartctcö ©rciflnig untcrbrod)cn. 5(m 12. Suniun* 1519 iimr itaifer Sl^ijimilian SBelö in Cbcröfterreic^ nerfdjieben, unb t)on ber ^llabljeit bei feiner ^obtenfeier ,yi Stuttgart mar auf bic 91ac^ric^t, bag j^mei 9tentlinc^er feinen ^Mir^üoc^t non ber ^c^alm erftod^en, ^erjoc^ Ulrid) anfgefprunc\en, 511 ^ferbe c^eftieflen, unb nad)beni er im fianbe Sturm fc^tac^en laffen, ben 21. mit Ärieci^üol! unb (%fc^ü6 uor bic Stabt geriidt, bie am ad)ten Xagc erobert unb ain3 einer faiferlic^en 9^eic^öftabt ^iir toürtems berflifc^en fianbftabt gemad)t mar.

^)er Siaifer mar tobt; ber 9?eiri)öbcrmefer für baö füb* meftlic^c ^eutfc^lanb, ^faljciraf Slubmig, mollte ben it)m be^ freunbeten beißen. $(ber ^Reutlingen mar ^Jd^itglieb

be^ fd)mdbifd)en 53unbe§ auö meldiem Ulrid), auf feine @igen* maeßt eiferfü(^tig, au^%'treten mar, unb in meld)em beffen grollenbe Sd)mäger, bie iöaiernl)er,^oge, eine l)eruorragenbe Stellung ein* naljincn. 5)cr fd)möbifd)e iÖunb alfo fammelte gegen ben £anb- frieben^bredjer ein .§eer, ,^u bem oiele üon ber fränfifdjen 9?itters feßaft fließen, bie Jütten uoran, meld)c bie il)iien im blanbeurer Vertrage ^^ugefprodjcne ©ntfdjäbigungöfummc immer nod) nid)t empfangen b^^tten. SÜJic ßätte ba Ulrich non .'putten baßeim bleiben fönnen, mo ißm bie ©elcgenbeit ficb bot, ben alten SBibers fachet, gegen bcn er nergeblid) bcn i^aifer unb ba« 9lcid)«gerid)t aufgerufen hatte, cnblich bod) noch ftürjcn ju halfen, unb babei,

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I. ®u(^. 12. ÄQ^ntfl.

nad^bcm er firf) nun längere auSfc^licglic^ al^ ©elel^rtcr bcrDorgetl)an, nun auc^ tt)icber ben ^Ritter in fic^ fe^cn laffen ? ^^ä()rcnb er bai)er feinen ^^alari^mu^ micberauflcgen liefe, rüftete er fid) juglcid) im Februar unb 9Rär-^ eilig mit SBaffen unb ^ferben au^3 ’), ritt rnittlcrmcilc aud) einmal ju granj von ©idingen, ber, frül)er in g^onfreie^^ ©olbe unb mit Ulrich von SBttrtembcrg in SSerbinbung , jejt ooniefemlicfe burd) feinen ©egenfc^ioä^er, 2)ictrici^ ©pöt, ©abineiiv ^ßalabin, für ben fd)mäbifc^en ©unb jum gelbjuge gegen ifen genjonnen mar.

3n biefem gcmeinfc^aftlic^en 3ntereffe traten fid^ bie beiben SJiänner j^uerft nöfeer, bie fic^ halb gegenfeitig an^ogen, unb au3 beren Serbrüberung fo grofee ©ntmürfe, aber aud^ fo grofee Unfälle für beibe feevoorgcljen follten. SSäferenb bcö §utten’f(i)en Öefuc^g mürbe beffen (^efpräd): Febris, oorgelefen, unb ma§ ©iefingen baoon oerftanb, ober ifem überfept mürbe (benn baö ßatein mar be^ iRitterö ftarfc ©eite nid)t), gefiel i^m fo mol)l, bafe er merfen liefe, er möd)tc gern bcutfdj fjaben. 3)icfcm SBunfefee ju ent^ fprcd)cn, oeronftaltcte $uttcn eine beutfe^e Ueborfefeung beffelben, bie er am l.SRärj von ©tedelbcrg auö bem eferenoeften, t^euren unb ]^od)berüt)mtcn gran^ Don ©iefingen mit einer beitem ßuf(^rift mibmete^). @in fcberjbaftcö tleineö 33ücblcin mie biefeö eigne fi(^ jmar alö @abc für einen 2)^ann von fo ernften unb ritterlichen ^haten menig; bod) meil ihm jüngft mob^ugefallen gefc^ienen, bauptfä^licfe ober mcil Sranj, mie Jütten gcl)ört, bem gieber auf feinem §auö unb ©djlöffcrn aud) fcf)on Deffnung unb §er* berge feabe geben müffen, möchte er ihm etma^ jur Slbmchr gegen baffclbc in bie §änbc geben; höbe bafecr „folcheö Öüchlein vom fiatein in baö Xeutfeh, miemoht im fiatein viel lieblicher unb fünftlid)er bann im Xeutfehen lautet, ocijoanbeln laffen", unb eigne il)m l)icmit alö ßeichen feiner 2)ienftbefliffenhcit ju.

Silod) ben Xag üorl)cr, am lebten gebruor, mar Jütten j\u ^Rotenburg on ber Zauber gemefen, h^tte feinen ^höloriömuö

1) ?ln ^Irnolb ©laubergcr, ©Triften I, ©. 256.

2) S!)iatogu§ ober e^n gejpTed^. genont. burd(| ben ©rnbeften önb

bod^berumpten SIrtd(| non Julien tn latein befd^riben, ^e^ burd^ gut gunner )u beutfd^ gemodelt. Unter bem loteintjd^en ^e£t, mit ben toentgen ^bfinberungen ber Ibätem ©efommtauSgabe ber ©efpräd^e, abgebnuft in ^utten’8 6(^rlften IV, 6. 29 If. ; bif an ©idfingen I, 6. 247.

Slfifhtng )um $elb)uge lotber tHrid^ bon SOfiritmberg. 253

mit einem ©rief an ^iref^eimer na^ S^ümberß gefc^ieft, bann, gleic^fam fc^on mit einem gug im ©teigbügcl, an ben i^m non feiner ©efanbtfc^aft ^cr pcrfönlicf) befannten ilönig gran^^ I. non granfreic^, non bem ben §er5og non Söürtem»

berg unterftü|cn, ein '2lbmat)nung^fc^reiben erlaffen*). @r fönnc nic^t glauben, fül)rt er bem Honig ju @emütl)e, bog biefer fi(^ in eine Serbinbung eingelaffen, bie ebeufo fc^mä^lid^ al^ geföbrlicft für i^n fein mürbe, ©rftereö mirb in einer 9teit)e non ©egenfä^en ^mifdjen beiS Hönigö angeblichen Xugenben unb bcö ^erjogö ßaftern unb Untljaten burd)geführt; in le^terer ^infic^t auf bie nerjroeifelte Sage beg ^erjogö, bie ftarfen Lüftungen be^ Sunbei^, unb auf baö alte ©prichmort tjingemiefen: mer unglücflich fämpfen mode, müffc mit ben ^cutfdjcn fämpfen. SBomit nicht gefagt fein foHe, fügt ©utten h***ä**f S)eutfd)lanb fei unüber^ minblich; mohl aber, baß nod) feiner über 5)eutfche einen erfreu^ liehen ©icg banongetragen. Söenn §utten bem Honig ben 53organg ber „bäurifchen unb rohen ©djmei^cr norhält, bie ^nfangö mit ftarter $cereömacht bem ^erjog jugejogen, bann aber, nom ÖJemiffen gefdjlagen, nicht ohne SSortbruch ihn neriaffen (jol>c’ir, fo märe bieß am lepten gebruar, menn bamalö fd)on in bem erft fpäter gebrueften ©riefe ftanb, nod) ein rebnerifcher ©orgriff gemefen, ba erft nad) ber 2)2itte beö 3Jiärj biefe jum 3^achthcit beö ^cr5ogö entfeheibenbe ©Jenbung mirflid) eintrot.

Genauer fchrieb §utten am 6. 3Jiärj non ajiain^i au^, rnoßin er non 9totenburg unb ©tedelberg nor bem 9lufbrud) jum gelb? jug nod) einmal jurücf geritten mar, an Crasrnuö, baß er ^mar ben ©anbiten nicht fürd)te, biefer aber gleid)mol)l noch Htäfte unb ©unbe^genoffen ha^c, unb rnöglichcrmeife ganj 2)eutfchlanb in bie Hriegöunruhen nermicfclt merben fonne. ©odte ihn, fcjt er h***äUf Hampf nerfchlingen , fo möge (Srosinuö burch

feine unfterblidhen ©chriften für fein Slnbenfcn forgen^). ?luch ou^ ben mährenb bcö gclbjugö gefchriebenen ©riefen ^utten'ö geht hernor, baß ber ^)cr5og Ulrich fehl’ gefürchtet, unb bem bünbifchen Hriegöjugc non manchen ©eiten ein übler ^luögang prophezeit morben mar. ^ber freilich , menn bie ©chmeijer ab«

1) Som 28. fStht. 1619. ©d^riften I, 6. 242—246.

2) 6<^riftcn I, 248.

254

I. 12.

jogcn, itjQt feine beftc Äraft gebrochen. Singer i^nen ^atte ber §ev^og nur bciuüffnctc öanblcutc iinb lucnige 0ölbncr, iuctc^c bem h'icgögcübtcn S3unbci§t)pcrc mit Dielen fRittcrn unb felbft einer Xruppc Icicgtcr albancfifdjcr fRcitcr, Stratioten genannt, niegt cntgcgcnjuftcUcn moren. mugten bic fcgmäbifc^en

S3unbcörätl)c, unb batten baljer bei ber fcbmcijcrifcbcn ^agfa^ung bie fRüdberufung ber fReiöläufer außgemirtt. Slueb $crjog Ulricg mugte cö, barum meinte er, mie er am 17. ä)Zärj fic fdjaarens meiß ab^ieljen fab: jept mar ber Ärieg febon Dor feiner @röffs nung entfebieben unb blieb ibm niebtö übrig, alß fid) in fein ©d)log Tübingen ju merfen unb fein 2anb bem anrüdtenben geinbe ju überlaffen.

Slm 28. SDMrj brad) baß Sunbeßbeer auß ber ©egenb uon Ulm auf, unb rüdtc über §eibenbcim unb Göppingen in baß 3öürtembergifd)e ein. ^J)eß iöunbeß oberfter gclbbauptmann mar ber ^er^og Söilbelm üon 33aicrn, @eorg uon grunbßberg Oberfter ber gugfneebte; Örauj uon 8idingen mit 789 fReitern, morunter oueb §utten, ftieg in ben erften Xagen beß Slpril unmeit Äird)- beim bem 33unbcßbecr. ®er gelb^ug glich einem ©pajier= gange. 9lirgenbß geigte fiel) crnftlicber Söibcrftanb. Slm 7. Slpril bulbigte bie .^auptftabt «Stuttgart ben Siegern.

ißon |)utten bf^ben mir auß biefem Selb^ug eine fReibc uon S3riefen an greunbe, bie unß jmar nid)t in ben Ärieg, aber mit- ten in baß bemegte Seben beß Sagerß uerfeben*)- Slm. 14. Slpril febrieb er auß Stuttgart an ben fRed)tßgelel)rtcn Slrnolb ÖJlaus berger nad) gi'^^nffurt, noch b^be er feinen geinb gefegen, aber bie meiften Stabte unb Dörfer b^ben ficb ergeben, nur Tübingen ftel)e nod) auß, in beffen fefteß Seblog fid) ber Slbcl gemorfen habe, mäbrcnb ber ^erjog auß bemfelben* mit menigen Gleitern, man miffe nicht, nad) granfreid) ober in bie Schmeiß (in ber Xl)at nach ber ^fal^) geflohen fei, uermutblicb uni fid)|)ülfe jn holen. Slber baß Öunbeßl)eer uon 30000 3JJann ju gug unb 4000 fReitern (in fpätern ißriefen gibt §utten richtiger etmaß geringere ßüblen), mit trefflichem (5Jefd)ü^ unb uoü aRutl), iuttnfd)c gd) uicbtß üöeffercß alß einen tüchtigen geinb, um iöcute unb fRubm geminnen. gbm felbft fei biß jefet uon ber 33eute noch

1) Sie fielen in ^mtten’S Sd^riften I, 266. ff.

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i^utlen im »ürtcmbcrßifd^en ^flbjugc.

255

nic^tö 5U(jefaUen: fobolb er feinen erhalte, merbe er ben greunben etnjaö bauen fdjicfcn. mcrftuürbicjc 9leuigfeit ineU bet §uttcn, bo6 wenige ^^ai^e uur beö^erjog^ ^luc^t bie-öMttwe feineö ermorbetch Setter^ in Tübingen bei jenem gewefen fei; ©c^abe, bag* bie Helena biefeö itriegö nidjt in i^re §änbe gefaUen, um i^ren fio[)n jii empfangen.

2)iefen ^^rief fc^rieb §uttcn im §aufe'9teud)lin'‘5, f“^’ er lang einen litcrarifc^cn ilrieg gcfül)rt l)attc, unb bem

er nun au^ im wirtlichen Ärieg aU Reifer erfd)cinen füllte. 3)er gute Slltc, ber mehr morolifchen alö phpfifcheu 3J^utlj befag, war, alö baö fcinblichc §cer fid) ber ©tabt näherte, in taufenb 5lcng* fteii gewefen. ©eine geliebten 53üd)er er uergraben. (Jr

wugte nicht, welcher Jreunb ihm unter biefen geinben lebte. ®urd) ©idiugcirö Vermittlung fepte Jütten e^ bei ben ^Inführeru burd), bag, im galt einer gewaltfamcn ©roberung ©tuttgartö, burch öffentlichen Sluöruf im ^cere fReudjlin’ö §auö fid)er geftellt werben foHte. ©o f^limm tarn aber nid)t: ©tuttgart ergab fid) auf Vebingungen, unb nun ging ©idingen felbft mit§uttcn 5U iReudjlin, bezeigte ihm, ber feiuerfeitö bie itrieger aUÖeigclu ÖJütteö anrebetc, feine @hefurd)t, unb uerfprad) ihm aud) in Vejug auf feinen alten, immer uüd) nidjt aiu^getragenen ©treit= hanbel alle |)ülfe.

^aö würtemberger ßanb gegel bem uielgereiften fRitter über bie 9Ragen wohl. ,,Äaiim h«l 2)cutfchlanb", fcljreibt er, „eine öJegenb, bie fdjöner wäre. Xcx Voben ift uortrefflid), baö Älinia gar milbe unb gefunb, Verge, VJicfen, ^hölc’v, glüffe, Duellen, SBälber, 5lHeö l)öd)ft angenehm, bie grüd)te gebeitjen wie faft nirgenb fonft. 2)er 2Bcin ift nadj Sanbe^art. ©tuttgart felbft nennen bie ©chwabeu ba» irbifdje ^JBarabicö, fo anmuthig ift feine Sage.'' Um fo mehr, meint Jütten, uerbiene bae Sanb einen beffern §crrn, alö e^ an $crjog Ulrich gehabt höbe.

^m 21. 2lpril fchrieb |)utten an bie greunbe nad) 9)^ain5 au6 bem Säger ^wifdjcn ©tuttgart unb Xübtngen. 9loch immer hatte fein geinb im gelbe fid) bilden laffen, bie Uebergabc Uon ©täb^ ten unb 5)örfern bauerte fort, gejjt war ^lleö auf Xübiugcn gefpannt; man war entfdjloffen, fallet e^ fid) nicht ergäbe, e^auf)^ ^eugerfte ^u beftürmen. ÜSieberholt rühmt §utteu bie 2luörüftung unb ben ®futh beö ^)ecreö. „©teilet mir bie Xürfen entgegen,

256

I. 12. ftapitet.

unb geiget mid^ Elften befriegen mit biefen Gruppen!" ruft er Qu^. ^anii, uQC^bem er fidj nad) bem Sarbinol ßajetan, ber eben in SDiüinj angefommen mar, qIö ^utten’ö 2)ialog Febris in beutfc^cr Ucbcrfc^ung aui^ging, fpöttifd) erfunbigt, fd)lic6t er mit ben SBor^ ten: ,,®od) id) fann nidjt mciter. ©d^on bläft b'ie Xrompete. ©päter ^ilubfübrlic^creö, id) ^offc nad) ber (Sinna^me Xübingenö. Sebet moi)l unb gebenfet mein. . . @itig, unter Xrompeten, ^ferbe^ gemie()er, Xrommeln unb Sagcrlärm."

3lm lebten 5Tprit gibt §uttcu auö bem Säger bei ©tuttgart ben greunbeu bic 3fiac^rid)t, - ba§ üorgeftern (genauer mar am ^2lbenb beg 25.) Xübingen übergegangen fei. S3ei ber JJeftigfeit be^ ©cbioffciS gegen jeben Eingriff finbet er in biefem ©rfotge, mic über[)aupt in bem ©äuge be^ ganzen Äricgö, @otteö ^anb ober {)ie 2Jiad)t beö ©emiffen^ mirffam. Sflun fotlte gegen Slfperg gei)cn, üon beffen ^öefapung unter bem mitben ^anö Seon* ^arb S^cifd^ad), bem trefftic^ei^ ©efe^üp unb ^utocr im Ueberflug ju Gebote ftaiib, man eine oerämelfclte (^cgcnmel)r ermartete ; bod^ and) biefe öefte capitidirte imc^ fünftägiger öefc^iegung, unb Sflcuffcn ergab fid) bann üon felbft.

Unterbeffen Ratten bic §uttcn'fd)cn auc^ i^rcr ^flic^t gegen ben ermorbeten SSettcu ^u genügen gcfud)t. ^egen (Snbe ber gaften^cit gruben fic in bem tt)umbifc§en Xorfe Äöngen, nic^t meit uon bem ©c^auplape ber graufen X()at, feinen Seii^nam auö, unb bag er nac^ oicr 3al)rcn noc^ nic^t uermeft, baö Slngefic^t noc^ fenntlid) mar, unb bei ber 53erü()tung 58lut auö ben 2öun* ben trat, galt i^nen aU ein SBunberjeid^en feiner Unfc^ulb. ©ie brad)ten il)n nac^ ©felingcn, mo er aufgefteüt mürbe, um fpäter in ber gamiliengruft in granfen bcigefc^t ju merben.

iBäl)rcnb biefcö gelbjugc^ l)atte fid^ ^uttcn'ö ®crf)ältni6 ^u gran,^ uon ©idingen enger gefnüpft. @r [erlief in beffen Seite, fam feiten üon feiner ©eite, unb ba!$ gemeinfamc Sager^ leben führte fd)ncll Jßertraulic^feit l)erbci. ^utten'd Jöriefe auö biefer Seit finb ooH oon ©idingen’)^ Sobe. (Sr nennt i^n einen großen a/tann in atten ©tüden, uon ßoßem, auf @lüd unb Un- glüd gleich gefaßtem 3Äutl)c, großen ©ebanfen, bcbcutenbcr, mür= biger 3lebe, babei einfad^ unb leutfclig im 33cncl)mcn, baßer bei ben ©olbaten ungemein beliebt. „(Sin 3Jiann", feßreibt er an (Sro^mU)^, „mie Xeutfcßlanb lange feinen geßabt ßat, unb uon

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^tten tm ^Ibbabe.

257

bem id^ ^offe, bag er biefcr S^iation einmal nod^ ju großem Sf^u^mc gereichen mcrbe. bemunbern mir an ben 2üten,

bem er nic^t eifrig nad)ftrebtc. @r ift fing, ift berebt, greift ^Ue^ raf^ an, unb entmicfelt eine ^^ßätigfeit, mie fie bei einem Dberanfü^ref crforberlic^ ift. . . ®ott möge ben Unterneßmmigen beiS tapfern SJtanneö beifte^en!"

9tac^ iöcenbigung beö gelbjugcö begab fic^ §utten in ba^ SBilbbab, um feine ©efunbßeit jju ftärfen, unb erhielt l)ier Briefe Don ^ermann S3ufc^ au^ Äöln unb S3eatu§ Sißenanuö au^ ©G^lettftabt, nac^bem i^m feßon Dörfer bei Sannftatt ein ©c^rei^ ben oon (SraömmS auö Sömen oom 23. 2lpril, aU tlntmort auf ^utteirg lebten 93rief aus a}?ain^, jugefommen mar. @an^ tonnte eS ber friebliebenbe ©raSmuS ßier boc^ nic^t laffen, ben jugenb- licken greunb mit feiner ÄriegSluft aufju^^ieljen. Sftaeßbem er i^m gemclbet, baß er am Sefen feiner Aula bisher burc^ ©efc^äfte oerßinbert gemefen, unb baß feine Febris (fammt bem il)r beige- brueften ^ßalariSmuS) megen ber perfönlic^en 2lnjüglic^teiten barin ju £ömen üerboten fei, übrigens allgemeinen Beifall, ßnbe, fäljrt er fort: „^)oc^ maS ^re ic^? Jütten, ganj oon @ifen, mirb in ber ©c^lac^t feeßten? ®a feße id^ ja moßl, baß bu jum Kriege geboren bift, ba bu nießt allein mit geber unb fonbern auc^ mit beS SJtaoorS SSaffen fämpfeft. grcilic^, maS ift eSaudj ©roßeS, menn bu jc|t unter fo oielcn gegen @inen ju förnpfen magft, ba bu cinft Bologna allein fo oiele in bic glud)t gefdjlagen ßaft? 3cß lobe beinen 3Jtut^; boc^ menn bu mir @el)ör gibft, mirft bu ben 9Jtufen i^ren Jütten erhalten." Unb mie bie eigentliche, fo fueßt ©raSrnuS bem greunbe meiter^ ^in aueß bie litcrarifd^e ÄriegSluft auS,^ureben. ^en Triumphus Capniouis ßabc er noeß nid)t gefel)en, unb ßoffe, mie man ißn auf feinen IRat^ fo lange jurücfge^alten , merbe man au(^ bic gonje 0d^rift noc^ gemilbert l)aben. i)er gänfercien fei fein @nbc, im löcrläumbcn, Sügen unb 0c^impfen bic Gegenpartei ißnen meit überlegen: aber biefen ©ieg folltcn fie, bie ^umaniften, ißren Gegnern millig laffen, ba fie SeffereS ju tl)un ^aben, als il)re 3cit mit unmürbigen ©treitigfeiten ßinjubringen *).

8(uS bem äöilbbabc begab fic^ Jütten @nbe ^tai nad)

1) 3n ^utlen’S Schriften I, S. 2C0-2G2.

VU. 17

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268

I. 12.

©Slingen, tpo nad^ SEÖÜrtcmbcrgö ®ro6cruitfl bic 33ünbifc^en eine joblreic^ bcfuc^tc Serfommlung hielten. 0c^on öon (Stuttgart auö ^atte er feinen Sfreunb Strnotb ©lauberger in granffurt gebeten, feine Sieben gegen ben .§er^og Ulrich abfi^reiben ju laffen ; jefet fa^ er fie noc§ einmal burd), ba üon Dielen ©eiten ber 2)ru(f gemünfd^t mürbe, unb Derfagte eine ©d^lugrebe baju‘). 2)ie Dierte, bie er Dor i^mei Salären ju ©amberg gef c^ri eben l^atte, fd^log mit jenem erfc^ütternben Slufrufe on ben Äaifer unb bie gürften jum ©eric^t über ben ©erbrec^er; einem Slufrufe, beffen rebnerifc^e 2)onner in ben O^ren unferer Sefer noc^ nic^t Der* ballt fein fönnen, Sßad'bort geforbert mürbe, mar nun erreicht : ber X^rann mar beftraft, mar unfebablid) gemacht. Slber cg mar nid)t in ber Söeife gefommen, mie eg bort geforbert morben mar : nid)t in ©oH^iiebung eineg Slicbterfprucbg ber oberften Sleicbgge^ malt, fonbern auf bemSBege ber ©elbftbülfe, bureb einen ©ercin cin5clner ©eicbgftänbc. !I)ic6 mar meniger alg jeneg, aber boeb immer Diel. (Sin (Srfolg bieg ift bag Xbema Don $utten'g fünfter Siebe*) melier bic ©etbeiligten ebenfo ju 5)anf unb ^ßreig gegen @ott, ber fo augenfcbeinlicb baju rnitgemirft, Dcrpflicbtet, alg er fie für fid) jur lebbofteften 5^eubc berechtigt. Slber nicht fo bürfe man ficb jene göttliche SJlitmirfung Dorftcllcn, alg ob (SJott auch ohne unfer geholfen bo^c*' mürbe.

3m ©egentbeil h^be ber ©rfolg biejenigen befebämt, mclcbe nun in bog Dierte 3ab^ ficb biogen SBünfeben unb mügigen ®e= beten begnügt höben, ©ie höben niebtg auggeriebtet : ihnen ba» gegen, bic, ohne bog (SJebet ju Derabfüumen, frifch jum SBcrfc unb jum ©chmerte gegriffen, fei cg gelungen. Sh^en fei @ott fomohl äugerlid}, bureb Slaturcreigniffe unb onbere gügungen (mie ber Slücfjug ber (Sibgenoffen), alg innerlich, burdh bag (3c- riebt beg (Slemiffeng, bag ben ©erbreeber ju ©oben gefcblagen, ju $ülfe gefommen. Um nun aber bie @röge ber göttlichen SBohl- thöt, bog ©rfreuliebe beg erreichten (Srfolgcg, onfcbaulid^ ju machen, mirb bie ©ermorfenheit beg Derjagtcn gürften, bie ©cföhrlicbfeit feiner Slnfcbläge, noch einmol* mcitläugg auggemalt. |)icrübcr mar nach ben frühem Sieben nicht mohl ctmag Slcucg, auf feinen

1) ben %rtef on Chilianus Salens., Sd(|rtften I, S. 267.

2) S(^rittcn V, ©. 84—95.

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l^utitn’S ffinfte 9lcb« totber ^erjog lUnd^. 259

gfan ctU)a8 ©tärferc«, ju fagcn: unb fo ift nid^t j\u leuflnen, bag biefc 3!bcilc ber 9lcbc burc^ SBicberljolunc; unb ßönge ennü* bcn. ÄbcrmalS unb auifü^rlic^er aU je tt)irb ©erjog Ulrich als 3nbcgriff aller ßaftcr unb SScrbrcc^cn bargcfteHt. $ifant ift bic S33enbung: als er in ^anS ßconl^arb IRcifc^ac^ einen fünffad^en SKörber (non SBeib, 3Kagb unb ^nec^t, beibe crftcren fc^manger) fennen gelernt f^aht, fei i^m fein bisheriger SJtarfchalf, Äonrab Xhwutb, ber ^ppler ber eignen Xodhtcr, als ein ju gewöhnlicher ©erbred^er crfchienen, unb er hfl^*e feinen $often bem erftem übertragen. ®o fei fein ßanjler (SBolIanb) ein 2)ieb, ^eftamentS^ uerfälfeher unb Angeber ber (SJuten gewefen; fein Äammerbiener ein 5)icner unnatürlicher ßuft ; fein S3arbier ein genfer unb ®r^ finber neuer Folterqualen, ^em ^erjog wirb nachgefagt (wie in ber ^h^l ««ter bem 53olfe bie Dftebe ging), er habe fich jum Äönig machen unb bic beutfd^e Sßerfaffung umftürjcn wollen; in feinen feien ^rofcriptionSliften gefunben worben, auf

benen oerfchiebenc ©rafen, mehr benn 200 IRitter, üoran alle waffenfähigen §utten, geftanben hätten.

3m ©eptember barauf (währenb $erjog Ulrich, ^uguft wieber in fein ßanb gefallen, cS bem überrafchten 33unbe mit uujurcichenben ©treitfräften wieber abjuringen fuchtc, um im October 5um 5Weitenmal, unb nun für lange 3oh^<^/ barauS Oers trieben ju werben) lieg bann Jütten fömmtliche auf bic (5rmor* bung feines SSetterS bejüglichen ©chriften unb ©riefe jufammen bruefen*), angeblich auf ©tecfclbcrg, in ber Xhat jeboch bei ©chöffer in SWainj, bem er burch jene Eingabe nur ©crantwor* tung unb (SJefahr erfparen wollte. 0ic fanben nicht allein in 5)cut|chlanb, fonbem auch F^anfreich unb ©nglanb, Spanien unb 3talicn begierige ßefer. ^)ic ©eben bienten in ben Schulen als UebungSftücfe, ber machte ben würtembcrgifchen

Xprannen neben bem alten ficilifchen jum Sprüchwort. ©emägigte ober ängftliche SWänncr mochten bic $eftigfcit unb Uebertreibung

1) Unter bem ütel: Hoc in volumine haec continentur: Vlrichi * Hutteni eq. super interfectione propinqui sui Jo. Ilutteni cq. Deplo- ratio. Ad Lud- Huttenum super interemptione filii Consolaioria. ln Vlrichum Vuirtenpergensem Oratioucs V etc. etc. Hoc . . . opus excu- Bum in arce Stekelberk an. 1519 mense Sept. Si^rifien I, 6. 39 101.

III, 6. 401—412. V, e. 1-96.

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260

I. 12.

mißbilligen: bcr Söirfung lonntcn fie nid^t mehren, mclc^e bod im beften ©efe^moefe ber ßcit mit geuer unb Talent gefc^riebene, ^anb in §anb mit einem großen ©rfolge gc^enbe SBcrf in ben meiteften Greifen ßeroorbrac^tc.

^oc^ mir feeren oon biefem SBorfbtungc in bie Sftei^c ber ßeitorbnung unb ju Jütten nad^ ©ßlingen ^^uriltf, mo mir i^n beö unruhigen ßagcr^ unb SSerfommlungälebemS nunmehr fatt finben. bliefe'', fd^reibt er @nbe 9Jiai an einen greunb, „nac^ meinen @tubien mit großer 0e^nfuc^t jurücf, fo baß id^ bi^meilen im @d)lafe auörufe: o SD^ufe! o SBiffenfd^aft.'' Unb menige 2;age frül)er an einen anbern: „S3on ^ier auS merbc ic^ nac§ 9Kainj jurücf feeren, j^u meinen S5üc^ern unb ©tubien: freilich cinftmeilen auc^ an ben $of. O bie $öfc unb i^re

3)amit ^ing aber noc^ ein anbereö Sebürj^iß jufammen, baö um biefelbe $utten j^u regen begann. 5)ic

SKuße, nad^ ber i^n oerlangte, fonnte, bei einer SRatur mic bie [einige, burc§ miffenfc^aftli^e öefc^äftigung nur gum X^eil auö* gefüClt merben. 1)QU^ Süßten

ba^ (SJefü^l ber ®e[unbl)eit unb fid^ erneueruben ßebenöfraft. ©0 ftiegen ^eirat^sggebanlcn in i^m auf. „TOd£| be^errfc^t'', fc^rieb er am 21. ^JJtai an ben alten gi^eunb, ben mürjburger ^om^erm gn^bric^ 5ifc^er, „mic^ be^errfc^t je^t eine ©e^nfuc^t nad^^u^e, in bie id) mid^ fünftig begeben möchte. ^a5U brauche ic^ eine grau, bie midj pflege, ^u fennft meine 2lrt. 3c^ ton nicf)t mo^l aClein fein, nid^t einmal bei Sflac^t. Sßergeben^ preift man mir bo^ @lücf ber @l)elofigfeit, bie Sßort^eile ber ©infamfeit an. 3c^ glaube mic^ nic^t bafür gefc^affen. 3c^ muß ein 2öcfen l)aben, bei bem id^ mic^ oon ben ©orgen, ja au^ oon ben ernften ©tubien erholen fann. 2Rit bem id^ fpielen, ©d^erje treiben, angenehme unb leichtere Unterhaltung pflegen fann. SBo idj bic ©^ärfe be^ ÖJramS abftumpfen, bil: ^i^e be^ Kummers milbem fann. @ib mir eine grau, mein gricbrich, unb baß bu miffeft, ma!§ für eine: laß fie fchön fein, jung, mohl erjogen, heiter,

* jüc^tig, gebulbig. S3efi^ gib i^r genug, nid^t oiel. ®enn ^feidh' t^um fu^e ich nicht, unb mag bag ©ef^lccht betrifft, fo glaube

1) @<i&riften I, 6. 267. 273.

^tttien’S ^rat^plan. 261

ic^, tuirb biejentge abelld^ genug fein, melc^er Jütten bte $anb reichen toirb*)/'

Äönntc cd ^icrnoc^ fd^cinen, ald ttjörc Jütten übet ben allgemeinen SGBunfcf) unb ^lan; fic^ ju ucr^cirat^cn, bamald noc^ nicht hinaud gemefen, fo erhellt oud einem bcrcitd brei Söoehen früher gefdhriebenen 53riefc an §trnoIb ©tauberger, ber auf ein noch frühered, audführlid)cd, aber und nicht crhaltened Schreiben ucrmcift, bag er üieimchr fchon gang beftimmte Slbfichtcn hatte. ?trnotb (SJIaubcrgcr ober oon ©tauburg, ©prögling eined franf* furter ^atricicrgefchtcchtd, jmei 3oh^c ölter ald Jütten, mit biefem fchon ald ^Jnabc befannt, hatte fpäter in Stalien, mo er 1515 ju ^aoia bic junftifchc ^octonoürbe ermarb, greunbfehaft mit ihm gefchloffcn. Söic oertraulicher Slrt biefe mar, fel)en mir aud allerlei häudlichen Scftellungen (Empfangnahme oon Effecten, ^ferbdfauf), bie ihm Jütten furj oorher aufgetragen hatte. „SBad ich ^am ^eirathen gefchrieben'', bemerft er ihm ie^t, „haft bu fo, mic ed gefchricben ift, ju oerftehen. Ed ift fein bloged 5Borgcben, cd ift mein beftimmted 93orhaben, fofern jene ed gefchehen laffen*)."' ®amit ift- offenbar bie gamilie ber ?(uds erfomen gemeint; aber melchc gamilie? ©eben mir bic brei Briefe an ©lauberger aud ber geit oor unb möhrenb bed gdb^ jugd nöher an, fo faßt bic ^ünftlichfeit auf, mornit er jebedmal, fclbft in bem eiligft gcfchricbencn ßdtel, beffen grau unb ©chmiegers oater, ben ocrchrungdmürbigcn ©rcid .^ammon (b. h- ^Imanbud oon ^othhaufen, einen hochangefehenen ^Patricicr), j^mcirnal auch bic 33rüber, grüßen läßt, überbieß oon ber 5öeutc, fobolb er feinen Xhcil erholten haben merbe, jebem ein ©tüd ju Oerehren Oer» fpricht. Söir moßen und biefe Slufmerffamfeit cinftmeilen merfen.

gmifchen bem 21. SJtai unb 5. 3uni fam §utten nach SWainj jurücf®), mo man ihn unterbeffen tobt gefagt hatte. Ed hieß, er fei im Kriege geblieben. Öicbhaber feined Xalentd unb Anhänger ber ©ache, melcher er biente, trauerten*); bic geinbe

1) «. 0. O. &. 273.

2) 6(hriften I, 8. 263. 2)te anbem ^uftrAge 8. 256.

8) 8oftrn ti unter erfterem Saturn no(h Don Q^Iingen au8 an Srijd^r, unter legerem Don Stainj auS an (SraSmuS fc^rieb.

4) ftUtan Selb an ^irtf^dmer, ^utten’8 Schriften I, 8. 307.

262

1. 12.

jubelten, uiib böttc cd beftätigt, meinte ©utten, fo mürben pe gefugt hoben, bud hoben pe bei burch ih^^ ©ebet

audgemirft^).

SEÖud ^uttcn'd ©tcHung in 3Kuinj betrifft, fo hielt ^rfürft ?Ubrcdht, mod er ihm jugefugt hotte. ®r entbunb ihn bed $of» bienfted, ohne ihm fein Schult ju entziehen*), ©inmol fchien cd, uld moCle ber gürft burdh Jütten öitelmolfd 0eholf>lon in Sud* fühtung bringet luffcn. Such machte er in ber golße mohl ein* mul ben Sßerfuch, ihn bodh micber für ben ^ofbienft ju getoinnen : ober Jütten lieb P^ oicht Überreben. 0o hätte ber mäccnutifchc Slbrecht gerne auch oiit ©radmud feinen $of gegiert, unb lub ihn burch Jütten micbcrholt gu fich ein. 3c^t hätte ihm (Sradmud feine Snleitung gur mähren 2;hcologie gemibmet, unb ihn babei befonberd auch om bet @unft mitten gelobt-, bie er Jütten, bem Sicbling ber lateinif^en ©prachc, bemcife. ^aburch ho£^ 9^' fchmeichelt, beftimmte ihm ber Äurfürft eine fdhön gearbeitete plbcme unb Oergolbete 0chole, mit beren Uebermittlung er §uttcn beauftragte»). 5)icfen bem gürften old einen jungen SJtann gu empfehlen, ber einft eine h^h^ ^eutfchlanbd gu merben

Oerfpreche, üerfäumte ©radmud in ber nöchften ß^^t nid^t leicht eine Gelegenheit; bie jebtge Sudgelaffenheit feined Xalentd, fefet er hiogu, merbe bad gunehmenbe Slter üon felbft oerbeffern ^).

3n einer fo forgenfreien Sage ocrfolgte nun Jütten feinen ^eirathdplan mciter. Sbcrmald menbet er pd) (am 26. 3uli) on feinen grcunbSmolb ; benn ber Glauburg'f^cn gamilie gehörte, mie jeht ermittelt ift, bad ttliäbchen an, auf bie feine Sbpeht gerichtet mar. ®d mar Äunigunbe, bie Xo^tcr eined 3ohonncd Glauburg üon einem onbern 3o>eigc ber gamilie, beren Ißormünbcr nach bed SBaterd 2:obc Smolb'd ©chmiegerüater unb S3ruber moren, möhrenb bie ttÄuttcr eine gmeite gefchlopcn hotte»). 2)arum betrachtete ed ^utten ald einen günftigen Umftanb für feine Sn* gclegenheit, baß eben jefet bie beiben S3rüber fammt bem alten

1) ?ln 6ro§muS, ©Triften I, 6. 274.

2) Jütten on ®oban §effc unb % gberbotb- ©(b^iften I, @. 802.

3) 4)utten an SraSmuS, a. a. O.

4) g. in bem briete öom 16. ttugufl 1619, in ^utten’8 ©d^riften I, ©. 306 f.

6) Sgt. bie 3lotij«t bei 55Ming, Hutteni Opp. Suppl. 11, ©. 796 f.

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^ititen als ^freier.

268

^oI^^Qufen in gfronffurt betfammen nmren. liBon ber S0>{utter bc6 SD?dbc^en6 befürchtete er ©chroierißteiten ; ftc fc^ien ihm mit ber Xochter hoch hiicau^ ju moUen, unb mug eine h^üd^ ^ame gemefen fein. 0ie folltc ber alte ©arnmon mit feinem biploma* tif(^en Xahe augforfd^en unb bearkiten: augforfchen, auf mog für eine gamilic fie benn eigentlich mit ber Xochter fpeculire; bearbeiten, inbem er ihr ^utten’g Siebe jur Xochter, feine ^och* achtung für bie äJiutter, fein frcunbfchaftli^eg SBcrhältnig ju ber ganjen gamilie, ju (Semüth führte, unb ihr ben Verbucht benähme, alg ob er ein 9leöolutionär, ein gefährli^er SWenfeh märe. SEBenn pe erfannt hoben mirb, pnb ^utten'g eigene SBorte, <»ba§ in mir nichtg Unruhigeg, nichtg Slufrührifcheg ift, meine ©tubien ooll Slnmuth, ©^erj unb SBiJ, fo hoffe ich, 0)irb fie mich ertragen unb fi^ felbft erträglich pnben laffen." ®er 33ruber fobann foll fich auf Äunbfchaft legen, mag an bem Vermögen beg 2Käbcheng fei, mag ihr bie 3Rutter gleich mitgeben, mag nad^laffen merbe. E£)ie ©eforgnip befonberg, üon ber ihm ein anberer franffurter greunb, ^hc^W ^on gürftenberg, gefchriebeu, baß man fie hege, foU er ben Seuten augreben, alg beabfichtigte §utten, bie 9leu^ oermählte mit fich auf ein gelfenneft in ber SBÜbnig j^u nehmen, ^ort mürbe er eg am menigften aughalten: unb eben bieg fei ja einer ber (SJrünbe, marum er eine ftäbtifche öerbinbung fuche, um felbft in bet ©tabt mohnen ju fönnen. „$aHag hat bie ©täbte gegrünbet : pe ift bie ©öttin meiner ©tubien. Kentauren mögen pch am beften in SEöälbem behagen." „SKöchte euch"', fo fchliegt er feinen ©rief, „möchte euch Jütten mürbig unb tauglich erfcheinen, mit eurem Bürgerrechte befchenft, in eure ©chmägerfchaft aufgenommen ju merben. ®r, ber nicht oiele ©täbte erobert hat, mie einer jener (Sifenfreffer , aber Diele Gleiche mit bem fRufe feineg iltameng burchmanbert; nicht Diele um* gebracht hat, mie jene, bafür aber Diele liebt, unb Don Dielen innig geliebt mirb. 2)er nicht auf ellenhohen ©chienbeinen baher* fteigt, noch ^arch riefenmägigen Ä'örper bie Begegnenben fehreeft, hoch an ©eiftegftärfe nicht leicht einem nachfteht. ®er jmar nicht mit ©chönheit prangt, ober burch Söohlgeftalt pch augjeichnet, aber burch bie Bilbung feineg ©eifteg liebengmürbig unb be* gehrengmerth ju fein pdh fchmeidheln barf. EDer nicht grogju* fprechen Derfteht, nicht prahlerifch pch hcraugjuftrei^en pPegt,

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264

I. Snd^. 12.

aber weit er einfad^, offen unb rcblic^ ^anbclt unb rebet, hoffen barf, ba6, wer i^n fennen getemt t)at, i^n nid^t oerwerfen werbe. ®od^ bieg ift felbft beinahe pral^lcrifd^. 3c^ wünfe^e bir mit Sruber; ©c^Wä^er, grau unb ganzer gamilie langes ^o^lfein, unb erwarte halb einen crfreulid)en ©rief oon bir, ober was eS für einer fei, wenn er nur auf ade einzelnen fünfte beS meinigen antwortet. S^loc^ einmal lebe wo^l, unb antworte mir halb unb ausführlich. dladhfchrift. 3ch arbeite jefet an Schriften, burch bic ich euch 5^^ erfreuen gebenfe. gür jefet fehiefe ich bic Febris beinern ©ruber. 3ch lebe in ben ©tubien mit grogem @enug. SBären wir nur beifammen, bamit bu fehen fönnteft, mit Welchen ©chcr5cn ich mi(h ergebe. biefen ©rief fogleich,

wenn mein Sftuf bir am ^erjen liegt: bei beiner Xrcue befchwörc ich bichO-'' ®er greunb ift biefer ©ittc nicht nadhgelommen, ber ©rief hat fidh im Strehio feiner gamilie erhalten, ohne, feit er befonnt geworben, bem SRufe beS iRitterS bei ber SRachwelt ben minbeften ©chaben ju thun.

2)ie Unterhanbtungen fcheinen Oon Einfang @rfotg ocr» fprodhen ju haben; benn ein halb 3aht fpäter, am 8. gebruar 1520, fchrcibt ß^ochläuS auS granffurt über Jütten, halb werbe er, wenn feine Hoffnung nicht fchlfchlagc, eine eble unb reiche grau heimführen*).

©0 träumte auch ©utten einmal ben Xraum eines einfach menfehlichen ^5)afeinS in ben frieblichen ©chranfen ber S^tatur unb ber ©itte; er hielt fich einen Ilugenblicf für einen harmlofen 2Renfchcn unb feine Slrbeiten für anmuthige ©piele: burch bic er gerabe im ©egriffe ftanb, einen ©tunu gu entfeffetn, ber ihn üon bem §afen, in welchen er eben cingulaufen meinte, weit unb für immer oerfchtagen foHte,

1) 6d^riflen I, @. 286-288.

2) 2[n ^utten’S Schriften I, S. 321.

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^writes |^ud).

Jütten im gegen 9iiim.

Jact» cat alea. 3d> l)ab'9 gmaflt

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Butten in nnaSßangiget n»if|fenff^ftrii$er ^n||e. $eine jinsßt^ieu unb S^ß(ßten.

1519. 1520.

SSknigc SBoci^en nad^ ^utten’sg SBicbcranlunft Üliainj ttjar Quf bem politifc^eu gelbe eine miditige ©ntfe^eibung gefallen. 3)cr junge Ä'arl non Oefterreic^, nom SSater ^er @rbe non S3ur* gunb, burc^ bie SWutter ^önig non Spanien unb 9ieopel, mar am 28. 3uni 1519 ju granffurt non ben nerfammelten Äurfür« ften an bie ©teile feinet ©rofenaterö SJiajimilian jumÄönig ber ^)eutfc^cn gemö^lt morben. ßängere Ratten bie gürften jmifc^en i^m unb Äönig granj non granfrei^ gcfc^manft : jule^t aber mar feine SBa^l unter Umftänben erfolgt, bie gerabe für Jütten unb beffen öeftrebungen niel ©rmutbigenbeö Ratten, ©ein $err, ber i^urfürft 2(lbrecbt non SDiainj, unb fein ritter* lieber greunb, gronj non ©iefingen, maren unter ben tl)ätigften Seförberem non ÄurFig SSa^l gemefen: mä^renb $apft ßeo X. unb feine Legaten Stilen getl)an batten, berfelben entgegenjumirfen unb bem franjöfifcben iitönig bie beutfebe ftrone jju nerfebaffen. ©0 gegen ben ^opft non norne betein nerftimmt, ben ®önnem ^utten’S, bereu einen biefer immer mehr für feine 2lnficbten unb ©eftrebüngen ju geminnen mußte, nerpflicßtet, fonnte, fo feßien ed, ber junge, neunjebnjöbrige ^errfeber leiebt in eine fRiebtung gelenft merben, mclcbe ben planen unfrei IRitterS günftig mar. ©on einer anbem ^itc b^r nerfpraeb man ficb non Äarl’d jün* gerem ©ruber, bem ©räberjog gerbtnanb, ber fo eben aui5 ©pa*

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II. Su(^. 1. Pa|)ttel.

nien in ben 9licbcrlanbcn angefommcn tnar, uiel @utc^. @r galt für einen ©önner ber ^umaniftif^en fRic^tung, jeigte in^ befonbere für @raömu§ lebhafte SSerct)rnng, unb man f^offte in il^m einen mä(^tigen öunbeggenoffen gegen bie alte ©arbarei *).

Unter folc^en Umftänben fonnte Jütten unmöglid^ bei lite^ rarifd^cn 0d^crjen ftel)en bleiben: er mußte lauter unb ernfter alö je feine ©timme gegen bie SBurjcl aller Hebel, bie römifc^e grembßerrfc^aft in ^cutfcßlanb, ergeben, um mo möglich bem neuen ^errfeßer bie klugen ju öffnen unb ißn für feine Slbfid^tcn ju geminnen.

Jütten arbeitete barnal« an üerfeßiebenen ©cßriften, unter anbern aueß fc^on am Sabi^u^ ober ber römifeßen 5)reifaltig* feit*); boeß bie erfte, mit ber er fertig mürbe, fd)eint ber 5)ia= loggortuna gemefen ju fein*), ber fid^ auc^ an feine am ©c^luffc beö Oorigen ©uc^^ bargelegtcn Seben^^ unb ^eiratß^plane unmit? telbar anfeßließt. Unter |)utten'ö ©efpräcßen ift, ma§ bie Einlage unb §lrbeit betrifft, bie gortuna baö anmut^igfte. Unb menn fie an reformatorifeßem Sbeengeßalte minber fct)mer miegt alö ber SBabi^cuö ober einige fpätere ^utten’fcße Dialoge, fo ift fie bafür j\ur Ä^enntniß oon ^utten’ä ^erfönlid^feit oom ßöd^ften gelange. 9Baö fein meltl)iftorifc^eö ^atßo^ mar, miffen mir auö einer Gleiße oon SBcrfcn feineig ©cifteö ^ur genüge: mag er bagegen für fic^, alg ^rioatd)araftcr fonft noc^ gemefen ift, bag ÖJanje eineg lebcng- ooHen, liebengmürbigen, öeßt menfc^licßcn 9taturellg, ßat er nir* genbg fo mie in bem ©efpräc^ gortuna bargelegt. @g fteHt glei^fam ein ^arlamentiren ber Vernunft mit ben SBünf^cn

1) Jütten an 6ra§mu§, 5. 3uni 1519, ©Triften I, 6. 276.

2) ^utten an öoban u. ^bcrba^i, 3. Äuguß 1619. ©d^riftml, e. 302.

3) ®ie 2)ebtcQtion ber Qfortuna an ben neuen Äonrab bon Söfirs*

bürg bom 1. Januar, bie beS !93abi§cud an ©ebaßian bon 9ioten^an botn 13. Qrebruar 1620. ?(u(^ ße^t bie erßere in ber im Tlpril b. 3. erfd^ienenen Sammlung ber ^utten’jc^en ©efbrfit^e boran. 2)ieje §at ben Xitel : Halderichi Hutteni eq. Germ. Dialogi. SDBeiter^in bie S^Inl^altSanjeige : Fortuna. Fe- bris 1. u. II. Trias Romana. Jnspicientes. i^inten: Moguntiae ex offi* oina libraria Jo. Sebeffer, mense Aprili anno 1520. ©d^riften IV, bie Fortuna 6. 76—100. 3n meiner Ueberfe^ng bon ^utten’6 @e||)rS(^ 6. 12—49. Die S<^riften I, 8. 820.

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^uttrn’i @eft>rad^e: 8?ortuno. '

269

bar; rtobei bie leiteten, lote bem 0cbtflcr'fcben SBaUcitftein jufolgc bie Söciber, itac^ ftunbenlangem SScrnunftfprcc^cn immer loieber auf i^r erfteS Söort prüeffommen.

2lud feinem ©enbfd^reibcn an ^^ivef^eimer erinnern mir um^ ber 2leu6erung ^uttcn'ig, bag er bei feinen ßeben^plancn gemiffer^ maßen auc^ auf ba<^ ©liicf red^i^c- 3^^ finbet fid) eine ©teile in biefem ^Briefe, bie uni^ fc^on gang in bie ©ceneric unfereö ©cfpröc^ö oerfe(jt. gibt S)ingc", fc^reibt bort Jütten, «bie o^ne badöJlürf auc^ für bie Xugcnb nidjt ju erreichen finb, unb ba munfe^' ic^ jenc^ fRab gebre^t, ba fc^au’ ic^ auf jene blinbe @öttin bin, bie tolle ^errfeberin, aller ®emegung, allein S55ecbfcl)S Äönigin . . ba glaub' i^ 3n fülle nötbig ju b^ben, ba eincö glüefs lieben IRabfcbmung^ ju bebürfen, um aufjutommen, um oormärtsJ ju fommen*)."

3m ÖJefpracbe nun tritt |mtten bie ©lücf^göttin perfönli^ mit bem ©efu^c an, il}m oon ihrem Ueberfluffe fo oiel jutommen ju laffen, aU jum Unterhalt eined ftillen miffcnfd)aftlicbcn fieben^J erforberlid) fei. 3nm Sebenöunterbalt im ftrengen ©inne mürbe fein (Sintommen aud ben oäterlicben )Befipiingcn oiclleicbt bin' reichen : aber um mit Slnftanb unb Söürbc ju leben, bebürfe er noch eine« 3nfcbnffe« oon ©eiten be« (^lücf«. ^Befragt, mie oiel er benn höben moüe? meint $utten, menn er eine 5^öu befomme, fo münfebte er bort (in ihrer Jpeimatb ; ift ohne 3njcifel granf^ furt gemeint) ein $auö 511 foufen, baneben ©arten, auömürtö. fianbgüter mit gifcbteicben, ferner ^unbe jum Sagen, ^ferbe nur menige, um bi«meilen au«reiten ^u lönnen; bann jur länblicben äöirtbfcbaft brauche er 2)iener, |)üter, Söieb ; im $aufe 2;ifdbc, IBetten, ^olfter, ©änften, ©alerien, eine 53ibliotbef, ©peifeiimmer, iBabeftuben; für bie grauÄleiber unb©cbmucf: alle« jmar nicht jum $runf unb im Ueberfluß, aber boeb dnftüubig unb mürbig; überbieß müffe man noch etma« für bie Äinber jurüdlegen föns nen. Um biefe« ficb anyifcbaffen unb im ©taube j^u halten, glaubt |)uttcn ein jährliche« ©inlommen oon lüOO ©olbgulben nötbig 5U haben, gortuna jmeifelt, ob er hiemit fo meit reichen mürbe; jebenfall« feien ba bie gugger meit bebürftiger, benn bie behaupten, fte brauchen 200000 gl. jährlich, um ihre ^anbcl««

1) 6. büS 6enbi(hreib«n an ^Irdh^imet, I, 6. 208, §. 77.

270

n. «u(^. 1. ftoMiet.

monopolc aufred^t ju erhalten: irrten mügte olfo gortuna juerft gclfcn, unb Jütten fic^ fo lange gebulben. SSergeblic^ fe|t bic* fer auöcinanber, tnic bic öebürftigfeit nid^t fubjectiö noc^ ber (Sinbitbung ber egen, fonbern objectiü meffen fei: liegt auf Äebürftigfeit, SBürbigfeit u. bgl. übergaupt niegt, ba fie ja blinb ift, toon Swpitcr geblenbet, n)eü fte, fo lange fic fog, ben ^uten gab, unb btefe baburdg oerberbte. fegüttet fic

blinblingö auö, men’^ eben trifft, unb äloar öJuted unb UebleS burdgeinanber.

©0 ttjerbe er fieg mit feinen 33itten an Supiter j^u menben gaben, meint Jütten; allein gortuna belcgrt ign, bag für bic tgöriegten ^Bitten ber SD^enfegenfinber Supiter längft taub gemor^ ben, baö einjig riegtige ®cbct bo3 um eine gefunbe ©eelc in ge» funbem ßeibe fei. ^ier oermicfeln fieg bie Unterrebner in ein ©efpräcg über bie grage, ob e^ eine IBorfegung gebe? 5)ie guten ©rfolge ber Sööfen fegeinen bagegen ju fpreegen ; aber ein ftarfer S3emei^ bafür ift bie ©träfe, bie fo eben ben fegmäbifegen Xgran^ nen getroffen got. ©o oiel ift jebenfallS entfegieben, bag bic Xgeologen über biefen ^unft göcgft clenb unb metterlounifcg räfonniren. @egt ben @uten gut, fo ift e^ jenen ein ÖemeiS bofür, bag nicgtööuteö unbelognt bleibe; menn fdglccgt, fo geigt eö: men @ott lieb gat, ben jücgtigt er. gür baS ©lücf berS3ös fen miffen fie toufenb @rünbe anjufügren, j. 33. bag ©ott bie* felben burdg ßangmutg i^ur öefferung einlaben moUe; trifft ba= gegen einen, ben fie für böfe galten, ein Unglücf, fo gaben fic üorau^gemugt, bag @ott niegt^ 33öfeö ungeftraft lügt, ©o feglt ignen für bag @ntgegengefegte nie an ©rünben, unb fic jeigen audg gier biefelbe ß'^ci^futigfeit mie barin, bag fic mit Söorten jmar ben fReiegtgum oermerfen unb geringfegdgen , mög- renb in ber Xgat 9tiemanb gelbgieriger ift, alg eben fie, bic Xgeologen.

®om öeten auf bag 3lrbcitcn oermiefen, ernjiebert ^)utten, er gäbe lange genug gearbeitet, unb feinen ^oeg niegt er* reiegt. @r gäbe, entmicfelt er auf gortuna^g grage, morin benn feine Slrbeit beftanben? ber beften SBiffenfegaften unter grogen ©egmierigfeiten , mie fein ^nberer ^u biefer Qdt, fieg befliffcn, inbem er mie ein 33erbannter in ber grembe umgergejogen fei unb mit 3lrmutg, ^rangfal unb ^ranlgeit gefümpft gäbe, ^aju

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Örorhma.

271

^o6c i^n bic ßiebe jum SBiffcn ongctricbcn, unb baö 3^^^» er babd im ?(ugc gehabt, fei gemefen, bercinft in unabhängiger SWuge ftubircn ju fönnen. ^Ifo habe er, belehrt ihn gortuna, bisher nur gearbeitet, um j\u lernen: nun fofle er arbeiten, um reich ju merben. ^a§, habe er gehofft, mirft^utten ein, merbc il)m oon felbft 5ufaüen, menn er nach jenem trachte ; auch h^tbe er ja bc§^ megen fdhon j^mci ganzer 3ahtc om $ofe gelebt, um fich ba, mic Snbere, ju bereichern. 5)ic6 fei ihm jeboch ni(^t gelungen*; fei eg, tt)eil bag @lüdf eg nicht gemoflt, ober meil er jum ©chmeicheln nicht geeignet, unb bie @unft ber ©roßen monbelbar fei. @g nun bei einem anbern §ofe ju Oerfuchen, fönne ihm Jortuna nicht ^umuthen; er toollc nicht fein ganjeg Seben mit SSerfuchen hinbringen, fonbem glaube, er höbe fchon je^t oerbient, baß er ju leben hötte.

2!)ag habe er ja, oerfeht Fortuna, menn er, mie Oiele ber größten SJMnner, arm fein toollc. Äber $utten oerbittet fich bic ?lnuuth, bic er, menn auch oießt für ein Uebcl, hoch für ctmag (Jlcnbeg hält Unb hoch, gibt ihm gottuna ju bebenfen, fei fie mcit förbcrlicher für bic ©tubien, alg ber Stcichthum mit feinen ftörenben ©orgen unb ©efehäften. 0b er jemanben miffc, ber bei großem fReichthum noch ruhige 3Kußc habe? 5)och, meint Jütten, bic Pfaffen. ?lber benen, belehrt ihn gortuna, fehiefe 3upiter beßmegen gicber, ©ießt unb anberc Äranfhdtcn, baju |)aber, 9leib unb geinbfehaft untereinanber, hauptfächlich aber bic ^ct fehläferinnen, bic fie bchcrrfchen, betrügen, beftehlen, oft um ihre ©teilen unb in ©cßmach unb ©Icnb bringen, ©o moUüftig unb oerborben mürbe auch er merben, menn er reich märe, ^ber er begehre ja, meint Jütten, nicht S^leichthum, fonbern nur anftän= bigeg ?(ugfommcn ju mäßigem ©enuß: bic ©lücfggöttin möge ihm ctmag aug ihrem güClhornc fpenben.

Äuf ihre 33cmcrfung, baß barin ©öfeg unb ©uteg bcicin* anber liege, mirb Jütten ^ubringlich, mill in bag §orn hinein* fehen, um bag ju bezeichnen, mag er haben möchte ; aber gortuna heißt ihn aug bem Söege gehen, um einen SBurf aug ihrem $ornc ZU thun. Vluf bic örbc hinuntcrfchaucnb, crblicft jept $uttcn großen Äuflauf unb ©ctümmcl unter ben 2J?enfchen: bie einen fehen oergnflgt, bic anbern betrübt aug. S)er ©lücfgmurf ift nach ©panien gegangen unb hot bem jungen ^Äönig Äarl zn fo oielcn

272

n. «ud^. 1. IU))iiel.

tonen Qud) nod^ bie beg römifd)cn gebraut. Vorüber

finb einige bena^barte Könige üerbriegl id^, beten ©efanbte lange @efid)ter jeigen; not allen aber ber $apft, beffen Segat fid^ bei*» nalje l)enfen möd^tc. Unglüd ift auf §lfrifa gefallen, n>o einige Söarbarenfürften burc^ §eer eine 9>lieberlage erlitten ^aben: ein l^offnung^reic^er Slnfang ber neuen ^errfc^aft!

Um fo mef)r tuill nun aber §utten auc^ für fic^ ein $lns gebinbe Don ber ©lücfögöttin ^aben. Unb jtnar üor allem eine grau, gortuna’g SSarnungen uor ben ®efal)ren unb öefc^mers lic^feiten ber (S^c machen auf il)n feinen ©inbruef. „3u ber SKuße", fagt er, „bie id^ im ©inne b^be, bebarf icb einer grau, bic mir bie befcbmerlicbe 3orgc für ba^ §auömcfen abnel)me, ba§ Sllötbigc berbeifebaffen unb erbalten b^Ife, bie mir tober febenfe, bie, menn id^ fvanf bin, mich pflege, im Unglüd mit mir traure, im @lüd ficb mit mir freue, in beren 33ufen i(^ Sllleig auöfd)ütten fann, ma^ bag ßJemütb fo bemegt, bafe fidb nicht jurüdbalten lägt, fonbern älUttbeilung jum iöebürfnig moebt." $abe et ein foldbeio Söeib, fo moUe er in gefebäftiger SJ^uge leben, ficb mit iöetrad;tung unb @tubien, 2efen unb fecbriftftellerei Unterbalten. „O münfebenörnertbeö ÖJut! erfebnter §afen! glüdfelige iRube! (®er SEBablfprudb t>cß greunbeö DÄution.) ^omm, führe mich ju biefem ßeben, \>a^ ÜJ^uge mit SBürbe üerbinben, ©efebäfte ohne ©e* fahren höben toirb. ®aö fei bie Summe meiner Söünfcbe!"

?lucb jebt flicht gortuna noch aHerbanb 5luöflücbtc, glaubt namentlich eine folche.grau, mie Jütten fie oerlange, in ihrem ganjen §orne nid)t 5U höben; bod) nun fe^t biefer bureb, felbft in ba^ §orii biocinjufehen, unb „§altl" ruft er auö „bölt! fie ift gefunben. ^a fchaut ein 2)Mbd)en hcröor: fie ift'ö, biefe habe i^ gemoHt : hübf^eö ©eficht, fchöne ©eftalt, für ihre Sitten jeugt bie Schamrötbc auf ihrer Stirn, ibr ganjeö SBefcii ooll Slnmutb, 0 ein begebremSmertbeö ©efchöpf V Huch ©olb bie gülle trägt fie bei ficb, unb trop gortunen^ SSarnung, ba§ ihn bie& ju ihrem Wiener machen merbe, ift nun ^utten fo hi&^Ö» ^ö§ er basg fchöne Äinb, menn fein mug, bei ben paaren au^ bem

§orne hcrau^jiehen miÜ. S)a^ mirb fie ihm nicht übel nehmen, meint er: fie läi^elt ihm ja bereite ju; menn auch nicht feiner Schönheit, mie gortuna fpottet, hoch ben reeUeten ®ot5Ügen, mclche fie oerftänbig genug ift an ihm ju bemerfen unb ju frühen.

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9u8gan(i oon ^utfen’S BrauttDerbung.

273

ÄUcin bie ©lücf^dttin lägt ficg nic^t in i^rÄmt greifen: fie t^ut abermals einen SBurf: ba§ SÄäbc^en ift bcrau^fflogcn, unb 0 Unglürf! einem ^ofmanne ju X^eil gemorben, nn welchem nun ber turg gefommene 9tebenbu^ler au(^ fein gute« ^oar lägt. Cin aufgeblafener , grogfprec^erifc^er Gefell, in bunten Kleibern, mit Äcttcn um ben unb Sltngen an ben Jingem, aber innerlid^ ein gemeiner äl^enfc^ unb nic^t einmal ein rechter 3Kann: mit i^m merbe boö BÄäbc^en nic^t glücflic^ fein. Unb augerbem ^at ber böfe SBurf noc^ ^uttcn'ö näterlic^c ©ütcr bur(^ Ungemitter uermüftet, bie 0aaten nerbcert, iBäume au^eriffen, bie Käufer umgemorfen: feine gamilie fie^t bem junger entgegen. <Sü uerjmeifelt Jütten cnblicb ganj an bem öJlucfc, unb fd^ieft fid) an, in ber näcbftcn Äapelle ben (Srlöfcr C^briftuß um mens Sana in corpore sane anjurufen.

3Jtit feiner 33rautn>crbung ftanb übrigenß, menn ba^ ©cfpräcb Jortuna am 1. Januar, non bem bie 3u<^iflnung batirt ift, mirflicb febon noUenbet mar, bamalß noch nicht fo t>er5mcifelt. 5)cnn einen SJionat fpätcr febreibt, mie mir oben faben, ein 58e-' fanntcr in granffurt, ber in jenen Xagen Jütten bafclbft gefproeben batte, üon ber <Sacbc noch ^;iemlicb boffnungöooll*j. Slber bebenf* liebe ßeicben bitten geb boeb eben bei biefem Sefuebe in granf- furt b^wui^eftcllt. deinen greunb, ben öürgermeifter ^bilipp üoii gürftenberg, meinte ^utten ganj umgemanbelt, gan^^ angefteeft üon ben SSorurtbcilen gegen ben S^titterftanb ,^u gnben, bie er früher, auf einen Smnf gürftenberg'^, bag fic ibm entgegenfteben, in einem ©ebreiben an ^rnolb ©lauberger ^u miberlegen gcfud)t batte. Än biefen Ic^tcrn menbet er gd) baber jebt, nach jenem ^^efuebe (üermutblicb im gebruar) noch einmal. !iJtan tbue menigften^ ibm febr Unrecht, menn man fage: „2)u fennft

ber $Ritter Ärt; fie madben gagb auf unfer S3crmögen, unb nur barum fueben ge geh mit un^ ;^u üerfd)mägern ; l)ötte er ge ein- mal, fo mürbe er fo unb fo üiel ^aufeube üerlangcn; gäbe mau bie nid)t, mürbe er gel)bc anfangen, all feine Sippen gegen uuß aufbieten, unb mäbrenb er bie Summe und abpregte, unfre '^er- manbte nicht ald grau, fonbern ald geringe Sll^agb holten. Sie

1) ^o^IäuS on ^ird^Klnier, bom 8. gebruar 1520, ln ^utten'S 6d)rlftenl S. 321. «Ql. oben 6. 263.

VII. 18

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274

TI. Su^. 1.

foü einen i()rc§gtcid^cn nef^men, bannt fic nic^t 5U tt)rcm unb ber Sbi^igen ©c^aben ein umnürbigeö 3oc^ ju tragen gejnjungcn fei. ©0 ettoaö,' mein §lrno(b, menn bu mic^ fennft, mie bu foHteft, trauft bu meinem ©b^^ratter ju? ober roirb jemanb, ber §utten fennt, itjin jutrauen? §l6cr gibt Seutc, bic mit üielcr @eböf' figfeit gegen mich eine fo(cbe aj^einung auöfprecben.'' $)aö möchten fic immcrt)in, fä^rt er fort, menn i^m nur nidjt biefe ungercdjtc Scurtbcilung einen ^(an, an bem if)m fo nict gelegen, ju nereitcln brobte. ©0 möge beim ber JJ^eunb non feinem 33ruber unb beffen grau ju erforfd)cn fueben, ob noch Hoffnung übrig fei, unb im günftigen gaUe bie ©ad)e mie bisher förbern, im anbern fie in baö tieffte ©ebtoeigen büllen^).

anieö öemüben mar Oergebenö: am 18. ©eptember beffelben 3abre3 1520 oerbciratbctc fid) Äunigunbe ©lauberger, boeb nicht, mic im .©efpräd), mit einem aufgeblafenen ^ofmannc, fonbern mit bem ebrfamen 2lbl)ocaten 2lbolf 5fnoblaudj in granffurt a 3)?.*).

2)cr 2)?ann, bem mir bic ataebriebten Oon Jütten 2lufent:^ halt in granffurt Einfang be<i( 3abreö 1520 oerbanfen, ift fein 35efannter oon 5^ologna brr, 3obann ßocbläu^, ber unterbeffen Domherr in granffurt gemorben, aber nod) nid)t offen 5ur Sicactionöpartei übergetreten mar. 3bm f^gte Jütten non ben @efpräd)cn, bic jur näd)ften 9Kcffe non ibm erfebeinen mürben: ber gortuna, bem ^meiten gicber, ber Trias Romana u. f. f., auch non einem gunbe, ben er auf ber gulbaifcben Söibliotbcf gemacht b^bc unb brrau^jugeben gebenfe; mobei er bei meitem nicht bie b^ii^mlofe ©timmung jeigte, bic er nor einem bnlben 3öb^r in jenem greieröbrief an 2lrnolb ©lauberger ficb 5U' gefebrieben bötte, niclmebr gegen ben ^apft unb für ®eutfd)lanbS @bi^c eine äufeerft fübne ©praebe führte*). SSon granffurt reifte er am 7. gebruar nad) ©tecfelberg 5U feinem franfen SSater, mo er am 13. bie ^nrignung ^u feinem 3)ialog SBabmcuö fd)rieb. ^oeb mir mollcn erft non einem onbern Dialoge reben, ber in ber ©ammlung nor bem SSabigeuö ftebt, unb ficb an bie gortuna

1) jDer ®rief in Ilutteni Opp. Supplem. II, ©. 798 f.

2) 5)iefc 9lotijen gibt ®5dMnß a. 0. O. ®. 796 f.

3) 6od)läu§ in b«m ongef. ^rief on ^irrf^fiincr.

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Sieber (ba§ jarite). Ö76

unb boö fc^on frii^cr bcfonbcrö crfc^icncne (crfte) gieber an- fc^Ueßt.

SBir haben in bcm crftcrn ©efpröche bcn §lbfQ| über bie ^faffen benicrft, benen Supiter, um ihnen ihr SBohUcbcn 511 üfr= bittem, Äranfheiten unb Üjiibhelligfeiten jeber ^rt, befonberö ober bie ßoncubinen, jugclegt habe, ^iejer tlbfofe bilbct bo^ Xhema eine)? fernem öJcfprächä, baö, alö jmeiter ^ct beS ^ialoflS mit bem gieber, um jene ßeit üon Jütten auögearbeitet tnurbe 0.

Gleich ber ©inganfl ift ein 3)?eifterftücf ber biologifchen govm. 3)ie @cene, mie an §utten^g ^h^re podht, biefer ben il^nabcn jum genfter hiaaiigfehen unb im gaH eine^ läftigen Sefuch^ ihn ücrlcugnen h^i6tf gicber braugen ihn an ber ©timmc erfannt hat unb fid^ ju erfennen gibt; ber <öchrecf beg Änaben, Jütten'«? S3cfehl, Sthüre unb genfter ^u uerrammcln, bo)? Stnftürmen beö gieberö, melcheö baö ^auö gittern macht, feine ücrgcblichen S3erfuche, Jütten ju berüefen: ba^ §UIeö ift fo bra^ matifch, fo Icben^uott gemacht, bab man bie Ädegorie uergißt unb eine mirfliche ^anblung oor fich ju fchen glaubt. 2)aö gieber (fo fnüpft fich ^i^f^ gortfepung an baö crfte ©efpröch gleichen iRamen^ an) hat fich Oeranlabt gefunben, uou bem ßurtifan, ju bem Jütten bort am ßnbe gefchieft fif^ ^

toieber 5U trennen, meil bei biefem unterbeffen anbere Äranfhcitcn, oor aücn bie franjöfifchc, bann aber auch ©tein unb ®icht, über^ bieb Srmuth. cinge^ogen finb, mit benen ni^t 5ufammenttJohnen mag. Äuch feine Soncubine hat ihn oerlaffen unb ift ju einem alten, garftigen, aber reichen 5)omhcrrn ge^^ogen, ju bcm baö gieber ihr boSmegen nicht folgen nwg, meil ber ÜÄann mit jener fchon Unglücf genug im ©aufc habe. SBelchc ^eft eine S3eifchlös ferin im §aufc fei, mirb nun juerft im 5ll(gcmcinen, burch pftjcho^ logifchc 3cid)nung beö fittlichen ßaftanbe^ folcher SGBeib^perfpncn unb beö ©cclenjuftonb:^ ihrer ßiebhaber, hierauf aber im öefonbern on bem ©eifpiel enj , :nacht, mclchc^ baö gieber julcht

hatte bcobachteu fönnen: bcm SSerhältnib beö ß^urtifanö ju feiner geliebten ffilfe. ^ic ausführliche ©chilberung, melche Jütten hiev oon bcm ßcben ber concubinarifchen ^rieftcr entmirft, ift, mic

1) Febris secunda. IV, 101 143. Otriwr lieber»

fe^unfl ber ^utten’i(ben (Seiprd^e S. 61—93.

276

IF. 1. {(opitel.

man mo^I aug nielfod)er öeobac^tunfl gefd^öpft, unb läfet biefe^ fieben aU ein ebenfo unglüctlic^cö mie unfittlic^eö erfc^einen. Supiter felbft, aU er mit angefel^en, erjä^lt ba§ gieber (mie fc^on in ber gortuna angebeutet mar), ^abe gefagt: boig foQe ba^ ^faffenfieber fein, unb it)m, bem eigentlichen gieber, bc^ fohlen, fich an anbere Seute ju hallen. 0b bei biefer Gelegenheit, fragt Jütten, Supitcr fid) nicht auch über bie @a|ung beS ^Sapfte^ Äalliftu^ (ßalijtuö II.) au^gefprochen habe, melche ben ^rieftern bie ®he oerbietc? 0b er gut geheißen habe, baß man biefelbcn auö bem oon it)in eingefepten ©heftanbe hetauiSgeriffen unb ju einem §urcnleben ueranlaßt habe? 9Zcin, ermiebert ba^ gieber, fonbern er habe gefagt, baö fei ohne fein Sormiffen gefchehen; man habe, alö er sufäQig im Götterrathe nicht gegenmärtig gemefen, über bie ©a^e berichtet unb 53cfchluß gefaßt, ber aber feineö Grachten^ caffirt merben müffe, bamit bie ^riefter mieber mie üorbem ©hemeiber nehmen, unb nicht, oom buhlerifchen ßagcr aufgeftanben, mit unreinem ^erjen unb §änben baö §eilig^ thum beriihren.

lieber §utten ift bem gieber ju 0hren gefommen, baß er im begriff ftche, fid) 5U Oerheirathen. ®amit iftcggarnid)tcinoerftanben.

% gn ber Xßat beßmegen nicht, meil eüj burch bic pflege ber grau für immer oon ihm abgehaltcn ju merben fürchtet; allein lehrt bü^ Vlnbere üor, baß ißm bie grau feine fRuhe j^um ^Stubium laffen mcrbc. Jütten ermiebert fur,v eine grau ju nehmen, fei er ^mar nod) nicht * entfchloffcn, bod) menn er tl)un mollte, fähe er nicht ein, maö bamit gefehlt märe. 3Sergebenö preift il)m baö gieber (mie ;^um Xh^il f^an in ber frühem Unterrebung) feine heilfamen SBirfun^ gen an: mie ihn fleißig, ernft, leufch mad)en mollc; mie bie intereffante öläffe, bie ci mit fid) bringe, ihn aud^ bei ben SBeibern mehr, alö gemeine fRötl)e, empfehlen merbe: Jütten heißt e^ fid) paden. „Geh", ruft er, ben Pfaffen, ^u ben Öuhlern, j^n ben Xrinfern, 3U ben guggern,, ben Äaufleiiten, ben Slcr^ten, ober, menn e^ bir beliebt, uor allen ^u Äaifer 9Rüji= milian’ö Schreibern" bie bei bem fcligen ^errn, ergänzt ba^ gieber, fich nur gar ^u fehr bereichert haben, unb nun in ööllerei unb Söohlleben bie großen §erren fpielen. ^ie ^erjte, fießt man, hat ber fRitter oon ben qualuoHen unb Uergeblichen (Suren her, bie fie ihn au^ftehen laffen, auf bem iüorne: er meint,

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Sieber (ba§ jweile).

277

ftünbc bcffcr um 2)cutfc^(anb , mcnn man btc ganjc ©ippfc^aft, fammt iRb^barber unb Soloquinten, auS bcm fianbc jagte. Sinen 0tromer unb Soppug, Sbel unb SliciuS, nimmt er au^, benn bo^ feien .rec^tfe^affene SKänner, aber eben barum oft weniger äcrjte.

9Bie e^ jener ^nmeifung fo eben nac^fommen unb fortgct)en min, wirb bo^ gieber oon .Jütten nod) einmal ^urüefgerufen unb gefragt, ma§ benn für bic Urfadje biefeö oerfet)rten ßebend ber ©eiftlic^en l)Qlte? S)cn SJiüfeiggang, erwiebert c^, unb beffen 9laf)ruiig, ben fReic^tl)um. Söie alfo, meint l)ierauf Jütten, menn 55cutfc^lanb hierin 9ftatt) fc^affte, i^nen bie ^frünben fd^mälerte, unb fie bann l}ie6e ben 3lrfer bauen unb mic anbere SJ^cnfc^cn im ©c^mcige i^re^ Slngefic^tiä il)r 33rob oerbienen: ob mir bann rec^tfd)affene SJeiftlic^e befommen mürben? 2)06 gieber jmeifclt baran nic^t, unb f)offt auc^, merbe nic^t me^r allju lange an^ ftel)cn, bid fic^ bie ®eutfd)cn ba^u ermannen merben. foUc nur einmal eine X^eurung fommen, bann merben el)rlid)c, fleißige 2eute nid)t mef)r bulben, bag, maö i^nen gebührte, oon trögen unb unnüpen, ja fc^öblic^en 2Jienfc^en oerpragt merbe, fonbern fie, alö bie faulen ^)robnen, auötreibcn. 2)ie beutfc^cn gürften, meint §utten, fönnten bcm 9ieic^c feinen beffern ^ienft ermeifen,

Qhi menn fie bad unermefelic^e @elb, meld)c§ jegt bic oiclcn tau« fenb geiftlic^en iViü§iggänger oer5cl)ren, t^cil-? ju el^rlic^en Ä'rie=» . gen, t^eil^ jur Srnöl^rung gclcf)rter Seute oermenben mürben. Dem .^l:önig Äarl gebenft .*pntten felbft biefen ?Rat^ ju geben; gebenft, i^m oor^uftcllen, mie unmnrbig einc5 guten .ftaifer^ fei, iium ©c^abcn bcö ©emeinmefenö folc^c nid^tönupige 30^enfdjcn fid) nic^t nur möften, fonbern aud) über ade ^nbern, bie gürften nid^t ausgenommen, ^crrfc^en laffen. 2)o6 er fic^ burc^ folc^e 9tat^fd)lägc unb ^lanc bie 5Rad^c ber itlcrifei, überhaupt Unge« mad) aller Hrt, iujiel)en merbe, barüber töufd;t Jütten fid) nic^t; aber er mill eS gern auf ficb neunten, menn er feine patriotifdjcn 51bfic^ten burc^fepen tann. UebrigenS gel)cn biefe feineSmegS ba= l)in, ba§ man bic Pfaffen oertilge, fonbern nur baf)in, baß mau fie oon bcm ÜJ^’tßiggang unb ber Ueppigfeit abjießc, fie anroeife, mirflic^ (^ciftlid)c fein, bie fid) nur mit bcm .^eiligen befc^öfs tigen, unb bic Sicligion nic^t ju einer gunbgrubc fc^nöben SJe* minneS mad)en.

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II. 1- fta))UeI.

3)ic öcmcrfmtg, wcld^c baS tüo^lgcfittntc Jic'&cr sulcht noc^ t)intt)irft, unb in welche Jütten einftinimt, ba§ öor aÜcn Gingen ^om, aU bic Oueüc biefer Uebel, gereinigt lucrbcn müffc, ift gleic^fam eine SBertücifung auf bag näc^ftc ©cfpräc^: SBabi^uö, ober bie römifc^e S)reifaltigfcit, baö iftom unb feine SSerberbnig j^um unmittelbaren ©egenftanbe ^at.

^uf ber anbern ©eite trifft in biefen am ©c^luffe ber Fe- bris secunda Oorgetragenen Sbeen Jütten mit Sut^er jufammen, an beffen Spanier auc^ in formeller §infid)t ber ßug erinnert, bag Jütten fic^ burc^ baä gieber anfforbern lägt, fein Sßor^aben burc^ Sibelfprücge ju begrünben; maö er fofort mittelft Slnfü^- rung oon allerlei ^ropljetenftcllen tl)ut.

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279

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JBmtxUs fiopittl.

Stt!f(^ie6nte$ Jiitffreteti gegen Itom. I^et^afttiil |tt c^ntper.

1519. 1520.

Um bicfe mar ^uttcn'ö 2(ufmcr!famfcit auf fiutl)cr liiert bic glcid)ßültifle, halb ironifc^c mc^t, bic fic itoc^ mö^renb fcincö augöburger ^(ufcntt)attö gemefen mar. Snöbefonbere feit ber leipziger 2)iigputation im ©ommer 1519 unb ben burd) fic ucran tagten ©c^riften ßiit^er'^ mar nidjt länger möglicg, fei^ nen $anbel alö ein blogeö SJ^önc^^gejän! nehmen. Jütten erfannte in i^m einen ©treiter für biefelbe ©aege, ber aud) er felbft fic^ gemibmet gatte, unb mürbe gerne mit igm in SBcrbin^ bung getreten fein, gatten niegt äugerc ©ergältniffe uorerft im fiJege geftanben. Unmerflicg fegob fieg in ben SJiittelpunft uon ^uttcir^J Sntereffe ftatt bc^ ^^umaniömuö bic ^Reformation , ftatt fRcucgÜirö ßutget üor: ogne bag er barum in ber treuen ^In^ gänglicgfeit an bie alten ©egenftänbe feiner Seregrung natgs gelaffen gätte.

2öic er mägrcnb beS mürtembergifegen gclb^ugcö feinen ritterlicgcn greunb oon ber ©bernburg für IReucglin ju intcreffi- ren mugte, ift an feiner ©teile gemelbct morben. 9ticgt nur angenblidlifgen ©cgup gatte ©iefingen bem angefoegtenen ^Itcn gemägrt, fonbern aueg fernem ^ugefagt. 2)urd) boi? päpftlicge mandatum de supersedendo tuar IReu^lin’d ^anbcl mit ben if^ölncrn nur niebergefcglagen, niegt nu^ctragen; ber in ©peier 5U feinen fünften gefällte ©prueg mar auger i^raft gefept, mag* renb ,god)ftratcn unb bic ©einigen nid)t aufgörten, ign unb feine greunbe in 9tebc unb ©egrift Uerunglimpfen. Äaum auö bem

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II. $U(^. 2. jlopitel.

gelbe ^urücf(^efel)rt, erliefe ba^er gran^ oon 0icfingcn, am grei= tag nac^ @t. Safobi^ Xag, eine ©rforberung unb 3^crfünbung an ^rooinjial, ^rioren unb Sonuente bc^ ^rebigerorben^ beutfc^cr ^Jiation, unb fonbcrlic^ an ben iöruber gafob |)od^ftraten, oon megen beö l)orf)gelel)rten unb meiJ berühmten §errn gewann 9ieuc^lin, beiber 9flcd}te 2)üctür!S. 5lllgemein fei cs befannt, mic fte biefen betagten, erfahrenen, froimnen, funftreichen Ü)iann, miber päpftlicheö Verbot unb faiferliche 2öillen(Smeinung, burch unbe* grünbete ^ppcllatiüu gegen ba^ fpeierfchc Urtf)eil aufjuhalten unb ju befchabigen gefuc^t haben, auch ^^och immer burch unjiemliche ©chmadhfehriften auäutaften fortfahren. 2)a nun ober er, granj, alg Liebhaber oon 9^cd)t unb Jsbilligfeit, in iöetracht ferner, bafe S^euchlin feinen (Jltern oftmals gefällige ^)ienfte erjeigt, aud), fo üicl an ihm geiuefen, fidj befleifeigt höbe, ihn, gronj, in feiner gugenb j^u fittli(^er Xugenb ^u untermeifen, ob fold)em ihrem gnrnchmen nicht unbillig SJtifefaüen trage: fo ftehc an ©ruber |)ochftraten unb beffen Drbenöobere fein ©egehren, gemelbten Doctor Sfleuchlin fortan ruljig ju laffen, auf ben @runb beö fpei^ erfchen Urtheilö ihm ©enugthuung ;\u geben, unb in^befonbere bie ihnen auferlegten ©rocefefoften im ©etrage oon 1 1 1 gl. an ihn ^u entridjten, unb jmar binnen 3J?onatöfrift nach Ueberant= toortung biefe^ ©rief^ ; fonft toerbe er, (Eictingen, fammt anbern feinen .Herren, greunben unb ÖJönnern, loiber fie, bie ganje Drben^^ orooin^ unb bereu ^^Inhänger. fo hönbeln, bafe Dr. Sfteuchlin, al^ ein VUter, gvommer, unter ben .pochgelehrten nidjt ber Weberft, oefe (S()re, .^tunft unb 2ob in loeiten fianben erfchoUen unb aue^ gebreitet, fold)er gemoltiger 2)urchochtung enblid) Oertragen, in Diefem feinem ehrlich hergebrachten ^iUter bei fRuhe bleiben, boffelbe auch, oicl (^ott gefalle, frieblich befchliefeen möge, unb baburch oermerft merbe, bafe oielen hohen abelichen unb anbern trefflichen melt liehen ©tönben, gefchioeigc ber §od)gelehrten unb ©eiftlichen, ihre (ber 2)ominicancr) bisher gegen Dr. fReuchlin geübte ^anb^ Inng oon öer^en unb (SJemütl) leib gemefen unb nod) fei^.

©alb noch (Jrlafe biefeö gehbebriefcö gegen feine geiftlidjen ©erfolger brach inbefe über fReuchlin oon neuem ein mirflicher ÄriegiJftnrm herein, gm ©eptember fiel ber faum anögetriebene

1) llutteiii Operum Supplem. I, ^,^438 440.

Sidingen^S Sertoenbung fUr 9{eud^Hn.

281

Ulrich wiebcr in fein 2anb. SBic er gegen bie ^nuptftobt ^eranjog, gebockte iRcuc^lln, ber i^n ^agte unb fürrf)tete, erft ju entweichen, blieb bann aber, um feine ^abfeligfeiten nicht preidjugeben, hoch ^urücf. @)roge (Sinbuge warb ihm gleichwohl, als ber Vertriebene fich ber (Stabt wieber bemächtigte, nicht er» fpart, unb aU nach bangen S35ochen Ulrich äum jweiten male Stabt unb ßanb räumen mugte, legten bie cinrüefenben Vünbifchen auf Vcuchlin'd ©igeuthum Vefd)lag, biö $erjog SBilhclm üon Vaiern ihn in feinen Schuh nahm. ?(ber war ihm unbehag« lieh ^cr oon Parteien jerriffenen, julept auch ?^^ft

hcimgefuchteu Stabt, unb im 9looember 1519 ficbelte er Oom Sllccfar an bie ^onau, nach Sngolftabt über. ?tuch hi^^ jeboch war er 3(nfang3 in fehr gebrüefter Stimmung; erft burch ben Vtocefe, bann burd) ben Ätieg in feinen 9Witteln erfchöpft, hätte er feine mühfam geretteten golbenen Sparpfennige oerfilbern müffen, wenn ihm nicht ber ftattliche ^irdheimer 30. (^olbgulben oorgeftreeft hätte.

®och jept fing auch Sidingen'ß gehbebrief an, feine 2Bir= fung j^u thun. Um SBeihnachten fam ber ^ominicanerproüinjial bem Flitter nach ßanbftuhl, unb auf fein Vebeuten machten fich balb barauf jwei Slbgefanbte bed 0rben§ ju 9leud)lin nach Sngolftabt auf ben Söeg. So fleinmüthig biefer oft war, fo war er hoch flug genug, fie an J^ran,^ oon Siefingen, al^ feinen Ve* DoUmächtigten, ^urücf^uweifen. Von biefeni „^ereule^" erwartete er, ba§ er ben i)Ud)töWÜrbigfeiten feiner VJiberfad)er ein (Snbe machen werbe. Grft oerfuchten bieje allerhanb Sßinfel/^üge , oer^ langten griften u. bergl., aber Siefingen jeigte ihnen ben @rnft. Um bie Unterhanblung mit ihm ^u erleichtern, ueranlofetcn fie nun ben ^ochftraten, feine ?lcmter al8 $rior unb 3nquifitor nicbcTj^ulegen, unb ;\u @nbe bed ÜJ^ai 1520 hatte 9leu^lin bie ihnen in Speier aufcrlcgten Vroeeßfoften in gutem @olb in .gänben, baö ihm nad) ben fd)weren ©inbuhen jeber 2lrt wohl ju Statten fam. Ueberbieh erlieheu bie ^)ominicaner ein Schreiben an ben Vapft, in welchem, unter ehrenoofler ©rwäl)nung Vcuchlin'ö, um gän^^liche ^inlegung beö ©anbelö auf ewige ßciten gebeten war ').

1) ^Die Sdege )u obtQcr flnbrn ftfb in HutieniOpp.SuppIom. I,

S. 440—448. SflI. Erasmi Spongia, Si^riften 11, S. 279, unb

282

II. $uc^. 2. ftapUel.

®aüon ipar inbcffen btc SÖQarjaI)lun0 ba^ cinätfle Sflccöc; allcö SBcitcre war bcr fd^änblic^fte ^faffcntruß, toh: ber bicbere S^cuc^lm nur gar ju halb erfal)ren foHte.

SäJöbrenb Jütten auf biefc SSkifc für fRcucblin uub bcn ^umaniömu^ ju inirfcn fortfu^r, fu^tc er nun boc^ juglctcb bie tüc^tigftcn feiner alten greunbe, feine löunbcgßcnoffen im Äampfc gegen bie fölnifc^cn 2)unfelmönner , in baö neue entfe^eibenbe Unternehmen gegen ?Rom, aU ben Äopf be^ SBurmS, hineinju* jtchen. ©chon im ?luguft 1519, fur^ nach feiner §eimfchr au8 bem mürtcmbcrgifchen gelbjuge, fchrieb er nach längerer mieber an bie erfurter greunbe, @oban ^effc unb ^etreju^ ®bcr= bach. @r befchmert fich, ba§ bem erftern, ber im nötigen ^erbfte burch SRainj gefommen, bie jehn bi^ gloölf Steilen ju oiel gc* roefen feien, um ihn (muthmaglich auf ©tccfelbcrg, mohin er nach IBoHenbung ber ©uaiaMSur um SSinteröanfang 1518 non Äug^ bürg auö fich begeben hotte) ju befuchen; bag ©berbach feit nicr 3al)ren ihm nicht gefchrieben : bag 2)^utian nollenbS burch feinen )örief noch fonft ein bezeuge, bag er ihm nicht böfc fei.

Jütten ahnt, bag fein 5luftretcn in neuefter 3^‘it bem behutfamen SJfanne migfallcn fönnte; er lägt ihn chrfurchtönoU gtftgen unb nerfpricht, bei ehefter Gelegenheit an ihn ^u f^rciben. 3)cu bei= bcn jüngern greunben fegieft er bie imcite, noUftänbigc ^tuögabc feiner Xürfenrebe ju unb fnüpft bie grage baran, ob niegt aueg fic cinmol ettnaö für 5)eutfcglanbö greigeit ^u magen gebenfen? @oban höbe in feiner 5lnttnortöcpiftel gtalienö eine gcmaltige grciheitöliebe angefünbigt; nun ftege er ab, nicUciegt bureg bag ©(gelten eines (SurtifanS ^urüefgef^reeft. @r folle feine guregt gaben. @S merben megr ©cgriftftcller biefer fHiegtung auftreten, als et benfe. Unb fein rugmlofeS Söagnig merbe eS fein. SEBic er, Jütten, ber Gelegenheit mahrnegme, folcge ^u gewinnen, bic oiel oermögen, aber biSger bic ©aege niegt oerftanben gaben, unb fiel) nun gerne üon igm unterrichten laffen (er meint oor allen granj oon ©iefingen), follcn fic fünftig erfahren. @r fegmiebe jefet an einem Gefpräcg mit bem Xitel : Trias Roinana, baS ^cf*= tigftc unb greimütgigfte, maS bis bager miber bic römifegen Golb=

ben X)tolo0, Conciliabulum theologistarum mit B5dltna*g ^InmeifMng, in gutten’9 ^(^riften IV, 8. 575.

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Ratten loitbt für bte Sleformation.

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fauler ^ci^öuöcfcfommeit. @o6a(b ci fcrtt(^, fotten fic fiaben. Urtb ßberbod^, ber felbft in 9lom gcinefcn fei unb bie fRäufc ber * bortitjen Sctrüflcr fennen gelernt ()abe, ob er bem SBaterlanbe bie gruc^t feiner @tubien ganj ent^ie^en rooUe? „Öleibe nic^t für immer ftumm", bittet er if)n, „fonbern bric^ einmal loö!" Unb c^e er noc^ ?lntmort batte, fc^rieb er im Detober, oon ©tecfelberg aus, noch einmal an ßoban in gleichem 0inne. SöaS er biefem fürjlicb oon feinen ?(rbeiten gefrf)rieben, b^be ben ßmeef gehabt, ju erfahren, maS er, ßoban, unterbeffen treibe? ob er nicht auch für ben fRuhm beS öaterlanbeS unb feine Befreiung oon bem päpftlichen Soche etmaS magen moUe? @r möge hoch etmaS unter» nehmen, unb tooS eS fei, ihm j^u feiner Slufmunterung oorher mittheilen. 2)Ut Suther gemeinf^oftlichc Sache ^u machen, \)xn^ bere ihn bie fRücfficht auf ben ßrjbifchof ^llbrecht, ber, ob^mor ohne @runb, ber SReinung fei, biefer §anbcl gehe ihn an; mo* burch ihm, Jütten, fürjlich eine treffliche Gelegenheit entgangen fet, bie Schmach beS öaterlanbeS (ohne 3^cifel burch §luftretcn gegen einen oon Suther'S Gegnern) ^u rächen. Snbeg thuc er boS nichtSbeftoroeniger, unb oieüeicht beffer, meil er nur feinem eigenen ?(ntriebe folge ; mährenb Suther feinerfeitS an fütelamhthon einen tüchtigen SRitarbeiter habe ‘).

3m 3anuar 1520 mar Jütten bei ©iefingen aufSanbftuhl unb fucl)te ihn ebenfo für Suther, mie furj oorher im mürtember' gifchen gelblager für fReuchlin, ^u ftimmen. £utl}cr hatte fich in ber leipziger Disputation gegen ben öt^imat beS römifchen Stuhls, gegen baS jtoingenbe 9lnfehen ber ßoncilien erflärt, hatte beS Oerbronnten §u6 fich angenommen; fein SBiberfachcr ßcf, burch ben Schriftenmechfel über bie Disputation noch mehr erbittert, bereitete fich 5“^ ^cife nach fRom ; ba mar unfehmer oorauSju» fchen, maS fommen mürbe. öereitS mar £utl)er burch einen Grafen Oon SolmS brieflich bei Siefingen empfohlen ; um fo leichter gelang eS §utten, biefen ju überzeugen, bag Suther ein Öiebermann, unb gerabe beghalb ben 9lömlingen oerhagt fei. 3cjt erhielt er oon Siefingen ben Sluftrag, an ßuther zu fchrei» ben, menn ihm in feinem ^anbel etmaS SBibrigeS begegnen foüte

1) f)ie mi§ Vtain) unb @te(feI6erg bom 3. Vuflitfl unb 26. Cc> tober 1519 in ^tkn*S 1, 301—303. 313 f.

284

II. 2. jfa)}tiel.

unb er feine nnbere §ü(fe ^ätte, möd^te er nur ju i^m- fommen, er wolle für if)ii tf)un, waö er fönne. S(n ßutfjer felbft fd^rieb nun Jütten auö 9^iücffid)t auf (Srjbifcbof ^llbrec^t nic^t, fonbern, nac^ SD^ainj jurüdgefe^rt, an 9Welanc^tl)on , ber eö, o^nc oon ^utten’dSBermittelung etwa^ ju fagen, anßutf)cr auöric^ten unb ibn ^ugleic^ üeranfnffen jotlte, feinen I)od)f)erjigen S3cfc^ü|er in einem Schreiben ^u begrüSenO- SBie fefjr biefe^ Anerbieten ©icfingen% bem halb ein äf)nlid()eö be)§ frönfifd^cn fRitter^ 0liU üefter oon (Schauenburg folgte, ba^u beitrug, Sut^er in einer be® benflichen ßcit 5U ermuthigen, unb wie er ber Anbeutung ^utten'^ erft burch ©riefe an it)n unb ©iefingen, in ber golge bur^3u^*9' nung einer (Schrift an ben iefetern, cntfprach, ift befannt.

3J^it fchrieb §utten fech^ Sßo^cn fpöter in einer

©eilage 5U bem oorigen ©riefe, ber, fchledhtbeftellt, an ihn jurücf^ gefommen war, oon (Stecfelberg au^ an äRelanchthon, mit ^vanj^ habe er gro^e unb überaus wichtige ^lane; wäre 9)kIanchthon bei ihm, fo wollte er ihm münblich etwoö baoon oerratl)cn. ^)en ginfterlingen, hoffe er, foüe eg fchlimm gehen, unb allen, welche bag römifchc 3och über ^eutfchlanb bringen. @r laffe jeht ®e= fpräche' bruefen : ®ie römifche 2)reifaltigfeit unb ^ie Anfehauen* ben, 00m höchften 5^*eimuthe befonberg gegen ben ©apft unb bic ^lünberer 2)eutfchlanbö ; er hoffe, fic follen bem SJtelanchthon gefallen, ober bocl) nicht mißfallen, ©or allem möge er mit Suthern reben. äöeun beffen .Jpanbel fich irgenbwie zweifelhaft anlaffe, fo möge bcrfelbc fid) nur ungefäumt zu auf ben

iöeg machen. Unterwegg fönnte er mit ihm, |)utten, zufammen- treffen; hoch wiffc er nicht, ob er gerabe auf 0tcdelbcrg fein werbe, benn er muffe in wenigen Xagen reiten, ßuther foöte über gulba reifen, bort werbe er bei bem Söirthc z^ioi ©ären erfahren fönnen, ob, Jütten baheim fei; er habe bann nur wenige ÜUieilen big Stedelberg. treffe ihn Suther hier, fo wolle er il)m auch ein fReifegelb fchenten, wenn er cg bebürfen foUtc. 9Jielanch' thon möge ihm nur ungefäumt entweber nad) gulba ober 2)^agbcs bürg Antwort geben *).

Auf Stecfelberg oollcnbctc .^litten bie oben enoähnten ^ia^

1) ^(lanc^t^on, ^atn), 20. ^n. 1520. St^riften I, 6. 320 f.

2) stedelberg, 26. Februar 1520. S(^Vi|ten I, S. 324 f.

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J^utten unb Sui^er.

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löge unb ^atte gerabe öierje^n Xage üor bem lebten ^Briefe an SWclanc^t^on, am 13. gebruar 1520, bie Zueignung be^SSabi^cu^ an ben uiclgerciften iRitlcr unb furfürftlic^ mainjifc^cn Sflatl), @€baftian non 91oten()an, gefc^rieben. @r nimmt bem ©c^mager beinahe übel, bafe er (in einem ©riefe, mic fd^eint) erft fragen lönne, ob Jütten etma^ fc^reibe? $abc er bieg in ber Unruhe bc^ §oflebcn^ nicht laffen lönnen, fo labe i^n ja auf ©tccfelberg bie (Jinfamfeit hoppelt bo^u ein. „®aüon h^ft bu", fährt er fort, „einen ©emdö an bem ©efpräch ©abiäeug, melche^ mir mit anbern biefe Sfluhe unb biefe ©erge gebracht SBenn ^

beinen ©eifall geminnt, fo wirft bu auch meinen (5ntfcf)(u§, mid) auf einige 3cit uom §ofc ju entfernen, nicht miSbilligcn. 3ch will bir ba^ ©üchlcin nicht al? gut empfehlen, ba ber ©egeits ftanb, Don bem cg hanbclt, ber fd)lcchtcfte ift ; alg frei unb wahr möd)te ich eg oiclleid)t, unb unter biefem 9tamen mug eg bir auch om willfommenftcn fein, geh felbft bin, wenn irgcnbwo, in biefem ©üchlcin mit mir jufrieben. Unferc grcil)cit war gcfeffelt unb oon beg ^apfteg Striefen gebunben: id) löfc fie. ©erbannt war bie SBahrheit, oerwiefen über bie ©aramanten unb 3nbcr hinaug: ich P^h^c fie ^urücf. @iner folchcn unb fo großen Xl)ot mir bewußt, mache ich ouf feine öffentliche ©elol)nung 9lnfpruch. ®ag nur wünfehe id}, baß, wenn mid) jemanb beßwegen oerfolgeii foUte, alle ^uten bie ©crtl)cibigung meiner Sache übernehmen mögen. 3)ag foll ber üol)n biefer Arbeit fein."*)

^)cr ©abigeug ober bie römifd)c ^rcifaltigfeit nimmt unter ben fünf Dialogen, welche fofort im 2lpril 1520 gebrueft erfchie* nen, ber Drbnung nad} bie uierte, ber SBichtigfeit beg 3nl)altg wie bem Umfange nach bie erftc Stelle ein. @r ift Jputten'g aiianifcft gegen ©om, ber §anbfd)ul), ben er ber $icrar^ie l)in= warf; mit ihm war in ber 3!höt, wie ^uttcn'g 2Bahlfpru(h fogte, bog iloog geworfen. Unb ^^war ging biefer hierin 2utl)ern er^ muthigenb, 5um Xl}cil felbft weg^cigenb, uoron ; beffen 2lbfagebrief gegen ©om, feine Schrift Don ber babplonijchen (%fangcnfd)oft ber Äirchc, erft im October, unb aud) bie Schrift an ben eprift*

1) 3)ie 3ueienun(t in ^uttrn’S S4>tiftfn I, S. 322. DoS feU)ß IV, 6. 146—269. 3n meiner Ueberjegung öon ^utten’S @ejprä(^en e. 94—185.

286

II. %u(l^. 2.

(idjen Slbcl bcutfc^cr Ölntiou crft im 3uni beffelbcn erfc^ienen ift.

®cr 0d^oupla| bcd ©efprä^ö ift granffurt om Warn. ^uttcn, uüc^ immer qU mainjifdjet ^ofmami, bod^ in freiem ®icnftucrl)ültnig üorgeftcUt, fommt mit bem Üurfürften niib beffeu näd^ftcr Umgebung (morunter ©tromer) bal^in. §icr trifft er einen alten greunb, ®rubolb genannt, an, ber einft mit it)m in ^om getuefen ift, unb mit betn er fic^ nun unterhält. ®en ®ingong mad)t in gar anmut^iger SBeife baö jiiob be^ golbenen . SD'tains", mit feinem milben $immcl, ber gefunben 2uft, ber aii^ genehmen Sage, ben beiben ^errlid^cn (Strömen, melc^e baö fReifcn fon)ül)l al^ baö ©inlaufen üon 9tac^ric^ten auö ganj ®cutfd)lanb erleichtern. „SDaun bin ich auch Ü)toung", fährt Jütten fort, „bag e^ für ©elchrtc ein befonberg jufagenber SBohnort fei; beim fo oft id) anberömoher jurüdfomme, faum bag ich Stabt tüieber im ©efichte h^ibe, fül)le ich mich erfrifcht unb cx^ muntert, merbe auch nie bc^ Sefenö ober beä Schreibend mübe, unb nirgenbd geht mir bie Arbeit leichter oon ber ^anb.''

ÜJtach mainjer S^teuigfeiten befragt, melbct §utten juerft eine fpafehnftc, bad angemeffene ©ube eined reichen unb geizigen ^foffen ju Ä'üln; bann aber eine oerbrieglichc, bajs nämlid} ber mainjer iöuehbruefer (Schöffer oermuthlich) aud Scheue uor bem SJerbotc ßco’d X. fid) gemeigert h^bc, oon Xacitud mit fünf neu aufge^ funbenen 33üd)ern eine l^udgabc für 2)cutfchlanb ju ueronftaltcn. |)icr lüciS §utten nid)t, morüber er unmilliger fein foU, über bad ncibifche Verhalten bed römifchen §ofed ^u ber ©Jeiftedbilbung bed beutfehen SSolfed, ober über bie ftumpffinnige ©ebulb eben biefed 5^oIfcd, fich fo etioad bieten, fich ben 2)rud ber SBerte eined SchriftfteUerd, ber oon unfern ißorfahren fo rühmlich gcfprochcn, unterfagen ju laffen. 2)ic6 führt bie Unterrebner auf fo mandhed ^Inbere, mad fich ^ic beutfehen uon 9lom gefallen laffen ; ^^ugleich aber auch auf bie Hoffnung, bag, bei ben ind SJ^aglofe fteigenben ÜJUgbräuchen unb ^^ranbfdjahungen, bie ©Jebulb nächftcud rcigen bürfte. ®iefe Hoffnung mirb gegrünbet auf ben ©ieift ber greU heit, meldjer ba unb bort fid} ju regen anfangc; auf ben Umoillen aller 23effcrn, Uornchmlich auch unter ben gürften, über bic römifchen ^Inmogungen, ber fid) bei |ebcr ©Jelcgcnheit audf^reehe; indbefonbere and) auf ben neuen iJaifer. Söie immer, fo finbet

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$abiScu§ ober bie r5ntifi!(|e ^reifaliigfeii.

ÖS7

fic^ aurf) ^ter ^utten'd Qoxn baburc^ am cmbfinbficl^ften gcftacbelt, ba§ biefc Stolicncr bcn ^cutfc^cn, bereit @utmütl)i(tfeit fie mi6= brauchen, erft foiiieu ®an( miffen, foiibcni fie bafür nur üerac^ten unb ucr^ö^nen.

^)üc^ fangen fie, fäf)rt §utten fort, felbft ju merfen an, bog mit leiten @nbc gebe, ba i()nen nid)t oerborgen bleibe, mad gegen pe je^t olIcntl)albcn gcrebet unb felbft gefebrieben Werbe, ©o fei neulid) ein getoiffer Sßabiöcuö in biefen ©egenben gemefen, ber feine 511 ?Rom gemad)ten 33eobad)tungen in einer für jene Station äuperft befebimpfenben unb geböffigen äöeifc oorgetragen ^^be ollcS, loa^ er gegen bie jebigen

Sflömer, ober, um feine ^luöbrflcfe ju gebraudjen, gegen bie ^0= maniften unb S^ömlingc auf bem ^er^en gehabt, in Xriaben gebracht, b. b- in (Gruppen oon jebeöinal brei ©tücfcn jufammens gefteüt. ,f)ierburd) beftimmt ficb nun bie gönn unb erflärt ficb ber 3]itel beö @cfpröd)ö: iubem §uttcn bie oon löabidcuö aufge= fteHten Xriaben auö ber ©riuncrung mittbeilt, aud) bureb eigene oermebrt, fo jebod), bag bie ein, feinen gefpräcb^tocife erläutert, bisweilen löngere ^Ibfdjweifungen ba, ^mifdjen gefeboben werben, oon benen aber jcbcömal wieber 5U ben Xriaben bed Sabi^cu^, alö bem cigcntlid)en ^^b^^nta, jurücfgelcuft wirb. ®iefe Freiheiten macben pd) fo, bag 5. gefagt wirb: brei Finge bat n^on in 9tom im UeberPug brei Finge pnb fetten j^u Sftom brei Finge pnb in 9toni oerboten -> brei Finge bringt mau au§ 9tom b^iw, u. bgl. m. ift nid)t ^u leugnen, bag biefe gomi etwad epi» grammatifd) ^ifante^, unb befonber^ etwaö SSolfötbümlicbcö unb iöebältlicbcd bot; woburd) bie ungemeine SGÖirffamfeit unb oiel* fa^e Sßerarbeitung gerabe biefeö ^utten’fcben Fialogö bebingt war. Fad l)Ot S^tiemanb beffer eingefeben ald Sutber; benn in feiner wenige ÜJionatc nachher erfebienenen ©ebrift oon ber babp* lonifcbcn Ölefongenfebaft fpriebt er gteicbfaCld oon brei 3J?auern, Welche bie Üiomaniften um fid) gesogen, oon brei ^Ruthen, bie fie und, um felbft ungeftroft su bleiben, geftoblen hoben. Uber ber ^inoerleibung in ein (^efpräd) wiberftrebt biefe gorm. Fie Friaben pnb etwad gertiged; ber wiftige 5Jopf, ber fie erfonnen l)Ot, unb noch mehr ber (Srsäbler, ber fie and bem ©ebä^tnig wiebergibt, bringt fie gleicbfam in ber Fafcbe mit unb wirft fie wie ÜRünseu ober ^Jtüffc aud; wäbreub im Fialog allcd entfteben, ein Söort

288

II. «ud^. 2.1»a|ntel.

baö anbere geben, ein ©ebonfe fic^tbar auö bem anbern l^erDor* fproffen fofl.

5ragt man, wie |)utten ju einer fo miberftrebenben SWifcftung tarn, fo barf man fic^ nuV ber 5^age erinnern, mie er benn ju bem luftigen Xone feiner 2)unfelmännerbriefc gefommen fei. 3n ber X^at ift bie Äntmort biefelbe : beibe male ftecft greunb 6rotu^ baf)inter. 3n einem anonymen @efpräc^, beffen Serfaffer aber Oermutl^lic^ (Jrotug ift, bem ’„Äompf ber grömmigfeit unb be^ ?lberglauben^", ift üon einem römifd^cn (Sonful SBabi^ug bie IRebe, beffen einjigc^ ©efc^äft fei, ber SWenfci^cn ©itten ju beobachtend). 5)iefer mutige !iRenfchenbeobachtcr ift toie bort ©rotuö. 9tur fann Jütten nicht, mie cd in unferm (^fproche ,l)ci6t, feine Sieben über bie römifchen 3“flänbc oor ^ur^eih münblich Don ihm oernommen haben ; benn (Srotuö mor, ald jener ben Sobidcud fdhrieb, nicht „in ber Oegenb'', fonbern noch ab- mefenb in Stalicn, unb tarn erft um bie 3cit, ald bie ©efpräch* fammlung im ^ruef crfchien, nach ^eutfchlanb jurücf. Slber er !anu feine Freiheiten bem ^reunbe fchriftlid) heraudgcfchicft haben, unb fo, ohne ÖJefprädj, finb fic auch mirflich in jenen Sahren oerfchiebentlid) gebrueft morben; einmal freilich fa, baß man fieht, fie finb aud bem ©cfpräch gezogen, ein anbermal aber fo, mie fie oermuthlich beffen (SJrunblage gebilbet haben *). S^on hier aud begreifen mir nun auch Jütten 'd SSerfahren. Fie Freiheiten feined mipigen greunbed reij^ten ihn, mie ben SJhifiler eine SWe^ lobie reij^t, SSariationen barüber 511 fdjreiben. Unb ben Sefer rei^t ed nun, menn er aud bem reichen bialogifchen Geflechte, momit Jütten fic burchfchlungcn , immer oon neuem jene neefifdhen Friabcn hetDorfpringen ficht. Fer logifdjcn Drbnung freilich mar eine folche Einrichtung nicht förberli^. $utten hat bieg felbft gefühlt unb burch ben Sludruf cntfchulbigt, ben er auf bie gragc bed Ernholb, in melcher Orbnung er fein Fhema i^u be^ hanbeln gebenfe, fich in ben 9Jiunb legt: „533ad Drbnung? ald ob in fold)er Sierfchrtheit Drbnung mörc!" Fod) nicht blöd in bem ^abidcud, fonbern auch in bem Ernholb unfered @efprächd

1) ^uttrn’S ©c^xiftfit IV, 6. 571.

2) S. bei SSöding, 0. 0. O. 6. 262—268. SJgl. meine Ueber|e^ung ber l^utten’fdben Oi^ejprad^e, S. 95 f.

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5iobi§cu§ obrr bic tömijc^e 'SreifaHiflfcit.

280

finben toir einen alten S3efannten. Jütten tnill il)nt feinen S3or^ trag nur unter ber 33ebin9uncj galten, bog i()m ber greunb bie Angelegenheit, in ber er feinen ©eiftanb erbeten, fleißig beforgen tnoüe; toorauf @rnf)olb enuiebert, an 3ureben tuoüe er nid)t fehlen laffen, fominc nur barauf an, ob ihm gelingen merbe, „jene jiu Überreben''. ®iefc „3enc" fennen mir auö ber ©efchichte non |)utten’ö Srautmerbung; unb ba mir mit bem iBabi^cu^ im Jahresanfang 1520 unb auf franffurtcr Soben ftehen, fo fennen mir auch ben Srnholb: eS ift fein anberer als §utten'S 5^eunb Arnolb ©lauberger bafclbft, ber Setter ber non ihm bergeblich begehrten Äunigunbe, mit bem er, mie angeblich mit @rnholb, in Jtalien 5ufammen gemefen mar.

5Jladh biefen Sorbemerfungen geben mir erft bon ben 5)reis heiten, melchc bie gorm beS ©efprächS bebingen, etliche groben, bann bon ben ,§auptgcbanfcn beffelben eine Ueberficht. 'S^rei ^inge erhalten 91om bei feinen SBürben: baS Anfehen beS Söl>ftcS, bie 4ebeine ber ^eiligen unb ber Ablafefram. ®rei ^inge finb ohne 3ahl in Som: gemeine grauen, Sf^^ffen unb @d)reiber. ®rei ^inge bagegen finb auS ?Rom berbannt: ©infalt, aiiöfeigfeit unb grömmigteit ; ober mie eS ein anbermal h^i&t- Armuth, bie Serfaffung ber alten 5lird}e unb Serfünbigung ber SBahrheit. 5)rei iinge begehrt Jebermann j^u IRom: furje SWeffen, alt @olb unb ein moUuftigeS Sieben. Son breien hingegen 1)0^1 felbft nicht gern: bon einem allgemeinen Soncil, bon Deformation bcS gelftlichen ©tanbeS, unb ba§ bie ^eutfehen anfangen flug ju merben. 9JMt brei Gingen h^nbeln bie Dömer: mit Shrifto, mit geiftlichen Sehen unb mit SBeibent. 3Dit brei Gingen finb fie ^u Dom nicht ju erfättigen : mit @elb für SifchofSmöntcl, ^apft^ monaten unb Annaten*)- ®rci ^)inge macht Dom zunichte: baS gute ©emiffen, bie Anbacht unb ben @ib. ^rei X)inge pflegen bic ^ilgcr auS Dom jurücf jubringen : unreine ©emiffen, bofe D^agen unb leere Seutcl. ‘I)rci ^ingc h^^ben bisher S)eutfd)lanb

1) j(hrcicnbflen ^nmofeungen, wona^ 1), ®i8t^ünifr

unb Hbteün ouSflenommen, üon jämmttitben geifUtthf*' Steflen in Xieuiftbionb oUe bUipnigen, tncicbc roil^rcnb bft jc(h§ ungfTobtn SMonotc (3onuflr, Wdrj u. l. f.) crlcbigt tourbtn, ber ^ejetjung burc^ bfn rtaren;

2) oon lebet 0eifUi<hen SteOe, bie über 24 Dutaten jährÜtb «trug, bei ber «ejetjung ein 3a^re«erlrog no(b 9t om beimhÜ werben niufttc.

VU.

19

290

II. $U(^. 2. I^apttel.

nic^t Hug tocrbcn (offen: bcr (Stumpffimi bcr S^^rftcn, bcr Sers fall ber SBiffenfe^oft unb ber ^IDeröloubc bcö Solfö. ®rei ^ingc fürchten fic ju Som am meiften: bag bie dürften einig merben, bo6 bem Solle bie Gingen aufgel)cn, unb bag if)te Setrügereien an ben Xag fommen. Unb nur burc^ brei ^ingc märe Som juredjt ju bringen : burc^ ber gürften @rnft, be^ Solfcjg Ungebulb unb ein Xürfenbeer oor feinen X^oren.

X)en 3nbalt be5 ©efprödb^ betreffenb, lönnen mir bie Se^ fc^merben Don ben Sorfc^lögen 5ur Sefferung untcrfc^ciben. 3enc finb bie fd^on feit mc^r alö einem 3o^t()unbert ^ergebrad^ten ; nur ba§ fte Don Jütten mit befonberer ©d)ärfc unb Slnbrings lid)feit oorgetragen merben. @r mci^ öor allem baö bebro^lid)c Sorfc^reiten, baö fc^amlofe Umfic^greifen ber römifc^cnSlnmaguns gen anfc^aulici^ ju madjen: bag. ma$ ebebem alö @unft erbeten morben, fe^t aU 9lccbt geforbert merbe; bag doncorbate, fc^on on fid) ^um S^acbtbetl bcr beutfegen 9iotion gefd)loffen, in bcr päpftlicbcn §luölcgung unb Slnmenbung noch mcit überfebritten merben ; bag bie Sefefeung immer mebrercr beutfeben ^^ircbenftcllcn nach Som gezogen, bie greife bcr Sifcbofömäntcl u. bgl. immer böl)cr gefteigert, immer melir ÜÄittel unb SBege, bem bcutfd)cn Solle fein ®elb abjuloefen, erfunben unb eröffnet merben. Unter anbern groben Slcnbmcrlcn mirb oueb beis tricrer Sodd gebaebt, bcr oor menigen 3al)rcn auögcgraben, unb Oon bem ^apftc, gegen einen ?lntbeil on ben ©pciiben bcr Pilger, jum fieibrorfc dbrifti gcftempclt morben fei. Äueb bie Uebergriffe in bie Seebte bcr fürftlicben dJemalt merben, mit befonberer Sereebnung auf ben jungen 5^arl, in bag gehörige Bicbt gefteflt; bie angeblicbc 0^cnlung jilonftantin'g augfubrlicb alg £ügc bargetban. Hlg unmörbig beg laiferlicben iltameng mirb auch b^^r jener böbmifebe Äarl IV. bingefteflt, ber ficb oon bem ^apftc Urbon oon S^tom ougfpcrrcn unb aug 3talicn meifen lieg. Xaoor mirb bcr fünfte Äarl bie Äaifcrebre ju retten miffen, mirb feine 5^rone nicht oon beg $apftcg gügen nebmen, noch biefe güge lüffen moUcn. drfüHt er biefe drmartung, fo mirb man ibn für meifc halten ; bie gelcbrs teften Ültänner merben fioblicber auf ibn fingen unb Sücber 5U feinem S^Iubmc fdbreiben ; man mirb ibn alg Sefcbüjcr bcr beut* feben greibeit begrügen, unb mo er gebt unb ftebt, ihm alg bem

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SobiScuS ober bic rötnijd^e 2)relfalti0fcit.

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tapfcrftcn, 9crcd)teften , l)od)r)crjigftcn , maf)rl)aft frommen unb c^rift(id)en, 5ujau^jen.

2)üd) bic finansieHe Slu^Oeutung unb politifc^c 93coormun^ bung ber bcutfd)cu Station ift noc^ nic^t einmal ba^ Slcrgfte, mad biefer oon 9?om auö miberfä()vt. moralifd)c SSerberben ift

ba^g gvöfecrc Ucbel, baö lWom feinen <B\^ ()at nnb oon bort

anö nad) ^cutfc^lanb fic^ oerbreitet. ©eit 3^n[irl)unbertcn l)at auf $ctri ©tu^le fein achter 9ftad)folger be^ ^etrnö me^r, mol)l aber 9tad}folger unb 9^ad)al)mcr bcö 9iero nnb .^eliogabalng, gefeffen. ®cr päpftlit^e ^offtaat ift ein ^fuljl aller SSerborben^ ^eit. 5)ie fiegaten, bie in nnfre Sänber fommen, bringen abfc^eu= lid)e, biefer Station fonft unbetanntc Safter mit. 5llfo nic^t nur feine geiftlid)en ©nter, feine 33clel)rung unb (Erbauung, erfaufen mir ^eutfd)cn uinS burd^ ©pcnbnng nnfrc§ jcitlid)en ©nteö an 9lom, fonbern, maö un^ l)iefür oon ba ^urüeffommt, ift nur ®crs berbnig unb ©ittenpeft. 2Bir ^anbeln nidjt bloö fing, mir ^an^ bcln fromm nnb gottgefällig, menn mir nnfre ©penben cinftcllcn nnb bamit bem römifd)cn SBerberben, ba$ and) auf uu3 übers ftrömt, feine 9^al)rung ent^icf)cn.

„©cl)ct ba" in fRom ; mit biefen SSorten im SRunbe beö Srn^olb fdjließt §utten feine ^)arftellnng „fe^et ba bie grogc ©trenne bed ©rbfrcifeö, in mcld)e ^nfammengefd)lcppt mirb, ma«3 in allen fianben geraubt unb genommen morben ; in bereu 9}2ittc jener uncrfättlic^c Ä^ornmurm fi^t, ber nngeljeure Raufen grnd)t ücrfdjlingt, umgeben oon feinen §al)lreid)en äJiitfreffern , bic un^ ^nerft baö iölut au^5gefogen, bann ba<3 Slcifd) abgenagt l)aben, je|t aber an ba5 9Rarf gefommen finb, nn^ bic innerften ©ebeine 5erbrec^en unb aUeö, ma§ noc^ übrig ift, jcrmalmcn. SEÖerbcn ba bic ®entfc^en nic^t ^u ben SBaffen greifen? nic^t mit geucr unb ©c^mert anftümien? ^ag finb bie ^lünbcrer unfcrcö SJa^ terlanbcö, bie oormalö mit @icr, jept mit 5rcd}l)cit unb SBntl), bic melt^errfc^enbc Station berauben, oom 33 tut unb ©c^meiße beö beutfc^cn 33olfe^ fdjroetgen, auö ben ©ingemeiben ber Firmen i^ren S53anft füllen unb i^rc SBollnft näl)rcn. 3^nen geben mir ^olb; fie l)altcn auf nnfre Äloftcn ^ferbe, |)unbe, 3D?aultl)icre, unb (o ber ©c^anbe!) J^uftbirnen nnb ßuftfnaben. SJ^it nnfenn @elbc pflegen fie il)rer 33oöl)eit, mad)en fic^ gute Xage, fleibcn fid; in ^urpnr, jänmen i^re^ferbe nnb ÜJianltljierc mit@olb, bauen

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II. 2. Äopitcl.

^aläftc üon lauter ■äWarmor. Pfleger ber grömnügfeit ucr^ fäumen fic biefc nic^t alleiu, tuaö bod) }d)on fünblic^ genug märe, jüubern üeradjtcn fie fogav; ja fie üerle^cn, bcflecfcn unb fd^önben fic. Unb tüö^renb fic früher burd) ©^önt^un unö föberten unb burc^ Sügen, Xidjtcn unb ^^rügen uitiS @clb abjulocfcn ttjugten, greifen fic je^t ju ©d^rcefen, ^roi)ung unb ©ewatt, um unö, mie hungrige Söölfe, ^u berauben. Unb biefc müffen mir noc^ licb= fofeu ; bürfen fic nic^t fted^cn ober rupfen, ja nid^t einmal bcrül)- ren ober antaften. 22ßann merben mir einmal fing merben unb unfre 0c^anbe, ben gemeinen ©d)aben, räd^cn? ^at un§ baoon frül)cr bic oermeinte 9fleligion unb eine fromme ©djeu jurücfgcs l)altcn, fo treibt unb ^mingt um3 baju je|t bic S^otl)."

iöele^rt, meint §uttcn, baß ma^re @ottc5furc^t unb abgöt« tifdjc Sercl)rung ber päpftlidjen ^^prannei fcl)r ocrfcpicbcne ^)ingc feien, foUc unb merbe näcpftcnö baö beutfepe ®olf einpcUig ben mannhaften ©ntfehlug faffen, biefcö Soep ab^umerfen. 2)em 5^ör* per ber Spriftenbeit folle fein bilhcrigc§ §aupt, ber ^apft unb feine ©urie, nid)t abgefepnitten, foiibern biefc^ nur oon ben unge« funben ©äften, bic fid) in bcmfclben angefammclt, befreit merben ; meld)eö cinfa^ baburd) gefepeben fönne, baß ber ^ranfbeit bic 9ial)rung entjogen, b. b- ben ÖJclbfpenbcn naep 9iom ein @nbc gemaebt merbe. ®ann merbe ber römifdjc $of fiep fepon oon felbft ber Dielen 9JUijiiggängcr unb feiner anftögigen Ueppigfeit entfcblagcn; aber, ma-g er an (^lan^ ücrlierc, an mabrer SBürbc geminnen. (@in anbcrmal jeboeb mirb mcitcr gegangen unb gc^ fagt, jeber 33ifcbof b^be fo oicl ©cmalt alö ber ju ?Rom, benn Sbriftuö fei ein Siebbaber ber @lcid)beit unb ein geinb bed @br^ gcpicö gemefen.) 5lucb in ben übrigen Säubern merbe bic Ueber* japl ber ©eiftlicben fiep minbern; menn aber oon bonberten nur (Silier bleibe, merbe c^ genug fein. 'J)tc gciftlicben ©tcHcn merbe man ben beften unb gclebrtcften 2Känncrn geben, unb biefc merben, menn fic mollcn, aud) beiratben bürfen, um ben Einlaß ^ur ^u^* febmeifung ab^ufebneiben.

baö aUeö nidjt fo glatt abgeben, bag ^apft unb Älcrifei mit allen Sßaffcn, gciftlidjcn unb mcltlicben, fiep mebren merben, ba& mitbin auep il)m, menn er ^u jenen 3)2a6regeln ratl)c, (SJefabr brot)e, barüber töufcbt fiep §utten nicht. SBobl tbuft bu recht, fagt ipm ©rnbolb, gegen biefe Xprannei -^u fpreeben. ^ber bu

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?(nj(!^Quenbfn.

298

mirft birf) üor i()rcn ^RadjftcHunöcn ptcn mttffcn, bamit bir nid)t cttvaö tüibcrfa^rc, ba^ folf^cn üJ^ut^cö nic^t raurbifl roärc. ^cnn * mau barf jene gdnbc nic^t ucrac^ten. t^uc id) and) nic^t, crmicbcrt §uttcn; aber ohne (5Jcfabr 9efd)ic^t feine grogc unb benfmnrbigc ^()at. SBo()l ift eine grogc unb i)errlid)e 3:bat, entgegnet (Srn^olb, burd) 9flatt)en, SOiabnen, Treiben, unb drängen baö SSaterlanb ju nötbigen, bag feine 0d)mad} erfenne nnb ficb ermanne, feine urüäterlicbc ^i^eibeit mieber ^u erringen, eine bnr^s

fe^t. 2öenn er aiicb nid)t burebfe^t, meint Jütten, fo ift febon ber 33erfucb üerbienftlicb, unb uielleicbt mirft ba^ 55cifviel, bafi and) anberc baffelbe magen, unb enbü^ bie SBelt' in 5^emcs gung fomme unb ®cutfd)lanb fing merbe. ^)iefeö fünnte nach meiner SJteinung (Sbnfto, fönnte ber Äird)e feinen grö^ern 2)ienft erzeigen, aU^ menn bemnäd)ft ben* ungered)ten @rvreffungen ein @nbe mad)tc unb fein (^elb bebielte: möchten bann jene Gopiften unb ^rotonotarien j^n fRom immerbin uerbungern. ÜJiöd)teft bu bie ^entfeben ba^n bereben! miinfd)t ©rnbolb. 3d) will ed tücnigftenö berfndjen, üerfept ,?)utten. ^ie SBabr-' beit fagen? fragt jener. - 3cb werbe fie fagen, ob fie mir and) mit Söaffen nnb bem 3:obe broben. - 2Bcld)e Siften werben fie bagegen erfinnen ! Ä'ld)e 33nnbeSgenoffen werbe icb mir ^uge* felicn , welche <Sd)ubtocbren aufwerfen ! ^a^u gebe (Sbriftw^ feinen Segen! ift (Srnbolb’ö (^ebet.

SBcnn baö bi^bev bon unö betraditete (^efpräcb, bei aller 3öud)t feinet reformatorifeben Sub^lt^, boeb in betreff feiner fönftlerifcben Jbtw einigem 33ebenfen unterlag, fo finben wir bagegen in bemjenigen, 511 bem toir un^ nun wenben, beibe Sei^ ten im febönften (Gleichgewichte. atbwet Sucian’ii^ (Geift (bem and) ber Xitel, bod) eben nur biefer, entlehnt ift) unb erbebt ficb burd) bie SBenbung am Sd)tiiffe i\u ^^Iriftoph^nifcbcr §öl)e. ift baö lepte in ber Sammlung uom grübjabr 1520 nnb beifit Inspicientes, ober in §uttcn'!3 fpöterer 93erbeutfd)ung bie ^n*

fd)auenben')-

Xiefc 5(nfd)auenben finb ber Sonnengott mit feinem Sofin

1) €(^ri|ten IV, 8. 269—308. 3n meinet Ueberje^unfl ber fputtcn’jc^en @ejpräd)c 8. 18tl— 219.

294

II. ?8u4 2. ifapM.

unb SBac^cnlcnfcr ^^actf)on, bie, U)Ql)rcnb i()rc 9iüffc nac^ crrcid)* tcr aj^ittOßäl)ö[)c fidj ücrfdjnauOcn, burd) bic /icrüjciltcu SBolfen einen Slief auf bie @rbe merfen. @in t^vogeö ©ctüminel, bn^ - gerabc in ^eutfd^tanb 511 Dcmerfcn ift, lenft ir)te ?(ufmer!famfeit auf biefeö ßanb. 53cn)affiiete unb UnDetnaffnetc ,vcl)cn fd)iieller ober langfamcr, aHe nad^ bcmfelben Drte l)in, loo man bie einen be^aqlic^ fc^maufen, bic anbern ernftlid) rat^fd)lagcn, nod) anbere beibeö SiiQlcid) ober abme^öinnfl^meife treiben fict)t. S)cr 0rt ift Hngöburg, cd ift ber S^cid^dtag üon 1518. ^cm aKfdiaucnben ©onnengotte finb 21?enfd}cn nnb SSert)ä(tniffc Idngft befannt; aber ber ©o^n munbert fid) über manc^ed, bad er fic^t, unb erbätt nun Dom 33atcr 5Indfunft barüber. 3“crft fällt ibm ber SSiber« fprud) auf, in mclcbem mit bem ernften 3'üccfe ber 33erfammlung bad ungebcure Xrinfen ftebt. ^cr ^atcr ftcHt ben Sßiberfpriid) nid)t in 5lbrebe, madbt übfigend ben ©obn auf ein,^clnc 9^üdjterne aufmerffam, bic fidb in ber 53crfammlung finben, bafür aber freilidb öon ber SD^cbr^abl ald gremblingc angefeben unb üeraebtet merben. S^nbeffen feien boeb ein paar oerftänbige gürften ibnen gnnftig, unb aud) mand)c non ben Xrunfenen fangen an, fic ald gelehrte unb gefebidte ßcutc gelten ^u laffen. Söenn Jütten jene ^runfenen näher ald ^oflcute, non bobcni Söudbfc, in geftidten Älcibcrn, mit gcfräufeltcn §aarcn unb Ä>ttcn um ben .^ald, bic Söaffcrtrinfcr bagegen ald Icibarmc aber gciftveid)c, magere aber febarffinnige fDMnndbcn befebreibt; menn er in ^e;^ug auf bic leptcrn ben (Sonnengott audrufen lägt: „53ebntcn bic Götter bic grogen kleinen!" fo fiegt man mogl, bag er babei an fieg unb eigene ©rlcbniffe gebaegt gol-

SBäbrcnb biefer fllcben mirb in ben ©tragen 5lngdburgd eine ^^roceffion fid)tbar: fie gilt bem päpftlid}cn Segaten Sajetan, ber and feiner SKognung in bic ^Rcidjdocrfammlung geleitet mirb, um gier bad 33egegrcn bed ^apfted in betreff bed Xürfenfrieged oor^utragen. ^cr ^rieg, erläutert ©ol, ift babei nur 93ormanb, bad ©anje eine ©pecnlation auf bad beutfege ®elb, bie aber bicgmal fdjmcrlidg gelingen mirb, mcil fic fd)on allju oft fieg micbcrgolt gat. ^ic 2)eutfdjen finb gemipigt, biegürften mad)cn ,yim 2:beil böfe @cfid)ter unb ber ßegat fiegt niegt luftig brein. ^od) mirb ber bödartige ©d)leid)cr noeg allcrganb SBcgc oerfuegen, um ^u feinem 3iclc §u gelangen. S53ic lange mirb er biefed ©picl

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^te Vnfd(|QU(nben.

295

noc^ fpielcn ? fragt ^icr ^f^aet^on. ©o lange, anttnortct bcr ®as tcr, bi^ bic ®cutfd)cn loeifc werben, welche jc^t no^ fRoin bur(^

§lbcrg(aiibcn in öetbörung Ijölt. Unb ift na^c baran, fragt jener, bag fic weife werben? 5lta^c.! nerfid^ert ber Sonnengott; ' benn biefer ba wirb ber @rfte fein, bcr mit leeren §änbcn ^eim^ fommt, jiim großen Sc^rcefen bcr ßeiligcn Stabt, wo man nießt geglaubt hätte, baß bie Barbaren fieß folcßcö unterftchen würben. So nämlich, erläutert Sol, nennen fic bic ®cutfchcn, wie über? haupt alle Söller außerhalb Stalienö; ba hoch h^wlsutagc, wenn man auf eeßte ©efittung ficht, bie ^cutfehen baö gebilbetfte Soll, bie IRömer hingegen bic ärgften Sarbaren finb.

§icr fügt fich nun ein Sunbgemälbe uon ben Sitten unb ber Staatöoerfaffung ber Xcutfehen ein, in weld)cö fich §uttcn mit Siebe oertieft, ohne hoch babei bic ÖJefichtöpunfte au^ bem Sluge 5U ocrlicrcn, wcld)c für fein ganje^ fchriftftcllerifd)eö SSir« len bic Icitcnbcn geworben waren. 9tad) bem, wag bcr Satcr oon ihnen fage, lönnten ihm bic 2)eutfd)en fchon gefallen, meint Sh^Jclßon, wenn fic nur ihr Saufen laffen wollten. 5luch bem Satcr gefällt biefeg nicht, befonberg, baß bic dürften barin mit üblem Seifpicl üorangehen ; buch gloubt er bereitg einige Seffe^ rung ju bcmcrlen. ^ic hortnäcfigftcn Xtiiilcr feien jebenfaflg bic Sachfen. Sie fipen beftänbig hinter ben Scchcrn unb ocrtilgcn unbillige SHaffen Sicr; beim tränlcn fic SBcin, fo würbe bcr@r^ trag beg ganzen ^cutfchlanbg für ihr Sebürfniß nid)t augrcid)en. 3h^ Hppetit bleibt hinter bem S)urftc nicht jurüd, unb bem Uc^ berfluffc machen fic uugefcheut auf bic unpthigftc SGBcife Suft. Shnethon, wie er fic fehmaufen ficht, glaubt einem ©aftmahlc bcr Kentauren ober Sapitl)cn ju^^ufchen. ör meint, bieScutc müffen gar leine Seruunft hoben. 5lber weit gefehlt: bcr Satcr belehrt ihn, baß biefe toücn unb oollcii (S^icber*) Sachfen fo Ilug feien wie anbere, ja llügcr; benn nirgenbg fei bag ©emeinwefen fo woljl regiert, nirgenbg mehr Sicherheit; oon Äörper feien fic ge* fünber unb ftärlcr alg alle anbern 2)outfchcn, unb im Ähricgc tapfer ohne ÖJleichen. ^utten^g ölunft ober S^tachficht fichert ihnen fchon bag, baß fie, wie Sol berichtet, oon Slcrjtcn nidjtg wiffen unb oon ben Sflechtggclchrtcn nidjtg wollen. Sic fprcchcn nach bem ^crlommen fRed)t unb beßnben fich babei beffer alg anbere bei ben gefcheicbciicn (iJcfcJcu. ältich wuubcrt, feherjt hi^^’^ ^h^^*

29Ü

II. «u(^. 2. i^QpitcI.

tI)ou, bag bu utd)t fagft, fic tücrbcn burd^ ibr Xrinfcn befjer. X)aö faflc icb nidjt, ciitgcflnct ©ol ; bas? aber -^cigt bcrXf)atbcftanb, bag fic üiclCiS beffer aui^ric^tcn unb flüger cinrid)tcn aU irgenb tpcid^e 9flüd)ternc. ®icHcic^t, picint ber ©o()it, ift if)ncn ba^ Xrin= fen fd)on jo jur anbern f)flatur getporben, bag man fürchten mug, ipcnn fic bapon liegen, möd;tcn fic and) Pon igrer '^icberfeit laffen. 200^1 möglid), Perfekt ber anbere.

Xoc^ fegon jiegt ben jungen Öetra(^tcr ein anbere^ beutfegeö ^^arobojon an. @r fiegt Scanner unb SBciber naeft mit einaiu ber haben, fic^ einanber füffen unb uml)alfcn, unb baö aüc^, Perfic^ert ber SSater (ja noc§ mel)r, benn fic legen fic^ aud^ ipobl ^ufammen fc^lafen) in 3üd)tcn unb @^ren. 2iirgcnb^ fei bic ipeiblic^e 0c^am^aftigfeit reiner beipal)rt als? in X)eutfd)lanb , rno fic ipcnig bcmad}t fei, nirgenbö merbe bic @()c ^eiliger gct)al= teil. Xie Männer feien nid)t ciferjüd)tig mic in 3^talien; über» l)aupt l)crrjc^c in allen Xingen Sßertrauen, 0ffenl)cit unb Unbe* fangenl)eit. „SEBa^rlid) fein fc^limme^ SSolt!" ruft l)ier fßl)act^ou anö, unb nun mirb ber rotl)bacfigc, garms unb arglofc Xeutfc^c mit bem bleid)en, ncibifd)en, Pon Scibenfd)aften jerfreffenen Italiener mit feinem Xolc^ unb ®ift in einen fpredjcnbcn (£ontraft gefegt.

Einmal im 3ngc beä 2Bol)lgcfalIen^ an ber beutfe^en Station, finbet unfer 23cobac^tcr, nid)t ganj mit 9ftcd^t, auc^ ba-5 l)übfc^, baö bie Xeutfd)en feine gemeine Äaffc gaben, fonbern im gaü eincö Äriegö bie iioften erft j^ufammenfteuern ; ipoburcg er auf bie Vülitifcgc 2Serfaffung Xeutfcglanb^J ju fpredjen fommt. iöon ber iBicbe berXeutf(^en jur Unabgängigfeit gegt er aug. Sgren gürften bienen fie treu, aber in freier SBcifc, ber eine biefem, ber anbere jenem; inggemein erfennen fie jenen eilten bort (3J?ai*i= milian ift gemeint) für igren §crrn, ben fic Ä^aifer nennen; ben egren fic, fo lange er nad) igrem ©innc ganble, ober fürdjteii ign iüd)t, feien igm aueg nid)t fegr gegorfam : bager igre langen, unergiebigen 23cratgungcn, in benen fic menig ©emeinfinn geigen ; bager bie Piclcn ©treitigfeiten unb inncrlid)en Äriege unter igncii, unb bag 'Scglimmfte, bag ber Äaifer genötgigt fei, biefe ^u näg» ren, um burd) gegenfeitige ©djmäcgung ber gürften fieg oben galten, ©igentgümlidjfciten freilid), ipclcgc bic Xcutfd)en j\ur .Jierrfdjaft über anbere iöölfer jiemlid) untücgtig maegen. Unter ben gnrften, fägrt 0ol in feiner ftatiftifd)cn 23clcgrung fort,

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Die 9(nj(^aucnbcn.

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feien bie einen geborene, bic anbern emätjltc: (e^tcrey bic 33is fc^öfc unb gciftlic^en Herren. Unb feien biefe an SÜ^ac^t wie nn ben anbern überlegen: mer)r halb ^entfdjlanb fei Don Pfaffen befeffen. d)aben bic 3fiac^fominen bem

51bcrglaubcn i^rcr ®orfa()ren jii üerbonfen, welche bnre^ 3Scrga^ bung ii)rer @ütcr an bicÄirc^e ihren ucrarmenben @nfcin Herren erfauft hoben. 9lach ben gürften fommen bic ©rafen, unb an fic fchücgc fich ber gemeine Slbci an.

§ier fommt Jütten auf feinen eigenen @tanb p reben, unb ba jeigt er gan;\ ben fWitter^mann. Unter bic fcltfamcn Er- wartungen, bic man non grofeen EJeiftern 5U h^-’Ö^n pflegt , gehört auch bie, fie non ^aufe auö über ©tanbeöuorurthcilc erhaben j;u finben. gm ©egenthcil, je ftärfer in berglcichen SJicnfchcn bic 9latur wirft, befto ftärfer jicheu and) fold}c iöanbe an. gür fich ift .Jütten über biefe 33efangcnheit fein Seben lang nid)t hi»ou3^ gefommen: nm fo l)öh<^r müffen wir e^ ihm anre^nen, baß er, wo honbeln galt, baö ®orurtheil bei ©eite ju fepen wußte, wie wir an feinem Orte pnben werben. |)ier fpridjt er feine ritterlichen 3“= onb 5lbncigungcn nod) mit ber nniuften Offeiu herjigfeit auö. a)iitfRed)t läßt er bic fricgcrifd)c Xüchti^feit, mit 3^lccht and) baö an bem fRitterftanbe rühmen, baß berfelbe nod) einen 9left oon uroätcrlid)cr 0ittc, oon altbcntfd)cr öieberfeit bewahre. ®aß auf ber anbern 'Seite bic ^Ritter burd) if)tc geh= ben unb fRäubcrcicn Dielen befchwerlid) fallen, leugnet er nid)t. Er fucht aber ju erflären. 30m Xhcil tl)un fie cö, fagt er, im i)icnfte ber gürften, bie fiel) ber fRitter al§ Stü^en ihrer Elcwalt bebienen. 3oni 2^hf'l flcfchehe aber auch auö §aß gegen bic Äaufleiite unb bic freien Stäbte. ^cr SBiberwiße ber fRittcr gegen bie Äauflente wirb auö ihrer $lnhänglid)fcit an bic oatcrlänbifchc Sitte, ihrer ^(bneigung gegen baö grembc h''*’^ÜC= leitet. Sie hoffen in ben Älaufleuten biejenigen, wcld)c mit au^s länbifd)en Stoßen unb EJewürsen Suju^ unb 2Beid)lid)feit in ^)eutfchlanb cinführen. E‘3 wäre fein Seßaben, meint ber junge .^ipfopf ^hoethon, wenn ben fRittcrn cincö Xageö gelänge, alle biefe fremben SSaaren fammt ben Äauflcutcn ju Dcrtilgcn.

^utten’ö Slnfchounng Dom .^onbcl war, äße feine 5leußcs rungen über benfelben ^nfammcngerechnct, ftaatöwirthfchoftlich wie culturl)iftorifd) gleich ciufeitig. Er fal) in erfterer $infid)t

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II. 93uc^. 2. Papiiel.

mir auf bcu (bamalö frcilid^ übertuicgenbcn) Sinport^aiibcl, bcr ba§ @clb Quö bcm ßanbc gicl^t; in Icgtcrcr nur auf bic SSer= mcl^rung bet 33cbürfniffc , bic bcrfclbc im ©efolgc Oat. SBic bcibc§ ftd) U)icbcr in's @Icid)c bringt, mie insbcfonberc bcr $anbcl als unfd)ä^barcr S3itbung^t)cbcl Don jc^cr gcmirft I)at, ba§ über* fa^ $uttcn, ^alb auö rilterlid)em SßorurtI)cil , l)alb anö fc^uls müßig rt)ctorifd)cm ©toiciömuö. ©benfo menig, unb au^ ä^nlic^cn Wrünben, ßat er ba3 SBcfcn bcr ©tobte begriffen. §ln biefer ©tcüc gibt er eine ^öd)ft fpaß^afte 65cfc^ic^tc i^rcr ©ntftebung, in tt)ctd^cr fic Icbiglid) alö @r5cugniffe ber 5ßermcid)lic^ung, atg ©d^ufemc^ren für bic geigen unb Xrögen, bic fic^ nic^t me^r im freien gelbe mehren mochten, crfc^cinen. ©olc^c ®crbcrbniß, foldjcn Slbfall üon altbcutfc^cr ©ittc ju l)affcn unb 511 beförnpfen, l)übcn bic S^ittcr, aU SSertreter bcr Icjtcrn, allc^ ^cd^t; bo fic aber jenen ©ntorteten f)intcr ben SBöHcn unb 3J2auern i^rer ©tobte nic^t beifommen fönnen, fo bleibt i^nen nid)tö Slnbercö übrig, olö, mciin einer ouöreift, if)n untermegS nicbcriumcrfcn unb ouö^uplünbern. ' ©0 bringt Jütten am @nbc gar I)crau^, baß bic ©tobte für folc^e 93efel)bung ben fRittern nod^ banfen müffen, meiere allein i^r uöUigcö S3crfinfcn in tröge Ueppigteit uerl)inbcrn. 33cgrciflid) mußte, mer einen ^irdf)cimer , einen '4?cutingcr ju greunben ßattc, Sluönal)men unter ben ©töbtcbc- iüot)ncrn üorbcl)altcn ; mie, mer ber öffentlichen ©timmc jener ^age nicht aH^u grcH mibcrfpredjcn moHtc, baö ritterliche fRaubs lücfcn nid^t loben burftc. 5lllcin, inbem ^uttch c^ tabclt, nennt er hoch einen „mannhaften grcOel"; jene ©tegreifritter Oer? fahren ihm nur ^u rauh gcloaltfam : müßte fich ein gcfe|= lieber SBcg finben laffen, bic fremben Söaorcn au^jufchließen, unb jenen ©chnjelgcrn unb Wienern bcr ©chiuclgcrei bie SBahl ,^iüifchcn einer anberu Sebentot ober bcr Sluömanbcrung ju fleUcn.

^od} nod) fchlimmcr al3 bic ^auflcutc, fährt bcr bclchrchbc ©ol fort, feien bic Pfaffen : fic tragen jum gemeinen S^luhcn gar iiidjtä bei, fonbern unffen nur in Trägheit unb Ueppigfeit ihten üctb 5U pflegen, gn ihnen fei gar nichts uon bcutfd)cr 5lrt mehr, unb fei eine ©chonbe für bic Station, boß fic au§ mißOcrftau= bener grömmigfeit fic noch bulbc. (Sine glcid)c Semanbtniß h^^^c C‘5 mit ben äl^öndjcu, oon beren 53cichthörcn unb ?tbfoloircn eine

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2)« 9lnf(^oucnbcn.

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fomifd^c 93cfd^rci(nutc^ qcc^cbcn tüirb. oKcbcm ivirb am @nbc bcr 0rf)Iu6 flcjotjcn, bag bcni bcutfc^cn SSolfc eine aUflcmcIiic Sßerbefferung bcr ©itten t^ue, bic f)auptfäd}nrf} gegen Pfaffen unb ÄQufIcute ftd) rieften mügte.

3nbcm bic beiben erhabenen Sefc^auev fo reben, benterfen fie, bag au^ bcr ^roceffion bort unten, bic fic eine SBeilc aug ben klugen gelaffcn, einer i^ornig ju ihnen hcroufruft unb herauf? blieft. @g ift bcr päpftiidhe ßegat, tuclcher bem ©onnengotte SBortoürfc macht, bag er nid}t, mic jener ihm hoch bei feiner ?tb? reife aug 3talien befohlen, mährenb feineg Slufenthaltg in bem falten ^Dcutfd)lanb beffer unb märmer fdjcine. ©eit ^chn 2^agcn habe ©ot feinen 33lidf burch bic Söolfcn getljan. 0b er nidjt miffc, bag bcr ?^apft (unb ber habe jept feine gan.^e ©cmalt auf ßajetan, alg feinen Legatus a latere, übertragen) allcg, nicht blog auf @rben, fonbern aud) im §immcl, nach belieben binben ober löfen fönnc? 5llg bcr ©onnengott crmicbcrt, baoon habe er mohl gehört, cg aber nicht geglaubt, nennt ihn berSegat einen fdjlechtcn (Shriften unb broht, i()n cjcommunicircn unb bem Xcufcl j\u übergeben, menn er nid)t ciligft um Vergebung bitte unb bem (Sopifteu beg Segaten beichte. Unb locnn er bag tt)uc, mag bann? fragt bcr ©onnengott. ^ann merbe er ihm, ant? mortet bcr Segot, jur S3u6c entmeber ein mehrtägigeg f^aften oufcrlcgcn, ober eine 5lrbcit, eine Pilgerfahrt, ?llmofcn, ober auch Sluthcnftreichc für feine ©ünbe. ^Ig ©ol über folchcn SBahn? mife fid) luftig macht, mirb bag Pfäfflcin brunten gan^^ müthenb nnb thnt bie ©onnc in ben 33ann. ©ol befänftigt cg burd) ücrftclitc Slbbitte unb bemerft ju feiner @ntfd)ulbigung boghaft, bog er nid)t hcHcr gcfdjicncn, bamit habe er bem Segaten einen ©cfaflen tl)un mollcn, in ber 9J?cinung, biefer habe mand)cg ju betreiben, mag bic ®cutfd)cn nicht fehen fotten, iö. feine Um? triebe, um Äarl’g 3^cftimmung ^um 9^achfolgcr feineg ©rogüatcrg ^n oerhinbern. 5lug ben 2)cutfchcn mad)c er fich nidjtg, ermiebert (Sajetan; hoch möge ©ol cg ihnen nidjt oerrathen nnb ^mittler? mcile in ®cntfchlanb Peft erregen, bamit oicle Pfrünben unb geiftlichc Sehen Icbig merben, aug benen bic neuernannten (Sar? binälc, moruntcr er fclbft, ©clb pichen fönnen. Stuf ©ol’g @in? menbung, bag er bonn nid)t hcÖ fd)cincn bürfe, beim jur Peft fei 9tcbel nnb trübe Suft crforbcrlid), ^eigt fid) algbalb, bag bem

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II. ^ud(|. 2. ffül)itcl.

ßcflntcn om @clbc boc^ iiorf) mcl)r als am ©onncnfdjeinc liegt: unb nun f)ält .^uttcn’S (SBcnbilb, ^^act^on, fid) nid)t länger. @r fd)ilt il)u einen t)errud)ten 33öfcmic^t, ^ei§t i^n bem ^apftc fagen, menn er nic^t fortan anftänbigerc £egaten nad^ 2)eutfc^s lanb fd)ide, merbe eS einer ©mpörung ber Sd)afe gegen einen iingercd)ten unb blutbürftigcn Wirten fommen, unb mibmet il)n, als ber ßegat nun auc^ über i^n ben 53ann auSfprid)t, bem ^ol)iigeläc^ter aller ^eutfe^en , bic i^m oicllcici^t noc^ etttwS 0d^limmereS ant^un merben. @ol aber, mit Scrac^tung gegen ben ©Icnbcn, mcld^em ^^aetl)on nod) eine Söermünfebung l)inuns terruft, Ijcigt biefen ben Söagen mciter Icnfcn.

3n bemfclben grü^jal)r mit ben öiefpräc^en, bie mir in biefem nnb bem oorigen ^^apitel betrachtet haben, gab Jütten eine ältere uon ihm aufgefunbene (Schrift, mie früher bie oon ßoren^ 93aHa über bie ©chenfung Äonftantin’S, mit einer gel)ar> nifchten Sorrebe hci'on^- 3n gulba, aus beffen SDomftift er einft als junger Wenfd) entlaufen mar, unb mo nun, nach bem Sftücf- tritt §artmann'S Don ^^irdjberg, ber S^effe feines ehemaligen SJor* gefegten, ©raf 3ol)ann oon §enneberg, als 2lbt regierte, hic^l fid) je|t Jütten, auS (SJelegenheit feiner üöefuchc auf ber oäter* liehen 33urg, bismcilen auf. SBaS ihn an^og, mar howptföchlich bie uralte ^öibliothef, bie einen fdjäpbaren SSorrath oon ^anb= fehriften befafe. §ier fanb .gutten einen ^liniuS, ©olin, Duin= tilian, 9JMrcelluS mediciis, bic er in 5lbfd)riftcn feiner SibliotheC cinocrlcibtc. 3n gulba mar im 3al)rc 1519, als ,§utten eben beS mainjifdjcn .g)ofbicnftcS entbunben mar, Joachim SamerariuS mehrere iagc in oertranlid)cm öertchr mit il)m jufammen. S^icU leicht mar eS bn^umal, bag t^utten, mie er am 26. Detober beS# fclben 3ahreS oon ©tcdclberg auS an (Soban berid)tete, beim ©töbern unter alten 93üchern, oon ©taub unb SJ^ober bebeeft, einen ®anb ohne 3!itel unb ©(^lug, in fehr altcrthümlid)cn ©d)rift5Ügen, fanb, in mcld)cm er halb eine ©chrift auS ben Seiten §einrich'S IV., 511 beffen ©unften unb miber ©regor VII. Oerfagt, ertanntc. „Xu mirft", fchrieb er barüber on ben greunb, „einen ©chriftfteller fennen lernen (benn id) gcbente baS Such heraus, ^ugeben), mie bu ihn in jenen h^IIcft.

©d)arf beftreitet er ber ^äpfte Xprannci unb fämpft muthig für bic beutfd)e greiheit. gd) lennc nid)ts greimüthigercS, nid)tS

'S

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Sfunb auf brr fulbifc^en ^ibllot^et. 3uf(^rift an Sr^rjeriog t^erbtnanb. 301

JJcinercö in bicfcr fo fd)Iäcjt c^5, fo jcrmahnt unb crn)ürftt bie Betrüger. 3c^ i)abe ber 9J?ül)c tücrt^ gcijaiten, eine 3Jorrebc bn5U ju {djreibcn, njelc^e in Sßerbinbung bamit crfc^einen mirb. S^iad^c Don biefem fdjöncn gunbe ben greiinbcn in beiner iRal)e 2Kittl)eilung, um i^rc ©rmartung ju erregen; beim ic^ glaube nic^t, bag fd)on 3emanb gefegeu l)at, unb tbuc mir Diel barauf ju @utc, ctma^S )o 9Sortrcfflid)cö unb Sflotbmcnbigc^ in biejer 3»-'^ an'ö 2i^t ju bringen" ‘).

5)ie 0c^rift ift, mic fic^ auö il)rem Sn^alt ergibt, um ba-g 3u^r 1093, alö ©regor VII. fegon tobt mar, aber bie burd) i^n ocrurfac^ten firc^lic^en unb politifd)cn SSirreu nod) fortbauerten, für ^einric^ IV. unb beffen ^apft Siemens III. gefc^ricbeu unb gat, mic fpöterc gorfegungen* ergeben t)abcn, ben 33ifc^of SEßalram Don 9taumburg 5UIU SBerfaffer. ^ie 2obfprüd)e, bie Jütten i^r crt^cilt, oerbient fic in ber ftcflt fic^ auf ben 53obcn

bciS gciftlidjen ^rimat^ ber römifc^en Äird)c, meift aber nur um fo entfe^iebener bie pöpftlic^cn Uebergriffe in baö ©ebiet ber melt^' licken ©emalt jurücf. Äönige 5U machen ober abjufc^cn ift nic^t ber Rupfte §lmt; baö Sinben unb Söfen, mo5U 6l)riftu^ bem ^ctruö bie 33ollmac^t gab, beliebt ficb nur auf bie ©ünben, nicht auf ben @ib ber Xreuc, ben i^ölfcr unb gürfteu ihrem Dbcrhcrrii gefchmoren 2)cm ^Jlachfolger ^etri gebührt eö, gdebeu

unb ©inigfeit ^u ftiften, nid)t »ötreit unb <Epaltung: fein Schmert ift nur ein geiftlicheö, fein Äriegerfchmert. ^Diefe unb ähnliche 3bcen merben flar unb büubig, mit 0chärfe gegen ©regor, unb bodj im ©eiftc apoftolifchcr SKilbe oorgetragen.

^ci einer ©egrift, bie jur S3erthcibigung beö beutfehen nigthumd gegen päpftliche Uebergriffe gefchrieben mar, lag nahe, an ben neugcmählten Äöuig Äarl ^u benfen. fonnte nichtig fd)aben, ihn in biefeu ©piegel bliefen ^u laffen, um ihn im iöeginnc feiner ^Regierung fd)on mit bem uollcn iöcmugtfcin feiner ©tcllung gegen 9lom, ber 9tothmcubigfeit cineö fcfteu 2lufs trctciiig gegen baffelbe, ju burchbringen. 2)od) Ä\irl mar noch in ©pan len. dagegen mar fein ©ruber gerbiuaub in beu S^ieber? lanbcii angefommeu, unb fchieu jmedmägig, einftmcileu biefeu ju geminnen, um uad)l}er burch ihn nuf ben ©ruber mirfeu ju

1) @o(>on, S4iriftfn I, 6. 313 f.

302

n. Sud(|. 2. i^opttel.

fönncn. 5tuc^ ©icfingen Oattc bamalö Dcfonberö auf gctbi^ uanb abgefctjcn *). tiefem tüibmcte ba^cr ^utten bie gefunbene ©c^rift, bie im 1520 ju äf^ainj ^crauöfam*).

Xcm neuen ^Hegenten Äarl, fü^rt Jütten in feiner S^^ig- nung auö, fei jebeu üerpflidjtct, naclj 5^räfteii bie beften fRatl)- fd)läge ju geben. 2öä()renb anbere i^ii in aubern üöe§ic^ungcn berat^en, Ijalte er, §utten, für feinen Söernf, i^n anfiä briiu genbfte anfiuforbern, bafe er bie beutfe^e 9lation nid;t länger ber fc^impflic^en 2^ijrannei bes^ ^apfteö preiggegeben fein laffc. ©ie abäumc^ren, fei nütl)menbiger aU ben Xürfen jn befampfen. 3)iefc Söa^r^it, biefe 9^otl)menbigfeit anfc^anlic^ jn machen, merbe er aHeiS ^iöglic^e tf)un, ol)ne gurd^t nur (^efal)r unb mit bem Söc^ mugtfein, fid) baburc^ ein SJerbienft ^u ermerben. ^£)arum ^abe i^n auc^ ber unerroartetc gunb biejeö 2&nc^ fo erfreut, ba ganj in bie ßeit unb feine ^bfic^ten paffe. SBärc bamalö Äarl jur ©teile gemefen, fo mürbe er in feiner grenbe ju U}m gclaus fen fein, in ber Ueberjengnng, ba§ berfelbe feine @abe ju fc^öjen gemußt unb üiellcid)t auc^ in bem @eber ctmaö für il)n, ben Äöuig, ^5)ienlid}e!§ gefunben ßätte. @inen größern 2)ienft fönne ja beiben jungen gürften 9liemanb ermeifen, als mer fie nidjt länger Älnedjte fein laffe. ilnedjte ber römifc^en öifc^öfe aber feien alle biejenigen beutfe^en ilaifer gemefen, melc^e fic^ bie 5)C' müt^igungen bei ber SJrönung, bie Eingriffe in bie fHegierung, bie ^lünberung 2)eutfd)lüubS, mie fie feit longem ^erfömmlic^ gemorben, Ijaben gefallen laffen. SlnberS §einric^ IV. g^n, mie biefe ©c^rift i^n ma^rljeitSgemäß, gegen ultramontane SBerläum* bungen, barftelle, möge Äarl fid) jum SSorbilbe nehmen, unb gcvbinanb ben trüber ba^u ermuntern. Jütten oßneljin merbc i^nen als fleißiger 2Jiaßner jur ©eite fte^en, o^ne fic^ burdß ^roßungen fdjreden ju taffen. SBon 2eo X. (bem fofort äl)nlic^c (Komplimente mie in ber S3orrebe ju Sorenj SSalla'S ©c^rift, bod) fc^on Diel ^meibeutiger, gemad)t merben) perfc^e er fieß feines Uebeln. 2luc^ fönnten ja bie römifdjen Söifc^öfe nichts ÄlügercS

1) Jütten an 9JteIanc^t()on, SJlainj, 20. Sfonuar 1520. 8d^riftcn I, 6. 321.

2) De unitate ecclesiae conservanda, et schisinate, quod fuit inter Henrichum iV. Imp. et Gregorium VII. P. M. etc. Soron Ulrichi ITutteni eq. ad 111. principom Ferdinandum Austriae Arcbid. etc. in soquentem librum praefatio. 3)ic|c in ^)utten’8 Sd^riften 1, 6. 326—334.

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Si&dflellen bet Jütten.

303

t^un, a(ö einer ©etuatt unb ©teflunfl, bic fic ollgemein tJcrboBt mac^e, fie inenfc^lic^er fRac^e unb göttlicher ©trofe auöfefte, frei- willig 511 entfagen. S3on bem @rpreffung^= unb ^euortl)eilung^'s f^ftem, welche^ bie ^ßäpftc gegen S)eutfd)innb in Slnwenbung brin^ gen, wirb hi^i^iiuf eine fummarifchc 0chilberuug entworfen unb babei al§ ba)g ©chmäl)lict)fte bOiS gefunben, „ba§, wäl)reub unferc Vorfahren für unwürbig ^cn ^Römern, bic bamatö ba^

frieg^ewaltigfte SBolf waren unb bic SSelt bejwungcn hatten, 511 gehorchen, wir nun biefe SSeichlingc, ©flauen ber SBoKuft unb SSöücrci, ein faulet, wcibifchc^, muth= unb nmrtlofeö ©efinbcl, nicht bloö bulbcn, fonbern auch, um ihnen ihr SBohßcbcn mög* (ich macheu^felbft fchmöhlidh barben, ihnen, glcidh alö hätten fie unö im Äricg überwunben, Xribut befahlen unb unfre (Srb.* gütcr an fie ucrfchwcnbcn." ^cm foUcn bic bcibcu erlauchten trüber ein @nbc machen, fie foüen i()r ^Regiment bamit eröffnen, bag fie ben 5)cutfchcn bic greiheit wicbergeben, unb jenen ihr Stauben, ^lünbcrn unb Xrügen legen: ‘Da^u mitjuwirfen, fommc biefc^ Büchlein gcrabc recht, iubem geige, baß auch ff^on frü- her unter weit ungüuftigern Umftänben baä ÖUcichc gewagt wor- ben fei.

©chon in ben uorhin betrachteten ^cfprächcn waren uon Jütten guweilcu, befonberö wenn barauf aufam, bie ©ntars» tung ber römifchen itirche anfchaulid) gu machen, biblifchc ©teilen angeführt worben. 2)och h^iUc er fich ebenfo oft nod), wie früher, - claffifchcr ©teilen, uornchmlid) auö römifchen 2)id)tcru, bebient. 5)ie§, wad feinem ^öilbungögange cutfprach, gibt er nun gwar auch ferner nid)t auf. 2)od) im gleichen S^erhältnig, wie er uon bem huwaniftifchen S3oben nad; unb na^ auf ben fir^lich=refor.« matorifchen hinüberrüeft, fangen auch bic 33ibelfprüd)c bic claffi» fehen 9lcminifcengcu gu überwiegen an. 3^^”^ crftenmalc fällt biefe iDianier in ber SBorrebe auf, bic wir fo eben bcfprochcn h^* ben. ©ie fällt auf, weil fie bichmal weber uon ber ©adhc, noch Uon ben ^erfonen, mit benen Jütten gu thun h^ttc, gefor^ bert, jo für bie le^tcrn faum geeignet war. 2luf bic beiben jun? gen gürften, bic er für feine 3bcc einer @mancipatiou uon ^om gewinnen wollte, wor fichcr burch politifchc @rünbc mehr Öin- bruef gu machen, aU burdj bic ©tcHcn aud.3cfaiaö unb (Jgcchicl, SJ^atthäuö unb Sohauueö, mit benen er feine 9tebe uergierte. 2)a

304

U. $u(^. 2. ilapitd.

er an ber alten 0^rift, bie er beuonnortet, unter anberm rü^mt, U)ie gefc^ieft fie au^ bein ©uangclium unb ben Sßorten S^rifti jufammengefügt fei, fo fann fc^cinen, bag fie junäc^ft il)n jur 9iac^Ql)niung ueranlafit Ijabe. ^oeb bcl)iclt er biefe IMrt fortan bei unb bilbete fie njeiter auö. 2)arin beftärtte i^n Sut^er'ö Sßorgang. Unb toie er nun oom näc^ften 3al)r an fic^ an bie Sßerbeutfdjung feiner latcinifd)en unb an Slbfaffung oon beutfe^en Schriften begab, fo toar aüerbingö in benjenigen Älreifen, für njelc^c er je^t fd)rieb, biefe ÜJianier bie n)irffamfte. ^)ag fic §uttcn unb feinen Söerfen gut ju ©efic^te ftünbe, fönnen wir nic^t fagen. ®em alten öifc^of, beffen 0cbrift er baruni lobt, ftcl}t fie ganj wol)l. 2utl)er’n au^. Xenn beren ganje ^enfart ift au!^ gäben gefponnen, bie auö öibel unb Äirdje gejogen fitib. $)a ift C!^ alfo ganj natürlich, bafe bie oon tl)Cologifc^em ®ciftc burc^brungene 33ctrac^tung fid) oon 5^ Seit in biblifd^e ©c^lagworte jufammenfaßt. 2)a^ ift bei §utten gan^ anberö. ©eine 33itbung ift eine burc^au^ weltliche, tl)cilö l)umaniftifr^, tf)ciU politifd^. ©elbft baö Älird}lic^e unb fReligiöfc betrachtet unb behanbelt er auö biefem ©cfichtöpunfte. ^aju paffen nun bie '^ibelfprüchc nid)t, bie einer ganj anbern SBeltanfchauung ent- ftammen. 0o gefc^idt fie im ©injclnen eingefügt finb, fo bleiben fie hoch bem ©anjen fremb. (Sie ftören, ftatt ju förbern. 3J2on gloubt ftellenweife §utten in Äutte unb Äapu^e fich üermummen ju fehen, ben hoch nur ^arnifch unb Sorbeer fleibetcn. 2)a6 er babei für feine lateinifchen Schriften an bie SBulgata, für bie beutfehen an Oorluthcrifdje ^ibclüberfchungcn gewiefen war ’), in benen üiele, befonberö altteftamentlidjc Stellen gar nicht ju Der? ftel)en finb, war noch befonbrer Ucbelftanb.

Um bie julclt oon und betrachteten Schriften

erfd)ienen, oermutheten ^uttcn’d franlfurtcr 33ctannte, oon benen er ,^u Anfang gebruard in ber 9lichtung nach Stccfelbcrg fich getrennt hotte, ihn in Bamberg bei ßrotud fRubianud, ber oor iurjem aud gtalien jurüdgefommen war. 33cibe greunbe hoUen fid) Jiulept im guni 1517, wie ed feheint in ®enebig, gcfchcn; .

1) 2u!l|fr’§ ®ibfIübfT|c^un(i fittfl erft ju crf4|cinfn an, toxt jd^ntt^ellrTifd^c Saufbobn natif}u grfcbloficn toar; baS 3). %. erf^irn im Sept. 1522; boni «(trn 1523 bi( ^üd)a ^oftS.

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Jütten unb 6rotu§.

305

im ^luguft bc^ folgcubcu mar ßrotii§ mit feinen Söglin-

gen in 53ülogna, tuol)in if)n glitten an Suliue üon pflügt ein? pfal)l; büvtt)in ober nad) fRom luaren and) bie ©rüße gerichtet, melcße §ntten @nbc SJiai 1519 bem Chilianus Salensis briefließ an ißn nad) Italien auftrug; benn^ in jenem Sommer befueßte (Srotuö 9tom; im grüßling Soßre^ 1520 feßrte er nad) Deutfd)lanb ßeim, unb tarn über 9türnberg, tuo er bei ^ircfßcimer einfpraeß, nad) öamberg, n>o 3lnbreaö unb Safob gueßö, bie öenuanbten feiner S^günge, aU $)omßerrcn lebten ').

Äud) für Srotud, mie früßer für $utten, gemann biefe ita= lienifeße 9leife, inöbefonbre ber 5lufentßalt in fRom, eine tiefgrei' fenbe 3)ebeutung. ^er geinb, ben er biö baßer betämpft ßatte, mar bie 0d)olaftif mit ißrer Unroiffenßeit unb Unbilbung geme^ feil. 5)a mar bie SBaffe hei ßäcßer ließen, in bereit güßrung ci ißm oon ben SDtitftrebenben feiner juüortßat, ganj an ißrer ©teile. 9tun fam er an ben ©i^ hei Äird)enregiment^, beffen ©tüfee jene ©cßolaftif mar, unb oon bem fie ßinmieberum geßaU teil mürbe. Söaö er ßier faß, ging au^ bem „alleö belad)enben (Srotu^" über ben ©paß. „S^eulicß mar icß in fRom'', feßrieb er au)S iöülogna an ßutßcr. „3cß faß bie^)enfmale ber eilten, faß ben ©tußl ber ^eftilen;^. ^aß i(^’ö gefeßen, ift mir lieb unb ift mit leib*).'^ 2)ie moralifeße ^cffuntenßeit, ber SRangel jebeiS ernften religiöfcn ©inneö, gingen über feine ISnuartung. Unb füld)ed SJerberben näßren mir mit unferm ©elbe 1 ÜRan muß ben ^)eutfcßen bie klugen öffnen, muß fd)rcien unb feßreiben „gegen bie f^öblicßen ©itten, bieSlom un^ ßerau^fd)idt". ®a5U beburfte ei aber eineö anbern Xonö, einer anbent Äampfmeifc aii gegen bie ©cßolaftif. 9lun maren bem (Srotuö eben erft in Italien bureß

1) Obige ?lngQben bcrulien auf ben ^tiefen öon 6ocl(|iau§ an ^irrf* Reimer, 5ranff., 6. ^ptil 1520, in ^utten’8 ©c^riften I, 336; öon Jütten an ^flugf, «ugSburg, 24. ?lug. 1518, a. o. O. S. 187, an Chilianua Salensis, efelingen, (5nbe 3Kai 1619, q. q. O. 6. 267, on grieb. 5if«^er, bei Cfelingen, 21. Wai 1619, 0. o. O. 6. 273; bon ßrotuS an fintier, j. bie nä(l)fie Tin» nterfung.

2) 2)ie brei benftoürbigen ®rie|e öon CrotuS an Cut^r» owS Bologna öont 16. Octobet 1519, ebenba^er ol^ne 5)atuni, aber ettt)a8 Ipfiter, unb auS ® amberg oom 28. Tlpril 1620, finb abgebrueft in ^utten’S ©d()riften I, S. 307—312. 337—341. ,

VII. 20

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306

II. «ud(|. 2.

feinen grculib 3ofob gud)ö, ber nad) i^m bo^in pilgcrte, bie erften S'lodjric^ten non Sut^er’ö Auftreten jngefonunen. ©o lang er in ^eutfdjlanb njar, f)Qtte man „non biefem punifc^en Kriege'" nodj nid^t« gehört. @rfte, moö i^m oon ©djriften in ber @ac^e in bic ^änbe fam, myr ber 5)ialog beö ©ilüefter fßrierioö gegen Sut^er. nmr berfelbe ^nnfeimonn, ber fdjon gegen S^eudjlin gemirft ()atte, i^n alfo an feine alten Kämpfe erinnerte. Uebert)aupt maren auc^ jept mie bamal^ ^aiiptföd^lic^ mieber bie ^Dominicaner, bie fic^ bem neuen Sichte entgegenfteHten. ®ann la§ er ßut^er'ö Öerid^t über feine ©erbanblungcn mit bem ßar^ binal ßajetan in ?lugöburg. ^ein, mar baö mirtlid^ fein e^ema= liger 0tubiengenoffe non (Erfurt ^er? ber finnige SD^ufieug uiib ^l)i(ofopb, ^cr i^m bann hinter ber Pforte be^ 2luguftinerfIoftcrö Oerfd^munben mar? 3a, er ib« ö^^^^^nt, biefen SUiartin, nnb boeb nicht gelaunt; jept erft gingen i^m über ben alten 53e= fannten bie redeten Sichter auf. 3cpt fah er in ihm ben SKann, mie bie 3^it, mie bie Shtiftenheit unb 2)eutfchlanb ihn beburften; jc(jt hielt er ihn al)S ben erften, ber gemagt, baö SBoll beö §errn oom fd)öblid)en Söahne loöjnmadhen, beö S^amenö ©ater bei8 öaterlanb^, einer golbnen Silbfäule unb iäl)rlid}er gefte mcrtl). Unb nun erinnerte er fi^ au^ mieber bc0 befon^ bern Umftanbed, ber Suther’i^ ©intritt in baö Älofter junächft oeranlagt h^tte: ber 33üpftrahl ber ben Don feinen ©Itern ^urüefs fommenben oor ber ©tabt ©rfurt ju 33oben marf, be^;eichnete ihn al^ anbern ^aulu§, freilich erft für ein Diel fpätereiS Serftänbnig.

3()?it biefen ©efinnungen, bic er bem fern unb unbeachtet üon ihm jum großen 9J?anne emporgernachfenen 3ugenbbelannten in mehreren ^Briefen auöjubrüden fich gebrungen gefühlt, fanb nun ber hcimgelehrte ©rotm? ben $er^en§freunb ^uttcu mieber @r hcitte ihm auö fRom eine©d}tift beö9licolauä oon©lemangi§ au'g bem Einfang beö 15. 3ohrhunbertö über ben Oerborbenen ©tanb ber mit Äircheeiner ßueignung unter erbichteten Flamen ^ugefchidft ^), anbrerfeit)^ bon ihm 3iifcubungen erhalten, bic eine

1) SHe 3uf4rtfi: Eubulus Cordatus Montesino suo, oor ber ba« mal§ toteber ^erauSgegebenen Sc^irift be§ SlemangiS De corrupto ecolesiae Btatu, toirb mit SBo^rfilicinn^ffit bem 6rotu8 beigelegt. S. ^utten'S 6(^riften I, ©. 277 f.

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Jütten unb 6rohi§ in Bamberg. d07

ä^nlic^c SBenbung in bcn öcftrcbungcn bc8 grcunbe^ bciirfun» beten, ^efet war er faum einige 2;agc in Homberg bei ben ®e* brübem alö er burc^ §utten'd Stnfunft übcrrafc^t würbe.

war nic^tö j^wifc^cn ben greunben üerabrcbct, fonbern S^riftuö, meinte er, ^abe fie fo jufammengefü^rt, ber ja feinet Opfert fic^ fo fe^r erfreue, alg ber wec^felfeitigen ßiebe ber SJicnfc^en. 3n i^rc Cfterfeier fielen, üon ©ra^muö an Jütten gefetjieft, bic Uer^ bammenben ©prüc^e ber löwener unb fölner X^eologen gegen ßut^er hinein, bie ben greunben reiche Seranlaffung jum Sachen Wie 5um boten, gortan fc^ienen beibc, wie einft für

Sleud^lin unb ben ^umani^muig, fo nun für ßut^er unb bie Sleformation oerbunben.

S3alb nac^ biefer 3uf^^”inienfunft mit ©rotuö ;;u Samberg pnben wir Jütten wieber an unb auf bem fRf)ein. 3m 3Wai fuf)r er ben ©trom fjiuuntcr, unb ^atte ba 511 Sopparb eine greube, wie fie 5Wei oort)er Sraömuö cbcnbafelbft gehabt ^atte.

Äuf ber fReife üon Safe! nac^ ßöwen begriffen, war ber (entere an jener trierfd}en ßoüftätte auögeftiegen , unb ging, wä^renb bad ©c^iff burdjfuc^t würbe, mit feiner ©efcHjc^aft am Ufer auf unb ab. 5)a erfannte if)n einer unb fagte bem ßoflbeamtcn (Sfeben^ felber: ba§ ift (Sraömuö. S)crgreube be^ wadern äRanneS glic^ nur bie Ucberrofd)ung bcö ©ragmuö, an ber 3oübanf einen fo warmen Sere^rer ju finben. @r mußte mit il)m in fein |)auö fommen, grau, Äinber, greunbe unb Sefanute würben jufam^ mengcrufen. ^uf bem ©c^relbtifc^ be^ ÜRanne^, jwifd^en ßoß" regiftem, fanb ®raömu^ feine ©d)nftcn liegen. ®ie Ungebulb ber ©c^iffer bcfcßwic^tigte (Jfc^enfetber burd) wieberßolte SBein» fenbungen, oerbunben mit bem Serfprcc^en, i^nen auf ber fRüds fa^rt ben ßotl nac^laffcn j^u wollen, ba fie i^m einen folc^cn SD^ann jugefüßrt hätten. Sßie jc^t $utten nac^ Sopparb fam^ fanb er bei öinicampianud, wie ®raömuö unterbeffen ben ^uma* niftifd}en 3ößuer latinifirt ßatte, eine öl)nlid}e ^ufna^me. @r mußte fein (5Jaft (ein, fein <5)auö, feine Süc^er fe^en, unb unter biefen fanb Jütten eine alte ^anbfd^rift, bie il)it beim Slättern unb ßefen immer mebr an^og. 2öie ba§ fein SCÖirt^ bemerfte, machte er i()m mit bcrfelben ein ©efe^enf, unb Jütten fanb bie ©c^ift, wenn auc^ ber für^lic^ ju gulba gefunbenen au Sßertl)

308

II. 2. j^apitcl.

*

nic^t glcid^, bod^ in ba^, mag i^m je^t cin^^ig am §erjcn lag, fo einfdjlagenb, baß er fie l)erau3äugebcn bcjc^log.

(£ö mar eine ©ammlnng Uon ©enbfe^reiben auö bem (5nbe beö nierj^ebnten 3[al)r^nnbevtö, ber Qcit ber großen Äirc^enfpaU tung ätoifeßen ben römifeßen nnb aoignonfd)en ^äpften: gegenfei? tige ber ojforber, prager unb parifer Unioerfität;

biefer brei Ünioerfitäten an ben ^apft Urban VI. unb ben S^önig Söcnjel; ein ^uöfc^reiben beö (extern an aßc c^riftüc^en S^atio? nen, unb enblicß eine SJ^a^nung an bie ®eutfd^en, Ilug ju mer? ben. tiefer Sammlung fe|te Jütten eine „unter bem SReiten" Oerfaßte ^^Öe greien in ®eutfd^lanb Oor*), in

melcßer er biefen über feine bi^^erige Xl)ätigfeit gleidjfam fRed^en? fd^aft ablegt. „S^lodj bin ic^ nießt läffig gemefen", fagt er, „Oon bem Xage an, ba id^ bie fc^on lange gebunbene unb beinahe erftiefte greil^cit biefer ^Ration, fo oiel on mir ift, ju löfen unb roieber? ^erjuftellen unternommen l)abe; halb fud^e unb erforfeße i^, ma^ irgenbmo oon ^ltertl)ümern Oerborgen liegt, baö meinem SSor? ^aben bienen möchte; halb fdjrcibe ieß unb laffe au?gel)en, toaö ber beä Söaßren fic^ bemußte Sinn nic^t länger im Verborgenen laffen mag." S^lun erjä^lt er, mie er ju ber oorliegenben Schrift gefommen fei, unb fäßrt bann fort: ,,^a ßabt i^r alfo baö ®aft? gefcßenl be^ greunbeö, i^r freien SD^änner! ^enn toaö fann Jütten erfreuen, baö er allein genießen, unb nießt fogleic^ allen ©Uten mittbeilen möd^te? ober maö mag jur görberung beö gc? meinen ^Ru^eniS in ^eutfc^lanb bienlid^ fein, ba§ er im Verbor? genen laffen bürffe?"

2)ie freifinnigen (Srlaffe ber brei Unioerfitäten au8 früherer ßeit mußten ißm 5ur Vefc^ämung ber folner unb lömener §od^* fcßulen bienen, bie im §(uguft unb 9iooember beö oorigen 3al)reö fiutßer'ö ju Vafcl erfd)ienene Heinere Sd^riften öffentlich ocr? bammt hatten. ,,^ie alten Xh^ologen", fagt nun Jütten unb bieß fönnte mit ben 2lbänberungen, bie im Unterfchiebe ber Seiten

1) De schismate extinguendo et vere Ecclesiastica libertate ad- serenda epistolae aliquot etc. 5?oran Hulderichus de Hutten liberis in Germania omnibus Salutem. ^atirt Inter equitandum. 6. Cal. Junii (27. 9Jloi) Anno 1520. Vive libertas. Jacta eat alea. ©Triften I, ®. 349—352.

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glitten an alle freien ^eutfc^rn.

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liegen, ^cutc njicber ebenfo gefd}ricbcn tnerben „liegen fteg bureg baö ©ewiffen leiten : geute finb lauter ©cgmeicgler unb SBogls biener, bie, lucnn fie einmal igr SImt tgun moUen, entmeber über leere hoffen ?lufgebenö moegen, ober, ben SRöcgtigen ju ©efallen, egrlicge Seutc in $ag, öJefagr, biömeilcn felbft inö SBcrberben ftürjen. SBaö lägt fieg aueg Unmürbigereö benfen, ald bic leiegtfertige, mutgmilligc unb bösartige 33eganblung, melcgc ben 0cgriften reegtfegoffener 2J?änner fegou ntcgr aU einmal oon folcgcn miberfagren ift, bic niegt auö Srrtgum, fonbem au^S^eib unb93oögeit baöjenigc oerbammten, maö fie, menn man igr^emiffen befragen mollte, bieSrften fein mügten, 511 begaup^- ten unb ju billigen? ^)abci gebnrben fie firf) olö gelben, menn fie §u ©unften be^ römifegen öifcgofd ober feiner Segaten bic ©tacgeln igreg Urtgeilö gegen biejenigen fegren, mclcgc beftrebt finb, mit bem B^^gnig coangelifeger SBagrgeit ben 9(bcrglanben auö ben QJemütgern ber ©löubigcn anöjurcuten unb bic magre fRcligion oon jeber 0cgminfc 511 befreien, ©ingegen miber bic fegäblid)cn ßurtifanen, bic abfcgeulidjcn Simoniften unb bie gott^ lüfen Slblagfrämcr entmeber oor bem SSolfe ju prebigen, ober eine ©egrift geraufS^u geben, ober im fRatgc fi^ freimütgig oernegmen j^u loffen, got biö fegt noeg feiner oon jenen Xgcologen ben ÜKutg gegabt."'

,,i)ocg'', feg^iegt Jütten, „fo oiel icg fege, mirb igrcXgrans nci bic längfte B^it gebauert gaben, unb menn mieg niegt aücö trügt, halb oernid)tet merben. ®cnn gelegt ift bereite, ja gelegt ift an ber Säume SCBur^cl bic §ljt, unb auögcrottct mirb jeber Saum, ber niegt gute grud)t bringt, unb bcö ^errn Söcinberg gereinigt merben. S)a# fotlct igr niegt megr goffen, fonbern näegften^ mit Singen fegen. 3njmifd)cn feib guten SJfutgeä, igr bcutfegen 3]?änner, unb muntert eud) mccgfclfcitig auf. 9^id)t unerfagren, niegt fegmaeg, finb enregügrer ^ur SBicbergeminnung ber greigeit. Scmcifet nur igr eud) unerfegroefen unb erlieget ni^t mitten im Stampfe, ^enn bureggebroegen mug cnblieg mer^ ben, burd)gcbroegen ; befonberö mit folegen Kräften, fo gutem ©emiffen, fo günftigen ÖJelegengcitcn , einer fo gercd)tcn 0aegc, unb ba ba^ SBütgen biefer Xgrannci oufö ^öegftc geftiegen ift. ^aS tgut unb gegabt cueg mogl.‘ lebe bic j^cigeit! 3cg gob'd gemagt!''

310

II. ^uc^. 2. i^apticl.

Äuf bicfcö <Scnbfd}rci6cn unb bic barin aitflcnommcnc tiinc^ bc^icl)t fid) üf)nc Swcifcl, inaö Ratten an feinen JJrennb, ben franffuvter iiöürßcrmeiftcr ^on fei^rieb:

„9Jicincn Srief loibcr bie S^^eologiften boft bu. ©efpren^t !)ab’ icb nun alle 0d)ranfen ber ©ebulb, unb mid berbortreten (jan;^ U)ie id) bin"*).

@bc §uttcn in SScrfoIgunc^ biefer @ntn)ürfc ujeitcr flinci, erlüicö er ßclegentlicb noch bem (5raömu§ einen literarifeben Süttcr* bienft. @in englifcber Xbcolog, ber ficb Söroen aufbicit, mit ^tarnen (Sbuarb See, nid)t leer an Äcnntniffcn, boeb nod) üoUer -uon ©inbübung, unb uon jener fcbted)teften ^rt uon dtubmfncbt getrieben, bic fid) bureb |)eruntcrrei6cn anerfannter ©rögen ju beben trachtet, b^tte über bic ©raömifcbc ^iluögabc bcö 9Zcucn 2^cftamcnt§ Slnmcrfungen gefebrieben, in benen er an ber Slrbcit bcö 9J2ciftcrö mebrere b^nbert nacbgcmicfcn ^u b^'^cn

glaubte. SSkiren audb uiitcr feinen ©immlrfcn luandbc nicht ohne ^runb, fo böttc er ftc boeb in einem fo ücrlcbcnben Xonc uors getragen, bag unter ben öerebrern beö @raömu§, in 2)cutfd)Ianb uornebmlicb, nur (Sine S^emegung bcö UnmiHen^ mar. @ra§muiS fclbft febrieb eine §(pologic miber See, uon melcbcr ^irdbeimer urtbciltc, er böttc entmeber febmeigen, ober ücrnicbtcnber ant» morten müffen : unb nun crltcg §utten einen orbentlidjen gebbe^ brief an bcnfelben. @r bejeiebnet ihn alö einen ^eroftrat, alö einen Unbanf baren, melcbcr bem SJianne, uon’bcm auch er, mic alle geitgenoffen, gelernt mit 0cbmöbungcn lohne; an fei? ner Söutb merben bie trefflichen englifeben belehrten, bic iunftaH, üKoruö, Sinacer u. f. f., am meiften 3)?i6fallen hoben; bic^euU feben aber merben fic nid)t mit ihren 2)egcn, mic er ju fürchten oorgebe, fonbern mit ber geber ju abnben miffen. @bc nun aber er, glitten, ihn mirflicb angreife, forbere er ihn j^uoor auf, crft= lieb, feine ©cbmöbungen gegen (Sraömuö öffentlid) ju miberrufen, unb i^mcitcnö, biefen um SSer^cibung ju bitten: baö fei ber cinjige SBcg, mic er ber ßncblißnng, bie §utten an ihm ju boUftredcn gebenfe, entgehen fönnc. 3njmifd)cn crllärc er fein ÖJefdjrcibc für Sügen, ihn fclbft für einen 0cbclm, unb merbe ihn, menn er bic üerlangtc ©enugtbuung nicht Iciftc, auch ber idadbmclt als

l) St^riften I, 356.

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Befürchtungen unb SBarnungen.

311

folc^cn barftcUcn *). Unferm ^Ritter fclbft fdjite fpäterßeit unb 2uft; aber in bem halb barauf auö feinem Greife Ijernorges (^auflenen Dialog: Hogstratus ovans, ift See (meld^cr in ber SBirflic^fcit ^^ulc^t biö 5ur SBürbc cineö ^rjbifc^ofö üon ?)ort auf- flieg) §unb üeremigt*).

53creitö fingen bic j^ulebt non pulten l)crauögegebcncn 0d^riften Sflumor ju mad)cn an. Sieben bem Beifall auf ber eU neu ©eite i^cigte fid} @rbittcrung auf ber anbern ; bic ©önncr marnten, bie SBibcrfad^cr brüllten ; ©ra^rnuö ermahnte ben jungen greunb, bic grciljcit feiner geber ^u bänbigen, um bic @unft feinet gürften nid)t ju ücrfc^er5cn; Slnberc fprad^en öon ^ann unb (iJefängnig, üon ÖJift unb 3)oIdj, bic i()m bcüorftünbcn®). ©d)on im üorigen 3al)re ^attc @d, luic Julien burc^ Srotuö nmgte, in einem nad) Slom gefd)ricbcncn Briefe il)n benuncirt: unb nun mar @cf fclbft nadj 9?om gereift. Sin baö aUeö fe^rte fid) $uttcn üorerft nic^t, fonbern faßte im (5)cgentl)cil ben @nts fd)luß, feine Slnfidjtcn unb iöcftrebungen an ßödjftcr ©tcHc per^ fönlid) geltenb ^u madjen.

1) ü. HuUenus eq. Eduardo Leo, Anglo, rosipisccru. Ex Mo- giiutia (20. 9)lai). 3chtiflen I, <5. 346—348.

2) Hogstratus ovans, dial. etc. Interlocutores: Hogstratus . . . . Ed. Leus, canis ex hotniue factus. llutteui Opp. Supplem. I, 461 bis 488.

3) lluttenus oninibus omnis ordinis ac status in Germania etc. Schtiften I, S. 407. Erasm. Si>ongia, in ^uttcn’5 Schriften II, 318.

312

Drittes fiapitei.

fteife an ben be$ grs9crjoö$ g^rrbinanb. '^äpflti^e '^erfofgnttg.

1520.

%

^ ^cr ncugciüä^ltc bcutfd^c Äöntt^ Äarl V. ^attc am 20. 2}^ai

Spanien üerlaffen unb njar nac^ Xcntfd)lanb, ^unäc^ft nnc^ ben 9^icberlanben, untcnncg‘3, m fein iöruber, ©r^licr^oij gerbU nanb, i^n crtDartcte. 2)icfem ^Qtte, luic iniv unö erinnern, |)utten im 9J?är^ bie alte Sd)u^)d3rift für §cinrid) IV. ^eflen §ilbebranb mit einer SSorrebe flemibmet, in ber er iftn, unb burd) i^n feinen iüruber, für ben $Ian einer ^efreiunt^ ®eutfc^tanb‘5 non ber rö* mifd)en grcmbl)errfct)nft 511 c\etüinnen fud)tc. ®nl)in mollte er nun aud) burd) pcrfönlid)e Uebcrrcbuug mirteu, unb fd)idtc fid) bat)cr um ben Einfang bcö 3uni einer fReife liac^ ben ^Ricber^ lanben an.

®ie greunbe beö gortfe^rittö fnüpften bie fü^nften @rmar» tungen au biefe 31eife. „§uttcn gc()t ju gerbinanb", fd)ricb 9J^’land)U)on, „ber greU)cit einen' 3öeg 511 bahnen burd) bie gröfi* teil gürften. SCBaö bürfen mir aifo nid)t I)üffeu?" Srotu^ fprac^ gegen 2utl)er bie Hoffnung auö, ben greunb bemnäd)ft an ger= binanb’ö §ofe ju fiut^er'ö unb ber guten Stubien SBort^cil an* geftellt ju fet)en; uiib Stromer, ber inbeffen nad)üleip3ig berufene mainjer greunb, bejeic^nete U)n bereite alö fRat^ ber bcibcit gürften, 2llbrcd)fö oon 3J^ain/\ unb gerbinanb'ö oon Oefterrei^ glitten felbft fai) bie Sac^c meniger fanguinifd) an. .§eute reife

1) 9)lclond^tbon an 3ob. ^effuS, in ^uttcn’S 6<^riftcn I. 6. 368. 6totu§ an Sutber, ebenbaj. 6. 341. üDie ^eugerung Stromer ebenbaj. 8. 344.

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J^utten’S S(^|reibcn an fintier.

313

er 5<^rbinanb ob, fd^ricb er am 4. Suni an ^etruö SP^ofclIanuö^ Düfl ber größten borgen, neuen ©tellung fei nod) fein

@rnnb, il)m @lüd ju rtnlnfd)en. yiur fattä er feinen cr^

reid^e, bag bann bie gute 0ac^e ben S^ort^eit baüon ^aben folle, glaubt er uerfprec^en ^u fönnen^).

3m ©egriff einen fo entfd)cibenben ©c^ritt ju t^nn, l)ielt . §utten an ber ßeit, alle fRüdfid)ten bei ©eite ^u fefeen, unb mit bem SD^anne, mit bem auf @in 3^^^ Ijinjuftreben er fic^ bc* mugt, über beffen öoHe S3ebeutung^ er fo eben nod} burd) ßrotnö in^ Älare gefegt morben mar, nun aud) äußerlid) in Ißerbinbnng ju treten. 5lm 4. 3uni fc^rieb er noc^ non 2Jtain^ auö an 2utl)er folgenben ®rief: „SBenn bir in bemjenigen, mad bu bort mit i)of)em 9Jtutl)c betreibft, fid) ein ^inbernig in ben SB3eg fteHt, fo ift mir baö non ^er^en leib. S53ir baben l)ier nid)t ganj^ ol)ne (Srfolg gearbeitet. (S^nftu^ fei mit unö! (Sbriftuö l)elfe! ^)enn feine S3orfd)riften üerfed)ten mir; feine bnrd) ben ^unft ber päpft» lieben ©a^ungen oerbunfelte 2ef)re bringen mir mieber anö 2id)t : bu glücfli^er, id) nach Prüften. äJ^öebten entmeber alle bief} eiUf fel)en, ober jene oon freien ©tücfen in ficb geben unb auf ben rechten SBeg j^urüeftebren. bci&t, bu feieft in ben iöann ge* tban." (2)ief3 mar im ^Jlugenblicf nod) nid)t ber gall, oermirflid)te fid) jeboeb halb genug: bie iknnbuHe gegen Sutber trägt baö 55atum be^ 15. 3nni.) „SBie grob, o Sutber, mie grob bift bu, menn baö mal)r ift. 5)eini oon bir merben alle frommen fagen: ©ie fuebten bie ©eele be^ Gerechten, *unb baö unfcbulbige ®lut Oerbammten fie; aber ®ott mirb ihnen ihre a)^iffetl)at oergelten, unb in ihrer ^o^b^^l ber ^err unfer (SJott fie oerberben. ®aö fei unfre Hoffnung, ba^S unier (Glaube. @cf" (über beffen Umtriebe Srotuö bem greunbe baö 9ieuefte l)citte melben fönnen), „(Sef febrt oon fHom snrücf, oom fßapfte mit ^frnnben unb, mie man fagt, mit ©elbe befd)enft. SäJaß ift'ö mel)r? Gelobt mirb ber ©ünber in feinen Söünfcben, unö aber leite (^ott in feiner SBabrbeit. ^aruni bie SBcrfammlung ber g^eoler,

unb mit ben ©ottlofen fi^en mir nicht. X)ocb fieb bich oor unb halte Slugen unb ©inn auf fie gerid)tet. 5)u fiebft, menn bu jebt fieleft, ma^ ber gemeinen ©acbe für ein ©ebaben märe.

1) Sc^riflcn IV, 8. 690.

314

II. %ud^. 3. j^a^iiel.

^)cmt für bid), ici^, bift bu fo gcfinnt, bag bii lieber in beinern SSorl)nbeii fterben, cii^ elenb leben tniCift. 2luc^ mir fteHt man nac^; id) merbe mid) f)üten fo (\nt ic^ fann. SBerben fic bemalt braud)en, fo ^abe id) Kräfte gegen fie aufjubieten, bie it)ncn nid)t allein gcmad)fen, fonbern, mie \6) Ijoffe, überlegen fein follen. 9Jiöd)ten fic mid) nur ocrad)ten. @cf l)at mic^ an*= gegeben, bag id^ mit bir ^altc; barin l)at er fid^ nicht getäufd)t. i)enn immer habe ich in 3lUcm, mag ich ücrftanb, bir beigeftimmt, obfehon big jefet fein S^erfehr .^mifchen ung ftattfanb. SBag er meiter gefagt hat, mir hnben )chon früher nach 5Serabrcbung ge* hanbclt, bag h^t er bem ^apftc Gefallen gelogen. @in fcham^ lofer 33öfemid)t! 2J?an mug fehen, bag il)m ücrgoltcn merbe, mag er oerbient. fei feft unb ftarf unb manfe nicht! ^od) mag mahne ich, ^no nid)tg j^u mahnen ift? ^In mir hoff bu einen Vlnhängcr für jeben möglid)en gnK- ^ntmn magc eg, mir ing^ fünftige alle bciuc $lanc an^uOertraucn. 9Scrfed)tcn mir bie ge* meine greil)eit! befreien mir bag uuterbrüdtc Satcrlanb! @ott haben mir auf unfrer ©eite. Sft ®ott für ung, mer mag miber ung fein? 3)ic ilölner unb öömener hnben bich Oerbammt. ^ag finb jene teuflifchen fRotten, mel^c gegen bie SSahrheit ftreiten. ^0^ mir merben burchbrcd)cn, burchbredhen unter ^h^ifü 33ciftanb frifdh unb mannhaft. Senen aber hätte eg gebührt, im oorfom* menben gaHc mahrhoft unb freimütl)ig ju urthcilen. darüber habe ich fic jur 9^cbc gcftcllt in einem Sormorte, bag bu Icfcn mirft^). Sapito (|)ofprcbigcr unb noch in bcmfclben 3nh^c 9?ath beg ^urfürften Don BJioinii) mirb eg bir fehiefen. $cutc reife ich j^u gerbinanb ab. 2öag ich bort für unfre ©achc mirfen fann, merbe ich öerfäumen. N. (Sranj oon ©iefingen) lägt bir fagen, ^u il)m ju fommen, fallg bu bort nicht gehörig ficher bift; er mirb bich beincr Söürbc gemäg chtlid) halten unb gegen aUcrtei 5einbc mannhaft ücrthcibigcn. ^ag h^t er midh fchon brei ober oicrmal geheigen bir ju fchrcibcn. 3n SBrabant gnben mi^ beine Briefe; bal)in fchrcibe unb lebe frcunblich unb in Sh^ifto mohl* ©rüge SDManchthon unb gachug unb alle ÖJuten bort, unb lebe nod)malg mol)l"®).

1) S. oben S. 308 ff.

2) Schriften I, S. 366 f.

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i^uttfn’5 Steife on ben ^of bc8 ßrj^crjoQS ^rbinanb. 315

?(n 9lcifefldb gebrad^ c3 §iittcn nid)t: ber Äurfürft Don Üliainj l)atte i^m unmittelbar jfuüor burd) ^rnolb ©louberger in grauffurt 100 gl. au#jal)lcn laffeit*). §llbrec^tö Scr^ältnig ifu §uttcn beftanb olfo noc^ immer fort, uneraditct biefer in feinen lebten Schriften ber römifc^en ßurie einen Ärieg auf Seben unb Xob angefünbigt ^atte. Snmiefern eine 33efc^ränfung 9lomö bem (Jr^bifc^of üon 2Äain>f ermünfebt fein fonnte, l)abcn mir oben an* gebeutet, ba mir unö bereite über bie erftc 5lufnal)me §uttcn'ö in mainjifc^e ®ienfte munbern mußten. Sc^t mod)ten J^utten'^ unb 0idingen'ö fid^ auöbe^nenbe (Sntmürfe bem erften beutf(^en Äird^enfürften noc^ locfcnbere Slu^fid^ten bieten. 2Bir miffen, bag in ber erften ß^it ber Xb^^onerlebigung ba§ SBerfpredjen beä ^pftc^, fallö burd) Hlbrec^t’ö 3Jtitmirfung granjf I. oon granf* rcic^ ;^u ÜJtajimilian'ö ^lac^folger ermä^lt mürbe, il)n jum ßegaten i)on ^^eutfc^lanb 5U ernennen, ftarf auf ben ©r^bifebof gemirft l)atte. Söenn fid) je^t burd) |)utten'i^ unb 0idingen’ö Xl)ätigfeit bie bcutfci^c Ä'irc^e für fic^ abfc^loft unb ber römifc^en nur etma nod) etliche S^renre^te übrig lieg, fo fd)icn ber mainjer (Srjs bifegof al^ ^rimaö üon ®eutfcglanb berjenige, bem baö SKeifte, maß man fRom entj\og, jufallen mugte. .fmtten’ß 5lbfel)en ging allerbingß meiter; aber bie eine ©eite feineß ^lanß mar jeneß bo<^: ®eutfcglanb follte üon ber firc^lid)en grembgerrfegaft be= freit, meitergin aber freilieg bie Äircgc felbft cntmeltlicgt mert^eii; erftereß mar^utten’ß, legtereß2utger’ߧauptgeficgtßpun!t: morauß fieg, felbft ogne bie entgegengefegten perfönlicgen 33erügrungcn, abermalß erflört, mic (Srjbifcgof 2llbred)t Sutgev’ß geinb fein mugte, unb boeg §utten’ß Gönner fein fonnte.

SSofl üon feinen @ntmürfcn reifte §utten mit einigen gleicg^ gefinnten ^Begleitern ben 9tgein ginuntcr. gn Äöln traf er mit Ägrippa üon 9tetteßgcim ^ufammen, jenem feltfamcn @cmifcge üon gutem Äopfc, ©egmärmer unb ßgarlatan, ber ein ägnlicg abentcuerlicgeß ßeben mie §uttcn ginter fteg gatte, aueg üon 3Röncgen unb Pfaffen fegon üerfegert, babei aber boeg ein ©egner ber 9teformation geblieben mar. @r fag in ^utten’ß 9}tittgei5 lungen einen erfegreefenben 33emeiß, mie meit bie greeggeit gemiffer ßcute jegt gege; in feinen planen bie i^cime üerberblicger fReüOs

l) So(gtfiuS an ^irdf^etnnr, in igutten’S 6(gn|ten I, 8. 859.

Slfi II. S?ud^. 3.

lutioneii: oUeö fommc nun auf bic dürften unb ingbefonbere ben ncu(iclüät)ltcn i^aifer an, beffen ,,0aturnifc^eö'' SGöefcn jebod) bem §oroffopftcHcr aud) fein SScrtraucn cinflößtc*).

3n Sömen luobntc bamalö @raömuö; i^n bcfuc^tc Jütten, bat ibn um Empfehlungsbriefe an ben ^of unb um eine geheime Uuterrebuug. S3eibcS erhielt er; aber auS bem iiriege gegen bie S^ömlinge, ben §utten eröffnen ^u moÜen äußerte, machte EraS? muS einen 0paß; er fragte nach ^cn SKitteln ju einem folchen lluternehmeu unb rietl) bem enthufiaftifchen S^fittcr ernftlich, üon einem fo- tollfühnen §anbel bie §anb ju laffen*).

Sßie eS biefem fofort am .§ofe ju Trüffel ergangen, miffen mir im Einjelnen nicht. 9Iuch mie 'lange er bageblieben, fönnen mir uidjt beftimmen. 0^roerlich h^l Äarl’S ^nfunft abge* märtet ; fdjmerlich ift er bei gerbinanb ju EJel)ör gefommen. EJleich imn Infang marnten ihn feine 33efannten am ^ofe uor iRad)^ ftellungen, bie eben hier if)m broheu, unb benen er nur baburch entgehen fönne, menn er fo fd)leunig mie möglich fid) Dom §ofe entferne. ^2lnfangS beadjtetc §utten biefe SBaruungen nicht ; aber fie mürben immer bringenber unb beftimmter. ®ie päpftlid)en EJefchäftöträger in 2)cutfchlaub feien eS, bie baS betreiben, unb oor ber Eurtifanen EJift unb Solchen l)fll>e er fid) in Sicht ju nehmen. ®a nun .überbieß §utten bie Pfaffen am brüffeler ^of mächtiger fanb, als baß er auf günftigeS EJel)ör hätte hoffen fönnen, fo folgte er bem 9iatl)e ber beforgten greunbe unb jog fich 5urüd®).

Sluf ber 9hicfreife begegnete ihm ein fomifeßeS Slbenteuer, baS er in ber 5olge gern erzählte. S33ie er mit feinen 5mei Unechten inberS^ähe uon Sömen ritt, fei il)m ^ochftraten in ben SBcg gefommen. |)utten erfonnte ihn unb ließ il)n burd) feine ßeute greifen. „Enblid)", fd)rie er ihn an unb /\og ben E)egen, „enblicl) fäll ft bu in bie rcd)ten §änbe, bu 0d)eufal! Söelchen Xob foH id) bir nun antl)un, bu geinb aller EJuten unb SBiber«

1) 9l0ri|)pa’§ ©rief öom 16. 3uni 1520 in §uttcn’§ 6(hnften I, ©. 359 f.

2) Spongia, in ^utten’S ©d()riften II, ©. 276, §. 84. 85. ©. 317 f. §. 373. 374.

3) Iluttoims onmibus uomis ord. etc. ^d^riften I, 0. 407.

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^uttcn auf ber Äürfreijc ou§ ben 9iiebctlQttben. 317

fad^cr bcr S9Ja^rf)cit?" halb, tüic er ben @(enben um

bon bittenb oor fid) auf beni^nien fagte er fid), unb „9^eiu!" rief er, inbem er fein ©c^mert mieber in bie ©c^eibc ftieg, „nein, mein 5)egen foll fic^ mit fo fc^lec^tcm Slute nic^t Oefubeln; ba^ aber miffe, bag Diele onbere ©c^merter auf beine Äel)le sielen, unb bein Untergang eine au^gemadjte ©ac^e ift^)''.

§utten reifte nun mieber ben fRl)ein Ijinauf, unb ba mürben il)m untermegö bie in iörüffcl erhaltenen Sßarnungen beftätigt. 9fteifenbe, bie Don fRom jurärffamen, mollten miffen, ber $apft fei öu^erft erbittert auf^ il}n, unb höiJC eine nachbrücflichc Ser? folgung gegen ihn befchloffen. Söie er bonn nach S^ainj juriief? fam, liefen feine greunbe jufammen unb münfehten ihm (^lücf, ja einige munberten fi^, ihn mieberjufchen, beim fie hotten Don folchen fRachfteUungen gegen ihn gehört, bag fic il)n für einen Derlorenen ÜRann hielten. 3h^em 9tathe jufolge, fi^ oud) in ÜJtains nicht lange aufeuhalten, ging er nad) granffurt unb erfuhr l)iet burch Sriefe unb münbliche Seridjte, baß ber $apft an Derfchiebenc beutfehe gürften, inöbefonbere auch on ben (£rs? bifchof Don 2Rains, baö Hnfinncn gcfteHt höbe, il)n gefeffelt nach 8flom ju fenben. Sei Äönig Äarl aber, fo Derlautcte halb barauf, fuchtc ein päpftlicher Orator bie ©rlaubnig nach, $utten, mo fei im beutfehen fReidje, greifen unb boju bie §ülfe beö mcltlichcn Slrm^ in Slnfpruch nehmen ju bürfen*).

Son granffurt aud machte Jütten einen Sefuch auf©tectcU berg, mo bamalö feine beiben (Sltern noch lebten. Untermegö in ©elnhaufen f^rieb er am 8. Sluguft an ßapito nach äRoinj, ec möge bie an ihn einlaufenben Sriefe bi^ auf fichcre Gelegenheit an fich nehmen, unb gab ihm sogleich Slachricht, faüö er ^ noch nicht miffe, Don bem pöpftlichen ^Xnfinnen an ben ©rsbifchof. „9tun enblich'", fchrieb er, „fängt biefe^ geuer ju brennen an,

1) UroiuS an Sutbet, in ^ulten'S Sd^riften I, 6. 434. Otto iBrun» fcl§, Reep, ad Spong. Erasmi, cbenbof. II, 6. 338, unb Hochstratus ovans, Hutteni opp. Suppleni. I, S. 484.

2) Jütten an Sapito, 8. Wugufl 1520, an @ra§mu§, 15. ^ugufl, @(^tif* ten f, 6. 367 f. 71. Qfranl aud Äamenj an ^irdbeimer, in l^uttcn^S Stbrif- ten I, S. 420. Huttenus omnibus omnis ord. eto., ebenbaf. @. 407 f. Dcffelben U(ag unb uormanung, Sebtiften III, 509 f.

818

II. $u4l- S.

unb Cd »irb ein SBuiiber fein , tnenn cd nid)t mit meinem ©turje rnirb gclöfc^t merben müffen. 2)oc^ in biefem ^anbel ^abc ic^ met)r ald jene Ä'räfte ()abcn. 2luf, auf ! cd mag

burc^gebrod^cn merben. 3Kit meiner ÜJ^ilbc fei ed nun am (5nbe; beim id^ fc^e, bag bic römifc^cn Scuen nac^ 33lute lec^jcn. Slber, menn rnict) nidjt afled trügt, merben fie c^er fcibft SÖlut laffen, e^cr öanbe unb Äerfcr, momit fie mir fo graufam bro^en, crbul^ ben müffen." 5(uf ©tcdclberg fc^rieb einige Xage fpätcr |)uttcn an (Jradmud, er munberc fic^ über bie blinbe 2öut^ bed ^apfted, üon einem gürften mie 2llbred^t fo etmad ju ücrlangcn. 3()n, Jütten, meinen fie jefet fc^r in gur^t gefegt ju ^aben; ob er gleich auf ber aubcrn©eitc üerne^me, baß fie il)m ^öc^ft anftäns bige S3cbingungcn bieten, menn er fic^ ^um griebcu bequemen moüte. 2)ad t^un fie, nac^bem er burc^ feine jeitige (Sntfemung aud 3J?ainj i^ren ^änben entgangen fei. §luc^ gulba befuc^tc .^utten bei biefer Gelegenheit mieber, unb brachte hier noch mal fünf 2^age im trauten SSerfehr mit bem alten ^eräendfreunbe Crotud ju‘).

Jütten fpridht oon j^mei päpftlid)cn ©chreiben an ben Äur^ fürften oou ajjoinj^: in ber tarnen biefem am 5.0ct. burch bie beiben 5Runtien 5Ueanber unb (Saraccioli beren fünf ju, mo^ oon jeboch nur eined, oom 12. 3uli, bem aber ein $rit)atf(^rcU ben bed main^er Domherrn SBalentin oon Xetlebcn an ben Äur* fürften in ber gleichen ©achc jur ©eite ging, fich auf Jütten be5og. (5d fei ihm, fchreibt bariu ber $apft, ein öudh gezeigt morben, bad oon einem gemiffen Ulrich $utten entmeber Oerfagt ober aufgefunben unb mit einem SSormortc begleitet fei, in melc^’m fich fltöbften ©chmähungen gegen ben römifchen ©tuhl befin- ben. @d ift bieg ohne ©chrift De unitate ecclesiae

mit ber SBibmung an ©r^iherjog gerbinanb, unb feheint alfo bie oor jmei 3ahtcn Oon ^>utten heraudgegebene unb ßeo X. jugc= eignete ©d)rift bed Saurentiud SSaßo bcmfelben nidjt ju ^onben gefommen, ober oon ihm ignorirt morben ju fein. Sugleich, fährt ber ^apft in feinem Grlaffe fort, hoben bie Ueberreidjer ber ©chrift (Oermuthlid^ @cf u. 21.) ihm gefagt, oon bemfelbcn

1) ©. bie ln ber öorlßen Unm. ongefübrten Briefe ^utten’S unb ben ln ber notierten angeführten 55rlef öon SrotuS an fiuther.

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^öp|itt4)c§ 5?rct)c ßcgen i^uttcn.

319

Söcrfaffcr feien nod) öiel örgerc SBüc^cr in if)ten ^änben; tneg* njcflcn fie i^n, ben $apft, aufgeforbert ^aben, gegen einen fo fredjen Söfterer mit fc^arfer ©träfe cinjufd)reiten. Sei nä()erer @rfunbignng über feine fßerfon t)abe er nun crfaf)rcn, ba6 ber* felbe ein 2)iener beö @t5bifc^ofö, unb bic angefd)uibigten 33üd)er in beffen ©tabt SJ^ain^ gebrueft feien. 0b nun gleid) fouin benfbar fei, bag biefc§ oljue bcö @r5bifd)ofö SSiffen b^be gcfdjcben "(önnen, fo fönnc boeb er, ber $opft, üon einem gürften, bem er fo 'maiK^c iöetoeife befonbern SGBobliuoHcnö gegeben (er febidte ibm je^t eben bie golbene fRofe), fo ctmaö unmöglich glauben, unb fe§e baber lieber oorau^, berfelbe habe nichts baoon gemußt. Um fo mebr aber ermarte er jebt üon bemfelben, baß er bie greebbeit berjenigen, melcbe fid) gegen ben heiligen ©tuf)l auflebnen, unters brüden unb fie entmeber ^ur 33efd)eibenbeit ^urüdfübren, ober an ben ßäfterern @i*empel üon ©trenge aufftellen merbe, mcld)c fie felbft unb anbere fortan üon fo ftrafbarem SKutbmillen ab- halten mögen ^). ^on geftnabme übrigen^ unb ^Ibfübrung nadj 9^om ftebt in biefemiöreüe ni^tö; fei e^, baß bicsJ nur münblidjer 3luftrag, ober aud) üorerft bloßem @erüd)t mar; um eine 2lbfd)rift ber Urfunbe felbft bemühte ficb Jütten lange ßcit ücrgebenö*).

3n feiner ?lntmort, üon ber ^anb feineö nunmehrigen 9^as tbei2^ Sapito, beö biplomatifcben greunbeö ber ^Reformation unb .^utten'ö inöbefonbere, beruft fid) ber ©r^bifebof ju feiner fReebts fertigung barauf, boß er alle biejenigen, an benen er eine (£nts frembung üon bem römifeben ©tuble mabrgenommen, üon ficb entfernt habe; fo habe er Jütten, ber ihm bi)^ babin febr mertl) gemefen, fobalb er üon feiner ©cbmaebfebrift gegen ben tobinal (Sajetan (ber Febris prima) 5^unbe erhalten, üon feinem ^offtaat auögefcbloffcn (b. l)., mie mir miffen, ihm ben erbetenen Urlaub mit fortlaufenbem (i^ebatte gemährt); üon feinen neueften abfcbeulicben ©ebriften h^ibe er erft nach feiner IRüdfebr ouö ber magbeburger ^)iöcefe etmaö erfahren, gegen Jütten felbft aber nicht einfebreiten tönnen, ba ficb biefer biö auf ben heutigen Xag in ben fefteften iöurgcn l)uUc unb jeben Slugenblid im ©tanbe fei, eine ftartc

1) fommt ^Ibred^itS ^nttoort in J^utten’§ Schriften I, 6. 3fi2— 366.

2) Jütten an @^ito, Schriften 1, S. 365 f.

320

H. ^uc^. 3.

©ti’citmac^t äufammcn^ubringen, mit mclc^cr er bem @rjbi{c^of fclbft gcfät)rlid) merben fönntc. ^Dagegen [)Qbc er fid) an ben iBud)brurfer (Sot). 0cböffer, bei bem bie 2)ialoge unb bie Sd)ri{t mit ber SSorrebe au gerbiuanb erfdjicneu maren), einen main^er Jöürger, getjalten, ben er, trofe ber ^i(bmat)nungen uornel)mer ä)^änner, in ein ^arteö (Gefängnis ^abe merfen laffen.

()abe er in feinen 2)iöcefen ben Äauf unb SSerfanf biefer nnb anberer gegen ben römifd}en £tul)l gerichteten ©d)riften üerboten. * SäJaö ben iöuehbruder betrifft; fo fcheint alfo beö ^ofmeifterö grmuin üon Jütten günuort, baö Ulrid) fchon im ©ommer in ^nfpruch genommen batte, ot)ne SBirtung geblieben ju fein‘).

2)ie feften iöurgen, in benen Jütten um biefe ßeit fid) hielt, maren bie feinet greunbeö uon 0icfingen, unb bal)in mu6 il)m jeht iinfere (Sr^^ählung folgen.

1) i^utten an ^apito, 8. ?lufiufi 1620, 6(^ri|tfn I, ®. 3G7.

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321

Viertts fiojittel.

ßutiett auf öet SBemdurg Bei §frani von ^Mingen.

1520.

%

®cn ritterlichen ©eftalten jener 3^^^ Stons t>on

0icfingen, ©ö^ uon 55erlichingen unb ihrc^c^leichen , ift für un^, bie n?ir in einem qan^ anbern SBeltäuftanbc leben, nicht leicht, in iinferm Urtheile gerecht ju merben. ©ntmeber mir nehmen fic ju hoch, ober ju niebrig. ©rftercö begegnet un» iniJgemein, fo lange mir nur Allgemeinem unb Unbeftiinintem , Icfeterem, menn mir einmal bam ©injelne üon ihnen miffen. ®enn ber 2Bal)n uerfchminbet in biefem galle grünblid), aim hätten jenefRitter il)r ©chmert in ber IRegcl jum 53eftcn ber Unterbrüeften , aum uneis gennü^iger ßiebe ju IRecht unb g^eiheit gezogen, ©ie erfcheinen nicht allein roh, fonbern auch mit Berechnung eigennühig- 'ihren Jc^ht^c^n empört unm ni^t blom bie Unbarmljerjigfeit , mit ber einer bem anbern arme ßeute plünbert, ihreS)örfer anjünbet, ihre gelber üermttftet; fonbern faft mehr noch bie Beobachtung, ba§ bam allem mie ein ©emerbe betrieben mirb , bei bem ber ©c* minn an Beute ober ßöfegelb ber 3t®^cf, bam fRed)t ober, bie angebliche Beleibigung burd) einen anbern ©beimann, eine ©tobt u. f. f., meiftenrn nur ein Bormanb ift, um bie Bauern^ bem einen branbfdjohen, bie Äoufleute ber anbern niebertoerfen unb beraiu ben ^u fönnen. ^ieg mirb aum ©öhenm naioen ©elbftbefenntniffen jum ©reifen beutlich*) unb ouch granj oon ©idingen, ben man

1) ttuger biejer ©elbftbiograb^te gibt taum eimS 2e^rrci(^ere§

Übel bicjfn ^unft ol8 bic Heine Schrift ; , Dem Conbf rieben ift ni(^t ju trauen *

VII. 21

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322

II. Sud). 4.

nic^t mit Unrcd)t einen ©öfe in t)öt)crni ©tilc genannt ^at, mar büd) auö bcmfelOen ^oljc gcfdjni^t.

@e[d)Icd)t ber0tdingcn mar a(t, bod) fdjricb fid) feine Sebeutnng erft non granjenö ®atcr f)er. tiefer, ©c^meidarb üon ©idingen, be^nte burd) aflerlei gelben, bic er t()eiU im ^ienftc, tl)cild unter bem ©dju^e ber ^fatj, bereu 9J?arfd}alf er mar, befonberi^ auc^ gegen ©tobte füljrte, feine Sefifeungen auö. 2öie aud) er ju fold^en gct)ben fam, baüon nur ein 33eifpicl. @inft ging er in Äöln ^erum uid) trug, mie er pflegte, feinen ®olc^ im @urt. 2)a bieg miber bie ©tabtorbnung lief, fo mugte er benfclbcn auf ber ©trage üon ftd) tgun unb abliefcrn. 3)a^ erfd)ien il)m alö eine folcge ©c^maeg, bag er üon ©tunb on ber ©tobt geinb mürbe, it)r üiel ©c^aben tgat unb fogar 5lnfd)läge machte, fte ju erobern. 2)er ^oc^ftrebenbe SJiann mar ein 3J^atgcmaticu§ unb bcoba^tete bie ©terne. 3n feineö ©oI)= neig granj ©eburtöftunbe fotl er am §immel eine munberbarlid)c ßonftcUation bemerft t)aben, auö ber er abnagm, bag bcrfclbc ein trefflicgc^ ^Infegen in ber Söelt geminnen, fein @nbe aber be^ fcgmertic^ fein merbe*). 5lud) ©c^meidarb’ö @nbe mar tragifd^. 3n bem bairifd)en (Srbfolgefriege üon 1503 unb 1504 üerfocftt er bie ^Infprüc^e feineö §errn üon ber ^faij^ gegen ben ©pruc^ beö Äaiferö 3)?ajimilian, unb mugte biefen Ungel)orfam, fo mie manche anbere ©emaltt^at, morüber fic^ bei ber @clegcn()eit itlagc er^ob, auf bem 33lutgerüftc bügen.

Sluf ber ©bernburg bei Ärcujnac^ (neben ßonbftu^l bei Äai^ feröloutern bem mic^tigften ©ct)loffe be» ©idingerö) mar granj im 3oi)re 1481 geboren, ©eine ©rjie^ung, ob er gleich bem geleljrten 3ol)ann fRcudjUn ©inftug auf biefelbe jufc^reibt, mar bod) nur eine rittcrlidjc. ^eig SSaterig UngUid unb frütjer Xob

Sc^bc SlongoIb’S oon ßbciftcin jum Sronbenflcin gegen bie 3lei(^)§f[abt 9lürn* berg, 1516—1622. ^erouSgegeben nodb utfunbUt^rn ^lufjei^nungcn unb Sric» fen im f. Wrd^iu ju 9Iürnberg üon 2. g. Qfrei^errn üon ßbcrflcin. 5lorbIjau|en 1868. S)ie Öe^bc toor noch ?lnIofe unb ^ü^rung cjcmblorij^), Slongolb übetbiefe ^uttcn’S mütterlicher unb mit ben Stedelbcrgern, »ic cS

jeheint, in je^r genauem Serhöltnife.

1) 8. bie 5Iet§hfiwier ßh'^oni! (üon S^onjenS Schwager SbÜmP öon tirlerSheim, ©omfönget unb fböter Sifchof üon Speiet), obgebrudt bei Slünch, 3frani üon Sidingeii, III, S. 223. jf.

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Öronji öon Sidmgen.

323

I)intcr(ic6 il)m bic ^luf^abc, bcn @lan-^ bc^^ ©cfdjlcdjtö »uicbcr ^cr^ufteUcn. 3n allerlei 2)ienften unb Kämpfen arbeitete er fic^ empor, ©eine gel)be mit SEÖormö mar biejenige, loelc^e juerft bie allgemeine Slnfmerffamfeit auf i^n lenfte; bie gegen ben ^er= äog üon fiot^ringen biejenige, meld)e feinen Sfluf auf ben ©ipfel bradjte. 33ei biefen unb anbevn §änbeln nnb S^gen mar Einlaß unb Äriegfül)rnng im SäJefentlic^en oon gleid)er Slrt. Verbannte ^Bürger einer ©tabt, beeinträdjtigte Untertl)anen ober 9kcbbarn cine^ gürften, riefen gegen mirflic^eö, ober öfter bloö oermcintlidjeö Unrecht, gegen 3Jer^ögerung eineö fRed)tiSl)anbelö burc^ bie ©erid^te, ben 3flitter §ülfe, traten etma auc^ (SJüter ober ©c^ulbforbe* rungen an if)n ab ; nun oerlangte er i^re SBieberanfna^me unb (£ntfc^äbigung, bie ^erauggabe il)rer ©üter ober Sluö^al)lung il)red ©utljobenö an il)ii ; mürbe bieg Oermcigert , ^og er oor bie ©tabt, ober fiel in ba§ 2anb, oermnftete biefe^, bcfdjäbigte jene, plün= berte nnb fing bie untermegi^ betroffenen Äanfleute, benen fegmere IRan^ionen aufgelegt mürben ; nm bie Slbmal)nungen beö Älammer» gcrid^t^, in ber mormfer gel)be felbft bie taifcrlicge Siegt, flimmerte er fid) nidjt, unb lieg fieg enblicg feinen Slb^ug oon ben Slnge= griffenen meiftenä mit grogen ©ummen (oon 3J^e^ mit 20000 gi,, oon Reffen mit 50000 gl. u. f. f.) abfaufen. ^eniÄaifer mad)tc feine fegmanfenbe ©tellung unmöglicg, in folcgen gällen fid) immer aliS ftrengen Ülicgter jn begaupten. 2)ie megrjägrige gegbe gegen Söorniö, bie geiüofe löefcgäbigung einer fReiegöftabt , mürbe bem fRittcr 5ule(jt oerjiegen, meil Äaifer fD^ajimilian feine ^ienfte gegen Ulrid) oon SBürtemberg niegt miffen mollte. ©tatt bic Äd)t miber ign aufreegt ju crgalten, nagm er ign in feinen ©olb, unb alö halb baranf füJajimilian ftarb, ftanb ©idingen aU eine 3)iacgt im fRcicge ba, um mclcgc fieg bie beiben Xgronbemerber, gran^ oon granfreieg unb Ätarl oon ©panien nnb Defterreid), metteifernb bemügten. ©idingen löftc eine frügere S^erbinbnng mit bem erfteren, bei ber er feine fRecgnnng nid)t gefunben gatte, ouf unb mibmetc fieg bem 2)ienftc Äarl'ö, mirftc ju feiner ^ag( naeg Kräften mit, unb oerpfliegtete ign überbieg bureg ein baareö 5)arlcgn oon 20000 gl. ilarl ernannte ign ;^u feinem gclbgaupt^ mann, 9iatg unb Äiämmcrer mit einem Sugrgcgalt oon 3000 gl., unb gcftattctc igm eine Seibmad)c oon 20 Änrafficren.

©0 meit ift ©idingen'd Xreiben cinfaeg bad cineii fRittciv?,

324

II. 4.

bcr mit unb miber fcinciSglci^cn , neben unb auf Äoften ber ftäbtifd)en unb iiJcnn and) nad) Umftänben an bic

Ic^tcre gelernt, fid) emporjubringen fuc^t, baju, ot)ne niel 33ebenf* lid^teit über ben 9fted}t^pnntt, jeben tauglid)en SBormanb ergreift, unb feiner SfJittere^re genügt ju ^aben glaubt, menn er feinem Eingriff jebe^^mal einen orbcnttid)en get)bebrief uorauögeI)en ließ.

3n bem lodern Sßerbanbe beö bamaligen beutfe^en 9?eid)ö füllte fic^ ber 9titter aU felbftftänbige 3J^ac^t, bic im mit anbern öljnlid^en 3}iäd)tcn cbenfo nur burc^ fRüdfic^ten beö SBort^eiU, unb ebenfo menig burc^ ©runbfäfec beä Sflec^tä unb ber aj^oral fic§ leiten ließ, alö oon jc^cr in bcr politifc^en S33elt bic (Staaten im Serljältniß ju cinanber: fo oft auc^ ^ier mic bort jene ^oc^tönenben SBortc im 3J?unbc geführt merben.

^od) @in gaH mcnigftcnö ift unö oorgefommeu, mo ©idiugen, fo oicl mir einfc^cn fönnen, fic^ uncigennüpig unb cbel eine^ !Öebröngten annal)m: bcr §anbcl ^tcud^lin'ö; unb ein anberer mirb unö foglcidj begegnen, mo er fic^ für eine ©ac^e, bie il)m freilich auc^ politifc^ bienlidj merben fonnte, bod) ä^^glcid) um il)rcr fclbft millcn begeifterte: bic ^Reformation, öcibc» infolge bc!^ (Sinfluffeö oon Jütten, bcr, mic ein gefc^idtcr ©örtner, auf ben raul)cn, aber tüchtigen ©tamm bic ebelften Steifer ju pfropfen mußte. 0l)uc gclcl)rte isüilbung, mar ©idingen bod) nic^t ol)ue . ©inn für biefelbc unb für baö'Sbcale überhaupt; fo tarn ihm bic S3cfanmfd)üft ^uttcn’i^, bie er im mürtcmbergifchcn Sclbjuge machte ober enger fnüpftc, gan,^ gelegen, unb mürbe halb 511 einer greunbfehaft, melchc, ob il)r fchon ba^ ©djidfal nur menige Sahrc gegönnt hat, bod) unter ben 33cifpiclcn biefer 5lrt, an benen bic beutfehe ©efehidhte fo reich ift, eine ber oberften ©teilen cinnimmt. ©idingen mar um ficben 3al)re älter ald Jütten, unb biefem eben fo mcit an ^leichthum, 2Rad)t unb (Sinfluß überlegen, al^ Jütten il)m an ©cift unb 23ilbung; babei ftanb jenem reid)c Scbenöcrfal)rung, Uebung in @cfd)äftcu bcsS i^riegö unb gricbciii^, jur ©eite; fo ergön^ten fich beibe mic 3bcc unb ^rajiä, mic Ä^opf unb Slrm.

©idingen mar big bahin in ben hci^^öntmlichen rcligiöfcii SBorftcüifngcn mitgegangen. feinem unb bcr ©einigen ©celcn» heil hatte er in (^cmcinfd)aft mit feiner ©h^fi^au, ^cbmig ’oon glcrghcim, unmeit bcr (Sbernburg eine üöeguttcnclaufc erneuert

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^uttcn auf bcr 66cmburg.

325

unb boflobt; ja er ging, iüomit §uttcn i^n fpätcr nufjog, alö biefer it)ii fennen lernte, mit bem $lmtc um, „beit l^ol^fügigcn grnnciöcancni ein ncnciS 9^cft ^n bauen". Jütten mußte il^n erft fur ^Reuc^Iin, bann für Sutßer, ^\u intereffiren ; er führte ißn ben gleidjen 2Bcg, ben er felbft in feiner ©ntmicflung gegangen mar. 3tnf fein iöetreiben bot ©iefingen beiben Scannern eine greiftatt auf feinen ©eßlöffern an. ©ie machten oon feinem Slnerbietcn feinen ©ebrauef), ba ber erftere nid)t mirflid) oerfolgt, für ben anbern aber bie neutrale Haltung feineö meifen ^lurfürften ber fic^erfte ©cßup mar. S^un aber beburfte Jütten biefer greiftatt, ben fein geiftlicßer Äurfürft, mollte er nid)t förmlich mit fRom breeßen, nießt meiter fd)üpen fonnte, ber aud) mit bloßem ©eßu^e nid)t mie Sntljer jufrieben mar, fonbern Uon ben ©c^löffern feineö ^rennbeö au^, mie mir feßen merben, neben bem geiftigen Kampfe ,Vigleid) einen mirflicßen 5^lb-\wfl Ü^^flcn bie ©enblinge unb ?ln* , ßänger 9lomö üorjnbereiten fud)te.

5)ie ©bernburg, in bem SBinfel, ben (an ber 9^orbfpi|e ber jepigen bairifdjen ^fal^) bie ©inmünbung ber Älfenj in bie S^aße bilbet, auf einem fteilen gelegen, unb Don f?ranj oon

©iefingen alö fein §auptfife mit ftattli^en Söoßnröumen ^unb feften SBerfen oerfeßen, mar in ben gaßren 1520—1522 einer ber merfmürbigften ©cßanplüpe ber beutfd)en ©efdßidjte. Berber* gen ber ©ereeßtigfeit nennt §utten bie önrgen feineö Ji^eunbeö. 2(nßer ißm öffneten fic fieß aueß anbern, bie um ißrer ©egeifte* rung für bie Äiri^enoerbefferung millen Verfolgung litten. par 2lqnila mar einft granjenä gelbprebiger gemefen, bann ^faner in ber ©egenb Don 2lug^burg gemorben, biö feine ?lnßänglidjfeit an bie ^Reformation ißn in ben bifd)öflicßen Werfer p !DilIingen braeßte. gelang ißm, 311 entfließen: unb bie ©d)löffer feineö eßemaligen §errn gemäßrten ißm mit Sßeib unb Äinbern ©d;nß unb Vrob. SWartin Vueev, ber nacßmalige ftraßbnrger Sflefor^ mator, mar anö bem ^ominicanerorben getreten: bei ©iefingen fanb er eine 3“P»cßtöftätte. ^er meinöberger 3oßann 0efo» lampabiuö, fpäter alö ber fd)mei3erifcße 3J^elan^tßon ßoeßberüßmt unb ßod)Uerbient , mar and bem Vrigittenflofter ^lltenmünfter entfloßen : ißm öffnete fid) bie ©bernburg. ?Heucßlin'd Sanb^mann, 3oßmin ©cßmebel, ßatte ben ßeil. ©eiftorben oerlaffen, unb mar in feiner ^eimatß nießt meßr fid)er: ©iefingen ftcllte ißn alö

326

II. ®ud). 4. Äapilfl.

ÖJciftüc^cn an unb rid)tctc if)m halb l^crnac^ auf Saubftuf)! bic .5)ocl)^cit auö.

S3om ©cptcmbcr 1520 an crfrfjdnt ,§nttcn auf bcr @bcrn^ burn, nnb fein crftcö ÖJcfcf)äft tuar ^iev, bic ^Infc^läqc fRomö (jegen i^n öffentlich j\u enthüllen, um ft'aifcv, gürften unb alle freien beutfcl)cn SOMnncr gegen eine 9)kcht auf^nbringen, bic fülchc ?lbfichtcn h^ge, folchcr SO^ittel fiel) bebicnc. @ben fd}ic!tc gran^ oon ©idingen fid) an, ^ur S^cgrüßnng bc^ ang Spanien angefommenen Äönigö 5^arl ab^ureifen, non bem er auch fofort bei feiner .(laifcrtrönung ^n ^adjen (23. October) mit einer jcichnung bchanbelt mürbe, bic ihm eine cinflngrcidjc 0tcHung j^u üerfprechen fchien. glmi i^&l §uttcn ein iilagfd^reibcn an ben Äaifer^) mit, in roclchcm er bic 51nfd)lägc, bie an beffen §ofc gegen fein Seben gefponnen morben, ben auö bcr römifd}en öurie an nerfdjiebcnc bentfehe gürften ergangenen ^^efchU ih« gcfcffelt nad) iRom fdjirfen, ju feiner Ä'enntnig bringt nnb il}n bittet, bem an ihn fclbft gcftclltcn 9tnfinncn, biefe Slu^licfc* rung ju geftatten, feine golge geben ^u moHcn. @in beutfd)cr 3tittcr höi»c mit t)cm röniifchen S3ifd}of nid)tö j^u fehaffen; er bürfe nur in ®cntf(^tanb, nur bom i^aifer, gcridjtct merben. Ueberhanpt fud^t §uttcn in biefem Schreiben feine Sache zugleich alö Sadjc bc‘3 Äaifer^, ben §afi bcr IRömlinge gegen il)n alö golge feiner taiferli^cn ©cfinnnng , jebc§ ßeib , baö Äarl jeht il)m gcfd)chen liege, als löecintröchtigung feiner eigenen ^aifer^ macht barjuftellcn. ßuerft h^be er mit jenen 9Jienfchcn bur^ feine 3:ürfenrcbc oerborben, mo er ihren Umtrieben gegen Äarl’ö ©rmählung -^um römifd)cn Ä'önig entgegcngctrctcn fei. 5luch mciterhin höbe nid)t^ fic fo gegen iljn aufgebracht, alö bag er ihren maglüfen Eingriffen in bic 9lcd)tc bcö i^aiferö, bcr täglichen ^lünbcrung bCiS 5Satcrlanbeö , höbe ein Enbe madjen toollen, bag er bcr beutfehen Station ein 3J2ahner an il)re SBürbc gcs mefen fei.

Offen gefleht Jütten, bag er mit feinen Schriften auf eine Umfehr ber beftehenben Orbnnng abgefchen höbe. Unb (yim ^emcifc, mie menig er fich babei einer Scgulb bemugt fei, Der*

1) Carole, Romanorum et Hispaniarum regi, U. de Hutten, eq. Germ. €(^nften I, 6. 371—383.

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^ulten'S j^laojc^rctbcn an ,Q5nig j^arl.

327

fid)crt er, ju biefem and) ferner nad) Kräften tuirfen 5U

iDoIIen. 0eien e^ boc^ nur bie ©et^ner ber SBa()r()cit, ber c^e* meinen grei^eit unb ber taiferlid)cn SSürbe, bie er befämpfe. „Äeine ^riüatfad)e ift eö, bie id) betreibe, fein eigener §anbe(, fein perfönlid)eS ©efei^äft. SEBic mürben jene fic!^ anfteüen, mie flbermütbig mürben fic triumpbiren, menn irtjenb ctmaö non alle bem, ma^ irb unternommen, mid) fclbft beträfe! ®ennud) oer= folgen fic midj unb mollen mid) oerberben, ja fie mö^ten bo5u beincr 9J?ocbt fid) alö SBerf^eugö bebienen. 3d) bagegen ftcUc mid) juoörberft unter ben 0d)irm meinet ©emiffend, bann fe^c icb SScrtraucn auf beine löilligfcit. E5)urcb freimütl)ig gcfcbriebcuc !söüd)cr l)abe id) ber !^Bal)rl)cit ß^ugnig gegeben; auö ^flid)tgcfül)l l)abc id) bir, aug ?lnf)änglicbfeit bem Sßatcrlanbe bienen mollen. 9Jiit feften ÖJrünbcn l)abc id) gegen ben päpftlicben Xrug ge= ftritten, b^bc bie ^Infcblägc gegen beine .gerrfd)aft unb bie ge? meine Jreibeit 511 oercitcln gefud)t. 2Bo ift ber ßobn für fold)cö S^erbienft? frage id), bamit iltiemanb meine, icb fürd)tc ©träfe mic für ein S8crbrcd)cn." ©ofort mirb ba‘5 ganje ©ünbenregifter ber päpftlidien ^Inmaßungcn unb ©rpreffungen oorgelcgt unb Äarl befonber^ auf bereu gcfäbrlid)cö SBeitergreifeu , menn beiu fclbcn nicht fräftig entgegengetreten merbe, aufmerffam gcmad)t. 3öcnn .^utten nid)t mehr frei ermal)ncn bürfe, merbe ber Ä'aifcr halb nicht mehr frei befd)lic6cn bürfen. @r, Jütten, märe bc? reebtigt gemefen, gegen ben ihm brol)cnbcn Eingriff ficb mit ben SBoffen ^u mehren, moju ihm an Äräftcn unb iöciftanb nid)t gefehlt höben mürbe; hoch höbe er oorgejogen, aUeö in Äarrö |)önbc ju legen, oon bem er jejt nicht blo^ ermarte, bag er ihm Der, Reihen, fonbern auch, bag er feine Söerfolgcr für il)rc ftrafbaren ?lnfchlägc jur S3erantmortung j^ichen merbe.

Äaum minber michtig alö bie ©efinnung bcö neuen Äaiferö mar für Jütten bie beiJ l)örf)öngcfehcncn unb einflugreidhen Äiir* fürften Don ©ad)fcn, beffen Haltung in ber ©adhc Sutl)cr’ö, fo menig fie and) bem gcucrcifcr ^utteirö genügte, il)m bod) mcl)r .^Öffnung gab, alö il)m in '^ejug auf i^arl beffen kuftrctcu unb Umgebungen übrig licfecn. 3n i)erfd)iebencn iöriefen ging er baher um jene ßcit ©palatin mit ber Öitte au, feinen J^errn au^uforfchen, meffen man fid) mol)l für ben 50H, bag in bem Kampfe gegen bie IRömlingc jur ?lnmenbung ber SBaffen fomc.

328

II. 53u(^. 4. ÄQpitel.

Don i()m ju Dcrfcl)cn l^ätte. Ic^tc er fein näci^ftc^ ^(nlicgen bem Äurfürften fclbft in einem freimütljigen Schreiben bar*).

5)ic go^nbung ouf il)n unb bie 23annbuHe gegen Sutl)cr (mit ber eben bamaU @cf ouö Stalien jurüeffam) feien ba6 in ®ütc mit fRom nic^t^ auöjuric^ten fei, fonbern feiner X^rannei ©emalt entgegengefefet merben müffe. ßiitber'e unb ljutten’jJ ganjeö S3erbrcd)en befiele barin, baß fie bie üon ben fRomaniften um i^reö (5igennuje§ miOen beina()e üertilgte ebau' gelifd^e ße^re mieber^erftellcn unb bie ber greit)eit fo mürbige bcutfic ^Ration nid)t fncc^ten taffen motten. XiefeS Unternehmen habe jenem römif^en Dberhirtcn migfatten, aber 'Sh^Kto h^ibe e^ gefatten; ber ^abfucht ber römifd)en (£urie hö^*c ^ ©intrag gethan, aber bem berarmten Saterlanbc fange bic neue greiheit fchon 5U nü^en an. SBenn ßuther unb er Söahrhcit

unb bem SSatcrlanbc bienen mottten, fo höben fie unmöglich mit ber iöanbe ber SRömtinge grieben hölten fönnen. fei Qcit, ©rnft 5U braud)en, ba ber grebcl auf^ $öchfte geftiegen, aber auch, ^enn nicht alle trügen, bie große ©abel ihrem

gatte nahe fei. Xiefen herbe^uführen unb boö SBerborbene ju beffern, fei freilich ©otteö 0od)e; aber barum bürfen mir nicht müßig fein, ba ®ott burch SRcnfchcn ju mirfen pflege. Unb ^mar fei ^unächft ber gürften S3eruf, fich ber gemeinen grei* heit unb SBohlfahrt an^unehmen; in^befonberc griebrich’S, alö beö gürften jener ftctö freien, nie befiegten ©achfen. S8on bem ^apftc höben biefc fich freilich, mie bie gefammte ©hriftenheit, unterjochen laffen; bodj fönnen fie biefen glecfcn glänjenb abs mafchen, menn fie nun ber Elation in 5lbmcrfung jeneö 3od)eö üorangchen. Xaoon fei biö je^t nichts ju bemerfen, alö baß griebrid) bem oon allen oerlaffenen Suther Slufenthalt gebe, unb nod) einen gunfen ber alten SJiannhoftigfeit in fiel) ju nähren fcheine, ber einft jum heilfamften ®ranbe auöbrechen möge. Sßaö fie bod) benfen, bie gürften, menn fie fel)en, mie Jütten, ein bloßer ^Ritter, in biefer ©adje fo uiel ©ifer jeige, mährenb bod) meit el)cr ihnen gejiemen mürbe, fich barein j^u legen, öeibc ©tänbe müffen ^^ufammenrnirfen , bie gürften ihre SRadht mit bem

1) Invictissimo Principi Fridericho Sax. Duci, Elect. ülrichus de Hutten eq. G. ßfiernburg, 11. 8cpt. 1520. ©chriften I, ©. 383—399.

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i^uttcn’ö Senbfd^rcibcn an bcn ^urfürflrn ^nebrtc^ üon SotSjcn. 329

aWut^c bcr SRittcr ücrcinigen, tücnn bicfcn ©d)äbcn (^c^olfcii Xüa^ bcn follc. 6r fclbj't, §utten, tücrbc mn()ncn nid)t ablaffen, biö er cntttjcber felgen tnerbe, baft bic gflrftcn fid) ermannen, ober, ba^ fte feiner 2KanntjQftic|feit mel^r fäf}ig feien. 3m festem gaüe merbe er anbere 9J?ittcl crörcifen; bo^ bitte er bie eS nid^t fo mcit tommen ^\x laffen, fonbern bie 0d)mncb nnb bcn ©c^aben ju bc^cr^iflcn, bic mit bem jefeigen 0tanbc bcr 2)ingc üerfnüpft feien.

SBelc^c ©c^ma^, bog eine tapfere S^fation, bic Königin bcr anbem, jemanben, gefc^meige benn faulen Pfaffen, bienftbar fein fofle! Sieber ben dürfen, bie boc^ ein mann^aftcö S3olf, nnb beren 3od) auc^ mirflic^ meniger brücfcnb fei. 2)er ©d^aben aber liege in ber 93crarmung ^Dcutfc^lanbö oor Singen. Unb roenn nur baä @clb, baö mir un^ ent.vcbcn unb nac^ 9tom fenben, bort ,^u guten oermenbet mürbe. Slbcr biene bcn fd)limmften.

„SBol)lan", ruft §uttcn au^, „roenn mir $^ilofopl)cn fein unbunfer @clb megmerfen moUcn, fo ^aben mir in ber 9lnt)c 2J?ccre unb glüffe genug: bei unö bcn SJ^ain, mcitcr bcn 9ffl)cin, bort bei ben ©adöfen bic @lbc unb anbere S93affer; ba laffet unö baö @elb ^incinmerfen , bamit lieber fclbft oerberbe, alö bag SSiclcn aller Drtcn Urfac^c beö SSerberbenö fei, inbem mir baburd) jene römifc^e ©ittenpeft ernähren, unb 5mar fo überflüffig, baß fic^ Don bort bic Slnftecfung aud) l)icl)cr unb in alle SBelt ergießt. 5)od) nein, nic^t megmerfen laffet cd und, fonbern nur nid)t bulbcn, bag cd anberdmo^in gcfül)rt unb ’oermenbet merbe. ^ad mirb bad erftc unb befte 9)^ittcl fein, jene ^prannci ju ^erftören. ®enn roenn itian iprer Ueppigfeit biefc 9lal)rung ent^iept, fo merben fic fid) befto meniger erbeben nnb ,^obmcr merben. Slldbann mollcn mir unter einem Raupte, mic bcr alte Äaifcr Otto mar, ben päpftlicben Sflatb muftern unb bic ©tabt fRom bcfid)tigcn, baraud üiclc ööfc oertreiben, unb ctlicbc Söenige ^um ^^mtc

perorbnen, fte aber nicht über und betrfeben laffen. ^cm Äaifer, roenn er mill, merben mir bcn ©ip bed fReicbd (9lom) ^urnef^ geben, bcn römifeben S3ifcbof bcn übrigen ®ifcböfcn gleicbfteUcn. 2)en ©ciftlicben mollen mir auch bict ihre ©infünfte minbern, fic jur SRöbiglcit jurüctfübren unb ibre oerringern, inbem mir oon bunbert nur (£incn bcbaltcn. SGBad aber merben mir mit benen nmeben, mclcbc 5örübcr ober 9J^öncbc genannt merben ?

330

II. $u(^. I. j!apitel.

anbcr^, aU bag, meiner ÜJ^einung nad), bie gan^e 5lrt ob^ get()nn merben full, jiim grogen S^ii^en gemeiner Sbriftenl)eit, mic fic^ balb finben mürbe/' 9^{od)bem Jütten fufort über bie menbung bcö fo erfparten ÖJelbeö bie gieic^en Sbecn, mic fc^on im 9Sabiöcib5, uorgetragen unb bie Hoffnung auögefprodjen bat, bab eine fo(d)e ^Reinigung unfere‘5 Äircbcnmcfcn^^ bie Söbmen nnö jurürffübren, bie @ried)en imb 9tuffen mit imö uereinigen, unb felbft ben dürfen unb Reiben beffere ©eftnnungen gegen nnö beibringen mürbe, fragt er: „§eibt bieb baö febmanfenbe ©d)iffteiu ^^3etri uerfenfen? bie 5^irri)e ©utte^ 5erftören, unb (mic bie fird)enräubcrifcben ^Römlinge unb unreinen 0^mclgcr fd^rcien) ben uugcnäbtcu S'tocf ©b^ifti äcrrciben? unb nid)t uielmebr bureb ben ßutritt fo Dieter. Sölfer, burd) S3efferung ber ©itten, SBeg* rüiimung böfer unb anftedenber ^eifpiele, bie Slirdbc reinigen, förbern unb mebreu?"

„SBuIttc ®ott, bob eutmeber itjr ba^u ben SBitIcu böttet, bie it)r bie äRacbt befiget, ober icb bie 3Jtod)t bcfäfie, mic id) ben 3BiUen ()obc. i^anu id) aber cueb nicht bemegen, uod) auch aiu bcr‘5mo einen üöranb erregen, ber jene 5)ingc Dcr^ebrcn mag, fo merbc icb bod), ma^ id) für mich allein tarnt, Iciftcn : id) merbc nichts tt)un, maiJ cincö tapferu iRitterö unmürbig märe; merbc nie, fo lange icb bei gefunben ©innen bin, and) nur einen ©ebritt Dou meinem SSorbabeu meicben ; cud) aber, bie icb ^on männlid)er geftigfeit abfatlcn febc (menn id) ba§ feben füllte), merbc id) be^ bauern. 3^cb felbft merbc frei bleiben, mcil icb ben %oh nicht fürchte, ^ueb mirb man nie Don Jütten hören, bafe er einem fremben Äönig, mie grub unb mäd)tig ber auch fei, gefebmeige beuu bem untbätigen ^apftc bienftbar gemorben . . . 2)ocb nun Dcrlaffc icb bie ©täbte, meil icb bie 3öal)rbcit nicht Dcrlaffen fann, unb holte mich aufö greiefte Dcrborgen, meil ich nicht mehr frei unter beii 3Rcnfd)en manbeln borf, mit großer SScraebtung ber ©efabr, bie mich umringt, ^enu fterben fann ich, aber Änecbt fein fann ich uid)t. ^ud) 3)eutfcblanb gcfnccbtct feben fann id) nid)t. ^2Ibcr ber %a^ mirb fommen, benfe ich, an bem ich auö biefen ©d)lupfminfeln b^i^^orbrccben, ber 2)eutfcbcn Xrcu unb ©lauben anrufen unb Dielleicbt eben ba, mo bie grögte iBer^ fammlung ift, au^rufen merbc: Sft ^incr ba, ber um gemeiner greibeit mitten mit §uttcn ^u fterben magt ? 2)aä höbe ich an

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J^utten’5 6d()rcU>cn an bcn Grjbifdjof '2(Ibrerf)t.

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bi(t), mcl)r bcr S^eiucgung meine» ©emüttjö, al§ bciiier SSürbc (icmög, freimütf)i(j gefc^rieOen. ^^IQein ic() Ijoffe üou btr ba^ '^eftc. 5)a^ev glaubte iri), an einen greien frei fd)reiben füllen, bab bic^ mobl unb ermanne bicl)."

3)a§ burd) ^utten’iS jugenblid^en geuereifer, fo rein er and) gerabe in biefen iilagfc^reiben flammt, ber alte Äturfürft griebricb auä bcr !0a^n meifer iWäfeigung, bie er fid) üürgc5cid)net batte, fid) werbe t)crauöwcrfcn laffen, war freilich eben fo wenig er? warten, al§ ba§ bei bem feiufinnigen, aber fd)laffen unb oielfadj abhängigen ^^urfürft-Srjbifchof Wibrecht Don 9J^ain^ §utteu\^3^' fprache etwoö auörichten werbe. Uebrigenö fchricb er an biefen (unter bem 13. ©eptember) mit aller ber 9^ücffid)t, bie er feinem uuoerfennbaren Söühlwüllen fchulbig war*). @rft fprid)t er feine (Smpfiublichfcit barüber auö, bag bcr ©r^bifchof ihn üon bem päpftlid)eu 5(nfinncu nicht fclbft in ^^enntnijj gefept wol)l

in golge feiner (Ergebenheit gegen bcn ^^apft, uon bcr töntten nur wünfd)t, ba§ fie gute golgen für bcn ©r^bifdjof halben möge. Slllcin er fürchtet, bcr $apft werbe biird) einen fo unerhörten ©chritt über bie ganje Älerifci ein fd)limmeö (Gewitter herbeige^ ^ogen hoben. ®em ^iioorjufommcn, wäre jeht Sache bcr 33ifchöfc. (5Jar ju gerne mödjtc §uttcn eben jeht bcn ©rjbifchof fpred)cn, unb ocrwüufd)t benjenigen, bcr ihn oon bem Umgang cinciä für wahre grömmigfeit unb für alle @utcn fo wohlgefinnten ^errii gefd)icben hot. iiaum ift ihm etwaiJ in feinem jehigen 3JUhgefdjicf empfinblicher. 2)odj er will allcisJ ertragen unb ftch nichtig merlcu laffen. „iian fchlieht mid) auö", ruft er, „oon ben .^öfeu, oon bcn Stäbteu (ju meinem Schmer^ aud) oon bem golbeneu SJiain^), oon bcr 0cffentlid)feit unb bcr mcnfdjlichen @efellfd)aft ; eiucu SJiann, bcr fcincö grcoclö befd)ulbigt, feiueö SBcrbrcd)cuö , feiner Unthat überwiefeu ift, einen Verfechter bcr SS3ahrhcit, einen 9)^ah' ncr jum Veften ; unb mau fd)lic6t mid) auö, ohne mich gehört ^u haben, ja man will mich jur Vcftrafuug imd) 9lom pichen. Söer l)Ot noch einen tropfen beutfehen Vluteö in fid), bcn folchc gred)^ heit uid)t bewegte, folcher grcocl uid)t empörte?" Söenu ber $apft gegen ihn, im grellen Söiberfprud) mit bem Söefcu bcr Äirchc,

1) Alberto Cardinali et .Vrchiepiscupo Ulriclius de Hutten. len I, 6. 400-403.

332

II. «U(l^. 4. ÄQpilcI.

bcn tucItUci^cn STrm anrufc , fo fei bQ^cflcn ii)m, §uttcn , flcnufl, oiif bcn Sinn bcu ^errn ju l)offcn. 3ni S^crtraucii auf i^ii fürd)tc er baö 9Äi§faflen bereu nirf)t, lueld^e bie Sßa^rl)eit, bie er flcfagt, liiert ertrac^cn !önnen. 3)em ©rjbifc^of tnünfd^e er aHcö @lücf, befonberö bag er fic^ burd) ba^ Oöfe iöeifpicl ni^t anfteefen laffcn möfle.

5)effelDen lüie an feinen e^emalitjen .^errn, fc^rieb

§uttcn and) an beffen fRatf), ben fRitter ©ebaftian uon iRoten^an, bem er ju Slnfanfl beö 3abrc^ feinen ®abiöcn^ ungeeignet ^atte *). „SBätjrenb gegen mic^", beginnt ber ©rief, „biefer 2)onncr bc^ jc^nten Seo ba^erroUt, t^uft bu? n?a3 finb beine ^offnim* gen, beine SRutbmagungen für bie ß^tunft ? Unb incnn bu l)örft, maö üon ben gciftlic^en Sötern töglid) gegen mic^ ^Ibroefenbcn gcfprüd)cn tnirb, roa)S inagft bu ^u numfcln? roaS frei 511 reben? SBobnt in bir fein frönfifc^er 3)tut^ metjr, fein angeftammter greifinn? Unmöglich fann id) an foldjcn ber ^imirilifdjcn gegen ^)cutfd}[anb gloubcn, bag fid^ nid)t bie meiften mit mir Uerbinben foütcn, um ba^ Ijcrbeijufü^rcn, Ujaö halb gcfd^cf)cn muß, füH nid)t um unfere greifjeit, um bie c^riftlic^c SBa()rs I)cit gctf)an fein. menu man mid) im ©tic^c lögt, tröfte

ic^ mic^ mit meinem Semufetfein unb mit ber Hoffnung auf bie S^tac^mdt. ®enn biefc^ geucr lögt fic^ nic^t fo erftiefen, bo6 nid)t bcrmaleinft, jum Serberben üon jenen, furd)tbQr micber auöbred^en foUte." 3nbcffcn möge ber greunb auf aüc§ achten, load bort (ju SRainj) gcfc^ebe, unb barüber an §utten ©cric^t erftatten. ©ei bem ?lbel möge er für i^n unb bie gute ©q(^c reben, feine geinbe aber burc^ ben2öa()it fieser machen, al§ ob er febr cingcfc^üc^tert märe, hierauf tt)ut Jütten feiner Äfogfe^rif' ten an bcn Äaifcr unb bie gürften @noöl)uung, unb fc^liegt mit bem SGBunfc^c, bag iiart fid) feiner Stellung mürbig bemeifen unb bie ©aebe felbft in bie ^anb nebmen möge.

Äueb an ßutber, bem er noch unmittelbar oor feiner ?lbrcifc 5U gerbinanb gcfd)ricbcn b^itte, gab er jebt üon ber über ibn üer» bängten ©crfolgung unb feinem (Sntfcbluffe, mit ©ebriften unb ©jaffen gegen bie pöpftlicbc ^b^Qünci ju gelbe j^u jicben, in ci= nem ©riefe üoll lcibcnfd)aftlicben SD^utbciS 5Ra(bri^t, üon bem mir

1) Sebastiano de Rotonbau. I, 403—405,

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i^utten’§ 8enbf4>reiben an bir ^euljd^rn qIIct ^ifinbe. 333

nur ouö einer ^leugerung ßut^cr’d tuiffen, ber jufolfle er auf biefen geujalticjcn ©inbruef gcmad)t r)atte‘). S)urcl^ ben (5rla§ bcö maiujcr ©r^bifdjofd gegen ^uttcn’ö „unb ähnliche ©c^riften'^ fanb fintier auc^ fic^ berührt unb ftclltc in 3(u8fid)t, fobalb er ou^brücflid) genannt toürbc, „feinen ©eift mit bcm^uttcn'ö Der- blnbcn unb fic^ fo cntfd)ulbigcn ^u moflen, bag eS bem Öifc^of feine J^cube niadjcn follte. ®ieHeid)t inbeß", fefet er t)in5U, „befc^lcunigcn fic buv^ foldjcg SSorge^en fetbft ba-ä @nbc i^rer X^rannel."

®oc^ nic^t blo3 cinjelnen gürften unb glcic^gefinntcn SJ^än^ nern, ben 2)cutfc^cn aller 0tänbc moUtc §utten feine 5lngclegcni= l)cit, meldjc ja mirflic^ bie ber ganzen 9^ation mar, an baö ^erj legen*). ^)amit erft erhielt bie IReibe feiner flagenbcn unb anf(agenben©cnbfc^reibcn i^ren angemeffenen, uoUtönenben^c^luß. 2(uöfü^rlid)cr alö in ben übrigen legt er ^icr bie römifd)cn ?Iiis fd)lögc gegen ibn unb bie beßbalb an if)n ergangenen SGÖarnuns gen bar, mclc^e il)ii ju bem ©ntfc^luffc bemogen ^aben, fic^ uon bem öffentlidjcn öerfebre jurüd^ujiefjen. 3a, bal)in fei gefom* men, bag.er, ber nod) Dor fur5em nac^ SDfitftreitern im Ätampfc für SBaljr^eit unb beutfc^c 5^cil)eit gerufen ^abc, je^t um ©d^u^ unb ^ülfe für feine eigne ^erfüll fid^ umfc^cn müffe.

,,^bcr mo^in foll ic^ mid) menben? mo^ülfe fud)en? @uc^ rufe id) an, bcutfdje gürften unb SDiänucr! SBollet i^r mül)l* ücrbiente fieutc auetreiben, uufd)ulbigc beftrafen laffen? S33o ift bie bcuifd^c 9lebtic^fcit unb Xugcnb? mo jene bei allen S3ölfcrn gepriefene beutfc^c Xapferfeit? ^cjdjirmct alle einen, ba einer für cuc^ alle gearbeitet l)at. ^enn bie ^(rbeit unb ba^ Unterfangen maren mein: ber Erfolg freilid) ftel)t in ©ottcö SBillen, nic^t in beig SDtenfdjen SBunfdje. 3d^ jd)mebe je^t nidjt minbev in @cfal)r, alö menu id), ma^ i^ eud) <\u ßiebe gemoUt habe, glücf? lic^ erreidjt l)ättc. 3d) ftüube jejt in bcö römifc^en iöifc^ofg (>iunft, l)üttc ic^ nic^t bem 33atertaubc ju ®ute unb jii gemeinem

1) fiut^er an 8patotin, aBillfnlxrQ, 11. 8ept. 1620, in ^utten’S Sd^tif- Icn I, 369 f.

2) Omnibus omnis ordinis ac Status in Germania Principibiis, Nobilitati ac Plebeis, Ulrichus de Hutten K(iues Orator ct Pocta lau- reatus S. 33oin 28. Sept. 1520. ©c^riften I, 8. 105—419.

834

IL $u(^. 4. j^apitel.

9^lu|cn aflcö bag ücnoenbcn njoCtcn, tüaö ic^ mit fo tjiclcr 3)?ü^c auf einer fu Ijarteu unb fd)mercn Söanberung, unter }o t)erbcn Unfäüen unb im Kampfe mit einem fo mibrigen ©efe^iefe geflickt unb enuorben ()abe: biegrudjt fo üieler 9^Qd)tn)ad)en, fo mancher S^leifen ^icr unb bort bei Xag unb 9iad}t, ber ^rmut^ unb 9Ser? ad)tung, bie ic§ auf mid; naijm, ber l)ieljät)rigcn ^cimatblofigfeit, bie id) mir im blütjenbften 2üter auferlegte. §lber trieb mic^ ba^u ber ^)urft nod) SBal)rt)cit, trieb mid) bie £icbc 5um SBa= tcrlanbe. Um fo meniger bürfet il)r jugeben , baß id) um ben Sobn für meine ®icnfte fomme. SÖJottet i^r mic^ unüerßört, un^ oerurt^eilt ^inmorben laffen ? . . 5)ag Stecht fd)cue ic^ nic^t ; in eurer SÜtitte mcile ic^ mit gutem ^öertrauen. 9^ur @emalt laffet mir nid)t geic^cl)cn, fc^on beßmegen nid)t, bamit nic^t meine geinbe, menn fie ben Unfc^ulbigcn gcmaltfam umgebrac^t, gegen ben Xobten eine ©d^ulb erbid)ten mögen. 3d) foUte oon ^ier meggeriffen merben, ic^ Unfeliger? Son biefer @rbe, bie mid) bei meiner ©eburt empßng? biefem ^immel, ber mic^ nößrtc? biefen 3)?enfcßen, unter benen i^ fo freunblid) gemo^nt ßabe? ®icfe §erbe, biefe Elitäre follte id^ oerloffen? unb nic^t um in ber SSerbannnng elcnb ju leben, fonbern 5U graufamer SJiarter, 511 fd)mäl)lid)em 2!obe foU id) gefc^leppt merbenV 3^1 $iUKf meine öanböleute! fielet mir bei! Saffet ben nic^t in iöanbe legen, ber eure iöanbe ^u löfen unternommen ^at!"

(Sben nur bieß, in ber baö l)öd)fte SSerbienft, fei fein SBcrbrccben. 0onft fei er fic^ feiner ©c^ulb bemußt. ©eine geinbe feien aueß 2)eutfc^lanbö geinbe; in i^m üertbeibigen bie 3)eutfc^en fic^ felbft. „Xt)Ut bie klugen auf, ißr 2)eutfc^cn, unb fel)ct, mer ift, ber euc^ ba^eim beraubt, anömärtö in Übeln 9fluf bringt unb oon allem Unglüd, allem Sütißftanbc bei eueß bie ©d)ulb trögt. (SS finb bie ^eillofen llblaßfrömer, bie ocrruc^ten §önbler mit ©naben, Xi^penfationen, ^bfolutionen unb allerlei Nullen, bie einen SJiarft mit l)ciligen Gingen in ber il‘ird)e ©otte§ eingerichtet haben, baranö er einft biejenigen trieb, bie hoch nur geringe lueltlichc Söaarcn tauften unb oerfauften. ©ie finb bie ^erfmeifter allcö 2!rug§, bie (Srfinber aller Siften, bie Urheber ber iilned)tfi^aft unb ©efangenfehaft biefcä SSolfö. ©ie finb cd aud), bie mich ^-liotl) unb ©efohr gcbrad)t hoben, um feiner anbern Urfad)c mitlen, ald meil ich ihtc fünfte ocrrall)en.

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J^uttfn*§ @enb|4)reiben on bte ^eutj^icn oHer 6tfinbe. 335

t^re ©c^anbc aufgcbcrft, ihrer SRäuberci tüibcrftanbcn, ihrem greuel einen Sfliegel üorgefd)obcn habe, unb lueil biirrf) mid) bereits ihrem ©erninn etroaS abgegangen, ber mähren grömmigfeit üiel juge^ machfen ift. ©tetS i)abc id) §üifru()r gemieben, jur ©mpörimg nid)t Urfache geben moUen, unb jum iöemeifc, mic menig eS meine 2lbfid)t mar, einen Umfturj ber öffentlidjen ßMftünbc herbei5ufü[)ren, habe ich lateinifd) geid)riebcn, glcichfam um fic unter üier Singen ju ermahnen, unb nicht gleich ben grüßen Raufen ^\um SJ^itmiffer ju machen; obmohl ich, bie& ju thun, mehr als genug Urfache gehabt hätte." 0elbft je^t, ba fie bcutlich i\u erfenneu geben, mie menig freunbliche ©rnmhnung bei ihnen auSridjte, malle er immer nod} nid)tS ©emaltfameS gegen fie ucranlaffcn, molle fie nicht für ihre Uebelthaten beftraft, fonberu nur theilS fid) felbft gegen fie gefchü|t, theilS fie an fernerem Uebelthuu uerhinbert miffen. 3)arunter fefetc Jütten ben ©pruch auS bem ^meiteu ^falm, ber üon jc^t au bei ihm öfters neben ober ftatt feiileS eigentlidjcn SöahlfpruchS mieberfehrt: fiaffet uuS 3crrei6eu ihre geffeln unb üon uuS merfeu ihr 3ad)!

3m Oetüber 1520 erfchieu bie ©ammluug biefer Älagfd}rifteu, mürbe halb mehrmals miebergebrueft, unb mo bie löuchhäubler fich fürdjteten, burd) ^utten'S greunbe aertrieben. @S mar ein lebhofter öerfehr üon ber ©bernburg h'^T^i^ntcr ^mifchen §utteu unb feinen greunben in äJ^ain^, ©peier, 233ormS unb anbern 0r;= ten; fein ©djreiber manberte hi« unb h^t mit ^aefeten unb Sluf^ trägen; 3J^artin Sucer mar ein gefälliger Vermittler; auch ein Vruber Ulrid)’S erfcheint als Vertraueimmaun, bem Vriefe unb ©enbungen an ihn übergeben mcrbcu fönnen. ®ie ©jemplarc ber $uttcn’)chcn ©chriften mürben, fo meit et fic nicht ucrfchcnttc, entmeber gegen anbere Vüchcr. bie er hüben moHte, Äird)cnüäter, Slaffifcr, gefchid)tlid)e SäJertc, i)ertaufd)t, ober and) oerfauft, unb üon bem ®elbe, mclches bafür ciüging, Vüchcr eingefauft unb beren (Sinbaub beftritten Sin Öuther unb ben ^^urfürften griebrid) fehiefte Jütten (ijemplare feiner iUagfdjriftcn burd) ßrotuS, ber für5ltd) jum IHcctor ber erfurter §ochfd)ulc gcmählt

1) Jütten on ?uccr öom 26. unb 28. 9toö. 1520, 6(^ri|lcn 1, ©. 427—429. ^apito, n. a O. ®. 865 f.

336

II. $U(^. 4. Kapitel.

iDorben toax ; ba§ ©cnbfc^rcibcn an ade ^eutfc^eu aber ließ er (üieüeic^t in dJ^ainj?) öffcntlid) anfc^lagen *)•

^er päp^ttidje ?lnfd)lag auf ^utten'ö ^^ci^cit unb Seben biente nur ba5u, i^n um fo meßr (neben Süt^er) jum DoU^^tpin* licken gelben ju machen. erfc^ienen um jeneßeit unter bem Spanien Slbl^benu)^ Soraduö eine fRebe an Äaifer Äarl unb bie beutfdjen gürften für Jütten unb Sut^er, bie SSerfe^ter beö SSaterlanbe^ unb ber beutfe^en greiljeit*), unb jmei ©efpräc^e, baö eine ber gefangene, baä anbere ber öerl)errlic^te Jütten bc= titelt^). 3n ber fRebe mirb befonberö baö gormtofe unb fRec^t^' mibrige in bem SSerfa^ren gegen Jütten, baö ©c^mö^lic^e beS angeblidjen ©ergiftungöuerfu^ö, ^ernorge^oben. 3n bem erftern ber ©efpräc^e ruft $apft Seo bie ©urtifanen gegen 2utl)cr, unb nod^ me^r gegen Jütten, beffen Slnfc^läge gefährlicher feien, auf. SBon einem granciöcaner geführt, jiehen fie auö, um ben Flitter am füiferlichcn ^ofe ju greifen; Jütten mehrt fid); ©iefingen fommt hinju, erbietet fich, bie 0ache bem IJaifer üorjutragen; mittlermcile füll fid) Jütten auf ©tedelberg in Sicherheit brin= gen, Don mo er alle ^5)eutfdhen ju feinem Öeiftanb unb jum Kampfe gegen bie ßurtifanen aufjurufen gebeult. 3u bem anbern ©cfpvächc mirb Jütten üon ber perfonificirten Söahrheit feiner irbifchen Sßaffen entf leibet, unb mit ben gciftlichen, bem i^rebiS ber ©crech* tigfeit, bem Sd^ilbe betS @lauben!§, bem Seßmerte bc;^ SBorteS ÖJütteö (baö gau5 anberö gcljanbhabt fein motle aU baö ber 33e- rebtfamfeit) auögerüftet. 3n biefer IRüftung eineö chriftlichen ©tveiterö füll er, otjue irbifcheö Xra(^ten, ohne perfönlidje fRach- fud}t, mit guten ^üdjern, befonberö bem ©uangelium, üerfehen, üon einem einfamen Xhurme auö für bie Sache ©otteä unb beS ^aterlanbeö fämpfen; mobei er jelbft gürften, menn fie fich miber

1) ßutper an ©polatin, 16. 2)«. 1520, in ^uttcn’8 S^riften I, @. 437. ^utten'S (Snbtjd^UIbigung, Sd^riften II, 8. 131, §. 5.

2) Oratio ad Carolum max. Augustum et Germanos Principos, pro Ulricho Hutteno eq. G. et Martine Luthero, patriae et Christianae libertatis adsertoribuB. Authore S. Abydeno Corallo. 8. ^utten’S 8(^riften I, 8. 442—445.

3) IliittenuB captivuB. Iluttenus illustris. 3n Dialogi Reptem, festive candidi, authore S. Abydeno Corallo Germ. 3n ^utten’S 84)nf* ten IV, 8. 593—600.

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Cut^er’8 ®(^Titten Derbranni.

837

bie S5ki[)r^eit fc^cn, fdjeltcn borf, unb bcö 0icq^, ipenn oud) nid)t bc!^ ficben^, fieser fein fann. Sitte Äenn,^eic^cn beuten auf ben fe^t in Erfurt lueilenben Srotuö alö SSerfaffer biefer ©c^riften, ber wa^rfc^einlidj ouc^ bei ber fogenannten Intimatio Erfurdiami, bet öffentlichen (Irflärung ber bärtigen Uniöerfität für Suther unb gegen bie wiber ihn crlaffene pöpftlichc S3utte, betheiligt tuar.

Unterbeffen n>ar nämlich 3ohann ®cf in ^Begleitung beö pöpftlichen S^tuntiuö Slleanber mit bet 23annbutte gegen fiuther nach 5)eutfd)lanb ^urüdgetommen. 3n biefer (au^gefertigt in 9iüm am 15. 3uni 1520) maren 41 ©äje auö ßuther'ö ©chriften tl)eilö aU fe^erifch, thcilö bo^ alö falfch unb anftögig bejeichnct, feine öüchcr, fo meit fie biefe ©ä^c enthielten , jum geuer uet^ bammt, ihm felbft aber noch Slnfchlag ber

öuUe an ben 2)omfirchen ju S3ranbenburg, Meißen unb äJicrfc* bürg ä^m SBiberruf gclaffcn, nach ^cren fruchtlofem SSer* ftreichen er al§ h^^^lt^^cfiger Sicher oon ber Äirchcngemcinfchaft abgefonbert unb nach S^lom jur 33eftrafung auSgelicfcrt werben foUte. 2Bäl)renb @cf im 2aufe bcö ©eptemberö bic iöuttc in ^öaiern unb ©achfen anfchlagen liefe, reifte Slleanbcr ben 9tl)cin hinunter, um fie bort ju üerbreiten. ©chnett h^tttc er uon bem jungen Ätönig Äarl bie ©rlaubnife au^gemirft, in beffen burginu bifchen ®rblanben Suther’d ©chriften oerbrennen ,^u laffen. Sind) in ben beutfdjcn ^faffenftäbten Äöln unb SÜ^ain^ rauchten halb bic unblutigen ©chcitcrhaiifen. ®od) war felbft in bem pnftem Äöln bie ©timmung ber ©eoölferung fehr gethcilt unb in bem gebilbetern 3J?ainj entfehieben gegen bie üü^aferegd. „Suthev", fchrieb Jütten barüber an ttJ^artin 53uccr, „h^^l (Su SD^ain^^ gebrannt; hoch, wie ich glaube, ohne c^ ju fül)lcn. 5)aö tönnen jene 9J^orb* brennet, fonft nichtö’).'' 3n Erfurt würbe bie iiöuflc jerriffen, (Sef in feiner SSohnung belagert.

l)urch biefe ©orgängc fanb fid) Jütten ^^u unglaublicher Xl)ötigfeit angeregt. 91od) tuahrenb bcö Detober unb 9^ooember fehen wir ihn mit uicr bii fünf ©d)riftcn gegen bic Bannbulle, bic ©(hriftenücrbrennung unb bic römifdjc Xljramtei überhaupt,

1) pulten an »uctr, Sdjnflcn I. 6. 427 f. »gl. Jütten on Cutter, ebenbaj., 436, unb bie »eri(l|tc uon »ratuS 9il)fnanu8 unb ^bio, cbenboj. 6. 429 unb 438.

VII. 22

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II. mä). 4. ffattlifl

dS8

bcfc^äftigt. S)a fic ^um X^ctl neben einanber ou§gcorbeitet tourben, fo fönnen mir fie bicr in her Drbnung nonte^men, bie un^ i^rem Sn^alte jufolge bie bequcmfte ift.

5)ic 33utte ßeo'^ X. gegen fintier reifte ^mttcn, fte ju gioffiren. ^en pdpftUc^en @ä|en bie ©egenföpe, ben Änfprüc^cn ben Söibcrfprudbr ^un!t für $un!t auf bemfelben Sölottc gegen* über^uftellen, ben falbungöüoUen S3ombaft eineö folc^en 5lctenftücf§ burc^ nüchterne Slnmerfungen ober fpi^ige Querfragen ju ftören, tonnte ganj befonberä bienlic^ erfc^einen, um auc^ ftumpferen ßefern bie ?lugen ju öffnen. <So lieg benn §utten bie S5uHc mieber aufiegcn, mit bem pöpftlid^en SSappen auf bem ^titclblatte, unb fo, bag ber gröger gebructte %CTct berfclben burc^ feine ©(offen in (leincrem 2)rucfc t^ciU unterbrod^n, t^eilö am 8^anbe eingc* fagt crfc^icn 0- SSorauö gebt eine Ißorrebe, in melcger au^efü^rt ift, bag cd ficb fcincdmcgd blöd um Sutbcr b^inblc, fonbcrn ber ^apft beabficbtigc, mit Sutber bie micbcrouflcbenbe cbriftlicbc SEÖabrbeit unb beutfcbe greibcit ^u erfticten. Slbcr mehr ald jemald fei jept bie ©elcgcnbeit einer rcttenben ^^böt günftig, ju melcber ficb bie ^eutfcbcn bodb mobl enblicb mit .^utten ent* fcblicgen toerben.

3)ie ©(offen hierauf finb, mic cd bie 5Ratur einer folcben ?lrbcit mit ficb bringt, balb ironifcb, halb patbetifcb, häufig treffenb, bidmeilen aber boeb auch matt. äBenn Seo ficb im ©ingang gebraebtermogen ben Äncebt ber Änecbte ©otted nennt, fo mirft Jütten bai^mifeben: SBad gebieteft bu alfo unb fpiclft mit fo grogem ^oebmutb ben ^errn? SBenn bie Sude fclbft mit ben SBorten anfängt: ©rbebe bicb, o^err fo bemerft Jütten: ja, er mirb fiel; erbeben, boeb ju bed ^Sapfted grögtem ©ebaben. SGÖo, in Änmenbung eined befannten öibclfprucbcd, bie neuen Äeper gücbfe genannt merben, bie bed ^erm SEÖcinbcrg benoüftcn, er* miebert ber ©loffator, bag oielmebr ber $opft in ber ^rt, mic

1) Bulla Decimi Leonis contra errores Lutheri et sequaoium. Kitf ber Slüdffeite beS XitelS: ülrichus de Hutten eq. Germanis Omnibus S. 5)if gloffirte SuIIe |. in ^«tten’8 6d^riften V, 6. 301—333; boS SJonoort I, 8. 430 (., baS ^lad^tooTi an ben ^apfi ebenbaf., 8. 481 f. 6in Seitenftüd |u btejer ^utten'fd^en 8d^rift, bie Oratio Constantii Eubuli Moveniini de virtute claviuro et bulla condemnatioois Leonis X. contra Mart. La> therum etc. (f. ^utten’ö 8d^riften V, 8. 351 ff.) ift öermut^tid^ öon SrotuS.

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l^utten’S ®lofffiT )u ber ^onnbufle. 33^

er ben ^eutfc^en i^r ^elb tbet(S ab^ulocfen, tbctlS oB^utro^cn njtffc, fic^ Uftiger als ein guc^ö, räuberifcber olg ein Söolf bc* »cife. jDa^ Äuffommen folc^cr Äc|ereicn in 2)cutfc^lanb, fährt bog ^Ictenftücf fort, bctümmerc ben ^Qpft um fo tiefer, mcil er unb feine Vorgänger gerobe biefe 9lotion jcberjeit in ben (Singe- meibcn ihrer Siebe getragen höben: freilich in ben (Singemciben ! ruft hic^ Jütten, benn ihr höttet fie Ocrfchlungcn ; ober ie|t merbet ihr fie oon euch fpeien muffen, unb @ott felbft mirb pe oug eurem Mouche giehen. @onft, meint bie ^uUe, feien bie 3)eutfchcn bie eifrigften ©eftreiter ber Äe^erei getoefen: o^, tt)ären fie cg bodh gemefen! feufjt bo Jütten, bann hötten fie oor allem gegen bie $äpfte fich gemehrt. IBon Suther fagt ber $apft, märe berfelbe feiner Sabung nach 9iom gefolgt, fo fei fein 3ö)eifel, er mürbe in fich gegangen unb jur (Srfenntnig feiner Srrthümer gefommen fein: gcfprochen menigfteng, meint Jütten, mürbe er ferner nichtg mehr höben, märe er einmal oon bir ju 9iom empfangen morben. SSenn bie Söulic Suther’g Sehren oerberblich nennt, fo erläutert bieg Jütten bahin, bag aUcrbingg burch bie- fclbe öiele ^ochmürbigftc mit junger, unb ihr §err felbft mit SJtongel bebroht merbe. Unb mic nun ber $apft bei ber ®er= brennung oon Suther'g ©egriften anfommt: bu höft’g meicht! ruft ba Jütten, fie brennen, aber in ben ^erjen aller ÖJuten. SEÖelch ein oerberblicher ®ranb für bich! SRun löfche ihn, menn bu lannft!

^en ^efchlug macht ein (Spilog an Seo X., morin ihm 511 bemerfen gegeben mirb, er märe beffer mit feiner SuHe baheim geblieben, bie ihm nur ©chanbe mochc. Sängft fage man in Xeutfchlanb oon ben päpftlichen 53ullcn, eg fei mit ihnen mic mit bem @elbe: je neuer, befto fchlechtcr. (Sr möge feiner ^ab= fucht, feinem Xruge (Sinhalt thun, bie Qeugen ber Söahrheit nicht ferner reijen, ingbefonbere aufhören, Suther unb bie oon i()m Ängercgtcn ju ocrfolgcn, benn ihrer feien bereitg mehr, alg bag irgenb ein ©if^of fo oiele ©celcn oerberben fönnte. @r folle fein ^irtenamt recht oerfehen, feine ^cerbe fortan mit (Srfenntnig unb Sehren, nicht mehr mit öuflen mciben, beren man überbrügig fei, mie man ouch oor bem ^blag nachgerabc (Sfel cmpgnbc. „(Sineg ^apfteg Qkibcn finb SSkigheit, 9teinheit, j^eufchhrit unb Verachtung glleg grbifchen. 2)cncn trachte noch- ^onn mirb

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340

II. 4. fiapHel.

®ciitf^lünb bid^ ocrc^ren, loenn fic^t, bafe bu cS (icbft, nid)t bic^, tüic je^t, befämpfen, ba bcmerft, baß bu fd^recfcn toiUft.

jiemt bir aber, burc^ ©üte alle ju überwinben, niemanben burc^ ©cioalt ju ^tuinflcu. ®ic§ frcimüt^ig aber lua^r, luie bic 0ac^c fic^ üer^ölt unb bie ßcit mit fic^ bringt, ßebe mo^l!

2)cutf(^lanb.''

Stieben ben ©toffen ber päpftlic^en öuHe arbeitete ^utten um jene ßeit an einem ©ebid^t über bie SSerbrennung üon fiut^cr'iS ©c^riften, unb jmar in boppcltcr ©eftalt, lateinifc^ in ^ejametern unb beutfe^ in Dficimen, moüon bic erftere bie frühere ift*). (Sigentlic^ ftnb beibc ^roei üerfcf)iebenc ©ebid^tc, bie nur in menigen fünften jufammentreften. ^ag lateinifd^e ^at ben Sor^ug größerer Äürj^c unb cblercr bad beutfe^e mac^t feine SScitfeßmeifig»

feit unb feine ungelenfcn ®erfc bureß üolfötljümlid^c Iftbctorif gut. 233ic? fo beginnt ba^ erftere, menn mir bic latcinifc^cn in cntfprccßcnbc beutfd^e SBcrfe übertragen

2Bie? 5)cm ®tanbc gewelkt ijt bie |o mand^er bur^toac^ten

9lo(^t? bem 53erbcrben bie Schriften bc§ wal^rbcitrebenbcn iiutber?

®a§, i^r Siönimen, erf rettet if)t cud^? fo fünbigft bu, geuer?

^ilf ben Q'rommen, bu f^lut, oom Jg>immel ergieße fid(| Kegen, KuS)uI5f(^rn ben @räul! . .

*

9Rad)bcm fofort auf ber einen (Seite bie römifd)c SWißberr? fd)aft, auf ber anbern £utl)er'^ SSerbienft um aöieberbcrftcUung ber Söabrßeit inö Sic^t gefept ift, mirb ©att felbcr jum @in^ feßreiten aufgerufen:

Unb nun fd^iou (fic ent^ioltcn bein SBort) ouf bic brennenben ®üd^cr, @dbuu, Ql(mäd(|tiger iBater, ^erab, unb xäö)t bie Untfiat!

5)ir ja gilt bie Empörung, bie ©d^mod^ bir, beinern ©ejetje ^liut man ©emait. ^Dagegen toirb feglid^er O^reoel gebilligt,

3ebe4 Kerbrec^en getobt. 6o ectoad^e bo(^ enblic^, erioac^cl 5fflie eS ein jeber oerbient, fo toerb’ i§m »ieber oergolten; äBa^r^eit trage bie ^alrne baoon unb ^ugenb bie ftrone!

1) In incendiiim Lntherianum exclamatio TTlrichi Ilutteni <^q. anno dom. 1520. ©d^riften II t, ©. 451—455.

©pn Ätog über ben Öuterifeben ®ranbt ju Went? burdb Stridb öonn Jütten. 8d(iriften III, ©. 455—59.

^uiten’S Aber ben 9ranb oon Sut^er’S 841

^ber fajfe bte ®(ut ben jübif^en Sd^elm 9ileanbet^),

Strafe bie Stifter ber freüelen X^at; natf) bem wütbenben 2eo Sofien bie fjurien greifen, bie er entfeffcit; bie Rommen,

!^ie bem rebliti^en Cutter geftbürt, Korn felber öerje^ren.

Unter bic uoU^rcbncrifd^cn luclc^c bem bcutfc^cn (3c- bid)tc ju ©Ute fommcn, gehört üor allem bie für ein ge()äufteö ^ünbenrec^ifter fo paffenbe brei§igmali(je 2Bieber()olung beö $ie (\efd)iebt bieg ober baö, j. Jö.:

^ie brennen, lg>err, öiel guter SBort, i^ie tt)irb bein göttli(^| fie^r ermorbt;

J^ie t^ut man ©»alt ber ^rebigt bein,

)^ie gibt man afieS CofterS Schein; . . l^ie gibt man ^bla§ unb @enab,

‘S)o(b feinem, ber nit Pfennig ^at; l^ie toirb gelogen, ^ie gebid^t,

^in Sünb uergeben, eb fie gftbitbi;

^ie toirb öerfauft ber Jpimmcl bein,

©curtbeilt )u ber ^ein

6in jeber ber binwiber fagt;

j^ic ift, »er SPabrbfit pflegt, nerjogt ;

j^ie wirb teutf(b IWation beroubt,

UmS ©elb Diel bbfer 5)ing crioubt;

^ie bbenit man nit ber Seelen i^eil;

^ie bift bu, ^rr ®ott, felber feil u. f. f.

?lm €d)luffe beö beutfdjen ©ebic^td luirb ßutl)cr anflerebet:

®idb aber, liebfler trüber mein,

^urdb fofiieb ^Jtadbt bergtoaltigt fein,

$in beinetbalben ieb bef(b»eri;

^o(b boff' toiberfebrt,

Unb »erb geroeben bein Unfebulb;

^rum, S)icner @ottc§, b^b ®ebulb.

W5(bt i(b bir aber IBeiftanb tbun,

Unb ratben biefen Saeben nun,

So roöfit’ i(b> i4) b^^l*

9lit fparen, no<b mein eigen ®lut.

Unter baö latcinifd)c ®ebid)t fepte §uttcn feinen SBaglfprud): Jacta est alea, ben er in bei* beutfd)en Searbeitiniö, mie uon ba an immciv bnrd): t)ob’ö nemagt! miebergab.

®od) giemit finb mir in ben ®ercid) oon §utten'ö beiitfcgcr

1) '3)er pöpflli(b< 8luntiuS ?lleanber golt für einen getauften 3uben.

342

II. «u(^. 4. ffopitcl.

0c^riftftcücrci übcrgctvctcn, bcr roix eine befonbere ^ctrac^tunfl tpibmen müffen, tuenn luir erft uoc^ feinem S8erl)ä(tni6 ju Sfleuc^* lin big bem ^bfd^luffe, beit eg um biefe 3^it erteilte, Qcfolflt fein merben.

2Bir fa[)en oben ben e^rmürbigen Sßeteran beg ^umanigmug burc^ 0icfingen'g ritterlid^e 2)aämifc^entuiift Don ben ^obfeuren Äutten" befreit, bie i()n 3n^re lang bebrängt Rotten; fic Ratten i()re Jöuggelbcr erlegt, nac^ 9flom fclbft um eine für S'teu^lin gunftige Beilegung Der ©treitfac^e gefc^rieben. ?lbcr alg öc^tc Pfaffen f)attcn fie bag mit bem ftiHen SBorbef)alte get^an, eg un= mittelbar barauf alg erjroungen ju miberrufen. 3n biefem ©inne fc^ieften fie jenem erften ©c^reiben eilig anbere nad). 3n 9tom ftanben bie SJer^ältniffe eben günftig für fic: oon ^Icuc^lin’g ©önnern am päpftlic^en ^ofe maren bie einen geftorben, anbere entfernt; ber ßutl)crifc^c ©treit, ber fid) alg ein ©c^ögling beg Stcuc^linifc^en barfteUcn lieg, toarf auf biefen ein bcbcnflic^cg Üic^t, unb fo erfolgte im ©ommer 1520 ein pöpftlicfteg Sörcoe, bag bie fpeicrfc^c ©enten^i förmlich caffirtc unb 9ieud)lin’g iöue^ ücrurtt)cilte. ®od)ftraten, in feine nur jum ©c^cin ocrlorcncn ©teilen algbalb mieber cingefe|t, unb feine mürbigcn ©rüber fdjlugen bag ©reoc in Äöln mit 3»bel on; ?Rcu(^lin fuc^tc ba^ gegen aufjufommen; ©iefingen mußte fid^ noeß einmal in ben §anbcl legen; er ließ fic^ burc^ Jütten ein ©^reiben an ben Äaifcr auffejen, aueß bie Äurfürften Don SJiainj unb ©ac^fen um ißre ©enoenbung in ber ©aeße bitten; 9leuc^lin fclbft lub er auf bie ©bernburg ein*); ^ fdicint aber, biefer, ber auf ben Eintrag beg ^icrjogg SBilßclm Don ©aicrn ju Anfang beg 3öb= reg 1520 ben ßcßrftußl beg @ried)ifc^en unb J^ebräifdicn an ber ingolftäbtcr UniDcrfitöt angenommen ßattc, erlitt Don ber ©eite feine cmftlic^c ©erfolgung meßr.

?lbcr fcS^ioacß loar er bo(^ gemorben, unb geigte bieß, mic freilich halb einer ber ^umaniften naeß bem anbern, gegenüber ber bcginnenbeii IRcformotion. ^aß er in 3ngolftabt Änfangg im $aufc beg berufenen Dr. 6d lüobntc, loar fc^on fein guteg

1) an Sloingli, 15 Oct. 1520 ; ^uttrn an Vueer, 25. 9Ioo.; an Sut^cr, 9. 2)rc. 1520; an @l>a(atin unb an (Sapito, 16. 3an. 1521, in ten’S 6(^riftfn I, 6. 421. 427. 437. II, 4 f.

Ig^utten’d Irrtet Srtrf an 9tcu(^Un.

843

Qctc^cn; obwohl, alö bicfcr fic^ anfc^icftc, ßut^cr’d ©c^riftcn ücr= brennen ju laffen, er ber Unioerfltät miberrietJ). ^ber feinen ^^ilipp 3Welanc^t^on, ben er fctbft borbem nod^ SBittenberg em- pfohlen, hätte er nun gerne amJ ßuther’ö Greife hintoeg ju ftd) nach Sngolftabt gezogen. 2)a6 ber S^effe ber Slufforberung feine fjolgc leiftetc, h^^t ihn bie ihm bereite alö (Srbfehaft jugefagte ^ibliothcf be« ©rofeoheim^ gefoftet. Unb nun fcheint 9leuilin, burch bie SRochricht geöngftigt, bafi man in 9ffom feinen ^anbcl mit bem ßuthcrifdhen in Serbinbung bringe, ein rechtfertigenbeS Schreiben an bie bairifc^en $erjoge crlaffen ju h^ben. ©^reiben fam glitten ju ©eficht, unb bei aller Verehrung für ben ^lltmeifter, baju fonnte er bo^ nicht fchttjcigen. „deinen ^rief an bie iBaicrn'', fchrieb er ihm am 22. gebruar 1521 oon ber ®bernburg, „habe ich gelefcn, benen bu auf bie Slnllage ßeo’ig X. antmorteft. Unftcrbliche ©öttcr, toaö fchc ich! ©o tief bift bu in gurcht unb ©d)n)äche uerfunfen, bag bu bich fogar ber ©chmühungen nicht enthältft gegen biejenigen, bie ftetö beinc Slcttung getoünfeht, jumeilcn auch ^it großer ©efahr beineu 9tuf uertheibigt h^»5en. gronj ift, ba ich ihm bie ©ad^e oortrug, ba- üon aufd äußerfte erregt morben.'' Sßarum er ftch nicht loic Craigmuö mit ber (Srflörung begnügt h^bc, boß er mit fiuther nie etmad gemein gehabt, moju bie audbrücfliche ÜJ^ißbiHigung feiner ©achc unb bie ICerfichcrung, er h^bc auch fei^e greunbe üon berfelben ab^^u^iehen gefucht ? ,,2)urcl) eine fo fchimpfliche ©chmeiche^ lei'', fragt ihn Jütten, „hoffft bu jene ju oerföhnen, bie bu, menn bu ein aKann fein modteft, nicht etnmal freunblich grüßen bürf* teft, fo oiclfach unb unerhört hoben fte bich mißhanbelt. 5)odh oerföhne fic. Unb menn bir'ö altcrdholber möglich tft, thu’ auch bad noch, mmä bu fo fehr j^u münfehen oerficherft, baß bu nach aiom gehft, bem §errn Seo bie güße ju füffen, unb noch oben* brein, maö bu ja nicht oerfdjmähft, baß bu gegen m\i fdhrcibft. 2)ennoch foll man fehen, baß mir, auch gegen beinen Söiden unb beinen mit ben gottlofcn (Surtifanen einftimmigen SBiberfprud), baö fchmählichc 3od) abfchütteln unb auö ber fchimpflichen ilnecht^ fdhaft und befreien . . . gdh fchäme mich, t)ich fo oieled gefchrie* ben, oicled gethan ju hoben, nachbem bu ben Raubet, für ben mir fo muthig und getummelt, mit einem fo clenbcn Äudgang bcfchließeft. i)ad moUte ich oicht ocrholtcn. ^u fchouc ju.

344

II. $ud(|. 4.

tüaö bir cicj^icmc, ob löblicher fei, beinen 2Bo^ltl)ätcrn bic^ banfbar ju bcjciflcu, ober burd) fd)marf)üolIe ©altuiifl bicieniflen äu üerpfliebten, bic ftetö beiu SBcrberben gewollt ^aben. 5öon mir foUft bu miffen, nid)t bloö menn bu je Sut^er'ö 0a(^c bcfömpfcn, fonbern oud) menn bu bid) fo bem römifc^cu 33ifc^of untenoerfen miflft, bag ic^ ßar iiid^t mit bir einoerftanben bin Db §utten'ö 53rief ^Reuc^lin noc^ in Sngolftabt getroffen, miffen mir nidjt. SCBar auc^ bie geift(id)c Verfolgung faum no^ ju fürchten, ber Sitte foHtc boc^ feine S^u^e meljr finben. Vor ^mei 3al)ren Ratten Äricg unb ^eft i^n ou§ Söürtemberg bers trieben: je^t bra^ bie Voiern auö unb trieb it)n micber

nac^ SCÖürtemberg. 3m grü^ling 1521 fudjtc er fein atteö ^auö* mefen in Stuttgart mieber auf. Slber bie bomalige öftcrreid)ifc^c S^egicrung in SBürtemberg münfdjte mit einem folc^cn Spanne il)re Uniberfität jii jieren. ©o ging er nadb Mbingen unb laS ba imSöintcr 1521 auf 22 über gried^ifd)c unb tjebräifc^e ©rammatif ; momit ber bonnalige Vunbe^ric^tcr fid) fdjon in Sugolftabt mic 2)iom)ö ber Xi)rann, ber Sd)ulmeifter gemorben, uorgefommen mar. ^)od) er füt)lte feine (^efiinb^cit manfen. 3J^it ber beffern 3uf)rcöjcit fud)te er §ülfe in bem 8djmar^malbbabe 2icben^ell. @r fanb fic nidjt. ilvanf nad) Stuttgart ^urüdgelctjrt , ftarb er am 30. 3uni 1522 an ber ÖJelbfudjt, ber t)od)berbicntc, bielge* ärgerte lil^ann. @r tjatte ein Sitter bon 67 3al)vcn unb 4 ÜJios naten erreicht.

1) Iluttcni Opp. Supplem. II, S. 803 f.

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345

4Fönftca fiapHcL

c^ntten fättof an bentfi^ f(^rd6en.

1520. 1521.

9lorf) in bcm ©cnbfd)rci5cn an bic SDcntfcfjcn allci* 0tnnbc, mitl)in @nbc September 1520, ()ottc ficb.5uttcn al*5 auf einen iöemeiö, lüic lücnic) i()m um gemaltfamcn Umftur^ j^n tl}un gemefen, barauf berufen, bnß er biöf)er lateinifd) (jefd)rieben ^abe, um bic jn reformirenben Äird)cnf)önptcr erft c^leic^fam unter nier 5(n(^cn jn ücrmamen, unb niept (jleic^ ba^ gemeine Ißolf in bie SWitmiffen* fd)oft jicfien: ob er gleich, f)attc er l)in^ugefcpt, baö le^tcrc tf)iin, mc^r al^ genug 2ln(a§ gehabt fjäiic. 9^o^ mar baö 3a()r nid)t @nbe, alö er biefem ^nlag golge gab, unb beutfe^ ^u fc^reiben begann.

ßotein ic^ öor Qcfc^rteben bot>/

fagt er in einer foglcid) näl^cr befprcdjcnbcn ©d}rift,

^a§ IDOT eint jeben nit belannt;

fc^rei t^l an ba§ ^aterlanb, ieutfe^ ülation in ibrer Sprad^,

3u bringen biefen gingen 9?od^.

aWit alleiniger |)ülfc ber ßateinberftänbigen , baö mar bem fRittcr nunmcl)r flar gemorben, liefe 'eine firc^lic^=poIitifc^c S^efots motion, mic er ftc bc5mccfte, fic^ nic^t l)crbeifüt)rcn. Denn bic einen oon jenen, bic ÄHrdicn Häupter, fud)tcn fie feinbern; bic anbern, bic ^umaniften, mären nic^t ftarf, nid)t entfc^loffen ge* nug, ftc reefet jn förbern. ÜJian brand)tc minbeftenö nod) baö 0dimcrt bcö fRitterftanbeö, baö Qlcmic^t ber 0täbtc, um auf

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316

II. !Bu(^. 5. I^Qpiiel.

folg rechnen tönnen: aber 511 bcibcii mufetc beutfe^ gcfprod^cn ipcrbcn, ba unter ben fRittem bei tueitem bie äRebrja^l im gafle 0icfingen'ö war, für ben $utten nor halb jWei 3a^rcn fein (3c^ fpräd^ Febris ^atte üerbeutfi^en laffen, unb anc^ in ben ©tübten bie ^eutinger ,nnb $ircf Reimer ju ben Äuöna^men gcl^örten. SBie unermeßlich aber, bei ber tiefen Erregung jener ßcit, burch beutfeße ©chriften ^u mirfen war, fah Jütten an ßuthcr'ö 93eis fpiel üor Singen, ber eben bamalö burch feine ©c^rift an ben d)riftlid)en Slbel beutfeher ^Ration alle ©c^ichten beö beutfehen ißolfeS aufgeregt hatte. 2)aju fam für Jütten jept noch i^toeiter @rnnb. @r mußte ju feiner eigenen ^Rechtfertigung mün=» fchen, baß ber ungelehrte fRitter unb Bürger feine ©chriften nicht bloö au<§ ben cntftellenbeu ^öerichten ber Pfaffen fennen lernen möchte. @ineö wie ba^ anbere war nur ju erreichen, wenn er felbft bem gemeinen SJtannc tl}eilö feine angefochtenen lateinif^en ©chriften in beutfeher Ueberfehung oorlegte, theitö, ba lieber^ fepungen immer nur hdll* wirten, neue, urfprünglich beutfd) gc^ büd)te ©chriften hi^äufHötc. S3cibeiS that er, unb eben in ber lefetern Slrt gelang ihm, faum baß er ben ©ntfehluß ^ur beutfehen ©chriftfteUerei gefaßt hatte, ein älieifterftreich.

SBir meinen feine gereimte 5l'lag unb Sßermahnung gegen ben unchriftlichen ÖJewalt beö ^apfteö unb ber ungeiftlichen @eift^ liehen^), bie jebenfaUg fd)ou ju Slnfang ^ecember« 1520 gebrueft war, ba §utten fic am 9. an Suther fehiefte, unb bereite über bie Slufregung berichtete, bie fie unter ben Pfaffen h^’^ai^flcBrocht habe. Sllö ben nächften Sluloß ju ihrer Slbfaffung unb bem hef® tigen 3^one, worin fie gcfchrieben ift, gibt $utten bo^ ©efchrci ber ßiurtifanen über fein ©enbfehreiben au bie ®eutfchen aüer ©tünbe an, auf beffen ®rmib fie ihn für einen geinb aller @eift^ lichfeit, für einen 9Renfchen auSgaben, oor bem man fleh in Sicht

1) g^Iag imb bortnanung gegen bem fibermöjfigen bnd^rlfin^en gemalt beS 93abft8 3U IRom, bnb ber bngei|Hi(!^(n getjlli^ien, burt^ b^rren Sitten bon ^uHeft, ^oeten onb Orator, ber gan^n ^tinftenbeit onb juuoran bem oatterlanb Xeutfd^et 9tation )u nug onb gut, oon toegen gemeiner befd(imernu^, onb aud^ feiner eigen net« turfft, in 3iebmen§ n>cb§ beje^riben. Jacta est aloa. 3(1^ b<tb8 gemagt. 9(ttf ber 9tU(ffette be§ Titelblatts beS 9HtterS befräniteS IBruftbilb, barüber: Dirumpamus vincula eorum & proiicianius a uobis iugum ipsorum. Sd^riftrn III, e. 473-526,

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i^utifti'9 unb SerntQ^nung.

347

nehmen müffc, unb ben crftcc^cn ein SSerbienft tnörc*). 2)cr Steinte ungeachtet, ift biefc ©chrift nicht alö ^ocfic, fonbern n>ic eine bon §uttcn'^ 8fleben betrachten, mit benen ftc auch meiftert ©genfehaften thcilt. Sluch h*^^ ©utten ganj^

gehen, fommt bon einem auf ba^ anbre ju reben, mic ihm eben cinfänt, fcheut ®eberholungcn fcincöroegö u. bgl. m. 2öa^ ihti ober berhinbert, fich an eine fefte 3)i§pofition j\u binben, ift ou^ h^ct ctmoS, moburch er biefen SKangcl reichfith erfeht: bic ©ärme, bie ^erälichfelt, fteUenmeife ber Ungeftüm feiner @mpfin* bung unb fRcbe, mclche ben ßefer befto gemiffer fortreiht, je me* niger fic ihn logifdh jju belehren 2Kienc macht. 3n bringenber, ftilrmenber, mit immer neuen 0tögcn jufchenber Ermahnung ift Jütten ein unbcrglcichli^cr 3Weiftcr. Älö folchen höben mir i()n f^on in feinen lateinifchen kleben mic in einzelnen ©tcQcn feiner ^)ialogc erfannt: bringt nun aber bic beutfehe ©prachc auf

ihrer bamaügcn finblichen (Sntmicflungöftufc unb ber fchlid)tc SWeifterfängerSreim noch einen mcitem gug bon höchfter ©irfung herein: bic Xreuherj^igteit. finb ©teilen in bem ©cbichtc, mo man fo recht fpürt, mic ber SD^enfeh in §utten bon bem (Sifer für bic ©ochc, ber er fich ergeben höt, mic bic Äcrj\e bon ber flamme berjehrt mirb, unb bie eben baburch überouö rührenb mirfen. Sh^^cm Snholte nach ift bic Älag unb SBermahnung bie gufammenfaffung allcö beffen, maö Jütten jematö gegen bic ultromontanc Äuöbeutung ®cutfchlanbd unb baö ®crbcrbcn bet Äirchc gefchrieben hötte ; bic üöefchmcrbc Über bie neueftenö gegen ihn berhöngte IBcrfolgung geht nebenher ; bic fteigenbe ©inmirfung bon ßuthcr'ö 3bccn ift unoerfennbar; baö SBcrtraucn auf S^aifer 5^arl ift nodh nicht bahin; auf bie ©täbte, bic eine befonbre @m= pfänglichfeit für bic IRcformation geigten, fängt, neben bem ^Ritter» ftanbe, bic 5(ufmcr!fam!cit unb Hoffnung fid) j\u richten an. Sflanbanmcrfungen, melchc theils ben 3nhalt im ©in^^elnen angc^ ben, theiU bic im Xejt ange^ogenen ©ibelftcUcn nachmcifen, boU= enben ebenfo bic Solföthümlichfcit bc^ SüchlcinS, mic fic beffen poctifchen ©chein bodenb^ jerftören.

Jütten (fo leitet bod (SJebicht fich ein) fühlt fich gebröngt, bic ©ahrheit ju fagen, Imlage ju erheben über 3eethümcr unb

1) li^nnbtfihüIbigunQ k. 6<^ritten 11, 6. 131.

348

II. 5. ito))iteI.

©cbrcc^cu, burcf} njelc^c bic bcutfc^c Elation bcf(f)it)ert unb bie ©ittcn üerbcrbt lucvbcn. 5)ic öcrblcnbetc Ü)?cnfc^^eit (baiS ift i^m nirf)t unbefannt) iDcbrt ftcb gegen ni^t^ fo eifrig, als gegen bie SBabr^eit unb beren 53crKinbiger : bal)er ruft er @ott an, er möge bie 9J?eiifcl)cn, inSbefonbre biegürften, burc^ feinen ©cift erleuc^* ten, ba§ fie ^Religion non ?lberglauben, ®f)nftentl)um non Pfaffen* tl)um unterfc^ciben lernen. @r felbft fif^ <^*1 ben Xroft, bog bic 3Scrfolgungcn, bic um feines Sßa^rljcitSjeugniffcS millcn über il)n crgcl)cn, nur ben ßeib betreffen, bic ©eele aber nid)t töbten fönnen. S3on ber Unterfc^eibung beS ©eiftlic^en unb SGBcltlicben, ber ^inmeifung auf baS llcbcrgrcifcn beS ^apfteS unb ber Älcrifei in baS leptere, gel)t bann bic eigentliche S)arftcllnng aus. ^err* fdjaft, 9flcichtl)um, SEÖol)Uebcn, mornad) ic^t bie $äpftc unb i^irchen* l)änptcr üor allem tradjtcn, finb iprem urfprünglichen 23crufe fremb. 9lad)cinanbcr werben bann 0d)lüffelgcmalt unb Slblafe, Xnrfenfrieg unb ^cterSfivd)c, ^J5allienf)anbcl unb Surtifanenmefen, fur^ alle bic befannten Älagcpunftc gegen bic römifchc Suric, aufs neue burdjgcnommcn. Sßortrcfflich nerwertbet ^utten, um bic päpftlichc 3Birtl)fchaft red)t Icbcnbig §u malen, feine eigenen rö= mifd)en ^ilnfchouungcn.

^)o(^ foll man roiffen unb t|l wal^r,

(5§ feint öerganßcn etlic^ 3obr,

5)0 wont 9?om erfennen oud^,

Unb tnoS bo mär ber 9t5mer (f^brout^.

9Bie inöcbt ^te non oder 6(^anb

Ser^ö^lung t^un, bie i(^ bo fonb?

^on |id()t bergleid^ in feinem t^onb.

Unb nit oflein moS ?lnber t^un,

(^I§ bann bic 2BeIt fic^ ärgert nun)

9Jlit Sünben, bie bo feinb gemein :

55icl ©odben 9Iom betreibt oflein,

Der etlidb toiber menfcblidb ^rt Unb ofl notürlidb SBciS gefort.

Sonfl i<^ öfeb^n grobe ©(^oor Die ©offen treten bin unb bor,

S3iel 6fel unb niel ftoljer ^ferb,

Der etli^ niel Ducoten wertb,

Unb fein gesäumet ouf mit ©olb;

Oft, menn idb oudb fbojieren toofli.

So lom idb mitten in§ ©ebräng,

^utten^S ftlag unb Slkrnia^nutifl.

849

Son bem bte @af|en loaren eng Unb biejcr Steuter ßfKcfct öol,

t)on ®IUd mag faßen mol, mt(^ fein 6fel trat }u tobt,

99iemol li) ^ab ßelitten !Rot^. t)a ritten ^er bie 6arbinäf,

2) en folgten nQd() Officifil,

9(ebt, lBif(^5f unb Prälaten uiel,

^ie i(^ nit nennen fan no(^ toiQ,

$iel ^e^jant, kröpft unb anber ®f^mei§, 9}on ben i(^ t>iel )u faßen toeiß,

3n 6fiben, Purpur all gcllcibt,

^it Stauben, Putten auSgebreibt.

$)ann fatn ber ®opft ju biefcr @(^aar,

?(uf einer woIgef(^inü(ften ®a^r,

3) en trugen jmbif Trabanten ^er,

9US ob er möt^t nit ge^en mc^r;

10a mugt man ft^reien vivo laut,

^ofieren ber geflenten (b. gepulten) IBraut : 3)rum gibt er ®enebiction,

So loirb man reid) unb fclig uon.

Sag einer nun, wo ©ott^eit fei,

Cb ^^riftuS ou(^ m5g mo^nen bei,

Sa ift ein fo tprannifc^ Ißrac^t?

S)ann in ber ^-öcfd)rcibuuö besJ lucitcv:

Sa liefen oiel (Sopiften mit,

IBiel taufenb Sdjreibcr, au(!() ein ©Ueb Ser Äirc^en, bie ju 9iom regiert;

3n bem je| inanc^ier Q^l^riften irrt,

Sonn nid^t ju 9tom bie Pir^ allein,

%11 Oi^riften fein ba» in gemein ....

9lo(b df'^cn lang ^roeeg,

©in %ol(, ber f^rommfeit ungemd^:

Siel f(b5ner grauen, wobtgefleibt,

Sie jebem fein um§ ©etb bereit;

3Wit ben ber 9iüffioner ^eer,

Son ben lein ©ag in 9tom ift leer;

8)tan(b ^oocat unb Vubitor,

9totorien unb Stocurator,

Sie Süllen geben, fpretfien Siee^t,

Ser ieber fein ©finb unb Pnec^t, Sarunter ift man(!f) toilb ©efeO,

I

350

n. 5.

2)en man (Surfor, ben ^beU,

^ie aud^ ein @lteb bcr ftirc^en fein 3u 91 om, unb nehmen tfigli^i ein 93on 2;eutjd^en unfer St^toeig unb $Iut.

9|} baS )u leiben? unb iftS gut?

3(5 ratf), man geb ifjn’n fürber me^

Äein Pfennig, bafe fie i^ngerStoe^ grfierben unb burd^ ?lrmut^

S)ab nit, jutoibet (S^r unb (Sott @o(^ unnüg Sott auf 6iben leb.

3ff lefctere^ ein un§ fd^on bctannter ^uttcn’fc^cr SJorfd^lag, fo ift ber ©ebanfe, bag bie Äirdfc feincStoegS bloS in 9iont ju fud^en, fonbern überall jn finben fei, njo eine SBerfammlung gläubiger ©Triften fid) befinbe, bur(^ ßut^er'iS ©c^riften in Jütten 5um S3en)ugtfein gefommen. 2öaö weiterhin auögefü^rt toirb, ba& alle Söifcböfe gleichen iRangeg feien, unb bie ©etualt bed römifc^en ebenfo mit bem S3e3irfe oon ?Hom, mie bie beö main^ifc^en ober mürjburgifd^en mit ben @rän5en biefer ©ebiete ein @nbe ^obe, mar fc^on im SBabiScuö angebeutet. 2)ie SGÖa^l ber öifc^öfe mill Jütten bem Söolfe jurüdgegeben miffen, baö babei me^r auf geiftlic^e (Sigenfd^aften fe^en roerbe al^ ber $apft, bem,

SBenn man ibm’ß @elb hinein gat btad()t,

@0 le6 ein Sifd^of »ie ein j?ub.

®a gebt bem 93apft niegts ab nodb )u.

2) ie S3if^öfe finb jejt Säger, Krieger, tüchtige ©c^melger; ba§ ^rebigen böngen fie an einen armen Äned^t. ^5)agegen merben reebtf^affene üßrieftcr, bie bem Söolfe boiS SBort ©otteg auölegen fönnten, nic^t beförbert.

©anj befonberö finbet ficb ^uttcn’ö patriotifd^cö §erj ba= burdb empört, bag alle biefe SWißbräuebe uorjffiglicb auf bem beutfeben Sßotfe lafteten. ^£)ie Staliener, fagt er, benfen nicht baran, für bie ^eterSfirdbe ju fteuern, ober 2)iöpen§ oon ben gaftengeboten ju laufen.

fdlein bie Xeutftben Warten fein.

2)aS tbut mir toeb unb madbt mir $ein.

3) ie bcutfdben gürften töbere ber ^apft mit golbenen 9iofen, unb nod) feiner bobe ftcb gefunben, ber ben Xrug gemerft, unb bie 9fiofe miber bie Söanb gemorfen b^tte. 2)ocb b^fft Jütten

^utten’S unb $erma^nung.

851

®cffcre§ Don Äönig Äarl. 3^n bittet er, i^m gnäbig jujupren ; ofleS, fügt er, ic^ in biefen S)ingen t^ue.

6oQ gf<b«^en oIS ju (S^ren bir.

^ann fonft nit aolt gebühren mir,

Sieid^ Vufru^r }u ^eben an.

9tn freie Xeutf(ben i(^ nerma^n, bir }u UntertbAnigteit 3u fein in biefem 6dbimbf bereit,

S)ag gbolfen merb bem gongen fianb,

Unb au§getrieben 6(bab unb Sd^anb.

^eS foQt ein ^uptmann bu allein, Vnbeber, audb l^oQenber fein.

@0 min mit aflem baS idb mag 3u f)ienft bir fommen ^ladbt unb 7ag, Unb bgef)r non bir beS (einen fiobn. nRöcbt i(b aüein erlebet b»n/

^a^ mttrb gelegt ^fdbmernuS ab,

!Son ber i(b uiel gefebrieben bat>:

3n Vrmutb mbnt idb fterben gern,

9(u(b aOe§ eigen 9iub entbebrn.

6o foH man audb bi<>^fn (ein @b^ nJHr fdbreiben }u, bu bift ber ^err,

Unb maS hierin gebanbelt mirb, f)ut^ ba§ bein Sob foü »erben gjiert. ^rum bub ein ^er) unb fdbaff ein 8Kutb!

min bir meden auf }u gut Unb reifen manchen ftoljen ^i(b; i^abS febon ibr nieten eingebilbt,

Unb fehlt ancin an beim @ebot.

^ilf, mertber ((5nig, IRotb!

2aß ßieben aud beS 9bIerS $abn,

@0 monen mir eS beben an.

3n ber frühem bunfeln 3cit lourbc jeber, ber für bie SSkt^rs ^cit jeugte, imtcrbrücft: fo j^ulcfet noc^ unb ^icronljmuö Dcrbrannt.

Seither but niemanb gmbnt blnnadb,

Unb forebten an beS S^uerS ^5n:

%ifi febo unfer rflffen 3u>een (äutber u. Jütten). 9Ber meiß, maö jebem befebeert?

852

II. 5.

^od) f)offt er, man tücrbc iljn nid)t im ©tic^c loffcn.

ftoljcn ?lbfl id(| bfruff;

3bt frommen ©täW eu(^ merfet uQ:

JBBir loöIIcnS polten inflcmein,

Sofet bo(b nit ftreUen mi^ allein, erbormt eu(b über’§ Saterlanb,

3^r. mert^ien 3leut|d(ien regt bie jg>onb!

ijt btc Seit, )u ^cben an Um Sfrei^jeit friegen. ®otttt)ifl8 l^an.

^>er3u, roer 9Jlanne§ ^)erjen bot,

@ebt oorber nit ben 2ügen Statt,

®amit fte bon oerfebrt bie SBelt.

5Jor bot eS an ®ermabnung gfeblt,

Unb einem ber eu(^ fägt ben @runb, ftein Sab euch bamaU meifen funb,

Unb maren nur bie 'fJfaffen gicbrt.

3ebt bot un§ ®ott au^ Äunft befebeert,

3?afe mir bie 93üdber auch oerpabn! ^

SOoIauf, ift Sf‘t, mir müffen bran. . . äöir hoben aller Soeben ßfug,

@ut Utfatb unb berjelben gnug.

Sic hoben ®otte§ 9Bort oerfebrt,

5)a§ dbrifUicb Solf mit ßugen bfdbmert:

^ic i!ugcn mblln mir tilgen ab,

Uff ba^ ein Siebt bie SBabrbeit hob,

2)ie mar oerfinftert unb üerbämpft.

®ott geb ihm i^cil, ber mit mir fämpft,

2)o§, hoff itb, moneber Slitter Ibu,

^aneb 0raf, moneb ®betmann boju,

9Jlaneb Burger, ber in feiner Stabt ^er Soeben aueb $efebmernu§ bot,

%uf bag i(b§ nit anbeb umfunft.

SBoIouf, mir hoben ®otte§ ®un^!

S©er mollt in Solebcm bleiben bbeim?

3<b bobS gemogt! ba§ ift mein fReim.

$uttcn fclbft {a(^t üon biefer Schrift, er [jabc fic „in einer ^i^e (über bie aiiigbeutunfl feine« i^laflf^reibcn« an alle ^Deutfc^cn) au^et)en laffen", unb nennt fie einen „jomiiien ©priicft" : fein SöunbeV, baß feine geiftlic^en ÖJegner ber aJWnunt; mären, er ffabe in berfelben alle ©rennen ber (Jbrbarfeit überfc^ritteu, unb baß ißnen feine ©träfe bafür fd)arf flenufl bünfte. ©ie ließen

^utien’S toie fid^ bie it, 858

nun jencö ©cnbfc^rciDcn fa()ren, unb n)arfen fic^ auf bic gereimte Ä'lage, bie Hjneu weit mc^r ©toff bot, um gegen Jütten ju erregen. 3Bie er fic^ nac^ einiger ^eit bemüßigt fol), eüie eigene 0c^ufefc^rijt 5ur Slblel;nung biefet !öe)c^ulbigungcn ju oer^ f affen, merben mir halb fiiiben.

3ökir in ber fo eben erörterten ©c^rift, neben bem Äcrne be^ beutfe^en ^öoltej^, auc^ auf ben jungen Äaifer Äarl gerechnet, fo fefete Jütten um biejelbe ^eit gleic^fam eine eigene ^nftruction für i^n über ben $uuft, um ben oor allem ju tljuu mar, auf, in ber Äurjen ^njeig, mie aHmegen fic^ bie ^üpft gegen ben beutfe^en Äaifern gehalten Ijaben*). öebenft man, baß l^arl nidjt felbft 'J)euttc^ lefen fonntc, baß auf bem Xitel ber ©c^rift fteljt: St. ajtajeftät für^ubringeu, unb baß granj üon ©iefingen bamald §äufig am ^ofe mar, bei jlarl oiel galt unb fic^ (Einfluß auf benfelben jutrautc*), fo fönnte man fic^ ©icEingen als ben^ jenigeu benfen, ber nad) ^ilnleitung beiS oon feinem greunbe auf* gefegten ©efc^ic^tj^abriffcd bei guter ölelegen^eit ben jungen $err= fc^er iuftruiren joUte.

ÖUücftid^ ift, fagt bie öorrebc, roer burc^ fremben, nic^t unglücflic^ auc^, mer burc^ eigenen ©c^aben flug mirb; mer aber burc^ feinem oon beiben fic^ mi^igen läßt, bem ift nic^t ^u bdfeu unb gefc^ie^t im ©runbe auc^ fein 9iec^t. äBaid er oom ^apfte für Siebet unb @utej^, für Xreu unb QUauben ^u ermarten ^abe, baoon böl Äaifer Äarl tl)eild an fic^ felbft fc^on bie (Srfa^ruug gemadjt. tljeiU mirb i^m ^ier auö ben ©efc^ic^ten feiner ^or^ ganger in Erinnerung gebracht, mie benen mit ben $öpften ergangen ift. SlU (irgebniß ftcUt fic^ ^erauö, „baß feinem beutfe^en it:atfer oon $äpften, ed märe beim ^u i^rem eigenen ^ujen gefc^e^en, ÖUeic^esJ (JöilligwJ) je miberfabren ift", fonbern fie oon benfelben immer nur betrogen, oerratt)en, mit Unbanf belohnt, ober fonft miß^anbclt morben finb.

X)er gef^ic^tlic^e 2lbriß gc^t oon Otto 1. bi^ auf SD^aji'

1) ^eri 9)Irtd(i§ Don Jütten Qn)5ig 9Bic oUtoegen fi(t) bie Tbmijdl^en IBU ober SApft gegen ben teUtjd^en itapgeren gegolten ^aben, off b) fttrgft oft

St^roniden onb ^tßorien gezogen, k. inaieftöt fUr^ubringen. b<^b§ genagt. ©(Reiften V, ©. 863-384.

2) Jütten an 2ut()er, ^betnburg, 9. S)cc. ©(^riften 1, ©. 436.

Vll. 23

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354

II. 5. I^Q))tteI.

milian unb Äarl herunter. 3)cr ^ampf bcö „tucrt()cn gelben .^cinric^'iS IV., bc§cjtcid)cn in beutfc^cn Sanben nie geboren", mit Gregor VII.; „bcö auöermä^ltcn hegend griberic^'ö I., ber nad} §einric^ IV. für ben allerftreitbarften beiitfdjen i^aifer, fo je gelebt, ju achten", mit SUcjaiibcr III.; griberic^’ö II., „ber fic^ fein Seben lang mit ben köpften .Ijat müffen beißen", mit brei ^äpften nad^einanber; ^einric^'ö VII. rät^fel^afteö @nbe, bilben ^auptpunfte biefcig @cfc^id)töfpicgeU. ein abf^reefen- 33eifpiel erfd^eint and} ßier, mic immer bei Jütten, ^arl IV., „ber fteß ganj^ meibifc^ finben laffen", inbem er fic^ oom ^apft aug SRom unb gtahen meifen ließ, auc^ fonft unel}rcn^aftc 23ünb' . niffe mit bemfelben einging. . gricbric^ ben III., ^arl'^ V. Ur^ großüater, muß Jütten fdjonen: fo leitet er feinen Umoillen ouf ben ^opft ab, mit bem jener ^u tl}un l^atte, „ben aHer- untreueften unter allen ^üpften, bic je gelebt, $iuö ben Slnbern". @r ^abe bie öefc^merung ber bcutfi^cn Station auf i^re je^ige §ö^e getrieben, bie Slnnaten, greife ber Gallien u. bgl. gefteigert, au^ bic Appellation uon bem ?3apft an ein ßoncilium oerboten. Ißon aWajimilian mirb ber Auöfprud) a'ngcfül}rt, ju bem il)n fur^i oor feinem Ableben eine XrculofigEeit ßeo'öX. Ocranlaßte: „S^Iun ift biefer fßapft aud) ^u einem Öö^mic^t an mir morben. iliun mag id^ fagen, baß mir fein $opft, fo lang ic^ gelebt, ,je Xreu ober ©lauben gehalten bol; i^ieß foll ber

le^te fein." i^n auch @ott gcmäbrt, fe|t Jütten l)in^u, benn @ott b^t halb barnacb über ibn geboten.

^aß ber gegenmärtige^apft aud} auf ben gegenmärtigen Äaifcr Äarl fein Abfel}en b^^be, crl}eHc baraug, baß er einen- Segaten über ben anbern ju ibm fd}idEc, it}n auch mit 33ifcböfcn unb (Sarbi* nälen, bic im päpftlicben gntcreffe fteben, fo gang bebönge, baß er nicht miffc mo au^ unb ein. ®a gelte eö, aufäumerten, benn i^arl bürfc nid}t glauben, baß bie köpfte ibm mehr, alö anberen Äaifern oor ibm, Glauben beiten merben. bereits b^^bc er, auf s bie ^efdbmcrben ber bcutfd}cn gürften bin, ficb eine 9Icformation oorgenommen: oon fold}em guten S3orl}abcn fud}cn ber $apft unb bie ©einigen ibn abjubringen; gelänge baö, fo lad}ten fie in bic gauft. 5)arum muffe man ben Siaifer untermeifen, baß er fidb nid}t burd} bcö ^apftcö gute SBortc bemegen laffc, bic Sü^änncr, bic 511 folcbcm beilfamen SBerfe vatben, 511 oerfolgcn. 2)cnn eben

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Jütten Uftbeutj(^l jcinc ÄlQfljd|Tctbcn.

355

barin bcftcljc baö ®lücf, boiS er Dor fni()crn ^ervfe^ern uorauö ^Qbe, ba6 jc^t Scutc nor^anben, bic miö (^niub ber ©rfjrift bic= fer Sachen berietet feien unb ben Äaifer barüber bevicljtcn fönnen ; ber fie bal)er billig nicf)t nerijinbern taffen, foubevn förbern unb unter ftüfeen füllte.

2Benn Äarl bamalö, U)ie§utten an £utt)cr fc^rieb*), grausen bic 3wfa0C gab, er werbe §uttcn nic^t unterbrüefen laffen, nod) ungc^rt üerbammen, fo fönntc bieg baä ©vgebnig äljnlidjcr ^or* ftctlungcn gewefen fein.

Sieben ben neuen, urfprünglic^ bcutfd)cn ©c^riften, üon benen bi^^cr bic 9lebc gewefen, arbeitete nun aber §uttcn ju? glei(^ an ber Ueberfe^ung berienigen öon feinen lateiuifdjen, welche in ben üon i^m begonnenen Äampf gegen 9?om einfc^lugen. Querft überfefete er (üielleic^t mit $ülfc öuecv’ö, ber menigftenö fpäter igm bergleici^en 5)icnftc leiftete), fein iilagfd)reiben an bic 2)cutfc^en aller ©tänbe^); wobei er in einer ^Jiadjfdjdft fein ^ior^aben anfünbigte unb beffen (^rünbe barlcgtc. @r Ijabc in ©rfa^rung gebracht, fagt er l)ier, bag (Sttid^c feine 0c^riften bei ben Unoerftänbigen übel auölegen, unb anbcri^ al^ fie an i^nen fclbft ücrftauben werben wollen, Oerbeutfc^cn. Um fid) nun bei iebermann allcö SSerbaegtö ^u entlebigcn, unb aueg bem gemeinen SJiann erfennbar ju mad)cn, wie billig ober unbillig er get)anbelt, unb ob er bem ^apft unb feinen ^Romaniften Urfad) gegeben l)abe, il)n 5U ocrfolgcn, ^abc er fieg oorgenommen, alle feine in iiatein gefc^ricbenen '^üc^cr, in benen, wie er jefet erft fel)e, bem ^apftc üon il)m niegt 511 Gefallen gelebt fei, in bie beutfege ©praege, fo gut er immer fönne unb fieg fegiefen wolle , /^u überfegen. ®enn er trage ganj feinen ^bfegeu, begegre oiclmegr üon ^eri\cn, bag jebermann Söiffen gobe, weld;cd bic Sraut fei, barum mau igm 5U tanjen jugemutget. ^ud) j\weiflc er niegt, wenn biefe

1) !5»t b«m 363 ongeftt^rten ©rief-

2) ein eiogjcfirift be§ ^o^iberümten unb eernueften ^lenn ®(ri(jf)§ uon Jütten geftbneten Poeten Unb Orotor an olle ftenb 2)eütfctifr notion, wie uiiform» lid^er weife unb gon^ ge|4iwinb, unerfuefit ober erforbert einiges rc^lcnS, Cr mit eignem tpronnijeben gewalt uon ben Äomoniften an leib, eet unb gut bej(t)Wfrt Unb benbtiget werbe, ein grofjcS bingl ift bie wa^r^eit, unb ftord über alle. 3 esbrä 4. Schriften I, 6. 40.5-419. ©etreff ©ucer’S ugl. feinen ©rief uom ^bril 1521 in Ilntinni Opp. Suppl II, S. 800.

356

II. Su^. 5. ftapttcl.

feine ©rf)tiften uäd^ften§ in§ ^eutf^e fommen, tnerbe man fin* ben, bag er anberö nici^t benn e^rbarlic^, e^rlic^ unb ol^ ein grommer üou 3lbel, nid}t unflebü[)rlid^, flefc^rieben ^abe.

^abe er, feiner S^lut^biirft nac§, ^uüor onjeigen unb nertünben motten.

2öie biefcd Unterneljmen §nttcn’iS einem ß^itbebtirfnig ent= (jcflenfom, unb toeldje ©tjmpatbien er fid) in bem beffern X^cilc be^ beutfdjen Solfeö bereits gemonnen ^otte, fe^cn mir barauS, bab ungefäf)!' um bicfelbc ßcit ein „unbefannter ßieb^aber ber göttlichen SBat)rI)eit unb beS ^SatertonbeS" ftch boran machte, bic fämmtli^en Älagfchrciben ,§utten'S in baS 2)eutfche j^u überfe^en unb mit einem Öormorte oott mariner ßuftimmung ju begleiten. „SBohlauf ruft ber Unbefannte allen ^eutfehen ju, „eS ift S^it, baß mir unfre jeho langher oerlorene greiheit mieberum ju er* langen fuchen. §ier (in §utten) höbt ihr ben rechten Slnrcijer, ber uns, ob ®ott mitt, bie großen ^äupter, als ^aifer, gürften unb ben ^bel, ju ^ülf in biefer ©ad)e ermeefen fott. ®aju unb ju anbrem feinem löblid}en gühmehmen geb ißm @liicf unb $eil ber allmächtig ®ott, meldjem ju Slji^cn, mie unS allen ju 9^u| unb QJut, er biefeS ohne fürgenommen höt. Um gemei*

neu S^uJenS mitten, fährt er fort, l)öb’ ich etliche feiner ©Triften, mie mir bie ,§änben fommen, auS bem ßatein in^S ®eutfd}c tranSferirt, fo oiel als bie 3icr lateinifcher ©prach (bie in etlichem nid)t ^u üerbeutfehen ift) höt leiben mögen. (5Jott geb' euch allen üicl feiles unb ein beftänbig feft ©emüth, chriftliche Sßahrheit unb greiheit beS SSaterlanbeS ju oerfechten, ^ieneben laffet euch ben frommen Jütten befohlen fein. Zxo^ D^omanift*)!'"

$utten feinerfeitS ließ ber Ueberfe^ung beS angejeigten unb noch eines anbern feiner Älagfchreiben*) eine Uebertragung jener ©efprächc folgen, bie er im oergangenen grühjahr lateinifch herausgegeben hötte. @S finb bie beiben gieber, ber ®abiScuS ober bie römifd)e ^reifaltigfeit unb bie ^Infchauenben®): bie gor*

1) ^uttcn’S 6(!^rtften I, @. 871.

2) ®ic ticrtcutld^t cIqq Slrit^S öon Jütten an Sribrttben ju

6o(blen» bc8 bdL 9to. 9lei(b§ er|morjd^Qld unb ic. 6(brift«n I,

383—399.

3) @c|prä(b bü(hlin SSIrid^S tion Jütten. Seber bo§ 6rß. Sreber

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l^utien üerbrutfc^t jeinc laiciniji^en (3cjprö(i()e.

357

tuna üermiffcn iuir in bcr Ucbcrfe^ung, ol^nc ßbJcifc! tücil i^r 3nl)aU mc^r pcrföiUic^cr S(rt, mit SRcformntorifd^ein nur beiläufig burc^fto^tcn mar, mäbrcnb ^uttcn f)icr nur baö fermere ©efe^ü^ gegen fRom noc^ einmal aufla^ren moHte. 2)iefc 5(bfic^l jeigt fc^on bie merfmürbige SSerjicrnng beö ^^itclblattcig. i)ie Sßortc beö Xitclö fielen in einem SSicreef, bae> non üier bilblirfjen ^ars ftcüungcn umgeben ift. Oben (rcd}t^ bem ^efd)aucr) über SBoIfen ber Äönig 55auib mit feiner |)arfe, ber auf einer Xafel bie SBorte bejg 94. ^falmö Sß. 2 (latcinifc^): Sr^ebe bid), ber bu rid^teft ben ©rbfreiö, ja^le Sßcrgeltung ben ©toljcn! bem bärtigen @ott ®ater (linf^) Uürl)ält, melc^er auc§ fdjon jürnenb abmärtö blidt unb ben ^feil ergebt, um i^n auf bie @rbe binabjufc^leubcrn. 2(uf beiben ©eiten beö.^itetö finb jmei ©tanbbilber: linfö fintier in ber 3Jiönc^öfuttc, ein Sud) in ber §anb, mit bcrllnterfdjrift auö r^roverb. 8, v. 7: Veritateni raeditabitur guttur meum; redjtö §utten im $arnifd) unb mit bem ®egen umgürtet, unter it;m fein SBaf)lfpruc^ : Perrumpendum est tandcin , perrumpendum est. (^iefe beiben ©tanbbilber ftel)cn nod) einmal am @nbe beö ®uc^ö mit beutfd)en fReimcn alö Unterfc^riften; bei Sut^cr: 2Ba^r()cit bie reb id), i^auf bcö 9^eib an mic^. @ott geb mir ben Süf)n, §ab ic^ö falfc^ get^on. 33ci §uttcn ber fc^Öne 3Serö: Um SBal)rl)eit ic^ fid)t, 9ticmanb mid) abric^t; brec^ ober gang, @ottö ®eift mic^ be^^mang.) 2)aö luftigfte öilb aber ift baö unter ben Xitelmorten. i)a rennt linfö ein l)eller ^anfe ©e* mappneter, fReiter unb gi^ßgängcr, mit üorgeftreeften ©piegen auf eine ebenfo bid)tc ©^aar non Pfaffen aüer Slrt ein, bie fic^ (rec^tö), ber ^pft mit ber brcifac^cn Ärone im SSorbergrunb, hinter il)m ein ßarbinal, 93ifchof, Hbt, Etappen nnb Äutten jeber gorm, gar jämmerlid) gebärben. Ueber bem 93ilbe bie Söortc auö $falm 26, 5: Odivi ecclesiam malignantium.

SBie fchon früher bie Ueberfepung beä erften gicberö, fo mibmete $nttcn jc^t aud) bie fämmtlicher nier ^efpräc^e „bem ebcln, hnchberühmten, ftarfmütl)igen unb chrenneften granj non ©idingen, Äaiferlichcr iiajcftät S^att), Wiener unb ^auptmann.

bo§ ?lnbet. 3öabi8cu8 ober bie ÜRömijj^e brebfottigteit. ®ic ?ln|(^att)enben. ©d^tiflen IV, S. 101 ff.

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II. ^u(^. 5. I^apitcl.

feinem bcfonbeni ücrtraiitcn imb tvöftlic^eu (juten Jf^cunbe''. SSJiv fommen auf biefe fpäter j^urücf, Don bereu 3us

Ijalte mir tjier mir baö auöi)ebeu, maö bie Ucbcrfebuug betrifft, uon me(cf)er §utteu fagt, bag er fie „ucid;ft ucrfc^ieuer Xageu (üor 9^teuiol)r 1521) in ber (5Jcred}ti(ifeit §erberflcu eileub^ uub ot)ue (irögcru ^abe. SSaö Jütten uüu bem erfteu,

gieber gefugt ^atte, ba& e^ „im Sateiu üiel lieblicl^cr uub fünfte lieber benn im 2)eutfd)eu laute“, trifft freilich and) bei beu übrigen ©efprüdjeu ju, uub l)utte tbeilö in bcr^ad^c, tl)cil§ in ber $crfou beö Ueberfe^er^ feinen @runb. Seneö, meil ein SS3erf, in einer audgebilbeten ©prad)e üerfafet unb in bereu (Reifte gcbad)t, burd) Uebertragung in eine ungebilbctc, mie bie beutfd)e @prad)e ba* malö nod^ mar, notfjmcnbig verlieren mug; biefe^, meil |)utten im ®eutfcgfcgreiben ein ^Infünger mar (unb feine‘^ frühen 2obe§ megen blieb), bem inobefonberc bie gemaltige görberung, mcld)e auö Sutl)cr’‘5 0d)riften, üor adern auö feiner iöibelüberfc^ung, für bie beutfd)e ^pradje in ber nnd)fteu ^c\i erma^fen füllte bamali^ nod) nid)t 51t @ute fommen fonutc. ^ie Ueberfepung ift fegr getreu, unb menn e^ an gürten nidjt fclilt, bod) im C^an^en red)t leöbar. 3a, imn einem ber öJefpräcge möchten mir fugen, bag fid) im ^cutfegen beffer auönimmt alö im 2atei= nifegen. ^)aö ift ber Öabiöcuö mit feinen ^reigeiten. ®er* glcidjen ®crfröpfuugcn paffen trefflieg jum bamaligen beutfegen 0tljl, mügrenb fie ben lateinifegen entfteden.

®au^ ogne fleine iÖerüuberungen aud) beb Sngulteb finb bie (^efpiäd)e gleid)mogl nid)t geblieben. ^)ie rafeg fortfegreitenbe ^eit fegien foldje 511 ergeifegen. 2>o mar im lateinifegen S^abibcuö unter ben Urfaegen, mclcge bibger bie 2)eutfcgen ni^t gaben mcife merben laffen, literariim iniperitia angefügrt. ^aüoii ift „Un* befanntnig ber ©d)rift“ im üerbeutfegten ©efprüege feinebmegb bie bloge Ueberfe^ung; fonbern bie lutgerifd}e iöetrad)tungbmeife tritt gier an bie €tcde ber gumaniftifdjen. 3m lateinifdjen ('jrunbtejtc beb ^meiten gieberb mar tabelnb bemerft, bag mand)e ^i^faffen igre ßugülterinncn geiratgen. ©erabe bieg gatte nun aber inittlermeile (für ben bag beibe cinanber mit löcftäus bigfeit lieb gaben) Sutger ben (^eiftlicgen geratgen, mie eb benu in ^urjem aud) ^ra^ib ^u merben unb bem Üutgertgum ^um

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$utten§ SReime ju j^incn öerbcutf(^|ten ©cfprä^cn. 859

Somjiirfc JU gcrcirfjcn anfing: bal)cr lieg Jütten in ber Ucbcr= fc^ung biefe ©teile ineg*).

Ungleirf) n)id)tiger jebod) al3 folcge f leine Slenberungen im Xcjte, finb bie melcge §utten in ber ©eftalt üon ge^

reimten unb ^^adjmorten ber Ueberfegung feiner ©efpräd^e beigab. 3m 2ateinifdjen Ijattc nur bie Trias Roinana eilten ©pilog in ^iftid)en, ber ben Snljalt beö ©efpräc^ö furj jufanis menfagte. 3n ber Ueberfebung haben alle uier ©efprädje jebeö fein 33ors unb S^adjmort, meuon jebod) baö Sßonoort beö erften mie ba^3 9lad)mort be^ lebten oieImel)r 5Bors unb 9^ad)U)ort jum ganjen 33uche finb®). ®aoon gegört gleid) baö erftere jum @rs greif enbften, maö §utten gefegrieben gat.

2)te 2Ba^rl)cit i|l öon neuem ßbotn,

Unb t|Qt ber 531rug fein ©d(|ein üerlorn.

5)eS fag Wott jeber 2ob unb Unb Q(bt nit fürber fingen nie^r.

3n, fog t(b, SBabr^eit war öerbrurft,

3ft wieber nun ^erfür gerudt.

^eS foll man billig gniegen Ion,

!2>ic baju b<iben Arbeit gt^on . . .

^l(h, fromme teutfeben, b^U ein 9iatb,

1)a nun fo weit gegangen bat,

35a^ nit geb wieber hinter fub- 8Jlit freuen bat)*ä geforbert icb,

Unb bgebr be§ weiter feinen ®niefe,

®ann, wo mir gfcbfib be§balb oerbric^,

!J)ob man mit ipilf mich nit berla^;

€o wiQ icb au^ geloben, bag Son Sfiobrbeit idb will nimmer Ion,

Dn§ fotl mir bitten ab fein Wann,

9lu(b ffbafft/ jn füllen micb, fein 29ebr,

J[?ein '8anii, fein ?tcbt, wie fop unD febr Wan micb bamit ju febredfen meint;

2lüewobl mein fromme Wutter weint,

®a icb bie €acb bött gfangen an:

@ott wöU fie trbften, mu& gabn;

Unb foHt breeben auch norm 6nb,

1) Die ©teilen f. in J^utten’S ©ebriften IV, 6. 220. 127.

2) cebtiften 1, ©. 460—152.

360

II. ^ud^. 5. »Qpitel.

StQS ®ott, fo mQg§ nit »erben g»enbt,

'Darum »itt braud^en unb l^dnb.

^abs ge»ogt.

^Qitn bic 33cfd)Iugrcbc:

3(b ^ab eu(b’§ gfagt, t^r ^abt§ gehört:

SBtr ^einb ge»efen lang bet^ört,

9t§ ba§ un§ bod^ l^at @ott bebad^t,

Unb »ieberum ju @tnnen brad^t.

®r, ^uttcn, loiffc felbft nid)t, tuie er in bag ©picl gefommen; @ineö nur woHc er, bei ber Icpten S^otl) unb fo loapr i^m @ott pelfcn möge, betf)eucrn, baß if)n fein Soßn itoc^ bemege: nur bie 0c^alfbcit oerbrieße ii)n, bamit bic SKelt betrogen unb mancher jämmerlid) oerfü^rt mcrbc. ©o fönntc ed il)m ja aud) gicieß gelten, ob biefer ober jener regiere, unb ob ber $apft toirf- lid) oon ßJott jum ^erru ber Söclt cingefept fei, ober nic^t.

^nein atleS ^ab gettian Dem Saterlanb ju unb (But;

Die äOa^rbeit mid^ bemegen ttiut.

Da fann id() nimmer lajfen öon.

Ipab ic^ beS nie empfangen So^n,

3q mc^r ju ©dfiaben lommcn bin,

Dann ^a^r unb 9lotb ift mein ®e»inn.

Das fie^t nunmehr in @oiteS l^nb.

Dem aUc ^erjen feinb befannl.

^iefe feine uneigcnnü|igc Slbfic^t fei ouc^ oon nicmanben mibcrjproc^en, atö Oon folcßen, bie fid) mit Siügen abgeben, mic ein gemiffer frecher Pfaffe unb Surtifan, ber hinter feinem iRüden oiel böfer ©tüdc gegen ißn auögefagt ßabc; maö er, Jütten, ißm aber noch einmal cinjutränfen hoffe. Uebrigenö fei er bereit, jebem, ber il)m ing ©efidht etmaä S3öfeö nachfagen ^u fönnen glaube, iRcbe ju ftcl)cn, bamit bic SBahrheit an ben 2:ag fommc.

Die 3Babr^eit mub Vrfür, ju ®ut Dem ®olcrIanb, baS ifl mein SKulf).

Pein anber Urfaep ifl noc^ @runb,

Drum id^ ^ab aufget^an ben 3)tunb Unb mid^ gefegt in ^rmutp 9Iot^:

Das weife öon mir ber ewig (Sott.

Der feelf mir bei ber SBohrfeeit Baä).

^»utlcn’S ©ntjd^iulbigung.

361

Sag gefeit ou§ jein gSttlid^

!S)omtt ber ^58 nit triumptjir,

Unb bag QU(^ merb t>ergo(ten mir,

Cb \ä) oirlleid^t o^n ^ug unb ipdtt gfangen an ein folt^en ®(bimpf,

“^er niemanb grögcrn Sd^abcn bringt,

^ann mir, als nod^ bie 6a(^ gelingt,

^a^in mi(^ ®ott unb SBa^r^eit bringt.

34) gemagt.

2Bic fic^ in bicfcn ©c^lugrcimen §uttcn cjegcn ^crläum= bunten öcma^rt, unb fiel) erbietet, über feine §anblungöiueife jebem Siebe ftet)en, fo tt)at er baffelbe notf} auöfütjrlidjer in einer eigenen ©djrift. 2)urd) feine Äi'lag unb S8erma()nung an bie beutfd^e Slation befonberö ^atte er bie illerifei luiber fic^ anf^ geregt, bie it)n bafür olö geinb aller ©eiftlidjfeit , inaö bamalä fo oiel ^iefe U)ie aller Üleligion unb 0taatöorbnung, ju üerfc^reien fudjte. Obniül)l nun Jütten jenen „jornigen ©prud)", richtig üerftanben, „fo böö nic^t" finben, aud) nid^t glauben tonnte, fid) bamit geirrt j\u Ijaben, fo ^ielt er bod) für gerätsen, fic^ ju einer „®ntfd)ulbigung" Ijerbei^ulaffcn^). ®ag er nidjt aller ©eiftlic^en geinb fei, bafür war ei^ i^m leid)t, fid) auf oerfd)iebene ©teilen jene^ @ebid)te^ felbft ju berufen, wo gcflagt wirb, bag fromme unb gelel)rte ©eiftlid^e Ijintangefe^t unb mit feinen ober geringen ^frünben bebad)t werben. ®ie ganje Bewegung, an ber Jütten mitwirfe, fei üielmel)r jum S3eften ber wahrhaft (yciftlic^en ange^ fangen, bie ja in erfter Sinie üon ben römifc^en Höflingen unb il)rem Sln^ange gu leiben ^aben. Söogegen feine ©d)rift gerid)tet fei, liege am Xage: unb wirb bei biefer ®elegcnl)eit gegen ^apft unb iilerifei alle!? baöjcnige noc^ einmal gefagt, waö, fo lange bie Uebelftänbe fortbauerten, nid)t oft genug gefagt wer* ben tonnte.

Slber, Werbe man fragen, warum benn gerabe er fid) biefer 2)inge mel)r alö anbere 2eute unterwinbeV „2öal)r ift, fagt er barauf, baß ic^ l)ierin nic^t mel)r benn anbere, ja and) weniger benn mancher, ju forgen l)ab : allein ba§ mic^ @ott mit bem ©e-

1) GnnbljclitilbtgunQ Slritl^s öon i^utten SUpbet etli^lfr öntoarbafftigeS auggebfit öon pm, als folt er »tber aUe gcpfllitbfcit önb prie|ler|(bafH lepn, mit crflörung ctli^ier feiner gej(brifftcn. Schriften II, ©. 130 149.

362

II. 5. I^opitel.

mütf) (id^ fördjt) bcfdjtücrt tjat, bn^ mir Qcmcincr ©d)mcr^ mcl)cr iiub tiefer beim uielleid)t anberii ju §erjen gel)t." @r laiuic flemartet, ob nidjt ein @efd)icfterer fid) ber (Sac^c aiu iieljmeu moUe. SBeit er aber c^efeben, baß niemanb b^rfür gemoHt, babei ber Surtifanen ^Regiment fid) immer mehr erbebe imb Qii^- breite, SSabrI)cit ober unb greibeit immer mehr unterbrüdt merbe, magc er im SRamen @ottcö, imb boffc, bafi fromme -D^eiifdien ibm menigftcniS ©lüd unb §eil baju münfd)en luerben. ßu oer= lieren b«be er in biefem .Raubet nichts alö Seib unb (^ut, mclcbc beibc er, felbft roenn fein @ut mit eincö jeben SReid)tbum ju ocr» gleidjen möre, geringer adjtc, alö bafj er um ibretmiflen ein fotd) ebrbar^ unb billigt gürnebmen untcrloffen fofltc. 3(bcr bie mollc er, mit öotte*^ §ülK/ unoerfebrt mit ficb in bie ©rubc % bringen; fie foHe ficb biefer 0ad)e halber, fo b^ffc er, mebren, nid)t minbern. 0elbft menn er in biefem gürfeben untergeben folltc, getröftc er fid) bod) ber d)riftlid)en 5lbfid)t, bie er babei gehabt, fo mie beiS guten 0amen^, ben er au^^geftreut, unb ben, mie er ba;^ liüertrauen b^ibe, feine Sift nod) Öefd)äbigung aller (Surtifanen je mehr gan^ loerbc vertreten ober auötmivi^eln fönnen. Slueb boffc er fo gelebt ju bc^ben, baß biird) ibn nod) feinem grommen 0d)aben unb 33efd)mcrnifi miberfabren fei, fonbern er b^be ficb fein ßeben unb junge Qc\t faucr merben taffen, in ^frinutl), 9lotb unb gat)r nad) i^»b guten Äünften geftanben, unb feinem

£eib berbalben mebc getbaiu „!iöie möd)ten beim, mo mir übel ging, ficb flute fieutc meinet Unglüd^ freuen? iöielmebr miß id) mid) guten SöiUenö unb ©rbarmcnö oermutben."

@ine-^ Uebergriffö in baiJ geiftlidje IHint miffe er ficb nicht fdjulbig, ba er nid)t ai^ ^rebiger, fonbern al^ Patriot ennabnt habe; mo e^^ oon 9iotbcn gemefen, feinem 0d;reiben einen ÖJrunb ^u fdjöpfen, b^be er in bie l^il- fl<^flnffen; allein baiJ ftel)c jebem Gb'^Ute'n ^;u, unb er b^ffc, „nid)t mit ungemafdjenen ^iinben'' getban ju buben; ob er aber babei baö 9icd)te getroffen ober nicht, baö gebe er ben (belehrten unb Unparteiif^en ju bc* urtbeilen anheim.

^Jfodj meniger fönne er ficb cineö 93ergebenö gegen bie Obrig* feit, mcil er ohne Webeiß berfelben gebanbelt, fcbulbig befennen. bem, mad jebem befohlen ift, bebarf feiner befonbern (Jr* laubni§. „@inen getreuen, macfern §unb b^ifef fein $crr nimmer

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^uttcn’8 önlic^ulbiounfl.

863

bcücn; fobalb er aber einen 5)ieb erficf)t, betnetit i^n natürlid^e Xrene unb SBo^lineinuncj gegen feinen ^errn, U)m jur SGÖarnnng benfelben an^u^eigen/' Uebrigenö ()abe er üor aßen ben i^aifer anfgerufen, fic§ ber ®ad)e anjune^men. 3(ud) bie gürften Ijobe er ermahnt, ein ©infeben hoben, nnb ihnen norgcftellt, „baß ju fürchten fei, ujo bie Dberfeiten nidjt felbft biefen Gingen rathen, baß ettt)a ein gemeiner §anf unb baö nnfinnige S^olt, nachbem ber (Surtifanen unb ungeiftlichen ©ciftlichen Ungebühr anfö ^öchfte geftiegen, fid) erhebe, nnb al^bann mit Unüernnnft in Raufen fd)Iage''. SSJer fo nur Slnfruhr warne, ob ber ein Slufruhrftifter fei? SBenn aber, bei längerm ßögern beö ÄaiferS unb ber gürften, Jütten ober fonft jemanb etmaö ©cwaltfameö gegen bie ßurtifanen unb ihren 5Inhang oornähme, fo fönntc bieß fein Sanbfrieben^bruch h<^^6cOf ba nurDtothwehr gegen nnteib* liehe ©emalt, gegen ßeute wäre, bie felbft al^ gemeine griebs brecher nnb geinbe be^ öaterlanbeiJ ju betrachten feien.

9tun h^^ißc aber, gegen geiftliche Seute fei Unred)t, Söaffen nnb il^ehr ju brand)en. |)ier werben bie ungeiftlid)en ^riefter auf einmal geiftlich. 0onft gehen fie einher wie Älrieger, fchämen fid) be5 Shorljcnibö nnb^ber glatten: fobalb aber jemanb etwaö mit ihnen abiumachen l)ot, fo finb fie geiftlid)e SSäter, rufen ben character indclebilis beö ^riefterthumö an, unb nel)* wen bie <Sd)onung in 5lnfprud), weld)e man biefem ©taube fd)uU big fei. ®aö fönnte^ man fid) gefallen Inffen, wenn fie fich wirN lieh geiftlich hi^'^ten; bann wäre bie beutfehe 9lation unbefd)wert, unb Ci bebürfte beö gaui^en ©treite^^ nicht. 3)a fie aber fo, wie man fiel)t, leben, fo hoben fie burd) ben Ueberfluß ihrer böfen SäJerfe ben geiftlid)en (Sl)orafter fSängft in fid) anögetilgt, ben^liu fprud) auf ©d)onung längft üerwirtt. 9S3enn ein (iJeiftlicher oor^ fäplich nnb beharrlid^ übel tt)nt, barf man i()n wie einen anbern ftrafen, barf (Gewalt,, fJtaub unb ©rpreffung mit (>3ewalt abtrei- ben. gebeö S3olf l)Ot bai^ fRed)t, für feine greiheit gegen ^t)raiu nei 511 friegen. (Sine ärgere Xprannei unb ^ienftbarfeit aber, aliJ bie ^äpfte unö auflegen, ift nie gewefen. Ueberbieß gebraud)en fie ja felbft bad ©chwert, folglid) barf man ci auch g^geo fi»^ gebraud)en. „©oll man, obfehon billige Urfach wär, wiber ^apft unb iöifd)of nid)t friegen: warum hoben beim etlich hoo^c^t 3al)r h^’t bie ^43äpft große ilrieg gegen ben römifd)en ilaifern,

864

II. 5. i^al)itel.

bcncn ftc boc^, alö 6f)riftu§ angejeitit, unb ^auluö geheißen haben, crnftlich untemorfen fein foHen, auch anbern ©htiften* fürften, äum Xheil burch ^nhehung anbret, geführt? . . . ^amm hat üor wenig 3ahrcn ber 53luthunb Suliuö naheju bie gan^c Sh^^ftrnheit in ein gemein SJ^örberei unb Seutüerberben ucrmifcht unb gehippett? . . . ^arum hat ber oüerheiligft 2eo, auf bafe er feinen Sßetter jum $er,^og ma^tc, ben rechtlich regierenben gür* ften üon Urbin mit(5Jewalt unb ©chwertfchlag oertrieben?.. Unb ba§ ich ouch mein felbft nicht uergeffe, warum fehiefet bann ber^ felbig jornig Seo oon^Rom hrrauö, unb heißt mich ihm, auf bag er fein tprannifch ©chwert mit meinem unfchulbigcn 33lut ne^en, ober oieKeicht noch ein ©öfereö beginnen möge, gefangen gen fRom fdjicfen? 3ft bieg biegreiheit, bei ber wir fic halten unb befchir* men foUen? ©inb bieß bie ©efalbten ©otteö, an bie niemanb ^anb anlegen foH?''

!Daß er für ben äußerften gall ;\ur Gewalt aufrufe, mißbeuten feine geinbe bal)in, baß fie U)m ©chulb geben, er bejwecfc mit feinem ©chrciben nicljtö, atd leichtfertige Scute unb ein loö ©eftnb an fict) höiiüra» wai mittclft bcffclbcn nicht burch SBernunft, fonbern burch ungeftüme Gewalt, feinen SRuthwillen au^juführen. Slllein in erfter ßinie habe er fich ja j\um ©treit auf bem ©runbe ber hril. <2chrift, j^um Sßerhör oor bem ^aifer felbft, erboten. SBcnn nun aber feine SBibenoärtigen ihn, wie bi^hri^^ «i^ht )Öerhör fommen loffen, fonbern tprannifch^unterbrücfen wollen, bann gebenfe er allcrbingö mit ©cwalt fich ju wehren ; baö werbe aber fein lofer §aufc, fonbern ehrbare, rcbliche unb tapfere Seute fein.

Äußer feinen ©eßriften freiten bie Gurtifanen unb bereu Änhänger auch fri” Seben, unb gehen babei bi^ in feine Äinb^ heit jurücf. ^ier ift cö, wo fich §utten gegen ben Sorwurf, burd) feine glucht auS gulba ein bereits abgelegtes Ä^loftergelübbc gebrochen ^u haben, in ber nachbrücflichen SBeife üertheibigt, beren wir ju Änfang biefer 2ebenSbef^reibung gebenfen mußten. Äuch hier, wie in bem iRachwort ju ben oerbeutfehten ©efprachen, wirb unter benen. Welche ^mtten’S 9ffuf ongreifen, oor aßen „ein großer 9tomanift" hrroorgehoben , ber ihn hinter feinem fRüden einen Söfc- wicht unb 9?erräther genannt habe, welcher nid)t werth fei, wo^^u er fich erbiete, für baS beutfehe üöaterlanb in ben %oh ju gehen,

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@tn Sieb üon ^utien.

365

öiclme^r alö ein grinbig ©d^af non bcr ©enicinbc obgefonbert, unb oon reblid^cn, frommen Seuten gemieben merben foHte. nun $utten nic^t toiffe, mer bcrfelbige iöicbermann fei, fo fönne et auf fein ©dielten ioeiter nicbtö t()un, atö if)n ocrfid^ern, bag er i^m oor @ott Unred)t t^ue, unb i^n aufforbern, mit feiner öefc^ulbigung niffentlic^ ^erooräutreten. „i^ann ic^ mic^ bann nic^t oerantmorten, fo mc^ mir, bag ic^ je einen S3ucbftaben fc^rieb, je ein Suc^ la§, je jur ©c^ulen ging, ja, ba§ id) je ge- borcn marb: fo mic^ alfo oiet guter Ä'ünft nic^t §aben meifen, fo oiel ^eilfamer (5)efc^rift, in benen id^ (o^n fRul^m ;^u reben) mic^ geübt, nic^t lehren, fo oiel (belehrte, mit benen ic^ umgangen, fo oiel reblic^et Seut, bei benen id) gemot)nt, mit guten Unters meifungen unb 33eifpicten nic^t l)abcn non folc^en böfen ©itten abjieben unb ^ur ©b^barfeit rei5en mögen."

?lu^ in bic cineö fangbaren SSoUöliebeiS b^t um

biefe §utten bie b^bc unb bocb elcgifcbc ©timmung, toclcbe baö ^^etüubtfcin feinet patriotifcben SBagniffc^ ibm gab, gebracht. 3m 3al)r 1521 erf^ien „(Sin neu ßieb ^errn Ulricbö oon Jütten"*) :

3d(| ^ak’S gctoagt mit Sinnen,

UnD trag beS no^l tein 9teu;

3)tag i(b nit bran gewinnen, mub man jpUcen £reu, üDarmit i(b mein 9tit eim allein

Sßenn man eS tnollt ertennen:

^em Sanb )u gut,

SBicmoI man t^ut

@in ^faffenfeinb mich nennen.

®a Ia)l idb ieben lUgen Unb reben ma§ er miQ: i^ätt Söabrbeit ic^ gejd^toiegen,

3Rir toärcn ^ulber bil;

9lun

IBin brum berjiagt,

^a§ Mag i(b aSen Sfrummen;

SBietool no(b i(b 9lit toeiter flitb,

Siellei(bt toerb loieber (ummen.

1) ?[in nett lieb Slri(b8 bon Jütten. Äm ©cblujfe: ©etrurft bm

366

II. 5.

@r bitte nic^t um @nabc, bo er o^nc©d^utb fei; er ^abe ftd^ ju iRec^t erboten, aber man t)abe il)u nic^t ju @e^ör fommen laffen ; er tröfte fic^ mit bem S3(*tou6tfein feiner ^uten 3lbfidt)t unb unter- legten @^re; bagegen möge man auf ber anbern 0eitc bebenlen, bag oft grofte glömme ton einem fleinen günflein gefommen fei, unb ba§ bie Umftönbe i^m üieHeid)t noc^ ©elegeni^eit geben mer? ben, fic^ JU röchen; er njenigftenS fege alleö baron, bag e^ ent^ meber geben ober breegen möge.

äOttt nun i^r feU>§ nli ratzen ^ieS fromme 9lation,

©d^QbenS fi^l ergotten, fUS i(^ Oerma^net ^on:

©0 tfl mir leib; l^iemit fc^etb, äBin mengen ba^ bie {harten;

Sin unoerjagt,

^ab§ gemagt,

Unb miß beS 6nb§ ertoorten.

Ob bann mir no^ t^ut benfen 5)er fiurtifonen ßift:

6in $er) lagt nit fränfen,

2)aS red^ter Sleinung ift.

weig, nodfi öiel äB5IIn aud^ in’S ©piel,

Unb foßtenS brüber fterben:

^uf, l^anbslnedbt gut,

Unb fReuterS ffltut^,

Sagt ^utten nit oerberben!

3llö eine ?(rt ton SBiebevball, ton Slntmort auö bem 6l)orc beö SBoK^ ouf biefe ?lnfpra^e be§ ritterlichen ^elbenfpieletiS fann man jttei fiieber betrachten, beren cineö nach ber Söoife eine^ Sfleiterliebö ouf granj ton <Bidingen , boö anbere nod) ber eine^ ajiarienlicbö ju fingen toav. ©ang man ton bem fRitter ber (Sbernburg:

8ran3 ©idtinger bo§ cbel Stut

^a§ ^Qt gar oil ber SanbSfned^t gut u. f. f.,

jar XXI. ©Triften II, ©. 92—94. 5)ie beiben folgenben Sieber (oon 6onj Seffcl) cbenbaf., ©. 04—98.

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2ict>cr über Jütten.

367

fo ^ic6 mm Don bem ©tccfclbcrc^cv, frcilid) etwaö tpcnigcr poetifd) :

Ulrid^ üon l^uttcn bo§ cbet 93Iut jo fofllid^c 33ü(^r gut;

er lüirb 33efd)ü|3et ber eüangcUJdjcn 2el)rc, aliä S3ürfcd)tcv bcö Söüvtc^ (Siüttcö (gefeiert, iiub am ©c^luffc fo auflcrcbct:

Ulrie^ Don i^utien, bi6 toolßcmut, bitt, baH ®ott bi(!^ ^alt in l^ut 3c^t unb ju QÜcn @ott b^Ut an d^tljUic^ Sekret gut,

2ÖO pe gc^in ober reiten.

3q reiten.

anbere fiieb rebet im (Sinc^ang ben ^Ritter an:

?l(§ ebter ^ut ou§ t^ranfen, jRun pe^ bi(^ tt)ei§Ii(b für,

®ott jolt bu loben unb bonlen,

2)er tt)irb nod^ l^elfen bir *3)ie ©ret^tigfeit Dorjee^ten:

Xu jolt beipo^n bem Steckten,

^it anbern IHittcrn unb ftnc<i^ten,

5Jlit frommen jJriegSlcutcn gut IBejc^irmen ba§ 6f)ripcn ®lut.

@r möge fid) nur nid)t bctf)örcn, nic^t üon bem SBorte ^iotteö abmcifbig machen laffen. Xod), bcrul)igt fid) ()crnad) ber 2)ic^ter feibft

iputtenuS boll bepc,

Xü§ l)Qb i(b guten IBj^eib;

®r »olt gern t^un boS IBepe Xer frommen 6bripenl)eit,

Xbwt fein 6eel für un» fegen,

Hebt nit wer i^n tl)u legen ....

®ott geb i^m @lüd unb 6i(f,

Xop er oll Satb wol j(3(|irf.

33on biefem SEÖicberflang, ben feine äUorte unb Jsöcftrcbungen in ber TObe unb Jcnie fanben, blieb glitten nid)t of)ne 91ad)ri^t. 3al)lrcicbe S^riefe, bic it)u beffen Ucrficbcrtcn, aiiö ^)eutfdblanb unb ben 9fiacbbarlänbern, liefen bei il)m ein. ^uö iööl)mcn

368

II. 5. ffapiiel.

fd)icften bic$uffiten i()m tüicßut^ern bic ©Triften i^re^ 9Kcifter§ ^u. S)aö oUeö ucrme^rtc nur bic fieberhafte Ungebulb, bie ihn njäljtrenb feiner unfrein)ifligcn 9)iu6e auf ber ©bernburg üerjehrte. 2)a)§ ©chreiben genügte ihm nicht; er hätte gar ju gerne mit bem ©chmerte breingefchlagen. SebeuiSlänglich ftanben in Jütten ber ©djriftfteller unb ber Splitter im SBettftreite: ber erftere mochte thun unb leiften maö er moUte, fo mar ber lefetere unjufrieben, bag ihm bie Gelegenheit, auch etmaö ju leiften, fo ganj entgehen foUte. mor eineiäujchung; benn maö hätte ber 9iitter Jütten thun fönnen, bad bemienigen, maö er aliä ©chriftfteßer mirfte, ju oerglei^en gemefen märe? ®ie 5^äufchung mar für ^utten’jg £eben üerhängnigüoll; aber feiner ©chriftfteUerei fam fie ju Gute: ber ganje Ueberfchug beö ritterlichen geuerö in§utten, baö fidh burch ben ®egen nicht ßuft machen tonnte, ergoß fich burch 5eber in feine ©Triften, unb gab ihnen jenen friegerifchen, jugenblich helbenl)uften Xon, ber ihren unoergönglichen fReij au^macht.

„2Jitich quälen", fchrieb er um jene ßeit an (Sapito, „biefc immer neuen unb immer mieber getäufchten Gnoartungen oon ben greunben. $ätte ich hoch gleich uon Slnfang an gemagt, mir felbft ju rathen unb auf eigene gauft ju huubeln. ^enn biefe anbern 9?athgeber moHen mir je länger je meniger gefallen.'' 2ln Suther aber fchrieb er: „Gemiß, bu mürbeft SKitleib mit mir hüben, menn bu fehen follteft, mie ich 5^1 tämpfen fo menig fann

man fich ouf bic SJlcnfchen ücrlaffen. SBährenb ich »cue S5unbcgs genoffen anmerbe, fallen bie alten ab. Gin jeber hut eine2Kengc Oon öcbenfen unb SBormänben. S8or allem ift ber Slberglaubc, ber bie 2J^cnf(hen fchrccft, bie eingefogene SJ^einung, bem Zapfte, unb märe auch ber ungerechtefte unb fchlechteftc, ju miberftreben, fei ein unfühnbareö SSerbrechen. 5)och thue ich waö ich ^onn, unb mcichc nimmer bem 2Jiißgefchicf." 9^ur granjen^ Gefinnung fanb gutten probehaltig; hoch biefer gerabe mar c^, ber ihn ob^ hielt, einen Gemaltftreich ju thun, inbem er, mie |)utten an GraömuS fchrieb, erft einen ^erfuch mit bem jungen Äaifer machen moHte, in ber Hoffnung, biefer merbe entmeber bie ©oche ber fHeform felbft in bie §anb nehmen, ober berfelben hoch nichts in ben 2öeg legen; eine Hoffnung, melche freilich burch ultramom tanen Ginfluß f^on fo gut mie oereitelt mar, meßmegen §uttcn eine gemaltfame ©chilberhebung äulc^t hoch für unoermeiblich

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f)uttcn’8 Unflcbuft).

369

anfaJ) *). ®ar Qcrnc ftöttc fc^on bamal§ tt>ic nocft fpätcr JSputtcn bcn bcibcn päpftlidjcn ^Jhmtien, bic' fiel) jiad) Äarri^ Ärö* nuiiö in 5töln bcfaubcu, um bcn Äl'ai(cr iinb bic dürften c^c^cn £utl)cc 5U ftimmcii, bic SBcgc ücrlcgt unb fic abacjangcii: allein lüo^u füllte ein fülc^es» 9iittci)tücfcl)cn l)clfcn ? tüiintc einen ^ücten lüie @oban, fclbft £ntl)cr bamaU nod) in mand)eii ©tim* mimflcn, ergeben aber 0icfiiigen l)atte fRed)t, cd bem grennbe aud^ureben.

§utten fclbft fal) bei tälterm ^lute ein, ba§, um einen blcibenbcn @rfolg Ijerbci^nfüljrcn, er fic^ bebeutenbever Äröftc üer* , fiebern muffe. 3)af)cr lag cd il)in fo fcl)r an, bic ©cfinnung bed iturfnrften üon ©ac^fen ju erforfd)en unb it)n mu möglich j^u gcminucn. ®a iljii 0palatin auf üerfd)icbcnc ^Infragcn in biefer ^ic^tung ol)iic )dntmort gclaffcn l)attc, fo menbete er fidj je^t an Üntljer. mürbe feine üerlorcne 3)iü^c fein, fd)rieb er il)m am y. ^)ccembcr, mcim er audfnl)vlic^ auf bic ©bernbnrg berichten müd)te, mad in feiner Umgebung Uürgcl)c, mad uon jebem ju l)üffen, mcldjcd ^Bagnig jebem ^u^ntraucn fei. iöür allem mnnfd^c Jütten miffen, in mic meit man auf ben 6tnrfürften rcd)ucn bürfc. iiutber möge fclbft and) feinen (Sinfln^ aufbieten. (£r glaube nidjt, mie mid)tig cd für il)rc 0ad)c märe, menn ber Atnr* fürft entmeber fclbft i()nen bemaffneten 43eiftanb leiften ober bod) iiu einer fd)üiicn X l)at burc^ bic ginger fcl)en mödjte: b. l). il)nen geftatten, innerl)alb feined (^iebietd ^lufent()alte ^u fiidjcn, menn Cd bie Umftönbe crl)eifd)cn füllten. 0übalb er barüber Cyemif3t)eit l)abc, fei fein (Sntfd)ln6, einmal in SS^ittenberg einen iiücfud) ^n madjen. ®cnn langer fünne er fid) nid)t mcl)r l)altcn; er müffe einen i^iann, bcn er feiner Xugcnb megen icl)r liebe, einmal fel)cn. 3^igleid) fd)icfte Jütten, mie fd)üii üben ermähnt, feine neueften 0d)riftcn an iJiitl)er, unb ^mar in beridjtigten (Siduplaren, meil er uermutbete, biefer merbc fic bürt neu auflcgcn laffen ; mad and) mit einigen gefcbal).

1) Das i’iS^criflc in ^en 5?ricffn i^uttrn’S an Papito ooni Soninur 1620, an fiul^cr unb ^raSniuS boin 9. Dfc. unb 13. 3iot). bfijdbfn 3af)r5, Schriften I, 5. 365— 3Ü7. »23 ff. 436 ff.

2) 2uU)cr an 3poIalin, 13. 91oo. 1520. 3n öultfu'S »(firiften I, 3. 420.

VII. 21

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II. 6. ffQlntel.

3n bcmfc(6en 93rtcfc beflagt fic^ Ratten barüber, baß ißm ßutber’^ neuere «Sachen noeß nießt ^ugefommen, unb iaunbert fid), baß biefer fie ibm nießt i^ufenbe, ba boeß Äeute, bie ße an ^ran^ i)on 0icfingen mitneßmen fömiten, bort fo leießt ju pnben fein müßten. Slueß am 16. Sonuar beö folgenben Sa^re^ flagt §utten ©palatin, baß in fo betaegter ßeit fiutßcr ni(ßt ber SJ^üße mertß pnbe, an ißn ju feßreiben*). jmar unterblieb bieß

nießt; boeß gefeßaß e^ mebev fo oft, noc^ fo rüdßaltloiS, aU ‘Jütten münfeben mo^te, ber feinerfeitö £ut()ern mit licbenötoürs bigfter Offenheit unb begeiftertcr Eingebung entgegenfam. 2)er ©raub oon fiat()er'g ßwtüdbaltang offenbart ficb, ba unS feine Briefe an Jütten oerlorea finb, in einer ?leußerung bcffelben gegen ©palatin, bem er eben jenen ^ntten’fd}en S3rief oom 9. cember mittbeilte. „SBa^ Ratten ^ begehrt, fießft bn. 3cb ntöcbtc nicht, baß mit ©emalt nnb 3J2orb für ba^ (Soangelium geftritten toürbe: in biefem ©inne habe id) an ben 2Jiann gefeßrieben. ^ureß ba^ Söort ift bie SBelt übertt)unben, bureß baö SBort bie SHreße erßalten tt)orben: fo mirb fie and) bureß ba§ SSort mieberßerge* ftellt ttjerben; unb aueß ber läntidßrift, mic er oßnc ©cmalt ange^ fangen ßat, fo mirb er oßne ©emalt j^ennalmt merben bureß bod SBort*)." Seibe 3J?önner maren in ben 9)tittc(n jn bem gemein^ famen ßmeefe nießt einig: maö Sutßcr alö etroaiS betraeßtete, baö mon im öußerften gaüe gefeßeßen laßen müffc, menn eg nießt ju oenneiben fei, bag brannte §nttcn oorUngebulb jept fd)on felbft ßerbei^ufüßren. SBenn eg bnreß bie SButß ber 9lömlinge jnm ©rueße fomme, f(ßrieb Sutßer halb nacßßer an ©palatin (unb bag merbe bann ein bem bößmifeßen äßnlicßer ^Infrußr mit blu* tigen ^Ingbrücßcn gegen bie ©ciftlicßen merben), fo fei er anßer <^nlb: beim fein Ütatß fei gemefen, baß ber beutfeße ?lbel nießt mit bem ©eßmerte, fonbern bureß S3efeßlüffe unb öerorbnnngen, jenen ItDienfcßen ©eßranfen fepe. Allein eg feßeine, biefe mer» ben fieß bureß gelinbe 2)iittel nießt meifen laffen, fonbern in ßartnöcfigem S^tßcn bag öerberben felbft über fid) ßerbei* füßren.

1) Schriften II, 6. 4.

2) 16. 3ön. 1521. 3n 0«ttcn’§ ©(^riften II, ©. 5 f.

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I^utten unb Sut^ec.

371

3n feiner 9lrt liefe übrigen^ ßutfeer, auefe neben feinen ©c^riften, an ber fröftigften Xcmonftratiun nidjt fehlen.

10. jDccembcr 1520 n^arf er uor bem ©Iftcrtfeore ju Söittcnberg bie öannbuKe gegen il)n, fommt ben päpftlicfecn S^lecfetöbüc^ern, in ba^ 5<^uer; eine 3^f)at, bie, in ifercr fl)inbolifdjen ^ebcutung non unenblicfeer Xragujeitc, für il)n baö SBerbrennen feiner ©efeiffe nmr, looburcfe er ftc^ jebe Umlefer unmöglid) machte.

372

Sfd)5te$ fiaiiitcl.

^ratt} »Olt ^tifiinoett c^^mtten'o §(^»fer tinb bet ^etb fdtter

tiettett 3>iafoge.

1520-1521.

tocni(^cr 5(uöfirf)t auf Untcrftü^unc| feiner ^lanc .^utten, beö Äaifcrä 511 gefrijmeiflcn, felbft uou 0eiten bc^nificn gürftcu I)attc, toel^er bei* <Sarf)c ber fRefüvniatlon nm cjünfti(^ftcn 511 fein festen, beftü mc{)v furf)te er fid) feinet (^aftfrcunbcv ©iefingen, beffen 9}iad)t iinb Öebeiitung um jene ber ciucS gürften faum uac^ftaub, j^u uerfid)ern. @‘5 fcl)lte uidjt au fold)cu, mctc^c biefeu, t^eilö auö üermaubtfd)aftlic^cm, tf)cilö auö ^artei^ intereffe, uou §utteu uub ber 9^efürmatiou ab-\u,vcl)eu fud)tcu. ©ein übrigen^ trefflicher ©djroager, Philipp uou 5ler«l)eim, ba^ mal^ ®omfangcr, in ber golgc 33ifd)of uou ©peier, beffeu .Slrouif eine ^auptquelle für ©icfiugcn'iJ @efd)id)tc ift, mic fein ©egeu- fd)tüäf)cr, ber Dritter ^ietrid) uou J5anbfd)ud)?l)eim, au beffen Umftimmung er in ber golge ein eigene^ ©enbfd)rcibcn toenbeto, tuaren ohne ßiocifel and) mit unter brn Söermaubten nnb greuuben, uon benen |)utten fdjrcibt, baft fie in S^an^ gebvungcu, fiep uon einer fo gefährlichen ©achc lo^äufagcn. 3J^au fud)te il)m uon Suther'ö ÜJieinungen uub planen eine abfd^reefenbe S8orftcUung bc^ubriugen, unb führte babei mohl auch ©teilen aiu^ beffen ©chriften au, bie in beufetben gar nicht 511 fiuben maren.

J^ranj h^tte b\^ baher uon £uther nur menigeö obenhin gelefcn: jeht benupte Jütten bie minterlidje SH^uge auf berSbenu bürg, ben greunb tiefer in bie ©djriftcn bco ^)teformator'5 cin.yis

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i^utten lieft mit ©irfinßcn 'Sut^erS ©c^riftcir.

373

fiU)rcn. @ini(fc groben, bic er il)m üorlaö unb münblid) crläus terte, muf3ten i()U erft bccficviff machen; halb fincf bic 0ac^c i()m cin,^ulcud)tcii an, unb bei lucitercm ßefen fam jnr Ueberjeus 1311119. (Jr überfaf) bie (^runblatjen, ermaß ben §(ufbau ber £utl)es rifd)en Seßre, nnb 2öie? rief er auö, ba^ mac^t jemanb crfd)üttcrn ,311 monen, ober menn cr'vJ maßt, f)offt cr'ö fönnen? 3n ,3em lief3 er feine ^J^aßljcit oornbcrßcijcn, nad) ber ißm nid)t .'pntten ctma^3 oon Sntßer ober and) uon fieß felbft oorlcfen mußte; moran fid) @cfpräd)c fnüpften, in benen .gtutten bie gaffuncf^^i fraft feinc^^J grennbeö, fein Xalent, baö ^Inf^cfaßtc berebt micber* ,3uaeben nnb felbftftiinbi^ mcitcr anö^nfüßren, bemnnbern lernte. Se^t mar ©idin^cn fletfcn bic 35erfud)e, il)ii manfenb ju mad)cn, 9cftäl)lt: auf bie fd)on oben ermäl)itte 353arnun9 feiner 33ermanbten oor ber ^öetßciliflnncf an einer fo ,3meifcll)aften ©ad)c mar jc^t feine l^lntmort, bie ©ad)c fei feineömei]^^ ^meifcü)aft, benn fei bie ©arße (Sßrifti nnb ber S53af)rl)cit; überbieß fromme c^S bem bentfdjen (_^5emeinmefen, baß iint()erV' nnb .5)ntteir^ 9J?al)nun9en ®el)ör pnben nnb ber (^ilaube i3cfd)irmt merbe^).

©teben mir einen ^(ncfcnblid imr biefem isöilbc ftill: ift eine-^ ber fdjönften in ber 03efd)icßte nnferc‘j S^olfeö. 3(m gaft^ lid)cn Xifdjc ber ©bcrnbnri] fi(jen in ben SäJinterabenben ^mei bentfeße Stitter, in (^Jefpräeßen über bie bentfd)efte ^Incfclecfcnßcit. ^)er eine glüditlin^, ber anbere fein miidjtißer iöefd)ttßcr : aber ber glnd)tlin(3, ber jüngere, ift ber Beßrer, ber ältere fd)dmt fid) bcio fiernenö nid)t, mic ber ritterlid)c Mjrer fcibft neiblo^ bem cfrößern äJicifter, bem 9Jiönd) 511 SBittenber^, fid) nntcrorbnet.

biefer isölütßc^cit bec^ Jöerßdltniffeö beiber 9}tdnner ift bie fd)önc ^tminnnn^ an ©idin9cn, meUße .^ntten ber bcntfd)en Ueberfeßnn^ feiner (^3efprdd)e oorancfcftellt ßat*), nnb bereu nd* ßerc ^etrad)tun(3 mir cbenbeßme^en bi^ an biefe ©teile oerfd)obcn ßaben. Cßne Urfaeße, jacft .^ntten in biefer 5Bibmnn9, fei baö ©prid)mort: 9^tötßen erfennt man ben grennb, nid)t auf^cs

fommen. 'J'enn niemanb biirfe faffen, baß er mit einem greunbe üenoaßrt fei, er ßabe ißn benn in feinen notßbnrfti^en anlics

1) 'Kflcy bieft bem oben niißcfllOrlcit Briefe ^uttcn’ö nn üiult)cr toom 0. 5)cc. 1520.

2) ScTjriftfn 1, 3. 117-440.

374

IL «U(^. 6. RapHtl

öcnbcn ©nrf)cn bcrmagcn, bog er i^ii iniücnbifi unb ou^toenbig fenne, ucrfuc^t unb (\epriift. S53ictt)o()t nun ber fllticffclifl ju ad)tcn, bem nie non S^öt^cn geujefen, einen greunb biefergeftalt ju pvobiren, mögen bod^ and) bie fi^ ber ©nabe @otte« berü^s men, bie in if)ren Sflöt^en beftänbige unb ^art l)oltenbe greunbe erfunben ^aben. „Unter meieren", fährt Jütten fort, „ich bann nit menig bei ®ott unb bem @lücf ju bebauten t)ab. ®enn alö ich auf ba^' §leu6crfte an ßeib, @hi^c unb @ut üon meinen geinben genöthigt mar, fo ungeftüm, ba§ ich faum greunbe anju* rufen Qc\i gehabt, bift bu mir, nit (alö oft gefd}ieht) mit tröft« liehen SSorten, fonbern hülftragenber Xhat, begegnet, ja, mag ich (alö ba^ ©prichmort ift) fagen, oom ^immel h^^öb ^ugefallen/ ©0 menig barum bie greunbfehaft im ©lüde, menn fie ouch mehr eine luftige ©efeöfchaft, aU mat)re greunbfehoft genannt merben füllte, ju üermerfen fei, fo finbe hoch jmif^en beiben ber Unter- fdjicb ftatt, mic jmifchen ©peifen, bie nur füg unb mohlfchmecfenb, unb fold}en, bie jugleid) gefunb unb hctlfcmi feien, ©o h^be er, Jütten, in einer ßcit, ba er nicht luftigen ^efehmaefö, fonbern heilfamer ^Ärjnei, nicht fröhlichen 53eimefcnö, fonbern gemärtiger ^ülfe beburft höbe, bo höbe ich, föh^^t er fort „(id) acht, auiS göttlidhem 3öfchicfcn unb SSerfehung) bich gefunben, ber nicht gcadjtet, mag ein jeber oon meiner ©ad)e rebe, fonbern, mic bie an ihr felbft geftaltet fei, beherziget. $aft bich nicht bur^ ©chreefen meiner SGÖibcrmärtigcn oon Sßerfechtung ber Unfehulb abziegen laffen, fonbern aug ßiebe ber SBahrheit unb ©rbarmnig meiner ^ergemaltigung für unb für über mir gehalten. Unb ba mir aug ÖJröge ber gahr bie ©täbt ocrfdjloffcn gemeft, algbalb beinc Raufer (bie id} aug ber unb anbern Urfachen Verbergen ber @e* red)tigfeit nennen mag) aufgethan, unb alfo bie angefochtene unb uerjagte SBahrheit in ben ©choog beiner ^ülf empfangen, unb in ben Firmen beiner 35efchirmung gonj fecflich gehalten. 2)arang bann gefolgt, bag ich meinem gürfag, ben auch bu ehrbar unb reblich nenneft, nicht menig geftärft, aUc belehrten unb ilunftliebenben beutfd)er Sflation (benen nicht meniger alg mir felbft an biefer ©achen gelegen) fich in grohlocfen erhaben, unb gleich ölg nach einem trüben SBetter oon ber frenbenreichen ©on*^ nen erquiefet morben. Wogegen bie boghaftigen Surtifanen unb fRomaniften, bie mich öerlaffen gemeint, unb berhölb beinahe einen

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i^uttcn’S unb Sidingcn’S öreunbjd^aft.

876

Xriump^ uon mir gcfüOrt l;attcn, ba fie gcfcljcn, bag id; mid) (tüie im ©prid)U)ort ift), on eine fefte, unerfeftütterte Söanb ge^= le!)net (jab, i^reii ©tolg unb Uebermuti) gegen mir ctmos^ nieber* gelaffen, fic^ foft einget^an unb flcinen ßautö morben/'

gür folc^e 2Bof)lt^at bem greunbe genugfamen ^anf ^u fagen, fe^le Jütten nic^t an (^emütl) unb SÖJillen, fonbern am (^lücf unb SSermögen. äöerbe iljm aber je eine beffere ßeit erfc^einen, unb fic^, mie er ^u @ott ^offe, Slenbcrung beö öUndö begeben, fo mofle er il)m, allem feinem Vermögen nad), bermagen mieber bienen, baß granj fpüren fülle, er l)abe menigften^ feinen gleiß gefpart, ißm ^anf barfeit ^\u erzeigen, iöiö baßin moUe er mit bemjenigen, maö ißm fein grcücl noeß bemalt, fein Xro^ nod) Uebermaeßt, fein ^Irrnutß noeß (Slcnb beneßmen möge, nänu ließ mit feinen ©innen unb ißerftanb, bem greunbe treuließ unb fleißig ju ^)icnften fein, ißm aud) je^t feßon, mie cinft 33irgil ben ,^mei moßloerbientcn günglingen (9f?ifuö unb ©urßaluö, Aen. IX, 446 f.) jugefagt ßaben:

,9Bo (itoas mein @ef4iriftt nermag,

V !S)ein !Sob mug fterben feinen Xag.*

Uebrigenö aueß oßne baö befonbre Söerbienft, baö er fidj um ißn eriüürben, ßätte boeß gran^ burd) feine ritterließcn eßr^ lid)en ^ßaten an fieß fdjon uerbient, baß Jütten unb ade, bereu 93ermögcn fei, gegenmärtige ober oergangene ^Dinge bureß üöe^ ßelf ber ©eßrift 5ur (Srfenntniß ^ufünftiger geit gu bringen, feinen 9iamen auö biinflem 3Scrgeß in baö fiidjt ber emigen ®ebäd)tniß feßten. „®enn oßne ©eßmeießelei unb )^iebfofen gu reben, bift bu ber gu biefer Qc'\t, bo jebermann beböudjt, bcutfd)er §lbel ßabe etmaö an ©trengfeit ber (^emütßer abgenommen, bid) ber« maßen ergeugt unb beioiefen ßaft, baß man feßen mag, beutfeß iölut fei noeß nid)t oerfiegt, noeß baeJ abelid) 6Jemäd)ö bcutfeßer Xugenb gang audgemurgelt. Unb ift gu münfdjen unb gu bitten, baß @ütt unferem $aupt, Haifer Äarlen, beiner tugcnbßaftigen unerfeßrodenen 3)^utßfamfeit (Jrfenntniß eingebe, bamit er bieß, beiner ÖJefeßidließfeit nad), in ßoßen treffließen feinen ^onbeln, bad römifcß IReidj, ober aueß gange ßßriftenßcit betreffenb, fo mit IRatß toie mit ber Xßat braud)e; benn alöbann mürbe bie grueßt beiner Xugenb gu meiterem 3ffuß fommen. günoaßr, einen

376

II. ^ud^. 6. Äüpitel.

folc^cit 'JJiutI) foIU man nic^t ru[)cn, nod) inner fleincr

®ad)cn flcbraiidjt lucrbcn loffen."

®od) $ntten')g 5(bfic^t fei nid^t, in biefer 3iürrebe gvan,^en$J Jüob ^n befd}reiben, fonbern mir, feinem .^ler^en einmal 2nft mad)cn, ba«; ^eftedt uolIer ejuter (SJebanfen nnb freunblid)er ©nt* milli(^feit für bic unüerneltlid)en SÖoI)ltf)aten fei, bic ber grennb il)in ermiefen l)abc nnb und) töglid) je mel)r nnb mel)r l)öwft* ba()cr fd)cnfe er il)in ^nm 9flcnjal)r bic auf ber (Sbcrnbnr^ üW* tickten Uebcrfejnngen feiner @cfpräd)e. hierauf ber ^errlidjc 0d)lu§, ber in feiner tbatluftigcn 9J?(mnt)aftißfeit au? bem Sn- nerften uon §uttcn'? SBcfcn fam: „Unb münfd) bir bamit, nid)t al? mir oft unfern grennben pflec^en, eine fröl)lid)e, fanftc 9inb, fonbern groge, ernftlidje, tapfere unb arbeitfame (^efd)äft, barin bii Dielen 9J^enfd)en ^n Oiut bein ftol,^e? belbifc^ (^einiitl) brauchen nnb üben möcieft. ia^n moll bir @ott (^lürf, §eil nnb ifiJobl- fal)ren Dcrleil)cn.''

^üdj mä^renb Jütten feine altern ^ialo^e in? ^5)eutfd)c überfepte, arbeitete er 5ugleid) neue lateinifd)e an?*). Sft bic ^ueiflnunfl jener Ueberfe^unii Dom 1., fo ift bie ber lateinifd)en Wefprädjc Dom 13. Sfluuar 1521. ©inb bic bentfdjen feinem iyefdjü^cr, 0d)üler unb ritterlid)en Sbcale, granj Don 0icfinc\en, (^icieeicinet, fo tritt biefer in ben latcinifd)cn al? bramatifd)c^erfon mitrebenb unb mitbanbclnb auf. Unb ^mar immer in ber ljöd)ftcn 0tellnnn, al? SSertreter bc? fRec^ten unb SBal)ren, ber grcil)cit mie ber iüiäftiqnnci. ^a? iöefte, ma? Jütten meifi, ()at er feinem gran^ in ben ä)^nnb (lelccit, mie $lato feinem ©ofratc?. ^us (leeiipiet finb bie neuen Dialoge einem fürftlid)cn 9iad)bar ber (Sbernbnrci, bem ^^Jfal<\ßrafcn Sol)ann Don ©immern, bem öater be? nadjmalipen .Stnrfürften griebrid) 111., unb ©tammDatcr jener l)od)ftrebenben fimmernfd)en ßinie pfäl,yfd)er Äurfürften, meld)e bic ^flcfornmtion in iljrcr Dorgefdjrittenften ©eftalt, al? (SalDi» ni?mn?, ergriffen ; mäl)rcnb ber ©tammDater 3*-'l)ann, ein tüd)tis (^er, i;cbilbetcr unb im fReic^e geachteter (t 1557), noch bei

1) Dialogi llutteiiici novi, perquain festivi. Bulla, vcl Bullicida. Monitor primus. Monitor secuudiis. Praedoncs. @(t|riftcn IV, S. 300 406. 3lu meiner Ueberjetjuno Der ^uUen’jc^en @ejprä(^e ©. 221 389.

2)ie 3»fiö»u**0/ 3(^riften II, S. 4.

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^utlen’ö 9lcue ©cjpräd^e.

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bcm alten Äirc^cinucfcn üeiblicb. greimutt) fei dj, luas er Dom 0d)riftftcHer üerlaiige, ()attc ^fol^t^vaf Sotjonii im L^icfpvädje mit .^uttcii einmal flcänßcrt unb jnj^lcid) ben äönnfdj aiiycjefprodjcn, menn biefer micber ctmaiJ greimütt)i(]c^ fc^riebe, alöbatb mit^ (\ctl)cilt ^n cr()atten. ©o fd)icft tbm beim §nttcn biefe neuen 2)ialü9c atö einem foldjen ber fic foiuol)l mit @infid)t 511 lefen, al^J anc^ jn fd)ü^en miffen merbe. greimutt) merbe ber ^fa^graf in bcnfelben nic^t ücrmiffen, menn uielleic^t and) geile iinb Sßols tenbung. Xer ^erfaffer bfibc fic auf, biefer SBarte, bie fic^ Idngft ber greiljcit geöffnet, eilig auegearbeitet , über ba5 5;f)cnm, baö i^m in biefer einzig jur '^k’l)anblnng übrig fei, nnb

mit bcm SSor^aben, ben 2Öa()nfinn ber geinbe jc^t auf jebe mögliche 31rt 511 rc^cn. ©o mcit fei er entfernt, fie 511 fürd)ten, bereu Unterncl)mungcn, fic mögen beginnen maö fie moUen, \\\u möglid) ®aner ^aben fönnen. Malier fprcd)c er and) benen 9Jhitl) ein, mcld)e C!^ crfd)redt l)abe, mic fie für,^Iid). ben Äaifer imn fo Dielen Sarbinälen nnb ^^^rotonotarien umgeben nad) 2)entfd)lanb haben fommen fel)en. ^arin liege fein @rnnb, für bic gute 0ad)c 5U fürd)tcn, fonbern nur, ben jnngen gürften ,^n bc- bauern, ber fid) in feiner l)ol)cn 0tellnng Don jenen ©cheufalen mifeleiten laffc.

5^oran ftel)t unter ben Dicr neuen Dialogen berjenige, Don tDcld)cm glitten in bem ^eccmbcrlniefe be-i? Dorigen gahrc‘3 an iinttjer gefchricben hatte, er arbeite jept an einem (^efpräd): ^ic iöuUe, ^^war eilig, hoch folle nid)tö Unfeinem merben, beide er, nnb £ntl)cr loerbc eö, fobalb crfd)ienen fei, erhalten, ^ie !0uUe, ober ber iöuUentöbter, gehört ,yi bem bramatifd) iiebeiu bigften, maö |mtten gefchrieben l)Dt. ®ie päpftlid)e ^^nlle nnb bic bentfd)c grcil)cit fd)impfcn unb balgtn fid) glcid) ^^Infangö fo natürlich l)cnim, bah man (loie oben beim gieber) ftatt blofjcr 'ißerfonipcationen lüirflid)e ^erfonen 511 fehen glaubt. 33on ber erftern loicbcrholt mihhanbclt, ruft bie anberc: „ßu $ülfe, ihr bentfehen 3Jiitbürger ! iöefd)ühet bie iintcrbrüdte greil)eit! Sä^agt feiner, mir bei^uftehen? $^ft- fein wahrhaft greicr ba? Äeincr, ber nach Xugcnb ftrebt, 9ied)t unb 53illigfcit liebt, ben Xrng habt, ben grcDclDerabfd)ent? 3)^it (hinein Sßortc: ift fein äd)ter i)eutfcher ba?'' ®ad ift ba^ 0tid)tüort für §iitteirö ?luftrctcn, ber fid) fchon neben bcm Xitelbilbe beiJ !iöüd)leinö alö ben üßer*

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II. $u(^. 6. Kapitel.

fcc^tcr bcr bcutfd)cii grei^cit kj\cid)iict f)Ottc. „®icfcr faßt er ((ilcid)fani nod) in bcr (louliffc), „bon luem er immer fommen moej, gc^t mid) au. miß fd)aucn, mn§ braunen gibt. SBa^r^aftig, um bic grci^cit Rauheit c^ fic^, fo biel id) fef)c. muß id) eilig ßiuauö. 2Bqö gibt ßier? mer ift ba? iDcr ruft?" ,,^ic gi^ci^eit", autmortet biefc, „bic greißeit mirb uutcrbrürft, Jütten. fclbft bin c§, id^ rufe. 2)icfc bort ift cö, bic mic^ uuterbrüdt, bcö jcßutcu 2eo ®uUc." 3e^t befommt bic Satte mit bem bcißblütigeu fftitter ju t^uu. intern uid^t geringen ©eßreefeu nennt er fic^ ben Suttentöbter, ber, menn and) fein ßutfjcrancr, bod) gegen bic Sutten unb gegen ^om überhaupt noeß fcinbfcligcr afg fclbft Sutßcv geftimmt fei. ®r tbirft fid) ibrem Sorbringen in ben 2Bcg, unb berfießt fidb ju feinem löblid)en SGßcrtc bcS Seiftanbeö aller guten 3)cutfcben, bor allen g^an^enö bon 0irfingen, ber längft ber greibeit Xempcl unb ^Itar gebaut l)abc. ^ie Sülle bcrl)öbnt er alö eine leere Slafc (bulla), bic lcid)t ^u ^erftören fei. 9)iit niebten fei fic leer, crmicbcrt jene, bielmebr bott bon grömmigfeit, ©cmalt, ^errfebaft, @b^c unb @öttlid)fcit. 3u, berfept §uttcn, bon 5lbcrglaubcn, @ei^ , ^dcbinntl) unb eitler @b^<^ öott unb aufgeblafen, ober leer an mabrer fRecbtfd)offcnbcit. ©ic fommc au^ bem meltberrfdjcnben fRom, rübmt fid) bie Sülle: mo, fäl)rt bie beutfd)c g^^ibeit fort, ÜJkulcfel tl)eurcr alö ^ferbe, bie ttJ^änncr feine Sttiönncr, bic SRcnfcbcn @öttcr, (SJöttcr ober feine borbanben feien; mo baö Söfc gut, baö &utc böfe b^*6^f man bureb ©d)lcd)tigfcit ficb mobl berbient mache, bic äRcnfcben bem @clbc bienen, bic Xreue bcrbannt, bic grömmigfeit bcrtilgt, alle fRcblicbfcit auögerottct fei. Unb er im ©cgentbcil , er« micbert Jütten, fomme bon ber ©bernburg, bcr ;^erbergc bcr ©crccbtigfcit, mo Sferbe unb S53affcn im Söcrtbc, gaulbeit unb geigbeit in Seraebtung ftel)cn, mo bic ttRönncr rechte ttJiönncr feien, ®ut unb Söö jebeö für ba§ genommen merbe, maö fei, (SJottcöfurcbt unb SRenfcbcnlicbc , 9?ed)tfcbaffcnbeit unb Xreue berrfd)en, mäbrcnb ^abfuebt, anbere )lJaftcr ocr^

bannt feien.

®er Sülle l)tit @cf ben SBeg gemiefen, fid) aber jept in eigenen ÖJcfcbäften abfeitö Üftban; ein bummer, ungebilbeter aJienfeb, mic Jütten il)u nennt, boeb ju biefem ÖJefeböfte oott^

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^ie ^ullc ober brr ^uflrntöbter.

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fommen geeignet, ^ucil er fd)Icd)t ift iiub mib ftctö bei ber $anb, tocmi ettuaö iööfciS unternehmen gilt. S33aö bic iöuüc gegen ßutt)er fagt , ginge if)r bei Jütten allenfall‘5 nod) ^in; aber bag fic bie beutfd)e greibeit it)re ©flaüin 511 be^ banbcln äRiene madjt, trägt i^r ©d)läge non i()m ein. 9lun rnft fie aße frommen ®entfd)en, bie Sdjaaren ber Sßiöndje, bic gottCiSfürcbtigcn SEöciblein, bie (Surtifanen jum üöeiftanb auf, oers beifet bemienigen, ber ben §utten ermürgen mürbe, ^frünben unb Slbtag nach ^erjenötuft: ber gräiilidjfte Serbredier fönne hier SSergebung aller oergangenen nnb fünftigen ©ünben ucr^ bienen; bic ©aebfen, menn fie bie gute 3:b^^l üoübringen, bürfen fnnftig an gafttagen 33uttcr unb @ier effen unb ficb be^ 5^ag§ 5meimal in 33ier betrinfen, bie ^olcn immerfort fteblen u. bgl. m. SBirflid) fommen fofort ber ÖuIIc bie ßurtifanen, bem Flitter nnb ber beutfeben greibeit aber ^^n ©idingen mit ben

©einigen ^u |)ülfc, oor benen bic erftern bic ergreifen.

Äueb Äaifcr Äarl unb bic jü^ften ftcHen fid) ein, an mcld)e nun Jütten nnb ©idingen IRcbcn böHcHf benen fie bicfelbcn ;\ur ^Ibmcrfung bcö römifeben Soebeö aufforbern. SBaö bic greibeit oorbergefagt b^ttc, Jütten braud)c ficb an ber 53nfle nicht i^u üergreifen, fic merbe halb Oon felbcr blauen, gefebiebt cnbliib: fic pla^t, nnb alö ibr Inhalt fommen (nebft mepbitifebem Öle* ftanfe, gegen mcld)cn bic är5tlid)en greunbe, ©tromer u. f. m., ®ermabrungömittcl an bic ^anb geben) Slblag, llbcrglanbc, @br* geij, ®abfud)t, öcucbclci, |)intcrlift, 2J^eincib, SBoUuft u. f. f., fnrj ein folcbcr ^anfe oon Gräueln unb Saftern i\um 55orfd)ein, baß fic notbmenbig baoon berften mubte. Um frei ^u merben, rätb fofort ^ntten ben S)eutfcbcn, äße Surtifanen, bic fo eifrig für biefe 93nßc geftritten baben, üon ®runb auä 311 oertilgcn; ber geplagten ©ußc aber fc|t er bic (^rabfebrift :

Schuft bte OSuIIe Iwflt ^icr, bie oerweflne, bcS ^lujcifc^en 8fo;

2öq8 fie Änbern gewollt, gab fie fi^ jetber: ben iob.

2)ic beiben mittlcrn @cfpräd)c ber neuen ©ammlnng, ber erftc unb gmeite Sßarncr betitelt, Unter*

rebner, inbem ficb in bem erften ßutber, im gmeiten 5rang oon ©idingen mit einem marnenben iöcfannten untcrbaltcn. 33cibc finb infofern ÖJegenftüde, aU ficb ^cr erfte SBarncr Oon Sutber nicht, mol)l aber ber gmeite oon ©idingen nmftimmen, b. b-

380

II. ^u4). G. Kapitel.

bie ©ad)c ber fRcforinatiou (^eunniicn lägt, üöcibc @cfprärf)c finb minber brafti(d), al^ bib^ uornnt^cbenbe inib biv^ nndjfolgcnbc; enthalten uiclmcl)r in rid)ii]cr 9^cbe mib ©cflcnrobc eine cinanbcvfc6im(i bei* fünfte, uicld)c in jenen Xai^eii bie (Scmütl}cr immer megr trennen anfiii(^cn.

Sm erften non beiben tritt ein 9J^inn, ber bi‘^^l)cr iiiit()cr'^^ greiiub unb ^lnl)ün(^er rt^-'^uefen, mie fid) im 5^erlauf ergibt, ein l)öl)erer (^ciftlid)er, ben fReformator an, um il)m erflären, bag unb marum er mit mand)en anbern fid) non i()in lo‘o)^nfaflen entfd)lüffen fei. kleben ber 5*^ird)t uor bem päpftlid)en iöannc nämlid) fei e^ ber Ueberbrng an iintger’^S £el)re, bie ignen an* fäiifllid) , ungefaßt gäbe, ign nnb anberc ba^^u bemecie. Un* mößlkg fönne e«^ ignen (gefallen, ma^ fid) megr nnb megr ald feine ^Hbfid)t gerauvjftelle, bag er bie .Stird)e non igrem ^ei^eiu märtii^en (Mlan.^e ,^n ber ^Hrmfelic^feit nnb bem Sd)mng igrer ^Infän^e ;^urnrffngren moüe. Wegentgeil, enuiebert üntger, fnd)e er bie Äiird)e nun bem 0d)mii|5c ber yj^enfd)enfagnngcn nnb ber ^'enueltlkgung ,yi reinigen nnb igrem nrfprnnglid)en (^lan^e ^nrncf.yigeben, inbem er C£grifti (%bote, bie göttlid)e SBagrgeit, ^nr alleinigen 9ticgtfd)nnr bevS I^eben^ mad)e. Vlber ber Slöagrs geit, meint ber Söarner, muffe bod) ber ^$apft, aU ^Jtad)folger ^^ietri nnb 0telluertreter (Sgrifti, näger ftegen al^ £ntgcr, ber fid) üiigftlid) an bai? 8d)riftmort anflammere, mögrenb jener mit (^grifto @in^o fei, bag er feftfejjen fönne, er molle. .§ier greift iintger erft bie Dürgeblid)e Uebergabe ber ©eglüffeU gemalt an $etrio5, bann bie ^Jkid)folge beö ^apfte^3 in berfelben bnrd) bie beiben Säge an, bag, erftlicg, 6griftio5 bie ©d)lüffeU gemalt^ nid)t bem ^etrn^ allein, fonbern allen 9(pofteln , über* tragen gäbe; unb .^meiteiK^ menn and), fo bemeife bieg nid)t‘^ für ben ^apft. ®em ^4^etrn^, überganpt ben ^^Ipofteln nacgfolgen, geige igr Seben nad)agmen; ba^5 fei aber nid)t ein Seben in 3^eid)tgnm unb .^errfd)aft, fonbern ber ^rebigt nnb ^ienftleiftnng gemefen; igre 'Jkugfolge mitgin fei eine iiaft, eine Allheit, bie einer auf fid) negme, nid)t eine (ägre, ober ein !syorrcd)t, beffen er ^n geniegen gätte. 3n jenem ein.yg magren Sinne aber fei bie ^Jtad)folge ^.ßetri nnb ber ^Kpoftel nid)t an 9tom gebnnben, fonbern allcntgalben, mo apoftolifd)c Xngenb geübt merbe, imr* ganben; im ÖJcgentgeil niemanb meiter oon bcrfelbcn entfernt

2Borner I.

881

al^ ein ®ifd)of, ttjcld}cr, tüic ber römi)d)c, in ^rnnf unb ^urpnr (jcrrlic^ unb in gveuben iebe, bon 33ctbaffnctcn umgeben fei, Kriege fü()re unb ßänber fidj §u untenuerfen trndjte. $ier mac^t ber 2J2af)ner ben Unterfdjieb ^mifdjen ber anfnnglid)en uns boHfomnienen unb ber jegigen triumpijirenben Äirc^e geltcnb, in njeld)cr aüeö glän,^cnb unb f)errlid) fein müffe. ^^Uein ßutljer t)äit i[)m entgegen, bag bie djriftlic^e 6tird)c it)ren mefentlidjen ö^runbjügen imd) §u allen 3citcn nur @inc fein fönnc : menn Un* redjtleiben ben ^pofteln qI^ ©ieg gegolten Ijobe, fo fei barauS ab5une^inen, in il)rein (Sinne Xriumpl)ircn Ijeiße. ®ie ^flic^t eiltet djriftlidjcn ^ifdjof^S fei ^u allen 3cdcn, feine ^eerbe 311 meiben, biircl) ßel)re, ^eifpiel, Oiebet unb üöorforge. 2lber 2eo X, (oon beffen fprioatlcben er aii^ Sd)onung fd)n)cigcn*molle) prebige gar nidjt, unb ftatt Seelen 3U erretten, l)abe er beren fcf)on oiele, t^eilo burd) feine Älriegc, tljcilö biirdj bie Xaufdjungen beö ?lbs lagljanbel^, uerberbt. (Sine fo fdjinu^igc iträmerei, ein fo fc^änbs lidjer 53etrng alf§ biefer follte bem Söarner boc^ bie *!?lugen öffnen; ma^ an ben 'Nullen fei, barüber fönnte il)n fd)on ber ÜJame

beleljren; baö gan^e piipftlidjc ^Jiedjt, ab3 eine Sammlung oon

f)errfd}s unb pabfüdjtigen ä)^'nfd)cnfapungen, follte oon allen djriftlid)en gürften unb 53ölfern oerbranut unb abgefdjafft merben.

2)ergleid)ca gefäl)rlid)e fRcbcn luill ber SSJarner nid)t länger anljören; er bleibt babei, bafi auf Seiten beö ^apfteö unb ber iüiel)rl)eit bie größere Sidjerßeit fei; bie äußere ^rad)t feine^^ Stelloertreteri^> uub feiner Wiener finbet er föi^ (Sßriftum eßreiu

^ooll; baß Sutßer oon ben Sdjeiifungen an bie Ätircße abmaßne

unb bie (iJeiftlid)feit arm madjen loolle, ßat feinen iöeifall gar nid)t. 5)nbei finbet er auf päpftlid)er Seite bie gorberungen an ben iUienfd)en erträglidjer unb minber abioeidjenb 00m geioößus lid)en 2eben. Ü)^in bürfe fiel) moßler fein laffen; fd)ioerere (Gebote erleidjtere ber Cbevßirte, ober laffe fie looßl and) ganj nad); gelnfte einen, etioa^ Sdjledjte^ 311 tl)un, fo madjc ber milbe ^ater. baß e^^ erlaubt fei: ioa‘5 oon 2utl)er, fept ber Söars ner l)iu3U, niemab^ 3U erhalten fein mürbe. greilid) nic^t, ers micbert 2utl)cr, ba er nid)t geben fönnc, ma^S er nid)t ßabe unb nid)t geben mödjte, felbft menn er e‘3 fönnte, meil er nlö redjt* fdjaffener aj^ann eiä nid)t geben bürfte: uämlid) (Srlaubniß 311 fünbigen. ,^ier ftellt fid) ber (%genfa^ beiber Stanbpunfte redjt

382

II. 6. ftapitel.

^crau§. ^cr SBdrncr beru^if^t fi(^ bet ber päpftlic^cn (grlmibniß,

!0öfcö t^un: tücnn bariii eine ©c^ulb fei, fo falle fie bem Zapfte, nid)t i^m, juv Saft; er üerläfet fic^ barauf, bag beim iüiiflften ^ric^te ber $apft für i^n einfte^eii, mit einem einzigen Söorte alle 0ünbcn ber ©läubiflcn au^löfc^en merbe. S^iac^ Sutl)cr batjeflcn (fo mie Jütten feine Sef)re noc^ rationeller, al^ fic gc= meint mar, fafetc) fann feiner auf frembe S^erantmortung leben, barf nid^t frembem Urtl)eile, fonbern nur bem eigenen ©emiffen im §anbeln folgen, ba jeber für fic^ felbft ein^^uftc^en ^at.

Snnerlic^ fcl)eint ber SBanier bie ^o^l^eit feinet ©tanb* punfteS unb ba^ fRid^tige in Sut^er’ö ^luffteUungen mol)l ju füllen; aber äußere ^ücffic^tcn galten i^n feft. i)ie Schmäle- rung ber gciftlichen $frünben, mie Sut^er fic beabfichtigt, mürbe auch ihit uin feine ^ferbe unb 2)icnerfchaft bringen; mogegen er feine Slnhänglichfcit an ben päpftlichen Stuhl halb mit bem 6ar* binalßl}utc belohnt ju fehen hofft. So fcljeibct er oon Suther mit ber öerfichcrung fortbouernber pcrfönlicher greunbfehoft, aber mit Soöfagung Don feinen SWeinungen ; mährenb biefer, noch=

bem er ihn oergebenö ouf beffere SGöegc ju bringen oerfucht l)olf ihn aufridhtig bebauert unb ftch anfdhicft, ftatt biefer einen uer^* lorenen Seele alöbalb jmei ober brei anbere für geminnen.

jmeite ©efpräch gleichen Xitelö fcheint unmittclbor uor berßueignung bcö ganzen iöüchleinö, juSlnfang be^Sohi^cg 1521, gefchricben ju fein, ba c^ bereite auf ben (mormfer) Sflcich^tag SBejug nimmt, tiefer mürbe jmar erft am 28. 3anuar förmlich eröffnet; aber ber Äaifer mar fchon im 2)eccmbcr tnSßormö, unb nach unb nach fonben ftch bie dürften ein. 2luf bie Übeln 9>la^5 reben, mclchc in biefer gürftenüerfammlung über ihn ergehen, mirb nun granj oon Siefingen burch einen jener beforgten fjrcunbc aufmerffam gemalt, Don benen Jütten j^u ®nbc beö oorigen 3ah* re^ an Suther gcfchrieben hotte, mie fic alleö Oerfuchen, 5ranj üon ber Sache ber IRcformation abmenbig ju madhen. heiße bort, er fei ein 2lnhänger Suther'^ unb enthalte ben J^utten bei ^

fich, einen SJicnfchen, ber einft noch Urfachc üon großem Unheil merben merbe; überbieß höbe er fich üorgenommen, bie ^foffen unb ^öifchöfe jur Orbnung 511 bringen, ohne S(hcu üor Sco'jS iöulic unb ben si^erbotcit fo üicler fnlhern ^äpfte. ®a^ fei mal)r, '

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SBomcr II.

383

crtpicbcrt ©icftngcn, aber fein ©ruiib, übel üon ifjm ju reben. 5)cr fc^mu^igen ^faffenberrfc^aft SBiberftanb leiften, fei jc^t jebed ®icbcnnannc« ßut()ern günftig fein, ber ba^

©nangelium prebige, fein ®erbrecbcn; Jütten aber fei für feine ©(griffen, fo öiel man miffe, bii^ je|jt U)eber angeflagt nod) üer^ urt^eilt. 5(uf bie Bemerfung be^ Söarner^, bafe Sutber unb feine Anhänger al^ 9icuerer gelten, entgegnet Sran^, bab fic melmel)r bad cntftellte 5llte mieberberäufteüen trachten, unb barin gemig im @innc (5l)rifti Oanbeln. ©o follen fie ©brifto ju beffern über^ laffen, meint ber anbere, ober (ba i^m S^anj al^alb einmirft, bag ficb @ott ber ffflenfc^en al§ SBcrfjcuge bebienen pflege) boeb ben ^rieftern: i^n unb §utten, al§ Saien, geben geiftlicbe ©aeben nichts an. Allein, gefept felbft, entgegnet 5ranj, ju folcber Xbeifung beö ßbriftenüolfö in ^rieftcr unb Saien mären jene berechtigt gemefen, fo fei boeb flar, bag bie Pfaffen nicht geneigt fein roerben, ipre eigenen Sepler, bie Sutber ihnen gezeigt, j^u oerbeffern; baber berufe @ott Saien j^ur 5lbbülfe, unb er inöbe* fonbere finbe fiel) oom ÖJeiftc getrieben, bie !öefcbirmung ßutber'ö unb ber cbriftlicbcn greibeit auf fi^ ;^u nehmen. 211^ ber SBarner feine 93efovgnift oor ben Gefahren äugert, benen ficb ©iefingen bureb ein folcbeö Unterfangen auöfepe, ermiebert biefer, er höbe nur bie eine ©nabe ju oerlieren, menn er nichtig

tbue. ÜJ^ebr unb mehr gebe ihm ber traurige 3nftanb ber Äirdje ju^erjen unb bie immer fteigenben Uebeltbaten ber ^riefterfebnft. Unb nun entrollt er in langer SRebc baö befannte (5)emälbe ber oerfebiebenen äJ^ibbräuebe, melcbe ooUftünbig b^^n, johlen feine ©pracbe binreicbe, unb in ©ej^ug auf melcbe bie 9>iacbmelt ben ©efebiebtf^reibern biefer ben ©lauben oerfagen merbe. öc- reitd ift ber Söarner baran, umgeftimmt ju merben : boeb bnlt er 3rran5 noch bie gemeine fRcbc entgegen, bafe feiner je ein glücf» liebet önbe genommen habe, ber bem $riefterftanb entgegen ge- mefen fei.

5)ocb, ermiebert granj unb b*c^ eröffnet ficb nnö ein merfmürbiger 23lid in ^utten'i^ unb mobl aud^ ©icfingen'ö ®nt* mürfe: ber 23öbme QUfa. „$at er nicht ben Sffubm bildet ficb gelaffen, fein ®atcrlanb Don ber 3^ingbcn:fcbaft befreit, au^ gan^ üBöbmeu bie nicbtdmürbigen ^enfeben, bie faulen Pfaffen unb unnüpen a)iöncbe, oertrieben, ipre ©fiter tpeiU ben ®rbeu

384

II. 6. ftoliitel.

bcrcr, bic fic flcftiftet, t()cilö bcm aüflcmeinen 33cftcn jurücfticftcllt, bcn römifc^cii ©incjriffcn unb bcu Sfläubcrcicn bcr köpfte baö ßonb ucrfc^lüffen, bcn clcnbcn Untcrflanq bc‘3 ()eüi(^cn SWanncö §u6 mutt)üon gerächt, unb in alle bcm feine iöente gefne^t, fid) felbft nidjt bereichert 511 halben? Unb bcnnoch er, ohne eine Unterbred^ung feinet ©lücf^laufeö, geliebt unb oermifet oon feinen iianböleuten , bie er noch oor feinem Xobe mit heiU^nien . Ermahnungen ücrfehcn, fein ßeben befchloffcn." 5lld ^ßerbrechen, meint 0idingen, feien ßiöfa'd SEhaten nur Oon feinen Jeioben, ober oon folgen ocrfdjrien, melche bic ©cfchidjte nicht fennen; ma$ er gethan, fei recht unb für Böhmen nü^lid) geiocfcn. ®u fcheinft mir, bemerft ber Söarner borauf, nid)t übel Suft ju haben, ^h^ilr ^i^enn angingc, auch hier nach^uahmen? Er fei nicht ot)nc£uft ba^ii, befennt gronj, oorauogcfcht, bafe bie ^rieftcrfd)aft aud) ferner auf Ermahnungen nichts geben merbc : in biefem gallc müffc man ÖJctoalt gegen fie gebrauchen.

'üöcreitö burd) 5ranj überzeugt, erinnert ber SSarner ihn nur nod) an bie cntgcgengefejjte ©efinnung be^ ^l^aifcr^^, mcldjer bie Slnhängcr Siither'ö bebroht unb ocrfprochen höl>e. ba^§lnfel)en bc!§ römifchen 0tul)t^ mit 3)aranfehung feiner ganzen 9J?ad)t aufs recht erhalten 511 luollen; bem Äaifer aber fei er hoch EJehorfam fdjulbig. Allein biefc 9^ücfficht, entgegnet 3ran^ mit l)oh<^^' J^reimnthe, loerbc il)n am allcnocnigften oon feinem Vorhaben ,^urücfl)alten. VII0 feine ^flidjt erfenne er, bemÄ'aifer ^u rathen unb für il)n ,^u tl)un, nid)t, maö biefem für bcn ?lugcnblicf gcs fällig, fonbern loa^^ ihm für bic 2)aucr nü^li^ fei. ©0 lange aU möglich loerbe er baljcr babei beharren, ba^ nid)t ;^u thun, mo^u frembc Einflüftcrung ben Äaifcr jeht berebet h^bc, loooon er aber bic OcrberbIid)ftcn Solgcn fieser Ooraudfcl)e. gebe gäüc, 100 Ungchorfam bcr beftc EJehorfam fei. EJefeht, Äarl /^ürntc ihm bcfeholb, fo getröfte er fich beffen, bag bcrfclbc c^ ihm fpäter banfen loerbc, loenn einmal bie 3cit bic ?lnfd)lägc berer loerbe auc^Sidjt gebracht höben, burd) loeld)cÄ^arl jept 511 feinem Unheil fich leiten taffe. 3n biefem ©innc gcbenle er, fogar gegen bcö Älaifcrö SBillcn, fo lange für beffen ^efteö jn forgen, bi^ er fid) geioaltfam entfernt fcl)en loerbe. ©icher loürben aud) anbere bemfclbcn in gleichem ©inne rathen, loenn fic nid)t burd) pöpft* lid)c^ (^elb bcftod)cn loären. Äiarl l)ötte jept fo oiel ^nbere«?^,

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Sßarner II.

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S^ot^ujcnbigcred t^un, qIö bcn ?^faffcn ein 0^r ju leiden:

5. ^bfteüimfl bc^ Sftaubmefenö, ber fQufmännifdjcn 3Jionopole, 53c}c^ränfuiifl ber ©ac^iualtcr, Scrminbcrunci ber 3al)l ber ßJeift' liefen uiib ber äJiönc^e, fatl^ bic lefeteren nic^t beffer gar obge^ fc^afft lüürben, fiiifuögefe^c, sperre ber ©elbau«)c^leppung burd) bic 5uggcr unb nac^ Ülom. SBäre bic6 getiion, bann möchte er fid) um jcnc3)inge, bie i^u eigentlich nichts angchen, bekümmern. Unb auf beö Sßarncrö ©imuurf, bag hoch tuohl nicht ganj uniiü^ jein bürfte, auf bic auö Slnlag ber reformatorifchen iöctues guug cntjtanbcnen Unruhen ein ^uge ^u hoben, bamit fic nicht gefährlich merben, gibt ^ranj bie treffenbe ^ntmort: mürben

gar feine Unruhen cntjtanbcn fein, menn Äart fich nicht in bcn §anbcl gcmifcht hätte. @r hätte ber ©achc ihren Sauf laffen, unb nicht burch fein ®aän)ifd)entrctcn ben ^arteicifer reijen füllen. 2)anu mürbe bic burd) Suther in ^eutfchlanb fich ücrbreitenbc ©rfenntnig ber cüangelifchen Sehre in Äurjem üon fclbft baö beutfehe Äirchenmefeii uingcftaltet, ber ^faffenl)crrfchaft ein (5nbc gemad)t, unb baiS ^nfehen bcö S^aifer^ gehoben hoben, mclcher nun in feltfamcr iöcrblcnbung gegen fein eigene^ Sntereffe bem beiJ ^opftcö fich bienftbar mache.

ßunächft hot nun 5^0115 im 'Sinne, Suther ju fchühen. SSenn ihm bal)cr ber Ätaifer etmad ©emaltfamcd gegen bcnfclben {^umuthen mirb, fo ift fein 33orfah, fich erft möglichft ^u fträuben, bann im iJiüthfalie offen bcn ©chorfam ^u oermeigern. 9läd)ftend mirb er bcn fchlechtcn SHathgebern bci^ Äaiferö bie 3rcunbfd)aft auf* fagen, juvor jebod) biefen felbft ermahnen, fich nicht bem ^^^apfte ju untermerfen. 5)eutfd)lanb brand)t jc^t einen feharfen, friege* rifchen, nicht einen trögen ^^faffentaifer. Seo juchte erft i^arl’ö 2Öal)l ju hinbern, bann fehiefte er feine ßreatnren hinter ihn, bic ihn je|t ganj bchcrrfchcn. ^lllc«J hängt nun baran, bag berÄaifcr ,^u befferer (Sinficht fomme, feine übclgcfinntcn fRathgcbcr entferne, bie greunbfehaft mit bcn ^Jfaffen abbrcche, ftatt ihrer bie topferften unb beftgefinnten bcutfd)cn a)iänner an fich jiehe unb mit biefen bic ®crbeffcrung ber firchlid)en 3nfiänbc unb bic Befreiung Xcutfd)lanb^ burd)führe. Ob er fid) ba^u granjenö bebiene, ober cincö anbern, gilt ienem gleich, menn er nur tüchtige ü)ian* ner mäl)lt.

Xl)ut itarl bieg nicht, bann l)Ot Sranj im Sinne, ctma«

VII. 25

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II. 39u^. 6. ffopilcl.

auf feine eigene ^anb tnaqen, ma^ au^fdjlaqcn tnie toiö. 5)a,^u ^at er an glitten einen eifrigen unb i^eftiflcn Ü)ial)s ner, beffen (^eift bem Unternel^men ijen)acl)fen, bem jeber ^er^ng unlciblt^ ift, unb ber alleö in ^Beiuegnnci fefet, um ben Unter' Qanc^ jener üerberOlic^en ^ienfd)en berbeijnfü^ren. Unter 0eßenös münfe^en beö umgeftimmten Sßarnerö unb beffen ^anfe für bie 35ele^rung burdj ©idingen fdjliegt ber Dialog.

5)a§ üierte unb le^te ©efpriid) ber neuen ©ammlung, bie fRönber betitelt, mar fdjon uor Stiljtcgfrift angefangen, unb foüte bereite mit ben altern @cfpräd)en erfd^einen *). SSoUenbet femn gleic^mo^l erft ju 5lnfang 1521 fein, ba e§, mie ber jmeite SBarner, auf ben mormfer 9fteid)0tag löe^ief)ung nimmt. be« jeidjnet einen SBcnbepunft in ber ©ntmidlung non ^utten'ö Sbeen unb (Sntmürfen, ber fir^ fd)o:i feit einiger 3cit i^i il)ni öorbereitete. %gen bie Stabte unb bie §auptquelle iprer 33lütt)c, ben §anbel, batte er, mie mir fattfam gefel)en l)aben, ben SSibermiUen feineö Stanbeö mit ber 3Ruttermild) gefogen. SRun faben ficb ober in jener Qcii gleid)ermagen fRitter nnb Stabte immer mel)t Don ber fid) erl)ebenben gürftenmadjt bebrängt. mar folglid) ^l)or* . beit, menn fie ficb länger gegenfeitig befel)beten, ftatt gegen ben gemeinfamen geinb fid) ju Uerbinben. äcigte ficb, ^md)ft

ber 9^itterfd)aft, nirgenbö mehr @mpfänglicl)feit für bie Sbcen ber iiRefürmation alö in ben freien Stabten. ®aö ertannte Jütten, unb bon ba an fuebte er, mit iöeifcitefebung ber perfönlicben ?lbs neigiing, auf eine Serbinbung jmifeben 9titterfd)aft unb Stabten jur ^5)urd)fübrung einer politifd)en unb religiöfen ^Reform im iRcicbe bin^^oiwir^cn. 3)ieg ift, menn and) nid)t ber gan^c Snbalt, bücb boig ßiel biefeö ©efpräd)^, baö mit einer Stauferei ^mifd)en einem fRitter unb einem Stäbter ficb eröffnet, unb mit ber gegen= feitigen $anbreid)ung beiber 5um Öunbe jmifeben it)ren Stän^ ben fcbliegt.

3n einem @cfpräd)c über ben gegenmärtigen Steid)ötag (bief) ift bie 5obel, melcbc ber 2)ialog Uorauöfept) mar üon ber kenge- riing bc!§ itaiferö bie Siebe gemefen , baß er bem Staubmefen in ^5)eutfd)lanb ein @nbe mad)en, ben fianbfrieben bctftellen unb mit

1) ^0(i^Töu§ an ^ird^cimer, 8. 1520; in ^utten’§ Schrillen I,

6. 321.

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Sie 92äuber.

387

©iltcm ©d)Ia(^e qUc grcibcutcr ücrnicl)tcn tPoUc. ‘Daüon batte ein Ätaufinauu, ein CEonuni^ ber S^iflgev, fiel) böc^ticb erbaut flc^eicit, babei ^uöfälle auf bie fRittcr, alö bie 9täiiber 2)eutfcb= laubö, fid) erlaubt uiib qeäuSert, er tjoffe ^u erleben, baß ber qan,^e 9litterftanb bertilcit fei. Unc^lüdlicbcnueife lüar Ulricb uon Jütten j^uflegen, ber bei fold)cn fReben gegen feinen ©tanb, nod) ba^u »uon einem Äaiifmanne geführt , alöbalb geuer fing. 3m Söürtmecbfel mit biefem, unb uon t()ätlid)er 3Jiißl)anblung beffelben faum burd) bie SBürbc be^ Drte^, mo fic fid) befinben, j\urücfgebalten, tritt nun §utten auf bie ©eene. S)er Äaufmann, auf bie Unuerlefelicbfeit beö Drteö unb ben ©d)u|j ber reid)^' ftiibtifc^en Obrigfeit uertrauenb, nennt Jütten ein S^läuberc^cn unb mieberl}ült, ber fRitterftanb fei eö, ber ^)eutfd)lanb nic^t ^ur fRu^e fommen laffe; i^m, unb nur i^m, gel)ören bie Söcgelagerer an, meld)e bie fReifenben behelligen ; Jütten felbft aber finbe er um jo meniger Urfad)e uon biefem Urtl)eil au^^unehmen, je mel)r fid) berfelbc uon bem ÖJeifte feincö ©tanbeö befeelt ^eige. Jütten, and) nod) bureß ben ©pott beö Äaufmannö, al^ magte er nicht, ihm lüirtlid) etmaö ju £eibe jn tl)un, gereift, ift eben im 53egriffe, biefe äl^einung l)C»nbgreiflid) ju miberlegcn; beim, rebet er feinen ©egner an, „ich bir luahrhaftig, fichcr unb gemiß, luenn bu nicht anbere ©aiten aufjiehft unb befd)eibener luirft, fo tuerbe id) bir erftlid) hitr beine 33aden ^crbrefd)en unb baö gai^e @efid)t ; bann bir bie gähne reihemueii^ einfd)lagen mit meinen gänften ; hi^^^^öuf bir bie S53ampen malten, baß bir bie fRippen frachen; bi« bu enblid) erfd)öpft, h^lbtobt hier im Klothe liegen bleibft, unb Pfeffer pfunbmei« unb ©afran lothmei« uon hinten fahren läffeft".

@iu glücflid)e« Ungefähr führt jept 3rai^ uon ©iefingen herbei, um ben burd) Scibenfehaft übermältigten greunb uon einer unmürbigen §anblung jurücf5ul)alten. 3h*n berichtet Jütten bie Seranlaffung be« ©treite«, in«befonbere, baß ber ilaufmann and) ©iefingen'« Ahnten bloße fRüubereien genannt l)uije. ältit großem ©inne über ba« ^erfönlid)e fnr|^ hinmeggel)enb, beruft fich©idins gen, ben iöegriffen feine« ©taube« gemäß, barauf, baß er, mie ®eutfd)lanb unb bie S^tachbarlänber miffen, mie aud) bereit« in bie (^efd)icht«büd)er eingetragen fei, niemanb befd)äbigt h^be, ohne ihm uorl)er gel)be angefünbigt ^u h^ben. 2)icfe iöefchöni* gung berÜiäuberei mill berilaufmcfmi nid)t gelten laffen, ba ben

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II. 8u4l- 6. i^apifel.

Sflittcrn baö fRcc^t niefit juftcfic, für fiefi, o^nc Öefieifi ber gürften, Ärieg anjutünbiflcn. Slbcr ©idinflcn treibt ifin mittelft einer platonifirenbcn ^ioleftif, burd) ©ntinicflunci ber S3e9riffe Don ^bel, ingenb, Xopferfeit, 511 bem ©ingeftänbnifi, bafi auefi ber blofie S^titter bie 33efugnifi unb ben 33eruf fiabe, baö fRccfit ini S^totfifalle mit SBaffengemalt 511 fd)ü^en; mobei freiliefi tfieiU ber lofe mittclalterlidje ©toatöüerbanb, ber ja eben bamcftö einer ge= fdjloffenern ©infieit meiefien foUte, tt)eiU ba§ norau^gefc|t ift, maö in ben menigften gälten jutraf, bafi e^ bei jenen ritterlicfien ©cfiilberfiebungen mirllicfi um iöefcfiü^ung beö iRecfite^ ju tfiun fei.

©ofort aber auf baö ©tiefimort beö gani^en ©treite^ ein^ gefienb, übernimmt ©idingen, maö Jütten gleicfi Slnfangö bem Kaufmann entgegengerufen fiatte, grünblid) ;^u jeigen: bag nänu lid) meber ade bitter fRäuber, uoefi ade dtäuber fRitter feien. 3)aö erftere mirb furj abgemad)t, inbem tljeilö §utten uon fiefi betfieuert, nie jemanben baö ©einige geraubt ju fiaben, tfteil^^ ©idingen üerfiefiert, bag fold)e 9litter, bie fiefi mirflid) ©tragen* raub /^u ©cfiulben fommen laffen, üon ben übrigen ber ©tanbeiS* efire uerluftig geaefitet merben. ®a)5 anberc aber, bag niefit ade dtöuber bem $Ritterftanbe angefiören, uielmefir in gemiffen anbern ©tänben meit mefirerc unb üerberblid)ere fRöuber fiefi finben, ift baö eigentliefie Xfiema beö ÖJefpröefiö. 5)abei mirb, roie mir fefien merben, baö Söort 9^äubcr in mciterem ©inne genommen; boefi auefi oon ben fRöubern im eigentlidjen ©inne, in SBalb unb gelb, gefiören, nad) ©idingen')^ iöefiauptung, bie menigften bem Üiitter* ftanbe an. ^en 33emciö maefit er fiefi jiemliefi leiefit; er fragt nömlid) ben Kaufmann, ob er felbft jemoli^ uon einem Stitter bc* raubt morben fei? unb biefer mng geftefien, bag, bieg nie bergad gemefen, fonbern er fid) immer nur bauor gefürefitet fiabe, meil adgemein fieige, bag bicfRitter baö ju tfiun pflegen. ©0 über* rumpelt, bittet ber ocrblüfftc Kaufmann bie fRitter um öer^eifiung, unb nun gibt ©idingen fiefi baran, fein ^Xfiema au^jufüfiren, in* bem er oier Slrten oon fRäubern in 2)cutfefilanb untevfd)eibet. Jütten (ber fiefi mit feiner ficibenfcfiaftlicfiteit in biefem ©efpräefie gan^ befonberö trefflicfi in ©eene gefegt fiat) ruft ooreilenb: 3a, unb bie erfte unb oerbcrbliefifte Slrt finb bie Pfaffen I Slber ©idingen ^\iefit oor, ftufenmeife oon ben fleinern unb minber

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’X'ie ?Räut>cr.

389

fdjäblic^cn ?(rtcii ben fd)limmcrn auf^^uftcigcn imb mit ber ucr* bcrblic^ftcn ,^u fc^Iic^cn.

1. 9Ili? bic unbcbciitcnbftcn unb orträglid)ftcn iRäubcr ftclit ^

5rait5, ,vi bcö 5^aufmannä nid^t geringem 33efrembcn, bie eigent* lid)cn Söcgclagcrer bar. feien arme Xeufet, bie meiftenö bie 9iotf) treibe, bie fidj üor 0cf)macl^ unb fei^merer ©träfe fürd)tcn ^oben , unb uor benen man .fir^ leicht i)ütcn fönne. ßmar meint ber Kaufmann, ja, bie kleinen ^enfe man, aber bie ©rogen unb 3lbelic^en taffe man taufen: unb ©iefingen meig if)m nur einige Jälle, mo bod) auc^ ebet geborene fRäuber beftraft morben feien, entgegenju^ntten. bO‘$ ©c^timmere

ift, nac^ ©iefingen^ä^afür^otten, bag eben nur auf biefe geringfte unb b^itmtofe ^rt ber fRäuberei in Xeutfcbtanb ©träfe gefegt ift, mäbrenb bie brei t)öt)crn (Staffen gau,^ offen rauben, unb babei unangcfod)ten, ja in (S^ren bteiben. §tt^ bic erfte biefer böbem fRäuberctaffen, mitbin atö bic ^toeitc oon unten b^nauf, nennt granj, ,^u noch größerer Ueberrafd)ung beä guten (Sommi^,

2. ^ic J^aufteutc. '^xiv gan^ unnttbe, ja fd)abtid}c SBaaren führen fic jäbriicb eine Unmaffc (?5etbed au§ ^eutfebtanb fort, ^ier fommt Jütten auf fein atte§ ©tedenpferb j^u fi^en, bic $o= temif gegen Pfeffer, 3ngmer, ©afran, ©cibc, gegen Suyuö unb SBcrfeincrung überbaupt. ^oeb nicht atle ,^auftcute (fährt

fort, benn er ift auch ferner berfRebcnbc) mirten fo febäbtieb; am meiften jene reiebften, bic, in ^anbctögcfctlfcbaftcn ocreinigt, nopotc auöübcn „moruntcr", fagt er bem Sommiö iny ®efid)t, „beine §erren, bic gugger, bic nid)tömürbigftcn finb“. Söenn bict .^utten feinen 5ran^ ficb auf baö Urtbeit atter reebtfebaffenen iWänner in ®cutfd)tanb berufen tagt, ob man nicht bic Sugger oor aticn auö bem ßanbe jagen fottte, fo ift bieß faum eine Ueber* treibung. Üutber fprid)t oon benfetben nießt anberd alö Jütten, unb in ben öcfcbioerben auf ben fRcicbötagcn jener 3ot)i^c febren bic Ätagcn über ißr Treiben öftere mieber. .gatten bic 5'uggcr bic Ungnnft ber fReformfreunbe iuöbefonbcrc aud) bureb ibre^n* febtießung an ben römifeben .gof, bei beffeu gciftlicber ilrämcrci fic at^ 3^^i^^)<^”Wnbler betbeiligt maren, ficb j^uge^ogen, fo benubt .gutten biefe (^etegenbeit ,^ug(cid), um auf bie Vorfahren Sco'ö X., atö bie itatienifeben Sugger, einen ©treid) 511 führen. Unb fo fel)r 2tnfong3 Oerficbert mar, baß nur oon einem berÄaufteute

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390

II. 6. Äapitcl.

bic 9lcbc feilt füUe, fo -^eint firf) bod^ halb, baß baö (jan^c ^rincip bc^ .ganbclöftanbc^ baö ^raeßteu nacl) ©elbt^ciuiun alö Älugßcit unb 2ift al^ ÜU^ittcl, oerfeinerter iieben^genuß aU ^rci^ ber rittcrlicß=antifcn 2)enfart ^utten'^i alö ctroa^ Uucblcö uiib Unfittlicße^ crfd)ien. §icr loagt 5tr)av ber bebvnngte Ätaufmann, um fid) ettüo^ ßuft ju maeßen, einen SluöfaH. §(nd) bie iRitter ßaben ißre 5eß(er, bemerft er, unb nid)t geringere alö bie ®aiis belöleute. ®efe^t, biefe feien gemhmfücßtig unb nnreblicß, fo feien bie ©tanbeöfeßler be^ Slbelö Unmiffenßeit unb §o^mntl). ^)er feinem ©cßmelgerei ber einen fteße baö roße 0aufen ber anbern gegenüber. SDa fieß jeboeß ßieburd) bie beiben fRitter nidjt irre mad)en Inffen, fonbern babei bleiben, baß, principiell betraeßtet, ißr ©tanb, feiner ©roßmntß, 5(bßärtung unb ©infacßßeit megen, ben Sorjug nerbiene, fo ift nid)t jn üertounbern, baß ber Äanfmann baö (SJefpräcß üon biefem fünfte oonoärt^ ^u bringen fließt, unb fo geßt beim auf feine Sßerantaffung granjj 511 feiner 3ten ^Räuberclaffe, ben ©eßreibern nnb Surifteu, über, .^ntten’ö SGöibermitte gegen biefe ift nnö fo menig ald feine Slb^ neigung gegen bie itanfleute neu, unb ßat 511m äßcil gleid)fallö in ©tanbeöeiferfud)t feinen ^rnnb. ^aß bie ^ui^iftcn in rätßen nnb an i^^^ßr nnb meßr ben 5lbel ^urüefs

brängten ; baß fie maneßeö @ut, baö ber fRitter @igen 511 be^ figen glaubte, alö fürftlicßeö ßeßen in §lnfprucß naßmen; baß Äaifer ÜJkjimilian'ö befted)lid}e 0cßreiber reidj geroorben maren, lüäßrenb feinen feeren regelmäßig an©olb gefeßlt ßatte, wirb nnüer^eißlicß gefnnben. 2)ie gute Qcit ber (^roßoäter mirb ^urüd* gemünfeßt, al§ man bei unö oon biefen ®octorlein noeß nid)tö gemußt ßabe, unb nnoerßoßlen mirb an^gefproeßen , 2)entfcßlanb fei beffer baran gemefen, mie noeß ba^ fRed)t in ben SBaffen lag, ald je^t, ba man in ben 53ücßern finße. Slber mit @runb mirb and) über bie Serbreßungen nnb ®erfcßteppnngen, baö Sucß= ftaben* nnb gormenmefen ber 9iecßt^geleßrten gef lagt unb babei abermals bag 2ob ber ^Jlieberfacßfen gefangen, bie fieß oßne fic ^u ßelfen miffen. granj ßötte nießtö bagegen, menn an einem 2^age alle fRecßtöbücßer oerbrannt mürben, unb Ulrid) möd)te beren 5luöleger in bie platonifdje fRepublif ober beö Xßomoö SRoruö Utopia feßiefen fönnen. ®ocß

4. bie oberfte (klaffe unter benen, meldje ®cutfd)lanb be*

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!S)te diöuber.

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rauben, nehmen in Sicfiuflcu’ö ©intbeUung, mic fd}üu ermähnt, bic (^ciftlic^cn du, iucld)c fclbft lieber iu brei 5lrtcn , verfallen: SSdt(jciftlid)c, Orbcu!39dftlid)c unb bic ^liicjdjöriöcu bc^ vömi)djcu fein SRäuber an^utafteu wagt, baö rauben bic Pfaffen, unb waö fic d)cma(^ erbettelten, ba« nehmen fic jc^t mit ÖJemalt. 'J)ic beften ©egcnbcu ^cutfd)lanbö ()abeu fic an fid) geriffen; ben fRb<^in nannte Äaifer griebrid) III. bic ^faffengaffe; and) bic granfen (o ber 8ci^anbc !) ftef)cn gai^ unter geiftlidjcm iHcgimcnt. 5)ic Pfaffen finb in il)rcr 3)ie^r^abl nod) nid^t^wurbiger aU bic Äauflcutc, weil fic 9?eid)tbum unb SBobücbcn, mornaclj fic boc^ einzig tradjtcn, cigeutlid; ücrad)tcn füllten. <Sie leben gan^ gegen bic urfprnnglic^c Öcftiimnung il)rcö ©taube». SSou ben l)öljern (^eiftlidjcn, bic il)rc ©teilen in ber fRcgcl burd) @clb erlangt l)aben, finb bie meiften ungcleljrt unb ungciftlidj, unb benfen nid)t barau, iljrc ,*pccrben ^u meiben. Xljut einmal einer ibrer Untere gebenen ctmaö für bic Erbauung ber (^emeiube, wie jept Sutber unb einzelne feiner 3lnl)änger, fu werben fie üou jenen alö Steuerer üerfülgt. Äcin bcutfdjcr !iüifd)of ift je^t du ^rebiger; bagegen gibt ei? üielc treffliche Säger unb iRrieger, nur benen nicmanb» Erbgüter fichcr finb, and) auegelernte SBoIlüftliiige unter il)iien. §ier wirft ber Kaufmann ein, bie ^eutfehen, inöbefunberc bic ©täbte, Wüllten gern bie Pfaffen muftern unb jum Xl)cil quö= treiben, aber ber ^bcl wiberfepe fid), weil er ®erwanbtc baruntcr habe, läßt jebod) gran^ nid)t gelten. Xic Slbelid)en, bic in ben Älcruö ciiitrcteu, werben bem ^Ibelftanbc iu ber Siegel untreu, unb fallen nicmanben bcfd)wcrlichcr aU ihren ^nücr^ wanbten. SSiel fofte biefc fd)on, bi^ fic einen ber Sh^^Ü'-’i^ eine höhere geiftlichc ©teile bringen, unb bann wolle ein folchcr erft nod) mit feinen ölcfchwiftern erben. Sluch jeher mehr alö anbere ©taube an bie Äirchc ucrfd)wenbet unb tl)ue c^ noch, i^um größten ©chaben feiner Äinber. ®ie gürften feien e^ oielmehr, wcld)c bie ^Jfaffen fchühen, weil fic für ihre nachgebornen ©öhnc ober 'trüber auf iöifchoföftühle Sagb machen, oon weld)en fie ben uiebern 2lbcl nächftenö gan^ oerbrängt haben werben, ©ie feien CiJ, bie lieber ihre ©igcnmacht oergrößert, aU bem §lUgcmcincn geholfen wiffen wollen.

^uf bie i^weite Unterart biefer oberften fRäubcrclaffe, bie 3Itönd)e, üornchmlid)bie43cttclmönchc,beu befoubern (Segen ftaub üou

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II. 6. I^apitct.

^uttcn’ö luic bcnicrft, !ommt bicfcr au$ ©clc^cnbcit

bcr O^rcnbdc^tc ju fprerfjcn, U)cld)c, luic ind)t minbcr bic ^J^rc= bigt, fie mciftcrüd) olö ©clbqucllc au^^ubcutcn ücrftcljcn. Uiib bod^, fällt Jütten fpottcnb ein, tuoUteft bu ben f}ol5tü6igen grau* 5iöfancrn ein neueö 9^cft bauen, ipenn ic^ bir nic^t aui^gerebet ^ötte. ®en Itaifer, meint Jütten, follte granj über ben Urfprung ber S5etteIorbeit aufflären: bag fie nämlid) feinem anbern 3tpcde geftiftet feien, q(ö um ben köpften gegen bic i^aifer aU ^ilij ju bienen. Sftac^bem noc^ non intern §affe gegen bic SBiffenfe^aft, bic i^nen aber auch ben Untergang bringen merbe, bie 9lebc gemefen, fagt gran^ baö ©rgebnig in ben ©a| j^ufam* men, 2)eutfc^lanb fei nic^t ;\u helfen, menn nicht bic (SJeiftlichen auf eine fcl)r geringe ßahl jurüefgeführt, ihr @infommcn gefchmö^ lert, bic 3Jiönche aber ganj abgcfc^afft merben. ®ie ^rad)t an @olb unb ©Über füllte man au3 ben Äirchen entfernen, im Äricg^fatl cinfchmeljen unb §eere baüon unterhalten.

SBic cnblich bieiRcbc auf ben römifchen^of fommt, forbert gran;^ üon §uttcn, nun foHc er feine römifdjcn Erfahrungen ^um öeften geben, tiefer fpricht alfo ^uerft üon bem ^apfte felbft, feiner angemagten 9Kad)t unb ungciftlid)cm ficben; bann üon feinen Wienern, ben Eurtifanen, beren er fich befonberö jur ^u^bcutung ®cutfchlanbö bebiene, unb bic bal)cr Jütten noch mehr h^ißt filö felbft ben $apft; üon ben Segaten, mclchc bic thörichten gürften alö ©pione auf unfern fRcid)!§tagcn bulbcn, gegen mclchc nun aber Jütten ctmaä auö^uführen h^fft. n)cnn grnn^ ihn nicht im ©tiche lägt, tiefer fagt ihm feinen 3iciftanb 5U ; aber hier jeigt fich benn auch, tuorin beibe SJiänncr noch nicht einig toaren. Jütten mollte feine 3eit Ocrlicrcn ; ©iefingen eine günftige Gelegenheit abmarten. iörächcn fie ^ur Unjeit toS, meint er, fo fönnten fie gcrabc ben geinben ^5)cntfch(anbS gemon* neu ©piel machen, ^aö miß and) §uttcn nicht unb bequemt fich baher jumSBarten, menn mir ni^t gar jn lange bauern foü. 5)aö fürchtet gran,^ nicht, benn ^cutfchlanb fei burd) Jütten unb Suther am3 bem ©chlafc gemeeft, fange an, ben Xrug ^\i merfen, unb merbc ba§ fdjänblichc Beben jener unnühen Ü}Jcnfchen nid)t lönger ertragen motten.

„SBenn aber biefe Qcit fommen mirb^', bcfd^ließt ©utten, „bann, glaube id), müffen mir unö bemühen, bic beften ©täbte

J^utten’§ f^rnnjcnS ^iMiot^cf: CFoncilia 2C. 303

^)cutfc^la!tbö, mit ^cifeitcfcgmiß frül)crer ßcrmürfiiiffc unb 5cinb= fcliflfcitcn, in unfern 33nnb nuf5unct)mcn. ®cnn ^cmaltiq fcl)c id) fic f^\xx grci^cit fic^ mifric^ten unb ber frf)mä()iid)cn Änedds fc^oft fic^ fc^ämen mic fein nnberer <Stanb. @ie ^aben aber Kräfte nnb @e(b im Ueberftiiß, fo baß, menn eg ^um Ärietje fommt, mo;^u meincg @roc^teng fommen mug, fic ben 9leru bajii liefern fönnen." ^nmit erflärt ftc^ Sc^n^ einuerftanben unb Uerfic^ert, er (}abe fid) lüntjft norgenommen, mit ben 0täbten (gegen bie er nid)t menig auf bem ©emiffen botte) ficb augjus föbnen; ber 5^aufmann aber glaubt ju miffen, bag bie Stabte nic^tg eifriger münfd)en alg eine folcbe Bereinigung. CiJegen einen ^faffenfrieg, auf ben bie ®ad)e binauglaufen merbe, er nid)tg ein^umenben; uielmel)r bittet er glitten, im *^ü^c

^u merben, unb ficb nicht, mie einige ben Berbad)t geäußert, bureb 33cfted)ung abmenbig machen ,^u laffen. S^^it biefem Berbacbtc tl)ue man ihm Unred)t, erflärt Jütten, unb Sidingen fagt gut für ihn, benn er fenne ben ganzen 9}?enfcben unb miffe, in metebe Gefahren er ficb flcftür^t um ben geinben ßutbcr’g unb

ber guten Sache Berberben ju bereiten. 3^*^ Schluffe reicht Jütten fomobl alg Sidingen bem Kaufmann bie §anb mit bem ©unfebe, bag biefeg Beifpiel unter beiben Stänben in ben mci« teften Greifen 9^fa^abmung finben möge.

3n gleichem Sinne febrieb |)utten einige ÜJ?onate fpäter an ^irdbeimer *), unb fo lange nod) in biefer Bidjtung ^u mirfen mar, b. b- fjiö Sidingen’g gall, hörte er nicht auf, mit SBort unb Schrift für eine Berbrübernng /^mifeben Slitterfebaft unb Stäbten tbätig ^u fein.

SBöbrenb biefeg SBinterg auf ber (Sbernbiirg unterließ |)utten nicht, bie Bibliotbef feineg „tvöftlid)cn guten greunbog unb@nt= balterg“, mie unbebeutenb fie fein mod}te, ,yi burd)muftern, unb auch hier machte er einen gunb, meldjcr it)m ber ^erauggabe mertb ju fein febien. Unter anbern alten Büdjern nämlich, granjen „uießeiebt oon feinem Bater feligen üerlaffen", fanb er eine Seßrift aug ben lebten 3citen beg bagler CSoncilg, üon einem ?lnbängcr gelij V. gefebrieben, ben jeneg (£oncil ftatt beg oon ihm abgefebten @ugen IV. im g. 1439 ^um Rupfte gemäblt b^^ttc.

1) 'Äm l. 3Rai 1621. 5c(>ti|tcn II, S. 61.

894

II. 6.

©ic öcrfid)t bie 9>loÜ)n)cnbiqfeit bcr Äird^cnücrfammlunflcu, i^re Stellung über bem Zapfte, i^re 33cfugni6, fid) in Orte ju Der* (cflen, bie ber päpftlic^en Obmac^t nic^t unterroorfeu feien, unb betänipft bie römifdjcn 9Jii6bräud)e in ^efefeung nnb S3elaftung ber Äird)enftetten, ineldjen bag basier ßoncil I)atte ein @nbe mad)en mollcn. 33alb nac^ biefem gunbe erl)iclt .gutten non bem bambergifc^en SSicar Äonrab eine non i^m nerfagte unb

bem fRitter §anö ©d)ott gemibmete Heine Schrift, inorin bie mittenbergifd)e Sef)re (ßärtlin I)ielt fid) eben felbft in SSJittenberg auf) alö bie alte urc^riftlidje, bie ber römifc^en Ä'irc^e alö ein ©einebe menfd)Iic^er S^leuerungen, non 3Jiönd)en unb Uninerfitäten erfimben, bargefteüt mar. ^eibe 0d)riften lieg nun Jütten mit einem tur^ien Sormort an „alle ber d)riftlid)engreigeitfiiebl)aber" unb etlichen S^eimen auf bem 2;itelblatte jufammenbruefen*) : es follte nid)tö umfommen, maS im Kampfe gegen fRom irgenbmie als SEBaffe 511 gebrauchen mar.

1) doneiÜQ wie man bic b^Itcti fol. ®nb non t)crlc\jbwnö 0ci[tU(!()ct Icbenpjrunbcn . . . ^rmannng ba§ ein ^eber bcQ bem rechten alten d^riftl. fllauben bleiben . . joll, bur^ Ijerc Gunrot 3ärtÜn in 7G artidfcl öeruaffjt. 'Auf ber 'JUitffeite be§ 2iitel§ bo§ SSorwort Jputtcn’ö nom Jag 5BaIerii 1521. 6d^ti|ten II, @. 78 f.

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tiapitcL

Per ^eii^dtai) )it ^ortttd. c$ttttett’$ pro^uttgett.

1521.

Untcrbeffcn U)ar am 28. Januar 1521 bei* $Rcid)^tag ißlormö mirflicl) eröffnet morben. ^ie S(iu]e^p9enl)eit ber firc^= licken Slefurm tuor eine ber erften, meld)e auf bemfelben ^ur ®erl)anblung fummen mußten. §lber bie (^rmartuitflen, bie man non bem neuen Äaifer in biefer ©ad}e ßec^en fonnte, maren bc- reitö fe^r gefunfen. 0d)on im Sfioüember be^ norigen ßatte Sutßer an 0palatin, ber mit iturfürft griebrid) bei ber Krönung in§(ad)en unb nad)ßer inÄöln fid) befanb, gefeßrieben, er ermartc ißn halb ^urüd, mit üielem S'ieuen unb etmaö Gütern, baß nömlid} non Äarl'ö ,gofe nießtö ;\u ßoffen fei. (Sbenfo ur- tßeiltc (Jraömuö, ber fieß gleicßfaüd eine 3^it lang in Ä^arl'ö IWäße befanb unb ißn üon ^apiften unb Slnl)ängern bed ^Iten umlagert faß. 2(uö bemfclben ©runbe ßatte aud) §utten menig Hoffnung meßr: nur 3ran;^ non ©iefingen gab fid) uod) ber@rs martung ()in, gerabe auf bem 9leid)ötage merben bem Äaifer über bie nerberblid)en fRatbfcßläge feiner Umgebung bie Singen auf® geßen, unb er, ©iefingen, bann ©elegenßeit ßnben, feinen @iiu flnß bei bemfelben geltenb j\u maeßen*).

5Bon allen Seiten naßin man rnoßl ben jungen §errfd)er für fcßmäd)er alö er mar. ^)aß er bie Saeße, um bie ed fid) ßanbelte, in ißrer geiftigen iöebeutung nießt oerftanb, ift rid)tig.

1) Sui^er an 6polatin, 15. 9lob. 1520; Jütten an fintier, 9. ^cc. 1620. ©(^riften I, ©. 426. 436.

3%

II. 7.

?(»d} baß cv fic nicfjt uom bcutfcßcn (Sicfi^töpunfte auö auffaßte: foferu er eben nid)t bloö beutfe^er ^taifer, fonbevn i^upleicß ^err ber 9tiebcrlanbe, ©panien^ unb S^eapelö tuar, unb ^nfprüd^e auf 9)Milanb, ^egen ^i^anfrcicf), ^cltcnb inacßcn ßatte. 3n biefen aiidtüärtigcn !:8ei\icßunflen lagen aber ©rünbe für i^arl, fic^ bem Zapfte gefällig j^u geigen: oßne fie ßättc Slleanbcr nod^ län*

' gcr alö brei (Stunben üor ber SReicßöüerjammlung gegen Sutßer reben, unb noc^ meßr ®clb gur 33eftccßung ber Umgebungen be^ Äaiferö üermenben mögen, er mürbe fcßmcrlicß gum ßiele gelangt fein. Xafür nun aber, baß ber ^apft aufggb, mie er angc^ fangen ßatte, bie fpanifd)e Snguifition, alö bie 0tü^e ber Äönig§- mac^t in jenem Sanbe, gu erfd)üttern, baß er ßoffen ließ, Äarl’ö ?lnfd)lägen auf 3)iailanb nicht entgegen gu [ein, öergic^tete Äarl barauf, mogu ißm 5lnfangö fein ©efanbter in 9ftom geratßcn hatte, burd) eine, menn auch nur augenblidliche 33cgünftigung be^ fächfifchen 2J?önd}^^ben ^apft gu fehreefen, unb bot ihm bie^anb gu ßuther’iS UnterbrücfiHig.

Äarrö SOkinnng mar gunächft gemefen, ber Äurfürft oon 0ad)fen möge Suther auf ben ^teich^tag mitbringen, mo er burch gelehrte üeute nerhört merben folle. 2uther mar bereit; ber Äur* fürft nicht ohne 53eforgniffe: biepäpftlich ©efinnten aber mehrten fich bagegen auö allen ÄH‘äjten. ^n^befonbere fprach fich au(^ ber päpftliche ^flimtiuä in feiner [Rebe gegen fiuther’ö [Berufung au^. §abe biefer bod) fclbft erflärt, nicljt einmal burch einen @ngel uom^immel fich belehren laffen gu moUen; auf bie päpft* liehe [ßorlabung fei er nid)t erfchienen ; ben ^taifer unb ben [Reich^^ tag aber gehe bie 0adje nidhtö an. @r foßte ungehört gum ©chmeigen gebradjt merben, unb bereite mar ber Äaifer bafür gemonnen : er legte ben ©tänben ben @ntmurf eineö ©bietet öor, burd) meldjeö 2utl)er ohne SBeitereö aU offenbarer i^e^cr oerur^ theilt merben, bie päpftlid)e ÜBuße gegen il)n für gang 5)eutfd)lanb ©efege-Sfraft erlangen foßte.

?üif ber nur fed)ö 9)?eilen entfernten ©bemburg mar man in [Betreff ber [ßorgänge gu SBorm5 gut unb fd)neß unterrichtet. 3n biefer ©tabt befanb fiel) in ber [Begleitung beö i^urfürften Don ©adjfcn beffen $ofprebiger nnb (5Jeheimfd)reiber ©palatin, ber längft in brieflichem [ßerfehre mit Jütten ftanb; befanb fich im §aufe bed 5lrgtei5 Xheobalb Rettich, ben mir auö ben [Briefen

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i^uttrn’§ i^nüectioe gegen Sleanber.

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bcr ^)unfelmänner alö einen ©enoffen beö ^umoniftifc^en Reifee fennen, ber feurige Hermann üon bem ®ufc^e, ber, njie Jütten, ben gortfd)ritt üon ber ©ac^e beö $umaniömuö 511 ber ber iRe? formotion in fid) burd)mac^te. ^iluf ber ©Oeriiburg aber l)atte au^er Jütten nod) ber au^igetretene 2)oniinicancr aj^artin iöueer fidj eingefnnben: für Briefe unb ajac^ric^ten nad) uub oon Söormö ein geeigneter SSerinittler. 35on SUeanber’iS langer Siebe l)atte man auf ber ©bentburg fc^on besS anbern SÜiorgenö um 9 Ul)r genaue Sladjric^t. 3)iefe Siebe, überl)aupt ber @ifer ber Sloma^ niften, bie Sleic^öoerfammlung 5ur SBerbammung Sutber'ö ol)ne SSer^ör j^u bemegen, mar eö, moburd) fidj Jütten jur Slbfaffung ber Snoectioen oeranlagt faub, bie er nun gegen bie beiben püpft^ lid)en Sluntien unb bie ju Söorm^ üerfammelten ÖJeiftlid)en erlieg ^).

2)en breiftünbigen Slebner gegen ßutl)er, ^ieronpmu^ anber, traf bie erfte £abung feinet ^^*6 er unb feine

^enoffen, ol)ne alle Slüdfic^t auf bie oerünberten ßeiten, auf ben grogen Umfd)iuung in ber öffentlichen 9}leinung, ihr @efd)äft fo frech unb gemaltfam treiben, bag fie meinen, burch ben 33efel)l jur ^Verbrennung oon Sutl)er’ö ©d)iiften in ben Slieberlanben, ben fie bem faiferlichen Süngling abgeliftet, ganj 2)eutfd)lanb eingefchüchtert ju hoben, fei ^loar oon ihrer ©eite fehr thöricht, offenbar aber eine göttliche ©d)icfung, um fie burch ihve eigene ©icherljeit ju oerberben. ^leanbcr foüe nur fo fortmad)cn, feiner 2Buth bie Sögel fd)iegen laffen: bie Seit njerbe fommeu, ju rächen. 3)ie 2)eutfd)en feien mit nieten fo forgloö, fo gleid)^ gültig, ak fie feheinen. Äein Sluge Oenoenben fie oon bem Xrei- ben ber Slömlinge. SSon ber (Sbernburg befonberö, mie oon einer SBarte herunter, bcobad)te man jeben il)rer ©chritte. fei ein Seichen, mie menig fie fid) in ber d)riftlid)en 2Bahrl)eit gegrünbet miffen, bag fie (Srlaffe bcr ioeltlid)en SJlacht für fich in 2lnfprud) nehmen. Unb fie mögen nur nid)t ju oicl auf bie (^unft beö ilaifcrö bauen, beffen Sugenb fie migbraud)cn unb oerführen, bcr aber bei reiferen Sohren ju befferer ©infi^t fommen mcrbc.

1) Ulrichi ab Hutten eq. Germ, in Hieron. Aleandrum et Mari- num Caracciolum Oratores Leonis X. spud Vormaciam Invectivae sin- ^ulae. In Cardinales Episcopos et sacerdotes, Lutherum Vormaciae oppiifTuanteis Invectiva. Ad Carolum Imp. pro Luthero exhortatoria. ©4)ntten II, 12—31. 38—46.

398

II. 7. i^opitel.

3nöbcfonberc tuirb ^(canbern eine §IcugermiQ öorgcrücft, bie i^m füri^lid) gegen einen rec^tfd}affencn 9J?ann entfallen fei, bem er jinar nid)t eben uertraut, ben er aber, luie alle ^eutfd^en, für ju bnmm gcl)alten ^abe, um fid} i^m gegenüber in Sldjt nel)men ju müffen ; eine Sleußerung, beren and) 2utl)er, alö burd) ©pala^ tin nac^ SGßittenberg berichtet, mit (Sntrüftnng gebenlt. @efe^t auc^, Ijatte er fid) uerlauten laffen, ben 2)eutfc^en gelänge eS, baö pöpftlid)e 3oc^ abjufc^ütteln , fo mürbe man uon fRom auS fo Diel Uneinigfeit unter il)ncn -^u fäcu miffen, baß fie fic^ felbft unter einanber aufreiben unb einem uiel fc^mercren 3od)c, alö baä abgemorfene, ücrfallen müßten. 2)aß er fo fd^amloö mit ber ©prac^e ^crau^geße, bemeife abermals feine blinbe 3ut)crfi(^t. 5lber fie merbe i^n täufd^en. merbe bal)in fommen, baß bic 33ifd^üf^müpen unb (Sarbinaläßüte, auf beren $ülfe er je^t baue, felbft l)ülflüi5 fein merben. ®ie fc^limmen ^ienfte, bie er bem beutfe^en 9teid)e ermiefen, merben il)ren SRäc^cr pnben; Jütten feinerfeitö, ba^ rnoHe er il)m l)iemit angefagt l)aben, merbe t^un, mae in feinen Kräften ftel)c, baß er, ^lleanber, nid)t lebenbig au5 ®eutfc^lanb fomme.

^cn anbern päpftlicßen 9*tuntiuö in SEÖormö, SWarino 6a- raccioli, bem §utten'i^ ^meite 3nuectioe gemibmet ift, l)at biefer jmar nie für rec^t[d)affcncr , mobl aber für flüger alö feinen Sotlegen, unb alö fein ie^igeö iöeneßmen ju erfennen gibt, gcs l)alten. ®ie äJiißbräuc^c, über melcßc bic ®eutfd^cn eben jept fo empört feien, ben ^anbel mit 3nbulgcn5cn unb ®iöpcnfationcn, treibe er im 5lngefid)tc bc^ ^feießötagö fo fc^amloö fort, mic menn er in ber ßnfterften ßcit be^ 2Jtittclalterö lebte. 6r follc nic^t oUj\ufef)r auf bic ©ebulb ber 3)cutfcßcn, auf bie 6Junft beg Äloi«^ ferö regnen. 2)eutfd)lanb, allj^ulangc bci3 ©inneö beraubt, fange an, flug j^u merben. Söaö aber ben ^aifer betreffe, fo befi^cn für ben Slugenblid allerbingö bic fRömlingc fein Dl)r. ^)ocß nic^t für immer. „@inft merbe id^", ruft Jütten, ,,^u i^arrsS mir jept oerfd)loffencn Oßren burd)bringcn. |)örcn mirb er ein* mal, pren auf ben, ber ißm ^um 33eften rätl), unb bir (bem S^untiuö) 5um Xrop bem fHüdfid)t fd)cnfen, ber il)ii ^um 9^otl)* menbigen ermahnt. ^)ann merbe ic^ i^m beinc trcß’lid)cn 2;f)atcn an^eigen, il)in auäcinanberfe^en , melc^ ein frommer 2egat bu gemefen. 3d) merbe il)in barlegeu, ma^ bu ^ier gcfud)t, ma§ bu

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^uiien^§ ^nücctitie gegen ^araccioli.

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gefunbcn 3d) tücrbc fagen, bog i^r ficgotcn oUc, fo

üicl eurer feit ctlid)en Huberten uon ben römifc^en 53ifd)öfen tjicljer gefc^idt luorbeu , 58errött)er 2)eutfd)tonbö, S^öuber an un= ferem SSolfe, :8^rftörer oUeö unb oder iöillij^feit getuefen

feib. ^)o§ luerbc icg ignt fogcu, unb njenn id) it)m boö foge, tüirft bu nid)t im ©taube fein, boö @egentt)eü bor^utl)un. ^o* rum moege bic^ fort uon ^ier, mad)c bid) fort. ®enn moö ^ögerft bu noc^, ^öfemic^t? moö fuc^ft bu ^uffdjub, bu grögter uon ollen 2)iebcn, bie jemals l)ier geftoglcn f)obcn? bu gemoltt^ötigfter oder 8läubcr, oder ©ctrüger oerf^logenftec, liftigfter, unoerfc^öm- tefter, ruc^lofcftcr ! ^oS, miffc, ift bie le^te ©rmognung ju beinern §eil. S3equcmc bid), ber geber ju ge^ordjen, bomit bu bic^ nid)t genötgigt fel^cft, bem ©egmerte ju meidjen."

9^iäd)ft ben beiben pöpftlid)en 9iuntien monbte fic^ nun ober Jputten oud) gegen bie ouf bem IRcic^Stoge omoefenben Äird)eus fürften unb l)öl)ern @ciftlid)cn, meld)c i()rer SffJegrgeit nod) boS ^nfinnen ber erfteren gegen ßutl)er unterftü^ten. 2öoS er, menn if)re 9ftod)ftedungcn igm ein og'entlid)cS ^luftretcn erloubten, ignen om 9ieic^Stoge felbft in bie 0l)rcn gcfc^rien ^oben mürbe, boS mode er ignen fd)riftlid) fogen, unb ^mor el)c fic mit il)rem 5ln* griff an i^n !ommen, möl)renb cS fieg noc^ um £utl)cr l)onblc. 5)obei fomme il)m nichts beffer }^n ©totten, olS igre ungeiftlic^e Äompfmeife, ftott burc^ Ueberjeugung burc^ Cyemolt, ftott burd) boS Söort 6l)rifti bureg ©ebote ber mcltlic^en SDioc^t mirfen 511 moden. greilid^, fie l)oben fid) löngft über ßgriftuS erhoben, unb fpreegen nid)t met)r oermöge beS ^eugniffeS ber ©egrift, fonbern froft igrer eigenen SDiojeftät, @cl)orfom an. ?lber eben borum foge man i^nen je^t ben ÖJc^orfam auf. 3a, menn fic (^ciftlic^c, ^ifd)öfc im ©innc S^rifti unb ^auli mären! (beffen ^Inforbcrungcn an folcgc aus feinen (Spifteln bcigcbrac^t merben.) Unb felbft bann fönnten fie nur pricftcrlic^c föbren, nifgt bie uon mcltlid)cn ^errfegern, in Slnfprud) negmen. ?lbcr fie feien feine mat)ren‘^rieftcr. ©d)on begmegen nid)t, mcil bie ^ifegöfe unter it)ncu fammt unb fonberS igre ©teden getauft gaben. 2)ocg aueg abgefegen baoon, igreS ficbcnSmanbclS megen niegt. SBcit entfernt oon prieftcrlicger SSodfommengeit, treten fic fogar bie ^Jebote ber gemeinen 9)foral mit j^ügen. ©ie leben fo, bog ein egrbarer 3)fonn ^ebenfen trage, fein Söeib in igre Käufer ju

400

II. ^u(^. 7. j^apiiel.

fü()rcn. 3n ©clbfac^cn traue i^nen fein 9}knfc^, ba fte unter bem SSüHuanbe bcö ißortf)eiU ber Äirc^c fid) jebe Ueberi)ortf)ei(un9 erlauben, Don Ißertracj unb (£ib fid) leidet burd) beu $apft ent* binben laffen fönnen. 3l)r Qon^e^ Xrac^ten fei fleiid)lic^ unb ineltlic^, ba boc^ fc^on ber 9tame ^lerifer anbeutc, bag nur ber §err i^r !I^eil fein folltc. ^5)oc^ fie lebten jtuar fo un=

geiftlid), prebigten aber babei baö (Suangelium, fo fönnte man mo^l über ben Söiberfpruc^ jmifdien i^rer ^rebigt unb il)rem Sanbel murren, boc^ immer noc^ ©ebulb mit il)nen fabelt, ©tatt beffen aber oerfteben bie menigften ju prebigen, unb bie oerftünben, febämen fid) beffen. 3*1, wenn einmal ein ^rebiger aufftcl)e, mie 2utber, fo fueben fie il)u ju unterbrüden. Äein SEBunber: meil baö reine ficben, baö er oerlange, auf ihre Un* fittlicbfeit, bie eoangelifcbe SSabib^it, bie er oerfünbige, auf bie SÜienfcbenfagungen, bie fie aufgebrad)t l)Qben, ein greüe^ ßiebt merfe.

EDoeb boö 2J^a§ ift ooU. „§ebet euch locg"', ruft Jütten, „oon ben reinen Quellen, it)r unfaubern ©d)meine ! §inauß mit euch aus bem ^eiligtl)um, ibr üerrud)ten ^^römer! 53erül)ret nid)t länger mit ben oft entmeibten Rauben bie Altäre. äBaS b^i^il ibr mit bem Sllmofen unfercr Sßöter ju febaffen, baS biefe für 5lrmen== unb itir(ben5mecfe geftiftet, unb borum unS, ihren Äin^ bern, entzogen boben? Söie fommt ibr ba^u, baS ju frommen 3meden ©efpenbete ^u SSöücrei, Unjuebt, 5^rad)t unb 5^runf ^u

red)tfcbaffene unb fromme 2)^enfcbcn [a6 ift uoll.

ba6 bie SWenf

^ ^uftanb berbeijufübren fud)cn?" moju

Jütten reblicb ju helfen oerfpriebt. „3cbiüerbe", fagt er, „ftacbeln, fpornen, reifen unb brängen ^ur greil)eit. S)ie mir nicht fogleicb beifallen, merbe id) bureb unabläffige ©rmabnung befiegen, bureb notbioenbige 93cl)arrlicbfeit smingen. 5)abei b'ibc ich feine ©orge nod) gueebt oor 2Jti6gefcbicf, fonbern bin auf ÖeibcS gefaßt, ent» meber euch ben Untergang ^u bereiten ^um großen ^ortbeil beS SBaterlanbeS, ober mit gutem ©emiffen ehrlich 511 unterliegen. Unb baS ift feine tolle Jöermegenbeit, mie ihr eS bafür ballet, fonbern männlicher unb ebler greifinn iffs. S)arum, bamit ihr febet, mit melcber 3ut)erficbt id) eure EDrobungen oeraebte, erflärc

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^utlen’S ^noectbf gegen bie 93i|45|e :c. ju SöotmS. 401

ic^, jo laiifle \{)x 2ut()ev ober jeinanb }cmcögleid)cn oerfolftcn tücrbct, mic^ aU euren obgefoc^teii 5<^inb. Unb biefen SBiUen wirb mir feine (Gewalt üon eurer Seite, fein Schlag bei^ Sc^ief^ fal<J iicbmen ober aud) nur ünbern. fieben fönnet i^r mir rauben: aber baß mein 35erbienft um ba§ 33aterlanb nidjt baure, bieje flute Xftat fterbe, werbet il)r nid)t bewirfen. im Sauf ift möflet i()r oielleidjt 511m Stilljtanbe bringen, waö flcfd)c()en foflte, oerf}inbern : wa^ aber getf)an ift, werbet i^r nic^t un* flefc^el)en mad)en; beim unmöglich ift’, mit bem fieben jugleid) aud) ba'5 ^Inbenfen be^ 2ebenö 5U üernid}ten. 9fcin ! jo ungewiS ic^ barüber bin, waö bie§ alle© für einen ^Jluögang haben werbe, jo ficher bin ich, ba§ bie Sfnerfennung meinet reblichen SBillend auf bie ^fachwelt fommen wirb. ®aö joü ber beftc Ertrag meineig iieben-j^ fein." äBa^ aber bie Sad)e betreffe, fo werben bie geinbe burch feine unb 2utl)cr’ö Unterbrüefung nid)t einmal etwaö ge^ Winnen; i)iclmel)r werbe auö ber ©rftiefung biefer löewegung eine neue unb üiel gewaltfamerc hrroorgehen. „2)enn an ^wei 9J?eiu fd)en liegt fo uiel nid)t: wiffet, bag nod) oiele Sutl)cr, oielc Jütten gibt. Unb wenn unö etwaö wiberfal)ren foUte, fo brol)t euch um fo größere ÖJefahr oon anbern, weil fich bann mit ben Verfechtern ber greiheit bie SRöcher ber Unfehulb oerbinben werben.''

Unter ben itirchenfürfteu auf bem 9ffeidjsJtage, an welche biefeö uorwurföuolle ©enbfd)reiben gerichtet war, nahm §utten v ehemaliger V^tron, ber Äurfürft 'illbrecht oon SDMin^, bie erfte Stelle ein. gür biefen fprad} immer nod) etwaö in ^utteireJ §erjen : er fügte bah« ber ^weiten Slui^gabe feiner 3nüectioen einen befonbern Vrief an ihn bei *), in weld)em er ihn verfönlid) feiner fortbauernben ßiebe unb Verehrung oerfid)ert unb bebauert, wenn berfelbc fich baö, wad |)iitten gegen ben 9feid)^tag gefchrieben, beleibigt fühle ; aber bie Vehauptuug ber SBahrheit unb greiheit gehe allen perfönlichen 9tücffichten uor. fei bacj Unglücf 2)eutfchlanb^ unb ber ^Infdjlag be« ^eufelö, bag^llbredjt oon ber Sad)e ber Stubien unb ber greiheit loi^geriffen worben fei. Üüiöge (Shriftuö geben, baß er in fid) gehe unb jene Vlfter*

1) ®om 2.5. ®lcrj. II, 6. 37 f.

VII. 26

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402 n. 33u(^. 7.

Ürc^c t)cr(affe: bag toolltc §uttcn, ^ocmi möglich tpärc, mit feinem Slute erfaufen.

3ln bem ©enbfd)reiben an Ä'aifer Äarl, bog §utten feinen Snüectiüen fc^on in ber erften ?(uggabe beifügte, fuc^te er jenen, mie früf)er in öegug auf fic^ felbft, fo jc^t jn ©unften ßut^efg, 5U überzeugen, bag er mit biefem bie beutfe^e greitjeit untere brüefen unb feine eigene SBürbe -.befc^äbigen mürbe, ßmifd^en ben eigenen guten ©inn unb fc^limme 9tatbgeber in bie SD^itte geftellt, miffe ber junge ^errfc^er nic^t, mo^in fic^ menben; baljer fei eg ^füc^t, i^m mit gutem unb ^eilfomer 9Jta()nung an bie ^anb ju get)en. 35or allem möge er, menigfteng auf einige Seit, jene Pfaffen non fic^ treiben, bie gerabe bei bem je^igen 0tanbe ber 2)ingc bie unpaffenbften Stätte für it)n feien, mie fie üon jel)er ben Äaifern üßerberben gebracht f)abc\x. Sßag il)n ber ^ripatljag ber 33ifd^öfe angele? ob er auf biefem ?Reic^gtage nid)tg 9iotl)menbigereg firc^lid^en

0treitigfeiten zu befaffen? auc^ an fic^ fei i^r Verlangen

ein ungcrec^teg, uner^örteg, unb uerrotbe menig Vertrauen auf bie ©üte i^rer ©ac^e. ©ie liegen bem Äaifer an, ßut^er un^ gehört oerbammen. Söärc biefer auc^ nic^t ein um bie [Religion unb um ben Ä'aifer felbft Ijoc^oerbienter SJ^ann, märe er fogar Öcrbrec^er, fo müßte man bo^ feine Serantmortung l)örcn. ältan müßte ißn bazu oorlaben, felbft menn er zu crfc^einen fic^ fürchtete: um fo ineßr, ba er fid) bazu erbiete. ^Ue red)tfcßaffcs nen unb tapferen äRänner in ^eutfc^lanb feien über jeneg 9liis finnen entrüftet, unb in ßößerem ©rabe, alg fie, meßr on bag ,f)anbeln alg an bag [Reben gemößnt, lout merben taffen; nur bie Pfaffen mollen ßutßer auf bem fürzeften SSJege Derber bt miffen, meil er gegen ißre unmäßige ©ematt, ißre ©rpreffungen , ißr fc^änblicßcg ßeben gefprod)en unb gefeßrieben ßobe. 2)en erftern, jenen 3Rännern, bie ißm in Ätrieg unb grieben Don [Rujen fein tonnen, fotle ber Äaifer zu ©efallen ßanbeln, nid)t biefen un* nüpen, meber im gelbe no^ im [Ratße zu braueßenben [Dienfdjcn. ©ie ßängen ißm jept, im ©lüefe, an: im Unglürfc mürben fie ißn Derrätßerifcß im ©tid)e laffen. ©ic ßaltcn eg nur fo lange mit bem Äoifer, alg ber $apft eg genehmige, unb ratßen jenem zum S3ortßeil Don biefem. gnbem er ben Äaifer zur Entfernung feiner geiftlidjen S'tatßgcber aufforbere, trete er, fäßrt Jütten

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^uttcn’S 6enb|(^reiben an ben ^atfrr.

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fort, bcu reci^tfdjQffcncn ^ricftcrn nicf)t ju nat)c. 2)cnn biefc toerbcn fic^ üon felbft ni^t in tocltlic^c ^inqc inifc^cn tooUcn, unb bcr Äaifev tljuc Unrcd)l, fic i^rem gciftli^cn Berufe ent^ j^ic^cn. ?(ud) fönnc er it)iicn ininicr^iu @brfurd)t bcjicigcn, ol)itc fie über fic^ I)ervfd}cn ju loffen. 9tic fönnc er ^cutfc^lanbö

@unft genjinnen, njcnn er nid}t jene 9}tcnfd)cn uon fid} tl)ue. ffir ^abe ben Übeln iSinbrud bemerfen fönnen, ben bei feiner 5af)rt ben SR^ein herauf gemacht f)obe, alö man it)n, ftntt mit Äriegern, mit Pfaffen ringö umgeben gefef)en. Unb mie ^emod) 9Ueanber feine gorberungen uorgebrac^t, t)oben manche Suft gehabt, ctmnö' 5u untcrneljinen, Jütten fie nid^t gebockt, Äarl merbe felbft über bic Unucrfcbämtl)cit fid) entrüftet jeigen. Süö ongebenber IRcgent müffe biefer feine ©c^rittc hoppelt überlegen ; müffe gleich oon oorne herein ba^ fRec^t ^cutfc^lanbö gegen bic römifd)cn Uebergriffe oertreten. Sn biefer $infic^t fei e^ oon größter 3Bid)tigfcit, mie iiutßer uon il)m bcßanbclt merbc, beffen §lns gelcgenßeit baßer jeßt für Jütten mießtiger al^ feine eigene ift. Cb Äarl 5)eutfd)lanb unb fieß felbft bem ^apft in bic ^änbe liefern moHe, bcr fo eben allc^ baran gefeßt ßobe, ißn oon bcr bcutfd)cn Äaiferfrone entfernt ju ßaltcn?

(Sr möge feine Söürbc bemaßren, ober menn er baö nid)t moHc, mcnigftcib^ ^)cutfcßlQnb nid)t mit fieß inö ^erberben );ießen. „2)cnn ma^“, fragt $utten, „ßat ^cutfcßlanb fo Ucble^ uerbient, baß c^ mit bir, nießt für bieß, ju (SJrunbe geßen foll? fjüßrc un^ lieber in augenfcßeinlicße (5Jefaßr, füßre unö in bic 0cßmcrtcr, in bic glammen. ÜRögen aüc ^Rationen fieß gegen unö feßaaren, alle ®ölfcr fieß auf und ftilrj^cn, aller SäJaffcn nad) und fielen: menn mir nur in bcr ©efaßr unfern SRutß erproben bürfen, unb nießt fo niebrig, fo unmännlid), oßne SBaffen unb 0eßlaeßt, naeß SBcibcrart unterliegen unb bienftbar merben follcn. Ünfere ^off= nung mar, bu merbeft bad römifeßc Soeß oon und neßmen, bic päpftließe 3i^^i”ößcrrfeßaft ^erftören. ©eben bic ©ötter, baß bic^ fern Einfang S^effered nad)folgen möge ; beim ßid jeßt, menn aueß noeß nid)t bad Äeußerfte p füreßten ift, mie fönntc man bei foleßer (Srniebtigung SBertrauen faffen ? (Sin fo großer ilaifcr, bcr Äönig fo oiclcr 33ölfcr, fo millig ^nx i^nceßtfeßaft , baß er nießt einmal märtet, bid er gc^mungen mirb!" ^n feinem Oiroßs oater aRajimilian ßal>c man cd mißbilligt, baß er feinen 0d)rei?

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II. 7. i^apitel.

bcrii 511 üicl eiiifleräumt, unb bod) f)abe er immer uoc^ {eiue üö3ürbe gegen fie 5U bebaupten gemugt: luie bie 3Jienfd)en uon Äarl rebeii merben, ber fo uielc §em‘ii l)abe, alö Sarbinalögiitc unb öi|d)of^mü^en fidj um il)u brängen? ^ortl)eil fönne biefer iöunb mit bem ^4^apfte unmögli^ bringen, ba fein ^apft, am menigften ein glorentiner, jemalö Söort ob Äarl feineö

(^roguaterö @rfal)rungen oergeffen Ijabe? Xoc^ frlbft, menn ber ^^^apft benfclben bttiten mollte, märe ein fd)inäl)lid)er iöunb, ba er bem Äaifer Italien nnb 9tom nel)me imb bem ^apfte bie Vluöbeutung Xeutfcblanbö geftatte.

Ob Jütten nad) iyeröffentlidjung biefe^ ©cnbfd}reiben^^ üieUeid)t bureb ©idingen, 9^ad)rid)t erpielt, bag ber Äaifer e^S ungnäbig aufgenommen, ober ob er felbft füglte, bag er ju meit gegangen ; genug, er fanb fid) halb beioogen, bernfelben ein jmeitei^ nad)5u|d)icfen 0, in meld}eni er megen bei? crjten fid) gemiffer^ niagen ent(d)ulbigt. (Sr geftel)t, baffelbe habe ju ()art gelautet, bodj fei es au^ ber reinften (^efinnung unb Slbficbt gefloffen.

@r t)abe geglaubt, feiner (Sntrüftung um fo mehr freien Sauf laffen ju bürfen, al^ er bamit nur beö Äaifer^ ^efteö bejmeeft gäbe. 2)ie unbilligen gninutgungen, bie er an biefen gäbe ftel* len fegen; bie ©eroiggeit oon bem 5lbbrucg, ben bie (SJemägrung berfelbcn bem faiferlidgen 5lnfegen unb bem S53ogle ber beutfegen Station tgun mürbe; bie gurdjt, Äarl mödjtc bei feiner Sngenb noeg niegt bie ©tanbgoftigfeit befigen, meldje ba^u gegöre, um fcglimmcn fKatgfcglägen 5U miberftegen: baö alleö gäbe ign oieU leid)t ju öngftlid), 5U eifrig gemad)t, unb menn er barüber bie fcgulbige iRücfficgt auf bcö Äaifer^ ÜDiajeftät au^ bem ^uge ge* laffen gaben foHte, fo möge biefer ber reblid)en äficinung ju (^utc galten. SBa$ bie päpftlidjen S^untien betreffe, fo gättc er münfd)en mögen, bag biefclben fieg unuermeiölieg gegaltcn gatten, bann märe feine Urfaege für ign jum UnmiHen, für alle jur guregt, oorganben gemefen. Slbgefanbte gingegen, bie nid)t allein . Unbillige^ forbern,. fonbern mägrenb beffen aueg oerberblicge Um* triebe madjen, gaben igr ^rioilegium oermirft. 3^ griebrid)'« 1. ßciten fei einer bem Segaten, melcger begauptete, ber Äaifer ftege unter bem ^^Sapfte, oor ben klugen be^ Äaifer^ mit bem ©egmerte

1) SJom 8. ?[|)rU, @^riften II, S. 47 50.

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^utten’8 3tt)citf8 Sd^rcibcn nn brn Äatjer.

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Scibc qegnnt^en: ioorin .^uttcn fid) ücrfc^It ^abc, fei im ßornc über nod) fd)mäi)lid)crc fRcbcn n^fd)d)on, unb mcnn Äarl it)m bieg nid)t ücr^ci()c, fo möd)tc er üinftic^ Heber taub fein, um ber* flleid)cu uic^t md)r auböreu ^u müffeu. 9tod)malö bittet .^uttcu um SBcr^^eibiiufl, um ein ^oiebcrcrlnufltcu fai)crlicl)cu

(■^uabc, uub ücrfpricbt, meun ber Äaifcr befehle, iu uid)tö berf^lcicbeu mehr ^u fd)reiben ; benu nicht bloö iu feiucu ^nnblunc^en, fonbern auch in feinen ©chriften moUe er qerue bem Älaifer Söiden fein, für ben er, meit entfernt, mit ?(bfid)t etroaö 511 feiner 33erfleincrunc3 ju thun, vielmehr fein S3lut ^u üerflieften bereit fei.

2Baö Jütten in feinem erften ©enbfdjreiben an ben Äaifer uerlauflt h^tte, ÖJehör fürSiuther, baöiuuftteÄarl bem ^Inbrüiiflen ber ©tänbe beö Sfleichö ^emähren. @r berief ihn unter 3”f^f^)'-'' runfl freien ©eleite^ nad) ^ormö, um über feine Sehre unb üBüd)er 5lu2Jfunft ^u geben, unb fanbte einen ,'perolb nad) SSitten- berg, um ihn ab^uholen. 2öaö fiuthern auf biefer Steife, im SIpril 1521, maö ihm auf bem Steichötage felbft begegnete, bürfeu mir alö befannt imrauöfehen, unb ermähnen nur, maö mit ^utten'ö (^efd)id)te in näherem iöe^uge fteht. @in foldjer ^unft ift gleiri) ber ©mpfang Suther'ö in Erfurt, bei meld)em §utten'ö ältefte greunbe, ßrotuö nnb ^Rubianuö unb @oban §effe, ganj befons berö tt)ätig maren. ®ie Uuiüerfität }\og ihm feierlid) entgegen, nier^ig 3Jtann ju ^ferbe unb eine große Sln^ahl ^u guß, an ber ©pi^e Srotug alö zeitiger Stector, ber ben Steformator, aU er auf feinem Stollmageu baherfam, mit einer Slnrebe begrüßte. Slud) (Joban mar unter ben Steitern, unb i)cii nachher Suthcr’eJ Sin^ug, ^rebigt in Erfurt unb^?lb^ug gen SBorm^ in einer Steil)e l)on Slegien oerherrlid)t. llnb gar nid)t unbenflmr umre eö, baß (^rotud in jenen Xagen bie (namenlos erfri)ienene) ^Ji^arobie ber Sitanei üerfaßt meld)er für Suther, ber näd)ftenö nad)

äSormö fommen merbe, um it^ehütung üor italieuifd)em @iftc; für glitten, Suther’ö ^^plabeö, um 53cftärfung in feinem guten '-öorhabeu; für ben jungnt Ä'aifer um ^Befreiung oon uerbcrblichen Stathgebern ; für ^)eutfd)lanb um Srlöfung 00m päpftlid)en goeße u. bgl. m. gebeten mirb ‘)-

1) AITANEIA Germanorum ctc. 3n Schriften II. S. 52 54.

406

II. 7. .Qopitel.

bcv (Sbcriiburfl tuar inittlmücilc ein fcltfamcr ®aft ciitflctroffcn. mx ein gi^ancißcaucr, bcö Äaifcrö 33cic^tiflcr, ber ©iefingen anlag, er möge fintier ueranlaffcn, nntcrmcgö bei il)m einjute^ren, inbem ©lapion, fo ^ieg ber 9Kann, i^n üor feiner ^nfunft in SBorm^ noc^ fprecl)en möd)te. ®er 2Jiöncf) l)attc ftd) erft an ben födjfifd)en S^anjler 53rücf gemacht, um burc^ i^n bei bem ^Inrfürften Jriebrid) ju @ef)ör ju fommen, ber fid^ aber mit i^m nic^t etnlaffen moUte. 3efet münfe^te er Sutl)er felbft bearbeiten. @r meinte, menn biefer nur feine lepte, an^ ftögigfte ©d}rift über bie babplonifc^e @efangenfd;aft ber Äirc^e, al^ im Qüxn über bie päpftlic^e 53annbuIIe gefc^rieben, jurücf- nehmen mollte, fo liegen fteg mogl nod) 9J?ittel unb S5?egc ju güt* Heger Beilegung feinet §anbeU finben. ©o fprad) er benn oueg auf ber ©bernburg ^u bem öurggerrn unb beffen nttcrlid)em (^afte, ber eben unbag mar, ganj günftig über Sntger. ©elbft beffen 5<^inbe mügten geftegen, meinte er, bag burd) ign juerft ber Sgriftengeit bie Xgür tieferem ©cgriftüerftänbnig geöffnet morben fei. Unb auf §utten'ö grage, maö benn alfoSutger fo ©rogeö üerbroegen gäbe, baö burd) biefer ®erbienft niegt gut gemaegt mürbe? mar (fo beridgtet menigftenö §utten) feine ?lnts mort, er fege niegtö*). S33aö babei audg bie eigcntlid)e Slbficgt beö SJ^annei^ fein moegte, ben @raömu3 unb Jütten, gierin ein* ftimmig, aU einen ber abgefeimteften Pfaffen fd)ilbern: ob, ßutgern 5U einem falfcgen ©egritte ^u uerleiten, ober ign aU ein 2Bcrf= ^eug, beffen berÄaifcr oielleicgt nod) cinmol gegen 9^om bebürfen fönnte, ^u fparen: gemig fag bamolö ©idingen nod) niegt, mie fpäter §utten, in igm Sutger'ä fd)limmften geinb, fonft mürbe er nid)t, mie er tgat, in fein Slnfinnen gcmilligt gaben. (£r fanbte nämlicg feinen @aft 2)?artin Sucer mit etlicgen 9teitern nad) Dppengeim, um bem buregreifenben Sutger bie (Sinlabung auö^u* rid)ten. Hber biefer, mie er fieg bureg gleicg^eitig einlaufenbe Söarnungen nid)t üon bem Orte feiner Öeftimmung abfcgrcifen* lieg, fo lieg er fieg and) bureg feine ©inlabung feitab loefen : menn ber !aiferlid)e 53eiegtiger etma§ mit igm ju reben gäbe, mar feine ^ntmort, fo fönne bag in SBormg gefd)egen, bagin fei er berufen.

1) Ilutteni Expostulatio cum Erasrao, ©dritten TI, ©. 210 l. ben ®rief ^ucer’S, Hutteni Opp. Suppl. II, ©. 806.

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fiut^er’ö ®frutl^fiIuno. ßinbrudf ou| Jaulten. 407

5(m 16. tarn Sutl)cr ^u Söormö an, iinb fc^ou am folflenben Xagc begrüßte .'puttcn i^n uub feinen Segteitcr 3nftuö 3onaö in jioei ®c()rciOen, tuelcße 93ucer non ber (Sbernburg nad) Sorinö überbraeßte. Süö unübenoinblirijen ^rebiger bes^ ©oan* gclium!^, al# feinen ^eiligen greunb, rebet er i^n an. Unb in feine tßeologifc^e iUianier cingeßenb, tritt er ißm mit einem biefen 3ftauc^mer!c biblifeßer, inöbefonbere altteftamentlic^er ©prüeße cnt= gegen. meit man burc^feßen fann, münfeßt er i[)in ©taub= ^aftigfeit, ba auf ißn je^t fo Diel anfomme, unb uerfießert it)n feiner 2ln^ängUd)teit biv jum legten §aucße. Sgrer beiber ^u* fcßläge unterfc^eiben fid) barin, baß bie feinigeu menfd)lid) feien, mäßreub ßutßcr, fd)un üoHfommener , aüc!^ öJott außeimgeftellt gäbe. ©e()en möcßtc Jütten jegt bie mütgeuben iöliefe, bie ge* runzelten ©tirnen unb 'Brauen üon ßutger'i? geinben. gür bie ©aege gat er bie beften .^Öffnungen, aber für Sutger'ä ^erfon ftegt er in fegmeren ©orgen*).

^n 3uftu^ Sonaö fegrieb Jütten üoll greube uub üob, baß jener fieg mit Sutger in ©efagr begeben. .Jiabe er igu fd)üu Uorger geliebt, fo liebe er ign um beßmilleu gunbertmal megr. @r bebauert, baß fein ßrotus^ burd) baö leibige fRectorat uon ber Xgeilnagme an biefet ÖJefagr abgegalten fei. @r münfd)t, er fönntc felbft in SBorinö fein unb einen ©türm erregen, ^od) fei beffer, rugig ^u bleiben, unb Sutger lebenb ju befdjügen, alö feinen Xob ju räd)eu. Sonaö möge igm üon ben Borgiingeu bort, üon feinen Hoffnungen unb Befüregtungen, ^Jtad)rid)t geben-).

?lm 17, 2(pril beftanb £utger fein erfte^ Bergör, in iüeld)em er auf bie grage, ob er feine fämmtlicgen Büeger, fo mie fie feien, begaupten, ober baö 5lnftößige bariu miberrufeu mollc, fid) Bebenf5eit erbat; am 18. baö jmeite, mo er, mit Slbmeifung ber Sluctorität üon $apft unb (Soucilien, menn er niegt auö ber geil, ©egrift mibcrlegt mürbe, ben SSiberruf ablegnte. @r tgat bieß, nad)bem igm bereite burd) ben trierfegen Dfficial angcfüubigt mar, mcife er jeben SBiberruf ab, fo merbe bae^Reicg fd)ou miffen, mie mit einem Äeger ^u üerfagren gäbe. @r mar alfo jmar üorgeloben unb befragt, aber niegt eigentlicg gegört morben : mau

1) Jütten an Sulb^r, Schriften II, <8. 65 f.

2) Kn ^onaö, a. a. O. 8. 56.

408

II. ®U(^. 7. i^apilcl..

^attc fic^ über bic ftrcitiflcn fünfte nic()t mit t[)m cin^clnffcn, it)m uid)t bemiefen, bag er Äc^crifc^cö gelehrt ^abc, fonbern bieg fd)on oorauSgefc^t , borauf ()in ben Söibcrruf üon igm ücrlangt, iinb alö er biefen ablel)ntc, i^n aU itejer fallen gelaffen.

5ÜÖ Jütten üon biefem ÖJangc ber 0ac^c burc^ 2ntl)er fclbft 9^ad)ric^t erhielt, fannte feine ©ntrüftung feine ©renj^cn. !Öogen nnb Pfeile, ©c^merter unb löüc^fcn l)ielt er für nötbifl, um ber SBntl) biefer Teufel @in()alt t()un. Slber oudf) feine 5lncrfcnnung, feine öemunberung ßutber'ö mar unbebingt. SJiand^c feien 5U il)m gefommen in jenen Xagen, fd^ricb er i()m, mit ber ängftlid^en $Ieugcrung: Söenn er nur nid}t abfäüt! menn er nur ftanbl)aft antmortet! fid) nid}t einfd)üc^tcrn lögt! ©eine @rmie= berung fei jcbcömat gemefen, 2utl)er merbe Sutl)cr fein, ^iefc ßuuerfic^t l)abe ign nid^t getäufd)t : £utl}er’d ^Intmort laffc*nid^tö 511 roünfdjcn übrig. Slucb in ben gcljcimen Sicrganblungen , üon benen er fc^reibe (üon ©eiten etlicher ©tänbe fudjtc man Sutt)cr ,^n bemegen, bag er in einzelnen fünften nad)gcben, Äiaifer nnb ©tänbe al§ 9tid)tcr über feine ßc()re anerfennen foCite), merbe er fid) fo ju galten miffen, mic am beften fei. @r möge jc|t nur biö anö @nbe begarren, bie geinbe fegreien unb toben laffen unb igrer fpotten. ®cnn megr unb megr ^eige fid), bog alle beften SU^änner igm gemogen feien: merbe igm niegt an SSertgeibigern,

nid)t an Üläcgern fcglcn. 3gn fclbft, Jütten, ^minge bic S3orfid)t feiner greunbe, igre 5^tcgt, er mödjtc oicl mögen, immer nod) i^ur Sfluge: fonft mürbe er unter ben dauern oon Söormö jenen äJiü^cn ein ©piel angerid)tet gaben, ^od) in ^Jur^cm merbe er geroorbreegen ; bann foHc ßutger fegen, bog aiii^ er ben (^cift nid)t Ocrläugnen merbe, ben ®ott in igm crmedt gäbe. @r brenne oor 33crlangen, 2utger ^u fegen, ben er fo fegr liebe, unb ber igm über alleö, maö igm begegne, Dlacgricgt jufommen laffen möge*)-

S^odg einmal oor feiner Slbreife au§ SBormö (bic am 20. Slpril erfolgte) fd)rieb fiutger an Jütten unb gob igm oon bc§ Äaiferö ungnöbigem Slbf^ieb unb bem Verbote Ä'unbe, untermeg*^ prebigen. Jütten oermod)tc biefeö öriefegen niegt ogncXgrö' neu Icfen, unb fein Unmille über baö gegen Sutger cingcgaltcnc ^erfagren erneuerte fid). ®aö Sßorgeben, al^ fei biefer berufen

1) 'Än Cutter, 20. ?tpril. ?l, q. O. 'S. 58, unb Supplem. II, 6. 806 f.

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l}frQnjen§ 3ö0c^wno- Warnung.

400

ioorbcn, um ftc^ 511 ücrautmortcn, fd)vicb er am 1. au Söilis halb $ircff)cimcr*), fei eine £ü(\c gemcfeii. 9J^nn f)abc i()m ja feine ^öerantmortnnfl (^eftattet. Unb nun bcljmiptcn einige Snriften, ber Äaifer fei nid)t bcrpflic^tct , if)m ba§ freie Öeleit j^u galten, ja, er fei ücrpflic^tet, ec? nid)t ju i)olten. ^ic gottlofen 33ifc^öfe möchten baö Öeifpicl if)rer S3or(jän(^er auf bem conftanjer (Soncil nac^abmen. ^er i^aifer foUe ben SJorfa^ mißgefprocbcn haben, ben ?5apft unb bic römifebe Älircbc auf’g öngerftc ^n ücrt()eibi()en. ^Darüber jubeln bie Pfaffen unb meinen, bae 0tncf fei ;^u @nbe; boeb biö babin fei e^ noch meit, fehle noch ber leptc 9lct. S^on ber onbern ©eite fei -\u SBormö ein ongefchlacjeii morben,

bafe 400 Dom §(bel ficb für fiuther nerfd)moren h^üen, mit bem ßufafe: löunbfcbuh, öunbfcbuh! (ber auf eine Sßerbinbunc^ mit ber iöanerfcbaft hinbeutetc) ein ©d)ritt, fo c^efohrlid) füriiuther, baft man nermnthen fönnte, er fei non feinen geinben an^fleoant^en. (Sö follc ihm ein fchr fdjarfc^ (Sbict nad)c^e=

fd)icft merben (bie §ld)töerflärnn(^ erfolc^tc am 26. äJiai), baö aber mohl in einem groben ?Reidjö auf äBiberfprnd)

ftoben bürfte. ^enn jept müffe fid) feigen, ob icntfcblanb gürfteii habe, ober ob non gepulten ©tatuen regiert fei. 5^an^ uon^ ©iefingen fei feft unb eifrig auf ßuther’^g ©eite; er h^^üe gefebtno* ren, allen (Gefahren ^nm Xro^c bie ©ari)e ber Söahrheit nid)t neriaffen j^u moHen, unb biefcö SBort fei einem Crafel gleid),^nad)tcn.

?lber loöfd)lagen luoUtc S^^an^ immer nid)t, fo mancbcömal and) befonberö ben geiftlid)en .sperren auf bem $Reicbötagc nor feiner brobenben 9^äl)e bange mürbe. ^)ic Hoffnung auf ©olb unb Äriegöbente, aber ancb auf fteigenbe Geltung im ^)ienfte beö Äaiferö, bem ein itrieg mit granfreid) nid}t mehr lange an^= bleiben fonnte, mar nid)t bie lepte ber Urfad)en, meld)c ©idingen unb feine ^Inbängcr unter ber Sfitterfchaft non ©emaltfamfeiten norerft nod) jurncfhielten. ©0 blieben .^utten'ö Drohungen non ber (Sbcrnbnrg herunter SSorte, unb er ftanb non ,^mei ©eiten her bem ^abel blog: entmeber, bag er gebrogt nicht auöfübren fonnte, ober bag er nicht auch an^führte, macj er gebrogt hotte. Söenn (Jraömnö gegen ®nbe jeneö gohrc« in einem 93rief an ^irefbeimer fieg über ßutber’cJ unb feiner ^Ingänger

1) %. Q. C. 6. 59-62.

410

II. 53ui(>. 7. Äopifcl.

ftciciciibe ^cfticifcit mit ber Slciifecuuug bcfloflte, mcr fo brot)c, müßte ein f(^laflfertic;eö |)eer hinter fieß ßaben, fo hielte er bamit fießer aueß auf §utten. mar (Sraömnö, ber mit feinem Xabel auf biefe ©eite trat: .^nttcirö junc^ere ober heißblütigere grennbe hatten fid) feiner Drohungen flefreut, ja mohl felbft auf feine 9tcchnunc| mitgebroht, unb machten ißm nun IBormürfe, baß er über baö Großen nid)t ßinanöfam.

Hermann oon bem ^önfeße mar, mit feinen 5man3ig mehr, bod) faft noch braufenber, nod} leibenfd)aftlicher aU^ntten. @r befanb fieß, mic feßon ermäßnt, mäßrenb beö fReieß^taejö in SSorm^, unb füßrtc, mic Sod)länö bejeut^t, münblicß nid)t minber milbc SReben qecten Sntßcr’ö SBiberfad)cr, ol^ glitten fd)riftlicß oon ber (Sbernburß ßernnterfanbte. Snfofern ßattc er biefem nid)ti^ oor^nmerfen: oßne ^ber hatte er fieß babei auf

$ntten'ö SSerfpreeßen , näcßftcnö mit granjen^ ^lülfc lo^bred}en 3u moUen, oerlaffen, unb mar nun boppcit unmillicj, baß bieß nid}t 9cfd)aß. Unter bem 5. 9Rai, alö baiS (^efcßäft gcflcn Sutßer (er mar fdjon feit ad)t Xagen abgereift ) oßne alle ©töriing naßc* 3U oollenbet mar, erließ Hermann )öufd) üon 2Borm§ aui^ ein ©enbfdjrcibcn an §utten ‘), in mclcßem er ißm feine SOUßftim* mnng nießt Oerßeßlt, unb burd) bic bitterften 5)inge, bic er bem greunbe fagt, ißn 3ur Xßat 311 ftacßeln fließt. @r melbet ißm, mic bie IRömlinge auf bem $Rcid}ötagc, bic fieß erft oor ißm gcs füreßtet, jeßt über ißn lacßcn unb SBiße ma^en. @r belle nur, unb beiße nidßt, fagen fic. 2)ic päpftlicßcn 5Runtien füßrt er rebenb ein; äöenn ißnen feine fd)limmere ©efaßr broße alö oon glitten, fo feien fie geborgen, ^arum ßaben fic aueß, oßne fid) an feine citcln ^roßungen 311 feßren, ißr (5Jefd)öft nur um fo eifriger betrieben unb ßoffen näcßftcnö oollenbet ißrem $errn, bem ^apfte, 311 güßen 3U legen. ^Icanbcr’i^ innigeö IBcrßältniß 3um Äaifer, bic ^intanfe^ung ber beutfeßen gürften, ber Ueber* mutß ber ©panier, melcßc auf 3Raultßiercn ftol3ierenb ben ^ciiU fd)en ben 2)iarft fperren, ^utten'ö gloffirtc ^uUe, ßutßer’ö babß* lonifcßc ©efangenfcßaft ben 33udßfüßrcrn megneßmen, 3errcißen unb in ben Äotß treten: baö aUcg mirb 3um SSormurfc gegen

1) ©. bo§ 6d^|retb<n in i^utten’§ Sl^riften II, ®. 62 64. ^ie Stelle au§ @0(^läu§’ Ilistor. du actis et scriptis Lutheri ebenbafelbft, S. 64 f.

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Sobon’S ^a^nang unb l^uHen’S ^niiDort.

411

Jütten, ber, ipcnn er (glaube ()clfcn ju fömten, ()ättc ba.^u tbim foücn. Huf ^larriS Hbreife iparten, luärc fd)v unpaffenb, ba mit if)m bic fdjtimmftcn geinbe ^uttcii’ö imb ber

bcutfc^cu grei^cit, bic pöpftlic^cu 9tiintien, ab5icf)cu merben. Söenn Jütten biefe mit beilcr ^aut auö ®eutfd)lanb tommen laffe, menn er t)icnn bic erregte (gnuarliuig täufc^e, fei e^ eine ©ertappe für feinen iRuf. 0tatt ber ^lacfcreicn gegen biejenigen, meiere Pon ^icr auö nact) 9tom reifen, folltc er uielmcbr jene römifc^cn ©enbtinge, bic eigentlichen ©d)ulbigcn, beftrofen. SBenigften^ möge er nicht aüc ungefränft bauon fommen laffen, bnmit feine Drohungen nicht ganj leer erfunben merben; benn fo Picl fönnc öufch ihm fügen, fein biöherigcö tl)uc felbft

feinen beften grcunben leib.

Ungefähr um bicfelbe 3^tt erließ aud) ber alte crfurtifd)c greunb (Süban ;J)effc eine poetifchc SUtahnung al)nlid;en 3nl)alt^, nur in feiner Hrt frcunblidjcr unb gemüthlicher, an Jütten *)• 2)er beutfehe iRittcr möge jegt ßuther unb bic beutfd)c greiheit mit bem ©chmerte befchühen, ba cd mit ©chriften unb ißerfen nicht mehr getl)an fei. ^aju bürfc er fich aud allen ®aucn ^)eutfchlanbd ^eiftanb ucrfprcchcn, befonberd pon granj Pon ©iefingen. ©ic beibe, fo ahnet bem 2)id)ter, werben bem römi- fehen Ünmefen ein @nbc machen; befonberd aber fe^t er feine Hoffnung auf Jütten, ben er Pon Sugenb auf beobachtet h^t, beffen hoh^m (}jcift, gefaßten 9)iuth unb tapfere ^anb er genau fennt. 3n biefen @igcnfd)aftcn möge er fich nun aud) ber Station jeigen; 2)eutfchlanbd greiheit unb^uhm wicberhcrjuftcflcn, ba,^i rufe ihn bad ©chicffol. ^aburch werbe er ben fchon je^t glän* ^enben 9tamcn ber Jütten noch mehr Perherrlichen, wie ihm hm* wicberum ber (.^lan^ biefed Sftamend im Äampfc 93orfd)ub Iciften werbe. 5)er^)ichtcr erinnert ben ritterlichen greunb an beniBeU fall, ben fein gewaffneted iöilb ßnbe, an ben Vorgang feined Äampfcd für ben ermorbeten fetter, ©o möge er eublich bic Hoffnungen, bic er erregt, erfüllen, unb bed greunbed Hufruf

1) Ilelii Eobani Hossi ad Hulderichum Huttenum, ut Christianac veritatls caussam ot Luthori inittriam armis contra Romanistaa prose- quatur, Exbortatorium. 3n Jj>ult«n’§ 6(^ri|tcn II, <5. 68 71.

412

II. 7. ü^ajjtlcl.

(llcirfjfnm alö ©icinal 511m Äaiiipfc fan bom bicfcr (]ornc felbft Xl)cil nehmen möd)tc) frcunblic^ aufne^men.

Sßic citift @obon bic $uttcn’fd)c ©piftcl 3talia'i^ an ÜO^oji^ milian biird) Eingabe ber Urfac^cn beantwortet ^atte, welche ben Ä'aifer biö je^t nod) oerftinbern, ihrer ^lufforberung folgen: fo fanb fid) nun umgefehrt Jütten in bem galle, (Soban'ö jjoetifdhe 5(ufmahnnng in berfelben entfdjulbigenben nnb befd)Wic^= tigenben SBeife beantworten '). 0cine @rma()nung hätte ber greunb j^war, wenn er§utten recht gefannt, fparen fönnen, bod) fei fie biefem wiüfommen, alö ein bag noch freie

SD^änner in ^eutfchlanb gebe. ÜJiödjten alle fo benfen! 21 ber ftatt beffen j;agen nnb ^aubern bic Öunbeögenoffen. @r jebod) werbe aüeö oerfnehen, unb obwohl bon Dielen im 0tiche gelaffen, in feinem 23orhaben bis in ben Xob beharren. 23i^hct er bnrd) Schriften 511 wirfen gefudjt; je^t fei bic ßeit ber SBaffen gefommen : er ergreife fie. ^aö ©erüd)t, er hcibe fein Unternehmen anfgegeben, fei falfch, Dom S^cibe auögefprengt. 2)eö ^apfte^ nnb feiner 2lnhönger 3)rohungen Derachte er. 23on Suther'ö 23lutc foüe in feiner Gegenwart nidit einXropfen Dergoffen werben, ber fich nicht mit bem feinigen mifche. @r werbe biefen feinen SHit^ arbeiter, wie früher mit bem Reifte, fo je^t mit bergauft unters ftühen. Db er e^ burchfepen werbe, wiffe er nicht; aber wagen werbe er barum bod). 23erbannung unb Xob fehreefen il)n nicht: in einem getnechteten SBaterlanbe leben, hol’c feinen SBcrtl), unb ber ^ob werbe ihn ja in greiljeit fepen. ®och hoffe er baö Sefte. 23iellcicht werbe 5^anj bie SBaften ergreifen, ber gan^c 2lbelftanb fich in bie ©a che legen, bic ihn im©tid)c gelaffen, j\us rüeffehren : jcbenfaHö fel)c er im ©eifte ben gatt be^ fßapftthum^, ben ©ieg be^ ©uangelium^ Dorauö. ®o6 bie beiben Sffuntien unDerfehrt entfommen, fei nid)t feine ©d)ulb. @r höbe nichts Derfäumt: bie ©tragen befe^t, ^interholtc gelegt: aber beö S^ai* * ferö §eer l)Dbe fie gefchü^t*). SöieHeicht laufen fie ein anbermal inö ÖJarn; auf jebengaU müffe man annchmen, e^ fei fo@otte§

1) Ilulderichi Hutteni ad Hel. Eobanum Hessnnt pro eadem re Responsorium. ßbfnboj. ©. 71 76.

2) gine Spur. ba§ er einen tprer ©eßleiter erflod^en, weijl ^befing nodp ; Schriften II, S. 89 f.

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J^utten’S ^tntwoTt ouf ^obon'S ^a^nung.

413

SBJiUc flctpcfcn. 3n (5J)rifti SBiücn ergibt fidj^uttcn ganj: tüoüc ber, bag ßco ibu feglc, fo )ud)c er uergebenö 511 entrinnen; fo U)ie umgefebrt feine römifdjcn öfegner, tuenn (Ibriftuö fie in feine ^änbe geben tuolle. ^ber niöge it)m beifteben, ba il)n

5U biefem Kampfe niebtö alö bie Unterbrnefung bei? glaubend bewege. Streiter feien genug bereit: ßb^iftU‘^ niögc nur ba^ ©ignal geben, ben Ätrieg anbefeblen. ©onft blafe aud)- (Soban umfonft. 3nbeffcn fei gut; er möge nur fortfabren, bie!üeutc ouf^umabnen : Diele b^btn bieß nötl)ig, wäbrenb §uttcn Don felbft bereit fei. ?(ud) feien bie S23irfungen feiner Xbötigfeit nicht gan5 511 Derfennen: fRom fd)ide feit einiger 3cit feine iöuUen, feine iiegaten, feine ^Iblaßfrämer inebr, unb bie (Surtifanen tbun fid) ein. ©eniig fei ba^ freilich i^och nicht: bie böfe ^rut inüffe mit ber lEönrsel auögerottet werben. 2)aj^u werbe §utten tbun, wn^ in feinen Kräften ftel)e; fei ibm baö Unterfangen ju fd)wer, fo müffe ba^ SBaterlanb feinen 3Billeii für bie Xl)at nel)men.

Uiib io bce^l' i(^ ()tnt>ur4l ! brect)* icb, ober ic^ falle itäinplenb, mürbem td) einmal alfo gcioorfcn bas ü!oo4.

414

<$ttftett tttmmeft itt ßfeinerett ^e^bett ttttt» Bemüht um ettif '^erOlnbuttg ber 'giitterfifaft tittb ben

§iäHen.

1521. 1522.

®ic 2:ngc bcö S^lcidjötagö 5U SGBormö Dilbcn einen 9Benbe:= pnnft in ^nttcn’ö fieben. Unb feinen glüeflidjen. 0ein Einlauf broc^ fic^, er mußte maf)rnef)mcn, baß er meit uorgerannt mar. mußte nad) ber einen ©eite ßin bieß, nac^ ber anbern ba§ ßus rüdblciben ber Xßat ßinter bem SBort cntfcßnlbigen. ©cineSc^rifs ten l)attcn je länger je beftimmter über fid^ ßinau^ auf Xßaten gemiefen: ba er biefc nid)t einfe^en fonnte, fo mußte üon felbft auc§ in feiner ©c^riftftellerei eine $aufc ber SSerlegen^eit ein» treten.

2Iuc^ bie fruchtbare Qcit beg rußigen 3ufammenlebenö mit granji üon ©idingen auf ber ©bernburg ging ißrem @nbe 511. granj faß im ©ommer 1521 im SBilbbabe, baö er alg Kipper- tinenjftücf uon ©tabt unb 21mt 9feuenbürg, bem ißin jugefeßiebe^ nen ^ntßeil an ber mürtembergifdjen 33cute, in 2lnfprucß naßm, alö ißn, morauf er längft gemartet ßatte, eine faiferlicße Söotfcßaft 5U ben SBaffen rief, ©egen ben ^erjog non 33ouiüon, 9lobert Don ber SWarf, unb grantreid), baö ißn unterftü^te, füllte granj 2000 IReiter unb 15,000 9Kann 5U guß merben unb mit ben- felbcn auf ©t. gafobötag ober fpätefteng ben 1. Huguft in ®ie^ benßofen eintreffen. @r bradßte feine SBerbung ju ©taube unb rücfte, ben ©rafen §einricß oon S^affau al^ j^meiten DberbefeßU^ ßaber jur ©eite, in 33ouiHon unb meiter in granfreieß ein. ?(ber

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^uttcn im SScrflecf.

415

biefcr 5^lb^u0, bcr granjcnö ©teUiing bei beni ^aifer befcfti^cn foUte, brachte toiclmebr gegciifeitifleS ai^igDergnügen. ^)en beiben 5elb()errcn fehlte an ©inigfeit, unb bavum an @rfolg; bcr Äaifer aber lieg an ÖJelbe fehlen, ©iefingen, ber feine 20,000 ©olbgulben non Äarl noch jurücfcrhalten h^tte, mußte fich je^t and) für einen rücfftänbigcn Solbeö bei ben

Xruppen oerbürgen. 0o mar er mit bem Staifer un^ufrieben, nnb biefer mit il)m.

Jütten finben mir gegen @nbe 9)?ai noch her @berns bürg; hoch ba er oon einem atitte nach ^for^heim fchrcibt, ben er oor S^urjem gemacht, fo fcheint eö, er hotte 5^anj\ im Söilb^ habe befucht, ober fid) auch fc^hft eine ßcit lang bort aufgchalten. 2lber er jmeifelte, ob er noch lange bei Srauj merbe bleiben fön* neu, fo tpünfd)cnömerth ihm and) erfchien, bag biefem ein 9Wann jur 0eite bliebe, ber ben unabläffigen Jöemühungen ber onbern Partei, ihn oon ber ©ache ber IHcformation abmenbig ju machen, baö ©egengemicht hielte. ®arum mnr §utten über öueer fo ärgerlid), bog er, bcr §luöficht auf eine aSerforgung bei gron^ oon ©iefingen ungeachtet, fich hotte oerführen laffen, alö i^aplan in bic S)icnftc beö faiferlid}cn ©tattholtcrö, ^fal^grofen griebrich ^u treten, oon beffen högffh floucr ©efinnung für bic ©achc beö (Soangcliumö nichts ju ermarten ftanb ‘). ©criic märe er mit ©iefingen ju gelbe gcj^ogcn; ober feine ©cfunbljcit mar aufö atcuc manfenb gemorben, unb er fah fich genöthigt, ju ihrer pflege oorerft einen ruhigen 2lufenthalt ju mühlcn. Änfangö ©eptember finben mir ihn in biefem 58crfterfe, mie er ihn nennt, ben atamen jcboch, ouö gurcht oor atachftcllungen , bem Rapier nicht anoertraut: menige SBertrautc mugteu ben Drt, bcr ohne 3mcifcl in ber atöhe oon Söormö ober Sanbftuhl ju fuchen ift. atoch 20 Xogc gebachtc er ba ju bleiben, unb bann, menn eS mit feiner ©cfunbljcit fich gebeffert l)üttc , ju granj ind ßager fich ju begeben, ^ahin hotte er gerne ouch 33uccr mitgenommen, bem fein ^ofbienft bereite ju migfaüen begann ; mährenb bcr grogmüthige ©iefingen ihn ^ur aiücffehr in feine Umgebung mit ber Äudficht auf bie nächfte lebig merbenbe ^^forrftelle einlaben, ja ihm, menn er juoor nod) einen (iurfud in äBittenberg burd)*

1) ^utten Olt ®ucfr, 27. Wal 1521. ?(. o. O. ©. 75 f.

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416

II. 8. Ilfapitd.

machen tpofle, ©tubicnfoften auf ein 3at)t anbicten ließ. uicl ui^eßaltcncr aber, atö auf iöueer, luar §uttcu bamalö auf ISapitü , über ben er iu feiner ®erftimmuucj bem (^erüeßte (Glauben feßeufte, berfelbc fei uom ©uangelium abgefallcn uub l)abe unter anqeuommenem Sf^amen (Jecken bic £utberaner gcfcßric* beu‘); ein @erücl)t, uou beffeu ©ruublofigfeit er fid) halb ßer* nad) überzeugte, uub luiebcr in bie alte freuubfdjaftlid)e Sßerbin* buug mit (Sapito trat.

Db Jütten fein SSor^abcu, Srauj inö gelb zu folgen, fpäter luirflicß noc^ in §lu‘3fül)rung gebracht l)abe, ift zweifelhaft. Otto ^runfeU beridjtet zwar, ber Äaifcr höbe ihm jährlich 200 QJulben bezahlt; al)5 er unter ©icfingcirö ^auptmannfehaft geftanben, habe et, loie anbere au^gezeid)uete 3)^änner, ben hoppelten 0olb erhalten; auf biefeö Schalt jebod), um bed Äaiferö uneoangelifcher (SJefinnung millen, uon freien ©tücfen oerzii^tet^). 2Ulein faft möchte man glauben, iÖrunfebJ fpred)e uon bem luürtembergifchcu gelbzug unb betrad)te ^utten'ü ^ienftücrhältniß alö ein feitbem fortbauernbe^. ®aß er bem ^iaifer ben 5)ienft getünbigt, war im 3)tai, mo ^ucer oernommen hattet), jcbenfallS oerfrül)t; ciS tonnte aber bod) gefd)el)en fein, el)e er mirtlich inö gelb gc^ rüdt war.

2)agegen fcl)en mir ihn oon jeljt an in einer IReihe tleinerer mehr perfönlidjer gchben bem Unmuth über bie Vereitelung feiner großen $lanc in einer Söcife ßuft mochen, bic mir ihm höchftcnö ücrzeihcn fönnen. feinem oorl)in erwähnten Verfteefe gab er bem Otto Vrunfelö 2lufentl)alt, ber auö bem Äartl)äuferflofter bei aJiainz entfprungen unb ol)nc anbere ßufludjt war. 9J?ochtc bieß bie mainzer iilarthäufer üerbrießen, fo befchulbigten ißn bie bei ©traßburg gcrabczu, mit §ülfc beö bortigen Vuehbruefer^ ^auö ©d)ott zwei ihrer Orbenöbrüber bem Ätlofter entführt haben. 21U Äe^er galt ihnen ber Verfechter ßuther'6 ohnehin, unb ba fic ihm fclbft nichts anthun tonnten, fo nahm ber $rior an feinem Vilbc eine ©enugthuung, noch fchliwmcr al^ä biejenige,

1) Jütten an $ucer, 4. Sept. 1521. Sd^nften II, 6. 61 f.

2) Otto ^runfelS, Kesp. ad Spoiig. Erasmi, ebenbaj. S. 340.

8) %ucer an %eatuS 9ttienanu§, 22. SJtai 1521, Hutteni Opp. Sup- plera. II, S. 807.

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i^utten unb bic iC^art^öufer.

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iDclrf)c jener conftanjer Pfaffe au bem bcö ©roeniug naf)m, baö er, oft er im anfpiicfte. Unfer

Stitter ließ eine ©cl)mad) nic^t einmal auf feinem iöilbe fi^en. Unb er müßte nid)t ein 9Utter im (Reifte feiner ein armer S^itter, c^emefen fein, menn il)m nid)t jucjlei^ bie ©e^ Icc^en^eit enonnfdjt ejemefen märe, üon ben BJiön^en ein 'Sn^nes flelb , baö feine Äaffe mieber anf eine geit Inni]

in beffern ©tanb fefete. @cgen @nbe bc^ October mürbe 0icfin= gen mit feinem §eere auf bem fRüefjuge auö granfreid) am Cbcrrßein ermartet. 3l)m ooran, mie fd^eint, fam .J)utten nac^ 'Dürmftein unfern SBormö (menn bieß nic^t gar ber Serfteef mar, in melc^em er fic^ feit bem (Snbe be^j Sommert aufgel)a(ten l)atte), unb erließ am ^onnerftag nac^ bem Xagc ber 11000 Jungfrauen (21. Detober) an ben ^rior unb (Sonoent gebadjter ftartljaufe einen gel)bebrief. (5^ ßabc if)n üor langer SBeile burd) glaubl)afte l)od) nnb nieberö ©tanbi^ ^erfonen angelangt, meldjer* maßen fie ißn nic^t allein für einen Äc^cr aue^gefdjrien, fonbern l)abe anc^ ber ^rior, jur ^In^eigung feinem nnc^riftlidjen uiu menfd)lid)en 9teib unb .^)affe^, fid) öffentlid) berühmt, etlid)eüon ^nttcn’ö auf Rapier gebrueften 33ilbniffen, il)in ^ur 8c^mad) unb ^ol)it, „5ur Säuberung unreiniger feinet Üeibö Crtcn" gebrand)t 511 haben, ^aö habe er bisher mit SBeradjtnng überfehen; nun fie ihn aber außerbein jener 3)Uinchöentführung Reihen unb ben unfd)iilbigen 43uchbrucfer barum bebrängen, erforbere feine @h^c, baß er fie ßügen ftrafe. Unb biemeil er uicl lieber üon feinen C^ütern unb Silahrung 10,000 menn er fo üiel hätte, üerlieren moüte, alo jold)e Unbill meiter ju bulben, fo fei an fie fein ernftlich Begehr unb OJefinnen, fie mögen „^u §lbtrag unb Heiner (Jrftattung angeregter Schmähe unb Jnjurien il)m in SD^onatö- frift nach dato bieß iöriefd bief eiben 10,000 gi. an Orte, bie er ihnen an^eigen merbe, in gutem rheinifd)en ®olbe liefern", fid) ähnlicher Sd)mähungen ferner enthalten, ihm aud) burd) feinen gefchmornen iöoten ihre ©ereitmilligfeit fd)riftlich i\nfichern: mo nicht, fo merbe er, fammt anbern feinen Herren, greunben, Gön- nern unb guten ÖJefeHen, bie an ber itarthäufer gürnehmen gleid)^ falld höchlich 3)Hßfallend tragen, miber fie nad) allem feinem SBermögen trachten unb hanbeln; barnad) foUcn fie fiel) richten.

Stättmeifter unb 9^atl) üon Straßburg, bei benen Jütten VII. 27

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II. 8. ftopitel.

fein SSorne^men entfci^ulbi^te, ü6crnat)mcn bic Vermittlung, unb i^ren Slbgcfanbten nerfprad) er (am ^onnerftag nac^ ©lifabetl), 19. Sftoüember) auf ber ©idfingifc^cn Vurg SBartenberg fid^ nod^ ad)t ^age lang finben laffen ^u motten, ^er ©ntmurf einer Uebercinfunft liegt üor, melc^er eine @l)renerflärung unb §lbbitte für .Jütten, aber nid)t^ uon einer ©elbcntfc^öbigung enthält. @leid)mol)l mußten fid^ bie itürtl)öiifer, ba granj uon ©idingen fein ©c^mert in bie SBagfdjaale gemorfen ju l)aben fdjeint, auc^ ju einer folc^en uerftel)en, meldje, menn fie fd)on nur */& l>cr uon Jütten anfänglich geforberten ©umme betrug, hoch immer noch ein anfehnlichcr für ben ©paß tuar, ben fid) ber ehrmürbige Vrior erlaubt h^tte*).

®a^ beginuenbe 3ahv 1522 brachte allerlei mit fid), ma§ J^utten'ä Veftrebungen unb , Hoffnungen aufö 9teue belebte, ^urch ben Xob feinet Vaterö eröffnete fich ihm bie 2luöficht, in @emein* fd)aft mit feinen jungem Vriibern beffen Vefi^ungen, inöbefonbre bie Vurg ©terfelberg, j^u erhalten, mclche, uermöge ihrer un^u* gönglichen fiage in SBalb unb Vergen, ihm für ben ÄriegöfaU ein haltbarer fchien-). 3'^mr hatte ber mirflidje

Eintritt biefeö Vefige^, bei reuolutionärer ©tettung ju

ben öffentlid)en ©cmalten, uorerft ©d)mierigfeiten, bie möhrenb ber nur nod^ furzen feineö Sebent nid^t mehr befeitigt mürben: bod) hob bie 2luöfid)t auf ©elbftftönbigfeit feinen SKutl)/ ben aud) bie ©tettung, melche ©iefingen mehr unb mehr einnahm, ftärfen half.

5ür bie Sache ber Deformation fonnte biefer jeht cntfchic* ben gemonnen heißen. Suther eignete ihm, ^um 2)anfe für ba-ä mieberholte l^lnerbicten fcincö ©d)u|c3, feine ©chrift über bie Veichte 511, unb ©iefingen felbft trat, mitten unter feinen friege= rifchen Unternehmungen, alö ©d)riftftetter für bie @runbfä|e beö Deformatorö auf. ©ein ©egenfehmäher, Ditter ^Dietrich uon fd)uchöheim, hotte fid) gegen ßuther'^ fichre einnel)mcn laffen unb motttc aU „Vefter" beim eilten bleiben. .Dun belehrte ihn

1) S)ic ^etenftürfe in ^utten’8 Sti^tiften II, 83—89. iBgt. ben '-Brief öon Oerbel, ebenbaf. 91, unb oon 6ra§mu§, S. 409.

2) l^utten on ^fürflenberg, SBortenberg, 31. 2Rerj 1622. ©c^riften II, ©. 114 f.

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Sicfingen unb i^artmui^ bon Sronberg.

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gronj in einem auöfü^rlic^en 0enbfc^reiben erft im Slllßcmeinen, ba6 bic 9teforination feine ^feuerunfl, üielmel)v SSMeber^erftellnnci beö Urfprüncilid^en fei: bann im (Sin^elnen über baö $lbenbmal)I, meld)e^ unter beiberlei ©eftalt auöjut^eÜcn; SJ^effe, melc^e beutfe^ p lefen; (Sölibat unb SJiünc^^ftanb, bic nid)t uon ©ott cingcfejt feien, luo^l aber bic @^e; .Jiciligc, meld)c ^u el)ren, bod) bic betung ©Ott allein nor^ubc^alten fei; Silber, bic leicht uom SÜJeflc ber ^nbad)t abfü^ren, „barum fic fc^icr'", meint granj, „in fc^önen ©cmad)cn ^ur ßierbe mct)r nu^ bann in ben Äirt^en mären". 2)icjcniflcn aber, gibt er fc^licBlid) bem 0d)magcr ;^u bebenfen, mcld)e fic^ nic^t cntfc^cibcn, fonbern jufc^cn moUen, mer Siecht beljoUe, bic merben ba^i mol)l c()er nidjt erfal)ren, alö

fie fommen in j^IepperlinS i^au§,

2)q |d)(ä9t boS pöflije^ 5furr jum Sanfter pinmi§."

5^011 ©idingcn’iii ©tanbeögenoffen ()atte fid) befonberiS §art= inutl) Don (Sronberg an il)n angcfc^loffcn, ber burd) )^utl)cr’ö 0enbs fc^reiben an ben beutfdjcn ^^Ibel ermedt morben mar unb halb and) ein eigene^ ÜJfiffiuc non bem Üieformator crbielt: ein bie« berer, uon .§erj\cu frommer, aber ctmaö bcfc^ränftcr iÜiann, unb borum befto leid)ter ^u unbebingter öegeifterung fort^urciSen. ©r muibc mit (hinein iüMlc ein fruchtbarer tl)cologifd)cr ©cl)rift» fMlcr, erlieg 0enbbriefe nid)t allein an 0icfingen, fonbern and) an £utl)cr, an bic löcttclorbcn unb bic ©ibgeuoffen, an ^^apft unb Maifer, mclchem leptern er bic nid)t lcid}tc ?lufgabe ftcUte, ben erftern „mit Ijöchftcr ©utigfeit" ju überj^eugen, bog er ber Statthalter beö Xeufcld, ja ber ^ntichrift fclbcr fei. 3u lieber^ cinftimmung mit it)m lieg nun Sidingeu burd) Oefolampabiuö, ber i)om ^^ttpril bie Sflooember 1522 auf ber (Jbernburg lebte, feis nen iöurggotte^bicnft im Sinne feinet Scnbfd)rcibene refonniren '): C£oangclium ober Spiftcl in ber liüicffe mürben beutfeh uerlefen, unb feine Pfarrer oerheiratheten fid).

.^artmuth tJon (ironberg mar ber näd)ftc ^lachbor ber Stabt granffurt, unb fo ücrbanb fid) je^t |)utten mit il)m jur gel)be gegen einen alten geinb auö bem 9Fteud)linifchen Streite l)cr, ber il)n fo eben aufiJ 'Jleue gereift ben franffurtcr Pfarrer

1) OclolompQbiuS an 6bern6urg, 3unil622; in ^)uttcn’8 3(^rif»

len 11, S. 122 f.

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II. 58ud^. 8. Äa^Uft.

<St. 53artl)ülomäi, ^ctcr ÜJicl)cr. Sieben Sdnnä^uii(\ bei* £ut()c= rifc^cnSe^re auf bevÄtaii,^cl, l)attc biefer uic^t aUcin if)reu erften ^rebigor in granffurt, ^artmnmi gbac^, fonbern nud), tuic uigften^ .sjuttcu glaubte, jeiuen 0d)ü^liug Otto isöruufel^, ber unterbeffen ^^farrer in Stein Ijeim gemovben roar, bei bem main^cv ^ombedjanten al^ £utl)craner angegeben unb il)m boburd; eine Verfolgung j^ugejogen, loeldjer Vrunfelö nur burd^ fdjleunigc gludjt entfommen njar. 2^a^er loarfen fidj nun in ber gaften 1522 beibe 9titter auf ben Pfarrer unb trieben il)n bi«8 3^rinitati§, tl)eib3 mit ^rol)briefen an il)ii felbft, tl)eilö mit Älagfd^reiben an feine Obrigfeit, um. 9lad}bem fc^on am ©onntag S^emtni^cerc ^artmutl) eine SBarnungöfc^rift uor ben falfdjcn $ropt)eten unb Söölfen, mit beiitlidjer ^inmeifung auf 3)ie^er, am 50^aintborc ber Stabt l^atte anfd)lagen laffen, fd)idte am ^ienftag nad) ßä= tare §utten oon ber Sidingifd)en Veftc SBartenberg auö einen ge^bebrief an i!)n. „Dr. ^etcr mife, bag, nac^bem fein 2luft)ös ren^ an bir ift, mir unb meinen guten greunben unb ölönncrn VJibermärtigfeit ,^u crj^cigen, fonbern bu beineiS und)riftlic^en ^offesJ unb beö tcuflifc^en (^ifteö, fo bu miber unö in beinern (^einütl) empfangen, täglid) je meljr unb meljr fd)affeft, unb anber^ nit, beim mie ein leibiger Scorpion ftetö unb oI;ne UnterlaS ^um Stid^ bereit bift; alg bu bann je^o an bem frommen, d)riftlid)en unb mo^(gelol)rtcii $errn Dtten Vrunfelö unb $errn ^ortmann gbad), äiueien coangeIifd)cn ^rebigern, inbem bu fie oerrät^erife^ in gal)r unb 9^otb bracht, fc^einbarlid) ju erfennen l)aft geben : fo foüt bu miffen, ba§ ic^ t)infür, mit allem meinem Vermögen, burdj mid) felbft unb alle, bie ic^ ^u meiner ^ulf bringen mag, in alle 2öeg unb ©eftalt mir möglid) fein mirb, nac^ beinern fieib unb ©ut trad)ten toill; unb foll bieg mein enblic^ Vermaurung gegen bir fein, ba l)aft bn bic^ nad) ju rid)ten."

^m gleidjen Xagc erlieg §utten ein Schreiben an Vürger- meifter unb 9iat^ ^u granffurt in ber Sac^c, in beffen ©ingang er, um fid) ©unft /^u ermerben, fic^ barauf beruft, mic er „oon feinen tinblic^en Xagen auf , unb befonberö feit er burd) Uebung ©lüdö unb Unglücfö etlic^ermogen 511 ©rfa^rnig meltlidjer Sachen fommen, aHmegen ber SÄeinung gemefen, unb fo oiel i()m möglich angebalten gäbe, bag Irrung, fo etma oiel gagr ger jmifdjen etlicgcn be^ geil. 9teid)ö Stabten unb ctlidgen 00m gemeinen 2lbel

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^utlcn’S mit ^cter ^(^er.

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ru’übt lüorbcu“ (grciinb ©icfiiicicu Ijattc aud) mit grniiffurt einen böfen 0pan (icl)al)t), „auf9et)a6cn mürbe, nnb bie 5meen0tonbe, an benen bic me()ver ^Ü^ac^t bentfd)er Station gelegen , nnterein* onber ^ur 3Scrcinigung nnb grennbfc()aft fämen." «hierauf fingt er ben Herren, mie il)r Pfarrer, Dr. 5Ifet)er, moI)I fd)on ^elin 3al)rc ber fomoI)l gegen (SJönncr nnb grennbe .fmtten')^, mie Dr. SRcudjlin, alig gegen il)n felbft, obne ade Urfad) ein giftig, nat= terifcb nnb überaus grimmig ©einiitb nnb SJfcinung getragen nnb in 9^eb nnb §anblungen bemiefen l)abe. 0b if)m nun gleidj baö mebe getban unb er fid) auch b^tte rächen fönnen, fo b^be er bi^bet ^)od) bei ficb uerbrudt, unb mürbe bieg mobl auch ferner getban b^ben, mo nicht 3)?eber nur menig Xagen bie SSunben, fo fid) in feinem §erjen ^ur Teilung geftellt unb febon mit einem iRumpf übcr5ogcn gemefen, mieber aufgeriffen unb erneuert batte bureb bie $anblung gegen Otto iörunfelö, ben |)utten, um beffen 0ad)e ber feinigen mad)cn j^u fönnen, alö feinen 5)iener in 3(nfprud) nimmt, ^aburd) fiebt er fid) ^u ernftlicber ©egenmebr genotbbrängt unb fteüt nun an ben franffurter 9^atf), bem er auch bie gefäl)vlid)en Unruhen ju bebenfen gibt, meld)c bie gifti« gen, und)riftlicben ^rebigten il)re§ S^farrerö leid)t ftiften fönnten, bad Slnfinnen, fie mögen ficb „genannten Dr. ^eter'ö gän^lid) entfcblagen, ihn alö einen unter bie Sd)afe eingeriffenen Si^olf, alö einbeimifeb @ift unb oerle^licbe ^eftilen,^ öuö ihrer 0tabt tbun unb abfonbern''; beim, mer fürberbin mehr mit biefem 5!eufel!S= apoftel (JJemeinfebaft hätte, burd) ben mürbe ihm, Jütten, fieib ge^ fd)eben, unb ob aud) er ruhig fteben mollte, fei ju bebenfen, baß oielleicbt jemanb anber^ (il)r 9^acbbar uon Sronberg) um .^ntten’i^ millen bem ^octor, menn fie biefen bei fid) behielten, ^u ihrem 0d)aben ^ufe^en möchte.

1)iefeö Schreiben an ben 9tatl) unterftübte Jütten burd) einen ^rioatbrief an feinen greunb, ben einflußreichen Siathe^» herrn ^hÜipV t)on gürftenberg. (Sr folle feine (5oHegen einzeln ^u (fünften be^J §utteirfd)en (^efud)^ bearbeiten unb nichts unters laffen, maö j^ur isßertreibung ^d?et)er’ö bienen fönne. 0egen ben ©rjbifchof unb ba^ ^)omfapitel in ^J)fain,v an meld)e .^litten gleid)* fallet einen uormurf^JooIlen unb bod) freunblid)en iörief, mie er fagt, gefchricben h^iUe, unb ebenfo gegen ben ilaifer, mögen fie fiel) mit ber (Gefahr entfchulbigen, melche ihnen oou etlid)cn bcs

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II. ^ud^. 8. I^npitcl.

nad)bartcn §(bclic^cn brofie, bic i^ncn gef)bc aiigcfa^t ^abcn, fallö fic bcn unruhigen Pfaffen nod) länger bei fic^ biilben mürben. Ueberl)aupt fei i()nen jejt ein grofeeö genfter jur greibeit aufgc= tban: fte follen nur 9J?utb foffen unb fid) nid)t bureb ein ober ba« anbere @bict gleich einfcbüd)tcrn loffen. ^)ie früher fo mäd)= tig gemefen, merben jejt ohne 9)kcht fein, ba ber Slbel ftch nadb unb nach ^on benfclben trenne. 3lud) er felbft, $utten, fönue ihnen in ber (Sache Söorfchub thun, befonber§ babur^, baß er ihnen unter bem §lbel greunbe oerfchaffe, unb menn er, toie ^u hoffen, nächftenö in ben iöefij oon Stecfelberg trete, moüen fic gute 9tachbarfchaft jufaminen heilen. SBicr^ehn Xage fpätcr, am 11. 2lpril, ließ Jütten an ba^^ ^^hor ber ßicbfraucnfirdhe in granffurt ^mei 5lbfagebricfe anfd}lagen, beren einer gegen bie ^rebigcrmönche, ber anbere gegen bic Surtifanen gerichtet, unb worin, für ben gall, baß fte fich nicht mit ihm Ocrglichen, aUc ilricgöleutc aufgeforbert waren, ihm heij^ufpringen unb jene fammt ihren Sßerwanbten in 2)cutfd)s unb Söelfchlanb an Seib unb @ut an^ugreifen.

^cr ©chriftenwechfel in bem ^anbcl mit 3J?eher ging noch länger fort : ber ^Pfarrer löugnetc, waö ihm ©chulb gegeben war ; iBürgermeifter unb fRath bon granffurt oerwiefen bcn fRittcr an bic gciftlichc DDrigfeit, ba fie bcn Pfarrer nicht ^u feheu ober ju entfegen hnben; Jütten meinte, aber aud) ©(^u^ foUten fic ihm feinen gewähren, fonbern ihn fein 5lbcntcucr gegen §uttcn unb bie ©einigen bcftchen laffen; worauf ^üvgcrmcifter unb fRath erwieberten, ©ewalt gegen jemanb in ihrer ©tabt ober ÖJebiet 511 geftatten, wolle ihnen, wie ber Dritter felbft ermeffen werbe, nicht gebühren. ^iefeiJ 3lbfcrtigung^fd)reiben an .Jmtten ift 00m 3)on» nerftag nach ßantate*): nun banb aber am ^fingftmontag §art* mutl) uon (Sronberg mit SReper an unb fuhr mit Q^cfchrungöber* fliehen unb Drohungen fo i\ubringlich fort, baß ber beläftigte Pfarrer am ®on nerftag nad) Xrinitatiö bcn ©chu^ bcö 9iathce in Slnfpruch nahm. Söenige 3ahrc fpötcr inbeß, 1525, jagten bic granffurter felbft ben hünbelfüchtigen Pfaffen auö ber ©tabt.

2Benn un^ befremben muß, bic bcabfichtigte IBcrbrübcs

1) -5)ie ?lctenflü(fc f. in ^utten’8 ©(^rifien II, 6. 116—122. 2)cr ^rief an SUrftcnDcrg ebenbaj. 6. 114 f.

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^utten'S ^rma^nunQ an 9Borm§.

423

runfl .^wifc^cn §lbct iinb @täbtcn uon §uttcn burc^ einen 3^«^ biefer 2(rt eingcleitct ju fe^cn, fo finben toir unö burd) bie üöc^ jie^unp, in bic er fic^ ipcniflc 2J^onate fpätcv mit bei* ©labt SBovmö fc^te, auö einem onbern ©runbe überraf^t. Son ©iefins flen'ö SJJcftc Sanbftu^l auiS erlieg er am ©onntag nac^ Safobi ein ©enbfe^reiben an biefelbe ©tabt 2öürmö‘), melc^e mie feine anbere eine 0leil)e non fahren f)inburcb uon ©iefingen aufig Un* uerantmortlic^fte befc^äbigt unb mit biefem nod) fo menig grünb» lic^ uertragen mar, bag er roä^renb bcS lebten S^leicgötagö fieg nid)t getraut fie ju betreten. 2)ie|eg |>anbelö gebenft

$utten in feinem ©c^reiben gar nic^t, unb mirfli^ mar er auc^ uon ber Slrt, bag er nic^t entfc^ulbigt, fonbern nur etma burc^ ein böl)eted, ber ©tabt unb bem SRitter gemeinfameiS Sntereffe, menn ein folc^eö fic^ fanb, in S^ergeffen^eit geftetlt merben fonnte. 2)aö glaubte nun Jütten in ber IReformation gegeben, unb in= bem er bie Xgcilnagme berSöormfer an biefer belebte, moegte er hoffen, nebenbei auch jur ^ludgleichung ihred 3‘^^*®ürfniffeö mit ©iefingen baö 33efte gethan ju h^ijcn.

2)ic SBormfer hatten einen ^rebiger 5Ramenö Ulrid), ber ihnen bie euangelifche Sehre uortrug. unb neben uielem ?(nflang unter ber 33ürgcrfd)aft, uon ©eiten ber römifch gefilmten ©eift= lichfeit, befonberö eine« ^farrerig 2)aniel, uiel ^Infeinbung fanb. 2)er ©tobt megen biefeö ifl ihr aufgegangeneu SichteiJ ÖUüd ^u münfehen, fie jum 33ehanen bei ber SBahrheit, ^um 3Ruthe für ben gall ber Slnfcchtung ju ermahnen, ift bie Slufgabe, bie fich Jütten in feinem ©chreiben fe^t. ^en meltlichen Herren fei man nur in meltlichen Gingen Öehorfam fchulbig; uerlangen fie mehr, fo fei SBiberftanb nidjt nur erloubt, fonbern Pflicht. Stuf bie geiftlichen Herren aber, bie !öifchöfc, gebühre ben ÖJcmciuben boiJ ^uffichtörecht, unb beffer märe, menn fie auch baö SSJahlrecht hätten unb biefer ni^t ben trunfenen 3)omherrcn übcrliegen: fo mürben mir nid)t, ftatt frommer unb gelehrter Seute, fo uiel reifiger üöifchöfc in beutfehen Sanben gnben. S5or bem ^^ifchof uon SBormö, 9teinl)arb uon Dlieppur, hotte fegon uor anberthalb Sohren Jütten feinen greunb iöueer ald uor einem 3J^anne ge*

1) din bemütigr rrmanung an rin grmrqne flatt 9Bormbi 8(^nfitn II, e. 124—130.

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424

II. ^u(^. 8. Änpitct.

lüarnt, bcr um feinet $affe^ gegen bie9?efürmation willen bereite aud) bcr Ijumaiiiftifc^cu SRic^tung feinb geworben fei. er ben Söormfcrn ocrftönblic^ genug, wo fic einen ^i|d)of ober ^robft bei ftd^ ptten, bcr feine weltliche ÖJewalt bem ©oongcs lium ^uwiber brauchte, unb auf oorangegangene gütliche @rmal)- nung unb iöcbro^ung oon feinem gürnc^men nid)t abftet)en wollte, bem mögen fie auö gutem ©ewiffen mit bem ©d)Wert begeg^ nen unb i^n mit ©cwalt oon fid^ treiben. ®abei fei il)ncn @ots te^ 0d)u^ gewiß, unter bem fic fieß oor gürften nießt j\u fürchten braud^cn; unb fclbft mcnfd^licßcr öeiftanb werbe ißnen nidjt fehlen, inbem ißre 23el)arrlicßfcit in ber guten 0acße ißnen oielc greunbe, fclbft unter benen, bic it)uen bii^ljer feinb gewefen (©idingen), erwerben werbe: fie fcl)cn ja, wie jc^t faft olle ©tobte, bcr mehrere Xßcil oom Slbel unb baö gemeine SSolf bem ©oan* gelium anl)angen. ©ic mögen an ißm unb anbern ein 33eifbiel iiel)mcn, bic and) um iöcfenntniß ber SSal)rl)cit willen eine ßeit laug unauöfprccßlicß große Verfolgung erlitten ßaben unb nod) leiben, aber bod) beftänbig bleiben, gür fieß oerfprießt §uttcn, ' mit ©otteö §ülfe, Vcßarrlid^fcit biö anö @nbe. „©old) gür^ neßmen", fagt er, „foH mir fein Vitt abfcßmcicßcln , fein 2)rau abfeßreefen, fein (SJelb abfaufen ; benn id^ weiß, an wen icß glaub, unb baß mieß @ott nießt ocrlaffcn wirb." Neffen mögen aueß fic mit il)m fid) tröften, unb ißn, ber ißnen ju allem ©Uten in ßßrifto geneigt fei, in ißre Vrüberfcßaft befohlen ßaben.

3um ©d^lagen fam bei all biefen ?Inläffen nic^t; boc^ fc^cint für .^utten ein Vebürfniß gewefen j^u fein, fo Icibenb er aud) feßon war, fid) für bic Unmöglic^feit, im ©roßen ju wirfen, bur^ fRittcrftrci^c im kleinen fd)abloö ju l)altcn. Um biefc ßeit war ol)nc 3tt?cifel, baß er, wie (Sraömuö ißm wicber^ l)olt alö etwaö allgemein VcfanntciS oorwirft, im pfäljifc^cn ©e= biete brei Siebte auf offener ©traße röuberifcß überßcl, wofür bcr ^^urfürft Oon bcr ^Sfalj einem feiner Wiener ben Äopf ab= fd)lagcn ließ unb il)n felbft mit feiner fRaeße bcbro^tc. Db an ber weitern @rüömifd)cn Staeßrebe etwaö ift, baß Jütten auc^ §wei V^^^^iü^nnöneßen bie Oßren abgefeßnitten , ober ßabc ah- fd)ncibcn laffen'), wollen wir nid)t cntfd)eiben; fic erinnert an

1) 6rQ§mu§ nn Jütten, 25. 3Jlerj 1B23; an Cutter, 8. 3Jloi 1524, in ^uttcn’S ©d^ciften II, 6. 178 f. 409 f.

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Äilicrflrcid|c.

425

eine ©teile in ben 2)un!clinönncrbricfcii, tüo cts Jütten

l)nbe cininol wenn il)in bic ^rcbit^erinönc^c träten, wa^

ftc Slcuc^lin 9ctI)Qn, wollte er il)r geinb werben, nnb wo er einen fänbe, i^m 9ia{e nnb Obren abfebneiben ^).

3m 3J?Qi 1522 war ber ifaifer, bureb Unrnben in©panien nb^eriifen, auö ben 9iieberlanben babin abßcfcßelt, mit laffiincj eineö ?Reid)öre9iment‘5, baö er ungern genug, feiner 2öabl=' CQpitnlation gemäg, auf bem 9ieicb‘otage ^u 2Öormö bem 5liis bringen ber Ä'urfürften bewilligt b^Hc. 3n biefent waren bic Änrfürftcn jeber bureb' einen 5lbgcorbnctcn , bann geiftlicbe nnb weltliche 5^rftcn, Prälaten nnb ©rofen narf) 6 Älrcifcu, cnblicb bie fömmtlicbcn fReicb^ftäbte burd) ^wei 2(bgcorbnctc, bic 9titter* febaft aber gar nicht oertreten. Äein SBunber, bag fic nn^nfricben war unb in ihre Un^ufriebenbeit bic ©töbte hinein, yijicben fud)tc, bie im SScrl)ältnib j^u ihrer iöcbcutung unb ihren Seiftungen gleichfalls ju febtnaeb oertreten, unb bamalS überbicb burd) ben ^lan beS fRcicbSregimcntS, baS gefammte beutfebe 5Rcid) mit einer ßolllinic ^u umjiebcn, beunruhigt waren, ^cn ©oangclifd)^ (SJefinnten im fRcicbc bnttc j^ubem baS ^Regiment gleid) nach feiner (Jinfe^ung §(nla§ j^um 9J?ibücrgnügcn gegeben. SGBäbrenb fiutber’S 2lbwcfenbeit auf ber Söartburg waren ^u Söittcnbcrg unter ilarU ftabt'S Einführung jene gcwaltfamen fireblicben Steuerungen oor* genommen worben, welche im SQter)^ ben fReformator jur eigen* mächtigen Slücffcbr oeranlaftten. Elbcr febon im 3unuar butte ber oltgläubige $cr;\og @eorg oon ©ad)fen, ber eben, bem ein* geführten 5^urnuS gemäß, ^u Stürnberg anwefenb war, bem Siegiment ein (Sbict abjugewinnen gewußt, welches bie 53ifcböfc oon Staumburg, SReißen unb SRerfeburg anwieS, fid) ben Steu* crungen in SBittenberg ju wiberfe^cn unb bie alten fireblicben Bräuche aufrecht ju erhalten.

5)iefe EJerbältniffc fd)ienen ber 3bcc, welcher glitten in feiner lebten 3rit oorjugSweifc naebging, ber 3bee einer ^er* cinigung .^wifeben fRittcrfcbilft nnb ©täbten i\um iöel)ufc einer fircblicb'Volitifd)en fRcicbSrcfonu, fid) oon felbft bor^u bieten, unb er fpracb fic baber oon Steuern in ber anbringlid)cn gönn eines

1) Epist. übsc. virorum II, 55.

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426

II. ®ud^. 8. ffopitfl.

beutfd)cn ©cbic^tc*:^ au^, iDcldE)eä er Scflaguiifl bcr J^ciftöbte bcutfcf)cr 9intion benannte^. 3^r frommen 0täbtc, beginnt er,

frommen Stöbt, nun ^abt in ?ld(|t 2)f§ flmeinen beutfe^en 9lbcl8 föloc^t,

3ief|t ben ju eud^, oertraut i^m toobl:

34 ft«rb, tt)o’§ eu4 gereuen foll.

3^r fc^t, bafe i^r mit i^m suglci4 33|4toert »erbt bur4 ber Xironnen 9tei4#

5)ie je^t all onber Stönb oerbrudt,

3UIein fi4 ^onb ^erfürgerudt

nömlic^ bic gürften; oon benen jeboc^ nur bic fc^limmen, nid^t bie guten, gemeint fein follen.

2)en armen ?lbel freffen fie,

Unb fu4en tägli^ Söeg unb 9tat^,

S)afe je bei Sreil^cit bleib fein Stabt;

6in J^eil fie ^anb gejtounßen |4on,

®ie anbern igt fte festen an . . .

Unb ijt allein i^r 9Kut^ unb Sinn,

3u nehmen beutf^c Srei^eit ^in . . .

9lun ifi brin, meim 93ebunfen na4,

3u pnben fRat^ ein leiste Sa4,

2>ann toirb fta^n barauf allein,

2)q& mir un§ rotten in gemein,

Unb fe^en Stöbt bem ?lbel ju,

Xer 9lbel fol^S au4 micber t^u;

S)ann burtb ein fol4 SJereinung mag Un§ merben greifen, mic i4 fog,

Unb ift fein onber ?lr3enei,

®ie un§ mo4 unfrer Äronf^eit frei.

@inft fei bie Äaifermac^t in ^eutfc^lanb bcr ^ort bcr ©c^mac^cn gegen ©cmalt geiocfcn:

Xa mo4t ein armer 9littermann 6in dürften, ber i^m ßeibS get^on,

3u Tlntwort bringen unb ju 9te4t,

Unb marb ein jebe Stabt oerfe^t.

2öem jofl man ober flogen i^t?

^ic Äaifcrmac^t ift burc^ ben fc^nöben ^onbcl, mclcl)cn bic gürfteu bei bcr Ickten SBa^l mit bcrfelben getrieben, burc^ bic SSerfprcs

1} 33eflagunge ber Ofreiftette teutj^er notion. S^riften III, S. 627—537.

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§utten’§ ®cffn0uttfl ber f^rfifläWc t>eutj(^fr 9lotion. 427

d)ungcii, metc^c Äarl bcii cinschtcn für iljrc ©timmcn nmd]cn mußte, tief I)cruntcr^cbvacßt. 9tun fönnen bic gürftcii firf) allc^ erlauben.

Xtum ri(t)ten’8 neu ^efc^werunfl on,

2)er njiU ein 3ofl, ber onbreS ^on,

3;;q8 ntuft i^m »erben confirmirt,

J^in»ieber niemonb apbetütt:

2(m ilürtQQ worb’S i^m jufiefngt.

3c^ meiß, fäßrt §uttcn ßier fort (eine Slbnuntj, meldjc mir ißn auc^ in bem ©rmicberung^gebid^t au (Soban auöfprcc^cn gürten),

»etfe, »erb nodf) ConbS üerjagt,

Um ba^ 8old)§ ntc^t f4l»eioen fann,

Unb nimm beS '2)ing8 allein mi(^ an;

ift »a^r, unb i[t nit re^t,

3Jtan »otl benn mactien frumm ju jfbleebt Unb »anbeln f(^»ar) in »eig ® eftalt:

Tlflein bie Sürßen (jan ben @»alt,

®en brau^enS i^rem ©lüften nad),

^t)an'§ Unre<t|t f(bon, fo ift fein 9ta(ti;

9limmt jd^on ein §ürÜ mir »iber 9?cct)t,

2Bem fofl icb§ flagen? IBin fein Änet^t,

3d> »oHt8 bann flogen bem ber§ nimmt,

b. l). ben im fRcid)^rcgiment übermiegenb ücrtrctcncn gürften; bic übrigenö ber ©ac^cn fid) nidit einmal perfönlid) annel)men, fonbern auö 2lrbcitöfd)eu aücd il)ven beftedjlidjcn ©c^rciberu über» laffen, burc^ mclc^e bic fRcgicvuug foftfpielig unb bic öcbvücfung bcö Ißolfd immer t)ärtcr mirb. ^al)in mirft aber aud) bic unbe» grenzte ^abfuc^t ber gürften fclbft.

3ft au4l ein 5ürft, ber ^ob su oiel?

3(f) frag: ift einer, ber baf> flnug,

Unb nit auf »citer Ütutjung lug? flJtftctlt i(^ (fie fprec^en) finben 9iot^, mir »ürb bienftbar biefe 6tabt!

^at et»a§ bann ein ßbelmann,

®aS ftöftt ein dürften tierrfcbaft an Unb ift gelegen feinem Sanb:

9alb »irb if)m f^orbrung jugefanbt;

Tlud) balten'8 IBrief unb Siegel feim . . .

®a§ Umgreifen ber gürftenmadjt mirb einem uncrfättlid)cn 9lac^cn ocrglic^cn :

428

II. 8. ilflpitel.

Xrn ?lbcl ^at er ftfrcffcn f(^on;

loiH er ju ben Stöbten gon,

Teil je^t er auf ein neuen 3oU- Sag on, bu 2DoI[, tt)ann bift bu üoü?

Tenffi nif, bofe etioan Ifim ein Tag,

Ter bir bis^ier nerborgen log,

Taft bu niufet jpeien ou8 ben i^roft?

^Jiun i]cbc uuüciibi:^ bic ©ntfernung bcig Äaifero baö iRcid) ber cli}cnjüd)ticicn 5ürftcnmad)t preiö :

Tie i)enfen ihre Äbpf jugleicb 3n einen iRott), bnfe ibnii bo§ 9ieii^

9Io(b Villen gonj bleib untert()an:

Ten iloijer obgefertigt ^on,

Ter jeud^t nun üon un§ über 5Recr,

@ie molln nit, bnß er roiebericbr;

Tenn oflen ©malt beS ü^oiferS,

®on i^m gegeben, b^alten fte.

Um aber jebe ÄUijic über if)rc 511 cvfticfen,

Trum bobcn’S nod) ein§ giongen an,

58erbieten Toctor Cut^er’S ße^r,

'ÄI8 ob fte irgenbS jlräflitb wär;

Tenn SOo^rbeit inögcn’S leiten nit,

3ft »iber i^ren 33roucb unb Sitt . . .

Trum, fromme otflbt, eu^ moc^t bereit,

Unb neOmt be§ 9lbel§ greunbfd^aft on.

So mag man biefen miberfto^n,

Uno Reifen beutfe^er fRotion 53ermeiben Sd^oben, Spott unb ^o^n . . .

iDü.^u ber .^crr 6l)riftuö um feinen iöciftanb gebeten luirb.

©et)en mit in ber jule^t betrachteten 9^cihc ^utten'fchcr ©cfiriften burd) ben ®rang ber Sierhältniffc ben ©tolj^ beö SRit* tevö fo meit herabgeftimmt, bag er ben ©täbten, ben üon i()m fonft fo ocrachtctcn ^irämern, bie $anb ^um ^-öunbe rcid)t: fo liegt, befonber» roenn man in ber ®cfd)i^tc um etliche 3^1)^^ i)orau‘5blicft, bie ual)e, ob er, um feinen ^^lanen ben gcl)ö* rigeu 9tad)brud ju uerfchaffen, nidjt noch einen 0d)ritt mcitcr gegangen fei unb barauf gebucht h^ibe, aud) bie 33auerfchaft jur Söerbefferung ber öffentlichen ß^^ftünbe aufjubieten. ihui

ber ©ebnnfe nid)t fremb mar, ein länger fortgefe^ter SBiberftnnb ber äRadjthaber gegen bie fReform bürfte am (Jnbe einen Slufs

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9{eu l^arft^an§.

429

ruljr beö flcnicinen S3olfö ()crbcifü{)ren, ^aben tüir bereite gcfun= ben, unb fiub nomcutlid) in feiner fnU)ev erörterten (£ntfd)iilbi< fliingöfdjrift auf eine Stelle cjefto6en, bie eine SiJeiffaflung be$ iöauernfriegd ^ei§en tonnte*}. Db er mm aber ein folc^eö ©reignig nur befürchtet unb fein möglichecJ (Eintreten ben §err^ fchern aU iEBnrnuufl oorcjehalten, ober ob er gemeint getuefen, im oorfommenbeu galle fiel) beffelben ju feinen 3^*^ccten ju be* bienen unb jc^t fd)on eine S3erbrüberung nid)t blo6 ^mifdjen ?Ibel unb Stabten, fouberu and) jtuifchen beibeu unb ber '^auerfdjaft an^uba()uen, ift eine anbere grage. 9toch in ber gebuchten @nts fchulbigung!^fchrift oei-fid}ert Jütten, für ben gall, bag er miber 3fiecht mit thrannifcher ©emalt überfallen mürbe, folle man fehen, bag er nicht, mie man ihm Sd}ulb gebe, einen lofen, leichtfertig gen Raufen, fonberu ehrbare, reblidje unb tapfere iieutc an fich gehöugt h^be*). Db er unter bem lofen, leid)tfertigeu Raufen, mit bem er nid)tö ^u tl)un l)^*ben mill, bie '.Üauerfchaft oerftanben ober nid}t; ob er, menu er ihre '-bunbe^ägenoffeufchaft bamalö noch üerfd)inähte, in 3olge ber Srgebniffe beß mormfer 9ieid)ßtagß fid} ba^u bequemt h^be, aud) fie in ^nfprud) /^u nehmen: biefegragen hängen mit ber über feine ibc^iehuug 511 bem bcutfd}en (^3efpräd)e: 9teu Äarfthanß, jufammen, baß, ohne .^putten » ^Jtamen ,^u tragen, ihm bod) bon jeher üon manchen ^ugefdjriebeu morben ift.

gn feinem Xitel meift biefeo QJefpräd) auf ein früher unter bem Flamen Äarftljanß, gleidjfallß ohne Eingabe beö SSerfafferß, erfchieneneß jurücf, meldjeß eine 511 C33unfteu ßiither'ß gefchriebeue Satire auf Xhomaß ä)iurnet’ß Seithcibiguug beß ^apftthumß mar unb oielen Änflong gefunbeu h^tte. 3n bemfelben unters reben fich ^dJiercur, ein Stubent, iJuther unb Üarfthanß, biefer in ber Literatur jener gahre eine tqpifche gigur, bie reformluftige, bibel» aber aud) ht*nbfefte unb im 9iotl)falle ^um Xreinfd}lagen aufgelegte iöauerfdjuft oorftelleub, mit Ü)iurner, ber auf bem Xitelblatte neben feinen iüiitunterrcbnern mit einem Ataterfopfe abgebilbet ift. SBährenb man bei biefem frühem C^Jefprüche burch nichtß an^utten erinnert mirb, h^t bagegen ber neue Äarfthanß*)

1) S. oben, 8. 361 f.

2) SebrifUn II, 8. 144 f.

3) Ökiprrtb bied)Un iifUtt) ÄarflbonS. i^uttcn’8 Schritten IV, 8.649— 681.

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430 II. 8. j^apitel.

mit bcö JRittcr^ Slrt in ©cbanfcn unb SBortrag eine bemerfenS= mcrtljc ^ef)nlid)fcit.

2öie in ben meiften bcr neueren ©efpvöd^e ^uttcn’ö ift 5ron^ üon ©iefingen einer bcr Unterrebenben, bereit, mie im jmciten Söarner, außer i^m nur nod^ einer, nämlic^ Äarft^an5, ber isöauer, ift, mcld)cm gegenüber bie .*pQuptroüe, bie ber betet)- renben Stuctorität, bem Ütittcr ^ufäüt. Jütten tritt in biefem ®efpräd)e nic^t, mie in ber ÖuUe unb ben SRäubern, mitrebenb unb ^anbelnb auf; bafür meift aber ©iefingen für bie eigentlich gelehrten unter ben üöclel)rungen, bie er bem 33aueri^mann crtheilt, jebe^mal auf §utten, al^ auf bie OucUe berfelben l)in. 2)ie ^eit, in melcher ba^^efpräd) gehalten fein luill, ift ber Sommer 1521; benn biefen SEöinter, fagt barin Siefingen, höbe er mit §utten auf ber (Sbernburg ßuther')§ Sd)iiften getefen, unb ber ©aucri^mann münfeht ihm (^lücf ^u bem 33cfel)l unb ilricg^j^eug, moju ihn ber Äaifer uerorbnet l)obe: j\u bem guge gegen ben $er5og oon öouillon unb gegen granfreich aber, ber hier allein gemeint fein fann, mürbe grans, mie mir gcfcljen ho^cn, im3util521 befteUt.

®ie Situation ift bie, baß beriöaucr, inbein er bemfRittcr gebad)termaßcn (^lücf münfeht, oon biefem megen feinet „crnftifchen" Öuöfehenö berufen mirb; mooon er bie ^lacfercicn üon Seiten ber Pfaffen alö bie Urfadjc angibt. (Se ift ^unäd)ft bie alte Älage über bie fogenannten Senbgcridjte, bie and einem Organ bcr Ä‘irchcn5ud)t längft ju einer (^elbquelle für bie @ciftlid)cn gcmor= ben maren, mclchc biefe burdj aufgcftellte ?lngeber möglichft er* giebig j\u mad)en fud)ten. So mar Äarfthan^ megen einer perci erft im Senb angegeben, bann oon bem Official in ®elb- ftrafe genommen unb cnblich, mcil er auch ben ermäßigten betrag, auf mclchcn jener mit fich hotte honbctn laffen, nicht foglcich gaiii\ erlegen fonnte, in ben 33ann gethon morben. Sranj ücrs fpricht il)m fein gürmort beim 33ifchof, aber bcr ^aucr meint, menn einmal, mie er hoffe, jur 5lbrcd)nung mit ben Pfaffen fomme, merbe er bieß unb anbcrcö nicht oergeffen. „Jürmaht fehlet e^ allein baran", fc^t er hmju, „baß mir bcr Sachen einen ^auptmann hotten, fo.mürb' gehen.'' SBie alfo in ben 5Räu- bem ber fftittcr bem Stäbter bie $anb ;^um 8unbe gegen bie Söcbrücfungcn, houptfäd)lich ber ©eiftlichfeit, bietet, fo mirb hier oon Seiten ber löaucrfdjoft ein ritterlicher ^Inführer ^um itampfc

9{eu S^arft^onS.

431

flCQcn bie Pfaffen geforbert, unb ^tuar ift ipic fid) bolb ergibt, auf ©iefingen fctbft abgcfet)cn, t)on iüelc^cm, fagt Äarftljon^, fein unb feinc^gleid}en fefte ßanerfic^t fei, er merbe noc^ einmal „al^ ein ^au^)tmann il)rc (ber ^fa^cn) böfe ©tud Reifen ftrafen". (^anj mie e^ üicr 3al)re fpäter mirflid) fnm: mo, nadjbem 0idingcn bal)in mar, bie empörten dauern fein 9tac^bilb im kleinen unb ©roben, ®öp üon Scrlic^ingen , jur ^auptmann* fc^aft preßten.

3u biefem 5lnfinncn uerßält fid) bev ©idingen bcö ©cfpräc^ö junäc^ft au^mcic^enb. einem

§lufi*ut)r beö gemeinen Söolf^ fommen merbe, ift au^ feine Ueber* jeugung; aber, mie Jütten in feiner (£ntfd)ulbigung, fürchtet er biefen Srfolg unb fud)t ißn abjumenben, meil ber große |)aufe mit Unoernunft brein ^u fc^lagcn unb gegen ben Unf^ulbigcn mic gegen ben ©d^ulbigcn ,j^u mütßen pflege, ©o oft bal)er ber liöauer nac^itarft unb^4^flegcl ruft, um bamit ^ujufc^logen, mirb er oon Siefingen erft jum gcbulbigen Slbmartcti oenoiefen, bann, für ben gall, baß bod) ;^um 2)reinfcßlagen fommen foHte, er^ moßnt, nid)t au^ iitigennu^, 3^teib ober S^ac^begier, fonbern in c^riftlicßer 9Jteinung, um ©ottcö unb ber @ered)tigfeit miüen ju l)ans beln, ba nur bann ba^ ißorgeßen ißm mol)l erfd)ießen merbe. 2öa^ aber bie Hoffnung ber öaucrfc^aft betrifft, baß ©idingen felbft an il)re ©pi^e fic^ fteHen merbe, batauf antmortet er oorerft, bojjJ miffc er noc^ nic^t, unb l)abc bi^ ba^cr unferm $errn ©Ott befohlen, miemo^l er oiel UebeU burd^ bie ©eiftlic^en geübt merben feße. Söciter aber auf bie ©inmenbung be^ ^auerö, baß er fic^ ja an^eifc^ig gemacht b^be, fiut^er ju febirmen, mie er Jütten febon je(jt in feinen ©ebu^ genommen’ höbe, befennt ©idingen, baß er ßutber, beffen ©ebriften, fo meit er fie gclefen, er anberd nicht benn cbriftlicb unb mobl gefebrieben erfennc, falld ibm ©emalt unb Unred)t miberfübre, mit ^ülf unb $Ratb nicht uerloffen mürbe. Jütten holte er bei fid) ald feinen guten greunb, unb ber in feinen 9tötben 3oflucbt bei ihm gefuebt höbe; auch Oon ihm miffe er nicht anberö, aU baß er bi^bet bie lautere SGöabrbcit, auö ehrlichen Urfacben unb ju feinem großen perfön^ lieben ©ebaben, gefebrieben höbe; baber merbe er auch il)n, fo lange er bei ihm fei, nicht oergemaltigen laffen. ^)ocb auch über biefe 5)efcufioc l)ioouö erflärt ber ©idingen bcij ©efpröcb*^, ba

432

II. 8. I^Qpiiet.

er bic ber ©träfe für bie Uebe(t(}äter gefommen glaubt, fid) bereit, fallö (^ott aud) iljii 511 folc^cm ©efc^äfte brauchen tvoüc, fein (ijebüt ju erfüllen. er, noc^ ben (Erfahrungen beö

tuormfer Slcich^tagö, nod; immer bic Hoffnung äußert, Ä^aifcr Äarl merbe nicht länger päpftifd) fein unb bann felbft bie 9fteform in bic ^anb nehmen, ift freilid) anffallenb unb uom SSerfaffer aud) tüühl fchmcrlid) ernft gemeint. Unerachtet alfo eine auö= brüdlichc bcö StitteriS an ben ^auerämann in betreff ber

,5)anptmannfchaft fid) im (^e)präche nid)t finbet, fagt bod) i^arft* hanö (um üon ben angel)ängtcn ^rtifcln noch öbi^ufehen) in ben Steimen auf bem Xitclblatt, er fei „mit @beln (Eiui^ getoorben", nnb merbe feinerfeitö „mit §änben jugreifen; ein anbrer möge auch ^eftcö thun".

5lHc übrigen Sbecn beö ©cfpräch^ finbfo ganj §uttcnifch, baß fich bem ©inne nach ju allen, ju manchen auch ben Söortcn nach, ^araUelcn in ben un^meifclhaften ©(hriften ^utten’jS fin= ben. Unb ßc|tercd ift gcrabe bei folchen gbeen ber gall, bie me* niger allgemeine 3‘^*^‘^*U’<i}t^uungcn alö perfönlid)c iiicbling-Sgc* banfen unfreiS S^itterS bilben, ober biefem bod) befonber^ nahe lagen, ^ahin gehört ber Söibcrfprud) gegen bic oerbreitete 3)iei* nung, alö mären bie ^omftifter Slnftalten , bereu Erhaltung im Sntereffe beö ^ilbel^ liege, ^ier ift, maö im neuen Ä'arfthauiS gefagt mirb, faft Ueberfepung einer ©teile in ben iHäubern. ®ic ©rfchöpfung beö main^^er ©r^ftiftö burch ben höußgen Radien* lauf binnen SÜ^enfehengebenfen, bie ^faffenherrfchaft im granfen* lanbe, merben hier ebenfo mie im Sabiöcuö unb in ben IRäubcrn gerügt, unb babei beö @r;\bifchofö 2llbred)t mit bcrfclbcn fehonen* ben ^ödfid)t gebucht, mie mir fie fonft oon ©eiten $utten'^ ge* gen ihn beobachtet ßnben. ^ie öemunberung für 3i®^o wnb feine fcharfen 3)iaßregcln, um Böhmen oon ben faulen iKönd)cn ju fäubern unb oon ber römifchen Äncchtfchaft ^u befreien, fpricht fich hier ebenfo mie im ^meiten äöarncr au<J^). 5lber c^ fonnte auch ein anbercr, befonberö menn einer auö bem bama*

1) SJßl. 9lcu i^orfi^QnS §. 95 mit Praedones §. 109. 110. 114; 9leu i^or|i^an§ §. 96 mit VadiscuB §. 92 unb Praed. §. 178. 179; 9tcu Äorg» hnn§ §. 92 mit Monitor II, §. 24—27.

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Jttu Porfl^anS. 483

ligcn ebcrnburgcr toifc voax, biefc ©ebanfen ^uttcn'g ftd) ongc^ eignet ^aben.

6^ ift bereite ertüä^nt tnorben, bag ber (Sicfingen bc§ ®e= fVräd)ö n)iebed)oU auf Jütten, alö feine gelehrte Vluctoritöt, fich beruft. 2)ie §lrt, n)ic bic6 gcfchie^t, ift, fünftlcrifch betrachtet, QÜerliebft. 9tachbem ber S^tittcr bcn mähten 53cruf ber ©eiftlid)- feit, im ©egenfa^e gegen ihre bamalige SBermeltlidjung, mit großer !Öibelfeftigfeit and bcn ^aulinifchcn ^Briefen bargclcgt h^t, fällt Äarfthanö ein: „Snnfer, mid) munbert, mo il)r folch 3)ing ge? lernt höbt; i^ bin an euch nit gemohnt, bag il)t alfo grünblich pfleget au^ ber l)til- ©efehrifft ju reben."' SSorauf ihm granj erzählt, mie er ücrgangcnen Söinter mit §utten in ber IRegel nach ^ifcht ßuther'ö Bücher gelefcn unb über baö ©üangelium unb bie apoftolifchen Schriften fid) unterhalten höbe. @in anber? mal hötte ber ^Ritter non Zeremonien gcfprochen. ,,3unfer'', fragt ihn itarftl)anö barauf, „roaö feinb Zormoniuö?'' Söorauf ©idingen antmortet: „^ain^, Zeremonie, alö mid) Jütten bericht, heiSen äu6erlid)c ZJebärben" u. f. m. §(bcr aud) bie öuUe In coena Domini l)öt Jütten feinem (^jaftfreunbe ücrbcut)cht, unb maö ber $oct ^lautuö ^u bcn geizigen grauen fprid)t, höt lehtercr üon crftcrcm gehört. 3nbcffen auch biefeö IBcrhältnig mar ba? moU, fclbft über bcn ebernburger Ärei§ hiööuö, burd) gebrudte ©chriften |)uttcn'!g bcfamit, unb man tonnte fogar finben, bag Jütten fclbft meniger alö einem ^»ritten anftanb, feine gelehrte ?(uctorität über ben ©aftfreunb in fold)cr SBcifc httuoräuheben. ?luch bie ©emeiöführung auö Sibclftclien, bie, obmohl h^trin Jütten in ber lebten Zrtlcdlid)cö leiftete, hoch in biefem Zlejprächc noch um ein ZJutCiS breiter gerathen ift, mehr no^ bie patriftifche ZJclchrfamteit, bie cd cntmidelt, fd)cinen auf einen ber tl)cologifchcn ZJäftc hinj^umcifen, beren bamald Slquila, ©uccr, Dcfolampabiud unb 0chmcbel auf ber Zbernburg im oertrauten Umgänge mit bem !0urghcrrn unb feinem ritterlichen ©qftc fid) befanben. iööding'd Sermuthung auf bcn feingebilbeten Oefo? lampabiud ald 3^erfaffcr höt üiel für fich-

Sßon Sffeuem bietet fid) und l)irr eine Sßöhrnchmung bar, auf bie mir im ^öcrlaufc unferer ^arftellung fd)on öfter ge? ftofeen finb. 3n mo gro^e geiftige Strömungen alle

ZHicber unb Sd)id)tcn cined S3olted bemegen, mirb and) bie fd)dft?

Vn. 28

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434

II. 8. Ä(OiHel.

ftcflcrifd^c ^robuction t)crr)ältniSmä6i(^ c^cgcn fonft eine gemein* famc @abc, unb gibt feinen §omer, bem nid)t ^omeriben jur 0citc träten, bereu ©r^eugniffe ben {einigen j\um SSermcc^feln ö()nlic^ fef)cn.

?lbfid)tliclj l)abcn mir biöber ben ^Intjang iinfere^ ©efpräd^«, bie breißig 5frtifel nömlidj, „fo Runter ^clfcric^, 9lciter ^cinj nnb Äarft^anä mit fammt i()rcm ^2tnf)ang ()art unb feft jn f)alten gcfc^moren f)aben", uon bem Mrei^ un{rer. 53etrad)tung au$gc* fd)toffen. cinj^igen alten Sluögabc, bie mir

non bem neuen Äarftl)aim befifeen, bcmfelbcn ange^ängt ; boc^ fc^merlic^ in unmittelbarem ^uftimnien^ang mit bcmfclben ent* {tauben. ®enn nur ber Äarftljanö ber ^Irtifel finbet {ic^ aud) im üorangegangenen (De{prädjc; non bem 3^unfer |)elferid) aber unb bem S^lciter ^ein,^ mcife man nic^t, too {ie l)crfommen, nad^= bem bei bem @e{präc^e ber Sunfer granj, ein {Reiter aber gar nic^t, bctf)eiligt gemc{en mar. 2luc^ ber Xon ber 5lrtifel ift [)e{tigcr, milber aU ber im (^e{präc^. 3)em 3ul)altc nad^ aber gemahnen {ie ung bereite mie SSorläufer ber betannten ^mölf Vlrtifel ber !öauer{chaft Dom Saljre 1525, nur baß {ic {ich noch au{ baö gei{tliche Gebiet bc{d)ränfen. ^ie {ic jejunb

leben, {ollen nid)t mehr gciftliche iöäter, {onbern flei{chlichc {örüber heißen, il)r Jsöann mie bai^ Slnbla{en einer (SJanö gcad)tet, ber {Popft für ben ^ntid)rift, {eine Sarbinäle u. {. f. für beö Xeufel§ ^Ipoftel gehalten, ber ^of ^u {Rom bie {BorhÖüe genannt merben. ^ie {öerbünbeten mollen feinen Drbenäbruber mehr ind |>au§ taffen; jebem iöcttclmönd), ber ihnen abforbert, einen oier* pfünbigen ©tein nachmerfen; bie Officiäl ober ©enbpfaffen mit §unben au^hehen nnb mit Üoth bemerfen laffen ; alle ßurtifanen mie tolle §unbc achten, bie man fchlagcn, fangen, mürgen unb tobten barf. Sn^befonbre foU Jütten gegen fie gcfchü^t, aud) ßuther miber feine geinbe ücrtheibigt merben. ®cm geiftlichen Specht .uiib ben päpftlichen {Bullen mirb emige geinb{d)aft ge{d)moren ; ben {pebellcn, bie fotche überbringen, {ollen bie Chren obgc* fd)nittcn, unb menn fie mieberfommen, bie Slugen auögeftochcu merben. {5)ic geiertagc außer bem ©onntag fotlcn abgefdjafft, fein {Bilb mehr angebetet, bie {Beichte nach ßuther’^ Slnmeifung eingerichtet, fein {Pfarrer mehr gebulbet merben, ber nicht ^ur {prebigt beö ©uangeliumö befähigt unb ehrbaren ßeben^ ift, auch

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Äorfi^n§.

435

feinem mef)r aU @ine Pfarre, bic er fei b[t uerfelje, (jeftattet mer* ben. fc^möreu bie ^erbünbeten, in allen nürbcrflcmelbeten

^rtifeln Seib nnb ÖJut jufammenfefeen jn moUen , unb rufen (%tt ,^um fi^'’ eigene 0aclje, fonbern

bie göttliche 3Bal)il)eit nnb beö S^atcrlanbeö SSül)lfa()rt bc^meefen, unb ba§ alle«, maö fie tl)un, in einer cf)riftlicl)en, eljrbaren, guten 3}feinung gefc^e^c.

^od) mer and) immer getuefen fei, ber auf biefe SBcifc bie SJerbrüberung ^mifd)en bem Slbel unb ber ^auerfdjaft jur ^)nrd)fül)rung ber Äird)enüerbcfferung in Icj^te §(u!§fid)t nal)m unb burc^ bie ^erau^gabe ber fo eben betrad)teten beiben 0d^rift= ftücfe an^nbal)nen juckte: ber näd)fte S3erfuc^, ben 0ictingen machte, galt meber rein fird)lid)en ^

auf anbre aU biejenigen ^treitfräftc gerechnet, melc^e ber fRitter uon jef)er bei feinen gel)bcn auf^nbieten gemül)iit gemefen mar.

43G

ttcuntt$ iKapittl.

gniferttitttg

am penffi^raitb.

1522.

SRad^bcm fid) in golgc bcö Übeln ^Inö^an^ö, ben ber 3^9 ()egcn gvanfreid) genommen, gron^enö 5ßcr()ältni6 ^um Äaifcr getrübt tjattc, tnar er, raeit entfernt, feine ()od)fließenben ^lanc auf^ugeben, melmel)r bemül)t, ben Stügpnnft, ben er für biefelben fd)on üorljer innerijalb feinet eigenen ©tonbeiS gefunben l^atte, inöglic^ft 511 Derftärfen. gab il)in ber 9lbgang beö Äoiferö

nac^ Spanien im 2}?ai unb bie Sd^mäc^e beö üon bcmfelben ju- rüdgelaffenen fReidjöregimentö enuünfd)ten Spielraum. 5ni §lngnft ueranftaltete er eine ßi^f^nimentunft ber freien r^einif^en fRitter^ fd)aft 5U Sanbau, bei melc^er fid) bie @beln aus bem ihaic^gau unb bem SBeftric^, uom .^unbSrüd unb ber 9^al)e, auS bem Sflljein- gau, SöaSgau unb ber Drtenau ^at)lreic^ einfanben. ®ie ®e* müt^er mären uorbereitet, ba feiner mar, ber nid)t Urfad)e jii haben gemeint hütte, über ^arteilid)feit ober Saumfeligfeit beö iRcid}SregimentS unb ÄammergeridjtS, über S3eeinträd)tigung burcö benachbarte dürften ober 33ifd^öfe fich ju befchmeren; ba manche and) ber firchlichen Sfleuerung günftig unb mit ber Stellung un* jufrieben maren, melche ber le^te fRei^Stag 311 ber f eiben eingc= nommen ^0 mürbe am SD^ittmod) na^ St. Säurenden

Xag, ben 13. ^nguft 1522, bie Urfimbe eines „brüberlidjen SSer* ftänbniffeS" oon ben 2lnmefenben unterzeichnet, unb ben 2lb* mefenben ber 33eitritt mittelft einzufenbenber 9ieoerfe offen gehalten, beffen jnnächft bahin ging, bie fRitterfdjaft burch möglichfte

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Sidinßcn’S ^(ane.

437

9lb(cftnun(^ frcmbcr ÖJerirf)töbarfcit unobpntjifler machen. 9?id)t allein bic 0tvcitiötcltcn ^tnifc^cn ben ^^uiibeöncrtüanbten iiämlic^ foHtcn burrf) ritterlid)c ©cl)icbv'gcrid)tc, o^nc Weitere 5lppeflation, crlebiqt tuerben, foiibcrn and) uon 3lnflel)örißen anberer ©tanbe füllten bic ücrbnnbencn fRittcr nur üor 3^reö(^lcid)cn belauert luerben fönnen. 2öcr über ba‘3 ©rbicten folc^cm Sliiötrat^e Don feinem (Gegner, melc^eö ©tanbeö biefer fei, mit (bemalt bebrängt mürbe, bem füllte jeber ©enüffe ber S^erbrüberung ^ülflic^ fein gute 9Jiad)t l)abcn; bagegen bem, ber ben 5lu^trag abgefd)lagen, feiner l)clfcn bürfen. ^afe in gelben ^mifc^en jürften, ©rafen nnb Stabten Angehörige ber @inung auf entgegengefe^ten Seiten bienen, mugte man nidjt ^u t)inbern ; büch füllten fic einnnber möglid)ft fd)onen, unb fübalb bic j^ehbe beenbigt, einanber mieber laut be^J 33crftänbniffed mie ^uuor ucrpflichtet fein. ^!ie ®er« binbung mürbe auf fed)ö S^hte gefchlüffen, J^an,^ üon Siefingen ,Vim .f)auptmann gemählt, unb ihm nach ben üerfd)iebenen ^e= ,Vrfcn, in meld)en bie Sßerbünbeten faßen, j\mölf SBertrauenömänner ,Vigcorbnet *).

Schon ben Xag üorher, che bie Urfunbe ber lanbauer @innng auögefcrtigt mürbe, Siefingen mit ^ran^ üon Sombrief

einen Vertrag gcfchloffcn, il)m ctlidh fRcifige j^u merben unb ju führen; feine Schlöffer, befonberö (^bernburg unb £anbftul)l, hatte er neu befeftigt unb mit SJorräthen üerfchen; bic Stellung ab^ faifcrlicher ^'-'i^hauptmann unb ?Rath, bie er noch immer einnahm, unb bic 9)feinung, bic er, mo nid)t üeranlaßte, boeß gerne beftehen ließ, baß er in faiferlid)cm Aufträge miber granf* rcid) merbe, führten, neben feiner pcrfonlichcn Geltung alö Ärieg^= fül)rcr, halb ein zahlreichem $eer $fcrb unb zti uidcr feine j^ahnen.

granzenm ^meef h^i biefen Üfüftungen mar freilid) nicht blom, mie ber gute ^artmuth üon (^ronberg meinte, „bem SEBortc ÖJotteiS bic Xhürc öffnen"; fonbern in bem meniger fdpüars mcrifd)en Siefingen mirften perfön lieber ©h^Ü^'^Sf ritterlicher Staiu bemgeift unb frommer (Sifer für bie 9ieformation, bereu 3bcen er

1) 'Dicje unD ant»rc Urfunben, worauf bic C^rjä^Iunß be§ gegenwärtigm itapitcls beruht, finbet man, obwohl wenig correct, obgebrueft in (5. Wüni^’S t^ranj oon Sidingen, %anb II unb III.

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488

II. 9. ftayntel.

cinflcfogcn ^attc, rcd)t mcnfd)lid) burd)cinaiibcr. ©eine idituans fenbe ©tcüung jiU)ifc^cu rittcrlid)cm 53cfi^ imb bcinal)c für)’tlid)cr äJiad)t tüoHtc er fefter begrünben ; ju biefem @nbc mit $ütfc feiner ©tanbe-^m offen in bie fid) immer fefter fc^lie^enbe Äette beutfe^er gürftentl)ümer eine £üde bredjen; unb baju foüte i^ni bie reiigiöfc iUeuerung ebenfo ,§ebcl bienen, mic fie it)m anbrer^ feitd al^ begeifternber Äronc ber neu begrün-

benben Orbnung üorfc^mebte.

§icnad) mahlte er fic^ auc^ ben geinb, ben fein erfter 2ln*= griff treffen foüte, mit gutem 53cbad;te au^5. Söärc er perfön* lieber Erbitterung nac^gegangen, fo mod)te er fic^ moljl oor aÜen auf §effcn getoorfen ^oben, beffen Slbet unter bem ©d)u|jc bcö ßanbgrafen ben SSerpflic^tungen nad);^ufommen fic^ mcigertc, bie er bei ©idingen'ö Ueberfaü oor oicr Sagten gegen biefen übernommen ^atte. 5(bcr $f)ilipp juon Reffen mar ibm tl)cilö bnre^ fic^ fclbft, t^eilö burc^ feine Söerbinbnngen jn ftarf, unb mar, menn aud) bamalö nod) nid)t für bie ^Reformation entfc^ic- ben, bodj fein geiftlidjcr gürft, in me(d)cm Jürfteiu unb ^faffciu mac^t mit Einem ©erläge getroffen merben fonnten. 2tüe ©riinbe l)ingcgen, perfönlidbe mic föd)lid)c, fc^ienen auf ben Erjbifdjof unb Älurfüiften oon 5^rier ^u^utreffen. iRidjarb oon ÖJreiffcncIau*9SoI= ratf)^ mar jmar mit ©idingen burd; beffen oerftorbenc ^auöfrau ocrfd)mögcrt; boc^ ^atte fid) auf bem augeburger fReid)§tagc bcö 3al)rcö 1518 über ben gleichzeitigen Sclbzug ©idingcn’ö gegen Reffen feiner ber dürften fo fdiarf mie er auggcfprodjcn. fei ZU üid, maö granz fid) unterftel)e: erft bie ©täbte, bann bie dürften einen nad) bem anbern üorzuncI)mcn; bie Äbur^ unb gürften mögen bebenfen, moö barauö merben foüc; märe man il)m gefolgt, fo hätte man längft ernftlich gegen gtanz ge* hanbelt; er, fRicharb, fei ber erftc unb mol)l auch iiur-

fürft in feinem Ecfd)lccht, bie gebornen Äurfürften gehe bie ©och^ nod) nö()cr an. Eben ai§ gciftlid)er Äi'urfürft aber mar Slicharb cinciS ber ^äupter beö beutfehen Siird)enfürftenthumö, unb maö fein S3cr[)ältni6 z^*^ ^Reformation betrifft, fo mar oon ihm, nad) $artmutl)’ö Sluöbrud, „bem 9äJorte@ottcö bic2^h^rc nach mcnfd)= lichem Vermögen auf baö geftefte befd)loffcn". ©eine h^de, übrigens ftaatSmännifd) mic friegerifeh tüchtige 91atur mar für bie reformatorifd)cn Sbeen ohne Empfänglid)feit. SBcnn fein

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©ttfingcn’S Qcgen Srter.

439

9laci^bar in 3}2ain^ ein Sco X. im Älcincn mar, fo foUtc man fic^ burc^ 9^ic^arb nun Xricr baib an ben Äricflöfürftcn 3uliuö II. erinnert finben. 2)icfc @ic;enfcbaft bc^ crtnäijitcn geinbeö ^attc granj boc^ nic^t geböriß in Ülcdjnnng genommen; ober glaubte er, fic locrbc ?\um ediu^c bcffclben nidjt bini’cidjen, entmurjclt nnb uercinjclt, mic er i^n ju finben buffte. SSie gemobnlicb in bifd)öflid)en 0täbten, mar and) in 3;rier ein Xbcil ber Jöiirger^ fd)aft gegen ba^ geiftlicbe S^egiment ; eine Stimmung nnb Partei, bie jejt, in golge bc^ Sinbringenö ber Sutberifeben £ebren, noch uerftörft fein mußte. Son außen aber b^tte 0idingcn oon bem jmcibeutigen Sllbrecßt oon SOiain,^ feine SSerbinberung jn befiird)^ ten; fein (Gegner oon bem friebfertigen Soflegen ,^u i$öln, ^ermann oon Söicb, fdjmerlicb friegerifdje §ülfe ^n ermarten. iöei ^fal^ hoffte %xan^ bureb früßere ^erbienfte nod) etma<^ ju gelten, nnb biiS ^b^^^PP beranrüefte, mit Xvier fd)on fertig ju

fein. 3)en Äaifcr aber, außer feiner augenblidlicben ßanbeö^ abmefenbeit, glaubte er am menigften geneigt, fid) beö gürften, meld)er ber moblbc^aljltc Slgcnt nnb bt^rtnärfigfte Slnbänger feinest 9lebcnbublerö um bie beutfeße ilrone gemefen mar, merftbätig an^unebmen. 2Bar boeb im 9icid)c bie SUieinung oerbreitet, baß 0icfingen im gebeimen Sluftrage beö Äaifevö miber 2;vier ^icl)e.

?(uf ber anbern Seite ftanb aber bod) auch mand)ei8, mas^ ©idingen marnen fonnte. '2)aß er Oon SBittenberg auö feinerlei ^orfeßub, fonbern nur 5(blebnung ju ermarten b^^Pt, fonnte er miffen, ba man bort febon bamalö grunbfäblid) gegen ben Älrieg alö SÜ^ttcl jur ^)urd)fül)rung ber 9icformation mar. ßutber nnb SDfelancbtbon beflagten bernaeb Sidingcn’ö Treiben al^ ein fold)e^, ba^ ber guten ©acbe nur ^afi jumege bringen fönnc. ©elbft in feiner näcbften Umgebung fehlten ihm marnenbe Stimmen nid)t. SDiartin 33ucer, ber feit bem Ü)iai jeneö 3al)rcö, ber pfal^gräflid^en ^ienfte iiberbrüßig, ^u S*ranj ^nrndgefebrt mar, urtbeilte me^ nigftenä fpiiter, berfclbe b^iPc biefen Ärieg ^mar in befter ^bfid)t, boeb ohne rechten üöernf unternommen. Unb berfclbe SDMnn, beffen ^ilnfprnd)c an ben Statl) ^n SBorm» bem SfUttcr einft jum IBormanbe ber mcbriäbrigen gebbe gegen biefc Stabt gebient batten, nnb ber il)m je^t mit ber geber ^ienfte leiftete, ^^altbafar Sdjlör, marnte il)n in einer eigenen ^enffdbrift oor bem ^^uge gegen Xrier. Selbft menu er eroberte, meinte Sd)lör, mürbe

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11. 9. j^aptid.

er boc^ uidjt bemalten, fonbern ba§ Sfteie^ über il)n fommen, !üic über SUbredjt oon üöüiern luegeii Stegenöburg, über Ulrich uon SBürtemberg loegeu 9fleutlingen. 5luc^ fein ®utl)aben beim Äaifer (bad je^t mit ben ©olbrüefftänben, für melc^e ©iefingen eingetreten mar, 60,000 gl. betrug) feje er aufö ©piel. @r foHe einen anbern gegen Xrier (jcfeen; jebenfall^ nod) jnmarten, mie fic^ bie großen politifc^en SSer^ältniffe ^mifc^en bem Äaifer, bem Äönig non granfreic^ u. f. m. geftalten. Stuc^ feine Ätranflic^s feit (ber 41jä{)rige ©idingen mar fermer tmm ^obagra geplagt) unb be^ ^ftrologeii gol)ann ^agfnrt marnenbed ^rognoftifon für bie 3a^re 1522 unb 1523 möge er bebenfen.

2ülein bei ©idingen mar bie Unternehmung gegen ^ricr befd)loffene ©ache, aud) ber S3ormanb jiir Striegöerflörung mar bereite gefunben. @r mar ganj im 0)efd)inade beö bamaligcn gcl)bemefenö : üom ß^^iine gebrod)cn, um §önbel anfangen ^u fönnen. @in unruhiger 3)ienfch, bem ©idingen 2(ufenthalt gab, ©erharb 33örner, h^^Uc jmei ©^ulthei^en auö bem trierf^en (iJebiete gefangen unb meggefchleppt ; auf ihr Sitten, moju fie jo hoch nachh^i^ behaupteten ge^mungen morben ju fein, fdjlug fich gran^ inö SJUttel, erlegte bem Sörner für biefelben an ©(^ahung 5000 unb für 2l^ung 150 rheinifd)er ©ulben, loorauf er fie in greiheit fefete gegen boö übliche ©elöbnig, il)m entmeber auf eine beftimmte ßeit bie für fie aufgelegte ©umme ju bejahlcn, ober fid) mieber in feine |)anb ^u ftellen. ^eimgefehrt jeboch menbeten fich bie ©chnltheigcn, ohne fid) an baf er^mungenc Serfprechen gebnnben ju ad)ten, an baf fKeidjf regiment ju^türns berg, unb auf ©idingen’f Sefchmerbe erflärte ber ilnrfürft üon Xrier, bem ©pruche bef fftegimentf nicht oorgreifen jii mollcn. ^af h^Uf^ ©iefingen nicht blof üorauffehen fönnen, fonbern mahr« fcheinlich gemünfd)t, um einen Sormanb jur gehbe ju melche er, fobalb er fich hinlänglich gerüftet gloubte, am SÖiittmod) nad) Sartholomäi bem iturfürften anfünbigte.

2)er @rfte, an ben ber bebrohte Äird)enfürft fid) nm Sei^ ftanb manbte, mar fein 9(tad)bar unb ©oUege oon 9Jiainj, ben er, ber ^mifchen ihnen bcftel)enben (Sinung gemäg, um 100 mol)lgcs rüfteter Sferbe bat, um fold)em muthmilligcn gürnehmen äöiber« ftanb tl)un §u fönnen. Allein Äurfürft 3llbrecht bebauerte j^mar, bag feiner Sieb etmaf Sefd)merlichef juftchen foUte: aber feine

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(Sidingfn’S ^clbjug gegen girier.

441

Sflcifigcu brauchte er, tuic er fc^rieb , tf)eilö für ben fcljU)äbifc()cn isöunb, tbcilö 5um frantfurtcr^erbftmefegclcite; uon jeiucn 2cbu!3= (eilten, bie er fofort aufbot, crfc^icncn ftatt 200 nur 20, unb biefe ineicjerten fic^, fo berichtete er, jemanb 3(nbercm alö i()in 5U bienen; /^ule^t nioQtc er ©ölbner inerben, bie tuaren aber, fchrieb er, „in Wahrheit ber betommen". @nb(ich,

auch Dom IRcichöregiment an feine Pflicht gemahnt, erbot fid) 3llbrecht, 200 9)iann gu§, unb bann aud) bie bem fdjioäbifchcn iöunbe 5ur iöerfügung geftellten fRciter bem S^lachbar ^yijichcn ^u (affen: ba^ mar aber fo fpät, bag ihm Äurfürft 9licharb ^uriicf= fchrieb, er höbe fich mittlermeilc bcjä geinbeö fe(bft ermchrt, unb ^[tbrecht möge mit feiner §ü(fe ^u §aufe bleiben, ^od) nicht bioö feinet SBciftanbcö hotte fid) crftcrer oou bem Ichtern 511 gcs tröften, fonbern bie gö()ren bcö Sthcmflouö führten 9J^inu uiib 9^o6 über, meld)e ©icfiugeu’ö gahneu j^ujogen; Unterthouen uub Schulträger Don SÜtaiu^ bienten bem iRitter ^egen Xricr; ja uon §((brcd)t'ö uornehmfteu 33eamteu thoten ber ^ofmeiftcr gromin uon Jütten unb ber SRarfchalf Ä'aöpar Serd), mie aud) ein^etne 5)onu herren, bem Unternehmen ©iefingeu’^ allen S3orfd)ub.

3mar erlieg nun auf Üiicharb’ö Slnrufen baö 9lcid)!5regimeut ,Vi 5Rürubcrg unter bem 1. ©eptember ein SD^aubat au Sicfiugeu, in melchem biefer unter §(ubrohung bereicht, unb überbieg einer ^ön uon 2000 9Rarf lötgig^ ©olbcö, aufgeforbert mürbe, fein ©ernerb gegen Xricr, aU ber golbenen iöuUe unb bem Sanbfrieben jumiber, uon ©tunb an abjuftcücu: allein alö biefeö 3)^anbat cinlief, mar Siefingen bereite in baö furfürftlid)c Gebiet cingc= fallen, hotte isölicöcaftel genommen unb lagerte uor 0t. SEBcnbcl. @r hotte eine ^lufprache au feine Gruppen unb SJerbünbeteu auö- gehen (offen, in melcher er erflärte, mie biefer fein ßug uid)t feine i8ercid)crung au (iJut ober Üütacht, bereu er für einen @bcln uorhin genug befipe, fonberu ©ottc^ ($hi^c ?^um 3mccf höbe, fofern miber bie geiube be3 ©uaugeliunm, bie 33ifd^öfc unb ^foffen, gehe. 2)aju, hotte er gemeint, foDten d)riftlid)e gürften il)m helfen; ftatt beffen aber jiegeu fic fid) ab. ®od) ®ott merbe fein unb ber 0ciuigen Reifer fein unb ihnen cutmeber feligcu Xob für fein ©uaugelium ober herrlichen 0ieg ucrlei()cn. Um fid) jeboch beffen mürbig j^u mad)eu, müffen fic ctlich ^üultlcin merlen, bie er mclbeii mode; fie feien ou^ ber @cfd)rift gcjogeu.

442

II. 9. j^o|)iieI.

Unb mm ipirb mcnfcl)lic^cr Äried^fü^rung , jur ©c^onunti bcr Unfdjulbincn in eroberten ©täbten nnb auf bem platten Sanbe ermähnt, uor unnngem ©engen unb trennen, ®erl)ccren ber gelber, 5(bbauen ber 23änmc unb fHeben geroarnt, beffen fic^ gran,^ bei früf)ern Sügen nicl)t immer entbalten l)atte, unb alle biefc @nnal)nungen mit SBeifpielcn belegt, mcldje, im ä^ten naiffanceftil, bunt burc^einanber auö ber biblifcften unb bcr rö- mifdjen @efd)id)tc genommen finb, fo bag, äl)nlid) mic am Dttbcim ridj^bau auf bem geibelberger ©c^loffe, gofua neben |)oratiuö ®oclc§ unb ^aoib neben Xituö ^u ftegen fommt.

(Stmaö meniger ^agm nnb gottfelig alä in biefem 2)^anifcft, in meld)em ber ehemalige granci^caner §einrid) oon Äcttcnbac^, jept ein begeiftertcr §erolb ber ^Reformation, bic geber für ign geführt hatte, fprad^ fich granj üblich gegen bic ©enbboten beö 9leid)öregimcntö auö. ,,©ag bem ©tatthaltcr", fprach er ju bem Ueberbringer beö ©chreibenö, „bag er gemad) thnc; eS gehört mehr beim ©rief ba^ii.'^ Uebrigcn^3 fei er beö ÄaiferiJ Wiener fo gilt U)ie bie §erren imfRegiment; nicht gegen biefen moUc er hanbcln, fonbern mir gegen ben (Srjbifchof oon Xrier, unb ba luiffe er fürmahr, fein §err berÄ'aifer merbe nidjt jürnen, ob er ben Pfaffen ein menig ftrafet unb ihm bic ftronen eintrönfet, bic er (oomÄönig oon grau freid) oor bcr Äaifenoahl) genommen, ©ein lücitereö 5(bfehcn gehe baranf, ein beffereö Sflccht in S)eutfch= lanb jii mad)cn, al^ baö ^tegiment bisher gctt)an; gelinge igm fein S^orhaben, fo loerbe bcr Äaifcr bei feiner ßurücffnnft mehr £anb unb (SJelb (burd) ©injichnng bcr gciftlichcn @nter oermuth' lid)) im fRcidje pnben, alä er jeht auömärt^ ju geminnen fuchc. 9Ba$ aber bic 9lufforbcrung betreffe, feinen ^anbcl bcmÄammcr- gcrid)t 511 übcrlaffen, fo h^ibe er ein ©cricht um fich, baä mit fReifigcn befeht fei unb mit 33üchfen unb ^arthannen biftinguirc.

^2(nd) auf gran^en^ ©chaaren, an loclchc ähnliche Slbmah' nnngen oon ©eiten be^ iRegimentö ergingen, machten biefc menig ©inbrnef, unb fo gel, nad) miebcrholtcr 33cftürmung, auch ©t. 2Bcn^ bei burd) Ucbcrgabc in bic §änbc bcö ©iegerö. ®a§ ©lücf löftc biefem bie über feine ^Ibfichten: „3h^ feib gefangen", foH

er ^n ben SbcUcuten, bie ©t. SSenbcl ocrtl)cibigt hotten, gcfprochcn haben, „eure $ferb unb ^arnifd) ocrlorcn. 3l)i^ hoöt aber einen Äurfürften, bcr fann unb mag euch, too er auberig bleibt, voohl

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©itfinßcn öor Jrier.

443

bc^o^lcn; luo aber 3ran<^ ein ^^iirfürft ,^11 ^ricr tnirb -- alö er toobl tbun fönntc, and) tf)un tuiU, unb nid)t allein bieft, alö baö (^crinc^ft, fonbern ein SÜie^rereö |o roirb eud) bei* and) n)ol)l erflehen."

2)a ©idingen, o()ne fid) üor ©aarbrüd, baö er nad)- brüdtic^cr SJertbeibignng gefaßt fal), n)eiter aufjul)alten, geraben Sßcgd gegen Xrier j\og, fo njarf fid) ber Äurfiirft, ber biö baßin üon ^fali^cl unb Sßrenbrcitftcin auö ^ülßogcfucße nadj allen ©eiten gcrid)tet unb bereite aueß non Reffen nnb fPfalj tröftlid)c ßufießerungen crßalten ßatte, in feine ^auptftabt, um biefc in Sßertßcibigungöftanb ^u fefecn nnb gegen ben anftürmenben geinb fo lange ^u ßoltcn, biö üon ©eiten ber oerbünbeten jü^ften (SntfaJ ßeranfämc. Unb ßiebei entmidcltc fRicßarb oon ©reiffen* clau eine !ricgerifd)e Xüd)tigfeit, bic nur eben für einen iöifd)of nießt red)t paßte, ^nf bem SJ^arftc ßielt er 9Jhiftcrung über feine Ärieg^macßt, bie er, fammt ber iöürgerfd)aft, bnrd) eine §lnrebc befeuerte; er fclbft ging auf 9Jkuern unb Xßünncn um= ßer, um ©cßabßafteö au^beffern, .§inberlid)c^ megräumen ^u laffen; in feinem SBammö Oon ©Icnoßant, unter feinen Üiittern unb ©ölbnern, fanb er fieß gan,^ in feinem (Elemente, unb alö er beim ^Inrüden be^ gefüllte 5lloftcrfd)cune oor ber ©tabt

cigcnßänbig in 53ranb fteden toollte, mußte ein ©olbat, inbem er ißm bic gadcl auö ber |)anb naßm, ißn aufmerffam maeßen, baß folcßeö SSerf ißm beffer al^ bem @rj\bifd)of gezieme.

loar am 3)?ittag bc^5 gefte^i oon 2Jiariä ©eburt (8. ©cp^ tember), alö ©idingen mit feinen ©d)aaren unter XrommeU unb XrompctenfdjaCl ben äJ^ariSberg ßcrunter/\og unb fid) imXßalc oor ber ©tabt lagerte, ^ie erfeßredte 5^ürgcrfd)aft glaubte fd)on alleö oerlorcn. 5lbcr ber (Srjbifcßof gab ben ^loei fReitern, burd) tocld)e ißn ©idingen ^ur Uebergabe aufforbern ließ, bic entfdjloffcnc Slnüüort, toenn ^rnnj etmaö oon ißm moHe, fo toerbe er ißn ßier, in ber ©tabt, finben. 3cpt ließ ©idingen bie ©tabt bc- feßießen: bic belagerten fielen auä unb oernageltcn ißm ctlidjc @efd)üpc; er feßoß glüßenbe Ringeln unb außerbem briefe in bie ©tabt, um Uneinigfeit in berfclben 511 ftiften: aber bic Äliigßeit unb geftigfeit be^ ©r^bifeßofö mußte allcö nicber.yißattcn. Vlbgc= fanbte bes^ Äurfürften Oon ilöln fueßten oergeben^ j^n oermitteln ; bie 200,000 GJülbgulben, bic gran^ alö 'ißrciö beö vHbjugö for=

444

II. ®U(^. 9. Äa^itcl.

bcrtc, meinte 9iid)arb, moHe üietmetjr er fid) non @nt*

fd)äbiiviit(i ^ülen. ^2(uf ber nnbevn ©eite fdjmärmtcu bic ©icfiiu (^ifd)eu für i^ren giU)rer. Sei jenem 5(iii§faII f)atten bie non Xrier einen feiner ©olbaten meggefnnc^en iinb fdjleppten i()it in bie ©tabt. ‘Da rief er er moUc lieber fterben mit granjeuö, feineö .g)crrn, @nab nnb (^unft, al^ am Seben bleiben, um bem 3üd)e ber Driercr fic^ fü{jen; moraiif ber Umfte^enben einer fluflö baö ©d}mcrt ^og unb il)in ben S^opf ab^icb. ©o feljlte im ©idingifd)en Säger an Segeifterung nic^t, aber nach fünf ©türmen, tiner immer mörberifd)er al^ ber anbere, an S^Itjer. ?lud) blieb ber S^anj ertuartet ^attc, and, mä^renb

für S^idjarb ber @ntfa^ l)crannal)tc, 1500 SUiann, bie ^tifolauö üon Üliincfmip gran^ auö bem Sraunfd)tDeigifd)cn 5ufül)ren foÜte, maren biird) S^)Ütpp uon Reffen abgefd)nitten mürben, nnb bieg gatte and) anbere, bie igm ftogen moUten, abgefegredt. ©o l)üb er an Äreu/\erl)öl)ung (14. ©ept.) bie Selagerung auf unb trat in guter Drbnung ben 9iüd5ug au; mobei grunbföglid), in 9tad)agmung Älöftcr unb Äirdjen, aber aud), mie menig^

ftenö bie befegäbigten gürften begaupteten, im SBiberfprucg mit feinem legten SO^anifeft, Dörfer unb §ütten niebergebrannt mürben.

SBcnn mir bie gan^e (^efcgid)te uon ©icfingcn’s> uergeblicgem 3uge gegen Dricr er,^äglt unb babei $utten'^ mit feinem SJorte gebaegt gaben, fo ift bieg genau fo uiel, aU mir au-S biefer Qcit uon unferm gelben miffen. feglt uns« jebe 9ftad;ricgt, ob er ben greunb inö J^elb begleitet, ob er mit §artmutg uon Sron= berg juiii ©cguge ber (^bernburg ^urüdgeblieben , ober fonft in einem Uon jran^enö |)äufern, uielleicgt aud) bureg Äranfgcit bc* giubert, fieg aufgegalten gäbe. Deffeuuugead)tct mar ein Seriegt über ben trierer^ug gier erforberlid), meil, mie ber beffel- beu oguc smifd)en beiben ^Rittern gemeiufd)aftlicg mar,

fo fein ^linjgang über §utteu'iJ ©ntmürfe unb ©cgidfale niegt niinber aU über bie feiueö SefegügeriJ entfegieben gat. ©d)on jegt mürbe .gutten mand)cr Crten tobt gejagt: uermutglicg meil er fo gau,^ uom ©cgauplage uerfd)munben mar. Der egrlicgc Seit SBerler ju S3iefenfteig gatte bauon in feiner (^egenb fo oft unb beftimmt reben gören, bag er beimige glauben mugte unb bem magrgaft ebcln 3ünglingc, bem grogen Dalentc, einen

I

Stdtngen unb Jütten. 445

fc^öncn S^QC^ruf tpibmctc ^). tuar nod^ um brct SSicrtcljabrc JU frü^c.

S(6er aug bem ®atcrlaube ^u meieren, faiib fid^ $uttcn jc^t bemogen. 2)ie SBerbannung, bie er längft für fic^ uorou^gefe^cn, trat er nun mirflic^ an. ift eine ©ntftellung, bie ber erftc auf bie Ser^ältniffe miberlegt, tnenn ©ra^muö bct)auptct, ©iefingen ^abe feinen biöt)erigen ©c^ügling meggefc^iett, um fietj nic^t feinetmegen bem §affe aiiöjufe^en. ^ac^ bem trierer ßuge mar §utten’d 33e^erbergung baö ©cringftc, mag S^^nj jur ßaft fiel, unb er mußte fet)r gut, baß burd) ©ntlaffung beffelben nießt me^r ju Reifen mar. @in Vertrauter üon ^utten’g lebten 3aß^ reu, Otto Vrunfelg, beruft fic^ auf bag überlebenbcn

©ö^ne ©icfingen'g, baß i^r Vater feine ©efinnung gegen Jütten niemals geänbert ßabe, unb ^einrid^ 0d)mebel, ber ©oßn eineg ber Vi^'^bigcr, bie auf granjeng Vurgen ßuflucbt gefunben, erjö^lt alg bie uerbünbeten gürften fid) gegen it)n in Vemegung gefegt, unb cg fid) jur Velagerung ßanbftid)lg angelaffen, ^abe ber SRitter biejenigen, bie il)m treuer maren , nid)t mit in bie ©efa^r ßinein^ict)en mollen, fonbern bie ^um SBaffenbienftc minber ^aug* lid)en (unter meld)c, feiner üon 9^euem auggebrod)cnen Äranf^eit megen, bamalg aud) §utten gehörte) freunblicß enttaffen^). 2)a* mit ftimmt eg, baß aud) Iiüiartin Vncer im 9buember jeneg 3aß= reg, um ben friegerifd)en ©törungen 511 entgegen, ©idingeirg Vurgen uerließ unb ein Vi^^^^ötamt in VJeißenburg annaf)m.

gür ben ^^(ugenblid ;^mar, nad) granjeng S^^üd^ug aug bem !Jrierfd)en, fanben bie uerbünbeten gürften non Xrier, unb Reffen nod) nid)t für gut, i()ii felbft anjugreifen ; fonbern mä()renb beg ^erbfteg unb Si^interg nahmen fie an feinen geifern unb Vermanbten 9tad)c: eroberten Sronberg, trieben gromin oon .'putten uon feinen Öiütern, büßten ben Älnrfürftcn oon 9Jiainä um 25,000, granjeng ©d)ioager, griebrid) oon glergßeim, nm 1000 ÖJuIben u. f. f. 2)aß aber ein ^auptangriff auf ©iefingeu beoorftanb, mar ooraug^ufel)en , unb biefer fud)te fid) für ben»

1) 9Bie|cnftei0, 8. Cct. 1522. I^uttcn’8 Sfbnftcn II, ®. 149 f.

2) 6rQ§mu§, Sponj^ia etc. in ^utten’5 8(^nftcn II, ©. 270, §. 36.

^runfflS Resp. ad Sponp. ebenbaj. S. 328 f. i^cinr. an 5Reinb‘irtJ

üon 8idin0cn, ebenboj. 8. 472 f.

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446

II. 8ud(|. 9. ftapitel.

fclOcn buvd^ ^otfd^aften unb ©riefe, bie er an 9titter nnb ©täbte, biö nad) ©üf)men l)incin auf ber einen, unb biö in bie 0d)tpeij auf ber anbern 0eite frf)icfte, ju uerftärfen.

Um biefe ßeit mag gemefen fein, bag Jütten, mic Otto ©ruiifet^ berid)tct, üon bem Äönige 5ran5 üon granfreie^ bie ISinlobung erhielt, mit einem 3a()rgcl}alte üon 400 ihonen unb freier beö Äufcnt()alt^ortcö, alö fRatl) in feine ®ienfte ju treten. ®ie Verfolgung, ber Jütten in ^cutfc^lonb au^gefe^t mar, mürbe einen fold^cn 0djritt cntfc^ulbigt ^aben: aber er moütc !einc unbeutfe^en ^ienftc nehmen unb fc^lug ba§ tlncr* bieten au)S’)-

333ann Jütten fid^ üon ben ©urgen feinet ©efe^üferg unb auö 2)e«tfd)lanb übcrf)aupt entfernt, mcld)en Söcg er genommen ^abe, mer ctma feine ©eglcitcr gemefen, barüber fet)tcn un§ auö- brücflidje 9^ac^ric^tcn. SBir miffen nur, auö bem Saturn feiner @rma^nung an SSormö (27. Sidi), baß er gegen @nbe Suli noc^ auf Sanbftu^l mar; miffen ferner, bag im 9^oücmber ©ucer unb Ocfolampabiu^ bie ©urgen ©icfingcn'v ücrliefecn unb fic^, ber eine nadj SBeigenburg , ber anbere nac^ ©afcl, begaben; miffen augerbem, bag Jütten, ct)e er nac^ ©afel fam, fic^ einige 3^^^ in ®d)lettftabt auf^ielt, mo il;m ©efannte @clb üorftreeften ; miffen cnblid), baß gegen @nbe Sftoüember §uttcn unb Ocfolampabiu^, mie auc^ ber üertriebenc $artmut^ üon Sronberg, in ©afel maren*), bie alfo möglid^ermeife bie Veifc, menigftem^ ^um Xb^il» mit= einanber gemacht ^aben lönnten. §uttcn fud)te in ©afel, mo er in ber Verberge jur ©lume motjnte unb bi« jum 5^üf)ling ju bleiben gehackte, 0id)er^cit unb ?Ruf)e: ©ic^erl)eit, bie er in 2)eutfc^lanb nic^t mel)r fanb, feit bie feftc SBanb, an bie er fic^ geleljnt l)atte, 5^anj üon <$icfingcn, manfte; 9lu^e, bereu er jur ©flege feiner @efunbl)cit bringenb beburfte. Xenn feine SJranf* ^cit mar üon Steuern aui^gcbroc^en , unb ber gefc^mäc^te Äörper ^attc nicht mehr üiel SDUttel übrig, ihr Söibcrftanb ju leiften. ©eine Sicherheit aber mar jept nicht mehr bloö burch bie 9^öm* linge, fonbern ebenfo burch bie bebroht, bie in ihm eined

1) Resp. ad Sponj?., q. a. 0. 340.

2) 6ra3niu3 an ^danc^tbon, 6. Sept. 1524; i^uttcn’3 Schriften II,

8. 414. ßlarean an 28. 9!od. 1522, ebenbaf. 6. 153.

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I^utten in %afe(.

447

bcr t^ätigftcn 5Kitglicber bei* ritterlichen ©chilberhebung gegen ihre Uebermacht uerfolgten. 2)al)er bat er (^uni Ueberfluß, tuie e^ manchen fchien) ben 9lath üon iöafel um feinen <Schu|j, ber ihm auch jugefagt mürbe. 3Jkn bot ihm ein ©aftgefchenf uon (Seiten ber Stabt; bie 3}iagiftratöpcrfonen machten ihm isöefuche; Seilte aller Stänbe famen, il)n ^u fehen; an ©inlabungen unb 3Jial)liieiten fehlte e^ nidjt. 2)och gerabe bem ÜJianne mar ^utten’iS Aufenthalt in iöafel uuertpünfeht, ber für il)n ber michtigfte am Orte mar: bem @raömu^‘).

1) iöafll. ?lmcrbQd() on 33oui|aj 6. 3K»n. 1623, ^^utten’S Schriften II, 6. 156. ©iQTfQn an 2)crjdbc an ^^abian, 18. 3an. 1523,

Ilutteni Opp. Siipplem. II, 813. ®ßl. ^uttcn’ä Expostulatio cum Flrasmo, ©(^riften II, ©. 184 f.

448

BttfnUs ^Kapitel.

$treif mit Sra$mtt$.

1522. 1523.

©ragmuS unb beö Sßcrbaltniffc^, in tncld^cm ^uttcn ju i^m ftanb, l)abcn tnir im crften X^eilc unfcrcr ©rjö^lung micbcrbolt (jcbcnfcn müffen. tuar bamalö uon Seiten §uttcn^^ ba^ ber reinen SJcve()runö unb 53cmunberuni] beö älteren SReifterö unb ^^orbitbciS; Hon ©eiten be§ ©ra^nmö baö beö 2Bol)lgefanen3 an einem bec^abten jünger, gegen beffen §ulbigungcn ber SJieiftcr nic^t unemppnblic^ ift, beffen Traufen unb Ueberfdjäumen er mit feiner Sugenb, in ®rmartung fünftiger ßäuterung, entfd)ulbigt; ®cr ©egenfa^ ber Staturen mar burd^ bie ©emeinfamfeit be^ l)umaniftifcben ©tanbpunftcö fc^einbar au^gegli^en: fobalb ber eine uon beiben biefen üerlie§, mö^renb ber onbere auf bemfelben oerbarrte, fo mußte aud) ber S53iberftreit ber Staturen ^^um Sor* fdjcin fommen. 91un mar aber Jütten mäbrenb ber lebten Sa^rc aus bem §umaniften immer me!)t jum ^Reformer gemorben, mäb= renb ©raSmuS ^umanift blieb : unmöglich fonnte i^m biefer fortan in bemfelben Sichte mie früher erf^einen; an bem ftrah» lenben Sorbilbc feiner Sugenb mußten ihm jeht mancherlei glecfen bemerflich merben.

®or allem höben mir unS hi^i^/ ber benfmürbigC ©treit jmifchen beiben SRännem ju entmicfeln ift mit ber ganzen ^rößc unb gefchichtlichen ©ebeutung beS ©raSmuS ^^u burchbringen. @S ift leidjt gefagt, ihn in ®ergleid)ung mit Suther feid)t unb fchmach, im SSerhältniß p Jütten fogar feig unb jmeibeutig ^u pnben. 5)aS maren bie beiben Präger ber gejchichtlichen SRacht, bie ihn ob»

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@raSmu§.

449

löftc: in SScrgleic^uiifl mit biefcr ober, fo lang eine @efd)id)t^^ pciiobc im 5(uffteigcn begriffen ift, erfdjeint ber Vorgänger regele müfeig im ■Jtadjt^eilc. 3^m geredjt ju merben, müffenmir rüdmärtö bilden, il)n mit bemjenigen üerglei^en, morauf er fugte, ma» er meiterbilbete , in fic^ jufammenfagte. 2)a fc^en mir benn in ©raemud ben lebenbigen Inbegriff faft aUeö beffen, mo^, in golge ber Söieberermedung bej^ 0tubium^ ber SUten, bic ÖJeifter ber Qbenblänbifc^en S^lationen feit me^r alä l)unbert galjren errungen Rotten. @2i maren bieg nic^t blos^ 0prad)lenntniffc, nic!^t blo^ iöilbung beö 0til^, be^ (iJefc^madd: fonbern bamit Ijatte bie gan^e dJeiftci^form einen freieren Söurf, einen feineren 0trid) befommen. 3n biefem umfaffenben Sinne fann man fögen, bag Sraömuö ber gebilbetfte äJiann feiner ßcit mar.

gugleic^ uerftanb er feine Qcit, fanntc il)re ^ebürfniffe, unb fam benfelben burd) feine Schriften nadj ben üerfdjicbenften ©eiten biii entgegen, ©eine fritifi^cn ^iiögaben üon (Elaffifern unb Äir^enuätern, feine iölumenlefen non ©prüc^mörtern, (yieid):= niffen unb ©enteilten, feine Ueberfejungen aus bem ©riec^ifc^en, feine ^ilnmeifungen ium ©tubium überhaupt, 5ur mal)ren Xl)eologie, ^um richtigen unb eleganten Sprechen unb Schreiben bcö iiatei? nifc^en, morin feine 5al)lreic^en 53riefe praftifc^e 3Jhifter ma= ren, famen ^ur rechten Seit unb mirften in ben meiteften Äreifcn. ©eine griec^ifc^dateinifc^e Sluögabe beö 9teuen 3^cftamcntö, bic erfte gebrudte bcö gricd)ifd)cn ÖJrunbtciteö, crfdjicn, bem ^apfte £co X. ^^ugecignet, ein Sa^rüarbem Slnfangöjaljrc ber fonnation. ©eine ^arapbrafen ju ben ncutcftamentlicben ©d)riftcn folgten ; mobei il)n be^cid)net, bag er bie jur ^pofalppfc febuU big blieb, ©o menig er aber, mic febon frül)cr bemerft, SÄijfti? febeö in feiner 3^tatur fo fcbltc il)m barum ber ©inn für

praltifcbc ^Religion, fclbft für fittlicbc 5lfcefe fcineiämeg^: mic feine Untermeifung eine^ djriftlidjen ©trcitcrö, feine ©djriften über baiJ ÖJebet, ben cbriftli^en ©b'^flQ*'^ i*- Uebcrall bringt

er in ber fRcligion auf ba^ gnncre, bic ©cfinnung unb 33cbeu= tung, obne mclcbc ibm baö ^engere, bic fircblidje Zeremonie, feinen SBertl) b^t. @r uerfpottet ben Slbcrglcrubcn beö S^olterä, bie Unmiffenbeit unb iüarbarci ber ÖJciftlid)cn , inöbefonbere ber iüiöncbc, ben ^bermib ber ©djolaftif, flogt über bie ^^^ladercicn

VII. * 29

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II. ^ud^. 10. I^apitet.

ber gaftengeOotc unb tragt felbft gegen bie ^errfdb» unb ^abfud)t bcö römifd)en §ofeö manc^ freiet SBort.

3UIe SBelt, bie ganje menfc^Uc^e ©efellfc^aft, untertoirft er in feinem fiob ber 9tarvl)eit einer ironifc^en SO^ufterung. |>icr tritt im ÖJefc^maefe jener 3^^» freilich nid)t mef)r ber unfrige ift, bie perfonificirte Xt)ort)eit rebenb auf, rübmt i^re SJer^ bienfte um bie 9J^enfd)t)eit unb lobt, inbem fie bie ocrfc^icbencn 0tänbc nac^ ber fRcil)e burcbgel)t, an beu einzelnen gerabe bai$, toaö an benfelben alö S^erfel)rtt)eit j^u rügen ift ; mobei fie freilich oft genug auö ber fRoIlc unb auö bem uerftellten 2ob in birecten $abel fäüt. 2)ie ©^rift ift bei fiebjeiten il)reö SBcrfaffer^ min^ beftenö 27mal aufgelegt toorben.

Äaum minbern Beifall erhielten feine S3crtrauten ©efpräc^e, bie, au§ einer Einleitung lateinifc^en (^onoerfation , in ben fpdtern Eliu^gaben ^u einer 0ammlung oon Unterl)altungen tour^ ben, in benen ©raömnö halb 0ittcn ober Unfitten feiner fdjilberte, halb feine Elnfic^ten über mic^tige fragen ber Sebent tuei^beit ober ber fHeligion nieberlcgte. ®ie Eingabe be)8 3nbalt^ oon einigen biefer ©efprädjc toirb bie ^)enfart unb 0teHung be^ (Sraömuö am beften bcutlid) macben. 3n bem ©efpräc^: 5)ie Seid)e, toerben jtoei 0terbenbe gefd)ilbert. 3)er eine, ein getoefe* ner Äriegömann, ber Diel ungered^t ertoorbenejJ @ut befi^t, lögt fämmtlicbe E^ettelorben t)olcn, ftirbt in ber granci^canerfutte unb lägt fid) in ber Äircbc begraben, oerinaebt fein ganje^ ESermögen ben Drben unb sntingt SGßcib unb Äinber, gciftlicb ju werben. ^)er anbere, ein reebtfebaffener unb oerftänbiger SÜ^ann, ftirbt ol)nc allen ^runf, im ESertrauen auf bao Söerbienft ^bt^ifü odein, Oermaebt ben 5{löftern unb ben Elrmcn, ba er ben Unteren im 2eben nach Prüften ©uteö getban, feinen Pfennig, nimmt ^war noch bie le^te Delung unb baö Elbenbmal)l, boeb ohne E3eicbte, ba ibm, wie er fagt, fein 0crupel mehr in ber 0eele boftet. 5)abei wirb jugleid) bie ©rbfcbleicberei ber ajiöncbe, bie ®iferfucbt jwifdjcn ihnen unb ben Pfarrern, wie ber oerfebiebenen Drbcn unter einanber, unb bereu robe 0itten, anfd)aulicb gemaebt. 3u bem @efpräd)e oom gifebeffen wirb unter anberem eine ö)efcbicbte erjäblt, wie einer in töbtlicber itranfbeit ficb weigerte, nach bem fRatb feiner Eler^te (wiber fein ©elübbe) @ier» unb SWild^fpeifen effen, aber feinen Elnftaiib nahm, eine 0cbulb bureb einen 3Wcins

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^SmuS.

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db abjufc^toörcn. 3m ©d^iffbruc^, mä^renb bic Uebriflen bcr dnc biefcn, bcr anbere jenen ^eüiflcn anvufen, menbet fic^ bcr üerftänbige ©preeber flcrabe^u an @ott fdbft, in bcr Ueberjeu^unfl, bag fein anberer bie iöittcn bcr ajicnfc^cn fd)neller l)örc unb lieber (jemäbre. 3n ber Unterhaltung über bae SBallfahrten ant^ mortet äJfenebemuö bem Oghgiui^ auf bie gragc, ob er nicht aud) bic Pilgerfahrten, bie ihm biefer juoor gerühmt, machen molle? er mache feine Söatlfahrtcn i^u ^aufe ab. 9lämlich fo: er gehe in baö über bic ©ittfamfeit feiner Xöchter ju

machen ; oon ba in bie Söerfftatt, um ben gleiß ber Änechtc unb ai^ägbe ^u bcauffichtigcn, unb fo ba unb borthin, um bad ganje $au^ in Orbnung ^u h^iten. ?lbcr bad mürbe, menbet bcr an« bere ein, menn bu ju if)m pilgern gingeft, ber hcü* Sofobuö für bich beforgen. 5)ie heil- ©chrift, entgegnet 9J^enebcmui^, heiSt mich felbft beforgen; baß ich ^en ^eiligen übcrlaffen foU, ßnbe ich nirgeubö oorgcfdjrieben.

3n bem gahrjehnt, mclcheö bem Sluf treten Suther'ö ooran« ging, ftanb ber fRuhm bcö ®raömuö auf feiner ^ößc. @r galt für bic erftc literarifchc ÖJrößc bc^ Slbenblanbeö, unb toar c$ aud). S^on fernher reiften aufftrebenbe junge SJiänncr mie öltere ©eiehrte an feinen SBohnort nnb fehöhten fich glücflich, fein 9tn« geficht gefehen ju haben, äöeltlichc unb Äird)cnfürftcn bemarben fich am feine 33riefe unb lohnten feine Qaeignungen burd) ©c« fd)cnfe. ^uf feinen pfeifen mürbe er in ben gebilbeteren ©täbten mie ein Potentat empfangen: Deputationen erfepienen, h^dten ‘i?lnrcben unb überreichten ©cbichte, bie Dbrigfeitcn marteten auf unb f^ieften ®crehrungen. 3n bequemer SD^uße, ohne §lmt, bem er immer audmich, feit 1W6 mit bem Ditel eincö 9^otf)^ Äönig Äarr« oon ©panien unb einem ©ehalte oon 400 gl., mo^u nod) etliche fleinere Penfionen hochgeftellter ©önncr famen (bie freilid) in ber iöJeifc jener gclbarmen ß^it ai^^l fdten ftoeften), lebte (i^roiämuö, oon feinen Steifen nach granfreich, Italien, önglanb 5urücfgefehrt, erft ^u fiömen, bann ju löafcl, mo ihm am mohlftcn mürbe, bivJ bie Unruhen in golge ber ^Deformation ißm ben Aufenthalt oerleibcten unb ihn j^ur Ucberfiebelung nach greiburg bemogen.

SBie i^u iJuthcr’ö Auftreten ber .ganbel SDenchlin’d gemiffer« moßen ein Porfpicl loor, fo ließ fid) au^ bevj (Jraemne^ Verhalten

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II. Bu(^. 10. I^a))iiel.

bei bem (extern fc^on uiiflcfä^r abnel^mcn, toic er m jur formation fteHen loürbe. 2)a ber ©treit fic^ über ben Xbnlnmb unb anberc Subenbüc^er entfpann, bie bem ©ra^rnuö fremb, mo nic^t mibermärtig mären, fo fonnte er in gemiffem 0inne mit SGBal)rbeit fngen, baß il)ii berfclbe nid)t^ angele. ®ann mar ober nueb bie ^eftigfeit, mit meld)er ber Äampf non beiben ©ei* ten geführt mürbe, feiner ®enfart unb 9talur jumiber. ®r meinte, bie greunbe ber beffern ©tubien foHten me^r aufbauenb aU pole* mifcb 5U Söerfe geben, ficb lieber al§ @äfte aHmölig einfd)meU cbeln, alö gemoltfani mie geinbe einbred)en. Sei bem friegerU fd^cn ißerbalten, baö Stcucblin’ö ^Inbönger angenommen bitten, mar ibm unangenebm, bafi ^irdbcinicr in feiner ©ebu^febrift für benfelbcn aud) ibn bem SScr^eiebnib ber 9lcud)liniftcn einner* leibt bötte. SDenn melcbcr gelehrte unb rcdjtfd)affene 9Jtann fei ibm nicht bolb ?. fagte er ; maö er aber meinte, mar, bag ber Jreunb ihn auf feine SBcife in einen ^arteienftreit hätte nerflecb' ten foüen, ba er oueb f)kx, mie fpöter bei ber Sutberifeben Xra* göbie, mie er e^ nonntc, nur 9Jtitfpieler fein

moflte. 3n ber ©tillc übrigen^ fpracb er bem Slngefocbtcnen freunblid) ju, in biplomatifdjor gorm nevmcnbete er ficb für ihn bei ^apft unb (Sarbinölen, unb alö am 30. 3uni 1522 ffteu^liu burd) ben 2;ob bem ©treit entrüeft mar, feierte er il)n in einer Sipo* tbeofe, bie er feinen ^Dialogen einoerleibte. (Sin oon Mbingen fommenber ©ebüler 9leud}lin'^ erjöblt oon bem Ü)?orgentraume, ober oielmebr ber SJifion, bie ein frommer graneiöcaner bafelbft in Sftcudjlin'e! 3^obe^ftnnbe gehabt b^ibe. 3enfeitö einer S3rücfc, bie über einen S^ad) führte, erblicfte er eine bcrrlidbc SEÖiefe: auf bie S3rücfe febritt fReud)lin 5u in meinem, lichtem ©emanbe, hinter ihm ein febönev glügeltnabc, fein guter ÖJeniuö. (Stlid)e fcbmar^c Sögel, in ber ©röße oon OJeiern, oerfolgten ihn mit ©efebrei; er aber manbte ficb nm, feblug boö ftreuj gegen fie unb b*c6 fic meicben; mad fie tbaten, mit §interlaffnng unbefcbreiblid)en ®e= ftanfciS. Sin ber Srücfe empfing ihn ber fpracbgelebrte heil. $ie* ronpinuö, begrüßte ihn alö (SoHegen unb bradjte ihm ein ilieib, mie er felbft einee anbatte, gaii5 mit Sungen in breierlei garben befebt, jur Slnbeutung ber brei ©pracben, melcbe beibe oerftanben. ^ie SBiefe unb bie 2uft mar mit (Sngeln angefüllt; auf einen ^)ügel, ber ficb nnö ber SJiefc erhob, fenttc fid) oom offenen

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Sro8mu§ unb 9{eu(^lin.

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^immcl eine 5<-’»crfäiife nieber, in biefer fliegen bie beiben ©e^ ligen, fid) umarmenb, unter bem (5Jefang ber @ngcld}öre empor. 2)er @r5ä()(er unb fein SUlitnnterrebner moflen nun ben @nts f^lafenen in baö SSerjeic^niß ber ^eiligen, bem f)eil. §ieronpnuiö l^nr ©eite, fepen, fein '^ilb in il)ren iöibliotbelen anffteüen nnb H)ii fortan alö ©d)Upt)eiligen ber ©pra(^gelel)rfam{cit anrufen.

31(5 nun fintier onftrot, fehlte and) it)m Don Anfang meber bie Xbeilnatjme be§ (Sra^muö, noc^ fein biptomatifc^ empfehlen* be^ SBort. ^ie uertrautid)e 5teu6erung auf griebrid^'ö beö 2Bci* fen Silage ju Ä'ötn, unmittelbar oor bem mormfer IReic^^tage, Sutber J^ci ©tücfen gefcf)lt, bag er bem ^apft an bie

Ärone unb ben äKöneben an bie ©äuebe gegriffen, toirfte tief auf be^ i^nrfürften ' ©emütb unb fiel ibm nod) fur^ oor feinem Xobe mieber ein. 9ln ben ©arbinal §llbrecbt oon 2}?ain^ b^^ttr @ra^mu^ febon oorber über ßutber einen fel)r günftigen Bericht erftattet, mar aber oud) äufeerft ungehalten gemefen, alö §utten ficb beigeben lieg, ben ®rief ohne fein SJonoiffen brurfen 511 laffen; mie er bie ilöln in gleichem ©inne gefebriebenen Axiomata bem ©palatin halb mieber abforberte, ohne boeb bamit ihren ^)rucf oerl)inbern ju fönnen. ®or allem begriff ©ragmuö febr mobl, bag ßntber niegt ogne bie bringenbfte 33eranlaffnng aufgetreten fei. maren ja biefelben Uebelftänbe, über melcge auch er felbft bi^b»'’^ f^b^^^ Klagen niegt juriicfgegalten gatte, ^ie ißefegmernng be)3 cgriftlicgen SBolfö bureg 9)tenfd)enfapungen; bie Serbunfelung ber Xgeologie bureg fcgolaftifcge Dogmen; bie läftigc Uebermaegt ber iöettclmöncge ; ba^ Unmefen, ba^ fie mit ber iöeicgte unb bem ^Iblag trieben; bie Entartung ber ^rebigt, in mclcger, ftatt oon Ggriftuö unb d)riftlid)cm Seben, faft nur noeg oon bem ^apft uiib feiner Diacgtoollfommengeit ober oon finbifegen erlogenen äJtirafeln bie fRebe mar; ber megr alcJ jiU bifdje Seremonienbienft, unter beffen ^rude ber lebenbigen 5röm= migfeit bie (Srftidung brogte. ^ie fd)amtofe Uebertreibung auf biefer ©eite oeronlagte Sutger jum SBiberfprud), unb biente nad) becJ (Sraömmg Urtgeil aud) mand)em Uebermag auf feiner ©eite j^ur @ntfd)ulbigung. ^uf eine egrlicge ^Ibficgt bei Sutger fcglog er fegon barauö, bag e^i bemfelben meber um Oielb nod) um @gren 511 tgun mar. §lucg fanb er, bag gerabe bie beften 9Jten=' fegen an ßutger'iJ ©d)riften am menigften ^nftog nagmen. ßutger

I

J

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U. $u(^. 10. StapM.

fc^icn i^m (unb baö fd^ricb er on ben $apft felbft) eine fc^önc ÖJabc fiüx afcctifd)cn, praftifc^cn 0d)riftau§(cgung hoben, rodele in ber bamoligen Qcit über fpipfinbigen fchotaftifchen gragen mehr alö billig üernachläffigt mar. @r fah in Sutl)cr ein tüchtige^ SRüft^eug ^ur 5luffinbung ber 2öal)rheit, jur SBieberherftcÜung eoangelifchcr grei^eit, ba^ ni^t j^erbrochen merben bürfe.

(Gleich oon Slnfang jebod) hotte Sra^muö in ßuther'ö Schriften (non ^erfon fannte er ihn nicht) etnrnö bemerft, baö feinem SBefen fremb, ja jumiber mar. mar ba« 0dharfe unb $erbe, bie ^eftigleit unb Seibenfehaft in benfelben, maö ihn erft bebentlid) mad)te, bann immer mehr abftieß. @r fah 5lufruhr unb ßmiefpalt alö golge eines fo ftürmifchen SluftretenS norauS. Slls baher Suther an ihn gefchrieben hotte, ermahnte er benfelben in feiner 5lntmort jur 2jiä§igfeit unb ©efeheibenheit. äßie ftott beffen Suther im SBerlaufe feines ©treiteS immer heftiger unb fchonungSlofer mürbe, trat (SraSmuS immer mehr non ihm prücf. (£r mürbe ^meifelhaft, melch ein (5Jeift ben SRann treibe. S^och abgefehen non bem Inhalte feiner Sehre, mie er ftch mehr unb mehr entmicfelte, fanb ©raSrnuS jebenfaUS bie 2lrt, mie Suther j^u Söerfe ging, j^meefmibrig. 3e mißliebiger an ftch fchon baS @cs fchöft fei, eingemurjelte ÜJ^ißbräuche ju befämpfen, meinte er, in befto milberer gorm hotte eS gefchef)en müffen. SBoju ©chmö^ hungen gegen biejenigen, melche eS ju heilen galt? moju Ueber* treibungen, bie Slnftoß erregen mußten? 2)ur(houS glaubte er bie meife Defonomie, bie Urbanität ber ^rebigt ju nermiffen, mie mir fic in ben Vorträgen ©hnfti unb ^auli finben. 3wU)eilcn begriff er Suther al§ einen ^r^t, ben bie tiefen 0chäben ber 3cit ^u graufamen SJ^itteln, jum 0chneiben unb ©rennen, nöthigten; aber er fanb bie 9J?ittel jum Xhdl fd^limmcr als bie Äranfheit. gür ©raSmuS mar ©treit unb Ärieg ber Uebel größtes: er moUte im SoHifionSfatle lieber einen Xheil ber SBahrheit bahin= ten laffen, als burch ©eßauptung ber ganzen ben grieben ftören.

©on feinem ©tanbpunfte auS fd^ilbert ©raSrnuS Suther'ö ^JtatureH unb Slrt ganj treffenb. @r fanb in ihm bcS ©eliben 3orn, ber oon 9^ta(hgeben nichts meiß. §abe er etmaS ju behaupt ten unternommen, fo merbe er gleich unb laffc nicht ab. bis er bie ©adje auf bie ©pi^e geftellt höbe, ©rinnere man ihn. fo fei er fo meit entfernt, bie Uebertreibung ju milbcrn, baß er

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^ra§mu§ unb fiut^er.

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fic im ©cflcnt^cil noc^ mcitcr ftcigcrc. ®a^cr bic ^arobojen in feiner Se^re, üon benen ©ra^mnö urtbcilte, bog fic nur bo^u bienen fönnen, fdjäblic^c 2J^6öcrftänbniffe ju ücranlaffcn. 3“ biefen ^arobojen rcdf)nctc er gleich ben ßut^crifc^en §nuptfa^, bag ber SWenfe^ ^^injig burc^ ben ©lauben geredet merbc, feine 2lnfid)ten üon bem freien SßiUcn, ben guten Söerfen u. bgl. m.

fonnte me^r gegen ben 0inn beö @radmug fein, ald bog ßutber, mic ed if)m fd)icn, burc^ bic §ärtc unb fRiicffic^tö« tofigfeit feinciS Serfo^renö bic 9Äac§t^abcr üon fic^ j^urüdftieg. 5)cö ®ra§muö 3bec mar, im (Sinücrftäubnig mit $apft, S3ifc^öfen unb ^ii^ften bie Äirci^e reformiren, i^nen ba^cr bic bittere ^ifle fo füg roie möglich cinsumicfcln, unb lieber üon ber ©trengc ber gorberung etma^ 9lamf)afteö nac^^uloffcn, alö fic j\u ©cgnern ber Reform gu machen, ©o münfd^cnömcrtl} mar, bag bic @ad)e biefen @ang nel)mcn möcgtc, fo miberfpraeg bod) fo fegr aller bi^bengen ©rfagrung, bag nur bic unübcnoinblid)c 0cbeu üor jebet ©cmaltfarnfeit bem (Sraömuö, fogar noeg unter Siemens VII., bic a)töglicbfcit bcö (5Jclingcn§ üorfpicgcln fonnte.

Söaö il)n aber gegen Sutber's unb feiner 5lnt)änger 33cs ginnen noeg tiefer ücrftimmte, mar ber Umftanb, bag er gar halb biejenige Slngelcgenbcit, bic i^m üor allem am ^cr^en lag, bic bumaniftifebe ©Übung, barunter leiben fab. Unb jmar in bop^ peltcr $lrt: inbem tbcilö monebe frübere öJönner ber lepteren, um ber reformatorifdjen ©emegung miHen, bic fic ouö bcrfclbcn berüorgegangen glaubten, ibr feinb mürben; tbeilö ber reforma* torifebe (Sifer bic bumaniftifeben ©eftrebungen auö bem ÜJfitteU punftc be^ 3cil^*ücrcffcd üerbröngte. ^cö Sraömuö Älagen über ben ^ag, melcben fiutber unb beffen ^Inbängcr ben befferen ©tu^ bien ^uge^ogen, nebmen fein ffinbe. ^)agcgcn bemüht er fid), ^u jeigen, bag beiberlci ©eftrebungen cinanber gar nid)tö angeben ; ücrficbcrt, bag ibm ilutger pcrfönlid) fremb fei, unb üiel j^u menig claffifcbc ©tubien b«bc, um ^u ben |)umaniftcn gereebnet merben ;^u fönnen. S^iebt^ befto meniger madjtcn il)n feine (Gegner für bic gan^c 9leformationöbcmcgung ücrantmortlid). 2)ie ©cttel^ mönebe prebigten, ffiraömiii^ b^be bic ®ier gelegt, Üntber ficau2^= gebrütet. ermieberte (Sra^muö, er b^bc ein ^übnerci gelegt, iiutber aber einen gan^ anbern ©ogel betauögebraebt. ©kr biö an bnö Ufer üormörtö gegangen fei, ber fönnc bod) nicht al^

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II. «u(^. 10. I^QpitcI.

I

SBornöngcr bcöjcniflcn aiiflcfc^cii locrbcn, bcr ftc§ nun mitten in bic glutl)cn ftürsc. 2)em mibcrfpricf)t nur fc^cinbar, mcim @raönuiö ein anbermal, bcr @crinc;fd)Q§unfl gegenüber, mit mU d^cr ßut^cr unb beffen eifernbe 5Int)änger it)n bei ©eite fc^oben, bic Ueberjeugung aiiöfpric^t, faft allc^, maö fintier Icbrc, mic^ fc^on gelehrt ,^u haben, nur in milbcrcr ^^^rni, ohne ©chnmhun- gen unb ^arabojen. 5)arum fträubte er fid) and) lange, gegen Suther aufjutreten: unter oerfdjicbenen ©rünben bodh audh bc6= megen, meil er fürchtete, mit ßuther’ö Söerfe jugleid) feine eigenen ©aaten ju befd)äbigen.

3mmer ftörenber griff mittlerroeile mit icbem ihrer gort- fd)rittc bie iRcformation in ba§ ßeben beö @raSmuö ein. 9>hcht allein ba§ er fich mit einem male oon ber erften ©teile oerbrängt, ja aus ber erften fHcihe in bie ^meite ^urücfgcfdhoben fehen mußte, ©onbern, inbem bie Slnhänger ber fReformation ihm ^umutheten, mit ihnen Partei machen, bic ÖJegner, fich gegen biefclbc ju crflären, unb er feine oon beiben gorberungen erfüllen mochte, fanb er fid) jmifdjcn ^mei geuern. 2)ie einen fd)mähten ihn alö feig, bic anbern hielten ihn für falfd) unb marfen il)m oor, baß er mit Suther unter einer ®ede ftccfc. @r fah alte greunbfehafs ten zertrennt, allcö mit ©treit unb bic halb in milbc

Äämpfe auöbrachcn, erfüllt; er betrachtete bic ^Reformation alö baö Unglücf feinet Sebenö unb glaubte eine allgemeine SBermilbc= rung im 5lnjug.

ßcptereö auch infofem, aU, neben ber Slnfcinbung oon außen, ber huoioniftifche ^ilbung^trieb juglcid) innerlich abjufterben brol)tc. ^er phüologifd)c @ifcr crfaltetc, mic bcr rcligiöfc j^unahm. ®ie grammatifd)en unb rhetorifdjen ©tubien fd)icncn il)rc öeftinu mung erfüllt ju l)oi>cn, nadhbem fic bic Umgeftaltüng bcr Xßeo* logic crmÖglid)t hotten. @incr um ben anbern ging aujJ bem humaniftifdhen Säger in bag reformatorifchc über, unb baruntcr gcrabc folchc, auf mclchc (SraömuiS alö bic ©einigen am meiften gcrcd)nct hotte, ©o .^ermann 33ufch, Suftiiö Sonad, Jütten, ä)tcland)tl)on, ben er fo menig mic cinft fReuchlin gern in 2öit= tenberg fal). ®alb glaubte er bemerfen, baß, mo bo§ Suther^ tl)um hcrrfdjc, bic h«omniftifd)cn ©tubien ^u (^runbe gehen.

^cflagtc bemnad) ©raömuö in Jütten oor allen einen folchen, bcr für bic ©achc, für mclchc fie früher beibe in ©cmcinfd)aft

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^raStnuS unb i^utten.

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t^ätiß flctDcfcn, Ucrlorcn c^cf^angcn fei: fo crfc^icn bem (extern uon feinem ©tonbpunfte auö ©ra^miid alö ein ÜJ?ann, ber bic ©runbfö^e feinet frühem Sebenö unb 3Birfenö jept ncrlänc^nc. 3n biefer Slici^tung batte er bemfelben frf)on uon ©terfelbert^ nnb ber ©bernburfl qu^ jmei 53riefe öefdjrieben , uon benen ber eine bereite atS ein Sßorlaufcr ber umfaffenben ©treitfe^rift erfd)eint, mit melier Ratten feine fd)riftfte£lerifd)e Saiifbaf)u uor ber 3cit befebtiefeen follte. ift bieg ber 33rief uom 15. ^tufluft 1520, beffen mir, fomdt er bie piipftlicbe gabnbunt^ auf Ratten unb feine 9^ettung betraf, fegon früher c^eba^t, ma^ aber fein SSerbält- nig ja ©raömuä anflint;, abfidjtlicb bis bi^ber uerfpart b<^ben. |)utten eröffnet bem ©raSmuS, maS er, bei biefem ©tanbe feiner §lngeteflenbeiten, uon bemfelben uerlant^e, unb uerbebtt ^acileid) nid)t, mag ibm in beffen bisberigem SBcrbaltcn migfallcn bf^be. 3n 9teucblin’S $anbel b^^be er fid) all^afdjmacb unb ängftlicb gezeigt. ®ie S3riefe ber 5)anfelmänner, bie er erft bud)gepriefcn, habe er betnaeb uerbammt. '-öejag auf Sutber fobann bube er beffen Söiberfacber ^u Überreben gefaebt, als märe bieÄird)cm reform eine ibm frembe ?lngelegenbeit. ®aS b*^be il)m bodj übel angeftanben nab fei überbieg jmccfloS gemefen, ba feine magre ©efinnung auS feinen ©egriften mobl befannt fei, unb bager niemanb feinem SSorgeben ©lauben gefegenft gäbe, ©o gäbe er ber 9leformpartei gefegabet, ogne fivg 5a nügen. ©egon bisher gäbe Ratten ber ßeute Sieben über (SraSmaS ungern gegört, boeg ben greanb, obmogl er felbft nid)t gan^ mit igm ^ufricben gemefen, entfcgulbigt. 3cgt, ba bie ©adje ign perfönlicg betreffe, motle er fieg offen gegen ©raSmuS erflären. @v möge bemjenigen, ber ign ftetS goeggefegäpt gäbe unb and) fegt noeg i\u ben beften ^ienften für ign bereit fei, fo uiel j^u fiiebe tgan, bag er fieg nidjt and) über ign fo mie über Sleucglin aab Satger öagere. ©illigang feiaer ©aege, obmogl igm niegts ©grcnuollereS ^u Xgeil merben föante, mode er nid)t uon igm uerlangen; nur möge er and) niegt aas ajlcnfd)eafard)t fcglcdjt uon berfelbcn fprcd)cn, fonbern fie lieber uöHig mit ©tillfd)meigcn übergegen, in ©rmägang, mie naegtgeilig ein einziges angünftigeS SEBovt uon igm für .Ratten fein mügte. ^aS gäbe er igm, als einem greaabe, freimütgig gefegrieben 0-

1) <^ra3muS, 15. tlugug 1520. ©. oben ©. 318.

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II. 10. ffopitel.

S^iod) gab ^uttcn ben ©raöimig für bic 0a^c ber fRcform ni^t ücrlorcu. ^ou feiner innern 3uftinintun9 glaubte er über^ jeugt fein §u bürfen, unb ben iWutb ?ium äugern ^efenntnig tonnten it)m oietleic^t halb bie S^er^öltniffe geben, wenn er fic^ nur mittlemjeile nic^t alljutief mit ben jj^inben beö g^ttfe^rittä einlieg unb mit beffen görberern übermarf. Ober mie? menn man ben öngftlii^en 9Jtann eben bei feiner 2(cngftli^feit ergriff? Senn man i^n überrebete, er fei unter ben fRomaniften feinet ßebend nidbt fieser? ©einen Sobnfi| tjatte er noc^ immer in ßömen; bie ^nmefentieit bed i^aifer^ unb mehrerer dürften führte il)n um Sinteröanfang 1520 aud) nac^ Äöln. 3)aö moren aber bie ^auptfifee ber 5iiift<^i^^inge: an beiben Orten mürben eben um jene ßeit bie ©c^riften 2utt)er'ö oerbrannt. ^Diefcn Umftanb üerfud)te |)utten benu^en, um bem ©ra^muö bange ju machen. Saö er benfe, fegrieb er i^m gerabe ein öicrteljabr nach bem |o eben erörterten Briefe mieber oiel freunblicger, an Orten fic^ auf* .yigalten, mo ber grögte .§ag gegen igre Partei (ju melc^er^uU ten ben (Sra^muS je|t ol)ne Seiterei^ rechnet) gerrfc^e, unb bic päpftlic^en 3J?anbate ot)ne ©c^onung ooüjogen merben? Ob et glaube, ba noeg fieser j^u fein, mo man iiutger'ö ©üeger oerbraimt gäbe? er, über ben bic geinbe längft fc^rcien, er fei ber Url)cbcr unb erfte 2lnftiftcr aller biefer bem ^apfte fo ocrbrieglic^en 83es megungen. ^)ieg oergalte fic^ j^mar nid^t fo (gibt ^ier |>utten bem Sraömuö ^u, ber jenen Sormurf nic^t gerne ^örte); bod^ miffc er ja, mit mclc^erlci Seuten fic e^ ju tgun gaben, unb fönnc fieg benten, bag igr ,§ag gegen bic Siffenfegaften meit megr noeg ben treffen merbc, ber fic eingefügrt, ber ^)eutfcglanb mit (SJelcgrfamfcit erfüllt gäbe. ®ag ber SSerfueg, ben @raömu^ feit gagren angefteflt, ben $apft unb feine 2lngänger bureg Sob unb ©dgmeicgelci für bic gute ©ad)c ^u geminnen, ni^t jum 3iclc gcfügrt gäbe, fege er nun mogl fclbft ein. Darum möge er fliegen, ege c^ ^^u fpät fei. Der gcmaltfamc So^brueg, ben Jütten unb gran^ im ©innc gaben, merbe bie ©tcllung be^ @ra§muö noeg bcbcntlicger maegen, unb niegt offenen Eingriff allein, and) (5Jift unb Dolcg gäbe er 511 füregten. Dager fei |)utten'ö IRatg, er fofle Sömen mit Öafcl Oertaufegen, mo er längft beliebt nnb oeregrt fei, mo bic ©ciftcr oon Statur fegon freier unb nun überbieg bureg Üutgcr’ö ©egriften unb ein bcutfi^eö

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SroSntuS brrbitfei ft(^ ^utien’§ ^efud^. 459

©cbid^t .^utten'S (bie Älog mtb SScrmol^nung) errctjt feien. ^)arum bitten i^n burc^ Jütten (jemeinfc^aftlic^e J^eunbe, beren SBerlangcn er nac^geben unb fic§ bem gemeinen heften erhalten möge ‘).

Söenn (SraSmnö nod^ in bemfelben SBintcr fic^ mirflic^ nad^ 33afel begob, um ni(^t mieber nac^ fiömen jurücfjufe{)rcn, fo lag bobei neben ber Slbfic^t, ben 5)rucf feiner ©c^riften in ber groben’fc^en Dfficin fctbft leiten ju fönnen, noc§ bie anbere jum ©runbe, ben fortmä^renben Eingriffen ber ginfterlinge jener ©tabt unb UniöerfitQt, auf Äanjeln, Ä'at^ebern unb fonft, fid^ j\u entjie^en. Elber feineömeg^, um nun in baößager berfRefor^ mation übcrjugef)en : üielmel)r betrachtete er E3afel alö neutralen E3oben, ben er, aU berfelbe acht 3ahre fpäter üon ber ^Refor* mation entfehieben erobert mar, mit einer altgläubig gebliebenen ©tabt oertaufchte.

3mei Sahre maren feit ber Elbfaffung jene^ iöriefö ücr^ floffen, feit britthalb fahren h^itt^n fid) beibe SDMnner nicht gefe* hen, aU gegen bad @nbe bed ^ahreö 1522 $utten, mie fchon ermähnt, aU Flüchtling auö 5)eutfchlanb, in Safel erfchien*). Schon un« termegö, in ©chlettftabt, h^tte er gegen löcatu^ fRhenanu^ unb anbere geäußert, menn er nach iöafel tomme, moUe er bem (Sxci^* muö 9Ruth machen, benn Furchtfamfeit fei e^ hoch, bag biefer fidh nicht günftiger für ßuther ^eige. i)ic erftc 9>lachricht oon ^utten'jJ Elnfunft in S3afel erhielt Sraömuö hierauf burch .t)eins rieh 'JOtt ®i)penborf, einen jungen 3Rann, ber auf Äoften beS ^erjog^ ©eorg oon Sachfen bamalö feine Stubien in 33afcl machte unb mit Jütten fchon oorher befannt mar. Ein ber Freubc, melchc (JraSmug über biefe Nachricht empfunben h^'i^en miü, bürfen mir bem meitern Erfolge nach billig ,^meifcln ; benn nach ^en erften (Srtunbigungeu über ^uttcn’ö ©epnben unb Um* ftänbe gab er bem (Jppenborf ben Eluftrag, bem E^litter freuublich be^ubringen, berfelbe möge mährenb feineö Elufenthultö il)n nid)t

1) ?[n 6ro§niuS, 13. 3loö. 1620; St^riften I, 6. 423—426.

2) 5ür boS (^olgcnbc finb bie §ultcn’S in jeinft Exposlulatio

ouf bet einen Seife unb be§ ^raSmuS in jeiner Spongia auf ber onbern, in ^utten’S St^tiffen II, 6. 180 ff, 266 ff., ju nerflleidjen. Gbenbafelbfl finb du(^ uerf(biebene auf bie 8a(f)c bejUgli(f)e Briefe abgebrueft.

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II. 10. ftopliet.

biird) feinen 33efuc^ compromittiren. ^)ie6 inar jebenfaßg ber bentlidje ©inn ber ^eußerung beö @ra§mn^, onc^ loenn er, fet= ner SBerfid^erung , zufolge, nod) bie ©infc^ränhing ^in^ufügte, faU^ glitten nidjtö 53efonbere^ mit i^m ju reben bötte, unb bnö Stner» bieten, monn er i^m fonft in ettuaö bienen fönne, fei er ba^u gern bereit. 9Beld)en ©inbrud biefe Sotfd)aft üon ©raömuö, fie ibin nod) beffelben Xagö bureb ©ppenborf binterbraebt mürbe, auf .^utten ntacben mußte, ließ fidb benlen, unb bad)te aud) ©roömuö felbft ; menngleicb, mie er cr^^äbtt, ber SJ^ittelgmann ißn uerficberte, jener b^be bie ©oebe im beften ©inne aufgenommen. Slnbere SKitglieber beö ©raömifcben itreifeö, mie Safiliuö Slmer^ bad), benen gegenüber §uttcn feiner ©ntrüftung freien £auf ließ, batten ibm fid)er SGÖinfe gegeben. ®aber bie mieberbolten fragen nad) ^utten’ö ©timmung gegen ißn, bie ©ra^nuiö an (gppenborf richtete, ©o gebrängt, b^>^c (Sppenborf enblid) geäußert, oießeiebt münfd)e Jütten boeb mit ©raiSmu^ ^u reben: unb barauf miß biefer ficb erboten b^^ben, menn etmaö SSiebtige^ betreffe, ober jenem fo Diel baran liege, fo fomme e^ ibm auch nid)t barauf an, unb möge §utten iminerbin ju ibm fommen; frage fid) nur, ob berfelbe bei feiner i^ranfbeit beö @ra§mu^ falte 3»”mer (mo jeboeb ein Äaminfener nid)t fehlen foße) ertragen fönne; fönnte er felbft bie Dfenmärme leiben, fo mürbe er bem fRitter ben iöefucb mad)en.

2)aß ber leptere biefe nachträgliche, bti^b mibermißige @in= labung mit ©tol^ ^urüdgemiefen müßten mir natürlid)

finben : nad) feiner S^erfidjerung aber ift fie ißm niemals ^ugefommen; ob fie nun, mie ©raginuö fpäter anbeutete, oon bem träger unterfdblagcn , ober oon jenem niemolö auögegangen ift. 2Baö bie gebeisten ©tuben betrifft, fo böttc, nach $ntten’iS ©er» fid)erung, ©ppenborf ben ©radmiiö belehren fönnen, boß jener oft jmei bi§ brei ©tunben lang mit feinen greunben auf bem ßjfarfte aufs unb abgebe, aud) an beö @ra§mug §aufe miß er abfid)tlid) mebrmalö oorübergegangen fein, um fid) biefem bemerflid) su mad)en. 9lber @ra!^mio3 febrieb noch am SBeibnaebtöfefte an fei* nen greunb, ben 2)om()errn 3ot)ann oon öopbcim nach Ä'onftan,v ,f)utten höbe er nid)t gefeßen, unb münfcl)e jefet auch nid)t. (Sr meine e^5 gut mit ißm, fofern Jütten mit fid) felbcr gut meine; aber er b^be anbereig ju tl)un.

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^uiicn in 9)lfil|au|en.

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3)cr üornd)mftc 53ctpcg(jrunb bicfcr ^onblunfj^tüdfe tuar, tüic Sras^muö fclbft fteftoub, bic 33cfor9ui6, burc^ bcu Scvfcf)r mit glitten fid) feinen t)ol)en ©önnevn gegenüber blügjuftellcn. $)ie 9tac^ric^t non biefem iöefud)e, fagt er, mürbe nad) $Rom ge- langt fein an ben $apft; nac^ ©panien an ben Äaifer; nac^ iörabant, mo ic^ eifrige ^^(nfläger t)abe; nad) @nglanb, mo nid)t an ßeuten fe()lt, bie mic^, ic^ mag moüen ober nic^t, ^um ßut^craner machen. 2luc^ t)ütte fic^, meinte ©rmsinuö, nid)t btü^ um eine Unterrebung get)anbelt: einmal in iöerüljrung mit i§m getreten, ^ätte er ben beruntergefommenen franfen Stüter in fein ^auö aufnel)men muffen; mobei il)m gleich fc^r üor ber ^(nfteefung, bie er burch blaßen ^auch möglich glaubte, üur einem 5)arlehn, baö il)m angefunnen merben föunte, uor bem an^ geblich euangelifchen Anhang ^utten’ö, uon bem er überlaufen j\u merben fürchtete, mie uor beffen eigener iöerbitterung unb 9tul)mrebigfeit graute, uon benen er uorauöfepte, baß fie mit feinem Unglücf fid) noch gefteigert höben müßten.

* ißon §utteireJ iöefdjüftigungcn mährenb feinei^ Slufenthalt^ in iüafel erfahren mir burch (Sraömu^, baß er eine h^’ftige 3d)rift gegen ben Äurfürften uon ber $falj uerfaßte, meil biefer, mie oben ermähnt, feinen 3)icncr, megen cinc^ 9laubanfallö auf brei klebte, hötte hi»richtcn laffen. @r fuchte aber uergeblich einen 53uchbrucfer, ber gemagt hütte, fie i^u bruefen. 2)agegen ließ er eine 0atire auf einen basier ^rjt erfcheinen, ber fid) uermuth^ lid) in ber üöehanblung uon ^utten’ö Äranfl)eit 'flößen gegeben hatte, ©raömuö fprad) gegen ©ppenborf feine ^ermunberung au«>, mo $utten in feinem 8ied)tl)um unb (Slenb iütuße unb 0tim= mung 5U folcßen ©paßen hcrnel)me? aber (Jppenborf meinte, ber* gleichen mad)e er eben, um fich ^u ^erftreuen.

^aß er inbeß auch ernftere Umtriebe im ©inne cineö Um» fturjed ber beftehenben itird)cn^uftönbe machte, erhellt barauS, baß fofort auf bad Einbringen ber (^eiftlid)feit ber SÜiagiftrat uon Ekfel ihm ben ^ugefagten ©d)irm auffünbigte. ©0 fal) §utten, nad) einem Elufenthalte uon nid)t ganj ;^mei aJionaten, früher alö in feiner Elbficht gelegen mar, fiel) genötl)igt, E3afel ju uer» laffen. 2)ieß that er am 19. 3anuar, ol)ne baß felbft feine beften greunbe mußten, mol)in er feinen SBeg genommen. @r l)ötte aber feine E3licfe auf baeJ benadhbahe 3Jtüll)aufen gerichtet, bai$.

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II. 8u(^. 10. StopM.

bajumal ber (Jibgenoffenfc^aft ^ugctuanbt, i^n tpic SBafel gegen bic beutfc^en dürften hoffen lieg; tnägrenb bic reform^ frcunblicge ®enfart beö in^befonbere beö einflugreic^en

©tabtf(^reiberö Oötnalb @am6l)arft niit meld^cm Jütten üon früher ^er befannt gemefen ju fein fd^eint, ign gegen ben Hinflug ber ^eiftlic^feit becfen nerfprac^. Sluf 9icbemnegen , weil et bie 9iad^ftellungcn feiner geinbc ju fürchten ^atte, erreichte er in ßppenborf'^ Begleitung inol^lbe^olten feinen neuen ßuflud^t^ort, m il)m ©omö^arff^ gürfprad^e im 5luguftinerflofter um fo Icicgter eine Verberge au^mitteltc, je günftiger beffen Bemo^ner für boiS SBcrf il)re6 fäd^fifc^en Orbenöbruberö geftimmt waren. Jütten gehackte ^ier ben 9ieft be^ SBinterg ^ujubringen; ju welcher Arbeit aber er feine 2)tuge im Sluguftincrflofter benu|te, Werben wir in Äurjem pnben.

©c^on wö^renb feine« Slufent^alte« in Bafel war bem IRitter, Don ber i^m perfönlic^ wiberfa^renben Ärönfung abge* fel)cn, unb auger bem, wa« er au« be« ®ra«mu« neueren ©c^rif' ten wugte, über beffen Berbalten ju ber fHeformation unb beren 9lngöngern fo manche« 9löbere j\u Ogren gefommen, wa« nic^t geeignet war, feine ©timmung gegen benfelben ju üerbeffern. 3e|t, in ÜKül^aufen, erfugr er oon bcfud)enben greunben au« Bafel, wooon er fc^on früger bottc muntein b^ren, @ra«mu« gege mit einem fcgriftlicgen Eingriff auf bie ßutgeraner um. (Sr lieg ign bureg (Sppenborf wornen: wenn er Sutger angriffe, fönnten fic niegt megr gute greunbe fein. (Snblicg, etwa im 2)Mr^, tarn igm be« @ra«mu« Brief an Saurinu«, ^)ecan be« (SüHeg« oon ©t. 5)onatian in Brügge, gebrueft oor Slugen, ber ba« Ungewitter, ba« oon §utten’« ©eite fegon längft bem (Sra«» mu« gebrogt gatte, jum Slu«brucgc brad)te‘).

®a« au«fügrli^c ©egreiben an ben nieberlönbifcgen ©aft^ freunb oom 1. gebruar 1523 ift, bei aller fegeinbar abfegwei^ fenben ©ef^wügigfeit in SReife* unb Ort«befdgreibungen , boeg burdgau« auf ben Qmd bereegnet, bic ungünftigen ©erüegte ju jerftreuen, wclcge über be« (5ra«mu« ©tellung ju öutger unb feinem Unternegmen im Umlaufe waren. 5)iefc ©erüegte gingen jwar, je naeg ber ^artciftellung ber Urtgeilcnben, naeg jwei ent*

1) %ibgebcu(ft in Igutten^S Schriften II, 6. 158--177.

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(SraSmui’ ^nef an fiaurinuS.

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9egcnQcfe|ten ©eiten unb ©raßiimö njibcrfpric^t i^nen oud^ in beiben jRic^tuncjcn; boc^ fo, bog er nidjt ücr^el)lt, e^ liege ibm meit mcljr baran, fid) üon bem Sßerbadjte reinigen, al^ Ijielte er ed mit fiutl)er, alö iljn ber SJormiirf befümmerte, er fei ungerecht gegen il)n. ®en erfteren ®erbad)t gegen ©raemuö l)atte feine ^Ibreife aus Üömen unb fein langeiä SBcrmeilen in iöafel nerftärft. dagegen füljrt er nun bic litcrarifc^eu SSeranlaffungeu feiner Steife nac^ iöafel auf uub ftellt fid), alö ob er feineiämeg^ bofelbft ju bleiben gebückte. 53ei bem Äaifcr mie bei bem neuen ^^))ft 5lbrian VI. fei er mit nickten in Ungnabe; an ber Sage, bag ^oc^ftraten feine 33üc^cr uerbrannt ^abe, fei fein toat)re^ äöort. (£r möd)te faft glauben, bcrgleic^en ÖJerüd)te merben üon gemiffen Sln^ängern ßutbcr'i^ aus^efprengt, um il)n mit ber (3c^ genpartei ju übermerfen. l)ei6e je^t, oielc Sut^eraner ftrömeu in Öafel jufammen, um fic^ bei ©ras^muiS Slatt)!^ 511 erl)olen. äöollte ölott, fämen alle Sut^eraner uub ?lntilutl)eroner ju i^m uub folgten feinem Statl)e, fo mürbe beffer in ber SBelt fteben. Unter ben uielen gremben, bic i^n befuc^en, möge fid) mol)l mancher Slnl)ängcr ßut^er’^ befinben, barnad) frage er nid)t ; Que^ üon. feinen altern greunben l)abe er feinem um beSmillen, meil er fpöter alli^ueifriger üutl)eraner gemorben, fo menig alö benienigen, bic il)m in ber ^Infeinbung £utl)er’ö ju mcit 5U gel)en gefc^ienen, bic greunbfd)aft aufgefünbigt: fofern nur beiberfeitö noc^ bie gute Slbficftt §u erfennen fei. ©0 fei Jütten menige Xagc alö @aft in iöafel gemefen, ol)ne bag einer ben anbern befuc^t ^abe: unb boc^ mürbe er, menn §utten ju il)m gefommeu märe, bem alten greunbe, beffen fc^öne^ Xolent er noc^ je^t lic^ ben müffe, eine Unterrebung nic^t üerfagt ^enn maö

biefer fouft noc^ betreibe, ge^e il)n nichts an. 3öeil aber $utten feiner itranf^eit megen bie Dfenmävmc nid)t l)abc miffen fönnen, bie (Jradmud nid)t ertragen fönnc, fo fei ce; gefommen, bag fie eiiianbcr nic^t gefcl)en b^ben.

Ueber Sutber'ö Sebre b^bc er ficb biel)cv‘ a\i^ maneberlei (ilrünben fein Urtbeil erlaubt, üor allem, mcit baö eine ©acbe fei, bic üor einen böbern (fird)licben) Sticbtcrftubl gebbtr; auch b^bc er Sutber'ö ©ebriften bei mcitem niebt alle gelefcn, unb bie in fäcbfifcber ©pracbe gefebriebenen (b. b- bie beutfeben) fönne er nicht einmal lefen. Stur fo üiel b^be er l)in unb mieber in ge-

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n. 93u(!^. 10. j^apttel.

brucften 33ricfcn bezeugt, bag er ber SBerbinbung ber Sut^craner fremb fei unb in Sut()cr'ö iöüd^ern ju toenig c^riftlidjc JÖefd^eiben*

1) cit unb jiu Diel 53ittcrfcit finbe. i)abet läugne er uic^t, bag 2iitf)cr auf luanc^e^ aufmertfam gemalt ^abe, baö nic^t tanger Jiu ertragen gewefen fei unb um bcs3 Söo^lö ber S^riftcnt)eit tuillcn gebeffert mcrbcu foüte. 2)a übrigenö fiut^cr fein Sebenfen trage, nidjt allein Äiird)cntct)rcrn, fonbern fclbft ^^irc^enuerfamms lungen ^n mibcrfprec^cn, fo fönne er nidjtö bagegen l)abcn, menn man and) il)m mibcrfprc(^c ; nnb ba fc^t ade SBclt gegen tl)n fdjreibe, märe anc^ bem @ra^nui^ nid)t jn üerübetn, menu er, bem !öefel)le folc^er fid) fngcnb, benen ju miberftreben gefä()rli(^ fei, bei gelegener ßeit feine 0timme über 2utl)er abgeben mürbe, ©ic^ perfönlic^ non beffen §anbel lo^^ufagen, fäl)rt er mit äc^t (Sraömifc^er Ironie fort, fei für i^n einfad) eine 0ad)e ber fc^eiben^eit gemefen. ®a er bei Dielen l)o^en Häuptern al3 ber eigentliche Urheber uon ßuther’ö Sehre, ja alö ber öerfaffer mehrc^ rer Don feinen Schriften gegolten, fo höbe er eine fo h^h^ unmöglid) annehmen föunen, fonbern mic 3Dl)onneö ber Xäufer rufen müffen: 3d) bin e^ nicht. Suther unb feine 5luhängcr nennen ihn fo oft einen fchmad)en ©hriften, ber Don ^eiftlidjen

2) ingen nichts Derftehc: fo mögen fic il)m ^u @ute holten, menn er fid) an ba^S Urtt)cil bemährter SSäter holte, unb Suther'^ Steuerungen mitjumachen fid) nid)t getraue. Sßem ber ^err grö^ fjere @eifte^3gabcn Derliel)cn, ber möge fie ju beffen @htc ge* braud)en; er molle nicht fo hoch fliegen, aber befto ficherer gehen. Sein SSnnfeh fei auf eoangetifche @intrad)t, auf frieb liehe Teilung ber Sd)äben ber Äird)e, mit gleichinägiger Stücfficht auf bie Söürbc beö ^riefterftanbe^, mic auf bie Freiheit beö chriftlichen S^olfeö, gerid)tct. S33er bicfcö SBcge^ gehe, bem merbe beö ©raömuö §anb:= reid)ung md)t fehlen, ßiehc aber einer Dor, lieber allcö burch= einanber /\u merfen, ber merbe gemiß ihn meber jum Rührer, nod) pm Begleiter hoben. „Sic menben (fd)lief3t er) ben trieb beö heil, ©cifteö Dor. So mögen fie benn mit gutem @lücf unter ben Propheten tan,^cn, menn ber ©eift bcö §errn fie angc^ mcl)t l)ot. älUch l)ot biefer (SJeift noch oicht ergriffen: mirb einmal gefd)cl)en, fo merbe id) Diellcicht auch Saut unter ben Propheten l)ei6en."

Sin biefem ©raioinifcheu Scnbfchrcibcn mußte unferem 9tittcr

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ßppfnborf qI§

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aücö j^mribcr fein: bic ironifdje ßaltfinnigfcit flcflcn eine ©Qrf)e, bic it)u in glammcn fc^tc; bic Dorgctncnbctc llnpartcilic^feit, ipcic^c bic Parteinahme nur fd)lccf)t nerbedte ; bie Porficht unb gvicbenöliebe enblidj, bie aber mit bcö ©ricfftcUcrö 33erja(^tt)eit unb 0chioachhcit für bic (Großen unuerfennbor 5ufammcnhinfl ^aju fam nun, ba§ bic ©teile, in U)cld)cr §uttcn’ö gebadjt mar, ücrfd)icbenc h^i^^Ü^eiflichc Unmal)rf)eitcn enthielt, burd) melchc @raßmu5 feine ^anblun^ömeife, bei ber er offenbar fein gutes ©etoiffen hatte, ^u bcfchönigcn fu^tc. @S mar nicht mahr, bog glitten nur menige Xagc in 33ofcl gemefen ; nid)t mahr, bag nur ber Dfenpunft beibe SJMnncr auSeinonbcrgchaltcn; nid)t mohr, baß cS nur bei $utten geftanben hölt<^ (fofern mon hierunter ücrftcht, maS er mit ©htcu hötte tl)un fönnen) ju (SraSmuS ju fommen. ©laubtc biefer uieflcicht gar, Jütten merbe cS ols eine ©djonung ertennen, meint er nicht öffentlid) erjähltc, mie er ftch beffen 33cfuch oerbeten, fo oerrcdjnctc er fid) fchr. 5tm britten Xagc fchon, nad)bcm ihm baö ©enbfehreiben ju ©cfid)t gefom* men, mad)tc fich §uttcn baran , in einer auSführlid)cn ©treit* fchrift mit ©raSmuS megen alles beffen, maS er fomohl pcrfönlich, mie als ^Inhängcr ber SRcformpartei längft gegen ihn auf . bein 5>cr^cu hcitte, enblich 5lbrcd)nung ju halten. oerjog fich

bereu PoUenbung bis in ben anbern äJionat: hoch erhielt ©raS= muS zeitig genug 9Zachricht, inbem namentlich ©ppenborf, ber 5mifd)cn ©afcl unb 9)?ülhaufcn hin* unb herrcifte, feine ©rünbe hatte, ihn oon |mttcn'S übler ©timmung gegen ihn unb üon bem brohenben Eingriff in itenntniß ju fchen.

tiefer 5cinrid) oon ©ppenborf, beffen oorgeblichc fRittcr* fchaft jebod) SDMnncr, bic ber ®crhältniffe funbig fein fonnten, in Slbrcbe ftellten, ein fal)renbcr, ocrfchulbeter Literat, ber, erft 5Uthulid)cr §auSfrcunb bcS SraSmuS, fid) bann an Jütten gc^ hängt hfiltf» fpiclt in biefem gan^^en Raubet eine minbeftenS ^mei» heutige SRoUc. 2)aß er, mie ihm ©raSmuS ©chulb gab, ben ©treit abfid)tlid) herbei^uführen gcfudjt unb ^u biefem fid) 3t^c^*

^üngigfeiten erlaubt, bem ©raSmuS bic Erbitterung ^utten’S, biefem bic nad)träglid)cn Erbietungen bcS EraSmuS ocrfd)miegen habe, möd)ten mir bem lehtern nid)t ohne meitercS nachfprechen. "3)aß er aber fpätcr, als .^utten mirflid) fich baran gemacht halle, gegen EraSmuS 3U fd)rcibcn, bieß als äJiittcl 311 benupen fud)le, VII. 30

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n. 10.

um bcm ©vaömuä ober feinen f^^eiinbcn @elb Qb^upreffen, mirb fomob^ nuö feinem ^enel}men bei biefer ©eleficnt)cit, alö auö einem fpätern gallc mabrfd)cintid), luo er ben alten 3Rann, ber ibm bei ^cr^og @eorg ein fcblccbtcö ßcwgnift gegeben botte, rec^t mie ein §erfenrcitcr überfiel. (Sra^mu^^ gebt nur barin ;;u meit, ba6 er biefe §(bficbt ber ©clbcrpreffiing ebenfo auch $uttcn un* terlegt. ®ie Unfläterei einc^o iiartböufcrprior^ mochte biefeni eine miütommenc ©elcgenbcit gemefen fein, feinen ginan^^en auf? i^ubclfcn : in bem 0trcitc mit Sraömuö mar ibm ein heiliger (£rnft um bie 0acbe, unb biefen @rnft atbmet feine 0(^rift burd)Quö; menn er ou^, alö biefe fertig mar, gefebeben liefe, bafe ber gefeböftige ^Inbänger fie p einer ©elbfpeculation -^u benu^en fu^te.

Huf bie 9^lacbrid)t, bie ©ppenborf bei feiner 5meiten Söieber? febr oon SWülbaufen mitOraebte, bafe §uttcn, über bie erfahrene ßurücfmeifung erbittert, an einer ©djrift gegen (Sraömuö arbeite, entfpann ficb junäcbft ein Sriefmecbfcl smifeben beiben. 9lad) be^ (Sra^muö ^arftellung mären feine greiinbe, inöbefonbere Söeatuö IRb^manu^, gemefen, bie il)n gegen ‘feine eigene Hnfid)t ju bem ©djrittc berebeten, einen fcbriftlicben 0übneuerfnd) bei Jütten ju mad)en: fo atlerbing^, mie er benfelben machte, tonnte er miffen, bafe ber SSerfueb nicht 511m gicic führen mürbe, ^urdj §einrid) ©ppenborf, febrieb er ihm am t)on $uttcn’‘3

Unmillcn unb ber Strcitfd)rift gegen il)n, mit melcber ber fRitter umgeben foUc, gehört. 2)arübcr müffe er fid) munbern, ba feine greunbfebaft für Jütten unoeränbert geblieben fei, menn and) für ben Hugenblid bie Umftänbe ihnen ben frühem oertrauten Umgang unmöglich machen. 2öa^ neulich, mäbrenb §utten'i$ Hnmefenbeit in 33afel, j\mifd)cn ihnen Oorgefalleu, fei feine 3^=' rücfmeifung gemefen. Vielmehr höbe et oon §utten nur ba\J= jenige ficb freunblid) au^gebeten, maö er an beffen 0tellc oou felbft gethan halben mürbe: bem grennbe nidjt, ohne 9tupcn für fid) felbft, burd) einen 53efuch 35erbrufe ju^u^iehen. Unb bod) habe er ihm nachher burch ©ppenborf fagen laffen, menn Jütten bie Ofenmärmc miffen fönne, bie ihm unerträglich fei, fo foUc fein 93efudh ihm nicht unlieb fein, ^cleibigt alfo habe er Jütten nid)t, meber jeht nod) fonft, üielmehr, um oon SäJohlthoten nicht ju reben, ihm biö auf biefen Xag oon ^)er5en mohlgcmolU.

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@raSmu6’ St^reiOen an ^uttcn. 467

möchte i^m tDÜnfc^cn, boß er feinen fc^liminern 5^inb l^ätte alö ben ©raömnö, ober bog er befäge, toaiJ biefer geinb il)m loünfdjc. SBielleic^t locrbc er geflen ign aufgege^t uon iJenten, bic §uttcn'^ geber jur Sättigung igrec^ |)ciffeö gegen @rüömu<? migbrauc^en möchten. SBoUc ^ntten biefen luiflfagren, fo möge er fürö erfte bebenfen, bag er ci^ gegen einen tguc, ber cii ni^t um igu uer*= bient gäbe; bann, bag er feinen eigenen ärgften geinben, bem ^oegftraten u. 2(., feinen grögern gefallen tgun fönne, alö gegen @raömnö ju fegreiben. ©egon infofern bürfte e^ ber Äluggeit gemäg fein, menn |)uttcn, ege jum mirfliegen Äricge fomme, üovger in einem ^rioatfegreiben igm mit freunbfcgaftli^er Offen* geit mittgcilte, maö er gegen ign gäbe; Jütten mügte gan^ ein anberer gemorben fein, alö er egebem gemefen, menn bem @ra^= miiö niegt gelingen foUte, igm bnrcgaiiö gcnugjutgun.

@0 mcit mar bae ©egreiben bcö @ra§miiö für feinen 3l^ccf gan^ mogl bereegnet, ben ^mar fcgmerlicg erreiegt gaben mürbe, ba ^mifegen beiben 2)^innern fieg alljuoiel ©toff 511111 ©treite angefammelt gatte: nun aber nagm e!^ eine SBenbung, melcgc bem rci5baren Jütten bic geber gegen ©raömuö, menn er fic noeg nidgt ergriffen gegabt gatte, in bic §anb brüefen mugte. kluger ber $Hü(fficgt auf bic alte greunbfegaft unb auf ben 3ubel ber geinbe, fägrt niimlicg ©ra^muö fort, müffc aueg bic fRüeffiegt auf feinen eigenen fRuf ben ^Ritter oon feinem JtBorgaben 5urücf* galten. 9tid)t allein bag man einen Eingriff auf ben fcgulblofen greunb inguman finben mürbe: ,,aud) an foldjen", fegreibt er, „mürbe oiellcicgt niegt fcglen, bic, in (Srmögung, mic beine ©aegen jegt ftegen, argmögnen möcgten, e-8 fei bei bem gaii5cn 33eginncn nur auf 33eute abgefegen; unb mare fein 8ä3unber, menn biefer Jöerbaegt bei Dielen $lag griffe, OI0 gegen einen SanbfliKgtigen , ®crfd)ulbcten unb 511m äugerften SRangel an allem ^ftotgmenbigen ^eruntergefommeucn. ^ir ift niegt unbe* mugt, melege ©agen über bieg umgegcn; and) mcigt bu mögt, marum ber ^fal5graf bir 5Ürnt unb ma^ er bir brogt, ber ja an beinern Wiener bereite bic Xobeöftrafe Doll5ogcn gat. ^egmegen mödjte id) nid)t, bag bu meine Erinnerung bev gurdjt ober bem böfen EJemiffen 5ufcgriebcft : ba fic Dielmcgr uon ßiebe 511 bir aiK^’gt, unb ieg bamit megr für bid) alö für mieg forge. ®u magft fo gegäffig fegreiben al^ bu millft, fo mirft bu fürd erfte

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468

II.

10. Kapitel.

tpcbcr mit einem folc^cn p t^un Ijnbcn, bem bergleic^en fc(^tungcn iingemo^nt finb, noc^ mit einem Stummen. *^ann aber, gefegt and), ic^ febmiege, mirft bu boeb beinern D^ufe übler tbun alö bem meinigen. ®arum fieb mobl ^cin Jütten, ba6 bu bicr mehr beine Älugb^it 9latbe /^icbeft, alö ber 2cibcn= fd)aft leiebtgefinnter SD^enfdjen folgeft. iiebe mobl. 3cb ermavte beine Slu^forbcrung" ^).

darunter uerftanb @ta§muö bic üorläufige Darlegung non ^uttcn'ö öefebroerben über ibn in einem ^riuatbriefe, bie bann auch, mie er crjäblt, in einem febr tro^igen Schreiben erfolgte, bem aber nach ^utten'iS 3lnfünbigung binnen brei Xagen febon bic Strcitfdjrift felbft (oorerft ^mar noch ungebrueft) naebfommen foUtc, üon ber ein furjer 3n begriff mor. (Sinftmeilen bcant= lüortete ®raömu§ baö oorlöufigc Schreiben, inbem er ficb $dnft für ^unft auf ^utten'ö Söormürfe cinlieg unb ibm nodimalj? bemerflicb ju mad)en fuebte, mie nicht minber in beä S^itterö alö in feinem Sntereffe liege, iljren Streit in ber Stille abju* machen. Sd)limme mar aber, bag bic §uttcn^fchc Streit^ fd)rift honbf^riftlicb bereite burcl) oiele .^änbe in iiöafcl gegangen, je^t aud) nach 3^^icb öerfenbet mar, fo baß ©raömuö üon britten ^4^crfoncn oernabm, ma^ Jütten gegen ihn üorgebraebt habe. So ertlärte auch biefer felbft in ber 5Intmort auf beö ©raömuö ämcitciS Schreiben (in bereu milbcrcm Xonc biefer eine SBIrfung üon bem mittlcrmeilc erfolgten gallc Sidingen’d ju erfennen meinte), ba» äKanufeript fei bereits an ben Sudjbrudcr ab* gegangen; hoch menn ©raSmuS ba^u febmeigen rnoUc, fo foüc jmifchen ihnen gricb unb greunbfebaft befteben mie 5UUor. 3c^t cnblicb fam eine 5lbfcbrift auch ^cm ©raSmuS ju, aber unücr* fcbloffcn unb unücrfiegelt ; unb nun legte ©ppenborf ücrgeblich it)m unb feinen 5^cunbcn nabe, ben Eingriff bureb eine ©clb^ fumme abäufaufen. ®cv SSerlcger ber ©raSmifdjcn SSerlc, Sobaun groben, ^mar bot 50 gi., ber 2)oml)err Johann ^obbeim, im Sd)recfen um ben 'greunb üon Äonftanj b^^i^üi^crgccilt, fpracb üon 70 gi., um bic eS fid) b^inble: aber ©raSmuS moUtc nid)t bei* (Geprellte fein, menn bic in Slbfcbriftcn fchon üerbreitete Schrift, mie oorauSjufehen mar, nachher boeb erfebiene; er gab niditS,

l) 6ra§mu§ an Jütten, 26. SJlcti 1523. §uttcn’§ Schriften II, ©. 178 f.

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jwijd^en ßraSmuS unb l^uHen. 469

unb bictt aud) feine greunbe ob, fic^ oiif ben ^anbel ein;^uliiffen. ^V^itUertneile l)attc ftd) Jütten Don 9}?ül^aufen nadj 3“^*^ öcben, üon tno er nod)malö an ©raöinuö fc^ricb, baö ®efc^e{)enc tnollen fie auf bie l)omerifc^e Hte (ben ®ömon unbebac^t un^eil^- noIIer X^alen) fd)iebeii; inöfünftiQC (fo lägt (Sra^muö ign fic^ mi^Sbrüden) njoüe er fidj norfic^tiger galten. 5Iucg bezeugte er bein @ppenborf, biefer gäbe bic SSerbreitung» ber ©egrift njiber- ratgen, b. g. ttjogl eben, igm 3ugerebet fie fi^ abfaufen 3U laffen. ^a bieg miglnngen mar, fo reifte nun (Sppenborf, fo beriegtet (Sraömuö, naeg ©tragbiirg unb berebete ben 53ucgbruder Sognnu ©egott, ber fegon .oon früger ger mit Jütten in SBerbinbung ftanb, ben 2)rud ber 53efcgmerbefd)rift 311 übernegmen, ben er noeg oor ber SJiitte beö 3uli oollenbete*).

©0 roeuig bem ©raömuö, unb 3mar nid)t erft feit ^uttcn'ö ^^lufentgalt in ^afel, fonbern fdjon feit beffen Briefen oon ©tcdel- berg unb (Sbernburg au§, ein Eingriff oon feiner ©eite unermartet fein fonnte: fo fanb er fieg bod) burd) bie5lrt, mie berfelbe auö-* gefügrt mar, betroffen. 3n gait3 ^cutfd)lanb, fdjrieb er an ^ird* geiiner, gätte er fo oiel Snguinanitöt, Unoerfegämtgeit, (Sitelfeit unb C^egäffigfeit niegt oermutget, alö bie @ine ©egrift oon ,^ut^ ten entgälte. @r fag in biefem einen llnbantbaren, ber igm bie micbergolten @mpfeglungen an ben (Sarbinal oon ltD^ain3 unb anbre gürften, bic egrcnooElcn ©rmögnungen in ißriefen unb ©egriften, bic moglmoüenbftc ©efinnung, nun fo ocrgeltc. @r fdjmanltc, ober tgat boeg alö fegmanfte er einen Hugenblid, ob er antmorten follc: mic er benn aud) feine basier greunbe mit ber, feiner 5ßerfid)crnng nad) in fcd)ö Xagen oollcnbctcn ©egen^ fegrift überrafegte, bic er einen ©d)mamm, 3ur 5lbmifcgung oon ^uttcn'ö §lnfprigungcn, betitelte 2).

^uttcn’v^ Exj)ostulatlo ift eine, im ißergältnig 311 ber SUiegrs 3ogl feiner übrigen ©d)riftcn 3icmlid) umfangreiege Arbeit, unb 6ra‘3mii5 mollte feiner afiatifd)Cii fRebefüllc mit lafonifd)cr Ä'ür3e antmorten: babei mürbe aber feine Spongia beinage noeg cinmol

1) Ulrichi ab HntU*n cum Eraömo Roterodamo preabytero th<*o- logo Kxpostulatio. ber beutfdjfn Ueberje^ung Se^riften II, S. 180—248.

2) Spongia Erasmi adversus aspergines Iluticni. ©benboielbjl e. 265-324.

470

II. ^ud^. 10 Kapitel.

ftnif. 00 luolltc er nurf), §utton’<J ßcibcnfdjaft cjcflcnüber, fidj mägigen, ftd), loic fd)ou ber Z\ki feiner 0d)rift nnjeigt, mc()r nur abmegrenb ocrgaltcn: aber bie ^^Ibwcgr führte ign SluöfäUcn, bie um fo fränfenber maren, je megr fie fieg gegen ben ß^garaftcr unb SBanbel bcö ©egncrö richteten; um fo grau^ famer, ba fie fic^ beö 0pottcö über fein Unglücf niegt enthielten, unb baburd) niegt fd^onenber mürben, bag fie fieg meiftenö in bloge Slnfpielungen oerftedten. iö3ir fnd)en uon beiben ©egriften nach' unb jum nebeneinanber eine Sßorftellung ^u geben.

®cibe beginnen mit einer ?lu^einanberfe^ung ber S^eran^ laffung beS 0trcitcö, inbem§ntten, ber @ra^iyifd)en ©ntftellung in bem 53rief an ßanrinnö gegenüber, ju erhärten fudjt, bag beö ©ra^mnä ^Benehmen bei feinem Aufenthalt in 93afcl mirflid)c !0cleibigung cine^ treuen greunbeS unb S^erehrcr^ gemefen fei; mogegen ©ro^muö ermeifen ju fönnen glaubt, bei jener ©clcgens heit bie ^flidjtcn ber greuiibfcgaft unb ^umanitöt in feiner Sßeifc üerleljt jn halben. SDiefer 33cmeiö gelingt ihm ni(^t; beim, menn man aud) fehr mohl einfiegt, bag ihm in feiner (Stellung, bei feiner 5)enf= unb ©emüth^art, eine 33erührung mit §uttcn in jenem nicht ermünfdjt fein, oielleid)t felbft nach=

thcilig merben fonnte, fo mar ja eben l)ic^ ein Jall, mo eine höhere ^fliegt bie Abneigung ju überminben unb bie Älnggeitös riieffiegten bei 0eite 5U fegen gebot. Söenn §ntten bem ©ra^mu^ ^nrnft, ni^ht anberö al-o mie ein gögere^ Söefen gäbe er ign ftetö oeregrt, gegen jeben feiner geinbe fei er immer fogleicg ju gelbe gezogen, unb jener gälte ign jegt niegt einmal einer Unterrebung mertg, ücrfdjliege igm au§ gnrdit oor ben clenbeftcn SUfenfdjen bie 5;gür: fo gatte @raömu^ niegtö uor5ubringen, mag ber SBir* fnng folcger SSormürfe begegnen fonnte.

Alg eine Art oon 0eitenftücf, alg eine uon §uttcn erlittene ^ränfung, über bie er aud) üicl Aufgebeng gättc mad)en fÖnnen, fnd)t ©ragrnug eine gnbigcrction geltenb ju mad)en, bie fieg Jütten oor hagren gegen ign gatte 511 0d)ulben fommen laffen. gm gagr 1519 gatte ©ragmng ben oben ermägnten ©rief an ben @r^bifd)of Albred)t uon SDfainj gefd)rieben, in mcld)cm er ßutger, ogne beffen 0acgc üertreten 5U moUen, gegen bie ^ßcx^ fegerung oon Seiten ber lömener Xgeologen in 0cgug nagm. liefen ^^rief gatte er in Umfcglag an .gutten gefegieft, mit bem

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^utten’S 3Bc|d)tt)erb«j4rift »ibfr ßroSmuS. 471

Vüiftroflc, bcnfclbcn, je uod)bem er es? paffenb finbe, ju überleben ober 311 ocruidjten. 3tatt beffen lieg Jütten ben ©rief eilenbö bruefen. iWatürlirfj niacgte er ein Sluffcgen, bad toeber bem ©r^* bifegof noeg bem ©ra^rnuö lieb fein fonnte. ©rftcrer, bem erft ein ©ierteljagr fpäter auf feine S^iargfrage ber gnnbfc^riftlicge ©rief, 3crriffen nnb üon ber ^rneferei befcgmn|jt, 3U $anbcn fnm, befc^merte fid); ©raSinuö berichtete ihm 311 feiner @ntfd)uU bigung, mie 3ugegangen, nnb ftelltc, aU er $utten mieberfah, biefen 3ur9^ebe, ber nun mit befchämtem Sächeln (er3öhlt @raös muö) bie Xh^'tf^^ch'^ 3Uflcftnnb, aber auf bic 9iachläffigfeit ber ©chrciber fchob. @inc ädht §utten'fd)e 3nbiöcretion , mie gefogt, 311 bem ^cr ©ad)c ßuther'ö ©orfd)ub 3U thun, unb mohl

and) ben @roi3mneJ uormärtö 311 fehieben; biefem bcgreiflichenocifc höchft unangenehm: aber mit ber Äränfnng, um bereu millen ie^t glitten mit il)m red)tctc, nicht 30 Dergleichen.

^od) bie perfönliche ©elcibigung, fährt. Jütten fort, mödjtc er mol)l mit Stinfchiucigcn übergangen hoffen, tuenn nicht immer mehr and) bc‘5 ©ra^miiö 5lbfall Don ber©ad)e bcö ©Dangelinmd fid) hcrau^'ftellt hüHc, oni bciitlichften in bem ©rief an ßaiu rinuö. 3n biefem liege min unläugbar Dor, bag er entiueber feinen ©inn fdjinählid) geänbert jefct and

3J^enfchcnfurd)t fchmählid) Xriebfeber

folchcn ^bfollö fein? fragt fid) glitten. 9Zeib auf .Sutl)cr'd 9tnl)m? fleinmütl)ige furcht Dor ber (Gegenpartei? ©eftechung? Ober tyittc fid) (Sradmud mirflid) eined anbern übcr3eugt? 5ür bic tieffte Duelle bed Ucbeld fiegt |)uttcn jebenfaHd ben Äleinmuth an, ber igm üon jeher an @radmud migfaüen h^^l- 5)ie ©erfchiüörung fo Dicler dürften gegen bie ©aege bed ®Daus gelinmd, meint .Jütten, lägt ign am ©rfolgc Dcr3meifeln, unb fo finbet er rätl)licg, fid) Don berfelben lod3ufagen, unb fieg um bic (Gunft jener gürften auf jebe Söeifc 3U bemerben. grcunblicg üon ihnen anfgenommen unb belobt, mill er fic boeg ber ©iegergeit locgen erft burd) einen Dienft fieg uerpflicgten ; ID03U igm am paffenbften fd)eint, luad jene längft üon igm üerlongtcn, gegen bieSutgeraner 3U fd)reibcn. X)ag er bamit gleicg üon Einfang fo gart auftritt (in bem ©rief an ßaurin) ift barauf berechnet, biefe 311 fd)recfen, bas mit fic fieg um fo eger ergeben foHen; beim gelänge cd, fie gic3U 3U bringen, fo märe igm üicl 9tugm unb (Gunft gemig. Slber

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II. ®u(^. 10. ÄQpitel.

feine Slec^uunfl, meint Jütten, föimtc i()n täiifc^cn. bie

SJWc^tigcn fo cijricj um feinen iöeiftanb luerben, bemeift, bn§ boc^ nod) @efal)r bei ber 0U(^e ift: für ©raämiiö @efaf)r nid)t für fein Seben, bod^ für feinen fRut)m. ßäuQft t)at feine SBaiu belbarfeit SJ^ifefaHen erregt; boc^, fo lange fie fic^ auf S^teben^ fad^en bejog, l)at man fie feinen übrigen ^^orjügeu ju @ute gc^ galten. Söenn man aber nun fe^en toirb, in n>cld)er bebeutenben Angelegenheit er feinen 'Sd)mad)hciten unb Sfleiguugen na^gibt, mie gro6 toirb bie ©ntrüftung fein !

0ofort geht Jütten auf bie einzelnen fünfte ein, über welche et ben ©ra^muö, Wenn er ihn in S3afcl ju fprcchen bc= fommen h^H^/ münblid) jur fftebe geftcllt würbe,

nun fchriftlich unb öffentlid} jur fRebe fteüt. 3^^ pub fie mehr pcrfönlicher ^rt: bag Sraömuö in einigen feiner neuern ©d)riften |mtten'i§ mißliebige Erwähnung getljan, beffen greunbe gefdjmäht, beffen geinbe gelobt habe. 0o in einem Schreiben an ben Äe^ermeifter ^ochftraten, in weld^em @raömu$ ber bit^ tern Briefe oon fRcudjlin, iRuenar, Sufd) unb Jütten gegen benfelben mit ber biplomatifchcn SBenbung gebacht hotte, er höbe fehr bebauen, baß §od)ftraten burd) oorau^gegangene gleichfalls höchft bittere Schriften jene ju foldhem Unmaß gereift unb ba* burch ehrenwerthen 9Rännern Einlaß gegeben l)obe, ju benfen, jene bittern ^inge feien il)m nicht unoerbient gefügt worben. §ier ift nun Jütten außer fid), gleidjerwcife barüber, baß fein 3orn gegen ^od)ftraten, ben ©raSmuS einft gebilligt, biefem je^t ju oiel ift, wie über bie glimpflid}e, beinahe fchmei^elhafte Art, in berSraSmuS mit einem ©d)eufal wie ^od)ftraten, baS er fclbft früher für ein foldheS erflärt hot, ju SBerfe geht, ©ieht mon ben angefdjulbigten 33rief felbft an*), fo pnbet man, baß @ras^ muS bem ^ochftraten in ber feinften Slrt, unb ^um Xhcil mit füßen SBorten, hoch höchft bittere SSahrßeiten fagt; ob er etwa, fragt er fefet ben fRitter, auf gut §uttenifd) fo an jenen hotte fchreiben foHen: Unflätige ßloafe, bu crfredjft bich, große aRdn* ner mit beinen ©ch . . . büchern 511 befchmihen? Sn oielen gäU len freilich Weiß ©raSmuS feine nad) allen ©eiten hin Oerfchwens beten ©djineicheleien nur burd) ©pipßnbigfeiten ^u red)tfertigcu.

1) ^Ibgebrudt in ^uttcn’S ©(Triften 1, ©. 303—306.

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i^uttcn’s 53ff(!^|ö}erbci^nft ttibcr 6ra§mu§. 473

unb aud) luir fönncn cinc^ wibrigcn ©inbnicf^ uoii bnifclbcu um ujcnicicr cnud)rcn, al^ tuir mciftcnö aiii3 fonftigcn ?(cuge* rungcn ©ra^mii^ lüiffcn, bog er über bie fo (^cfd)mcidbcltcii . '^crfÖn(icf)feitcn für fiel) c^anj anber^ bad)te, @r ben (^ruiib^ fafe, ba6 mau fcinc^')ücö‘3 c^cbaltcn fei, überall uiib immer bie 2Ba()r^eit ju fabelt, ja in mand)en göden fei ^flic^t, fie üerfc^meigen ; §uttcn meijj feinen 3lbfcbcn üor einem feieren (^rnnbfa^e (bem er alö ^umanift felbft bi^meilen gebnlbigt bötte) nicht ftart genug au^pbrüefen: burd) biefe 0tarrl)cit aber b^tte er ficb anö allen 53erbältniffcn ber 2öirflid)fcit berau^gefe^t; mäb- renb @raämuö, um gegen biefe in feinem S53irfen auf feiner 0eitc ,^u üerftofeen, nicht feiten SBabrbeit unb SBürbe auö ben Hugen üerlor. ©o fteben fid) in btefem ©treite immer ^toei ganj^c ÜJ^enfeben, ^mei gefcbloffene ©tanbpunfte entgegen, bereu jeber feine einfeitige iöered)tignng l)öt, aber eben bnrd} biefe ©infeitigs feit ber ©ebulb unb bem ©d)icffale ücrfällt.

^)ocb nicht nur geinbe |)utten'ö unb ber fchönen Söiffen* .fchaften follte ©raeinu^ gelobt, and) greunbe beffelbcn ange^ fd)tüär-^t halben, oor allem ben bamal^ fürjlich oerftorbenen 9icud)s lin. ^ier mad)t nun mirflich §utten auö einer gliege einen ©lepbonten. 2)ajj (Sraßinuö im .^ebräifchen dapito über ben alten äWeifter geftellt, mirb auö feinem 9teib unb 5(erger barüber, ba§ man 9'lcucblin unb ibn alö bie beiben iUugen ^eutfcblanbsJ ^nfammen^uftcllen pflegte, bergeleitet; über bie obneß^oeifel ganj mabrbeitögemäge 9lotiä aber, bie Sra^ntn^ bem ©r^bifchof Oon S^odbeftcr in einem 53riefe gab, ba§ IReuchlin bei ber Oorüber^ gebenben Söicberfunft bcö oertriebenen .^er^^ogö Ulrid) im ©om* mer 1519 einigen ftuttgarter iöürgcrn, benen er erft oerfprochen gehabt, mit ihnen nad) ©güngen au^^^muanbern , nad)ber nicht SSort gehalten höbe, toirb er mie über bie febmär.^efte ^-öerläumbung meitläufig unb brobenb ^ur fRebe geftellt.

®en Äern ber ^utteirfdjen Auflage gegen ©raömuö jebod) bilbet bie ©tcllung, mclche biefer £utber nnb beffen ©ad)e genommen batte. 0 beö umoürbigen ©d)aufpielö! ruft l)ier|)ut5 ten auö. ®ra^mud bat fid) bem ^apft ergeben. 3^on il)m bat er ben Tluftrag, bem ^Infeben be^5 apoftolifd)cn ©tubles nicht-5 gefcheben ju laffen. ^)aö ift mie |)erculei^ im 3)ienfte ber Ompbale. SBelchcn uermorfenen, uerächtlid)en aJienfchcn bat er fich bamit

474

II. $u(^. 10. j^apttel.

in !Dicnft (ict^cben! Unb er ()ot fc^on ben Äricg eröffnet, fd)on eine SBunbe nerfe^t. )s|[Belc^c Unnuanbluni]! „%n'\ rebet il)ii c^utten an, „ber nod) jün^ft bie De^rabenc grömmit^feit micber au$c;rub, ba§ ©uanqelium qu3 bcni 2Bin!el an ba^ ßid)t jurürfs . fiU)rte unb bie iRclißion luiebcr^crfteüte , bii Icif)ft je^t -^u bereu ßcrftöriiuß, Sßertreifmnc;, S^licberiucrfunfl, SSernic^tuufl beine $anb." 0b er nod) bei ©innen fei? Um bic@rünbc folc^er ^anblunt;^^ mcife befragt, gebe (SraSmuö felbft nic^t 3Ki6falIcn an ber ©ad^c, fonbern ba^ Einbringen eineö EUeanber unb ©lapion, cine§ EBiU l)elm uon EJ^ontjoie unb ^erjogö (SJeorg uon ©ac^fen an; felbft ber Äaifer, bringe er nor, f)abe if)n jur SSibcrIegung £utl)cr’ö für ben (^ceignetften gel)altcn. „SDa fiet)t mair\ ruft Jütten ^ i()m ^u (unb biefe Eöorte trafen eine ber üerberblid)ften ©c^inäc^en bcö ©raömud), „ba fiel)t man, mie bir im>I)lt^ut, bid^ titelt, tuenn große Herren bid) grüßen, bid) Oertraulidj anreben, bir il)rcn großartigen ^unft, ißre fürftlid^en hoffen uormac^en, in ißrem ^ofprunfe mit frehoiUigcn ©naben bir entgegenfommen. Eöäreft bu nid)t lüfteru noeß folcßem ßätten bir jene

oergeblicß gallen geftcUt, unb nie ßötte man bid} oon unö ob= loenbig gemaeßt, menn bu nid)t eine große @ßrc für bieß bariii fänbeft, baß bic oerlaffcnc römifeße (Suric auf bie Elacßri^t oon beinern Uebertrittc loic oon feßmerem 2)rude toicber oufatßmct."

^oeß für feine 5^rcue gegen ben römifeßen ©tußl gebe (Sraömuö ben ©rnnb an, baß bie römifeße Äircßc bic fatßolifcßc Üird)e fei. „3cß mill auf ber ©teile oerloren fein an Seib unb ©celc", ruft ßier Jütten au^, „menn bu nidjt feßr gut meißt, melcß großer Unterfeßieb jioifdjen ber fatßolifcß apoftolifeßen unb biefer römifdjen ÄUrd)c ift." ^o märe bic göttlicßc apoftolifcßc ©cßrift, in loclcßer ftünbe, baß ju fRom eine Äircßc fei, bic bet übrigen ^aupt fein unb einen E3i)cßof ßaben foUc, ber bic anbern tprannifiren, baö (Suangelium abänbern bürfe; ber bei oUct ©d)led}tigfcit ßcilig genannt merben müffe; bem cd jufteßc, über bie Eieicßc ber Eöclt .^u Oerfügen unb ben Fimmel ju oerfaufen? ©raömud fagc, jeber grommc fei bem Zapfte ßolb. 3m ©egen- tßcil, meint glitten, fein grommer fönnc bemjenigen ßolb fein, beffen ganjed SSefen ©Icidncrci ift, mit ber feine moßre Srömmic^* feit befteßen fann.

Ein ßutßcr fe^c ©radmud fein ßodjfaßrcnbcd EBefen unb

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^utten’3 Sejd^toerbejc^rtft toibcr @ra§mu3.

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feine ma^lofc 0d)iiiäl)fiicf)t ^lüein fclbft tt)enn il)m biefe perföulid) ^ur fiaft fiele, enti]e9net |)utten, fo fliiu]e baö bie »^ac^e beö ©üangeliumö nid)tö an. 5lud) au ciiv^elneu 2e[)ren beffelben möge @raämii'3 immer mäfeln. 5?ragc man if)u jebod) aiifi^ ^emiffen, maö C‘5 buc^ fei, ba^ ben $apft an iiutl)er fo fel)r üerbriege, ba§ er i^u burc^au^^ tobt ^aben molle ? fo merbe @raömii3 felbft antmorten muffen : baö, baf5 er, nid)t /^uerft, bod^ am gemaltigften ber päpftlidjen Xprannei fid) luiberfefet ()abe; bag er ben aWenfe^enfapungen it)r Slnfeben entzogen, ben päpftlidjcn Xrug ber 2öelt offenbar gemadjt, bie a)?ad)t ber iöullen üernidjtet, bem Slb* laß iinb äbnlidjen 0piegelfcd}tereicn Teutfdjlanb ocrfd)loffen b^^be. ^)iefe^)ingc babc er, §utten, febon üor ßutber befämpft ; fiutber fei meber fein ßebrer getoefen, nod) fic ©inoerftänb?

ni§, fonbern jeber treibe fein ^icfd)äft für fid}: aber lucil ein* mal ©itte gemorben, bag jeber Jeinb ber päpftlicben 3^uingl)crrs febaft unb greunb bei^ ©oangcliumö Sutberaner l)c\\ic, fo laffc er ficb lieber bureb biefe Benennung Unrcd}t tbnn, um nid)t bureb aiblcbnung berfclben ben ©d)cin erregen, alä moUte er ba^ Sefenntnig ber ©aebe ocrlängnen. 3n biefem ©inne aber fei auch ©raömnö ein Sutberaner, unb um fo mel}r, ba er be* rebter aU irgenb einer, ebc noch bie SSelt oon Jütten ober fiutber etmaö gemugt, gan^ auf baffelbe bingearbeitet gäbe. 2)aüon moUe er i\mar nichts mehr luiffcn; aber, menn nid)t ber grögere^ ^bcH feiner ©ebriften oeniidjtct merbe, müffe jeber, ber auf bie ©aebe felbft, mib nid}t auf SÖ3orte ad)te, ibn ^u biefer Partei redjuen, bie er jept befämpfe, bie aber .glitten, and) gegen il)n, oertt)cibi« gen merbe. lüe^tereö tbue er ungern: ,,bod)", erflärt er, „meil bu lieber bei jenen fd)maropen, alö mit mir ber ^4^flid)t getreu bleiben luillft, fo mug icb’ö leiben, bag mir uiiiS trennen. Üüiagft bu bort ein bebaglid)eö Seben fül)rcn, mo groge gerren finb, bie bir ÖJe- fdienfe mad)en, unb menn bu gegen fiutl)er fd}reiben millft, 33iö= tl)ümcr für bid) in ^ercitfd)aft galten unb fette ^jrünben bir abtreten: id) miü I)ier in ÖJefal)r ftel)en, mo ernfte, red)tfd)affene, mal)re, lautere, beftänbige unb freie 9}?änner finb, bie fid) burd) feine ©efd)enfe bemegen, burc^ feine @l)ren umftimmen, burc^ feine @efaf)ren fd)reden laffen; benen (^cred)tigfeit l)eilig, Xreue unoerle^lic^, bie g^eligion ger^em^--, bie 2Bal)rl)eit CMemiffcn<^fad)e ift. äöüd gcl)en mic^ bie Dielen 9lücffid)ten an, burc^ meld)e bu

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II. ^ud(|. 10. .^opttcl.

bicf) bcr römifd)cn (Suric ücrbmibcn bcfcnnft? 3c^ tücrbc cbcnfo ftanbljaft um bc^ flcmciucn tüiücn jene

befämpfen, aU bu um eignen Sßortpeilö millen fte bel)artlid) 511 nertl)eibic|en ciebenfft. Uiib babei merbc ic^ leicf)terc Arbeit unb ein freiere^ ©emiffen haben, ba ich offen unb einfach bie SCBalh^' heit fa^en barf: mährenb bu in ber Übeln ©tellunci bift, erbich^ ten, erfinben, erfinnen, lügen unb täufchen ^u müffen."

9toch einmal mirb bem ©ra^rnuö am ©chluffe ju ^iemüt^c geführt, mie fehr er fid) in feiner 9technung auf ben @rfoIg feinet ÄampfcS gegen ßutl)cr, unb auf bic ^anfbarfeit ber Partei, in beren ^)ienft er getreten, täufdicn bürftc. ^iefe ficute merben il)n mehr mie einen, ber fid) ergeben höbe, mic einen ©efangeneu, aU mie einen i^unbe^gen offen aufnehmen, ©ie meinen, mit mu^ ber ©ad)e bc^ ©oangeliumö ihre möchtigfte ©tü^e ju ent= ;,iehen. 5tber fie merben finben, baß bie 2öahrl)cit folcher ©tü^en nid)t bebürfe. 3o, fie merben finben, baß auch nach feinem Uebertritt @ra§mu§ fort unb fort burd) feine frühem ©chriften für bie ©ad)e beö ©oangeliumö unb gegen bic römifche ^^prannci Mmpfen merbe. merben ipm bie 9lomaniftcn nie ocr^eihen. ©tet§ merben fie ipn alö benjenigen hoffen, bcr ihnen bic erfte Söunbe gcfd)lagcn l)obc. ©0 ocrlicre er auf bcr einen ©eite mehr 5)anf, alö er auf ber anbern geminnc. @r bringe fiep um feinen frühem mähren fWuhm, ohne neuen ^u ermerben. ©clbft menn er mit feinen neuen Sunbeögenoffen fiegen foUte, mürbe ein trauriger ©icg für it)n fein. @r meiß mopl, unb fagt auch felhft, baß mit bcr Unterbrüdung bcr Sutherifchen Partei auch bielco Don bemjenigen, mofür er gemirft unb geftrebt, unterbrüeft mer» ben mürbe. Unb bennod) fämpft er gegen fie! gür Jütten ift er ein (^egenftanb bcö ^titlcibcnö. ^lud) bic übrigen ßutheroncr bctlagen feinen Uebertritt mepr um feiner alsJ um ihretmiUen, benen er nid)tö fehoben tann. ©ic fehen bem llampfc mit ihm getroft entgegen, um fo mepr, ba bcr frühere @ra^muö fclbft in ihren 9icihcn gegen ben jepigen ftreiten mirb.

SBir hoben Jütten al<S ben i^läger auörcben laffen, um nun and) bic SSertheibigung unb SSicberflagc bcö @raömuö im ßufammenhongc 311 oernchmen. .^utten bcfchulbigc ipn, jagt er, früher fei er bcr £utherif(hcn Partei jugethan gemefen, jc^t be^ tämpfc er bie ©ad)c bc$ @oangclium§. @ineö fei fo falfcp tnie

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@ra§mu§’ S^Hoomm.

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baö anbcrc. 3nt ©cgcntl^cil: t)on jc^cr fd er jener Partei ab* geneigt genjcfen, nnb nie l)abc er anfgcljört, ein rcblic^cr görberer ber 0ad)e beö ©uangcliiini^^ ju fein, ^arteimann fei er über* l)aupt nic^t; baju fei U)m feine Unab()än9igfcit ju lieb. *3)q6 er i)on ber iiutljerifd)en 'ißartei nid)tö lüiffen inoUe, l)abe er bem fHittcr üor brei 3al)ten bei it)rcr Unterrebung in £ön>en felbft gefügt. 2)er ganje $anbet fd raiber feinen fHatl) dngefangen lüorben. @leic^ Slnfangi^ ()abe er erfliirt, er üermiffc an ßutljer enangelifdjc iöefdjeibcn^eit unb 3Jdlbc, l)abe feine ^ortnäefigfeit im Söe^aupten getabelt, an bem (Reifte, ber il)n treibe, geäußert, ^iefe Stu^^ftellungen feien burc^ bie 0c^riften, bie 2utt)er feitbcin aus^gel)cn laffen, immer me^r beftätigt mors ben. Xa er fid) in biefem 0innc oon oorne Ijerdn über 2utl)cr auögefproc^en , fo miffe er fic^ Ijicrin feiner Söanbelbarfeit fd)ulbig.

(Sbenfomenig in feinen ^[eugerungen über ben römifd)en 0tuf)l. $äpftlid)e Xprannei unb 9fiaubfud)t, morüber bie flogen fc^on fo alt, l)abc er nie in 0c^up genommen, ^cn Slblafe fo menig in iöanfc^ unb iöogen oermorfen, qU ben fc^mäl)lid)en ^anbel bamit gutgel)ci§en. ^ie (Srflärungen feiner @rgebenl)eit gegen ?Rom, auö benen il)m Jütten ein ?öeibrec^en mac^e, feien, in feinem 0innc oerftanben, burc^auö unoerfänglic^. 3a, er ^abe gefügt, er merbe oon bem römifc^en 0tul)le niemalö meid^en. Slber nur fo lange biefer nic^t oon (E^rifto meidjen merbe. @r l)übe gefügt, jeber gromme fd bem Zapfte l)otb. 5lUein bem ^apfte ^olb fei, mer i^n gerne mit apoftolifc^en Xugenben ge* jiert fel)e; man fönnc ben 2eo (ber mar tobt) Ijaffcn, unb boc^ ben ^^?apft lieben; mer mit ben Untl)atcn ber ^Üpfte halte, ber meine midjt gut mit bem ^4^apfte felbft. Xa^ finb nun freilich blo^c Sporte. SDenn eben bie Erfahrung mar bamalö reif gemorben, ba§ baö Verfehlte unb ^erbcrblidje im SBcfen beö ^4^apftthum^ felber liege; bag alfo auch ein jufällig beffereö 3n* bioibuum, baö in bie 0teüung cineö ^apftc!^ fomme (mie etma ber bamalige ^4^apft Slbrian VI., auf ben fid) @raömu5$ auch berief), entmeber burd) bicfelbe oerberbt, ober hoch fo gebunben merbe, bofe feine perfönlichen Sor^üge bem 3nftitutc felbft unb ber SÖelt nicht ju (^ute fommen.

Unter ben ^£)ingen, melche bem (Sra^mu^ an ber ^Reformation

478

11. 10. j^apitel.

migficlen, ftanbcn natürlid) bic (Strcitic^tciten iinb Unru^nt, btc fic mit fid} fü[)rte, oben an. §uttcn mtcö bagegen auf ba§ Söort (£t)^ifti biii/ bag er iüd)t ben ^rieben, foubern bQ)§ ®d}tt)ert unb ©nt^mciunc^ bringe; erinnerte, bag bie 0c^ulb biefer Unrul}cn auf biejenigen falle, meldjc ba§ (Suangelium nic^t leiben mollcn; unb meinte, auf bie 5rage, maö beffer fei, bie Unruhen in ben Äauf äu nel)ineii, ober, um fie ^u uermciben, bie Unterbrüefung beö ©üangelium^ fic^ gefallen ju laffen, fönne bie Slntmort nidjt 5tüeifel()aft fein. §(ber (Sraömuö glaubte ^JJiittel unb Sßege ju miffen, mie bie 3ad)e (5uüngelium‘3 oljne Xumult burc^gefü^rt

merben fönne; er martete nur, bi^ i^n gürften unb ®elc()rtc um fein (i^utac^ten angeben mürben. Xod) ganj feinen

9latbfd)lägcn aud) je^t febon nicht jurüd. Sluf beiben 0eiten fab er Uebertreibung. SBo^^u führen foHe, menn ber eine Xbeil nur noch non Unruhen, 3onf unb Schmähungen, ber anbre nur non 'Bannbullen unb Sdjeiterhaufen miffen molle? Beibe Xhcilc füllen fich in einanber fchiden. allen alten unb ^auptartifcln be^ chriftlid)en ©lauben^ nnb üebenö fei man ja einig. X)cr Streit betreffe größtenthciliS nur gemiffe Boraboyen, bie thcil^ unoerftänblid), theilö unmefentlid) feien. Xarum foHtcn bic geift- liehen unb meltlichen 9)^ichthaber ihre Seibenfehaften unb ihren Brbatüortheil bem ©em'cinmohl unb ber ©Iji^r Shrifti* nachfe^cn unb auch auö geringem 3Jhinbe Belehrung annchmen. Xie (^3elehrtcn aber follten, ohne 3onf unb Schmähungen, über bic Beilegung be^ 3^^^<^fpolteö unb ba^ Bcfte ber (Shriftenheit uerhanbcln unb bie (Srgebniffe biefer Berhanblnngcn in geheimen Briefen bem Bopft unb bem Äaifer -^ur Äenntniß bringen! ^Ifo baö mar bo^ @raömifd}c Slrcanum: erft bic ganj begrünbetc, nur Icibcr in aUcn 3eitcn ber Bemegung ootltommen mirfung^lofc Brebigt ber 2Jiä= feigung nad) beiben Seiten; bann ein Borfchlng, ber fo finbifd) ift, ba^ man glauben müßte, (5ra§mu5 höbe fclbft im Stillcu über bcnfclbcn gclächclt, müßte man nidjt, mic bic ^furcht Uor SlcUolntionen bie' flügftcn 3Känncr (einer 5lrt über ba^ Un.vi- reid;enbc ber Drittel, bic fie bagegen in Borfchlag bringen, ju bcrblenben pflegt.

HU feinen SebciUbcruf erfennt @raömuö bic Beförbernng ber beffern 2öiffenfd)üftcn, bic @rncucrnng einer einfachen, rcino^ reu Xheologie: unb bafür merbc er ^eitlebciU mirfen, ob Üuthern

(SraStnuS* ^d^itoamm.

479

lieb ober leib fei, ben er für einen 9}icnfd)en Ijolte, ber irren unb anbre irrefü^ren fönnc. ?lucb glitten gebe ja nur ungern bag man il)n £utl)craner neune, unb infofern mit fHcc^t, aU üutl)er felbft il)n nid)t anertcnnc. 3a, er müfete fid) fel)r täufc^cn, menn biefem nic^t ein C^iegner mie (Srav^rnuö lieber märe, al^ ein Sln^änger mie $utten. ^amit ift mol)l nod) mel)u gemeint, old mo^ ©radmuö an einer anbem ©teile fagt, feine 3wtüdt)altiing fd}abe ber ©ac^c 2ut^er'ö meniger alö ^utten'ö unüberlegte ^i^e. SBen boc^ biefer unter ben äöir unb Unö oerfte^e, bon benen er fo oft rebeV Ob alle ol)ne Unterfc^ieb, bie irgenbmie ßutl^ern an^^ Rängen unb bem ^apfte übel moHen? 9Jac^ beö (Sra^muö Ur? t^cile finb l)ier oerfdjicbene Äiaffen mo^l ^u untcrfc^eiben. Srftlid) gelehrte unb mof)lgefinnte ßeute (er gehöre nic^t ^u il)nen, fagt ®raömuä, aber erfenne fie alö ebrenmertl)e ßeute an, unter benen er gute g^eunbe ääl)le), meld)e bie mciften oon fiutbcr’ä 2el)rcn billigen unb ber ^adjt ber 9^ömlinge ©d)ianfcn gcfe(jt münfd^en. ©ie moUcn, ba§ $apft unb iüifc^öfe ftatt meltlid^er gürften eoangelifc^e 2el)rer, ftatt 5^i)ranncn öäter feien; baß ber Slblaß* unb üöuücnl)anbcl bejcßronft, bie ÜJ^enge ber Zeremonien unb gefttage geminbert, maljrc grömmigfeit bagegen belebt merbe; baß bie fd^olaftijc^cn ßeßren ber ßeil. ©d}rift raeid)cn; allcrljanb £aften, mie ©peifeoerbotc, Zl)el)inberniffe, crleidjtert, bie ie^t fo ucrmeltlidjten ajiöndje ju mal)rl)aft gciftlicßem Seben jurüdgefüßrt merben u. bgl. m. 5öon ollen biefen billige aber fein eiu5iger $uttcn’^ Untcrueßmungen, fo menig alö 2utßcr felbft. Zinc an* bere Älaffc oon £utßerancrn befteße auö 3Kenfd)cn oßne iöilbung uiib Urtßcil, oon unreinem Söanbel unb unrußigem ©innc, bie £utßeni anßängen, oßne feine £eßren i\u befolgen, ja nur rcd)t ju fennen. ©ie ßalten fieß oor^ugdmeifc an bad 9fegatioe barin, 'geßen nießt in bie ilireße, oerleßcn bie ©peifeoerbote, feßimpfen auf ben ^apft unb fd)ließen ißre coangcliftßcn 33ünbniffe am liebften beim üöecßer. ^cren aufrüßrerifeßem ZJebaßren merben bie gürften mit ZJemalt entgegentreten müffen. 3ßre ©cßulb merbe bann fein, baß aueß ben gered)tcn ^cfcßmcrbcn nießt obgeßülfen merbe. 3Kit biefer ^Irt oon SD^enfeßen münfd)e er feine ZJemeinfcßaft, unb aueß Jütten feßeine nießte^ oon ißnen miffen 511 mollen. 9fun gebe aber noeß eine britte Hlaffc, benen cd gar nießt um bn<J Zoongelium, fonbern unter beffen

480

II. $ud^. 10.

Somanbc Icbic^lid^ um öeutc unb ^(ünberung ju t^un fei. ^iefc crfcunc £utl)er nic^t an, mic bcnii auc^ i^rc Sc^rfä^e'uon ben feinigen fc^r ücrfc^icbcn feien, nämiid) biefc: mer einigen ^bel üonücnben fönne, ber b‘ibe boö $Hec^t, einen Söanbercr auf offener ©tvafec anjufallen unb entmeber ju berauben, ober gefangen meg? äufü^ren; ba^ 3^edjt, menn er fein (SJelb bei SBein, kirnen unb 0piet burdjgcbradjt, jebem ^e^bc anjufünbigen, oon beni er ctnxijg geioinnen ju fönnen glaube. Sl^ielleidjt gebe einige, bie, nac^* bem fic aUeö ba^ 3l)rige ucrfc^menbet ^aben, fic^ nun alö 2utbc= raner ftellen, um unter biefem Xitel fic^ (Gönner ju ermerben. X)ü6 bamit auf Jütten unb (^ppenborf gejielt unb, außer frühem angeblichen Xhaten beö erfteren, ber Singriff beiber auf ©raörnuö gemeint ift, märe flar, menn auch iiicljl einer anbern 0tellc @raömu^ gcrabeju fagte, bie iöenennung cine^ Sutheranero möge für Jütten je^t Oon lliu^en fein, ba fie allein ihm 0chu6 unb S^ahrung oerfchaffe.

Sluch folgenbe 0tellc ift ooll oerborgener 0pi^en gegen Jütten. @r fehc, fagt ®raömu^, ^mar oielc Sutheraner, aber menig ©oangelifdje. SlBenn Jütten iicute fenne, bie, ftatt mit Söcin, Xirnen unb SBürfeljpicl, fid) burch ßefen ber h^-’il- ^ch^ift unb fromme ©cfprädje ergeben; melche niemanb um baiS @elb^ baö fic ihm fchulbig, betrügen, fonbern freimillig, ma^ fie nidjt fchulbig, ben Xürftigen fpenben; meldje, ftatt folche, bie ihnen nichts ju ßeibe gethan, ^u fd)mähen, oiclmehr auf baj^ 0chcltmort felbft eine Oerföhnliche Slntmort geben ; mel^c nicmanben bemalt anthun ober anbrol)cn, fonbern fogar erlittene^ Unredjt mit 2öol)lthoten oergeltcn; mddje fo menig Unruhen erregen, baß fie im ©egentheil, mo fie fönnen, ©intracht unb grieben ftiften; meldje fich nicht felbft rühmen, nicht mit SSerbrechen ober mit Xhoten, bie fie gar nicht gethan haben, prahlen, fonbern ba^ Üob aud) ihrer guten SBerfe auf ©h^^fUint übertragen: menii §uttcn bem ©raömuö folcße ©oangclifchc ^eige, fo merbe er fid) ihnen mit greuben anfchließen. Slber fie feien, menn über* haupt bergleicßen gebe, menigftemg öußerft rar.

@egcn baö ©nbe feiner S^efchmcrbefchtift hatte fich Jütten ber SBcnbung bebient, ©ra^muö gebe burd) feine Söanbel bar feit unb llnjuoerläffigfcit ber beutfehen Sugenb ein übleö 33cif^>icl, unb Jütten merbe baljer alle ermahnen, be^ ©rof^rnuö 0itten

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6ra§mu§’ S^toomm.

481

flic()cn, tüic er simmer ßcnmtjnt l^abc, feinen 0tubien nac^^ueifern. (^ut, entejeanet biefer, fo möge benn bic beutfelje Sugenb fid) |)uttcn'ö 0ittcn jum äliuftcr ne()men. 253ic er an einer anbern 0tcüe ber §utten'ö an il)n, ju fd^rcien unb bie

iiafter ber ^äpftc bem ^olfe 511 nerfünbigen, mit ber 53cmerfung begegnet mar, er fei fic^ ju tief feiner eigenen geiler bemüht, um ben 9iid)ter über frembe ju machen; aber Jütten möge fd)reien, ber Steine, bem feine 33efd)ulbigung jurüefgegeben merben fönne. §iegegen fann faft nod} f)armloö erfdjeinen, menn ©ra-^muö einmat fagt, mäf)renb feinet 5(ufentl)alteö in Trabant f)abe er üon feiner 5(rmutb in Einern 3al)re mel)r an 0tubirenbe gefpenbet, alö gemiffe £eute üon i^ren üotcrlic^cn (Gütern bcs Rieben; ober menn er bem ^utteirf^en S^ormurfe gegenüber, bag er fidj burd) 0d)meidjelei gegen ^äpfte unb gürften febü^en fud}e, bemerft: Jütten freilid) l)abe Burgen unb SBälle, Xruppen unb 33üd)fen, 9iaudj, geuer unb 0d)mcrtcr, gebbebriefe unb ilriege §u feinem 0d)ube; baö alleö gebe bem (^raömuö ab. Qiu bem befi^e Jütten je^t nidjte mehr, mofür er ^u fürd)ten braud}te; üielleidjt fei er barum fo tapfer. (Sr, (Sraömuö, baö geftebe er, fürd)te für feine SBerfc, üon benen auch $utten bezeuge, baß fie in meiten Streifen nidjt menig S^ii^en ftiften. @r fpare fid) auf, um ferner nüben ju fönnen.

3n iktreff ber ßueignungen feiner 33üd)er, bie ibm uon Jütten ald (^elbjägcrei uorgemorfen maren, ermiebert (Sraömuö, Don ^riuaten b^be er nid)t einmal eine ^anffagung bafür an- genommen, unb üon ben gürften b^^ben ibm bie menigften etmaö bafür gegeben; gebettelt l)‘ibe er bei feinem. Unb bod) märe eö, in ^^etrad)t ber ilkbürftigfeit beö inenfd)licben Sebenö, oer.\eiblid)er, burd) ebrlid)en gleiß auf bie greigebigfeit ber gürften 3agb ju mad)en, alo oon ben greunben ju entlehnen, maö man ihnen nicht mieber^ugeben, ju laufen, maö man nid)t ju befahlen ge- benfe, ober burd) irobungen (belb oon fold)en 511 erpreßen, bie nid)t^ oerfcbulbet b^ben. (Sr miffe nicht, fagt föraömuö an einer anbern 0telle, ob ber Sßerbaebt^ berjenigen ganj grunblo^ fei, melcbe behaupten, .^utten fei oom fRitter pm fißenben Slrbeiter gemorben unb oerfertige bcrgleid)en 0d)riftcn, mie bie gegen il)n, auf ben (Srmerb, unb j\mar einen boppelten, inbem er fid) erft oon ben Jsöeftellern für bie 0d)rift, bann oon benen, gegen bie VIL 81

482

II. 10. Rnpttel.

fic c\erid)tct, bafür bc5at)lcii laffc, bag fic ni^t gcbrucft tocrbc. 53crcitv btibc it)m aud), luic ucrlautc, (füv feine Expostulatio) ber iöudjbruder ettua^ bc^a()lt. ift merfiuürbig, mit meld}cni (Sifer ^uttcn'ö ^ertt)cibigcr gegen bie @raömifd)e Spongia, Otto JÖrnnfelö, ben Icfjtern ^unft 511 miberlegcn fnd)t. |mttcn l)abc ben Bruder feiner 0treitfd)vift gar nidjt gefannt, unb biefer fönnc befc^ipören, il)m nic^tö für biefelbe gefd)entt 511 l)Qbcii. ^üd), meint er, lucnn biefi and) ber galt gemefen, fo mare bavoit immer nid)U Unrechte». Ob man fid) benn für feine Arbeit nid)t belol)ncn laffen bürfe? unb ob nic^t (Sraömn^ felbft jumcift Don fold^em (Srmerbe (ebc? 53efannt fei bod), bag fein 93cr(ec)cr groben if)n für mci)r alö 200 gt. jäl)rlid) 55afel unterhalte. @benfü eifrig tuiberfpradj nun aber fofort (Sraöinuö biefer ^n* gäbe, burd) meld}c er feiner @l)re ^u nal)c gethan glaubte, ein 0dhriftfteüer oon @cfd)enfen nnb ^enfionen ber ©ro^eii lebe, bie er fid) burch ^ebicationen erfd)mcid)elt, fanb man bamatö in ber Orbnung: bagegen, 00m Verleger fid) besohlen su laffen, galt für nicht gans ehrenhaft. ift eine ^efferung ber ißerhältniffe, mie eine ^-öerid)tigung ber iöegriffe, bag fid) biefeö Urtheil feitl)cr umge!el)rt h^t-

0cine Spongia eignete (Sraömu^ in einem oorangefd)icftcu ©d)reiben bem toelchem er, obmol)l mit feinem

reformatorifd)cn Sluftreten oiclfad) nnsnfriebcn, bod) immer nod) in freunblidhcm SSerfehre ftanb, unb sn bem fiel) unterbeffen §ut» ten oon ä)tülhaufcn au^ (loooon fogleich mehr) begeben hotte. SBeil nad) 3ünd) suerft oon iöafel auö baö ÖJift (ba^ ^ntten’fchc ßibell) gebracht morben, fo il)m paffenb gefchienen, aud)

ba^ ©egengift suerft bortl)in 511 fd)icfcn. 5)abei lieg er in einem ^rioatbriefe an biefen feine Unsufriebenheit über bie

Stüifchcn il)m unb ,'pntten beftehenbe Sßerbinbung inerten unb mad)tc il)n nicht unbeutlid) für baö @rf(^einen ber ^utten’fchen 0trcitfd)rift ocrantioortlich.

Obioohl mir anf ben locld)cm bie ©ra^mifd)c

©egenfehrift erfd)ien, erft lociter unten ju fpred)en fommen, fo fei bodh l)\cx ein Söort über ben ©inbruct gefagt, ioeld)cn bie beiben 0d)riften auf bie 3fil9cnoffen t)cvoorbrad)ten. mar im ©ansen ein peinlidhcr. ^en geinben ber mieberauflebenben ill^iffenfchaften, ben 2)unfelmönnern, meinte ©rai^muö nicht mit

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ßinbrud Quf bic 3«töfnoffen.

483

Unrcrf)t, toerbc ^uttcn’ö Eingriff auf i()u bic größte grcubc niad}cn. 3m fiagcr ber ^immniftcn tuurbc bcrfclbc ^icmlict) allgemein mißbilligt. (Sogar §uttcirö alter 33unbex^bruber (Sobau $cffc mellte il)m bcnfelbcn nießt oerjeißen. @o ticfgcmur^clt mar noc^ immer baiS ^nfcbeii bc5 @ra^-mu§. Unter ben ©uangelifdjcn maren ^mar mandjc, benen g^enbe mad)te, beffen 3'^ct^<^utigs: feit cnblicß cntlarot ju feßen, benen ^utten'd fdjroffer grcimutl) beffer alö feinet ©egner^S ücrmittelnbc Diplomatie ^nfagte. ^ber gcrabc in ßutßer'ö Umgebung mißbilligte man ^nttcn’ig (Seßrift. 9tad) allen 0eitcn ßin feßrieb äJiclandjtßon, man möge boeß nidjt glauben, baß er ober Sntßcr an bcrfelbcn gefallen fänben. Den Verleger 0cßott ftcütc er in einem überaus feßarfen ©eßreiben megen bcS DrudS ^nr Siebe. Söenn aueß baS ^eneßmen bcS SraSmnS ber Slcformation gegenüber ntaneßem Dabei unterliege meint S)ic(and)tßon, fo ßätte man bod), in l!Öetrad)t feiner SScr^ bienfte unb feines Hüters, ein 9lugc ^nbrüden follcn. Slueß auS MlugßcitSrüdficßtcn ßätte man bieß tßun follcn, ba eine foldjc ^cranSforbernng nur ba,yi bienen fönnc, tßcilS ben ©raSmiiS nod) meßr gegen bic @uangclifd}en jn erbittern, tßcilS biefen in mciten reifen ,!paß ^nmege 511 bringen.

Dod) beinaßc fd)cint cS, baß ainß foldjc, bic mit ber §ut= ten’fcßen 0cßrift Einfangs feßr un^ufricben gemefen maren, imd) bem (^rfeßeinen ber (SraSmifeßen @cgcnfd}rift milber über jene 511 beuten anßngcn. Die .geftigfeit beS Eingriffs erfdjien ßarmloS, menn man fie mit ben Düden ber ^bmeßr oerglid). „3cß molltc'', fd)ricb ifntßer über beibe ^-öücßcr, „baß Jütten feine 3^cfcßmcrbe gefüßrt, norß oiel meniger aber, baß ©raSmnS fie abgemifeßt ßätte, 2Bcnn baS mit bem Seßmamm abmifeßen ßeißt, maS ift bann 0d3inäßen unb 2äftern?“ *) 0icßcr ßätte bamit Sutßcr ben iöeften ber 3^'ilö(^ii offen anS ber Seele gcfprcd}cn.

^alb rüßrten fid) ba glitten in§mifd)en 00m ©cßauplaße abgetreten mar aneß gebern ju feiner SScrtßcibigung. Der feurige ^ermann Don bem ^^ufeße ging mit einer Seßrift gegen ben 8d)mamm beS (SraSmnS um, bic aber, mic biefer meinte auf Ü)klancßtßon's Slbmaßnung ßin, nid)t ^nr ^uSfüßrnng fam. Dßnc 3^oeifcl märe fie beffer gcratßcn als bic bcS Otto ^rnns

1) V<x ^riff Dom 1. Cot. 1523 in ^ullcn’8 Sctiriften II, S. 370.

484

II. 10. ßa^ttel.

feU, bcu ,=^ur SScvt^eibigunci fdnc§ S3cfc^ü^cr-8 ^onlbarfcit unb cüangclifc^cr (Sifcr trieb, auc^ pcrfönlic^c Söcfanntfc^aft befähigte, tuäbrcnb er an @eift beiben SJMimerit, in beren @treit er firf) mifc^te, QÜju unebenbürtig mar. 0einc 0d)rift*) ift in einer ?trt Don ÖJefpräc^^form abgefagt, inbem jcbc^mat erft eine l)erauö' geriffene 0telle amS ber Spongia unter bem S^iamen bcö @ro^- inuö angeführt, bann unter bem 9>lamcn Otto beantmortet mirb. @0 ift eine tuot)lgemeinte, gemiffcnl)afte Slrbeit, ber mir inöbe= fonbere auc^ manche fc^ä^barc biograpl)ifct)e S^otij über §uttcn uerbanfen; bie aber ^mifc^en ben jmei 0d)riften, auf bie fic‘S3cs j\ug nimmt, nic^t btoö burc^ it)r fc^tec^teä Satein eine fläglici)e gigur mad)t, Sonbern, mä^renb Jütten unb @raömu^ auf bem freien gelbe beö ^umaniömuö fämpfen, in bem meiten @efic^t^= freifc beg Vernünftigen, lRed)ten unb ©c^idlid^en fid^ orientiren, ^cigt fic^ Vrunfelö bereite in bcu ^orijont einer blosS rcligiöfen, \a confeffioncUen ^enfart gebannt. fehlte nur noc^, bag, mie füfort Don (Sra^rnuö 5Uber gcfd)al), bie @raömifd)c ©trcitfd}rift au^brücflid) nad^ i^rem Verljältniß ju ber ßel^re ßutber’^ geprüft, mitt)in an einem äJ^afeftabc gemeffen mürbe, meldjer ber benfbar unpaffcnbftc ^u i^rer Vcurtl)eilung mar-).

©0 verengte fic^ ber @eift ber ober biefcö fid) Ver^ engen mar )iuglcic^ ein fid) ßi^fonimenncbmen , unb jufammens nehmen mußte er fid), um feine ^lufgabc ^u löfen. ®cr .£>uma5 niemuäi mar meitberjig, aber aud) matll)eräig, mie mir an feinem anbern beutlicl)er fe()en alö an @ra^mu^: er l)ättc bie Umbilbung ber 3cit nic^t burd^gcfc^t. ßutljer mar engherziger, befd)räuftcr al^^ @raömu§: aber biefer fich zufammenhaltenbcn , nicht re^ti^ no^ linfö fehenben Äraft beburfte eö, um burchju brechen. ®cr |)uma= ni^mu^ ift ber breite, fpiegclnbc Vingen: er muß erft

enger unb milber merben, menn er fich burdh baö ©ebirg bie 0traßc juni 9J?eere bahnen mill. ^aburch eben mar §utten fo einzig, baß er mit ber humaniftifd)en ©eiftc^meitc ben refor* matorifchen SSiden^brang öereinigte.

1) Othonis Brunfelsii pro Ulricho Ilutteno defuncto ad Erasmi Roter. Spongiam Responsio. 3n ^utten’S 8(hriften II, ©. 325 351.

2) Judicium Erasmi Alberi de Spongia Erasmi Rot. adcoque qua- tenus illi conveniat cum M. Lutheri doctrina. (Sbetibafclblt ©. 373 378*

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\

(gilftC5 flapitfl.

»

$t(ßittoeti'd itnb c^mtten’d fttbe.

1523.

•’puttcli uon feiner eibgenöfftfcljen JJreiftatt auö mit iin^ftlic^er ^ufmerffamfeit bie ©utiuicflimt^ Don ©irfint^en'ö 0d)icfs fal beobachtete, an bem feine le^te .§offnini(^ hini;, läßt fid) benfen. 2(bev bie 9^iad)rid)ten , bic auö ^entfchlanb einliefcn, lauteten nicht tröftlid). ,/-ßon 'ilienic^teiten", fd)rieb am 13. ge^ bniar Dtto iörunfclö, ber bamalfi^ ^leuenburc^ am fR()cin, ,^tüifd)en isöafel unb dreifach, fich anfhielt, an «l^on

9leuiflfeitcn habe id) im 2(nctenblicfe nid)t5, oU baß (ein übleä ^^or^eidjen!) 0icfincien’^ älterer 0ohn Don bem pfäl^ifdjen Z\)- rannen flefantjen morben ift, unb mit ihm einige anbere SDiänner elften fRangei^, auf loelche gran^ all feine Hoffnung gefegt hatte. Söir Derfprachen un^ uicl Don biefem äRanne; aber alle feine 0ad)en iDanfcn unb fallen bal)in, unb nid)t bie feinigen allein# fonbern aller 2lnl)änger beö (SDangeliuni!?. Unfer Jütten befindet fid) übel, unb loir Uebrigen iDcrben allenthalben 53oben ge* fchlagen. 2öir loerbcn Dcrfpottet burd) alle !iianbe, unb id) iDcig nid)t, iDaö für ein Unglücf mir ahnet"*).

3u ber Xl)at tnar biefer Unfall feinet 0ohne!?, aber nid)t bC‘o älteften, 0d)iüeicfarb,* fonbern be^ mittlern, ,'pan$ Don 0icfin* gen, ber bei einem fRittc Don 0teinfaHenfelö im SBaögau nach fianbftuhl mit |)ilchen Don ßord) unb ^(uejuftiu Don 33raunöberg burch ben pfäljifchen S3ogt unb nadjinaligcu ÜJiarfchalf SBilhclm

1) ?ln ^uttcn’§ S(hn|t<n II, 177.

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466

II. tBuc^. 11. Kapitel.

üon ^abcru (gefangen gciiommcn tpurbc biefer Unfall, l)cU bcnmütt)ig auc^ ber ^ater bic 9^lad)vid)t aufna^m, tuar bod) bcu Einfang bcö @nbcö ber Sidingifd)cn Xragöbie *). SBartenberg, tuo noc^ im üorigen 3a^rc Jütten fic^ eine Qnfgd)nltcn

^atte, fiel ben 5üi^ftlid)cn in bie^änbe, nnb 0idingcn, nm bic Serftärfungen abjumarten, auf bic if)m non i)crfd)icbcncn 0citcn ^cr Hoffnung gemad^t mar, fud)tc um einen SBaffcnftillftanb nad). Allein bie brci.mibcv i^n berbnnbenen bic

33ermittlung^üorfc^läge be^ fHeic^^regiment‘5 j^nrücfgcmicfcn, fo liegen fie fid) and) biird) gran§cin5 (^efud), beffen cigcntlid)c ^b^ fid)t fie mo^l burd)fcgantcn, nid)t irre mad)cn. @lcic^ nac^ Dftcrii erhüben ‘fie fid) mit ftarfer 3Jdad)t ju Sftog nnb fjng nnb tüd^tis gern 33clagcrung^gefd)ü^, üercinigten fid) bei itreu§nad), «ntueit ber ©bernburg, ^ogen aber, al» fie üerna^men, baf) gran^ non 0icfingen in ßanbftu^l fei, nor biefe SSefte, um fie ju belagern. 53crgcben$ rictl)cn 5^anj feine gi^cunbe, fid) nod) bei feilen auö bem Sd^lüg ju t^un: maö feine Wiener üon il)m l)alten mürben, gab er jur ^ilntmort, menn er uon il)nen fliegen iinb fie allein in ber 9flotl) mollte fteden laffen? 2)ocg feinen jüngften 0ogn f^ranj ^onrab mit ben mid)tigften papieren fd)idtc er, in iöe- gleitung feineö treuen öaltgafar 0d)lör unb eincö ^geil^^ feiner SRciter meg, meld)e, obmogl non bengeinben angerannt, glüdli^ baüonfamen.

®em 53otcn, ber igm bic Äriegöerflärung ber gürften braegte, gab 0i(fingen fd)crjcnb bic 5lntmort ^urüd, er göre, fein ^err gäbe neu ©efegüg, fo gäbe er neue SJMuern , bie mögen fid) fegt an einanber oerfuegen. Slber geigte füg halb, bag babei bic legtern im S^acgtgeil maren. 9}^ittmofg ben 29. 9lpril begann baö 0cgiegen unb mürbe bie folgenben Xagc aiuo §auptftücfen, 0cgarfmcgcn, ßartgaunen unb 9lotgfcglangen fo mörberifd) forü gefegt, bag halb ber ftärffte STgurm beö 0cgloffc‘3 in Xriimmern lag unb bie 3)2aucr eine ®refd)c oon 24 gug jeigte. 0idingcn,

1) S)ci' folgcnbc ®cnd)t über Sirfingcn’S ^uSflong ifl gcjc^BpIt qu§ ber 8^ler§^eimcr S^ronif, bei ilüntb, O'ronj öon ©itfingen III, 219—223; ber Gr* jö^Iung bc§6^rn^oIb§ ^ajpor Sturm, ebenbaj. ©. GO [f.; ou§ Huberti Thonmc Löodii Historiola etc., ebenboj. S. 288 ff., unb ben ?lctenf!ü(fen ebenbaf. ©. 42 ff.

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^elaoeruno Don Sanbfiu^I.

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Uüin ließ fiel), um iiadj bcin (^aiu^c bei* ®cla»

, n^^ntui] aii<j,yifd)aucu, einem 3d)icßlod)e füßven, ßinter luelcßem ein aufi]eftcllt mar: in bemfclben ?(ucjcnblid pel ein

3c^nß in baö 3d)ie6(od), ber bab (^efebüg 5ron,^ anf bic Jüßc, il)n (elbft aber rüdmftrt^ auf fpi^e §ö^er marf, bic 511m ®crterraffen balai]eu uub il)in in bic liufe Seite eine ent)eblid)e SBuubc riffelt. lUiit ber .!pelbcufaf)mu], bic i()u nie ucrlicß, bcfaßl er feinen ®ie= ncru, fein (^cfd)rci ,^n mad)en nnb i()n auf einer Xrai]bal)rc luej^* ,^ubriiu^en; aber er füllte mobl, baf3 ci^ mit il)in jn @nbc c^ing. '3^al)cr ließ er in einem JÖrief, ben er nodj eigcnßänbig unter* feßrieb, bic um eine iycfprcdjung erfud)en. ^iefe ftellten

füfort ißr Sd)icßcn ein, nnb 5lbgcorbnfte non beiben Seiten traten nur ber 5Uirg jufammen. “Die 53elagerer üerlangten @r* gebiing Sidingen'^ nnb ber übrigen (Jbeln nnb fHeifigen im Sdjlüß in rittcrlid)Ci5 (?4efängniß, ?(bj^ng bc<3 übrigen ilriegeimlf);^ ol)ne 3Bel)r uub Uebergabe uon üianbftußl mit allem, lua^ barin beßnblid). bemilligtc bie Hvtifel, inbem er jagte: 3d) mill

ißr ÖJefangener nid)t long fein.

^2lm 7. 9J^ai ^og erj't ba‘3 gemeine ilriegbuolf auö ber 43urg, bann ßieltcn bic gürften ibren @in,^ug nnb ließen fid) al^balb, ben @l)rcul)ülb uoran, Sirfingen füßren, ben fie in einem bnnfeln OJemölbe, mo allein er nod) uor ißrem Sdjießen fidjer gemefen mar, liegenb fanben. 5Sor bem ^^^fal^grafen, feinem alten iießneßerrn, 50g gran^, alö jener ^n ißm trat, fein rotßeö iöarett ab nnb reießte ißm bie §anb; beiJ Xriereris^ 33ürl)alt, ma^ er fieß ge, gießen, baß er ißn nnb fein Stift fa fd)mer befd)äbigt ßabc? mieö er mit einem mannlidjcn: 9tid)t'? oßnc Urfad), uub er liabe jc^t mit einem großem §<^rrn ,;\n reben, ^urücf; ben .'peffen aber, ber gleidjfallö mit iöormürfen fommcu mollte, mad}te ^4^fal^graf Üubmig anfmerffam, baß mit einem Sterbenbeu nidjt ^n rcdjten fei. 'i)er pfül.yfcßc .^ofmeifter, 2ubmig uon an J^ran^eiiiJ ilagcr nnb fpradj ißm mit trüftlidjeii liyoiten ^n; ißm antmortetc 5ran,^: Sieber §ofmcifter, um mid) ift ein (^Jeringci^, id) bin nid)t ber .'paßn, barum man tanjt; um bic llntcrbrüdnng bee^ gau,\cn 0titterftanbe<5, molltc er moßl fagen, ßanblc e^J fid) in biefem ilriegc. 3nbcß maren bie J^ürften abgc» treten, nnb auf be^ 'jj^fal^grafcn Erinnerung maeßte |>err 9tiflauö, gran^enö Eaplan, ^Inftalt ^ur '^cießte unb Eommunion; ober

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II. $ud^. 11. Hopitel.

bicfer faßte, er l)abe (^ott in feinem .^er,^en ßebeidjtet, ber (Saplart mößc i^m nur 5(bfolutii)n fpred()en nnb baö (socraincnt i^eißcn; baö t[)at ber Saptnn, unb inbem üerfd^ieb ijran^: e^ mar bic 2Jiittaßöftunbe bcö 7. äJiai 1528. „Unb mie er in ßcit feinet SebcniS (finb bie SSortc feinet biebern 0d)maßer^, bcö S5erfaffcr§ ber gler^l)cimer ilronif) fein männlich, ef)rlid) nnb trn^iß mütt) ßc()abt, ba^ ^at er auc^ bb5 in bie 0tunb feineö ^obe^ bct)a(tcn."

53innen SO^onaföfrift maren nun fämmtlid)c ©icfinßifd^eit ©c^löffer üon ben Uerbünbeten Sürften erobert unb grögtcnt^cil^ ausgebrannt; oon feinen ©ö^nen ber eine gefangen, bie beiben anbern flüd)tig; baS ganje^ebäube üon gran^enc 9(J?ad)t, imn i^m mä^renb eines tl)atenreid^en SebenS ^u fürftenmäßiger §ö()e aufs geführt, lag am Jiöoben. ©ein gall gab ber päpftlid^en Partei in ^eutfc^lanb neuen 9J^utl); ber 2(fterfaifer ift tobt, l)ief5 eS, als um jene 2utl)er erfranfte: halb mirb cS and) mit bem ^^Ifterpapft ein (5nbe neljmen. 2tuf )^ut^er machte baS ©djicffal beS fJUtterS, ber if)m einft grofjmütljig feinen ©d)up angeboten l)atte, unb beffen 2lbfic^ten er, obmol)l mit feinen 9J^ittcln nidjt einüerftanben, nidjt migfannte, einen tiefen ©inbrud. ?US it)in ^uerft baS ©erüc^t oon ©icfingen'S Xobe ^u Öf)ren fam, fd)rieb er an ©palatin, er münfd)e, baß eS falfd) fein möge. Unb ctmaS fpäter: „©eftern ()örte unb laS iep g'^anjenS oon©icfingen mal)re unb fläglid)e (^efd)id)te. ÖJott ift ein geredjter aber munberbarer Sftidjter'' *). ©icfingen'S 2luSgang mar i^m ein ®otteSurtl)cil, baS if)n in ber Uebev^eugung beftörftc, bag SBaffengemalt oon ber ©ac^e beS ©oangeliumS ferne ju l)altcn fei. ßateinifd)e 5)ic^tcr unb beutfdje SSolfSfd)riftftelIer befd)äftigte gran^cnS @nbe unb feine Xl)aten. S3on erfteren Ijatte einer, als §utten’S unb ©icfiits gen’S Unternebmungen nod) in boffnungSrcid)er ^lütbe ftanben, il)r Sßerbienft burd) einen 2öed)felgefang jmifeben 5ilio unb S^alliope gepriefen; je^t nad) ber ^ataftropbe fteflte ein anberer ©icfingen’S Unterfangen unb SluSgang 5U @l)ren beS triercrSi'^s bifd)ofS als furdjtbar marnenbeS 33eifpiel bar 2). 3n einem oolfSs

1) ®eibc ^ricincßcn in ^utten’§ ©Triften II, S. 248 t.

2) 3cnc§ ^IjdepiuS ^orboluS in einem ^onegbificuS, aOßcbrucft in iput*

ten’§ S(^riften III, 6. 550 560: bic|c§ SotomuS in einem e))ij<t)fn

©ebid^t, bei 'iJlUncb, Ofronj üon Siefingen II, 8. 295 318.

s.

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Sidin0cn’§ 6nbe.

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t()ümlirf)cn bcutfc^cu @cf|)röc^ bagcgcn crfd)icn bcr ?Rittcr üon bcr ©Ocrnburg uor bcr .^immclepfortc alö SSoH^icIjcr bcr ®crcrf)= tigfcit, bcr, um bcn Untcrbrücftcn ()dfcn unb bcm Smiugcliiim freie ®af}u mad)cn, gürftcu unb getreu befriegt, bcn armen 3Wann nur ungern unb nott)gcbrungcn gcfc^äbigt, in biefem X()un Scib unb @ut baran gefegt, uor feinem $(bfc^cibcu fid) feine 0ünben leib fein laffen unb ad fein 3Scrtrauen auf ®ott geftellt ^abc: in Slnbetrac^t biefc^ guten @nbcö fd)lo6 iljm 8t. fßetcr bic $immcldpfortc auf *).

bic Äunbe uon ©icfingcn’ö 5^11 in bic 2anbe crfd)on, ()iclt fid) §uttcn nod) in SJäilbaufcn auf. 3n bcm milbern XoM cincö iöricfö, ben er um jene un ©ra^muö fd)rieb, glaubte biefer bic nieberfc^lagenbe Söirfung jenoö Xobet^fallö auf fein (^3emüt^ ,^u erfenneu. SBnrc feine 0d)rift In tyrannos, b. l). ol)ne Smcifcl gegen bic uerbünbeten dürften, bic feinen J^reunb 0idingcn ucrnid}tet unb beffen 53cfipimgcn an fid) geriffelt l)atten, nod) uorl)anbcn, bic .'putten fur^ bernad) ucrfnfde, fo’iuürbcn mir unö ol)uc über;\cugen, bafj fein tro^iger d)hitl) nod) immer

ungebeugt mar. löalb jebod) fnnb er fid) . and) in 9J^üll)aufen nic^t mehr fieser. 0eiu raftlofer @ifcr für bie Sluc^brcitung ber ^Reformation mar bcn 5lnl)ängern be^i alten ilird)cmDefen'CJ fein (-^el)eimni6. 8o mad)tc ein unrul)igcr Älopf bcn 5lnfdjlag, mit einem ^laufen (^icfinbcl ba^ ^(uguftinerf (öfter, in mcld)cm .fmtten eine 3»pud)t gefunben l)atte, ,^u ftürmen. ^er fRatl) traf 58ors fclirung, bebcutetc jebod) ben iöcbrol)tcn, fid) lieber aiu5 ber 8tabt <^u entfernen. ÜRitten in ber 9Iad)t, menn mir bem ©raömuö glauben bürfen, entflol) .^utten uad) tuar im 3}^ai

ober 3uni 1523.

3n bamal^i frifd)en '^U'ginnc feiner

reformatorifd)en Xl)ätigfeit; ein 3)Mun, ber, unter einem freien, mef)rl)aftcn SSolfe aufgemad)fen, bem maffcnluftigcn fRitter näl)er

1) rtjnloguS ober vebe onb gelprec^, jo ilfranci§cu§ oon Sitfingen t»or

bfB ^bmmct& pjortten mit jnnt ^Vter onb bem riltcr jont Jörgen gehalten, juuor onb cebnnn er cingclatfen ift loorben. Kbgebrurft bet fjfrnnj oon

@i(ftngen II, 321—330. ?tu<^ bei C§far €4>obe, Sotiren unb ^oSguiUe QuS ^et »ej.-3dt II, 45-69.

2) SiaSmuS an (SocIeniuS, in i^utten’S 6(tirijten II, S. 405.

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II. ^u(^. 11. Jl^aDitct.

4‘>0

ftanb olb bei* tf)üvinnifrf)c ^Reformator. 33ci it)m fiid^tc unb fanb .§uttcn ©c(}u^, ßülfe imb Xroft. 0ciuc Umftönbe marcit nad) aUcn 0citcn ^in bctla^cn^oiocrtl). ^ic 33c^örbcn trugen iöebcnfcn, beiu nic^t bloo oon ben fird)tic^en, fonbern and) oon ben poH* tifd)cn 3Jiad)tl)abcrn oerfolgtcn, ^iilc^t fctbft U)ir!lid)cr (bemalt* tbaten bcfdjulbigtcn ÜJIannc offenen 0d)up nngebeit)cn ju taffen *)• 33on yj^ittcln mar er gän^licl^ entblögt. Söon feinen ÖJütern fam it)in nic^t§ p: fei eb, bafi feine trüber (bie ät^uttcr mar mittler» meile bem Skater im 2obc nadjgcfolgt) bie S3crantmortlid)fcit fdjeuten, menn fic ben tt)atfäc^lid) ©eä^teten unterftüpten; ober bag er, mic Otto ^^kiinfelö ocrfid)ert, frcimiüig barauf oer,v(^tct ()atte2); ober enbtid), bafj fein Slnt^eil an ben fpärlic^en SflaturaU einfünften bc^ oätcrlidjen @nte^, biö bcrfelbe, um it)m 5ugcfd)icft ^u toerben, 511 (^elbe gemadjt mar, beinol)e auf 91id)tö jufammens fdpuanb. 00 mufite er greunbe'unb iöefannte um 2)artel)en in IHnfprud) nct)mcn, unb mie cis fc^eint, felbft ^u ©rpreffungen, bie feine (Sppcnborfö fid) erlaubten, bie .'panb bieten, ober bod) ein 3(uge ^ubrüdeu. (Sin fold)cr Hnfdjtag märe ilpn, nad) bctS (SraömuS SBerfidjerung, nod) in ber Icpten gelnngen, unb ()ätte bem ©ppenborf 30, Jütten felbft aber 200 gl. eingebrac^t. 2ludj ba^o 0piel follte Ijclfen^).

9lid)t minber traurig ftanb um ^uttcn’ö leiblic^eö finben. 0d)on nad) '^afel mar er franf gefommen, uub in 3JiüU l)aufen, in 3ütic^, mürbe nid)t beffer mit il)in. Ü}?it innigem iöebaueru ocrnaljmcn im 3uli bie greunbe ber guten 0a^e in Äonftanj, mic Ijinfällig ber äliann fei, ber burdjaui^ einer ciferneii ©efunbl)cit genießen müfdc*). ^er 2lbt j^u ^fäferö, mo bie l)eif5cn Quellen fprubcln, mar ein greunb ßmingli'iS unb ber Üteformation. Ü)^it @mpfel)lungcn an i^n fdjidte biefer ben Giranten bal)in, bie SS^irfung ber Gaffer 511 ocrfudjcn. 2)er S^erfud^ mifes lang: äRübe unb (yefal)r, fd)reibt Jütten (in bie fci^auerlic^c gelfeidluft, mo bie QucHc entfpringt, mußten bamalö bie Äranfen

1) (Jrn§mu§ an ^ircfljeimcr, 19. 5uti 1523. J^utten’§ ©d^nflcu II, S. 252.

2) Resp. ad SpoDi?. in ^uttcn’S Sci^riften II, 6. 329.

3) 6ra§mu§ an ©oclcniuS, q. o. C.; an 331eIond^t^on, ebenbaj. 6. 414; an ^ ircf Reimer , ebenbaj. 6. 260.

4) ?l. ^laurcr an 3®i«0ti/ ebenbaj. S. 264.

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^utten’ö Sage.

491

an l)änflciibcn Leitern l)n!abflcttcrn, ober an v^triefen I)inabs (^cla)fcn werben), luarcii ücri^cMid) beftanben. Ucbcl luar

{d)ou ,yi tief cinflctmir,^clt überbauet biivd) iöiibcv aHcin nid)t 5U ()cücn; and) mar jener 0üinmcr befonberi^ iin^ünftiß für bie ßur. llnaufbörlid)er fHec^cn fiel, unb lüllbc 23nd)c erhoffen fid) uon ben gelfcn. Oft meinte man, fie merben baö fteine, an ben 5elö (geflehte 23abban'5 meflfdjmemmen, unb, lua^ fd)limmer mar, U)r erfnltetc bie Onellen. 5(llc 5rcnnblid)feit jebod) cr^

mie-^ beni franfen fRitter ber ?Ibt, 3ül)ann 3afob fRuffiiifler mit 9Jamcn. @r moCite il)n burdjam^ nid)t fortlaffen, liib il)n erft ein, nod) ctlid)c 2Bod)cn alb fein @aft bleiben, unb rietl) il)m bann, menigftenb fpäter micberjufommen, um feine Sur uon 9ieucm auf,^une[)inen, bie jegt nur burd) ben t*?il^cn

Söaffer uercitelt mürben fei. ^^luf ben äBec^ nab er il)m $ferbe unb alle fReifebebürfniffe rcid)lidj mit. So fel)rte .f)uttcn nad) 3ürid) ^urücf, mol)in er inbefe einen ^rief an ^minnli mit ber Slnfranc uoraubfe^iefte, mo fie if)m nun ein Unterfommen bereitet Ijaben *)?

®on önb erlieg §utten am 21. 3uli nod) ein 0d)reiben - an ben alten ^erjenbfreunb Soban nad) Srfurt, bab (mit einem ad)t Xane fpäter nc)cl)viebencn für^ern ^riefegen) n<^’tt)iffcrmagen ben Sdjmancnnefang beb Ijinftcrbcnben gelben aubmad)t, oon bem mir unb bal)cr fein Sä^ort entnegen laffen moUen. „Sßirb eb beim einmal Sl^ag unb pnben, o Soban, bab mibrinc ÖJefd)icf, bab fo bitter nnb oerfülgt? ^on il)in ,^mar nltmbe ic^ bab nic^t; aber mir, benfe id), l)abcn älhitl) neniiß, um feinen 2(nlänfcn Staub ju galten. SDiefen cin^inen Xroft, biefen .^ort, bat unb berjeninc Uebrine jener fcinbfclinen

ä)iad)t überlaffcn l)at. Ä)^id) l)at bie gliid)t ^u ben Sd)mci^ern nefül)rt, unb id) fel)e einer nod) meitern ^öerbannunn entnenen. 2)cnn 2)eutfd)lanb fann mid) nicht bulbcn in feinem qegenmäts ticken irf) jebod) in ilur5cm erfreulid) geänbert ^u

fehen l)offe burd) ^Vertreibung ber 3^l)rannen. 3d) l)obe micl) aub bem Ätriegbgetümmel ^u miffenfd)aftlid)cr ä)iugc ^urüefge^ogen unb gan^ an bab Sd)reiben begeben. 3n biefem einen Stüde, fann id) fagen, l)at eb bab Sd)idfal gut mit mir gemeint, inbeni

1) S. ben ®rief in ^uttcn’S ©(Triften II, 6. 256.

492

II. %ud(). 11.

mid) auö (irogcu unb mibrißcn ©türmen jur ftiCien iRu^c ber ©tubien jurücffü()rt. ^cr bicfeig bringt, l)at non mir eine ©d)rift gegen bie ^ijranncn, bie er ^um 2)rucfe beforgen foH. hierin, bitte ict) bic^, mibme mir unb i^ni beine ^icnftc.' 5I)tc ©ad)e fann in ber ©title unb beimlic^ abgemad)t merben, tmb ba^ nirgenbiJ beffer o(ö in eurer ©tabt, mo niemonb fo etiuaö uermutl)en mirb, befonber^ ba ic^ fo meit entfernt bin. unb abermatö bitte ic^ bid), oerföumc niebtö in einer ©ac^c, bie t)öcbft notbioenbig für un^ ift. Sorbanben unb om ^age fei ber ©infprueb gegen eine neue unb unerhörte Untbot. ©eben unb erfennen foflen fünftige SJ^enfeben biejeni*

gen gemefen finb, meld)e loiber . ÖJefcJ unb Sfteebt,

Xrjue unb grömmigfeit, mit greOcl unb S^ermegenbeit ficb gefegt haben. Xod) loeitern 3»rebenö bebarf loobl nid)t, um bicb ^ur (iJefälligfcit gegen einen greunb ^u bemegen. ÖJar febr oer^ langt niid) ^u miffen, loo CSrotuö ift, unb mic c«Jil)m gebt ? Xenn id) b>^be lange nidjt mehr in bie .^eimatb fdjreibcn fönnen, ba bie Xbrannen allein befe^t b^iitcn, unb ueulid) 51t meinem großen - ©djaben !öriefe aufgefangen morben finb. (^el)c ihm gut, tuo er immer feil 3d) gebe bie Hoffnung nid}t auf, merbe eine 3eit fommen, tuo (^ott bie brauen äJ^änner auö biefer ung mieber fammeln mirb: gebet auch ^b^ fic nicht auf, beim bat fKöd)eraugen, benen nid)b5 entgebt. ©raemuiS ift fd;mäl)lic^ abgefatlen uon ber ©adje beö ©uangeliume; bod) reut ihn jc^t ber fcbled)te Xaiifd), ben er getroffen. 3d) b^iöc ihn ^ur fRecbcn* fd)aft gezogen (ich fonnte nid)t anberö, bo e^ eine öffentliche gelegenbeit betraf) in einer gebrudten ©d)rift, meld)c bu hier fiebft. Xl)nt audj ibr bort luaiS an eud) ift, bamit e^ nicht fd)ciuc, ihr b^iöet eud) ber gemeinen ©ad)e entzogen, ©rü^e ©bcrbact) uon mir unb alle bie Unfrigen, unb fprid) mid), fobalb angelt, bvieflicb an. SBenn bu fd)reibft, fo fd)icfe an ober

nad) ©afel an Defolampab, unb lebe tuol)l*)."

.'putten bem Auftrag gab, feine, ©d)rift

gegen bie Xt)ranncn, b. b- geg^^n bie luetcbe ©icfingeu’ij

äliad)t uerniebtet b^ittcn (eine erlueiternbe Umarbeitung, mic

1) ^utten on Gobon, €d()riftcn II, ©. 262 f.

N

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fiepte Briefe J5uHen’§.

493

fc^cint, bcr in 33afcl üerfagtcn 0c^rift tuibcr bcn ^fal^grafcn)*), ^um ^5)rucfe ju bcförbcrn, iDufetc er frcilid) nid)t, baß @oban über bic ÖeftvQfuiiq bcr 9fJäubcr (latrunculi) burd^ be» äanb^rafen Don Reffen bem i^:anjlcr bc^ lottern feine greube bejeißt ijattc; wie er oiic^ fpätcr noc^ bic iikficqunj; 0idin^en'^ alö eine bcr @roßt()atcn ^ßilipp'ö befunden ßat. ^er gute @oban weinte nid)t böfc; bic 0ac^e ließ fic^ non -^wd ©eiten bctrad)ten, nnb er wünfc^tc bamalö eine ^nftcllung in SD^arbnrg, ba ißm in @rfnrt bcr bittere C>ungcr brol)te: aber wir begreifen I)icraug, warum er fic^ wol)l gcl)ütct ßaben wirb, bie ^utten’fd)c ©ci^rift gegen bic Xt)ronncn, wenn fic anberö in feine ^änbe gelangt ift, ^um ^ruefe beförbern. 5luc^ anbere mochten bei bem §luffc^wungc, bcn mit ©iefingen’^ gallc bic gürftenmaeßt genommen, baffclbc 33c^ benfen tragen: nnb fo crflärt fic^, baß bic ©c^rift Oer? loren ging.

§lc^t ^agc nad) biefem isörief an (£oban fd)rieb Jütten, wabrfd)cinlid) noeß Don ßünd) auö, an iRifolauv ^rugner, bcr, früßer ?(iiguftiner in -i}dill)aufcn, bann üon bcr Sfteformation an* gezogen, fid) bamab^ in ^afcl aufl)ielt nnb l)ier ober in 3KüU ßaufen fic^ mit Ratten befreunbet ßattc. fiebterem war in $fä? ferö gefagt worben, ^rugner fei in ongefommen, wo er

ißn bann aber nic^t gefunben Ijattc. ^rugner war nämlid; oon ber rcformatorifc^cn Partei in 3)?nlt)aufen alö ^rebiger bal)in berufen worben, wo er in bcn nöc^fien 3al)ren unter mancherlei ©ehwierigfeiten in ocrbicnftlichcr SBirffamfeit ftanb. Jütten fchrcibt ihm nun, wie er ihn OcrgcbeniS erwartet, wie er jeht oon feiner ^Inftellung gehört unb nun feine 23üchcr, mit bereu SSerfanf er . beauftragt gewefen jn fein fcheint, -^u biefem gweefe einem anbern übergeben h^öc. „2)cnn id)", führt er fort, „höbe bcfd)loffcn, brei 3Keilcn üon hier bei einem Slr^^te einige Xgge mich oerborgen 511 halten. SÖic immer t>a^ ©lücf fügen mag, fo werbe id) beiner Söohlthötigfcit unb @aftrreunbfd)aft eingebenf fein, fo lange „bcr @cift mir bic ©lieber belebet*)": wirb mir ©unft be* weifen, fo foUft bu bein oollc^ Xl)cil baran haben; wo nidjt, fo büßeft bu baö gcmcinfamc ®efd)icf. S)cinem 9tathc, oor allem

1) 6. oben 6. 461.

2) Virgil Aen. IV, v. 336.

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494

II. 11. Kapitel.

aber bem ©Treiber unb gagcnbac^, log niegt ab mid^ ju em^ pfcljlcn. Uebriejenö Jc^rcibc, unb iuaö fein mag, fd)idc an ymingli. äöenn ic^ mieber gefunb merbc, fo tnerben mir feine Urfac^c ()oben, ba^ 0d)icffal anjutlagen. Unb einmal, l)offc „mac^t ein (^ott and) biefem ein @nbc ßebe mol)l." 2Bäl)rcnl) in ben 0c^nft5Ügcn biefe» ^rief^, beffen Original einft bic ftrng^ burger ©tabtbibliütl)cf bcmal)i*tc, in Süergleic^ung mit anbern ®cnfmalen ber fraft^ unb Icben^uoUcn $anb beö 9Hitter§, feine töbtlid)c 0d)ma^l)cit fid) ücvrictl), mar bod) ßcbcnömutl) unb ßebenöluft in il)m nod) fo menig erlofc^cn, bag er in einer beutfc^cn 9iadjfc^rift ^rugner bittet, fo halb mie möglich ein gemiffee „^üdjlin, oon bem geuermert ^u mad)en", für i()n abfd)reiben ju loffen unb il)m j^u^ufenbeu“).

5)er gelehrte ©eiftlic^e, bem mir bic erfte 9Jiittl)cilung biefe« unb mehrerer anberer mertl)OoUcn §utten’fd)en 23riefc oerbanfen, bemerft über bcnfelben, erfülle unö mit 2öel)inutl), menn mir fcljcn, mie Jütten fterbenb nur auf bie gortuna gel)offt gäbe. Sßir merben barin, mie in ben Slnfpielungcn auf claffifd^e ^ieg* tci'ftcUen ftatt bei* Öibclfprü^e, nur bic fRücffegr §uttcn’i3 feiner urfprünglid)cn 9latur unb gumaniftif^en 33ilbung erfennen. 3m 35ertegrc mit ßutger unb beffen publicum mar igm bie egrift^ lid) tgcologifcgc garbc angcflogcn: fie ocrlor fieg, al^ er im Un- glücf ciä nur nodj mit fieg fclbft 511 tgun gatte.

®cr §lr^t, ^u meldjcm '^litten fid) gu begeben gcba(gte, mar ber geilfunbige Pfarrer §an^^ 0d)ucgg, unb ber Ort, mo er fieg, nod) immer oor SScrfolgung nid)t fieger, Oerborgen galten molltc, bic 3nfel Ufnau im 3ü^icgcrfce. frcunblicge ^Iccfdjen Söei^ belaub mit feiner ölten i^irege unb Aiapcllc, V2 ©tunbe' uon fRap^ pcr^mgl, im oberen, breiteften öeefen be^ @ecö gelegen, gegörte bem fdjmg^erifdjcn Äiloftcr ©infiebcln ju, mo bem moglgcfinnten Pfleger beö Älofterd, Xgeobalb oon (^crolböccf, berufen, jmei Sagre lang ^rebiger gemefen mar unb fieg mögrenb biefer 8cit ogne ^ueg mit Sd)ncgg, ber Sonocntual boS

ÄUofters^ mar, befreunbet gatte. UeberoU crfd)cint fo, in ^uttcn’ö

1) Virgil Aen. I, v. 199.

2) 2)en juerft oon Üiöl^ri(^ mitfletbcilten iBricM. in gutten’S ©d^riften 1 1 , ©. 265 f.

Iputtcn in Ufnau.

495

lebtet Über i^m milbc unb feftc ipanb, tüäbrcnb

Dcfolüinpab’ö frcunblicljc^^ ^lu^c miö bev 9Ml)o ()tTÜbcrbli(ft. ®ic bcutfd)c Sficfünnatiün bnttc bcu üiittcr übgcldjiit: bic fdjtuci^cs rifdjc naljm il)u auf. Ob er bei längerem £ebeu uid}t and) üon il)r fid) eiittäufc^t gefunben batte, ift freilich eine anbere grage.

0cbmer,^lid) mürbe Jütten in feiner (Sinfnmfcit unb Sebmad)' beit 5u Ufnau nod) einmal bnrd) ©raömuö geftört. 5liiö ^afel fam ibm üon grennbcöbanb bie äBarnung ^)^^be ein

©ebreiben an ben ^üricber ^Ratl) gerichtet, moriu er Jütten nn* freunblid) antaftc unb bcö 9tatbö Ungunft unb äöibenuillen gegen il)n jn ermeefen fid) nnterftet)c. ^2lud) in ber ßnfdjrift an ^tuingli, bie er feiner Spongia uorfebte, üerfid)crtc ©raömuö ^mar, er molle ben fHitter feineömegö um bic greiftättc bringen, mcldjc ber ®bels mntb 0d)mci,^er ibm gegen feine ^crfnlgcr gemäbre; bod) maebte er gefliffcntlicb barauf aufmerffam, mic glitten in feinen fiibcllcn nid)t nur mübluerbientc ßJelebrte, mie il)n, barnntcr maefere Sd)tuci|^cr, angreife, fonbern and) ^apft, ilaifcr unb gürften nid)t üerfdjone; morau^ lcid)t ber 8d)me4, bcrSraömn^ aüeö @utc münfebe, §aj3 unb Ungelegenbeit crmadjfen tonnte, gaft glcicblantenb febrieb er nun an iÜürgermcifter nnb ^atl) üon er l)ahc nid)t<g bagegen, baß ibre ©ntigfeit ben

Jütten alfo bei fiel) mobnen laffe, fonbern nur, bag biefer, ber je^t nid)t» mebr 511 uerlicrcn l)übe, fold)e (^ntigteit nicht ju einem geilen mutbmilligen Schreiben mißbrauchen möge. SBcnn fie bics fen feinen iDhitbmillen ein toenig jäbmen, merben fie nid)t fomol)l il)m, bem ISra^mu^, alö ben äöiffenfcbaften unb ihrer iJaubfd)aft einen nüplidjen 5)icnft erioeifen^).

I^lnf bic 'DZacbridbt, baß ein Schreiben fold)cn gnbaltvJ üon (SraiJmuö erlaffcn toorßen, bat ,’putten ben jürid)cr iönrgcimciftcr nnb 9fiatb, aU feine lieben .sperren nnb greunbe, an bereu 3^*' neigung ^u aller 9?eblid)feit, nnb infonber^^ d)riftlid)er SSJabr^ beit unb cüangclifcbcr Sehre, er nidjt i^tuciflc, um bie ÖJunft, falle berglcicbcn ©djriftcn ihnen fd)on ^ngefommen mären, ober nod) jntommen möd)ten, il)m beren Sinn nnb Inhalt nid)t üor* juentbaltcn, fonbern 511111 43ebufe feiner J^crantmortnng il)m l£o= pien angebeiben 511 laffen. ^)cnn er moUe je bafür gehalten

I) ^ojet, 10, 'flufluft. ^utlrn’ö Sdbriftfn II, 3. 25() i.

496

11. i^opitel.

fein, bo^ er olle 3cit l)er, feit er ouö feinen finblidjen Surren eriüodjfen, anberö nid)t, beim einem tiiflenblidjcn unb frommen ^Hittermägiflen oon Slbcl mol)l ^icmlic^, geljanbclt unb gcmnnbclt ^obc. SBoüc jemanb, olö er nid}t l)offc, il)ii bcö C^cgentbeilö bc- fc^ulbicjen, fo merbe er feine (5l)r unb ©limpf mit ÖJrunb ber 2öal)rl)eit (juu(ifamlid) 511 oertreten unb ^n cntfd)ulbicjen loiffen: unb fo bitte er nun aud) fic, ein Vertrauen ^u il)m ju Ijoben, unb fid) überbieß feftiglic^ j\u il)iu 5U Oerfel)en, bog er j^u il)ncn unb gemeiner (Sib9cnoffenfd)aft, je^t mic immer, einen freunb^ licken guten ÄUen trage, il)ncn £ieb unb 2)icnft ^u erjeigen oon ^erjen gefilmt fei*).

®od) glitten beburfte halb teineö mcnfc^lid)en 0d)upCiS mel)r. (Sin heftiger ih*anfl}eitöanfaU loorf il)ii auf ba« Säger. Sler^tc mürben gerufen, aber il)re mie beö guten ^farrcr^ ^leiU tunft mül)te fic^ ocrgcbcim-). ^iln einem ber lebten ^age be^^ Sluguft, ober am erften ©eptember (beim bie üöeric^tc ftimmen nid)t überein)®) mar Jütten aller 9iotl), bie il)n brüdte unb noc^ bebrol)te, burd) einen fdjnellen 2^ob entrüdt. @r mar 35 3al)re unb 4 3J2onate alt gemorben. 9tur um Sßenigeö über ein ®icr- teljal)r l)atte er feinen gran^ Oon ©idingen überlebt. S)ic Sluö- fic^t, ^cutfdjlanb mittelft ber 9ftcformationöibcc politifd; mic firc^* lic^ neu aufgebaut 5U fc^cn, ging mit beiben ju ®rabe. S^aö ben Stittern miglimgcn mar, Oerfud^ten jmei Sa^re fpäter bic S3auern mit nod) üblerem ©rfolge. S^ac^bem baö Äaifcrtl)um fid) ber ^Reformation oerfagt l)atte, mar biefc jept nur noc^ mittelft bcö Sanbcöfürftcntl)um^, alfo auf Äoften ber politifc^eu @inl)cit unb 9Jtad^t bee bcutfcl)en S^olfcsS, burdjjufepeii. 5lber beffer auc^ fo alö gar nid)t ; beffer, baß ^)eutfd^lanb bod) tßcilmeife beutfd) mürbe, alö baß ganj romanifcß blieb; unb ben politifd)eu ©cßaben finb mir ja eben im beften g«t ju machen.

^aß |)utten an ber Äranfßcit geftorben ift, an ber er feit fo oielen Snßren gelitten ßatte, unb bic, naeß einer f(^cinbaren Teilung, halb oon neuem auögebrocßcn mar, leibet feinen 3^oeifel.

1) Ufnau, 15. 9Iu0uft. ebenboj. 8. 257 f.

2) ®ofiltu§ ?lmerbod(), ®QjcI, 22. Oct. ßbfnboj. 8. 383.

3) ®fll. ben fo eben angeführten 93rief mit ben ?tngoben bon @T0§mu3 unb nnbern, in i^uiten’8 8(hrifien II, 8. 263 f. 352 f.

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J^ultcn’S lob.

497

0

3n Xcutfc^Ianb fpra^ man mancher Drten Don SSergiftmiq. Sei* bcr jcboc^ braudjte cß, um Jütten ju tobten, feinet meitem @if* teö, aU baö et fc^on lange in feinem Äörper trug. ÖJlarcan fcl)rieb, mic^utten nac^iöafel gefommen mar, oon „feiner Ähanf* l)cit" fei er nodj nic^t genefen; )öafiliu!g ^mevbac^ berichtete, bie Ueberblcibjel ber franjüpfd)en itranfheit haben ihn auf ba^ Säger gemorfen, baö fein Xobtenbettc mürbe, unb aud) ber jüri^er ^iebiciner Ätonrab (^cöner nennt in feiner um’ö 3ahr 1545 her* außgegebenen iöibliothcf biefelbc Äranfheit alö biejenige, oon meld)er §utten aufgeriebcu morben fei. 2)ah bagegen 3oadhim (Samerariuö nur unbeftimmt oon Äranfhciten fpricht, ift in bcr fdjouungi^ooUcn, üertufchenben 5lrt, bie mir an ihm tcnucn. 3Jian hörte mohl auch ft^Qcn, meniger bie Äranfheit fclbft, alö bie mör* berifche @uaiaf*(5ur, bie er burchgemacht, fei bie Urfad}e oon ^uttcn’ß frühem Xobe gemefen*).

Jütten ftarb, mic fich benfen lä^t, in ber öugerften ®ürf* tigfeit. ä'^^ingli gibt uuö fein 3n0cntar. „@r hinterlieg'^ fchreibt er, „lebiglid) nichts oon S33erth. iöüchcr h^He er feine, ;gauö= ratl) auch ni^hlf auher einer gebet*" 2). onb anberc

greuube liehen il)m ibücher, bie fie nach feinem Xobe jurüefer* hielten ^). 3n ^)eutfchlaub mar Jütten im iöcfih einer hübfehen ©ammlung oon ^anbfehriften unb gebrueften iöüchcrii gemefen, bie er burch Xaufch unb Äauf ^u oermchreu fuchte. ^ber fie ftanb jeht nicht 511 feiner SSerfüguug, menn fie nicht bereite für il)n ocrloren mar. 3oachim Samerariuß ermähnt fpötcr, bag ein ^i5t, ^Jtameug Socher, ^uttcn'ß '^ibliothef „auß ber ^eute" cvfauft habc<). 3ft hier Kriegsbeute gemeint, fo fdjcint alfo $utten'S jurüefgelüffeue ^ücherfammluug, oielleicht mit ber (Sbernburg, in bie $änbc bcr gürften gefallen unb mit ben ^cutcftücfen oerftei* gert morben 5U fein. ®amit ftimmt, maS Otto iöruufelS oon einer Sammlung §uffifchcr 0d)viftcn fagt, bie il)m oon ben megge* nommenen isöüchern ^uttcirs, bcr fie auß 33öhmen jugefchieft bc*

1) ©. bic ©teflfn in ^uttcn’S Sf^riflcn II, S. 163. 352. 354. 362.

2) 3winflli on 33oui|Qä äöolfbart, 11. Oct. 1523. §utten’§ Sdjriftcn II, ®. 382 f.

3) 5)erj. on Ocfolomlxib, ebenbaf. 6. 882.

4) 3n ^utten’S Schriften II, ©. 446.

VII. 32

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498

II. 11. i^apitel.

fommcii, juiücfcjccicbcn lüorbcu; eine 0ad)c, fe^t er t)inju, Don ber übriqen^J loeitcr ju rcbcu (bcmi lic^e ficb eine lauge fcbidjtc bauoii cr^äblen) lucbcr crjpncßlid) nod) vatl)fam fei; ein anberimil betrad)tct er alö ein SSunber ber göttlichen fcl)ung, baß biefc 0tücte qu^ bem ^uttcn’fchen öüd)er)chah er^ halten njorben*).

S^on fchnftlid}cn ©aeßen faß §utten’ö

laffenfehaft noch ein iöünbel ^Briefe üon greunben unb an foldhc ; lüie Otto iörunfclö in 2)eutfchlanb eine ©aminlung oon 2000 ©tücf bcrgleichen, oon gürften unb Herren, ©ciftlichen unb ©eiehrten aller Aktionen an §utten, äum Xt)eil 3^^fii^inw”9^erflärungen ju feinem Unternehmen gegen 9iom, bei ihm gefehen l)Qttc, bic er in SJiußeftuiibcn orbnete unb unter bem Xitel: Vertraute ^iBricfe, hcrciu^jugeben gebuchte^). Xaß biefe ©ammlung obhan* ben gefommen, ift ein großer SSerluft für bie 3eitgcfd)ichte. 2lußerbem foUen fich nod) mehrere ber eigenen Xrucffchriften §utten’ö bei ißm oorgefiinben h^i^^en, bic er sum Öeljuf einer neuen 2lu^gabe burdjgefehen unb oielfad) oerbeffert hotte. Xic fo burchcorrigirten ©jcmplave beßiibcn ficli auf ber SBaffertirdjen^ bibliothef in 3örid), unb begreifen bic ©tecfclbevger ©ammlung ber ©djriften gegen ^erjog Ulrich, bic Aula, ben großen Örief an '4^ircfl)eimer, bie Xürfenrebe unb bie auf ben mormfer 9teichv= tag fid) be^iehenben giiücctiuen unb ©enbfchrcibcn. Xic ®erän^ berungen (mic fie 43öding unter bem Xe^de, ju^üglich einer nach' träglid)en Öeiid)tigung gibt) bcftchen, außer ber 2liiömer^ung oon Xrucffehlern unb leichten fpradjlichen 35crftößen , houptfäd}- lieh in Keinen ytad)hülfcn, meld)c ben ©inn beutlicher, ober ben ©til anmuthiger machen follen. biefem lehtern 3o)ccfe finb inöbefonbere Diele größere ©üpe baburch in fleinerc jcrlegt, baß bereu ©lieber, früher burd)Ä'olon unterfdjiebcn, nun burd^^^Sunfte getrennt luurben. ©rfennen mir hierin bic ©orgfalt, mcld)c.'puts ten ber gönn feiner ©chriften äuäumenben pflegte, fo ift eine fer=^ ncre ?lenberung, bic er in jenem ©jcmplare burd}fül)rte, alö ein 3cichcn merfmürbig, mie in ben menigen 3al)ren feit ßuther'ü<

1) (Sbenboj. 425 f.

2) Resp. ad Spong. 3n ^ulten’4 Sci^riften II, 6. 340 f.

3) Sor bem III. «onbe bet Sd^Uften ©. XIX-XXX.

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^utten’§ unb ^ibltoil^ef. 499

Auftreten ber qanje 3citcjcfcf)macf eine Umiüanblung erfahren Oottc. ftiliftifc^c §cibcnt()um boö |)umaniömuö luar onftögig gdüorbcii: fo c^riftiaiiifirtc jc^t auc^ Jütten feinen 0til. ®ie (Götter unb ber .^crculcö feiner friUjern (Schriften mußten bem ®inen (^3ott unb bem §errn 6i)riftuö meieren,

3u ^utten’ö 9ia^laß gehörten aber aueß ©cßulben. ^er Pfarrer ^öonifa^ SBolfßart ju ©t. ä)iartin iu ^afei ßattc nod) eine gorberung an it)n ; ber Gommenbator Suiißarb ©d)mib ju Äüßnacßt, ber ibn auc^ bem Slbte Don ^4^fäferö empfehlen ßelfen, batte ibm, üieüeicbt eben ju biefer iöabereife, 20 gl. üorgeftreeft ; ßiwingli felbft 3 gl. gur öefriebigung biefer unb anbereröläu^ biger (bie ©d)ulbeii füllen fieß im^anjen auf 150 gl. ober etmad mel)r belaufen l)aben) mar, bei bem ©tanbe ber ®erlaffenfd)aft, feine 2lu^ficbt. (Sinmol ßieß jmar, feien auö bem §utten^ fdjeu öermögenö^erfalle (üielleicbt üon feinem oäterlicben ^btl)eil in ^eutfd)lanb?) nod) 200 gl übrig, bie bem ^einricb (Sppen* borf ^ugeftellt merben mürben. Söirflicb rühmte ficb biefer in ber . gülge, für Jütten nad) beffen Xobe ©cbulben bejol)lt ,^u l)aben. ^on jenen 200 gl. aber, unb baß (Sppenborf fie erhalten ßätte. Oerlautet meiter nichts, unb ba er felbft tief iu ©cßulben fteefte, fo l)at moßl @rnv<muö fein Vorgehen nid)t mit Unrecht bejmcifelt. S)al)er faßte fid) 3n>ingli, ber auc^ nid)tj^ ju oerfd)enfen ßatte, nießt bloö am großmütßigften, fonbern au^ am flügften, menn er feßrieb: ,,9fad) meinem (^utßaben frage id) meiter nießt; mirb etma« bejaßlt, fo neßm’ icß'ö, mo nießt, fo feßenf' icß’i^" *).

gür ein ^enfmal auf Jputten'i^ (^rab ßatten unter biefeu Umftänben feine näcßftmoßnenben greunbe nießtö übrig. (Sin fränfifeßer ^Ritter ließ in ben folgenben gaßren einen ©tein mit einer lateinifeßen gnfeßrift auf bemfclben errießten*), ber jebod) früß^^eitig, fammt ber itunbe beö $laßeö, mo Jütten begraben, oerfcßmuuben ift. ^)ie einfiebeljcßen Pfaffen fonnten ein feßerifd)eö ^eiligtßum ber ^rt auf ißrer gnfel uießt braudjen.

^)aß ein Xßeil ooii ^utten’e ^^ibliotßef burd) Ä'auf in ben !0efiß beiJ 2lrjteö 2od)er übergegangen fei, fam halb einem jün*

1) Sttingli an SBoIf^art, a. o. O. 3Jgl. 6ra§mu8 an

tfn’8 II» 433. i^. Öppenborf gegen 6ra8mu§, cbenbaj. S 451.

2) S. i^utien’8 Sd^riften U, 8. 353.

500

II. 11. I^apitel.

gern ®cttec be^ SSccftorbcncn, üou |mttcn, ju O^rcn.

2)iefcr, bcm bir!cufelbei* ßiiicigc ber ftoljcnbergifci^cn Sinic ent- fproffcn, luar' in bic gciftüd)c ßaufba^n getreten , in töelc^er er lim ba‘^ lij3G j^inn tropft in Söürjburg, etiua brei 3a^rc fpäter 5UI11 '^ifei^of non ©ic^ftäbt anfftieg, mo er um 1552 ftarb. ©d)on frnl)c intcreffirte er fic^ für ben 9tul)ni unb bie SJcrloffen- fd)iift feinet ii>etter^^, ber feinen ©roßobeim Subinig unb bejfcn ermorbeten 0o()ii bureb feine Xobtenopfer unfterblicb gemad)t batte, unb trug ficb mit ber 5lbfid)t, beffen 53ibliotbef non bcm fremben ^efi^cr 5urücf5ufaufen. ^ber auch bie 33ucbbrudcr bot* teil non bcm 0cbabc, namentlid) an |)anbfcbriften, SBinb befonis men, unb bereite unterbanbeltc groben in 33afel mit £ocbcr um bie ^d;rifteii non Ouintilian, ^liniuc> unb aJ^arceUuö ined., bie .gmtten cinft in ber fulbifd)en iöibliotbcf gefunben b^ittc. Xer ^^udjbrucfcr <ScJcr ju §agenau glaubte mit beni ä)iarcelIU)S allein 30 (^olbgulbcn Oerbienen 5U fönnen. ^uf 0ebev’ig ^Inmabnung, ber bureb ßamcrariUiiJ ben i8erlag ^u befommen buffte, gab nun biefev im grübjabr 1529 bem liÜiori^ Jütten non bcm ©taube ber ©ad)c 9tad)i*id)t unb forberte ibn auf, ben $lan bc^ 5ln* tanfö ber §uttcn'fcbcn iöibliotbef, ebe biefe äcrftrcut merbe, aui^s jufübren *).

(Sin ©tücf bcrfclbcn mar niellcicbt febon im 3a()r junor neräufiert: bie Jölumenlefe auö ©alluft unb ßurtiuiS, bic3ol)anu Vermag im 3- 1528 ju ©traßburg berauiggab *). (Sö ift bied eine ^bi^flfcologic, bcrgleicbcn ficb bie |)unianifteii auö ben ß^laffi* fern, bic fic lafen, jur ^ereicberung ibred lateinifdjcn ©pracb* fdjafecö an^iilcgen pflegten: non Jütten auf feinen gaü ,^um Xruefe beftimmt.

9^ocb ftärfer finbet man fid) nerfud)t, bic ^erfunft auö ber üocbcr'fcben ©ammlung non bcm Xialog ^rminiu^ 511 nemintbcn, ber im 3al)r 1529 aU ein nacbgclaffcncö SBcrf non .^utten er^ febien®). Xenn menn in bem norangcfdjicften (SJebiebte @oban

1) 6. ^utien’8 6(t)riftfn II, S. 446.

2) C. Sallustii et Q. Curtii Flores selecti per Hulderichum Hut- t(.*num eq. ejusJemque seboliis non indoctis illustrati. S4|rift«n V,

499-503.

3) .Arminitis I>ialogus Huttenicus. Schriften IV, S. 407 418. 3n

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i^uttcn’S ?Irmtniu8.

501

$effc fagt, bcö iCcfcvö crftcr ®anf gebühre bem Ulrich, ber ^^tücitc bem ÜÜiori^ Jütten, bcc brittc bem 3oad)im (ßamerariuis), uiib ba überbiefi bic 0d)rift bei ©c^er in ^agenou gebrudt ift, fo fd)cint ^ier bie erfte ^ruc^t beö unter ö^omerarius’ SScrmittluiig ^tülfc^cn ajiori^ üoit Jg)utten unb Soccer abgefc^loffencn .^aiibclö

liegen. äBenn nur nid)t baö ©obanifc^e ®ebid)t baö Saturn bc^ 3- 1528 trüge, mo, menn bie 3o^re0,^nt)l bee oben befproc^cs non Samerorifc^cn '3riefeö ridjtig ift, jener |)anbcl nod) nic^t abge)d)loffcn mar. übrigen^ 3Jiori^ mirtlic^ bie ^^nc^er^

famnilung feinet nerftorbenen SSetterö nn ji^ getauft habe, mirb barmi-g mat)rfc^einlid), ba&, nac^ !iöurdt)Qrb'‘5 ©rfunbigungen, ^n 21nfnng bc^ uorigen 3o^rf)nnbertö in ber bifd)öflif^en 5Öibliotl)ef ^n ©ir^ftobt noc^ üerfc^iebene mit ^utten’^^ .'panb^cidjen uerfet)ene JÖüdjer üorI)anbcn maren^).

2Bo aber and) jener Dialog anfgefnnben fein mag: an fei= ner 2led)t^eit ift nid)t jn ^meifcln. @r trägt ,'piitten'ö ©tcmpel nac^ 3id)alt unb gönn. 3a, ein gan^ beftimmtcr Vlnfnüpfnngös punft finbet fid). 3n bem ©enbfdjreiben an ben iturfnrften grie- brid) ©ad)fen (üom ©eptember 1520) füt)rte er biefeni ben ^Irmininö ^n @emntt)e, ber, alö (^t)eru!äter ^n ben ©ac^fen ge-- l)örig, nac^ bem 3cugnifi ber geinbe fclbft ber befte unb tapferfte aller gelbl)erren gemefen fei unb 5)eutfd)lanb non bem 3od)e ber 9?ömer in ber i^rer l)öc^ften 9Jtad)t befreit l)abc. !iiöaig biefer unfer ©efreier in ber Untermelt beuten merbe, menn er fel)e, bag, mäbrenb er bie tapfer n fHömer nic^t alö |)erven l)abe bulben mollen, feine 9^ac^fommcn jefet meic^lic^en Pfaffen unb meibifd)en iöifdjöfen bienen?*)

S3on biefen ÖJebanten ift bei* Dialog 2(rminiji^ nur bie meitere 31nöfü^rung. 31rminiuö crfc^eint in ber Untermelt unb mad)t fid) alö ben tapferften gelbl)errn geltcnb. proteftirt üor bem fRic^terftul)le bcö aJUnoö gegen ben ©prnd), bnrd) mcld)en biefer (in einem üon £ncian'!^ Xobtengefpräc^en) bic erfte ©teile

meiner lleberjeljung oon i^ultcn’5 ^^ejpräcben S. 390 412. S)a§ Ö^ebiebt ßobon’ä in ^ulten’§ Schriften II, S. 439 f.

1) S. ^utten’S Schriften II, S. 474 f.

2) Schriften I, S. 390, §. 19. 20. 530l. oudh fchon bie brüte Siebe gegen ben i^rjog non 29ürlcmberg öom 3laht 1517. Schnftm V, S. 45, §. 19.

502

II. %uc^. 11. jtapitel.

unter bcn ^ccrfiUjrcrn im @ll)ftum bcm 5llcjranber, bic jmcitc bcin @c4>io, bie britte bcm ^annibal, i()m fclbft aber flor feine aiij^c* miefen ^attc, bem boc^ non fRcdjtemegen ber erftc gebührt haben mürbe. ÜJ^inoö, obmo()( er bcn 5Irminiuö tabdt, bag er fich nicht rechtzeitig gemclbct ift bod) nicht abgeneigt, bie

©achc noch einmal aufzunchmen, unb lägt bal)er biirch SD^ercur

jene brei gclbherren, unb auf ba§ ißcrlangcn bciS Öcfd)mcrbcfüh= rerö auch bcn römifchen @efd)id)tfd)rciber 3^acituö, rufen, bem Jütten fein rühmliche^ beutfehe Station oon

jeher ho^ angercd)net heilte *). ^en Ichtcrn forbert nun Slrmis niuö auf, bic (StcUc über ihn auö feinen 3lnnalen (am 0chluffe beö Z'üciten iBuch^) oorzulcfen; morauf er in längerer fRebc feine Slnfprüchc auf bcn erften $la^ unter bcn gelbhcrrcn burch bic ^lachmcifung begrünbet, bag berjenige, mcldjcr unter bcn grögtcii 0d)micrigfeitcn baö mächtigfte 5Solf ber @rbc in ber ^criobe fei* ner höc^jf^cn iölüthe befiegt nothmenbig ber grögte gclbhcrr

fein müffc. ÜBcnn §lrminiuä in biefer Sflebc fagt, er ho^>c bieje^

nigen für gar feine ^cutfehen gehalten, meldjc bcm ^uslanbc Xribut bezahlten, ober fonftmic frember Sotmägigfeit fidj fügten; al^ ben ärgften ©räucl aber habe er auögerufen, bag zinifch^^u fRljcin unb @lbe römifche ga^ccö unb SToga je crblicft morben feien; er ho^’^ bahin bringen moUcn, jeben Ueberreft ber römifchen ä)^acht, ja felbft il)r Slnbcnfen, in 3)eutfchlanb zu ücrtilgen: fo bebarf feiner Erinnerung, bag §uttcn babei an ba^ päpftliche fHom feiner 3cit unb feinen Äampf gegen bicfcö gebucht hut. 00 fchilbert er auch bcn SBaruö mit feiner fudjt unb feinem Uebermuthe ganz einen päpftlid)cn Segaten feiner 3eit unb nimmt ihm ba^ befonberiS übel, ma^ ihn an ci^ nem Eajctan unb 5lleanber fo erbitterte, bag aud) er fdjon bic ®cutfdjcn für bumme S3cfticn hielt, benen man allc^ bieten bürfc. Söenn Slrminiuö bie iöefchulbigung, nach ber Oberherr* f^aft in ^eutfd)lanb geftrebt zu halben, alö SJcrläumbung zurücf* mcift, ba er nur, um bie gemeine greiheit fd^ü^cn zu fönnen, bic einmal erlangte SJ^acht nid)t auö ben^änben gegeben höbe; übri= gcniS märe nidjt mehr alö ein uerbienter ^anf gemefen, menn bic ^entfehen ihrem Befreier auö bcm ^i^cmbcnjochc frcimiHig bie

1) SBßl. ben ©abigeuS, ^t^riften IV, ©. 134 f., §. 11,

$

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503

^utten’S ?lriiumu§.

4

.^errfcljaft aiigcbotcn f)ättcu: fo mac^^nttcn f)iebci an ©icfingcii’ö ^lanc i^cbac^t babcn; luic bic Sbce, bic Dcibc grcunbe bcgeiftcvtc, in folflcnbcr 8d)lu6vcbc bcö 3trinininö nid)t ^n ücvfcnncn ift. ,3^id)t um 9iubm, 9^cid)tl)iiin ober ^errfebaft fämpftc id), fonbcni baö mcincö ganzen ©trebens mar, bcin öatcrlanbe bic i()in rtcroaltfam entriffene greibeit ,yirncf^nßcbcn. So lebte id) in ber 2luöübuiu] ber l)öd)ftcn Xuetenben, biö inid) cin(ieiini|djcr 9ieib iinb bic ^(rfllift ber eigenen Cermanbten fällte, unb id) ben freien unb über aüeö fiegreidben @cift, im ^emufetfein ber größten 53cr= bienfte um mein ®aterlanb unb cincö in allen Etüden tüül)lgc- führten Sebent, j\n cud) binübcrfd)icftc/' ä)^ino!^, mit bc6 ^^rmis niuö fRebe fel)r ^ufricben, gefteßt ju, baß ißm ber erfte ^la^ unter ben gelbbcrren gebühren mürbe; bod) meil ber frühere 0prud) nid)t nmgeftoßen merben fönnc, fo läßt er ^nm ©rfap bnrd) SD^ercur aliJ ben erften unter ben ^aterlanb^befreiern, mie iörntnö unb ähnliche, ben IShcriißfcr ^Irminiuö, ben greieften, Unübcrminblidjftcn unb Xeutfdjcften, öffentlid) au^'rufen.

Xic auebrndlid)e 9tn(janmenbnng auf bie ©egenmart ift bnrdjauö uerfdjmiegcn, unb biefc objectiu l)iftorifd)e .fpaltung gibt bem 0Jan,\cn , bem mohl and) nod) mand)c rhetürifd)e 5Rad)hülfe üürbehalten mar, ein mattereö CSolorit, alö man fonft an |)utten'5 fehen 0d)riften gemohnt ift. ^icrauc^ etma fchließcn ju mollen, bn^ (^efpräd) fei in ,5)uttcir!5 Icptcr 3eit, bei abncl)mcnber Älraft uerfaßt, ift gleichmahl mißlid) ; man fönntc ebenfo bic rußige Dbs jcctiüität für biefe Icpte Unglücfij,^cit befremblich finben : unb menn mir hic'r mirflid) ein 0tücf ber uon iiod)cr ..anö ber idente" ge* fanften iBüd)crfammlung uor nnö haben, fe» mürbe fid) bie iHn- nähme ergeben, baß bic 0d)rift auf einem nun ^icfingeirö 0d)lö)fcrn entmorfen unb bei .fputteircJ ^Ib.^tg auö X)eutfd)lanb bafclbft äurücfgcblieben fei.

504

Bmdlftes fiopitd*

^fimmett ti6er ^ttden'$ itnb ^tt$()ättoe feiner afte»

^rennde.

0b bcm ftcrbcnbcn glitten bc^ ©raöimi^ bittere (>5eflciu fd)vift noc^ ju @efirf)te (jefommen, ift iingenjig. Einige beI)Quptc* ten eö; ©raömuö qtaiibtc nid)t, tueU ber ^ruef berfelben erft am 3. ©eptember uollenbet tüorben luar *), tüo §utten fei^ou im (SJrnbc lat;. 3mmert)in !önnten i()m jebod) burc^ grciinbe^Dermittlunfl bic einzelnen 33o(jen fc^on üor ber eigentlichen to^gabe ber ©d)rift ^ugefommen fein. 3m ^ublifum bagegen fam bie ft^unbe non ^uttcn'ö Xübe ber 58erbreitiing ber Spongia um fo niel jnuor, ba| bic gehäffige 9^ad)rcbc cntftchcn fonnte, @raömu§ h^ibc fic gegen ben ^^obten gefchricben. S3crmod)tc er glcid) biefj genngenb ^n miberlcgcn, fo mürbe feine ©c^rift bod) gelefcn, al§ ber @cg* ner fdjon tobt mar, ben fic befämpftc, iinb ©raömuö fühlte felbft, mic oicl ihr bieß oon ber ©unft beö £cfcr<g enh^iehen mn^te.

Sll^ nun nach menigen SBochen fdjon eine neue ?tuflagc .nötl)ig gemorben mar, fonnte ©ra^muö biefe ©unft bnrd) ein öcrföhnenbeö S8ormort ju geminnen fuchen. @r fonnte, nachbem er ber Pflicht ber ©elbftocrthcibigiing genug gethan unb babei ben ©egner, ber il)m in SBaffen gegenüberftanb, nid)t gefdiont hatte, nun, ba biefer gefallen mar, fid) unb bic Sefer an feine löor^ügc erinnern unb oon bem ehemaligen grciinbe, ben fpätere SBermicflungen ju feinem ©egner gemad)t hatten, einen grogmiU

1) @ra§mu8 in ber Sorrebe jur neuen ?lu§ßabe ber Spongia, in ten’§ ®d^riften II, 6. 263. ^ie entgegengeje^te SorauSje^ung anberer ebenbai. 6. 347 unb 352.

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6ra§mu§ nac^ J^utten'S £ob.

505

t[)igcu ^bfd)icb nehmen. 0tatt beffen rül)intc er fid) in bem 33orworte ber neuen Slu^gabc (baö er nid)t meJjr, tnic baö ber erften, an fc^njerlid^ mit ber Spongia ^nfrieben

tnor, fonbern an ben £efcr richtete), in biefer 0d^rift nod) fel}r fäuberlic^ mit Jütten gefatjrcn ju fein, unb frifd)t nun ba^ greUc 33ilb, baö er bort mieber^ott non bemfelbcn entmorfen, ^um lieber^ Puffe noc^ einmal auf. 3ugenb, äupert er, ergebe fid)

au^ ^utten')^ marnenbem Seifpiele bie Se^rc, über ber 33ilbung be^ ©eifteö bie beö 6l)arafter^ nic^t ^u uerfäumen, bie Seiben? fc^aften burc^ SSemunft ju ^ügeln. „2)enn manche", fcil)rt er fort, „f^meid^eln 5(nfangö il)ren geilem, fel)eu 33ul)len unb ^raffen i^rer Sugenb nad^, l)alten 0piel unb S3erfc^menbung für abelid^. 3Jtittlermeile nimmt ba^i 35ermögen ab, bie 0d)ulbcn ^u, ber fRuf leibet, bie ßJunft ber gürften ge^t üerloren, üon be^ ren 9Jälbtl)ätigfeit man lebte. 33alb lodt i)ürftigfeit 511m 9?aiu ben, unb ^uerft gefdjiebt bie6 unter bem S^ürmanbe bei? itrieg^; bann aber, menn für ben ^liifmanb, alö bad> leefe gaß ber ^a^ naiben, nid)tö mel)r l)inreid}t, erlaubt man fid) fd)led)te 0treid)e, unb mad)t, mo eine Öeutc <^u erfc^nappen gilt, jmifd^en greunb unb geinb feinen Unterfd)ieb mel)r; biö enblid) bie £eibcnfd)aft, mie ein IRoß, ba^ ben ^Reiter abgemorfen, jäl)lingct ine 53erberben rennt." ^ud) fpäter nod) berief er fid) gegen bie S^onuürfe, bie il)m ber Spongia megen gemad)t mürben, baranf, baß er ja in berfelben uon Jütten v anftögigem SebensSmanbel fein Söort gefügt habe’); maö nur infofern rid)tig ift, alö er ber offenen 9tennung feineiö S^amenö an folc^en 0tellen bie nid)t mi6,^uoerfteI)enbe Sin« fpielung oorgepgen l)atte.

^Billiger unb richtiger l)atte fc^on oov einem 3al)re, auö Ißeranlaffung einer uerfrül)ten Xobeefunbe, 5^eit Söerler in feiner §lbgefc^iebenl)eit 5mifd)en ben iöergen uon 3Bicfenfteig überipntten gcurtl)eilt, ber i()m uon einem frül)cn 3uff^*nmentreffen in £eip^ig l)er unuergefelic^ geblieben mar. 9^ad)bem er ben uorjeitigen |)ingang eineiS fo großen Xalent-^v eineiä in ^rofa unb Sevfen fo glücflic^en 0c^riftftelIerö beflagt unb beö Urfprungö i()rer JsBes fanntfe^aft fic^ mit £iebe erinnert pat, föl)rt er fort: „ÜJ^an machte

1) 3n bem ^rief an ßut^cr, 8. 1624, in J^uttcn’S 6c^ti|tcn II,

506

II. ^u(^. 12. ÄQ^)ilet.

i()in iöortmirfc, baft er oft allj^ubittcr (]cfcf)ricben , baft er ©djinöbungen auf ©djmäbunc^cu n]cl>r

alö trac^ifc^cm §affc ocrfolgt bobe. fei fo. Slber er luar gereift, loar jung, uub t^at e^ mir in ber bc§ 0cbrcibciig, machte and) nicmanb i)cr()ahtcr baburch nlö fid) fclbft. SBcnn ba^ ein fehler ift, fo l)Qt er biefen mit Dielen gemein. 2Bir fönnen nid>t alle unferem .^errn unb ältclftcr 6l)rifto äl)nlidj fein, ber nicht läfterte, menn er geläftert marb, fonbern für bittere 0d)mach iin^ feine l)cilfame £el)re ^urüefgab. SBie bem fei: ich luünfchc §uttcn'^ 0d}atten eine leichte unb nidjt laftenbe @rbe, unb buftenbe (5ro^ cuöblumcn auf fein @rab" 0-

Söie nun Dodenb^^ ber alte §er^cn^freunb @oban bie fWach- rid)t Don §utten'$ Xobe erhielt, faunte fein 0d)mer,^ feine @ren» ^en. „D mein ^raco", fd)rieb er au biefen Xl)cologen, ber cinft aud) bem erfurter itreife angehört hotte. ,,^3ld) mein ^raco! 2öaö ift eö? @iu Unglücf ohne gleichen. ~ 2öeld)e üble3ntuuö melbeft bu, $effe, luarum beunrul)igft bu beinen ®raco! 9>tcin, (Sra^mue ift nicht geftorbeii. ®ott fei ^anf! Slbcr @r ift hin. äöer? kv, ber Uufrige. Slk'lcher Unfrige? 3ona^? ~ Sfiein, ba^ fei ferne: unb bod) ber Unfere . . unfer §uttcn ift nid)t mehr. 33eurtheile nun, ob meine Seufzer Don ^erjen fom= men . . Unfer Jütten ift an (55ift geftorben . . Sßer mar, faft mödjte id) fagen ber feiubfelige (55ott, ber um biefen reichen @eift unö beneibete? 3o, mieberholt unb oft brängt e^ mich rufen: Sßehe, ihr graufomen @ötter! bu graufamcö ©efehief! 2)od) id) fehc, ich mufi meine ßoPocht j\ur Dichtung nehmen; beim ein einfacher iörief fann meinen ©chmerj nid)t faffen. §lber ad), bu tl)eurer Jütten, fo l)oft bu un§ Derlaffen? Ober bift bu nur hingegangen? 2öol)in aber? unb mirft bu mieberfommen? ^2lch! bu marft burchau^ lieben^mcrtl). deiner mar fo mic bu ben Schlechten gram unb ben ©Uten l)olb. 9lur mit 2J?ül)c holte ich midh 5urücf, bag id) nid)t gaiij ^erfliege. Sag mich bei bir, mein tl)eurcr unb Dcrel)rter ®raco, baö feierliche 3^090 ife nieberlcgen, boh id) $utten innig geliebt höbe.'' ®ie poetifche ^lage , auf meldhe @oban in bem iöriefe an 2)raco Dermieö, gab er mirflich balb barauf in einer (Slegie, in meld)er .gutten fidh mit bem ^ obe

1) ®om 8. Oct. 1522. J&utten’ä 6(hriften II, S. 150.

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(Soban’S jllagc um J^utten.

507

untcrccbct unb bcffcu Xriumpl) über i^n buvet) bic ^imucifiin^ auf teinen unftcrblic^cn unb buve^ ^erj^äblmifl feiner S8ers

bienfte ju bompfen fud)tO-

im fülflenben 3oI)rc 9J?cIancI)tf)ün, in 53ci]leitunQ üon 3oad)im Samerarim5 uiib einioen anbern, bic fReifc in feine ,^eis inat^ mad^te, fprad)cn fic in gulba bei ßrotuö fRiibianuö unb 5lbam Ärnft ein, unb erfuhren üon i()ncn erft ba^ 9^ä[)cre über ^utten’ig ©djciben. Son ollen umrbe fein '^Inbenfcn flcfeiert, unb 2)klanc^tl)on, bem an beni lebenben Jütten feine ^eftigfeit unb Steigung ju fyieuerungen immer unl)eimlic^ gemefen, ber ftc^ iüol}l aud) an feinem folbatifc^en SBonbel geftoßen unb ,sulept über feinen Singriff auf ©rai^muö ficb fcl)r l)art au^Jgefproeben batte, er nal)m jejt ben lobten gegen bie 0cbmäbungen eineö gemiffen Otbmar 9lacbtigall ober iiufciniuö bureb ein Epigramm in 0d)u^. S3ei ber ©i’^äblung bie'üon maebt Samerariuö, nacb'- bem er üon ^utteiriS Slbel unb ©elebrfomfeit, greibeit)Sliebc unb Ungeftüm, aber audj üon feinem fd)tt)ad)en unb unfebeinboren Äörper unb feinen fpärlicben SU^itteln gefproeben, bic )!Öemerfuug: oft feien il)m bei |)utten bie S^erfe eingefallen, melcbc befagen, lücnn bem S^orfap unb @ifer be^ ^emoftbenee 3}^ad)t unb ^cr^ mögen entfproeben bitten, fo märe ber SÜ^acebonier niemals ^err üon (fJriedjenlanb gemorben. Tenn menn Jütten bei feinen planen unb Unternebmungen nicht an bem Üiücfbaltc mirflidjer, in^befonbere fricgerifdjcr Sj^aebt gefehlt biiUc, fo mürbe eine allge= meine Umrnäl^ung erfolgt unb ber gan,^e öffentliche anberer gemorben fein*).

Sluf ber gebadjten fReife tarnen SÖklancbtbon unb feine gleiter auch nach GJotba, mo SJ^utianuö fRufuö noch immer feinen Söobnfib hotte. Slber in bem ftillen ^aufe ^aupt^

firebe mar üielcö anberö gemorben. 3al)re unb ©rlebniffe hotten ben öemobner beffelben ernfter, büfterer gemadjt. @r hotte ben S3irgil mit ben $falmen üertaufdjt. 9ticbt, baft er ju ben (Ilafs fitem nicht immer mieber j^urücfgefcbrt märe: aber ber 0ap tonnte

1) ®cn 5ticf in ^uttcn’S Schritten II, 6. 354; bo§ cbenbaf.

©. 366—357.

2) ®ie ßrjöblunß b<§ ®omcrQriu§ j. in i^utten’S Schriften 11,6. 361—363. Tag Epigramm non HRelon^lt^on ebenbaj. 6. 363.

508

II. ®uc^. 12. Äapitel.

jc^t feiner geber entfliegen, ba^ ein ^^riefter ci^entlid) feine f)eib^ nifd)en ^ic^tcr lefen foUtc. Seinen firc^lic^cn ^erriditungcn, bie er früher (jernc burd) StcÜücrtretcr ^atte üerfel^en laffcn, unter- 50(^ er fid) nun fleigit^ felbft. @r empfonb ba^ öebürfnig tieferer relifliöfer ^^clet)rnnq luib beflagtc nur, nirt^enbö einen @inflc= u>eil)ten ju finben, ben er ju feinem f^übrer mö^len fönnte. er aber bobei, mie mir auö feiner Stellung im Streite miffen, bic bcfte()enbc i^irdb^ gefd)ont, bie Stößen ber $rieftcrfc^aft nid)t aufgebedt, ben Untcrfd)ieb eyoterifd^er unb efüterifd^er Sef)rart aufrecht erf)ültcn miffen moUte, fo fonntc it)m ßutber’^ 3SerfaI)ren, baö ade biefc fRüdfid)ten unb Sc^ranfen niebermarf, nid)t gefoden; nod) meniger §utten'ö gerobe^u auf Äticg unb 5lufftonb gerichtetem iöcftrebcn. Schon im 3ahrc 1519 hatte fid) biefer über SJ^utian’m Schmeigfamfeit gegen ihn be- flogen gehabt »). Söaö feitbem oorgefallcn mar , h^ffc nicht bn^u beitragen fönnen, beffen Stimmung gegen bic Sfeformation unb bereit ^erfcdjtcr ^u oerbeffern. Sie fing an, bic ©runblogen feiner crfd)üttern, feine „glücffelige Stille'^ ju bebrohen- ftaum mar im grühling 1521 Suther auf feiner fRcifc nach Söonnm burch Erfurt gezogen, alm bafeibft ber fogenannte ^faffenfturm aumbrach, ber gan^ bejonberm gegen bic öäufer ber Äononifer gcridjtet mar. 2(chn liehe Sccncn mieberholten fid) brei 3at)rc fpätcr in (^otl)a, unb babei fcheint aud) ^Jliutian ^u Schaben gc* fommen ju fein. ^5)icfer hatte fid) im iöeitreiben feiner (Sinfünftc immer fehr mitbe gezeigt; „er gebe bie §ölftc, fo ift cm gut", mar ^flid)tigen gegenüber oft fein Spruch gemefen. 91un aber moüten bie löauern, burch fRcforiuationmibcen aufgeregt, bem Stift überhaupt feine 2lbgobcn mehr entridhten. i^urfürften befehle ju ÜWutian'm ©unften frud)tetcn menig, feine ©clbfcn* bungen halfen nicht auf bie ^aucr. 2Um ba()er im 3ahtc 152 4 ber üoraumeUenbe Samerar bem fUiutian ienen S5efud) 3Jtetanc^= thon’m anfünbigte, fehlten biefem bereitm bie 3)Httcl, bic merthe 9feifcgefcHfd)aft in gemohnter SBcife in fein §aum unb on feinen Xifd) ju nehmen, unb er mugte fid) begnügen, fic in ber $cr* berge ju begrüben. il)am that bem alten 9Jfannc fchmcr5lid) mchc.

1) <B. oben 282.

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* 9Wutifln’§ 9lu8flon0. 609

ber in feiner befc^eibeitcn litcrarifdjcn ©aftfreiinblic^feit fo c^Uicflid) (ictncfen imir.

2)üd) noc^ ocblimincre'^ füllte baö niid)fte Sa^r iljin bringen. 5)cr öauernfrieg brang and) nad) Xl)üriiigen, uub luemi gicidj (SJüt^a fclbft üerfdjüiit blieb, fo n)ütl)cte bo^ ringöuml)cr ^ilufruljr, ^lünberung unb Öranb. äl^utian'ci @inual)nigk|uellcu uerfiegton üüllcnbö, feine gan.^e ©i'iften^ njar an^ ben SSurjeln get)üben. Unter biefen Umftänbeu fc^rieb er am ^ounerftag nac^ Cluafi^ mobogeniti einen ®rief an ben iiurfürften 5^’iebric^, ber il)n innerlid) gebrüc^eu ^eigt. ,,^?ein gro6mäd)tiger gürft unb§err! iöctrübt ift meine ©eelc bi^ jiim ^übe. gemaltfam, fo fc^reef- Ikl), granfam uer^eert ba)^ rol)e ßanbüolf, ol)ne 0itte, @efej unb fReligion, bie Ijeiligen Tempel iinfereö ÖJütte^. 2Bir finb bie 0c^afe beiner SßJcibe. Sn beiner löblid)cn $errfd)aft bitten mir für bie @l)re unb Sönrbe beined 9iameim ben ^llmäd)tigen Xag nnb 9tad)t. @in jammcrüüUed 0d)aufpiel gemäl)ren bie ums l)erirrenbcn ^ionnen unb ^riefter, bie, iiid)t freimiüig, fonbern auö gnrdjt üon ben Iempelfd)änbern gefteinigt 511 merben, il)rc ^eiligen 9S3übnfifc üerlaffen. Sd) (Slenbcr, Unglücffeligcr, fd)ün alternb unb mit grauem §anpte, fel)e mi^ genötl)igt, ^u betteln. Unter bem grogmütl)igften unb löblid^ftcn gürften mug id), bei bem äußerften äl^angel an allem 9Jotl)meubigcn , imr iöefümmers niß fterbeu." Sn feiner ^rglofigfeit ßabe er fid) auf nidjtö ber* gleid)en üerfel)eu; obmol)l er je^t au^i ben Sieben unb isöriefen glaubmurbiger fieute erfenne, baß bie ^Heidj^Sftäbte feien, meld)e, unter bem ©c^eine beö @üaugeliumc> unb mit ^ülfe ber Snben, bie Säuern aufrei^en, in ber ^bfid)t, nid)t allein bie bifd)öflid)en^ fonbern aud) bie fürftlidjen (3tüt)le umjuftür-^en, um, nad) Hn^= rottung aller crlanckten gamilien, eine Üiepublif nac^ bem Sor* bilbe ber Senejianer ober ber alten Öriedjen 511 errid)ten. Son bem rafenben Solle fei aUee 5U fürchten. SieUcid)t merben bie 0tifter, auc^ ba^j ^u ÖJotlja, nic^t miebcrßcrgeftcllt merben. ^ann aber, fö^rt er fort, „möge boc^ mir, al§ bem ©infältigften unb ©eringften, geftattet fein, in biefem fRnl)cfi^e (Tranquillitate), ben ic^ getauft, ben i^ mit Süc^ern auegefc^mürft, ben id) mir jur fiebern 3nfluc^t meineiS Slltcrö auöerfel)cn l)abc, bid an mein 6nbe ju bleiben. 2luc^ menn ber 3^empel gcfc^loffen, bie heiligen Sränd)e abgcfd)afft, bie ?Utäre nuigeftürjt finb, merbe id) bic^,

510

II. 12.

%

mein ^ulbrei^cr ©d)u^f)crr, t)crd)vcn im Xcmpel meinet ^erjenö, im ^eiligen (Süangelium, im emigen ^ngebcnfoit. SÜter unb Sei* bcöfc^mac^bcit geftatten mir nid^t, ju luanbcrn. 3n beinern ©ot^a, gütigfter Satcr, mo ic^ ^armioä jtneiuubjumnj^ig Sa^re lang gelebt, nicmanben gefvänft, gebient ^abe mem id) fonnte, möchte id) altern . . . 5lber be^ Sebent 9lot^bnrft mirb mir gebrechen. ®ic geiftlic^en (Sinfünfte finb aufgel)oben. SBonon foH ic^ firmer leben? ^urc^laud)tigcr gilrft! ic^ inerbe mit SBenigem ^ufrieben fein. Düc^ ehrbaren unb gelehrten ßläften möge mein §auö offen fteben. Sag mid) lörob t)aben unb etmaö Söenigeö an @clb für S^foft, 3dj bin, ic^ geftcl)e eö, in nid)t unbebeutenbe ©c^uU ben gerätsen. ®cnn ganje oier 3al)re ift mir oon ©erftungen fein gefommen, feine g^ud)t geliefert morben: mein 33rob mug id) Dom 53öcfer, meinen S33ein oon ber ©tabt faufen, unb freilich ein forgfültiger ^audmirtg bin ic^ nii^t, mic ja folc^c ?ld)tlofigfeit ben @elel)rten eigen ift. 3)emütl)ig falle ic^ bir ju gügen unb umfaffe bie Änie beiner ©nabe: meine Sffettung liegt in beiner ^anb. ^on meiner banfbaren ©efinnung gebenfe i(^ ein $fanb ^urüd5ulaffcn. ßeugnig ablegen mill ic^ oor ber 9^ad)= melt, bag ic^ burc^ bie Söoglt^aten bei§ erlauchten Jlurfürften, bc^ frommen griebrid), unb feineö menfchenfreunblidjen iöruber^ unterftü^t morben bin . . . 5)eine fromme SSeiögeit mirb, fo l)offe id), mir ein jäf)rlid)eö ©et)alt oerorbnen, bag ich ©d)atten beiner ineiner Xage ohne g^rd)t unb

©orgen hinbringen fann . . . äJ^ögen anbere lehren mit bem ©eiftc ihreö äl^unbc^: ich mill burd) 3)?ilbe, ©ebulb, Siebe unb gutes ^öeifpiel, burch h^ii^ücn Söanbel nach eoangelifcher Drbnung unb chriftlicher Sebenöregel, fo lange id) lebe, bie ©laubigen ju untermeifen nid)t aufhören" ‘).

^2llö ber tiefgebeugte äKutian biefe^3 ^ülfögefuch an fjriebrich ben Söeifen richtete, lag biefer bereite auf feinem lebten Äranfeu' lagcr ju Sochau,. mo er am 5. äJtai, gleichfalls fatt einer Söelt, aus ber er Siebe, SSahrheit unb Xreue gefchumnben meinte, oer^ fd)ieb. ©ein iöruber unb 9tachfolger 3ohann aber n>nr noch 9^* raume ßeit mit ber Dämpfung beS 33auernaufruhrS unb .J)er«

1) 2)r ! ®ricf gibt ^en^cl, Supplcm. histor. Gothanae jtpeitc ®bt^., e. 75 t.

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?(u§f)anfl bf§ SraSntuS.

611

ftellung bcr Drbnuncj Dotlouf Ocfdjäftigt. ©o fam cö, bog ber gute ÜJiutiau aiict) fernev bitterii 3Jiaiigel litt. 3)ocb feine (Srlö:= fung njiiv niri}t iuel)i* weit. @egeu Dftern erh*anftc er. esS fd)limmer mit i^m mürbe, fagte er bcii Xag iinb na^e^u bic ©tunbe feinet Xobe^ üoraii!^, bem er gefügt unb ohne ©angen, unter (^ebet unb frommen löctrüc^tungen entgegenfalj. lüiit ben äBorten: |)crr, bein 2öiüe gefcl)el)c! entfdjlief er, am 30. aj^är^ 152(). ©ein Eingang mürbe oon allen, bie it)m nä^cr geftanben bitten, tief betrauert; uon feinem inniger ale oon (£rotu^ fRubianuö, ber bamaU febon fern an ben Ufern bcß baltifcben ÜJieerei^ lebte, „aj^utian'ö Xob", fdjrieb er oon l)ier auö an (S^amerariu^ , „ift mir nad) bem meiner Eltern ber bitterftc gemefen. Äeinei^ iü?en* fd)en Jrennbfcbaft mar mir jemaU ttjcurcr, mit feinem ftimmte meine @cmütl)öart mel)r überein. Xarnm bcflage icb nid)t fein Sooö, fonbern baö meinige, eine^ fold)en greunbes^ beraubt ^u fein. @r bat baö fterblidbe ficben mit ber Unfterblicbfeit oer? taufebt, unb ift obne anfgenommen in bie emige ©elig*

feit, in bereu |mffnnng er fein Sieben fo fromm unb tugenbbaft eingerichtet boUe."

Sin ber ^eit irre gemorben, mit ber üteformation 5erfallen, mor a/hitiüu, mic mir faben, in feinen lebten 3nl}ren nid)t miiis ber alö ©raömnö; nur bog feine ^urndge^ogene Slrt ibm ben unmittelbaren ä^M^i^tw^cuftog erfvarte. iöei (Srai^muiJ bagegen folgte auf ba^3 S^orpoftengefeebt mit Jütten unmittelbar bic §auptfdjlad)t gegen iiutber. (yerei^t bureb biefcn‘), mic febon löngft burd) feine fürftlid)en (Gönner gebrängt, ctma^ gegen ibu 5u tbun, gab er im 3al)rc 1524 feine ©d)rift über ben freien Söillen beraub, mcldjer Sutber, ganj in feiner SBeifc, mic fie ©ra^inui^ fiüber gejeidjuet b^iUc, fein Öud) oom unfreien Sßillen entgegen febte. SSon iept au mar bcr Älrieg bcr Oieformationö- Partei gegen ©rai^muö erflart. Unb beinabe mar ibm jept

lieber, uon biefer ©eite gcfdjolten ald gelobt ju merben, mcil il)n Icptereö auf bcr anbern uerbäd)tig maebte. Xenu c^ traf nun gan^ fo ein, mie Jütten ibm uorl)ergefagt b^tte, bag ibm bic päpftlicb ^efinnteu boeb nie red}t trauten, ^attc il)n febon früher

1) 59«|onber8 but(b b^n ^rief öom 1524, in ^mlten’S Schriften II, e. 407 I

n. 12.

r>i2

bcr Sarbinal Slbrimt bei Sco X. olö benjenigen benuncirt, an ben man fic^ al^ au bcu cigentlidjen Urheber ber iRefor- matiün0unru()cn foUtc, fo marf ibm nun ?Ubcrt

5ürft üoii ßarpi, in einer eigenen 0c^rift uor, bag feine S3üc^er bie SIrfenale feien, auö benen fcut()er unb beffen ^nl)önger Ü)rc äöaffcn gegen bie iUrc^e genommen Ijätten. Unb inbem er fiel) gegen Angriffe oon biefer Seite oerttjeibigte, ftürmte bann auf einmal mieber jener ^einric^ ©ppeuborf, §utten’ö ^meibeutiger Sdjilbträger in beffen lebten Xagen, in baiS hränf^

lid^en alten äRanne^ unb mußte ißm bureß 53orl)altung ber fdjrift einev^ ^riefeö an ben $erj^og ÖJeorg oon ©ad)fen, in melcßem er fidj oon ©rasinuiJ 5U naße getreten glaubte, einen bemütßigen- ben Vertrag abjuängftigen *). ^n (gppenborf naßm (Sragmuö unter anberm aud) baburc^ fRacße, baß er fein CEonterfei, oßne S^tamen, bod) ben ßcitgenoffen moßl erfennbar, feinen 5)ialogcn einoerlcibte. ^aö ©cfprod): ^er fRitter oßne 9^oß, ober bcr erlogene ^ilbel, be^ie^t fieß nad)meb^bar auf (Sppenborf.

§lber and) auf |>utten foH (Sraömuö in äßnlic^er, ja nod) oiel l)ämifd}erer Steife in einigen feiner Dialoge angefpielt ßaben. 3llö folc^e merben ba^ ©efpräd) eineö greier^ mit einem 9Räbd)en, unb bie unßoc^ieitlicße ©odj^eit genannt. 5(Uein in bem erfteren mirb nur gelegentlid), jur Tarnung einer ©pröben, angefüßrt, mie eine, bie einen fdjönen ßiebßaber ßartßerjig abgemiefen ßattc, 5ur moßloerbienten ©träfe fieß in einen ßäßlid)cn, budligen. Der- fcßulbeten, fd)äbigen iU^enfd)en, bem ber genfer ein Oßr abgc= fdjnitten ßatte, üerlieben mußte, .^icr ift, mie in bem ©c^ fpräcße felbft ßeißt, ein Sbeal oon efelßafter §äßlidjfcit, ein Xßerfiteö, ßngirt, unb feine tofpielung auf Jütten j^u fueßen. ®er anbre Oon ben genannten ^Dialogen ftellt fieß bie ^lufgabe, bie 3lbfcßeulicßfeit ber ßnftfeudje au^jumalen, um babureß jeber* mann, inöbefonbere (Sltern unb äRäbcßen, ^ur SSorfießt unb bie ^Regierungen ju oorbauenben SJ^aßregeln gegen ißre ^Verbreitung 511 oeranlaffen. 3^ biefem Qxdcdc mirb ein ungleicße^ 33raut- unb angeßenbeö @ßepaar geftßilbert: ein junget, blüßenbeö, iin« fcßulbigeö 9Räbcßen, unb ein Oon jener 5hanfßeit ganj\ ^erfreffener 33räutigom, ber biefen geßler nießt einmal bureß fReicßtßum,

1) 3)ic 58clcöc ]. in ^utten’ö Sd^riften II, 6. 429 ff.

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9u80on0 be§ 6ra8mu8.

513

fonbcrn einjig burd) feinen leeren Sfiittertitcl bebceft: iinb ^ier finben fid) aUerbinti^ ineldje an bie 9lrt, tnie ©raömuö

fonft non Jütten fprid)t, erinnern unb ben (^ebanfen einer fpielnnej auf il)n faft nnabiüeiöbar na^e legen.

®urd) baö gortfd)reiten ber ^Jieformation lüurbe bem @ra3= mu!§ enblid) auc^ ber iljm lieb geiuorbenc Slufent^alt in Jöafel üerfümmert. Statt ber S^ereljrung, bie ibni früher an biefeni Orte uon allen ©eiten entgegengefommen mar, fa^ er fid) jejt, ba bie iöemol)nerfc^aft in i^rer 9)iel)r^a^l fic^ ber Sfteformation j^muanbte, burd) ^ubringlic^e ©d)rciben beljcüigt, halb ouc^ bur^ ©d)mä^fd)riften unb ©pottbilber uerl)ö^nt. ^ie nun gar 33olfös l)anfen fi^ jufammenrotteten, ©efc^ü^ auf bem 3Harlt aup^rten unb einige 'ölädjtc bafelbft um ein grogciS unter SBapn

ftanben, glaubte (Sraemnö feinet Sehend nnb @utcö nid)t me^r fieser ju fein. ®er 9tatl)dbepiu6, bie SDieffe ab^upapn unb bie iöilbcr aud ben ÄÜrdjen ju entfernen, beugte jmar einem '^ludbruc^e uor; boc^ nun trat bei ©radmud bie leibige fKücffic^t auf feine l)ol)en Gönner ein, bie il)n, menn er aud^ jefet nod) in ^afel blieb, für einüerftanben mit ben Steuerungen galten mugten. ©0 bcfd)lo§ er ben Umjug nad) bem unter öfterreic^ifdjer ^err^ fd)aft altgläubig gebliebenen ^reiburg, ben er, unter ängftlid)en ^orfel)rungen , im 5rül)ling 1529 glüdlid) audfül)rte. §ier mar er, mäljrenb feine übrigen Arbeiten il)ren (Sang fortgingen, be* fonberd aud) um bie Beilegung bed firc^lic^en ©treited bemüht. 3m 3ul)te 1533 mibmete er biefer Angelegenheit eine eigene ©chrift, bie er bem tt)cologifd)en Diplomaten Snliud oon ^ugf jueignete. 2öir moflen feine billigen Sorfd)läge (|^ur SJtößigung oon beiben ©eiten, Abfel)en oom Unmcfentlichen u. bgl.) nid)t barnm fchelten, meil fic ol)ue Söirfung blieben unb bleiben mu6= ten; bad aber müffen mir tabeln, bag er in biefer ©d)rift fid) fclbft bad Stecht benal)m, fo billig ^u fein. Denn menn ed mal)r ift, mad er l)ier einräumt, baß berjenige fd)limmer fei, melchcr oon ber ßel)re unb (Semcinfehaft ber ilird)e fich lodfagc, ald ber« jenige, melcher lafter^aft lebe, aber an ber ilirchen lehre fcftholte, fo ift aller (Slaubend^mang gcred)tfertigt, ja geboten. SBcnn (Srad= mud früher feine Untermerfung unter bie ilirche burd) bad bürfni^ ^u begrünben gefud)t h^^tte, bem enblofen ^in nnb $er ber löernnnftgrünbe burch ben iDtachtfprud) einer unfehlbaren VII. 33

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514

11. $u(^. 12. jfapitel.

^luctorltQt §alt ju gebieten, fo fonntc barin, bei feiner ©eiftc^^ art, imnterl)in einige S3at)rtieit liegen. Slber bie bogmatifdje 3“= fainmenftiinmnng mit ber Ä^irdje bem fittlid)en ©erhalten gegen* über al§ ba^ Sßie^tigere unb Sßefcntlic^e betrachten, tonnte er mir bei cnt)d)iebenem IHbfall oon bem h«nianiftifd)fn ©tanbpunfte, welcher in biefem 0tüde mit bem be^ fpätern fRationaliiSmu^i gaii5 bcrfelbe roor.

3[n greibuvg wollte e^ bem ©ra^inuö Weber leiblich nod) gemüthlid) )o wohl werben, alö eiJ ihm, wenigftenö in ber frühem 3eit, 511 iüafel gewefen war. 0o entfd)lo6 er fich enblich im Sahre 1535, ber bringenben ©inlabung ber Königin SJ^oria, Statthalterin ber ytieberlanbe, bül)in folgen. Slber in isöafel, wo er auf ber ^urchreife erft nod) ben 2)rud einer Schrift über* wadjcn wollte, überfiel ihn bie @id)t. Slnbere Selben traten hinju, bie il)n, wäljrenb er feine gelehrten Slrbeitcn noch immer fortfefete, unaufhaltfam bem Xobe entgegenführten. 3n ber stacht üom 11. auf ben 12. :^uli 1536 ftarb er, h^Acn unb gefaxten ©eifteö, im ^Iter üon 70 Sohren. @r hoH*^ gearbeitet,

(s^rogeö gewirft, für feine SdjWöchen empfinblich gebüßt, unb nahm einen ^war nicht unoerfehrten, bod) immer nod) überreidjeu Äranj be^ SSerbienftev^ unb fHuhmes mit inö (SJrab.

Sn eine ähnliche Stellung wie ©rmSmuij fchen wir aud) feinen unb Jütten’« greunb, SBilibalb ^^irdheimer 5U Dtürnberg, währenb ber lebten S^djve feineiS Sebeni^ htm-’ingerathen. Xic 3eiten feiner frifdjen ilraft, in benen er bie Schu^fchrift für 9i'cuchlin unb ben gehobelten @d gc)d)rieben h^iUCf waren, ald Jütten ftarb, bereite bohin. 5)en fatirifchen Dialog auf @d h^itte ^irefheimer nod) ber leipziger 2)iöputation oerfagt unb im Sdl)t’c 1520 heraui^gegebeu *). Sn bem gebilbeten, mit griechifchen Zitaten gefpidten Satein ber ^umoniften gefchrieben, außer wo er einmol mimifch in baö ilüchenlatein ber 2)unfelmännerbricfe fallt, ift berfelbc übrigen« ganj in ber berben unb pl)antaftifd)en 91 rt beutfdier Schwante jener 3cit gebad)t. 2)er ertranttc ®d (er hatte fid) burch fein Schreien bei ber 3)i^putation ju fel)r erhifet unb jeigt nun einen fieberhaften ^urft nach SSein) läßt mit

1) Eccius dedolatus autore Joanne Francisco ('ottalainberpfio P. L. 3n iöwttfn’s Schriften IV, S. 615—543.

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^irrf^icimer’S ^ulgang.

515

.pcycitpoft einen SIjirnrgcn, ber aber e^er einem genfer gleicht, aiifi^ ücip^ig Ijolcn. Xa tiefer eine gcfö^rlic^e 6ur in ^uöfid}t ftclit, mirb ber ^j^atient ermahnt, üorl)cr feine ^^eic^te abjulegcn, mübei er merfmürbige ^ctenntniffe mac^t, inöbefonberc nnb .gabfiid)! bie einzigen Xriebfebern feinciS Slnftretenö gegen Siit()er eingefteljt. 9iun gel)t ber ßbiriirg mit feinen (^etjiUfen on ba^o SBerf: (Sef mirb erft mit prügeln abget)obelt, bann nad) cinanber gefc^oren, purgirt nnb operirt. Seim 0d)eercn fommen unter ben paaren gan^^e Unge^yeferfdimänne nun 6pflogi§men nnb 0opt)ivinen ^um Sorfc^ein; auf bem SJege besi @rbred)en^ ge^cn allertjanb (Scfifd;e Bdjriften unb ein rotier Xoctor^nt, auf bem nac^ unten ber päpfttidjc ^bta^ unb ba^ für bie Sertt)eibu gung be^ S3ud}er^ uon ben Suggern empfangene Öelb ab; beim Ceffnen ber Sruft aber merben, in (55eftalt non itarbunfelu nnb Äieb^gefd)tuüren, ^ratjlerei, Serlöumbung^fudjt unb ät)nlid)e üaftev gefunben nnb tl)eilö auogebrannt, ttjcilö auögefd^nitten. 'Otad)bem S^tient aüei5, bcfonbeii^ ungern nod} eine gemiffe le^te Operation, buic()gcmad)t l)at, bittet er, nur ben rudjlojen mitten^ berget ^^oeten unb bem fd}mäf)füc^tigen Jütten nid)tö baüon ^u fagen; bie mürben eine Älomöbic barauo machen. Xiefe 0atire, meldjc ^4^irdl)cimer auf ^ureben feiner greunbe, ^mar unter er* bid)tetem ^ftamen, bod) halb alö Serfaffer erratl)en, perauögab, foUte i^n tljeuer ^u ftet)en fommen. @cf, ber halb barauf mit ber Sannbuüe gegen fiutl^er auö 9^om ^urüdfam, fc^te laut einer päpftlid)en Sollmad)t, bie er l)ie,^u l)atte, unter ben ^auptan^ängern fiutber’ö and) Söilibalb- $ircft)eimer in bie SuCte. Um feinen a)Utbürgern nid}t böfeö 8piel 5U machen, mußte fic^ tiefer 311 Unter^anblungen, unb julejt 311 einer Slrtoon ®berruf bequemen, ber il)in nid)t einmal gaii3 au^ ber 0ad)e l)erauc5l)alf.

^2luö tiefer 3<^it, bem 3flf)re 1522, ift ber Icpte oor^anbene Sr»ef uon ^ircfßeimer an Jütten, bie §lntmort auf ein (Uerlorneö) ©c^reiben bei< le^tern, baö Sucer, maprfcßeinlidj im befolge bei^ ^^^fal3grafen gi^iebricß nad) 9^ürnbcrg gefommen, ißm übcrbrac^t Ijatte. S^^c^bcimer’el Srief ift nidjt oßne Seid)en uon Slengftli^* feit, ober bod} uon Serftimmung. feien, fd)reibt*er, me^r übrigen^g um feiner ?lnl}änglic^feit an fReuc^lin olö an £utl)er miHen, and) megen be^ gehobelten @d, für beffen Serfaffer man il}n halte, Verfolgungen über ihn ergangen, bie aud) einen ftanb*

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516

II. %ud(|. 12. I^aDitel.

()aftcn 9J?ann pttcn crfd)üttcrn fömten. ^obe i^m @ott

biöber (jc()olfen unb tucrbc ido1)1 audj ferner l^elfcn. Obgleich in einer freien (Stabt geboren, fei er bod^ nic^t fein eigener $enr, fonbern Oabc bem fRatt)c get)orc^en müffen, ber ben ^anbel bi^* t)er mit mef)r Älugt)eit aU 2)2utt), obrnot)! nid)t o()ne Äoften, gcfütjrt ^abe. Siterarifc^eö tjabc er rnitttcrmcite nic^t^ 0tanbe gebradjt, aU, mä^renb er am^obagra gelitten, ba§ Sob beffeU ben gefdjrtebcn, baö er bem grcimbe, menn e^ biefer münfd^c, jufc^iden molIeO.

tiefer ^Infcc^tungen ungcad)tet loor ^iref^eimer in jenen 3al)ren noc^ ein mariner ^In^ängcr ber ^Reformation. 9toc^ an Slbrian VI., ber Einfang bc^ S^a^rc^ 1522 ben pöpftUc^en 0tul)l beftieg, gebadjte er ein 0d)reiben richten, baö aber ma^rfc^einlid^ biird) ben unermarteten 2^ob biefe^ ^opfteö ab^ gebrochen mnrbe, morin er nlö ben Einlaß ber firc^lic^en Unrul^en ben Uebemuitl) unb Sä5iffenfd)aft!3l)a6 ber Dominicaner, iljren Eingriff auf fReud)liu, bann il)re gottcSläfterlid^e ©rljebung be§ 2lblaffei^ angibt unb uon ^utl)er ebenfo rü^mlid), mie Oon beffen erften ©egnern, @d, Sajetan u. f. f., üeräc^tlid) fprid}t. 3c me^r aber, befonberö feit b. 3- 1524, bic ^Reformation in feiner näd)ftcn Umgebung oormärtö brang, befto me^r sog fic^ ^ird^eimer oon berfelbeu surüd. Die ©emaltfamfeiten, bie Unorbnungen, bie ßöfung alter 0itte unb ©ntfeffelimg ber Seibeufc^aften , bie su* näcbft oon i^r unsertrennlid) maren unb im dauern friege ju einer crfd)rcdenben |>öbe ftiegen, madjtcn il)n alg 0toat^mann bebenflid^. Die ^erfönlid)feiten, bic in S^lürnberg an bic ©pifec ber firc^lid)en Söeränberungen traten, mic ber brutale Ofianber, ftiegen ign ab. 2ludj ßutger’ö .^eftigfeit unb oft unnötgige C^rob* l)cit gefiel igm niegt. Daneben machten gamilieuoerbältniffe igren Hinflug geltenb. 9Regrcre Segroeftern unb Döcgter ^ird* geimer’iS gatten fid) bem geiftlicgen ßeben gemibrnet. Die ölterc feiner ©egmeftern, ©garitaö, bem 33rubcr an Ocift unb Sgarafter ebenbürtig unb oon biefem gumaniftifeg gcrangebilbet, ftanb bem Glarcnfloftcr su Sflürnberg alö 5lebtiffin oor. @egen bie Älöfter aber riegtete fieg ber UmoiHc bc^ bureg bie ^Reformation aufge^^ regten 55olfö am erften unb geftigften. Dag ein 3n:tgum

l) ®cn ^rief f. in ^utten’S Schriften II, ©. 112 f.

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^U(f()ftmcr’§ HuSflong.

517

früherer (jcipcjen, ben aud^ er c^etf)cilt ^abc, Xöcf)tcr unb

0c^iücftern im Älofter am beften uerforöt ju glauben, fa^ SSili* halb jc^t ein. Slbcr bic §(rt, mic mau mit ben armen Dlonnen ücrfii^r, bie fortmäljrcnben 9^ecfcreicu unb Üränfungen, mcldjc ba^ ßeben feiner mürbigen ©c^mefter fortan einer ma()rcn ficibcn^9cfd)ic^te machten*), erbitterten i^n nid)t bloö ^ßerfonen, fonbern and) flegen bic ^enfart unb fKid)tung, oon ber fie auögingen. Salb traten nod) bie ©paltungeu innert)alb ber Sfleformpartei ^inju, baö bebenflidjc 2Beitergef)en ber fc^mei* jerifc^en S^eformatoren , burd) meldjcö man in’ö Sobenlofe ju ge^ ratzen fdjien. ©o anftögig nmr biefe $irdt)eimern, bag er mit einem et}emaligen greunbe, bem 3ol). Oefolampabiuö, fic^ in einen bittern ©c^riftemüed)fel über bie S(benbma()(öle^re üermidclte, in melc^cr er fid), ;^um Sßerbruffe bc^ (Sra^mu^, im S33ef entließen auf ben ßutt)erifc^cn ©tanbpunft ftellte. iöc,^eid)ncnb ift, maö er in ber Sßorrebc ju ber erften biefer ©c^riften äußert, mo er bie Ueberlegenbeit feineö ©egner^ aU 0jclet)rten anerfennt, bem er fid) aber (jinmieberum in* ßebend» nnb @cfd)äftvJerfatjrung über* legen meiß. ©tnnbe bie teptere mand)en fo mie bie erftcre jur ©eite, meinte er, fo lebte baö (S^riftenoolf frieblidjcr, unb uns i^äßlige Unrußen mären oermieben morben.

3une^mcnbe ilränflid)fcit unb IBercinfamung in ben lepten 3aßren (1528 ftarb fein getreuer SÜbreeßt Xürer) oermetjrten ^iref Reimer S3erftimmung, bie um fo tiefer mürbe, al^ er fic^ oon ber fReformotion abmanbte, oßne bod) ^u bem alten Äirdjciis mefen ein neueö Vertrauen geminnen <^u fönnen. @r fei anfäng* lic^ gut Sut^erifc^ gemefen, mie ber fclige 5Ubred)t aueß, befennt er furj oor feinem ^obe in einem merfmürbigen Briefe*), meil fie geßofft Ijaben, bic römifcß Büberei, bcßglcidjcn ber a}iönd) unb ^fa^en ©d)alfßeit, follte gebeffert merben. 2lllcin ftatt beffen ßabc fic^ bic ©ac^c alfo oerfdjlimmcrt, baß in S^crglcidjung mit

1) Sßl. bic Denfwürbißfeiten ber ^^aritaS ^iref^etmer in ber Quellen» jainmlung für fränf. @ejf(|. fjerouSg. oon bem b‘ftor. Jöcrein ju Bamberg, ^b. 4. Homberg, 1853.

2) Sd^reiben ^errn SBilibalb ^irrfbeimcr’S on 3o(|. Ijd^ertc, Ä. ÄorI’§ V. 39ou» unb ^rüdenmeißer in ffiien. 3n 6^. ö. 3Jlurr’5 Journal jur Äunßgcfd). u. jur aUg. 2it., X. 5:^1., 9lürnbfrg 1781, B, 36—47.

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II. 5Bud^. 12. iJopttcl.

bcn cüangdifc^cn iöuOcii bic Doricjcn fromm crfc^cincu. 2Bäl)vcnb biefc mit ©Icigucrci unb Sift betroffen ^aOen, moUcn bic jc^igeu offen unb ungcfcbcut ein fc^änblid) Sieben führen, unb babet bic Seutc bei fetjenben klugen blinb reben, inbem fie nidjt nad) iljtcu SBerfen, fonbern nad) i^rem ÖJlnubcn bcurtf)ci(t merben oer- langen. 2)cr gemeine 9Jknn fei burd) biefe^ ©onngclium alfo unterrid^tet, ba§ er ni^t anberö gebenfe, benn toie eine gemeine X^eilung ‘gcfc^e^en möge; unb mo bie groge Strafe uic^t märe, mürbe fid) halb eine gemeine ®cutc (^iüuberung) erl)ebcn, mic an oielcn Orten aueg fd)on gcfd)cl)eu fei. 5)a^5 fd)rcibc er jeboe^ niegt barum, fäl)rt $irrfl)cimcc fort, bag er bc5 ^apftci^ unb feiner Pfaffen unb 3Jiönc^e Söcfen loben tonnte ober möd)tc oiclme^r miffe er, bag in oiel 2öeg fträflid) fei unb einer iöeffcrung bebürfe: nur fei leiber oor klugen, bag aud) baö neue SBcfen in teinem SBeg ^u toben; mie ja Sutljer felbft unb oiel frommer, gelehrter fieutc, bie bem mal)ren ©oangelium angangeu, mit Sd)mer5cn fegen unb bcfcnneii, bag biefe$ iBefeu feinen 33e- ftanb gaben möge. 2)ic ^apiften feien bod) ^yim minbeften unter ignen felbft einö: bagegen feien bic, fo fid) eoangelifeg nennen, mit bem göd)ften unter einanber uncinö unb in Sccten jcrtgcilt; bic inüffen igren Sauf gaben mic bie fegmärmenben dauern, biö fie julcgt gar oermütgen.

So trüber Stimmungen SJ^eiftcr ju merben, in, ber oer* morrenen ©ägrung ber ©egenmart bic fd)affeubcn Äräfte ber ^ufunft, bic Ücimc fd)öncrcr (Sntmicfluugcn 511 crfcnucn, ba^u mar ber fecgöjigjägrige pobagrifd)e ^irdgeimer ^u alt unb traut: er ftarb im S^agre bcö augöburgifegeu 53efcuutniffc!^, unb feine Icptcn Seufjer maren 2öünfd)c für baö SBogl bcö S^atcrlanbc^ unb ben grieben ber ftirege.

iieiner oon ^uttcn’ö alten greunben blieb ber fRiegtung, bic fie einft gcmcinfd)aftlicg oerfolgt gatten, babei ober .yiglcid) feinem eigenen, oon bem feinet rittcrlicgcu greunbeö ocrfd)iebcueu SSefeu, getreuer aU ber maefere (Soban |)cffc. 33ci aller grcigeit^= unb 53aterlanbölicbc mar er boeg feine politifd)c 9latur mie §utten, ben Xricb, auf bic öffentlid)en Xingc eiujumirfen, empfanb er niegt; oictmegr mar er ^oet unb Segrer burd) unb bureg unb fanb fid) im Stubium, SBortrag uub ber 9^ad)bilbuug ber alten ^id)ter auf ber einen, in garmlofer (^efeHigfcit beim Söein auf

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Goban’S ?Iu90onfl.

519

bei* aitbcrn ©eite, üollfomincn befvicbic|t. ?lber bic ©adje bev ^Jtcformatiüii tuav iinb blieb il)in .^erjeusfadje. 5^üii ben C^jebid)* ten, beneii il)it 2utf)er'‘3 ?(iifcutf)alt in @rfurt. auf bei* 0^eije nad) Siknrnö beciciftevte, ift oben bie ^ebe (^eioefen. ©pnter bid)tetc er in bei* J^orm bev oüibifdjcii ^croiben eine ©piftcl bev i^cfancjcncn Äivd)e an Sutljev, tucldjc biefer cvfvcut ,yiin 2)vucf befövbcvtc. äJ^ituntev tuanbelte oud) il)ii bO‘3 ^umaniftifdje ^e^ benfen an, nl^ föniitc bev fvomme (5ifev, ben bic S^efovmation angcfac^t batte, bev n)iffcnfd)aftlid)en 53ilbung ©intvaej tbnn. '^efonbeViS bag bic vclic^iöfcn ©egenftänbe anfingen, in beutfd)cn, jebem nevftcinblidjen ©d)viftcn Ocvl)anbe(t ^n tuevben, gab bem Satiniften bic 53cforgnib, cio locvbe nun bie 0jc(cbvfamfcit alö ctioaii^ Ucbcvflnffige^^ cvfebeinen. ^iefe ©efovgnib nnivbc geniebvt bnvcb ®cbal)vcn manebev euangclifdjen ^vebigev, bie, nid)t feiten anögetvetene 9J^önd)e, il)vc Unu)iffenl)eit nnb ?lbneigung gegen bic SÖ3iffcnfd)aft mit auf bie Änn^el bvadjten. (^egen fold)eö Xveiben liefe @oban im 3al)vc 1524 bvei fativifd)e Dialoge cv' fd)cincn, nad)bcm ev ba§ 3^1)1’ üüvl)ev Öviefe üon Sntl)cv, 9.Ue-' lanebtbon nnb anbevn ^eiuegung, movin bie 9f?otl)-

menbigfeit bcö ©tnbiumö uon ^oetit nnb S^lb^^lavif betont mav, ^ur eigenen iöcrnl)ignng nnb ,^nv 9^acbnd)tnng füv anbeve feattc bvncfcn laffen. Xovnm ivvte SJ^ntian, menn ev um bicfclbe |^eit meinte, @oban buvd) fein ^^reben oom i!ntbevtl)iim ^nvndgc= braefet ju haben*); nnv milb nnb ocvföbnlid) blieb biefev immer gefilmt.

Sobaifö äufecre Sage mav bnvd) bie 9tefovmation iiid)t uerbeffert movben. Xic SJermivvnng in ®vfnrt ftieg in 5olge bcrfclbcn, nnb bic ,'pod)fchulc, an meld)cv cv Icferte, fam immev mehr in ^^anernfvieg oollenb^5 brachte beven ©itu

fünfte inö ©toefen, nnb hätte @oban nicht an feinem (>ieovg ©tnr;^ einen grofemnthigen Äl^acena^ gehabt, fo hätte cv mit feiner anmachfenben. gamilie uon SBaffer nnb '<örob leben muffen. mar hohe’ ^afe ihm im folgenbcn gahve 3Jielanchtl)on eine ©teile an bem ncucrrid)teten (^Ihamafinm in Dlüvnberg i)crfd)affte. Die 3J^id)t, bev 9^cid)thnm, bie iöilbung biefev fveien ©tabt madjten auf ben 'I)ichter gvofeen ©inbvncf, mclchcm er in einer

1) Elution ait 6ra8mu§, 1. ^lerj 1624, in ^uttcn’8 €(^riftcn H, 401.

520

II. $u(^. 12. j^apitel.

I

poctifd^cn S3cfc^tcibuni] 9^ürnbcrcjö einen §(uöbrucf (lob, ber uon bem 9iati)e eine ^^evc^runö non 70 gi. eintrug. $ier arbeitete er anc^ feine Ueberfe^ung bci^ Xt)eofrit in Iateinifcf)en |>efametcrn auö unb begann eine äl)nlid)c ber 3liaö. Sooc^ini Samerariuö unb 3)iid^ael fRoting loarcn feine SoIIcgcn; ber fHatf)^l)err ronpmuö 33anmgartner, ber iRatböfc^reiber ßajaruö ©pengler feine @önner; mit SBenceölauö Sinef, 5^boma« SBenatorin^ u. ^t. ging er freunbfdjaftli^ um; fein liebftcr ©efellc jebod) auf 0pajier^ gangen unb beim SBeine mar fein 9flad)bar, SBilbclm 53reitcn- grafer ber SRufifu^, non bem er ficb auch gern beutf^e Sieber norfingen lieg. Sßilibalb ^irdbcinier, mit bem @oban fegon x>ox- ber in 33erübrung geftanben, feiner ^nfunft

5U einer non feinen glänjenben ©clebrtenmablsciten gelabcn unb mar ibm ba freunblicb entgegenge!ommen. Jöalb aber brachte bie nerfdbiebene ©tellung beiber äRönner jur ^Reformation eine Span- nung in ibr Sßerbältnig. 5)er raf^e unb offenbersige ^oet batte ficb am britten Orte über ^irdbeimer'^ biplomatifcbe ßnrüdbaltung fdjarf geäugert , ma^ bem (extern bäderbraebt morben mar. 33eibc fprad)en ficb über bic Sad)e mit mürbiger Slufriebtigfeit brieflid) gegeneinanber auö, unb alö ^irdbeimer halb barauf ftarb, nerföumtc @oban nidjt, ibm einen ebrenben iRadbruf mibrnen.

SBäre nur in bem reichen iRürnberg für einen armen '^^oeten ni(bt fo tbeuer gemefen, unb märe nur ber arme ^oet ein befferer SSirtl) unb norfid)tiger in ©efebäften gemefen. 3toör nermittelten feine ©önncr, bag iljm bic Stabteaffe immer miebcr anö feinen S3cr legenbeiten b^lf. ®ocb fühlte er ficb in ber ^an* bclöftabt and) fonft nidjt in feinem Elemente. @r gebe nicht gerne mit biefen Ä'auflcutcn um, fd;reibt er an feinen @. Stur^, bie nur Oon Pfeffer unb Safran träumen, nur uon @olb, nnb nid^tö Don Sßiffenfcbaften miffen. So lieg er fid) bureb alte ^Inbänglicbfeit unb neue Anerbietungen im 3- 1533 miebcr nach Erfurt loden: ein Stritt, ben er halb ju bereuen Urfa^c fanb. ®cnn ber erfurter §od)fd)ule mar nid)t mehr auf.^ubclfen, unb bic nürnberger ©rogmutl) unb greigebigfeit fanb er ni^t micber in ber berunterfommenben, uon Parteien äcrriffcncn Stabt,

Sd)on alö um baö 3- 1526 t)on Reffen bic UnU

Uerfität 9Rarburg crricbtctc, gingen (Soban'ö bcö Reffen SBünfebe

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6obun*ö ^u§gang.

621

auf eine ^InfteUunfl an ber f)cimifc^en 2cl)ranftalt. Seitbem bc# hielt er ben Sanbgrafen im ^tuc^c unb befang 1534 feinen mür^ tembcrgifchcn 0ieg. @nblich im 3. 1536 fom ber iRuf 0tanbc, ber bem (Soban für ben S^left feiner ^age eine leiblichere @i*iftcnj üerfebaffte. S^oar bie alten Uebelftänbe begleiteten ben ehrlichen ^oeten and) nach 3)?arbnrg. 0eine ©chulben, fogar bei Suben, mußten auf feine 35ittc non Uniuerfitätdmegen abgemicfelt merben. @r fcheine eine fonberbarc Söorftcflnng üon feinen J^inanjen haben, fchrieb er bem iRector, ba§ er ihn auf bie orbentlid)en IBerfaHtcrmine feiner 53cfolbnng befchränfen moUe: mo er bii^hc^^ getnefen, h^ljc er immer and) ^mifchen ber Seit auf Slbfd)lag holen bürfen. SOiit bielcni 0elbftgcfül)l (benn er ftanb auf ber $öhe feineö ^)ichterruhm5, unb feine 0d)riften fanben nid)t allein in ^eutfd)lanb, fonbern aud) in Stalien, granfreich, ©nglanb unb 0panien Slbfa^, nur trugen fie ihm menig ein) brohte er mehr alö einmal, menn man nicht beffer für ihn forge, mieber megju* gehen; bod} lieg er ftch immer mieber bcfd)n>i(^tigen unb mürbe na^ unb nach burch ©clb? unb grud)täulagen immer beffer ge^ ftellt. 53efonbre J^reubc mad)tc il)m eine $frünbe ^u 0t. ©oar bie er erhielt, meil fie jmei guber guten Söeinö ertrug, ^uch ein ^auö hotte er ftd) auiSmählen bürfen, boö ber fionbgraf für ihn taufen moUtc. ^enn biefer mugte @oban nicht blo§ alä ©eiehrten ,^u f^ä^en, fonbern mochte ihn and) Vetfönlid) mol)l leiben. (Sinmal jmar oermarnte er ihn megen feines! Xrinfenö: mogegen gd) @oban auf feine 5lrbeitcn, bie in 3)iarburg oollciu bete Ueberfe^uug ber 3lio^ oor ollem, oliS gefchmorene gir feinen fiebcnömanbel, berief. 2(ud) mar nicht fo böfe ge^ meint: ber fianbgraf ^og ben ^oeten nicht nur menn er fclbft^u äRarburg mor, ober @oban nad) Üaffel tarn, gerne jur Xafcl, fonbern biefer mugte il)n oud) ^um Sonüent in 0chmalfalbcn, nach grantfurt unb bei ähnlichen ^Inläffen begleiten. Sii^meilen fpielten ge ^ufommen 0chadj: ba mar ber forglofe ^oet ber 0tras tegie be^ Sanbgrafen nid)t gemachfen; biefer machte ihn matt, ber ^oct mürbe milb, unb baran hotte jener fein Srge^en.

Deftcr fchon mar ®oban Icibenb gemefen: er felbft leitete Don feinem hcrjhoften Printen hci^^ oon bem er barum hoch nicht laffen mochte. So Anfang beö 3. 1540 reifte er nach Äaffel unb holte geh ba, er mugte nicht, foUtc er ber Sßitte-

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522

II. 12. j^Qpitcl.

runn, ober bem ,f)ofn)ciitc ^ufebveiben, einen 5latarr(), ber nirf)t mef)r lucidjcn tuontc. ^obagra cjcfeüte fic^ Ijin^n, bic 0arfjc ^0= ftaltete fid) allinäblif^er Slbjebning. @oban bereitete fid) •^uiii Xobe; er fd)ricb an 9}ielancbtf)on, für i^n beten. Sanqe I)Qttc man fein Söort me^r Don i^m üernommen: ba fprad) er auf einmal, er moßc hinauf ,^u feinem §crrn. SJ^an meinte, er pbon* taffere üon einem @ang auf ba^ 0d)lo6 i^nm Sanbgrafen; er hatte aber einen anbern ®ong nnb einen anbern $errn gemeint unb entfdhlief halb baranf am 4. Detober 1540 im 52. £cbcn§= fahre. 9Jian mürbe irren, menn man barum, mcil @oban in ber beutfdhen fiitcraturgcfchid}te feine ©teile I)ot, feine SBcbeutung nnb feinen (Sinfluft gering anfchlagen moüte. @r mirftc alö ßehrer unb ©d)riftfteüer für bic 2Infrcd)thaltung h^iiioniftifcher Gilbung in einer olö biefe bereitiS mieber im ©infen mar; er mad)te ben .^oiner nnb ^^h^ofrit ben ©cbilbeten in ihrer ©prache (ber Iateinifd)en) mit ©rhaltung ber Ä^unftform ^ugöng:-- lich; für bic ^Deformation aber mar oon hohem SEBcrthc, bog ber anerfannt erfte Iatcinifd)e 3)id)tcr ber ßeif ih^^ begeifterter SBcrfünbiger marb unb blieb.

@incn gan^ anbern SBcrIanf nal)m ba^ ßcben b^5 Ü}Danm^, ber neben @oban ber liebfte unb oertrautefte Oon ^uttcn'ö 3u^ genbgenoffen gemefen mar, beffen er aud) noch in ben Icpten SBod)cn feinet ßeben^ in einem 53riefe an @oban mit ^örtlicher greunbfehaft gcbad)t hatte: bc^ Svotuö fRubianuö. Söenn ein ©utten, @oban, ,5)crmann oon bem 53ufchc mit bemfclbcn frifchen SRuthe, mit bem fie unter ber g^h^e bc^ ^umani^muci oorgebrungen maren, nun and) für bic ©achc ber ^Reformation mciter gingen; menn @raönu^5 bic bipIomatifd)c 3ai‘ücfhaltung, bic er in bem Sntherifchen ^anbel bemicö, ebenfo and) fd)on in bem SDcuchlinU fehen gezeigt hatte; menn ^irefheimer, bei mclchem ber fRücffchritt merflichcr ift, biefen bod) mit aller Sßürbe eineö unabhängigen 9JDannc§, cineö ftaatömönnifchen ^haraftcrö that: fo fällt bagegen bem Srotuö ^nr Saft, nachbem er faft fo mcit alö Jütten üor' märt^ gegangen mar, mciter alö @ra^5mn^ jurüefgetreten i^u fein, nnb biefen ©d)ritt ohne SBürbe, ja unter Umftänben gethon 511 haben, mclchc bic ^Reinheit feiner ^43emeggrünbe ämcifclhaft machen mugten.

^JDadjbcm Srotu^ auf bem 33oben beö ^umani^mu^ burch

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^u§ganß t>c§ (^rotuS 9{ubianu§.

f)23

bic iöricfc bcr ^unfdnulnm't bcu fccfftcii 0trcid), ol^^uar tappt, au^i]cfül)rt t)nttc, wax cv nidit ctuui auf bcr <Sd)tpdic bcr ^Kcformation tuicbcr iim^cfct)rt, tjattc bicfc aud) nic^t ^öc^crnb uiib Icifctrctcub wie (Sraöimi‘5, fonbern rafd) uub mit ftarfem 5(uftritt ubcrfd)rittcii. üutt)cr'» ^^Udagftreit entbrannte, mar drotuö gcrabc in Stalicn. 3ni ©ommer 1519 batte er 9tüm befiid)t, unb ficb ba uoUenbe^ uon bcr iJtütbmcnbigfeit eincö ©in* fd)rcitcuö, mie t^utt)er fo eben mogte, über-^eugt. ^an ben iöriefen uoll t^ncrfcnnunii unb (^iuüerftänbnife, bie er nod) in bemfetben Sf^b^e imn 33olücina, bann nad) feiner fRüdfebr nad) 3)eutfd}lanb im J^dib^wci 1520 üon iöamber^ üu5 an ben alten erfurter ©tubiengenoffeu fd)rieb, ift oben am gebörigen Crtc bic 9icbc gemefen. Sic Cirotuö im folgcubcn Snb^'^ Erfurt tarn, mürbe er ba ,^um Sftector ber Uuiuerfität gemäblt; maö er nicht uerfeblte alöbalb Sutbern in einem Sd)reiben au^u^eigen, morin er il)n bringeub ermabnt, fein unerfeplicbe^ £el>cn üor ben ^diftefiungen feiner g^inbe ju bemabren. münfd)t er

bem SUiclandjtbun ^u feiner tiöcrbeiratbung (^lücf unb befennt fid), im (^egenfape 511 Ü)Jditian, bem IJobrebner bc‘5 Gölibat!?, alö ®ercbrer hei cbelidjen 2ebcuö *)• Hnb nid)t bloö in ^^riefen, uon benen übrigens bcr leptere alöbalb ,^u Sittenberg gebrueft mürbe, fonbern auef) burd) einen redjt auffallcnben öffcntlicben 3Ict patte fid) CIrotU!? nid)t gefd)eut feine 3Serebrung für ben 9teformator an ben Xag 311 legen. ^2llö biefer auf feinem *^öd) Sormö 311m fRcicpi^tage burdj ©rfurt tarn, mar ibm, mie oben er3Üblt morben, CErotin^ alö 3eitigcr 9tcctor an bcr 8pipc bcr Uniuerfität entgegengc3ogcn unb b^lte ibn mit einer fcierlid)cn ^Inrcbe cm^ pfangen. ^2(bcr eben biefe geierlicpfeit fd)t mibermärtige

folgen. (£ö ift fd)on ermäbnt morben, mie glcid) in ben näd)ften Xagen Stubenteu unb ^bbcl in (Erfurt einen Sturm auf bic ;^äufer ber (^eiftlid)cn unternabmen. '3^ie Unterfud)uug, bie er ali3 Üiector barüber 311 fübren b^itte, mar für ßrotu^ nid)t nur ein l)üd)ft unangenebmeö (35efd)äft, fonbern ba^^ (^rcignif) gab ibm aud) iöcbenfen gegen bic iiutt)erifd)c '^emegung, mit bcr c^ in unleugbarem yufammenbange ftanb. töerftimmt 30g er fid) fo halb mie möglicp in fein alteö gulba 3urücf, ol)ne jebod) mit

1) 3n ^uttcn’S Sd^riften I, e. 433 f.

624

II. %u(^. 12. jCIapitcI.

#

bcm iDittcnbcrflifc^on Äreifc aii6ci* SScrbinbiinfl ju treten. 3nt 3fil)re 1523 l)Qttc man bort bic Slbfic^t, iljii jum 2)ccan be^ ^ülev^eiligcnftift^ 511 mad)cn, um einen beffern @cift in baffctbc bringen; bod) ber ^(nn fam nid)t j\ur ^u^fiU)rung. Unb im fülgenben 3aJ)tc mürbe er üon aj^ctanc^tl^on unb feinen Steife» gcfaf)rtcn noc^ ganj einer ber 3i)riflcn in gulba bcfuc^t. Um biefclbc 3cit mar ber ^od)mcifter be§ bcutfdjcn Orben^, ^Ibrcc^t Don ^raubenburg, in ^cutfc^lanb ; ber marb mit anbern ®elef)r* ten auci^ ßrotuö nac^ Äönigöberg an. §icr ftanb er bcm dürften perfön lic^ na^e, mar i^m befonberö jur iöegrünbung einer ^i* bliot^cf bcl)ütflic^, unb auc^ ati3 berfclbc im folgenbcn 3a^re entfd^ieben jur S^eformatiou übertrat unb fein §oc^mciftertl)um in ein mcltlic^e^^ ^erjogtfium uermanbeltc, änberte bieß i^r Scr^s ßältniß nießt. 2lber bebenflid) crfc^icu bcm uorfic^tigen ß^rotui^ ein folcßcr 0^rittgemiß; mäßrenb bic §lbgcfd)iebcu^cit non allem j^ufagenben Umgang feinem (5Jemüt()c, baö norbifc^e ^^lima feinem Körper immer meniger besagten. 0d}on im 3öl^rc 1526 ging fein ^raeßten nad) ®eutfd)tanb jurürf; boc^ erft 1530 führte er baö SSorIjaben auö. @r fam juerft nad^ Söreälau, manbte fic^ bann nai^ ßcipjig ^u bcm eüangelifd^en Diplomaten 3uliu^ öon ^flugf, unb im folgenbcn grüßfa^rc finben mir i^n in $allc al^ Sanonicuö unb $Ratl) beö ©r^bifc^ofio Sllbrcd^t oon SJiainj unb äJiagbcburg. 3n beffen Dieuften ßattc cinft auc^ Ulrich oon Jütten, and) SBolfgang gabriciuö (Sapito geftanben; aber ntd^t nur ber erftcre bQtte fidj gcnötßigt, fonbern halb au(^ ber anbere, mollte er ber iReformatiou treu bleiben, fic^ ocranlaßt gefc^en, fic jn ocrlaffcn, unb feitbem ßatten fid^ unb Stellungen

nod) grünblic^cr geänbert. 3n Äurfürft 2llbrcc^t'^ Dieufte treten l)ieß ie|t gerabe^u gegen bie Sflcformation fic^ aumerben laffen, 2öic biefe Ummanblung bei ßrotuö allmä^lig ju Staube fam, ift nidjt nicfjr im ©injclnen nadj^umcifen. 2luö ben 3ö^tcn feiner Slbmcfenßcit in Preußen finb un^ nur menige S5riefc üon ißm aufbcljalten '), auiS bciicn mir nic^t me^r erfahren, aliS maö fic^ fd)on üor feiner (Entfernung bei mehreren $lnläffcn gezeigt ßattc, baß Srotuö bic ^eftigfeit beiber ftreitenben Parteien miß* billigte, jur 9Käßigung unb 9J^ilbe rict^. So fanb er in bcm

1) Sic ßnben ji(^ in ben Sameratijt^en ^ricfjammlungen.

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^uSoanfl b(§ 6rotu§ iRubianuS.

525

©c^riftentücd^fcl jtüifc^cn ©ra^inug imb fiut^cr über ben freien Sillen auf beiben ©eiten ©puren nun @brfle^ unb tuünfc^te ben ©treit beigelcgt, fprac^ aber mit befonbrer Särme gegen bie ^ur 3Wobe merbenbe geringfe^ä^ige öcbanblung beö ©raöinu^. ^ludb in ben Briefen, bie er nac^ feinem Abgang auö Preußen an feinen ehemaligen §errn, ben ^erjog ^lbred)t fchrieb*), fprach er fid) in ähnlichem ©inne auö. Hoffnung gab ihm üon Einfang ber augöburger fReich^tag; er meinte, menn üon päpftlicher unb faiferli^er ©eite bai§ Slbenbmahl unter beibevlei @eftalt unb bie ^riefterehe freigegeben mürben, fo füllte fid) ba^ Uebrige mohl fdjiden; freilich müßten bann aud) bie ßutherifchen ^ugeftehen, baß bie Äirche baö 9led)t gehabt hübe, nad) Gelegenheit ber ße'iten anbere Drbnungen auf^urid)tcn. Sflachbem Srotus^ im folgenben Sah^c in bie 5)ienftc bciS Gr^bifdjof^J ^llbrecht getreten mar, h^^ttc er fid) gegen ben .^)er,^og, bem er mieber nad) Preußen ^u fom* men üerfprochen hatte, 511 entfd)ulbigcn. @r tl)at tl)eilö burch Darlegung feiner Gcfunbl)citöumftänbe, theilö burch baö (Singe* ftänbniß feiner üeränberten ©tcllung in ber IRcligiongangelegcn^ heit. ^3ch betennc", fchrieb er, „baß id) bem ßutherifchen ^Bor* nehmen etlid)e ^a[)xc fcl)r anl)änglid) gemefen. §(ber ba ich folchcn 58organg üernahm, baß man nid)t^ mollte unjerriffen unb unbe* fubelt laffen, ob es gleich üon ber ßeit ber 5lpoftel unb ihrer 2)idciplin auf unö gebrad)t ift, unb baß immer eine ©ecte auä ber anbern ermuch^, bachte ich mir, möd)te ber 5^eufel in Geftalt üon etmaö Gutem ein großem Uebel einführen unb hoch gleichmohl bie ©chrift ju einem ©chilbe gebrauchen. 3ch befchloß alfo, in ber Äirche ^u bleiben, morin icf) getauft, er,^ogen unb gelehrt märe. Obgleich an berfelben etmaö 3Jiangel gefpürt mirb, fo möchte ba§ mit ber ßeit eher gebeffert merben alö in ber neuen Äirche, bie burch furje 3al)re in fo üiele ©ecten jer* riffen ift."

hierin irrte er fid) freilid) fehr, unb fein neuer $err mar fo eben gerabc gegen ben Äelch im 3lbenbmal)l, ben (£rotui3 frei* gegeben miffen moHte, in feiner magbeburger ^iöcefe gemaltfam

1) Bit finben |i(^ im ^uSjußc bei 3. ®oiflt, «riefwf(^|e( ber berü^m- teflen ©ele^rten beS Seitolter« ber bietormalion mit ^erjog «dbrec^t üon ^reufeeit. (tbnißSberß 1841.

526

II. 12. ÄQpitel.

cinflcfd)rittcn. Vorauf ()attc Sut^cr in ^inct gcl^arntf^tcn SSor* veben, mit bcncn er im 3al)rc 1531 jmei ^rebigten bcö au^ ^rcöbcn ücrtricbcncn cUQngeIifcf)cn ^rebigerö SUcyiuö (Srogner begleitete, in fel)r fdjarfen ^uöbrüden Ijiiigciuiefen, unb babon nal)m min ein e()emaliger greunb be^ Srotuö, beffen 9tame un^ nid)t angegeben ift, ^öcvanlaffimg, benfelben in einem ^ribatbriefc fdjrauben. 5luf men er meine, fi^agte er i^n, baji bie föQe jener S3orrcbcn gegen Xijramien unb Söütberid^e jiclen? SBcnn auf ben (Si^bifdjof SUbreebt, üon beffen 5^erfal)rcn gegen biejenigen, meld^e basg Slbenbmal}l unter beiberlei öeftaltcn gc= niesen, man fid) in ber X()at gräuliche ®inge erzähle, fo märe ja baö 2üb beffelben, baö man Don gemiffer ©eite )o laut an= ftimme, eine arge Xäufd)ung. darüber merbe (£rotuö bem greunbe bie befle SluiSfunft geben fünnen, ba er an bem Crte (^alle) mül)ue, mo jene ^inge uorgefalleu fein füllen. 2lud) über bic ^eid)te, ob in berfelben bie 3luf^äl)luug aller ein^^elnen ©ünben notl)menbig fei, ober ein fummarifdbee ®efeuntni§ genüge (ba* maU eine brennenbe ©treitfrage ,^mi)c^en ^.ßapiften unb ißiitbera* nernj, möge er feine Slnfidjt nid)t üorentl)alten.

ä)iit einer Labung fo l)äflicbcr Jrogen bei feiner Siüdfebr in bic ^eimatl) empfangen 511 merben, mar bem (Srotuo unangenehm, unb er fprad) bieg in einer ^2lntmort au‘3, bic er, ba fie ^ugleid) eine ^crtljcibigung fcincö neuen §errn, bcö CSrj* bifegogi $Übred)t, mar, nod) in bemfelben Sagre bem ®rud über* gab^). 2)ic ©rünbe fennen mir fdjon, melche Srotuö gegen bie Sftefürmation auf^ubieten hatte, ift in erfter fiinic bie gurcht üor bem (Sinbrcdjcn fubjcctiucr reüolutionärcr Söillfiir in bic ob^ jectiuen ©a^ungen unb Orbnungen ber ilirchc. SSaö bic Äirdh*'’ fcftgeftcUt h^it/ fonn nur micber biircg bie Mircge abgeänbert merben; fonft geht jeber feftc '^oben ücrlorcn. 9lbcr ber ^er? faffer ber ^unfelmännerbriefe mugte fo gut mie mir, bag üon bem, mag man auf päpftlicher ©eite Ätirch^ nannte, b. h- ^^n Der

1) Apolo^fia, qua respoudetur temeritati calumuiatorum , non verentium, cuufictis criniini1>us in populäre odium protrahere Kev. in (Miriatü Patrem et Dom. Alberlum . . . Archiep. Mog et Magd. etc. a Jo. Croto Rubeano privatim ad queudam amicum conscripta. Lipsiae Michael Blum excudebat meuso Septembri ao. 1531.

^luSflong bc8 9rotu5 SlubionuS.

527

5ierorc{)ic, eine flrünblidje ^Refonnotion niemals ju entarten ujor. @in anbrer @cfid)t^punft i[t, bag ba^jenige, vorüber mit fo i^rofeer $i(jc geftritten muibe, 5U111 Xt)cil bloße gönnen feien, über benen ba^ 3Bcfentlid)e, baö ÜRoralifdjc, oerabfäumt merbc. Allein and) l)icr fonntc bem (£rotu6 nid)t uerborgen fein, baß in ißrein ßi^fonimeiißange mit ben beibevfeitigen ©vunbfä^en biefe gönnen eine feßr mefcntlic^e ^ebeutiing ()atten, unb baß im 3aßre nai^ ber Uebergabe ber 5(ug-5buvgifd)en ßonfeffion bie gortfc^rittiSpartei mit bem iticlc^ im ^benbmal}! fic^ felbft aufge^^ geben ßaben mürbe. 3n ^^ergleic^ung mit bem S3erfaf)rcn maiis cl^er proteftantifd)en gürften gegen ißre fatl)olifc^en Untertl^anen finbet ßrotii^ baö feinet (Srjbifc^of^ gegen bie 9^eucrer nod^ fc^onenb: in ber Xßat ßattc ßierin fein 2!l)eil bem anbern oiel oorjumerfen, unb boeß ßnbet ein mefentlidjer Unterfeßieb ftatt. 5)ie reformirenben gürften ßanbcltcn, bei allen 3J^ißgriffcn in ber gönn ißrci^ 3^crfal)ren^, bod) im (Sintlangc mit bem neuen (iwU midlungiitriebe, ber fid) bamalö in allen ^ßcilen be^ beutfeßen ißolfe» regte, unb ben fie, alö äeßte ©ößne ißre^ 93olfe^, mit- empfanben; maßrenb bie anbern jenem Xriebc, ben fie in fieß nid)t füßltcn, nad)^ außen ßin fid) miberfeßten, unb babureß bie beutfeße ÜRation nidjt blosS in ben Xßcilcn, bie baiS Unglücf ßat= ten, ißrem fRcgimcntc untermorfen i\u fein, ' fonbern bie Sflation im ÖJan^en unmieberbringlid) befd)äbigten.

biefe 3d)rift feincö eßcmaligen Sereßrerö ßutßern ju .^anben fam, feßiefte er fie an 3uftuö -iJieniu^, ber bamalö ^re^ biger unb 3upcrintenbcnt in (Sifenad) mar, mit ben SSorten: „8ieße ba ben (5picurccr (Srotuö, ber un^ giftig angreift unb bem ßallcfd)en Öifcßof fcßmeicßelt. 2öir jdjicfen bir baö 53ucß, unb bu maeß bid) fertig, ißn unö moßlgefämmt mieber^ugeben unb mit ben garben feined (Spicurei^^Jmuö 511 malen; benn ba^ ift beineö ^2(mtcö" *). 3o fd)rieb ßutßcr an SRjniu^ am 18. October 1531; unb menn nun im folgcnben grüßjaßr jene feßon früßer ermäßntc ^ntmort auf bcö ßrotuö Apologie oon einem unge= nannten greunb erfdjien, unb menn in biefer §(ntmort (Srotu^ mirfließ al« @picureer in ßutßer'ö 0inne, b. ß. aU ein fU^enfdß beßanbelt mirb, ber über bie religiöfen 0aßungen, bie er ber

Ij 3n l^utten’S ©(^riften H, ©. 456 f.

628

II. 9u(^. 12.

aWcnt^c (gegenüber in na^m, fic^ im Snnern luftig mac^e,

jo legt bic6 allerbingö bic 2^crmutl)uug na^c, bag ber Ungc^ nannte eben 2Jteniu^ fei. ^er e()emalige greunb läßt ben ?lbgc= füUenen in ben Spiegel feiner il)m genau befannten 35ergangcn=

^eit bliefen, inbem er ol)uc SÖJeitercö annimmt, ba& bcrfelbc noc^ immer bie gleichen Ueberjeugungen mie bamalS b^ge, bie er jc^t nur um äußerer iyortl)eile miUen ücrläugne. §lbcr er folle fic^ in '^c^t net)men, bag er üon feinem fingen (Sräbifc^of ni^t burc^- jc^aut merbe. ^uc^ bemjenigen, ma^ er jefet mit mibertüiUigcn ä)iufen gegen bie ^^^roteftanten fc^reibe, fei ber ältangcl an lieber* j^eugung, baiJ böfe ÖJemiffen moljl au5ufel)en. ©o matt, fo len* benla^m fei alleö, fo ftumpf unb bleiern bie ©ebanfen, fo un* fieser, oermorreu unb lücfcn^aft bic 5lu§fü^rung, fo unrein bie ©prac^c, fo nüchtern unb t)uftenb bic ^crebtfamfeit, bag man beutlicb merfe, er l^abe babei feiner Statur unb eigentlichen 31iei* nung ©cmalt angetl)an, habe nicht fomohl an bic ©adjc, alö an bic hollcfchen ©alipfannen gebadjt, bie er fich baburd) crfchrcibcu möchte, ^efonberö einfehneibenb ift bic ©teile bcö ©cnbfdjrci* ben^, mo ber Ungenannte ben ©chatten Ulrich $uttcn’ö gegen ben 'Jicubcfchrtcn hcraujbcfchmört. @r führt biefen oor, mic er bei bem ^ochamtc basJ fRauchfag fchmingt; luTc er, beibe ^Imie oorgeftredt, bic ^lugcnbraueu ernfthaft jufammcngcäogcn, bic 3n* ful bciS )slBcihbifd}ofö h^ll unb ihm mohl gar bic ©chuhe fü^t; mie er mit ben l^horfüngcrn bic Änie beugt: menn ba Jütten micberauflcbte unb fäl)c, ob er nicht, feurig unb heftig mic er mar, unb ein gcfd)morener geinb aller ©Icihncrei, ben frechen Heuchler mitten im Xcmpcl ju ©djanben maihcn mürbe? tluch fiuther hielt fich uon ber öcrad)tlichfeit ber ^emeggrünbe bc^ (Srotuö überzeugt; biefer hieß ih*u fortan Dr. Äfrötc, bc^ (Sarbi* na lg ju jUtainj XcHcrlecfer.

©egen biefe fränfenben Angriffe oon ©eiten ber ^rotcftaiitcn hat fid) (Srotug nicht mehr öffentlich oerantmortet. Xroh mand)cr Slufforberungen oon ber anbern ©eite trat er aug feinem 0tiU* fchmeigen nicht mehr heraug. ©r oerfanf benn auch in folchc ^unfelhcit, ba§ felbft fein Xobegjahr nicht feftftcht. SBir miffen nur, bah cg nid)t oor 1539 foUcn fann, ba in ©chriften aud bie* fern Sah^e feiner nod) alg cincg ßebenben gebacht mirb, unb baß ' er 1551 nicht mehr gelebt hot, ba Sonchim ©amerariug in feiner

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^uSgang be§ SroiuS 9{ubtanuS.

529

in jenem 3o^rc gefc^ricbcnen ©tjä^lung öon @obonuö ^cffuö Don if)m a(d einem SBcrftorbcncn fpri^t. ißermut^Uc^ mar er fc^on 3ai)rc früher nid)t mc^r am ficben, mo 3uftuö 3onaö aU erftcr lut^erifc^er ©uperintenbent nac^ ^aßc fam; fonft mür^ ben mir bod^ mo()( non biefem (Srotu^ mügte benn, ma^ bo^ faum ma^rfd^eintic^, in ber $allc mieber neriaffen

^aben) ctmaö über feine Begegnung mit bem abtrünnig gemor^ benen alten fjreunbe miffen. ©amerariug übrigen^, 2Welanct)t^on'g greunb unb ein aufrichtiger ^roteftant, fpricht in jenem SBü^s lein non ßrotuö feine^megd fo hart mie ßuther unb unfer Un- genannter. @r fagt nur, nach feiner 9iütffeht au^ ^reu^en höbe berfelbe bie ÖJemüther nieler fich entfrembet, au^ einer Urfa^c, bie er, ßamerariuö, nid)t miffe, ober nielmel)r nicht f(^reiben möge, bomit nidht fcheine, aU moHe er ben 9}?ann, ber ihm im ßeben mertl) gemefen, nach feinem ^obe h^^unterfe^en.

33on bem gelben nerlangen mir, bofe er im Kampfe tapfer fei ; ift er babei auch billig in feinem Urtheile, fo ift fchön, aber in allen gäUcn non ihm ermarten bürfen mir nicht. 2)arum fann 2uther’)g unb feiner Äampfgenoffen Urtheil über ben non ihrer ©emeinfehaft ßutücfgetretenen für unö nicht gerabe^u maggebenb fein. IBorficht ift unö babei auch burdj bie ftattliche S^teihe angerathen, in ber ßrotu^ mit feinem gurüd? mcichen fteht. Söenn auch auffallenber unb anftößiger, that er im ©runbe hoch nur baffelbe, ma^ bie Sfleuchlin unb (2^agmuö, bie aWutian unb ^irefheimer thaten. Unb in ben Äeufeerungen aller biefer Scanner finben mir auch biefelben ÖJrünbc ihrer S3er= ftimmung gegen bie 9leformation. ift einerfeitö baö 9lenolu^ tionöre, ba^’ fie fchredEte, anbrerfeitö ber befürchtete 33ilbung^rüct' fchritt, ber fie abflieg. 3ebe ßoöfagung non einem ölten (Sultur* juftanbe, menn er auch öU brücfenbeö 3och empfunben

morben, ift /iunöchft ein ?luöjug in bie SGBüfte, mobei man bie Sicif^htöpfe §(eghptenö hinter fid) logt, ^ber biefe ^öpfe finb feineömeg^ blo^ moterieller, fonbem cbenfo auch 5)er 2lnonhmud fagt bem (krotuS auf ben Äopf ,^u, fei ihm um bie hanefchen ©aljpfonnen, fiuther, ed fei ihm um bie ßar= binaldtafel iju thun gemefen. Um maö e^ bem ßrotuö für fid) pcrfönlich jn thun mar, ift höchfi^nd bie gelehrte 3ltuge gemefen ; eine behagliche allcrbing^, aber gemig feine üppige. ®r l)ötte VII. 34

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530

U. 12.

fein Sebenlanci hlntmerlic^ beholfen, unb mcnn er einmal flagte, luor b^uptfäc^tid) barüber,bag ibm bie 9)iittel fehlten, fid) nad) ^er^^enöluft S3ücber onjufcbaffcn. ift meine größte öcgicr'', fd)rieb er noch 1530 nad) feiner ^Rüctfebr auö ^reußen an ben bortigen ©erjog, „baß id) möchte ^nfrieben fein bei meinen lieben 33ücbcrn; bie ftet)en in Seip5ig unb merben gar fcbimmelig. 3cb meiß nid)t, mann ieß mieber mit i()nen in ©inigfeit fommen merbe.'' @r fam ba5U, mie er balb barauf bie ^InfteHung ol» (Sanonicuö in §alle erhielt. §lber menn er meinte, bamit bie „glücffeligc ©tiHe" ber alten gotha^crfurtifchcn Qc\t mieber^ gefnnben ju höben, fo taufchte er fich. 0ie mar mit ber harmlofen Unfehulb jener golbenen ©rftling^tage für immer üer* fchmunben.

®aß ehebem baö ßutherthum, mie fpäter bag rebolutionöre Jran^thum, „ruhige ©Übung jurüdgebröngt" höbe, mar noc^ @oetl)e’ö ©ormurf, fo entfdhicbcn er fich übrigen^ bei jeber (Ge- legenheit als ^roteftanten befannte. ®enn ju feiner ßcit muc^ ja aus bem ^roteftantiSmuS, ber einft ben ruhigen ©ilbungS- proeeß beS ^umaniSmuS unterbrochen hötte, fo eben eine neue fchönerc ©ilbung h^roor. ®ahin hötten jene alten ^umaniften noch meit; bon bem fünftigen 33^orgenrothc trennte fie noch eine britthalbhunbcrtjährige Stacht: unb fo finb fie mit Schonung ju beurthcilen, menn fie fich «ö(^ ber 2lbenbröthe beS fdjminbenbcn XageS urnmanbten, fo merüid) fie auch biefc Stunb' um ©tunbe oerbleichcn fal)en; menn fie lieber bie alten betten au^ ferner tragen moUten, als burd) reformatorifchen ©türm unb ^)rang bie fich oerbreitenbe ©ilbung trüben unb fi(^ felbft in ben ftiflen (GeifteSgenüffen ftören ju laffen, bie ihnen bisher jene betten cr^= trägli(^ gemadjt hötten. 5lber ju tabcln finb fie hoch, unb baS beffere ihe*^ hatten fie nicht ermäl)lt. 5)ie 3onaS, 3J?eniuS, ©ugenhagen, ©reu5 unb mie bie 3)iänner ber ßutherifchen (Garbe mciter hießen, finb ben ÜJiutian unb (SrotuS , ben ©euchlin unb (SraSmuS gegenüber gemiß nicht bie reichern unb feinem (Geifter gemefen; aber baS (Gefühl für baS (Sine maS 9ioth tl)at, ben tapfern SBiHen, als unmahr ©rtannteS nicht länger gelten, Uner* träglicheS nicht länger befteßen ju laffen, bic SSitterung beS nod) tief im ©chooße ber ßötunft oerborgenen neuen fiebenS hötten fic üor ihnen hoch borauS.

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Humanismus unb Steformotion.

631

mit bcm §umani^mu^ nic^t qet^an, ba§ er nod^ nic^t bagjenige mar, maö bie beu SJanben bcö 3Jättelaltcrö fic^ entminbenben SSölfer bcburfteii, jcigte fic^ fc^on barin, ba& er frembfprac^ici mar. 3n biefem ©tücfe ftanb er ber mittelolterlic^cn ^^irdje ganj gleich : mie ber ^rieftcr feine 2)?effe latcinifc^ la3, fo fc^rieb ber §umonift feine ©ebic^te, feine Briefe unb $lb^anblun' gen menn auc^ etmaä beffer lateinifd). 2)er ^ierarc^ie

bort trat ^ier eine ©eiftetoiftofratie gegenüber; bie SJiaffe be^ ^atte ebenfo menig an biefer ©Übung mie an jener Sleligion fclbftti)ätigcn 5(nt^eil. SBaS in^befonbere bie beutfc^c @prac^e betrifft, fo mar fie jum @eföge ber ^umaniftifc^cn ©ilbung nod^ gar nic^t j\ubercitet, fie mar noc^ üiel ju ro^ unb ungelenf bafür. @anj ebenfo aber ber^ielt fic^ mit bem beutfe^en ©olf im großen ©anjen: beibe fonnten nur mit^* unb burc^einanber ju Xrägern ber neuen ©Übung gemacht merben. ©eibeö jufammen nai)m bie Deformation in bie .§anb: fie lehrte unfer ©olf, über feine innerften Stnlicgen felbft benfen unb beutfe^ reben. 5)ie bcutfc^c ^rebigt, bie beutfdje ©ibel mirften mel)r al^ aUe la^ teinifdjen ©tilübungen ber ^umaniften. ®ic lutbcrifd^en ^rebiger maren feine ©raömuöe; aber fie löften eine Slufgabe, bie fein Craömuö löfen fonnte. ^ie claffifc^e ßiteratur bed beutfe^en ©olfi^ im 18. unb 19. 3a^rl)unbcrt ift ber auö ber beutfc^cn Deformation miebergeborene ^umaniömu^. §lber biefe Jruc^t fonnte erft reifen, alä bie ßcit erfüllt, baö beutfc^c ©olf bur^ ben ^roteftantiiSmu^ in allen feinen ©c^id^ten burd)gefnetet mar. ^ic X^eile bcffclben, bie üon biefer ®urc^fnetung unberührt blieben, merben immer etmag oon einem fijengcblicbenen Xcige bemalten, ber au^ unferm neuen beutfd^cn Deiche nod) langcf)in fermer im Dingen liegen mirb.

SBcnn bie SDänner, benen julcfet unferc ©etrac^tung ge^ mibmet mar, oon ben ©ntmicflungöfabcn i^rer Qcit je 5mci in ^ünben f)iclten, ben bumaniftifc^cn unb am Slnfang noch ben reformatorifd)cn, halb aber (mit @incr ^luönabme), meil ber Ic^» tere ben erftern ju oermirren broßte, jenen fahren ließen, um biefen befto fefter ^u halten: fo mar e^ ber unterfcheibenbe ©or* jug unfereö |)elben, baß er außer biefen beiben, fo lang ging, auch ^^och ben politifchen gaben in ber $anb ^crfelbe

mar ihm mit ber ©ercitelung feiner auf Äaifer Äarl gefegten

532

II. $u(^. 12. I^(4)ttel.

J^offnungcu entglitten, ^ule^t mit bem ©tuqe feinet ©iefingen ganj abgeriffen; üor bei* SoÜifion unb SSa^l jmifc^cn ben beiben anbern gäben bemaljvte il)ii tl)eili§ fein frül)e)§ @nbe, tt)ciU feine ftärtere ^^latur, üermöge beren er fi(^ nicljt mie ein SÄutian ober ©raömuö burd) baö erftc Sßaffengeräujc^ ber reformotorifc^en Seftrebungen fc^on üerftimmen ließ, iöei längerem ßeben jeboc^ märe aiic^ il)m bie fc^mcr^lidje 3Bal)l nic^t erfparf geblieben. Sßenn er nur nod) Sut^er'so Streit mit ©raönmö über ben freien SBiUcn erlebt l)ätte, morin ber erftere, um bie göttliche ©nabe 5U erbeben, ber menfcblicben 9^atur jebe felbftftänbigc ^^raft jum ©Uten abfpracb; menn er üüUenb!^ 8<^wgc gemefen märe, mie bei bem marburger fReligionögefpräd) in ber SBcrl)anblung über baö Slbcnbmabl ber beutfebe fJ^eformator ficb bitter ein SSort Der* fcbai^te, um ben fdjmeijerifcbcn ben örubernamen ju nerfagen: ba mürbe ftcb $utten mit tiefem ©cbmcräc non bem SUiannc ob^ gemenbet b^ben, ben er einft feinen greunb, ben unüber^

minblicben ©nangeliften genannt bf^Hc- ®^ilc ber febmei*

^erifd)en fReformation fanb er fid) jule^t fd)on bureb feinen äußern fieben^gang tieftellt; alö jeboeb natb beö bellen freifinnigen 8iüingli galle ber geiftnolle aber finftere (lalnin ben Scbeiterbaufeii ©er* net'^ febürte unb bie ^.ßräbeftination^lebre au^bilbete, ba märe and) in biefem Säger feines isöleibenö nidjt länger gemefen. 3^^' römifdjen üirebe jmar, mie fein greunb ßrotnö, mürbe |)utten niemals j^urücfgefebrt fein; baju mar baS ©efübl in ibm lcb= baft, mie unnerträglidj ber in ibr bcimifd}e ©eifteSbruef mit jebem mirflicben gortfebritt, il)r auSmäitiger Scbmerpnnlt mit jebem nationalen ©ebeiben fei; nur um fo unbenfbarer mirb aber für biefe fpätere ^eriobe feine Stellung, unb um fo mehr muß man ibn glüeflieb greifen, baß ibn ber Xob nod) ju rechter 3<^*l ben graufamften Sonflicten entnommen b^it* ÜJ^öglid), baß er, menn er nod) jmei gabre länger gelebt b^tte, ben abgeriffenen politifeben gaben mieber aufgegriffen nnb uon feiner eibgenöffifeben greiftatt auS ficb in bie Strubel beS nabe an ber fd)roei5erifcben ©ren,^c auSgebroebenen ^auernfriegS geftürjt l)dtte. ®ocb and) l)ier mar fein ^eil ju finben; auch bi'-'^ fönnen mir il)n nur ent- meber fallenb, mo nicht gar uon feinen geinben gefangen, im beften gaCle Don 9^euem üertrieben unS oorftellen.

.^utten ift mit feinen Unternehmungen gefebeitert ; aber nicht

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Stüdblid auf i^uiten.

533

tDcil bicfc in fic^ unrcd)t ober bcrfc()rt toaren, fonbern nur, njcil er juglctd) unb fofort burd)fü^rcn motltc, nur cinö nac^ bem anbern unb in langen griffen burd)5ufü^ren toar. Sutber unb ber gefammte beutfe^e ^roteftantiömuö befc^ränfte fid) auf ba§ retigiöfe Gebiet, fab öom ^olitifcben ab unb nahm aud) oon ben (Srrungenfebaften beö |)umaniömu§ nur fo oiel auf, al§ für feine groeefe unentbebrli^ ttjar; ber ^roteftantiömuö b«t, in feinem Kampfe mit ber fatbolifcben 9^eaction, bie ©inbeit unb äJ^aebt beö beutfeben 9fleid)eg ooöenbi^ gebrochen, unb ©itte unb 93ilbung bed beutfeben SSolfes in enge ©anbe gefebnürt, in .raube ©emänber gefleibet. !3)afür aber b^t er innerhalb feinet ©ebieteö feinen gmeef erreicht, bie ^Befreiung ber gereinigten Äircbe oon fRom, bie ©r^iebung beö beutfd)en S^olfeö, fomeit fidb ibin nidjt oerfd)lo6, felbftftänbigem religiöfcm ßeben burd)gefe^t. Unb alö bie ßcit erfüllt mar, mürbe jene ftarre fRinbe gefprengt, auö ber eoiifeffionells proteftantifeben ging mit uiiferer daffifeben beutfd)en Literatur bie freie buinane iöUbung beroor. Unb abermalig mie bie erfüllt mar, ift au-g biefer b»n^anen ^urcbbilbung be^ beutfeben 53olfeö bie politifd)e ©inbeit unb SD^aebt, baö neue beutfd}c fReicb beröorgegangen. ge^t feben mir: |)utten b^^t bod) 9led)t gehabt, bag er einö nicht ohne baig anbere moHte; in ber Xl)Cit

gehören auch fömmtlicbe ©tücfe finb aber eigentlid) nur jmei: bie im ^roteftanti^mu^ mur^elnbe buniane Gilbung unb bie pos litifebe ©inbeit unb 3)tad)t ber fo gebilbeten S^tation beibe gehören auch tüidlicb ^ufammen, unb ^utten'ö Srrtbum ift nur ber aller propbetifd)en 9>taturen gemefen, 5ugteid) unb in ©inem alö glän^cnbe-g 3beal ju fdjauen unb ^u begehren, maö bie ÜJtenfcb' beit nur ©ebritt um ©ebritt unb ©tüd für ©tüd in jabrbnnbert?- langem S^tingen erreidjen fann.

$on;ebe

„®e[prä(^e t>on Ulrtc^ »on Jütten

überfe^t uub erläutert t)on

^abtb gnebrit^ Strauß, ßeipjiß 1860."

587

nie bin id) bei einer Slrbeit fo fidler getnefen, bem publicum einen ©efaUen, ber beutfe^en SRation einen ^ienft ju t()un, al^ bei ber oorliegenben. 5Ratürlid): bi^^er brod)te id^ ©genes, fo gut ober übel ic^ eS oermoc^te; biefemol bringe ic^ eine Ueberfe^ung bon Ulrich Jütten.

3)em lefenben publicum toirb bie frifc^e, gefunbe, reife gruc^t fd^meden; ja fie mag il)m noc^ fo manchem fd)lecf)ten Spontan ober nic^t beffern ©bauungSbuc^ 9Jtunb unb 9Kagcn wieber^erftetten Reifen. @S ift nic^t ol)ne fRiidpe^t auf biefeS publicum, bop id^ bon Jütten gerabe bie ©efpräc^e, in benen er ben ®rnft feiner refomiatorifc^en (iJebanfen in gefc^madboUe, p^antafiereic^e formen fleibet, jur Ueberfe^ung auSgetoQt)lt ^abe. 3a, baß ic^ eS nur gefte^e, id^ gel^öre in biefem ©tüd felbft ein toenig ^um publicum.

®em beutfe^en IBolfe aber mac^e ic^ einen feiner Slaffifer i^ugänglic^. befiel beren befanntlic^ auc^ fold^e, bie lateinifc^ gefc^rieben ^aben. 9Ran fann über ben begriff beS SlaffiterS ftreiten: ic^ berfte^e ^ier einen ©c^riftftellcr barunter, in beffen SBerfen bie tieffte ®igent^ümlic^felt feines SolfeS jum boHen 2luSs brud fommt, unb jmar in einer gorm, bie, loenn nic^t für alle Seiten muftergültig, boc^ für aHe bebeutenb unb anjie^enb ift. 5)ergleid^en ©c^riftpefler fönnen bem beutfd^en ®olfe am wenig» ften in bem Sö^r^unbert gefel)lt ^aben, ba eS feine gröpte natio» nale 5^^at boöbroc^te, bie Deformation, unb pe müßten bie erften unfrer (Slafpfer ßeißen, felbft wenn pe fein beutfe^eS SBort ge» feßrieben Jütten.

?lllcn anbern boran fteßt ^icr befanntlicß ßutßer felbft. ^u^ er ßat pcß noc^ bielfacß ber lateinifc^en ©prac^e bebient; aber feine öibelüberfe^ung, feine ßieber, feine ÄateeßiSmen, feine ^cebigten mit fo bielem Anbern noc^ finb beutfe^, unb fo beutfe^,

5S8

$orrebe )u ben

bafe fic ju uufctcm aanjcn neueren unb ©c^riftwefen ben

@runb geletzt t)aben. ^)iefc beutfe^en 0c^rtftcn Sut^er’ö un^ me^r alö anbere auö ber gleichen 3cit frifc^ unb geniegbar erhalten, \)at ein Umftonb beigetragen, über ben 0prac^forfd^cr, ober üielmebr ^(tert()ümler, fc^mälen mögen, ber aber t>om bil' bungögcjc^ic^tli^en ©tanbpunft au^ alg ^öc^ft fegenörcic^ crfc^eint. 3nbem nämltd^ jebeö fotgenbe 3Kenfcbenalter ni^t b(o§ bic 9^ed^t= fc^reibung, fonbem auch manche neraltcnbe 0prac^eigen^citen hci 33ibe(über{e^ung , ber Sieber unb ber anbern gelcfenem ten Sut^er’ö in feiner §Irt fic^ jurec^t ma^te, blieben pc in ci= nem fortbauernben fprarf)lidben ©rncurungöproccg begrigen, ber fie einer 9J2affc üon jefeigen Sefern jugänglicfe mac^t, benen fle in iferer urfprünglicfeen ©eftalt nur fefeioer unb tfecilweife öcrftänblic^ fein mürben.

Jütten, beni unter ben claffifcfeen ©cferipftellcrn $)cutfc^^ lanbö im 9ieformation§jaferfeunbcrt fcferocrlic^ 3emanb bie ^meitc 0teHe naefe Sutfeer ftreitig maefeen mirb, ift, ma« bic 0pradfec bc» trifft, feeut gu Xage gegen biefen junücfeft im S^iaefetfeeiL Üm fo Diel feinSatein beffer ift ali8 Sutfecr'^, um fo öiel ift fein 5>eutfc^ geringer. Sllg J^umanift mar nur jcncö bic ©prai^e, in ber er fidfe geläufig fcferiftlid^ auöbrücftc, unb menn er au^ in fpätern 3n^ren, um meitern Greifen oerftänblidfe ju merben, SKc^rcreö beutfefe feferieb unb einige feiner lateinifefeen 0cferiften, mic nament^ liefe einen 2^feeil feiner ©cfpräcfec, in’ö 3)eutfcfec übertrug, ober unter feiner 9J?itmirlung übertragen lieg, fo fefertc er boefe, memt er pefe frei bemegen, unb oor SlUcm menn er fünftlcrifcfe ft^affen moHte, immer mieber /^u feiner ölten §umaniftcnfpracfee jurücf. Unb feinen beutfefeen 0d^riftcn mürbe bann füfig 2lnbcre, mcil fic meniger gelefen unb mieber aufgelegt mürben, jener fortge* feenbe SBerjüngungöproeeg , jene^ jeitenmeife mieberfeferenbe 0ic^:f feäuten ni^t ju Xfecil, baö bie Sutfeerifefeen lebenbig unb mirffam crfeiclt. ^)icg jefet auf @inmal nacfefeolen, b. fe. §utten^ä beutfefee 0d)riftcn fpraifelicfe mobernifiren 5U moUcn, mürbe tfeeilS uncr^ träglicfe affectirt fecrauäfommen, tfeciU niefet einmal feinreidfeen, fic onjiefeenb ju madfeen. 9Jian mug feine beften lateinifcfeen @(^rip ten überfefeen, unb jmar fo, bag man anefe bei ben Don ifem fclbft fdfeon übertragenen biefe Ueberfefeung mofel pir ba^ SBcrftänbnig, niefet aber aU fpracfelicfeeö SBorbilb benufet, fonbern fein Sotein

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Sombe )U ben @e|brfiö^en.

639

unmittelbar in baö l^cutige 2)cutfc^ überträgt. Uub tritt nun bintnieberum §uttcu gegen ßutber in Sortbeil. ©ein ctajfi* fdbeg Satein ftebt unfrem blutigen ^eutfdb nöber al^ Sutber’^ ^rdbenlatein unb 33ibclbcutfd), Slber auch feine ^enfmeije, feine mehr meltticbe, politifdbe 5lrt, bic menfcblicben unb in^befonbere bic religiöfen SBerbältniffe anjufebcu, fpriebt un§ nermanbtei* an.

^£)er Serfu^, ^utten'^ ©ebriften, namentlid) aud) bie ©e^ fptädbe, bureb Ueberfejung mieber unter ben S)eutfcben einju^ bürgern, ift fdbon einigemale gemacht morben, boeb ohne fonber* lidben @rfolg. SWon b^tte nicht red)t angegriffen, ©o gab 5Uob^ ©ebreiber bie beiben gieber, @rnft 2Jiüncb ougerbem nod) ben SSabiöcu)^ unb bie Slnfdbauenben , mit aöerbonb SKobernifi^ rungen na^ ber alten ^utten'fcben Ueberfe^ung; mäbrenb ber ßefetere bann .bie Uon Jütten felbft nid)t überfe|tcn ©efpräcbe, fo uiel er beren gab, auf eigene ,g)anb in feiner befannten flücb^ tigen Spanier übertrug, ©o fehlte auf jeben gall bie ©leidjför* migfeit. §(u§erbem fehlten Einleitungen, benßefer auf ben rieb' tigen ©tanbpunft ju ftellcn, 5lnmertungen, um EJefcbicbtlicbed unb maö fonft jum S3erftönbni6 nötbig, aber nidbt gebem gegenmär* tig ift,* berbeijubringen ; benn Ueberfebungen macht man ja nicht für ©elebrte, fonbern um einen ©cbriftfteHer febem ©ebilbeten im eigenen Solle jugänglicb 5U machen. SSenn ich ie^t ben Ser^ fueb in anbrer Slrt toieberbolc, fo toirb mich menigftenä ber Sor* murf nid)t treffen, ohne Sorbereitung an bie ©aebe gegangen j^u fein. 5lucb toar i^ äußerlich begünftigter alö irgenb einer meiner Sorgänger. Äeinem oon ihnen lag ja noch bic Söcfing'fcbe Sluö^ gäbe oon §utten'd Sßerfen oor, bie, mäbrenb fie eine 9J^enge oon geblern unb ©cbmieri gleiten ber alten 2)rucfc au§ bem SBege räumt, zugleich bureb ebenfo reiche mie grünblicbe biftorifebe unb literarif(^c S^lacbmeifungcn bem Ueberfeber eine oon mir banlbar benübte ^ülfc leiftet. 3b^ ^^*t (ba mir oom oierten Sanbe bic Äu^büngebogen ju (Gebote ftanben) liegt meiner Uebertragung burebauö jum ©runbe, loo nid)t in etlid)cn menigen gäßcii au^brürflicb ein ?Inbereö angcmcrlt ift.

SDoeb nicht überhaupt nur um ben Elaffiler, ben grunb= beutfeben unb gciftOoUcn ©cbriftfteHcr , ift mir j^u tbnn, in« bem ich Jütten bureb biefc Ueberfepung eincö XbeiliS feiner SSerle in bic ^änbe be^ beutfeben Sollö ju bringen fucbc. 2)er SUiit*

640

®omb< }u bm

arbcitcr beö großen ^Reformators ift cS t)or wittern , ber mutlßigc Kämpfer gegen SRom, bcn id), nacßbem fein üon mir biograp^ifcß gejei^netcS 33ilb fo günftig oufgenommen morbcn, nunmelbi^ f^ibft, in feinen eigenen 0d^riften, aufermeefen möchte. $)ieß h>ar auch ein ^QUptgefidbt^pwnft, ber mid^ bei ber tluSmabt ber ju über* fe^enben ©tücfe leitete. SBenn icb einerfeits nad^ folgen miä^ umfab, bie oermöge ihrer gorm auch blutige fiefer noch an^ieben fönnten, fo mäb^tc icb unter biefen anbrerfeitS biejenigen auS, bie ihrem Snbolt unb uiit fiutber’S 53eftrcbungcn , mit

ber großen Sfiationalongclegenbcit beS fed^Sjehnten Sabrbunbertl, im 3ufammenbang fteben. ©o mirb man benn in ben folgcnbeti ©efpräcben erft noch ben ÜRorgenftem beS Humanismus am Hiui^ mel funfcln feben, bis allmäblig ber Horizont ficb rötbet unb bic erften ©trablen ber felbft noch nicht fiebtbaren Soititc ber ^Reformation burdb ben Hjuimet feßießen. 3cpt tritt ftc b^^^ur unb mirft bie 9^ebcl nieber; fic fteigt böb<^^» über biciRebcl fteü gen aud), unb je märmer ißre ©traßlen merben, befto bi(bter treten bie fünfte ju SEÖolfen ^ufammen, bie halb mit t>crbcrb= lid)cn ©etoittern broßen.

9Ran maeßt bic Slcformation für biefc SBcttcr uerantttjort^ lid}, man ßört nießt auf, ißr oorjumerfen, baß fic unfer ®olf gefpalten, baS beutfeße fReicß ^erriffen ßabc. 3Ran bebenft nießt, toic j^erflüftet unb brüeßig biefeS feßon oorßer auS anbern Urfadßen mar. 3Ran bebenft ferner nießt, baß bic Sfteformatoren außer ©d)ulb finb, memi ißre©aatcn nießt überall in beutfeben ßanben SBur^el feßlagen burften, unb maneßer Orten, too ßc feßon 2Bur^ ^cl gefaßt ßatten, gcmaltfam mieber auSgcrcutet mürben. fäcßlid) aber bebenft man nid;t, baß cS immerhin beffer m>ar, ®eutfcßlanb mürbe, menn eS einmal mit bem ganzen nießt ging, menigftenS jur Hälfte bcutfeß, als baß cS gan,^ romanifeß geblie- ben märe, ^enn oor ber ^Reformation mar ^eutfcßlanb fo tt)c= nig feßon eS felbft, als bic Saroe feßon bic 93ienc ober ber ©(ßmetterling felbft ift. ^aS ©runbmefen bcS germanifeßen ©cifteS ift inbioibuefle ©elbfttßätigfcit, ßeben auS bem eigenen 3nncrn eines 3cbcn ßcrouS. ^cm cntmicfeltcn 5)cutfd)cn fann fein meeßanifeßes Slbtßun bcS IRcligiöfen, fein unOcrftänbli^cS ©eßaugepräng unb plappern, fein gcbanfenlofeS Slbfugcln non 9^ofcnfränicn genügen: er mill felbft mit feinem '^emußtfein,

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^orrebe )u ben ®ejprfid^en.

541

feinem innerften geiftigcn SBefen, babei fein. @r fann fid^ in bic Üänge feinen ©lauben nid)t üon äugen üorfcgreiben , fic^ nid)t uon einer ^rieftcrfaftc in geiftlic^en Gingen bcüormunben laffcn: er mug felbft forfd)cn, fei uorläupg in bcr ©c^rift, ober meu ter^in in bcr Vernunft, ^ag mir baö bürfen unb fönnen, bai^ üerbanfen mir proteftantifege S)cutfc^e ber fRcformation; bag mir auc^ mirÜid) ti)un, unö in bcr ^gat unb 2öal)ri)eit oliS !I)cutfc^e bemeifen, baö ift unfre ©oebe.

SBcnn nmn Jütten gefugt b^tte, bug bic römifebe ^>ierarcbic, ju beren Umfturj er feine mächtige Sunje cinfe^tc , Sutber feinen noch gemultigem 2lrm nid)t ruben lieg, unb alle S3effcrn in bcr Sfiution ficb in cinbelligem Unmiüen ergoben batten, menn man ibm gefugt hätte, bug fie nueb mehr uig breibunbert 3ubren noch fortbefteben, bug uu(^ bunn iiocb batb ^)eutfcblunb in rcli^ giöfen 2)ingcn fein ^eil oon jenen öcrgcii b^ ermurten mürbe, über bic i^m feit Sugtbintberten fo oict Unbeil unb ®erberbcn gefommen mur! ©o lungfum gebt mit bcr ©ntmicflung bcr ißölfer unb ber 9J?cnfcbbcit , fo grüublicb treibt ber (5Jeift in bcr ©efebiebte fein ©efebüft. ^uö bürfen mir unö nicht oerbriegen, noch meniger bie Hoffnung finfen luffen. Hber ebenioroenig unö ocrblcnbcn über bic aj^uebt, bie bem immer nod) inmobnt, muiS mir für ein (ängft Ucbcrlebteö halten möchten.

aJiuncbc^ freilich mürbe ^utten, menn er beute mieberfümc, um ficb ben ©tunb bcr ^ingc bei uu3 unjufeben, un bcr römi* feben Äircbe, feiner ulten geinbin, oerünbert finben. Ueber ben ©elbubflug nach fRom, bic finunjicüc aiuöbcutung ^cutfcblunbi^ bureb ben püpftlicben ^of, morüber er unb ufle Patrioten feiner 3eit fo laute Älugc erhoben, mürbe er ficb jept jicmlid) beruhigen fönnen. 2öuö ein luftiger greunb oon ihm bumulö ben 3)cutfcben 5urief: klugen auf unb Beutel j^u! buuon haben ficb feitbem fRom gegenüber buö ßebtere auch ^icienigen gefugt fein luffen, bic fid) jum (Srftcren nod) nicht entfcbliegcn mod)tcn. Sind) feine fd)inu^is gen iBettclmönd)e, feine pruffenben 2)ombcrren, bic üppigen ^of* bultungcn ber !öifcböfe feiner ßeit mürbe er im jc^igen ^)cutfd)s lunb ücrgeblicb fueben. ©clbft in ?Rom mürbe er fid) munbern, mie boeb ?Ulc^ jebt fo oicl ehrbarer unb unftünbiger iugel)c. ^dber täufeben mürbe er ficb bureb biefe oerfd)önerte Vlugenfeite gemig nicht luffen. '^ulb mürbe er finben, fei ^mur ^RelevJ

542

8orrel>e ju ben ©efpröd^n.

anberö, nic^t^ aber beffer getuorben. 3a öicUcid^t tuürbc er in ber (Sprache ber üöibcl fagen, ber Xeufcl fei luo^l au^getricben, aber burc^ ber Xeufel Dberften. Unb tuir fönnten i()in mit einem einzigen Sorte baö fRät^fel löfen, üibem mir i^n barauf aufmerf^ fam madjten, mie 3gnatiuö fiopola jmar fein ßeitgenoffe gemefen, aber nad^ feinem Xobe erft Drbenöftifter gemorben fei.

Senn in 5o(ge baoon, ftatt bag !5)ominifaner unb granjiS^ faner bie Siffenfd^aft gel)a6t unb oerfoigt t)atten, bie 3efuiten fortan fid) mit berfelben einlie^en, aber nur um fie befto mirffa^ mer mit it)ren eigenen Saffen befämpfeu 5U fönnen; menn, mo jene mit prügeln auf bie (SJeiftegfrei^eit loöfc^tugen, biefe il)r tücfifd)e 2)old;ftic^e oerfe^ten uub fd^leic^enbe ©iftträufe eingaben : moiS mar bamit beffer gemorben? Senn Jütten ftatt ber bid* manftigen rot^baefigen ©cl^Iemmcr, bie er unter ber (^eiftlid^feit feiner 3^it in fo großer §(njal)l faß unb in ben ^unfelmänuer? briefen oeremigen ßalf, bie bl[eid)en, ßagern, oon ^errfeßfueßt Der* jeßrten, uon ganati^muö auägebrannteu ©eftalten feßen be- föme, bie fejt unter un^ umgeßen, ob er uießt ftatt biefer ßög^ liuge Soßola'g unb ÜJtacdjiaoefl'ö jene oerßältnißmößig ßarmlofe ^eerbe ©pitur'^ ^urüefmün feßen möcßte? 3mmer ßat er neben ber materiellen 5(uöbeutung alö ba^ nodß oiel Unerträglicßere bie politifeße !s8eoovmunbung, bie geiftige Äneeßtung angefeßen, bie ^eutfcßlanb OonStom erleibe unb fieß gefallen laffe. Unb bamit ift fo menig beffer gemorben, baß biefe geiftlicße ^errfcßfudßt, bie* fer .f)aß gegen bie ©eifteöfreißeit uub ^öilbung ber 3Sölfer, gegen bie 0elbftänbigfeit unb politifeße ©ntmicflung ber Staaten, mit bem uuaufßaltfamen gortfeßritt auf biefen ©ebieten nur grim* miger unb giftiger gemorben ift.

2(ucß baö 35erßältniß, morein fieß ^eutfdjlanb ju 9tom ge* fe^t ßat, mürbe Jütten tief unter bem ßnben, ma§ man ju fei* ner 3cit ermarten burfte. ^Jtidjt ba^ allein, baß meßr alö bie ^älfte ber ^eutfeßen bei ber römifeßen ^tireße geblieben, mürbe ißn in Sermunberung fe^en, fonbern baß aud) biefer Xßcil, ber ba^ alte 33anb nießt jerreißen moeßte, nid)t längft menigftenö loderer gemadjt ßat. Saö fage icß, loderer? ©r befäme ja uiel* meßr ju feßen, mie baö üon ßell benfenben unb männlicß moflen« ben IBorfaßren geloderte ^^anb jeßt bie 9tacßfommen fieß mit freiem Sillen enger um bie .pälfe feßnüren. ©in 3)ing mie bae

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^orrebe ju ben @ejpra(^en.

543

Dcftcrrcic^ifd^c Soncorbat toürbc i^n fogar Don einem ^bfömmlingc jenes gerbinonb, ber einft feine ©martunqen fo bitter ^ctoufd^t batte, in (Srftaunen fe^cn. 2)aö bat fid) nun freilid) bereite felbft ßeriebtet. foKtc ein Äitt merben für bic aii^ ihren gugen toei^ d)enbe (Jinbeit beö Äaifcrftaateö : unb feine erfte SBirfung mar, bag Don ihren Pfaffen gebest bic Oefterreiebifdjen Äatbolifen ihre proteftantifeben 9Jiitbürgcr nicht einmal im ®rabc mehr neben ficb bulben moUten. Stalicu bat für Defterrcieb ni^t erhalten fönnen, Ungarns Un^ufricbenbeit gefteigert, in ganj ^eutfdblanb baS Vertrauen auf ben @rnft Don DcftcrrcicbS IRcfonnen ^erftört, im Sanbe felbft bie Hoffnungen ber Patrioten niebcrgcfcblagcn. SGBie freilidb nach folcbcm SSorgang bie proteftantifeben gürften fübroeftbeutfeber ©taaten ßuft befommen fomiteu, ihre fatbolifd^cn Untertbanen mit Goncorbaten nach bem aJhifter bcS Oefterreid)is feben j^u beglüefeu, ift ein nod) ungclöfteS IRätbfcl. 2)ag eS ber 2Bunf(b ber JöcDölferung, felbft ber fatbolifeben , nicht mar, b^t ficb feitbem in 5^abcn glönjcnb gejeigt, unb ber 2anbcsfürft bic? fer SöolfSftimmc in üerfaffungSmä§iger SBeifc @cbör gegeben: hoffen mir, ba§ fid} ber begangene gehler Dollftänbig mieber gut machen laffe, unb baS 5^cifpicl in ben 9lacbbarftaatcn S^aebabmung finbe. Denn baS ginge boeb über aßeS ÜJ^ag unb märe ber febärfften Hidi‘'’^i'fd)cn ©otire mcrtl), menn in einem ß^itpunft, ba ^etri ©tul)l feinem Dorgeblicben ^'tacbfolger unter bem ßcibe manft, mäbrcnb bie gtaliencr unb DorauS bic öemobner beS ÄirebenftaatS feiner fatt finb unb ol)ne bic fremben

iöabonnctte ihn längft fortgejagt hätten, menn jefet noch Deutfdjc ihm Soncorbatc entgegenbräebten, beren ficb bic ^äpftc beS fed}S? zehnten Sabrbunberts gefreut haben mürben.

gdnbc bemnaeb Hutten auf fatbolifeber ©eite noch beute nicht meniger ju fcbelten unb anjuflagcn als ^u feiner ßeit, fo bürfen mir ^roteftanten barum nicht meinen, er mürbe mit unS um fo äufriebencr fein, ©o gcmiB er auf eine proteftantifebe Äircbc bingearbeitet (}ut, fo jmcifclbaft ift, ob er in ber unfern, mic fie jefet ift, bic erfennen mürbe, bic ihm im ©innc lag. ga^ ich meiß nicht, ob fein Unmille, ben er ber römifeben Äircbe ge? genüber empfinben mürbe, mcil fie nicht anberS gemorben, nidjt noch Diel heftiger gegen bie unfrige entbrennen müßte, ba fie fo ganj anberS gemorben ift, als er Don ihr baffen ju bürfen

544

Sorrebe }u bcn ^efprSd^ni.

glaubte, ftc uom ©innc abgetoid^en fei, ^at er bei

crftcrcn genug üorgel^alten; baß fie fic^ aU römifc^cr treu ge= blieben, l)at er i^r nic^t abfprec^en fönnen: an ber proteftanti= fc^en Atirc^e tpürbe er ju rügen haben, lua^ allemal bai§ 0c^limmfte ift, ba§ fie fich felbft untreu gemorben fei, ihr eignet ^rincip leugnet habe. ®a6 bahin mit ihr fani, hätte ber Witter mdg» lichermeife felbft noch erleben fönnen, benn fam leiber fe^r früh: ' aber auch heute mürbe er noch nicht finben, bafe fie im ©rogen unb ©anjen ihr ^rincip miebergefunben hätte. 2)ag $tincip, au» bem ber ^roteftantiiJmud hcroormuch^, ift freie Ueberjeugung bcs einzelnen : fich nichts oorglaubcn ju laffen, fonbern nur glau- bcn, maö man felbft perfön lieh iui eignen Snnern erlebt. £uthcr glaubte an bic @chrift, mo barauf anfam bi^ auf ba^ ciniiclnc Söort hinauf: aber nicht mcil bic Äirche cd ihn hie6» fonbem meil fein innerer SEÖahrhcitdfinn, bcn er ald bad 3eugni6 bed heiligen ©cifted empfanb, ihn ber Wahrheit unb ©öttlic^feit bed ©chriftinhaltd oerfichertc. SRur fomeit biefer (jc^t burch gan^ an= berc ajiittcl, ald Suther'n ^u ©cbote ftanben, uuterftütte) SSikihr- heitdfinn ihn oon ber ©laubmürbigfeit ihrer ©rjählungen, ber ®ernunftmä§igfeit ihrer Sehren überführt, ift folgli^ ber ftant ber 53ibcl ju glauben fchulbig. ©obalb an bic ©teile bie^ fed lebenbigen unb freien ©laubend ein tobter unb fncc^tifd)er ©pinboU ober Öibelglaube trat , mar ber ^roteftantidmud uon fich felber abgefallen : unb mo hätte er benn feitbem bid auf bcn heutigen biefcd Slfterprincip Don fich gethan?

©leichmohl lebte auch iu ber entarteten ^rche bad acht protc- ftautifche ^rincip in ©injclnen unb in engeren Greifen beftänbig fort: bad mar ber ©egen ber großen reformatorifchen Xhat, bie ben äußeren 3u)ang, bic meltlidhc Ü)fad)t ber Hierarchie für ben rcid bed ^roteftantidmud gebrochen hatte. ^cr3ujcifcl, biegorfchung, bad philofophifchc Renten, in ^eutfchlanb julcht eine nationale Siteratur, ermuchd auf biefem ©oben, unb cd ift g^cubc unb ©tol^ für ein protcftantifchcd ^erj, baß biefc neuere claffifche Siteratur unfred Sßolfed oudfchließlich bem ^roteftantidmud angc^ hört. Sluf fatl)olifchem ©oben ift fie fchlechtcrbingd unbentbar; ed ift unmöglich, fich einen fatholifchen Ä?ant, Seffing, ©oethe unb ©chiller auch uur einen §lugenblicf oorjufteUcn. ^rcili^ felbft in ber protcftantifchcn Äirchc tonnte biefc Siteratur erft in

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53orrebe ju bcn ®efprö(i(|fn.

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einer 3^it ertnac^fen, iüo ber in il)r anf()cfomniene ^Rationalismus i^re confeffioneßen ©djranfen nicbergemorfen, i^ren ^orijont er^ meitert, bem ßid^t unb ber freien 2uft jugänglicl) gemacl)t Ijatte. 5lbcr eben aucl) biefer iRationaliSmuS fonnte nur auf proteftaus tifc()em 53oben firf) entmicfeln, ®er ^atljoliciSmuS fc^manft emig jmifd)cn §lberglauben unb Unglauben; ber granj^ofe, ber Stalie* ner, mo er fi(^ bem 3)ogma feiner Äird)e entfrembet, mivb aße* mal friool: ein teufen, baS mit bem itirdjenglauben feineSmegS and) ben fittlic^en, ben glauben an eine l)öl)orc Söeltorbnung unb bie iöegeifterung für baS Sbeale aufgibt, iÜ'ant’S fategorifd)er 3mpcratio, ift nur innerhalb ober unter bem @influ§ beS ^rote* ftantiSmuS möglich.

yjMn mad^t eS ben heutigen frommen jum Sßormurf, ba§ fie bie Xräger unfrer großen !lJiteraturepod)e als Reiben oerbanu men, oor ißren @d)riften marnen, and) in biefer §infid)t baS beutfilje 33olf 5111- gän^lidjen Umle^r oon feinem bisherigen Söege maljuen. 3d) geftehc, ich f^nn biefeS Xreiben unfrer fRechtgläus bigen nur in ber Drbnung finben. 3n ihrem ©inne, überhaupt in bem bisher üblichen (unb ob baS SSort noch meitern ©inn hoben fann, märe ja erft auS5umüd)cn) , ift feit Älopftocf feiner unfrer CElaffifer mehr ein (Shrift gemefen. Sefftng l)Ot in feinem 9fatl)an boS fpmbolijchc ®udj für biefc Ofichtung gefdjries ben, unb ©oethe unb ©djißer, Sßiclanb unb Berber, ftel)en bei aßer Freiheit ber inbioibueßen ?luffaffung bod) mefcntlich auf bemfelben 33oben. Slße biefe ÜJMnner (aud) §erber nicht auSge« nommen, beffen geiftlicher ©tanb unb qualmenbc ^hontafie mehr nur auf bie gorm unb Jorbe, als auf ben ÖJchalt feiner Sin fich^ ten oon Einfluß mareu) jinb aßem ^ofitioen entmachfen; fie fen^ nen feine Offenbarung als bie im ©emüth, in 9>tatur unb ^e* fchichte, fein SBunber als bie 9faturgefepc felbft, fein §eil unb feine SSerföhnung als bie fich ber menfd)liche ÖJeift in fich burd) Läuterung, burd) (Sntfagung unb Siebe feßafft. ^)ic biblifcßen (Sr^öhlungen galten ihnen nur fo mcit für gefdjichtlicß, als fie fich natürlich faffen ließen ; mos barüber hioouSging, mar ihnen ©age ober ©elbßtäufdjuug, unb nid)t immer ertoehrteu fie fich nod) fchlimmeren S3erbad)tS. ^ie fird)lid)eii GUaubenSartifel ma= ren ihnen im beften gaß ©pmbole, an bie fich fittliche SBahr^ heiten, religiöfc 3been anfnüpfeu ließen, galten bie S^echtgläu* Vll. 36

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546

SSorrcbc in ben ©cjpröc^cn.

biflcn folc^crlci Slnfid^teu für undjriftUc^, ttJtc fic auf i^rnn 0taubpuufte müffen, fo ^abcn fic ein fRcd^t, uor bem Sefen ber 0d}riftcu, in benen biefdben mit fo üid@cift üürgetragen, ober,

noc^ (jefäbrlic^cr ift, fo unmerflic^ borau^gefc^t locrbcn, §u manicn, unb bic 0d)riftftcflcr, bie n?ir Uebrigen alö ßlaffifcr ucrel)rcn, ai^ ÄV^cr unb 3ttlcbrcr branbmarfen. fommt ja nur auf unö an, ob mir it)ucn @et)ör geben, ober barauf magen moUcn , mit ßeffing , (^oct^c unb 0d)iUcr in bie ^öüc, ftatt mit $engftcnbcrg, 0ta^l unb SSilmar in ben ^imnicl ju fommen.

3u ber bunbertjä^rigen Sebiderfeier neulicb b^^^^cn jene iJrommcn natürücb öugerft faucr gefeben, unb eg ift nur ^oUtif, um cg mit bem publicum nicht gar ju feb^ jw oerberben, uon ihnen gemefen, menn fie ficb nid}t noch tocit ftärfer bagegen aug-' gefproeben ba^^cn. S^laio ift cg freilich in hohem @rabc, bag eben fie fo unbefangen gegen Abgötterei eifern, alg fönntc cg auf ber Söclt S^iemanben cinfallen, ihnen bag Quis tulerit Gracchos de seditione querentes? cntgegcn^nbalten. Auch einer ber @ebiU beten unb 0ü6rcbcnben unter ihnen, ber bic @d)illerfeier in 0cbub nahm, glaubte ficb ^oeb bem Augruf bemüßigt: $in* toeg mit aller 3)^enfd}enocrgötterung in mic oußer ber Äirebe! idun, mir außerhalb fönnen ihn ocrfichcrn, baß nie einer ooii ung baran gebacht hat ober benfen mirb, meber bem alten ^aupt^ mann ©chillcr 5U fünften cincg höb<^^^ SBcfcng bic SBaterfebaft an feinem @o()ne ab^ufprcdjcn, nod) ben fRcceptcn, bic biefer alg fRcgimcntgmebicug ücvfd)ricb, eine tobtcncrmccfcnbe Straft bei^u* legen, noch ^^n Umftanb, baß über bem iöcgräbniß beg ^iebterg big heute ein ©eheimniß rußt, 511 ber Söermuthung ju benüben, er fei mohl bei lebenbigem Seib in himmlifebe Legionen erhoben morben.

3nfofcrn inbeß mar bog gemäßigte Auftreten ber ^ochgläu» -bigen gegen bic 0chillerfcicr oietlcicht mohlberechnet, alg bic SBc^ nigften im Sßolfe ficb ^er ganzen ^^ragmeite biefer Qeier bemußt gemefen fein mögen. 2)Mn meiß mohl ungefähr, baß cg mit beg ajianneg ©hnfteuthum nicht ganj richtig (in ber Xhat uiclmchr feitßeffing bei feinem fo fcblimm) geftanben, ober man hdlt ihm bieß alg 3eit9cbrcd)cn 511 @nte, mie man ihm fein 25,^eltbüvgcrs thum, feine geringfebäbigen ^Jieben über particulärc SSaterlonbg^

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55orrebc su ben ©cipröc^cn.

647

liebe ©utc fjält. 3n ber jcbod^ Uer^ält ftc^ mit bei= ben Xcfecten ganj uerfc^ieben. ^cr bcutfdje ^atrioti^muö fehlte 0d)iücr’u teiue^megö, mcmi er audj bem ilo^mopoUtiemiiiS in i()m untcrgcorbnct tuar, mib mürbe, menn bei* 5)ic^ter bic 3^it ber greitjeitöfricge erlebt Ijätte, cjemife in l)cllcn glammen empor' flclübert fein, ol)ne baß ficß barum in feinem übrigen ^cnffljßem baö ÜÜ^inbefte ßätte önbern müffen. S3on bem itircßenglaubcn hingegen mar in ©cßillcr fcßledjterbingö feine ©pur, unb nic^t baö fleinfte 3»g<^ftönbniß I)ätte er bemfelben machen bürfen, oßne feine gan^e 2i3eltanfcßauung über ben Raufen ju merfen; fobalb er fid) jum ©lauben an ein einjigeiS 2)ognia, an eine einj^ige biblifd)e ÜÖJunbergefcßic^te bequemte, mar er mit bem @eift aller feiner Söerfe in äUiberfprud) getreten. Unb baß nun gerabe bie ©cftalt biefe-5 SÜ^anneö, beffen geiftige unb fittlicßc ^oßeit üon jeber firc^lidjen 3^eimifd)ung frei, rein ßuman unb rationell er= morben mar, baß fie gerabe auf baö beutfdje 03emütl) biefe ^In^ jießungöfraft übt, in ©cßillcr gerabe mie in feinem ^^Inbern ber beutfdje ^ülfögeift fid) fclbft miebererfennt, Daö ift ein S'^’i^ßen, baö ienen Ätircßenmännern ebenfo bebenfließ, alö luiio erfreulicß unb ßoffnungöreid) erfdjcinen muß.

Unfere claffifcßc Literatur ßatte fieß in ber^eriobe beöSfta^ tionaliömu» entfaltet, unb mar ^iir Qdt ber fransöfifdjen Steoos lution unb ber grembßerrfdjaft ooüenbet morben: alo bie53cfrei= ungöfriege anßubcn, mar ißre 3cit mie bic bcö Dftationalismuö fd)on oorßer iim. fran^öfifeßen Dränger mären ber 3}^cßrs jaßl nad) ungläubig gemefen, bie ^-ßorneßmeren meift 33oltairioner, bie Gemeinen nad) ^erßältniß, SlUe ©ößenbiener ber materiellen (bemalt: bic beutfeßen ä)^änner unb Jünglinge, bic gegen biefe (bemalt aufftanben, tßaten ba^^ im begeiftemben (Glauben an eine ßößerc fittlicßc 2J2acßt, ber fid) ißnen, im (^egenfaß gegen ben fran5Öfifd)en Unglauben, mit ben alten ^ilnfcßauungcn bcö Sßriftciis tßuim^ ücrfd)mo4. ©o mürben bic ^ießter unb übrigen ©d)rift= fteller jener 3aßre mieber d)rifttid) fromm, unb mit ben Xßronen reftaurirte fid) ßernad) aud) bic ttird)c, bie Xßeologie unb fclbft bic ^ßilofopßie. griebrid) SÖilßelm III. trübte feine ßoeß- unb freifinnige Xßat, bic Union ber beiben proteftantifd)eu itird)en, bureß eine fatßolifirenbe Idgenbe, bie er ißr ^ur ä)Utgift gab; lilauö ^arm^ fd)ricb feine altlutßerifd)cn Xßefen; bie föoangelifcßc Ätir»

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®orrcbc 3U bcn ©ejprö^cn.

c^cit^citunci tuurbc c^c^rüiibct, bic c§allc'fd)cn S^ationaliftcn bcnun-' cirt. 9lbcr aud) §egd bilbcte fein urfprünglic^ auf bcii freieften (^runblaßcn aufgcbautcö Softem ^ur fc^otaftifc^cn 33cfd^öntgunc; bei (gegebenen ^uftänbe, in^^befonbere aud) beö fir^lid)cn um.

@iu SJton lebte in jenen Söhren, ber cbenfo flug n?k fromm, oielleic^t aud) noc^ etmasS flüger al^ fromm luar: tucr mißt baö fo genau? @r toar ber @rftc, ber baö öcfrcicnbc, nm? in ber Union lag, erfannte unb auöbcutete. SSenn in jeber ber beiben coangelifd)en (Sonfeffioncu baö aufl)örtc oerbinblic^ ju fein, \va^ fie gegen bie anbere feftgefc^t ßatte, fo gab ba^ fc^on eine bübfe^e Sßeitc, in ber fid) menfc^lidjer loo^ncn ließ, cUö in bem bi^l)erigcn confeffioiieHen 9Zotl)ftalI beiberfeitö. ©Icic^tuobl fanb aud) fo noc^ 0d^leiermac^cr ba^ 0c^iff ber ilircßenlc^rc für fein mürbciä Filter unb bie l)od)ge^cnben SBogen ber oiel ju fd)U)er befrachtet; er rietl), außer bem fjlothipenbigften über iöorb äii merfen, unb feßte fich feinerfeitö ohne allen 33aHaft in ben lcid)ten ital)n beö frommen 0elbftbemußtfeinö. Glicht all ^lulbeute aul ber heiligen 0d)rift, nicht all geftfejungen eine» 0l)mboll, all einfad)e Slulfagen bei d)riftlichen 93eioußtfeine entmidclte er bic 0ähe ber coangelifd)cii ÖJlaubenllchre , bic er nur nad)träglid) mit jenen beiben 3nftanjen jufammenhielt. Xaß biefel 33ctoußtfein ganj anbcrl fprcd)cn mürbe, menn el nicht in einer an Schrift unb ©pinbol erlogenen chriftlichen ®emcinbc fid) gebilbet unb erfüllt hdttc, baß mithin feine Slblcitung fich eigcntlid) im Ä^reife bemegte, machte il)n nidht irre. SBußte er nur für feine ©ä^c einegaffung 511 ßnben, in ber fie meber ein* anber gegenfeitig, nod) einer anerfannten S3ernunftcinficht miber- fprai^en, fo glaubte er feiner Slufgabc genügt ju h^^^^en. 0o brachte er ein überaul fcinci, aber ebenfo fünftlichel ©bftem jiifammen, ein fRäbermerf, bal nur eine fo gemanbte $anb, mic bic feinige, im ^ang ^u erhalten mußte. Äcin einziger feiner ÖJlaubenlföhe mar meber nach Ableitung noch 3nl)ölt irgenb eu ' nem tird)lid)en 2)ogma mirtlich congruent, aber el maren trefflich gefertigte, töufd)enb ähnliche ©unogatc, bic bem mobemen @ou= men überbieß beffer all bic nachgcrabc altbacfcn gemorbenen fird)lichen 0chaubrobe fehmedten. ®al @runbbogma, bem alle übrigen nur bienten, mar bal oon ShriftuI, mit bem in innigem perfönlichen ^ertehr fich ju fühlen, 0chlciermachcr'n oon feiner

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®orrcbf )u ben @c|prä(^en.

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(Sr^ic^img in bcr 33rübcr(^emcinbc f)cr cjcniüt^lic^CiS iBcbürfnig tnav. 3(bcr biefer fein (5()riftiio tnar nid)t bie jtucitc $crfon in bev @ott:^ ()cit, ni^t bei* anö einem frni)ern güttlirfjcn Unfein in einen 9J?en= fcf)en(eib munberbariie^ fjernbejefommene unb bann mieber ;^n jener ^iU)ern ©^-iften^ ^urnefgefeftrte @otteöfol)n, fonbern lebiglid) ein ,^ioQr fittlid) normaicr, fonft aber burc^ nationale toie perfönlidje Sebingungen befd)ranfter 3J^enfd). @o menig mit biefer SSor» ftellung einerfeitö baö firc^lic^e ®ogma oon Sljrifto gebeeft mar, leidet mar anbrerfeitö ein5ii)el)en, baß auf ©d)leiermad)cr’ö (Stanbpunfte folgeridjtig immer nur ba^ Sbeal, nic^t aber bie SEÖirflic^feit eineö fo(d)en 3Jk’nfd)en abjuleiten, ja and) nur ^u begreifen mar.

9^od) meit übler jebod) alö bem ^ogma unter feiner .§anb erging c^, faum bag @cf)leiermac^er bie Gingen gefdjloffen, ber OucHe be^ ^ogma nad) proteftantifd^er 53orfteüung, bcr f)eiligen 0d)rift, unb man mugte nad)träglic^ nodj ben 9)iann bemunbern, ber fic^ jum SSorauö fo flüglid) barauf eingerichtet, unb fein Credo üon berfclbcn unab()öngig 511 machen gcfud)t merben manche Sefer meinen, id) motte oon meinem Öueh über ba^ Seben 3cfu reben, unb merben mir entgegen biefeö ja längft miberlegt fei. 3n berXh^^^ moUtc id) ba^ nid)t; meil aber oon SBibcrlcgung gcfprochcn mirb, fo mitt id) nicht audmcid)en. Um über SBorte nicht ju ftreiten, fo fei id) alfo meinetmegen miberlegt ; fragt fich nur, mic ? 5)aö mitt id) bem oerftänbigen Sefer fagen. ©efeht, ich h^Ue bcred)uct, meinem ©laubiger 2000 fchulbig ju fein, unb e^i fämc ein 'lUnberer, rech* nctc mir nach, wnb fagte bann: beine 9^ed)nung ift falfd), bu bift ihm nid)t mehr ab5 500 fd)ulbig: fo mürbe ich über eine fold)c S53iber(cgung meiner fRcd)nung, mofern fic ©runb l)öUc, gemife cbenfo menig Urfache hi^^’cn oerbrieglid), alö mein ©läubiger, oergnügt gu fein, ^icht anberiS ift mein ßeben 3efu miberlegt morben.

Älö id) an bie 2(ui?arbeitung beö !sÖud)Ci§ ging, lagen mir über bie coangclifd)c ©cfd)id)te, iimbcfonberc il)rc munberbaren !0eftanbtheile, bie oon jeher ber ©laubenölchrc bie mid)tigftcn maren, ^mci ober oiclmehr brcicrlci ^^Infichten oor. ^ie eine jaütc biefelbcn, mie fie fich ßoben, alö 33erid)tc oon übernatürlichen lilJorgängen, bie fic alö mirflid) fo gcfd)ehen annahm: fölchen

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550

Sorrebe ju ben @c|prö^en.

©tauben imibtc icf) nic^t uon mir crbalten. ^ic anbre faßte ßleid^faü^: bie ©cfc^idf)ten finb n)al)v, aber ift §UIcö na* türlic^ jußeßangen, bie ©r^äbler uerfc^meißen nur ßcmiffe äl^itteU ßlieber, ßetniffe 9lebenumftönbe , nieHcid]t meil fic meinten, fic nerftnnben fid) üon felbft, unb bat)er ber munberbare Schein: ^u einer fo ßcmaltfamen ^entiinß ber bibli)d)en @rjät)Iunßcn fonnte ic^ mic^ nid^t entfdjlieben. @inc brittc Stnfid)t laß im ^interßrunb, welche halb bie Xt)atfad)en halb bie @rjät)lunßen für ölenb* unb 9)?ad)merfe non '^etrüßcrn an^^ßab: ein fold^cr Söerbac^t mar mir miberlid). SQBa^ alfo t^un, um einen ^luiSrocß 511 finben? 3d) blidte mic^ in ben beitißcn @rjät)lunßcn ber alten fRelißionen nm, bie ()eute 9^iemanb me^r meber mit ^erobot übernatürlid^ fa^t, nod^ mit @ul)emern§ natürlii^ erflört, eben* fomeniß mit ben eifernben S^irc^enoätern 2^enfel$fpuf ober Setruß barin fiel)t; fonbern man fafd fie alö 0aßcn, bie fid) auä ber frommen ^b^ntafie ber 3Sötfer unb i^rer ^i^ter ol)ne

2lrß unb 5Ibficbt fo ßebilbet höben. <5o bemnad), alö @rjcuß* niffe ber abficbt^loö bid)tenben nrd)riftlid)en 0aße, betradbtete id) bie eoanßelifcben SCÖnnberßcfcbidjten mcnißftenö ihrer 3Rel)rhcit nad).

9^un bin id) ja aber miberleßt. ift nachßemiefcn , bafe ein ßroger Xheil biefer @r,^ählnnßcn ßar fel)r abfidhtlidh j^u be* ftimmten unb bemiigten ^artei^mcdlcn erbichtet ift. ©ut; mer fann baßeßen etma^ höben? Sch ßc’mife nicht. SBer fann fid) biefer SQ3iberlcßunß beö „lieben Sefu" freuen? ©emiß nicht meine orthobojen ©cßucr. IRod) @inö. ^ag oierte ©naußclium ßiiiß in meiner Sflechnnuß ni^t auf; e^ mar nicht mohl benfbar, mic ber ©rjähtuuß^ftoff ber brei erften ©oanßclien ohne bemühte tlb^ fidhtlidhfeit eine fo bebcutenbe Ummanbluitß erlitten höben folltc, mie fte im johanneifd)en ©oaitßclium oor Sliißen ließt. Sch höttc ba^ SBort biefeiS fRäthfelö noch nicht ßcfunben: feitbem ift bemie* fen morben, bag ba§ oierte ©oaiißelium eine ßompofition ift, bereu Söerfoffer fid) feineö freien 0d)alteit‘o mit bem ßefchichtlichcu unb 0aßenftoff ju ph^^ofophifch'boßmatifd)en ß^c’ccfcn fo bemngt mar, mie ^lato beffen, bag er in feinen ^ialoßen ben ©ofratcö ßar manche^ reben unb thun lieft, maö biefem in Söirftichfcit nid)t einßefallen mar. ©nt; mer oerliert babei? Sd) mieber nid)t; ich ü)ürbe nur, menn mir in ber ßanjen ©achc um meine lU^einmtß unb meinen "iRamen p tl)nn ßemefen märe;

Sotrebe ju ixn ©ffpröc^cn.

551

war mir aber Diclmd)r barum ju tbun, Suft 5U fdjaffen für bic freie ^Bcmegiinq bcö ©cifteg burc^ Sßegröumun^ bc^i alten möuer^, ba^ i^n beengte: je grünblic^er biefcö mitljin megs gcfc^afft, je nmt)ieberl)crftellbarcr in bießuft gefprengt inirb, befto lieber mn| e^ mir fein. 3c^ alfo Ijabe auc^ Ijicr nidjtd verloren, unb meine frommen (Gegner nic^t-S gewonnen; bie man ^ubem je^t, wenn fie (übrigen^ mit fRec^t) gegen baö ßwteci^tmadjcn ber @efc^id)te na^ pbüofopl)ifc^en Sbeen eifern, auf i^r fiieblingö^ coangelium alö ein wa^reiS 90?ufterbilb fold^en Sßerfa^renS Oers Weifen fonn.

0old)er 3crftörnng ber ©runblagen ber bi^l)erigen 5!f)eos (ogie arbeiteten gleicbjcitig bie übrigen SSiffenfe^aften in bie .^änbe. 2)a$ eifriger ak je gepflegte @cfc^id)töftubium gab einen äl^aßftab für bie Öllaubtoürbigfcit l)iftorifd)cr Urfunben, an welchem gcrabc biejenigen biblifc^cn Süc^er, bie ber Xl)eologie bie mid)s tigften waren, am wenigften beftanben. ®ie ^n ftaunenöwert^er ij^lütbe ficb entfaltcnbcn 9tatnrwiffcnfcbaften bauten immer üolls ftänbiger eine 2öcltanfd)auung au^, innerhalb bereu fid) ber^irs d)englaube wie ber ftel)en gebliebene S^teft eine^ alten ,g)aufc!^ in einem barüber gebauten ^alofte ftörenb unb entftcüenb anönal)m. ?ln baö 3KijiDerl)ältnift ber c^riftlid)en 33orftcllungen oon $inis mel unb ^ölle ^ur ?lftronomie, ber ©cböpfnngögef(^id}te jn cbeits betfelben unb jur Geologie, ber biblifc^en SBunber p ben rcd)ten unb großen SSnnbern, in bie un« $l)i)fif unb Sbemie ben ©ins blief öffnen, ift !aum nött)ig ^u erinnern. Unb biefe ©rgebniffe ber ©efe^iebtös unb ^taturforfc^ung blieben nic^t, wie bieß in früheren Sahrßunberten möglich gewefen war, ein Sonberbefiß ber belehrten, fonbern würben, bem Reifte ber ©egenwart ge* maß, albbalb im SBetteifer für baö Soll Oerarbeitet, in /^ahlreid)en iBüchern unb 3citfchriftcn jum ©emeingut gemacht. 9tur allein §umbolbt'ö Äoömoö mit feinen populären Bearbeitungen bem Äiirchenglauben unberci^enbaren ^Ibbrucß gctlian, unb id) fann .^umbolbt'ä ßeichenrebner in Berlin, meinem alten Jreunbe, nicht oerbenfen, wenn er bem henngegangenen iRatur* forfdier nur feßr bebingte 5luöfid)t auf ben ßotritt in ben djrift- ließen ^immcl ^u eröffnen wußte'). Bergcffen wir audj unfre

1) rid^tig au(^ bugmal bie geiftlid^^ Witterung tvar, ^aben bie {eit* bem erfc^ienenen Briefe J^umbolbt’8 an ^ain^agen fattjam gezeigt.

552

SJorrebc ju ben ©eipröc^cn.

Ötogcii ^id^tcr nic^t. ®rft in bcn lebten breigig 3nf)rcn würben ftc grünblid^er ftiibirt, allgemeiner angccignet: jebe neue Slnflagc üon ©c^iHer’ö ober ©oetljc'iS SBcrfcn mar eine neue 9licberlagc für bie Drt^obojie.

ftanben alfo nun bie 0acl)cn fo. 3Son ©eiten ber miffen* fc^oftli^en Xtjeologic mar bie 5luflöfung ber biö^crigen ÖHauben^ lel)rc, fammt beren ocrmcintlicl) ^iftorifc^cr ©runblage in ber biblifc^en, inöbefonbere eüangelif^cn ©efdjic^te, (jene grogentbeiliS fc^on burd^ ©c^leiermad^er, biefe weniger burcl) mid), al§ burc^ 2lnbcre na(^ mir, bie e<S beffer gemacht l)aben) mit einer ©c^ärfc nnb iöünbigfcit boH^ogen, bereit fid) fein Urtbcilöfä^igcr crmet)ren fonnte. SSon ber anbern ©eite famen 9laturs unb ©cfc^ic^täs forfc^ung biefen ©rgebniffen beftätigenb, ja fic forbernb, entgegen. Unb cnblic^ mar bag allcö längft über bie abgefdjloffenen Greife l)inauö rud)bar unb im ßufammenmirfen mit ben ©djriften unfrer neueren ßlaffifer j^ur allgemeinen ©ilbungeatmofp^örc ber geworben, bie auf geben, ber fid) nic^t gemaltfam abfd)lo6, un^ miberftel)lid) einbrang. 2Baö foHte nun bic^^eologie t^un? ®aiS fRätl)fel ber ©pf)inj mar gelöft, aber in ben ?lbgrunb fpringen mod)te fie nidjt. ^ir finb weit entfernt, il)r bieg ju oerargen; nur über bie guten ^l)cbaner müffen mir un^ munbern, bag fie fic^ all ben ©puf gefallen lic6cn unb nod) immer gefallen laffcn^ ben bie §lltc feitbem angeftcUt l)at.

^)cnn all i^r 53emüt)en ging üon je^t an bal)in, bie Sßelt, unb am @nbe gar aud) fic^ felbft, glauben ju machen, fei mit ^tic^ten auö mit if)r, fie oiclmcljr immer nod) ein gutc^ $anö, unb bie ©erüc^te oon il)rem Öanfrott nur oon lcid)tfertigen 33iu ben audgefprengt. Äurj fie gebärbete fid) wie ein itaufmann, ber fic^ oom unoermciblic^cn Sfiuin in ber lepten ©tnnbe noc^ ju retten fuc^t: fie fc^minbelte, nal)m 3lnlel)cn auf wo man il)r nod^ borgte, unb oermirrtc baburd) i^rc Slngelegen^citen nur um fo mel)r. @in ®lid auf bie tl)eologifd)c Literatur ber Gegenwart j^cigt ein feltfameö, mibermärtige^ ©d)aufpicl. @inem Oerfc^miits benb flcinen ^läuflein oon folc^en, bie miffen unb miffen wollen, wie um bie Xl)eologie ftcl)t, bie fid) ;;um ÖJefd^äfte machen, bie 2Bal)rt)eit ;\u erforfeben, unb ^ur Pflicht, maö fic^ il)iien alö jolc^c ergeben l)at (oorbet)ältlic^ mand)ed menfc^lic^cn ge^lgriffsJ im ®in|^elncn) ungefc^eut auöjufprec^en , ftel)t bie uncrmefelic^c

j

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55orrcbc ju ben ®cfprSd^en.

553

unb äußerlich f)crrfc^cnbc aJicf)rbcit bcrcr nc(^cnü6cr, benni im @c(^citt()cil 9(llc!^ boraii licc^t, bic fic^ aufbrincicubc Sßal)rf)cit, Don bcr fic fid) in il)rcm firc^lid)cu ^cfifftanbc öcfäi)vbct fd)cn, uor ftc^ felbft unb Stübern ju ucrftccfcn, boö Unleugbare in 5(brebe [teilen, ba^ Offenbare 511 uertufcljen, ätningenben ©rnnben fiel) buve^ Seitenfprünge ent5iel)en, gegen jeben iöetnei^ eine 5ln^s rebe, fei fie norl) fo fd)led)t, in 53ereitfd)aft 511 l)aben: nnb biefeö @ebal)ren ge^t non ber ftnmpfen ober feinen 0elbfttäufd)nng bl3 jum frcd)en Umfid)merfen mit toiffentlic^ umoa^ren ^-öe^nnptungen fort. ‘S>a§ man fid^ babei notl)gebrungen einzelne ©rgebniffe ber Äritit ungeeignet, bieg aber bnrd^ ^djmäf)en auf bie S^ritifer ner* bedt, nnb jebenfaUv bie Sonfequen^en ablel)nt, trägt nur bap bei, bie Sennorren()eit unb Unlauterfeit bc^ gnn^en 2^reiben3 befto offenbarer ju machen. SBer l)at feit ^luan^ig 3al)ren gegen bie Xnbinger @d)ulc, bie Xrägerin ber t^eologifc^en Äritif, nom nermeintlic^ miffenfd)aftlic^en, religiöfen unb fittlidjen 0tanbpnnft miö unermüblid}er gepoltert alö (Smalb? Unb nun ^at er eine (Sk- fc^iegte Sl}rifti an’öSid)t treten laffen, bie nur alö ein fic^ felbft miberfpred)enbeö @emifc^ non gläubiger, natürlicher nnb mptl)i* fd)er ^uffaffung, gehüllt in ben 9tebel einer überfchtnenglichen nnb bod) ^ngleid) hinterhältigen ©prad)c, bezeichnet tuerben fann. ^)a an biefem Öeifpiel alle bergleid)en fRettnng‘5* unb 33ermitts lnngönerfud}e fich benrthcilen laffen, mill ich ^’inen ^^üigenblicf bei bemfelben nenneilen.

Sefnö ift in biefer ^arftellung ber 0ot)n Snfepl)''^, babei aber fünbloi^ nnb menfd)lidj nollfommen: @igenfd)aften , bie fich Zmar für ben ©ohn ©ottcö non felbft ergeben, für ben ©ohn Sofeph’ö aber fd)led}terbing^ nid}t enneifen laffen. Sßon ben SBnnbern 3cfn merben bie .^eilung^munber gefd)id)tlid) gefagt, aber nicht alö fchled}tl)in übernatürliche Xh^ten eine^^ ihm iinnoh^ nenben göttlichen ^rincipi^, fonbern alö natürlid)e, mohl and) bnreh gemiffe ^anbgriffe nemtittelte unb burcl) baö 53ertranen ber Äran- fen in ihrer 3Birffamfeit bebingte ?(n-gflüffe feiner (iJeifte^madjt unb religiöfen ißollfommenhcit, al^ ettnaö, baö jebem 5ütenfd)en, ber fich berfelben ©tnfe inie er erhöbe, möglid) fein mügte. 9lnn lägt fid) ber altfirchlid)c ©d)lng non ben 253nnbern 3efu auf feine ööttlid}feit gar tnol)l hören, nnb ino bie(e‘ im ©innc bcr M'irche anerfannt ift, machen hintüiebernm bic SBunber

554

3}orrcbf @cfprfl(^en.

feine 0rf}iüicrifl!eit; and) bag e^ borjngStoetfe .^eilunt^^munbcr luaren, ftimmt bie Äranff)eit alö SBerf bc5 Xenfclö

betrachtet n)irb, beffen S^eid) ber (55otte^fo()n ^erftören h^t: mit ber mcnfchlich reliqiöfcn ^oHfommcnf)cit hinßegen, UJO,^u t)ÜT bie (Gottheit C£f)rifti abgeflärt ift, §ci[ung§mnnbcr nic^t^

,^n fdiaffen; fonft müßte, mo mir höhere ^iefigiofttät finben, menigs ften^ ein ^^(nfang fotd)er höh^^*^ ^eilfraft 511 bemerfen fein, bod) außerhalb be^ ©ebietö ber £egcnbe unb bc^ 91berglauben^ nid)t ber ift- Söunber mic 0ünblofigfcit ftammen au§ bem altfird)lid)en 5^oben, unb fönnen in bem mobernen, in ben fic fich ohne SBur^el geftedft pnben, unmöglid) fortfommen.

2öa^5 über bie .^ethtng gegenmärtiger ^erfonen hinauögebt, mie bie Teilungen in bie 5ernc, bie ^obtenermeefungen, bic 0pei^ fnngÖA unb SKafferuertnanblnngömimber fammt ben Xh^ton auf bem 0ee, alle bevgleid)cn ©r^ählnngcn ber ©nangclicn betrachtet ßmalb ab3 ©rgebniffc banon, baß, mic er ftd) an^brüeft, „bem wirbelten ber innerften Prüfte bcö reinften unb höchften ©ciftc^ in ©hviftu^ bic hochgefpanntc ©rmartnng unb ber miOige ©laubc ber 0cinigen entgegenfam", ber nun in einzelnen Si^t- unb §öhepunften „allcö baö Uncnblid)c üertüirflicht fal), ba$ er bon 3efu ahncte unb hoffte." ^aö entmeber: SefuiJ machte auf feine ^Inhänger einen fo mächtigen ©inbrnef, baß biefc rnoßl ouch SBunber imn i()m ju fehen glaubten, mo bod) SÜleö natürlich <511* ging. Ober: ber Xrieb, ihren 0tifter ju Ocrhcrrlid)en , mar in ber älteften ©hriftengemeinbe fo ftarf, baß fich bcrgleicßcn ©r^^oh' lungen mßthifch bilbcten. SBenn @malb über ba^ 0peifungg= mnnber bemerft, ma^? bie erfte Sßcranlaffung 5U ber ©rjahlung gegeben, fei nidjt mehr au‘3^umitteln, jcbenfaHö lehre ßc nur, mie ba, mo fid) ber höh<^^‘<^ ©lanbe mit ber mal)rcn Siebe oerhinbe, baö 5frob nie au^ogehe, mic auf ben geiftigen 0egcn leicht auch ber lciblid)c folge; menn er bicS^erflärungögcfchichtc einen ®erfuch nennt, ba^5 (Srhabenftc faßlich geftaltcn, mobei alle^ flticbere, ma‘3 ctma alö Einlaß jnm ©runbe liege, fich in bic rcinftc lichte t^öl)c oerlicre; menn er über ben Vorgang auf ber |)och5eit ju ft'ana fagt: „ba^ SBaffer fclbft mirb unter bem Reifte Sefu jum heften SSei ne", nnb faft friüol hio.^ufeht: „mir mürben un§ biefen Söcin, ber feit jener 3eit auch wnö nod) immer ßießen fann, felbft übel ücnoäffcrn, menn mir hier im groben 0innc fragen moHtcn,

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SBombc p bcn ©efpräti^cn.

555

U)ic bcnii (luö bloßem SBaffer im Slncjcnblicf SBcin mevben föimc; foü beim ba^ SBaffer im bcfteii 8inne beö SBortö nießt überall iiod) SBein tuerben, too fein (5Jeift in uoUcr Alraft tßätifl ift?'' )o ßaben mir an allen biefen Stellen nic^tö ^Inbere^S alö bie ml)« t^ifeße ?lnffaffnnfl, nuifl fiel) and) @malb biefes 5lu^brncfy, anc^ebs lid) meil er 511 innic^ mit bcni beibnifdjen fRelißioneiuefen oer= mac^fen fei, forflfättic; entl)alten. 5lber entljielte er fid) nur nid)t eben forcifälti^, an irc;enb einer Stelle flan^ beftimmt nnb mit bnrrcn SBorten fagen, baß er berglcid)en ©r^ä^lungen für nn* ßiftorifd) anfießt! Slllein ba mirb mit nieberer nnb ßößerer @e- feßießte, mit äd)ter ©rinnernng nnb ßößerer 2)arftcllung, gefpielt unb gemunfelt, baß bod) ja nod) ein ßciliger ^nnft, nod) ein Xroft mit oermeintlid) gefcßid)tlid)er ©rnnblage, bie aber ein rei» ner Spuf ift, übrig bleibe.

^iefe j^meibeutige .Jaltung beßanptet bie Xarftcllung ©loalb’ö bii3 5um Sd)luffe ber el)angclifd)en ©cfcßid)te, biö ^ur ^^nferfte« ßung. Söenn er biefe alij bie emige Sßerßcrrlid)nng be^eießnet, luenn er fagt, ^2llle^, maö Sefuö alä Gßriftnö leiften mußte, fei mit feinem Xobe oollcnbet geioefen, maö non ißm über baö ©rab ßinanörcießte, fei fd)on alö griußt unb ^-Birfiing feinet irbifd)en XßuinJ 511 betrad)tcn, unb geßöre baßer eigentlid) ;\nr G)cfd)id)te ber Slpoftel: fo ßatte SBeiße gemiß fRed)t , bieß juftimmenb fo jn beuten, baß naeß (Smalb’s^ 5lnfid)t jene (Sreigniffe nur bem inne^ ren Seelenleben beö ^Ipoftelfreifeö, nid)t meßr ber äußeren Sebenö« gefeßießte beö 3J?eifter^ angeßören; nnb mir ßinmieberum neßmen nmS baöffted)t, and) biefe, immer no^ nießt gan^ unnmmnnbenen 'JBorte baßin erflären, baß iöeibe, SBeiße mic @malb , in ben (ärfeßeinungen be§ Sluferftanbenen nur fubjectiue, pfßcßologifd) ,^u erflärenbe Sifionen feßen.

®a^ allcö, mie gefügt, märe fd)on gut, mürbe ci nur oß'es ner auögefprocßen. 5lber freilid), mie fann man bentlid) ßeranö« fagen, baß man @r/\äßlnngen, mie bie oon bem SBunber ^i\ itana, nnb OüHenbiS eine fo beftimmte unb umftänblicße mie bie oon ber ^Infermecfnng bei^ Öajarnö, nid)t für ßiftorifd) ßält, menn man babei mie @malb gegen bie oerßaßte Xübinger Sd)nle barauf be« ßarren mill, ber 33erfaffer beö ©oangelinmö, in bem fic fteßen, fei ein ^Ingen^enge, ja ber oertrautefte 5?ünger bcö ,§errn gerne- fen? Sd)on äöeiße ßat ißm oorgeßalten, mic menig ba^ i^ngeßt,

556

^orrcbe ju ben ©cjprä^icn.

unb firf) baf)cr, mcil er bod; bic iof)aimeifd)cn ^Rcbcn gan^ miffen imi(], feinevfeit^^ ,yir X^cilung bc^ uierten ©üangelium^ in einen apoftolifc^en unb einen nid)tapoftolifc^en 35eftnnbt^cil cnt= fd)Iüffen. SBäre nur nic^t gcrabe bicfc^S ©uantjelium felbft jener un(]cnä()tc Seibroef, üon bem ciS unö cr^ä^It, um ben man lüofen, ibn aber nidjt , zertrennen fann. ®auon finb nun Icibcr olle bic ^tnfic^ten unb ^arftcüungcn, bic Ijeutigci^ Xagcö jtuifc^cii bem ftreiii] fird}tidjcn unb bem freieften fritifc^cn ©tanbpunftc bermittcln mödjtcn, ba^S (^crabc ÖJeqcnt^cit: fic .finb auö allerlei fjepen ber uerfc^icbenften 0toffc zufommenczcflicft, bic unmöglich in bic finngc zufflnimenpaltcn fönnen*).

Unb um füld;e, uic^t im eblcn ^ampf ^erfebte, fonbern t»on §aufc aufJ (umpicic unb gcftücfeltc 5al)iicn folltc fid) eine @e* mcinbe, füllte fid) inöbefonbere bic tl)cü(ügifd)c 3ugcnb fammeln? Um meni(]ftcnö ba^^ ße^tcre crreid)cn, merben ganz befonbere

1) 3)ö i(^ fjicr jutäHifl auf ßwaR) ju jpred^fn gctoimncn bin, teirb man öiclleid^t ein 3Bort über bie Unocjoflcn^eilen non mir erwarten, mit benen birfet Wonn feit einer 9lei^ie non Sauren mirf) ju ttberfe^ütten ni(t)t mllbe wirb. 34 fnnn ober nur faflen, ba§ unb warum i4 mi4 um biejetben webet bisher ge* fiimmert ^abe, no4 fortan tümmern werbe. SDaS will man mit einem Wanne machen, ber offenbar ni^t üured^nungSfä^ig ifl? 3n öon ©elebrten*

bünfcl löngft am Uebcrfdfjnoppen, t)attc it)m feit feinem SGßeggang bon ®5ttingen bie ßinbilbung, nun gar au4 eine politifd^c ®r5fee ju fein, ba§ (Se^irn nollcnba jerrüttet, 2Bie er fid) bann ^erbeilieft, ben Stuf na4 3^übingen onjune^men, glaubte ber ©öttingev ^rofeffor, an ber S^wabenuniberfität eine ^ufnatime an» fpre^en ju bUrfen, äljnlid^ ber be§ Drp^euS unter ben ^eftien, ober bc§ Go* lumbuS unter ben IBewol^nern ber neuen SBelt. fom aber anbcr§. 5;ic Sebwoben fanben feine ©elebrfamfeit ni^t unerhört, wo^I ober feinen mutb. X'abei bermi§ten fic pbilofopbifcbc 2)ur4bilbung beö 3)cnfen§ wie b»* nmne be§ Gb^iottcrS. Sieben Gincm Wanne befonber§, bem fein nabe

fteflte, tonnte er in allen biejen iBejicbungen ni(bt ouffommen, unb in einer woblbefannten Slnftalt war eine Silbung brrtönimlitb, ber er nicht Genüge tbat. Daher halb bic wütbenben SluSbiüdbc feines J^affeS gegen fenen Wann unD beffen Schüler, biefc Slnftalt unb ibve Ginriebtungen. Unb uneraebtet feine toer« unglüdtte S(b*oabenmijfion ietjt löngft beenbigt ift, febren bcnnccb, jwifeben tbeo* logifcbcm Crafeln, politifebem 3rrercbcn, Senbfebreiben au ^apft unb Garbinfile, jene UButbanföllc unb SluSfflfle regelmäßig wicber. 3^ fieutc

einer gewiffen 9Irt ouf ber Stroße nadblcb^’^icn, ber tbut am flügften, feines 2Begc§ rubig weiter ju geben.

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®orrcbc ju ben @ciprö(^cn.

657

2J?ittcI fein. Huf biefe Sußcnb bringt ja in ber Htmo^

fppre ber §orf)fcf)u(cn ber (^cift ber Steuerung am gemaltigften ein. SäJic gcfäljrlid) finb glcid) bic Sßürbcreitiing^miffcnfc^aftcn! ^ie ^l)ilologic mit i()ren alten Reiben; bic ^l)ilüfüpl)ie nun gar mit i^rem nod) immer nic^t übertnunbenen panttKiftifdjen §ang. $ier tocig man fid) ^mar babiird) 511 Reifen, bafe man nid)t leiert met)r einen ^^l)ilofopl)en anftellt, C‘5 l)abe il)m beim juüor .^crr 5id)tc ber 0ol)ii ober §crr Söci§c ber @nfcl (mie einem 0d)öit5 l)cit^maffer ober S53an;\enpiilocr) bic Unfdjäblic^feit atteftirt; mo* rauö fid), beiläufig gefügt, bie ftaunenöiocrt^c Ölütlje ber ^l)ilos fopl)ie auf unfern bermaligcn $od)fc^ulen l)inlänglid) erflärt. Hber bie fd)limmen gebrueften Öüc^er. 2öer mci§, ob ber Sau^ bibat nic^t in^^gcl)cim ben ^)cgcl, ben geuerbad) ftubirt? 3D^an muft il)m feine 3^'it baju laffen. 9Äau mu6 ba<§ oorbereitenbe 0tus bium möglic^ft abfürjen, unb maö bie $auptfad)e ift, gleid) oon Hiu fang 5tüifd)en bie pl)itolügi)d)en uub pl)ilo)opt)iid)en 33orle[ungen tl)eologifd)c ein[d)ieben. 0o ftört man ben Huöbau einer mobernen 2öcltanfd)auung in bem Äopfc bCiS 0tubireuben, fo geminnt unoer^ merft fein^ori^ont bic fird)lid)en 0d)raufeu, über bie er bolb nid)t mel)r l)inauöfie()t. Um HUeö barf er fid) nie bie reine 5rage ftetlcu: maöift mal)r? foubern nur: toie oicl barf ic^ einräumen, ol)uc mei=' ner geiftlid)en 53cftimmung ctmaö 311 uergebcu? Hu biefem gaben ift bann ber (Sanbibot aud) mäprenb feineö eigentlichen tl)cologifd)cn 0tubiumöju halten. 9tid)t frühe genug fann man ben fird)lid)cn @ifer in ihm meden. ^aö geiftliche $crrfd)cn hat aud) in ber proteftanti^ fehen irche, ber eigeutlidj fremb fein follte, uub in ber menig* ften^ in®ergleid)ung mit ber fatl)olifd)cu merflid) bcfd)rönft ift, einen unmibcrftehlid)cn Üteij. eeelcn leufen, gau^c '43cüölfcrungen uub einzelne einflu6rcichc, oft auch übrigen^ fehr oerftänbige ÜUfcnfd)cn an geheimem ^anbe führen, oiellcicht gar einmal hal)c, ja aller* höchftc 0eclcn 511 regieren befommcu, melch locfenbeö Q\c[ für ben jungen ^arch welcherlei Hufid)tcn man fid)

in ber Prüfung unb fonft uormärt^ bringe, burd) welche bagegeu fich jebe Hu^ficht ocrfd)lic6e, barüber laffen bic ,f)crreu Dom Äirchenregiment fein ^unfcl beftehen. Hlfo fort mit Äritif uub ßwcifel! ich glaube, $crr if'irchenratl)! fo gewiß aU 0ic felber glauben.

®ie f^Jewaltfamfeit, mit ber ein fold)er (ianbibat feinerer*

558

Sorrebe 3u ben ®efpTö(^n.

nunft äum 0c^tücigcn gebracht mxU nun aber burc^ baö ganje ßeben in ir^m nac§. ®r ift unbulbfam gegen 5(Uc, in be^ nen er eine minber fügfamc Sßernunft alö bie {einige antrifft ober auef) nur oermutljet. Sein ganjeö Sßefen bemalt etnjaöUn*^ gefunbeiS, Seibenfd^aftüd)e^ ; er ift, bei aller ^^itbnng oieHeict)t, bei aller ©elbftbe()en:fc^ung, bod) im Snnern ein göncitifer. Unb nun frage ic^, ob ba^ nic^t ber ^urdjfdjnittdc^arafter unfrei tl^eologifc^en ^^ac^mudjfeig ift? ®ie jungen Seute fann man be* bauern; ber SJormurf trifft bie Se^rer unb bie Äirc^enbebörben. ^m meiften jebod) ift baö S^olf ju beflagen, beffen fünftige fRe^ ligiom^s unb ©ittenlc^rer ju nid)t^ früt)er unb eifriger ange^alten toerben, aU ben unbefangenen 2öal)rt)eitöfinn in fic^ ju ertöbten, fic^ felbft 5U belügen.

^)iefem neufird^lidjen Unmefen gegenüber l)Qi M böupt= fäc^lid) aus Slnbängern Sc^leiermac^er'^ (nad)bem übvigeuiS meh- rere feiner betrauteften ©djüler l)öc^ft oerberblid^e Pfaffen gemor* ben finb) ein Äreiß oon 3old)en gebilbet, bie iiac^ beö 9)^eifterß ®or*: gang baö fromme ®efül)l betonen, bie c^riftlidje {Religion oon ber Xl)eologie mol)l unterfd;ieben, unb ber leiteten bie gorfd)ung fo meit freigegeben miffen mollen, ab5 unbcfc^abet ber erfteren gefc^et)en fann. ÖJemiß, bie {Religion berul)t nid)t auf ber^ljeos logie, fonbern umgefel)rt; allein bie {Religion bilbet fic^ naturge^ mä6 eine Xfjeologie an, unb meun biefe anbrüdjig mirb, fo fann aud) jene einer {ßeränbening auf bie Sänge nid)t entgegen. ®e^ S3auiueö Sebeu ift iiic^t im §04, fonbern in ber {Rinbc, bem Saft, bem «Splint; morauö fid) aber aHjäl)rlid) neue ^oljringe abfe^en unb bem üöaum ©eftalt unb Haltung geben, ^un befommt ir^ genbujo bie {Rinbe einen {Rife, geuc^tigfeit bringt ein, baö §olj fängt an ju faulen, mir paben einen öaum oor unö.

2)iefcr 93aum ift bie heutige iJivebe unb 3^beologie. ®aö $ol^ ift baß ®ogma, baß ift t^eitß febon gefdjmunben, tbeilß faul unb mit bem ginger ^u jerbrüden mobin man rübrt. ^)ie {Iteligion lebt noch, fteigt noch Saft burd) üöaft unb {Rinbe in bie Steige unb {Blätter auf; aber Sdjönbeit unb S^aft beß {öaumeß finb babin, ber näd)fte Sturm brobt ibn ^u fpalten ober gar um^ureiSen. {Da legen fieÄtlammern um bie riefte: baß finb bie {öeicbtftüble unb Ätniebänfe, bie neuen {llgenben unb bie neue iiird}en^ud)t, mit ber man ber proteftantifdbe« Äirdje aufbclfen

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lIBonebc in ben ®e|brfi(^n.

659

möchte; aflciu biefe plumpen ÄiQimncrn tüürbcn, lueim ber Sturm fommt, ben gaU bcö 33aumcö nur befdjleuuiöcn. 3d) bin fonft fein greunb üon langgcfpouncneu ^IHcgoricu; aber biefe ift bie Sad)e felbft.

gür bie firc^lic^r ^rojiö, für bie ^^^ätigfeit be^ ©eiftlidjeu at§ ^rebiger unb Scclforgcr, ift ber Stanbpuuft jener Schleiers mac^er’fc^cn greunbe gemife ber befte ber fid) üorerft eiuncl)meu (ic6, unb fann fid) auf bemfetben, mic bie (£rfai)rung jeigt, eine t)öc^ft fcgciiöreic^e gciftlic^e SSirffamteit entmideln: aber miffenfc^aftlid) ift er fc^mac^, meil er uon ber 2f)eotogie möglid)ft abfici)t unb abfct)en mufe.

33on feiner Seite, finbe ic^, fagt man gerne ba^ lefjtc auf* richtige Söort. Unb marum beim nic^t? 3ft bod) unter aücn nur einigermaßen ©ebilbeten unb ^enfenben löngft ein offeneiS @ef)eimniß, baß Äcincr met)r an baö firc^lic^e ^J)ügma glaubt. 3u glauben glaubt, ba^5 räume id) ein; aber mirflic^ glaubt, baiJ leugne id). gär Äcinen mcl)r ift baö apoftolifd)e Si)iubülum ober bie Slug^burgifd)c Sonfeffian ein angemeffener 5luebrucf fcincö religiöfen Öemußtfeinö. Ä\'iner glaubt mel)r an irgenb eineö ber neuteftamentlici^en 3Bunber (uon ben altteftamentlic^en gar nid)t ju reben), uon ber übernatürlichen (Smpfänguiß an bii? jur|)ims mclfal)rt. ©ntmeber er erfläit fic fid) natürlid), ober er faßt fie alö Segenben. Unb ftcl)t bei benfenben 2aien fo, fo ftel)t e^ bei ben ©eiftlichen, mie mir gefe^en haben, nicht beffer. äBoju alfo bie SSinfe^üge? Sßoju bie Heuchelei oor ^nbern unb oor fich felbft? 3ft bcö aJienfchen in feinem ^erl)ältniß jurfRclis gion mürbig, fich ihr gegenüber mie ein feiger unb tücfifcher Sclaüe mit halben SSJorten unb leeren ^lueflüchten ju behelfen? Söarum nicht offen mit ber Sprache herdu^flrhen? ^arum nicht gegenfeitig befennen, baß man in ben biblifchen ÖJefchichten nur noch 3)ichtung unb 2Bahrl)eit, in ben fird)lid)en Dogmen nur noch bebeutfamc Spmbole anerfennen fann, baß man aber bem fittlichen ©ehalt bce ©hnftenthumd, bem (Shf'raftcr feinet Stif* tcri3 (fomeit unter bem 2öunbevgel)äufc, in bae feine erften 2ebenö* befchreiber ihn geftceft halben, bie mcnfchlid)c (iJcftalt noch ju er* fennen ift) mit unoeränberter 35erehrung jugethan bleibt? 5)och ob mir uuö bann mohl'noch (^hriften heißen bürfen? 3ch toeiß evJ nicht; aber fommt beim auf ben ^Jtamen an? ^)ad meiß

560

Sombe 3u ben ®efptfi(^en.

bag n?ir bann crft luiebcr tool^r, rebUd^ unb unDerfd^roben, alfo bcffcrc älicnfc^cn fein tucrbcu, alö biöfjcr. §luc^ ^roteftanten merben wir bleiben, ja bann erft red)te ^roteftanten fein.

3m C^vunbe ()aben einfid^ti^uolle ÖJeiftlidje mit ^ogma unb bibtifc^er (^efd)id}te längft nic^t anber^ gehalten. SGÖenn 0d;lciermad)er über eine 2öunbererjäl)lung ju prebigen ^atte, pflegte er fie regelmäßig Jiu allegorifiren. ^ei anbern Xejten ^ob er nic^t bie bogmatifc^e, fonbern bie pfl)djologifd)e unb moralifdjc ©eite tjcrüor. 9^lur über bie ^erfon (S^rifti liebte er ju bogma^ tifiren; boc^, wie fid) nadj bem früher gejagten Don felbft uer^ fteljt, in ganj anberem al^ bem firdjlid) rechtgläubigen ©inne.

war gleid)fam eine Soiwerfation mit bem SDknfchhcit^ibeale, beffen iöilb ©chleiermad)cr baburd) für fich unb Slnbere lebenbi* ger unb anbringlicher machte, .ba& er e3 aU wirtlich einmal in beftimmten menfd}lid}en ^erhältniffen bagewefeneö unb in ber Kirche perfönlich fortwirfenbe^ fid) uorftellte. Uebrigenj^ waren biefe d)riftologifirenben ^rebigten teineöwegö feine beften, vielmehr jum großen Xheile üon einer gewiffen Sintönigfeit fo wenig ali3 baö uorjug^weife d)riftologifche (Suangelium freijufprechen ; weit reidjer an realem (behalte waren bie pfi)d)ologifch^müralifd^en, wie jene feitbem auch im ®rucf erfchienenen Vorträge über ba^ SD^arcuö^ euangelium, bie ber ©d;reiber biefer SSorrebe einen Sinter lang in unuergeglidhen ©onntag^=grühftunben felbft mit angehört hot- Slehnlid) wie ©chleiermadher üerfahren uerftänbige unb gebildete ©eiftliche, fo weit fie nicht neufirchlich pifirt finb, h^^itc nod). unb tl)un ben Sßerftänbigften unb gewig aud) ben iöeften ihrer rer bamit ©enüge.

Senn ein ber leiblichen 9lotl)burft bienenbe^ @r^eugni§ ber iJrembe fo allgemeines^ 33ebürfni§ geworben ift, ba^ e^ trop aller @infuhrl)crbote bod) fortwährenb in SWaffe eingefchwär^t wirb, wa^ thut eine flUge unb Wohlmeinenbe9?egierung? ©ie läßt gegen mäßigen ©ingangö^oU ju. $)iefer ©ingangejoU fei bie ^Verpflichtung jum gefthalten an ben fittlichen Sal)rhciteu beö Sh^iftenthum^, jur Dichtung für bie füllen, unter benen fie ber SU^enfehheit 5uerft ^um 33ewußtfein gefommen, jur ©dhouuriQ berer bie biefe füllen nod) nid)t miffen mögen, ©perrt man nur ben @eift nid)t gewaltfam ah, jwingt man nur 9Ziemanb 5Uin iiügen unb heucheln, fo wirb fchon ^Ue^ Don felbft werben.

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$^ortebc ju ben Öej^rä^icn.

561

Smmer mcl)r feigen n?ir ja bic pl)nntaftifc^c 0tra^(cnbred^ung fdjiüiubcn, bic ber 3)?cnfd)I)eit, lua^ fic ftet^ nur auö fid^ fclber fc^opfte, al^3 non äugen fommenbe Offenbarung üorfpicgcltc. SBcm gelingen tuirb, aihj benr begriffenen Sßefen bei> iüicnfcgcn in feinen natürlidjen unb gcfelligcn ^crl)ältniffen §UIeö n>a^ igm ob^ liegt, loaö il)ii ergebt unb berugigt, üollftänbig unb fieger obju* leiten, unb bieg faglid) unb ergreifenb für 5Illc bar^ufteüen , ber lüirb bic @efcgid)te ber iHcligion bcfcglicgcn.

Tag Xgema, in baö id) ba gincingcratgen bin, maegt mir alte luiebcr neu. (Sben in biefen Xagen ift ein SSier=

tcljagegunbcrt, bag mein Seben 3efu jum crftcnmal in bre SBclt auögcgangcn ift. ®ie Xgeologcn merben ba^ fünfuiibjuianjig^ jägrige Subiläum bie(cö 33ud)cö fcgmcrlid) feiern moUen, uneraegtet inegr ai^ hinein üon ignen erft ^u allerlei gübfegen ©ebanten. bann ^u Slmt unb SBürben ncrgolfcn gat. 5lber gar maneger befferc SÖ^enfd) in allen fianben, ber non bem ©tubium biefcS ^ud)§ feine geiftige 53efieiung batirt, ift mir, baö mcig id), lebend* länglid) bantbar bafür, unb mad)t fo, ogne baran 5U benfen, im ©tillen bie geier mit. 3d) felbft fogar tönnte meinem 53ucgc grollen, benn ei? gat mir (oon Sfledjtömegcn ! rufen bie frommen) uicl ©öfe);? getgan. gat mid) oon ber öffentlidjcn Segrtgätig« feit auögcfdgloffen, ju ber id) fiuft, uiellcid)t aud) Xalent befag; ciS gat mieg a\i^ natürlicgcn SSergältniffen gerau^geriffen unb in unnatürlid)c gineingetricben ; es gat meinen Seben^gang cinfam gcmad)t. Unb bod), bebenfe id), maö auö mir gemorben märe, menn icg ba« Sßort, baö mir auf bie 0cclc gelegt mar, oerfcgmic* gen, menn icg bic ßmeifel, bic in mir arbeiteten, unterbrüeft gätte: bann fegne id) baö iöueg, mid) jmar äugcrlicg fegmer befegäbigt, aber bie innere ÖJcfunbgcit bed ©eifteö unb ©cmütgö mir, unb i(^ barf mid) beffen getröften, aueg manegem Hnbern noeg, crgaltcn gat. Unb fo bezeuge id) igm benn ju feinem ©grentag, bag c^ gcfd)riebcn ift aiiö reinem ^)rang, in egrlicgcr Slbficgt, ogne Seibenfegaft unb ogne iJlebcn^mccfc , unb bag id) allen feinen CiJegnern münfegen möcgtc, fic mären, al^ fic bagegen fegrieben, cbenfo frei uon 9Iebcnabfid)tcn unb JJönati^muö gcmcs fcn. 3cg bezeuge igm ferner, bag c$ niegt mibcrlegt, fonbern nur fortgebilbet morben ift, unb bag, menn ictjt menig megr gclefcn mirb, bieg bagcr fommt, bag oon ber ßcitbilbung auf?

VII. 36

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562

®orrcbc ju bcn ©cjpräd^cn.

gcJoQcn, in ade Slbcrn bcr Ijcutigcn Sßiffcnfd^aft cincjcbnmgcn ift. bezeuge i^m cnblidj, ba^ bic gongen fünfuub^tpan§ig 3abrc ^cr über bic (SJegenftänbe , uon benen l)anbelt, feine ßcile uon ^ebeutung gcfdjviebcn luorbcn ift, in bcr fein ©influfe nid)t ju er f ernten tuärc.

®od} ujoö rebe ic^ uon mir nnb meinem 33nc^ ? ^vufltc ja bicßmal einen Slnbern, (^rößern cinfntjrcn; einen foldjcn Oders bingö, ber über biefe S3orrebe, fönntc er fic Icfcn, gemig nm tuenigften jürnen mürbe.

^cibelbcrg, im 9Wai 1860.

^auib 0tran6.

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'Mbrtnu , Cfaröinal , imc^maB '4Japft Ttbrion VI , IfiL X’llbcr, Gra§mu§, 481.

'Klbrcc^t oon 5?rnnbenburg, i?urfürft, Rrjbift^ol unb (forbinnl, 11. 37. 72 I 75—77. im 205u 20£L 21S. 224. 248. 25Ü. 2ß22>83. 318 f. 4ÜL 441L 44iL 41ü f. 524—527. TUbrcc^t, ^oc^mcifier, fpäter^crjog in ^reufecn, 524.

'KtbuS ^HanutiuS 3(1 130.

VUconbcr ^tcronbmuS, 318. 337. 397 f. ?lniftbQ(^, 50rafiliu§, 497.

'ilnbrennu§, ÖQuftuS, TL '2Iu0il, ai^olfgang, 24. ML 2AM 247. 'flguilü, (lQ§par, 32.5. 433. ai|ulanu§ 130.

'Äufjö^, a^ctcr oon, 127. aiugufliiT, '^robfl, 56. aijungiü, a^fter, KL 50, a^ubliuä 5Bi» gitantiuS ^ocillonuS, 36. 38. 49 t.

a3onnifi§, 3lacob non, 217. a3«atu§ 91bfnami§, 19. 466.

®ef)aim, 2orcnj, 136. 192.

^ombafiu4, '.poul, 1 14. aSo^bfim, 3o^aiin bon, 468. aJrunfelS, Otto, 416. 420 |. 445 f. 482. 483 f. 185. 498.

53ucer, ailortin, 325. 335. 355. 397 406 f. 415 i. 433. 439. 445 t. ^udott), ^finrit^, 43.

'8ubäu§, aOil^elin, 205. a?ÜIon), 2)ietrirf) oon, 36. 49.

^ujcbe, ^ermonn öon bem, 12. 17. 40. 77 f. 156—159. 193. 206. 397. 410 t. 483.

a3u§tob .K., ^crjog üon a-^ommern, 47.

e.

6äforiu§, 3ot)ann, 17.

ÖQiclan, Oarbinol, 223. 248. 256. 294 f. 299.

ßolcogninuS, 6öliu§, 129.

6anicrariu§, 3oa^im, 13. 16. 31.

157. 200. 300. 497. 500 f. 507.528. ßanter, (BebrUber, 22. 50.

Cnpito , SBollgong O^obrictuS , 314. 319. 368. 416.

ßoraccioU, 9)?ottno, 318. 398 f. Garbac^, 9licoIau8, 247.

6elti8, i^onrab, 20. 32. 4(L 56. Ooc^lfluS, 3o^ann, 118 f. 121. 128.

131. 201. 264. 274.

6onimitiu§, (^eorg, Tonnftetter, 19. 57* CoppuS, ®rcgor, 245.

6oritiu§, Sobonn, 114.

6rocu8, IRicbarb, 124. 161. 165. 183.

6ronberg, ^ortmutb üon, 419—422. 437. 414 f.

564

^amcnrcgiflcr.

6rotu§, 3o^ann, 9iubianu§, 8. 13 f. 16 f. 20 f. 25 f. 33. 49—51. 53—56. 105-108. IIL ITL 13£L 155. 186-188. 194. 288. 304— 307. 312 f. 318. 335. 331 f. 405.511. 522—529.

Dürer, ?llbrcc^t, 228. 232. 5TL

iE

eberbat^, ^etcr, 28 f. 56. 193. 282 f. ©ber^orb im IBorl, 137.

6bcrpcin, ^Jlongolb öon, 7. 321 f. 'Änm.

öberftein, @raf, 41.

m, 3o^ann, 283. 311. 313 337.

ßgnatiuS, 33opti|lQ, 130.

(5m§, 3o!ob bon, 66. ßngentinuS, ^^ilipp, 53. ßppenborf, ^cinridb öon, 459 462.

465 f. 468 f. 480. 490.499. 512. (SraSmuS, DefiberiuS, 8. 12 50. 71 f. 108. 110 [. 114. 119. 129 f.

132-134. 149. 155. 161. 163. 183. 189. 192 195. 209. 240. 253. 256 I 262 307. 310 f.

316. 395 409 f. 448—484. 495 504 f. 611—514.

6|(^eiifclbcr, S^riftopl), 307.

3r.

Oober bon 6taple§, 135. 206. gobriciuS, Ulri^, 22 50.

8rO(^u§, ©alt^ojor, 50. 52 63 f. 124. Sferbinonb, 6r3^erjog bon Oeflcrrcidb, 267. 301 f. 312 f. 316. gfettic^, D^eobolb, 396. tJicinuS, 5JlQrfiIiu§, 135.

2fi|(^er, ^riebrid^, 117 [. 22L 260. ^IcrS^cim, ^^ilipp bon, 372. 445.

i^önifeca, 3o^ann, (9JlQbcr), 218. 5ranä 1^ ffönig bon i^ranfrei(^, 1 16. 253. 267. 446.

Sriebric^ Jll., i?aijcr, 2 137. 220. ^riebrid^ ber Söeijc, Äur[ür[t bon [cn, 29. 136. 209. 327—331. 509 f. gfriebric^, 415

groben, 3lo^Qnn, 468.

OfrutibSberg, (Scorg bon, 254.

5urf)8, ^InbreüS, 305; 3afob 72 86.

IIX 122 192 202 305 f. öürftenberg, ^^ilipp, 273. 310, 42L öngger, 244. 269. 276.

©.

®niiiSl}orft, OötoQlb, 462 @eorg, ^fotjgraf, bon Speicr,

151.

iSerbcI, 9lifoIauö, 120. 122 f. 160. ©crolbSccf, 2:l;cobQlb bon, 494. Okuber, ©ebrüber, 1 18.

©Inpion, 3o^nnn, 406.

©larcQnuä, ^cinric^, 19. 497. ©laubcrger , ?lrnoIb , 254. 258.

261-264. 272 289. ^ Äuni* gunbe, 262. 274.

©oubo, 3üfob, 22 50.

@rntiu§, Ortuin, 17. 147. 149. 160.

171. 176. 184. 196 [.

©rejemunb, ©ebrüber, 22 50. ©rimoni, ßarbinnl, 152 16L ®ro§, ©eorg, 2i7.

§QCU§, S^riflof, 245.

^onbjcbudbgbeim. Dietrich bon, 372. 4 1 ft. Jpnrlem, ©cbert, 45 42 194. ^Qrtmnnn, ^Burggraf oon i?ir(bbcvg, goabjutor unb jpfttcr ?lbt ju gulba, 12 50.^130. 188.

^Qlftcin, 9)lQrquarb bon, 72 85 ^eefmann, 3o^onn, 61.

9iQmenrc0iftcr.

5üß

J^cgiuS, ^lejonber, 29. 156.

^erjog oon ^rounjc^iüfig, 82. ^)cl[cnpein, Ulrtc^, ©rof ton, 218. J^frbcrjtein, 8igmunb ton, 218. .'5)cffu§, Jrpcliu§ ©obon, E 25—29. 95.

38. 49 f. 109 t. Uli. im m. 155. 157. 159. 193. 282 f. 300. 405. 411—413. 491—493. 506 [. 518-522.

i^cucrling, Jiicmann, 156.

J^od^jlroten, 3afob, II. LLL 151 [. 154. 156. 16L 172 f. im 206. 280 f. 316. 342. 472.

^ol^^oufen, ^ommon ton, 261. 263. J^orläuS, ^ofob, 25 f.

Jütten, Srotoin ton, 5. 24. 17 f. 109. 204. 320. 441. 445. J^)anS, 79—83. 88. 91. 96 r. 99. 256. fiorcnj. 7. 244. fiubtoig, 4 f. 24. 47. 79. 81.83—87.95. ÜE ^Jiorij, 500 f. Ottilia (lUri(b’§ 'Uluttcr), 7. 359. 49a Ulricb (lUricb’4 Jßatcr), 5.7U3. 53—55. EL 104. 109.418.

3oo(^im L, i^urftirft ton ^Brnnben» bürg, IL 36.

Slo^onn, ^fnlagraf ju Simmcrn, 376 f. 3o^onn Siccro, Äurfürfl ton 5?ran^ bcnburg, IL 3E

3o^ann ton §cnncberg, ^bt ju fjrulba, 10 f. 12 f.

3ona§, 3uftu§, 3a 164. ISE 407. 3uliu§ II., 24. 68-71. 213.

Ä.

fforl IV., ÄQijer, 7E 29a Äorl V., i^Qtfer, 267. 3ÜL 312. 326 f. 3EL 353—355. 395 f.

402—406.“

Äettcnbac^, J^cinricb ton, 442. i^oClin, Äonrob, 17. 143—146.

9.

Scmpartcr, ©rcgor, 9L 2nng, 5)lQttOäu§, 5?i|djof unb Oarbinol, 64 f. 9E 243.

2cc, ©buQrb, 310 f.

2co X., ^a\)% 116. 123. 129. 151 f. 153. 163. 202—204. 213. 22L 246. 267. 286. 318. 338-340. 343. 2coniccnu§, 91ifo(au§, 129.

Öinbt)ol}, 9o^nnne§, 36 f.

Sobering, 3o^ann, 4E 2öQ, J9ebcg unb i^cnning, 43—51. Subttig XII., Äönig ton ^i^anftcic^, 5E TL 116.

fiubmig V., ifurfürft ton bcr '-Ofalä, 25L 487.

Sutbcr, 5Jlartin,E IL 195 |.2Ü5. 2ü8r 223. 27a 283-285. 305—307. 313—315. 332 f. 336—343.

369—371. 39L 405-412. 453 456. 463 r. 47L 474 f. 476. 463. 488. 526 f.

3)ialt;an, 2loncbim ton, 6E ^Jlnnon, lUricb, 43. 4E 'JJlariuS, 50.

3Jlari(bn(f, ^lifoIauS, 25. 48 t. ^JlajimUinn L, i^oijcr, 56—60. 65 f. 85. 91 f. 95. 98 f. 113. 116 f. 122-124. 137. 14L 15a 198— 200. 215. 22a 227. 25L ^cloncbt^on, ^bUipp, 8 |. lia 157.

283 I 312. 343. 48E 50L 5ia Genius, 3uftu§, 184 f. 527. gjlfpcr, ^eter, 143. 15E 19L 207. 420—422.

^Jlörtin, ©cbrüber, la 5a 5Jloic£lQnu§, ^ftruS, 313.

SJlutinnuS, ftonrnb, Stufub, E 17, 22. 2a 29—35. 50 t. lOL lia 132. 14a 155 f. 282. 507—511.

9jQmcnreoiftcr.

5(;G

9ictlc5()cim, 'JlflrippQ von, oh'». 'J^iflcmann, 3oorf)im, Al^

DJueimr^ A^crmnnu, @vq| oon^ 22. 15G. lüiL 20G— 210. 22&

C.

Ccfolnmpübiu^, 3o^ann , 218. 325.

410. 433. 14(». 402. 405. 517. Cflen, 3o^ann mib ?ncfnnbcr uon, 3(L 54 f.

%

'4Jnucr, 3rtJot>/ 4iL

^Vutinger, ßonrab, 24. ir»3. 108— 2ÜÜ. 211. 224. (ion^tnnjc, 110. ^Mefferforn, 3oOtinn, in ilöln, 141 f. 140—143. 141. 143. 152. 150 |. 180. 210. Xcr in ^allc ocrbronntC; 14

3u(iul^ üon, 218. 305. 524. '.pljinpp, fianbßrnt non ^cj|cn, 438. 4SI. 520 f.

^icuä, 3o^ann, ftnif non OJliranbula, 33. 135. 140.

'^lird^cimer^ ÜOUiboIb, 8. 100. 118 f. 110. 154. 104 [. 227—235. 210. 281. 305. 310.393. 514—518. 520. 'lOftoriS, SlloternuS, 17, 25.

^riftioS, Splocftcr, 153. 306. '.prugner, 91ifoIau§, 403 f.

JH.

9?ei|(^o^,^an§2fon^arb uon, 25G. 250. 3icm, ?Ifgibiu§, 02. 218.

5Remüclu§, 22. 5a

9ifucblin, 3oIjann, a 12. 5a 77 f. 108 L 134. 132— 1G4. 1G5 f. 170. 105. 20a 222. 255. 270 - 283. 342-344. 451 f. 520 L

9?eutcr, Äitian, 51

5R^ngtu§, 3o^ann, ?lffticampianu§, 11.

la 21 24 f. 36-38. 40. 50. 171. 9l^cnnnu§, 'J3catu§, 4GG.

9?ld)arb oon ÖrciffcnclQU , Srjbijt^of unb ilurfürft oon Syrier, 438 444. 487.

SliciuS, ^aul, 243.

Siojenberg, Spielt oon, Oa O?olcn^nn, Sebaftinn oon, 285. 332. JRuffingcr, 3o^onn 3oIob, 91bt ju •iPföferS, 431 JHujfuS, Cubtoig, 205.

S.

Snbina, ^»erjogin 311 ilOürtcmbcrg, 80. 31 f. 34 f.

eüuernmnn, (^corg, 118.

'Sc^Iör, ^altl;ü|nr, 430. 4RG.

3rf)inib, Oun^Qtb, 400.

'Sdjiiegg, Jgan§, 404.

6ct)bffer, 3o^i>nn, 320.

Schott, 3obnnn, 410 f. 4(;0. 483. 6cbionlba(b, ®forg oon, 151 £d)tocbcI, 3o^ann, 325. 433 8icfingcn, ^röna oon, 252. 254 f. 253 201. 270—284. 314 f. 321 —323 342. 351. 308 L 372—370. 382 -303. 395. 403 409 f. 414 f. 418—421. 430-435. 43G-447.

485—489. SdoDcidorb oon, 5ron- jen§ 31üter, 322. ^ronjenS 65^ne, 485 f. 488.

6pät, 1)iftn(^, 93 262.

Spalatin, 0corg, 13 3h 309 f. 39G. ©pifgcl, 3afob, 108. 203 217. 224. etob, 3o^nnn, 103 200. 211. 224. Stfin, Citclnjolf oorn, 10—13. 10.22.

3G-38. 73-78. 155.

'Etoientin, 33alcntin, 37.^41. 47, Streitberg, Öcorg oon, 108.

Stromer, ^einrit^, 204. 217. 224. 242. 283 312.

9lomenrcflifter.

m

©corß, 28. 519.

X.

JcmoniuS; 35. 50.

JcrbotiuS, 218.

Äonrab Don, SO f. 259. Hr» jula t)on, SO. 91 f. 100. 255. ®tanUInu§, 51L

JrebcUuS, /pennnnn, 51oüanu§, SfL Sa 42. 19 f.

Jrud^jc^, 2:^omQ§, 151.

118.

iunbotuS, 10.

Jüngern, ^Irnolb öon, VL 143. 147. 149. m Ifiü.

U.

lUrid^, ^erjoQ 5u 2öürtcmbcr0, 79—82. 85—103. 125—127. 131. 150. IßU. 200. 219. 251—259. 28L Urbon, ^cinrid^, 30. 32 f.

Uriel, Äurfürft non ^kinj, 138.

Fabian, 3oad^im, 19. 41 f. 45. 56. 60. 58oflanb, ?(nibro[iuS, 103. 259.

3Ö.

UOncler, 3ol)ann, fS3igiliu§), 134. ÜOeigev, 3of)ann, 51. aikrier, «eit, 38. 444. 505 f. aßil^elni, ^erjog non «oiern, 92. 254. 281. 342.

aßimp^eling, 2tnfob, 23 f. 50. 52. 191. aBinipino, Äonrob, 36. aöirSbcrg, 3o^onn non, 211. aOoIf^orb, «onifQj, 499.

3.

Särtün, Äonrob, 394.

3n[iu§, Utri^, 101.

^c^enber, «ort^oloinäuS, 158. 194. 201. QonariuS, f?abiu§, 85.

Stningli, Uhi^ 8. 482. 489 f. 492. 495. 491 f.

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