Technik und Wehrmacht

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I

1

Kriegstechnische Zeitschrift

Für Offiziere aller Waffen.

Zugleich

Organ

für

kriegstechnische Erfindungen und Entdeckungen

auf allen militärischen Gebieten.

Verantwortlich geleitet von

E. Hartmann,

Oberst z. D.

Mit 21 Tafeln, 202 Abbildungen und 2 Skizzeu.

.^L ,

Berlin 1898.

ErnBt Siegfried Mittler und Sohn Künigliche Hofbnchhandlung KoehntrMse W— 71.

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fiTANEOflO UNIVSRBITY LIBRARIES

JAN W&O

Alle Rechte aus dem Gesetze vom 11. Juni 1870 sowie das U ebersetzungsrecht sind Vorbehalten.

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Inhaltsverzeichnis des Jahrganges 1898

der

„Kriegstechnischen Zeitschrift“.

Aufsätze.

Seite

Zur Einführung 1 2

Verbrennbare Blindgeschosse für Platzpatronen. (Mit 4 Abbild.) 2 8

Du» moderne Feldgeschütz. Von H. Rohne. 8—23

DeegL» Fortsetzungen * 64—78. 109 116

Technisches zum Ballonsport 24 26

Bei der russischen Armee angestellte Versuche zum Uebersch reiten von

Wasser lau fen mittelst unvorbereiteten Materials. (Mit 5 Abbild.) . 25 30

Telegraphie ohne Draht. (Mit 6 Abbild.) 30 37

Die militärische Bedeutung des Versuchs mit dem Metallballonsystem

Schwarz. Von Moedebeck 49 50

Zur Geschichte der Schnellfeuergeschütze. Von C. v. Herget, General- major z. D. (Mit 8 Abbild.) 51 —60

Die militärische Verwendbarkeit des Pegamoid 60—64

Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie- Aus- stellung 1897. Von J. Schott, Major a. D, (Mit 2 Taf.) 73 78

Desgl., Fortsetzung 121 128

Konserven mit Koch Vorrichtung. (Mit 3 Abbild.) 78 81

Das Aluminium und die daraus verfertigten G egenstände in der russischen

Truppenau srü&tung 82—84

Das bayerische Kriegsbrückengerüth. (Mit^Sl Abbild.) 85 90

Desgl., Fortsetzungen 134 137. 182 187

Revolver und Selbstladepistole. (Mit 3 Abbild, und 1 Taf.) . . . 97 101

Zwillings-Batterien bei der Festungsvertheidignng 102 105

Ueber die in der russischen Armee Angestellten Versuche, die Truppen

anf dem Marsche mit warmem Essen zu versorgen. (Mit 2 Abbild.) 105 109 Das Sirius-Gaslicht für militärische Zwecke. (Mit 2 Abbild.) .... 116 121 Ueber die Messung und den Verlauf der Gasdruckkurven in Geschützen.

(Mit 2 Abbild.) 128—133

Gedanken über das Infanteriegewehr der Zukunft. Von H. Rohne 145 151

Beiträge zum Festungskrieg. (Mit 14 Abbild.) 151—160

Ueber Württembergs Kartenwesen. Von W. Stavenkagen . . . 160 164 Die weiteren Ziele der Militär-Luftschifffahrt- (Mit 2 Abbild.) . . 164 167

Ueber die Einrichtung von Wassersperren. (Mit 7 Abbild.). .... 167 171 Kriegstechnisches von den deutschen Feld Übungen. Von J. Schott.

(Mit 1 Abbild.) 171—176

Desgl., Fortsetzung 223 281

Eindeckungen in Feldbefestigungen. iMit 8 Abbild.; 176 181

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IV

Inhaltsverzeichnis«.

Heit«

Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit des selbstthiitigen

Maxim-Gewehres. Von v. Scbeve, Oberst z. D. (Mit 12 Taf.) . . 193—199 Das moderne Fahrrad unter Berücksichtigung seiner militärischen Ver- wendung, Von Frhr. v. Puttkamer 1. (Mit 10 Abbild.) 199 209

Zum Schiessen mit Sprenggrnnaten. Von II. Bohne 209 213

Mehr Originalität! Von A. Cal lenberg, Oberstlientcnant a. D., Lehrer

an der Königl. Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule 213—223

Der Stand der Bewaffnungsfrage des italienischen Heeres .... 231 234

Englische Dum I)um Geschosse. (Mit 4 Abbild.) 241 246

Die Bewegungswiderstünde der E isen bahn zöge mit besonderer Rücksicht- nahme auf den Ban von Feldeisenbahnen. Von C. Lobingcr, Königl.

bayer. Major a. D. (Mit 8 Abbild.' 246 269

Neue Studien über die Wirkung des Infanteriegewehrs beim gefechts-

miisaigen Abtheilungsschiessen. Von H. Rohne. (Mit 9 Abbild.) . . 269—270

Desgl., Fortsetzung 296 311

Selbsthülfe der Kriegsverwundeten 270 276

Das Militärrad. (Mit 3 Abbild.) 276 277

Einiges über Ausbrennungen und Kohrabnutzung. Von einem

englischen Mitarbeiter. (Mit 3 Abbild.) 277 283

Die Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Grossmächte. (Mit

1 Taf.) 289—294

Ueber militärische Signalgebung und das Signalkorps der Vereinigten

Staaten von Amerika. Von W. Stavenhagen. (Mit 5 Abbild.) . . . 311 318

Feldkochanstalten. (Mit 21 Abbild.) 318—327

Die taktische Verwendbarkeit des M aschinen- (Maxim -) Ge weh rs. Von

A. v. Boguslawski 337—342

Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriegc. (Mit

7 Abbild.) 342—354

Ueber die russischen Maassnahmen gegen I’lewna. Von W. Stavenhagen.

(Mit 1 Uebersichtaskizze) 364 362

Desgl., Fortsetzung 419 426

Gefährlichkeit der Blindgeschosse. (Mit 1 Abbild.) 362—366

Sprenggranaten - Flachbahn - Schiessen. Von Mayer, Hauptmann

und Kompngnicchef im Künigl. Bayer. 2. Fnssart.-Regt 368—372

Ueber das Acctylengas und seine Verwendbarkeit mit Berücksichtigung militärischer Gesichtspunkte. Von Dr. Christian Göttig, etatsmässigem

Professor der Königl. Vereinigten Artillerie- nnd Ingenieurschule . . . 372 376 Die Entwickelung desKrnppschcn Feldartilleriem nt er ials 1892—1897.

Von J. Schott, Major a. D. (Mit 8 Abbild, und 4 Taf.) 386 399

Desgl., Fortsetzung 468 474

Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens. Von H. Rohne 399 419 Ueber den Schneeschuh und seine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken.

Von Frhr. v. Rotberg, Lieutenant im Infanterie-Regiment Nr. 132.

(Mit 11 Abbild.) 427-448

Eine neue Rücklauflaffete für Feldgeschütze. (Mit 1 Abbild.) . . 443 446 Maschinen als Waffen. Von Klussmann, Major. (Mit 9 Abbild.) . 449 458

Die Zukunft des Motorballons 474 480

Die Umgestaltung des österreichisch-ungarischen Feldartillerie-Mate- rials. (Mit 1 Abbild.) 480—484

Ein neues Rollenlager und die Verwendung desselben für Kriegsfahr- zeuge. (Mit 6 Abbild.) 484 487

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Inhaltsverzeichnis.

V

Kleine Mittheilunge n.

l-nftschillfahrt 38

Verbesserungen an Akkumulatoren 38

Ein neuer Telegraphenapparat für Typendruck. (Mit 1 Abbild.) äi>

üeber rauchloses Milit&rpulver 89

Feldfilter . , , , , , , , , , , s , , s , , , , , , , , , . . 41

Neuer Schützengraben. (Mit 2 Abbild 41

Fern Photographie 42

Ein nener Schiffstyp in Italien 42

Preisbewerb um Schnellfeuerkanonen 43

Neues Uistemenschift 43

Neuer Maassstabzirkcl. (Mit 2 Abbild,; 90

Verbesserter Schraubstock. (Mit 3 Abbild.) 92

Entfernungsmesser. (Mit 2 Abbild.; 03

Eine merkwürdige Ertindung. (Mit 1 Abbild.) 137

Kartenlnpe. (Mit 1 Abbild.) 13»

Apparat zum Darstcüen de» Rauches bei Schrapnels. (Mit 6 Abbild.) .... 140

Fischwnrst . . . . , , . . , . . , . . . . . . . . . . . . , , 111

Das Fahrrad Kommando bei den russischen grossen Manövern bei Bjelostok 1897 142

Ein elektrischer Löthkolben. (Mit 1 Abbild.) 187

Plattirtea Aluminiumblech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LSI

Cordite Bereitung 188

Radfahrer Kompagnien 189

Barn hnslany.cn , . . . . . . . Dil

Der Panzerthurm für das Fort Waclliem. Von v. Herget. (Mit 1 Abbild.) 1811

Sir Henry Bessemer f 234

Ein russischer Zielapparat. (Mit 1 Abbild.) 234

Pfahlsprengungen unter Wasser auf dem Khein bei Kehl 'J3l>

Steigeisen für Militärtelegraphie. (Mit 8 Abbild.) 28B

Die Selbstladepistole in der Schweis 283

Die neue lOziilligc 10 ein Kamme der Vereinigten Stauten 283

Pferdeschoner nnd Vorrichtungen zum Erleichtern des Anziehens 281

Mittel zur Steigerung der Beweglichkeit der Artillerie . 280

Taubenpost bei den russischen grossen Manövern bei Bjelostok im Jahre 1837 28<i

Schnellfcuerkauouen in Spanien. (Mit 5 Abbild.) 327

Ueber die wasserdichte Bekleidung des Soldaten 328

Die Vereinigten Köln-Kottweiler Pulverfabriken 329

Neue Kntgleisungsvorriehtungen zur l'nlerbrechung des Bahnverkehrs im Kriege.

(Mit 4 Abbild.) 380

Verdeckte Gesehnt /Stellungen 331

Rauchloses Geschütz Bliittehenpulver 333

Manerbohrer. (Mit 1 Abbild.) 334

Patent-Hollenlager. (Mit 5 Abbild.) 376

Die russische Fcldlaffeto Modell 18i>5. (Mit 1 Abbild.) 377

SebiessverBUche mit neuen 8chnelIfeuer Fcldgo.schfltr.cn 378

Tropon. Von C. v. Herget 371»

Ueber die Erfindung des rauchlosen Schiesspulvers 448

WasserfUter. (Mit 1 Abbild.) 447

Libelleuaufsatz für Feldgeschütze. Von 11. Konradi, Schweiz. Art. Hptm. (Mit

3 Abbild. 187

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VI

Inhal tsverzeiehnis*.

Bücherschau.

David. I>if Momentphotographife (Mit 4 Abbild, n. 1 Taf 43

Hurekart. Das Rad im Dienste der Wehrkraft 45

Zürn. Geschirrkunde oder Beschirrungslehre 48

Anleitung zum Verlegen von Oberbau dnreh Eisenhahntruppen. CA. O.) ... 47

Hierthes, Aufgaben aus der Feldbefestigung mit Bearbeitung und Besprechung 47

Hiihlmann, Orundzüge der Wechselstromteehnik 48

Kadlerei! , , . , , . , , . , . » , . , , , , , , , , , , , , 48

The Svnelironognvph A4

Schöfflcr, Lösung von Aufgaben mittelst des Richtbogens und des Spreng

hohenmessers , , , , = , , , = = = , , , , , , = , , = * , , 25

Do mm in. Ergänzmigsbund für die vier Auflagen der Kriegswaffen in ihren

geschichtlichen Entwickelungen 06

Sch \v a r t ti e Neue Elementarmechanik für technische Lehranstalten nnd nun

Selbstunterricht . , , . . , , , , . . , . . . . . . . . . . . lifi

Sanderegger, Anlage und Leitung von Kriegsspiell'ebungen 144

Militärische Rundschau * . . . , . , . , , , , , , , , , , , , , 141

Witte, Fortschritte und Veränderungen im Gebiete des Waffen wesena in der

neuesten Zeit. (Mit 1 Abbild.! 191

Scliroeter, Die Festung in der heutigen Kriegführung 192

v. Boguslawski, Das Fahrrad im bürgerlichen und militärischen I.eben 192

Strunk. Die Fuhrwerks-Theorie 239

Dietionnaire militaire . , , , , , , . , . . . . . . , . . . . . 24Ü

Die schweizerische Zeitschrift für Artillerie nnd Genie , , , . , , , . , 24Ö

Erneeke, Heber elektrische Wellen nnd ihre Anwendung zur Demonstration

der Telegraphie ohne Draht nach Marconi 288

üebersiehtakarte der Dislokation des k. u. k. österreichisch-ungarischen Heeres

und der Landwehren im Jahre 1897/98 288

Brialnmnt, Die Kinrichtnng stiindiger verschanzter Lager (grosser Waffenplätze 288

Deguise, Attaque et döfenae des fortoregses 88*

Meyer, Zur Frage der Landesbefestignng 336

Weher, Aus dem Feldzüge in Thessalien 1897 33B

Frobenins, Alfried Krupp 336

v. der Goltz, Frhr., Der thessalische Krieg und die türkische Armee . . 382 de Pardieu, Ideeg de progres relatives au tir et & l'armement de l'infanterie 382 Kaiserling, Dr„ Fraktikum der wissenschaftlichen Photographie. (Mit 6 Abbild. ) 383 Georg Mendeck nnd Heinr. Sohroeder, Dr., Daa kleine Buch von der Marine 448 W. Stavenhagen, Verkehrs-, Beobachtung.* nnd Nachrichtenmittel .... 448 Wernigk, Taschenbuch für die Feldartillerie 490

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Zur Einführung.

|je rastlos fortschreitende Technik hat sicli auf alle Heeres- einrichtungen in solchem Maassc ausgedehnt, dass die Kriegs- technik nicht mehr als ein Vorrecht bestimmter Waffengattungen betrachtet werden kann. Wenn es auch zur Erreichung bestimmter Ziele im Kriege in jedem Heere technische Sonderwaffen geben muss, so hat doch die Technik auf den Dienst und die Aufgaben einer jeden Waffe ohne Ausnahme eine solche Bedeutung, so viel Einfluss gewonnen, dass sich die Angehörigen des Heeres der Kenntniss der Vorgänge auf kriegs- technischem Gebiete nicht entziehen können, wenn sie den im Kriege an sie herantretenden Aufgaben erfolgreich gerecht werden wollen.

Um einer solchen Forderung ganz zu entsprechen, erschien die Heraus- gabe einer „KriegSteohniSChen Zeitschrift“ eine Nothwemligkeit. Die Anregung hierzu ging in erster Linie von dem als Mi litärschrif täte Iler bekannten Herrn Hauptmann a. D. W. Stavenhagen aus, welcher die Heraus- gabe von kriegstechnischen Blättern auf das Lebhafteste empfahl und unterstützte, auch dabei hervorhob, dass in den Rahmen einer solchen kriegstechnischen Zeitschrift als dringend nothwendig die Erörterung von Organisationsfragen der technischen Truppen im weitesten Sinne des Wortes, die Beachtung des Festungskrieges in strategischer, taktischer und kriegsgeschichtlicher Hinsicht, die technische Generalstabswissenschaft und Aehnliches aufzunehmen sei.

Die „Kriegstechnische Zeitschrift“ tritt nun mit ihrer ersten Nummer vor den Leserkreis des Heeres mit der Absicht, nicht etwa ein- seitig nur neueste Erfindungen und Fortschritte auf technischem Gebiete zu bringen, wozu die vorhandenen technischen und Patentschriften aus- reichen, sondern das ganze Gebiet der Kriegstechnik zu umfassen, wozu nicht, nur Fragen der Befestigung und Bewaffnung, der Elektrizität und der Photographie, der Luftschifffahrt und des Eisenbahnwesens, der Tele- graphie und der Vermessungskunde u. s. w. zu zählen sind, sondern auch der im Heere noch immer zu nebensächlich behandelte Festungskrieg mit Angriff und Vcrthcidigung gehört.

Krieftitechoiechc Zeitschrift. Is9ä. 1. Heft. 1

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1

2 Verbrcnnlwc Blindgrschosse fiir Platzpatronen.

Bewährte Schriftsteller unter den Offizieren aller Waffen und den Sanitätsoffizieren sowie aus der Gelehrtenwelt haben der „Kriegs- techllischen Zeitschrift“ ihre werthvolle Mitarbeiterschaft bereits zu- gesichert, so dass dieselbe mit voller Zuversicht als neue Erscheinung; auf dem Gebiete der Militärlitteratur dem Heere übergeben werden kann.

Diese Zuversicht kann aber nur bestehen, wenn das Vertrauen und Wohlwollen der hohen Militärbehörden und Kommandos wie des einzelnen Lesers die Zeitschrift stützen. Den Offizieren aller Waffen sei daher die „KriegStechlliSChe Zeitschrift“ angelegentlich zur Beachtung und Be- nutzung empfohlen. Sie wird es sich mit umsichtigem Eifer angelegen sein lassen, in ihren Aufsätzen, Berichten und Mittheilungen mannigfaltige und dienstlich verwerthbare Belehrung auf kriegstechnischem Gebiete unter Berücksichtigung der Litteratur zu bringen, wobei Abbildungen und Tafeln die Gegenstände zur Anschauung und zu schnellerem Verständnis bringen sollen. Es wird stets auf leichteste Verständlichkeit des Inhalts auch für den in der Technik weniger bewanderten Leser geachtet werden.

So sei denn dem deutschen Heere die „KriegStechlliSChe Zeit- schrift“ überreicht. Sie wird bemüht sein, in echt, soldatischem Geiste den Bestrebungen der Gegenwart auf kriegstechnischem Gebiete möglichst gerecht zu werden und sie nach Iwsten Kräften fördern zu helfen unter dem einzigen Gesichtspunkt, auch für ihren bescheidenen Theil zur Schlag- fertigkeit des Heeres beizntragon.

Verbrennbare Blindgeschosse für Platzpatronen.

Die alte Exerzirpatrono der Vorderlader, die auch beim Festschiessen und auf der Bühne Verwendung fand, bedurfte bei der schnellen Ver- brennung des stark knallenden Schwarzpulvers weder bei Handgowehren noch bei Geschützen eines Blindgeschosscs. Ein solches hatte auch das Zündnadelgewehr nicht nöthig, da hier der feste Zündspiegel, welcher vor der Pulverladung lag, die Explosion der letzteren hinreichend sicherte. Anders gestaltete sich das Bediirfniss bei den Magazingewehren. Hier musste zunächst ein Unterschied zwischen der Exerzirpatrono, welche kein Pulver enthielt und nur zum Lernen der Handgriffe beim leiden sowie als Lehre diente, einerseits, und der Platzpatrone, welche beim Salutschiessen und zum Einüben des Abfeuerns nöthig war, unterschieden werden. Die Platzpatrone erhielt kein scharfes Geschoss und nur eine geringere Pulverladung. Da das Geschoss aber zum Einfuhren der Patrone in den Lauf beim Magazinfeuer nöthig war, so konnte eine mit dem ge- wöhnlichen Papierpfropfen verschlossene Platzpatrone nur mit besonderer Vorrichtung aus dem Magazin verfeuert werden. Eine derartige Erfindung erhielt Predragovic als deutsches Reiehspatent No. 53 857 (Klasse 72) unterm 29. April 1890 geschützt. Sie bestand aus gehäuseartig mit ein- ander verbundenen, federnden Backen, die sich mit dem unteren Rande auf die Magazinbodenplatte stützten und deren oberer Rand gegen den

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Verbrennbar«* Blincty'«**i,how«* für Platzpatronen.

3

Laderaum hinanstieg. Ein weiteres Patent auf eine ähnliche Vorrichtung erhielt der Genannte unter No. 72 1hl vom 21. März 1893. Auch mit einer solchen Magazinvorrichtung und beim Einzelfeuer macht sich bei der Verwendung des rauchschwachen Pulvers ein starker, fester Pfropfen nöthig, da sonst die Verbrennung so langsam erfolgt., dass die Hauptmasse des Pulvers nicht zur Wirkung gelangt und ein Knall, welcher dem heim Scharfschüsse ähnelt, nicht zu Stande kommt.

Es war demnach einfacher, an Stelle des starken Pfropfens und einer besonderen Ladevorrichtung für das Magazinfeuer ein Blindgeschoss, d. h. ein Geschossphantom oder Geschossmodell, das beide ersetzte, zu verwenden. Die Anforderungen an diese Geschosse sind selbstredend hei der bunten Mannigfaltigkeit der in den einzelnen Ländern eingeführten rauchschwachen Pulverarten und Gewehrsysteme wesentlich verschieden.

Die in Deutschland gebräuchlichen Blindgeschosse bestehen für das Infanteriegewehr aus einem hohlen Stück weichen Holzes in der Form eines scharfen Geschosses und fiir das Geschütz in einem festverschniirten Bündel dünner Holzstäbe (von Holzdraht oder sogenannten Wurstspeilern).

Es zeigt«' sich alsbald, dass beiderlei Blindgeschosse bedenkliche Ver- letzungen bewirken können. Die Tagesbliitter berichteten von dem Tode und von schweren Verletzungen von Offizieren und Mannschaften durch Manöverpatronen bei den Herbstübungen; auch im Quartier und in der Kasern«* kamen hin und wieder derartige L’nfälle vor. Ueber «lie Ver- letzungen durch die erwähnten Geschützprojektile liegen umfassende fach- männische Bericht«* no«'h nicht vor, von «len Blindschüssen aus den Haml- feuerwaffen sagt das Handbuch der Militärkrankheiten, äussere (chirur- gische) Krankheiten von Fr. A. ms (Leipzig 1890 >, Seite 371 und 372 Folgendes :

Die Platzpatronen besitzen ein «lein Mantelprojektil ähnliches Ge- schoss aus Holz; das Pulver- ist körnig, gelblich g«*färht und hat eine viel geringere Gasspannnng als das Blättchenpulver. Ein Fliesspapier- pfropf«*n bewirkt die Scheidung zwischen Ladung und Holzgeschoss, welch letztcr«*s roth gefärbt ist. Die Messingpntronenlüilse ist zur Lhiter- seheidung von der scharfen Patrone mit einer ringförmigen Reifelung versehen.

Die Felddienstordnung schreibt für die Manöverübungen vor, «lass «las Feuern beim Niih«*rn auf 100 m auszusetzen sei. Für gewöhnlich sieht man beim Schiessen mit Platzpatronen in Entfernungen bis zu 20 m die einzelnen Holzsplitter, die dann in der Regel eine mehr läng- liche Gestalt besitzen, auf dem Boden liegen.

Dass aber unter Umstiimlen noch auf weitere Entfernungen Platz- patronen gefährlich wirken können, g«*ht unzweideutig aus einzelnen Beobachtungen hervor. Salzmann hat auf Grund seiner Schiessver- suche gefunden, dass in Entfernungen bis zu l'/j m Platzpatronen t*ine der scharfen Patrone ähnliche Wirkung durch den verschliessenden Pfropfen hervorzubringen vermögen. Die Anfangsgeschwindigkeit, das Volumen und spezifische Gewicht siml auf die Grösse der Schuss- wirkung von entscheidendem Einfluss. In 1 in durschlägt der Sehluss- pfropf Helm, Tornister und Kochgeschirr geschossartig, in l'/s m durch- schlägt derselbe jede Uniform und verletzt noch die darunt«*r liegende Haut. Diese Versuche wurden g«*maeht mit dem Modell 71, das eino Ladung Schwarzpulver von 3,5 g und drei Deckpfröpfe aus lose ge- wickeltem grauen Fliesspapier besass.

Die jetzige Platzpatrone enthält aber ausser ganz anderem Pulver

1*

4

Verbrennbare Blindgcschosse fiir Platzpatronen.

als Schlugspfropfen ein Holzgeschoag, das durch seine cylindrisch-ogirale Form und durch die festere Konsistenz des Holzes die Momente für die Schusswirkung wesentlich steigert. Hierzu kommt, dass das Holz- gesohoss innerhalb des Laufes nicht zersplittert, sondern nur in dor Längsrichtung sich mehrfach theilt und reisst, die einzelnen Holztheile aber nach dem Verlassen des Rohres noch bis auf 15 m zusammen- bleiben.

Aus diesem Grunde wäre die Einführung eines Schlusspfropfens aus einem anderen Material, das durch den Widerstand der Luft sofort in viele Theilchen zerstäubte und selbst auf Entfernungen bis 1 m und darunter nicht mehr als Geschoss wirkte, nur zu begrüssen. Oberstabs- arzt Helbig hat einen Verschluss der Patrone mit Celluloid vorgeschlagen. Nach den Erfahrungen der Schweizer Munitionsfabrik sollen ausgehöhlte Holzpfropfen weit weniger schaden können, als die vollen.

Von den durchschnittlich jährlich vorkommenden Platzpatroneuver- letzungen stellen die Schüsse in den Kopf das grösste Contingent und bedingen weitaus die grösste Mortalität, wenngleich und das sei gleich hier vorweg bemerkt, auch die Weichtheilschusswunden an den Extremitäten durch Platzpatronen prognostisch keineswegs günstig Bind, ungünstiger wenigstens als die Muskelschüsse durch scharfe Pa- tronen.

Es wurde deshalb Seitens der Militär- Verwaltung durch Preisaus- schreiben und eigene Versuche die Herstellung eines solchen Blind- geschosses für Handwaffen angestrebt, dass damit sowohl Magazinfeuer möglich ist, als auch bereits einen Meter vor der Gewehrmündung Ver- letzungen ausgeschlossen sind. Unter den verschiedenen Arten, diese Aufgabe zu lösen, erscheint die Herstellung eines im Gewehrlaufe völlig verbrennenden Geschosses die sicherste; denn die Herstellung unver- brennlicher, beim Abfeuern völlig zerstiebender und dabei langes Lagern vertragender Geschosskörper von hinreichender Festigkeit erscheint ziem- lich aussichtslos, und Vorrichtungen, bei denen sich der Schluespfropfen der Platzpatrone bloss öffnet, ohne herauszufliegen, stellen sich zu hoch im Preise*). Mit Rücksicht auf letzteren macht es sich erforderlich, dass das Blindgeschoss die Verwendung solcher Patronenhülsen, die bereits zum Scharfschiessen gedient haben, gestattet.

Für das grosskiilibrige Gewehr mit Weh warzpul vor- Patrone erhielten Blumstengel & Helbig seit 27. November 1889 ein »verbrennbares Geschoss für Manöver - Patronen < durch das deutsche Reichs - Patent No. 54 654 geschützt. Die Patentschrift lautet:

»Die zur Zeit gebräuchlichen hölzernen oder papievnen Geschosse der Manöver-Patronen bedingen beim Abfeuern insofern eine Gefahr, als sie nicht mit Sicherheit durch den Schuss in kleine unschädliche Stücke zerrissen, sondern nicht selten beim Abfeuern als Ganzes oder in grossen Stücken viele Meter weit fortgeschlendert werden und sogar lebens- gefährliche Verletzungen bewirken können.

*: Als Beispiel derartiger Erfindungen sei ein Geschoss aus Pappe erwähnt, das Jean Scherbe] in Aussicht nahm. Dieses öffnete sich un der Spitze beim Abfeuern, blieb jedoch mit der Patronenhülse in Verbindung und flog nicht ans dem Laufe hinaus. Das neueste Patent dieser Art erhielt E. Biller unterm 14. März 1896 (No. 89 994, Klasse 72'. Es betrifft eine geschossförmige, lederne Kappe, die aus einer 8cheil>e hergestellt, ist und unter dem Explosionsdrucke in ihre ursprüngliche Gestalt zurückzukehren strebt, so dass sie sich, wie eine Dichtungsmanschette. an die Seele des Gewehrs anlegt.

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Verbrennbare Blindgescliosne für Platzpatronen.

5

Fertigt man dienen Tkeil der Patrone aber ans einem Stoffe, welcher beim Abfeuern ohne bemerkbaren Rückstand verbrennt, so wird diese Gefahr vermieden. Ein solcher Stoff ist Sehiesswolle, welche, um sie leichter formen zu können, mit etwas Kampher, Nitroglycerin oder Aehnlichem versetzt sein kann.

Sollte aus irgend einem Grunde das Blindgeschoss aus Sehiesswolle beim Abfeuern nicht oder nicht vollständig verbrennen, so würden die dadurch erzeugten Verletzungen aseptisch und deshalb ungefährlicher sein, als die von Holz oder Pappe erzeugten. Eine Verwechselung von mit Schiesswolle-Blindgeschossen versehener Manövermunition mit scharfer Munition lässt sich sicherer als bei Verwendung andererStoffe ausschliessen, da Blindgeschosse aus Sehiesswolle durchsichtig hergestellt werden können.«

Der Patent- Anspruch« lautete auf ein: Leicht verbrennbares Geschoss für Manöver-Patronen, bei dessen Anfertigung Sehiesswolle verwendet wird.«

Ehe die Erfinder mit der fabrikmässigen Herstellung von Schiesswoll- gesehossen zu Stande kamen, erledigte sich die Sache durch Einführung des kleiitkalibrigen Gewehres und rauchschwachen Ibilvers, auf welche die für Schwarzpulver bestimmten Celluloidgeschosse nicht verwendbar sind.

Die Erfinder Hessen das Patent verfallen, da es ihnen um kein Ge- schäft, sondern nur darum zu thun war, dass eine humanitäre Neuerung nicht Gegenstand von Geldspekulation werde, und dieser Zweck durch die einmal erfolgte Patentirung von verbrennbaren Blindgeschossen, zu deren Anfertigung Nitrocellulose verwendet wird, vorläufig erreicht schien.

Da sich jedoch alsbald für das klcinkalibrigc Gewehr die Herstellung eines im Laufe verbrennenden Manövergeschosses wünschenBwerth machte, so regte Friedrich Anton LUbbert einschlägig«' Versuche von Neuem an und stellte mit Unterstützung des sächsischen Kriegsministeriums ein Blindgeschoss aus Nitropapier in Cigarettenform her, mit dem nach längeren Vorprüfungen 1895 ein grösserer Versuch bei vier Kompagnien des Königlich Sächsischen Armeekorps vorgenommen wurde. Hierbei zeigten sich zwei unerwartete Uebelstände, nämlich ein zu starker Knall und ein häufiges Einreissen der messingenen Patronenhülsen. Beide Er- scheinungen hatten dieselbe Ursache, nämlich die Verwendung einer zu grossen Menge des explosiblen Nitropapiers.

Es gelang später, durch Verminderung der Papiermasse tlie erwähnten Mängel zu beseitigen und ein brauchbares Blindgeschoss auf folgende

einfache Weise her-

zustellen : Ein 'Streifen s

Nitropapier von der -

beistehend gezeichne- AbbUlL 1 “*•

ten Gestalt (Abbild. 1) wird aus freier Hand oder mit einer Wickol- vorriclitung spiralig vom schmalen Ende an aufgerollt und in die Patronenhülse in der aus Abbild. 2 ersichtlichen Weise gesteckt. Das Nitropapier muss aus thunlich reiner hochnitriter Cellulose be- stehen. Diese darf beim Lagern die metallenen Patronenhülsen nicht angreifen und beim Ab- feuern keine anderen Verbren- nungsgase liefern, als das

gewöhnliche rauchlose Pulver, welches bekanntlich die metallenen Gewehr- theile kaum angreift. Zu diesem Zwecke soll das Nitropapier gänzlich frei von ungebundenen Mineralsäuren sein. Es muss deshalb das Papier

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Abbild. 2 ('•'/, Mt Cir.lM»;.

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Virlinnnliarf l!limlg<-srlii>s*<- fiir Platzpatronen.

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nach wochenlangem Auswaschen (mit häutig erneutem oder in fliessendeui Wasser) getrocknet, sodann mit 1" o Hirschhornsalzlösung (Ainmonium- earbonat) getränkt und darauf nochmals gut ausgewaschen werden. Oie Abmessungen des Papierstreifens richten sich nach der Weite der metallenen Patronenhülsen und betragen bei 0, 1 5 mm Papierstärke und 8 mm Durch- messer etwa 29,5 cm in der Länge, 2,5 cm am breiten und 1,2 cm am schmalen Ende. Hei diesen Abmessungen zeigt sich kein Durchbrennen oder AbreisBen eines Hülsenrandes aus etwa 0,45 nun starkem Messingblech. Die Befestigung des Geschosses am Hülsenrande geschieht durch Um- biegen des letzteren oder durch Anleimen. Als Klebmittel darf man keine Lösung von Nitrocellulose benutzen, da Essigäther und Aceton ein knorpeliges Schrumpfen des Papiers bewirken und so dessen schnelle Verbrennung beeinträchtigen. Dagegen eignet sich zum Kleben flüssiger Leim, Syndetikon oder dergl. Die ans der Metallhülse herausragende Spitze des Blindgeschosses ist selbstredend empfindlich gegen Feuer, ins- besondere gegen Anstreichen mit einer glimmenden Cigarre. Man ver- mindert diese Entflammbarkeit erheblich, wenn man die erwähnte Spitze in Leiin und sodann in Speck steinpulver taucht. Bei richtiger Abmessung beeinträchtigt der so erhaltene weisse Specksteinüberzug keineswegs die Verbrennbarkeit des Geschosses im Gewehrlaufe.

Zur Entzündung des Geschosses ist das gewöhnliche Zündhütchen zu gebrauchen, wenn man dessen Flamme durch ein Pyroxylinpapierblättchen oder etwas Blättchenpulverabfall auf das Geschoss überträgt.. Die Ab- messungen hängen von der Festigkeit des Geschosses ab. Sie betrugen bei LUbberts und Helbigs Versuchen fiir ein Nitropapier von der oben erwähnten Dicke etwa 3,2 cm Länge und 3 cm Breite. Vortheilhaftcr und billiger würde sich voraussichtlich die Wahl besonderer Zündhütchen stellen, doch liegen hierüber noch keine Erfahrungen vor. Die Kosten der Anfertigung hängen wesentlich vom Preise des Nitropapier* ab und dürften hei Selbst, herstellung des letzteren aus gutem Löschpapiere etwa halhsoviel wie bei den dermaligen Platzpatronen mit Holzgeschoss (die etwa 6,3 Pfennige für das Stück kostend betragen.

Die Einwirkung des Schusses auf das Gewehr ist bei verbrennbaren Platzpatronen zwar stärker als bei solchen mit Holzgeschossen, aber nicht stärker als beim Scharf schiessen.

Damit das Geschoss mit Sicherheit verbrennt, muss das verwandte Nitropapier von guter und gleichmässiger Beschaffenheit sein. Ein solches wird aber, da bisher keine Nachfrage vorlag, von den pyro- technischen Fabriken nicht dargestellt und ist deshalb nicht im Handel. Ehe es gelang, diese Schwierigkeit zu überwinden, hatten sich zwei neue Hindernisse herausgestellt. Erstens erschienen nämlich inzwischen die Tage des jetzigen kleinkalibrigen Gewehrs gezählt, und ein zur Einführung gelangendes Gewehr von noch kleinerem Kaliber und mit anderem Schlosse würde neue Versuche erforderlich machen. Zweitens aber hatte unterdessen das deutsche Patentamt die Verwendung von Nitropapier zu Blind- geschossen einem anderen Erfinder geschützt und dehnt das ertheilte Patent auf jede Verwendung dieses Stoffes auch bei abweichender Form und Art des Geschosses aus. Lüh her t k Hel big hatten anfänglich

keinen Schutz nachgesucht, da in stofflicher Hinsieht die Verwendung von Nitrocellulose zu verbrennlichen Platzpatronengeschossen nach dem Erlöschen des oben erwähnten Patentes von Blumstengel & Helbig nicht mehr patentfähig erschien und ebensowenig in formeller Hinsicht die Gestalt einer Papierrolle. Denn für die Platzpatrone zum Mannlicher-

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Verbrennbare ßlindgeachosst- für Platzpatronen.

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Gewehr befand sich ein so gestaltetes Geschoss beim österreichisch- ungarischen Heere von jeher im Gebrauch. So heisst es in einer Be- schreibung des k. u. k. Armeegewehrs M. 88 vom Jahre 1889 Internationale Revue über die gesammten Armeen« u. s. w., 7. Jahrgang, Seite 1131): -Die Platzpatrone enthält eine schwache Palverladung, auf welche ein Fliessdeckelpfropf, sodann ein in der Form des Geschosses ans grauem und rothem Löschpapier gerollter Schlusspropf aufgesetzt wird, der un- gefähr halb so weit aus der Patronenhülse hervorsteht als das Geschoss bei der scharfen Patrone.»

Das erwähnte deutsche Patent auf Verwendung von Nitropapier zu Blindgeschossen von H. Dulitz (No. 72 220 vom 1. Januar 1893) macht keinerlei Angaben über die einschlägigen Maasse, scheint aber eine keineswegs feste Nitropapierrolle zu verwenden. Diese geht bis auf den Boden der Patronenhülse (Ab- bildung 3), die aus Celluloid besteht mit einem Metallboden zur Aufnahme des Zünd- hütchens. Der Celluloidmantel b wird mit seinem hinteren Ende über den inneren Rand a1 des Bodens a geschoben und in die Rille eingezogen, so dass beide fest miteinander verbunden werden. Während man sonst.

Celluloid, insbesondere in Frankreich, wegen seiner lebhaften Verbrennung als ein die Ladung unterstützendes Treibmittel zu Patronenhülsen zu verwenden bestrebt war, meint H. Dulitz: Die Hülsen , also nicht

etwa bloss der Metallboden, »welche eine Wandstärke von 0,H bis 1,2 mm erhalten und heim Schiessen einen vollständig gasdichten Abschluss liefern, können nach dem Schuss genau wie Metallhülsen durch den Auszieher des Verschlusses aus dem Gewehr entfernt werden. Abbild. 4 stellt dasselbe Nitropapiergeschoss bei Verwendung der gewöhnlichen Metallhülse (c) des Mannlicher-Gewehrs dar. Die Rolle ist, wie bereits erwähnt, anscheinend nicht dicht ge- wickelt, sondern hohl, da die Patentschrift, angiebt:

»Der aus der Hülse hervorstehende Theil der Rolle wird am vorderen Ende durch Zusammenfalten geschlossen und erhält dadurch gleichzeitig eine der Form des Geschosses angepasste Abrundung. Durch Eintauchen in Essigäther oder Bestreichen mit demselben wird nicht nur der aus der Hülse hervorstehende, sondern auch der um einige Millimeter weiter in die letztere hineinreichende Theil der Papierrolle oberflächlich gelatinirt und dadurch gleichzeitig sowohl ein festes An- kleben der Papierrolle an die Patronenhülse bewirkt, als auch ein Ein- dringen von Feuchtigkeit, in die Ladung verhindert. Infolge der Gelati- nirung wird der Kopf der Papierrolle nach dem Trocknen so hart und widerstandsfähig, dass derselbe an die Stelle des bisher üblichen Holz- geschosses für Platzpatronen treten kann und die fertigen Patronen aus dem Patronenrahmen des Gewehres in das Patronenlager ohne besondere Vorrichtungen iibergeftihrt werden können.«

Diese Gelatinirung, welche, wie erwähnt, ein knorpliches Einschrumpfen der Nitrocellulose bewirkt und die Verbrennung wesentlich verzögert, bildet abgesehen von anderen Bedenken wohl den Haupteinwand

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Das modern« Fclrtjjeschntx.

gegen das Duli tzsche Blindgcschoss. Wenn auch Verletzungen durch kuorpliche Nitrogelatinestücke nicht so leicht septisch verlaufen werden, wie die durch Holzsplitter und Priipfe aus gewöhnlichem Papiere, so stellen sie immerhin für Augen, Lunge, Hirn n. s. w. eine erhebliche Gefahr dar, während das verbrennbare Blindgeschoss alle Gefahren des Blindschusses auf diejenigen beschränken soll, welche durch die zur Erzeugung des Knalls uöthigen Pulvcrgase an sich bedingt werden und sich auf die unmittelbare Nähe der Gewehrmündung (bis auf etwa ’/« rn Entfernung) beschränken.

Viel schwieriger, als für das Gewehr, würde ein verbrennbares Uebungs- und Salutgeschoss für Geschütze herzustellen sein, obwohl ein solches abgesehen von anderen Vortheilen auch zur Beseitigung des Nachthunmens wünschenswerth wäre. Durch fest gerolltes Nitropapier würde man abgesehen von dem Kostenpunkte eine Beschädigung des Geschützrohres herbeiführen. Eine starke Pappe, die den Widerstand des festen Manövergeschosses aus Holzstäben sonst ersetzen könnt«, lässt sich aber leider nicht gleichmässig nitrireu, auch nicht leicht durch Zu- sammenkleben einzelner Nitropapierblätter herstellen. Zudem sind die Versuche mit Geschützen so umständlich, dass sie nur ausnahmsweise als private Beschäftigung in hinlänglicher Zahl angestellt werden können.

lin Allgemeinen erscheint die Erfindung verbrennbarer und überhaupt unschädlicher Blindgeschosse so erwünscht solche auch für die Ver- meidung zahlreicher Unfälle ist die darauf zu verwendenden Mühen wenig zu lohnen, da der Platzpatrone selbst keine lange Zukunft be- sehieden zu sein scheint. Die Daseinsberechtigung des knallenden Scharf- schusses erschien bereits von da ab in Frage gestellt, wo die mechanische Wärmetheorie zeigte, dass alle bei der Verbrennung des Pulvers frei werdende Kraft verloren ist, welche nicht zur B(*schleunigung des Ge- schosses dient, sondern zum Ktosse auf die Gewehrwände, zur Erwärmung oder zur Erzeugung von Feuerschein und Geräusch vergeudet wird. Einen guten Theil des Kraftverlustes, den der starke Knall des Schwarz- pulvers bedingte, erspart zwar das rauchschwache Pulver, doch be- seitigt es keineswegs die für den Schusszweck unnöthige Feuererscheinung und verschwendet Wärme und zum Theil auch Stosskraft. Sobald es der modernen Technik gelingt, durch blosse Gasausdehnung ohne Feuer- wirkung das Geschoss aus dem Laufe zu treiben, sind alle jene Kraft- verluste beseitigt, und der Knall bildet fortan kein Erkennungszeichen des abgegebenen Schusses. Mit dem Donner der Geschütze und dem Knattern der Gewehre beim Scharfschiessen hört dann nothweniligerweise das Ge- knalle bei den Waffenübungen auf und später über lang oder kurz sogar beim Schuss« auf der Schaubühne. - g.

Das moderne Feldgeschütz.

Einleitung.

Die in allen Staaten bevorstehende Neubewaffnung der Feldartillerie lässt es angezeigt erscheinen, diese brennende Frage an dieser Stelle von einem allgemeinen Gesichtspunkt aus zu erörtern. Die Verschiedenartig- keit der in den letzten Jahren in Bezug auf das Feldgeschütz der Zu- kunft gemachten Vorschläge lässt erkennen, wie schroff sich die Ansichten einander gegenüberstanden, wesentlich deshalb, weil die Frage bald nur vom Standpunkt des Artilleristen, bald nur von dem des Technikers aus

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Da« moderne Feldgeschütz.

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betrachtet wurde, während sie doch einzig und allein durch einträchtiges Zusammenwirken Beider zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden kann. Freilich darf der Artillerist nicht bloss Taktiker sein, sondern er muss, um hier mitsprechen, ja die Führung übernehmen zu können, ballistische Kenntnisse besitzen und mit den Fortschritten der Technik so weit in Fühlung sein, dass er wenigstens annähernd beurtheilen kann, was sie zu leisten im Stande ist und was nicht. Die Aufgabe dieser jungen Zeitschrift soll es sein, die Offiziere mit den Fortschritten der Technik, die Techniker mit den Bedürfnissen des Heeres bekannt zu machen, und aus diesem Grunde dürft« die nachstehende Abhandlung wohl ganz zeitgemäss erscheinen.

Zu einem befriedigenden Abschluss kann die in Rede stehende Frage nur dann kommen, wenn der Artillerist angiebt, welche Wirkung und welche Beweglichkeit er von dem Geschütz verlangt; Sache des Tech- nikers ist es, die Wege zu suchen, diesen Ansprüchen zu genügen. In den verschiedenen Staaten worden je nach dem voraussichtlichen Kriegs- schauplatz die Artilleristen abweichender Ansicht über das von dem Ge- schütz zu Verlangende sein; ja selbst in ein und derselben Armee wird man auf die verschiedensten Ansichten stossen. Persönliche Erfahrungen und Temperament sprechen da zu sehr mit.

Die Aufgabe der Feldartillerie lässt sich kurz in das Wort »Unter- stützung der anderen Waffen« zusammenfassen. So «‘infach das klingt, so mannigfaltig sind die sich aus dieser Hauptaufgabe ergebenden Einzel- aufgaben. Die wichtigsten sind und werden stets bleiben die Nieder- kämpfung der feindlichen Artillerie, Vorbereitung des Infanterieangriffs bezw. Mitwirkung bei Abwehr desselben, Verfolgung bezw. Deckung dos Rückzuges. In «len meisten Fällen handelt es sich hierbei um die Beschiessung freistehender oder liegender, von vorn zu treffender lebender Ziel«*, die auch in Bewegung sein können, seltener um Beschiessung ge- deckter, nur von oben zu treffender Ziele und noch seltener um die Zerstörung lebloser, widerstandsfähiger Ziele. Hieraus folgt, dass das Feldgeschütz der Zukunft, wie bisher, vor Allem einen auch auf grossen Entfernungen (dies wregen der grossen Schussweite der modernen Gewehre) wirksamen Schrapnelschuss mit flacher Flugbahn haben muss. Ein wirk- samer Schrapnelschuss setzt eine grosse Zahl von Füllkugeln, also nicht zu geringes Geschossgowicht voraus; die flache Flugbahn mit grosser Schussweite wird durch grosse Anfangsgeschwindigkeit und möglichste Herabsetzung des Luftwiderstandes erreicht. Die Verbindung von grossem Geschossgewicht und hoher Anfangsgeschwindigkeit bedingt eine grosse Arbeit, die von den Pulvergasen zu leisten ist.

An sich bietet die Herstellung eines Geschützes mit solcher Wirkung gar keine Schwierigkeit; die Lösung der Aufgabe wi rd erst dadurch schwierig, dass die hohe Wirkung von einem Geschütz mit grosser Be- weglichkeit, also geringem Gewicht, verlangt werden muss. Die augenblick- lich eingeführt«>n Feldgeschütze haben aufgeprotzt und kriegsmässig ausgerüstet ein Durchschnittsgewicht von etwa 2000 kg, wovon etwas über die Hälfte (54 pCt.) auf das abg«*protzte Geschütz kommt. Die lange Friedensperiode von 1871 bis 1897 hat auch diesmal die zu allen Zeiten beobachtete Wirkung gehabt, dass eine starke Strömung für Erhöhung der Beweglichkeit aufgetreten ist, der man sich nicht ganz wird entziehen können. Andererseits wird unbedingt verlangt werden müssen, «lass das neue Geschütz keinesfalls den besten der augenblicklii’h eingeführten Ge- schütze an Wirkung nachsteht, womöglich sie noch übertrifft.

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Das moderne Feldgeschütz.

Zunächst wird sich der Taktiker darüber zu äussem liabeu, welches Gewicht des bespannten Geschützes er noch für zulässig hält; danach richtet sich alles Andere. Schon über diese erste Frage sind die Ansichten getheilt. Jedermann giebt zu. dass die eingeführten Geschütze an der Grenze der nöthigen Beweglichkeit stehen oder sie schon etwas über- schritten haben; aber darüber, wie weit das Gewicht herabzusetzen sei, gehen die Ansichten weit auseinander. Während der österreichische Haupt- mann Aust sogar an dein Gewicht von 2000 kg festhält, will der ehemalige französische Kapitän Moch bis auf 1100 kg herabgehen in der Meinung, dass eine geringfügige Gewichtsverminderung überhaupt nicht der Miihe lohnt, eine wesentliche Steigerung der Beweglichkeit könne nur durch den Uebergang vom Sechs- zum Viergespann erreicht werden. Er schlägt die Fortschritte der Technik so hoch an, dass er meint, es lasse sich schon in den Gewichtsgrenzen von 1100 bis 1200 kg ein recht leistungsfähiges Geschütz horsteilen. Meines Wissens ist diesen Ideen Moehs nur ein Staat nähergetreten, die Schweiz, wo auf Veranlassung des Waffenchefs der Artillerie, Oberst Schumacher, eine Denkschrift ./Grundzüge eines neuen Materials für die schweizerische Artillerie bearbeitet ist, die von einem Viergespann ausgeht. In der Schweiz, diesem Berglande mit so eigen- artigen Verhältnissen, ist es durchaus gerechtfertigt, eine höhere Beweg- lichkeit zu fordern. Immerhin ist bemerkenswerth, dass keineswegs alle schweizerischen Artillerieoffiziere von einer auf Kosten der Wirkung er- reichten Steigerung der Beweglichkeit wissen wollten. In der Fachpresse sind Stimmen laut geworden, welche sich gegen die Herabsetzung des Geschossgewichts von 0,7 auf 5,8 kg aussprachen und selbst ein Geschoss von 7,2 kg anzunehmen bereit wären.

Im Interesse einer grösseren Wirkung will die Mehrzahl der Artilleristen von einer bedeutenden Herabsetzung des Gewichts des Geschützes nichts wissen und glaubt nicht unter dasjenige herabgehen zu sollen, das sieh im deutsch-französischen Kriege durchaus bewährt, hat (1850 kg). Im Interesse der einheitlichen Bewaffnung der gesummten Artillerie, einschliess- lich der reitenden, wird man noch ein weiteres Zugeständniss machen und so auf das Gewicht von etwa 1800 kg gelangen. Von mancher Seite wird ein Höchstgewicht von 1600 kg gefordert; es sind auch in der That. von Privatfabriken Geschütze von solehein Gewicht hergestellt (vergl. Aulagel, doch bleibt dabei zu bemerken, dass hei den Angaben über das Gewicht meist nur die Munition, nicht aber das zur Ausrüstung der Geschütze gehörige Schanzzeug, Futter etc. berücksichtigt ist.

Bei dem Gewicht von 1800 kg w'iirden auf das ahgeprotzte Geschütz 950 bis 1000 kg, auf die Protze 800 bis 850 kg entfallen.

Wirkung des Einzelgeschosses.

Bei den eingeführten Geschützen stellt sich das Durchschnittsgewicht der Shrapncls auf etwa 7,5 kg,*) die Anfangsgeschwindigkeit (V„) auf 440 m, woraus sich eine Bewegungsarbeit (E= Energie) von etwa 74 int ergiebt. Das deutsche Feldgeschütz c 73 steht, also ungefähr in der Mitte. Für das Zukunftsgeschütz wird inan eine Arbeitsleistung von etwa HO int fordern dürfen. Es fragt sich nun: Wie gross sind das Geschossgc wicht und die Anfangsgeschwindigkeit zu machen?

*j Es sind nur die führenden Batterien berücksichtigt.

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Ibis moderne Feldgeschütz.

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Das Geschossgewicht ist auf die Wirkung und die Beweglichkeit von grösserem Einfluss als die Anfangsgeschwindigkeit. Das ist leicht einzu- sehen; denn es kommt für die Wirkung nicht sowohl auf die Grösse der im Geschoss aufgespeicherten Arbeit an, wenn es die Mündung verlässt, als vielmehr auf die bei seiner Ankunft am Ziel. Das Geschossgewicht bleibt auf dem Wega vom Geschütz bis znin Ziel unverändert; dagegen nimmt die Geschwindigkeit ab, und zwar unter sonst gleichen Umständen um so mehr, je grösser dieselbe war. Die neuesten Fortschritte der Technik ermöglichen eine höhere Verwerthung des Geschossgewichts, so dass man selbst bei leichterem Geschoss ein grösseres Gewicht der Kugelfüllung erzielt als bisher. Unter das Gewicht von 6,5 kg darf man nicht gehen, da dann die Wirkung unter die jetzt erreichte sinken würde; andererseits wird man, da man das ganze Artilleriesystem erleichtern will, mit dem Gewicht unter 7,5 kg bleiben müssen, also vielleicht bis höchstens 7,2 kg gehen dürfen. Zwischen den beiden Grenzen 6,5 und 7,2 kg liegt als Mittelwerth 6,85 kg. Um mit diesem Gewicht eine E von mindestens 80 mt zu erhalten, würde V„ nicht unter 480 m bestimmt werden dürfen. (Bei dem Gewicht von 6,5 kg würde sich V„ auf 491 m, bei dem von 7,2 kg auf 467 m stellen.)

Thatsächlich sind von vielen Privatfabriken Geschütze konstmirt, die bei einem Geschoss von 6,5 kg und darunter weit höhere Anfangsgeschwindig- keiten und auch eine höhere Arbeit als 80 mt aufweisen. Hie strengen aber trotzdem die Laftete nicht in gleichem Verhältniss mehr an; denn bei gleicher E an der Mündung wird die Laffete um so mehr angestrengt, je schwerer das Geschoss ist. Die .Schwierigkeit, ein wirksames und beweg- liches Feldgeschütz herzustellen, liegt weit mehr in der Laffete als im Kohr. Wir halten aber ein Geschütz mit grösserem Geschossgewicht, wenn auch geringerer v„, für das wirksamere und würden uns zu einer Herab- setzung des Gesehossgewichtes nur dann verstehen können, wenn sich heraussteilen sollte, dass mit diesem Geschossgewicht das Geschütz nicht mehr die erforderliche Beweglichkeit erreichen sollte.

Nach Feststellung des Geschossgewichts und der Anfangsgeschwindig- keit handelt es sich um die Ermittelung des Kalibers. Dieses hängt, von der dem Geschoss zu gebendem Querdichte (Querschnittsbelastung) ab. Je grösser die Querdichte, um so leichter wird der Luftwiderstand überwunden; andererseits aber wird bei grosser Querdichte die Verwerthung des Ge- schosses, d. h. das Verhältniss zwischen seinem Gewicht und dem der Kugelfüllung geringer, sowie auch der Gasdruck im Geschützrohr grösser.

Bei den eingeführten Geschützen beträgt die absolute Querdichte Geschossgewicht getheilt durch den Querschnitt) durchschnittlich 128 g auf das Quadratcentimeter des Querschnittes; die relative Querdichte Geschossgc wicht getheilt durch das Gewicht einer kalibergleichen eisernen Vollkugel) etwa

*) Absolute und relative Querdichte stehen in einem engen Zusammenhang, so dass die eine durch die andere ausgedrückt werden kann. Bezeichnen P das Geschoss- gewieht. e das Kaliber. Q die absolute, K die relative Querdichte, so ist, da die

P P

Dichtigkeit des Eisens 7 betrügt : Q = ,, und K _ , .

c* a/4 i e3 ji/(l

P P

Mithin verhält sieh Q : K «= -= , woraus folgt

c-S.a/4 7*c3n/ll

Q 4,C7 c K und K

0,2144 Q

c

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12 Da« moderne Feldgeschütz.

Unter die absolute Querdiehte von 128 g wird man keinesfalls gehen, um nicht, einen ballistischen Rückschritt zu machen; da aber das Geschoss- gewicht herabgesetzt ist, muss die relative Querdichte steigen. Wollte man sich mit einer Querdiehte von 130 g begnügen, so müsste man für das 6,85 kg schwere Geschoss das Kaliber von 8,2 cm annehmen, wobei sich die relative Querdichte auf 3,40 stellen würde. Thatsächlieh aber ist der Technik die Herstellung von 4, ja 4,5 kugolschweron Geschossen ge- lungen, ohne dass sich Nachtheile bemerkbar gemacht hätten. Setzt man die relative Querdichte auf 4,0 fest, so erhält man ein Kaliber von 7,76 cm und eine absolute Querdichte von 145 kg. (Für ein 6,5 kg schweres Ge- schoss würde sich bei gleicher relativer Querdichte ein Kaliber von 7,6 cm und eine absolute Querdichte von 145 g, für ein 7,2 kg schweres Geschoss ein Kaliber von 7,9 cm und eine Querdichte von 147 g ergeben.)

Thatsächlieh ist eine ganze Reihe von Geschützen vorhanden, die bei einem Kaliber von 7,5 cm ein Geschossgewicht von 6,5 kg, also ein 4,20 kugelschweres Geschoss, haben. Da bei diesen Geschützen V. gleich oder grösser als 500 m ist, so ist die hohe Querdiehte durchaus gerechtfertigt-.

Vor der Konstruktion des Rohrs ist noch der zulässig höchste Gas- druck festzustellen, dessen Höhe von der Qualität des Stahls, von der Konstruktion des Rohrs und des Geschosses abhängt. Handelte es sieh lediglich um da» Geschütz" oh r, so dürfte man bei der üblichen künstlichen Metallkonstruktion mit einem Druck von etwa 2400 Atmosphären (1 Atmo- sphäre gleich dem Druck von 1 kg auf 1 qcm der Fläche) rechnen; Long- ridge glaubt bei seinen Drahtkanonen sogar bis auf 3000 und mehr Atmosphären gehen zu dürfen. Mit Rücksicht auf Geschoss und Zünder halten wir einen Gasdruck von mehr als 2200 Atmosphären nicht für erwünscht.

Bei gegebener Arbeit hängt die Höhe des Gasdrucks namentlich von der Länge des vom Geschoss innerhalb des Rohrs zurückgelegten Weges ab. Das Rohr wird nicht wesentlich länger als das Feldgeschütz c/73, d. li. 2,1 m werden dürfen, weil eine grössere Länge, zumal bei der aus gewissen Gründen uothwendigen niedrigen Feuerhöhe die Fahrbarkeit des Geschützes in unebenem Gelände beeinträchtigen würde. Wir nehmen die Länge des Rohrs zu 2,2 m an; der vom Geschossboden im Rohr zurück- gelegte Weg ist um die Länge des Verbrennungsraums und des Verschlusses kürzer.

Die Länge des Verbrennungsraums wird bestimmt, durch dessen Durch- messer, durch die Grösse der Ladung und die Ladedichte. Die Grösse der Ladung hängt, ab von der Vcrwerthung des Dalvers. Das Schwarz- pulver lieferte pro 1 kg eine Arbeit von rund 50 mt, das Blättehenpnlver eine solche von etwa 115 bis 120, das Würfelpulver von 150 mt. Für die verlangte Arbeit von 80 mt sind mithin etwa 0,67 kg Blättchen- pulver oder 0,53 kg Würfelpulver nöthig; der Unterschied ist nicht gross. Nehmen wir den mittleren Werth von 0,60 kg an, so ergiebt sich die Grösse des Verbrennungsraums, eine Ladedichte von 0,45 g Pulver auf 1 ccm des Verbrennungsraums angenommen, die sich bei Versuchen als zweckmässig herausgestellt hat, zu 1320 ccm. Nehmen wir den Durch- messer des Verbrennungsraums zu 8,0 cm, 2,4 mm grösser als das Kaliber, so erhalten wir für seine Länge 26 cm. Das ist eine zweckmässige Länge, die noch unter der zulässig höchsten, nämlich der des vierfachen Durch- messers, bleibt. Rechnet man auf den Verschluss 34 cm, so bleibt für den vom Geschossboden innerhalb des Rohrs zurückzulegenden Weg eine Länge von 2,2 0,6 oder 1,6 m.

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Das moderne Feldgeschütz.

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Zur Hervorbringung der verlangten K von 80 000 in kg ist ein mittlerer Druck auf den Geschossboden von 80 000 : 1 ,6 oder 50 000 kg nöthig. (Von dem zur Ueberwiiulung der Widerstände Einschneiden der Felder in das Führungsband, Reibung, Geschossdrehung etc. ist abgesehen.) Das Geschoss hat bei einem Kaliber von 7,76 em eine Hodenfläehe von rund 47 qcm; hieraus ergiebt sich also ein Druck von 50 000:47 oder 1064 kg auf 1 qcm oder Atmosphären. Der höchste Gasdruck, dem Kohr und Geschoss Widerstand zu leisten haben, ist aber 1,5- bis 2mal so hoch ; dies hängt wesentlich von der Verbrennungsgesehwindigkeit des Pulvers und dem Widerstande, auf den die Anfangsbewegung des Ge- schosses stösst, ab. Selbst bei Annahme der höheren Zahl stellt sich der höchste Druck erst auf 2128 Atmosphären, bleibt also noch hinter dem zulässigen Maximum von 2200 Atmosphären zurück.*)

Bei vielen modernen Geschützen mitgrösserer Anfangsgeschwindigkeit und hoher relativerQuerdichte stellt sich der Gasdruck höher. DasDarmancier’sche Geschütz z. B. hat ein Kaliber von 7,5 cm, ein Geschoss von 6,5 kg (4,2 kugelschwer), eine V. = 600 m, also E= 119,3 mt. Das Rohr ist 2,7 m lang. Veranschlagt man den vom Geschoss iin Rohr zurückzu- legenden Weg auf 2,0 m, so ergiebt sich ein mittlerer Druck von 59 650 kg atif den Geschossboden als nöthig, um die verlangte Arbeit zu leisten. Dieser Druck vertheilt sich bei dem Kaliber von 7,5 cm auf eine Fläche von 44 qm; mithin errechnet sich der mittlere Druck auf 1353 Atmo- sphären und der höchste Druck je nachdem man diesen zum 1,5- oder 2,0 fachen des mittleren veranschlagt auf 2030 bezw. 2706 Atmosphären; bei Schiess versuchen wurde er im Mittel auf 2200 festgestellt, betrug also das 1,6 fache des mittleren. Wollte man das Rohr auf 2,2 m verkürzen, so würde man den ganz unzulässigen Druck von 2930 Atmosphären er- halten .

Hieraus geht zur Genüge hervor, wie schwierig die Herstellung eines Feldgeschützes mit ausreichendem Geschossgewicht, grosser Querdichte und grosser Anfangsgeschwindigkeit ist. Da man an eine bestimmte Rohr- länge gebunden ist, so lässt sich die zur Erreichung der verlangten Ge- schwindigkeit erforderliche Arbeit nur durch Erhöhung des Gasdrucks erreichen, der um so höher wird, je kleiner das Kaliber ist. Ohne Herab- setzung des Kalibers oder, was dasselbe sagt, ohne Erhöhung der Quer- dichte würde die Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit nur wenig Werth haben. Für die Küsten- und Schiffsartillerie ist man weder an eine be- stimmte Rohrlänge noch ein bestimmtes Gewicht gebunden, und da inan bei den Panzergeschossen auch einen hohen Gasdruck nicht zu scheuen braucht, so entfallen hier alle für das Feldgeschütz vorhandenen Schwierig- keiten; deshalb findet man bei den Küsten- und Schiffsgeschützen Anfangs- geschwindigkeiten von 800 m und mehr, während meines Wissens kein Feldgeschütz eine Geschwindigkeit von über 613 m aufzuweisen hat (vergl. Anlage Seite 23).

Wir geben nnserem Geschütz 24 bis 30 Züge von 0,7 bis 0,8 min Tiefe, 2 bis 3 mm breite Felder, 6 bis 7 mm breite Züge mit steigendem Drall, der bei der verhältnissmässig grossen Geschosslänge (4 Kaliber) an

*j Es ist leicht einzusehen, dass diese ballistische Is'istnng 80 mt au» einer 7,76 em Kanone erst durch Anwendung rauchlosen Pulvers möglich ist. Beim grobkörnigen Pulver stellt sieh der höchste Gasdruck heim Feldgeschütz c/78 auf das 2,7 fache des mittleren. Rechnet man auch nur mit dem 2.5 fachen, so würde man auf den ganz unzulässig hohen Druck \on 2660 Atmosphären kommen.

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Das moderne Feldgeschütz.

der Mündung beträgt. Das Geschoss wird dann auf 2 m eine Um- drehung, in der Sekunde also 240 Umdrehungen, machen.

Wir sind nunmehr in der Lage, eine abgekürzte Schusstafel zu er- rechnen. Um vorsichtig zu sein, wählen wir eine Luftwiderstandskonstante, welche zwar günstiger als die für das Feldgeschütz c/73, dagegen un- günstiger als für das französische 90 mm Feldgeschütz ist. Die Rechnung ist mit Hülfe der -leicht fasslichen Methode von Braccialini ausgeftihrt und der n -Werth zu 900 angenommen. Zum Vergleich fügen wir die den deutschen bezw. französischen Schusstafeln entnommenen Werthe an.

Zusammenstellung 1.

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10»/is°

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Ks ist zu bemerken, dass bei den Erhöhungen des deutschen und französischen Geschützes der * Abgangsfehler von etwa •"’/ is° noch zu- addirt werden muss, wenn man sie mit denen des Entwurfgeschützes vergleichen will. Aus dieser Zusammenstellung erhellt, dass das Entwurf- geschütz nicht nur dem deutschen, sondern auch dem sehr viel günstigere Verhältnisse aufweisenden französischen Geschütz ballistisch überlegen ist.

Die anderweitige Einrichtung des Kohrs Verschluss, Visireinrich- tung wird weiter unten besprochen werden.

Ich verweise auf die in Anlage 1 gebrachte Zusammenstellung über in den Privatfabriken hergestellte Schnellfeuergeschützc, welche zeigt, wie verschieden die Privatfabriken die Lösung der Frage auffassten, und dass dieselben mehr auf Erreichung einer hohen Anfangsgeschwindigkeit als auf ein schweres Geschoss bedacht waren. Sämmtliche Geschütze weisen eine grössere Anfangsgeschwindigkeit, alle ein kleineres Geschoss- gewicht auf. Es mag noch bemerkt werden, dass, wenn die Fabriken zwei Typen (schwer und leicht) entworfen haben, nur das schw-erere als das wirksamere berücksichtigt worden ist. Die Reihenfolge der Geschütze ist, von dem Entwurf gesell titz abgesehen, nach der Grösse der Geschossarbeit an der Mündung festgesetzt. Es sind nur solche Geschütze aufgenommen, die das Feldgeschütz c/73 an Grösse der geleisteten Arbeit erreichen oder übertreffen.

Der eigentliche Träger der Wirkung ist das Geschoss und daher dessen Einrichtung von gleicher, wenn nicht höherer Bedeutung als die des Rohres. Das Hauptgeschoss, ja vielleicht das einzige der modernen Feldgeschütze ist das Schrapnel.

Je nach der Lagerung der Sprengladung unterscheidet man bekannt-

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I>nx moderne Feldgeschütz.

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lieh Röhren-, Bodenkummer- und Kopfkammerschrapnels. Die Röhren- sehrapnels enthalten die grösste Zahl von Kugeln; aber diese breiten sieh vom Sprengpunkt ab am weitesten aus, weil sie durch die Sprengladung eine senkrecht auf die Gosehossaehsc gerichtete Geschwindigkeit erhalten. Bei den bisherigen Sehrapnels von verhältnissmässig geringer Länge ge- nügte ein geringer Drall, um eine ausreichende Umdrehungsgeschwindigkeit hervorzubringen; infolgedessen erzeugte die tangentiale Geschwindigkeit der Kugeln noch keine genügende Ausbreitung derselben. Die Lagerung der Sprengladung in der Geschossachse war daher nicht nur unschädlich, sondern geradezu vortheilhaft. Bei den modernen Geschützen mit Ge- schossen von grosser Länge ist der Drallwinkel und damit die Umdrehungs- geschwindigkeit der Geschosse so gewachsen, dass allein hierdurch eine genügende, ja vielleicht schon zu grosse Ausbreitung der Kugeln hervor- gerufen wird. Beim Sehrapnel c 91 z. B. ist die Umdrehungsgeschwindig- keit eines Punktes am Geschossmantcl nur etwa 28 m, bei unserem Entwnrfgesehiitz würde sie schon HO m,. also mehr als das Doppelte, betragen. Aus diesem Grunde wird man hier dem Bodenkammerschrapnel den Vorzug geben, weil die hinter der Kugelfüllung gelagerte Spreng- ladung den Kugeln einen Geschwindigkeitszuwachs ertheilt, der nicht nur die Stosskraft derselben erhöht, sondern auch auf das Zusammenhalten im Streukegel vortheilhaft einwirkt.

Die nächste Frage ist die nach dem Gewicht der einzelnen Kugel. Je grösser dies Gewicht, um so grösser wird die Stosskraft der einzelnen Kugel, aber um so kleiner zugleich ihre Anzahl. Das Gewicht der Schrapnelkugeln ist im Verlaufe der Zeit stets kleiner geworden; hei Ein- führung des Feldgeschützes c/78 betrug es 17 g, wurde 1882 auf Ul herab- gesetzt und beträgt beim Sehrapnel c 01 nur noch 11g; es liegt die Frage nahe, ob es noch weiter auf 10 g herabgesetzt werden kann.

Nach den in Deutschland herrschenden Ansichten wird für die 1 1 g schwere Kugel eine Geschwindigkeit von 120 m, d. h. eine Stosskraft von etwa 8 nikg für erforderlich gehalten, um lebende Wesen ausser Gefecht zu setzen. In Frankreich hat der Commandant Journee bei der Infanterie- schiessschule sehr eingehende Versuche in dieser Beziehung ausgeführt, auf Grund deren er zu dem Schluss kommt, dass die Kraft, welche noth- wendig ist, um ein lebendes Wesen kampfunfähig zu machen, in geradem Verhältnis zu dem Gewicht, desselben Mensch, Pferd) steht. Ansgedriiekt in Meterkilogramm müsste diese Kraft dem zehnten Theil des Gewichts, aus- gedrückt in Kilogramm entsprechen. Ist P das Gewicht des betreffenden Wesens in Kilogramm. K die erforderliche Kraft in Meterkilogramm, so muss K = 0,i P sein; also für einen Menschen etwa 8, für ein Pferd .'19 mkg. Es ist. das etwa das Doppelte der Kraft, die Langlois in seinem Buche »L'artillerie de Campagne etc. verlangt.

Wir gehen von der Stosskraft von 8 mkg aus und verlangen, dass die Wirkungstiefe des Sehrapnels, insofern sie durch die Stosskraft der Fiill- kugel begrenzt ist, mindestens dieselbe wie beim Sehrapnel c/91 bleibt. Ans Zusammenstellung 1 geht hervor, dass die Endgeschwindigkeit unseres Kntwurfschrapnels nicht unerheblich grösser ist als die des .Sehrapnels c/91. Den Geschwimligkeitsznwachs für die Kugeln des Bodenkammer- sehrapnels durch die Sprengladung veranschlagen wir zu ntir 50 m.

Nachstehende Zusammenstellung zeigt, wie sich die Geschwindigkeiten der Fiillkugeln des Sehrapnels c/91 und des Entwurfschrapnels im Spreng- punkt voraussichtlich stellen werden und wie gross hiernach die Wirkungs- tiefe d. h. die Entfernung vom Sprengpunkt, auf welche die Stosskraft der

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Das moderne Feldgeschütz.

Kugeln auf 8 mkg gesunken ist, beträgt und zwar bei dem Entwurfschrapnel für 11 und 10 g schwere Kugeln. Die Rechnung ist nach der »Ballistique extörieure« von Siacci ausgeführt; der n -Werth zu 2000, die Dichtigkeit des Hartbleies zu 0,5 angenommen.

Zusammenstellung 2.

Entfernung

Geschwindigkeit der Kugel im .Sprengpunkt

Wirkungstiefe des Schrapnels

c/91

Entwurf

c/91

Entwurf

mit Kugeln zu

m

ni

m

m

ii g

10 g

0

442

630

316

330

310

1000

310

419

279

300

288

2000

268

365

240

293

271

3000

283

323

200

280

261

4000

205

299

166

260

246

Aus dieser Tabelle geht hervor, dass bei der 11g schweren Kugel durch die günstigeren ballistischen Verhältnisse des Entwurfgeschosses die Tiefenwirkung im Vergleich zum Schrapnel e/91 auf allen Entfernungen, namentlich aber auf den weiteren, vergrössert wird, dass dies selbst für die 10 g schwere Kugel gilt, mit Ausnahme der allerkleinsten Entfernungen, wo die Tiefenwirkung um eine Kleinigkeit hinter der 1 1 g schweren Kugel des Schrapnels c/91 zurückbleibt. Vergrössert man die Dichtig- keit des Hartbleies, was angängig erscheint, so erhöht sich die Wirkungs- tiefe noch etwas, und dann mag eine 10 g schwere Kugel vielleicht zulässig sein.

Es ist nun zu erwägen, durch welche Mittel die Kugelfüllung mög- lichst gross gemacht werden kann, und wie hoch sich die Zahl der Kugeln stellen wird. Die ältesten gusseisernen Bodenkammerschrapnels hatten eine nur kleine Höhlung, daher auch eine geringe Kugelfüllung. Bei dem leichten russischen Schrapnel (Hartbleikugeln) z. B. betrug das Gewicht der Füllung nur 27 pCt. des Geschossgewichts, beim schweren Schrapnel (Bleikugeln) 30 pCt. Durch Annahme des Stahls als Material für das Ge- schoss wuchs die innere Höhlung; die Zahl der Füllkugeln wurde um 20 pCt. grösser, die Verwerthung des Geschosses stieg von 27 auf 30 pCt. Bei neueren Geschützen mit steigendem Drall fällt am Geschoss der vordere Führungsring fort; infolgedessen konnte die Wandstärke der Geschosse herabgesetzt, die Höhlung also noch grösser werden. Damit stieg die Verwerthung des Geschossgewichts auf 37 bis 42 pCt. Boi einem 6,85 kg schweren Schrapnel, das sich mit 42 pCt. seines Gewichts verwerthet, würde man 262 Kugeln ä 11 g oder 288 ä 10 g erhalten; bei Annahme der 11 g schweren Kugeln würde deren Zahl also hinter der des Schrapnels c/91 Zurückbleiben.

Ein über 42 pCt. des Gewichts hinausgehende Verwerthung des Ge- schosses ist aber keineswegs ausgeschlossen. Oberst z. D. v. Scheve hat z. B. im Militär-Wochenblatt Nr. 76/1896 »Geschoss und Kaliber eines neuen Feldgeschützes« nachzuweisen versucht, dass man bei zweckmässiger

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Du* moderne Feldgeschütz.

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Wahl der Kugeldurchinesser und Lagerung der Füllkugeln eine Verwerthung bis zu .50 pCt. erzielen könne. Dieselbe Verwerthung erreicht thateächlieh das Darmaneier’sche Schrapnel und zwar durch Abplattung der Füllkugeln an beiden Polen, welche eine engere Lagerung der in Schichten gepackten Kugeln ermöglicht. Ausserdem sind in der Geschosswand Ausschnitte für' die Kugeln angebracht, so dass die Wand im Allgemeinen schwächer ge- halten werden kann. Dadurch ist bei grosser Solidität des Geschosses dasselbe durchschlägt, ohne zu zerschellen, eine Mauer von 1 m Stärke eine grosse Höhlung erzeugt.

Bim der Verwerthung des Geschossgewichts zu 50 pCt. dürfte man bei dem t5,85kg schweren Geschoss auf 312 Kugeln von 11g oder auf 342 ä 10 g rechnen. Es bleibt zu bemerken, dass die Zahlen 10 und 11 g nur Näherungswerte bedeuten, da gerade, wenn inan den zur Verfügung stehenden Raum voll ausnutzen will, der Kugeldurchmesser, von dem das Gewicht abhängt, eine bestimmte Grösse erhalten muss. In jedem Fall verspricht das Geschoss eine dem Schrapnel c/91 überlegene Wirkung. Zur Erzeugung einer grossen Rauchwolke sind die Kugeln, wie beim Schrapnel c/91, iu ein Raucherzeugungsmittel zu betten. Als Zünder em- pfiehlt sich das Prinzip des Doppelzünders c 91; nur wäre eine Nullstellung erwünscht.

Wir wollen versuchen, ein wenigstens annähernd zutreffendes und jedenfalls zu Vergleichen geeignetes Bild von der Wirkung des Schrapnel- schusses zu gewinnen. Zunächst müssen wir uns klar über die wünschens- werte Grösse des Kegelwinkels werden. Bis zu einem gewissen Grade hat man die denselben bestimmenden Umstände in der Hand. Der Kegel- winkel soll so gross sein, dass auf der Entfernung von 2000 m die Aus- breitung des Streukegels bei der normalen Sprengweite, die wir mit. Rück- sicht auf die Streuung der Zünder auf 50 m bestimmen, etwas mehr als der normale Geschützzwischenraum beträgt, damit es nicht Vorkommen kann, dass bei richtiger Sprengweite und -höhe infolge schlechter Seiten- richtung die Wirkung ganz verloren geht. Wir brauchen, um dieser Bedingung zu genügen, auf 2000 in einen Kegelwinkel von rund 19°. Unter der Annahme, dass der Geschwindigkeitszuwachs der Kugeln durch die Sprengladung etwa 50 m beträgt, würden folgende Kegelwinkel zu er- warten sein: auf der Entfernung

0

. . 13°

1000

ni

. . 16

2000

in

. . 19

3000

m .

. . 21

4000

m .

. . 22*/4

Zusammenstellung 3 enthält die sich aus den Kegelwinkeln, Fall- winkeln, Kugelzahl ergebenden wahrscheinlich zu erwartendenTreffergebnisse gegen eine breite Scheibenwand von 1 m Höhe, getheilt in »Mannsbreiten« ä 0,6 m Breite. Des Vergleichs halber geben wir auch die nach derselben Methode errechneten Trefferzahlen u. s. w. für das deutsche Feldgeschütz c/73 mit Schrapnel c/91, für das französische 90 mm obus ü mitraille und das in der Denkschrift Grundzüge eines neuen Materials für die schweizerische Artillerie« skizzirte Schrapnel von 7,5 cm Kaliber, 5,8 kg Gewicht und 500 m Anfangsgeschwindigkeit.

Kriffrstechniscbc Zoitnrhrift. 1. Heft*

2

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Das moderne Feldgeschütz.

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10

1,364 (1,500)

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16,9 (10,7)

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21

1,166 (1,272)

18,6

21,2 (23,3)

15,4 (16,4

3,09 (3,40) 170 (178)

4000

2212

1,021 (1,123'

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174

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1,017

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162

Schweiz'

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165

Di»* Kojfel- winknl sind j der Koro»- i d'utUlerie 1 Hand 50

j Seit« 27K cDtuorntm*n.

Kegelwinkel sind der Denkschrift .(rrandxflg»' eines neuen Materials für die schweize- rische Artillerie“ entnommen.

Die vorstehende Zusammenstellung ist errechnet nach den in der i Schics» lehre für die Feldartillerie«*) entwickelten Formeln. Sie zeigt, dass das Entwurfgeschütz den mächtigsten der eingeführten Feldgeschütze, als deren Repräsentanten das deutsehe und französische Geschütz angesehen

*; H. Hohne. General tnujor. 1895. Vorhin von Ernst Siegfried Mittler und Sohn. Königliehe llofbnchlianillung.

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Das moderne Feldgeschütz.

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werden dürfen, nach jeder Richtung hin überlegen ist. Man wird viel- leicht erstaunt sein, dass diese Ueberlegenheit so gerinfügig ist, und darauf hinweisen, dass das schweizerische Entwurfgeschütz fast dasselbe», aber mit geringeren Mitteln erreicht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es ein Leichtes gewesen wäre, die Zahlen in Spalte .‘1, 5, 6, 7 und 8 zu steigern; es wäre nur die Wahl eines kleineren Kegelwinkels, der sehr leicht zu haben wäre, nöthig gewesen. Man würde dann allerdings, wenn man richtig eingeschossen wäre, die Wirkung noch erheblich gesteigert haben. Ich bin aber der Meinung, dass es nicht darauf ati- koimncn kann, diese Wirkung noch besonders zu steigern, da ich sie für mehr als ausreichend ansehe, sondern dass es darauf ankoinmt, auch dann noch eine genügende Wirkung zu haben, wenn Fehler in der Seiten- richtung oder beim Einschiessen Vorkommen. Deshalb habe ich mich für einen Kegelwinkel ausgesprochen, der erheblich grösser ist als bei dem französischen Geschütz. Dieser grössere Kegelwinkel gewährleistet auf den grösseren Entfernungen eine genügende Wirkung, wenn die Sprengweiten grösser oder die Sprunghöhen kleiner als die normalen werden. Bekannt- lich nimmt die Wirkungstiefe des Schrapnels von derjenigen Entfernung an, anf der der halbe Kegelwinkel dem Fallwinkel gleich ist, sehr schnell ab, weil von da an selbst die obersten Kugeln des Streukegels eine ab- wärts gerichtete Flugbahn vom Sprengpunkt ab einschlagen. Das ist bei dem Entwurfgeschütz auf etwa 3-100 m der Fall;*) bei dem französischen Geschütz liegt diese Grenze trotz des kleinen Fallwinkels auf 2000 m, weil der Kegelwinkel zu klein ist; bei dem deutschen Feldgeschütz liegt sie trotz des grossen Kegelwinkels auf 3000 m, weil der Fallwinkel sehr gross ist. Auch bei dem schweizerischen Entwurfgeschütz liegt er auf 3000 m. Da der Artilleriekampf sich wahrscheinlich auf den Entfernungen zwischen 2500 und 3500 m abspielen wird, so ist es in der That von grosser Bedeutung, gerade auf diesen Entfernungen für eine grosse Tiefen- wirkung zu sorgen. Ich glaube daher, dass für die ballistischen Verhält- nisse des Entwurfgeschützes der Kegelwinkel gerade glücklich gewählt ist.

Die Ueberlegenheit dos Entwurfgeschützes über das Feldgeschütz c/7,3, welche auf 3000 m bei 11g schweren Kugeln und normaler Sprungweite nur etwa 21 pCt. beträgt, wächst erheblich, sobald die Sprengweiten grösser werden. Nach der Schiesslehre« S. 85 erhält man mit dem Schrapnel c/91 anf der Entfernung 3000 m bei einer Sprungweite von

50 100 150 200 250 in

17,5 7,35 4,1 2,4 1,4 Treffer

gegen eine breite Scheibe von 1 m Höhe. Rechnet man nach derselben Methode für das Entwnrfgeschütz, so erhält man für

50 100 150 200 250 m Sprengweite

21,2 0,5 5,5 3,6 2,5 Treffer

d. h. setzt man die Wirkung des Schrapnels c/91 gleich 1, so ist die des Entwurfgeschützes bei der Sprungweite von 50, 100, 150 m u. s. w. 1,21, 1,29, 1,34, 1,50, 1,78 mal so gross als jene. Man sieht, die Ueberlegen- heit wächst mit den Fehlern, die beim Einschiessen gemacht sind. Bei 10 g schweren Kugeln steigt die Ueberlegenheit sogar auf das 1,33- bezw. 1,42-, 1,47-, 1,65-, 1, Obfache.

Was das schweizerische Entwurfgeschütz betrifft, so ist seine in 8p. 7 ersichtliche hohe Verwerthung des Geschossgewichts nicht allein die Folge

*) Wäre mit der Luftwiderstandskonstanten der französischen Geschosse gerechnet, so rückte diese Entfernung noch weiter hinaus.

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I>ns moderne Feldgeschütz.

der kleinen Kegelwinkel, sondern sie ist auch darin begründet, dass für das nur 5,8 kg schwere Geschoss das Gewicht der (263) FiiUkugelu auf 2,9 kg, also 50 pCt., wie bei meinem Entwurfgeschütz angenommen ist.

Ich habe mieh bei meiner Annahme darauf gestützt, dass das 6,5 kg schwere Schrapnel des Darmancier’schen Geschützes sich mit 50 pCt. seines Gewichtes verwerthet. Man darf, wenn eine solche Verwerthung wirklich erreicht ist, unbedingt, erwarten, dass sie bei einem schwereren Geschoss ebenfalls erreicht wird ; zweifelhaft aber ist, ob das auch bei einem leichteren zutrifft. Zünder und Roden werden in beiden Fällen genau dasselbe wiegen ; für die Füllkugeln bleibt also nur ein geringeres Gewicht übrig.

Der Vergleich mit dem in der 1894 veröffentlichten Studie über den Schrapnelschuss der Feldartillerie «*) skizzirten »Geschütz mit ausreichender Wirkung und möglichst hoher Beweglichkeit« zeigt, dass das vorstehend entworfene Geschütz jenem sehr ähnlich ist, es aber sowohl in Bezug auf Wirkung als auch an Beweglichkeit etwas übertrifft. Bei gleicher Anfangs- geschwindigkeit und sogar grösserer Rasanz sind doch die Kegelwinkel durchweg etwas grösser gewählt. Das ist in dem Fortschritt der Ge- schosskonstruktion begründet. Dort war von einem Schrapnel mit nur 261, hier von einem solchen mit 312 Kugeln ausgegangen; die grössere Kugelzahl gestattet, um bei normaler Sprengweite eine bestimmte Trefferzahl zu erhalten, die Annahme eines offeneren Strenkegels, der die oben anseinandergesetzten Vortheile für die Tiefenwirkung auf weiten Ent- fernungen gewährt.

Das Geschütz neben dem Schrapnel noch mit einer Spreuggranate ausznstatten, scheint nicht zweckmässig. Das Zukunftsgeschütz wird unter allen Umständen in höherem Maasse als das bisherige den Charakter eines Flachbahngeschützes geringes Geschossgewicht, grosse Endgeschwindig- keit, kleiner Fallwinkel tragen. Deshalb würde seine Sprenggranate der bisherigen jedenfalls an Wirkung nachstehen. Die Wirkung des Feld- geschützes c/73 gegen gedeckt«' Ziele ist aber so geringfügig, dass man bei noch weiterer Verminderung der Wirkung besser ganz darauf verzichtet und die Bekämpfung solcher Ziele auf anderem Wege versuchl».

In Bezug auf die Kartätsche wird in der Fachlitteratur meist die Abschaffung verlangt und damit begründet, dass sie nur selten gebraucht worden sei in den letzten Kriegen, dass ihre Wirkung nicht genüge und von der des Schrapnels übertroffen werde. Die Frage hat also ihre taktische und ihre technische Seite. Die erstere kann an dieser Stelle, in einer der Technik gewidmeten Zeitschrift, nur gestreift werden. In den letzten Kriegen ist die Kartätsche in der That nur sehr selten gebraucht, fast so selten wie das Bajonett der Infanterie. Bis jetzt ist es aber noch Niemand eingefallen, die gänzliche Abschaffung des Bajonetts zu verlangen. Die taktische Frage lautet richtiger: Bedarf die Feldartillerie eines wirksamen Schusses gegen Nahangriff oder kann sie eines solchen wegen der seltenen Fälle, in denen sie in die Lage kommt, davon Gebrauch zu machen, ent- rathen? Wird die erste Frage bejaht, wie wir es thnn. dann tritt die technische Seite der Frage in den Vordergrund: Soll zur Abwehr des Nah- angriffs das Schrapnel oder die Kartätsche dienen? Ich bin unbedingt für das Schrapnel, wenn es einen vollwerthigen Ersatz für die Kar- tätsche bietet.. Dazu gehört, dass das Schrapnel durch einen Brenn- zünder dicht vor der Mündung zum Springen gebracht wird und dessen Kugeln eine ausreichende Stosskraft bis mindestens 350 m haben. Das ist

*, Verlsg von Emst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hnflinvliluindlung.

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I>as moderne Feldgeschütz.

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keine willkürliche, .sondern eine in der Natur der Dinge durchaus begründete Forderung. Bei einem nicht dicht vor der Mündung krepironden Schrapnel müsste das Geschoss gerade auf den nächsten Entfernungen mit Aufschlag verfeuert werden, wodurch es sehr durch Riehtfehler in der Wirkung beeinträchtigt werden kann. Ausserdem würde seine Tiefenwirkung nur sehr gering sein wegen des Geschwindigkeitsverlustes und der vom Auf- schlag ab nach aufwärts gerichteten Bahn der Füllkugeln. Bis mindestens 350 m verlangen wir eine Tiefenwirkung der Nullstellung, weil die erste Einstellung des Brennzünders erst auf 300 m möglich ist und andernfalls ein geringfügiger Fehler beim Entfernungsschätzen einen völligen Miss- erfolg herbeiführen könnte.

Nun geht aus der Zusammenstellung 2 hervor, dass die Stosskraft <ler 11g schweren Kugel nur bis 330 m ausreicht, um einen Menschen ausser Gefecht zu setzen. Nahangriffe, bei denen die Kartätsche in Frage kommt, drohen der Artillerie aber mehr von der Kavallerie als von der Infanterie. Es kann also die Frage nicht umgangen werden: Wie weit reicht die Stosskraft der Schrapnelkugel aus, um ein Pferd ausser Gefecht zn setzen; denn dass dazu mehr gehört als für einen Menschen, ist ein- leuchtend. Langlois, der sich, wenn es sich um Menschen handelt, mit einer Stosskraft von nur 4 mkg begnügt, fordert gleichwohl eine Ge- schwindigkeit von 1 75 m für die 11g schwere Kugel, also eine Stosskraft von 19 mkg, um Werde ausser Gefecht zn setzen. Das würde bei einem dicht vor der Mündung krepirenden Schrapnel (Geschwindigkeit der Kugeln 530 m) eine Wirkungstiefe von 203 m ergeben.*) .Tournee, von dem bereits oben die Rede war, ist. der Meinung, dass diese Geschwindigkeit, von 175 m wohl ausreiche, um die Haut zu zerreissen und einige Centi- meter in Fleischtheile einzndringen, dass aber dadurch fast niemals ein Pferd gefechtsunfähig gemacht, würde. Er verlangt für die 11g schwere Kugel eine Minimalgeschwindigkeit von 264 m oder 39 mkg Stosskraft (Revue d’artillerie Bd. 50, S. 267). Hiernach würde die 11g schwere Kugel nur bis auf etwa 80 in von der Mündung -genügen**) und somit das Schrapnel durchaus ungeeignet sein zur Abwehr eines Kavallerie- angriffs.

Es fragt sich nun, ob die Kartätsche mehr dazu geeignet ist. Seit Einführung der gezogenen Geschütze hat diese Schussart sehr an Ansehen eingebüsst. Die ersten gezogenen Geschütze hatten, wenigstens bei den Hinterladern, eine sehr kleine Ladung und darum schon einen schwächeren Kartätschschuss als die glatten Vorderlader. Dazu kam, dass man die Kugeln aus dem weicheren, aber auch leichteren Zink anstatt Schmiede- eisen machte (Dichtigkeit 7,2 bezw. 7,8). Mit Einführung des Materials c/73 steigert sich zwar die Wirkung der Kartätsche, aber obwohl sie die der glatten Feldgeschütze erreichte, ja vielleicht übertraf, blieb sie doch hinter der durch das Schrapnel erreichten weit zurück, wenn dieses eine annähernd richtige Sprengweite hatte. Nach Annahme des rauchschwachen Pulvers sank die Wirkung des Kartätschschusses wiederum, weil cs beim Feldgeschütz c/73 nicht gelang, den Kugeln die mit Schwarz- pulver erreichte Anfangsgeschwindigkeit zu gebeu. In der That ist der Kartätschschuss des deutschen Feldgeschützes sehr minderwerthig, der

* Langlois berechnet ilii- Wirkungstiefe für Vo = 500 m zu 257 m, also höher; er setzt aber die Dichte des Hartbleis = 10,6.

* * ln der Revue därtillerie ist die Wirkungstiefe für Vo - 400 m auf 87 in, also auch höher berechnet: der I ; rund ist der bereit» angegebne.

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Das moderne Feldgeschütz.

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schlechtest« aller Feldgeschütze : er hat zu wenig Kugeln, diese sind von zu grossem Gewicht und zu geringer Geschwindigkeit; es liegt aber durch- aus kein Grund vor, anzunehmen, dass das bei einein neuen Geschütz nicht besser werden könnte. Ich bin der Meinung, die Kartätsche darf, wie es bei den glatten Geschützen war, schwerer als die Granate etc. sein. Bei einem Gewicht von 7,8 kg wird man ohne Schwierigkeit eine Füllung von 125 Kugeln ä 44 g erhalten. Gelingt es, die Anfangsgeschwindigkeit anf 400 m zu bringen, so haben die Kugeln auf etwa 415 in vor der Mündung noch eine Geschwindigkeit von 152, welche erforderlich ist, um eine Stosskraft von 39 mkg hervorzubringen. Zweifellos wird nur ein sehr geringer Tlieil der Kugeln mit dem ersten Aufschlag eine Flugweite von 400 m erreichen, aber sicher ist, dass die Stosskraft der Kartätschkugeln weit geeigneter zur Abwehr eines Kavallerieangriffs ist als die der Schrapnel kugel n .

Dass der Kartätschschuss der gezogenen Geschütze dem der glatten durchaus nicht nachsteht, geht aus wirklich erreichten Treffresultaten her- vor. Nach österreichischen Versuchen erhielt man auf 600 Schritt >450 m bei einem Versuch gegen eine 2,7 m hohe, 36 m breite Scheibenwand mit dem 9 cm 16,0, ein anderes Mal 24,0 Treffer, welche die Scheiben wand durch- schlagen haben; nach Scharnhorst kann man auf der gleichen Entfernung mit dem 6 Pfänder, der dem 9 cm Geschütz im Kaliber ungefähr gleich steht, gegen eine 6 Fuss hohe, sehr breite Scheibe auf 10 Treffer reclmen; das würde gegen eine 2,7 m hohe Scheibe also 15 ergeben. Dabei ist zu bemerken, dass hier nicht alle Kugeln die Bretterwand durchschlagen hatten. Von einer Ueberlegenheit des glatten Geschützes kann also füg- lich keine Rede mehr sein.

Die Frage liegt nahe, wie man den Kartätschkugeln mit dem rauch - schwachen Pulver die erforderliche Geschwindigkeit ertheilen kann. Beim Feldgeschütz c/73 scheiterte dies daran, dass es nicht möglich war, eine so hohe Ladedichtc anzuwenden, wie sie zur schnellen Verbrennung des Pulvers und Erzeugung eines hohen Gasdruckes erforderlich wäre. Man konnte die Kartusche nicht verkürzen und daher auch den kupfernen Ab- dichtungsring der Kartätsche nicht weiter nach vorn anbringen, wodurch der Verbrennungsraum verkürzt worden wäre. Bei Neukonstruktion des Geschützes hindert aber nichts, so zu verfahren; sicherlich würde man dadurch eine höhere Anfangsgeschwindigkeit erzielen. Sollte die erreichte Wirkung auch dann noch nicht befriedigen dass sie die des mit Null- stellung verfeuerten Schrapnels auf 300 m übertreffen würde, bezweifle ich keinen Augenblick , dann kann man immer noch die vom General Wille in seinem Zukunftsgeschütz der Feldartilleric vorgeschlagene Kartätsch- konstruktion versuchen.

In der Anlage sind die höchsten Zahlen jeder Nummer fett gedruckt, die niedrigsten mit schrägen Ziffern. Es geht daraus hervor, dass das Entwurfgeschütz niemals besonders hohe Anforderungen an die Technik stellt (abgesehen von der hohen Verwerthung des Geschosses in Bezug auf die Kugelfüllung), mehrfach aber die geringsten, so dass man mit .Sicher- heit annehmen darf, dass die dem Geschütz abverlangtc Leistung erreicht werden wird, vorausgesetzt allerdings immer, dass die Angaben der Privat- fabriken zuverlässig sind und die Geschütze sich bei Versuchen bewährt haben.

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Technisches /.um Rallougport.

Technisches zum Ballonsport.

Der Deutsche Verein zur Förderung der Luftschifffahrt in Berlin ist aus den früheren theoretischen Erörterungen seit einigen Monaten zu Thaten übergegangen. Mit der dankenswerthen Unterstützung der »Sport- parkgesellsehaft Friedenau hat er Sportballonfahrten ins Leben gerufen, die es ermöglichen, dass auch Offiziere, die nicht der Militär-Luftschiffer- Abtheilung angehören, des Genusses einer Ballon-Freifahrt um nicht zu hohe Kosten theilhaftig werden. Wir empfehlen die Theilnalune an diesen Sportfahrten aufs Wärmste. Es handelt sieh dabei für den Offizier nicht nur um das sjiortliche Vergnügen; er wird dabei auch etwas lernen, das ira Kriege ohne dass er es jetzt denkt plötzlich von Nutzen sein kann. Ein Ballon ist verhältnissmässig leicht und schnell zu erbauen. Es ist meine unumstössliche Ueberzeugung. dass das Bedürfniss nach der Ausnutzung von Freiballons im nächsten Kriege um so mehr hervortreten wird, je mehr Offiziere cs giebt, die mit dem Ballon vertraut sind, die wissen, was er leisten kann, die ihn zu führen verstehen.

Die Frage des Ballonfahrens ist mit der Lösung vieler rein technischer Fragen eng verknüpft. Wer einmal im Ballonkorbe verweilt hat, der weiss, wie in einsamer Höhe, in der lautlosen Stille des Himmels, wo man völlig auf sich allein angewiesen ist, die kleinen technischen Fragen an Bedeutung gewinnen. Von ihrer richtigen Erkenntniss hängt die Sicherheit der Ballonführung nicht zum mindesten ab. Diese Erkenntniss beugt falschen und fruchtlosen Maassregeln vor, sie drängt unbewusst den Ballonführer zum Handeln zu richtiger Zeit und mit richtigen Mitteln.

In zwangloser Reihenfolge einige dieser Fragen technisch zu beleuchten, sei mir daher gestattet. Ich hoffe, dass ich wenigstens von denen, die schon im Ballon waren, Zustimmung oder wenigstens Widerspruch finde. Beides ist ein Zeichen dafür, dass meine Abhandlung trotz einiger mathe- matischer Zeichen gelesen ist und das sagt schon viel.

Ein Kugelballon, der nicht ganz voll gefüllt war, war mit Insassen und Ballast so beschwert, dass er dicht über dem Boden sich im G leich- gewicht hielt. Zur Abfahrt wird wenig Ballast ausgeworfen. Der Ballon beginnt zu steigen. Wann wird der Ballon aufhören zu steigen und seine Gleichgewichtslage wieder erreichen? Die Einen behaupten, er steigt so lange, bis das Gas im Ballon sich so ausgedehnt hat, dass die Ballonhülle voll ausgefüllt ist, die Anderen, er kommt eher wieder in die Gleich- gewichtslage.

Diese Frage mag heute untersucht werden.

Als der Ballon im Gleichgewicht dicht über der Erde war, lag der Fall genau so, als wenn ein Körper im Wasser (nicht auf dem Wasser' schwimmt, d. h. das Gewicht des Ballons mit Allem, was drum und dran hängt, war genau so gross wie das Gewicht der durch den Ballon ver- drängten Luftmenge (des Luftvolumens).

Das Gewicht des Ballons setzt sich zusammen aus dem Gewicht der festen Theile desselben (den eingenommenen Ballast und die Mitfahrenden eingesehlossen) und dem Gewicht der Gasfttllung des Ballons. Ersteros sei F, letzteres G kg. Wenn also die verdrängte Luft L F + G kg wiegt, so ist der Ballon im Gleichgewicht. Das ist einfach; cs ist auch noch einfach, einzusehen, dass das Gewicht der festen Ballontheile F un- verändert bleibt, gleichgültig in welcher Höhe der Ballon steht. Dabei muss man natürlich von den geringen Unterschieden absehen, die die

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Technisches zum DaUons)H>rt.

Schwerkraft zeigt, wenn inan sich weiter von der Erdoberfläche entfernt. Unter der gleichen Voraussetzung bleibt auch das Gewicht G der Gas- füllung des Ballons in allen Höhenlagen unverändert, einerlei ob das Gas sieh mehr zusammenzieht oder nusdehnt, wenn nur nichts aus dem Ballon entweicht. Etwas schwieriger ist, zu untersuchen, wie es mit dem Ge- wicht der verdrängten Luft steht. Nicht gleich bleibt sich in verschiedenen Höhenlagen die Raummenge der vom Ballon verdrängten Luft. Diese Menge V wird verdrängt durch die festen Theile des Ballons und durch den Raum, den das Gas einnimmt. Der erste Theil sei vi, der zweite vj, so dass V = vi + ist. vi ist in den verschiedenen Höhenlagen des Ballons unveränderlich, vs ändert sich aber, da das Ballongas sich in grösserer Höhe ausdehnt.

Das Ballongas kann und wird sich ausdehnen, einmal wenn das Gas durch äussere Einflüsse erwärmt wird, und zweitens wenn der Druck der den Ballon umgebenden Luft nachlässt. Von dem ersten, der Ausdehnung des Gases durch äussere Erwärmung, soll der einfacheren Betrachtung wegen abgesehen werden; es soll vielmehr angenommen werden, dass die Temperatur sich während der Zeit, während welcher wir den Ballon verfolgen, nicht ändert.

Der äussere Luftdruck ändert sich aber schnell mit zunehmender Steighöhe des Ballons. Er war es, der das Gas, als der Ballon unten war, auf ein bestimmtes Volumen beschränkte, so dass die Ballonhülle nicht voll war; er nimmt, wie aus dem im Ballon mitgeführten, beim Höhersteigen stets fallenden Barometer ersichtlich ist, mehr und mehr ab. Wenn der Luftdruck auf der Erde z. B. dem einer Quecksilbersäule von 7 6 cm entsprach . so entspricht er bei 2000 m Höhe nur noch dem einer

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Quecksilbersäule von 60 cm, ist also in dieser Höhe nur = rund 4/'s so

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gross wie unten.

Umgekehrt, wie der Druck abnimmt, nimmt der Raum, auf den das Gas sich ausdehnt, der oben durch vj bezeichnet wurde, zu. Bei halbem äusseren Luftdrucke beträgt der Raum des Gases das Doppelte, bei 4(s Luftdruck «las •’ i fache, <1. h. bei 2000 m Steighöhe hat das Gas sich um 1 i des ursprünglichen Raumes mehr ausgedehnt. Weil also das Ballongas in grösserer Hohe mehr Raum einnimmt als in geringerer Höhe, wird die Ballonhülle voller un«l voller un«l verdrängt eine grössere Raummenge Luft als unten. Die grössere Luftmenge in den höheren Schichten besteht aber aus dünnerer Luft als die kleinere Raummenge, die in den unteren Schichten verdrängt werden musste. Genau in demselben Maasse, wie die Luft oben einen grösseren Raum einnimmt, geschieht auch ihre Verdünnung. Ihr Gewicht ist daher nicht grösser als das Gewicht der kleineren Menge unten ; ebenso wie die grössere Raummenge Gas im Ballon oben dasselbe Gewicht behält wie die kleinere Raummenge desselben Gases unten, ebenso hat die unter den gesehihlerten Vt'rhältnissen verdrängte grössere Raiunmenge dünnerer Luft dasselbe Gewicht wie die unten verdrängte kleinere Raummenge dichterer Luft.

Mit anderen Worten:

Wie hoch auch der Ballon stehen mag, er verdrängt in jeder Höhen- schicht eine verschie«lene Raummenge Luft; aber «liese Raummengen be- deuten überall gleiche Gewichtsmengen. Und ein Ballon, der so abgewogen (mit Ballast ausbalancirt) ist, dass er in irgend einer Höhe sich im Gleichgewicht befindet, würde in jeder Höhe im Gleichgewicht

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2(3 Bei üer mss. Arnue angcstellte Vcnjiiche zum relwnclimtrn ToiiWaw^rliiiifcn u. H. vr.

sein, in die man ihn durch äussere Mittel bringt, solange er kein Gas verliert. Man darf ihn aber nicht durch Ballastausschntten in eine andere Höhe bringen, denn dann stört man ja das Gleichgewicht in der ersten Höhenlage schon.

Thut man dieses, so ist damit das Gleichgewicht in jeder Höhenlage gestört, d. li. der Ballon steigt immer weiter und zwar so lange, bis das Gleichgewicht durch einen anderen Faktor wieder hergestellt wird. Dieser Faktor kann nur Verlust an Gasgewicht sein. Ein solcher tritt ein, wenn man durch das Ventil Gas entweichen lässt oder wenn von selber Gas entweicht. Das Letztere ist volle Gasdichtigkeit der Hülle voraus- gesetzt — der Fall, wenn das Gas in der Hülle sieh so weit ausgedehnt hat, dass es durch die untere Oeffnung (des Füllansatz es) entweicht. Zu einem solchen Entweichen ist aber nöthig, dass die Hülle vorher absolut voll war. Mithin steigt ein nicht ganz gefüllter Ballon, wenn man ihn aus der Gleichgewichtslage einmal durch Ballastausschütten ins Steigen gebracht hat so lange, bis er ganz voll ist und so viel Gas ausgestossen hat, wie dem ausgeschütteten Ballaste entspricht.

Die naheliegende Frage aber, in welcher Höhe ein Ballon, der auf der Erde nicht ganz gefüllt war, völlig von seinem Gase ausgefüllt sein wird, lässt sich leicht beantworten, wenn man beachtet, dass das Gas sich entsprechend der Abnahme des Luftdruckes ausdehnt. Man muss nur wissen, wieviel Kubikmeter Gas in den Ballon eingefüllt sind und wieviel Kubikmeter er fassen kann. lat ein Ballon halb gefüllt, so wird er voll in einer Höhe, in der der äussere Luftdruck Halb so gross ist als auf der Erde. Wenn auf der Erde 76 nun Druck herrscht, so wird er in der Höhe voll sein, in der der Druck nur noch .'18 mm beträgt. Dass dieses bei etwa 5500 m Steighöhe der Fall ist, kann man aus Luftdrucktabellen oder von Höhenbarometern unmittelbar ablesen.

Ebenso findet man leicht , dass ein 1200 cbm-Ballon, dem 100 cbm Gas fehlen, in einer Steighöhe von 730 m voll wird. Denn er ist zu 11 ,, voll, er wird ganz voll da, wo der Luftdruck 11 u von 7(i d. h. etwa 70 cm ist. Das ist bei 730 m Steighöhe der Fall.*)

Bei der russischen Armee angestellte Versuche zum Uebersehreiten von Wasserläufen mittelst unvorbereiteten Materials.

Die russische Armee ist durch die Gestaltung des Geländes, das durch viele Flüsse und Wasserläufe durchschnitten ist, darauf angewiesen. Versuche anzustellen, um solche jederzeit bei den vielfach nicht vor- handenen oder doch unzureichenden Krücken überschreiten zu können.

* Für Mathematiker erledigt sich die erste Betrachtung über die Gleichgewichts- läge des Ballons einfneh so:

Gleichgewicht ist vorhanden, wenn Jjw*r*fG ist, wo I.. F uml G dieselbe Be- deutung wie oben haben. F und G sind unabhängig von «1er Höhenlage, G allerdings nur so lauge, bis der Ballon voll ist und beginnt Gas auszustosse».

L ist V. s, wenn V das Volumen, s das spezifische Gewicht der jeweils ver- drängten Luft bedeutet. V uml s sind mit der Höhenlage de» Ballons veränderlich. V ändert sieh in derselben Weise, wie (bis (Jas im Ballon sieh ausdehnt, d. h. um- gekehrt proport ionul wie der Barometerstand b. mithin V = ^ , wo A eine Kon- stante bedeutet, s ändert sich proportional dem Barometerstände, also »=■(*!>• Mit- hin V 8 A also konstant, woraus folgt: L konstant.

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Bri «Irr ross. Armee angestelltc Versuche zum l elicrsehrritrn von Wnsscrliiufen n. s. w. 27

■So wurde von der 22. Infanterie-Division ein Versuch gemacht, den kleinen Fluss Ksenka au seinem Einfluss in den Wolchow bei Nowgorod mit der Artillerie auf Prahmen zu überschreiten.

Es wurde ein Prahm aus 47 Balken hergestellt, die 17 cm stark und 6 in lang waren. Man nahm an, dass jeder dieser Balken eine Tragkraft von 93 kg im trockenen Zustande haben würde; sei der Balken aber wie gewöhnlich feucht, so würde er im Stande sein, nur 65 kg zu tragen. Die Gesammttragkraft der Balken würde somit 3053 kg betragen.

Die Balken wurden so nebeneinander gelegt, dass der Prahm eine Breite von 5 m und eine Länge von 7 m erhielt. Sie wurden mit zehn 6 m hingen, 22 cm breiten und 5 cm starken Brettern belegt, die auf die Balken aufgenagelt wurden. An den Ecken des Belags wurden in die Balken Ständer mit drei Abschrägungen eingelassen, um ein Tau befestigen zu können, das dem iniprovisirten Prahm als Geländer dienen sollte.

Um das Beladen des Prahms zu erleichtern, legte man eine Landungs- brücke an.

Auf diesem Prahm wurde ein schweres Geschütz verladen. Die ltäder wurden durch Keile festgestellt, der Laifetenschwanz mit einem Tau fest- gelegt, das an einer in die Balken eingeschlagenen Krampe befestigt war. Das Gewicht des Geschützes mit Bädern und Laft'ete betrug 1195 kg. Der Uebersehuss au Tragkraft war derartig, dass die Balken noch mit einem Drittel ihrer Stärke aus dem Wasser ragten. Nachdem noch 22 Mann den Prahm bestiegen hatten, sank dieser aber so tief ein, dass selbst der Bretterbelag das Wasser erreichte. Um eine Probefahrt zu machen, wurden an den Eckständern noch Taukränze für die Ruder an- gebracht und der Prahm ausserdem mit einem Bootshaken versehen. Man war mit dem Ergebniss dieses Versuchs vollständig zufrieden.

Im weiteren Verlauf liess man einen Theil der Leute den Prahm verlassen und verlud dafür noch die Protze, deren Gewicht 516 kg beträgt. Die Deichsel wurde nicht abgenommen. Anstatt der Munition wurden auf die Protze drei Nummern der Bedienungsmannschaft gesetzt. Das Geschütz mit 16 Mann belastete den Prahm mit 2916 kg; er sank nur bis zu dem Belag in das Wasser.

Bei einem dritten Versuch verlud man anstatt des ganzen Geschützes 4 Pferde der Geschützbespannung und 14 Mann. Die Belastung entsprach jener des zweiten Versuchs. Besondere Vorrichtungen wurden nicht für nöthig erachtet, da die Pferde ruhig waren. Anderenfalls wurde vor- geschlagen, den Werden Hafer oder Heu auf dem Prahm zu geben. Auch könnten sie neben dem Prahm schwimmen.

Diese Versuche haben gezeigt, dass man so Geschütze über einen Flusslauf setzen kann, zumal man das zur Herstellung des Prahms nötliige Material wohl besonders in Ortschaften finden wird. Taue, Aexte und Nägel müssen allerdings mitgeführt werden.

Die Zeit für die Her- stellung des Prahms be- trägt nach Maassgabe dieser Versuche höchstens Abbild. 1.

drei bis vier Stunden.

Ein eigenartiger Versuch, einen Prahm ans Kochkesseln herzustellen, wurde von dem 2. Don-Kasaken-Regiment zur Ueberschreitung des Netski- sehen Sees bei Awgustow angestellt.

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28 I,rl «1*t russ. Anim- ungestillte Versuche zum l'eliersehreiten von Wiisserliiufeii u. s. vv.

Der Prahm bestand aus 12 Gliedern zu je 12 Kesseln. Jedes Glied wurde von zwei bis drei Mann derart hergestellt, dass durch die Henkel von vier nebeneinander gestellten Kesseln vier Lanzen gesteckt wurden, die fest auf den Kesseln auflagen. Um das Glied aber widerstandsfähiger zu machen, wurden noch so viel Lanzen durch die Henkel gesteckt, wie Platz hatten etwa 7 bis 8. Diesen 4 Kesseln wurden die übrigen 8 angereiht, so dass ein Glied aus 1 2 Kesseln entstand ('Abbild. 1 .

Die Glieder wurden dann mit den Kesselhoden nach unten neben- einander gestellt und mittelst vier Lanzen und zwei Fouragirleinen zu

einem Ganzen verbunden. Damit die äusseren Kessel nicht nach den Seiten ausweichen konnten, zog man sie noch mit zwei Lanzen und zwei Fouragirleinen zusammen Abbild. 2).

Zur Herstellung dieses Prahms brauchte man 27 Minuten; bei grösserer Uebung glaubt mau aber nur 15 Minuten nöthig zu haben. Die Tragfähigkeit betrug 409 kg. Sechs Mann waren nöthig, den Prahm in das Wasser zu bringen.

Da dasKasaken-Regiment über 300 Kessel verfügte, zu diesem Prahm aber mir 144 nöthig waren, so wurde noch ein zweiter Prahm hergestellt, welcher mit dem enteren verbunden wurde, so dass sieh die Tragkraft verdoppelte (Abbild. 3).

Auch mit Hülfe der Feldzelte hat man versucht, kleine Klussläufe und Seen zu überschreiten, indem man daraus Prahme horsteilte.

Zur Befestigung des Gerippes für einen solchen Prahm hat man nur zu Faschinen geeignetes Gesträuch nöthig. Aus diesen Faschinen werden zwei Keifen hergestellt, von denen der eine einen Durchmesser von etwa 1 m. der andere eineu solchen von 83 cm hat, sowie Faschinenbündel mit einer Länge von bl ent bezw. 1 m. Die beiden Keifen werden mit sechs oder sieben Faschinen von bl cm Länge zusammengeknüpft: an den unteren Reifen befestigt man kreuzweise die 1 m langen Faschinen ; so entsteht

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Üi'i der niss. Armee unges teilte ViTMirlir /uni lYberstihrf iten von tYasserlä ufen u. s. \v. 20

ein nach aussen gebogones KreuzBtiiek und ein halbkugelartiges Gestell (Abbild. 4), an welchem Feldzeltbahnen befestigt werden.

Zu dem Ende legt man zwei Hahnen aufeinander und stellt das Gestell auf deren Mitte. Sie werden an dem oberen Reifen mit drei Zeltstrieken festgeschlungen, wodurch der Reifen in drei gleiche Theile getheilt wird; die Ränder < der Zeltbahnen werden dann an Zeltstöcke an drei Punkten auf einer Seite angenäht. Der so entstandene Korb (Abbild. 5 wird angefeuchtet, wodurch sich die Zeltbahnen anlegen und die Stricke angezogen werden, so dass der Korb wasserdicht wird. Hat man Schlamm oder Thon zur Hand, so wird der Korb damit bestrichen, wodurch er geeignet wird, länger und an- haltender zu schwimmen. Seine Tragkraft be- trägt etwa 400 bis 400 kg.

Sechs Mann mit einer Axt und fünf Messern können die 10 Faschinen des Gestells in einer Stunde anfertigen, wenn sie solche mit Stricken umwinden; gebrauchen sie dazu Zweige oder Hast, so dauert die Arbeit 20 Minuten länger, l'm die Hahnen über das Gestell zu ziehen, haben drei Arbeiter H Minuten nöthig. Sind die Reifen und Faschinen schon vorher an- gefertigt, so sind 12 Mann im Stande, 10 Körbe in 2."> bis HO Minuten herzustellen.

Zum Uebersehreiten schnell strömender Wasserläufe werden die Körbe zu je drei oder je sechs durch lange dünne Stangen miteinander verbunden, welche an den oben an den Körben übrig gebliebenen Strickenden befestigt werden; sie sind übrigens auch durch Faschinen zu ersetzen; ausserdem müssen die Körbe auch an ihren Berührungspunkten zusammengebunden werden, ln drei zusammengefügten Körben kann man 5 Mann mit voller Ausrüstung ohne Schwierigkeiten übersetzen, in sechs 12 Mann. Sie stellen sich entweder auf den Krenz- tlieil oder auf den unteren Reifen. Das etwa ©indringende Wasser kann von Zeit zu Zeit mit Kochkesseln ausgeschöpft werden.

Da ein Korb nicht über ■"> bis ti kg wiegt, ist es leicht, ihn in das Wasser zu lassen.

Das Uebersetzen erfolgt entweder an einem Tau oder mit Stangen. Im ersteren Falle muss das Tau an das andere l’fer geschafft werden. Damit der Mann, welcher die zu einem Prahm vereinigten Körbe an dem Tau nach dem jenseitigen Ufer zieht, fester und bequemer stehen kann, ward das Krenztheil des an der Spitze befindlichen Korbes mit Gras oder Reisig ausgefüllt. Werden Stangen zum Uebersetzen benutzt, so stehen die mit solchen versehenen Leute (mindestens zwei’ in einem der vorderen Körbe; ihre Gewehre geben sie vorher an andere Leute ab. Erster© Art soll besonders bei fliessenden, letztere bei stehenden Gewässern angewendet werden.

Um Zeit zu ersparen, können zwei Taue benutzt werden; das eine zum Hinüberholen bestimmte soll oberstrom, das andere für die leeren Körbe nnterstrom angebracht werden.

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I)ip Telegraphie ohne Draht.

Diese Versuche, besonders der erstere, verdienen immerhin Beachtung für eine auf dem russischen Kriegsschauplatz operirende Truppe. Die russische Heeresverwaltung hat den Verhältnissen des Landes indessen insofern schon Rechnung getragen, dass jetzt jeder Infanterie - Division eine Sappeur - Kompagnie mit einem leichten Feldbrückentrain im Kriege beigegeben wird. Wo das aber nicht der Fall ist, muss zu anderen Mitteln, die Brücken zu ersetzen, geschritten werden.

Die Telegraphie ohne Draht.

Schon seit längerer Zeit hat man sich bemüht, elektrische Telegraphen herzustellen, die ohne eine Drahtleitung die Uebermittelung von Nach- richten durch lesbare oder hörbare Zeichen möglich machen. Man beab- sichtigte dabei keineswegs eine vollständige Umwälzung des jetzigen Telegraphen- und Fernsprechwesens, sondern wollte nur Mittel finden, um in besonderen Fällen, in denen die Anbringung der Drahtleitung entweder unmöglich oder sehr kostspielig und zeitraubend ist, telegraphische Nach- richten geben zu können. Solche Fälle treten z. B. ein im Verkehr von Schiffen miteinander oder mit benachbarten Küsten, von fahrenden Eisen- bahnzügen mit den Stationen. Es handelte sich hierbei natürlich darum, etwas Besseres herzustellen, als optische Signale boten, vor Allem von unsichtigem Wetter unabhängig zu sein und auf grössere Entfernungen zu wirken. Von vornherein zeigte sieh, dass zu diesem Zweck nur hoch- gespannte Elektrizität in Frage käme. Die Versuche bewegten sich in drei Richtungen:

1. Benutzung des Wassers oder der feuchten Erde als ausschliess- licher Leitung;

2. Benutzung der Induktion zur Uebertragung von einer Leitung auf eine andere entfernte, aber gleichlaufende;

3. Benutzung der elektrischen Erregung, die durch Ladung einer Metallplatte an einer gegenüberstehenden hervorgerufen wird.

Als Geber verwandte man bei allen diesen Versuchen Induktions- apparate (Abbild. 1), die stets nach folgenden Grundsätzen gestaltet sind:

Auf einen Stab oder ein Stab- biindel (a) von weichem Eisen sind zwei Drahtwickelungen geschoben. Die innere (bb) besteht aus dickem Draht mit verhältnissmässig we- nigen Windungen, die äussere aus viel dünnerem Draht (cc) mit sehr zahlreichen Windungen. Man nennt erstere die primäre, letztere die sekundäre Spule. Schickt man durch die primäre Spule einen Strom, oder unterbricht man einen hindurchlaufenden Strom, so entsteht im Moment des Stromschlusses und der Stromöffnung in der sekundären

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Abbild. 1.

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Die Telegraphie ohne Draht.

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Spille ein höher gespannter Indnktionsstrom, und zwar ist der Schliessungs- strom dem primären entgegengesetzt, der OefTnungsstrom gleich gerichtet. Folgt das Oeffnen und Schliessen des primären Stromes schnell genug, so ergieht. sich daher eine Art von sekundärem Wechselstrom oder von unter- brochenem Gleichstrom, da der OefTnungsstrom wesentlich stärker ist wie der Schliessungsstrom. Um solch rasches, fortgesetztes Oeffnen und Schliessen des primären Stromes, der durch Einschalten einer galvanischen oder Akkumulatorenbatterie (dl in den Stromkreis mittelst einer Taste <e) er- zeugt wird, hervorzurufen, benutzt man eine sogenannte Selbstunterbrechung, wie an der Mehrzahl der elektrischen Klingeln. Man verbindet das eine Ende des Stromkreises der primären Spule mit einer federnden Zunge (f), die einen eisernen Anker (g) trägt, der einem Pol oder den Polen eines in den Stromkreis eingeschalteten Elektromagneten, hier meist einem Pol des vorher erwähnten Eisenstabes gegenübersteht. Das andere Ende des Spulenstromkreises führt man zu einem Kontaktstift (h), gegen den die Zunge anliegt, wenn kein Strom vorhanden ist. Tritt jetzt ein solcher ein durch Einschalten der Batterie mittelst Tastendrucks, so wird der Eisenstab oder Elektromagnetkern magnetisch und zieht den Anker au. Dadurch entfernt sich dieser von seinem Kontakt, der Strom ist also unterbrochen. Der Eisenstab wird jetzt unmagnetisch, die Zunge legt sieh wieder an den Kontakt, der Strom ist wieder geschlossen. Dieser Wechsel setzt sich so lange fort, wie eine Taste gedrückt wird.

Durch solche Induktionsapparate, besonders wenn man sie noch mit Kondensatoren in Verbindung bringt, lassen sich in der sekundären Spule ausserordentlich hochgespannte Ströme hervorrnfen, die im Stande sind, grössere Unterbrechungen in der Leitung unter Funkengebung zu über- springen.

Induktionsapparate werden auch bei der gewöhnlichen Telegraphie als Geber benutzt. Man nennt sie hier Summer (Vibrateurs, Vibrating Sounders'. Die schwingende Zunge ist dabei von Eisen und als Plättchen gestaltet. Sie bildet selbst den Anker und giebt beim Zittern ein lautes, summendes Geräusch.

Als Empfänger dient ein Telephon, dessen Membrane ebenso schwingt wie das federnde Plättchen. Das Aufnehmen des Telegramms erfolgt also mit hörbaren Morsezeielieu.

Bei den Versuchen für eine Telegraphie ohne Draht benutzte man im ersten Fall einen solchen Summer, der so geschaltet war, wie Abbildung 2 darstellt. Die sekundäre Spule wurde an ihren Enden mit kurzen Draht- leitungen versehen, an denen sich Metallplatten (A Ai) befanden. Diese versenkte man in einiger Entfernung voneinander in ein Gewässer oder den feuchten Erdboden. Das an der Empfangsstation befindliche Telephon erhielt ebenso Verbindung mit zwei dort versenkten Platten (B Bi), der Indnktionsstrom der sekundären Spule geht über die Platten der gebenden Station zu den Platten der Empfangsstation, indem das Wasser die Leitung bildet. Diese ist gewissermaassen mit sehr starkem kurzem Schluss ver- sehen, ähnlich als ob z. B. zwei Drahtleitungen sich berührten oder durch zwischengeschaltete Drahtstücke in Verbindung gebracht wären. Selbst- verständlich ist der Erfolg einer solchen Telegraphie am besten, je weiter die Platten auf jeder Station voneinander entfernt liegen und je grösser sie sind. Auf diese Weise ist es gelungen, Telegramme über Gewässer hinweg, z. B. über den Wannsee bei Berlin, oder auch durch feuchten Boden bis auf 9 km Entfernung ohne Drahtleitung zu befördern.

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Die Telegraphie ohne Draht.

Anders verfuhr Preeee, um ohne Drahtleitung über Gewässer zu telegraphiren. Er benutzte die Induktionsströme, welche in einer Draht- leitung entstehen, wenn durch eine andere benachbarte Leitung elektrische» Ströme gesandt werden. Die Wirkung solcher Induktionsströme ist am

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stärksten, wenn die Leitungen gleichlaufend und nicht zu weit vonein- ander entfernt sind, sie macht sich daher oft in Stadtfemsprechanlagen in unangenehmer Weise bemerkbar. Preeee legte die Leitungen möglichst gleichlaufend an beiden Ufern der Gewässer (Seen, Meeresarme) an. Je grösser die Entfernung war, desto länger mussten die Leitungen sein, doch sollen auch auf diese Weise beachtenswerthe Ergebnisse erzielt worden sein. Die Einzelheiten der Einrichtung dürften für die vorliegende Er- örterung belanglos sein, da ein für die Praxis in Betracht kommender Erfolg durch die Preeceschen Versuche nicht erzielt worden ist.

Ebenso verhält es sich mit der dritten Art einer Telegraphie ohne Draht, die Edison vorschlug und durch Versuche prüfte. Er errichtet an den Stationen, die er nur auf ganz hohe Punkte legen will, Mastbäume und befestigt an diesen grosse metallene Tafeln, die er mit Erde ver- bindet. Die Tafeln werden in derselben Richtung aufgestellt. Wird jetzt der Metallplatte einer Station eine Ladung positiver oder negativer Elek- trizität zngeführt. so wird auf der Metallplatte der anderen Station die entgegengesetzte Elektrizität hervorgerufen. Die Platten wirken also ge- wissermaassen wie die Belegungen eines riesigen Kondensators (Frank- linsche Platte, Leydener Flasche), zwischen denen die Luftsäule die Isolation bildet. Auch auf diese Weise ist eine Telegraphie ohne Draht möglich.

Von anderen Ideen geht Marconi bei seinen Versuchen aus. Kr be- nutzt bei seiner Telegraphie ohne Draht zur Uebermittelung die elektrischen Aetherschwingnngen, die Hertz durch seine Versuche nachgewiesen hat.

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Die Telegraphie ohne Draht.

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Dieser zeigte, dass beim Ueberspringen eines elektrischen Funkens ähnlich wie bei Licht und Wärme nach allen Seiten hin elektrische Strahlen aus- strömen, die durch Schwingungen des AetherB hervorgerufen werden. Sie stehen betreffs ihrer Wellenlänge und Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwischen den Licht- imd Wärmestrahlen und können ebenso wie diese gebrochen und gespiegelt werden. Die einzelnen Körper verhalten sich betreffs ihrer Durchdringbarkeit nicht ganz ebenso wie bei den Licht- strahlen, aber ähnlich. Am wenigsten durchdringlich für elektrische Strahlen haben sich die Metalle ge- zeigt, dagegen setzen ihnen Harze, Holz, Stein nur ge- ringen Widerstand entge- gen, obgleich auch sie die durchgehenden Strahlen ab- schwächten. Hertz spiegelte daher die elektrischen Strah- len durch Metallplatten und brach sie durch Asphalt- prismen.

Um würdigen zu können, welche Erfindung Marconi bei seinem Telegraphen ge- macht hat und wie ihn da- bei die Hertzsehen Versuche beeinflusst haben, wollen wir kurz die hauptsächlichsten Geriithe schildern , deren sich dieser zu seinen Ver- suchen bediente. Als Fun- kenerzeuger (siehe Abb. 3) wurde ein kleiner Funken- geber (a) von 4,5 mm grösster Schlagweite benutzt.

Er wurde durch drei Akkumulatoren betrieben. Die auf 3 mm eingestellte Funkenstrecke befand sich in der Brennlinie eines parabolischen Cylinder- spiegels aus Zinkblech (d d). Von dem Funkengeber zu den beiden Polen der Funkenstrecke führten Guttaperchadrähte. Diese Polo waren als Messingkugeln (b b) von 40 mm Durchmesser gestaltet und an Cylindern (c c) von 30 mm Stärke und 130 mm Länge befestigt, die sich in isolirten Hülsen hin und her schieben liessen.

Als sekundärer Leiter (Empfänger) wurde entweder ein durch eine Funkenstrecke unterbrochener Kreis von 75 mm Durchmesser aus 1 mm dickem Kupferdraht benutzt, oder, da dieser sich zur Anbringung in der Brennlinie eines zweiten parabolischen Cylinderspiegels nicht eignet, fol- gender Apparat:

Zwei gerade Drahtstücke von 50 cm Länge und 5 mm Durchmesser wareu in der Brennlinie des zweiten Spiegels so augeordnet, dass ihre Enden 5 cm Abstand hatten. Von diesen Enden führten zwei 15 cm lange, 1 mm starke, von Glasröhren umgebene Drähte hinter den Spiegel. Der obere trug eine Kugel und der untere eine an eine Feder gelöthetc Spitze

Kricg*technU<:he Zeitschrift. 1898. 1. Heft, 3

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Die Telegraphie oline Draht.

aus Kupfer, die durch eine auf die Feder drückende, aber von dieser iso- lirte Schraube der Kugel mehr oder weniger genähert werden konnte.

Die Brennweite der Spiegel betrug 12,5 ein, ihre Höhe 2 in, ihre Tiefe 0,7 m. Da sieh die Funkenstrecke des sekundären Spiegels hinter diesem befand, so konnte der Beobachter sie einstellen, ohne den Lauf der elek- trischen Wellen zwischen Geber und Empfänger zu stören. Die grösste Entfernung der Spiegel betrug 1 ti m.

Die in der Brennlinie des ersten Spiegels erregten Wellen werden also von dem zweiten Spiegel gesammelt und veranlassen einen Funken- strom hinter demselben.

Bei jeder Unterbrechung des primären Funkenstromes hört auch der sekundäre auf. Man kann also auch schon mit dieser Hertzsehen Vor- richtung, allerdings nur auf sehr kurze Entfernung, mit Lichtzeichen tele- graphiren.

Marconi entdeckte nun, dass Hertzsche elektrische Wellen auf Nickel- pulver, das sich zwischen den Polenden einer galvanischen Batterie be- findet, eine kohärirende Wirkung ausiiben. Es lagert sieh nämlich dieses Pulver, das sonst den elektrischen Strom nur schwach leitet, unter dem Ein- fluss elektrischer Wellen derartig, dass eine wesent- lich bessere Leitungsfähig- keit erreicht wird. Diese Eigenschaft benutzt Mar- coni daher für seinen Empfänger. Er bringt, hier in der Wirkungs- sphäre der elektrischen Wellen ein von ihm er- fundenes Geräth , den Kohärer an (siehe Ab- bildung 4). Derselbe be- steht aus einem etwa 45 cm langen verschmol- zenen Glasröhrchen (a) von 2*/s bis 5 mm Weite, in das zwei Drähte geführt sind, die zwei in das Röhrchen passende Pc.l- schuhe aus Silber tragen. Die Polschuhe stehen sich in einem Abstande von 1 bis 2 mm gegenüber und der Zwischenraum ist mit groben Nickelfeilspänen gefüllt, denen etwa 4 pCt. Silberfcilspähne beigemengt sind. Die Spähne liegen locker bei- einander. Der Kohärer ist mit einem Element (b) und einem empfind- lichen Relais (c) in einen Stromkreis geschaltet und letzteres durch Feder- spannung oder Einschalten von Widerständen so eingestellt, dass es bei gewöhnlicher Lagerung des Niekelpulvers nicht anschlägt. Wird jetzt der Kohärer von einer elektrischen Welle getroffen, so verändert das Pulver seine Lage und wird besser leitend. Das Relais schlägt daher an. Durch schnellere oder langsamere Unterbrechung der sehr raschen Folge der von dem Geber ausgehenden elektrischen Wellen könnte man also vermittelst des Relais auf einem mit demselben in gewöhnlicher Weise in Verbindung

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Di«* Telegraphie ohne Draht.

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gesetzten Telegraphenapparat (d) ohne weitere Hülfsmittel Morsezeichen erhalten, wenn das Pulver des Koliiirers nach Beendigung der Wellen so- fort wieder in seine alte Page ztiriickkehrte. DieB ist aber nicht der Fall, sondern diese Rückkehr erfolgt nur ganz allmählich, wenn die Röhre nicht geschüttelt oder geklopft wird. Marconi schaltet daher in den sekundären Stromkreis des Relais einen kleinen elektrischen Hammer (e) ein, der die Röhre klopft, sobald das Relais anschlägt.

cB-atUtU

Abbild. 5.

Zum Geben benutzt Marconi einen dem Hertzschen ganz ähnlichen, nur etwas verbesserten Sender, nämlich einen Funkengeber in Verbindung mit einem sogenannten Righischen Radiator (Abb. 5). Da auf grosse Ent- fernungen Wirkung erzielt werden soll, so können nur Funkengober von sehr grosser Schlagweite angewandt werden, d. h. von 200 bis 600 mm, mindestens 100 mm. Um diese zu betreiben, braucht man eine nicht ganz unbedeutende elektrische Kraft, für 600 mm Schlagweite z. B. je nach der Art der Wellenlängen 30 V., 6 A. oder 65 V'., 2,8 A.*) Der Radiator ist fol- gendermaassen beschaffen: Zwei grosse vernickelte Messingkugeln (aa) von 8 bis 10 cm Durchmesser sind mit Abstand in die Enden eines Hart- gummirohres fest eingesetzt. Der Zwischenraum zwischen den Kugeln wird mit Vaselinöl gefüllt. Den grossen Kugeln stehen in kleineren Ab- ständen zwei kleinere Kugeln (bb) gegenüber. An letztere sind die Enden der sekundären Spule des Funkengebers geführt. Es entstehen also Funkensprünge an drei Stellen, doch kommt für die Wirkung hauptsäch- lich der innerhalb des Hartgummirohres zwischen den grossen Kugeln iiberströniende Funken in Betracht.

Um den Funkenstrom beliebig öffnen und schliessen zu können, wird in den primären Stromkreis des Funkengebers eine Taste (c) eingeschaltet.

*J V. = Volt, A. Ampere.

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Die Telegraphie ohne Droh*.

Wird diese gedrückt, so entsteht ein Funkenstrom, der Radiator »endet elektrische Wellen zum Kohärer, ln diesem nimmt das Nickel- pulver eine leitende Lagerung ein, das Relais schlägt an, der Anker de» Telegraphenapparates wird angezogen, der Hammer klopft gegen den Kohärer. Das Nickelpulver nimmt dadurch eine andere Lagerung ein und. wird schlechter leitend, das Relais lässt also seinen Schreibhebel los, zieht ihn aber sofort wieder an, wenn der Strom des Fnnkengebers nicht unter- brochen wird, weil neue elektrische Wellen den Kohärer treffen.

Somit entstehen auf dem Streifen des Telegraphenapparates etwas

unterbrochene Zeichen, z. B. , statt , die aber ganz

gut zu lesen sind. Das Geben muss allerdings etwas langsam erfolgen.

Um die Wirkung dieses Apparates zu verbessern, hat man den Ra- diator und Kohärer mit parabolischen Cylinderspiegeln aus Metall versehen, ferner an den Enden des Kohärers Metallplatten angebracht, endlich Ra- diator und Kohärer an einem Ende an eine Erdplatte, am andern an eine hochstehende Metallplatte, z. B. an einen mit Staniol beklebten Drachen geführt. Auch liegt es auf der Hand, dass die Wirkungen sich steigern werden, wenn sich Geber und Empfänger auf erhöhten Punkten befinden, damit keine die elektrischen Strahlen abblendenden oder abschwächenden Gegenstände zwischen den Stationen sind. Auf kurze Entfernungen werden die elektrischen Strahlen durch Holzwände, Mauern und dergl. nicht so stark abgeschwächt, dass der Kohärer versagt. Atmosphärische Elektrizität, selbst wenn sie noch nicht sehr stark ist, hindert die Wirksamkeit dieser Art von Telegraphie.

Die grösste Entfernung, auf die mau bis jetzt mit Marconis Tele- graphie ohne Draht Erfolge gehabt hat, betrog 21 km. Der Versuch er- folgte zwischen Schöneberg und Rangsdorf. Die eine Station war hier mit einem Fesselballon durch einen Kupferdraht von 0,4 mm Stärke in Verbindung gebracht, ebenso war an der anderen ein Draht in die Höhe geleitet. Es erscheint nach diesem Versuch und anderen vorher bei Potsdam angestellten Prüfungen wichtig, dass solche Drähte möglichst hoch geführt sind und die freie Luftsäule zwischen sich haben. Je weiter die Entfernung zwischen den Stationen ist, desto länger müssen die Drähte sein. Sie strahlen, wie es scheint, auch elektrische Wellen ans und fangen besonders solche auf.

Auch bei Versuchen, die in England quer über den Kanal von Bristol auf 14,5 km angestellt wurden, leisteten Drähte, die an den Stationen zu Papierdrachen geführt waren, gute Dienste. In Italien wurden unter Leitung des Erfinders Versuche zur telegraphischen Verbindung von Schiffen mit dem Lande angesteUt. Dabei befand sich der Geber auf dem Lande, der Empfänger auf dem Schiffe; ausserdem war auf dem Lande ein zweiter Empfänger zur Kontrole anfgestellt. Bei einem Versuch lag das Schiff vor Anker, bei dem andern dampfte es von der Landstation fort oder auf diese zu. Die Ergebnisse waren folgende:

1. Unter günstigen atmosphärischen Verhältnissen, wozu namentlich Abwesenheit elektrischer Spannung der Luft, gehört, gelang die Aufnahme von Depeschen vom Lande nach dem Schiff in Fahrt auf 18 km Entfer- nung gut.

2. Elektrische Spannung in der Atmosphäre machte die Verständi- gung unmöglich.

3. Auch bei klarer Luft und Fehlen elektrischer Spannung in der

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I>ic Telegraphie ohne Dralit.

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Atmosphäre hoben Berge, Inseln, LandvorsprUnge, welche sich zwischen die Landstation nnd das Schiff schoben, die Uebermittelnng gänzlich auf.

4. Auch wenn die unter 2. und 3. erwähnten Hindernisse fehlten, wurde die Entfernung für die Uebermittelung und deren Klarheit wesentlich verringert, wenn Masten, Schornstein und dergleichen Theile des Schiffes sich zwischen Geber und Empfänger befanden, z. B. wenn der Empfänger achtern auf dem Schiff angebracht war und dieses auf die Landstation zudampfte.

Ausserdem zeigten die Apparate auch sonst mancherlei Unvollkommen- heiten, deren Beseitigung wünschenswert!! ist.

Aehnliche Erfahrungen sind auch anderweitig gemacht worden. So- nach scheint es vorläufig noch angezeigt zu sein, die Erwartungen über den Nutzen der Marconischen Erfindung nicht zu hoch zu spannen.

LTnserer Ansieht nach lässt sich hier schon ein Urtheil nach einfacher Betrachtung der vorliegenden Verhältnisse abgeben. Die Wirkung der vom Radiator ausgehenden elektrischen Wellen nimmt im Quadrate der Ent- fernung ab, wenn sie nicht gespiegelt werden, sonst etwas weniger. Schon sehr geringe Entferniingsunterschiede bedingen also sehr grosse Unterschiede für die Einwirkung auf den Kohärer. Ist letzterer für nahe Entfernungen gut geeignet, so wird er wahrscheinlich für weitere zu unempfindlich sein. Ist er dagegen auf weite Entfernungen empfindlich genug, so zeigt er sich auf nahe überempfindlich. Seine Nickelspähne kleben und folgen den Erschütterungen des Hammers nicht. Vielleicht kann hier durch mehrere beieinander angeordnete Empfangsstationen mit Kohärern von verschie- dener Empfindlichkeit abgeholfen werden. Dadurch wird diese Telegraphie aber sehr umständlich.

Sie erfordert an und für sich schon ziemlich bedeutende Mittel, denn zu jeder Sendstation gehören 1 Funkengeber grösserer Art von mindestens 2r> kg Gewicht, dazu etwa 10 bis 30 starke Elemente oder Akkumulatoren mit etwa 50 bis 150 kg Gewicht, 1 Taste, 1 Radiator; zu jeder Empfangs- station 1 Kohärer, 1 Relais mit Galvanoskop, 1 Widerstandskasten, 1 Ele- ment, 1 Klopfapparat, 1 Telegraphenapparat mit Galvanoskop nnd 4 bis 6 Elementen.

Dazu tritt die Schwierigkeit, dass die Elemente der Sendstatiou oft erneuert oder die Akkumulatoren geladen werden müssen.

Jedenfalls kann man nach allem diesen wohl hochfliegende Hoffnungen, z. B. dass man mit Marconis Telegraphen über Oceane hinweg sich werde verständigen können, von vorn herein nicht hegen und annehmen, dass sich nur ein sehr beschränkter Gebrauch von dem Telegraphen machen lassen wird. Wenn er noch wesentlich verbessert wird, ist er vielleicht für die Marinen von Nutzen, doch tritt auch hier ein Umstand hindernd entgegen. Es kann nämlich nicht nur jede in der Richtung der elektri- schen Strahlen befindliche feindliche Marconische Empfangsstation die Telegramme mitlesen, sondern auch jede solche Sendstation die Telegramme anderer Sendstationen durch Aussendung elektrischer Wellen hindern.

Sonach ist man bis jetzt nur berechtigt, Marconis Telegraphen den rein wissenschaftlichen Apparaten zuzurechnen.

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Kleine Mittheilnngen.

-$•:-> Kleine Mittheilnngen. <*ae-

Luftschifffahrt. In den letzten Jahren hat mit dem F'ortsehreitcn von Industrie und Technik auch die Luftschifffahrt eine Entwickelung genommen, welche, abgesehen von ihrer schon längere Zeit hindurch erfolgreichen Benutzung für wissenschaftlich«* und militärische Zwecke, mit ziemlicher Bestimmtheit die Jahrtausende alten Hoff- nungen des Menschengeschlechts ihrer Verwirklichung nahe ruckt. Man kann sich kaum noch der Schlussfolgerung entziehen, dass eine Unmöglichkeit. Herr des I.uft- mcercs zu werden, nicht vorhanden ist; die einzige Schwierigkeit liegt in der Frage : Wie soll es gemacht werden? Aber auch diese Frage scheint nur so schwierig für alle jene, die weniger mit der Sache vertraut sind. Wer aber die vorhandene Arbeit in der Luftschifffahrt mit aller innerhalb eines Jahrhunderts darin aufgespeicherten Intelligenz kennt, für den zeichnen sieh mühelos in der Vorstellung die Konstruktionen auf, welche, richtig durchgeführt, alle Wünsche erfüllen müssen. Ans der Vergangen- heit muss man lernen, die Lösung der schwebenden Frage gehört der Zukunft an, aber es ist hohe Zeit, dass dafür die Generation vorbereitet und angeleitet wird, um auf dem Gebiete der Luftschifffahrt fördernd und fortschreitend tlmtig zu sein. Hier- bei muss die Praxis mit der Theorie Zusammengehen; praktische Luftsehiffer und hervorragende Gelehrte müssen als Lehrmeister für die heran wachsende Generation auftreten. Der auf dem Gebiete der Luftschifffahrt bekannte Hauptmann Moedebcck vom Fussartillerie- Regiment No. 10 wird im Verein mit dem Lieutenant Hildebrandt desselben Regiments i linst rirte aeronautische Mittheilungen als Fachzeit- schrift für alle Interessen der Flugtechnik mit ihren Hülfsw issensehaften, für aero- nautische Industrie und Unternehmungen bei Kurl J. Trübner in Strassburg i. FL in vierteljährlichen Heften zu 0 Mk. für den ganzen Jahrgang herausgehen. Diese Hefte sollen die Illustrirten Mittheilungen des oberrheinischen Vereins für Luftschifffahrt ersetzen und zugleich als Organ des Münchener und oberrheinischen Vereins für Luft- schifffahrt dienen. Auch die Kriegstcchnik wird aus der Forderung dieser Bestrebungen Nutzen zu ziehen haben.

Verbesserungen an Accumulatoren. Wichtige Verbesserungen sind in neuester Zeit an Accumulatoren gemacht worden. In konstruktiver Hinsicht betreffen sie zu- nächst das Verhindern des Ausfallens der erregenden Masse hei den Bleigitterplatten. Dies soll durch Glasgewebe erreicht werden, die fest über die Platten gespannt sind. Die Platten gewinnen dabei zugleich an Steifigkeit. Gleichzeitig ist mau bestrebt gewesen, die Zeit für das Laden der Accumulatoren abzukürzen. Zu diesem Zweck könnt«1 bis jetzt nur ein leidest rom von der l*/2 fachen Stromstärke1 benutzt werden, die der Accumulator bei normaler grösster Inanspruchnahme liefert. Die Zeit für das Laden war daher sehr gross und man musste die Aceumnlatorenbntterion mit sehr viel Zellen versehen, um sie auf längere Dauer, ohne neu zu laden, benutzen zu können. Fs wird nämlich durch Vermehrung der Zellen die Spannung vergrößert und daher bei gleicher elektrischer Energie nur eine geringere Stromstärke gebraucht. Natürlich hat ein«* solche Steigerung «ler Zeilenzahl für «len Transport, also besonders für Strassenbuhnen, auch eine grosse Steigerung der mitzuführenden tcxltcn Lust zur F«dgc. Wie nun verlautet, soll cs jetzt gelungen sein, die vorerwähnten neuen Accu- mulatoren mit einem Strom von der neunfachen Stärke des Accumulatorenstroines zu laden. Somit würde «lies sechsmal so schnell gehen wie früher. Die Straßenbahn- wagen brauchten dann eine geringere Anzahl von Z«*ll«*n und diese könnten während «ler knr/.en Hast auf den Haltestellen an den Findpunkten «ler Linien jedesmal wieder völlig g«la«l<*n werden. An diesen Punkten müssten die Leitungsnetze zu festen Masten geführt werden, von denen aus die Speisung «ler haltenden Wagen erfolgte. Wir werden «lies«* Angelegenheit, «iie uns auch militärisch ungemein wichtig erscheint, im Auge behalten.

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Kleine* Mitteilungen.

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Ein neuer Telegraphenapparat für Typendruck ist von dem Pariser Ingenieur Hoff mann erfunden und Telescripteur benannt worden. Kr besteht ans einem Heller, dessen in vier Reihen angeordnete Tastatur derjenigen einer Schreib* masehtne gleicht, und einem dumit ver- bundenen Empfänger, der äusserlich wie ein gewöhnlicher Morse- Apparat gestaltet ist.

An der linken Seite des Apparates Infinden sieh zwei Umschalter, von denen der links stehende A dazu Iienutzt wird, den Apparat »aszusehalten und dafür die Linie auf Tele- phon zu netzen, der rechts stehende 11, uni den Apparat zum Empfangen oder zum Gebell einzustellen. An der rechten Seite des Appa- rates ist ein Druckknopf C angebracht, durch den die Druckwalzen vor Beginn der Korre- spondenz gleich illässig von beiden Stationen eingestellt werden. Andere kleine unwesent- liche Aeusserlicbkeiten übergehe ich. Der Empfänger erinnert in seiner äusseren Gestalt und der Art seines Arbeiten« an diejenigen Apparate, welche zur Empfangnahme von inet coro logischen Nachrichten und Bcliiffs- tncldnngeit vielfach an der Küste bei uns aufgestellt sind. Der Erfinder beabsichtigt, durch seinen Apparat auf Linien, die sonst mit Fernsprecher betrieben werden, die Möglich- keit zu bieten, schriftliche Nachrichten zu empfangen. Hei wichtigen Mittheilungen ist dies entschieden von Hedeiitung, da im Fernsprechverkehr sehr viel Missverständ- nisse Vorkommen. Auf »Stadtfernsprechnetzen, bei denen viele Ixdtnngen gleichlaufe nd dicht aneinander geführt sind, dürfte jedoch der rebelstand hinderlich sein, dass beim Benutzen des Typend racker» auf einer Linie auf allen daneben geführten ein knackendes Geräusch entsteht, das den Fernsprechverkehr hindert. Nichtsdesto- weniger kann der Apparat aber doch für sieh allein recht brauchbar sein. Er ist nicht viel grösser als eine Schreibmaschine und soll auch keinen sehr Indien Preis halien. Das Geln*n mit demsellien kann ohne Weiteres von jeder Person geschehen» die eine (Schreibmaschine bedienen kann, ja sogar schlimmstenfalls von einem Un- geübten. da der Papierstreifen automatisch hei jedem Tastendruck in Bewegung gesetzt und wieder angehalten wird, gunz wie lud den eben erwähnten Scliiffsmelde- apparaten. Eben ko wie bei diesen kann ein Empfangsapparut auch unbeaufsichtigt stehen und doch die Telegramme aufnehmen. Als ein Ue bei stand muss es bezeichnet werden, dass die durch die Umschalter bewirkte Einstellung der Apparate heim Gellen und Empfangen verschieden ist. Sonstige Einzelheiten lassen sieh nicht lu-urt heilen ohne Konst ruktionszeiehnungen oder eingehende Besichtigung eines auseinander- gcnnnimcueii Apparates selbst. Die t iehniuchsfuliigkcit tles Apparates soll durch Versuche an vielen Orten bewiesen sein. Er ist, wie verlautet, lud der Pfälzischen Eisenbahn in Mannheim und von militärischer Seite in Antwerpen geprüft worden. Ebenso soll die Reichspostverwaltung bereits Versuche damit anstellen. Auch für unsere Heeresverwaltung dürfte es sieh empfehlen, dem Apparat Aufmerksamkeit zu widmen, da er vielleicht für die rückwärts gelegenen Linien der Kriegst elegnipliie und für Festungstelegraphen geeignet sein könnte. Der Apparat ist zu beziehen durch Geo, W. Lillcox, Vertreter des International Teleseriptor Syndicates, Brüssel, ruo Royale 170.

Ueber rauchloses Militärpulver. Die rauchlosen Militärpnlver bestehen «011111111 ich aus Schiissbuu m wolle, kein anderer Explosivstoff hat derselben bisher den Kang streitig machen können. Für manche Pulver, namentlich Geschützpulver, wird Nitroglycerin hinziigcnommcii, welches besonders gute und gleich tndssige ballistische Leistungen erzeugt, jedoch eine hohe Verbrcnmuigstempcrntur hat. Da die Schicss- hntitn wolle. selbst in höchst komprimirtcr Form und auch mit wenigst starker Zün- dung. lu*i Kinschliessuug im Geschütz oder im Gewehr immer noch zu heftig brennt und nach kurzem Brennen in eine heftige Explosion übergeht, so hat inan zu dem Mittel gegriffen, sie aufzulöscii, sie aus der Faserform in eine gl cieh »nussige, keine

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Kleine Mittheiliuigcn.

Lufträume enthaltende Gelatine umzu wandeln , infolgedessen die Verbrennung langf- »am und gleichmässig vor sich geht. Dieses Prinzip gegeben, unterscheiden sic-li die verschiedenen Pulver fast nur noch durch die Gestalt und Grösse der einzelnen Pulverkörner, die je nach Art der Waffe und Kaliber variirt werden. Die chemische Stabilität der Pulver ist ausreichend, und ihre LagerfÜhigkeit ist bei gut gewesener Fabrikation auf lange Jahre hinaus gesichert. Wenngleich nun sonach Alles erreicht: scheint, was man von den rauchlosen Militärpulvern verlangen könnte, so sind doch noch manche Verschiedenheiten und Wünsche in Ilezug auf ihre Gleich miissigkeit, theils durch die Hygroskopizität des Pulvers hervorgerufen, auf den hohen Gasdruck, namentlich bei kleinsten Gewehrkalibern und verringerten Pulverräumen bei den Geschützen, auf die entwickelte Flammenerscheinung und manches Andere mehr vor- handen. Wir geben hier folgend die ballistischen Resultate der Fabrik für rauchlose» Pulver Max v. Förster, Hankelsablage Zeuthen bei Berlin. Gewehrpulver in Form von Blättchen von 1,8 mm Grösse und verschiedener Dicke.

Gewehrkaliber in mm

G escbossgewicht

Geschwindigkeit des

Gasdruck ix»

g

Geschosses auf 26 m

A tmoHphären

deutsch |

französisch j S

österreichisch J

14.7

024

2085

türkisch 7,06

13,7

635

3058

2980

1325

spanisch 7

11,2

700

altes Gewehr 1 1

25 Blei- gesell oss

420

(i e s c h U t z

Pulvergattung

Gewicht

der

Granate

kg

Gewicht

der

Pulver-

ladung

kg

Anfangs-

geschwindig-

keit

m

Gasdruck in Atmo- sphären

Schweres Feldge- schütz, 8,8 cm Kruppsches G uss- »tahlgeschütz

rauch loses Ge- schützblüttchen- pulver, nur aus Schiessbamn wolle bestehend

7,020

0,535

412

1302

Türkisches Feldge- schütz, 8,7 cm Kruppsches Guss stahlgeschiitz

ebenso

0,210

0,580

400

1300

6,3 cm .Schnell - feuerkanone I 30

Würfelpulver . 2 ebnmi aus Kollo- diumwolle und Nitroglycerin be- stehend

1,750

0,130

513

2080

Gezogene 15 cm Hauhitze

ebenso

39,500

0,050

238

grösste Differenz in 10 Schuss 1.8

1100 grösste Differenz in 10 Schuss 47

Die Fabrik fertigt endlich noch Geschützpulver in Form von liülirchcn. welches hei Geschützen mit hohem Druck gute Dienste leistet.

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Kleine Mittheilungen.

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Feldfllter. Du die von den rassischen Truppen im letzten rassisch- türkischen Kriege benutzten Feldfilter sich nicht bewährt haben, inan aber bei den jetzt ope rirenden grossen Armeen, besonders wenn sie im Aufmarschgebiet, vor Festungen u. s. w. massirt sind, auf deren Versorgung mit gutem Wasser bedacht sein muss, so hat N. A. l'chatach* Ogoro witsch einen Feldfilter konstrnirt, der den Anforderungen ent- sprechen soll. Nach dessen Ansicht ist der akermnnische Kalkstein eine besonders poröse Gesteinsart, die an der Küste des Schwarzen und A so w Meeres vorkommt, alN Filtermasse sehr geeignet; ebenso der Kieseltuff in der Umgegend von Lfinebnrg und endlich die Kohle, die aus Knochen von Thieren gewonnen wird. Nach den Ange- stellten Versuchen ist der Kalkstein und der Tuff nicht leicht genug, um zu dem heregten Zweck verwendet zn werden; auch zerbröckeln sie sehr, wodurch der Apparat schnell untauglich würde. Die Kohle von Thierknochen soll am zweckmfissigsten zu verwenden sein. Die Konstruktion des Filters ist folgende: In einer Alnminiumröhre, die eine Uinge von 10 cm und einen Durchmesser von 1.27 eni hat. wird die ans Thierkohle bestehende ö cm dicke Filtrirmasse unteigehracht ; letztere wird auf beiden Seiten von 2 Aluminiumnetzen eingeschlossen, die möglichst kleine Löcher haben. Ausserdem wird ein drittes Netz, das weniger dicht ist, auf 1,27 cm vor der Filtrir- masse an dem Ende der Röhre eingefügt, das in das Wasser eingetaucht wird. Letzteres Netz ist dazu bestimmt, die groben Beimischungen des Wassers abzuhalten; anderenfalls tritt der Sehmntz in die Röhre, und der Apparat hört auf zu fnnktioniren. Die Netze sind aus gespaltenen »Streifen anzufertigen, die mit ihrer Kante dem Wasser zugekehrt sind. Dadurch wird der Druck des Wassers auf die Filtrirmasse ver- mindert, indem die Kante bewirkt, dass er sieh strahlenförmig ausbreitet. Man er- zielt dadurch eine vermehrte Schonung der Filtrirmasse. Durch diesen Filter wurde seihst sehr schmutziges Wasser wenn auch nicht vollständig, so doch in genügendem Maasse gereinigt, um cs zu benutzen. Der Apparat wiegt 40 bis 60 g ; seine Form und Abmessungen gestatten, dass er leicht untcrgebracht werden kann. Besonders ist aber darauf zu halten, dass der Apparat stets rein gehalten wird. Einmal in der Woche muss er mit siedendem Wasser ausgespült werden, um den Unrath aus der Filtrirmasse zu entfernen und die Wände der Röhre zu reinigen.

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Neuer Schützengraben. Von der Feldbefestigung* -Vorschrift (F. V.), welche durch Allerhöchste ELnführongsordre vom 0. April 1803 genehmigt worden ist, gelangte ein neuer Abdruck zur Ausgabe, worin die bis August 1897 ergangenen Aenderungen enthalten sind, deren wesentliche sich auf einen neuen Schützengraben bezieht. Für alle Schützengräben dient als festznhaltender Grundsatz, dass er dem Schützen den Anschlag im Stehen gestattet; sobald es daher Zeit und Umstände gestatten, soll eine Anschlagshöhe nach Abbild. 1 erreicht werden. Bei diesem Profil sowohl als auch bei den verstärkten Profilen, welche eine stärkere Brustwehr und einen tieferen Graben aufweisen, muss darauf geachtet werden, die Brustwehren, sofern es die U ebersicht gestattet, möglichst niedrig zu halten; es kann sieh sogar die gänzliche Fortlassung der Brustwehr empfehlen, wie dies in Abbild. 2 im Profil dargestellt ist. Die Herstellung

solcher Schützengräben , welche nach Art der französischen batteries enterrces gebildet sind, beansprucht allerdings im Verhältniss zu dem Schützengraben nach Abbild. 1 erheblich mehr Zeit. Insbesondere wird die Fortschaffung des aus- gehobenen Bodens nur unter gün- stigen Umständen durchführbar

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Kleine Mitteilungen.

sein, wo der Schützengraben auf Kämmen, Dummkronen u. s. w. angelegt ist; da?» blosse Vertheilen und Verstreuen auf den* Hoden wird jedenfalls nieht leicht zu dem gewünschten Ziele fuhren, und zum Ausfallen nahegelegener Vertiefungen wird man nur dann im Felde schreiten können» wenn diese mit höchstens zweimaligem Boden wurf zu erreichen sind, was schon doppelte Arbeitskraft oder Arbeitszeit erfordert, denn von einem Fortschaffen mittelst Karren und dergleichen wird nicht die Kode sein können. Dafür besitzen aber die Schützengrüben ohne ungesehüttete Brustwehr den grossen Vortheil, dass sie ans der Ferne schwer zn sehe» sind und erhöhten Schlitz gegen Artilleriefeuer gewahren. Wenn es auch keine eigentliche Vorschrift für Schützengraben hei uns giebt, weil alle in der Feldbefestigungs-Vorschrift ent- haltenen Bilder nur einen allgemeinen Anhalt, nieht aber ein feststehendes Muster gehen sollen, und daher eigentlich Jeder einen Schützengraben anlegen kann, wie er will, so darf man aber doch nieht ausser Acht lassen, dass diese Bilder die Grundlage* für die Gelände Verstärkungen mittelst Schützengräben bilden, wie sie nach den An- gaben über die Stärke feldmüssiger Deckungen sieh ergehen; denn die über letztere in der Feld liefest igungs- Vorschrift enthaltenen Zahlen gegen Gewchrfeuer und Artillerie fetter müssen als die geringste Forderung festgehalten werden. Bei diesen ist in den* neuen Abdruc k noch besonders liinzugefiigt worden, dass die anfgeführten Holzstär ken für Schutzdächer 6 cm gegen Schrapnell und Sprengstiicke der Feldartillerie, 10cm gegen dasselbe der Fussartillerie gegen grössere Sprengstiicke noch keine volle Sicherheit gewähren; die versteckte Lage eines Schützengrabens wird daher unter rinständen einen grösseren Schutz bieten als ein mit vieler Mühe hergestelltes Schutzdach.

Fernphotographie. Bei der Photographie* richtet »ich die Grösse* des Bildes nach der Brennweite des verwendeten Objektivs. Je grössere Bilder man erhalten will, desto weiteren Auszug muss die Kamera haben. Will man kleinere Gegen- stände, die sieh in grösseren Entfernungen, also etwa einige Kilometer von deui objektiv befinden, noch genügend gross und deutlich darstellen, sc» wären Kumcru- anszüge erforderlich, die sich nicht Herstellen lassen. Hier muss man sich also durch andere Mittel helfen und hat dazu besondere Objektive, sogenannte Teleobjektive hergestellt , die gewissenn missen ein gewöhnliches Objektiv mit einem Fernrohr verbinden. Man kann auch Fernrohre vor die gewöhnlichen Objektive setzen, oder solche unmittelbar selbst als Objektive benutzen. Zu diesem Zwecke ist es nur er- forderlich, den Abstand von Okular und Objektiv zu vergrössern, um eine Konvergenz der austretenden Strahlen zu erzielen. Noch besser wie Fernrohre lassen sich Opern- gläser verwenden. Selbstverständlich leisten aber die Teleobjektive mehr als der- artige einfache Hiilfsmittel. Man nennt diese Art de r Photographie Fernphotogniphie. Ihre erste Anwendung hat sie hei eler Aufnahme* der Himme lskörper gefunden, und auf elie*s<‘ni Gebiete gehen elie Vermache bis auf das Jahr 1860 zurück. Für ter- restrische* Gegenstände hat num erst später davon Gebrauch gemacht mul zwar ge- wöhnlich auf Entfernungen bis zu •’> km. Die Fernpliotogrnphie kann für militärische* Zwecke von grossem Nutzen sein und gute* Dienste* hei Erkunelung feindlicher Stellungen und Befestigungen leisten. Ausführliche Belehrung aber dieselbe giebt in sachlicher und klarer Weise dus Buch: Die Fcrnphotographic. Von F. Paul

Liesegang. Düsseldorf 18U7. Kel. Liesegangs Verlag.

Ein neuer Schiffttyp in Italien. An dem unverkennbaren Aufschwung, den elie Haiithütigkeit in eler italienischen Flotte gegenwärtig erkennen lässt, nimmt der Marine-minister Be*neelc*tto Brin nieht nur als Spitze eler Verwaltung, sondern ent- sprechend seinem früheren Beruf de*« Schiffsingenieurs auch als Techniken tlicil. Sein Bestreben hat sich se*it länge-re*r Zeit darauf gerichtet, für elie* niisenianderstrebcndcn Forderungen des m«»dc*rnen Seekrieges an SchifTskonstruktionen elie* Mittellinie zu linden, einen Typ litTzu stellen, we*lcher vom Punzersehiff die* Stärke* imel Wirkung« kraft, vom Kreuzer die Beweglichkeit unel Schnelligkeit entleiht, soweit befielen Bcelin

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Kleine Mittheilungen. Büehersehau.

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gungen überhaupt gleichzeitig entsprochen werden kann. 80 und unter Mitarbeit des Inspekteurs des Gcitio navale. Michele, ist der neue ßchiffistyp Brin entstanden. Bei einer Lange von etwa 125 m wird er etwa 12 000 t Wasserverdrängung besitzen und in dieser Beziehung also die Mitte zwischen dem Pnnzerthnrmschiff >I)nilio< (11138. und dem Typ rite Umberto etwa 13 300) halten. Kr soll alle modernen Einrich- tungen für Angriff und Abwehr, wie Panzerthürme und vollkommene Stahl panzernng doppelt so stark wie die des 1888 gehanten die Umberto*), namentlich aber starke Artillerieausrüstung erhalten. Die H au ptgcseh litze werden wahrscheinlich ein Kaliber von 20.4 cm, die Sch nellfeuergesch ütze ein solches von 12 und 15 cm haben ; erstere werden elektrisch bedient. Trotz dieser Einrichtungen soll der Typ zu einer Ge- schwindigkeit von 20 Knoten Wfähigt sein, um in Wettbewerb mit Kreuzern treten /.u können. Torpedojäger von etwa 30 Knoten Geschwindigkeit werden ihm zur Seite zu treten haben, eine Mehrforderung des Ministers von 7 Millionen »oll ihre Auf- stellung ermöglichen. Die allgemeinen Grnndzüge des Typs Brin (Und im Juni durch •las Admiralskomitee genehmigt, im November seine Einzelheiten. Dem Vernehmen nach sollen drei dieser Schiffe auf .Staatswerften, eins durch die Privatindustrie her gestellt und zwei sofort in Angriff genommen werden.

Preiabewerb um Schnellfeuerkanonen. Der >Esercito italiamx will wissen, dass ein von der italienischen Regierung für In- und Ausland ausgeschriebener Preis- bewerb um Lieferung eines Schnei lfeucrgcschütz-Modells, der mit Beginn November ablief, das Ergebnis* gehabt hätte, dass sechs Modelle von einer besonderen Kom- mission in Gegenwart des Erfinders oder seines Vertreters geprüft werden würden. Der Popolo romano. mehlet dazu, dass die Gesellschaft Hotehkiss dem italienischen Kriegsmiiiistcrium auch das Modell einer Mitrailleusc vorgelegt hätte, welche die .Munition der Handfeuerwaffen verfeuere und auf der Ausnutzung des durch die Ver- brennung des Pulvers entstehenden Gases beruhe.

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Neues CisternenschifT. Für den Transport des -Naphtetine- , des •neuen von dem .Schiffsingeiiieiir Cumiberti erfundenen Feuerungsmaterials für Flottenzwecke, wird ein (‘istemensehiff nach dem Typ Tevcrc gebaut; es wird namentlich die Tor- pedoboote mit Nnphtetino zu versorgen haben.

-SM» Bücherschau. -

Die Moment-Photographie. Dargestellt von Ludwig David, k. u. k. Artillerie- hauptmann, u. s. w. Mit 122 in den Text gedruckten Abbildungen. Halle a. S., Verlag von Wilhelm Knapp. 1898. Preis M. 6, .

Die Photographie ist seit langer Zeit vom einfachen Handwerk zur Kunst und zur Wissenschaft geworden, deren sieh alle Berufszweige mit Vortheil zu bedienen wissen. In stetem Fortschreiten und dauernder Entwickelung begriffen war ihr Bestrelwn auf die Herstellung farbiger Bilder und Augenblicksbilder gerichtet. Während in erster Beziehung schon recht achtbare Erfolge erzielt sind, ist die Moment-Photo- graphie beinahe bis zur Vollkommenheit vorgeschritten, und das uns vorliegende Werk, welches zugleich das 29. Heft der Eneyklopädie der Photographie bildet, führt uns in diese auch von Amateuren eifrig betriebene Kunst ein. ln der Moment- Photographie verkörpern sieh am deutlichsten alle Fortschritte, welche die Photo- graphie im Allgemeinen auf zu weisen hat, so dass die Höhe der Vervollkommnung der Moment-Photographie als Gradmesser für den jeweiligen Stand der Photographie betrachtet werden kann. Es lässt sieh t hutsächlich behaupten, dass die Moment- Photographie fast jedem Photographen unentbehrlich geworden ist. aber man muss auch zugeben, dass gerade sie sehr viel reifliches Nachdenken und sorgfältige Vor- bereitungen erfordert, wenn die oft sehr schwierigen Momentaufnahmen zu einem

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Abbild. 1. Fiillreibi-bluss.

glücklichen Ergebnis» führen sollen. Auch in militärischer Beziehung spielt die Moment-Photographie eine tiusserst wichtige Bolle; sie ist ebenso unentbehrlich für den Militärarzt, wenn er beispielsweise den Gang eines Nervenkranken in einer Serie von Photogram men auf das lichtempfindliche Papier festbannen will, wie für den Offizier im Luftballon, wenn er aus luftiger Höhe einen Geländeabschnitt bei einem Erkundungsfiug im frei fah- renden oder gefesselten Ballon ausführen soll, oder auch für den Ballistiker, wenn er ein fliegendes Geschoss in seinen verschiedenen Phasen vom Verlassen der Mündung bis zum Eindringen in das Ziel mit der grössten Ge- nauigkeit. darstellen will. .Somit ist die Photographie auch eine militärische Kunst und Wissenschaft geworden, welche keine Amateurs mehr anerkennt, sondern technisch durchgebildetes Personal verlangt. Auch bei der Photo- graphie tliut’s die einfache Maschine nicht, sie bedarf des Künstlers, der sie richtig zu handhaben weiss, und in dieser Hinsicht bietet das Werk de*» Hauptmanns David ein zuverlässiges Lehrbuch, welches jeder Offizier haben muss, der sich in ernster Weise mit der Photographie l»eschäftigt oder sie gar zu dienstlichen Zwecken aus- üben muss. Aus den mit grösster Klarheit geschrielienen und daher für Jeden leicht fasslichen Abhandlungen sei nur Einiges herausgegriffen, zunächst die gebräuchlichsten Moment verschlösse, von denen sieben verschiedene Arten anfgeführt werden. Zu den ältesten und einfachsten Kon- struktionen zählt das Fallbrett (Abbild. 1 u. 2), das wohl nur noch selten zur Anwendung gelangt. Auch der Doppelschieberverschluss >Lc Constaut« gehört zu den älteren Verschlüssen, während der Jrisverschluss von Zeiss, der Sektoren Verschluss von Yoigtlünder und von Goerz, der Moment Verschluss von Linhof, der Bouleau- Hchlitz Verschluss von Anschütz (Abbild. 3 u. 4 und der von Thornton-Pickard die neuesten Verbesserungen auf diesem Gebiete darstellen. Höchst bemerkenswerth sind die Angaben über die erforderliche Belichtungszeit, die sich beispielsweise bei einer Entfernung des Gegenstandes vom Apparat (Objektiv) von öOfaeher Brennweite bei 10 m Geschwindigkeit in der Sekunde von t/a» bis zu l/iono Sekunde und bei einer Entfernung von lOOOfacher Brennweite von Vio bis zu VlO) Sekunde steigern lasst. Ein interessantes Instrument ist das Photo-Jumelle, die Verbindung eines Opernglases mit einer Magnzinkamera. womit wir im vorigen Jahre bei dem Centenar- Wettrennen in Karlshorst Aufnahmen machen sahen. Dieaufgenommenen Bildchen sind sehr scharf und vertragen gut eine mehrfache Vcrgrösserung. Der Apparat erfreut sich daher trotz der kleinen Bilder, die er liefert, einer gewissen Beliebtheit, ist aber für den Offizier werthvoll in allen Fällen, in denen ein bequemes, möglichst unauffälliges Arbeiten gefordert wird. Hochinteressant sind auch die photographischen Aufnahmen von fliegenden Geschossen von Dr. Ludwig Mach (siehe Tafel , sowie von Boys, bei welchen auch die dem Geschoss vorauseilende Kopfwelle

Abbild. Kall verschlug.

Abbild. 3.

Abbild. 4.

AnschUtt' Rouleau-Schiit rfverwbli»’-«.

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Tafel zu Seite 44.

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von verdichteter Luft, sowie die Wirbelbildangen hinter dem Geschoss klar in die Erscheinung treten Vorgänge, von denen man mit blossem Auge selbstverständlich nichts sehen kann und von denen n»an bisher überhaupt keine. Ahnung hatte. Das Werk des k. u. k. Artilleriehauptmann» David ist unstreitig das umfassendste und bedeutendste Werk, das bisher über die Moment-Photographie geschrieben ist.

Das Rad im Dienste der Wehrkraft, Von Julius Burekart, Haupt mann und Batteriechef im Königl. Bayer. 3. Feldartillerie-Regiment »Königin* Mutter«, Leiter der Militär- Radfahrkurse des Königl. Bayer. I. Armeekorps seit 1895. München 1897. Akademischer Verlag. Preis M. 1,20.

Was die Militärfahrrad- und Radfahrerlitteratur betrifft, so kann von einer »Fluth jener Litteraturerzeugnisse« , denen Herr Hnuptmnnn Burckart- :■ wenig Rühmens- wert lies» in seiner Einleitung naehzusagen weis», wohl kaum die Rede sein. Ausser den Schriften» die er selbst in den Anmerkungen auf Seite 7 und 8 anführt, sind in dem vielschreibenden Deutschland keine Erzeugnisse in Buchform und nur verhältniss- mässig wenig Artikel in den Militärzeitschriften, namentlich dem Militair-Wochenblatt erschienen, in denen wieder die vom Verfasser genannten Stavenhagen und der ältere Frhr. v. Puttkamer 140. Regt, mit ihren Arbeiten vor die Oeffentlichkeit treten. Auch diese Artikel vertreten einen sachlichen und gemässigten Standpunkt; ja seihst di© Tages- und Sportpresse befindet sieh nicht gerade in einem Militär - »Radfahrer* Pororysmus« und gerade die letztere ist ganz besonders vorsichtig in der Aufnahme solcher Aufsätze, die in maassgebenden Kreisen ein berechtigtes liicheln und Wider- spruch liervorrufen könnten. Jedenfalls erhebt sich kein uns bekannter Artikel bis zur Höhe des schon öfter citirten und bisher unwidersprochenen Wortes des Marschalls Lord Wolseley i Lautern© 1893 : »Der Tag sei nicht mehr fern, an dein ein mächtiges Radfahrerkorps einen integrirenden Theil aller Heere der Welt bilden wird.« Also erst diese Abwehr im Interesse derer, die schon vor Herrn Hauptmaim Burekart für die Verwendung de» Fahrrades im Heere eingetreten sind! llaiiptnuuin Burekarts Buch entspricht demgemäss einem wirklichen Bedürfnis«, und seine Arbeit ist ganz besonders zu beachten, weil er im deutschen Heer als Erster den Vorzug hat, mit der Leitung eines wirklichen Militarradfahrkursus beauftragt zu sein. Sein© sachgemässe, kernige, oft auch witzige Darstellungsw eise erreicht in der Schilderung seiner eigenen Erfahrungen den Höhepunkt und erhält in den daraus hergeleiteten logischen Folgerungen einen hervorragenden Werth. Nach der Einleitung und einer bis zu Seite 18 gehenden Uebersicht über die Geschichte des Militärfahrrades in den verschiedenen Staaten (nach Studelmann und Frhr. v. Puttkamer) bis 1894 geht der Verfasser auf die Weiterentwickelung des Militärfahrradwesens in Frankreich, Oesterreich und im Deutschen Reich über. In Frankreich ist an Stelle des provisorischen Reglements von 1892 ein definitives getreten, dessen Artikel 1 der Verwendung der Militiirrud- fahrer den weitesten Spielraum gewährt. In der Praxi» sind es hauptsächlich Ka- pitän Görards I«*i»titngen, auf dessen Erfindung, das klappbare Fahrrad, später näher eingegnngen w ird, welche die Leser interessiren werden. Die Folge seiner Thiitigkcit ist der Antrag Le Herissv in der Deputirtenkammer auf Organisation von 25 Rad- fahrer Kompagnien. In Oesterreich-Ungarn ist es Lieutenant Franz Sinnt ny, dessen Einzelausbildung im Grazer Militnrradfuhrerkursus die Grundlage für jede feste Or- ganisation bilden dürfte. Die Momenthilder, von denen übrigens ähnliche in allen illustrirten Zeitungen bereits die Bewunderung von Radlern und Nicht radlern erregt haben, erhöhen den Reiz des Buches. Interessant ist eine französische Fussnote aus dem »Velo«, der sieh über dies© Ausbil du ngs weis© moquirt; die Kurzsichtigkeit dieser naiven Expektoration unserer liehen Nachbarn ist geradezu erstaunlich. Des Weiteren ist dann die erfolgreiche Verwendung der ausgebildeten Mannschaften auf Grand der durch Smutnv gelieferten dienstlichen Berichte geschildert. Sodann kommt das Deutsche Reich an die Reihe. Preussen nimmt eine halbe Seite,1 ^Bayern deren 13 in Anspruch. Das ist auch nicht zu verwundern, denn die Bayern sind auf dem Gebiete des Radfahrwesens, deren Triebfeder der Herr Verfasser des vorliegenden Werkchens ist, thatsächlieh am plnnmässigstcn und weitesten vorgeschritten. Die.se Schilderungen nehmen denn auch im höchsten Grade das Interesse jedes Soldaten in Anspruch. Es ist nur zu bedauern, dass die Verwendung der Rodfubrer im dies- jährigen Kaisermanöver nicht mehr in den Rahmen der Arbeit gezogen werden konnte. Kapitel No. 3 behandelt Erfahrungen und Folgerungen«. Der erste Abschnitt nennt sich »Der Militärradfahrer«. Der Verfasser stellt hier den Radtouristen und den Renn- fahrer in Gegensatz mit dem Militärradler: »Ihn lockt kein Naturgenuss, ihn reizt

kein Gewinn; ihn ruft einzig die Pflicht!« Wir können dem Herrn Verfasser oh dieses inhaltsreichen Ansspruchs nur aus tiefster Seele zustinimen. Er verdummt sodann das System, eingezogene Reservisten als Militärrodfahrer zu verwenden, und

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tritt für militärische Erziehung und die Ausbildung in geschlossenen Körpern ein; hierin sekundiren ihn» die beiden Freiherren v. Puttkamcr fast auf jeder Seite ihrer Schriften. Der zweite Absatz »Das M ilitnrfahrrad spricht «ich gegen das Klapprxul des Kapitäns Gerard aus, welches in Frankreich eingeführt sein soll; gefordert wir«! ein Rad, welches folgende Eigenschaften und Huunrt hat: »Höchste Solidität, Festig keit und Einfachheit in allen Theilen, beste Pneumatik reifen, Höherstellung der Kurbelachse, keine blankem Theile, Gewicht des nnbepaekten Rüdes 14 bis kg. Entwickelung ö bis 6 Vf w».< Wir glauben, dass die Falirnuliudustrie soweit vor geschritten ist, um bei Erfüllung der übrigen Anforderungen ein Rad von 12 l>is höchstens 13 kg bauen zu können. Wenn hei richtiger Verwendung der Militär radfahrer muh ein Tragen «eiten Vorkommen wird, «o muss dieser Fall, der gerade im Augenblick der höchsten Gefahr «loch manchmal ein treten dürfte, immer beachtet werden und vorgesehen sein. In der Bemerkung über Mehrsitzer sind so viel rühmend«* Eigenschaften hervorgehoben, dass es nicht ganz klar ist, warum der V erfasset nicht eine zahlreichere Einstellung derselben befürwortet. Bei diesen würden statt der Pneumatiks, deren Verletzbarkeit unter der höheren Belastung steigt, als Ersatz für jene, etwa Temmclsche Kompensationsreifen am Platze sein. In dem Abschnitt: »Kleidung. Ausrüstung und Bewaffnung der Militärradfahrer« spricht er sich wenn auch mit wenig Begeisterung für die in der Fahrrad-Ordnung befohlene Kleidung aus. Sie wäre in «1er That iinderungsfähig. Als Waffe ist richtigerweise der Karabiner empfohlen. Im letzten Abschnitt des Kapitels kommt Einiges über «lie Verwendung der Radfahrer zur Sprache. Der Herr Verfasser ist dort der Ansicht, dass Ra«lfuhrcrabtheilungen schwer an langen Kolonnen vorheikommcii und unter Entstünden mit einem Fiasko enden. Die Huuptmarsehstrasse ist und bleibt für die Radler die Chaussee, und auf dieser kommt jede Radfahrerabtheilung mit geringerer Mühe und weniger Belästigung an langen Infanteriekolonnen vorbei als Kavallerie und Artillerie, «lie vor gezogen werden. Schwieriger ist allerdings «las Passiren l>erittcner Truppen, was ln*i schmalen Wegen zur Unmöglichkeit wird, sofern nicht jenen Truppengattungen der Befehl zum Ausweichen bezw. zeitweiligen Verlassen der Marschstrasse gegeben wird. Im vierten und letzten Kapitel ist die Rad fall rer truppe der Zukunft« behandelt. Verfasser weist nach, «lax«, wenn die Franzosen sich Radfahrer -Kompagnien nnscliaffcn, wir uns nicht den Rang uhluufen lassen dürfen«. Wir meinen, «lass die deutsche Heeresleitung «ich lediglich von «ier l’eherzeugung leiten lassen wird, ob lbnlfahr truppen im Kriege von Nutzen sind oder nicht, «lies ihr muhzuweisen, ist unser gemeinsames Ziel! Ob «lie Franzosen Radfahrer-Kompagnien ein fuhren «ler es bleiben lassen, wird für die Entscliliessung unserer Heeresleitung glei«’hgültig sein. Um so kräftiger tritt der Herr Verfasser dann für die Verwendung in den verschiedenen Phasen «l«*s kleinen Krieges ein und führt so am besten d«*n Beweis für den Werth einer solchen Truppe. » Dagcg«*n - * fährt er fort erscheint eine Verwendung von Rad- fahrert nippen in «Ier eigentlichen Schlacht als vollständig verfehltes Experiment«. Nun, wir sind auch noch nicht so weit.

Geschirrkunde oder Beßchirrungslehre von Dr. mcd. Friedrich Anton Zürn. Prof«*xsor «ler Veterinftrwissenschaften an «ler Universität I^ipzig und K. 8. Hof rath. Mit 47G Abbildungen. Leipzig 1807, Verlag von S. Hirzel.

Der auf «lern Gebiete «ler Veterinärknnde wohlbekannte Verfasser l»el»andelt in «lern vorliegenden Buche an der Hand zahlreicher deutlicher Abbildungen in klarer, leicht verständlicher Sprache die gesummte praktische Geschirrkunde der Arbeitsthicre. Ist «las Buch auch nicht in erster Linie für militärische Zwecke geschrieben, so bietet «*s doch vom kriegstechnischen Standpunkte allen berittenen Offizieren, einschliesslich «ler nur im Kri«*ge berittenen, ausserordentlich viel Interessantes und Belehrendes. Von seinem Inhalte entfallen 200 Weiten auf die Znggeschirre einschliesslich der Be Spannung« Vorrichtungen der Fahrzeuge und Zubehör, 100 Beiten auf die Geschirre für Reitpferde und 8 Seiten auf Traggeschirre. Ein Anhang von 43 Seiten «‘iidlich 1h*- hanciclt Gerftthe und Vorrichtungen, die nur mittelbar zum Geschirrzeug zu zählen sind, wie Rh*ndknpp«*n, Sehwcissleder, Streichlappen, Bamlagcn, Schneeschuhe, Tränk eimer etc. Bei Besprechung der verschiedenen zum Geschirr und Sattelzeug gehörenden Theile werden «lie Konstruktionen sowohl vom praktischen wie vom gesundheitlichen Standpunkt beleuchtet und schliesslich wird auch «lie ökonomische Seite nicht ausser Betracht gelassen. Alis den ganz«*!« Abhandlungen erkennt man erneut, einen wie wichtigen Antheil die Geschirrkunde an «l«-r Gesund hei tsl ehre der Hausthiere, insbe* sondere der Pferde bildet. Treffend sind «les Verfassers Benrtheilungen «l«*s Materials, und dabei, was für Neukonstruktionen wichtig ist, objektiv und vorn rt heilsfrei. Die «*ine ««Ier andere neueste Konstruktion der Iserlohner Industrie mag zwar fehlen; bei der Reichhaltigkeit «l«*s Materials und «ler Jugend und hin und wieder geringen Er-

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probtlieit derartiger Schöpfnngin kann dies aber nicht Wunder nehmen. Hei Neu- auflagen, die das Buch sicher erleben wird, wird diese kleine Lücke leicht auszufiillcn sein. Ausser den Kreisen, denen wir das Buch schon eingangs empfohlen haben, wird es ganz besonders auch den l^elirern der Pferdekenntnis« an den militärischen Bildungsanstalten als Unterriehtshiilfsmittel gute Dienste leisten und willkommen sein.

Anleitung zum Verlegen von Oberbau durch Eisenbahntruppen. (A. O.)

Berlin 1897, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche llofhuehlmndlung.

Diese Anleitung entspricht den Normen für den Bau und die Ausrüstung der Haupteisenlmhnen Deutschlands, sowie den Oberhauordnungen der preussischen Staats eisenbahnen und «len teehnisehen Vereinbarnngen des Vereins deutscher Eisenhahn Verwaltungen, auf welche in «1er Anleitung Bezug genommen ist. Dieselbe umfasst in sechs Abschnitten «las Material und seine Handhabung; «lie allg«*meinen Vorschriften für den Oberbau; die Vorbereitungsarbeiten für die Herstellung «les Oberbaue«; «li<* Hi-rstellung «les Oberbaues; den B«‘«larf an Mannschaften, Eintheilung und Gang der Arbeit bei voll besetzter Oberbaukolonne; die Kriegsleist uiigt'U und den beschleunigten i »herbau. Nach den bisher bei grösseren Ucbnngen gemachten Erfahrungen kann eine voll besetzte Oberbaukolonne, bestehend aus Einbautrupps (Schwellentrupp, Schienen- trupp, I-asch ent nipp, Nageltrupp, Anstopf- etc. Trupp) und Eicht- und Stopftrupps, in der Stärk«1 von einer bezw. zwei Eisenbalinbau - Kompagnien täglich 1 l/t km (»leis verlegen. Zwar ist diese Leistnng bei grösseren Frfedenaftbungen auf neu zu verlegenden, für den vollen Friedensverkehr bestimmten Strecken nicht immer zu verlangen, denn liier liegen die Verhältnisse für «lie Beschleunigung «1er Arbeit wegen Rücksichtnahme auf die Buhnverwaltung nicht so günstig wie im Kriege. An eine feldmässig verlegte Bahn können nicht dieselben Ansprüche gemacht werden wie an eine im Frieden er- baute und für «len Friedensverkehr bestimmte Bahn. Betriebsfähigkeit und genügende Betriebssicherheit für die mit geringerer Geschwindigkeit fahrenden Militärzüge ist Erfordernis«, alles Andere ist Nebensache und kann wahrend des Betriebes nachgeholt werden. In cler angegebenen Gleisliingc sind «lie nöthigen Bahnhofseinrichtungen und sonstigen Nebenarbeiten eingerechnet; jedenfalls ist eine Tagesleistung von löOO m Gleis unter allen Umständen anzustreben. Eine weitere Steigerang der Leistung ist l»ci gemischtem Bau zu erreichen, wobei dann je nach den Neigungsverhiltnissen der Bahn und der Beschaffenheit des Bodens und des Geländes, sowie nach der Zahl «l«*r «•rforderlichen Nebenarbeiten und Babnhofsanlagen vier Bau- Kompagnien einschliess- lich der Besatzung des Depots und «ler für den Betrieb der im Bau hcltmllichcii Streck«* not h wendigen Mannschaften erforderlich werden. Unter Umständen wird auch noch eine fünfte Bau- Kompagnie beigestellt werden müssen. Man kann auf «lies«* Weise eine Tagesleistung bis zu 6 km erreichen; wie aber in der Taktik Wirkung vor Deckung gebt, so muss bei jeder technischen Ausführung «lie Betriebssicherheit bezw. Gc- brauclis Fähigkeit stets der Schnelligkeit voranstehen.

Aufgaben aus der Feldbefestigung mit Bearbeitung und Besprechung. Zur

Vorbereitung für die Prüfung in die Kriegsakademie von Albert liiert lies. Prc m i erli ewtenan t im k. b. lö. Infanterie- Kcgiinent König A liiert von Sachsen. Mit 1 U ebersichtskarte, Skizzen und 2 Krokis in Steindruck. Berlin 1897, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofhuchhandlung.

Die vorliegenden Aufgaben halten sieh allerdings von der Darstellung und Besprechung technischer Einzelheiten frei, und «ler Hinweis auf «lie Fehlbefestigung»* Vorschrift könnte auch an und für sieh genügend erscheinen, «la «ler Verfasser «lie Bearbeitung der Aufgaben in «Umbaus allgemeinen Angaben hält und diese in die Befehlsform einkleidet. Ebenso vermeidet er auch in «l«*r Besprechung das Eingehen auf die eigentlich technische Seite, «lie uns doch zu sehr vernachlässigt dünkt. Wir können wohl der Auffassung zustimmen, «lass «*s «lern Verfasser auf eine rcinlh'h«- Scheidung der Aufgaben «ler Taktik und <l«*r Technik ankam. Auch mag er darin Recht haben, dass man «len Pionieren gar keinen Gefallen timt, wenn man ihnen Aufgalien aufhürdet, welche nicht ihr«* Sache siixl; sie werden <*s nicht als Zurück

setzung emplinden, wenn der Kommandeur (d. h. also «ler Infanterist alle Anordnungen taktischer Natur selbständig trifft und den Rath der Pioniere nur in technischen Dingen in Anspruch nimmt. Da er aber hierbei zu «len Aufgaben, welche nach seiner Ansicht nicht Sache «ler Pioniere sind, auch «lie Wahl «ler Vertheidigungsstcllung auffuhrt, so hetimlet er si«*h mit seiner Auffassung auf völlig falschem Wege. Es wird Niemand leugnen wollen, «lass gerade bei dieser Wald «lie taktischen mit den

technischen Verhältnissen auf das Innigste Iland in Hand gehen, ebenso «lass auch

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tler Pionicroffixier mit seinen Studien erst dann :m die Technik herantritt, wenn er in die Taktik eingedrungen ist, ohne welche die Pioniertechnik der Feldbefestigung undenkbar ist. Ein umsichtiger und erfahrener Truppen kommandeur wird sieh auch in verkommenden Füllen gewiss mit dem ihm zugetheilten Pionieroffizier in Ver- bindung setzen und ihn zu Käthe ziehen, wobei er mit Sicherheit darauf rechnen kann, dass der Pionieroffizier in keinem einzigen Falle irgend eine »Sache »o aaffaMen wird, als ob sie ihn nichts anginge. Auf der anderen »Seite wäre es vielleicht ganz zweckmässig gewesen, etwas mehr auf die Technik einzugehen, als es geschehen ist; denn wenn die Trennung der Taktik und Technik vielleicht auch reinlich erfolgt ist, so ist eine absolute Trennung beider ini vorliegenden Falle ebenso unmöglich. Nicht «Lie einzelnen Formen der Technik waren hei den Kenrlteitungen in Erwägung zu ziehen, wohl aber die Frage darüber, oh sich die in den Befehlen vorgesehenen Befestigungsanlagen in dem angenommenen Umfange mit den vorhandenen Kniffen in einer bestimmt gegebenen Zeit und bei den zur Verfügung stehenden Mitteln auch wirklich ausführen lassen. Diese Erwägungen sind aber auch eine Sache, die den Infanteristen sehr angeht, da vielleicht nicht immer ein Offizier der technischen Truppe rechtzeitig zur Stelle ist, so dass dem Infantcrieoffizier die Erkundungen ausser muh der taktischen Seite auch nach der technischen zufallen, was keineswegs zu den Ausnahmen gehört. Wer Befehl«; über technische Ausführungen geben will, muss die Technik wenigstens insoweit lieherrechen, dass die Ausführung seiner Befehle im Bereich «1er Möglichkeit liegt, der in den Bearbeitungen und Besprechungen nicht hinreichend Rechnung getragen ist. Rückhaltlos zustimmeu kann inan dem Verfasser darin, dass er «lie Angriffsarheiten der Infanterie und Pioniere bei seinen vier Aufgaben nicht mit in den Kalimen seiner »Schrift hincingczogcn hat.

Grnndzüge der Wechselstromtechnik. Von Richard Kühl mann, Dr. phil. und Professor. Leipzig 1807. Oskar Lciner.

Bei «1er grossen Bedeutung, «lie «1er Wechselstrom für die Kraftübertragung auf gross«; Entfernungen mul für den Betrieb räumlich sehr ausgedehnter I^eitungsnetze gewonnen hat, ist das Buch als ein gutes Kompendium zu begrüsaen. Es erörtert, «len jetzigen »Stand «1er W echseist rom t ech n i k in ihren verschiedenen Anwendungen. Die Darstellung der Grundlagen der Wechsel- und Mehrphasenströme ist nicht zu schwer fasslich, besondere da die höhere Mathematik dabei vermieden ist. Den Be- hauptungen, dass Glühlampen bei Wechselstrom eine längere Lebensdauer zeigen wie bei Gleichstrom und «lass es nicht angängig sei. Gleichst rom moschinen von über 1000 Volt »Spannung zu verwenden, können wir nicht ganz l>ei treten. Wir kennen Gleichstrommaschinen von 3000 Volt, die mit Vortheil betrieben werden. Das Buch kann allen denjenigen angelegentlich empfohlen werden, «lie über «lie Wechselstrom- technik sieh Belehrung verschaffen wollen. leider ist sein Preis mit 11, 50 Mk. «•twas hoch.

Radlerei! Einundvierzig Kunsttafeln mit 107 Voll- und Textillustrat ionen. llemus- gegehen vom Wiener Kadfahrclub Künstlerhaus . Text redigirt von Carl Kabis und Carl »Sei «11. Format 23,5 : 3 1 cm. Buehtlraek mit farbig«*» Tonanlagen. Wien, Gerlach & »Schenk. Eleg. geh. 6 fi. = 10 Mk.

Eine vollendete Weihnuchtsgube für Alle, welche «lie Kadfuhrkunst ausüben, befördern und beschützen. Die ersten Künstler haben «lern Prachtwerk Griffel und »Stift, di«* ersten »Schriftsteller «lie Feder geliehen; Bibi und Wort haben sich dabei miteinander im Humor verbünd«*», um einem »Ie«leu «*twas zu bringen, und auch des Kriegers auf den» Rade ist nicht vergessen worden. Die Bil«ler sind ebenso köstlich wie die Verse und die K«*ime, vom radelnd«*» Erlkönig bis zum Kadtcrgig<*rl und Kadi erradi weih. Die Kunst bei trüge entstammen von den bedeutendsten Mitglie«lem «Ich Radfahrkluhs Künstlerhaus in Wien, und unter den Verfassern «ler ausschliesslich in gebundener Form ahgefassten Texte bemerken wir die Namen Carmen »Sylva, Dr. Ltnlwig Fulda, Eduard Pötzl, Carl Kabis u. A„ die ausnahmslos einen guten Klang haben. Das Album wir«l sieh habt im Kreise der Familie als erheiternder Gast lieb und werth machen.

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Die militärische Bedeutung des Versuchs

mit dem

Metallballon System Schwarz.

In den letzten Jahren sind in der Luftschifffahrt verschiedene Ver- suche veranstaltet worden, welche in den Augen des weniger cingeweihten Beobachters als Misserfolge erschienen sind. Eine solche Auffassung ist auch eine ganz natürliche, wenn von dem allgemein verbreiteten Stand- punkt ausgegangen wird, ein Luftschiff müsse nach seiner Fertigstellung ähnlich einer Eisenbahn sofort mit gewohnter Sicherheit von A nach B fahren können. Freilich ist dies das erstrebte Ziel jedes Erbauers von Luftschiffen, aber im Falle dasselbe nicht erreicht wird, können auf- gewandte Arbeit, Zeit und Geld noch ebenso nützlich verwendet worden sein, als wenn der im Laienauge allgemein geltende sensationelle Er- folg vorhanden war. Eine so schwierige, so in unser ganzes Kulturleben eingreifende Sache, wie die Beherrschung des Luftoceans durch Luftschiffe kann nicht mit einem Schlage gelöst werden, sie hat ihre geschichtliche Entwickelung. Die Zeit von Montgolficr war nicht ini Stande, ein lenk- bare» Luftschiff zu erbauen, und man war damals, nachdem der Herzog von Chartres 178b vergeblich einige Hunderttausend Francs zu Versuchen verausgabt hatte, berechtigt zu der Behauptung, ein lenkbares Luftschiff sei eine Utopie. Heute iin Zeitalter des Verkehrs, des Auto- mobilismus entwickelt sieh das Luftfahrzeug durch die enormen Fort- schritte der Industrie und Technik, man möchte sagen, von selbst, cs bedarf nur, solange nicht irgend eine Nothlage seinem Bau zum zwingenden Bedürfnis« macht, einer Aufrechterhaltung des Interesses für dasselbe, damit die Versuche, sich dauernd verbessernd, nicht aufhören. Wo nicht gearbeitet wird, kann auf Vorwärtskommen nicht gerechnet werden, und alle Erfahrungen, die gemacht worden sind, gehen verloren, wenn eine Generation über einen theilweisen Erfolg hinstirbt, ohne die Hinterlassen- schaft ihrer l’raxis an die nachfolgende abgegeben zu haben. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir das Schwarz’sche Metallluftsehiff betrachten. Von vornherein wusste jeder Luftschiffer, dass dieser kunstvolle Bau, wenn er gezwungen wird, wie ein Ballon zu landen, sich unter den gleichen Verhältnissen befindet wie ein Schiff, welches strandet. Verfasser dieser Zeilen hat mit dem Erfinder gerade diesen I’unkt persönlich be- sprochen und gefunden, dass Herr Schwarz eine ganz richtige Auffassung von dem Loos seines Schiffes unter solchen Umständen hatte, ganz ab- weichend von Durchschnittsertindern, die gewöhnlich mit recht ungesunden Vorstellungen arbeiten. Diese Strandung und Zerstörung des Blechkörpers

Kriegsteclmiscb« Zeitschrift. 1£9& 2. lieft, 4

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50 Die militärische Bedeutung des Versuchs mit dem .Metullluillon System Schwarz.

bildete aber anfänglich das Kriterium für das Misslingen dieses Versuches in der öffentlichen Meinung. Die heute bereits ziemlich aeronautisch ge- schulte Presse der Reichshauptstadt hat zwar durch nachträgliche Richtig- stellung Vieles wieder gut gemacht, indess »semper aliquid haeret!« Es wurde hervorgehoben, welches Musterwerk unserer deutschen Aluminhvm- industrie dieser 3697 cbm fassende Ballon gewesen sei, und wir wollen hinzufügen, dass er bis jetzt das einzige metallene und das schwerste Luftschiff gewesen ist es wog etwa 3500 kg , welches seinen Weg in die Lüfte genommen hat. Was die Arbeit nun aber weiter hervorhebt, ist die Ausführung des gasdichten Gehäuses durch Vernietung, während die Konstruktion des inneren starken Gestells eine natürliche Voraussetzung eines derartigen Luftschiffes ist, die selbstredend hier auch zum ersten Male zur Ausführung kam. Ferner darf nicht unerwähnt, gelassen werden, dass der 10 HP Benzinmotor, mit dem einige Monate vorher der bedauern s- werthe Dr. Wölfert verunglückte, sich diesmal ungefährlich erwios und ferner, wenn man den von mehreren Seiten uns überkommenen Berichten glauben darf, ohne in voller Bewegung gewesen zu sein, der frischen Brise kurze Zeit entgegen gefahren ist. Es soll bei der Luftschifferabtheilung am 3. November nachmittags während des Versuchs eine Windgeschwin- digkeit von 7,5 m pro Sekunde festgestellt worden sein. Demnach muss der scheinbar so leicht verletzbare Ballonkörper mit seinem Querschnitt von 132 qm nach der Ritter von Lössl’sehen Formel für den Segelwider- stand einem Druck von über 529 kg widerstanden haben. Berücksichtigt man, dass die Unmöglichkeit dieses Factums bestimmt prophezeit worden war, so wird man den mit dem Versuch verbundenen Triumph des Luft- schiffes ermessen können. So liegt denn auch die militärische Bedeutung des Versuchs mit dem Scliwarz’schen Luftschiff im Wesentlichen darin, dass eine grosse Korona Sachverständiger ihr bis dahin theoretisches Ur- theil durch die Erfahrungen des praktischen Versuches läutern und in gesunde Bahnen lenken konnte soweit ein solches bei den Einzelnen vorher von den gewonnenen Erfahrungen abwich. Damit ist die durch Dr. Wölfert in Gefahr des Vcrsiunpfens gerathene Frage des lenkbaren Luftfahrzeuges von Neuem in Fluss gekommen, und wir dürfen erwarten, dass sie nunmehr mit noch mehr Energie verfolgt werden wird, zumal, da ja eigentlich die ganze Kriegstechnik mit ihrem ungeheuren kunstvollen Apparat auf die Vollendung dieses verhältnissraiissig einfachen und durch- greifend zerstörenden Kriegsmittels geradezu hinausdrängt.

Unter diesen Verhältnissen können wir stolz darauf sein und es nur mit Freuden begrüssen, dass ein Offizier unserer Armee, Seine Exeellenz Generallieutenant Graf von Zeppelin, ein Projekt durchgearbeitet hat, welches das vollkommenste unserer Zeit genannt werden muss und bereits dadurch sanktionirt worden ist, dass der deutsche Ingenieurverein dasselbe durch eine Kommission hervorragender Ingenieure hat prüfen und zur Ausführung empfehlen lassen. Das Urtheii dieser Prüfungskommission im Verein mit dem Ausfall des Versuchs mit dem Schwarz’schen Luftschiff wi rd sicherlich die Ansichten über den Werth dieses Projektes umgewandelt haben, und wir können nur mit dem Erfinder die Genugthuung darüber empfinden, dass die Entwickelung des Luftfahrzeuges durch Verkettung dieser Umstände kommt, wie sie kommen muss, zum Heile unserer Armee. Moedebeck.

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Zur Geschichte der Schnell feuergescliütze.

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Zur Geschichte der Schnellfeuergeschütze.

Von C. v. Berget, Generalmajor z. I).

Das Bestreben , die Wirkung der Feuerwaffen zu steigern, ist so alt wie der Gebrauch der Feuerwaffen selbst. Nachdem sich die Feuerwaffen im Laufe des 14. Jahrhunderts ihren Platz als Kriegsmittel errungen hatten, begann man alsbald mit der fortschreitenden Technik Vermehrung und Sicherung ihrer Wirkung zu fordern. Theilweise war es die Steigerung des Kalibers, welche man erstrebte, bald aber der Erschwerung des Ge- brauches halber wieder aufgeben musste, theilweise die Steigerung der gleichzeitig fortzuschleudernden Geschosse. Zn der letzten Art der Feuer- waffen gehörten die schon Ende des 14. Jahrhunderts auftretenden Doppel- bombarden zwei kleine Geschützrohre nebeneinander auf einer starken Bohle, mittelst deren ihnen die Richtung gegeben werden konnte und sodann die im lfi. und 17. Jahrhundert in Gebrauch genommenen Orgei- geschiitze oder Todtenorgeln eine grössere Zahl nach Art der Orgelpfeifen nebeneinandergelagerte Feuerrohre . Im Jahre 1718 wurde einem Herrn J. Tackle in England ein einläufiges Geschütz mit rotirendem Ladungseylimler patentirt. In dem Patent war ausgesprochen, dass bei Gebrauch des Geschützes gegen Türken viereckige und gegen Christen runde Geschosse zu verwenden seien. Der Erfolg dieser Neuerungen konnte nicht befriedigen. Ebenso wenig war dies der Fall mit den im 18. Jahrhundert durch den preussischen Oberst v. Holtzmann, der sich auch in Konstruktion von Hinterladegeschützen, sog. Kammerstücken, versucht hatte, veranlassten oval gebohrten Geschützen, welche eine grössere Seitenausbreitung der Kartätschkugeln bewirken sollten. Dieser Gedanke ist später in der russischen Artillerie wieder aufgenommen worden durch die Schuwalows oder Schuwalars, so genannt nach dem Namen ihres Konstrukteurs Schuwalow. Friedrich der Grosse hat eine Anzahl solcher Geschütze bei Zorndorf erobert und vor dem Berliner Schlosse eine Zeit lang aufstellen lassen. In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, in den Jahren 1814, 1818, 1837 wurden noch mehrfach Revolverkanonen in England patentirt, von deren Verwendung im Ernstfall nichts bekannt geworden ist. Endlich muss noch die von dem englischen Artilleristen Schrapnel hergestellte und Anfang unseres Jahrhunderts im spunisch- französischen Kriege verwendete Granatkartätsche, das Schrapnel, erwähnt werden, das aber in den Napoleoni sehen Kriegen nicht zur allgemeinen Einführung kam und erst in unserer Zeit seine so grosse Bedeutung er- langte, nachdem es selbst im letzten deutsch-französischen Kriege durch die mangelhaften Zünder der französischen Schrapnels so bedeutend an Ruhm eingebüsst hatte, dass auch in der deutschen Armee die Zahl seiner Verehrer stark geschwunden war. Hatte man ja doch auch in Deutschland nach Einführung der gezogenen Hinterlader und der Neumann- schen vortrefflichen Aufschlag- oder Konkussionszünder so schlechte Er- fahrungen mit der Wirkung des Schrapnels gemacht, dass die gesammte prenssische Feldartillerie ohne Schrapnels in den Krieg zog. Zu seiner Wiedereinführung nach dem Kriege führte die Ueberlegung, dass ein Ge- schoss, welches im Stande ist, dem Feinde eine solche Menge Kugeln entgegenzuschleudern, wie es ein gutes, richtig konstruirtes Schrapnel ver- mag, deshalb noch nicht verworfen werden darf, weil ein schlecht kou- struirtes derartiges Geschoss gar keine oder nur geringe Wirkung hat.

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Zur Geschichte der HchnitUfrueifMChötie.

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Ich habe mich damals stets für das Sehrapnel ausgesprochen, und die Mehrzalil der nach dem Kriege zum Bericht aufgeforderten Offiziere hat dies wohl gethan, und in unserem dann eingeführten und fortwährend verbesserten Sehrapnel mit Brennzünder, dessen Kugelgarhe den Feind auch hinter Deckungen erreicht, haben wir ein Geschoss, das uns selbst Mitrailleusen entbehrlich machen dürfte.

Die Kriege zwischen Nord und Süd der Vereinigten Staaten von Nord- amerika 1861 bis 1865 machten, angesichts der geringen militärischen Ausbildung der amerikanischen Truppen, das Streben nach möglichster Ver- vollkommnung der Waffen selbst von Neuem rege. Die bedeutendsten Maschinenfabriken Nordamerikas begaben sich deshalb an die Konstruktion von Feuerwaffen, welche durch ihre Wirkung den Mangel an Ausbildung der Mannschaften in persönlicher Führung der Waffen ersetzen sollten, welcher Mangel namentlich bei den Truppen der Nordstaaten in der ersten Zeit des Kampfes stark hervortrat. Die aus Europa durch Händler bezogenen Waffen waren vorzugsweise dort, infolge Umwandlung der glatten in gezogene Feuerwaffen, ausser Gebrauch gesetzte Muster und von geringem Werthe. Dagegen hatten amerikanische Fabriken, insbesondere die Patentfeuerwaffenfabrik des 1862 verstorbenen Oberst Colt zu Hartford bereits seit längerer Zeit Revolver geliefert, die sich auch in ganz Europa eines guten Rufes erfreuten. Wenn sie auch von den Engländern Adams und Deane, dann von dem Franzosen Lefaueheux, der bereits hier bei seinem Revolver die Einheitspatrone anwendete, d. h. Ladung. Zündung und Geschoss zu einem Stück vereinigte, und von Schilling in Suhl sehr wesentlich verbessert wurden, so waren die Coltsehen Revolver an und für sich schon ein grosser Fortschritt gegenüber dem bereits 1848 in Deutschland in Gebrauch genommenen Taschenrevolver. Dieser letztere hatte nämlich ein vollständiges Laufbündel von etwa 5 Läufen, welche, jeder besonders, geladen werden mussten und sieh dann um die Längen- achse der Waffe drehten, um nacheinander mit dem gewöhnlichen Hahn des Perkussionsschlosses abgefeuert zu werden. Colt dagegen führte nur einen und zwar feststehenden Lauf ein, an welchen sich ein mit sechs I^adungakammern versehener drehbarer Cylinder anschloss. Derselbe wurde bei dem Spannen des Hahnes jedesmal in dem Augenblicke durch einen Zapfen festgestellt, in welchem die betreffende Kammer genau centrisch an den Lauf sich anpasste. Wir werden im Verlaufe dieses Aufsatzes sehen, dass die Konstruktion der Revolver genau denselben Weg gemacht hat wie die Konstruktion der Schnellfeuergeschütze. Auch bei diesen kommen zuerst vereinigte Laufhündel oder horizontal und parallel neben- einander liegende Läufe vor, bis man den ganzen Ladungsmechanismus allein behandelte, besondere Patronenzuführer verwendete oder Alles, was zum Laden, Abfeuern und Wiederfertigmachen gehört, in das Verschlussstück vereinigte, um schliesslich unter Benutzung der Kraft des Riickstosses und verschiedener hydraulischer oder federnder Einrichtungen vollständig selbst- t.hätig arbeitende Kanonen mit einem Laufe herzustellen. Dass dazu von dem ersten Revolvergeschütz bis zur heutigen Schnellfeuerkanone ein Zeit- raum von 36 Jahren gehörte, kann nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass zu dieser Leistung zunächst erforderlich war: die Einheit«- patrone, d. h., wie oben bereits erwähnt, die Vereinigung von Ladung, Geschoss und Zündung in einer festen, den Transport vertragenden Hülse, ferner besondere den Rücklauf hemmende oder ganz aufhebende Laffeten- konstruktion, solide Rohr- und Verschlusskonstruktion mit zweckmässiger Abfeuer Vorrichtung, gute und schnelle Richtung und endlich die Erkenntnis«

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Zur Geschieht«* der Schncllfcuergeschiitze.

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der Verwerthbarkeit de« Riiekstosses zur Erleichterung und Beschleunigung der Bedienung. Einheitspatronen hatte zwar schon das alte Ziindnadel- gewehr, aber sie waren mangels einer Metallhülse nicht geeignet für eine Verwendung in Mnschinengeschützen ; gute Verschlüsse hesassen auch frühere Hinterladekanonen, aber da die Metallhülse der Patrone fehlte, so konnte das Entweichen der Gase nach rückwärts trotz aller Vorrichtungen zur Dichtung nicht in dem Maasse verhindert werden wie bei der Metall- patrone, wo die Dichtung bei jedem Schlisse neu ist und jede Verunreinigung des Verschlusses und dadurch verursachte Ladehemmung vermieden wird. Auf die Benutzung des Kiiekstosses für die Verrichtungen des Oeffnens des Verschlusses und Auswerfens der leeren Patronenhülse hatte mein Freund, Major v. Plönnies, der eigentliche Begründer der Wissenschaft der neuen Feuerwaffen- Konstruktion bereits in seinem 1871 kurz vor seinem Tode abgeschlossenen Werke: -Neue Studien über die gezogene Feuerwaffe der Infanterie aufmerksam gemacht.

Abbild. 1. tiatling« fiechslliufl|'f< KeTolv«*r-Kanon«‘.

Als das erste Schnellfeuergeschütz der Neuzeit müssen wir die Gatling- Kanone (Abbild. 11 ansehen. Der Erfinder, R. J. Galling aus Indianopolis, liess unter dem Namen Gatling Battery Gun zwei Kaliber 25,4 und 15,7, später 1 2,8 mm hersteilen. Die Bedienung erfolgt durch zwei Mann, von welchen der eine mittelst. Kurbel das Laufbündel von sechs Läufen sammt Ladetrommel in Bewegung setzt, während der andere die Patronen Einheitspatronen mit Kupferhülsen, Randzündung und Bleigeschoss mit der Hand in eine Rinne legt, von welcher aus sie in die Ladetrommel und in die Läufe gelangen. Mit jeder Kurbelumdrehung erfolgt ein Schuss und zwar ist es immer der unterste Lauf, welcher abgeschossen wird. Man kann in der Minute tiO Schuss mit dem Gatling-Geschiitz abgeben. Dasselbe wurde in der Coltschen Revolverfabrik zu Hartford angefertigt. Von seiner Verwendung im Kriege ist Thatsächliches nicht

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Zur Geschichte der Sehncllfcueraeschütze.

bekannt geworden. Trotzdem hat man in verschiedenen, auch deutschen Staaten Versuche damit gemacht, und auf der grossen Pariser Weltaus- stellung 18tl7 war die Gatling-Kanone ausgestellt.

Der Gatling-Kanone nachgebildet war die bekannte französische Mitrailleuse, von der sieh die Franzosen im Feldzuge 1870 Wunder ver- sprachen. Die Mitrailleuse (Abbild. 2' hesteht im Wesentlichen aus 25Gewehr-

Abbild. 2. Mitraillous'*. Rohr mit LaIToI«.

laufen, welche parallel zu je 5 Stück in 5 Lagen neben- bezw. übereinander gelagert und durch einen Bronzemantel umfasst sind. Am hinteren Ende dieses Rohrkörpers liegt der Verschlussmechanismus, welcher die Abfeuer- stifte, mit Spiralfedern umwunden, enthält und zwar für jeden Lauf einen. Zwischen dem hinteren Ende des Rohrkörpers und dem verschiebbaren Ver- schlussmechanismus wird die Ladeplatte (Abbild. .3 eingeschoben, deren 25, der Zahl der Läufe entsprechende Kammern mit der Hand mit Patronen Einheitspatronen gefüllt sind. Durch Umdrehon der am Verschluss befindlichen Kurbel, das mehr oder weniger schnell geschehen kann, erfolgt das Abfeuern in .Salven von 75 Schuss im langsamen oder 125 Schuss in der Minute im Schnellfeuer. Da die Läufe einzeln hintereinander abgefeuert werden, so entsteht, dadurch das bekannte Knattern oder Knarren, welches uns die Anwesenheit von Mitrailleusen in den Kämpfen von 1870 71 stets bald kund- gab. Da die Ladeplatten im voraus mit Patronen fertig gefüllt mitgeführt werden, so kann ein Ersatz der leeren Platts* durch eine gefüllte schnell erfolgen und ein lebhaftes Feuer stets unterhalten werden. Bekanntlich hat auch dieMitrailleuse den Franzosen das nicht gehalten, was sie sich davon versprachen. Allerdings haben wir manche Verwundete durch Mitraillensengeschosse gehabt, und u. A. wurde gerade Major Weygand, der Verfasser der ersten ausführlichen Beschreibung

Abbild. 3. Liujpj.ldtte.

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Zur (Jeschichte der SchnelKenergeschittre.

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dieses Geschützes, durch ein Mitrailleusengeschoss verwundet und dienst- untauglich, aber den Mangel einer tüchtigen Ausbildung der Infanterie im Schiessen konnte weder das Chassepotgewehr noch die Mitrailleuse er- setzen. Dazu kam, dass, wo auch eine Mitraillousen-Batterie sichtbar für Feldartillerie aufgestellt war, sie alsbald durch wenige Granatschüsse ver- trieben werden konnte. Dies geschah u. A. bei der Einnahme von Orleans Anfang Dezember 1870, wo die Grossherzoglieh Hessische 5. Batterie unter Hauptmann Friess eine solche, die verschiedene Zugänge wirksam bestrich, in kurzer Zeit auf direkten Befehl des kommandirenden Generals v. Manstein ausser Gefecht setzte. Damit stimmt die, wenn ich nicht irre von Plönnies, bereits vor dem Kriege in verschiedenen Aufsätzen über die französische Mitrailleuse, anfangs Kugelspritze genannt, ausgesprochene Ansicht, dass dies Geschütz seinen Hauptwerth in Bestreichung von Zugängen habe, die der Feind zu durchschreiten gezwungen sei , also sich namentlich für den Festungskrieg eigne, dass dagegen die seitherige Artillerie immer überlegen bleibe, wo cs sich um Wirkung auf grosse Distanzen die Mitrailleusen reichten nur auf 1200 bis 1600 m handele, um Wirkung auf todtes Material, auf Deckungen und Hindernisse verschiedener Art, sowie tim .Schiessen auf genau zu ermittelnde Distanzen und um schnellen Zielwechsel. Auch der damalige bayerische Hauptmann Graf Thürheim, welcher in seiner 1871 verfassten Schrift: ^ Die MitTailleusen und ihre Leistungen 1870/71« auch eine bayerische vierläufige Mitrailleuse be- spricht, nach ihrem Erfinder, dem Ingenieur Feldl in der Augsburger Maschinenfabrik, Feldl-Kanone benannt und nach Sedan bei der Armee angekommen, kommt zum gleichen Schlüsse.

Diese eben erwähnten Mängel der Mitrailleusen gaben bald nach dem Kriege Veranlassung zu Verbesserungen der Schnellfeuergeschütze. Man verstärkte das Kaliber, ging zu einem Rohre hauptsächlich über und suchte nach Mitteln, dieBedlenung zu erleichtern und zu beschleunigen. Zahlreiche Versuche wurden angestellt in England, Deutschland, Oesterreich, Frankreich, Spanien u. s. w. Schon früher, Anfang der 60er Jahre, hatte die durch Einführung des Stahles als Geschützmaterial ermöglichte Erleichterung der Rohre Veranlassung gegeben, zur Schonung der Laffete gegen die Wirkungen des Rückstosses die Laffete in zwei Theile, den Rohrträger und das Fahrgestell, zu trennen. Man wollte dadurch den Rücklauf des ganzen Geschützes vermindern, der die Bedienung erschwert, und man wollte die I -aff etc schonen, indem man das Rohr schlittenartig mit den eigentlichen Wänden auf dem unteren Theile der Laffete gegen Gummipuffer zurück- gleiten und durch die Elastizität dieser Puffer wieder vorschieben Hess. Solche Konstruktionen wurden von Krupp in Essen und von dem Gross- herzoglich Hessischen Oberlieutenant Ronstadt, der als Hauptmann und Batteriechef in der Schlacht bei Gravelotte am 18. August 1870 den Heldentod starb, Anfang der 60er Jahre vorgeschlagen. Sie bilden die Vorläufer für unsere heutigen selbstthätigen und Schnellfeuergeschütze.

Unter den zahlreichen Konstruktionen, welche von 1870 ab bis heute zur Prüfung und theilweise zur praktischen Einführung gelangt sind, treten hauptsächlich diejenigen von Hotclikiss, Nordenfeit, Maxim, Krupp und Gruson hervor. Auch Canet, Schneider in Frankreich, die Werke von Bofors in Schweden, Sotomayor in Spanien, Skoda in Oesterreich haben Schnellfeuer- und auch selbstthätige Geschütze geliefert. Alle diese Geschütze zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Aufsatzes überschreiten. Ich kann deshalb nur einzelne derselben kurz charakterisiren und wende mich zunächst zu dem Hotchkiss-Geschütz.

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Zur (lesthichtf der Hchncllfcuergiticlnitzc.

Die Hotchkiss-Kanone, 1878 aufgetreten, ist ähnlich wie das oben erwähnte Gatling-Geschütz konstruirt. Sie hat ein Kohrhündel von fünf Läufen. Ihre Anfertigung für Deutschland hat das Grusonwerk besorgt, welches bereits 1887 die tausendste Schnellfeuerkanone gefertigt hatte. Die Hotchkiss-Kanone ist in der deutschen Marine eingefiihrt, wie denn überhaupt alle Staaten diese mitrailleusenartigen Geschütze namentlich für Festungskrieg, Marinezwecke und Kriege gegen wilde Völkerstämme beibehalten bezw. eingeführt haben. Das Kaliber der bei uns eingefiihrten Hotchkiss-Kanone beträgt 37 mm, zeigt also bereits eine wesentliche Steigerung gegenüber von Gatling und der französischen Mitrailleuse.

AM»ild. 4. Nord«*nfelts vierlänflgr* Mitn»illcu*e •l«'r Admiralität.

Im gleichen Jahre, 1878, erscheint die Nordenfel t-Mitrailleuse (Abbild. 1', von dem schwedischen Ingenieur Nordenfeit konstruirt. Sie ist ebenfalls mehrläufig, hat aber die Rohre in einer Horizontalebene neben- einander vereinigt. Sie hat nur 25 mm Kaliber und schiesst ein massives Stahlgeschoss. Die englische Marine hat dieses Geschütz eingeführt. Wenn auch in den vielen in den Jahren 1878 und IT. auftretenden neuen Schnell- feuerkanonen mehr oder weniger Verrichtungen bei der Bedienung selbst- thätig vor sich gehen, wie z. B. das Auswerfen der Hülsen bei Oeffnuug des Verschlusses, Einschieben der Patronen und Spannen zum Schiessen, so geschieht dies doch immer durch irgend eine mit der Hand veranlasste

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Zur Geschichte dir Sclim-lirciHTgescliützi'.

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Hebel- oder Kurbelbewegung. Allein die wirklich selbstthiitige Kanone zeigt sich darin, dass sie ohne Hiilfsmittel durch die Hand des Bedieners nach Abgabe des ersten Schusses zu arbeiten fortfährt durch die ihr in- folge der Gasspannungen beim Schlisse und etwaige hydraulische oder sonst federnde Widerlager jnit- getheilte Kraft, bis das Schiessen durch Verfeuern der letzten ebenfalls selbst- thätigzugefiihrten Patrone oder durch Einstellung

Abbild. 6. Maxim-Mitnnlleu-r auf dmfU*siger La (Tote, kombinirt mit F»‘l<ll»ffele, Gefechtpstcllang.

weiterer Patronenzuführung be- endigt wird. Solche Geschütze stellte zuerst H. S. Maxim im Jahre 1883 her. Bei seinen Konstruktionen arbeitet das Geschütz nach Abfeuern des ersten Schusses für sich weiter.

Der Kückstoss schleudert näm- lich den Verschluss gegen ein federndes Kissen und dessen Rückwirkung wiederum schiebt den Verschluss wieder vor und besorgt dabei alle Verrichtungen für den neuen Schuss, so dass der Bediener nur die Richtung zu besorgen und zu überwachen hat. Die Patronen, selbstver- ständlich lauter Einheitspatro- nen, sind auf einem langen Bande befestigt, welches hinter dem Rohre mechanisch her- gezogen wird, so dass sie beim Vorgehen des Verschlusses sich in das Rohr, welches festliegt, einschieben (Abbild, fi u. 6).

Maxim hat ferner Vor- richtungen angebracht, welche das Rohr vor Ueberhitzung beim Schnellfeuer schützen

Abbild. tl. Mju hi- Milr.iillpu*f auf koniM-Wr SrliilMaffihti*.

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Zur beschichte der Schnei lfenergeschiitze.

dadurch, dass dasselbe mit einem wassergefüllten Cylinder umgeben ist. Einige seiner Geschütze tragen einen stählernen Schild zum Schutze der Bedienung gegen feindliches Gewehr- und Schrapnelfeuer. Einen solchen Schild trug meines Wissens zuerst die bald nach der französischen Mitrailleuse auftretende und dieser ähnliche belgische Mitrailleuse von Montigny. Maxim hat Geschütze verschiedener Kaliber, z. B. 37 mm, 75 mm und auch solche für Geschosse kleiner Feuerwaffen konstruirt. Die Geschütze sind selbstverständlich im Laufe der Jahre wesentlich verbessert worden und in vielen Staaten eingeführt. Sie haben besonders in unseren Kolonial- kämpfen in Afrika und in den Feldzügen der Engländer im Matabeleland und in Chitral 1893, 1894 und 1895 grosse Dienste geleistet. Sie werden, nach Vereinigung mit Nordenfeit, in den Werkstätten der Maxim-Norden- felt Guns and Ammunition Company in Erith und in Crayford in England angefertigt. Eines der neuesten Erzeugnisse dieser Gesellschaft ist das Schnellfeuer-Feldgeschütz von 75 mm Kaliber (Abbild. 7). Die Maxim-

Abbild. 7. 75 nim-SehnollfeneivFeldgeschatx auf Laflctc uluie Rtlckstoss.

Schnellfeuergeschütze werden für jede Verwendung, also für Feld-, Festuugs-, Gebirgs- und Seekrieg, hergestellt und laffetirt. Demgemäss können sie auch auf alle Arten transportirt werden, ja sogar Maxim-Geschütze für Velocipedtransport bestehen und solche, die vom Manne auf dem Rücken und vom Reiter am Sattel getragen werden können.

Die neuesten Konstruktionen von Schnellfeuergeschützen wenden sich immer mehr den eigentlichen Kanonenkalibern zu. Völlig selbstthätige Konstruktionen treten dabei mehr zurück gegen die Mittel zur Erleichterung und Beschleunigung der Bedienung, wie Rücklaufbremsen, uuter denen besonders die von Lcmoine, Krupp und Gruson zu nennen sind. Auch Rücklaufhemmungen durch Anbringung von spaten- und ptlugschaarähnlich gestalteten Ansätzen an den Laffetenschweif oder an die Achse, wie sie von de Bange, Kapitän Piffard, Rittmeister de Place vorgeschlagen wurden, werden verwendet. Die Oeffnung des Verschlusses und das Schliessen desselben dienen zum Auswerfen der leeren Hülsen, Einschieben neuer Patronen, vorzugsweise Einheitspatronen mit Ceutralziindung, Spannen des Schlagstiftes zum Abfeuern. Verschiebbarkeit der Oberlaffete dient zur

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Zur Geschichte der Schnellfeuergesehiitzc. 59

Erleichterung der Seitenrichtung. Das Krupp-Grusonwerk fertigt natürlich auch Schnellfeuergeschütze für Pauzerlaffeten, für Festungs- und für Schiffs- dienst. Die Kaliber der Schnellfeuerkanonen, die beiläufig bemerkt eine Feuergeschwindigkeit von 35 bis 45 Schuss in der Minute besitzen, sind nach den vom Grusonwerk früher herausgegebenen Berichten 37, 47, 35, 57, 75, 80, 82, auch 120 mm bei Rohrlängen von 12 und 13 (Haubitzen) und bis zu 40 Kalibern. Die Giesserei von Bofors in Schweden liefert Schnell- feuergeschütze vom Kaliber 37 bis zu 1500 mm aus Nickelstahl und mit Schutzschirm für die Mannschaften versehen.

Von dem französischen Ingenieur Canet, früher Ingenieur der Mittel- meerwerke, jetzt bei Schneider in Creuzot, ist noch ein Schnellfeucrgeschütz zu erwähnen, welches in drei Kalibern 65, 70 und 75 mm hergestellt wird und eine cigenthümliche Laffeteukonstruktion besitzt. Die Laffete ist, zur Erleichterung des Richtens und zur Verwerthnng des Riickstosses, in einen Rohrträger und in den eigentlichen Laffetenschweif getlicilt. Letzterer besteht aus zwei femrolirartig ineinander zu verschiebenden Cylindern. Der hintere auf der Erde ruhende Cylinder hat einen Spaten zur Rücklaufhemmung, der vordere hat den Rohrträger. In dem Cylinder

Abbild. 8. Geschütz Canet.

befindet, sich eine hydropneumatisehe Bremse, welche beim Rückstoss zu- sammengepresst wird und dann durch ihre eigene Rückwirkung das Rohr wiederum vorschiebt. Die Abbild. 8 veranschaulicht die Konstruktion. Aehnliche Konstruktionen sind noch mehrere in neuester Zeit bei Schneider und auch in St. Chamond gemacht worden.

Das Verdienst, die ersten Schnellfeuer-Feldgeschütze in prak- tischen Gebrauch genommen und in der Feldartillerie eingeführt zu haben, gebührt unserer Artillerie. Näheres ist darüber nicht bekannt geworden. Doch sind wohl die oben erwähnten Bedienungscrleichteruugen, wie seit- liche Verschiebbarkeit des Rohres durch Trennung der Laffete in Ober- und Untergestell, Rücklaufbrcmse, Einheitspatrone und ein den seitherigen Geschossen etwa entsprechendes Kaliber, sicher als in bester Ausführung bei diesen neuen Feldgeschützen vorhanden anzunehmen. Sehr erwünscht würde es sein, wenn die Einheit der Munition sich nicht bloss auf die Vereinigung von Metallpatrone mit Geschoss, sondern auch darauf bezöge, dass Gewicht und Schwerpunktslage sowie Schussladung für alle Schuss- arten eines und desselben Kalibers die gleichen wären. Dadurch würde es möglich sein, für alle Schussarten den gleichen Aufsatz zu verwenden.

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Die militüriwhe Verwendbarkeit des Pegnmoid.

eine ganz ungemeine Erleichterung und Beschleunigung des Richten». Der- gleichen Einheitemunition ist bei manchen Schnellfeuerkanonen eingefiihrt.

Ich sehliesse hiermit meine Mittheilnngen über die Geschichte der Schnellfeuergeschütze, deren Herstellung die angestrengte Thätigkeit der Konstrukteure und Artilleristen in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts in Anspruch genommen hat und noch in Wirksamkeit erhält. Den Vor- sprung hat Deutschland erreicht, indem es bereits zur Einführung der Neuerungen in die Feldartillerie gelangt ist; Frankreich ist auf diesem Wege gefolgt, während alle übrigen Staaten bis jetzt Schnellfeuerinaterial nur in der Festungs-, Gebirgs- und Marineartillerie führen.

Als Quellen dienten mir die Mittheilungen verschiedener Fabriken, Schriften und Broschüren von Major v. Plönnies, Major Weygand, Hauptmann Graf Thürheim, frühere im Spamerschen Verlage von mir erschienene und auch im Buch der Erfindungen verwerthete Arbeiten, Notizen des Herrn Majors Schott in der Militärzeitung, die von mir alljährlich im Militär- Wochenblatt gelieferten Uebersiehten über neueste Erfindungen, andere frühere Arbeiten von mir und endlich das englische Werk von W. R. Lake, Maehinc Guns and automatic breech Mechanism , welches bis 1895 reicht, sowie > La Mitrailleuse automatique Maxim en action, Londres 1896 ; und die Mittheilnngen der Schwedischen Gesehiitzgiesserei in Bofors aus dem Jahre 1897. in diesen Schriften sind die Konstruktionen ausführlich er- läutert, bozw. ist darin angegeben, wo man die Einzelheiten der betr. Konstruktionen linden kann.

Ob die jetzigen Schnellfeuergeschütze noch zu wirklich selbstthätigen Schiessmaschinen nach Maximscher Art vervollkommnet werden können, lässt sich kaum Voraussagen. Sollte es aller der Fall sein, so wird dem Artilleristen immer noch ein weites Feld von geistiger und körperlicher Thätigkeit übrig bleiben, um eine zweckmässige und erfolgreiche Ver- wendung solcher Waffen sicherzustellen, denn die Maschine allein tliut es nicht.

Die militärische Verwendbarkeit des Pegamoid.

Was ist Pegamoid? Pegamoid ist eine in England erfundene, jetzt auch in Deutschland hergestcllte Masse, in welcher die im Celluloid vor- kommenden Bestandtheile: Nitrocellulose, Alkohol und Kampfer enthalten sind. Ferner sind aber noch einige Substanzen darin, die zur Erzielung der Undurchdringlichkeit von Feuchtigkeit dienen, Biegsamkeit gehen und die Entzündbarkeit beseitigen. Das Wesen und die Menge dieser Zusätze sind nicht näher bekannt; der Gehalt an Ricinusöl soll sieh zwar durch den Geruch verrathen, jedoch vermochten wir an den vielen aus pegamoidirten Stoffen hergestellten Gebraochsgegenständen, die wir zu besichtigen Gelegen- heit hatten, keinerlei eigenartigen Geruch wahrzunehmen.

Ein sonderbares Wort »Pegamoid Dasselbe ist ersichtlich durch Verstümmelung aus Pergament geschaffen, um für eine pergamentartige Masse einen Namen zu erlangen, welcher den Schutz als Waarenzeichen gewährleistete; denn ein solcher findet nach den Gesetzen fast aller Länder betreffend Namensschntz nur statt, wenn Anklänge an vorhandene Namen und Bezeichnungen vermieden und dafür Phantasienamen gewählt werden.

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Dir militärische Verwendbarkeit des Pegamoid.

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»Pergamonl* wäre zu leicht verständlich gewesen, und so wählte man das unverständliche Wort Pegamoid.

Der Erfinder der ursprünglich zu Plakatüberzügen verwendeten Masse entdeckte auch bald die grossartige Eigenschaft, dass sie sich durch ein einfaches und billiges Verfahren in unendlich dünner Schicht auf jeden beliebigen Stoff, sei es nun Papier, Gewebe oder Leder, auftragen lässt und dann so fest an solcher Unterlage haftet, dass eine Trennung auf mecha- nischem Wege thatsächlich unmöglich ist.

Nach den Untersuchungen des Professors Witt von der technischen Hochschule in Charlottenburg bestehen die Eigenschaften des Pegamoid in Folgendem :

1. vollkommene Undurchdringlichkeit für Wasser und alle wässerigen Lösungen. Infolge derselben erzeugen Chemikalien ebensowenig wie Tinte oder andere Farblösungen dauernde Flecke auf den mit Pe- gamoid behandelten Geweben, Papier, Tapeten oder sonstigen Materialien,

2. vollkommene Undurchdringlichkeit fiir Fette und ihnen verwandte Substanzen,

3. die mechanisch an der Oberfläche pcgamoidirter Stoffe haftenden Fremdkörper lassen sich durch blosses Abwaschen, wenn nöthig, unter Zuhülfenalune von Seife und Desinfektionsmitteln vollkommen entfernen.

Die praktischen Engländer kauften dem Erfinder, einem kleinen Litho- graphen, seine Patente und die viel wichtigeren in diesen enthaltenen Geheimnisse ab, gründeten eine Aktiengesellschaft und machten das Pe- gamoid zu dem, was es heute ist, einem höchst werthvollen, einer grossen Zukunft entgegengehenden Stoffe von einer erstaunlich vielseitigen Ver- wendbarkeit, welche sich auch auf das militärische Gebiet mit Nothwcn- digkeit erstrecken wird. Von England aus ging die Darstellung des Pegainoids zunächst nach Frankreich über, aber schon im vergangenen Jahre wurde auch bei uns in Deutschland eine »Deutsche Pegamoid-Ge- Seilschaft : gegründet, die von den englischen Inhabern des Pegamoid- I'atentes die alleinige Herstellung von Pegamoid und daraus erzeugten Waaren für Deutschland erworben hat, so dass wir in dieser Beziehung vollkommen unabhängig vom Auslände sind.*) Diese Gesellschaft hat in Berlin gegenüber dem Equitable-Gebäude, Ecke Leipziger- und Friedrich- strasse, das geräumige erste Stockwerk gemiethet und in demselben eine Art von Pegamoidausstellung eingerichtet, deren Besuch sich dafür Inter- essirenden nur zu empfehlen ist. Von den mit Pegamoid behandelten Stoffen überraschen am meisten wohl die Baumwollengewebe, welche dadurch in einen von Leder kaum zu unterscheidenden Stoff umgewandelt werden, wie dies an den ausgestellten Polstersesseln, Tischbezügen, Tapeten, Matratzenüberzügen zu sehen ist. Ein ausgestellter Herrenreitsattel unter- scheidet sich in nichts von einem Sattel aus feinstem englischen Leder. Die ausgestellten Gebrauchsgegenstände vielseitigster Art werden den Be- sucher unstreitig auf das Lebhafteste interessiren.

Wie wird sich nun voraussichtlich die militärische Verwendbarkeit des Pegainoids gestalten?

* L>io Ix-scr wird es interessiren, dass sieh eine iihnliche Gesellschaft in Wien (Rot heilt luiraistrasse !i aufgetban hat und dass bereits mehrere Fabriken, in Krefeld A. Hamos, in Elberfeld Mis-kel k Co. und in Griinwald bei Reichenberg in Böhmen Mauthner mul Oesterreieher sich mit der Herstellung von Pegnmoidstoffcn befassen.

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Die militärische Verwendbarkeit des Pegamoid.

Zunächst wird die Heeresverwaltung umfassende Versuche mit dem neuen Stoffe ausführen, denn wenn sie auch in der bürgerlichen Verwen- dung erprobt worden sind, so kann dies seihst bei grösster Einwandfreiheit niemals für die militärische Verwendbarkeit maassgehend sein. Bei dieser heisst es vor Allem: Probiren geht über Studiren.

Das erste Augenmerk wird sich auf solche Gegenstände richten, bei deneu Undurchdringlichkeit gegen Feuchtigkeit unerlässliches Erfordemiss ist, also Stoff zu Zeltbahnen, Brotbeuteln, Wagenplanen, Ueberzüge von Faltbooten u. s. w. Bei den Zeltbahnen der tragbaren Zeltausrüstung und den Brotbeuteln werden dabei die Gewichtsverhältnisse von wesent- licher Bedeutung werden, denn nur dann kann von einer Annahme pega- inoidirter Stoffe für diese Gegenstände die Rede sein, wenn sie nicht schwerer sind als die gebräuchlichen, da eine Mehrbelastung des Gepäcks für den Infanteristen eine Unmöglichkeit ist. Die Versuche würden aber auch zu erforschen haben, ob es bei der Veränderung der Baumwollgewebe in einen lederartigen Stoff nicht zu ermöglichen wäre, das Gewebe dünner zu wählen als den jetzigen Zeltstoff, ihn mit dem noch zulässig dünnsten Pegamoidüberzug zu versehen und dadurch leichter zu machen. Dieser Stoff liesse sich dann gewiss auch zweckmässig zu Tornisterdeckeln ver- wenden, wenn man nicht grundsätzlich daran festlialten will, dass diese von behaartem Kalbfell sein müssen.

Da Pegamoid in jeder Färbung hergestellt wird und die schwarzge- färbten Sachen täuschend wie Lackleder aussehen, so wäre ein Versuch mit Pegamoid-Patrontasehen ebenfalls sehr zweckmässig. Dieselben würden unstreitig leichter sein als diejenigen von Leder, brauchten niemals ge- putzt, sondern einfach mit Wasser abgewaschen zu werden, um den vollen Lackglanz zu erhalten, und würden sich am Leibkoppel für den Infanteristen ebenso bequem tragen. Ferner sollten die Versuche auch auf die Scheiden der InfanterieBeitengewehre ausgedehnt werden, bei denen jetzt das Leder hei anhaltendem Kegeuwettor wahrlich kein idealer Stoff ist; auch hier würde das äussere Aussehen stets das eines tadellosen Lackleders sein. Jedenfalls dürfte sich eine Pegamoidscheide in allen den Fällen empfehlen, wo an Stelle des Seitengewehrs ein Bajonett in der Scheide getragen wird.

Von kleineren Gebrauchsgegenständen wären für den berittenen Offizier pegamoidirte Handschuhe bei Regenwettcr zu empfehlen, denn die Uebelstände eines durchweichten Lederhandschuhs sind so störend, dass ein erfahrener Reitersmann im Regen ohne Handschuhe reitet oder sich bisher mit solchen aus gewebtem Stoffe begnügte. Der Tornister der Lieutenants der Infanterie wird sich jetzt schon aus Pegamoid herstellen lassen, so dass Offlziervereiu wie Militärschneider wohl in kurzer Zeit mit solchen aufwarten werden und sie werden sich im Ansehen wie im Gebrauch besser halten als die jetzigen Tornister.

Dann »pegamoidire« man doch gleich Alles, denkt vielleicht mancher Leser. Nun, wenn auch nicht Alles, so doch Vieles. Da käme zunächst das Sanitäts-, Proviant- und Garnisonverwaltungswegen mit grösseren Stücken an die Reihe. Man denke sieh den Vortheil einer abwaschbaren und desinflzirbaren Matratze oder Bettunterlage, auf der Eiter, Blut, Säuren und andere scharfe und ätzende Flüssigkeiten sieh absetzen; ein einfaches Abwaschen mit Schwamm, Wasser und Seife genügt, um sie vollständig neu und gebrauchsfähig wieder herzustellen. In Kranken- zimmern und Latrinen pegamoidirte Tapeten oder I’apiorwasehsehüsseln mit Pegamoidüberzug, welche auch in den Mannsehaftsstubeu empfehlons- werth wären, Fussbodenan strich, Bettzeug, Lagerausstattungen in den

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Die militärische Verwendbarkeit des Pegamoid.

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Militärsanitätszügen dies Alles eröffnet dem Pegamoid eine erweiterte Verwendbarkeit. Bei der Anlage von Feldmagazinen würde man Back- zelte, Materiallagerzelte und Plandecken nur noch aus Pegainoidstoffen hersteilen, welche ohne Zweifel wasserbeständiger sind als die übliche Zeltleinwand, da das Pegamoidgewebe nicht einmal feucht wird. »Selbst unsere Zeltbahnen ziehen Feuchtigkeit an, denn sonst würde bei deren Verwendung als Nothbehelf zur Ueberwindung von Wasserhindernissen nicht besonders darauf hingewiesen werden, die Zeltbahn vor einem der- artigen Gebrauch zuvor einzuwässern; das wäre bei einer Pegamoidzeltbalin nicht erforderlich, diese wäre sofort gebrauchsfertig. Die Garnisonver- waltung könnte ihre sämmtlichen Stubenordnungen und ansznhängenden Vorschriften, der Kompagniechef seine Ordenstafeln, Tafeln zum Unter- richt in der Schiesslehre u. s. w., die sämmtlich durch Staub und »Schmutz in kürzester Zeit so erschrecklich unansehnlich werden, mit einem Pega- moidüberzug versehen Lassen ; dann würden sie wie die Fenster und Tische abgewaschen und zur Freude des geplagten Vaters der Kompagnie stets in vollem Glanze der Neuheit erscheinen.

Ein wesentlicher Vortheil ist es, dass man z. B. bedruckte »Stoffe mit einer dünnen Pegamoidschicht überziehen kann, ohne dass die Frische der Farben irgendwie leidet. Ein derartiger Stoff nimmt keinerlei Flecken [Tinten-, Säureflecken u. s. w.) auf, bezw. lassen sich dieselben durch Waschen sofort wieder entfernen, und wenn Luthers Zimmer auf der Wartburg mit einer Pegamoidtapete versehen gewesen wäre, so hätte man den teufelsmässigen Tintenfleck an der Wand längst abgewaschen. Ein solcher dünner Pega- moidiiberzug lässt sich aber auf jedem vorher bedruckten Papier anbringen, also auch auf Karten; bei den nächstjährigen Kaisermanövern sollte ein Versuch mit solchen pegamoidirten Karten, wie dem Verfasser dieser Zeilen eine derartige englische Karte Vorgelegen hat, gemacht werden, um fest- zustellen, ob unsere sämmtlichen Generalstabskarten mit einem solchen Ueberzuge zweckmässig zu versehen sein werden. Bei einem ausgiebigen Versuche werden sich die etwaigen Nachtheile schon herausstellcn. Jeden- falls gehört das Pegamoid verfahren unstreitig zu den interessantesten Er- rungenschaften der Neuzeit, welche sich auch auf militärischem Gebiete zu einer umfangreichen Verwendung geeignet erweisen wird; nicht un- wesentlich fällt dabei ins Gewicht, dass die Herstellungskosten keine so bedeutenden sein sollen. Anzustellende Versuche werden sich namentlich darauf zu erstrecken haben, inwieweit man vorhandene Gegenstände pegamoidiren kann, denn in der Heeresverwaltung können die zahlreichen Bestände nicht so ohne Weiteres über Bord geworfen werden, und der Vortheil der Erfindung würde steigen, wenn er sich bei den vorhandenen Beständen nutzbringend verwenden liesse. Die Verwendung zu Patronen- hülsen, wie sie auch empfohlen wird, erscheint für Kriegsgewehre kaum geeignet und dürfte sich höchstens auf Jagdgewehre erstrecken. Ebenso wenig wird sich auch eine Verwendung der Pegamoidstoffe zu Kartusch- heutein ermöglichen lassen, da für diese ein so leicht entzündlicher und brennbarer Stoff erfordert w'ird, dass die Kartuschhülle im Rohrinnern vollständig verbrannt sein muss, wenn das Geschoss aus der Mündung des Rohres Austritt. Eine derartig rasche Verbrennbarkeit liesse sich zwar mit Rücksicht auf die Grundstoffe des Pegamoid unschwer erzielen; aber die Ausnutzung einer solchen Veränderung würde doch immer nur eine geringe und die Kosten nicht rentirende sein, zumal bei allen Geschützen, welche die Pulverladung in einer Metallhülse einführen, Kartuschbeutel überhaupt gegenstandslos geworden sind.

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64 I >;is moilcrm- FrMgeüchlttz.

Uebcr die in Vorstehendem angeregten verschiedenen Kragen, nament- lich auch bezüglich der grösstmöglichen Feuersicherheit de» neuen Stoffe» hei der Benutzung zu Schutzdecken für den artilleristischen Gebrauch, wie Lagerung von Munitionsbeständen im Freien auf Parkplätzen, in Battorie- höfen und dergl., können aber nur ausgedehnte Versuche den erforder- lichen einwandfreien Aufschluss geben.

Das moderne Feldgeschütz.

(Fortsetzung statt Schloss:.)

Die Steigerung der Feuerbereitschaft.

Erreichung der grösstmöglichen Wirkung mit geringstem Auf- wand von Munition und Zeit, das ist die Aufgabe jeder im Kampf befindlichen Artillerie. Um die Aufgabe mit dem geringsten Munitions- aufwand zu lösen, bedarf es eines möglichst wirksamen Einzelschusses; wie dieser erreicht werden kann, ist im Vorstehenden gezeigt worden. Die möglichste Steigerung der »Feuerbereitschaft« oder wie man sich meist, aber falsch ausdrückt Feuergeschwindigkeit« bietet das Mittel, die gewünschte Wirkung nicht nur in kürzester Zeit, sondern oben- drein noch mit der geringsten Zahl von Geschützen zu erreichen. Dazu gehört Erleichterung und Vereinfachung der Bedienung.

Seit der ersten Einführung der gezogenen Geschütze sind nach dieser Richtung ganz ausserordentliche Fortschritte gemacht; die jüngere Generation kann sich kaum noch eine Vorstellung von der Umständlichkeit der früheren Bedienung machen. Da wurde der Verschluss durch zwei Mann gehandhabt: drei Griffe gehörten sowohl zum Oeffuen, als auch zum Schliessen; das Rohr wurde zweimal mit zwei verschiedenen (Trocken- und Fett-) Wischern ausgewischt; die Granate wurde mit Vorstecker und ZUml- schraube versehen, ausser der Ladung musste noch ein Pressspanboden eingesetzt werden; die Erhöhung wurde in Schritten kommandirt, aber in Zolle und Sechzehntelzolle übersetzt; der Aufsatz musste vor jedem Schuss mit der befohlenen Seitenverschiebung auf das Rohr gesetzt und nach dem Richten wieder abgeuominen werden; das Richten selbst war durch den Pulverrauch der Xachbargoschütze erschwert und kostete viel Zeit; endlich konnte das Geschütz zum Schiessen nicht gehemmt werden. Welche Aenderungen besonders die Einführung des rauchschwacheu Pulvers, des Fertigzünders, der Seilbremse, ferner der gänzliche Fortfall des Auswischens herbeigefülirt haben, ist hiernach wohl einleuchtend.

Die anstrengendsten und zeitraubendsten Verrichtungen bei der Be- dienung des Geschützes sind das Vorbringen desselben nach dem Rücklauf, wenngleich derselbe durch die Bremse auf etwa 1 m eingeschränkt ist, und das Richten. Das Ideal; gänzliche Aufhebung des Rücklaufs, so dass das Geschütz, auch ohne von Neuem gerichtet zu werden, abgefeuert werden kann, was bei Küsten- und Festungsgeschützen erreicht ist. wird sich für Feldgeschütze nicht erreichen lassen, wenn man nicht etwa ein so leichtes Geschoss (1 kg) annehmen will, dass von einer artilleristischen Wirkung füglich keine Rede mehr sein kann. Es muss hier genügen, den Rücklauf so weit aufzuheben, dass eine Reihe von Schüssen abgefeuert werden kann, ohne dass das Geschütz wieder zum Feuern vorgebracht

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werden muss, oder aber durch mechanische Einrichtungen dafür zu sorgen, dass das Geschütz von selbst wieder in die Feuerstellung vorläuft. Dom- nächst ist durch Anordnung der Visireinrichtungen zu ermöglichen, dass das Laden und Richten, was bis jetzt nacheinander geschieht, gleich- zeitig ausgeführt werden kann; ferner ist das Nehmen der Richtung dadurch zu erleichtern, dass die feinere Seitenrichtung zugleich mit der Höhenrichtung durch nur einen Mann gegeben werden kann; endlich ist das Laden Einführen der Geschosse und mit Zündung versehenen Ladung zu erleichtern.

In der ersten Zeit der Schnellfeuergeschütze hielt, man die Beschleu- nigung des Ladens für die Hauptsache. Es entstanden damals die Metallkartuschen, bei denen Geschoss und Ladung nach dem Muster der Infanteriepatrone zu einem Schuss verbunden waren, sowie die besonderen Schnellfeuerversehlüsse. So lange es sich um ganz leichte Geschosse handelte, mochte die Vereinigung von Geschoss und Ladung wohl gewisse Vortheile haben; seitdem man aber zu der Einsicht gelangt ist, dass die Bewaffnung der Feldartillerie nur mit Geschützen von wirksamem Einzel- schuss, also grösseren Geschossgewichten, angängig ist, erkannte man, dass diese Vereinigung die Fenerbereitschaft nur sehr wenig steigere, aber mit einer grossen Zahl schwerwiegender Uebelstünde verknüpft sei. Trennt man Geschoss und Ladung, so kann die Metallhülse nicht nur kürzer, sondern vor Allem auch dünner gehalten werden. Dadurch wird das hohe todte Gewicht der Hülse wesentlich vermindert. Der Hauptvortheil der Metallkartusche, dass sie den gasdichten Abschluss bewirkt und dadurch eine grosse Vereinfachung des Verschlusses ermöglicht, wird auch bei der Theilung erreicht; ebenso, dass sie das Pulver besser vor dem Verderben schützt und Zündung und Ladung in ihr vereinigt sind. Noch immer ist das Gewicht der Hülse ziemlich hoch; die leichteste Hülse, aus Aluminium gefertigt, wiegt 0,375 kg oder 47 pCt. der Pulverladung (Hotchkiss), die schwerste 1 ,(150 kg oder 194 pCt. der Ladung (Schneider). Einzelne Schnell- feuergeschütze« haben keine Metallhülse; ihr Verschluss ist dann mit einer plastischen Liderung, ähnlich der der französischen Feldgeschütze, ver- sehen, so z. B. das Elswick-Geschiitz; auch Canet und Darmancier haben Verschlüsse hergestellt, die nicht für Metallkartuschen eingerichtet sind. Wir würden für das Kntwurfgeschütz eine kurze Metallkartusche, getrennt vom Geschoss, vorschlagen, die ein Gewicht von höchstens 0,55 kg = 91 pCt. der Ladung haben würde.

Da bei der Metallkartusche Ladung und Zündung vereinigt sind, so muss der Verschluss, abgesehen von den allgemeinen Anforderungen, noch folgenden Ansprüchen genügen: Die zum Abfeuern nöthige Ein- richtung (Schlagbolzen oder Hammer) muss mit einer vollkommenen Siche- rung beim Fahren mit geladenen Geschützen versehen sein und einen unbedingten Schutz gegen Nachbrennen gewähren, derart, dass der Ver- schluss vor dem Losgehen des Schusses ohne besondere Vorkehrungen nicht geöffnet werden kann.

Von einer Beschreibung der verschiedenen Verschlüsse kann hier um so mehr abgesehen werden, als es darüber eine vollständige Litteratur giebt*) und noch täglich neue Verschlüsse konstruirt werden. Es genüge, darauf hinzuweisen, dass alle Verschlüsse entweder Keil- oder Schrauben- verschlüsso sind. Jedes dieser beiden grossen Systeme hat seine ihm eigenthümlichen Vorzüge und Schwächen; man wird sich daher wohl für

*1 Vergl.: Kaiser, Die Verschlüsse der Schuiüfeuergeschiitze. Wien, 189(1.

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KricgstecliBische Zeitschrift. ISDS. 2. Heft

Da1* moderne Feldgeschütz.

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dasjenige System entscheiden, mit dem man am meisten vertraut ist. Für Deutschland kommt vorzugsweise der Kruppsche Keilverschluss in Betracht. Dieser Verschluss für Kchnellfeuergeschütze unterscheidet sich von dem eingeführten in der Hauptsache dadurch, dass der Kundkeil durch einen Flachkeil ersetzt ist, der ebenso wie das Kohr an derjenigen Seite, an der die Kurbel sich nicht befindet, ausgeschnitten ist, um das Laden und Aus- werfen der leeren Hülsen zu erleichtern. Er hat Vorrichtungen zum Ab- feuern (Hammer), zum Auswerfen der Hülse und eine Schutzvorrichtung gegen Nachbrenncr. Die Schraubenverschlüsse, die namentlich von den französischen Privatfabriken angewendet werden, verlangen, wie schon erwähnt, nicht unbedingt Metallkartuscheu ; es kann der gasdichte Abschluss vielmehr durch eine am beweglichen Verschlusskopf angebrachte plastische Liderungsmasse bewirkt, werden. Andererseits haben sie den Nachtheil, dass wenn der Schuss losgeht, ehe der Verschluss vollständig geschlossen ist, die Verschlussschraube nach hinten herausgeschossen wird, wie denn auch ein Abreissen des Verschlusses beim Bcliiessen (dcculassement) Vor- kommen kann. Eine besondere Gattung für sich bildet der »excentrische Sch rauben Verschluss, der bei dem neuen französischen Feldgeschütz an- gewendet sein soll. Während bei den anderen Schraubenverschlüssen die Achse der Schraube mit der Rohrachse zusammenfällt, liegt hier die Achse der Schraube, die von verliältnissmässig sehr grossem Durchmesser ist, senkrecht und parallel unter der Kohrachse. Die Schraube ist. der ganzen Länge nach durch das Ladeloch durchbrochen, welches die Schraube am äusseren Umfange berührt und nicht konzentrisch mit derselben ist. Boi geschlossenem Verschluss liegt das Ladeloch unter der Durchbohrung des Kohrs; durch eine Drehung der Schraube um 180° wird es in die Ver- längerung der Seele gebracht. Die Handhabung des Verschlusses ist sehr einfach; ein Herausschiessen desselben unmöglich.

Damit das Laden und Richten gleichzeitig erfolgen kann, empfiehlt, es sich, die Visirlinie auf die linke Seite des Kohrs zu verlegen und so weit vorzuschieben, dass der Richtkanonier beim Anlegen zum Richten das Ladeloch freilässt. Wird dann der Verschluss statt von links nach rechts von rechts nach links in das Rohr geführt, so stört, der Kanonier, der das Geschoss u. s. w. einsetzt, den Richtkanonier nicht und umgekehrt.

Um das Stellen des Aufsatzes zu erleichtern, erhält, die Aufsatzstange in der Hülse eine Neigung gegen die Schussebene derart, dass durch das Nehmen der Erhöhung die zugehörige Seitenverschiehung von selbst gegeben wird, wie dies z. B. bei dem österreichischen Feldgeschütz schon der Fall ist. Ferner wird die Aufsatzstange mit einer Zahnstange versehen, so dass man den Aufsatz durch Drehen eines Triebrades oder einerKurhel stellen kann.

Um für den Fall, dass das Ziel über Visir und Korn nicht zu sehen ist, wo also mit dem Riehtbogen gerichtet werden müsste, des besonderen Stollens dieses Instruments überhoben zu sein, kann man es derart mit dem Aufsatz verbinden, dass durch das Stollen des letzteren der Rieht; bogen zugleich mitgestellt wird, wie dies bei den von dem Oberstlientenant v. Kretschmar und dem Italiener I'edrazolli konstruirten Aufsätzen der Fall ist. Erhält nämlich die Aufsatzstange die Form eines Kreisbogens, dessen Mittelpunkt in der Kornspitze liegt, und bringt man auf dem oberen Ende der Stange eine Libelle (Glasröhre parallel der Seelenachse) derart an, dass bei herabgelassenem Aufsatz und horizontaler Visirlinie die Libelle einspielt, so ist klar, dass wenn die Aufsatzstange auf 3 " (5 bezw. 7 ) eingestellt ist, die Libelle erst dann wieder einspielen kann, wenn die Visirlinie horizontal liegt, d. h. die Seelenachse mit der Visirlinie die Winkel von 3 0 (5 bezw. 7 °) bildet. Richtet man dann die Libelle noch

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l)o» moderne Feldgeschütz.

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zum Verschieben unabhängig vom Aufsatz ein, so kann man auch beliebige Libellenabweichuiigen hervorbringen bezw. messen. Durch eine derartige Einrichtung erreicht man, dass nicht nur das besondere Stellen des Richtbogens entbehrlich wird, sondern auch, dass der Aufsatz, ohne übermässig lang zu werden, bis auf die grössten Schussweiten zu gebrauchen ist. Man vermeidet den Zeitverlust, der bei den ersten Schüssen sehr oft durch das Ermitteln des Gelände winkeis entstand. Freilich ist diese Einrichtung mit einer sehr bedeutenden Gewichtsvermehrung des Aufsatzes verbunden.

Die Hauptsache für die Steigerung der Feuerbereitschaft leistet, wie schon erwähnt, die Aufhebung des Rücklaufs. Das wird erreicht durch Anbringung eines Sporns am Laffetenschwanz oder eines umlegbaren Spatens etwas vor dom Schwanzstück. Durch den Riickstoss gräbt sich der Sporn oder Spaten in den Boden ein, so dass das Geschütz nunmehr wie fest- gerammt steht. Solcher Laffoten mit Sporn u. s. w. giebt es schon seit einer Reihe von Jahren; so lange aber die Laffete keine besondere Ein- richtung hatte, die dem Rohr oine Schwenkung von einigen Graden um eine in der Laffete befindliche senkrechte Achse auszuführen gestattet und die Möglichkeit bietet, die Seitenrichtung unabhängig von der Laffete zu ändern, hat die Verankerung durch den Sporn nur geringen Worth. Von allen modernen Schnellfeuergeschützen ist das HotchkiBs-Geschütz das einzige, dem eine derartige Vorrichtung fehlt. Bei diesem kann die Seitenrichtung nur durch Bewegen des Laffetenschwanzes gegeben werden, was natürlich ausserordentlich schwierig ist, weil sich der Sporn oder Spaten in den Boden eingegraben hat. Bei allen anderen Schnellfeuergeschützen ist es möglich, das Rohr mittelst einer Kurbel um einen senkrechten Zapfen das Maiiss wechselt zwischen und 9“ zu schwenken, so dass die feine Seiten- richtung zugleich mit der Höhenrichtung durch einen Mann gegeben werden kann. Freilich hat diese Einrichtung den Nachtheil, dass sie die Laffete erheblich schwerer macht. Die Laffete des Hotchkiss-Geschützes wiegt nur 420, das abgeprotzte Geschütz 780 kg, während die demnächst leichteste Laffete (Elswick) 530, also 110 kg mehr wiegt. Das Verhältniss zwischen Rohr- und Laffetengewieht ist bei der Hotchkiss-Laffete wie 1 : 1,17, bei den übrigen schwankt es von 1 ; 1,31 (Elswick) bis zu 1 : 2,1 (Nordenfeit).

Die Laffete ist entweder eine starre, bei der die ganze Arbeit des Riickstosses von der verankerten Laffete aufgenommen wird, oder es ist eine Stauchlaff ete, bei welcher der Riickstoss durch elastische Zwischen- mittel (Bremsen) aufgezehrt wird. Die starren Laffeten (Hotclikiss, Krupp) sind in der Konstruktion am einfachsten; infolge der grossen Anstrengungen, der alle Theile bei dem festgerammten Sporn oder Spaten ausgesetzt sind, müssen sie besonders stark und widerstandsfähig eingerichtet werden. Das gilt ganz besonders von den Rädern, die durch das Niederfallen der sich beim »Schuss stark bäumenden Laffete sehr in Anspruch genommen werden.

Krupp hat daher seine Räder durch »Speichenschuhes (runde, eiserne Näpfchen, die, auf der Innenfläche der Felgen angebracht, die äusseren Enden der Speichen aufnehmen) verstärkt. Hotchkiss hat verhältniss- miissig sehr stark könnt ruirto Räder angewendet; die beiden Räder wiegen 36 pCt,. der ganzen Laffete.

Die Stauchlaffeten bestehen aus folgenden Haupttheilen :

a) einem feststehenden Theil,

b) einem zu riicklanf enden Theil und

c) der Stauch bremse, welche die beiden vorgenannten Theile verbindet und die Arbeit des zurüeklaufenjlon Theils aufzehrt. Zur Bremse gehört dann noch eine Vorrichtung, welche den zurückgelaufenen Theil in die vor Abgabe des Schusses innegehabte Lage wieder vorbringt (röcuperateur).

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Bus moderne Fddgcschüt*.

Di« Vertheilnng der einzelnen Bestandtheile de« Geschütz«» auf den stehenbleibenden und den zurücklaufenden Theil ist von den einzelnen Konstrukteuren sehr verschieden erfolgt. Bei einzelnen Systemen besteht der zurücklaufende Theil allein aus dem Rohr (Schneider, Eiswiek, Bofors), bei anderen aus dem Rohr mit Rohrträger (Nordenfeit) oder aus dem Rohr und dem vorderen Theil der Laffete einschliesslich der Räder (Canet) oder endlich aus der ganzen Laffete ausschliesslich des Spatens (Darmancier).

Die Stauchung wird meist durch «in« hydraulische (einfache oder Zwillings-) Brems«, seltener durch eine Metall- (Feder-) Bremse bewirkt. Bei den hydraulischen Bremsen bewegt sich meist «in am beweglichen Theil angebrachter Stempel mit engen Ausflussöffnungen saugend in einem mit Glycerin gefüllten Bremsey linder, der sich an dem feststehenden Theil befindet. Nach dem Rücklauf wird der bewegliche Theil entweder durch eine starke Belleville-Feder oder durch komprimirte Luft, ähnlich w'ie bei den pneumatischen Thürschliessern, wieder in die Feuerstellung zurück- gebracht. Bei den Federbremsen werden durch den Rücklauf starke Belle- ville-Federn zusammengedrückt, welche zugleich zum Wiedervorbringen des beweglichen Theils dienen. Die letzteren sind in der Konstruktion ein- facher als die hydraulischen Bremsen, welche auch leicht undicht werden; dagegen findet bei diesen die Bewegung ohne heftige Stössc statt.

Bei festem (gefrorenem oder Fels-) Boden kann der Spaten nicht wirken, und kann dann auch keine Stauchung eintreten. Deshalb ist der Sporn oder Spaten meist zum Umklappen eingerichtet. Für diesen Fall ist man dann auf die Wirkung der Fahrbremse angewiesen, die deshalb auch an der Laffete angebracht bleiben muss, obschon für ihre Wirkung als Fahrbremse die Anbringung an der Protze manche Vorzüge haben würde.

Alle Stauchlaffeten haben den Nachtheil, dass sie sehr schwer sind und hi» jetzt auch wohl noch nicht zuverlässig genug wirken. In den Reklamezwecken dienenden Berichten der Privatfabriken werden die An- stände, die sich bei den Schiessversuchen herausstellten, begreiflicherweise verschwiegen. Es ist mindestens noch fraglich, ob schon eine der kon- struirten Laffeten als zur Einführung geeignet angesehen werden darf. Unseres Wissens ist bis jetzt nur bei der französischen kurzen 120 mm- Kanone eine Stauchbremse zur Einführung gelangt. Andererseits aber darf mit gutem Grunde angenommen werden, dass es den Bemühungen der Techniker gelingen wird, die noch vorhandenen Uebelstände zu be- seitigen, und dass die Zukunft den Stauchlaffeten gehört.

Die Erhöhung der Beweglichkeit.

Wenn es sich bei dem Geschütz der Zukunft nur um die Erreichung einer grösseren Feuerbereitschaft handelte, so hätte man an dem ein- geführten Geschütz entsprechende Einrichtungen anbringen können, wie dies z. B. von der russischen und einzelnen Nachrichten zufolge auch von der österreichischen Feldartillerie in Aussicht genommen ist. Es handelt sich aber nicht nur um eine gesteigerte Feuerbereitschaft, sondern ebenso, wenn nicht in noch höherem Maas»«, um die Erreichung einer grösseren Beweglichkeit, damit die gewünschte Wirkung nicht nur mit dem geringsten Aufwande an Munition und Zeit, sondern auch auf jedem Theile des Schlachtfeldes erreicht werden kann. Wir haben uns bereits oben darüber ausgesprochen, dass unter dem Einfluss der langen Friedensjahre eine andere Anschauung über die an die Beweglichkeit zu stellenden An- forderungen Platz gegriffen hat, als unmittelbar nach dem Kriege.

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I)a« moderne Feldgeschütz.

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Dieser Strömung nachgebend, haben wir das Gewicht des abgeprotzten Geschützes auf 1800 kg festgestellt, wovon 950 auf die Laffete, also 850 auf die Protze kommen.

Man hat sich bei der Festsetzung des Höchstgewichts für einen Sechs- spänner häufig auf Scharnhorst berufen, der allerdings in seinem -Hand- buch der Artillerie« (Th. I, Bd. 2, § 410) angiebt, dass man bei der reitenden Artillerie auf das Pferd 500 Pfund (250 kg\ bei der Artillerie zu Fuss 650 Kund (325 kg) ohne die Fourage auf ein Zugpferd rechnen dürfe. Er bemerkt aber 413) ausdrücklich, dass er bei diesen Berechnungen die Pferde so angenommen habe, wie sie (1806) bei den deutschen Artillerien gewöhnlich zu sein pflegen, also von mittlerer Grösse und Stärke, und dass die Ration wie für Dragonerpferde im Felde aus 5 kg Hafer und 2,5 kg Heu bestehe. Bekanntlich ist aber die Kriegsration der Artillerie- pferde 6 kg Hafer und 1,5 kg Heu, im Hafer, worauf es vor Allem an- kommt, also um 20 pCt. höher. Da nun Scharnhorst des Weiteren die Ansicht ausspricht, dass man bei stärkeren I *f erden und höheren Rationen den Pferden eine grössere Zuglast zumuthen dürfe, die vielleicht in geometrischem Verhältniss zur Grösse der Ration stehe, so dürfte man also pro Pferd der reitenden Artillerie eine Last von nahezu 330 kg, der fahrenden von 390 kg annehmen. Hiernach würde sich das Gewicht des kriegsmiissig ausgerüsteten Geschützes bei der reitenden Artillerie auf 1980, das der fahrenden mit aufgesessener Bedienung auf 2340 kg stellen. Bringt man die Bedienung mit 390 kg in Abzug, so erhält man für das Geschütz der fahrenden Artillerie 1950 kg. Ich führe das nur an, um zu zeigen, dass die Anhänger eines schwereren, aber wirksamen Geschützes sich mit demselben Recht auf die Autorität Scharnhorsts berufen dürfen als die Schwärmer für eine möglichst hohe Beweglichkeit. Ich bin aber der Meinung, dass man sich in dieser Beziehung niemals auf eine Autorität, und stehe sie noch so hoch, berufen solle; nur das eigene Bedürfniss, die eigene Erfahrung können entscheiden. Die Ansprüche, welche zu Scharn- horsts Zeiten an die Beweglichkeit, der Artillerie gemacht wurden, waren lächerlich gering im Vergleich zu den modernen Anforderungen. So giebt Scharnhorst in seinem »Militärischen Taschenbuch« 174 an, dass man in nicht zu schlechtem Gelände vier Meilen in zehn Stunden zurück- legen könne. Mit der reitenden Artillerie habe man in Hannover in einer Stunde 12 000 Schritt (9 km) zurüekgelegt. Das ist doch eine Leistung, die selbst in nicht zu schwierigem Gelände von jeder fahrenden Batterie aufgewiesen werden muss. Ich erinnere an die im Jahre 1896 ausgeführte Marschübung der schweizerischen Artillerie im Gebirge, wo von zwei Batterien an einem Tage 42 km in 4 ‘/t Stunden, in einer Stunde also nahezu 10 km, zurüekgelegt wurden.*) Dabei wog das Geschütz mit auf- gesessener Bedienung 2340 kg; es kam mithin auf das Pferd eine Zuglast von 390 kg, also 115 kg oder 42 (!!) pCt. mehr, als Scharnhorst für reitende Artillerie für zulässig erklärt.**) Man sieht hieraus deutlich, wie wenig

*) Vergl. > Militär -Wochenblatt! Nr. 74/1897, 8p. 2009.

**) Inzwischen ist mir von einem Theünchmer des vorjährigen Kuisermanövers eine Mittheilnng zugogungen, die erkennen lasst, dass nueh unsere fahrcndcn‘]!utterien mit dem »schweren« Feldgeschütz recht hübscher Leistungen fähig sind:

Erster Tag: 08km Marsch zum Theil auf Waldwegen, die als nahezu ungangbar angesehen wurden;

dritter Tag: 14 km Trah ohne Unterbrechung, 800m Vorgehen in die Feuer- stellung in sehr tiefem Hoden, 20 Minuten Panse und wiederum 0km Trub; fünfter Tag: Verfolgung 10 km querfeldein über schwierigen Hoden ; am sechsten Tage spät nachmittags Einrücken in das erste Marschquartier mit gesunden und noch leistungsfähigen Mannschaften und Pferden.

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Das moderne Feldgeschütz.

Werth die Berufung auf eine Autorität hat, wenn sich die Verhältnisse gegen früher so gänzlich geändert haben. Man erkennt auch, dass die Beweglichkeit nicht allein von der Grösse der auf die Pferde entfallenden Zuglust, sondern nicht minder von der Ausbildung und Beschaffenheit der Bespannung, der Beschirrung und der Einrichtung der Fahrzeuge abhängt.

Auf einen Punkt weist Scharnhorst ganz besonders hin, das ist die Höhe der Räder. Er weist an zahlreichen Versuchen nach, dass bei grosser Höhe die Räder nicht so tief in weichen Boden einschneiden und daher die zur Bewegung der Last erforderliche Zugkraft erheblich niedriger sein könne als bei niedrigen Rüden». Ganz dasselbe gilt aber von der Breite des Radkranzes: je breiter der Radkranz, um so weniger tief sinkt das Fahrzeug ein, um so geringer kann die zur Fortbewegung erforderliche Kraft sein. Es wäre ein sehr grosser Fehler, wenn man, um die Fahrzeuge leichter zu machen, die Höhe der Räder, sowie die Breite des Radkranzes über Gebühr herabsetzen würde. Leichter würde das Fahrzeug dadurch wohl auf dem Papier und der Waage, aber zugleich unbeweglicher im Gelände. In Bezug auf die Konstruktion der Fahrzeuge verfahren wir zu empirisch: es fehlt gerade hier an auf wissenschaftlicher Grundlage beruhenden Versuchsergehnissen. Der beste Beweis dafür ist, dass man sich noch heute auf die unter ganz anderen Verhältnissen vor 90 Jahren ausgeführten Scharnhorstschen Versuche beruft.

So bin ich z. B. der Meinung, dass man die Zugkraft erheblich besser ausnutzt, die Pferde also weniger anstrengen würde, wenn man zwischen die Last und den Motor ein elastisches Zwischenglied einschaltete. Diese sogenannten Pferdeschoner« brechen die Stösse beim Fahren über unebenen Boden, speichern gewissermaassen die von den Werden in ungleichmässiger Weise entwickelte Kraft auf und sichern dadurch eine gleichmässigere Fortbewegung des Fahrzeugs. Von einer Beschreibung dieser Ifferde- schoner kann um so mehr abgesehen werden, als dieselben an zahlreichen Privatfuhrwerken, namentlich am Rhein, an Pferdebahnwagen und in vielen ausländischen Artillerien eingeführt bezw. in Versuch sind. (Vergl.

Militär- Wochenblatts Nr. 36/1895. Zu den dort aufgeführten Artillerien ist nunmehr auch noch die schweizerische nachzutragen.) In der bereits erwähnten Denkschrift »Grundzüge eines neuen Materials für die schwei- zerische Artillerie" wird auch der Vorschlag eines -elastischen Protzhakens gemacht, der in ähnlicher Weise wie bei den Eisenbahnwaggons der Zug- haken wirkt und die Stösse, welche die Laffetenräder durch Fahren über Unebenheiten des Bodens auf die Protze übertragen, mildert.

Zu einer hohen Fahrbarkeit gehört aber nicht nur die Fortschaffung des Fahrzeugs mit einer geringen Zugkraft, sondern auch eine grosse Sicherheit. Lenkbarkeit und Biegsamkeit sind jedem Artilleristen vertraute Begriffe; sie genügen beim deutschen F'eldartillerie-Material e/73 vollauf. Weniger vertraut sind dem deutschen Artillerieoffizier die Begriffe ? Stabi- lität* und »Achsfreiheit«. Die »Stabilität« oder die Sicherheit gegen Um- werfen beim Fahren auf unebenem Gelände, wenn die eine Seite des Fahrzeugs höher steht als die andere, wird erreicht durch eine niedrige Schwerpunktslage in Verbindung mit einer grossen Gleisbreite. Da die Schwerpunktslage sehr schwer zu ermitteln ist, aber in der Hauptsache von der Feuerhöhe abhängt, so kann man, wie die mehrfach genannte Denkschrift Grundzüge eines neuen Materials u. s. w.« es tliut, das Ver- hältniss zwischen Gleisbreite und Feuerhöhe als Maassstab für die Sicher- heit gegen Umwerfen annehmen. Je grösser dieses Verhältnis, um so grösser die Sicherheit gegen das Umwerfen. Die geringste Sicherheit gegen

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Das moderne Feldgeschütz.

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Umwerfen bietet wegen des durch das Gelände bedingten schmalen Gleises das schweizerische Feldgeschütz, wo dieses Verhältnis« 1,23 beträgt; die grösste Sicherheit das österreichische mit einem Verhältnis« von 1,45; das deutsche Feldgeschütz steht mit dem Verhältniss von 1,33 in der Mitte. Um die Laffete bei möglichst geringem Gewicht doch haltbar herzustellen, wird man die Feuerhöhe jedenfalls herabsetzen; mit Rücksicht auf die Stabilität könnte inan also auch die Gleisbreite und damit das Gewicht verringern. Es bleibt allerdings zu erwägen, ob nicht durch die Annahme einer Spurweite, die von der aller anderen Armeefuhrwerke abweicht, Nach- theile entstehen.

Unter »Achsfreiheit < versteht man den Winkel, den die parallel gestellten Achsen durch Heben eines Vorderrades und des entgegengesetzten Hinterrades bilden können, ohne dass die Verbindung von Vorder- und Hinterwagen dies hindert. Eine gewisse Achsfreiheit ist nothwendig, damit sich das Fahrzeug beim Fahren querfeldein oder beim schrägen Durch- fahren von Gräben den Unebenheiten des Geländes anschmiegen kann. Meines Wissens sind in der preussischen Artillerie bisher noch keine Ver- suche über die Grösse der erforderlichen hezw. der t hatsächlich vorhan- denen Achsfreiheit gemacht. Bei dem österreichischen Feldgeschütz beträgt die »Achsfreiheit« 36

Es genügt aber nicht, wenn nur das aufgeprotzte Geschütz leicht bewegt werden kann; vielmehr muss, da auf ein gedecktes Abprotzen und Einnehmen der Feuerstellung grosser Werth gelegt werden muss, auch die Bewegung des abgeprotzten Geschützes möglichst leicht von statten gehen. Die Klagen über zu geringe Beweglichkeit beziehen sich mit mehr Recht auf das abgeprotzto als auf das aufgeprotzte Geschütz. Bei tiefem oder ansteigendem Boden kann das Feldgeschütz c/73 oft von der drei- bis vierfachen Bedienung nur mit grössten Schwierigkeiten fortbewegt werden. Für die Bewegung des abgeprotzten Geschützes ist das eigens hierfür ein- geführte Langtau ganz ungeeignet. Die an dem langen Tau angestellten Jaulte hindern sich gegenseitig, können ihre Zugkraft nicht voll ausnutzen und sind genöthigt, sich auf der deckenden Höhe zu zeigen, trotzdem gerade auf das verdeckt« Einuehmcn der Stellung der grösste Werth gelegt werden muss. Die alten Artilleristen besassen eine grosse Erfahrung und Uebung in der Bewegung abgeprotzter Geschütze, die man grosse Strecken (Scharnhorst spricht von mehreren tausend Schritt) durch Menschen fort- schaffte. Bezeichnend ist, dass für diese Bewegung das langtau (Prolonge), obschon ein solches für die Bewegung des abgeprotzten Geschützes durch Ifferde in der Ausrüstung vorgesehen war, für diese Zwecke niemals an- gewendet wurde. Scharnhorst giebt in seinem Handbuch der Artillerie mehrere Arten an, die alle darin übereinstimmen, dass die Mannschaften an zwei an den Achsschenkeln befestigten Tauen und zwar mittelst eines über die Schulter gelegten Bandoliers ziehen. Auch von der Fussartillerie, die ihre Geschütze oft über schwieriges Gelände durch Mannschaften in •Stellung bringen muss, könnte die Feldartillerie lernen; bei ihren bespannten Batterien werden auch Zugtaue an den Achsschenkeln befestigt. Mit der einfachen Bedienung wird man das abgeprotzt« Geschütz nur auf kurze Strecken unter besonders günstigen Bodenverhältnissen fortschaffen können; unter nicht ganz günstigen Umständen ist der Versuch dazu gleichbedeutend mit einem grossen Zeitverlust; deshalb vereinige der Zugführer von vorn herein die säinmtlichen Kanoniere seines Zuges und die an den Munitions- wagen eingetheilten Mannschaften an einem Geschütz. Scharnhorst rechnet auf je einen Centner des abgeprotzten Geschützes einen Mann ; danach

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Das moderne Feldgeschütz.

würden für das 950 kg schwere Geschütz 19 Mann erforderlich sein. Es ist aber wohl zu bemerken, dass es sich damals um den Transport über weite Strecken, heute nur um wenige Schritte handelt. Mit 12 bis 15 Mann wird man bei richtiger Vertheilung derselben wohl stets reichen.

Die Bedienung eines Schnellfeuergeschützes wird, sobald das Ge- schütz mit dem Sporn verankert ist, vielleicht nur vier Manu erfordern, da die Verrichtungen des Kanoniers 3 (am Richtbaum) fort- fallen. Kanonier 1 handhabt den Verschluss, setzt die Geschosse und Ladung an und feuert ab, 2 richtet, 3 trägt die Munition heran, 4 stellt die Zünder und setzt die Ladung ein. Bei sämmtliehen von den Privat- fabriken konstruirton Geschützen reicht mau mit vier Mann aus. Man ermöglicht dadurch den Fortfall der Achssitze, kann das ersparte Gewicht verwenden, um die Vorrichtung für das Nehmen der feinen Weiten riclitung anzubriugen oder die Laffete zu verstärken. Die vier Mann können entweder anf der Protze fortgeschafft werden oder, falls sich dabei Unzuträglich- keiten ergeben, sitzt einer rittlings anf der Laffete auf, wie dies bis vor Kurzem bei der österreichischen Artillerie der Fall war (Wurstlaffeten).

Was die Munitionsausrüstung betrifft, so beträgt das Gewicht derselben bei dem oingeführten Feldgeschütz etwa 248 kg, d. h. nur 26 pCt. des aus- gerüsteten Fahrzeuges. Das ist ein sehr ungünstiges Verhiiltniss und lässt den Schluss zu, dass das Fahrzeug viel zu schwer konstruirt ist, denn bei den neueren Geschützen beträgt das Gewicht der fortgeschafften I*rotz- munition bis zu 48 pCt. des Protzgewichts. Achsen und Räder der Protze brauchen nicht ebenso stark wie die der Laffete gemacht zu werden, da sie keine ISchiessanstrengungen auszuhalten haben. Bei den bisherigen Geschützen war die Anstrengung der Achsen und Räder beim Fahren über unebenes Gelände oft grösser als beim Schiessen (vergl. den Aufsatz »Ver- such einer rationellen Laffetentheorie« in den »Mittheilungen über Gegen- stände des Artillerie- und Geniewesensi, Jahrgang 1897, S. 625); bei den verankerten Schnellfeuergeschützen mit starren Laffeten dreht sich die Sache um, zumal beim Schiessen stets dieselben Speichen und Felgen durch das Fallen der sich bäumenden Laffete in Anspruch genommen werden. Es genügt, wenn die Achsschenkel der Protze und Laffete gleiche Abmessungen haben und ebenso die Höhe und die Naben der Räder bei den Protzen und Laffeten gleich sind, damit die Protzräder im Nothfall zur Fortschaffung der Laffete dienen können und man mit einer Sorte von Vorrathsrädern auskommt. - Zweifellos sind die Geschosskasten (7 kg) viel zu schwer; für den Krieg, wo ein Umpacken der Munition nur äusserst selten stattfindet, genügt ein Kasten aus einem ganz leichten Stoff, viel- leicht Rohrplatten. Die Hauptsache ist, dass die Geschosse fest gelagert werden. Durch diese und andere Erleichterungen wird es sicher möglich sein, das Gewicht der leeren Protze anf etwa 460 kg herabzusetzen ; rechnet man alsdann 36 Geschosse zu 8 kg, so ergiebt das ein Gewicht von 748 kg, bo dass noch 102 kg für Geschützzubehör, Futter u. s. w. verfügbar blieben. Die Munition mit einem Gewicht von 288 kg würde etwa 34 pCt. des Gewichts des belasteten Fahrzeugs wiegen, die Verwcrthung also bei Weitem noch nicht die anderen Konstruktionen erreichen. Die Ver- packung könnte im Geschosskasten zu 4 oder zu 6 erfolgen; die erstere Art verdient den Vorzug, weil ein Gewicht von etwas über 32 kg die Verpackung der Ladungen wi rd als in den Geschosskasten erfolgend voraus- gesetzt — durch einen Mann noch bequem getragen werden kann, während das bei dem Gewicht von 48 kg schon nicht mehr der Fall ist.

Die Fahrbremse ist so einzurichten, dass sie von einem auf der Protze

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l)ic* Kriegstechnik nuf der Stockholmer Kunst- und Industrie Ausstellung 1897. 73

sitzenden Mann gehandhabt werden kann. Dieser kann viel besser beur- theilen, wann die Bremse anzuziehen bezw. zu lösen ist, als ein Mann auf der Laffete, weil er den einzuschlagenden Weg übersehen kann, was dem Mann auf dem Achssitz nicht möglich ist.

Ob der Protzkasteu auf Federn zu setzen ist, muss Versuchen zur Ent- scheidung übergeben werden; die Federn sorgen für bessere Erhaltung der I«ist, erleichtern vielleicht auch das Fahren; andererseits aber erhöhen sie die Schwerpunktslago, was für die Sicherheit gegen Umwerfen nach theilig ist.

Der Munitions wagen erhält dieselbe Protze, wie das Geschütz; der Hinterwagen wird zur Aufnahme von CO Schuss eingerichtet, so dass der Wagen in Kumme 96 Schuss aufnimmt. Nimmt man das Gewicht des belasteten Fahrzeugs zu 1800 kg an, so würde das Munitionsgewicht etwa 43 pCt. des ganzen Fahrzeugs betragen, was keineswegs zu hoch erscheint.

Da jedes Geschütz infolge der grossen Feuerbereitschaft schneller feuern wird als jetzt, so sind auf je ein Geschütz zwei Munitionswagen zu rechnen, so dass für jedes Geschütz in der Batterie 228 Schuss, d. h. über die Hälfte mehr als jetzt, verfügbar sein würden.

(Schluss folRt.)

Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie -Ausstellung 1897.

Von .1. Schott, Major a. D.

(Kit einer Tafel.)

An den prachtvollen Gestaden des Salzsees, angelehnt an die male- rische Landschaft des Thiergartens, zum Theil in diese hineinragend, war seitens der nordischen Völker in diesem Sommer am Nordostende von Stockholm eine Ausstellung veranstaltet worden, welche, zwar an Umfang hinter den sogenannten Weltausstellungen und seihst mancher nationalen oder lokalen Ausstellung der letzten Jahre zurückbleibend, durch ihre übersichtliche Anordnung und ihren eigenthümliehen, die Besonderheiten der betheiligten Völker zur Anschauung bringenden Charakter dennoch einen hohen Rang unter den Veranstaltungen dieser Art sich erworben hat. Betheiligt waren ausser Schweden die Länder Norwegen, Dänemark, Finnland und vom russischen Reich besonders die Ostseeprovinzen. Man erhielt ein wohlgelungenes Bild der Industrie und des materiellen wie geistigen Lebens der vertreten gewesenen Gebiete. Dass das Ausstellungs- Land, also Schweden, den Löwenant.heil in Anspruch genommen hatte, ist ganz natürlich und hat sich noch bei allen derartigen Völkervereini- gungen gezeigt. Es hat wohl kein Besucher diese Ausstellung unbefriedigt verlassen, um so weniger, als ihr Schauplatz, von Violen vermöge seiner Lage als die schönste Stadt der Welt erklärt, einen so mächtigen Eindruck in jedem Beschauer hervorbringt. Deutschland hat ausser den skandi- navischen Staaten das grösste Kontingent der Besucher gestellt, um so mehr ist es daher angezeigt, wenn wir von dem Gebiete, dessen Bearbeitung sich diese Zeitschrift zur Aufgabe gestellt hat, ein eingehenderes Bild ent- werfen. In diesem Bild wird Kcli weden besonders in den Vordergrund treten, indem dieses Land allein eine umfassende Heeres- und Marineaus- stellnng veranstaltet hatte. Der schwedischen Kriegsindustrie, welche

74 Die Kricgstechnik auf der Stockholmer Kunst und Industrie-Ausstellung 1897.

vermöge des Metallreichthums des Landes schon von Alters her eine her- vorragende Rolle gespielt hat, ist dieser Rang auch in der Gegenwart ver- blieben. Es sind von Privatunternehmungen besonders die Werke von Fins- pong, welche weit bis über die Mitte dieses Jahrhunderts hinaus fast ganz Europa mit gusseisernen Geschützrohren versorgt haben, ferner die erst in neuerer Zeit hervorgetretene Gesellschaft Bofors-Gullsp&ng und die von Nordenfeit ins Leben gerufene Stockholmer Waffenfabrik zu nennen; alle drei Unternehmungen arbeiten nicht lediglich auf Bestellung, sondern können auch als Konstrukt io ns Werkstätten bezeichnet werden. Jede derselben hat ihre Eigentümlichkeiten, Finspong wie Bofors stellen bis zu den schwersten Geschützen und Geschossen sowie Panzerplatten und Panzerthürme her, Nordenfeit, den man als den Vater der Schnellfeuer- geschütze bezeichnen kann und der an bedeutenden Werken in England beteiligt ist, hat seinen Schwerpunkt in leichteren Schnellfeuergeschützen und in Maschinengeschützen wie -Gewehren gefunden. Die in früheren Zeiten so oft erwähnten Werke von Aker und Btafsjö, welche mit Finspong in Wettbewerb standen, werden gegenwärtig weniger genannt; sie sind bekanntlich durch die Versuche des Baron v. Wahrendorff, des Besitzers von Aker, und des italienischen Artilleriekapitäns, späteren Generals Ca- valli, die Geburtsstätte der gezogenen Hinterladungsgeschütze geworden. Dafür treten jetzt mit ihren Stahlgeschossen und anderen Erzeugnissen des Kriegsmaterials Avesta Eisenwerke, Ankersruin werk, Sandvik und die als Kupferbergwerk schon im 13. Jahrhundert genannte Faluner Bergwerksgosellschaft hervor, welche seit 150 Jahren auch eine be- deutende Eisenproduktion hat. Militärische Bekleidung»- und Ausrüstungs- stücke, Zelt- und Telegraphenmaterial hatten verschiedene Privatfirmen von Schweden, Militärequipirungstücke auch eine von Dänemark vorgeführt, das sonst nur auf kartographischem Gebiete glänzte, während Norwegen sich auf die Axisstellung seiner Gewehrfabrik Kongsberg beschränkt hatte. Von Russland und Finnland war nichts hierher Gehöriges zu bemerken gewesen.

Wir beginnen mit der schwedischen Heeresausstellung. Diese war in einem länglichen Gebäude untergebracht, das sie mit der Marine- ausstellung theilte. Ein Theil der Gegenstände war ausserhalb aufgestellt, so Geschütze, Fahrzeuge, Brücken- und Zeltmaterial, Telegraphen- und Telcphonwesen und in besonderer Baracke Lazarethwesen. Eine historische Ausstellung hatte man für überflüssig erachtet, und wurde auf das nicht weit davon entfernt gelegene Artilleriemuseum hingewiesen, welches den Ersatz dafür bilden sollte. Auf das Dekorative war grosser Werth gelegt, im Hintergrund des Hauptraums war eine sehr geschmackvolle Darstellung in mehreren Gruppen, welche Kriegsscenen entsprachen. Man konnte da- nach von Uniformirung, Bewaffnung xind Pferdeausrüstung ein Bild ge- winnen. Die Wände waren reich mit Gemälden historischen Charakters sowie mit Fahnen und Standarten in genauer Nachbildung der seitens der Truppen geführten geziert.

Die Bewaffnung der Armee war durch Originalstücke wie durch Abbildungen vertreten. Das Infanteriegewehr M/96, System Mauser vom Kaliber 6,5 mm lag nur in Zeichnungen vor, die Fabrikation in Eskilstuna soll erst beginnen. Dagegen konnte man den Karabiner M/94 gleichen Systems im Ganzen und in seinen Tlieilen einsehen (siehe Tafel). Das Gewehr ist 1,23 m lang und 3,8 kg schwer. Der Lauf hat eine Länge von 0,687 m, vier Züge von 30,8 Kaliber Drall. Zum Gewehr gehört ein Messerbajonett von 0,25 kg Gewicht. Da» Treppen visir ist von 100 zu 100 m bis auf 2200 m eingetheilt. Das Geschoss mit Kupfernickelmantel ist 4,77 Kaliber lang

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und 10,1 g schwer. Die Ladung betrügt 2,6 g Schiesswollpulver. Die Pa- trone wiegt 22 g. Das Geschoss hat eine Querschnittsbelastung von 30,4 g auf den Quadrateentimeter, Anfangsgeschwindigkeit 730 m. Die Patronen- hülse hat eine Eindrehung, keine Krampe. Der Patronenhalter nimmt fünf Patronen auf, die beim Laden des Magazins abgestreift werden. Der höchste Gasdruck im Kohr betrügt 3000 Atmosphären. Der Karabiner M/94 für Kavallerie wiegt nur 3,3 kg, das Geschoss erlangt bei gleicher Munition mit dem Gewehr nur 660 m Geschwindigkeit.

Das noch in Händen der Truppen befindliehe Gewehr M/67/89 ist ein Einlader vom Kaliber 8 111m. Die Ingenieurtruppen haben den Karabiner M/94/96. Offiziere und Fahnenjunker haben den Revolver M/87 von 7,5 mm, für Mannschaften ist die Konstruktion M/71 von 11 mm in Gebrauch.

Von blanken Waffen existirt eine grosse Zahl verschiedener Modelle, die neuesten für Kavallerie sind M/93, für Artillerie M/89, die Befestigung des Säbels am Sattel ist in Schweden schon sehr alt.

Von der Feldartillerie war die sechsspännige 8 ein- Kanone M/94 voll- ständig mit Bespannung in Lebensgrösse ausgestellt, ferner die 8 cm-Kanone M/81 ohne Protze. Das Kaliber ist 8,4 cm; das ältere Modell hat den Kruppschen Kundkeilverschluss mit Broadwellliderung, das M 94 dagegen den französischen Schraubenverschluss mit plastischer Liderung, System de Bange. Die Verschiedenheit liegt lediglich im Verschluss, alle anderen Abmessungen sind dieselben. Das Kohr ist 2,3 m lang und 460 kg schwer, es hat 24 Züge mit Drall von 80 bis 33 Kaliber. Von den Geschossen wiegt das Schrapnel M/93 6,8 kg, die Ringgranate 6,7 kg, die Kartätsche hat 200 Kugeln; Sprenggranaten sind nicht angenommen.

Das Schrapnel hat eine dünne Stahlhülse, welcher zunächst guss- eiserne Ringscheiben mit Lagern für die Hartbleikugeln aufeinander ge- schichtet sind. Unterhalb ist die Hülse in einen Stahlhoden eingepresst, welcher auch den Führungsring enthält. Die zwischen den Ringscheiben bleibende Höhlung ist vollständig mit Kugeln ausgefüllt, deren Zahl 267 ä 10,5 g beträgt. Im Ganzen entstehen 300 Sprengtheile. Die Spreng- ladung liegt in einer Vorderkammer. Der Doppelzünder geht bis auf 4700 m Tempirung. Ein älteres Schrapnel hat nur 142 Kugeln. Die Kinggranate ergiebt 120 Sprengstiicke. Die Ladung beträgt 0,54 kg rauchlosen Pulvers, Geschossgeschwindigkeit 470 in bei 1400 Atmosphären grösstem Gasdruck. In der Protze sind 32 Schuss, im Munitionswagen 116. Von den Geschossen sind 78,9 pCt. Schrapnels, 18,0 pCt. Ringgranaten, 3,1 pCt. Kartätschen.

Die 7 cm-Kanone M/87, welche die beiden reitenden Batterien des Vendes-Artillerieregiments inKristianstad führen, war nur durch Abbildungen vertreten. Sie hat den Schraubenverschluss mit plastischer Liderung. Das Rohr ist 2,055 m lang, Kaliber 7,5 cm, 20 Züge von 128 bis 27 Kaliber Drall, Gewicht 322 kg. Das Geschoss wiegt 4,7 kg und erhält mit 0,34 kg rauchlosen Pulvers eine Geschwindigkeit von 430 m. Das Geschütz hat ein Schrapnel älterer Konstruktion, welches 120 Sprengtheile ergiebt, eine Ringgranate (90 Sprengtheile) und eine Kartätsche (146 Kugeln). Die Protze führt 36 Schuss, die Laffete 3 Kartätschen mit. Von den Ge- schossen sind 83,4 pCt. Schrapnels, 12,9 pCt. Granaten, 3,7 pCt. Kar- tätschen.

Das ausgestellte Rohr M 81 gehört zu den ersten drei in Schweden bergestellton Rohren der Art, wozu Bofors den Block aus Martinstahl geliefert, Finspong die Bearbeitung übernommen hatte. Mit demselben sind als Probe zuerst 2000 gewöhnliche Schüsse, dann 154 Sprengschüsse

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76 Die Kriegsteehnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie- Ausstellung 1897.

abgegeben worden, beim 154. Schuss zeigte sich ein Hiss auf der rechten Seite des Rohrmantels, während das Kernrohr unverändert geblieben war. Das Rohr M/94 ist in Bofors erzeugt.

Die schwedische Feldartillerie hat das Fahrzeugsystem Wrede, welches aus den 1830 er Jahren stammt. Auf den l’rotzarmen befindet sich ein kreisförmig gebogenes Reibscheit, an welches sich der I.affetensehwanz an- lehnt. Damit wird unter Beibehalt des Balancirsystems eine grosse Ste- tigkeit der Deichsel bewirkt. Das noch beibehaltene Vordergewicht wird mittelst eines besonderen Deichselträgers von den Stangenpferden getragen. Dieser ist aus Schienen gebildet, von welchen die obere horizontal ist, die beiden unteren sich unter stumpfem Winkel vereinigen, hier ist der Träger durch eine Hiilse mit der Deichsel verbunden. Verbunden wird der zu- gleich als Aufhalter dienende Träger durch Riemen mit den Sätteln der Stangenpferde. Das Handpferd hat denselben Sattel wie das Sattelpferd, Mittel- und Vorderpferde haben ein Kammkissen. Vorder- und Mittelpferde ziehen an einer Vorderbracke mit Ortscheiten, was wir nicht kennen. Man findet sonst immer getragene Deichseln ohne Vorderbracke (ich sah dies noch vor zwei Jahren auf der Genfer Landesausstellung bei der schweizer. Artillerie). Die ganze Bespannung wird von den Offizieren sehr gerühmt. In keinem Lande (vielleicht ausser England) wird das Zugthier so schonend behandelt als in Schweden; man hat auch bei der Feld- artillerie zwischen den Tauen der Stangenpferde an der Hinterbracke so- genannte Pferdeschoner in Gestalt von Spiralfedern eingelegt.*)

Die Feldlaffeten haben eine Zug-, Fahr- und Schiessbreinse, mittelst deren der Rücklauf auf '/* *’is '/* des gewöhnlichen Maasses beschränkt worden kann. Der Munitionswagen ist nach gleichem System gebaut wie das Geschütz; die grössere Stetigkeit erlaubt, auf dem Hinterwagen vor- wärts des Kastens ein Vorrathsrad anzubringen, der ebenfalls ausgestellte Packwagen ist nach dem verbesserten Lenkscheitsystein gebaut.

Von der sehr mannigfaltigen Ausrüstung der Feldartillerie erwähnen wir nur das Schutzzelt für je 1 Offizier, 2 Unteroffiziere oder 4 Gemeine, die Telephoukarre, welche der feuernden Batterie auf den Schiessplatz folgt und deren Leitung mit den Beobachtern am Ziele in Verbindung steht, und die vorzüglichen Kocheinrichtungen. Ein weiteres Eingehen auf diese Ausstellungsobjekte müssen wir uns versagen.

ln Schweden giebt es keine Bclagcrangs-, wohl aber eine Positions- artillerie, für welche das Material in ähnlicher Weise wie für Feld- batterien vorbereitet ist. Es gehören zu einer Positionsbatterie 4-12 cm- Kanonen M/85 mit hohen Laflfeten (1,8 m), 4 Munitions-, 5 Vorrathswagen, 1 Packwagen. Die Protze zum Geschütz hat keinen Kasten. Das Ge- schütz ist achtspäinnig (Fahren vom iSattel). Eine Friedeusorganisation besteht nicht.

Dasselbe Kaliber befindet sich in der Festungsartillerie, doch hat hier die Laffete eine hydraulische Bremse. Ein derartiges Geschütz w'ar vor dem Gebäude der Heeres- und Marineausstellung aufgestellt. Das Rohr ist aus Martinstahl und ummantelt, 23,9 Kaliber lang, hat 36 Parallelzüge mit wachsendem Drall, 80 Kaliber hinten, 30 Kaliber an der Mündung, Ge- wicht 1205 kg. Das Geschütz hat Granaten von 16,8 kg, Schrapnels von 16,9 kg und Kartätschen. Das Schrapncl hat 180 Kugeln von 12,7 g

*/ Man kann im Norden Vieles lernen. So entdeckte ich bei den Ijffeten der Salutgeachiitze auf der Flaggenbatterie von Kronborg (Dänemark" Achssitze. Es waren aus der Feldart illcrie atugeschiedene Blocklalfeten sehr alten l'rsprungs, jedenfalls lange vor 1804, wo wir Achssitze unnahmen.

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Die Kriegstechnik auf (1er Stockholmer Kunst- und Industrie -Ausstellung 1897. "7

Gewicht. Die Laffete wiegt 1280 kg, die Protze 250 kg, Totalgewicht des ausgerüsteten Geschützes 2880 kg. Das Geschoss hat bei 3,35 kg Ladung (grobkörniges Pulver von 10 nun) 475 nt Mündungsgeschwindigkeit, der Maximalgasdruck im Rohrist 2100 Atmosphären. In ähnlicher Laffetirung stand vor dem Gebäude die 16 cm -Haubitze M/85. Das Kohr ist aus gleichem Material wie die 12 cm -Kanone M/85, Länge 12,3 Kaliber, 20 Parallelzüge von 65 bis 20 Kaliber Drall, 1350 kg Gewicht. Das Ge- schütz hat Granaten von 32,2 kg, Sclirapncls von 39 kg mit 232 Kugeln von 24 g Gewicht und Kartätschen. Die Laffete wiegt 1 320 kg, die Protze 250 kg, Totalgewicht des ausgerüsteten Geschützes 3075 kg. Die Maximal- ladung von 2,5 kg (grobkörniges Pulver von 5 mm) verleiht der Granate eine Mündungsgeschwindigkeit von 276, dem Schrapnel von 261 m. Der Maximalgasdruck beträgt 950 Atmosphären. Heide Geschützrohre haben, wie die sämmtlichen der Festungsartillerie, den Schraubenverschluss mit der Broadwcllliderung. Ausgenommen sind nur dio Schnellfeuerkanonen.

Eine eigenthümliche Konstruktion zeigt die im Gebäude aufgestellte 12 cm -Haubitze M/91 in ihrer Laffetirung. Das Laflfetengestell ist getheilt, der Obertheil, welcher das Rohr trägt, hat eine eigene Rückwärtsbewegung, welche durch Kautschukpuflfer beschränkt wird; dieselben bringen den Obertheil mit dem Kohr wieder in die Feuerstellung zurück. Das Rohr ist von Gusseisen und mit Stahl bereift. Dasselbe ist 12,8 Kaliber lang, hat 24 Parallelzüge von 64 bis 20 Kaliber Drall, Gewicht 649 kg. Dio Geschosse sind dieselben wie bei der 12 cm -Kanone M/85. Bei 1,25 kg Maximalladung (grobkörniges Pulver von 8 mm) erlangt das Geschoss eine Mündungsgeschwindigkeit von 285 m. Die Laffete hat eine Feuerhöhe von 1,6 m. Ausgestellt war noch die mit dem Feldgeschütz M/81 im Rohr übereinstimmende 8 cm -Kanone in Kasematteulaffete. Von den beiden Schnellfeuerkanonen der Festungsartillerie fand sich nur die 6 em-Kanone M/95 (es giebt ausserdem noch eine 5 em-Kanone M/92) auf der Ausstellung. Dieselbe hat einen Vertikalverschluss, der Keil wird behufs Oeffnens de» Rohres durch einen Hebel abwärts geschoben und umgekehrt. Auf dio Metallkartusche basirt, hat der Verschluss einen Schlagstift, Schlagfeder, Abzug und Auszieher sowie eineSicherheitsvorrichtung. Das Kaliber des Rohre» ist 5,7 mm, Länge 26,1 Kaliber, 24 Parallelzüge von 50 bis 25 Kaliber Drall, 213 kg Gewicht, lieber die Geschosse siehe weiter unten (die 5 em-Kanone M/92 hat Granaten und Kartätschen). Das Geschütz hat für das Feuern hinter Erdbrustwehren eine selbstthätige Verschwindlaffete. Die längliche am oberen Ende das Rohr tragende Oberlaffete hat am unteren Ende Ver- bindung mit einem wagerechten Pivotbolzen der feststehenden Unterlaffete. In der Feuerstellung steht sie aufrecht und sinkt durch den Kückstoss, um' die Achse sich rückwärts abwärts drehend, in eine tiefe und horizon- tale Lage. Die Unterlaffete hat behufs Seitenrichtung eine horizontale Drehung um einen senkrechten Pivotbolzen. Das Rohr steht mit einem hydraulischen Kompressor in Verbindung, und wird dadurch der Riickstos» ermässigt- und die Bewegung regulirt,. Die Hebung erfolgt nach Oeffnen eines Ventils durch die in einem besonderen Behälter beim Niedergang des Rohres komprimirte Luft. In Kasematten haben die Schnellfeuer- geschiitze Stativlaffeten.

Eine fünfläufige Mitrailleuse, Konstruktion von Nordenfeit, vom Ka- liber des 8 mm -Gewehrs, welche ausgestellt war, ist für Salvenfeuer ein- gerichtet und kann 400 bis 600 Schuss in der Minute abgeben.

Von den nicht in der Ausstellung vertretenen Geschützen der Festungs- artillerie, wie der 17 em-Kanone M/76, der 16 om-Kanono M/91, der 5 cm-

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Konserven mit Kochvorriclitting.

Kunonc M/92, wie von den Geschützen der Küstenartillerie, der 27 cm- Kanone M/74, 24 em-Kanone M/92 und 24 cm-Haubitzo M/94, waren die Abbildungen im Maassstab von 1 : 5 bezw. beim 5 em-Geschütz in 1 : 1 vorgeführt worden.

Eine Ausstellung der Artilleriemunition ergänzte diejenige der Geschütze in den nicht vertretenen Mustern. Die 27 cm-Küstcnkanone M 74 hat Vollgeschosse, Panzergranaten und gewöhnliche Granaten, die 24 cm- Kanone M/92 Panzergranaten und gewöhnliche Granaten, ebenso die 24 cm-Haubitze M/94, die 17 cm-Kanone M/76 Granaten und Schrap- nels, die 16 cm-Kanone M/91 hat gleiche Geschosse wie die 16 cm -Hau- bitze M/85. Die 12 cm-, 8 cm- und 7 cm-Munition ist früher erwähnt. Die 6 cm - Schnpllfeuerkanone M/95 hat die Granate M/95 mit Aufschlag- zünder M/93, das Schrapnel M/96 mit Doppelzünder M/96 und die Kar- tätsche M/'94.

Sämmtliche Munition war auch in Durchschnitten dargestellt. Ebenso sah man die Apparate und Werkzeuge zum Fertigmachen der Geschoss- munition. Das ursprüngliche rauchlose Pulver Apyrit wird abgeschafft, man hat jetzt ein rauchloses Geschützpulver M/96 (Schiesswollpulver). Die 6 cm-Kanone M/95 hat eine Ladung von 240 g dieses Pulvers, die 5 cm- Kanone M/92 134 g, ausserdem haben es nur die Feldgeschütze. Rauch- loses Gewehrpulver M/94 ist verschieden für 8 mm- und 6,5 mm-Gewohre.

Wie ersichtlich, geht zur Zeit durch die schwedische Artillerie, welche lange hindurch veraltetes Material beibehalten musste, ein frischer Hauch, wir sahen manche bemerkenswerthen Neukonstruktionen auf der Ausstellung und manches Gute auch bei dem älteren Material. Die Bewilligungs- freudigkeit für militärische Zwecke fehlt dem Reichstag dort sehr (sie ist heute, wo Alles nach ewigem (?] Frieden auszusehen scheint, ja nirgends sehr gross!), und so muss sehr genau kalkulirt werden, ob man etwas Altes abschaffen und etwas Neues annehmen soll, denn leicht wird durch das Letztere ein Strich gemacht, wie es sich auch bei den Forderungen bezüglich der neuen Gewehrbewaffnung gezeigt hat, wo man zunächst nur Karabiner bewilligte und die Gelder für Gewehre strich.

(Sckla-u folgt. I

Konserven mit Kochvorrichtung.

Die Konserven sind für die Verpflegung im Felde und auf Schiffen von grösster Wichtigkeit, und ohne eine ausgedehnte Benutzung derselben dürfte eine genügende Verpflegung der Heeresmassen in den Kriegen der Zukunft sich überhaupt nicht ermöglichen lassen. In dem Kriege von 1870/71 war als einzige Konserve zunächst nur das Pökelfleisch bekannt, welches, zu den Fleischkonserven gehörig, durch Wasserentziehung mittelst der landläufigsten aller Konservirungsmethoden, des Ein{>ökelns, hergestellt wird. Da die Pökelsalze aber dem Fleisch neben dem Wasser auch die für die Ernährung wesentlichen Fleischsalze entziehen, so entstehen bei fortgesetztem Genuss von Pökelfleisch Krankheiten, deren gefiirchtetste und bekannteste der Skorbut ist.

Zu dieser einfachen Konserve trat dann als ein wesentlicher Ver- pflegongsarti kcl im Kriege von 1870/71 die Erbswurst, welche auch bei dauerndem Genuss keine Störungen des Wohlbefindens hervorrief. Bei den

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Konserven init Koch Vorrichtung.

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anfänglich damit angestellten Versuchen wurden 20 Mann sechs Wochen lang bei angestrengtem feldmässigen Dienst neben der Feldbrotportion ausschliesslich mit Erbswurst ernährt, was einen vollen Erfolg hatte, w'enn diese Kost für Manchen auf solche Dauer vielleicht auch keine Annehm- lichkeit war.

Nach dem Kriege trat nun die Konserve derartig in den Vordergrund, dass es heute kaum noch ein Nahrungsmittel aus dem Thier- oder Pflanzen- reich giebt, welches nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Nähr- wrerthes auf besondere Weise haltbar gemacht oder konservirt wird.

Die durch Austrocknen von Gemüsearten entstandenen Dörrgemüse gehören zwar auch zu den Konserven, indessen werden sie in dem gemeinhin gebrauchten Sinne dieses Wortes nicht dazu gerechnet, weil ihre Zubereitung eine zu umständliche ist, als dass sie für den Feld- gebrauch des Soldaten in Frage kommen kann. Denn für die Feldverpflegung müssen die Konserven nicht nur nahrhaft, haltbar, einfach, wohlfeil, wenig Kaum einnehmend, leicht, sondern auch nöthigenfalls ohne Ankochen zuzubereiten sein.

Letzteres ist besonders in der unmittelbaren Nähe des Feindes wichtig, wo man entweder keine Zeit zum Kochen hat oder aus Gründen der Sicherung überhaupt kein Feuer anmachcn will. Aber es kann wohl auch keinem Zweifel unterliegen, dass die angekochte beziehungsweise angewärmte Konserve dem Soldaten zuträglicher ist und ihm namentlich bei strenger Winterkälte in kürzerer Frist wohlthuende Körperwärme zuführt, als wenn er die eiskalte Konserve verspeisen soll. Während der kurz bemessenen Hast auf dem Marsche ist an ein Abkochen nicht zu denken, denn bevor noch das nöthige Feuerungsmaterial bereitet sein kann, wird schon weiter marschirt, und dann muss die Brotportion oder der Feldzwieback herhalten, his ins Lager oder in die Unterkunft eingerüokt wird, wo es auch noch geraume Zeit dauert, bis der Soldat sich mit seinen eigenen Mitteln ein warmes, geniessbares Essen herstellen kann. Im Kriege hängt aber von der Magenfrage gar Vieles ab, und so hat auch die Technik mitgewirkt, dem Soldaten die warme Zubereitung der Konserven in allen vorkonnnendeu Fällen zu ermöglichen und zu erleichtern.

So wird eine ausserordentlich praktische Neuerung an den in immer grösserem Maassstabe Verwendung findenden Fleisch- und Gemüse-Kon- servendosen von der Konservenfabrik Albert Kehse Sohn in Wülfel-Hannover hergestellt, und man muss sagen, dass die sinnreiche und einfache Ein- richtung und die damit verbundene schnelle und ausreichende Wirkung des Apparates ganz vorzüglich wirkt.

Für den Gebrauch derjenigen Konserven, welche in warmem gekochten Zustande genossen werden sollen und in erster Linie dazu bestimmt sind, bei länger andauerndem Aufenthalt im Freien, im Gebirge, fern von mensch- lichen Wohnstätten, dem Jäger, Soldaten, Touristen u. s. w. als angenehme, kräftigende Speise zu dienen, erweist sich der Umstand als besonders hinderlich, dass die Zubereitung derselben eine eigene Feuerstelle und eigenes Kochgeschirr bedingt und daher häufig gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten durchgeführt werden kann.

Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ist nnter Berücksichtigung mög- lichst niedriger Herstellungskosten und dabei zweekmässigster Form eine mit Koch Vorrichtung verbundene Konservendose konstruirt worden, welche die Erwärmung aller Art Konserven, ganz unabhängig vom Vorhandensein einer Feuerstelle, ermöglicht und zwar zu jedem Zeitpunkte und unter den ungünstigsten Orts- und Witterungsverhältnissen.

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Konserven mit Kochvorrichtnng.

Es wird zu diesem Zwecke eine flaehzylindrige Konservendose in eine zweite, eng anschliessende, ebenfalls vollkommen dichte Weissblechdose hineingestellt, welche am Boden mit Alkohol getränkte Watte enthält und ferner einen eigenartigen Rost, der, in einfachster Weise aus drei schmalen, am unteren Ende rechtwinklig umgebogenen Blechstreifen gefertigt, in den

ringförmigen Hohl- raum zwischen den beiden Dosen ein- gelagert erscheint. Derartige mit Koch- vorrichtung ver- sehene Dosen sind von gleicher äusserer Form, nur um etwa 1 cm grösser, als die gewöhnlichen. (Ab- bildung 1.)

Die Handhabung der Konservendosen mit Kochvorrichtung ist eine höchst einfache, von jedem Manne sofort zu erlernende und leicht zu be- wirkende. Sie gestaltet sich folgendermaassen.

Am Rande des Deckels der äusseren Dose ist ein l>raht eingelegt, dessen Enden in einer Länge von etwa 4 cm nach rechts und links um- gebogen sind und, am Austritt aus dem Deckel verlöthet, sichtbar auf dem Dosondeckel liegen.

Die Dose wird nun geöffnet, indem man das rechte Drahtende mittelst des unter dem Etikett befindlichen durchlochten Schlüssels erfasst und

langsam parallel zur Deckelfläche dreht. Der sich dabei aufwindende Draht wird den Deckel ringsherum abtrennen. Sollte das rechte Drahtende zufällig reissen, so kann das linke verwendet werden. (Abbild. 2).

Nach Abtrennung des Deckels wird die innere Dose mit dem Konserveninhalt und dem sie umschliessenden Rost herausgehoben, die vier Blechfüssc des Rostes werden senkrecht aufgebogen, der Rost wird nach Entnahme der Konservendose in die äussere Dose hineingestellt, dann die Dose in oben beschriebener Weise geöffnet und nach Aufbiegen

der zwei seitlichen Blechbügel auf den Rost gestellt (Abbild. 3), hierauf die mit Brennstoff getränkte Watte entzündet, was einfach durch Hineinwerfen oder Hineinhalten eines bren- nenden Zündhölzchens geschieht.

Der Konserven inhalt wird nach 5 bis 8 Minuten genügend erwärmt und zum Genuss bereit sein.

Wird die geöffnete Dose auf den Apparat gestellt, so empfiehlt es sich, eine möglichst wagerechte Fläche hierzu zu wählen, um ein Ausfliessen des Doseninhalt« zu vermeiden.

Das Aufstellen der Vorrichtung kann auf Eis, Schnee oder nassem Boden erfolgen, ohne dass dadurch deren Funktion in irgend welcher Weise beeinträchtigt wird.

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Konserven mit Koi'hvorriehtanft.

Hl

Eine Rauchentwickelung findet nicht statt, und das Krwiinnen kann daher auch im geschlossenen Raume erfolgen.

Bei starkem Regen oder Schneefall soll nach Herausnehmen der ge- füllten Konservendose (während des Oeffnens derselben) die mit Brennstoff getränkte Watte vor Eindringen des Niederschlages geschützt werden, was durch Auflegen des ausgeschnittenen Dosendeckels geschehen kann.

Hohe Schneelage ist mittelst des Kusses fest niederzudrücken, um ein tiefes Einsinken der Vorrichtung zu verhindern, am besten ist es in diesem Kalle, einen abgetrennten Dosendeckel unterzulegen.

Der Apparat kann nacheinander weiteren mitgeführten Konserven ohne Kochvorrichtung zur Erwärmung dienen, oder man benutzt die ent- leerte Dose zur Bereitung von Kaffee, Thee u. s. w.

Die mit Kochvorrichtung kombinirten Konservendosen halten sich jahrelang in unverändertem Zustande und sind stets sofort gebrauchsfähig.

Aus dein Gesagten ergiebt sich, dass die neuartigen Konservendosen ein schnelles, von allen Orts- und Witterung« Verhältnissen unabhängiges Anfkoehen ermöglichen, und dass deren Inhalt zu jedem Zeitpunkte und überall in warm resp. heiss zubereitetem Zustande genossen werden kann. Die sich daraus ergebenden Vortheile liegen klar zu Tage, und man wird sich in vielen Källen mit Vorliebe der mit Koehvorrichtung versehenen Dosen bedienen, weil die Mehrkosten verhältnissmiissig sehr geringe sind.

Die nach dem System Juhüsz konstmirte Universalkonserve mit Koch- vorrichtung ist durch deutsches Reichspatent Nr. 91 1 H 1 geschützt; auch ist diese Konstruktion in Oesterreich - Ungarn und Krankreich patentirt, während weitere Patente in Belgien, England, Russland und den Vereinigten Staaten von Nordamerika angemeldet sind.

Die Dosen mit Kochvorrichtung werden in Verpackung von Vi, '/» und * 4 kg geliefert und sind mit den verschiedensten Füllungen zu haben, von denen zur Zeit hergestellt werden 8 Arten Suppen, 5 Arten Ragouts und Frikassees, Arten Braten und Fleischspeisen, 18 Arten Fleisch- speisen mit Gemüsen, 9 Arten Würste und 2 Arten Puddings, woraus sich auch für den verwöhntesten Geschmack eine vortreffliche Speisenfolge zu- sammenstellen lässt.

Mit denselben Füllungen werden auch Dosen ohne Kochvorrichtung geliefert, die sich etwas billiger stellen. Da sie der Form der Dose mit Kochvorrichtung angepasst sind, so ist letztere auch für jene Dosen ver- wendbar, nur muss man dann den nöthigen Brennstoff (Alkohol) zur Stelle haben, sobald dieser in der Koehdose verbraucht ist, was im Frieden leicht durchzuführen ist.

Diese Neuerung auf dem Gebiete der Konservenverpflegung wird in unserem Heere volle Würdigung finden, zumal sie sich auch schon bei den Kaisermanövern 1897 auf das Beste bewährt hat, wo auf Anordnung des Kriegsministeriums 1000 Vierteldosen mit Gulaschfleisch zur Ver- wendung gelangten, die sich sowohl in Bezug auf die Qualität der Waare als auch der Zuverlässigkeit der Konstruktion gleich vortrefflich erwiesen. Soldaten, Luftschiffer, Radfahrer, Jäger u. s. w. werden nach einem Versuche nicht gern wieder auf diese Konserven mit Koch Vorrichtung verzichten, die in allen Preislagen hergestellt werden und daher auch dem weniger Bemittelten zugänglich sind. Für den Gebrauch sei hinzugefügt, dass man die leicht heiss werdenden kleinen Bügel entbehren kann, wenn man den Deckel nicht ganz abtrennt, ihn überbiegt und als Handhabe benutzt.

Krieg*techni8che Zeitschrift. 1*99. 2. Heft.

G

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82 Da» Aluminium u. die dariius verfertigten Geg enstände i. d. russ. Truppenuusrüstung.

Das Aluminium und die daraus verfertigten Gegenstände in der russischen Truppen- ausrüstung.

(Nach dem Russischen Invaliden Nr. 138/97.)

Schon im Jahre 1892 nach der damals in Petersburg stattfindenden IV. elektrischen Ausstellung richtete das Technische Komitee der Haupt- Intendanturverwaltung seine Aufmerksamkeit auf die Anfertigung ver- schiedener Gegenstände der Truppen- und Hospitalausrüstung aus Aluminium. Es wurden zur Erprobung der Anwendbarkeit von dergleichen Gegen- ständen bei russischen und ausländischen Fabrikon kleine Kochgeschirre, Wasserflaschen, Gläser, Hospital-Tischgeschirr (Suppenschüsseln, Teller, Krüge und Salzfässer), Sporen, Steigbügel, Kandarengebisse, Hufeisen und Offiziermenagen (Küchenzubehör und Geschirr für 4, 6, 8 und 10 Offiziere) erworben und bestellt.

Folgende Tabelle ergiebt das Gewicht und den Preis der aus Aluminium verfertigten Gegenstände im Vergleich zu den jetzt in der russischen Armee in Gebrauch befindlichen Sachen:

G c w ic li t

Preis

der aus Aluminium verfertigten Gegenstände

der

bestellenden

Gegenstände

der ans Aluminium verfertigten Gegenstände

der

liestehenden

Gegenstände

Aus dem Auslande verschriebene

Sporen

73—70 g

131 g

1 Rbl. 50 Kop.

42 Kop.

Flaschen 1 deutschen) .

112,7

317,1 .

1 . 60 >

03 >

Gl&ser ^ Modells | .

50,7 »

40 .

Trinkbecher . . . .

21.1 »

63,4 »

33

10 >

Gabeln

21,1

35,9 .

llb'g1

10

2,6

27.4 »

6*/b>

65 .

L*>nelli-:»» . . . .

25,2 *

71,8 >

11«/**

1 Rbl. 10 »

Zubehör zu den Feldzel-

teil deutschen Modells

(64 Knöpfe. 24 Stöcke

und 2 Hülsen) . . .

131 .

1 Ilbl. 14 .

Menagen für 4 Offizier«;

1.9 kg

27 . 26 »

> » 6 >

5,8

35 > 72 .

»8 *

7.8 «

48 » 88 '

v » 1U .

17,8 .

54 > 52 »

Russische Fabrikat«' : Kleines Kochgeschirr mit eisernem verzinn- ten Henkel und eben-

solchem Reifen . .

290 -338 g

Trinkbecher ....

21—25

«3.4

10

9*/«»

Flaschen ohne Futteral

139 -148

283,3 »

1 Rbl. 45

Flaschen mit Futteral und Vorrichtung znm

Tragen über die Schulter

249 262

376.3 >

1 > 75

03 >

Hospitalgeschirr: Suppenschüssel mit Teller, Krug und Salz

fass

304

1009 >

3 > 45 »

1 Rbl. 30 >

Eine vorläufige Begutachtung aller genannten Gegenstände sowohl russischer als ausländischer Fabrikation zeigte, dass die kleinen Koch- geschirre, Wasserflaschen und Trinkbecher mit Vortheil angewendet werden

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Das Aluminium u. die daraus verfertigten Gegenstände i. d. russ. Truppenausrilstnng. 03

können, und dass das Hospital-Tischgeschirr und die Offiziermenagen beachtet zu werden verdienen. Die übrigen Gegenstände erweisen sich nicht •der Beachtung werth, da sie theila als un zweck massig, theils des hohen Preises halber nicht für die Truppenausrüstung benutzt werden sollten.

Die aus Aluminium hergestellten Kochgeschirre, Flaschen, Trinkbecher und Salzfässer wurden chemisch untersucht und bei den Truppen erprobt.

Zur Feststellung der Haltbarkeit des Aluminiums bezüglich der Gegen- stände, welche in den daraus hergestellten Gefässen aufzubewahren oder zuzubereiten sind, wurden letztere in den Laboratorien der Haupt-Militär- Medizinalverwaltung und des Technischen Komitees der Haupt-Intendantur- verwaltung einer Untersuchung unterzogen.

Bei der Untersuchung in dem Laboratorium des Technischen Komitees wurden die bezüglichen Gegenstände einer längeren oder kürzeren Wirkung der Sachen ausgesetzt, welche in ihnen aufbewahrt werden sollten, oder es wurde Essen in ihnen zubereitet und dann bestimmt, inwieweit das Aluminium aufgelöst war.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung giebt folgende Tabelle:

Was für Gegenstände untersucht wurden und unter welchen lledin- gungen.

Trinkbecher und Gläser, gefüllt

mit Thcc

mit Ktmss

Trinkbecher und Gläser, gefüllt

mit Thcc

mit Kuass

Wasserflaschen, gefüllt

mit Wein

mit Tliec

mit Spiritus

mit Branntwein . . . .

mit Knnss

Das Kochgeschirr verlor nach zehn- maligem Kochen von Kohlsuppe liei zweistündigem Sieden und dem Keimgen nach jedem Kochen

an Gewicht

Das Kochgeschirr verlor bei denselben Verhältnissen beit» Kochen von Flüssigkeiten ans >/ipCt. Mileli , •/» pCt. Fleisch , >/* pCt. Essigsäure und 1 * pCt. Kochsalz an seinem

Gewicht

Salzfässer mit Salz in trockener l.nft in feuchter Luft

Wieviel Aluminium znr Auflösung kam, in Pro- zenten nusgcdruckt.

0,001

0.0015

0,007

0,0010

0,005

0,0011

0,0004

0,0008

0,008

0,0024

0,02

0,00

0.4

Wie lauge die Untersuchung dauerte.

limal 24 Stunden desgl.

5 null 24 Stunden desgl.

lTmal 24 Stunden desgl. desgl. desgl. desgl.

OOmal 24 Stunden desgl.

Somit tritt der grösst« Verlust der Aluminiumgegenstände an Gewicht und folglich das grösste Uebcrgehen des Aluminiums in die darin ent- haltenen Sachen bei dem Aufbewahren von Salz in den Aluminium-Salz- fässern in feuchter Luft ein, was in der Praxis schwerlich Vorkommen wird. Dann kommt der grösste Verlust an Gewicht bei den Aluminium- Kochgeschirren vor, wenn darin eine künstlich gemischte Flüssigkeit gekocht wird, womit erprobt werden sollte, innerhalb welcher Grenzen das Aluminium sieh auflöst; aber die Menge des aufgelösten Aluminiums beträgt, in Prozenten in Bezug auf das Gewicht der auflösendon Substanz ausgedrückt, etwa 0,007 pCt., was schwerlich einen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit der I^ute haben kann, wenn sie eine solche Flüssig- keit zur Speise verwenden müssten. Alle übrigen Produkte, wie Thec,

6*

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34 1*“" Aluminium u. die daraus vrrfertigten (ipgeiistündr i. d. rum. Trui>penansriistnng.

Kuass,#) Wein, Spiritus und Branntwein, lösten unter den ungünstigsten Verhältnissen, wie sie schwerlich in der Praxis Vorkommen werden, d. h. hei einer Aufbewahrung während 3- bis 17mal 24 Stunden, eine so un- bedeutende Menge Aluminium auf, dass die Verwendung solcher Flüssig- keit zur Speise keinen Schaden für die Gesundheit bringen kann.

ln dieser Richtung wurden die Aluminium-Kochgeschirre in dem Laboratorium des Militär-Medizinal-Komitees erprobt, und auf Grund der Ergebnisse hielt dasselbe die Verwendung des Aluminiuingeschirrs zur Aufbewahrung und Zubereitung von Speisen für möglich und ganz un- gefährlich für die Gesundheit.

Auf Grund dieser in den Laboratorien angestellten Versuche wurden bei den vier Grenadier- Regimentern des Moskauer Militärbezirks im Sommer 1895 Aluminium-Kochgeschirre russischen Modells und russischer Anfertigung erprobt, von denen ein Tlieil Aluminium-, ein Theil eiserne Henkel hatte. Bei dieser Erprobung kocht« man in den Kochgeschirren Essen und Thee und beobachtete dabei, ob sie in Bezug auf ihre Reinigung, die schnelle Bereitung der Speise, die Festigkeit gegen äussere Stösse bequem als Ausrüstungsstück gehandhabt werden könnten. Die Erprobung führte zu günstigen Resultaten: das Essen wurde fast zweimal so schnell fertig als in den kupfernen Kochgeschirren; die Beschaffenheit des Essens war keineswegs schlechter als des in jedem anderen Geschirr bereiteten, und es hatte keinen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit der Mann- schaften und auf das Metall des Kochgeschirrs. Die Reinigung ging leicht und schnell von statten. Durch Schlüge und Stösse erhielt das Koch- geschirr Beulen, die aber leicht mit den Händen ohne jetles andere Instrument beseitigt werden konnten. Die Kochgeschirre mit eisernem Henkel und Reifen waren fester.

Unabhängig von dieser Erprobung wurden bei zwei Infanterie-Regi- mentern im Kiewer Militärbezirk sechs Monate lang Aluminium-Koch- geschirre und Wasserflaschen versucht. Auch hier waren die Ergebnisse, gleich günstig.

Alle (liest* Ergebnisse zeigten, dass die Aluminium -Kochgeschirre, Wasserflaschen und Trinkbecher ihrer Bestimmung entsprechen. Mit ihrer Einführung wird die von dem Soldaten zu tragende Last um t>14 g ver- mindert.

Was das aus Aluminium angefertigte Hospitalgeschirr betrifft, so hängt seine Einführung bei den Militär-Medizinalanstalten von der I-age der Aluminiumfabrikation in Russland ab. Entwickelt sich diese mehr und sinkt der Preis, so kann man erwarten, dass auch das Hospitalgeschirr aus Aluminium und nicht, wie jetzt, aus Bessemer-Btahl augefertigt wird.

Thatsiichiich sind jetzt Aluminium-Kochgeschirre, Wasserflaschen und Trinkbecher als Ausrüstungsstücke der russischen Infanterie eingeführt: sie ersetzen das kupferne Kochgeschirr, die hölzerne Wasserflasche und den verzinnten kupfernen Trinkbecher.

Die aus Aluminium gefertigten Ausrüstungsstücke sollen 97 pCt. Aluminium und 3 pCt. Kupfer enthalten.

* Säuerliches (Setriink aus Ituggennirhl und Malz.

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Da« biiyeriwhe Kricgobr iirkf'Dgrrftt h.

So

Das bayerische Kriegsbrückengeräth.

Die grosse Pontonierübung, welche die bayerischen Pionier-Bataillone im Jahre 1896 am Loch abhielten, hatte den Zweck, die verschiedenen Veränderungen und Verbesserungen an dem Geräth der Kriegsbrücken- trains zu erproben, wobei gleichzeitig das unterm 4. März 1896 eingeführte neue Pontonier- Reglement endgültig in Benutzung genommen wurde, nach- dem es für das Reglement vom Jahre 1883 als Entwurf schon längere Zeit hindurch geprüft worden war.

Das bayerische Briickengeräth ist von dem preussischen vollständig verschieden und erfordert deshalb zu seiner Bedienung ein eigenes Reglement, welches sich, soweit es angängig erschien, dem preussischen Reglement anschlieBst. Da nun aber Kriegsbrückengeräth und Pontonier-Reglement, sich nicht gut voneinander trennen lassen und zusammengehörige Theile sind, so müssen sie auch als ein Ganzes besprochen werden.

Um den allgemeinen Charakter des bayerischen Kriegsbriickengerätlis zu kennzeichnen, ist hervorzuheben, dass dasselbe dem System Birago, nach dem österreichischen Obersten Karl Freiherrn v. Birago benannt, nachgebildet ist, wie dies auch in vielen anderen Heeren (Oesterreich- Ungarn, Russland, Schweden, Dänemark, Spanien, Schweiz, Serbien! im Gebrauch ist.

Der ehemalige leichte Feldbrückentrain des preussischen Heeres war auch nach dem Birago'schen System konstruirt, und seine Hauptmerkmale waren das aus mehreren Stücken zusammensetzbare breite Ponton mit flachem Boden und die Knaggenbalken, welche sowohl auf den Holmen der eigenartig konstruirten Böcke als auch auf den besonders vorgerichteten Borden eingeknaggt werden konnten, so dass keinerlei Festschnüren der Balken mittelst Leinen stattfand.

Als das wichtigste Briickengeräth darf füglich das Ponton bezeichnet werden.

Während dieses in Preussen ein nach beiden Enden hin in spitze Kaffen auslaufendes, bootartiges, einheitliches Fahrzeug aus verzinktem Eisenblech von 7,50 m Länge, 1,50 m Breite und 0,81m Höhe darstellt, besteht das Ponton in Bayern aus zwei verschiedenen Stücken, den Pontonkaffcnstücken nnd den Pontonstumpfstücken.

Der Querschnitt jedes dieser Stücke beträgt 1,896 auf 0,79 m, ist also breiter als das preussische Ponton und ein wenig in der Bordhöhe niedriger als dieses. Die Länge der Pontonkaffenstiicke ist 4,268 m, die der Pontonstumpfstücke 3,478 m. Beide Pontonstücke sind aus verzinktem Eisenblech gefertigt und werden durch einen hebelartigen Verschluss mit halbkreisförmigen Haken verbunden, welche durch Löcher in beide Bord- wände (Sehandeck) eingroifen.

Diese Pontonstücke werden einzeln auf die Brückenwagen (in Preussen noch Haket genannt) verladen, und zwar kommen die Pontonstumpfstüeke auf die Bockwagen und die Pontonwagen, die Pontonkaffenstiicke auf die Balkenwagen. letztere sind in den preussischen Brückentrains nicht vor- handen; sie führen als Hauptbeladung 7 Knaggenbalken, 1 Uferbalken, 25 Belagbretter sowie einiges Tauzeug. Auf Bockwagen und Pontonwagen werden dagegen keine Knaggenbalken verladen, wohl aber Uferbalken und Bretter.

Für das Beladen der Brtiekenwagen sind im bayerischen Pontonier- Reglement nicht so ausführliche Vorschriften enthalten, wie sie in dem

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Pas bayerische Krieg* brückende rat h.

preussischen Reglement vorgesehen sind; es ist nur erwähnt, dass dio Geräthe nach den Beladungsplänen der Ausrüstungsnachweisungen auf- geladen bezw. nach den hierfür gegebenen Bestimmungen abgeladen werden. Kine so ausführliche Beschreibung, was jede einzelne Nummer zu thun hat, wie sio im preussischen Reglement vorgesehen ist, enthält das bayerische Reglement nicht.

Während dio Fon tonk affenstücke an einer Seite in eine flache Kaffe auslaufen und die andere Seite durch eine senkrechte Wand abgeschlossen

ist, haben die Pontonstumpf- stücke auf beiden Bchmalen Seiten senkrechte Wände.

Vermittelst dieser beiden Stücke können nun zweitheilige oder dreitheilige Pontons für den Brückenbau hcrgestellt ■wer- den; dabei darf jedes Ponton- stück höchstens mit einer Trag- kraft von 3500 kg in Rechnung gebracht werden, wobei es noch etwa 0,15 m Bordhöhe behält.

Das zweitheilige Ponton (Abbild. 1) wird gewöhnlich ans einem Pontonkaffenstück und einem Pontonstumpfstück zusammengesetzt, jedoch kann cs auch aus zwei Kaffenstücken bestehen. Beim dreitheiligen Ponton (Abbild. 2) werden aber stets zwei Kaffenstücke und einStumpfstttck verwendet. In gleicher Weise können auch vier-, fünf- und sechstheilige Pontons (Abbild. H und 4), besonders zum Bau von Fähren ver- wendbar, hergestellt werden.

Das flachgebaute bayerische Ponton hat vor dem in spitzen Kaffen auslaufenden, steileren preussischen Ponton den Vorzug, dass es bei starker Stromgeschwindigkeit mit der Oberst roin- kaffe nicht so tief in das Wasser eintaucht, weil der flache Boden dem Strom eine breitere Druck- fläche darbietet und dadurch kein so bedeutender Wasserschwall vor der Kaffe erzeugt wird als bei dem spitzgebauten preussischen Ponton. Wasser- schwall und Strom wirken vereint auf das Strom- ankertau, an welchem das Ponton in der Brücke festgelegt ist, und drücken dadurch die Pontonkaffe herunter; dabei ist bei flachem, breitem Ponton- boden die Eintauchung der Kaffe weniger bedeutend als bei dem in einen spitzen Winkel auslaufenden, abgerundeten Pontonboden.

Dieser Nachtheil des tieferen Eintauchens und des bedeutenderen Wasserschwalles bei starkem Strom macht das preussische Ponton für die Stromverhältnisse der oberen Donau und des oberen Rheins, wo man mit Stromgeschwindigkeiten von mehr als 2,50 m zu rechnen hat, weniger geeignet als das bayerische Ponton. Dagegen hat sich dasselbe im Feld-

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Das bayerische Krit'gsbrihktngtrnth.

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zuge von 1870/71 für die Strom Verhältnisse der Seine und Manie, der Maas, Aisno und Oise als in jeder Beziehung vortrefflich bewährt.

Als ein weiterer Vortheil des bayerischen Pontons wäre noch hervor-

Abbild. :t.

°\ Fuhrft \

\

Abbild. 4.

Abbild. 0.

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Da» bayerische Kriegsbrückengcrfitli.

zuheben, dass es einzeln, d. h. zwei zusammengefügte Kaffenstüeke, zum Handhaben der Brückenböcke im Wasser verwendet werden kann, ohne Benutzung einer besonderen Einbaumaschine. Diese Verwendung als Einbau- ponton ist in Abbild. 5 dargestellt; die römischen Ziffern bedeuten flau erste Glied, die arabischen das zweite Glied des Einbautrupps, U Unter- offizier, h = Hebel, q <= Querbalken. Die aus zwei Pontons mit drei iiber- gesehnürten Balken hergestellte Einbaumaschine ist in Abbild. 6 ver- anschaulicht.

Nächst dem Ponton ist als zweite zur Verwendung gelangende Untor- stützung beim Bau von Kriegsbrücken der Bock zu erwähnen. Das Bockgeriith ist beim preussischen wie beim bayerischen Material durch- weg nach dem System Birago konstruirt; die einzelnen Theile sind in ihren Formen und Abmessungen einander gleich. Nur im Gewicht sind geringe Unterschiede zu verzeichnen; in Bayern wiegt, der Bockholm 1 kg und die Fussscheibe 1,5 kg weniger.

Erhebliche Unterschiede sind aber bei den Balken zur Herstellung des Oberbaues der Kriegsbrücken zu verzeichnen. Das bayerische Geräth kennt nur eine Sorte Brückenbalken, nämlich Knaggenbalken, sowohl für die Bockstrecken als auch für die Pontonstrecken, während für letztere beim preussischen Geräth Streckbalken vorgesehen sind, welche kein« Knaggen haben, sondern nur lose auf den Pontonborden verlegt und mittelst Schnürleinen festgeschnürt werden.

Die Streckbalken sind auch schwächer als die Knaggenbalken; ihr Quer- schnitt beträgt 0,13 auf 0,105 m; die Knaggenbalken des preussischen Geräth»

, , . . / 0,15 0,158

sind ein wenig schwächer als die des bayerischen ~

/ 0,15 V0,1Ö

m gegen

0,115

der hauptsächlichste Unterschied liegt, aber in der Länge des Knaggen- balkens. Diese beträgt beim preussisehen 5,50 m, beim bayerischen dagegen 7,07 m, woraus sich auch die grössere Stärke des letzteren ergiebt. Diese Iäinge übersteigt, ebenso die des preussischen, 6,b0 m langen Streckbalkens und gestattet, die Spannung (Entfernung von Mitte zu Mitte zweier benach- barter Unterstützungen) bedeutend zu vergrössern.

Bei den bayerischen Pontonbrücken beträgt die ganze Spannung 0,642 m gegenüber der preussischen Normalspannung für vierbordigen Brückenbau von nur 4,50 m, welche ausnahmsweise auf 4,80 m vermehrt werden kann. Das bayerische Reglement kennt ausser der Brückenform I mit ganzer Spannung noch eine Briiekenform II in dem vierbordigen Bau mit 4,904 m Spannung, wozu noch die Verstärkung der Briiekenform I durch Aufstellen von Zwischenböcken oder Einbauen von Zwischenpontons hinzutritt. Hierdurch wird eine aussergewöhnliche Tragfähigkeit der Kriegs- brücke erzielt, welche man beim preussischen Geräth mit der kürzesten Spannung von 3,30 in erreicht, wobei die Pontons anstatt 3,0 m nur 1,80 in im Lichten auseinanderstehen, die Balken zweier Strecken sich mit den Köpfen berühren und durchweg doppelt liegen. Man kann unter Anwen- dung des sechsbordigen Baus beim preussischen Geräth die grösste Trag- fähigkeit erreichen; hierbei erhält jede Balkenstrecke drei Pontons als Unterstützung, und die lichte Entfernung zwischen den Pontons beträgt nur 0,90 m.

Bei den Balken ist auch der Uferbalken anzuführen, der bei beiden Geräthen die Stärke der Knaggenbalken hat, beim preussischen aber nur 4,1 m, beim bayerischen 4,27 m lang ist. Das Hauptunterscheidungs- merkmal beim bayerischen Uferbalken besteht darin, dass er an einem Ende mit einer Knagge versehen ist und vor beiden Hirnenden eiserne

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I)ns btycrurhi' Kricgsbrürkengpriith.

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Handhabungeringe angebracht sind. Die Haftpflöcke werden nicht wie beim prenssischon Uferbalken durch die runden Spuren an den Enden eingeschlagen, sondern jedes Ende erhält zwei solcher Haftpflöcke zu beiden Seiten des Balkens neben der runden Durchlochung (Spur), welche für das Aufstellen der Geländerhölzer bei Pontonbrücken bestimmt ist. Ein Uferbalkenpfahl wird vor dem Hirnende mit der Knagge eingeschlagen, die stets beim Legen des Uferbalkens nach oberstrom und wasserwärts zeigt; das andere Hirnende erhält keinen Uferbalkenpfahl.

Das Belagbrett ist von dem preussischen Muster nur wenig ver- schieden. indem es 0,205 in breit und 0,057 m stark ist, während beim preussischen Belagbrett diese Zahlen auf 0,26 m bezw. 0,035 m festgesetzt sind. Die Länge (3,75 m) und das Gewicht (11 kg) sind bei beiden gleich.

Beim Tauzeug ist zu erwähnen, dass das bayerische Brückenmaterial nur eine Sorte Ankertau vorsieht von 80,0 in Länge und 0,027 in Stärke bei einem zulässig kleinsten Gewicht von 44,40 kg. Die Ankertaue des preussischen Materials sind 2 mm schwächer; es giebt zwei Arten, eins von 65 m Länge und 30 kg Gewicht, das andere von 1 30 in Länge und 60 kg Gewicht. Die Spanntaue haben in Bayern eine Iiinge von 24 m, in Preussen von 6,5 m; die Stärke beträgt bei beiden 0,015 m. Der Längen- untcrsehied beruht einmal in der grösseren Spannung beim bayerischen Material, weiterhin aber in dem Umstande, dass das Spanntau, anstatt parallel der Briickenrichtung, wie in Preussen, in diagonaler Richtung aus- gespannt wird, wodurch Kreuztaue entstehen. Das Gewicht eines Spann- taues beträgt 4,80 kg; das Tau wird in einem Ringe von 0,50 m Durch- messer aufgeschossen. Die Rödeltaue sind bei beiderseitigem Geräth gleich; dagegen sieht das bayerische Reglement besondere Treidelleinen nicht vor, wie es auch den Ausdruck »Bindeleine nicht übernommen hat. An die Stelle der Treidelleinen treten ein oder mehrere aneinandergestochene Spanntaue. Die Geländerleinen sind 8,50 m (in Preussen 6,5 m) lang, 0,015 m (0,010 in) stark und 1,50 (0,50t kg schwer; die Schnürleinen 4,00 in (3,75 m) lang, 0,010 m (0,010) stark und 0,22 (0,3) kg schwer.

Während die preussischen Brückentrains zwei Arten von Ankern haben, einen leichten von 43 kg und einen schweren von 90 kg, besitzen die bayerischen nur Anker von 65 kg Gewicht. Mit diesen Ankern kommt das bayerische Reglement auch vollständig aus, zumal es auch die Her- stellung gekoppelter Anker vorsieht, wobei zwei oder drei Anker auf- einandergelegt und ihre Ruthen, Balken und Arme mit je zwei Schnür- leinen fest verbunden worden. Wenn auch der bayerische Anker schwerer zu handhaben ist als der leichte preussische, so ist er dafür auch hei stärkerem Strome besser verwerthbar. Das breite bayerische Ponton er- leichtert auch die Ausstattung eines Ankerpontons mit mehreren solcher schweren Anker, was bei dem schmaleren preussischen Ponton schon schwieriger ist.

Beim Fahrgeräth ist hervorzuheben, dass das Ruder 0,20 m und der Staken 0,90 m kürzer ist als die gleichen Geräthe nach preussischem Muster.

Von den kleineren Gegenständen ist das Geländerholz 2,30 m lang (in Preussen 2,0 m), 0,070 m (0,080 m) stark bei gleichem beider- seitigen Gewicht von 5,5 kg; der Ankerrödel 0,95 m (0,80 m) lang, beider- seits 0,055 m stark und in Bayern 1,50, in Preussen 1,0 kg schwer; der Rödelknüppel bei beiderseitigem Geräth gleich; der Haftpflock 1,30 m (0,80 m) lang, 0,0825 m (0,06 m) stark, 5,0 kg (2,0 kg) schwer; die Ufer- balkenpfähle 0,90 in (0,50 bis 0,80 m) lang, 0,0615 in (0,06 m) stark, 2,50 kg (1,5 kg) schwer. Ankersucher und Wasserschaufeln sind ungefähr gleich.

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Kleine Mittlicilungen.

Bas bayerische Reglement führt unter dem Hrückengeräth noch Sehulterdecken auf. Sie sind ans Filz gefertigt und werden mit Leder- riemen auf die Schulter geschnallt; bei einer Länge von 0,615m beträgt das Gewicht 0,36 kg. Die zum Aufrüsten des Pontons erforderlichen

0,210

Uuterlagsklötze sind 0,40 m lang, m stark und 6,0 kg schwer;

desgleichen

die L' nterlagsseh wel len 1,92 m lang,

0,210 * ,

, . m stark und 0,105

25,50 kg schwer.

(Schill«.« folgt.)

-$r> Kleine Mittheilungen.4*) <3*&-

Neuer Maas 8 stab -Zirkel. Die Vornahme dos Abgreifens einer Entfernung auf der Karte zu Pferde mittelst eines gewöhnlichen Zirkels ist orfahrungsgemäss ein ftnsserst umständliches Verfahren, namentlich dann, wenn man bei der Generalstabs- karte den Maassstab auf der äusseren Seite aufgeklebt hat. Noch lästiger gestaltet sich die Sache, wenn man die Karte zum Schutz gegen Nässe* in einer Kartenhüll«* untergebracht hat, wo der Maassstab nie auf der richtigen Stelle sitzt. Das blosse Quodriren der durchsichtigen Kartenhülle ist auch kein genügendes Mittel zur Ab- hülfe, weil es die sofortige Feststellung einer Entfernung in diagonaler Richtung ohne Weiteres nicht gestattet und die Quadrate auch nur nach einem Maassstabe ange- fertigt sind, so dass solche Hülle nicht gleichzeitig für deutsche, französische, russische u. s. w. Generalstabskarten verwerthbar ist. Um diesem Uebelstand abzu helfen, sind die verschiedensten Arten von Zirkeln, Messrüdchon und dergleichen konstruirt worden, wovon indessen kein einziger die Vorzüge aufweist, wie der nach den Angaben des Hauptmann Heinrich Kirchner in Xeukircheit konstruirtc Zirkel, welcher durch deutsches und österreichisch«« Patent geschützt von der k. u. k. H«>f- und l’niversitäts Buchhandlung von R. Leclmer (Willi. Müller' in Wien 1., Graben 31, zum Preise von fl. 2,40 zu beziehen ist. Dieser änsserst praktisch konstruirtc Zirkel « nthält die gebräuchlichsten Maassstäbe in- und ausländischer Kartenwerke und lässt sich in der geschlossenen Form Itequcm in «1er Kartentasche unterbringen oder durch eine im Gelenk angebrachte Oese (siehe Abbild. 1) mittelst Schnur am Kock- knopf u. s. w. befestigen. Der Zirkel ist für Kartenwerke in nachstehenden Moass- stüben verwendbar: 1:25 000 Deutschland, Oesterreich -Ungarn, Italien, Schweiz';

1:76 000 (Bulgarien, Oesterreich Ungarn Italien, Serbien); 1:80 000 (Frankreich); 1:100 000 (Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden und Norwegen, »Schweiz); 1:126 000 (Bulgarien, Russland ; 1:200 000 (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Oesterreich- Ungarn, Rumänien, Schweden und Norwegen, Serbien, Spanien . Dabei lässt sieh jede Entfernung sowohl im Metermposs als auch im »Sehrittmansse ab- greifen. Der Umstand, «lass der Schritt nur zu 75 cm angenommen ist (siehe Abbild. 2), erscheint für diejenigen H«rerc, bei «lenen der Schritt über «lies«« Maas« hinausgebt, ohne weiteren Belang. Jedenfalls ist dies für uns der Fall, da wir uns der Angabe von Entfernungen nach dem Schrittmaass vollständig entwöhnt haben und nur noch «las Metermaass in Anwendung ist. Jedenfalls gestattet Kirchners Maassstab-Zirkel «las Ahlesen von zwölf verschiedenen Maassstäben, da er soviel Maassstab Kintheilungen enthält. Im Maassstab von 1:25 000, 1:75 000, 1:80 000 und 1:100 000 können noch

*) Auf den »on wohlwollender Stelle geäußerten Wunsch ist der Schiiftsatz ffcr Heine Mittheilung'-n und BUchersebau Übersichtlicher und lichter gestaltet worden.

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Kleine Mittheilungen.

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Entfernungen von 100 Meter und 100 Schritt unmittelbar von dem Zirkel abgelegen werden, welcher auf der Vorderseite der Abbild. 1 die daselbst angedeutete Muass- eintheilung besitzt. Die Ziffern der Theilstriche dieser Eintheilung bedeuten oben ilie Anzahl der Kilometer und unten die Anzahl der Tausende von Schritten. Selbst-

Seitenansicht

Abbild. 1. Ge?clilo»»en (nat. Grösse), verständlich ist jede Theilung auch für ein Vielfaches oder einen Bruchtheil des be- treffenden Maassstabes verwendbar, zum Beispiel 1:25 000 auch für {}^j2 60o}

wobei dann der Tliei Ist rieh 1 km (bezw. 1000:<) den Werth { km [bezw* ^500 x }

erhält. Desgleichen ist die Theilung 1:100 000 für jeden beliebigen Maassstab zu gebrauchen, z. B. :

i

300 000

oben 300 ni unten 300 x

giebt für

i

15 000

jeder kleinste Theilstrich

oben 15 in unten 15 X

oben 10 m

i

10 000

unten 10 >c

daher der Theilstrich mit der Ziffer 1 :

oben 3 kni unten 3000 x oben 150 m unten löOx oben 100 m unten 100 x

Der Zirkel eignet sich auch sehr gut zur Anfertigung von Vergrösserungen 'Krokis) in irgend einem Maassstnbe, desgleichen zur raschen Umrechnung von Metern auf »Schritte und umgekehrt. Die Kilometertheilung 1 : 100 000 (desgleichen die Schrittthcilung 1 : 75 000) ist zugleich ein Centimetermaassstab. Durch den Gebranch dieses Zirkels entfällt das so lästige und zeitraubende, bei Benutzung eines »Karten- Schutzes« zumeist sogar ganz unmögliche Abgreifen der zu messenden Distanz von dein am Kartenrande verzeichneten Maassstabe. Es entfällt aber auch jede bei anderen Instrumenten dieser Art nothwendige Manipulation behufs Umstellung auf einen anderen Maassstab. Die Theilungcn sind durch die besondere Form des aus einem

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Kleine Mitthciluugcn.

Stücke gebogenen äusseren Schenkels gegen Abnützung und Beschädigung vollkommen geschützt. Das Schräubchen am Kopfe dient zur Bremsung der Schenkel und ist gegen das Herausdrehen versichert. Der Zirkel wiegt nur 25 Gramm und enthält keinen Bestandteil, der in Verlust geraten könnte. Die nach dem Verhältnis* zwischen gemessener Sehne und abgelesenem Bogen berechneten Progressivtheilnngen sind auf einer Präzisionstheilmoschine hergestellt und durch Prägung vervielfältigt, so dass fehlerhafte Thcilnngen völlig ausgeschlossen sind. Jedem Zirkel wird nach erfolgter Abnahmeprüfung der Name Kirchner eingeprägt. So erweist sich Kirchners Maassstahzirkel als das beste und zuverlässigste Instrument zur Bestimmung von Entfernungen nach der Karte und ist daher für den Offizier wie für den Hadfahrer, aber auch für den Ingenieur wie für den Touristen als unentbehrlich zu liezeiclinen.

Verbesserter Schraubstock. Die im Feldgerätli der Truppen zur Verwendung kommenden Schraubstocke leiden bisweilen an dem Uebel stände, dass namentlich beim Einspannen grösserer Stücke die Sch raubenspi ndcl nachgicht und immer wieder angezogen werden muss, was zu vorzeitiger Abnutzung und Unbrauchbarkeit de« Schraubstockes führt. Dieser Nachtheil wird durch einen von B. Fröhlich & Co. in Leipzig Keuduitz konstruirten Parallel-Diagonal -Schraubstock behoben, welcher auch noch weitere Vorzüge aufweist. Als deren bedeutendste im Vergleich zu den bis-

Ahhild. 1.

Abbild. 2.

herigcii Systemen sind hervorzuhelien : 1. festeste, absolut sicherste Spannung jedes Gegenstandes; 2. Ausübung eines gleiehmässigen, weit grösseren Druckes auf das eingespannte Stück; J. weit längere Haltbarkeit hei gleicher Benutzung, wie jeder andere »Schraubstock; 4. bequemste Handhabung; 5. bestes Material, höchste Wider- standsfähigkeit; li. ausserordentliche Billigkeit. Die äussere Anordnung dieses »Schraub- stockes, welcher von dem Konstrukteur mit dem Namen :Coliinihns-.Seliraubstoek< bezeichnet wird, ist aus den Abbild. 1 und 2 ersichtlich. Die Wirkungsweise de« Schraubstockes ist folgende. Beim Anziehen der Spindel und Kinspannen des »Stücke« zieht mit der erforderlichen Maulweite das diagonale Druckpaar die Widerstanda- holzen in die erforderliche »Spannweite, so dass also der Druck der Backen auf detf eingespannten Gegenstand genau dem durch das diagonule Druckpaar auf die Bolzen

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Kleine Mittheilungen.

i>3

bedingten Druck gleich ist. Die in (len I hinkten A, B, C und I) Abbild. 3 wirkenden Kräfte p q, pi qj, ptqg, i>3 «|s. deren Resultanten r, ri. r*, r.j n mit lieh in die Backen des Schraubstockes fallen, sind gleich der Summe der beiden Kräfte P und l}. Auf (■rund dieser Eigenschaften, wie sie in Abbild. 3 graphostatisch dargestellt sind, ist ein Brechen der Backen de» Schraubstockes selbst beim stärksten Druck unmöglich. Die Maschinen und Werkzeugfabrik der Konstruktionsfirma fertigt diese Schraub- stöcke ans bestem Tempergussstabl in verschiedenen Backenbreiten und Backen - Öffnungen. Die Zug- und Drucktest igkeit derselben ist auf Grund der eigenartigen Konstruktion und Berechnung eine so grosse, dass diesellu* schon bei der kleinsteil

Nummer mit 120 mm Backenöffming bis 10 000 feg betrügt. Bei den stärksten Kraft- proben und Spannversuchen hat sich dieser neue Schraubstock den älteren Systemen i her legen gezeigt, und dürften sich Versuche damit bei den Truppenthcilen empfehlen, welche auch in Friedenszeiten Schmiedearbeiten anszuführen haben, ebenso auch bei den Artillerie werk stiitten, Gewehrfabriken und Büchsenmachern erkstiitten der Regi- menter und Bataillone.

Entfernungsmesser. Unter dem etwas kühn gewühlten Namen K ron-M et ral - kommt seit einigen Wochen in Oesterreich ein Entfernungsmesser in den Handel, der wegen seines üIhtuus billigen Preises Beachtung verdient; er ist erfunden von dem k. k. Oberlieutenant Josef Mayer, in Kommission Ihm Schlager. Bertram A* Cie in Wien IX, Eisengasse ß; Preis 1 Krone *= 80 Pf. Das Instrument besteht im Wesent- lichen aus einem 14 cm langen, mit Millimetertheilung versehenen Lineal L (Abbild. 1 . auf welchem ein Messingschieber S gleitet. Letzterer hat an seinem oberen Ende eine vorspringende Marke sj. an seinem unteren einen kleinen Haken sj*. in welchen bei Benutzung des Instrumentes ein genau 600 mm langes Band a gebangt w ird. Das Ganze ist in einem mit Wachstuch ül>erzogonen Notizbuch untergebraclit. Der Gebrauch des Krön Metra Is zum Entfenuingsmcssen ist folgender: An dem Punkt, dessen Ent- fernung bestimmt werden soll, sind zwei Stangen. ui| und m?, mit B Meter Abstand von einander anfzustellen Abbild. 2 ; vom Standort o aus w ird das Lineal im Augen ulmtand u durch die Handlange konstant 600 mm so gehalten, dass die eine Kante deaseltitMi die Stange mj zu berühren scheint ; dann verstellt man den Schieber so

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Kleine Mittheilungen. Bücherschau.

lange, bis die Marke sj die andere Stange mj deckt. Theilung Millimeter, so ergiebt sieh die Proportion:

I)=a.R. b I! ' b

Beträgt die Ablesung auf der

Beispiel: B =• 50 m, b = 22 m ; I) - 60 1136 in.

2*2

Das Kron-Metral ist also ein Entfernungsincsser mit der Basis am Ziel; sein** Messgenauigkeit hängt von der Grösse der gewählten Basis ab; hinreichend genau

dürfte eine Basis B *=* D sein. Haben zwar derartige Instrumente nicht die Ge-

brauehsfähigkeit wie die, deren Basis am Standort liegt, so ist es doch nicht aus- geschlossen, dass sich das Kron-Metral in Deutschland einbürgert; denn auch das bescheidenste Hülfsmittcl zum Unterricht und zur Kontrole im Entfernungsschätzen ist stets besser als gar kein». Die Ausführung de» Kron-Metral» hat zum Theil erheb- liche Mängel. Der Schieber gleitet, wenn er ohne Spielraum gehen soll, nicht sanft

genug auf dem Lineal; wir empfehlen hier dem Erfinder eine den gewöhnlichen Rechenschiebern ähnliche Konstruktion. Der Umschlag muss drei statt zwei Schlaufen für den Schieferstift haben, die Schlaufe für das Lineal haltbarer, z. B. aus Ixsler, sein. Durchaus erforderlich ist eine gänzliche Umarbeitung der für den norddeutschen I>eser ziemlich unverständlichen Instruktion; Messungen nach Schritten sowie die Formeln b und e können für den deutschen Gebrauch als zu unwichtig fortfallen.

Einer besonderen Revision bedarf die beigegebene Tafel, enthaltend die Werthe *

in obiger Formel für b = 1 bis 09 mm, oder wie der Erfinder sich ausdrückt: > Distanz- schema (!) zur Doch i ff ri rung (I) der Entfernungen aus der Basiseinheit von 1 m und der Basisverjüngung bis zu 99 mm«. Diese kleine Tabelle enthält nicht weniger als 3 grobe und 36 kleine Fehler! Sollte das Instrument wegen der vorgeschlagenen Aenderungen etwas th eurer werden, so schadet das nichts; aus dem »Kron-Metral* w ürde dann für Deutschland ein Mark Met ral . A. v. B.

Büelierschau.

Th© 8ynchronograph. A new method of rapidly transmitting intelligcnce by the alterat ing current by Albert Cushing Crehore, I’h. !>.. assistant professor of

physics, Dartmouth College, and George Owen Squicr, Ph. I>., first lientenant of artillerv, United States Army, In- st ructor deportment of clectncity and

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Bücherschau,

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mines, U. S. Artillery school. Bonder- abdruek aus den Transact ions of the American inst it ute of electrieal engineers. New York and Chicago 1897.

ln dem Crchore-Squ ierschen Synchrono- graph ist höchstwahrscheinlich der Anfang einer durchgreifenden Aenderung unseres Nachrichten -Yennittelnngswesens zu er- blicken und damit auch unseres Handels und Verkehrs. Die Erfinder wollen eine neue Art der Telegraphie, eine auto- matische Mascliinentclegrnphie mittelst Wechselströme, einführen, mit Hülfe deren sie bis zu 6000 Worten pro Minute (bei Duplexsystem, also 3000 in jeder Rich- tung) durch einen Draht senden können. Die » Depeschenbriefe « sollen den neuen Telegraphenämtern fertig gelocht zum automatischen Abtelegraphiren übergeben, dann telegraphisch befördert werden und wieder an der Abnahme als gelochte Depeschenbriefe zum Vorschein kommen. Man würde also z. B. in den Geschäfts- häusern zur Erledigung solcher Depeschen- brief-Korrespondenz nur Maschinen muh Art der Schreibmaschinen brauchen, die die Geschäftsbriefe gleich in der Tele- grammschrift lochen, und Leute, die die Depeschenbriefe lesen und wieder durch die Schreibmaschine in Typenschrift über- tragen können. Würden nun solche neuen Telegraphenlinien zwischen Hauptccntren eingerichtet, so ist klar, dass zu ihren Anfangs- und Endpunkten die Beförderung der Briefe zunächst mit der Post zu geschehen hätte und dann aber durch die neutelegraphisclie Beförderung eine enorme Beschleunigung der Beförderung der De- peschenbriefe erreicht würde. Die Um- wälzung würde noch dadurch viel un- geheurer. dass das neue System es gestattet, eine Depesche einer und derselben Auf- gabestation gleichzeitig an beliebig vielen Empfangsstationen abnehmen zu lassen. Eine grosse Zeitung von 185 000 Worten würde bei einer Geschwindigkeit von 3000 Worten in einer Richtung demnach in einer Stunde nach beliebig vielen Centren telegraphirt werden können, wo sie dann gleichzeitig gesetzt, gedruckt und vertheilt würde. Es erhellt wohl zur Genüge, dass diese Erfindung wirklich sensationell genannt werden kann, da vor Allem die , Vorversuche vollkommen ihre praktische ! Durchführbarkeit dargethan haben sollen.

F-r.

Lösung von Aufgaben mittelst dos Richtbogens und des Sprenghöhen-

measers nebst Beschreibung dieses Instruments mit 58 Figuren und einem Modell des Sprcnghöhcnmesscrs. Von Major Benedict Schäffler der tech- nischen Militär- Fachkurse, ü. k. im

Korpsartillerie-Regiment I.uitpold Prinz- Regent von Bayern Nr. 10. Wien und Leipzig 1897, Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Lbiiversitäts Buehhändler. 1 fl. 20 kr. = 2 Mk.

Die Studie bespricht selbstverständ- lich unter steter Bezugnahme auf den österreichischen, vom deutschen zwar nicht dem Prinzip, aber doch der konstruktiven Ausführung nach abweichenden Richtbogen in sorgfältiger, klarer, durch treffliche Abbildungen sehr wirksam unterstützter Weise eine Fülle von Aufgaben theils theo- retischer, tlieils praktischer Natur, die zumeist sowohl mit Hülfe des Lichtbogen* als auch mittelst des Sprciighölieimiessers gelöst werden können, theilweise aber auch nur dem Letzteren Zufällen. Dieser »Sprenghölienmesser ist ein kleines kom- pendiöses Hiilfsinstnimcnt, welches der seiner Batterie in die Stellung voraneilende Batteriechef benutzen soll, um vorberei- tende Maassnahmen für sein Schiessen zu treffen. Dazu gehört Ermittelung des Ge- ländewinkels — wenigstens angenäherte Bestimmung dessellien , Entfernung* messung, Bestimmung der Seitenverachie- hung hei Benutzung von Hülfszielen, Festlegung von Merkpunkten zur Beur- theilungdcrgünstigstenSprenghöheu.s. w.; man sieht, dass die Leistungen des nur wenige Conti meter langen Instrumentes wesentlich grössere sind, als der Name ahnen lässt. Ich weiss nun nicht, oh in Oesterreich ein Bedürfnis« für ein solches Hülfsinstrument im Kreise von Front ! Offizieren empfunden wird, ich für meinen i Theil glau1>c auf Grund meiner Batteriechef - Erfahrungen nicht recht daran, dass es sich l>ei uns einbürgern würde. Unsere äusserst einfachen Schiessregeln, unsere praktischen und fehl massigen Geschosse und die so verwendbaren, leicht zu hnnd- ! halwndcn Richtmittel (als Lichtbogen und i Richtfläche) lassen alle für das erfolg- reiche Schiessen erforderlichen Aufgaben entweder schnell genug durch die Batterie selbst lösen oder stellen die anfänglich nur angenäherten Schätzungen des Batterie- chefs schnell richtig, ohne dass der Batteriechef vor dem Eintreffen der Batterie durch ein Messinstrument dies zu erledigen brauchte. Ich glaube auch, «lass ihm in der Praxis die Zeit hierzu zumeist fehlen würde. Für einzelne Fälle würde das In- strument vielleicht wirklich eine Lücke ausfüllen, aber eben nur für ganz ver- einzelte. — Das hindert aber nicht, die vollste Anerkennung für die Studie aus- zusprechen, denn cinestheils kann man ja über die Rcdürfnissfroge für das praktische Schiessen schon überhaupt verschiedener Ansicht sein, audcrentheils liesse sich das ! Instrument hei Uehnngsritten ins Gelände

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Bücherschau.

oft recht gut verwenden, um Aufgaben mit den Unteroffizieren zu besprechen; endlich ist das Buch geeignet, zum Nach denken anzuregen und die Vielseitigkeit unserer modernen Rieht mittel vor Augen zu führen. F-r.

Ergänzungsband für die vier Auflagen der Kriegs wafFen in ihren geschicht- lichen Entwickelungen, eine Enoy- klopädie der Waffenkunde von August Dem ui in. 2 Bände. Wiesbaden. Rud. Beeht hold & Comp. Preis Band 1 Mk. 7,50; Band II Mk. 0,

Der mit 000 Abbildungen ausgestattete erste Band dieses hervorragenden Werkes über Kriegswaffen enthält ausser hier zum ersten Male abgcbildeten Waffen, als Streit axte. Pfeilspitzen. Brottzeheltne, Hüftgürtel Dupsingi, Schilde mit Eisenspiessen, Wurf- speersehilde, Schwerter, Zweihänder, Polch - inesser, Kriegsflegel, Feuerpfeile und Ka- none für solche, Pistolen und < Jewehre u.s.w.. zahlreiche Rüstungen von Grob- wie son- stigen Denkmalen lind Ausgrabungen, so- wie Mengen bisher ebenfalls noch unver- öffentlicht gebliebener Angriff und Schutz- Waffen fast Hftmmt lieber derartig behan- delter altzeitiger Bildcrhimdachriften der öffentlichen Bibliotheken; sogar ein Ka- nonenboot vom Anfänge des 15. Jahrhun- dert» findet sieh abgebildet. Von neueren Waffen seien erwähnt ein französisches Dosen ge wehr fmdl ä talmtierei mit Schlag bahn ; Piston , ein Mausergewehr mit bi- weschem Patnmenlager, ein G ränge wehr, ein amerikanisches Magazingewehr, dem die Peal»ody-, Spencer- und Thvler Henri- Magazingewehre ähnlich sind, sowie ein bereits 1850 von Franz Dreyse gebautes doppelläufiges Ziindimdet -Jagdgew ehr. Der zweite Krgänzungsband weist 420 Abbil düngen auf, vornehmlich Rüstungen. Wenn auch interessant, so doch nicht unbedingt erforderlich will uns die Abbildung von dem Rcituntcrricht erscheinen, wie er einige Jahrhunderte nach Homer erst hei den («riechen cingeführt worden ist: das Bild stellt einen nackten Knaben dar, der mit Hülfe eines .Mannes ein lingesatteltes Pferd besteigt. Interessant ist eine russische Armbrust mit Ptilversehiessvorriehtung, welche im Russischen mit Scllmtschnss Inzeiehnet wird; ebenso auch ein altehi- nesisches Fenerwurfgestell nach den im Wn-pei-che Sehiesspulver enthaltenen Ab- bildungen. ferner nach elwn denselben eine chinesische bauchige Falkaune oder Feld-

schlange, chinesische Bchiesspulverpfeile und -Geschütze. Von neuesten Waffen ist das russische Dreiliniengewehr, als ein- heitliches Rcpetirgewelir de» russischen F u »s Volkes bezeichnet, nebst zugehöriger Patrone abgebildet; auch eine Abbildung der Giffurdschcn trughuren Gusfenerwaffc ist in diesem Baude enthalten; der Aus druck Feuerwaffe ist nicht richtig gewählt, da hier als Treibmittel flüssig gemachte Gase, besonders Kohlensäure, verwendet sind, welche in den unteren Lauf einge- führt werden.

Neue Elementarmechanik für tech- nische Lehranstalten und zum Selbstunterricht von Th. S c h w a r t z e. Mit einem Vorwort von F. Reuleanx. Mit 212 in den Text eingedruckten Ab hildungen. Brau lisch weig 1807, Fried rieh Vieweg & Sohn. Preis Mk. 4,80.

Wenn schon die Technik ohne Mathe- matik und Physik nicht bestehen kann, so kann sie dies noch viel weniger ohne die Mechanik, die man zwar im gewöhnlichen Sprachgebrauche als einen Theil der Physik darstellt, die aber doch mehr die Be- deutung eines Bindegliedes zwischen jenen beiden Wissenschaften hat. indem die Me- chanik sieh unter Berücksichtigung des Grundgesetzes der Fit Veränderlichkeit der Materie mit den Bewegungen der Körper und deren Thrilen zu beschäftigen hat. Auf diese Bewegungen ist alles Naturwirken zurückzufiihrcii. und cs folgt daraus, dass der Physiker die Krklärung der von ihn» in der Körperwelt beobachteten mannig- faltigen Erscheinungen in der Erkenntnis» mechanischer Vorgänge zu finden hat. Mit Berücksichtigung dessen kann man auch der Behauptung des Verfassers wohl zu stimmen, dass endlich die Physik in der Mechanik aufgehen muss; dadurch wird dieser auch der ihr in der Wissenschaft gebührende Platz eingeräumt. Nach einer geschichtlichen Ent Wickelung der wissen schuft liehen Bedeutung der Mechanik In spricht der Verfasser in vier besonderen Theilen die Bew egungslehre, die allgemeine Gravitation und irdische .Schwerkraft, die ladire von den Kräften und die Mechanik der Flüssigkeiten, in welcher letzteren auch die Mechanik der Dämpfe und Gase enthalten ist. Dem Ballistiker, dem Luft- schiffer als Konstrukteur wie dem Artille- risten als Techniker und Konstrukteur von Fahrzeugen wird die neue Elementar meehanik eine werthvolle Hülfe sein.

Cediuekt in der Königlich» n Hofbucbdrucktrei von K. 8. Mittler * Sühn, Üerlin SW., Koctotras*« 68-*l.

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis« untersagt.

Revolver und Selbstladepistole.

Mit einer Tafel mul drei Abbildungen im Text.

Wohl auf keinem Gebiete der Kriegstechnik sind so zahlreiche Neuerungen aufzuweisen wie in der Konstruktion der Handfeuerwaffen. Das i > : ein fortwährendes Hasten und Drängen nach Verbesserungen jeder Art; hier will man das Kaliber immer weiter heruntersetzen, dort ver- sucht man den Mechanismus zu verbessern, Patronenrahmen stehen im Kampfe gegen den Ladestreifen, und in emsiger Geschäftigkeit, wird die Konstruktionsleiter vom Vorderlader ztirn Hinterlader, von diesem zum Mehrlader und endlich bis zum Selbstlader emporgestiegen, welcher von Manchen für die Handfeuerwaffe der Zukunft gehalten wird, zumal hei den Kleinwaffen, den Pistolen, schon vollständig kriegsbrauehbnre Kon- struktionen vorliegen.

Mit diesen neuen Solbstladepistolen wird dem Revolver, auch unserem Armeerevolver SH, gehörig auf den Leib gerückt, und es kann nicht zweifelhaft sein, dass or über kurz oder lang der modernen Pistole das Feld einräumen muss. Hei der Kinfiihrung des Armeerevolvers KH hatte man es thatsächlich mit einer vortrefflichen Waffe zu thun, deren ballistische Eigenschaften für den Stand der damaligen Konstruktionslehre bedeutende waren. Zwar wurde die schwerfällige Konstruktion und das grosse Gewicht der Waffe bemängelt, aber doch blich sie unter den Pistolen und Revolvern die beste Waffe, obschon zum richtigen Treffen auf Entfernungen von 20 bis 20 m immerhin ein guter Schütze gehörte; aber auf grössere Ent- fernungen war die Treffsicherheit kaum noch eine genügende, auch Hessen die ballistischen Eigenschaften und namentlich die Durchschlagskraft mit der Zunahme der Entfernung ungewöhnlich rasch nach. Dabei stand das Kaliber von 10, ti mm des Armeerevolvers schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit, besonders als hei den Infanteriegewehren und Karabinern das Kaliber bis auf ö,.r> mm heruntergesetzt wurde, was allerdings nur durch die Anwendung von nitrirton Pulvern als Treibmittel möglich war.

An die Anwendung solcher Iüilverarten war aber hei der Einführung des Armeerevolvers noch kaum zu denken, denn die erst einige Jahre später auftauchenden Stimmen darüber mussten sieh der grössten Vorsicht befleissigen. Heute ist mau über die Erfindung des Freiburger Mönches längst zur Tagesordnung übergegnngen, und nach einigen Jahrzehnten wird man das Schwarzpulver vielleicht nur inehr als geschichtliche Merk- würdigkeit zeigen. So war es also besonders das rauchschwache Pulver, welches eine kleinkalihrige Pistole ebenfalls zuliess, und die Konstrukteure suchten das von Maxim eingeführte Selbstladeprinzip für seine Maschinen- Kriegt •'■ehnisebe Zeitschrift. 1896. 3. Heft« 7

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Revolver und Selbstladepistole.

Geschütze bezw. -Gewehre auch für die Pistole nutzbar zu machen, was vollständig gelang.

Gegenwärtig liegen solche Pistolen in Konstruktionen von Mannlicher, Bergemann, Borchardt und Mauser vor, welche, soviel uns bekannt, alle vier in der Schweiz behufs Annahme als Ordonnanzwaffe einer Prüfung unterzogen worden sind. Dabei sollen die Pistolen von Mannlicher und Borgemann den gewünschten Anforderungen nicht entsprochen haben, so dass man Borehardt und Mauser zur engeren Wahl gestellt hat. Bei Borchardt soll die eigenartige Schäftung in der Mitte der Waffe nicht zugesagt haben, und ob soll nun auch für diese ganz vorzügliche Waffe eine solche Schäftung angebracht werden, wie sie bei Revolvern und Pistolen herkömmlich ist. Ob nun die Schweiz einen umgeänderten Borchardt oder den Mauser annehmen wird, ist für uns zunächst gleich- gültig; wichtig bleiben in erster Linie die Schiessergebnisse mit diesen modernen Selbstladepistolen, und diese sind noch mit keiner in so um- fassender Weise vorgenommen worden wie mit der Mauserschen Selbstlade- pistole. Diese Versuche, welche gleichzeitig zu einem Vergleiche mit den Leistungen des Armeerevolvers 83 dienten, sind nun von dem auf dem Gebiete der Schuss Verletzungen rühinlichst bekannten Professor Dr.v. Bruns, Generalarzt 1. Klasse ä la suite des Königlich Wiirttembergisohen Sanitäts- korps, angestellt und in den von ihm redigirten »Beiträgen zur klinischen Chirurgie«, Band XIX, Heft 2, besprochen worden. Ein Sonderabdruck erschien unter dem Titel: »Ueber die Wirkung und kriegschirurgische Bedeutung der Sclbstladepistole System Mauser«.*) Aus dieser hervor- ragenden Schrift interessirt uns vor Allem die Wirkung der Pistole, während ihre kriegschirurgische Bedeutung mehr in das Fach des Sanitätsoffiziers schlägt, wir aber diese nur kurz streifen können.

Ueber die Mausersche Selbstladepistole hat General Wille eine be- merkenswerthe Schrift herausgegeben**), welche die Pistole in allen ihren einzelnen Theilen auf das Genaueste beschreibt und durch zahlreiche Abbildungen erläutert. Wir müssen uns hier mit einigen kurzen Angaben begnügen.

Die Pistole besteht aus drei Haupttheilen, dem Lauf mit Verschluss, dem Schloss und dem Kasten mit Magazin. Sie gehört zu den Selbst- larlern mit beweglichem Laufe: unter dem Drucke (Rückstosse), den die lieiin Schüsse sich entwickelnden Pulvergase auf den Verschlitsskolben ausüben, gleitet der Lauf sammt dem mit ihm verkuppelten Verschluss eine Strecke weit (6 mm') zurück. Diese Bewegung des Laufs dient zunächst nur dazu, die Verschlusskammer zu entkuppeln und den Hahn zu spannen. Hierbei wird der Verschlusskammer eine derartige Bewegungsenergie ortheilt, dass dem Widerstand der Schliessfeder entgegen der Verschluss vollständig geöffnet und die mitgenommene leere Patronenhülse ausgeworfen wird. Theils durch die Schliessfeder, t.heils durch die Schlagfeder, welche durch «las Zurückgleiten des Laufes gespannt werden, wird alsdann die oberste Patrone im Magazin durch den Zubringer in den Lauf geschoben, der Verschluss geschlossen und verriegelt und der Lauf in die Feuerstellung vorgeschoben.

Die abermalige Feuerbereitschaft der Pistole tritt erst ein, sobald sich der geladene Lauf mit dem verriegelten Verschluss wieder in der Feuer-

* Tübingen, 181*7. Verlag der B. lampiischcn Buchhandlung. Preis :l Mk.

** Mauser Selbstluder. Von K. Wille, Generalmajor z. I>. Berlin 18H7. R. Kisen- schmidt.

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Revolver und Selbstladepistole.

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Stellung befindet; ein Kingerdruck vorn wirft, den Schlagbolzen in d; und so den Schuss abfeuert, lässt arbeitenden Mechanismus von Die Pistole ist als Sechs- Zwanziglader konstruirt worden, brauch erscheint aber ein Zehn- ja es würde auch schon ein Acht- ehardt vorführt. Der Mausersehe von 29 cm und ein Gewicht von Lauf hat bei vier Zügen 7,63 mm dient zur Aufnahme von zehn

auf den Abzug, welcher den Hahn nach ;ts Zündhütchen der Patrone hineintreibt das Spiel des selbstthütig Neuem beginnen, lader , Zehnlader tind Für den militärischen Ge- lader mehr als genügend, lader thun, wie ihn Bor- Zehnlader hat eine Länge 1 1 80 g. Der 1 4 cm lange Kaliber. Das Magazin Patronen, welche mittelst

Maga-

Lade-

,\ bbibl

Abbild.

des Mausersehen Ladestreifens eingefüllt werden : nach dem

Oeffnen des Verschlusses schiebt man den gefüllten Ladestreifen eine kurze Strecke weit in das Verschlussgehäuse ein (Abbild. 1) und streift die Patronen durch einen Fingerdruck in das zin ab; sobald dann der streifen wieder heraus- gezogen ist, schnellt der Verschlusskolben von selbst vor und schiebt die oberste Patrone in den Lauf die Waffe ist vollkommen schussbereit.

Bei geleertem Magazin’setzt sicli der Zubringer vor die zurückgegangene Verschlusskammer und hindert sie am Vorgehen; der Schütze erkennt also sofort, dass das ist, so dass jedes i Blindabziehen« unmöglich ist.

Ein geübter Schütze kann in

Magazin leer

der Sekunde sechs bis sieben Schuss verfeuern. Muss das Magazin während des Feuers von Neuem oder wiederholt

gefüllt werden, so können in der Minute 80 gezielte Schüsse im Schnellfeuer werden.

Zum bequemen Tragen der Pistole dient eine sogenannte Anschlagtasche (Abbild. 2), welche aus einem Stück Nussbaumholz gearbeitet und innen so gestaltet ist, dass sie die Pistole bis zur Mitte des Griffs aufnimmt und ihr eine

oder 120 abgegeben

Abbild. 3.

100

Revolver mul Selhstladcpistole.

völlig gesicherte feste Lage gieht. Die Tasche besitzt die Form eines Gewehrkolbens mit kurzem «Schaft, der auf den Pistolengriff so auf- gesteckt wird, dass eine Art Karabiner entsteht (Abbild. 3). Die Benutzung dieses Schulterkolbens zur Handhabung der Waffe beim Schiessen mit beiden Händen erhöht selbstverständlich die Trefffähig- keit der Waffe ungemein.

Der Schiessbedarf besteht in Patronen von 35 mm Länge und 10,7 g Gewicht. Das Geschoss ist ein Stahlmantelgeschoss mit Hartblei- kern, 13,8 mm lang und 5,5 g schwer. Die Ladung besteht aus 0,5 g rauchschwachen Pulvers.

Die Trefffähigkeit der Pistole ist der des Revolvers ganz bedeutend überlegen, wie durch Vergleichsschiessen festgestellt worden ist. Nach den aus den Treffbildern zusammengestellten Tabellen ist die Selbstlade- pistole schon auf 20 m Entfernung um das Fünffache, auf 150 m um das Siebenfache an Treffsicherheit dem Revolver überlegen.

Die Durchschlagsleistung der Pistole hat Professor v. Bruns bis 300 m Entfernung nur mit voller Ladung geprüft. Das Geschoss durchschlägt auf 10 in 32 cm Tannenholz, desgleichen drei Eisenplatten von 2 mm Dicke. Die Röhrenknochen des Pferdes werden auf 50 bis 100 m zersplittert, während sie von dem Revolvergeschoss schon auf 15 m nicht mehr durchselüagen werden.

Die Schusswirkung gegenüber dem eigentlichen Kriegsziele, dem mensch- lichen Körper, hat Professor v. Bruns vorzugsweise an Knochenschüssen untersucht, weil bei diesen am ehesten ein Vergleich mit der Wirkung anderer Schusswaffen, namentlich des Kleinkalibergewehrs sieh anstellen lässt. Hierbei hat sich eine wichtige Thatsache ergeben. Vergleicht man nämlich die in Meterkilogrammen berechnete Geschossarbeit des Selbst- laders und des Infantoriegewehrs 88, so entspricht die Wirkung des Selbstladers auf 10 bis 200 m der des Gewehrs auf 1000 bis 2000 m eine Annahme, die durch die Versuche volle Bestätigung gefunden hat. Gerade in diesem Gebiete (zwischen 1000 und 2000 m) liegt die Grenze zwischen den eigentlichen Nah- und Fernschüssen. Denn die Zone der Fernschüsse ist, wie v. Bruns' Versuche bestätigen, bei dem Beschüsse mit voller Pulverladung viel weiter hinausgerückt als beim Schiessen mit abgebrochener Ladung.

In dem eigentlichen Feuerbereich der kurzen Schusswaffen, also bis zu 100 m und darüber, erzeugt die Selbstladepistolc somit Knochen- verletzungen schweren und mittelschweren Grades: die Diaphysen*) sind immer, die Epiphysen in der Mehrzahl zersplittert, die Weichtheile jedoch in massigem oder geringfügigem Grade verletzt. Erst auf weitere Ent- fernungen kommen Loohsohiisso der spongiösen (schwammigen) und platten Knochen zu Stande.

Die Durchschlagskraft ist eine so gewaltige, dass aus der Nähe ein und dasselbe Geschoss drei hintereinander befindliche Gegner ausser Gefecht zu setzen vermag. Sogar auf 300 m Entfernung dringt das Geschoss durch zwei Glieder hindurch, selbst wenn es zuerst den starken Oberarm- knochen in Splitter zerschlagen hat.

*) Bei jedem Knochen bestellt (las Mittelstück (diapbysis: fast ganz aus Rinden Substanz und führt in seinem Innern den Markkanal voll schwammiger Substanz und Knochenmark ; die Enden (apophysis, epiphvsis) bestehen fast ganz aus schwammiger Substanz mit einem dünnen Ucberzug von Rinde. Sic sind dicker als das Mittelstück und trugen die mit einer dünnen Knorpcllngc überzogene Uelenkfliiche.

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Fig. 5.

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 6.

Fig. 4.

Fig. 3.

s »Beiträge zur klinischen Chirurgie«. XIX.

•Hag der H. Laupii’schon Duchluitirilung in TUbinurn.

Kriegstechnische Zeitschrift 1808. Heft t.

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E. S. Mittlor & Sohn, K ul lion>iu'hh»tiillliiiK in Rorlin.

Revolver nncl .Selbstladepistole.

101

Professor v. Bruns giebt in seiner Aufsehen erregenden Schrift auf elf Tafeln höchst bemerkenswerthe Abbildungen von Schussverletzungen, welche sänimtlich durch Schüsse mit der Mauser-Selbstladepistole erzeugt sind; einige der Abbildungen sind durch Röntgen-Photogramme hergestellt und zeichnen sich durch grosse Schärfe aus.

Von besonderem Interesse sind auch die auf drei Tafeln zur Dar- stellung gebrachten Schädelschüsse, während wir mit Genehmigung der Verlagshandlung einige der vielen abgebildeten Knochenschüsse auf der beiliegenden Tafel abgebildet bringen, wozu wir an der Hand der v. Bruns- sehen Schrift folgende Erklärung hinzufügen:

Abbild. I und 2 Splitterbruch der Diaphyse des Humerus (Röhren- knochen des Oberarms, das Oberarmbein) durch Schuss auf 10 m Ent- fernung. Abbild. 1 Knocheneinschuss, Abbild. 2 Knochenausschuss.

Abbild. 3 und 4 Splitterbruch der Diaphyse des Humerus durch Schuss auf 10 m Entfernung. Abbild. 3 Knocheneinschuss, Abbild. 4 Knochenausschuss.

Abbild. 5 Splitterbruch der Diaphyse des Humerus durch Schuss auf 50 m Entfernung.

Abbild. 6 Splitterbruch der Diaphyse des Humerus durch Rinnen- schuss auf 20 m Entfernung.

Abbild. 7 Rinnenschuss des unteren EndeH der Tibia (Schienbein) auf 50 m Entfernung. Splitterung ohne Aufhebung der Kontinuität.

Professor v. Bruns sagt am Schlüsse seiner Abhandlung: * Durch unsere Versuche ist unwiderloglicli bewiesen, wie der Armeerevolver eine ganz unsichere, geradezu zeitwidrige Waffe ist, der Mausersche Selbstlader sich als eine über alles Erwarten leistungsfähige Präzisionswaffe von grosser Treffsicherheit und gewaltiger Durchschlagskraft erweist.«

Die Schärfe dieses Urtheils lässt nichts zu wünschen übrig, nur ist dabei zu bemerken, dass den Selbstladepistolon bei Weitem grössere Auf- gaben in ballistischer Beziehung gestellt werden, als solche dem Armee- revolver gestellt waren und nach dem damaligen Stande der Waffen- technik auch füglich nicht anders gestellt werden konnten. Heute ist der Revolver eigentlich nur noch eine brauchbare Waffe für Selbstmörder, von denen sie auch am häufigsten benutzt wird.

Dem Urtheil Willes über diese Pistole, dass sie vielleicht sogar berufen sein mag, für die kriegsmässige Verwendung der kleinsten und leichtesten Feuerwaffen neue, erfolg- und einflussreiche Bahnen zu eröffnen, kann man auch beitreten. Selbst als Ersatz für den Karabiner kann der Manser- Selbstlader gelten, da er auf 1000 m Entfernung noch 1 15 m Endgeschwindig- keit und 3,7 mkg Geschossarbeit bei einer Flugzeit von 5,34 Sekunden hat; auch die Breitenstreuung, welche auf diese Entfernung gleich 6,3 : 5,3 ist, kann als eine genügende erachtet werden. Die mit dieser Pistole ausgerüstete Kavallerie könnte also ein ausreichendes Feuergefecht zu Fuss führen, denn es erscheint dabei schwerlich von Belang, dass sich beim Karabiner der Visirscliieber der grossen Klappe bis auf 1200 m einstellen lässt; der Unterschied von 200m ist doch nur unbedeutend.

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Zwillings-Batterien Hei der Festungsvertheidigung.

Zwillings-Batterien bei der Festungs- vertheidigung.

Die Einführung des rauchsehwachen Pulvers und der Präzisions- geschütze mit grosser Schussweite in die Ausrüstung der Heere wird in einem zukünftigen Kriege gewaltige Umwälzungen der bisherigen Taktik hervorrufen. Nicht, zum wenigsten wird dies der Fall iin Festungskriege sein, und in diesem wird der Vertheidiger in noch viel höherem Grade als der Angreifer von vornherein Mittel und Wege suchen müssen, welche ihm trotz der grösseren Schwierigkeiten, die ihm für die Durchführung des Feuergefechts entstehen, die Ueberwältigung des feindlichen Feuers gewährleisten.

Bei Festungen, die das ganze Vorgelände bis auf 4000 m hin domi- niren und von denen aus dasselbe an allen Stellen eingesehen werden kann, bei denen keine Wellen und Falten des Geländes, keine Bebauung und Bewachsung desselben die verdeckte Lage von Angriffs-Batterien ermöglichen, also, man könnte sagen, bei Idealfestungen, kann der Ver- theidiger vom Sch iess verfahren mit Beobachtung sicheren Erfolg erwarten. In den bei Weitem meisten Fällen jedoch wird der Vertheidiger nach Etablirung der Angriffs- Batterien die genaue Lage derselben nur an ein- zelnen Stellen sicher erkunden; bei den meisten Batterien wird sich seine Kenntniss ihrer Lage darauf beschränken, dass sie in einem gewissen Geländeabschnitt nach Länge und Beite liegen müssen, bezw. in einem anderen Abschnitt nicht liegen können. Spion- und Ballonmeldungen werden häufig diese Kenntniss bestätigen und erweitern, aber sie werden in den seltensten Fällen zu einer so genauen Angabe führen, dass ein •Schiessen mit Beobachtung möglich ist, vor allen Dingen aber wird sich nicht für jede Zwisehen-Batterie eine geeignete sichere Beobachtung gegen die ihr als Ziel überwiesene Batterie finden lassen. Hierdurch wird die Wirkung des Feuers des Vertheidigers mehr oder weniger vermindert, dagegen wird der Angreifer, der eine genauere Kenntniss der Lage der Zwischen- Batterien hat (schon aus seinen Erkundungen im Frieden her- stammend), in dieser Beziehung meist im Vortheil sein. Um diese Un- gleichheit auszugleichen, empfiehlt sich vielleicht folgendes Mittel:

Der Vertheidiger kann ohne erhebliche Mehrbelastung der für eine Festung ausgeworfenen Fonds über eine in gewissen Grenzen beliebig grosse Anzahl von Geschützen und von Munition verfügen, dagegen ist das Gelände auf dem Angriffsfelde und den Nebenfronten für Aufstellung der Geschütze beschränkt; ein zu vielfaches Hintereinanderschieben von Zwischen-Battorien hat erhebliche Nachtheile und Schwierigkeiten, besonders wächst dabei auch die Unmöglichkeit, für jede Batterie einen guten Beob- achtungspunkt zu finden. Aber gerade in der Periode des Geschütz- kampfes bietet sich dem Vertheidiger ein anderes günstiges Ziel, dessen Ueberwältigung gleichzeitig auch die Uebcrmacht über die Belagerungs- Batterien mit sich bringt, die Munitions-Transportwege des Angreifers.

Jeder Angreifer ist hei den ungeheuren Gewichten, welche die für die Batterien heranzuführende Munition hat, und bei dem im Verhältnis dazu geringen verfügbaren Bestand an Förderbahnmaterial und Gespannen und Fahrzeugen darauf angewiesen, immer für mehrere Batterien oder mehrere Gruppen gemeinsam denselben Munitions-Transportweg zu benutzen. Alle diese einzelnen Stränge werden vom Munitionspark aus eine gewisse Zeit lang zusammenlaufen und sich erst später nach den einzelnen Gruppen

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Z«'iHiiigs-B:ittern*ii liei der FestuugsvcrtheMligiing. ] ();}

abzweigen; die Länge jedes einzelnen Stranges beträgt, wenn der Park 1 2 km, die Batterien 3 bis 4 km von den Forts entfernt liegen, H bis 9 km. Sollten sieh nicht vor jeder Festung, bezw. vor jeder Front der Festung auf diesen langen, im Frieden schon annähernd sicher zu bestimmenden Wegen ein oder mehrere Punkte finden lassen, die noth- wendig passirt werden müssen?

Wenn im Frieden die Erwägungen angestellt werden, welches die wahrscheinliche Angriffsfront ist, und wo auf derselben der Angreifer wahrscheinlich seine Parks und Batterien anlegt, drängt sich da nicht die Frage, welche Wege er zmn Transport der Munition benutzen kann, von selbst auf? Je übersichtlicher das Gelände vor der Festung ist, um so eher wird es möglich sein, vom Ballon oder von hohen Beobachtungs- warten aus bei der Belagerung die Richtigkeit der im Frieden angestcllten Erwägungen zu prüfen; in diesem Falle wird man meist an einer oder mehreren Stellen die Förderbahnen, vielleicht hier und da sogar einen Transport erkennen können. Bei unübersichtlichem Gelände ist es entweder die Bewachsung (Wälder) oder seine Gestaltung, welche die Munitions- Förderwege der Sicht des Vertheidigers völlig entziehen. In beiden Fällen aber ist es im Frieden um so leichter, mit einer gewissen Bestimmtheit vorherzusagen, diese und jene Schneise kann der Angreifer nicht ver- meiden, denn durch den Wald sich neue Wege herzustellen, ist eine zu schwierige und undankbare Aufgabe, diese oder jene Geländefalte, welche vielleicht einen kleinen Wasserlauf enthält, kann er nur auf diesem Wege überschreiten, diesen oder jenen Weg kann er seiner Steilheit halber nicht benutzen.

Es kann nicht geleugnet werden, dass bei diesen Erwägungen, wenn sie sorgfältig angestellt werden, fast immer auf jeder Front noch eine ganze Anzahl von Wegen gefunden werden wird, unter denen später der Angreifer die Wahl hat, aber ganz ebenso liegt die Sache bei Erkundung der voraussichtlichen Batteriebauplötze, der eventuellen Kantonnements und Anmarschstrassen, die auch von den Geschützen der ersten Geschütz- aufstellung möglichst beschossen werden sollen.

Sind auf jeder Front (hoch gerechnet) 15 Punkte der Wegestrecken erkundet, die voraussichtlich vom Angreifer zum Transport seiner Munition passirt werden müssen oder können, so wird es sich in zweiter Linie darum handeln, für jeden einzelnen dieser bestimmten Punkte eine Geschütz- stellung auszusuchen, von der aus dieser Punkt oder diese Wegstrecke mit Schrapnels am günstigsten unter Feuer genommen werden kann. Das Ziel ist ein feststehendes, man kann also mit dem Geschütz, das dagegen feuern soll, so weit zurückgehen, als die grösste noch rationell benutzbare Schussweite erlaubt. Nehmen wir aus Gründen der Sparsamkeit und leichten Durchführung des Vorschlages die s. 12 cm-Kanone, so kann als grösste Schussweite 6300 bis 6500 m gewählt werden. Liegt der zu beschiessende Theil des Munitions-Transportweges also etwa 1 bis 2 km hinter den Batterien, d. h. 4 bis 6 km vor den Forts, so können die Geschütze, denen die Aufgabe zufallen soll, diesen Punkt unter Feuer zu halten, 500 bis 2500 m hinter den Forts Aufstellung finden, sie beschränken also in diesem Falle das Gebiet der Zwischen-Batterien in keiner Weise. Bei der Wahl von (neu zu konstruireuden) länger brennenden Zündern oder von 1. 15 cm-Kanonen wird das Verhältniss um so günstiger, und wie später gezeigt werden soll, ist es sehr wesentlich, dass die Geschütze möglichst weit hinter die Zwischen-Batterien zurückgezogen werden können.

Es ist selbstverständlich, dass die so aufgestellten Geschütze aus-

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Zwillings Batterien lw-i (1er Fcstungsvcrtheidigung.

schliesslich zum Planschiessen (jedoch stets nach demselben Punkte) Ver- wendung linden, deshalb müssen die Vorbereitungen für ihre Aufstellung aneh so getroffen werden, dass dieses Verfahren möglichst Wirkung ver- spricht, d. h. Aufstellung atif einer cementirton Bettung mit eingelassenem Gradbogen (oder, da den Geschützen nur je ein Ziel zugewiesen wird, mit einer eingelassenen Hauptrichtungslinie), I'ivotlaffete und topographisch oder trigonometrisch festgestellte und in einem guten Plan (Messtischblatt der Landesaufnahme i genau eingetragene Lage der Geschützstellung.

Es entsteht nun noch die Frage, wie viele Gesehütze gegen jedes derartige Ziel verwandt werden sollen; mail könnte hier schwanken zwischen einem einzelnen Geschütz und einer Batterie zu sechs Geschützen. Meines Erachtens genügen hier immer je zwei Geschütze, welche heim Kchiessen mit einer geringen seitlichen Auseinanderstellung und mit einer um etwa 200 m verschiedenen Brennlänge und Erhöhung im Stande sind, die Streuungen und Tageseinflüsse auszugleichen.

Eine letzte Vorbereitung zur Verwendung dieser Geschütze ist dann noch, wenn möglich im Frieden, jedenfalls aber nach ausgesprochener Mobilmachung, durch einige Schüsse, welche möglichst nahe dem Ziel beobachtet werden, festzustellen, ob bezw. um wieviel die Hauptrichtungs- linie auf der Bettung falsch eingelassen ist.

Die Nachtheile (1er vorgcschlagcncn Einführung dieser weit zurück- gezogenen Zwillings-Batterien liegen hauptsächlich in der vermehrten Aus- rüstung einer Festung mit etwa 20 bis 30 Flachhahngeschützen und für jedes derselben 1000 bis 1500 Schrapnels, in der Unbequemlichkeit, für jede dieser Zwillings-Batterien einen Unteroffizier als Batteriekonimandeur in selbständiger Stellung abgeben zu müssen, und in der vielleicht ent- stehenden nutzlosen Verwendung der Munition.

Die Vortheile, die diesen Nachtheilen gegenüberstehen, scheinen jedoch ganz erheblich überwiegend.

Nehmen wir die ungünstigsten Verhältnisse an, dass nämlich während der ganzen Dauer der Belagerung keine Ballon- oder Spion- melduug über die Munitions-Förderwege und die Zeit des Munitionsersatzes eingehen. Auf der Angriffsfront sind zehn derartige Batterien auf den im Frieden vorbereiteten Bettungen in Stellung gebracht, die Richtigkeit der Hauptrichtungslinie ist durch je drei Schüsse pro Geschütz ermittelt. Bis zur Feuereröffnung des Angreifers schweigen die Zwillings-Batterien, von diesem Augenblick ab geben sie in unregelmässigen Pausen etwa alle 20 Minuten einen Schuss ah und zwar gleichmässig bei Tage und bei Nacht. Dem Batteriekommandeur (unter Umständen ein ganz junger Unteroffizier) ist schriftlich nur der Befehl zu geben: Sie feuern stets

das erste Geschütz mit 6300 m -j- 6, das zweite Geschütz mit 6500 m + 0 ab, etwa alle 15 bis 20 Minuten fällt ein Schuss. Ah und zu werden die Batterien von einem Offizier revidirt, der durch Heben des Spreng- punktes annähernd kontrolirt, oh die Seitenrichtung noch richtig ist.

Schlimmstenfalls dienen alle diese Schüsse , 100 pro Batterie und 24 Stunden; nur dazu, den Angreifer auf seinen Anmarschwegen zu beunruhigen, ohne ihm Schaden zuzufügen, immerhin fiir ihn ein auf die Dauer unerträglicher Zustand. Treffen aber eia oder zwei Schrapnels einen Transport, so wird dem Angreifer ein Schaden an Menschen und Pferden zugefügt oder wenigstens angedroht, den er für die Zukunft ver- hindern muss. Er muss also versuchen, die Batterien zum Schweigen zu bringen. Nun bewährt sich ihre zurückgezogene Lage. Da sie ein nur sehr schmales i etwa 1 2 m breites"' und wenig tiefes etwa 6 m) Ziel bilden

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Uns». Versuche, «lie Truppen nuf «lern Marsche mit warmem Essen zu versorgen. ] 0f>

und von den Angriffs-Batterien 4 bis 5 km oder mehr abliegen, ist es sehr schwer, ihre Lage zu erkennen. Ist diese aber schon durch Spionage im Frieden festgestellt, so bleibt es doch immer noch sehr schwer, ein so kleines Ziel, das nnr aus zwei Geschützen bezw. Bettungen und 12 Mann (welche übrigens bei heftigem feindlichen Feuer Deckung suchen können' besteht, auf so grosse Entfernung kampfunfähig zu machen, um so schwerer, als die Batterien natürlich so angelegt sein müssen (hinter hohen natürlichen oder künstlichen Deckungen), dass das Sch rapnelf euer aus Flachbahngeschützen ihnen ungefährlich ist. Sobald diese Zwillings-Batterien aber das Feuer je einer Belagerungs-Batterie, wenn auch nur vorüber- gehend, auf sich gezogen halten, zeigt sich ihr Nutzen, indem sie für diese Zeit die Zwischen-Batterien entlasten.

Die Thätigkeit der Zwillings-Batterien muss naturgemäss geändert werden je nach eingehenden Meldungen vom Ballon oder von Beobachtungs- warten und Scheinwerfer-Stationen über die Zeit des Verkehrs auf den ausgewählten Funkten, auch wenn diese Meldungen nur negativer Art sind; es kann dadurch eine erhebliche Ersparniss an Munition eintreten. Gelingt es, mit Hülfe dieser Nachrichten einen Munitionstransport auf einem Strange für 24 Stunden aufzuhalten, so ist damit für diese Zeit die Kraft des Feuers der Angriffsgruppe, zu welcher er geführt werden sollte, erheblich vermindert, den betreffenden Zwischen-Batterien steht ein beinahe wehrloser Feind gegenüber, dessen Vernichtung der Verteidigung ein erhebliches Uebergewicht über den Angreifer giebt.

Ueber die in der russischen Armee angestellten Versuche, die Truppen auf dem Marsche mit warmem Essen zu versorgen.

Schon seit Jahren bemüht man sich, einen beweglichen Kochapparat zu schaffen, der geeignet ist, die Truppen auf dem Marsche und im Biwak mit warmem Essen zu verpflegen, ohne dass sie selbst zu kochen haben.

Bei verschiedenen Truppenteilen wurden aus eigenster Initiative be- wegliche Feldküchen verschiedener Konstruktion erprobt, ohne indessen zu den gewünschten Resultaten zu kommen, da jene den Hauptbedingungen für ihre Verwendbarkeit einfache Konstruktion, Leichtigkeit und Beweg- lichkeit — nicht entsprachen.

Die von dem Stabskapitän Kowalow 1893 konstruirte bewegliche Feldküche hält man in Rücksicht auf jene Bedingungen für wohl geeignet, dass sio bei den Truppen erforderlichenfalls zur Einführung kommt.

Diese Feldküche ist folgendermaassen konstruirt: Auf der Achse eines gewöhnlichen zweirädrigen Karrens nach Art der russischen Patronen- karren — wird ein cjlindrischer kupferner Kessel befestigt; oben hat derselbe zwei Oeffnungen; in die eine wird das Wasser gegossen und die Produkte zum Kochen einer Suppe geschüttet; in die andere kleinere Oeffnung wird ein kleinerer Kessel, der auch von cylindrischer Form ist, für das Kochen der Grütze*) eingesetzt und zwar so, dass die Achsen beider Kessel zusammenfallen. Dadurch, dass der kleinere Kessel von allen Seiten von der in dem grossen Kessel kochenden Kuppe umgeben

* Ein Hnuptverpflegnngshestnndtheil der russischen Truppen.

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106 floss. Versuche, die Truppen auf dem Marsche mit warmem Kssen zu versorgen.

ist, wird auch die Grütze zum Kochen gebracht. Beide Oeffnungen werden mit Deckeln mittelst einer Schraube und eines Hebels hermetisch ver- schlossen. Unter dem grossen Kessel befindet sich in einer eigens dazu angebrachten Ausschweifung ein Ofen, der mit einer Kauehröhre in Ver- bindung steht. Die Kosten in dem Ofen sind so eingerichtet, dass bei einer Vorwärtsbewegung des Karrens das Feiier um so stärker brennt, je schneller die Bewegung ist. Infolgedessen ist es möglich, das Essen während des Marsches zu kochen. Die Rauchrohre hat einen Funken- auslöscher und ist so eingerichtet, dass sie z. B. bei einem Marsche durch einen Wald mittelst einer Schlinge umgelegt werden kann.

Damit die Küche von jeder Waffengattung bei allen ihren Bewegungen benutzt werden kann, ist sie so eingerichtet, dass sie von Leuten getragen werden kann; zu dem Ende sind in den beiden Seiten des Kessels Henkel angebracht, durch welche zwei Balken gesteckt werden. Um sie auf einem Packpferd fortzuschaffen, braucht bloss der Kessel von der Karre abgehoben und der Ofen losgelöst zu werden.

Um das Schütteln zu vermindern, ruht der Kessel auf Puffern.

Der Fahrer sitzt auf einem vorn angebrachten Kasten, in welchem Vorriithe verschiedener Art Fleisch, Grütze u. s. w. verpackt werden können.

Das Gewicht des ganzen Systems beträgt etwa 213 kg: der Karren wiegt etwa 1 GO, der Kessel 53 kg. Wenn man dazu noch das Gewicht des für etwa 150 bis 170 Mann zubereiteten Essens, der Vorräthe und des Fahrers hinzurechnet, so wird das Gesammtgewicht 459 bis 490 kg nicht übersteigen, so dass ein Pferd für die Fortschaffung ausreicht.

Diese Feldküche wurde besonders bei den Truppen des Moskauer und Kiewer Militärbezirks erprobt. Das Ergebniss war folgendes:

Die Küche konnte den Truppen selbst ohne Weg unmittelbar, wie die Patronenkarren, folgen; in den Kesseln konnte nur für 150 Mann gekocht werden, was aber für die Verpflegung einer Kompagnie im Kriege nicht für ausreichend erachtet wurde; der Kessel für Grütze erwies sich als zu klein; es konnte auf dem Marsche gekocht werden, ohne dass die dabei befindlichen Leute besonders aufmerksam zu sein brauchten, indem der Dampfabzug zeigt, dass das Essen im Kochen begriffen ist; das Essen wurde sehr schnell fertig, schon drei Stunden nach dein Einlegen der Produkte konnten die Leute essen; man gebrauchte sehr wenig Holz, fast dreimal weniger als bei dem gewöhnlichen Kochen, nur bei dem Kochen auf dem Marsche war mehr Holz nöthig, da dann der Zug stärker ist; der Kessel für die Grütze entsprach nicht vollständig den Anforderungen, da die Grütze nicht ganz gar wurde; es konnte jede Speise gekocht werden, ohne dass sie anbrannte, wie das bei dem gewöhnlichen Kochen vorkommt; die Ausgabe des Essens war sehr bequem; das Reinigen der Kessel und des Ofens war sehr leicht, man gebrauchte dazu nur zwölf Minuten; die Anbringung der Rauchrohre erwies sich nicht als zweck- mässig, sie kann leicht brechen; die Konstruktion zeigte sich sehr fest, Ausbesserungen konnten bei den Truppen selbst erfolgen; der Sitz für den Fahrer entsprach den Anforderungen für die Lenkung des Pferdes.

Alle Mängel, die sich bei den Versuchen gezeigt hatten, sind später abgestellt: Die Kessel sind vergrössert, so dass sie für die 200 Mann der Kompagnie und die 150 Mann der Eskadron ausreichen; der Kessel für die Grütze ist bis zu dem Ofen vertieft, so dass er durch letzteren und von einer Seite durch die Rauchrohre unmittelbar erwärmt wird und so die Grütze gar wird. Um das Essen länger warm zu halten, hat der

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Kuss. Versuch»-, die Truppen auf dem Marsche mit warmem Käsen zu » ersorgen. 107

Kessel einen Holzmantel erhalten, der noch mit einem Woilach umschlossen ist. Zur Aufbewahrung des rohen und gekochten Fleisches sind Zink- kästen angebracht. Alle diese und andere Vervollkommnungen erhöhen »las Gewicht tun etwa 16 kg.

Nimmt man den Kessel von dem Karren ab, so kann letzterer zum Transport von Verwundeten, Holz, Brot und anderen Gegenständen benutzt werden. Mittelst besonderer Vorrichtungen können drei Gesunde, zwei Leichtverwundete und ein Schwerverwundeter auf dem Karren fortgeschafft werden.

Diese von dem Stabskapitän Kowalow konstruirte Feldküche ist im Jannar 1894 von dem Kriegsminister besichtigt; er hat die Vorzüge an- erkannt, ohne jedoch schon einen bestimmten Entschluss zur Einführung bei den Truppen zu fassen.

Seitdem sind noch andere Projekte von beweglichen Feldküchen auf- getaucht, die, auf demselben Prinzip beruhend, in der Konstruktion etwas abweichen. Wenn nun auch die Versuche noch nicht zum Abschluss gekommen sind und die Feldküche noch nicht endgültig als ein Bestand- theil des Trains eingeführt ist, so haben doch jetzt schon viele Regimenter solche bei den Manövern im Gebrauch. Allerdings werden in »1er Militär- presse Stimmen laut, die sich gegen die Einführung aussprechen, haupt- sächlich, weil dadurch der Train vergrössert würde. Von dieser Seite wird dem Kochen in »len kleinen Kochgeschirren (nicht in den grossen Kom- pagniekesseln, wie jetzt noch üblich) der Vorzug gegeben.

Oh nun die russische H»»oresverwaltung zu »lein Entschluss kommen wird, die bewegliche Feldküche einzuführen, ist abzuwarten. Eine gewisse Be»leutung dürfte eine solche fahrbare Küche wohl haben, wenn sie wirklich der Truppe unmittelbar folgen kann un»l letztere auf dem Marsche und nach dem Eintreffen auf »lern Biw-aksplatze, ohne selbst zu kochen, sofort mit warmem Essen verpflegt werden kann, was ihrer Ruhe entschie»len zu Gute kommen würde.

Es dürfte ferner noch ein Versuch zu erwähnen sein, der sii-h auf die Verpflegung der Truppen während »ler Eisenbahnfahrt bezieht.

Während des Herbstes 1896 wurden auf »ler transkaspischen Eisen- bahn in den Transportzügen von Reservemannschaften Küchenwagen eingestellt. Der Versuch ergab, dass jeder Küchenwagen, der mit vier Kesseln ausgestattet ist, für die Verpflegung von 1000 Mann genügt. In »lrei Kesseln wurde Kohlsuppe, in einem Grütze gekocht. Die Kessel waren in den Ecken des Wagens aufgestellt, um einerseits letzteren gleich- mässig zu belasten, andererseits, um den nöthigen Raum zu haben.

Auf die Zubereitung tles Mittagsessens kamen 6, tles Abendessens 4 Stunden. Die Verausgabung ging ziemlich s»-hnell von statten; 350 Mann wurden mittags mit der Brotportion, Borschtsch*) und Grütze in 35, abends mit Grütze in 15 Minuten beköstigt.

Der Berichterstatter ist »ler Ansicht, «lass solche Küchenwagen je»len- falls in »lie auf der grossen sibirischen Eisenbahn kursiremlen Militärzüge eingestellt werden müssten; es sei das aber auch für die Züge der Bahnen im europäischen Russland vortheilhaft, um die Einrichtung der Etappen- und Verpflegung!» punkto zu erleichtern.

ln dem Februarheft des > Wajennyi Sbornik , 1897, wird ebenfalls die Verpflegung »ler Truppen währen»! der Eisenbahntransporte besprochen. Die Einstellung von Küchenwagen in die gewöhnlichen Militärzüge wird

* Kino ans gt-siinerU-n Itroti-n. Fleisch mal Schweinefett ziihereitete Suppe.

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108 Russ. Versuche, dieTruppcn auf dem Marsche mit warmem Essen zu versorgen.

verworfen, da die Verausgabung des Essens nicht während der Fahrt erfolgen könne, der Zug vielmehr dazu halten müsste, was übrigens auch bei dem Versuch auf der transkaspischen Eisenbahn nothwendjg wurde. Nur für die Einstellung von Küchenwagen in die Sanitätszüge tritt der Verfasser ein.

Nach der Verordnung soll ein russischer Sanitätszng 300 bis 40t» Kranke aufnehmen. Nach der Ansicht des Verfassers soll nun der Küchenwagen so eingerichtet werden, dass die höchste Krankenzahl verpflegt werden kann. Dazu ist ein eiserner Herd mit einem Kochkessel, der etwa 309 Liter fassen kann, und ein Wasserwärmapparat nötliig.

Der Herd darf nur so gross sein, dass in dem Güterwagen genügend Kaum bleibt, um die nüthigcn Verrichtungen ungehindert vornehmen zu können. Auch muss Platz für einen Küchentisch, für einen Aufbewahrungs- raum der Materialien und für das Holz vorhanden sein. Der Herd wird auf einer Unterlage von Ziegelsteinen in der Mitte des Wagens aufgestellt und mit eisernen Bändern an dem Boden befestigt. Die Rauchrohre wird entweder durch ein Fenster oder durch das Dach des Wagens geführt. Der Wasserwärmapparat ist möglichst abgesondert von dem Herde auf- zustellen, da man für die Kranken immer warmes Wasser brauchen wird. Der Fassungsrauin soll mindestens 184 Liter betragen.

Das nöthige Wasser soll der Tender der Lokomotive liefern, weshalb der Küchenwagen unmittelbar der letzteren folgen muss. Es wird dies durch eine Röhre bewirkt, die von dem Tender in den Wagen führt. Ist das aber unthunlich, so muss ein hölzernes Gefäss, das 490 bis 000 Liter Wasser fassen kann, vorhanden sein. Man bringt dasselbe am besten unter dem Verdeck des Wagens an.

Die Unterbringung des Kiichengeschirrs wird keine .Schwierigkeiten bieten, während das Essgeschirr in dem Packwagen untergebracht werden kann, welcher ja immer in einem Sauitätszuge vorhanden sein wird.

Nach diesen Grundsätzen muss nach der Ansicht des Verfassers ein Küchenwagen in einem Sanitätszuge eingerichtet werden. K-r.

Das Abkochen auf dem Marsche dürfte für den kleinen Krieg und namentlich für die Abtheilungen unmittelbar am Feinde, sobald sich das

Anmachen von Lagerfeuer verbietet, von Werth sein. Uebrigens besteht in der Schweiz schon lange eine derartige Einrichtung für jede Infanterie- Kompagnie. Die schweizerische Feldküche M/80 stellt sich als ein einspänniges zweiräderiges Armee-Fahrzeug dar (siehe ilie Abbildungen, welche dem Heft: Die Fuhrwerke

der schweizerischen Genie- truppen. 1882. Auf Ver- anlassung des Militär-Depar- tements. 2. Auflage. Winter- thur 1891, J. Brunner-, ent- nommen sind! und enthält sciiw. ttn Foidktiriis. K<i<-knnsi<-iit. ausser einem Vorrat hskasteu

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Das moderne Feldgeschütz.

100

mit angeschlossenen Wasserbehältern zwei grosse Koch- kessel mit beson- derer Feuerung.

Zwischen beiden Kesseln ist auf der Rückseite der Koh- lenbehälter ange- bracht ; die Rattch- abzugsöffnungen liegen an den Seiten der Kessel an der Radseite. Das Tritt- brett für den auf dem Vorrathskasten sitzenden Fahrer kann zum Anrichte- brett verwendet wer- den, wie dies in der Abbildung der Vorderseite ersichtlich gemacht ist. Die Abmessungen des beladenen Fahrzeuges sind folgende: Länge mit Deichsel 4,12 m, ohne Deichsel 1,73 m; grösste Breite 1,84m; grösste Höhe 1,314 m. Die Gleisebreite beträgt 1,41m, der Durchmesser der Räder 1,314 m, die Radreifenbreite 05 mm, das Gewicht leer 543 kg, beladen 575 kg, die erforderliche Strassenbreite zum Wenden ohne Bespannung (im Gleise gemessen) 1,475 m. Die Ausrüstung dieser fahrbaren Feldküche an Koch- und Schöpflöffeln, Fleischgabeln, Messern, Gabeln, Spaten, Hacken, Aexten n. s. w. ist in der Vorschrift für die Feldkochgeräthe der Infanterie, Bern 1890, Buchdruckerei Körber i enthalten. j) R,»d.

Schweizer Feldküche, Vorderansicht.

Das moderne Feldgeschütz.

< Sellins».)

Ein Blick in die Anlage*) und ein Vergleich der Geschütze zeigt, dass der Entwurf für das hier skizzirte Geschütz mit äusserster Vorsicht auf- gestellt ist. Fast alle anderen Geschütze stellen an das Material weit höhere Anforderungen. Es ist daher sehr wohl möglich, dass man dem Material in der That grössere Anstrengungen zumnthen darf, und es ent- steht die Frage, oh man in diesem Fall das Geschütz unter Beibehalt der erreichten Wirkung erleichtern oder unter Beibehalt des Gewichts die Wirkung steigern soll. Ich für meine Person würde in diesem Fall unbedingt auf Steigerung der Wirkung Bedacht nehmen, da eine weitere Herabsetzung des Gewichts unter 1800 kg auf die Beweglichkeit nicht von Einfluss sein kann. Die Steigerung der Wirkung kann erreicht werden durch Erhöhung des Geschossgewichts und der Anfangsgeschwindigkeit.

Es ist zu bemerken, dass eine Erhöhung des Geschossgewichts sowohl auf das Kohr und die Laffete als auch auf die Protze und die Munitions- wagen von Einfluss ist, während eine Erhöhung der Anfangsgeschwindig- keit, also des Gewichts der Ladung, in ihrer Wirkling nur bei dem abgeprotzten Geschütz von Bedeutung wird. In erster Linie würde ich für eine Erhöhung des Gesehossgewiehts unter Beibehaltung der Anfangs-

*) Vergl. Heft 1, Seite 23.

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Das moderne Feldgeschütz.

geschwindigkeit von 480 m eintreten. Sollte eine Steigerung des Geschoss- gewichts bis zu 7 kg zulässig sein, so könnte eine Steigerung der Anfangs- geschwindigkeit biB etwa 500 m, also eine Bewegungsarbeit von 87,3 mt an der Mündung (eine Steigerung um etwa 19pCt. gegen das Feld- geschütz c/73) angestrebt werden.

Die Feldhaubitze.

Ist schon der Entwurf eines für die grosso Masse der Artillerie bestimmten Geschützes keine ganz einfache Sache, so ist die Frage, ob neben diesem Geschütz auch noch für Nebenaufgaben ein besonderes Geschütz ein Steilfeuergeschütz nöthig ist, schwierig zu beantworten, noch schwieriger aber, ein solches Geschütz zu entwerfen, weil es hierfür viel weniger Anhaltpunkte giebt als für die Kanone, deren Entwicklungs- gang durch die Geschichte des gezogenen Feldgeschützes vorgezeichnet ist.

An und für sich ist es kein wünschenswerther Zustand, ein zweites Geschütz, noch dazu von ganz anderem Typus, einzuführen, und nachdem man zum ersten Mal in der Geschichte der Artillerie die aus der einheit- lichen Bewaffnung der Feldartillerie hervorgehenden Vortheile wirklich kennen gelernt hat. Ob sich die Feldartillerie dazu entschliesst, hängt lediglich von der höheren Truppenführung ab; diese muss ganz bestimmt angeben, welche Aufgaben sie der Feldartillerie glaubt stellen zu müssen: dann erst kann der Artillerist sagen, ob er diesen Fordeningen mit dem eigentlichen Kampfgeschütz genügen kann, oder ob er dazu eines anderen Geschützes bedarf.

Die gesteigert»* Wirkung der Feuerwaffen wird in den Zukunftskriegeu jedenfalls den Werth der künstlichen Deckungen mehr als bisher hervor- treten lassen. Diese Ueberzeugung ist in allen Staaten vorhanden und dementsprechend die Infanterie in grösserem Umfange als hisher mit •Schanzzeug ausgerüstet. Es entsteht nun die Frage:

1. Genügt es, wenn die Artillerie die die Deckungen benutzende Infanterie erst wirksam unter Feuer nimmt, wenn sie in Thätigkeit tritt, ihre Deckung also zum Theil aufgiebt, oder

2. ist es geboten, dass die Artillerie auch die unthätig hinter der Deckung sitzende, den Augenblick für ihr Eingreifen in das Gefecht abwartende Infanterie wirksam bescliiesstV

Man könnte die erste Frage bejahen ; in diesem Fall ist die Ein- führung eines besonderen Geschützes nicht geboten. Man würde die als Kopf- und Brustziele sich darstellenden Ziele durch ein lebhaftes Schrapnel- feuer beschiessen, das besonders wirksam sein wird, wenn man vorher Gelegenheit hatte, sich genau auf die Deckung einzuschiessen. Wird aber die erste Frage verneint, also die zweite bejaht, so entsteht eine ganze Reihe von Unterfragen. Man kann alsdann fragen:

a) Genügt es, wenn die auf dem Banket des Schützengrabens sitzende, von oben nicht gedeckte Besatzung beschossen werden kann, oder aber

b) wird verlangt, dass die Besatzung auch dann getroffen wird, wenn sie sich unter einem Schutz von leichten Brettern befindet, die von leichten Schrapnelkugeln und Sprengstücken nicht durch- schlagen werden können, oder endlich

c) müssen auch splittersichere Unterstände von den Geschossen durchschlagen werden können V

Erst wenn diese Fragen bestimmt beantwortet sind, kann der Artillerist eine Entscheidung treffen und Vorschläge für die Bewaffnung machen.

Wird die Frage 2 bejaht, so sind folgende Ixisungen der Aufgabe möglich.

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Das moderne Feldgeschütz.

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Wenn 2a bejaht wird, so genügt im Allgemeinen eine Sprenggranate ans dem Feldgeschütz mit voller Ladung und Brennzünder. Die Aussicht, auf diese Weise Wirkung zu erhalten, ist allerdings geringer als beim Feldgeschütz c/73, weil die Flugbahn gestreckter und das Geschoss leichter ist als bei diesem. Auch der Kegelwinkel der Splitter wird kleiner und infolgedessen auch der Winkel, unter dem die meisten dieser Splitter zu Boden fallen, kleiner ausfallen. Es bleibt zu erwägen, ob die Lösung der Aufgabe dnrch Anwendung kleiner Ladungen möglich ist ; dadurch würde sowohl die Flugbahn steiler, als auch der Kegel der Splitter offener werden, so dass die Fallwinkel im Allgemeinen sich vergrössern. Ob durch die Herabsetzung der Ladung die Trefffähigkeit in einem solchen Grade ab- nimmt, dass man diesen Gedanken aufgeben müsste, kann mir durch Versuche festgestellt werden. Da die Durchschlagskraft der Splitter ledig- lich durch die Sprengladung erzeugt wird, hat die Herabsetzung der Gesehossgeschwindigkeit in dieser Beziehung keinerlei Bedenken.

Zu 2 b. Müssen sclirapnelsiehere Brettschutzdächer durchschlagen werden, dann genügt die Durchschlagskraft der kleinen Splitter der Sprenggranate des Feldgeschützes nicht. Man könnte zwar die Splitter durch Wahl eines anderen Geschossmaterials, z. B. Stahl, vergrössern; dann aber würde die Zahl der Splitter zu gering ausfallen. Zu einer genügenden Wirkung sind mindestens 300 Splitter zu 30g erforderlich; das würde ein Gewicht von 9 kg ergeben. Erfahrungsmässig geht aber etwa ! 4 des Geschossgewichts dadurch für die Wirkung verloren, dass ein Theil der Splitter viel zu klein ausfällt. Hiernach würde sich das Mindest- gewicht der Sprenggranate auf 12 kg stellen. Um aber ganz sicher zu gehen, da ein Theil der Splitter sicher schwerer als 30 g sein wird, wählen wir ein Geschossgewicht von etwa 15 kg. Eine Anfangsgeschwindig- keit von 250 m würde genügen, um eine Schussweite von 1500 m zu erreichen, was für diese Zwecke mehr als ausreichend sein dürfte. Man hätte es dann mit einer Arbeit von 47,8 mt zu thun, und es würde nicht schwer fallen, hierfür ein hinlänglich bewegliches Geschütz zu schaffen, welches auch dem Riickstoss selbst bei den grössten Erhöhungen genügenden Widerstand entgegensetzt. Die Rtiekstossarbeit würde bei einem Rohr von 450 kg Gewicht etwa lüOOmkg betragen, also ungefähr so viel als beim Feldgeschütz c/73 beim Schiessen mit Schrapnels und grobkörnigem Pulver.

Bei einer Haubitze hat es keinen Sinn, eine sehr hohe Querdichte anznnehmen. Geht man von drei kugelschweren Geschossen ans, so wird das Kaliber bei 15 kg Geschossgewicht 11,1cm, also rund 11cm.

Die Ausrüstung mit Geschossen richtet sich nach den Aufgaben, deren Lösung man von dem Geschütz verlangt. Ist dasselbe ausschliesslich zur Bekämpfung gedeckter Ziele bestimmt, so erhält es nur Sprenggranaton, dagegen keine Schrapnels. Die Fussartillerie hat bei allen Steilfeuer- geschützen — abgesehen von der veralteten k. 15 cm -Kanone die Schrapnels abgeschafft, weil die Sprenggranaten gegen die in Aussicht stehenden Ziele weit mehr leisten als Schrapnels. Soll sich aber die Haubitze am Geschützkampf betheiligen meiner Ansicht würde das allerdings nicht entsprechen , so müsste sie auch so ausgestattet werden, dass sie diesen Kampf mit Aussicht auf Erfolg aufnehmen könnte.

Man hört häufig die Ansicht aussprechen, dass die Haubitze durch ihr Sclirapnel, das mehr als doppelt so schwer ist, als das der Feldkanone, eine gewaltige Ueberlegenheit haben müsse. Das ist aber durchaus nicht, ohne Weiteres der Fall; denn es kommt nicht auf das Gewicht der Kugel- füllung, sondern auf die Dichtigkeit der Kugeln im Streukegel an, und

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Da» moderne Feldgeschütz.

da spricht viel dafür, dass die leichte Kanone der schweren Haubitze ebenbürtig ist.

Zunächst steht noch nicht fest, ob die Zahl der Füllkugeln im Ver- hältnis» des Geschossgewichts wachsen wird; denn bei den meisten ein- gefiihrten Geschützen sind die Füllkugeln der Haubitz- und Mörser- schrapnels schwerer als die der Kanonen; ob mit Recht oder Unrecht, wollen wir untersuchen. Dann aber, und das ist das Ausschlaggebende, ist der Streukegel des Steilfeuerschrapnels stets viel offener als bei den Kanonen. Das liegt in der Natur der Sache und kann gar nicht geändert werden, weil die Endgeschwindigkeit des Geschosses im Sprengpunkt so klein ist. Es ist dies aber auch wieder in gewisser Weise von Vortheil; denn wegen der grossen Fallwinkel ist die Tiefenwirkung des Geschosses nur gering, und zwar um so geringer, je enger der Streukegel ist.

Soll die Feldhaubitze ein Schrapnel erhalten, so muss dies so kon- struirt werden, dass es mit der stärksten Ladung möglichst viel leistet. Wir gehen von einer Anfangsgeschwindigkeit von 250 m, einem Geschoss- gewicht von 15 kg, einem Kaliber von 11cm aus. Auf 1500 m, der grösstem Schussweite, auf der wir noch eine ausgiebige Wirkung verlangen, wird man mit einer Endgeschwindigkeit von 180 m rechnen dürfen. Wenn wir verlangen, dass eine Schrapnel kugel bei einer Sprengweite von 150 m noch eine Stosskraft von mindestens 8 mkg haben soll, so lässt sich daraus das Mindestgewicht der Schrapnelkugel ermitteln. Als Material verdient Weichblei den Vorzug vor Hartblei wegen seiner grösseren Dichte, und weil bei dem geringen Gasdruck eine Formveränderung der Kugeln nicht zu befürchten ist. Die Rechnung ergiebt, dass bei einer 12 g schweren Kugel bei einer Sprengweite von 150 m noch auf 123 m Ge- schwindigkeit zu rechnen ist, wenn die Geschwindigkeit im Sprengpunkt 180 m betrug. Es entspricht das einer Stosskraft von 9,25 mkg; man hat also bei einer 12 g schweren Bleikugel noch bei der grössten Sprengweite einen Ueberschuss von Stosskraft. Mit Rücksicht auf diese könnte die Schussw'eite sogar bis über 5000 m ausgedehnt werden. Dies Ergebniss könnte auffallend erscheinen, da man ^tatsächlich beim Schiessen mit grossen Erhöhungswinkeln eine verhältnissmässig grosse Zahl von Treffern erhält, welche die Scheibenbretter nicht durchschlagen haben. Es ist aber wohl zu berücksichtigen, dass hierbei der Winkel, unter dem die Kugel das Scheibenbrett trifft, von sehr grossem Einfluss ist, und dass man daher von einer grossen Zahl steckengebliebeuer oder gar nur angeschlagener Kugeln noch nicht ohne Weiteres auf eine zu geringe. Stosskraft schliessen darf. Die Nichtbeachtung dieses Umstandes scheint die Ursache zu sein, dass man bei den Schrapnel» des Steilfeuergeschützes meist so schwere Fiillkugeln antrifft. Um ganz sicher zu gehen, wird eine Bleikugel von 1 3 g Gewicht angenommen.

Das Geschoss als Boden kammerschrapnel zu konstruiren, würde fehlerhaft sein. Aus Vorstehendem geht zur Genüge hervor, dass die ■Stosskraft der Schrapnelkugel, auch wenn sie im Sprengpunkt keinen Zuwachs an Geschwindigkeit erhält, völlig ausreicht, um bei den grössten Sprungweiten und Schussweiten einen Menschen ausser Gefecht zu setzen. Andererseits würde beim Bodenkaramerschrapnel höchst, wahr- scheinlich der Kegelwdnkel zu klein, um einen Raum von genügender Grösse, namentlich Tiefe, mit einem Schuss unter Feuer zu nehmen. Wir ziehen daher die Konstruktion als Röhrenschrapnel vor. Bei einem solchen wird sich die » Verwert hung« auch dann, wenn der Geschosskem aus Gusseisen hergestellt wird, auf mindestens 50 pCt. des Geschoss- gewichts stellen. Danach würde also auf eine Füllung von rund 580 Kugeln

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Das moderne Feldgeschütz.

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zu rechnen sein. Soll die Trefferzahl auf 2000 m bei gleicher Sprengweite der der Entwurfskanone mindestens gleich sein, so darf der Kegelwinkel des Schrapnels auf diese Entfernung nicht über 34’/j ° betragen.*)

Nimmt, man den Enddrall zu an, was für ein drei Kugeln schweres Geschoss mit 250 m Anfangsgeschwindigkeit angemessen erscheint; setzt man ferner voraus, dass den Sprengtheilen durch die Sprengladung eine Geschwindigkeit von 40 bis 45 in senkrecht auf die Geschossachse ertheilt wird, wie dies z. B. beim Feldschrapnel c/82 der Fall war, so ist für die Entfernung von 2000 m ^Endgeschwindigkeit 210 m), wenn ß der Kegel- winkel

V250»T~(tg8o)^+42;^

t *'/»- 210

55,4

210

ß/t = 14s/,°.

Es zeigt sicli also auch aus der Grösse des Kegelwinkels, dass man nicht auf die Konstruktion des Bodenkammerschrapnels zurückzugreifen braucht. Sowohl der Kegelwinkel als auch die Stosskraft der Kugeln erhalten beim Röhrenschrapnel ganz zweckmässige Grössen.

Gegen eine 1 m hohe Scheibenwand, getheilt in Rotten zu 0,60 m Breite, würde man auf 2000 m etwa 29 bis 30 Treffer und 21 getroffene Rotten erwarten dürfen. Bei richtiger Sprengpnnktlage, wenn man ganz genau eingeschossen ist, übertrifft das Haubitzschrapnel in der That das der Kanone an Wirkung. Da aber die Tiefenwirkung des Haubitzschrapnels sehr gering ist, so nimmt seine Wirkung ausserordentlich schnell ab, sobald die Sprenghöhe etwas zu klein wird. Das gilt namentlich für die grösseren Entfernungen. Auf 2500 m wird man schon mit einem Fallwinkel von Uber 15° zu rechnen haben, und ist daher von dieser Entfernung ab auf eine Tiefenwirkung kaum noch zu rechnen.

Die Konstruktion als Röhrenschrapnel ist hier mit Rücksicht auf die grösste Wirkung vorgeschlagen; möglich, dass der Wunsch, das Schrapnel in dem gleichen Gewicht wie die Sprenggranate herznstellen, zur Annahme eines Bodenkammerschrapnels führt.

In Bezug auf die Konstruktion der Granate, die natürlich mit einem kräftigen Sprengstoff zu füllen ist, lassen sich zwei Richtungen unter- scheiden, die in der deutschen Fussartillerie als »Sprenggranate« und ■.Langgranate« vertreten Bind. Die erstere ist dickwandig mit verhältnisB- mässig kleiner Sprengladung und soll gegen lebende Ziele durch ihre Splitter, gegen feste Ziele sowohl durch ihre Stosskraft als durch die Sprengladung wirken. Sie ist deshalb mit einem Doppelzünder versehen.

*) Nach der »Schiesslehre für die Feldartillerie« ist die von einem Schuss zu

erwartende Trefferzahl

1,273 -N 2 s tg ß/2

wenn N die Zahl der Füllkugeln, s die Sprengweite

ß der Kegelwinkcl ist. Beim Schrapnel der Entwurfskanone ist N = 812, ^*00 = 19° mithin muss, wenn ß1 der Kegclwinkel des llaubitzschrnpnels ist,

sein, woraus folgt

1,273 312 _ 1,273 . 680 2stg0>/*° - 2g<tg|

tg = 312 tg 9t/*, also £ - 174/16°.

Kriegstechniscbe Zeitschrift. 1&93. 3. Heft,

8

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1 14 Das moderne Feldgeschütz.

Die Langgranate aus Stahl, dünnwandig, lang, mit. Verhältnis« massig grosser Sprengladung, soll nur als Mine wirken. Für den Feldkriog ist die »Lauggranates unbrauchbar; sie hat nur einen Aufschlagzünder, daher ungenügende Splitterwirkung, dagegen einen bedeutenden Ueberschuss an Minenwirkung. Die Fussartillerie kennt die Langgranate nur für den Angriff, nicht für die Vertheidigung von Festungen, da für letztere die Sprenggranate vollkommen ausreicht. Aehnlich wie in Deutschland denkt man in allen Staaten mit Ausnahme von Frankreich. Dort kennt man nur die Langgranate (obus allongd), wo es sich um Granaten mit kräftigem Sprengstoff handelt. Die französischen Langgranaten führen noch stärkere I Ladungen als die deutschen gleichen Kalibers. Die Granate der 12 cm- Feldhaubitze ist mit 6 kg Sprengstoff gefüllt. Die Franzosen rechnen gar nicht auf Splitterwirkung, sondern lediglich auf die Miltenwirkung bezw. gegen lebende Ziele auf den mit der Detonation eintretenden grossen Luftdruck.

Es könnte übrigens auch noch ein meines Wissens bisher noch nicht versuchtes Geschoss in Betracht kommen, das von dem bekannten Feuer- werkshauptmann a. ü. Prehn in Vorschlag gebracht ist. ln einem Auf- satz Schrapnels aus Feldwurfgeschützen« (Archiv für Artillerieoffiziere 1896) schlägt er ein Schrapnel vor, das je eine mit kräftigem Sprengstoff gefüllte Kammer am Kopf und Boden haben sollte, wodurch ein Kegel- winkel von 60 bis 70° erzeugt würde. Der Streukegel ist zwar weniger offen als bei den Sprenggranaten, immerhin kann man auf Fallwinkel von 45° und darüber rechnen; er gewährt den Vortheil, weniger hohl zu sein. Ob die Stosskraft. der Kugeln zum Durchschlagen leichter Bretterdächer genügt, ist freilich noch eine offene Frage.

Die Frage, ob die Haubitze nur mit Sprenggranaten oder daneben noch mit Schrapnels ausgerüstet werden soll, ist deshalb von so hervor- ragender Wichtigkeit, weil hiervon die Zusammensetzung der Batterie ab- hängt. Soll die Haubitze lediglich zur Vorbereitung des Infanterieangriffs dienen, so genügt, wie schon erwähnt, die Ausrüstung mit Sprenggranaten. Rechnet man für diese Aufgabe eine Stunde Zeit, was nach meiner und der meisten Artillerietaktiker Ansicht reichlich gerechnet ist, so würde eine Ausrüstung von 240 Schuss erforderlich sein. Um sicher zu gehen, rechnen wir eine doppelt so grosse Anzahl, also 480 Schuss, die in vier oder sechs Geschützprotzen (zu 20 Schuss) und acht Munitionswagen fort- geschafft werden kann. Soll aber die Haubitze sich auch am Geschütz- kampf betheiligen, so wird eine erheblich höhere Munitionsausrüstung nöthig. Wir würden sie auf 360 Schrapnels und ebensoviel Sprenggranaten veranschlagen. Die Batterie würde alsdann 12 bis 13 Mnnitions wagen haben müssen.

Was die Einrichtung des Geschützes betrifft, so wird sich diese im Allgemeinen an die bewährte der 12 cm Kruppschen Haubitze oder der bei der Fussartillerie eiugeführten 15 cm- Haubitze anlehnen. Da die Kruppsche Haubitze nicht für Sprenggranaten eingerichtet war, wird das Rohr, um Rolirkrepirern widerstehen zu können, wohl verhältnissmässig etwas schwerer werden müssen. Da das Geschütz stets ohne Bettung und meist mit grossen Erhöhungen feuert, so empfiehlt sich ganz besonders die Annahme der »drehbaren Aufsatzbüchse« mit Libelle, welche bei schiefem Räderstand das Horizontalstellcn des Aufsatzes gestattet und so den Einfluss des schiefen Räderstandes selbstthätig beseitigt.

Nachstehende Zusammenstellung enthält einige Zahlen über die hier skizzirte Haubitze sowie über einige eingefiihrte bezw. von Privatfabriken konstruirte Feldmörser oder Haubitzen.

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Kntwurf (inuon Schwei* Knipp Frankreich Knglnml Krupp Ktuxlaiid

Dan moderne Feldgeschütz,

1 ln

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K = Köhren, B Bodenkammer, K = Kopfkarumer. ') Bl «= Blei, H =*• Hartblei.

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Das Sirius-Gaslicht für militärische Zwecke.

Die Zusammenstellung ist geordnet nach dem Geschossgewicht. Sie lässt erkennen, dass die Ansichten über die an ein Steilfeuergeschütz der Feldartillerie zu stellenden Anforderungen noch sehr weit auseinander- gehen, weit mehr als in Bezug auf die Kanonen. Hierzu ist noch zu bemerken, dass die ganz leichten Kaliber, z. B. der 9 cm italienische und spanische Mörser, gar nicht berücksichtigt worden sind, weil solche Geschütze einer ernsten Prüfung gar nicht Stand halten können.

Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass, während die Entwurfs- kanone von dem grössten Geschossgewicht ausging, die lüsung der Auf- gabe bei dem Steilfeuergeschütz mit dem kleinsten Geschossgewicht angeBtrebt ist. Der Grund ist leicht einzusehen. Beim Flachfouergeschütz ist für die Ueberwindung des Luftwiderstandes eine hohe Querdichte erforderlich, für die ein hohes Geschossgewicht nothwendig wird, wenn man nicht zu unverhältnissmässig grossen Geschosslängen übergehen will, die mit. mancherlei Nachtheilen verknüpft wären; beim Steilfeuergeschütz hat man aber auf eine hohe Querdichte keinen Werth zu legen, da bei der geringen Geschossgeschwindigkeit der Luftwiderstand nur einen ver- hältnissmässig geringen Theil der im Geschoss aufgespeicherten Arbeit verzehrt. Soll das Geschoss vornehmlich durch seine Splitter wirken, so genügt das vorgeschlagene Gewicht vollauf. Soll es dagegen auch Erd- deckungen durchschlagen, so wird man das Gewicht so vergrössern müssen, dass die Mitführung einer ausreichenden Geschossausrüstung auf Schwierig- keiten stösst. Ueberdies wird man dann zur Annahme mehrerer Ladungen genöthigt-, um auf allen Entfernungen die erforderlichen Fallwinkel zu erreichen. Begnügt man sich mit der Splitterwirkung, so reicht man höchst wahrscheinlich mit einer Ladung aus; schlimmstenfalls ist noch eine zweite nöthig.

Zu 2 c. In diesem Fall muss man, wie aus dem Vorstehenden her- vorgeht, zu schwereren Kalibern seine Zuflucht nehmen, von denen es dann sehr unwahrscheinlich ist, dass sie die für ein Feldgeschütz erforderliche Beweglichkeit haben. Die französische k. 12 cm-Kanone hat mit 2365 kg (ohne Bedienung) diese Grenze schon weit überschritten. Hier würde man am besten auf die bespannten Batterien der Fussartillerie zurückgreifen. Eine grosse Wirkung wird man im Feldkriege gegen darartige kleine Ziele niemals erwarten dürfen. jj Kohne.

Das Sirius-Gaslicht für militärische Zwecke.

Die Vortheile der modernen Beleuchtungssysterae kommen wegen der bedeutenden Kosten für gewöhnlich nur den Städten zu Btntten, während sich vereinzelt liegende Wohnsitze und Dörfer, wie namentlich auch Truppenübungs- und Schiessplätze mit der Einzelbeleuchtung durch Lampen u. s. w. begnügen müssen.

Um diesem Uebelstande abzuhelfen, beabsichtigen in neuerer Zeit elektrische Gesellschaften, an geeigneten Punkten Central-Beleuchtungs- anlagen für bestimmte Distrikte anznlegen, an welche sich die umliegenden Wohnsitze nach Belieben anschliessen können. Dies kommt jedoch zunächst nur auf grössere Städte in Betracht, und Gas-Centralstellen für Landhezirko sind, soweit bekannt, der hohen Kosten wegen noch nicht in Aussicht genommen.

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Das Sirius (iaslicht fiir militärische Zwecke.

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Diese ungünstigen Verhältnisse haben nun zu Erwägungen geführt, ob sieh nicht eine Beleuehtungsart für einzelne Wohnsitze, Uebungsplätze, ständige Truppenlager u. s. w. durch Erzeugung eines auf kaltem Wege leicht herzustellenden Leuchtgases finden Hesse, die der Steinkohlengas- Beleuchtung nicht nachstände, ohne jedoch anch nur annähernd die Un- kosten derselben zu verursachen.

Die in dieser Richtung angestellten Versuche haben denn auch ein recht gutes Ergebniss gehabt und finden in dom durch den Luftgas- Automaten der Sirius-Gesellschaft, Berlin, Taubenstrasse 54, erzeugten Luftgase ihren Ausdruck.

Das Sirius-Luftgas.

Für die Verbesserung der Beleuchtung lag es nahe, die Leuchtkraft des Steinkohlengases durch entsprechende Beimengung von Kohlenwasser- stoffen (Karburirung) zu erhöhen, und in dieser Richtung sind vielfache Versuche gemacht worden.

Die Karburirung des gewöhnlichen Leuchtgases wurde aber bald gegenstandslos, als mit dem Auftauchen des Auerschen Gasglühlichtes die IcuchtkTaft nicht mehr in der Flamme, sondern in dem zur Weissglühhitze gebrachten Glühkörper (dem Strumpf) gesucht wurde. In dem Auerschen Brenner wird nämlich durch Zuglöcher dem Gase atmosphärische Luft zugeführt, wodurch ein Gemisch entsteht, welches eine nur schwach leuchtende, aber intensiv heisse Flamme erzeugt, durch die der Glühkörper zur Weissglühhitze gebracht, wird und dann das bekannte helle weisse Licht giebt.

Wenn nun auch die Karburirung des gewöhnlichen Leuchtgases cnt- behrlich geworden war, so war doch der Weg gezeigt., dem gesteckten Ziele, der Gasbeleuchtung einzeln gelegener Orte durch Erzeugung des Gases auf kaltem Wege an Ort und Stelle, näherzukommen.

Demgemäss wurden die Versuche in der Richtung fortgesetzt, dass man brennbare, mit schwacher Flamme leuchtende Gase oder auch nicht brennbare Gase, wie atmosphärische Luft, zu karburiren und hierdurch ein leuchtkräftiges Gas zu erzeugen suchte, das in entsprechenden Mischungs- verhältnissen für alle Brennerarten brauchbar wäre.

Das Ergebniss dieser Versuche war ein sehr gutes, insbesondere bezüglich der Mischung von Kohlenwasserstoffgas mit atmosphärischer Luft, denn die Herstellung dieser Mischung ist eine sehr einfache, und die Lichtwirkung stellt der des gewöhnlichen Leuchtgases nicht nach.

Diese Mischung ist nun das Sirius-Luftgas.

Als Karburirmittel wird das sogenannte Sirius-Oel (Gasolin) verwendet, ein Nebenprodukt bei der Raffinerie des Petroleums. Dieses Oel ver- flüchtigt sich schon bei sehr niedrigen Temperaturen und ist, infolgedessen für die Herstellung des Lnftgases auf kaltem Wege ganz besonders geeignet.

Der Sirius- Apparat. (Abbild. 1 u. 2.)

Der Sirius -Apparat besteht aus einem Schrank A von Eisenblech, in welchem die zur Erzeugung des Gases erforderlichen Einrichtungen ver- einigt sind. Er enthält, drei Haupttheile, nämlich

a. den Karburator D,

b. das Gebläse RB,

c. das Triebwerk mit Treibgewicht U.

Zu a. Der Karburator ü hat den Zweck, das Gas brennfertig zu erzeugen,

d. h. die ihm zngeführte Luft mit Kohlenwasserstoffdämpfen zu sättigen.

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Das Sirius-Gaslicht für militärische Zwecke.

Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass die zugeführte Loft über möglichst grosse Flächen des zu verdunstenden Oels geleitet wird, um das gewünschte Mischungsverhältniss möglichst rasch und vollkommen zu erhalten.

Demzufolge ist der Karburator zur Aufnahme des Oels je nach seiner Grösse in mehrere Fächer oder Etagen C getheilt, die eine solche Ein- richtung besitzen, dass sich beim Eingiessen des Oels zunächst das obere

Abbild. 1. Abbild. 2.

Luftgasapparat Sirius.

Fach und durch Ueberlaufvorrichtungen u nach und nach «lie darunter- liegeuden füllen. Hierdurch ist bei einer höchst einfachen Art der Füllung der Verdunstungsfächer dafür gesorgt, dass in jedem Fache die erforder- liche Menge Oel zurückbleibt.

Mittelst verglaster Beobachtungslöcher in der Vorderwanddes Karburators kann beobachtet werden, ob die einzelnen Fächer richtig gefüllt sind.

Eine lose I’flanzonfaserpackung in den Fächern dient dazu, das Oel etwas zu binden.

Ueber diese so hergorichteteu Verdunstungsflächeu wird nun die atmo- sphärische Luft getrieben, und die Mischung geht vor sich.

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Das Sirius-Gaslicht für militärische Zwecke.

119

Hiermit sind indessen die Faktoren für einen ungestörten Betrieb noch nicht erschöpft, denn durch die heftige Verdunstung des Oels tritt eine solche Abkühlung ein, dass sie unter den diesen Vorgang begün- stigenden äusseren Umständen geeignet ist, das Oel zum Erstarren zu bringen, was selbstverständlich ein Aufhören der Gasentwickelung zur Folge haben würde.

Um Letzterem vorzubengen, besitzt der Apparat eine Anwärme- vorrichtung, bestehend in einem sämmtliche Etagen in der Mitte senkrecht durchsetzenden Behälter W, der mit Wasser von etwa + 30°R. angefüllt der Abkühlung durch seine Wärmeausstrahlung entgegenwirkt. Durch diese Vorrichtung ist man in der Lage, die Temperatur des Oels auch in einem kalten Aufstellnngsramne durch gelegentliches Ablassen und Nach- füllen des Wassers in zweckdienlicher Weise zu reguliren. Stehen für diese einige Aufmerksamkeit erfordernde Arbeit Arbeitskräfte nicht zur Verfügung, so können hierzu auch die in der Industrie vorhandenen kleineren Warmwasser-Circulirapparate in Anwendung gebracht werden.

Für das Ein- und Ausfüllen des Oels und WasserB befinden sich in der Aussenwand des obersten und untersten Faches je ein Oel- und ein Wassertrichter bezw. -hahn g, h bezw. k, 1. Während durch den Oeltrichter g des obersten Faches sämmtliche Fächer gefüllt werden können, lässt sich durch den Huhn h des untersten Faches nur das Oel entfernen, welches über die unterste Ueberlaufvorrichtung u übergelaufen ist, da die Haupt- masse des Oels in allen Etagen bis zur Höhe der Ueberlaufröhren fest- gehalten wird. Zur etwaigen Entleerung der einzelnen Etagen dienen besondere Hähne i.

Vom untersten Fache geht das Kohr Z aus, welches das Gas in die Rohrleitung leitet, während in das oberste Fach das Luftzuführungs- rohr E mündet. Diese beiden Rohre sind über dem Karburator durch ein Qnerrohr Q mit dem Regulirhahn F verbunden, um dem ansströmenden Gase, falls es zu stark mit Kohlenwasserstoff gesättigt erscheint, noch im letzten Augenblick vor dem Ausströmen aus dem Apparat nach Bedarf Luft zuführen zu können.

Zn b. Das Gebläse K B besteht aus fünf Blasebälgen, von denen der untere, grösste, R, die Aufgabe hat, dem Karburator die Luft mit gleich- mässigem Druck zuzuführen. Stärkeren oder geringeren Druck erzielt man durch Auflegen bezw. Abnehmen von Gewichten auf den Aspirator. Damit die Luft nicht nach oben aus letzterem entweichen kann, ist in dem Luft- zuführungsrohr E ein Rückschlagventil V angebracht. Die Luftversorgung des Aspirators wird durch vier darüberliegende kleinere Blasebälge B von gleicher Form bewirkt, deren Ventilvorrichtungen ihrem Zweck entsprechen.

Zu c. Zur Inbetriebsetzung des Ganzen dient ein auf der Decke des Schranks A angebrachtes Triebwerk U, das durch eine Seiltrommel, Seil und Treibgewicht in Bewegung gesetzt wird. Die Einzelheiten dieser Vor- richtung gehen aus den Zeichnungen hervor, und bleibt nur zu bemerken, dass das in Bewegung befindliche Werk durch eine einfache Arretirnugs- vorrichtung augenblicklich zum Stillstand gebracht werden kann. Das Gewicht des Triebwerks sinkt bei Anwendung von nur einer Seilrolle in einer Stunde etwa 60 cm, und kann hiernach je nach der Höhe des Apparat- Auf stellungsraum es festgestellt werden, in welchen Zeiträumen das Auf- ziehen des Triebwerkes erfolgen muss. Eine Klingelvorrichtung signalisirt ausserdem diesen Zeitpunkt. Durch Uebertragungen des Triebseiles kann, was für niedrige Räume von Wichtigkeit ist, das Sinkmaass des Gewichtes entsprechend vermindert werden.

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Das Sirius Gaslicht für militärische Zwecke.

Anfstellungsraum und Bedienung.

Der grösste Luftgas-Apparat erfordert eine Grundfläche von etwa 1,5 m im Quadrat bei einer Höhe von 1,5 m. Je höher der Aufstellungs- raum ist, desto einfacher gestalten sieh die Vorrichtungen für die Trieb- kraft. Bei einem sehr niedrigen AufsteLlungsraura empfiehlt es sich, au geeigneter Stelle eine Umfassungsmauer oder die Decke zu durchbrechen und die Triebkraft ansserhalb anzubringen. Für die Aufstellung ist es von Vortheil, solche Räume zu wählen, deren Temperatur nicht wesentlich unter 10° R. sinkt, um ein öfteres Anwärmen zu vermeiden. Die Bedienung des Apparates ist eine so einfache, dass sie von jeder verständigen Ordonnanz oder sonstigem Bediensteten in kürzester Zeit gelernt und anstandslos ausgeübt werden kann. Das Eingiessen des Oels in den Karburator, das je nach Umständen wöchentlich ein- bis zweimal erforder- lich ist, soll nur am Tage geschehen, um jode Explosionsgefahr aus- zuschliessen. Zwar ist dieselbe nicht grösser als bei dem gewöhnlichen Leuchtgas, indessen erscheint es doch der Vorsicht halber geboten, diesen Punkt hervorzuheben, um jedem durch Unvorsichtigkeit etwa zu gewär- tigenden Schaden vorzubeugen. Im Uebrigen ist während des Betriebes wie beim Stillstehen des Apparates jede Explosionsgefahr ausgeschlossen, da im ersteren Falle sich nur immer so viel Gas entwickelt, als gerade gebraucht wird, in letzterem Falle aber die Gasentwickelung ganz aufhört.

Verwendbarkeit für militärische Zwecke.

a. Friedenszwecke.

Da das Luftgas in seiner Leuchtwirkung der des gewöhnlichen Leucht- gases nicht nachsteht, so kann es ohne Bedenken an Stelle des letzteren an allen Orten verwendet werden, deren Versorgung mit Gaslicht aus den stationären, grossen Gasanstalten nicht möglich ist. Es eignet sich dem- gemäss zur Erleuchtung von vereinzelt liegenden Offizierkasinos, Kasernen und deren Höfen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Stallungen, Bahnhöfen der Militäreisenbahn, Schiessstandswachen u. s. w.

b. Kriegszwecke.

Hierbei ist die stationäre und ambulante Verwendbarkeit in Betracht zu ziehen. In ersterer Beziehung ist es geeignet zur Erleuchtung von Wohnkasematten , Hofräumen, Rampen sowie solchen Aufbewahrungs- räumen und Werkstätten in detachirten Forts, in denen Arbeiten mit explosiblen Stoffen nicht vorgenommen werden. Auch in Beleuchtungs- öffnungen würde es gut verwendbar sein. Jedenfalls steht ausser Zweifel, dass die Beleuchtung eines Forts mit Luftgas, sowohl was die Kosten der .Anlage wie die Einfachheit der Bedienung betrifft, einer elektrischen Anlage bei Weitem vorzuziehen sein dürfte, insbesondere auch, weil die Lichtwirkung, wenn auch nicht so gross wie die elektrische, doch eine vollkommen ausreichende ist.

Für ambulante Zwecke erscheint der Apparat deshalb ganz besonders geeignet, weil er bei mittlerer Grössennummer, deren Verwendung sich für diesen Zweck wohl am besten eignen dürfte, auf jedem beliebigen Fahrzeuge transportirt werden kann und an Stelle der für Gasleitungen sonst üblichen eisernen Leitungsrohre Guinmischlänche verwendet werden können. Der von dem mitznführenden Oel beanspruchte Raum auf einem Fahrzeuge ist ebenfalls ein geringer. Hiernach dürfte sich die Luftgas- Beleuchtung auch für Baracken, Feldlazarethe und Verbandstellen recht gut eignen, wobei als besonders wichtig hervorgehoben werden muss, dass

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Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst und Industrie Ausstellung 1897. 121

das erzeugte Gas gleichzeitig zum Heizen, Kochen und Löthen verwendet werden kann, sofern die hierzu erforderlichen Vorrichtungen herangezogen werden.

c. Signalwesen.

Des Weiteren verspricht der Luftgas -Apparat auch auf dem Gebiete des Signalwesens Erfolge, da er nicht annähernd die umständliche Bedienung erfordert wie der elektrische Apparat. Versuche in dieser Richtung sind indessen noch nicht angestellt.

Fasst man nun das Vorgesagte zusammen, so geht daraus hervor, dass in dem Sirius-Apparat ein auch fiir militärische Zwecke höchst brauchbares Werkzeug gefunden worden ist, und seitens der Militär- verwaltung sind bereits mehrfache Versuche in die Wege geleitet.

Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie-Ausstellung 1897.

Von J. Schott, Major a. D.

(Hchlus.)

Mit «Iner Tafel.

Die Königliche Fortif ikation hat die verschiedenen bei den Festungen des Reichs in Anwendung stehenden Panzerkonstruktionen in Zeichnungen vorgeführt. Drei derselben sind auf dem Paberg westlich der Zentralfestung Karlsborg tun Wetternsee bei den dort im Bau begriffenen Forts angebracht und zwar zwei Panzerkuppeln für 6 cm - Schnellfeuer- kanonen, die eine von Bofors, die andere von der Gesellschaft Nordenfeit konstniirt und von Finspong ausgeführt, sowie ein Senkthurm für kurze 6 cm - Schnellfeuerkanonen von Finspong. Ein Senkthurm für eine lange 6 cm-Sehnellfeuerkanone, gleichfalls von Finspong, findet sich auf Kungs- holm, einer Befestigung, welche zur Seefestung Karlskrona gehört.

Sehr reichhaltig war die Ausstellung der Ingenieurtruppen. Es bestehen deren im Frieden zwei Bataillone, Svea in Stockholm und Göta in Karlsborg. Das erstere hat 1! Ingenieurkompagnien von je 100 Mann, 1 Parkkompagnie von 60 und 1 Feldtelegraphenkompagnie von 120 Mann. Das Götabataillon hat keine Telegraphenkompagnie, sonst steht es gleich. Svea hat 50, Göta 30 Stammpferde. Sehr bedeutend ist die Zahl der Ein- heiten, welche daraus im Kriege hervorgehen sollen: 6 Feld- und 3 Festungs- ingenieurkompagnien, 6 Feldingenieurkompagnietrains, 0 Brückentrains, 6 Feldtelegraphenabtheilungstrains, 1 Reserveschanzzeugkolonne, der In- genieurstabstrain, 6 Feldtelegraphenabtheilungen und 1 Stationsabthei- lung für das Hauptquartier. Dazu die nöthigen Ersatztruppen. Aus- gestellt war die gesammte Ausrüstung der Kompagnie mit den Fahrzeugen. Man sah ferner das ganze von einem Brückentrain, von einer Feldtele- graphenahtheilung sowie von einer Reserveschanzzeugkolonne mitgeführte Material. Ein Brückentrain zählt 8 Bock-, 16 Ponton-, 4 Werkzeugwagen, Alles konstruirt vom Obersten V. Normann. Man kann damit eine 72 m lange, 3 m breite Norrnnlbrücke oder eine 96 m lange, 2,25 m breite Lauf- briicke oder einen 142 ni langen, 1,5 m breiten Steg schlagen. Zum Uebersetzen lassen sich 4 2 theilige oder 1 24heilige und 2 3 theilige

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122 Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie-Ausstellung 1897.

Maschinen herstellcn. Eine 3 theilige Maschine kann 60 bis 70 Mann oder 10 bis 12 Pferde mit abgesessenen Reitern oder 1 Geschütz mit Protze, Bespannung und Bedienung aufnehmen. Eine Feldtelegraphenabtheilung hat 2 Stations-, 3 Stangen-, 3 Draht-, 2 Materialien- und 1 Werkzeugwagen. Die Abtheilung führt Ausrüstung für 7 elektrische Stationen, 30 km Lei- tungsdraht und 7 km Kabel mit. Verschiedene Brückenmodelle waren im Ansstellungsgebäude, ausserhalb in einem Zelt eine vollständig einge- richtete Feldtelegraphenstation zu sehen.

Für optische Telegraphie ist noch keine Ausrüstung festgestellt. Die Feldtelegraphenkompagnie übt indess sowohl bei Tag als bei Nacht den optischen Signaldienst. Ansgestellt waren nur die Signalflaggen mit Stangen, die dänischen Signalapparate Tychsen und Rambusch mit Stativ, Signalapparat mit Segel, 2 Blechkasten, 4 Lampen, 1 Heliograph mit Stativ. Den Apparat von Tychsen jetzt Kriegsminister in Dänemark) habe ich schon 1888 auf der nordischen Ausstellung in Kopenhagen gesehen. Durch lange und kurze Lichterscheinungen wird ein Alphabet dargestellt (ähnlich wie beim Morseapparat), die Lichtquelle befindet sich im Brennpunkt einer bikonvexen Linse, wodurch die Strahlen zu einem etwas konischen Bündel vereinigt werden. Als Lichtquelle benutzt Tychsen eine Petroleumlampe mit Rnndbrenuer. Die Reserveschanzzeugkolonne führt 2 Stabs-, 2 Hand- werks-, 2 Sprengmittel-, 2 Torpedo- und 10 Schanzzeugwagen. Als Spreng- ausrüstung sind verladen: 1600 kg brisanter Sprengstoff, 600 kg Pulver, 3000 Zündhütchen, 1200 m Knallzündschnur, 800 m gewöhnliche Zünd- schnur, 120 Torpedos.

Das Göta-Ingenieurbataillon hat einen eigenen Brieftaubenschlag, in welchem ein Stamm von 50 Tauben gehalten wird. Beim Svea-Bataillon hat der schwedische Brieftaubenverein einen Schlag aufgestellt, der vom Bataillon bedient wird. Ein Theil eines Taubenschlages war in natürlicher Grösse ausgestellt, darin ausgestopfte Tauben, ebenso die Photographie eines Schlages mit lebenden Tauben zu sehen. Futtertopf und Trink- schalen, Badewannen, Fnssringe, Depeschenfedom mit Depeschen, Trans- portkorb waren vorhanden; nachgebildet die Taube im Flug, in Photo- graphien beim Stempeln und beim Aufsteigen, mit dem königlichen Wappen gestempelte Schwungfedern (unterhalb) und die an einer der Schwanzfeder befestigten Federkiele, welche die auf Kollodiumhäutchen inikrophotographirten Depeschen aufnehmen, zu schauen. Ebne Taube kann eine Serie bis zu 18 Depeschen, die zusammen etwa 0,5 g wiegen, befördern.

Eine besondere Ausstellung hatte der Train. Diese Waffe zählt 2 Bataillone hohen und 2 niederen Etats, die ersteren in Stockholm und Landskrona, die letzteren in Karlsborg und Sollefteil. Jedes Bataillon zählt 1 Train- und 1 Krankenwärterkompagnie. Eine Trainkompagnie hohen Etats hat an Chargen 10 Offiziere, 21 Unteroffiziere, 42 Gefreite, eine Krankenwärterkompagnie 8 Offiziere, 18 Unteroffiziere, 30 Gefreite. Die Kompagnien niederen Etats sind halb so stark an Chargen. Die Ge- sammtzahl aller Gemeinen ist 306, der Stammpferde 108. Im Kriege werden formirt: Trainstäbe, fliegende Pferdedepots, Feldbäckereien und Schlächtereien, Proviantkolonnen, Sanitätskompagnien, Feldlazarethe, Krankenpfleger- und Veterinärreserven, Etappenlazareth, Etappenkrankenstall und Sanitätszüge. Von den einzelnen Kriegsformationen konnte man die Ausrüstung sehen. Einzelne Fahrzeuge waren ausgestellt, so Krankenwagen, Sanitätswagen, Bataillonsmedizinwagen, Packwagen. Reich ausgestattet war die Ausstellung für Lazarethwesen, Dienst des Sanitätspersonals, In-

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Zu: Kriejc*techni»che Zeitschrift Heft 3, S. 123.

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15,5 cm Festungskanone L/28 der Geschutzgiesserei ßofors.

Die Kriegst echiiik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie -Ausstellung 1897. \2;i

strumente für Aerzte, Veterinär, Krankenpflege u. s. w. In der Abtheilung Armeeverpflegung sah man die Friedens-, die Feld-, die Reserveportion des Mannes, ebenso die Fouragerationen in natura. Die Feldportion be- trägt 500 g Hartbrot (Zwieback), 300 g frisches Fleisch, 150 g Salzfleisch, 100 g Reis, 100 g Siissrahmkäse, 15 g gemahlenen Kaffee, 15 g Zucker, 20 g Salz, die Feldration 5,5 kg Hafer, 3 kg Heu, 2 kg Stroh. Man sah auch Kochservices für Infanterie und Kavallerie, Dampfkochapparate. Das Kaserneninventar war ebensowenig vergessen.

Wir wenden uns nun zu den Hanptvertretern der Privatindustrie.

Die Gesellschaft Bofors-Gullsp&ug hat bisher in der technischen Litteratur ausserhalb Schwedens wenig Erwähnung gefunden. Die Schweiz hat nach dortigen Mittheilungen vor zwei Jahren 12 em-Stahlgranaten L/3,7 von Bofors bezogen, um Versuche über Granaten mit sehr grossem Sprengladungsranm anzustellen. Auch hat sie 1896 ein 12cm-Bofors- Stahlrohr neben einem Rohr von Krupp zu Versuchen bezüglich im Rohr krepirender Sprenggranaten herangezogen, wol>ei beide Rohre gleich günstiges Verhalten zeigten. Die »Revue d’artilleriec erwähnt Bofors in den Jahr- gängen 1891 und 1895. Die schwedische Marine bezieht von Bofors 12 und 15 cm-Stahlrohre, ebenso ist Bofors Lieferant für die Lundartillerie und Fortiflkation (siehe oben). Die Kataloge nennen auch die Gesellschaft Cail in Paris und die Republik Uruguay als Abnehmer der Konstruktionen von Bofors. Statistische Angaben über die Werke selber fehlen uns.

Den uns freundlichst überlassenen Druckschriften entnehmen wir, dass die Gesellschaft 1884 eine Broschüre über »Die Geschütze in Bofors-Stahl« an die Interessenten und Freunde der Werke ansgegeben hatte, die uns in einer neuen Ausgabe vorliegt. Die in der ersten Ausgabe enthalten gewesenen Versuche bezogen sich besonders auf Positionskanonen von 11,7 cm, Feldkanonen von 8,4 cm, Schiffskanonen von 12,14 cm, in der zweiten Ausgabe kommen 12 cm-Positionskanonen, 15,5 cm-Festungskanonen (s. Tafel) und 15,24 cm-Schiffskanonen vor. Bei den Versuchen mit den Rohren aus Bofors-Stahl sind im Ganzen bis jetzt 1 0 000 Schuss abgegeben worden mit dem Zweck, die Vortheile dieses Stahls als Rohrmaterial nachzuweisen. Es ist bei diesen Versuchen sowie bei den Schiessübungen in der Truppe kein einziges Vorkoinmniss zu melden gewesen, welches dem Material als solchem zur Last zu legen wäre. Man schreibt dies der Festigkeit und Elastizität desselben, noch mehr aber der Zähigkeit (duetilites zu, welche durch kein anderes Geschützmaterial ühertroffon worden sein soll. Das Herstellungsverfahren wird als ein so einfaches bezeichnet, dass jedes einzelne Rohr die gleichen Vorzüge hinsichtlich jener Eigenschaften erhält. Die neueren Versuche haben thcils in der Schweiz mit zwei 12 cm-Positionskanonen (1887 geliefert), thoils in Schweden mit der 15,5 cm-Festungskanone diese als Vorversuche auf dem Schiessplatz der Werke, wie später auf dem grossen Artillerie-Schiessplatz bei Manna (südlich Gelle) , seitens der Marine mit der 15,24 cm-Kanone derselben stattgefunden. Ein Eingehen hierauf müssen wir uns versagen, ebenso über das Folgende uns kurz fassen.

Weitere Versuche beziehen sich auf eine Schnellfeuer-Schiffskanone 12,16 cm L/44,4 in Fanzerlaffete (nicht im Sinne der Schumannsehen Konstruktionen). Eine Dimensionstabelle bringt Schnellfeuer-Schiffskanonen von 3,7 cm, 4,7 cm, 5,7 cm, 6,5 cm, 7 cm, 7,5 cm, 12 cm, 15 cm zur Dar- stellung, Zeichnungen sind beigefügt. Eine besondere Broschüre ist dem patentirten ogivalen Schnellfeuer-Schraubenverschluss gewidmet. Endlich liegt ein Bericht über eine um die Jahreswende 1894/5 stattgefundene

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124 Pie Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie-Ausstellung 1897.

Beschiessung von Panzerplatten aus Bofors-Stahl von 9 cm und 9,6 cm .Stärke aus der 1 2 em-Schnellfeuerkanone L/44 mit Stahlgranaten von 21 kg Gewicht vor. Aus alledem ergiebt sich, auf welche verschiedenen Gebiete sich die Leistungen der Werke erstrecken.

Was die 1897 in Stockholm ausgestellten Objekte betrifft, so waren dieselben in einem Pavillon vereinigt, aus dessen Seitenwänden die Rohre von zwei 25 cm-Kanonen der Marine herausschauten, welche für das im Bau begriffene Panzerboot erster Klasse »Thor» bestimmt sind.

Im Innern des Gebäudes befanden sich: eine 15,24 cm-Kanone mit einem den Versuchen unterworfen gewesenen Rohr in Martinstahl (ähnlich ist das in der Marine angenommene M/91), eine 12 cm-Schnellfeuerkanone L/45 M/94, angenommen in der Marine für sämmtliche 12 cm-Kanonen (die Maasse sind nicht völlig mit den im Marinekatalog angegebenen übereinstimmend), eine 7,5 cm-Schnellfenerkanone L/30, deren Verschluss- mechanismus von den Werken Cail in Paris und von der Republik Uruguay angenommen iBt, eine 7,5 cm-Boot- und Landungskanone, an- genommen von der norwegischen Marine, eine 4,7 cm-Schnellfeuerkanone L/30 M 91 (Geschossgewicht 1,5 kg, Mündnngsgeschwindigkeit 540 m), Versuchsrohr, der Typus ist angenommen in der schwedischen Festungs- artillerie.

An beschossenen Panzerplatten waren ausgestellt: eine 25 cm starke Platte von Nickelstahl, beschossen mit 24 cm- und 12 cm-Panzergranaten, eine 9,1cm starke Platte desgl., beschossen mit 1 2 cm-Panzergranaten, eine Probeplatte zur Panzerlaffete für die 5,7 cm - Schnellfeuerkanone (sogenannter 6 cm-Panzerthurm), Angabe der Stärke fehlt, beschossen mit 12 cm- und 8 cm-Panzergranaten. Hierzu lagen Auszüge aus den Versuchs- protokollen vor. Die gegen die 25cm-Platte abgegebenen drei ^cm- Panzergranaten wogen 21 kg, die zwei 24 cm- 144 kg, lebendige Kraft beim Aufschläge 382,19 mt, 351,87 mt, 368,00 mt, bezw. pro Centimeter Umfang 10,189 mt, 9,381 mt, 9,81 1 mt beim 12 cm, 1191,021 mt, 1206,431 mt bezw. pro Centimeter Umfang 15,829 mt, 1 6,034 mt beim 24 cm. Beim ersten Schuss drang das Geschoss 20,9 cm ein und wurde zertrümmert, beim zweiten und dritten durchschlug es beinahe die Platte, blieb aber ganz, beim vierten drang es noch 3,5 cm in die Hinterlage, blieb jedoch ganz, und beim fünften drang es ebenso tief ein, ging aber in Stücke. Die Platte zeigte nur feine Risse, hat sich also ansgezeichnet verhalten. Bei der 9,1 em-Platte fehlen die Angaben über die Kraft- der Geschosse, dieselben drangen sämmtlich 6 bis 8 cm in die Rücklage, die Platte hatte aber nur kürzere Haarrisse. Gegen den Panzerthurm wurde zuerst die 12 cm-Kanone M/85 mit ihrer neuen Chromstahl- Panzergranate von 16,8 kg gebraucht, 371,5 m Auftreffgeschwindigkeit (Ladung von 5 mm Feldgesehütz- pnlver M/89 2,35 kg', alle Geschosse wurden zertrümmert, kein Riss hatte sich gezeigt. Die 8,4 cm-Kanone mit ebensolchem Geschoss von Chrom- stahl, Gewicht- 6,7 kg, Auftreffgeschwindigkeit 502 m. Erst vom fünften .Schlisse an zeigten sich Haarrisse auf der vorderen bezw. hinteren Fläche, der achte und letzte Schuss wurde auf den Treffpunkt des dritten gerichtet, wobei die Risse sich etwas fortsetzten, die vier letzten Geschosse wurden zertrümmert.

Ueber die 7,5 cm-Feldkauone giebt der Katalog das Vorhandensein von zwei verschieden schweren Geschossen an. Das leichtere von 5,8 kg erlangte mit 475 g Nobel-Pulver 520 m, das schwerere von 6,8 kg mit 450 g 476 m Mündungsgeschwindigkeit. Das Rohr wiegt 370 kg, das feuernde Geschütz 1 000 kg. Nähere Angaben über Konstruktionsverhältnisse fehlen.

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Die Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie Ausstellung 1897. ] 25

Ein Preiscourant von 1888, in welchem indes» keine Preise eingetragen sind, enthält eine grosse Menge verschiedener Modelle der Geschütze und Geschossarten, der Geschütze bis zum 24 em-Kaliber, der Geschosse bis zum 35 cm-Kaliber hinauf. Es ist nicht anzuuehmen, dass diese Geschütze alle durchgearbeitet sind, es wird auch dem Besteller anheimgegeben, Zeichnungen oder Konstruktionsbedingungen einzusenden. Jedenfalls nehmen aber die Bofors-Werke einen hohen Rang unter den artilleristischen Anstalten der Gegenwart ein.

Die Werke von Finspong sind seit 1885 in die Aktiengesellschaft sFinspongs Geschützfabrik« umgewandelt worden. Finspong (eigent- lich Finspängl liegt an einem gleichnamigen Flnsse, der sich in den Glansee ergiesst; es ist Station der Schmalspurbahn Norsholm Pälsboda. Schon im 13. Jahrhundert kommt in diesen Gegenden Bergbau vor. Einen grossen Aufschwung nahm Finspong durch die um des Glaubens willen um 1600 aus Belgien geflüchteten Wallonen, durch welche der Bergbau und Hüttenbetrieb in Schweden überhaupt sehr gewonnen hat. Besonders genannt wird hier Louis de Geer, der mit Gustav II. Adolf in Beziehungen trat und schwedischer Unterthan wurde. Er ist der eigentliche Schöpfer der schwedischen Hüttenindustrie, insbesondere brachte er die Kunst der Geschützgiesserei aus Eisen auf eine hohe Stufe.

Gegenwärtig zählt das Werk zwei Hochöfen, aus welchen lange Jahre die eisernen Geschützrohre direkt gegossen wurden. Jetzt wird hier besonders das Gusseisen erblasen, aus welchem später der Geschützstahl hervorgeht. Noch 1860 wurde im Anschluss hieran eine grosso Giesserei mit fünf Dammgruben mul ebensoviel Reverber-Oefen angelegt, welche für noch vorkommende besonders grosse Stücke von Eisenguss, wie Schwung- räder, Vorpanzer, Platten walzen benutzt wird; kleinere Gussstücke, wie Geschosse, Eisenbahnräder, Kammräder werden in der kleinen Giesserei hergestellt. Ausser dem Walzwerk mit drei Regeneratoröfen besteht ein besonderes Platten Walzwerk für Platten bis 1000 t. Nägel- und Hufeisen- fabrik haben eine bedeutende Ausdehnung, letztere kann mit neun Maschinen jährlich 300 t verarbeiten. In der mechanischen Werkstatt werden haupt- sächlich Artilleriematerial sowie Panzertlüirme gefertigt. Zum Besitz der Gesellschaft gehört noch das Lotorper Werk, wo besonders der Martinstahl hergestellt wird, und das Sten's Werk mit den neueren Hochöfen. In ersterem werden jährlich 6000 t Martinguss und 600 t sonstiger Stahlguss hergestellt, in letzterem jährlich 9000 bis 10 000 t Gusseisen aus eigenen Erzen der Gesellschaft gewonnen. Steinhauerei und -Schleiferei, sowie die Land- und Waldwirtschaft haben gleichfalls eine grosso Ausdehnung.

Die Ausfuhr der eisernen Kanonenrohre ging anfangs hauptsächlich nach Holland. 1830 betrug die Fabrikation bereits 2000 bis 3000 Schiffs- pfund 160 kg) ohne die Eisenmunition, sonstigen Gussstücke, Guss- und Schmiedeeisen. Zn den Absatzgebieten gehörten in jener Zeit bereits Dänemark, Russland, Preussen, der Deutsche Bund, Italien und andere Länder, selbst Aegypten. Russland bestellte besonders umfassend nach dem Krimkriege.

Finspong hat es rechtzeitig verstanden, sich der modernen Geschütz- fabrikation zuzuwenden und namentlich in den letzten Jahren Modelle von Schnellfeuerkanonen des Feld- wie Festungskrieges aufgestellt, die Beachtung finden. Für Schnellfeuerkanonen geringeren Kalibers wurde nach einem Wettbewerb mit Bofors und Nordenfeit der Mechanismus von Finspong angenommen, der von dem Ingenieur der Werke, Thronsen, stammt und für die minderen Kaliber aus einer Keil-, für die grösseren

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1 26 I Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- und Industrie-Ausstellung 1897.

aus einer kombinirten Keil- und Sehraubenkonstruktion besteht. 1896 fand in Gegenwart von in- wie ausländischen Offizieren ein Versuchs- schiessen mit einer 7,5 cm-Schnellfeuer-Feldkanone und einer 12 cm-Schnell- feuerkanone L/45 statt, wobei sich diese Konstruktionen grosser Anerkennung zu erfreuen hatten. Die Festung Oscar-Frederiksborg, welche die Haupt- einfahrt durch die Schären nach Stockholm sperrt, ist mit sechs von Finspong gelieferten 24 cm-Haubitzen M/94 armirt, Panzcrthürme sind für Karlskrona und Karlsborg gefertigt worden. Die Stahlgeschosse erfreuen sich eines hohen Rufes und haben dies noch bei einem kürzlichen Ver- suchsseh iessen in Creuzot gegen Platten für das im Bau befindliche Panzerboot erster Klasse »Oden« nachgewiesen, wobei die Finspong- Geschosse die 25 cm - Platte durchschlugen , ohne zertrümmert zu werden.

Auf der Ausstellung hatte Finspong einen eigenen Pavillon, dessen Fa^ade zwei durch einen Bogen verbundene Thiirme in der bezeichnenden Gestalt von modernen Langgeschossen bildeten. Die oben erwähnten beiden Schnellfeuerkanonen waren vertreten. Die 1 2 cm-Schuellfeuerkanone lag in einer Walllaffcte für Seefestungen. Der mit der 7,5 cm-Kanono übereinstimmende Verschluss ist durch eine Schraube gebildet, deren Gewinde auf zwei gegenüberliegenden Seiten durch konzentrische Cylinder- flächen, eine konvexe und eine konkave, weggenommeu sind. Durch eine Drehung um etwa 90° treten die Gewinde der Schraube aus den ent- sprechenden Gewinden des hinteren Rohrtheils, und nun lässt sich diese mittelst eines Hebels in einer Führung des Rohrs soweit seitwärts schieben, bis das letztere geöffnet ist. Zum Schliessen erfolgt die umgekehrte Bewegung. Auf diese Weise ist die Handhabung der Schraube eine sehr einfache. Weitere Einzelheiten müssen wir uns versagen, sie finden sich im Juliheft der »Revue d’artillerie«. Der Verschluss ist auf die Metall- kartusche gegründet. Das Rohr wiegt 2600 kg, mit Laffete beträgt das Gewicht 6700 kg, der grösste Rücklauf ist 30 cm. Das Geschoss wiegt. 20 kg nnd erlangt mit 3,75 kg Röhrenballistit eine Geschwindigkeit von 783 m bei 2380 Atmosphären Gasdruck. Die lebendige Kraft beträgt 625,4 mt, pro Kilogramm Rohrgewicht 240,7 mkg. In einer Minute sind zehn Schuss möglich.

Bei der 7,5 cm-Schnellfeuer-Feldkanone L/32 ruht das stählerne Mantel- rohr in einer Wiege, die Rückwärtsbewegung beschränkt eine hydraulische Bremse auf etwa 53 cm, eine Feder führt das Rohr in seine Stellung wieder vor. Eine feine Seitenrichtung bis zu ist nach beiden Seiten gewährleistet. Die Laffete hat an ihrem Untertheil einen Spaten und eine Grenzplatte, um das zu tiefe Eindringen der Laffete in den Erdboden zu verhindern. Eine Radbremso ermässigt, sclbstthätig wirkend, die Rück- wärtsbewegung auf den Geschützstand, eine eingelegte Federung führt die Laffete wieder vor. Eine kurze Beschreibung der Einrichtung mit einigen Abbildungen befindet sich gleichfalls im Juliheft der jRcvue d'artillerie*. Das Rohr wiegt mit Verschluss 417 kg, das feuernde Geschütz 980 kg, das Gesammtgewicht des ausgerüsteten Geschützes mit Protze ist 1638 kg. Das 6 kg schwere Geschoss, ein Schrapnel mit Bodenkammer, erhält mit 0,450 kg 3 mm Ballistit eine Anfangsgeschwindigkeit von 507 m bei einem Gasdruck von 1915 Atmosphären (so der Katalog der Werke; »Revue d’artillerie« giebt für 500 g Ballistit 564 m bei 2286 Atmosphären an). Die lebendige Kraft an der Mündung ist 78,61 mt, pro Kilogramm Rohr- gewicht 188,5 mkg. Mit Kontrole der Richtung lassen sich zehn Schuss in 70 Sekunden, ohne solche in 30 Sekunden abgel>en.

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Dip Kriegstechnik auf der Stockholmer Kunst- uml Industrie -Ausstellung 1897. 127

Sonstige artilleristische Ausstellungsobjekte sind: eine 7,5 cm halb- selbstthätige Kanone L 27 in Kaponnierenlaffete, eine selbstthätige 5,7 cm L/46 für Schiffe oder Küstenbefestigung, eine 5,7 cm-Schnellfeucrkanone L/46 ohne Rücklauf für die norwegische Artillerie, eine 5,7 cm-Schnell- feuerkanone L/26 in Kaponierenlaffete, für Schweden geliefert, 4,7 cm- Schnellfeuerkanonen L/52 und L/26. Sehr umfangreich war die Sammlung von Artilleriegeschossen aller Art von 30,5 cm Kaliber mit einem Gewicht von 329 kg bis hinab zum 4,7 cm von 1 ,5 kg. Als gegen Panzerplatten verschossen, waren ausgestellt neun Stahlgescliosso verschiedener Kaliber von 27 cm bis 5,7 cm hinab.

Von den ausgestellten drei Panzerplatten hatten zwei Stärken von

3.7 cm und eine als Gewehrplatte von 6 mm, von den ersteren die eine aus gegossenem, die andere aus gewalztem Nickelstahl, die Gewehrplatte von Nickelstahl. Beschossen waren die ersteren beiden aus der 5,7 cm- Kanone L/46 bezw. L/26 mit Panzergranaten von 2,72 kg Gewicht, die Beschussprotokolle waren beigefügt, die Gewehrplatte aus dem 6,5 mm- Mausergewehr. Das Verhalten war ein günstiges gewesen.

Ueber die Ausstellung der Stockholmer Waffenfabrik können wir nur kurze Angaben machen, da uns bis jetzt trotz aller Bemühungen weder ein Katalog noch sonstige Druckschriften zugegangen sind. Man sah die 8 und 12 min-Mitrailleuscn von Maxim-Nordenfelt, 4,7 cm- und

5.7 cm-Maschinenkanonen mit zwei und vier Läufen, sowie eine 7,5 cm- Schnellfeuer-Feldkanone mit Vertikalverschluss, Rohrbremse, selbstthätiger Radbremse und Spaten.

Eine sehr vollständige und übersichtliche Ausstellung mit gutem Katalog hatte die schwedische Marine veranstaltet. Sie bezog sich sowohl auf die Schiffsbauten, als auf die Armirung der Kriegsschiffe, ferner auf Torpedos, Seeminen, Signalwesen, Takelage, Handwaffen, See- Brieftauben-Kinriehtung u. s. w. Grosser Werth war auf die geschichtliche Entwickelung der Marine gelegt. Typen der Fahrzeuge älterer Zeiten wie der allerjüngsten Gegenwart schwammen auf dem Wasser und durften besichtigt werden. Die schwedische Flotte ist in einer gründlichen Rekonstruktion begriffen, und zahlreiche Neubauten sind im Gange.

Der geschichtliche Theil der Armeeausstellung war, wie mitgetheilt, durch das unweit der Ausstellung im sogenannten Artilleriehof unter- gebrachte Artilleriemuseum dargestellt. Es ist in den Jahren 1877 bis 1880 durch den jetzigen Major im 1. Svea- Artillerie-Regiment Fr. A. Spak eingerichtet worden und seitdem in dessen Verwaltung geblieben. An Reichhaltigkeit und Uebersichtlichkeit lässt dasselbe nichts zu wünschen übrig und kann mit ähnlichen Anstalten grösserer Staaten in Wettbewerb treten.

Schweden, einstmals eine tonangebende Macht, konnte sich bei seiner abgeschiedenen Lage und der geringen Zahl und Dichtigkeit seiner Bevöl- kerung nicht dauernd auf dieser Höhe erhalten. Es sank tiefer, als es unausbleiblich gowesen wäre, durch Unbesonnenheit oder Schwäche einzelner Herrscher und die politische Unruhe des Volkes. Sein heutiges Fürsten- geschlecht, von bürgerlicher Abstammung und aus einem fremden Lande dahin verpflanzt, hat seine Aufgaben und seine Zeit verstanden. Sein erleuchteter König hat Bich eine Stimme im Ratho der Völker erworben. Eine kriegerische Politik liegt Schweden fern, es soll aber, so strebt es der Herrscher an, seine Neutralität in einem grösseren Völkerzusammenstoss mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen in Stand gesetzt werden. Wir haben gesehen, dass Schweden des Auslandes nicht bedarf, um sich

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128 Uelier die Messung und den Verlauf der Gasdrockkurven in Geschützen.

mit Kriegswaffen im engeren und weiteren Sinne auszuriisten, im Gegen- theil, es kann von seinem Ueberfluss an Metall und Metallfabrikaten der Art noch reichlich abgeben. Das Land, das einen als Taktiker und Techniker so hochstehenden König wie Gustav II. Adolf, einen Wurm- brandt, de Geer, Wrede, Wahrendorff besessen hat, aus dem in neuerer Zeit Nordeufelt und Nobel als Schöpfer ganz neuer Gebiete der Kriegs- industrie hervorgegangen sind, in dem der frühere König sich persönlich und nicht ohne Erfolg mit einem Zweige der Waffenkonstruktionen be- schäftigt hat, dem jetzt Bürgerrecht geworden, wird in diesem Sinne niemals in Verlegenheit kommen.

Ueber die Messung und den Verlauf der Gas- druckkurven in Geschützen.

Bis zum Ende der 50er Jahre war man trotz verschiedenartigster Versuche über die Grösse und den Verlauf der im Geschützrohr herr- schenden Gasdrücke noch völlig im Unklaren. Erst damals brachte ßodman die nach ihm benannte Vorrichtung zum Messen der Gasdrücke in An- wdndung, ihm folgte mit geringer Abänderung der Vorrichtung Uchatius und diesem im Anfang der 60er Jahre Noble mit seiner Stauchvorrichtung. Alle diese Vorrichtungen maassen den Gasdruck im Rohre durch Vergleich seiner Wirkung mit derjenigen, die eine ruhende Belastung auf einen bestimmten Körper hervorbrachte. Bei gleich grosser Wirkung wurde auf gleiche Höhe des herrschenden Druckes geschlossen.

Mit Hülfe dieser nach und nach vervollkommneten Vorrichtungen gelang es, wenigstens Vergleichswerthe für die Höhe des herrschend gewesenen höchsten Gasdrucks zu erhalten. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn man sie im Verbrennungsraum anwendet. Sie können eben nur dann richtig messen, wenn der Gasdruck, vom Atmosphärendruck anfangond, zwar in überaus kurzer, aber doch noch messbarer Zeit bis zur vollen Höhe emporsteigt, weil nur dann die Verhältnisse, wenigstens näherungsweise, denen entsprechen, welche bei ruhender Belastung vor- liegen. Ob trotzdem der Vergleich einwandfrei war, konnte nicht angegeben werden, weil kein Mittel vorlag, die Grösse des Druckos aus den Bewegungs- Vorgängen selbst zu bestimmen. Jedenfalls wurde die Richtigkeit der Messungen, soweit es die absolute Höhe, nicht etwa den Vergleich mit einer anderen Messung betraf, von den verschiedensten Seiten stark au- gezweifelt.

Völlig unbrauchbar erwiesen sich jedoch diese Vorrichtungen, sobald es darauf ankam, mit ihrer Hülfe den Verlauf der Gasdruckkurven im Rohre zu ermitteln. Sobald sie vorwärts des Verbrennungsraumes ein- gesetzt werden, um den Gasdruck anzugeben, der dort in dem Augenblick herrscht, in welchem das Geschoss vorbeigeglitten ist, tritt nicht mehr der Fall ein, dass der Gasdruck, vom Atmosphärendruck anfangend, nur all- mählich seine volle Höhe erreicht. Er setzt mit dieser selbst ein, und ulBdann kommen lebendige Kräfte dor bewegten Massen in Frage, welche eine viel grössere Wirkung ausüben als eine ruhende Belastung bei gleicher Höhe des Drucks. So lieferten denn Versuche, mit Hülfe von derartigen Vorrichtungen, die längs des ganzen Geschossweges im Rohre angebracht waren, den Verlauf der Gasdrücke zu ermitteln, das widersinnige Ergebniss,

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Ueber die Messung und den Verlanf der Gnsdruckkurven in Geschützen. J29

dass vorwärts der Anfangslage des Geschosses weit grössere Gasdrücke ermittelt wurden, als sie nach den im Verbrennungsraum eingelagerteu Vorrichtungen überhaupt geherrscht hatten. Allerdings ist eine Umrechnung der Ergebnisse vom theoretischen Standpunkt aus möglich, die erhaltenen Werthe bleiben aber nur Näherungswerthe.

Um daher über den Verlauf der Gasdruckkurven im Rohre näheren Aufschluss zu erhalten, wurden die verschiedenartigsten Geräthe entworfen, alle von dem Gedanken ausgehend, die Geschwindigkeiten des Geschosses an möglichst vielen Stellen im Innern des Rohres zu messen, daraus die Geschwindigkeitskurve herzuloiten und aus dieser die Gasdruckkurve, da ja die Gasdrücke in bestimmten Verhältnissen zu den Beschleunigungen, d. i. der Zunahme der Geschwindigkeiten in gleichen Zeittheilen, stehen müssen. Von grosser Bedeutung waren in dieser Hinsicht die 1874 ver- öffentlichten Ermittelungen Nobles und Abels über den Verlauf der Gas- druckkurven in einem 40 cm-Geschütz. Wegen der Schwierigkeit der Mess- weise und auch der Grösse der möglichen Fehlerquellen haben aber alle Versuche, unmittelbar die Geschwindigkeit des Geschosses im Rohr zu ermitteln, keine praktische Bedeutung gewonnen.

Brauchbare Ergebnisse erhielt man ausserdem noch durch Messung der Anfangsgeschwindigkeiten für gleiche Geschosse und Ladungen aus einem nach und nach verkürzten Rohre, indem man annahm, dass die bei einer bestimmten Rohrlänge gemessene Anfangsgeschwindigkeit der Ge- schwindigkeit des Geschosses an der betreffenden Stelle des noch nicht verkürzten Rohres entspräche.

Auf diese Art wurden beispielsweise die Kruppschen Rechenformeln für den Verlauf der Gasdrnckkurven und die Arbeitsleistung des Pulvers ermittelt.

Die Messweise birgt, aber eine Reihe von Fehlerquellen, die nicht ohne Bedeutung sind.

Zunächst müssen die Messungen wegen der zwischenliegenden Arbeits- zeit zum Verkürzen des Rohres an verschiedenen Tagen stattfinden. Eine Verschiedenheit der Verwerthung des Pulvers durch wechselnde Tages- einflüsse ist daher nicht zu vermeiden. Selbst wenn Vorkehrungen getroffen werden, um wenigstens für die volle Länge des Rohres ihre Grösse durch fortgesetzte Vergleiche mit einem noch unverkürzten Rohre zu ermitteln, ist eine Umrechnung derselben für das verkürzte Rohr nur näherungs- weise möglich. Wollte man wiederum die Ermittelungen derart vornehmen, dass an ein und demselben Tage aus einem unverkürzten und mehreren verkürzten Rohren von verschiedener Länge nebeneinander gemessen würde, bo würde wiederum die Verschiedenheit der einzelnen Rohre einen Grand zu Fehlerquellen darbieten.

Weiterhin stellen aber auch die ausserhalb des Rohres ermittelten Anfangsgeschwindigkeiten nicht genau genug die Mündungsgeschwdndig- keiten, daher auch nicht genau genug diejenigen Werthe dar, welche das Geschoss an den betreffenden Stellen des noch unverkürzten Rohres gehabt hat. Es beruht dies darauf, dass, wie zuerst durch Crohore und Squire nachgewiesen wurde, dem Geschoss unter gewissen Bedingungen noch vor der Mündung durch die nachströmenden Pulvergase ein gewisser Zuwachs an Geschwindigkeit ertheilt wird. Dieser Zuwachs muss um so grösser sein, je grösser der Mündungsgasdruck ist; es werden daher die ausser- halb des Rohres ermittelten Anfangsgeschwindigkeiten um so mehr dio Mündnngsgeschwindigkeiten übertreffen, je mehr das Rohr verkürzt ist, je geringer also die Pulvergase sich bis zum Austritt des Geschosses haben

Kriegitechniscbe Zeitschrift. 1898. 3. Heft. 9

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abspannen können. Man erhält hierdurch einen in bestimmter Richtung ungenauen Verlauf der Geschwindigkeitskurve und entsprechend auch einen imgenauen Verlauf der Gasdruckkurve.

Endlich versagt die Messweise selbst bei nur hinterer Führung der Geschosse für den Anfang, also grade für den wichtigsten Theil der Kurve, weil es nicht möglich ist, in einem auf wenige Centimeter dos gezogenen Theils verkürzten Rohre das Geschoss ausreichend zu centriren.

Genaue Anhaltspunkte über den Verlauf der Gasdruckkurven im Rohre crhiolt mau erst, nachdem auf Grund des Deprezschen Accelerographen Sdbert seinen Velocimeter ausgebildet hatte, der wiederum Veranlassung zu Versuchen mit dem sogenannten Rücklauf messer in Deutschland ge- worden ist. Man bestimmt bei diesen Geräthen mit Hülfe der Auf- zeichnung einer schwingenden Stimmgabel die Wege und Geschwindig- keiten des beim Schuss in einem Schlitten mit möglichst geringer Reibung zurückgleitenden Rohres und erhält dadurch, nach dem physikalischen Gesetz von der Erhaltung des Schwerpunktes beim Wirken von nur inneren Kräften, durch einfache Umrechnung nach dem Verhältniss der bewegten Massen die Wege und Geschwindigkeiten des gleichzeitig im Rohre sich vorwärts bewegenden Geschosses. Daraus ergiebt sich dann mit ausser- ordentlicher Genauigkeit vom Anfang der Bewegung an die Geschwindig- keitskurve und aus dieser für jede beliebige Stelle des Rohrs zunächst die Beschleunigung des Geschosses und dadurch der auf Geschoss bezw. Seelenboden wirkende Gasdruck.

Im Jahre 1882 veröffentlichte Söbert die Ergebnisse seiner Versuche mit einem im Velocimeter eingelagerten 10 cm -Rohre. Sie verursachten mit Recht das grösste Aufsehen und versprachen, nunmehr auf einfache Weise Klarheit über die Vorgänge im Innern des Rohres gewinnen zu können. Für Geschütze grösseren Kalibers, deren Einlagerung in einem Velocimeter nicht möglich war, wendete Schert eine ähnliche Messweise an, indem er im Innern des Geschosses eine schwingende beim Schuss zufolge der Trägheit zurückbleibende Stimmgabel an einer Stahlstange entlang gleiten und daselbst ihre Schwingungen aufzeichnen liess. Er erhielt damit unmittelbar die Wege, Geschwindigkeiten und danach die Beschleunigungen und Gasdrücke für das Geschoss.

Thatsächlich ist es durch die Ausbildung der Deprez- und Söbert- schen Messweise, insbesondere auch durch die daraufhin in Deutschland eingoloiteten Versuche mit dem Rücklaufmesser möglich gewesen, den Verlauf der Gasdruckkurven in verschiedenartigsten Geschützen und die Einwirkung der Verbrennungsweise des Pulvers auf den Verlauf dieser Kurven mit ausserordentlicher Genauigkeit festzustellen, wie dies aus einem soeben erschienenen Werke*) hervorgeht, das vom Hauptmann Heydenreich, als Referent für Ballistik bei der Artillerie-Prüfungs-Kommission, im dienst- lichen Aufträge, als ein möglichst kurz gefasstes Hand- und Lehrbuch der praktischen Ballistik veröffentlicht wurde.

Unter der Beschreibung der gebräuchlichen Messweisen für Geschwin- digkeiten und Gasdrücke u. s. w., die einen Abschnitt der ersten Abthei- lung dieses Werkes bildet, findet sich zunächst eine Darstellung der zur Zeit eingeführten Gasdruckmossung mit Hülfe der bereits erwähnten

*) „Die Lehre vom Schuss und die Schusstafeln*, auf dienstliche Veranlassung bearbeitet von Heydenreic.h, Hauptmann ii la suite des Königlich Siichsischcn 1. Feld- artillerie ■ Regiments No. 12, koinmnndirt als Mitglied zur Königlich Preussischen Artillerie-Prüfungs-Koiuniission. Berlin 1888. Verlag von Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung.

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t olit-r di»- Messung und den Verlauf der Gasdruckkurven in Geschützen. ] 3 1

Stauch Vorrichtung, sowie eine Untersuchung über die Zuverlässigkeit dieser Messweise. Des weiteren findet sich an derselben Stelle eine ein- gehende, dnrch Abbildungen zweckmässig erläuterte Beschreibung des Rücklaufmessers und der ihm zu Grunde liegenden Messart, während in der Abhandlung über innere Ballistik, welche den neuesten und darum den wichtigsten Theil der zweiten Abtheilung bildet, die Ergebnisse der mit dem RUcklaufmesser angestellten Versuche verwerthet werden.

Nach einer Darlegung, wie nach den allgemeinen Gesetzen der Mecha- nik, unter Berücksichtigung der neuesten Forschungen auf diesem Gebiete (Thermochemie, Thermodynamie und kinetische Gastheorie) das Geschütz gt-wissermaassen nichts Anderes als eine Heissluftmaschine darstellt, und wie sich der Verlauf der Gasdruekkurve gestalten muss, je nachdem das Pulver detonirt d. h. in unmessbar kurzer Zeit sich zersetzt bezw. innerhalb kürzerer oder längerer Zeit verbrennt, werden diese Unter- suchungen durch eine Reihe von Beispielen bestätigt, welche alle diejenigen

Maassnahmen erläutern, durch die man insbesondere bei den neueren rauchschwachen Pulversorten zu einer möglichst rationellen Ausnutzung der Geschütze die Verbrennungsweise des Pulvers zu regeln im Stande ist.

Alle diese Beispiele stellen praktisch mit dem Rücklaufmesser er- mittelte Gasdruck- und Geschwindigkeitskurven dar und werden als solche von besonderem Werth. Sie behandeln beispielsweise den Einfluss der Grösse des Pulverkorns, des Verbrennungsraumes, der Unklug, des Geschoss- gewichts sowie der Schnelligkeit der Entzündung und geben dabei nicht nur an, wie hierdurch der Verlauf der Kurven geändert wird, sondern auch vor Allem, wie man diese Mittel benutzt, um die Leistungen eines Geschützes möglichst zu erhöhen, bezw. die Beanspruchung desselben herabzusetzen.

Als Beispiel sei hier der Einfluss wiedergegeben, den man durch Vergrösserung des Verbrennungsraumes auf die Verworthung des Pulvers ausüben kann. Die Abbildung 1 kennzeichnet zunächst zwei Gasdruck- kurven, die in einem Feldrohr C/73 mit ein und derselben Ladung Geschiitz- biättchenpulver und mit Feldschrapnels C/82 einmal (ansgezogen) bei ver-

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kleinertem, das andere Mal (gestrichelt) bei vergrössertem Verbrennungs- raum erhalten wurden. Man sieht, wie nach den Gesetzen der Gas- mechanik im ersten Falle der höchste Gasdruck, im zweiten Kalle der Miindungsgasdruck der höhere ist, so dass beide Kurven einander schneiden.

Eine dritte Kurve (ebenfalls ausgezogen) giebt für den vergrösserten Verbrennungsraum den Einfluss einer Steigerung der Ladung an, wobei diese Ladung so gewählt war, dass sie dieselbe Anfangsgeschwindigkeit ergab wie die kleinere Ladung in dem engeren Verbrennungsraume. Der Vergleich dieser beiden Kurven liefert daher gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie man durch Vergrösserung des Verbrennungsraumes und ent- sprechende Steigerung der Ladung eine bestimmte Leistung mit einem geringeren Werthe des höchsten Gasdruckes erreichen kann. Zahlen- tabellen erläutern noch ziffernmässig die Vorgänge in den drei verschiede- nen Fällen, durch Angabe der verschiedenen Geschwindigkeiten, höchsten, mittleren und Miindungsdrücke, Orte und Zeiten des höchsten Gasdrucks, der beendeten Verbrennung u. s. w.

Von besonderem Interesse wird bei diesen Untersuchungen noch der Nachweis, dass die Stauchvorrichtung, obwohl sie nur durch Vergleich mit einem ruhenden Drucke den Druck der Gase im Rohre anzugeben vermag, bei der eingeführten Art und Weise der Messung eine im Grossen und Ganzen doch recht zuverlässige Messweise darstellt. Sie giebt zwar zu- folge einer bestimmten Fehlerquelle, nämlich der Zeitdauer der Belastung während der Probe durch ruhenden Druck, den Gasdruck im Geschütz im Allgemeinen etwas niedriger an, als er in Wirklichkeit geherrscht, hat; der Fehler ist jedoch nicht gross, und bei Berücksichtigung desselben liefert bezüglich der Gasdrücke die Stauchvorrichtung eine ebenso befriedigende Uebereinstimmung mit den Ergebnissen des Rücklaufmessers wie bezüglich der Geschwindigkeiten der Flugzeitenmesser.

Von entscheidender Bedeutung wird die Ermittelung der Gasdruck- und Geschwindigkeitskurven für die Aufstellung der Drallgesetze. Nur wenn ihr Verlauf bekannt ist, ist auch die Möglichkeit gegeben, die Drehheschleunigung des Geschosses an jeder Stelle zu ermitteln und da- durch festzustellen, welche Art des Dralles für das betreffende Rohr am günstigton ist.

Auf Grund der mit dem Rücklaufmesser erzielten Ergebnisse konnte daher auch in dem angeführten Werke eine Reihe von Drallgesetzen auf- geBtellt werden, bei denen der Umfang der Grundlagen eine Gewähr für die Zuverlässigkeit der Folgerungen bietet, und bei denen vor Allem auch insofern eine Uebereinstimmung zwischen Theorie und Praxis herrscht., als nachgewiesen wird, wie beispielsweise die nach langjährigen Versuchen der Kruppschen Fabrik als die beste erprobte und demgemäss von der betreffenden Firma bei ihren Rohren angewandte Art des Dralles auch nach dem Ergebniss der Berechnungen die günstigste ist. Als Beispiel sei hier eine Figur (Abbild. 2) wiedergegeben, welche für eine Kruppsche 8 cm- Versuchs-Feldkanone für den in Kaliber gemessenen Geschossweg die in Kilometern ermittelte Winkelbeschleunigung des Geschosses bei etwa 500 m Anfangsgeschwindigkeit zur Darstellung bringt. Die Abbildung lehrt, wie bei dem als günstigst ermittelten Drall, parabolisch zunehmend von bis 7s/i«c, sich thatsächlich eine ■während des ganzen Geschossweges nahezu gleichbleibende Winkelbeschleunigung ergiebt, dass jedenfalls durch irgend eine andere Art des Dralles keine wesentliche Herabsetzung des höchsten Werthos derselben und daher auch keine wesentliche Herab- setzung der Drehbeanspruchung des Geschosses möglich wird. Sie zeigt

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Veber die Messung und den Verlauf der Gasdruckkurven in Geschützen. 1 33

weiter, wie sich der Verlauf der Winkelbesehlennigung bei gleichförmigem Drall gestalten würde, wobei zu bemerken ist, dass diese Kurve gleich- zeitig ein Bild des Verlaufes dor Gasdruckkurve darstellt, wie gross daher der Gewinn durch Annahme des zunehmenden Dralles geworden ist, und endlich wie sich die Beanspruchung gestalten würde, wenn der Drall gemischt, anfänglich zunehmend, am Schluss gleichförmig zur Annahme käme.

Das Hauptergebnis der angestellten Untersuchungen ist, dass der Zweck des zunehmenden Dralles, nämlich eine möglichst geringe Bean-

spruchung des Geschosses gegenüber einem Abwürgen desselben durch die Drehbewegung, durch Annahme des parabolischen Dralles thatsächlich in der nahezu denkbar günstigsten Weise erreicht wird, sobald nur der Anfangsdrall in richtiger Grösse gewählt wird. Da ausserdem das Ver- hältnis vom Anfangsdrall zum Enddrall sich in einfacher Weise von dem Verhältnis des mittleren Gasdrucks zum höchsten Gasdrucke abhängig «larstellen lässt, so ist damit das Mittel gegeben, schon aus den Kon- struktionsbetlingungen eines Geschützes dessen günstigstes Drallverhältnis zu bestimmen.

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Das bayerische Kriegsbrfickengeräth.

Das bayerische Kriegsbrückengeräth.

(Portsetsnog.)

Während beim preussischen Brückentrain Ponton- und Boekhaket verschiedenartig konstrnirt sind, dient beim bayerischen für den Balken-, Bock- und Pontonwagen ein einheitlicher Brückonwagen (Modell 181*1), dessen Tragbäume parallel und horizontal gestellt sind; je nach seiner Verwendung zum Verladen von Balken, Böcken oder Pontons werden Riegel und Pflöcke eingeschoben.

Vergleicht man das bayerische Pontonier-Reglement mit dem älteren, preussischen Reglement im Allgemeinen, so lindet man, dass jenes diesem, so weit als zulässig, angepasst worden ist. Infolgedessen können sich die Pionierofflziere in beiden Reglements leicht und rasch zurecht- finden. Dabei geht das bayerische Reglement nicht so sehr in Einzel- heiten ein wie das preussische, indem es Manches als der traditionellen Ausbildung am Geräth selbst überlassen ansieht. Die Verständlichkeit des Reglements hat durch diese Vereinfachung keinerlei Einbusse erlitten, wie dies beim preussischen Reglement auch nicht der Fall sein würde.

Letzteres enthält auch keinerlei Einleitung, sondern wendet sich unmittelbar der Einzelausbildung der Mannschaft zum Handhaben des Brückengeräthes zu. Das bayerische Reglement bringt aber eine solche Einleitung, die wegen ihrer Vortrefflichkeit, hier wiedergegeben sei. sie lautet:

1. Im Kriege kann unter schwierigen Verhältnissen das rasche und sichere Ueberschreiten von Gewässern an bestimmten Punkten von ent- scheidender Wichtigkeit werden. Daraus ^feeht die grosse Bedeutung der gründlichen Ausbildung im Pontonierdienste hervor, welche nicht nur zunächst die Verwendung des reglomentären Kriegsbrückenmaterials lehren, sondern die Pioniere auch allgemein gewandt auf dem Wasser machen soll.

2. Als Grundlage der Verwendbarkeit der Pioniere ist hierbei vor Allem die Geschicklichkeit einer grösseren Anzahl von Offizieren, Unter- offizieren und Mannschaften im Fahren von Pontons, Schiffen und Nachen auf dein Wasser anzustreben. Auch für den Rest der Pioniere kann ein gewisser Grad von Ausbildung in diesem Fache nicht entbehrt werden.

3. Die Entschlossenheit des Einzelnen und seine Verlässigkeit in gefährlichen Lagen werden ganz wesentlich durch die Fertigkeit im Schwimmen gesteigert. Deshalb ist auch diesem Unterrichtszweige grosse Sorgfalt zuzuwenden.

4. Neben der gründlichen Ausbildung des Einzelnen und der Schulung der verschiedenen Trupps zum sicheren Zusammenarbeiten erlangt bei grösseren Briickenbauten die Gewandtheit der Offiziere im Anordnen nament- lich dann ausschlaggebenden Werth, wenn unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten. Es darf deshalb keine Gelegenheit versäumt werden, die Fähig- keit der Offiziere nach dieser Seite zu entwickeln. Neben Anderem mögen erdachte Brückenschläge, im Gelände durchbesprochen oder im Zimmer nach Art des Kriegsspiels durchgeführt, hierzu dienliche Mittel sein.

5. Auch beim Pontonieren können nur die einfachen Verrichtungen, welche im Kriege immer wiederkehren, bis zur Vollendung eingelernt werden. Diese sind in dem Folgenden ihrer Form nach mehr oder minder genau vorgeschrieben. Für alle übrigen begnügt sich das Reglement mit Andeutungen.

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Das bayerische Kriegsbrückengerüth.

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1. Ponton*tUek».

2. Muk--..

3. Ruder.

4. Kadergabeln und Wos»ersch&ufeln.

6. SchDürleioen. Ködeltaae.

7. ROdelknQppeL d. Ankerrbdol and

üclladerhölzer.

9. Anker.

10. Ankertaue,

11. ^panntaoe and Gel&nderleinen.

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Station /.

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Station //.

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Station /II.

6. Wenn nun einerseits gefordert werden muss, dass die reglementären Formen von der Truppe mit Genauigkeit eingehalten werden, so steht andererseits fest, dass nur feldmässige Uebungen an den mannigfaltigsten Oertlichkeiten des W assers wie des Landes, bei Tag und Nacht, wie unter verschiedenenWitterungs- _ a*iinii«rMn.r. j |

Verhältnissen nach einfach und zweckmässig unter- gelegten Annahmen über >-• BmUioIim die jeweilige Kriegsauf- 1«. Klein» gahe die allseitige Ver- r'Ä! wendbarkeit der Pioniere ond steil« der

B6cke.

im Dienste auf dom Was* 16. FawÄcbciben. ser gewährleisten können. }* nSSSjriStie.

Solche Uebungen müssen IH- deshalb als Schluss der 1». ufrrb.iton.

Ausbildung im Pontonier- läuS5*n’l su- dienst angesehen werden. *'■ Jj**?J* |

An diese Einleitung 22. B.i«gbr*tt»r. io

11. . i_ 1 a. Stapeln *u 23.

schliesst sich das eigent- liche Reglement in zwei Theilen an.

Der erste Theil enthält unter der

Zusammenfassung »die Schule« in t'|j|||| 5 rtä

einzelnen Abschnitten das Handhaben des Brückongeräthes, den Brückenbau, das UeberBctzen lind die Behelfsarbeiten.

Im zweiten Theil werden »Kriegs-

mässige Uebergiinge« in den Ab- 'llU ! 22 | ’H* Station IV

schnitten: Ausführung der Uebergänge und Brückendienst behandelt. Die An- lagen umfassen Anwendung der Haupt- brückenformen; grösste Leistungsfähig- keit der Brückentrains für das LTeber- setzeu; desgleichen für den Brückenbau;

Zeitangaben ; Brückengeräthe.

Auf einige bemerkenswerthe Einzelheiten des Reglements soll ganz kurz eingegangen werden.

Zum Handhaben dos Pontonstücks auf dem Lande sind 12 Mann erforderlich; das Pontonkaffenstück wiegt 141 kg, das Pontonstumpfstück 425 kg, so dass auf .j'eden Mann rund 37 bezw. 35 kg entfallen. Das preussisclie Ponton wiegt 450 kg und wird von 16 Mann auf dem Lande gehandliabt, so dass jeder Mann rund nur 28 kg zu tragen hat. Natürlich kann das preussische Ponton auch mit weniger Mannschaften auf dem Lande gehandhabt werden, aber das Reglement sieht 16 Mann vor, welche auch zum Beladen des Pontonhaket« nöthig sind, während das Bockhaket hierzu nur 8 Mann erfordert.

Das Abladen der Brückenwagen beim Anmarsch des Brücken- trains erfolgt in Bayern in vier Stationen (Abbild. 7); die Anfahrt ist dabei in der Regel von oberstrom, während sie in Preussen von unterstrom ist. Demgemäss ist auch die Lagerung der Briickenmaterialien eine veränderte.

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fSrarkenhnic.

Abbild.

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Das bayerische Kriegsbriickengerätta.

Die Brückenlinie liegt aber bei beiden Reglements zwischen Station III und IV.

Für das Fahren auf dem Wasser sei auf Abbild. 2 verwiesen; für das dreitheilige Ponton sind fünf Ruderer nöthig, das preussische einzelne Ponton kann mit zwei oder vier Ruderern bewegt werden. In stillem Wasser kann letzteres auch mit einem einzigen Ruder aus der Rudergabel in der Hinterkaffe gefahren werden, was man Wriggeln nennt. Diese Fahrweise, welche namentlich bei der seemännischen Bevölkerung in den Häfen u. s. w. in Gebrauch ist, hat im bayerischen Reglement keine Aufnahme

Abbild. 12.

gofuuden ; denn einmal ist sie für stärker fliessende Gewässer nicht geeignet, auch ist die Bauart des bayerischen Pontons für das Wriggeln nicht günstig.

Während man beim preussischeu Ponton von Vorder- und Hinterkaffe spricht, heisst in Bayern das beim Fahren voraus befindliche Pontonstück Vorderstück, das rückwärtige dagegen Steuerstück.

Von den Stichen und Bunden bringen wir diejenigen Abbildungen, welche das preussische Regloment nicht enthält, wobei wir darauf hin- weisen möchten, dass der einfache Spanntaustich (Bayern kennt nur einen Spann taustich, den doppelten giebt es dort nicht; er ist auch ganz über- flüssig und in Preussen wohl nur aus den älteren Reglements mit iiber-

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Kleine Mittboi hingen.

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nommen) entweder im preussisehen oder im bayerischen Reglement in der Zeichnung auf dem Kopfe steht; richtig will uns die Abbildung im bayerischen Reglement erscheinen.

Dieses führt noch be- sonders den Anstich (Ab- bild. 8), den einfachen Ring Abbild. 9) und den dop- pelten Ring (Abbild. 10) au.

Die Bunde zeigen im bayerischen Reglement eine besonders klare Zeich- nung ; ein Schnnrbund ist in demselben nicht ent- halten, weil kein Fest- schnüren der Balken an den Schnürhaken, die das bayerische Ponton nicht besitzt . statt findet. Zu dem Kockschnürbuud tritt noch der halbe Bock- s c h n ii r b u n d (Abbild. 1 1 ; zum Bestiegen des Ufer balkens auf den Unter lagsschwellen beim Auf- rüsten des Pontons hinzu ferner der Schleuder buud iAbbild. 12) zum Befestigen von Deiäthen (Unterlage schwellen, Un- torlagsklüt zon , welche auf dem Scharuleck aufliegen, an der Schnürleiste; letz- tere entspricht den Schnür- haken beim preussischen Ponton.

Bei der bordigen Auf- rüstung kommen zwei Abarten des Schlender- bnndes zur Anwendung.

Die eine dient zur Befesti- gung des Aufrüstungsbalkens und der Unterlagsschwelle (Abbild. 13), die andere zur Befestigung des Balkens und des Unterlagsklotzes an der Schnürleiste -Abbild. 14'. Schluss folgt.

-»> Klein© Mittheilungen.

Eine merkwürdige Erfindung. Als die ersten V ersuche mit dem rauch- schwachen Pulver vorgenommen wurden, fehlte es nicht an Uebertrcibuugen seiner Eigenschaften, die unter Anderem aucli darin bestanden, dass es völlig rauchlos sei und auch keinen Knall erzeuge, sondern nur einen bei Tageslicht kaum sichtbaren Feuerschein hervorbringe. Man sah schon im Geiste eine abermalige vollständig»*

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Kleine Mitteilungen.

Umwälzung <ler ganzen Taktik heranstürmen, bis sieli nach und nach diese Ueber- treibongen als solche herausstellten. Hei den neuen Pulverarten hatte man es schliesslich mit wenig Hauch, aber immer noch mit recht viel Knall und Feuer- erscheinung beim Schiessen aus Feuerwaffen zu thnn. Dies war dem französischen Obersten Hum her t zu viel, er versuchte einen Apparat zu konstruiren, der beim Schiessen den Knall, die Feuererscheinung und zugleich auch den Rückstoss Aufheben sollte. Dieser Versuch gelang, und der Apparat machte ein berechtigtes Aufsehen. Ein solcher Apparat ist von dem Erfinder sowohl für Geschütze als auch für Handfeuer waffen konstruirt worden. Bei dem Geschiitzappamt, den man mit einem besonderen Ausdruck »Auffänger« bezeichnen könnte, ist auf die Mündung eines Geschützrohres A (Fig. 1 der Abbildung) ein cylindrischer Kopf B auf geschraubt, durch welchen die Seele des Rohres sich als Bohrung fortsetzt, welche einen etwas grösseren Durchmesser als die Seele selbst hat. damit das Geschoss bequem hindurchfliegen kann. In dem Kopfe ist die um ein Gelenk nach oben drehbare Klappe F angebracht, die bei ihrem Aufklappen sich in

Aas Nr. 424 de« »Prumetheas, llluktrirte Wochenschrift Ober die Fortschritte in Gewerbe, Indaetri«

and Wissennchaft“.

den Ausschnitt II legt und damit die Bohrung, also auch die Seele, verschliesst. Sobald das Geschoss nach dem Abfcuem des Geschützes die niedergelegte Klappe überschritten hat, dringen die Pul vergase durch den Kanal b unter die Klappe, heben sie in die Höhe, wie in Figur 2 der Abbildung zu sehen ist, und strömen dann nach rückwärts durch den Kanal C und durch die in ihn mündenden Bohrungen I) ins Freie, da sie aus der Mündung nach vorn nicht austreten können. Damit die Geschütz- bedienung dadurch nicht belästigt wird, ist in der Mitte des Rohres eine Schutzmuffe .1 Figur 3) »ufgeschohen, gegen welche die Gase anstossen. Oberst llumhcrt ist der Meinung, dass durch dos Verschlicssen der Seele mittelst der Klappe F die Luft, die von dem Geschoss hinausgedrüngt worden ist, nicht in die Seele zurückströmen und dadurch den Knall hervorrufen kann; der Ausgleich erfolgt geräuschlos, sobald die Gase durch die Löcher I) entweichen und nach Aufhören des Gasdruckes die Klappe selbstthätig herunterfällt. Die Theilnng der Pulverflammen heim llimlurchströmen durch die vielen Löcher lässt die Feuererscheinung derselben infolge der Abkühlung erlöschen. Da die Gose nach hinten ausströmen, so üben sie einen Druck nach der

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Kleine Mittheilungen.

13t>

Geschützmündnng zu» also nach vom, aus, wirken also dem Rucks toss des Schusses entgegen und lieWn ihn in entsprechendem M nasse auf.

Auch Gewehre lassen sich in ähnlicher Weise einrichten, nur wird hei ihnen zweckmässig die Klappe durch eine Kugel S (Figur 4) ersetzt. Die Anordnung für das Gewehr will uns nicht recht zweckmässig erscheinen, weil dadurch der Schwer* pnnkt der Waffe beim Schiessen in höchst ungünstiger Weise beeinträchtigt werden muss. Auch würde sie eine Veränderung der Visireinricktung unbedingt noth wendig machen, während dies hei dem Geschütz vielleicht nicht in demselben Maasse der Fall ist. Jedenfalls ist die Erfindung durchaus sinnreich, aber das französische Kriegs- ministeriuni lehnte ihre Erprobung dennoch ab. Dagegen stellte die Geschützfabrik Hotchkiss in Saint-Denis bei Paris dem Obersten Humbert ein 37 mm -Geschützrohr zu Versuchen zur Verfügung. Die Schiessversuch© sollen in der Timt einen sehr ver- minderten Knall beim Schuss mul eine kaum sichtbare Flamme ergeben haben, aber der Rückstoss machte sich noch ziemlich stark geltend. Der Erfinder hofft, ein«* wesentliche Verminderung desselben bis auf ein duldbares Maass zu erreichen und damit die Aufgabe, die er sich gestellt hat, zu lösen. Uebrigens hat er insofern schon jetzt einen Erfolg erzielt, als das französische Artillerie-Komitee in eine Er- probung des Apparates einzutreten beabsichtigt. Bei den Versuchen wird natürlich die grösste Aufmerksamkeit auch darauf zu richten sein, ob eine Aenderung in «1**11 ballistischen Eigenschaften der Schusswaffe eintritt oder nicht, und welchen Einfluss der Apparat etwa auf die Treffsicherheit ausübt, namentlich auch, ob die Pulvergase bei jedem Schuss die Klappe F emporheben bezw. die Kugel vortreiben. Bei beiden dürften oft Versager Vorkommen. Eine merkwürdige Erfindung bleibt der Apparat des Obersten Humbert auch dann, selbst wenn er zu einer kriegsbraueh baren Ver- wendung sich nicht als geeignet erweisen sollte.

Kartenlupe. Unter diesem Namen bringt die Firma Reinfelder »V llertel in München ein vom künigl. bayer. Premierlicutenant Frhrn. v. Wein hach konstruirtes Instmmentehen in den Handel, welche« das lebhafteste Interesse der Kavalleristen» Radfahrer und aller Derjenigen verdient, welche ge- nöthigt sind, das Kartemnaterinl für grössere Strecken bei sieh zu führen. Es besteht, aus einer in Aluminium gefassten Lupe, welche in zwei aufeinander senkrechten Richtungen verschoben und dadurch auf jeden Punkt der vor ihr befindlichen »Lupenkarte« eingestellt werden kann. letztere ist ein von der Firma Ober netter auf photographischem Wege hergestelltes, zwischen zwei Glasplatten befindliche« Diapositiv einer Karte, z. B. der Reichskarte 1:100 000. Der Durch- messer des Theiles der Karte, den man mit «1er Lupe auf einmal überschaut und der auf die Originalgrösse der Karte vergrössert erscheint, beträgt etwa 10 km.

Dadurch, dass die Karte mit einem Quadratnetz von 2 km Seitenlänge überzogen ist, kann man irgend ein«*

Entfernung auf der Karte leicht ablesen. Gegenüber den Papierkarten hat die Kartenlupe folgende Vor- theile: 1) Die Lupeukarte hat ein beträchtlich gerin- geres Volumen als die Papierkarte (etwa Ifadct letzteren);

2) bei ziemlich vorgeschrittener Abendstunde, bei schwachem Mondschein, ja selbst mit- telst einer gut glimmenden Cigarre kann man die Lupeukarte lesen ; 3) Regen schadet der Lupeukarte nicht, und das Verschieben der Lupe, welches an Stelle des Umlegens der Papierkarte tritt, kann zu Pferde*, hei Wind und Regen rasch mit einer Hand hethütigt

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Kleine Mitteilungen.

werden; 4) l>ci den Lupeukarten sind die Streifen »11er ringsum anstossenden Karten nufgenommcn, so dass man einen Tlieil derselben übersehen kann, bevor man eine neue Karte ins Instrument cinfiigen muss; ö) man kann die Lupenkarte mittelst der Iaiterna magica leicht zehnmal so gross als die Originalkarte au die Wand projiciren. Es ist beabsichtigt, mit der Zeit Uebungskartcn aller Garnisonen herauszugelien, bei welcher der Gamisonsort in der Mitte der Lupenkarte gelegen ist.*,' V.

Apparat zum Darstellen des RaucheB bei Schrapnels. Bei den Sehietss- iibungen der Artillerie ist nicht nur die Zieldurstellung einer feuernden Schützenlinie oder Geschützstellung von Wichtigkeit, um die Beobachtung in möglichst ausgedehntem Maasse und damit die Korrektur der Kichtung und des Aufsatzes zu ermöglichen, sondern es ist auch von hohem Werth, die Ruuchwolkc eines in der Luft springenden Schrapnels als eine Art von Zielfeuer darstellen zu können. Einen diesen Zweck erfüllenden Apparat hat Lieutenant Crebassol vom französischen 30. Artillerie-Regiment

("IflliAMl 4.M fit nie/.. CL V 3 . 1 vlt < .S '

konstrairt; die »Revue d'artillerie vom Dezember 1897 bringt eine Beschreibung dieses Apparates. Derselbe geht im Allgemeinen von der Konstruktion der Armbrust aus. Ein Bogen n (siehe die Abbildungen) ist auf einem hölzernen Ständer b au gebracht; er ist mit einer Sehne (Leine, Darmsaite oder dergl.) versehen, auf welcher ein Doppelhaken in Leierform, der in die beiden Ringe d ansläuft, verschiebbar ist.

*) Wie man uns mittheilt, wurde dieser Sache auch von Allerhöchster Stelle Beachtung geschenkt. Bei den vorjährigen Kaisermanovem hatte der Erfinder eine Lupenkarte in Gebrauch, und sie hat ihm bei Ritten in der Dunkelheit crspriessliche Dienste geleistet, da eine brennende Cigarre vollkommen genügte, um sich mit Hülfe des Instruments zu orieutiren. Die Herstellung besonderer Sturm/.iindhölzchen von 10 cm Hinge und 3.5 mm Durchmesser, entzündbar an einer Reibfläche für Schweden hölzer, ist fortgeschritten; vier dergleichen mit l*/s bis 2 Minuten Brenndauer würden, in Blechhülsen verpackt, 20 bis 25 I’fg. kosten. Anstande hat der Erfinder nur in Bezug auf das Knrtenmatcrial gehabt. Er verwandte die Reichskarte 1:100 000; diese enthält aber zu viele Details und wäre eine Wegekarte etwa im Maassstabe 1 : 200 000 oder noch etwas kleiner gezeichnet vielleicht besser. Weiss einer der Leser der »Kriegstechnischen Zeitschrift i, ob es solche Wegekarten giebt? D. Red.

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Kleine Mittheilungen.

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Der Ständer ist auf eine hölzerne Schwelle aufgesetzt bezw. aufgezapft, welche init Hakennägeln an (len Boden festgepflöckt ist. Um den Bogen, dessen Material zwar nicht angegeben ist, den wir uns aber aus bestem Federstahl hergestellt denken, zu spannen, wird in den unteren King d ein Haken e eingehakt. Dieser linken ist an dem Ende einer Schnur befestigt, welche über eine an dem Ständer angebrachte kleine Blockrolle geleitet ist. Man zieht diese Schnur nun an, bis der obere King des leierartigen Hakens zwischen zwei in gleicher nöhe eingeschlagene Oesennügel eintritt; alsdann wird der Vorstecker h durch diese Oesen und den Ring hindurch- gesteckt und der Haken e ausgehakt. Der Bogen ist alsdann gespannt. Auf die gespannte Bogensehne wird demnächst eine Rauchbüchse (Petarde) aufgesetzt, welche in ihrem Aeusseren Aehnlichkeit mit einem Raketengeschoss hat. Auf einem Stabe p, dessen unteres Ende mit einem Dreiecksausschnitt o versehen ist, befindet sich eine Blechplatte n mit. Ansatztülle für den Stab; die Rauchbüchse wird mit vier Drähten an dieser Platte in den Punkten n befestigt. Bei m ist ein rechteckiger Ausschnitt als Durchlass für die Reiberschlagröhre vorgesehen. Dieser Stab mit Rauchbüchse wird nun durch das Loch in der Mitte des gespannten Bogens hindurchgeführt und auf die Sehne zwischen (len Leierhaken aufgesetzt. Sobald man vermittelst einer beliebig hingen »Schnur den Vorsteckbolzen aus den Oesen und dem Ringe heraus- zieht. so wird die Rauchbüchse mit dem Stabe in die Luft geschleudert. Nun ist an der Schlagröhre eine von Meter zu Meter mit Ringen oder Knoten r ei ngeth eilte Abzugsschnur befestigt, deren freies Ende um einen Hakennagel q, der in den Erd boden geschlagen ist, geschlungen wird. Wenn der Stab in die Höhe fliegt, spannt sich die Abzngsschnur an und reisst schliesslich den Reiber ans der Schlagröhre, so dass sich diese und damit gleichzeitig die mit gewöhnlichem Schwarzpulver gefüllte Rauchhüchse entzündet. Die gewünschte Sprenghöhe wird an der Abzugsschnur ein- gestellt. Bei den Versuchen erzielte inan ein sicheres Funktioniren in Höhen zwischen 6 und 13 m; der Apparat war nur roh aus Holz hergestellt, die Elastizität desselben lit*ss zu wünschen übrig. War der Bogen auch nur aus Holz, so sind die Ergebnisse noch hemerkensworther. Der Apparat dürfte zu weiteren Versuchen zu empfehlen sein.

Fisehwnrst. Die Magenfrage spielt bei dem Soldaten eine sehr wichtige Rolle, und die Menagekommissionen unserer Tnippentheile geben sich alle Mühe, dieselbe auf die rationellste Weise zu lösen, wodurch es auch erreicht worden ist, die Fiseh- kost als regelmässige Soldatenkost einzuführen. Sie beschränkte sich allerdings bisher nur auf die Mittagsmahlzeit, da eine tägliche Abendkost nicht gereicht werden konnte und auch selbst mit dem billigsten Seefisch noch zu thener gewesen wäre. Nun hat die Fisch verwerthungs Gesellschaft von K. Schönau & Co. zu Altona a. d. Elbe, Breite- strasse 43, ein Verfahren erfunden, aus dein Fleisch frischer Seefische Würstchen herzustellen, welche von der Firma einzeln und paarweise zusammenhängend geliefert werden. Diese Fisch wurst ist von änsserst appetitlichem Aussehen, Wohlgeschmack und Geruch und jeder feinsten Fleisch warst gleichkommend. Ihre Haltbarkeit ist bedingt durch Witterungs- und I-agerungsverhiütnisse (sie müssen an trockenem, luftigen Orte aufbewahrt werden); doch halten sie sich mindestens 10 bis 14 Tage lang in tadellosem, geniessbaren Zustande. Zum Zweck des Exports, der Schiffs Verpflegung und der Militärvcrproviantirung im Felde und für die wärmere Jahres- zeit werden die Würstchen in Blechdosen haltbar konservirt geliefert. Das Charak- teristische an diesem neuen Nahrungsmittel ist für Jedermann erkennbar an dem schneeweissen Fischfleisch-Inhalt der Würstchen; jede Beimengung fremder Fleiscb- theile und irgend welcher minderwerthigen Surrogate sowohl, als auch eine künstliche Färbung sind sonach bei diesem Erzeugnisse naturgemäss völlig ausgeschlossen. Die Herrichtnng der Würstchen für den Genuss ist ein einfacher Vorgang, indem die Würstchen in bereits kochendem Wasser je nach Weite des verwendeten Darmes

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Kleine Mittheilungen.

Tier bis sechs Minuten lang aufgekocht werden, so das« sie sich namentlich auch zu einer wohlfeilen und bequem herzurichtenden, wannen Abendkost für Mannschaften eignen. Mancher Menagekommission wird mit diesem Hinweis eine kleine Hülfe in der Auffindung neuer, wohlfeiler und nahrhafter Gerichte gewährt werden, zumal sich diese Würstchen auch als vortreffliche Zuspeise zu den verschiedenen Kohlgemüsen bewährt haben. In den Garnisonen Flensburg, Schleswig, Kendsburg, Kiel, Apenrade, Sonderburg u. s. w. sind die Schönauschen Fisch wurste bereits eingeführt, deren vor- züglichen Geschmack wir aus eigener Erfahrung bestätigen können; aneh werden sie in mancher Soldatenfamilie willkommen sein. Uebrigens stellt die Fabrik für die Militürmenugon Einzelwürste im (Jewicht von 125 g her, welche sie franko Garnison mit 16 Pfennigen das Stück berechnet. Nach der angestelltcn chemischen Unter- suchung enthält die Schönausche Fischwurst auf Trockensubstanz berechnet 36,06 pCt. Protein- Ei weise (mit 5,77 pCt. Stickstoff); 19,82 pCt. Fett; 5.26 pCt. Mineralstoffe, Asche; 1,75 pCt. Rohfaser; 37,11 pCt. stickstofffreie Extraktstoffe. Aus dieser Analyse ist besonders hervorzuheben der hohe Gehalt an Eiweiss, Fett und stickstofffreien Extrakt- stoffen, so dass die Fischwurst einem guten Ochsen- oder Schweinefleisch in Bezug auf Nährwerth gleichwertig und vom chemischen Standpunkt als gute« Nahrungs- mittel zu empfehlen ist; jedenfalls sollte kein Truppentheil einen Versuch mit diesem neuen Nahrungsmittel für Kautine und Menage unterlassen, welches auch von der kaiserlichen Intendantur der Marinestation der Nordsee zu Wilhelmshaven geprüft worden ist. Der Preis der Fischwurst ist billiger als der jeder Fleischwurst und relativ auch wohlfeiler als Ochsen- und Schweinefleisch, wenn man bei letzterem die Knochen- u. s. w. Abfälle in Betracht zieht.

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Da 8 Fahrrad- Kommando bei den russischen grossen Manövern bei Bjelostok 1897. Am 10./22. Mai 1897 trat das Fahrrad-Kommando in einer Stärke von 8 Offizieren, 7 Unteroffizieren und 53 Mann zusammen, um in der Umgegend von Warschau als Kadfahrer ausgebildet zu werden. Die Mannschaften waren ver- schiedenen Truppent heilen entnommen und zwar 12 Armee-Infanterie- Regimentern, 11 Festungs Infanterie-Regimentern und 4 Festungs-Artillerie-Bataillonen. Die meisten Leute standen seit dem Jahre 1895, einzelne seit dem Jahre 1894 im Dienst. Es standen 50 Fahrräder von verschiedener Konstruktion zur Verfügung. Die Aus- bildung dauerte bis zum 5./17. August, an welchem Tage das Kommando von dem Kommandirenden der Truppen des Warschauer Militärbezirks besichtigt wurde. Am 10. 22. August rückte das Kommando ab, um am 16./28. August auf dem Manöver- fehle einzutreffen. Der Marsch dorthin wurde dazu benutzt, um das Gelände keunen zu lernen, da« Kommando an die Bewegung in demselben und an »eine Ausrüstung zu gewöhnen. Letztere bestand in Folgendem: Der Mann selbst trug das Gewehr über dem Rücken, zwei Patrontaschen an dem Koppel und von sechs Leuten einer noch ein kleine« Beil. An dem Rade war hinter dem Sattel ein kleiner kupferner Kessel angebracht, worin »ich Theo, Zucker, ein Isiffel und Konserven befanden; an der Richtstange war ein gewichster Ueberwurf und ein kleiner Sack mit Wäsche zum Wechseln, vier Packeten Patronen, Gewehr- und Fahrrad Zubehör nebst einigen kleineren Sachen befestigt; das Bajonett war aneh an dem Fahrrad angebracht und zwar längs der Gabel des vorderen Rades. Der Mantel wurde nicht mitgenommen, sondern nur ein l eberwurf. Dem Kommando wurde ein zweispünniger Wagen beigegeben, auf welchem die Reservetheile der Maschinen, Instrumente zu den einfachsten Aus- besserungen bei dem Kommando selbst, ein V erpflegungsvorrath, Tuch- oder leinene Hemden (je nach dem Wetter), zwei Jurten aus 24 Bahnen, eine für die lx*ute, eine andere für die Maschinen, zwei Zelte für die Offiziere und ihre kleine Bagage trans- portirt wurden. Sani täts- Fahrräder zum Transport von Verwundeten wurden dem Kommando beigegehen, um zu untersuchen, ob sie geeignet wären, in jedem Gelände verwandt zu werden.

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Kleine Mittheilungen.

143

Hervorgehoben muss noch werden, dass das Kommando während der Ausbildungs- periode noch nicht praktisch im Manövriren mit den Truppen geübt war, was sich auch bei sein«*r Verwendung während der grossen Manöver mehr oder weniger bemerkbar machte.

Thats&chlich nahm das Fahrrad Kommando in der Stärke von 3 Offizieren und Ul Mann an den» Manöver theil, von denen 55 Fahrräder hatten, 6 als Reserve- mannschaften und zur Begleitung des Wagens bestimmt, nicht mit Maschinen ver- sehen waren. Die Fahrräder bestanden aus 32 zusammenlegbaren des Gerardschen Modells 1827, die für die russischen Wege aptirt waren, aus 2 desselben Modells 189«, aus einem zusammenlegbaren des österreichischen Modells, einem zusammenlegbaren des Systems »Gladiator« und aus 10 gewöhnlichen. Die beiden Sanitäts-Fahrräder waren auch zusammenlegbar und gehörten dem System »Kolbaba und Gläser« an.

Dem im »Russischen Invaliden veröffentlichten, sehr eingehenden Bericht über die Verwendung des Fahrrad-Kommandos während der grossen Manöver können wir nur Folgendes entnehmen, indem wir uns darauf beschränken, nur die Thatsachen hervorzuheben, die die Verwendung kennzeichnen.

Während der ersten drei Manövertage vom 18./30. August bis zum

20. August

2. September

einschliesslich war das Fahrrad Kommando dem Garde- Detachement, das die Avant- garde der West -Armee bildete, zuget heilt und speziell der 3. Garde-Kavallerie- Brigade zur Verfügung gestellt.

Am ersten Manövertag«* war das Kommamio zur Deckung der rechten Flanke jener Brigade bestimmt. Bei Lösung dieser Aufgabe gelang es ihm, feindliche Kavalleriepatrouillen zu vertreiben, nachdem es einen durch einen Sumpf führenden, für die eigene Kavallerie unpassirbaren Weg glücklich überschritten batte. Durch ■schnelles seit w artiges Vorrücken hatte es ferner Gelegenheit, einen Angriff der Infanterie durch Schrägfeuer zu unterstützen. Schliesslich betheiligte es sich lebhaft an der Verfolgung des Feindes. Von dem g«*sam inten Kommando wurden an diesem Tage km, von einzelnen Leuten an km zurückgelegt.

Am zweiten Manövertage wurde das Fahrnul Kommando zur Aufklärung benutzt. Dabei traf es sieh, dass das Kommando eine auffahrende feindliche Batterie unter Salvenfeuer nehmen und deren angreifende Bedeckung zum Zurnckgchen zwingen konnte. Im weiteren Verlauf stiess «las Kommando auf feindliche Kavallerie, welche es durch sein Feuer zum Zurückgehen veranlasste; auch unterstützte es die angreifende Infanterie, indem es «lie feindliche Infanterie unter Flanken- und Rückenfeuer nahm. Das Kommando hatte eine Strecke von 36 km, einzelne Leute von 50 km «lurchfahrcn.

Am dritten Manövertage ging «lie Ost -Armee zurück und wurde von der West- Armee verfolgt. Das Kommando bekam «len Auftrag, zu erkunden, ob die Brücke über «len Jahlow besetzt sei, solche zu besetzen und dann weiter aufzuklären. Da das Kommando eine Chausse benutzen konnte, so legte es 12 bis lökni in d«*r Stunde zurück, folgte dem zurückgehenden Feinde unmittelbar, zwang die an der Queue marschircndcn Truppen, zeitweise Front zu machen und sich zu entwickeln, und unterstützte die Verfolgung wesentlich durch Meldungen über das, was beim Feinde vorging. Von «lew ganzen Konimamlo wurden über 30 km, von einzelnen Leuten etwa 60 km zurückgelegt.

Der vierte Manövertag war Ruhetag.

Für den folgenden Tag wurde das Fahrrad Kommando der 2. Brigade der Infanterie- Division zuget heilt, die nur eine Kasaken-Sotnie zur Verfügung hatte. Die Brigudc bildete die Avantgarde des 16. Armeekorps, und so sollte das Fahrrad Kommando die fehlende Kavallerie ersetzen. Bei den Erkundungen kam es vielfach zu Zusammenstössen mit feindlicher Kavallerie. Auch wurde eine feimllicbc Batterie unter Feuer genommen und gegen solche unter Zurücklassung «1er Maschinen vor* z’-gungen, ullein ohne Erfolg. Das Kommando trat überhaupt vielfach als einfache

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144

Klein© Mitthcilnngen. Büch erschau.

Infanterie auf, indem die Fahrräder, sowohl die zusammenlegbaren wie die gewöhn liehen, auf dem Rücken getragen wurden. Die zurückgelegte Strecke betrug an diesem Tage für das ganze Kommando 40 km, für die entsandten einzelnen Patrouillen 70 km.

Während der beiden letzten Manövertage fielen dem Kommando keine besonderen Aufgaben zn. Da die West-Armee sieh immer mehr zusammenzog und das Kom mando von nur 45 Mann sich im Cent rum, nicht wie in den ersten Tagen auf der Flanke befand, so konnte es zu einer eigenartigen Verwendung nicht kommen.

Bis zum Tage der Parade über die gesummten Manövertruppen vor dem Kaiser, an welcher auch das Fahrrad-Kommando thcilnahm, waren von letzterem 1200 Werst (1280 km; zurückgelegt, wovon 414 km auf die Bewegungen während des Manövers entfielen.

Der Gesundheitszustand des Kommandos war während seiner ganzen Thütigkeit sehr gut; nur fünf bis sechs Erkrankungen der Mannschaften kamen vor, die aber auch nur leicht waren.

Da die Verwendung von Fahrrädern bei den Manövern hier bei Bjelostok zum ersten Mal versucht wurde, so ist es wohl erklärlich, dass die Thütigkeit des Kom- mandos sich nicht immer in den entsprechenden Grenzen hält; das stete Suchen, selbständig mit dem Feinde in ein mehr oder weniger ernstes Gefecht einzutreten, dürfte kaum der Zweck eines Fahrrad-Kommandos sein. K-r.

Bücherschau. ««6-

Anlage und Leitung von Kriegsspiel- Uebungen. Von Emil Sanderegger, Hanptmann im Generalstab. Frauen- feld, Verlug von J. Huber, 1897.

Während sich das Kriegsspiel bei uns mit den kleinen Einzelheiten des Feld dienstes im Allgemeinen nicht befasst, da sie dem Offizier durch den praktischen Dienst fortwährend in anschaulichster Weise vor Angen geführt werden, ist bei der vorliegenden Anleitung gerade ein Durchspielen der kleinsten Einzelheiten in den Vordergrund gerückt. Die Darstellung der »Sachlage in den verschiedenen Bei- spielen ist daher ungewöhnlich ins Einzelne gehend behandelt, wogegen auf richtige Befehlaertbeilung weniger Werth gelegt ist. Diesem Eingehen auf Einzelheiten entsprechend sind zu einem solchen Kriegs- spiel auch die verschiedensten Arten von Truppenzeiehen noth wendig, von denen naturgenniss, selbst bei einem so grossen Maassstab der Pläne (1 : 2500 oder 1 : 5000) wie ihn der Verfasser vorschlägt, einige winzig klein werden, um maassstabsgerecht zn sein. Der Verfasser will diese Zeichen «laher auch mit kleinen Magneten bewegen und aufnehmen. Dass er sie zu diesem Zweck aus Zinkblech herstellt, ist nicht verständlich, wahrscheinlich ist Weissblech gemeint. Als Pläne sollen der grös*seren Anschaulichkeit wegen, wenn möglich, Re- liefkarten benutzt werden. Wir halten dies nicht für erforderlich, da die Offiziere zum Kriegsspiel im Planlesen ausgebildet

sein müssen. Sind sie dies nicht, so ge nügt auch das Relief nicht. Da solche Reliefpläne schwerer zu beschaffen und theurer sind als Pläne, so schlägt Verfasser vor, sie in einzelne Theile zu zerlegen und diese so einzurichten, dass sie in ver schiedenen Kombinationen aneinander ge- setzt werden können. Er will auf diese Weise verschiedene Geländeverhältnisse mit nur einem Relief schaffen. Die Reliefs müssen also ganz künstlich konstruirt werden und geben daher unnatürliche Geländebilder, wie auch das Muster in Anlage A zeigt. Für unsere Verhältnisse bietet die Schrift keinen besonderen Nutzen.

Militärische Rundschau, Monatsschrift für allgemeine Kriegswissenschaft. Leipzig.

Die bisher als Monatsschrift in Leipzig erschienene »MilitürischcRundschau* begründet und verantwortlich geleitet durch v. Prollius, die sich des Wohlwollens der weitesten Kreise erfreut, soll von jetzt ab in zwanglosen Heften ansgegeben werden. Die Verlagsanstalt glanbt auf diese Welse ohne an einen bestimmten Termin gebunden zu sein ihre Auf- merksamkeit den aktuellen Tagesfrageu mehr als zuvor zu wenden zu können, um so ihre Leser stets auf dem Laufenden zu erhalten. Die Hefte, deren Preis sich je nach der Stärke richtet, sind nur noch durch den Buchhandel nicht durch die Post zu beziehen.

Gedruckt in der Königlichen Horbuchdruckcrei von E. S. Mittler £ Sohn, lierlin SWn Kochstmsse 68-71.

3gle

Digiti;

Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis« untersagt.

Gedanken über das Infanteriegewehr der Zukunft.

Ist die grosse Gestreoktheit der Geschossbahn, deren Steigerung das erste Ziel aller Entwürfe neuer Gewehrmodelle ist, in der That von so grossem Vortheil, oder sind damit nicht, vielleicht auch solche Nachtheile verbunden, dass die Vervollkommnung der Bewaffnung richtiger auf anderen Wegen zu suchen wäre, das ist eine Frage, über die wohl mancher Loser den Kopf schütteln und von vornherein meinen wird, dass über diose Frage kein Zweifel aufkommen könne, um so weniger, als seit 50 Jahren jeder ballistische Fortschritt der Handfeuerwaffen nur auf diesem Wege gesucht und gefunden ist. Man hält es von vornherein für ausgeschlossen, dass überhaupt Nachtheile damit verbunden sein könnten, und darum die Erörterung dieser Frage für höchst überflüssig. Dass indess diese Frage so ganz unberechtigt nicht ist, dürfte schon daraus hervorgehen, dass sich im unebenen Gelände weit leichter Deckungen gegen eine gestreckte Flugbahn finden als gegen eine gekrümmte.

Das allein würde allerdings kein ausreichender Grund sein, Bich ein- gehender mit dieser Frage zu befassen. Aber jüngst ist in einer kleinen Broschüre*) diese Frage mit einem grossen Aufwand von Scharfsinn erörtert und dahin beantwortet worden, dass im Gefecht der Vortheil einer sehr gestreckten Flugbahn selbst in der Ebene von sehr frag- würdigem Werthe sei, so dass es in Bezug auf die Gcstrecktheit der Bahn eine gewisse Grenze gebe, bei deren Ucberschreitnng die Vortheile immer unbedeutender, die Nachtheile immer fühlbarer würden. Es ist nicht ohne Interesse, dem Gedankengange dieser Studie zu folgen.

Der Verfasser geht davon aus, dass die Geschossgarbe, die aus den Flugbahnen der einzelnen Geschosse gebildet wird, zwei ganz von einander unabhängigen Bedingungen genügen muss, um eine gute Treffwirkung zu erreichen. Es muss nämlich einmal die Geschossgarbe möglichst dicht geschlossen, die Streuung also klein sein, und ausserdem die Garte richtig liegen, d. h. ganz oder zum Thcil in das Ziel fallen. Liegt die Geschoss- garbe im Grossen und Ganzen richtig, was im gefechtsmässigen Schiessen bei richtiger Wahl des Visirs der Fall ist, so bleibt die Wirkung dennoch gering, wenn die Schützen infolge schlechter Ausbildung oder grosser Aufregung nicht sorgfältig zielen und ruhig abdriieken, mit einem Wort, wenn die Streuung zu gross wird. Andererseits aber kann auch bei dem

*) La grantle tension des trajectoires et 1c fusil ilo l'avcnir par (l'Aout, smis- lientenant d’infantcric. I'nris, I.. Liamlnin.

Krifgitechni-iche Zeitschrift. 1898. 4. II* ft. }()

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14»;

(••■danken iiher das Infiintcriegewehr der /.ukunft.

besten Schützen die Wirkung gering ausfallen oder ganz ausbleiben, wenn die Geschossgarbo falsch liegt, d. h. das Visir falsch gewählt ist, und zwar wird in diesem Falle die Wirkung um so geringer, je sorgfältiger der Schütze zielt.

Zweifellos wird die Streuung, die bereits beim gefechtsmässigen Schiessen erheblich grösser ist als auf dem Schiessstande, im wirklichen Gefecht noch mehr wachsen. Der Verfasser der Studie ist der Meinung, dass im Ernstfälle die wirklich gut gezielten Schüsse sehr selten, die schlecht gezielten häutiger sein werden, dass aber die weitaus grösste Zahl aller Schüsse ungezielt, ja ohne das Gewehr überhaupt in Anschlag zu bringen, ganz übereilt abgegeben wird mit einer Erhöhung, welche ungefähr die Mitte hält zwischen der, welche dem Anschlag an der Schulter und dem an der Hüfte entspricht. Er beruft sich für diese An- sicht auf eine ganze Reihe von Schriftstellern, die sämmtlich darin iiberein- stimmen, dass infolge der grossen Nervenerregung im Gefecht sehr schlecht oder gar nicht gezielt wird. Bemerken will ich jedoch, dass die Mehrzahl dieser Schriftsteller Franzosen, Russen oder Belgier sind. Von deutschen Autoritäten wird eigentlich nur Hohenlohe angeführt, der sich etwa, wie folgt, ausdrückt: t Ehe ich persönlich an einem Gefecht theilgenommen hatte, haben mich kriegserfahrene Leute' versichert, dass für die im Gefecht begriffenen Leute ein hoher Grad der Ausbildung nöthig sei, damit sie nur die Waffe zum Anschlag an die Schulter erheben: Das ist nur allzu wahr.« Die Aussprüche der nicht deutschen Schriftsteller lauten aus- nahmslos viel ungünstiger.

Dass im Ernstfall unter dem Eindruck des feindlichen Feuers sehr viel schlechter geschossen wird als bei Friedensübungen, versteht sich ganz von selbst. Das leugnen zu wollen, wäre reine Thorheit. Aber es ist sehr die Frage, ob das Schiessen, ohne zu zielen, ja ohne anzuschlagen, wirklich die Kegel ist, und ob, selbst wenn das der Fall wäre, die wirklich zielenden Schützen, wenn auch in der Minderheit, nicht doch so zahlreiche Ausnahmen bilden, dass die Wirkung ihrer Schüsse entscheidend in die Wagschale falle.

In dieser Beziehung sind die Schätzungen namhafter Schriftsteller, die der Verfasser als Beweis für die geringe Treffleistung der Gewehre in den Kriegen unseres Jahrhunderts anführt, von hoher Bedeutung. Von je 100t» verfeuerten Patronen trafen nach

Piobert in den Kriegen 1805/0 0,33

Riistow und Plünnies von den glatten Gewehren 2,5 Plönnies von den gezogenen Gewehren 1859 . . 7,0

Plönnies vom Zünduadelgewehr 1804 .... 15,0.

Ein nicht genannter deutscher Schriftsteller macht folgende Schätzungen

für die deutsche Infanterie:

1800 bis 1859 . . . 7,0

1804 15,0

1800 in Böhmen . . 25,0

1870 0,0.

Auf die Grösse der Zahlen, die auf sehr unsicherer Schätzung beruht, lege ich keinen Werth, wohl aber auf das Verhältniss der Zahlen zu einander. Abgesehen von dem Feldzuge 1870 liegt eine fortdauernde Steigerung der Wirkung vor. Wie wäre dies zu erklären, wenn die Wirkung von den ungezielten Schüssen herrührte? Sie muss noth- wendig eine Folge der gezielten Schüsse sein, da sie der Verbesserung der Feuerwaffen folgt. Fortwährend ist die Verhältnisszahl der Treffer

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('danken filier diu* Inftmteriegewehr der Zukunft.

147

gestiegen, obwohl die Entfernungen, auf denen die Entscheidungen fielen, gleichzeitig grösser geworden sind. Die einzige. Ausnahme (1870) erklärt sich zwanglos daraus, dass die deutsche Infanterie zum ersten Male dem Hinterlader gegenüberstand, der eine volle Ausnutzung der Deckung und das Laden im Liegen zuliess, was beim Vorderlader unmöglich war. Die Ziele waren also wesentlich kleiner als in den früheren Feldzügen; übt» r dies zwang die Ueberlegenheit des französischen Gewehrs über das Zündnadelgewehr die deutsche Infanterie, einen grossen Theil ihrer Patronen auf Entfernungen zu verfeuern, auf denen ein sicheres .Schiessen gar nicht möglich war.

Der Verfasser nimmt ferner die von vielen Seiten aufgestellte Be- hauptung, dass im Gefecht fast nur zu hoch geschossen werde, als zutreffend an. Aber auch hier wird ein Zweifel an der Richtigkeit erlaubt sein. Fast in allon Gefechtsberichten kann man lesen, dass man die feindlichen Geschosse über sich wegfliegen hörte, dass der Feind viel zu hoch geschossen habe. Die Thatsache, dass sehr viele Geschosse, deren- Schwirren und Pfeifen deutlich wahrgenommen wurde, über die Köpfe hinweggeflogen sind, beruht auf keiner Täuschung; aber der daraus gezogene Schluss, dass der Feind viel zu hoch geschossen habe, ist mindestens voreilig. Denn warum können nicht ebenso viel oder noch mehr Geschosse zu kurz gegangen und vor dem Ziel eingeschlagen sein? Von diesen nimmt man entweder gar nichts wahr, oder aber man hält sie, falls sie abprallend weiterfliegen, auch für zu weit gegangene Geschosse.

Der Verfasser nimmt nun an, dass die Streuung im Kriege min- destens dreimal so gross als im Frieden sei. Das scheint sehr niedrig gerechnet; aber mau muss dabei berücksichtigen, dass die von dem Ver- fasser angegebenen Streuungen für das gefechtsmässige Schiessen der belgischen Infanterie ausserordentlich hoch sind. In der nachstehenden Zusammenstellung gebe ich zum Vergleich die mittleren (50prozentigen) Höhenstreuungen der belgischen, deutschen, französischenund schweizerischen Infanterie im gefechtsmässigen Abtheilungsschiessen. Als Quellen dienen die »Schiesslehro für Infanterie«, die Broschüre des französischen Generals le Joindre über das gefechtsmässige Schlossen und für die schweizerische Infanterie das -Offizier-Taschenbuch für 1894*. Einzelne Zahlen sind durch Interpolation gewonnen.

50 pCt. aller .Schösse sitzen in einem wagercchten

Streifen

Entfernung

von . . . Metern Höhe

m

Belgien

Deutschland

Frankreich

Schweiz

«00

e,o

1.04

3,0

2,75

700

7,8

1.28

4.3

3,3

800

0,7

1,00

6,0

3,8

000

11.«

2.0

O,0

4.4

1000

12,7

2,5

7,0

5,0

1100

14.5

3,1

8.0

5.6

1200

16,6

3,8

0,0

0.25

Hieraus geht hervor, weitaus die geringste ist;

dass die Leistung der belgischen Infanterie die deutsche Infanterie schiesst danach -1 bis

K'l*

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148 Oedanken über da« I nfauteriegevi ehr der Zukunft.

5 mal, die schweizerische 2 bis 21/smal, die französische etwa 1 */j bis 2 mal besser als die belgische Infanterie.

Aus den mittleren Höhenstreuungen kann man die mittleren Längen- streuungen errechnen, d. h. die Tiefe des Raumes auf der wagerechten Kbene, in welchem die bessere Hälfte aller Schüsse, also der wirksamste Thcil der Geschossgarbe, einschlägt. Man hat die Zahlen der Zusammen- stellung nur mit der Cotangente des Fallwinkels, der für diese Waffen als gleich anzusehen ist, zu multipliziren. Man erhält auf diese Weise die nachstehende »wirksame« Tiefe der Geschossgarbe:

Entfernung

Belgien

Deutschland

Frankreich

Schweiz

000 m

299 m

52 m

180 ui

137 m

700 »

295 >

47 >

169 »

122 >

800 >

283 i

47 »

146 »

108 »

900 >

271 >

47 >

140 >

104 >

1000 >

246 >

48 *

136 >

97 >

1100 »

237 »

51 >

131 »

92 >

1200 >

216 »

53 »

126

87 »

Während die Höhenstreuungen mit der Entfernung wachsen, zeigen die Längenstreuungen oder die Tiefe der »wirksam« unter Feuer gehaltenen Zone die Neigung, konstant zu bleiben oder gar kleiner zu werden. Für die weitere Untersuchung nehmen wir konstante Werthe an.

Nehmen wir als Mittelwerth für die belgische Infanterie 270 m an, so würde man, weun man in Uebereinstimmung mit d’Aout voraussetzt, dass die Streuung sich unter dem Einfluss der Gofechtsaufregung ver- dreifacht, mit einem Visir einen Raum von rund 800m Tiefe ziemlich gleichmässig unter Feuer halten. Bei einer noch gestreckteren Flugbahn würden die Höhenstreuungen unverändert bleiben, dagegen die Längen- «treuungen, also auch dio Tiefe der »wirksam« bestrichenen Zone grösser ausfallen.

Es ist leicht einzusehen, dass hieraus für die kleineren Entfernungen kein Vortheil erwachsen würde. Mit dem Visir 600 wi rd schon jetzt der Raum von der Mündung bis 1000 m ziemlich gleichmässig unter Feuer gehalten vorausgesetzt natürlich, dass die Streuungen die angenommene Grösse hätten. Mit dem Visir 1200 würde der »wirksam«*) unter Feuer gehaltene Raum von 800 bis 1600m reichen. Ob eine noch gestrecktere Flugbahn Vortheile bringen würde, hängt von der Grösse des »wahrscheinlichen« Schätzungsfehlers ab. In der »SchiesBlehre für Infanterie« ist derselbe zu 1/s der Entfernung angenommen worden; d’Aout veranschlagt ihn auf bis l/t. Nimmt man ihn auf 1200 m selbst zu ’/« der Entfernung, d. h. 300 m, an, so liegt die Schätzung in der Hälfte aller Fälle zwischen 900 und 1500 m. Man kann nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen in nahezu 3/< aller Fälle annehmen, dass das Ziel innerhalb des »wirksam« bestrichenen Raumes liegt, und nur in etwa 6 pCt. aller Fälle wenn nämlich bei einer Zielentfernung von 1200 m die Schätzung kleiner als 400 m oder höher als 2000 m ausfällt wird die Wirkung unter */j derjenigen sinken, die zu erwarten ist, wenn das Ziel innerhalb des »wirksamen« Bereichs der Geschossgarbe liegt.

*) Mit dein Wort iwirksam« darf niuu keine allzu grossen Vorstellungen verknüpfen: auf 1200m würde man unter den gemachten Voraussetzungen gegen stehende Schützen (ein Mann auf 1 m Front) 0,8 pCt., gegen liegende (Brustscheiben) 0,18 pCt., gegen Artillerie 0,34 pCt. Treffer erwarten dürfen. Auf 600 m würde man gegen stehende Schützen 2,2 pCt., gegen liegende 0,5 pCt., gegen Artillerie 0,9 pCt. Treffer zu rechnen buhen.

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( i e<lunkt‘ll iilier diu« Infanteriegewehr der Ankunft.

14!)

Mau kauu also dem Verfasser zugeben, dass bei so schlechten Schützen eine noch grössere Gestrecktheit der Flugbahn keine praktische Bedeutung haben würde.

Ist nun eine Steigerung der Gestrecktheit der Geschossbahn von nur geringem Einfluss auf die Treffleistung der zielenden Schützen, so wirkt sie allerdings nachtheilig bei denjenigen Leuten, die das Gewehr abdrücken, ohne es in Anschlag zu bringen. Man kann nach Ansicht des Lieutenants d’Aout den Abgangswinkel der auf diese Weise verfeuerten Geschosse auf 6 bis 12° im Mittel schätzen. Nehmen wir selbst den niedrigsten Winkel ü° an, so ergiebt derselbe eine Schussweite von 2000 m bei dem Gewehr 88, dagegen von nur 1400 m bei dem Gewehr 71. Die Flugbahn des Gewehrs 88 würde in einer Höhe von 48, 08 bezw. 70 m über ein Ziel hinweggehen, das sich 500, 800 bezw. 1200 m entfernt befindet. Beim Gewehr 71 würde die Garbe nur eine Höhe von 42, bezw. 49, bezw. 32 m erreichen. Es ist klar, dass das ungezielte Feuer auf den eigentlichen Kampf- entfernungen um so weniger wirkt, je gestreckter die Flugbahn ist.

Da nun, wie bereits erwähnt, in unebenem Gelände tun so leichter Deckungen zu linden sind, je gestreckter die Flugbahn ist, so kann man dem Verfasser nicht ganz Unrecht geben, wenn er immer natürlich in der Voraussetzung, dass seine Annahmen über das Verhalten der Schützen im Gefecht zutreffen zu dem Schluss gelangt, dass für den Augen- blick die ballistische Leistung der Gewehre als ausreichend anzusehen ist, dass wichtiger als eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Waffen ein richtiges Zielen im Gefecht ist. Die Mittel, dies zu erreichen, liegen theils auf psychischem, theils auf materiellem Gebiet. Zu den ersteren hat der Verfasser nur ein geringes Zutrauen; er glaubt, dass l«ei der furchtbaren Aufregung, in der sich der Soldat im Gefecht befände, hiervon nichts zu hoffen sei, da er weniger aus Ueberlegung, als vielmehr aus Instinkt handle. Es bleibe also nur das Mittel übrig, die Methode des Zielens von Grund aus zu ändern; es würde ganz zwecklos sein, dem Soldaten ein Gewehr zu geben, dessen Gebrauch eine grosso Seelenruhe erfordert.

Ganz so tragisch sehe ich die Sache nun nicht an. Zweifellos zielen unsere Soldaten bei den Friedensübungen sehr viel besser als die belgischen, und es wird daher wohl erlaubt sein, anzunehmen, dass sie auch im Ernstfall besser zielen. Ich gebe gern zu, dass die in der »Schiesslehre für Infanterie« mitgetheilten Zahlen über die Streuung beim gefeehts- mässigen Schlossen sehr günstig sind. Aber bemerken muss ich doch, dass die Angaben auf den Entfernungen von 300 m bis 700 m ganz immittelbar abgeleitet sind aus den Schiessübungeu der Truppe, wobei keineswegs etwa nur die besten Schützen ausgewählt waren. Ein fran- zösischer Offizier*) bemerkt über diese Zahlen, dass sie durchweg sehr günstig seien, namentlich auf den Entfernungen unter 800 m, also gerade auf den Entfernungen, für die ich die Streuung aus den Truppenschiessen direkt abgeleitet habe; gegen die anderen hat er keine Einwendungen zu machen. Diese sind im Verhältniss zu den Strouungen auf den näheren Entfernungen keineswegs zu klein angenommen, was unter Anderem auch schon daraus hervorgohen dürfte, dass die Längenstreuung der deutschen Infanterie beim gefechtsmässigen Schiessen (S. 148) nicht, wie dio der anderen Armeen, mit zunehmender Entfernung kleiner wird. Nehmen wir nun an, dass die Streuung im wirklichen Gefecht sechsmal so gross

*) Revue d'nrtilleriu 1897, tome 50, p. 12.

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Gedanken über da« 1 nfmiteriegewt'hr der Zukunft .

wird »1h hei den Friedensübungen (d’Aout nimmt nie dreimal ho gross an), so wird das wohl den Verhältnissen einigermaaBson entsprechen. Der » wirksame «*) Theil der Geschossgarhe erstreckt sich alsdann über einen Kaum von 300, die ganze Garbe über einen solchen von 1200 m Tiefe. Bei einem * wahrscheinlichen Schätzungsfehler von '/• der Entfernung, wie er in der »Schiesslehre« angenommen ist, wird das Ziel auf der Ent- fernung von 1200 m in der einen Hälft« aller Fälle von dem - wirksamen« Theil der Geschossgarbe getroffen, in der anderen Hälfte dagegen nicht mehr. Nehmen wir den wahrscheinlichen Schätzungsfehler mit d'Aout zu '/i der Entfernung an, so befindet sich das Ziel nur in etwa 20 pCt. aller Fälle innerhalb, in 74 pCt. aller Fälle ausserhalb des wirksamen Theils der Geschossgarbe. (Innerhalb nämlich, wenn die Entfernung zwischen 900 m und 1500 m geschätzt wird.) ln der gleichzeitigen Anwendung mehrerer Visire besitzt man das Mittel, die Wirkung der Geschossgarbe über einen Raum von grösserer Tiefe zu erstrecken; natürlich nur um den Preis der Herabsetzung der Wirkung.

Eine gestrecktere Flugbahn würde die wirksame- Tiefe der Ge- schossgarbo ohne Herabsetzung der Wirkung vergrössern und gestatten, die Anwendung mehrerer Visire weiter hinauszuschieben. Aber, was bereits im § 33 der Schiesslehre ausgesprochen ist, allzu grosse Hoffnungen darf man nicht auf die Steigerung der ballistischen Wirkung setzen.

Im Gegensatz zu dem belgischen Offizier bin ich der Ueberzeugung, dass man es durch sorgfältige Erziehung und Ausbildung dahin bringen kann, dass dio Schützen oder doch ein verhältnissmässig grossor Theil derselben auch im Ernstfall ihre Waffe mit Ruhe handhaben. In dieser Beziehung stimme ich ganz der von General v. Leszczynski, einer dor ersten infanteristischen Autoritäten, im Militär -Wochenblatt **) geiiusserten Ansicht bei, dass dio peinlichste Ausbildung im Schiessen es erreichen lässt, dass der Mann in der Hitze des Gefechts mechanisch horizontal anschlägt. Man muss nur in den lauten die Ueberzeugung hervorzurufen verstehen, dass ruhiges Zielen und Abkommen auch im gefechtsmiissigen Schiessen einen sicheren Erfolg verspricht. Das kann durch die sorgfältige Aus- bildung im .Schulschiessen, die allerdings dio unumgänglich noth- wendige Vorbedingung dafür ist, nur zum Theil erreicht werden. Man muss auch dafür Sorge tragen, dass die gefechtsmässigen Abtheilungs- schiessen, auch bei durchaus kriegsmässiger Anlage (überraschendes Auftreten von Zielen und unter allen Umständen unbekannte Ent- fernungen), wenn nicht sehr grobe Fehler Vorkommen, keinen vollständigen Misserfolg aufweisen. In der Schiesslehre 26) habe ich nachgewicscn, dass ein solcher allerdings schon bei verhältnissmässig kleinen Schätznngs- fehlern, die durchaus im Bereich der Möglichkeit liegen, ointreten kann und um so deutlicher in die Erscheinung treten muss, je besser die Schützen im Schulschiessen ausgebildet sind und je sorgfältiger sie zielen. Das muss unbedingt vermieden werden, weil dadurch die Leute das Vertrauen zu ihrer Waffe und ihren Führern verlieren. Es ist daher, abgesehen von tlcissiger Förderung des Entfernungsschätzens, noth-

* Dil- Wirkung ist hier etwa 2,(1 mal so hoch als lici ilen Annahmen d'Aout«. Auf 1200 m sind gegen stehende Schützen 1,2, gegen lirust.seheihen 0,21, gegen Artillerie 0,78 p(’t. Treffer zu erwarten. Es tritt hier wieder das alte Gesetz in die Erscheinung, »bei grosser Streuung kleine Wirkung auf grossem Raum, hei kleiner Streuung grosse »Wirkung über auf beschränktem Kaum .

** Nr. 10/üH Einige Bemerkungen zn den Artikeln .Taktische Grundsätze der Gegenwart“ und .Bankrott“-, Spalte 318.

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Beiträge zum Festmigsknog.

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wendig, durch die Wahl mehrerer (bezw. weiter auseinander liegender) Viaire die »wirksame« Tiefe der Geschossgarbe so zu vergrössern, dass ein in den Grenzen der Wahrscheinlichkeit liegender Schätzungsfehler nicht den Erfolg in Frage stellen kann, wie das bereits in der Schiesslehre 20) ausgeführt ist. Bei schlechten Schützen, wie z. B. der belgischen Infanterie, würde die Maassregol zwar überflüssig, aber durchaus un- schädlich sein. Ob die » wirksame : Tiefe der Geschossgarbe 800 oder 1000 m beträgt, ist ziemlich gleichgültig, wenn der wahrscheinliche Schätzungsfehler 200 ra beträgt; dagegen ist es nicht gleichgültig, ob sie 100 oder 300 m beträgt. Ich gebe gern zu, dass die Vergrösserung der »wirksamen« Tiefe der Geschossgarbe für das Gefecht ohne grosse praktische Bedeutung ist, da die Leute auch bei der besten Ausbildung hier schlecht genug, zielen; der Hauptwerth liegt darin, dass man dadurch im Frieden gleic.hmässigere, dem Ernstfall ähnlichere Treffresultate erzielt und Miss- erfolge, die das Vertrauen in das eigene Können untergraben, ausschliesst. Nicht sowohl auf glänzende Trefferzahlen unter besonders günstigen, im Ernstfall ausgeschlossenen Verhältnissen, sondern auf ausreichende Resultate auch unter ungünstigen Verhältnissen kommt es an.

Gelingt es uns, durch pflichttreue, rationelle Ausbildung und Erziehung die Zahl der im Gefecht wirklich zielenden Schützen zu erhöhen und es wird gelingen , so ist die deutsche Infanterie unüberwindlich. Dass die Zahl dieser Schützen innerhalb der deutschen Infanterie schon bisher keine verschwindend kleine war, geht aus der oben erwähnten, mit der Verbesserung der Waffen Schritt haltenden Steigerung der Treffwirkung im Gefecht deutlich hervor.

Trotzdem bleibt der Gedanke des belgischen Offiziers durchaus richtig, dass es für das Zukunftsgowehr nicht sowohl auf eine Steigerung der ballistischen Leistung ankommt, als vielmehr auf eine Einrichtung der Waffe, welche es ermöglicht, das Gewehr instinktiv wenigstens annähernd zu richten. Der Technik gelingt die Lösung jeder Aufgabe, sobald sie nur scharf gestellt oder nichts verlangt ist, das gegen die Naturgesetze verstösst. Ich halte es z. B. gar nicht für unmöglich, ein Gewehr zu konstruiren, das für gewöhnlich nur abgefeuert werden kann, wenn die Seelenachse eine Neigung von mehr als 3 (5)° zur Wagerechten hat. Man würde damit eine Maximalschussweite von 1400 (1800) m erreichen und das Abfeuern der Gewehre imter Erhöhungen, wie man sie beim Schiessen ohne Anschlag erhält, ausschliesson. Eine besondere Einrichtung müsste dann das ausnahmsweise Schiessen unter grösseren Erhöhungen ermög- lichen. Dass diese Lösung nicht von heute zu morgen gefunden wird, ist klar; dass sie aber gefunden wird, wenn sie ernstlich verlangt wird, davon bin ich überzeugt. Es dürfte das vielleicht eine dankbare Aufgabe für Elektrotechniker sein. pj. Rohne.

Beiträge zum Festungskrieg.

Mit vierzehn Abbildungen.

Die Wichtigkeit der Kenntniss des Festnngskrieges für die Offiziere aller Waffen bedarf keines besonderen Beweises mehr, nachdem selbst die Felddienst-Ordnung von 1894 sich mit den Vorposten im Festungskriege beim Angreifer und beim Vcrtheidigor beschäftigt. Auch die betreffenden

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Beitrüge zmu Festnngskrieg.

Leitfäden, welche dem Unterricht auf unseren Kriegsschulen zu Grunde gelegt sind, geben dieser Wichtigkeit Ausdruck; aber sie wird doch allseitig noch nicht genügend anerkannt, und gar Mancher denkt, wenn er vom Festungskriege hört, an eine recht überflüssige, mindestens aber langweilige Sache.

Sobald der Offizier sich für die Prüfung zur Kriegsakademie vor- bereitet, wird für ihn die Sache schon wesentlich anders, und er muss sich nothgedrungen mit dem Festungskriege befassen, der ihm bis dahin als eine völlig fernliegende Materie erschien. Dann holt er sich zuerst seine alten, oft scheel angesehenen Leitfäden von der Kriegsschule über Befestigungslehre und Waffenlehre vor und lässt dem Artilleristen und Ingenieur schon ein wenig Gerechtigkeit widerfahren. Je tiefer er dann in den Gegenstand einzudringen versucht, um so mehr erkennt er die Lücken in seiner Kenntniss der Kriegskunst, und nun geht es an die verschiedenen Hülfs- und Ergänzungsschriften, welche den von ihm bis dahin nur wenig oder gar nicht geachteten Festungskrieg behandeln.

Wenn sieh ihm später die Pforten der Kriegsakademie, dieser unserer Militär-Hochschule, öffnen, so erfährt er, dass es bei uns auch eine An- griffs- und eine Vertheidigungs-Anleitung giebt, in welchen die Thätigkeit und das Eingreifen aller Waffen im Festungskriege eingehend dargelegt sind ; mit Staunen sieht er, dass an demselben wirklich alle Waffen betheiligt sind und sich daher auch jeder Offizier eine hinlängliche Kenntniss davon verschaffen muss.

Für den jüngeren und mittleren Offizier nach dem Dienstalter sind allerdings diese beiden Anleitungen schwerer zugänglich als für die älteren und namentlich die höheren Offiziere, denen sie zur Verfügung stehen. Diese müssen sich denn auch mit dem Inhalt derselben mehr oder weniger vertraut machen. Einem General kann eine bestimmte Verwendung im Kriege nicht gewährleistet werden, und er muss so gut wie im Feldkriege auch im Festungskriege seinen Mann stehen, um die an ihn herantretenden Aufgaben mit Erfolg zu lösen.

Dabei ist es aber erforderlich, dass er von seinen Untergebenen in ausreichendem Maasse und mit vollem Verständniss unterstützt wird, und hieraus ergiebt sich zwingend die Noth Wendigkeit für jeden Offizier, sich mit der Materie des Festungskrieges bekannt und vertrant zu machen, welcher keine ausschliessliche Domäne der Fussartillerie sowie der Ingenieure und Pioniere ist, wie immer noch von Manchem geglaubt wird.

Es ist auffallend, dass in der neueren Litteratur sich der Fuss- artillerist weit eingehender mit dem Festungskrieg beschäftigt als der Ingenieur, was wohl darin seinen Grund hat, dass seine Aufgabe dabei die wichtigere ist und die Fussartillerie in den verschiedenen Phasen des Geschützkampfes zur Hauptwaffe wird. Kavallerie und Feldartillerie wirken meist nur bei der Einschliessung mit, während Infanterie und Pioniere während des ganzen Verlaufes von Angriff und Vertheidigung verschieden- artig in Thätigkeit treten.

Wie man für den Feldkrieg bestimmter taktischer Grundlagen bedarf, so ist dies in gleicher Weise für den Festungskrieg erforderlich. Der oft gehörte Satz, der Festungskrieg sei nur ein veränderter Feldkrieg, und man könne daher bei ihm mit der Taktik des letzteren ausreichen, ist durchweg unrichtig, und nur das Vorspiel bis zur vollendeten Einschliessung lässt sich mit der Taktik des Feldkrieges ausführen; dann aber setzt die Taktik des Festungskrieges ein, für den man neuerdings auch bestimmte Grundsätze aufgestellt, von denen die des Majors Paul v. Rehm im

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Beitrüge zum Festuiigekricg.

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b. k. Festungsartillerie-Bataillon Nr. 1 die grösste Aufmerksamkeit erregt haben.*)

Nach dem Kriege von 1870/71, wo man für den förmlichen Angriff einer Festung noch mit dem Vaubanschen Angriffssystem ausreichte und bei glattem Verlauf desselben den Fall einer Festung fast mit mathe- matischer Genauigkeit berechnen konnte, trat zunächst der bayerische Artilleriegeneral v. Sauer in einem Werke »Ueber Angriff und Verteidigung fester Plätze« mit neuen Ideen für die Durchführung des Festungsangriffes hervor. Sie gipfelten etwa in einer allgemeinen Berennung und Ein- schliessung der Festung mit mehreren Gruppen, aus Infanterie mit Feld- und leichtem (12 cm) Wurfgeschütz bestehend, in Vertreibung de» Ver- teidigers vom Infanterie-Haupt walle der Forts durch Schrapnelfeuer und Lahmlegung des Feuers der Werke, sowie in dem Durchbruch durch die Zwischenräume (Intervalle) zwischen den Forts und das Vorgehen in einem Zuge gegen die Stadtumwallung (Enceinte, Noyau).

Diese Ideen traten 1885 in die Oeffentlichkeit und heute sind sie bereits als unhaltbar vollständig über den Haufen geworfen und gehören mit Vauban der Vergangenheit an.

Der Grund hierfür lag in den Fortschritten der Kriegstechnik, welche das Brisanzgeschoss einführte und Allem mit Zerstörung drohte, was die Kunst des Ingenieurs als Kriegsbaumeister bis dahin aufgebaut hat. Die Sprenggranaten der schweren Kalibor beschworen ein abormaliges technisches Duell zwischen Fussartillerie und Ingenieur herauf; jener konstruirte schwere Steilfeuergeschütze für Brisanzgeschosse, gegen welche sich dieser mit Beton und Panzerungen zu wehren suchte, und es scheint vorläufig noch so, als ob der Ingenieur mit dieser Technik der Geschütztechnik, wenn auch nicht erheblich überlegen, so doch mindestens gewachsen ist.

Zwar will der Artillerist die Ansicht nicht gelten lassen, indem er nicht nur das mächtige Durchschlagsvermögen der grosskalibrigen Bomben, sondern auch die Begleiterscheinungen ins Treffen führt, welche die Wir- kung dieser Geschosse gegenüber dem beschossenen Werke in hohem Grade steigern. Dies ist an sich richtig, ebenso wie der allgemeine Satz, dass jede belagerte Festung auch eine genommene Festung ist; aber es kommt doch dabei darauf an, welche Zeit und Mittel der Angreifer zur Erreichung seines Endzweckes aufbieten muss. Je grössere Zahlen hierfür eingesetzt werden müssen, desto vollständiger wird die Festung ihren Zweck erfüllt haben. Dass eine fortgesetzte Beschiessung mit Brisanzgeschossen schliesslich eine Zerstörung von Festungsbauten herbeiführen wird, soll keineswegs geleugnet werden; die Sache mit dem Zerstören durch Beschiessung ge- staltet sich aber im Frieden weit einfacher als im Kriege, wo der Ver- theidiger aus der Festung wieder schiesst und dem Angreifer seine Aufgabe nicht gerade erleichtern wird. Dieso Erleichterung wird aber den Schiess- versuchen gegen fortifikatorische Bauwerke, die zu Versuchszwecken auf grossen Artillerie-Schiessplätzen angelegt werden, in hohem Maasse zu Theil, und wenn der Ingenieur sich gegen die derartig erzielten Erfolge immer wieder durch neue Verstärkungen und Konstruktionen wappnen muss, so ist damit noch gar nicht gesagt, dass er mit seiner Technik nun auch dem Artilleristen unterlegen ist.

Es ist eine merkwürdige Erscheinung, dass der in jedem guten Heere vorhandene Offensivgeist sich meist in die Kollo des Angreifers hinein-

*) Prinzipien des l-'estungsangri f fes. Mit vier Figuren im Texte. Wien und Leipzig, W. Braumiiller.

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Beiträge znm Festungskrieg.

denkt und die Vertheidigung von vornherein als minderwerthig und zurück- stehend ansieht. Gewiss hat der Angriff die besten Aussichten auf Erfolg für sich, aber eine kraftvoll durchgeführte Vertheidigung wird anch rühm- liche Thaten vollbringen, und es ist keineswegs undenkbar, dass Fälle eintreten können, wo der Angreifer seinen Endzweck nicht erreicht, wie die Belagerung von Beifort aus den Jahren 1870/71 hinreichend beweist. Der einwandfreie Beweis für die Ueberlegenlieit des Artilleristen über den Ingenieur oder umgekehrt kann aber erst in einem Zukunftskriege geführt werden; dagegen helfen auch die eingehendsten Erörterungen nichts.

Bei dem zeitgemässen Angriff im Festnngskriege bilden die weithin sichtbaren Forts die hauptsächlichsten Anziehungspunkte für die Angriffs- artillerie. Diese müssen also vollständig niedergekämpft werden, mit anderen Worten, ganz zusammengeschossen werden, wenn das Durch- brechen der besten und stärksten Kampfstellung möglich werden soll.

Ohne auf den Gesammtinhalt des v. Rehmschen Werkes eingehen zu wollen, möchten wir uns an dieser Stelle mit der Frage beschäftigen: Soll das Werk in Grund und Boden geschossen werden, oder genügt es, wenn es zur wirksamen Aktion nach aussen hin unfähig gemacht ist? Der erste Weg dürfte bei der starken Bauart der Werke wohl erst nach längerer Zeit und mit dem Aufgebot grosser Massen von Munition zum Ziele führen; für den letzteren bringt Major v. Rehm eine bemerkens- werthe Erörterung, in welcher er sich besonders mit dom Einheitsfort beschäftigt. (Abbild. 1.)

Tiefe der euipftndUchoQ Trefltiftcbc 40 in.

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Abbild. 1. 1 : 800.

Dieses hat, wie das beigegebene Profil zeigt, trotz seiner geringen Armirung und Besatzung eine Gesammttiefe von rund 80 m; andere Ent- würfe zeigen eine noch grössere Tiefe. Wird jedoch nur jener Theil in Betracht gezogen, welcher sich empfindlich gegen feindliche Treffer zeigt, so ermässigt sich die Tiefe der empfindlichen Trefffläche auf etwa 40 m.

Gegen diese empfindliche Trefffläehe werden nun als aus dem 21 cm-

Mörser zu erwarten angegeben;

auf 2000 m

78 pCt.,

3000 m

70 »

4000- m . .

62 »

5000 m . .

51

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46 » Treffer.

Den angegebenen Entfernungen entsprechend weist das Geschoss 98, 155, 212, 244 bezw. 278 mt Auftreffenergio auf; die angeführten Daten werden sich aber bei noch schwereren Geschützen wesentlich ändern, denn die Artillerie ist wohl noch keineswegs am Ende ihrer Geschütz- und Geschosskonstruktion angelangt.

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Beiträge zum Fuatmigskrieg.

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Die Prinzipien des Majors v. Rehin, auf welche im Einzelnen später zurückzukommen sein wird und worauf er seinen skizzirten Angriff auf- gebaut hat, werden in einem Schlusswort zusammengefasst:

1. Aufnahme der Offensive mit dem Eintreffen der Be- lagerungstruppen am Angriffsfelde, hingegen die Unter- lassung der Einschliessung;

2. Verschleierung der gewählten Einbruchsstellen durch den gleichzeitigen Angriff gegen mehrere Fronten;

3. Einsetzen der Artillerie ihren besonderen Aufgaben gemäss nacheinander in Zeit und Raum;

4. Beseitigung des Sturmes auf die Werke.

Es soll noch Weniges von den Begleiterscheinungen gesprochen werden, von denen Major v. Rehm in seiner Einleitung spricht, und als deren bedeutendste er den Nervenchoc hervorhebt, welchen die Besatzung in den Kasematten erleidet. Diese Erschütterung der Besatzung würde zum Mindesten den Erfolg haben, dass diese in ihrer moralischen Wider- standskraft herabgestimmt wird und dass infolge des Mangels an frischer Luft, Bewegung und des natürlichen Lichtes ein periodischer Wechsel eingeleitet werden muss.

Major v. Rehm bezeichnet zwar sogleich einen solchen Wechsel für den Vertheidiger als wenig vortheilhaft, und man wird ihm darin ohne Weiteres Recht geben. Es ist aber auch der Standpunkt zu erwägen, den wir vertreten möchten und der darin besteht, dass ein solcher Wechsel der Besatzung nur so lange stattzufinden hat, bis die feindliche Beschiessung einsetzt; dann sind während der Vorstadien des Angriffs alle Truppen, welche für die Fortsbesatzungen bestimmt sind, genügend mit deren Oertlichkeiten u. s. w. vertraut. Sobald nun die Beschiessung mit Brisanz- geschossen einsetzt, wird die Besatzung überhaupt nicht mehr abgelöst. Die furchtbare Erschütterung und der überaus starke, geradezu unheimliche Knall, welchen die Detonation der Brisanzgeschosse hervorbringt, werden ihre Wirkung auf die moralischen Eigenschaften der Besatzung zwar nicht verfehlen; aber eine ständige Besatzung wird sich schon nach kurzer Zeit mehr oder weniger damit vertraut machen, wenn sie merkt, dass der einzelne Treffer ihnen nichts Besonderes anthut und die Gewölbe der Kasematten ausreichenden Schutz gewähren. Es wird im Anfang einer solchen Beschiessung an einer moralischen Depression der Besatzung nicht fehlen; lässt man aber bei ihr einen öfteren Wechsel eintreten, so befällt diese Depression jedesmal wieder die neue Besatzung der Werke und muss schliesslich sich auf die gesammte Besatzung der Festung übertragen. Es ist nicht erfindlich, warum bei ausreichender Verproviantirung eine tüchtige Besatzung nicht mehrere Tage lang in derartig beschossenen Werken aus- halten können soll, wenn der Ingenieur für ihre Sicherung durch seine Bauten gesorgt hat. Dass sie bei einer solchen Beschiessung auch zu Grunde gehen kann, darüber wird sich die Besatzung eines Werkes klar sein müssen; aber der Krieg ist doch nun einmal keine Lebensversicherung, und der Mensch hält selbst einen vieltägigen Aufenthalt in einem dunklen Verliesse oder Hungerthurm aus, was doch ein modernes Fort auch bei einer Beschiessung mit Brisanzgeschossen noch lange nicht ist.

Wie sorgt nun aber der Ingenieur für diese Sicherung der Be- satzung ?

Hierüber erhalten wir durch Hauptmann Sehrootor, Kompagniechef im Schlesischen Pionier-Bataillon Nr. (i, in der zweiten, soeben erschienenen

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Beitrüge zum Festungskrieg.

Abtheilnng seines Werkes Uber die Festung*) Aufschluss, welche von der Ortsbefestigung handelt. Hier tritt wieder einmal ein im aktiven Dienst stehender Ingenieur litterarisch vor die Oeffentlichkeit; seine Ausführungen werden in allen militärischen Kreisen volle Würdigung finden. Er zeigt uns darin u. A. auch, wie der heutige Festungsbau eine genügende passive Widerstandsfähigkeit und geringe Zielfähigkeit erreicht, und es sei Einzelnes daraus hervorgehoben.

Um das Herausheben der Mauern aus den Fundamenten durch Fuss- treffer der schweren Steilfeuergeschütze zu verhindern, werden die Funda- mente tiefer gelegt, als die Eindringungstiefe der betreffenden Geschosse

beträgt, oder sie werden durch be- sondere Fundamentsehutzplatten gesichert. (Abbild. 2.)

Bekleidungsmauern, die dem Feinde abgewendet und feind- wärts mit Erde hinterfüllt sind, z.B. die äussere Grabenbekleidung, werden, um die Eindringungs- tiefe zu verringern, womöglich mit Sand und Schotter hinter- füllt und so stark gemacht, dass sie durch Treffer in diese Hinter- füllung nicht umgeworfen werden können. (Abbild. 3.)

Um die Hohlräume (also auch dio Wohnkasematten) gegen Zer- störung zu sichern, werden die- selben entweder mit so starken Erd- bezw. Sandummantelungen umgeben, dass die schwersten Geschosse mit verlangsamter Zün- dung nicht bis an das Mauerwerk dringen,**) oder man macht die Umfassungswände und die Decke so stark, dass dieselben auch durch mehrere direkte Mauer- treffer auf dieselbe Stelle nicht durchbrochen werden können. Die seitliche Erdummantelung wird, wo es der Raum gestattet, auch in diesem Falle meist beibehalten, die Erddecke dagegen ganz weggelassen, z. B. auf kleinen isolirten Bauten, wie Kaponieren, Blockhäusern, Hohltraversen, oder nur so stark gemacht, dass die Splitterwirkung der Geschosse ab- geschwächt wird.

Erddecken von sogenannten mittleren Stärken, d. h. etwa zwischen 2 bis 6 m, sind meist schädlich, da sie als Verdämmung wirken, d. h. dass die Wirkung des bis ans Mauerwerk vorgedrungenen Geschosses auf das Mauerwerk um so stärker ist. (Abbild. 4.)

*) Die Festung in der heutigen Kriegführung. Zweite Abtheilnng: Die Ortsbefestigung. Berlin ]8S*8. Frust Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hof- huclihandlung.

**) Du hierdurch mächtige Erdschüttungen und eine erhebliche Baum Verschwendung bedingt werden, legt man solche Hohlriiumc auch auf bergmännische Manier im natürlichen Boden au. Selbstverständlich müssen die Boden- und Geländeverhältnisse hierzu geeignet sein.

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Abbild, a.

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Um die Sturmfreiheit gegenüber der artilleristischen Beschiessung möglichst lange zu erhalten, fertigt man Nebenhindernisse des Grabens, Drahthindernisse und Hinderniss- gitter verschiede- ner Art und Anwendung möglichst wider- standsfähig ganz aus Eisen an, verankert sie fest im Mauerwerk und deckt sie gegen Sicht. (Ab- bild. 5.)

Uebrigens möchten wir an

dieser Stelle einschalten, dass die allgemeine Annahme auf Grund von Schiessversuchen vorherrscht, dass der Artillerist die Beseitigung der Hindernisse durch sein Feuer nicht in dem Maasse erreichen kann, um

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Abbild. 5.

den Sturmkolonnen eine Gasse zu schaffen. Dies wird in allen Fällen durch die Pioniere mit den ihnen zu Gebot« stehenden Mitteln geschehen müssen.

Nachdem wir nun kurz gezeigt haben, wie der Ingenieur die Besatzung in den Hohlräumen sichern will, sei auch noch der Sicherung der Geschütze gedacht, welche am vollkommensten durch Eisenpanzerung erreicht wird. Hierbei unterscheidet man fest- stehende Panzerstände, Panzer- drehthürme (Kuppeln) und fahr- bare Panzer.

Beim feststehenden Pan- zerstande besteht die Pan- zerung in der Regel aus einem lothrechten und nach rückwärts geneigten bezw. nach aussen gekrümmten Panzerschilde, durch dessen Scharte das Ge- schütz feuert. Dieser Schild ist

entweder in die Betonwände und in die Betondecke der Kasematte ein- gemauert oder setzt sich auch nach oben als Panzerdecke fort. Sie sind

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Beitrüge zum Kestmigskrieg.

**

Allbild. 7.

für Flankirungsanlagen und zur Kiistenvertheidigung besonder« geeignet. (Abbild. 6.)

Die Panzerdrehthiirme haben alle das Gemeinsame, dass der hafteten- und Hedienungsmeehanismus in einen brunnenartigen, nur unter- irdisch zugänglichen Schacht versenkt ist, dessen Deckel durch die mehr

oder weniger vorstehende Panzerkuppel ge- bildet wird. Der untere Theil des Schachtes ist mit einer sehr starken Betonmauer (Beton- vorlage', die Mündung ausserdem mit einem glockenförmigen Panzerring (Vorpanzer) be- kleidet. (Abbild. 7.)

Es giebt fünf Hauptformen solcher Panzer- thiirme in Landbefestigungen.

Bei den Drehscheiben- oder Rollen- kranzthürmen bildet die flachgowölbte Panzerkuppel den festen Deckel einer cylindrischen Dose, deren Boden, worauf die (Minimal- seharten-) haftete steht, wie dio Eisenbahndrehscheibe kon- ‘struirt ist und auf konischen Rollen oder Kugeln ruht. (Letztere sind seit etwa fünf bis sechs Jahren eingeführt und haben sich deshalb bewährt, weil ein Klemmen bei der Drehung vollständig ausge- schlossen ist. Es werden dazu kleine Vollkugeln, die ganz glatt polirt sind, verwendet.) Das ganze Gehäuse kann durch mechanische Kraftübertragung um 3t>0° herum- gedreht werden. (Abbild. H.)

Bei den Drehkuppeln ist nur die l’anzerkuppel drehbar, an welcher die Laffetirung unver- rückbar befestigt ist. Sie greift mit ihrem Rande auf den Vor- panzer Uber und dreht sich auf . diesem mittelst eines Kugellauf- kranzes. (Abbild. 9.)

Bei den vom Oberstlieutenant Schumann erfundenen Panzer- laffeten, die ausschliesslich Eigenthum und Spezialität der Krupp - Grusou - Werke sind, bildet dio Panzerkuppcl (Kugelkalotte) den Hut eines Pil- zes und liegt für gewöhnlich gas- dicht auf dem Rande des Vorpanzers auf. Der Stiel des Pilzes wird durch die mit der Kuppel fest verbundenen hafteten wände gebildet, zwischen denen sich die Schildzapfen bezw. ein das Rohr umschliessender Ring (Rohrträger) auf und ah bewegen. Die haftetenwändo enden unten

Abbild. 8.

Abbild. 9.

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Abbild. 10.

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Beiträge iam Kestnngskrieg.

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in einer Buchse, die um das flach abgeschnittene Ende einer Säule i Pivotsäule) drehbar ist. (Abbild. 10.)

Auch die Kugelmörser sind eine Spezialität der Krupp-Gruson- W’erke. Der Deckel des Schachtes wird hier durch eine fest eingelassene Panzerplatte oder eine Panzerglocke mit einer centralen runden Oeffuung gebildet; diese wird durch eine massive Hartgusskugel geschlossen, in deren diametraler Durchbohrung ein Mörserrohr eingelagert ist. ( Ab- bild. 11.)

Die hebbaren Drehthürine oder Ver sch wi ndpanzer bestehen in einer mit der Laffetirung fest verbundenen Dose mit Panzerdeckel, welche sich um eine Pivotsäule dreht, die durch besondere Vor- richtung geführt und drehbar ist.

(Abbild. 12.) Sie finden vorwiegend für leichte Schnellfeuerkanonen An- wendung, auch hat man ihre Kon- struktion auf die Beobachtungs- und Beleuchtungspanzer ausgedehnt, z. B. in den Panzerforts der Maas-Be- festigungen. iw«» y/A-

Schliesslich seien noch die fahr- baren Geschützpanzer erwähnt, von denen die Gruson-Schnmannsche fahrbare Panzerlaflete für leichte Schnellfeuergeschütze und die beweg- liche Panzer-Batterie von Mougin für Kampfgeschütze bekannt sind. Die Abbild. 13 zeigt eine der erst- genannten Panzerlaffeten eingebaut,

Abbild. 14 dagegen zumTransport her- gerichtet. Diese

Panzerlaffete be- * fW

steht aus einem tonnenartigen Blechgehäuse mit einer Thür und \ einer nur splitter- sicheren, dreh- baren Panzer- kuppel als Deckel.

Die Mougin-

sche bewegliche Panzerbatterie dagegen besteht, als Versuchsobjekt zunächst, aus einem neunachsigen Eisenbahnwagen, dessen Vorderwand und Decke gepanzert sind. Der Wagen dient zur Aufnahme von drei 15,5 cm-de Bange-Kanonen, welche in besonderer Laffetirung durch Scharten des Vorderpanzers feuern. Die Batterie läuft auf Schienen hinter einer glacisförmigen Brustwehr.

Ob diese Batterie eine praktische Zukunft hat oder nicht nur eine interessante Konstruktionsspielerei ist? Das Erstere möchten wir indessen

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Abbild. 12.

Abbild. 13.

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Hin

leher Württembergs Knrtcnwcsni.

bezweifeln; auch die anfangs oft gehörte Ansicht, dass die fahrbaren Panzerlaffeten des leichtesten 3,7 cm-Kalibers sich für den Gebrauch iin Feldkriege eignen und womöglich eine ambulante Verwendung gestatten würden, hat durch Versuche bei den Kaisermanövern des X. Armeekorps im Jahre 1889 ihre Bestätigung nicht gefunden; vielmehr erwies sich die fahrbare Panzerlaffete als ausgezeichnetes Positionsgeschütz, von welchem man indessen Erfolge im Sinne artilleristischer Wirkungen bezüglich der Tragweite und Durchschlagskraft, der Geschosse nicht wird erwarten können.

Ueber Württembergs Kartenwesen,

Das kleine aber malerische Württemberg das Ländchen des Neckar mit seinem Berglande, seinen wohlgebauten Städten und zerfallenen Kuinen, das Gebiet des Schwarzwaldes und Schwäbischen Juras wie der schwäbisch- fränkischen Terrassen, ein Staat mit zahlreichen guten Strassen und Eisen- bahnen, einem sehr bedeutenden Handel, einer entwickelten Industrie und vor allem einer geistig regen und gebildeten Bevölkerung ist von Alters her wie an Sängern und Dichtern, so auch an Mathematikern und Topo- graphen reich gewesen. Ein so gestaltetes und lange ganz auf sich an- gewiesenes kleines Reich forderte ja geradezu auf, sich eingehend mit der liebevollen Darstellung seiner Oberfläche in Wort und Bild zu beschäftigen.

Drei Jahrhunderte vor Beginn einer amtlichen Landesvermessung linden sich die ersten württembergischen Versuche. Es war in jener Zeit des Wiedererwachens von Kunst und Wissenschaft, der Entdeckung über- seeischer Länder und der grossen Erfindungen des Buchdruckes, des Holz- schnittes und Kupferstichs, sowie der mathematischen und astronomischen Instrumente, in jenen Jahren, wo ein Kopernikus und Keppler den Karto- graphen das erste astronomische Material gewährte, ein Mercator die erste auf mathematische Gesetze sich gründende Weltkarte schuf, und ein Machiavelli den Feldherren die alte Forderung des Vegetius empfahl, sich vor einem Feldzuge mit Karten zu versehen, als auch die wilrttembergische Kartographie geboren wurde. Gelehrte Männer des eigenen engeren Vaterlandes, meist aus der Tübinger Schule hervorgegangene beschauliche und forschende Theologen, wie z. B. Philipp Apian*) (wohl der erste Topo- graph des lti. Jahrhunderts, der diesen Namen verdient), wandten sieh der Geographie und Topographie ihrer Heimath zu. Die älteste vorhandene Karte ist daher auch eine Mönchskarte vom Jahre 1515 und ihr Verfertiger der bekannte Geograph und Schriftsteller Sebastian Münster. Freilich ist er nicht der erste schwäbische Kartograph. Dies war vielmehr ein Astronom und Mathematiker, Johannes Stöffler mit Namen; aber seine Arbeiten verbrannten 1534 zugleich mit dem Gebäude der Hochschule. Die nächst- älteste auf Schreibpapier gezeichnete Karte ist bereits nach Norden orientirt, es ist die 1559 erschienene -wahrhaftige und gründliche Abkonterfeiung des löblichen Fürstenthumbs Württemberg« von J. Sizlin. Einen erheb- lichen Fortschritt weist dann die in Holz geschnittene, 1572 herans- gegebene Karte des Schwäbischen Kreises auf, zumal sie mit einem Karten- netz von Längen- und Breitengraden versehen war. Prächtige geographische Handzeichnungen finden sich ferner in dem von Jacob Raminger 1596

*) Gab 16(10 ein sehr sorgfältiges geographischen Kartenwerk Uayersche Laml- tafeln < heraus.

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Ueber Württembergs Knrtenwesen.

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veröffentlichten »Sech-Buch*, ebenso in den Atlanten wohl des bedeutendsten wiirttembergischen Kartographen des 16. Jahrhunderts, des Dr. Gadner.

Die weitere Ausbildung der Kartographie fällt nun in das 17. und 18. Jahrhundert, in denen ein Newton lebte, wo Snellius 1617 die erste rationelle Triangulirung vornahm und vor Allem die bahnbrechende, durch Ludwig XIV. begonnene und mit Meridian- und Parallelmessungen ver- bundene Triangulation Frankreichs unter Leitung seiner neugegründeten Akademie ausgeführt wurde. Handel und Schiffahrt und nicht minder der Krieg verlangten gebieterisch nach Karten, und da die wenigen besseren Werke aus Rücksichten der Staatsklugheit geheim gehalten wurden oder zu kostspielig waren, so kamen mit der Zeit auch viele schlechte Mach- werke auf den Markt sowie eine grosse Zahl Nachdrucke, welche einfach durch Auskratzen des Namens des Verfertigers der Originaldruckplatte entstanden. Auch in Württemberg entwickelte sich eine Produktion, welche das kleine Land schliesslich an die Spitze aller deutschen Staaten stellen sollte. Zunächst freilich finden sich nur Arbeiten von fast aus- schliesslich historischem Werth. Kannte man doch erst 1750 in ganz Deutschland von etwa 20 Oertern eine gute astronomische Ortsbestimmung, wenn auch die Längen- und Breitenausdehnungen annähernd der Wirklich- keit entsprechen. Die Darstellung der Erhebungen geschieht meist in Hügelmanier, aber ohne Höhenzahlen. Flüsse mit Brücken, Wälder, Dörfer und Städte erscheinen in perspektivischen Bildern, Alles wird meist in Holzschnitt hergestellt. Die Vermessungen werden meist mit Messkette, Kompass und Quadrant ausgeführt und zwar mit vieler Sorgfalt. So durchzog der Geograph Schiekard das Wiirttemberger Land, messend von Ort zu Ort; seine Berechnung der geographischen Länge und Breite von Tübingen hat nur einen Fehler von drei Minuten, während noch die ein Jahrhundert früher erschienene treffliche Karte von Ober- und Nieder- Bayern des berühmten Ap[p]ian nicht selten Fehler bis zu 16 Gradminuten in den Ortsbestimmungen enthält, woran freilich der damalige Stand der Kosmographie Schuld ist. Schiekard ist auch der erste württembergische Schriftsteller über Aufnehmen, indem er 1629 eine »Kurze Anweisung wie künstliche Landtafeln aus erstem Grunde zu machen seien« heraus- gab. Einen bedeutenden Fortschritt stellt dann die vom Pfarrer Mayer in Waldorf in Kupferstich hergestellte Karte dos Herzogthums Württemberg 1 : 250 000 dar. Ihr folgten Karten des Landes von Stahl, Sueter, Kohl- leffel, Kieser u. s. w.

Die Unruhen des 30jährigen Krieges vertrieben die friedlichen Karten- zeichner wie aus den deutschen Landen überhaupt, so auch aus Württem- berg. Holland wurde die Zufluchtsstätte des Kartenwesens, bis die Kriege Ludwigs XIV., zu deren Führung es guter Karten bedurfte, zunächst in Frankreich, und dann der Siebenjährige Krieg auch auf seinen Schauplätzen, also in Preussen, Oesterreich, Bayern, Sachsen und vielen deutschen Kleinstaaten, einen Aufschwung der Kartographie herbeiführte. Württem- berg blieb hiervon ziemlich unberührt und wurde deshalb auch von diesen deutschen Staaten vielfach überholt.

So hatte Brandenburg-Preussen seine guten Olafschen Aufnahmen 1 : 800 000 (1636) und Dank vor Allem dem Grossen Kurfürsten die sehr gute Kriegskarte von Suchodoletz und de Collas 1:412 000 (1679 1733). Hieran hatten sich die Karten von Montargues (1690 1700), des Ingenieurs Simon 1 : 190 000 (1726 1730) und auf des Grossen Königs Veranlassung die nicht veröffentlichte Schmettansche Kabinetskarte (1767 1787), die Schulenburgisehe 1 : 100 000 und die Oesfeldsclie 1 : 162 500 (17821 ange-

Kriegitcchnische Zeitschrift. 1893. 4. Heft. | J

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Uebor Württembergs Kartenwesen.

schlossen. Auch die Schröttersche Karte 1:150 000, 1796 1810 ent- standen, ist erwähnenswerth.

Bayern besass die Karten des Aveutinus (Johannes Turmaier von Abensberg) in 1:800 000 (1523) von mehr historischem Werth und vor Allem die auf Ansuchen des Herzogs Albrecht von Apian in 25 Blatt 1 : 1 44 000 gefertigte erste deutsche topographische Karte seines Gebiets, eine Meisterarbeit, welche noch 200 Jahre die Grundlage aller Landeskarten Bayerns, besonders seiner »Atlanten * blieb. Auch müssen hier die Karten von Mercator (1595), de C’orbin (1719), Naudin (1727; Handzeichnungen), le Rouge (1743), de Vaugondv (1749) und Kohlleffel (1750) genannt werden.

Sachsen gab sogar bereits 1562 das erste Beispiel einer allgemeinen Landeskartirung, indem, auf des um die Darstellung seines Staats hoch- verdienten Kurfürsten August Anregung, Georg Oeder das ganze Land 1 : 15 000 mit Messschnnr und Bussole von 1562 1570 aufnahm, welche Arbeit Matthias (Jeder von 1586 1607 zu Ende führte. Auch liess die Regierung gute Karten von Criginger, Melliuger, Seultetus, Oertel uud Zürner anfertigen. Schon 1 780 findet hier die erste Basismessung auf dem Plateau zwischen dem Königstein und dem Sonneustein statt, an welche sich die Triangulation und topographische Aufnahme schloss. Ueber diese Arbeiten berichten die Lehrbücher Backenbergs und Lehmanns. Die rationelle Sehraffenmethode des letzteren zur Darstellung der Gelände- Unebenheiten, an Stelle kindlicher perspektivischer Konturenzeichnungen oder geschwungener Striche und Raupen, bildete sogar den Uebergang zum heutigen Stand der Kartographie.

Aber in Bohnenberger erstand dem Lande Württemberg ein Refor- mator des Kartenwesens, der es bald, wenigstens hinsichtlich der trigono- metrischen Arbeiten, an die Spitze aller deutschen Staaten brachte. Dieser Mann legte 1793 dem Herzog Karl den Plan zur trigonometrischen und topographischen Vermessung des ganzen Herzogthums und Bearbeitung einer Karte nach dem Muster der epochemachenden Cassinischen in Frank- reich (seit 1750 in 1 -.86 400, 1793 nach seinem Tode vollendet) vor. Er erhielt dafür als einzigen Beitrag 600 fl., die weiteren Mittel lieferte die Cottasche Verlagsbuchhandlung. Bohnenberger arbeitete zuerst allein mittels Theodolithen, indem die geplante Mitwirkung von Offizieren unter- blieb. Später verband er sich mit .1. A. Amman, fürstlich augsburgischem Landesgeometer. Das erste Blatt, Wildbad-Calw, erschien 1798. Erst in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts wurde diese Amman-Bohnenbergersche Karte in Baden durch Michaelis fortgesetzt. Später ist sie auch auf Hessen ausgedehnt und schliesslich auf 60 Blätter gebracht worden.

Ferner legte Bohnenberger die Grundlagen zu den vorhandenen Spezial- karten sowie den Katastervermessungen Württembergs durch seine als »Landesvermessung« seit 1820 begonnenen trigonometrischen Vorarbeiten. Das Bedürfnis nach einem gerechten und gleichmässigcn Steuerkataster gab dazu den Anstoss. Die Leitung hatte der Ober-Steuerrath Mittnacht. Zuerst wurde die geographische Länge und Breite von Tübingen als Anfangsmeridian und zur Orientirung des Dreiecksnetzes ( Azimut Tübingen- Kornbühl) genau bestimmt, dann 1830 die Basis Ludwigsburg-Solitude gemessen.

ln 23 Jahren nahmen 500 verschiedene Geometer daB Land auf. Die Kataster Vermessungen erfolgten nachdem Vorgänge Bayerns in 1 : 1250, 1 :2500 und 1 : 5000. Diese Pläne wurden dann auf 1 : 25 000 verkleinert, wo- durch das in Bonne-Soldnerscher Projektion gefertigte Grundrissbild der topographischen Karte entstand, welche aus quadratischen Blättern von

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Ueber Württembergs Kartenwesen.

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0,4584 m (40000 Württembergisehe F'ubb in 1:25000) sieh znsammensotzt. In diese Reduktionen wurde die Situation und Oberflächengestaltung des Geländes in künstlerisch vollendeter Weise farbig eingetragen von den Ingenieur-Topographen Bach, v. Dürrich, Paulus und Schiibler, das Gelände in Lehmannscher Weise. Diese Original-Messtischblätter wurden für die Vervielfältigung und Veröffentlichung auf Stein in 1 : 50 000 übertragen, so dass in den Jahren 1821 44 der württembergische »Topographische Atlas« in 55 Blättern 1 : 50 000 (je = 4 Blätter 1 : 25 000) entstand, oine topographische Leistung ersten Ranges des damaligen Königlichen Sta- tistischen Bureaus. Die Randlinien der Blätter laufen parallel zum Tübinger Meridian. Die Höhenmessungen, welche 1836 1838 nach trigonometrischen Bestimmungen ausgeführt und seit der 1859 angeordneten geognostischen Detailaufnahme vermehrt wurden, werden bis in die heutige Zeit fortgesetzt. Sie gründeten sich bis 1868 auf den Boden des Strass- burger Münsters (= 145,75 m), von da ab auf die inzwischen (bis 1882) ausgeführten Präcisions-Nivellements und damit auf Normal -Null als Aus- gangspunkt ihrer absoluten Höhe. In neuerer Zeit werden sie nicht mehr durch Lithographie hergestellt, sondern in Kupfer geätzt und durch Heliogravüre vervielfältigt.

Auf Grund des topographischen Atlas wurden weiter hergestellt: Die 1842 1853 durch das Königliche Statistisch-topographische Bureau herausgegebene »Karte des Königreich Württemberg* auf 4 Blättern in 1:200 000 (sogenannte Mittnachtsche Karte) in Steindruck, welche ein sehr charakteristisches Geländebild giebt. Sie wird seit 1885 durch das Statistische Landesamt als »Generalkarte des Königreichs Württemberg* in 6 Blättern von Fink bearbeitet und zwar in sauberem Kupferstich. Ferner sind veröffentlicht auf Grund des Atlas eine Karte Württembergs mit Elinschluss der Hohenzollernschen Lande 1 : 400 000 auf einem Blatt (von Paulus), die Karten der Oberbergamtsbezirke 1 : 100 000 (von 1849 bis 1885), die archäologische Karte von Paulus 1859, die historische von Stalin und Koch 1864, die hydrographische von Regelmann 1883, die geognostische in 55 Blättern 1 : 50 000 seit 1865, die geognostische Ueber- sichtskarte 1 : 650 000 und die geognostische Wandkarte von Frocas 1:280 000 im Jahre 1882. Ausserdem bethoiligt Württemberg sich mit 20 Blättern an der deutschen Reichskarte 1 : 100 000 (von der es bis Ende 1895 16 veröffentlicht hat), bei der bekanntlich die Gradabtheilungs- blätter mittels Originalkupferstichs in Schwarzdruck hergostellt und zur Verdeutlichung der Wasserlänfe, Seen u. s. w. sowie der Reichs-, Landes- und Verwaltnngsgrenzen mit Handkolorit versehen werden. Reichliche, auf Normal-Null bezogene Höhenzahlen geben alle wichtigen Höhen- und Tiefenstellen des in Lehmann -MüfTlingscher Sehraffenmanier dargestellten Geländes.

Weiter machte sich gelegentlich der E'eststellung der General-Entwürfe für die Eisenbahnbauten das Bediirfniss einer Landeshöhen- Aufnahme (Ver- mehrung der etwa 30 000 für die Landesvermessung vorhandenen Höhen- marken) und Herstellung einer Höhenschichtenkarte geltend. Es wurden deshalb von der früheren Eisenbahnkommission 60 Blätter in 1 : 25 000 (von 20 000 Württembergischen Fuss Randlinienlänge) in braunen Höhen- linien von 10 Fuss Abstand, die Gewässer in blau durch »Stein- und E'arbeudruck hergestellt (sogenannte Morlocksche Kärtchen). Diese Blätter sollen vermehrt werden, sobald es die Mittel gestatten.

kindlich ist eine Karte 1 : 50 000 in 2 Blättern i Konstanz und Lindau) zur genauen Erforschung des Bodensees mit den Signaturen des Schweizer

11*

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Die weiteren Ziele der Militär-Luftschifffahrt.

Siegfried-Atlas, auf Beschluss einer 1886 zusammengetretenen Kommission von Vertretern der bezüglichen Uferstaaten, hergestellt worden.

So darf die württeiubergische Kartographie auf reiche Arbeit zurück- blicken und als ebenbürtig dem Kartenweseu aller übrigen europäischen Staaten betrachtet werden. W. Stavenhagen.

Die weiteren Ziele der Militär-Luftschifffahrt.

Mit zwei Abbildungen.

Unsere Militär-Luftschifffahrt hat bereits das erste Deceunium einer arbeitsreichen Tliätigkeit hinter sich und ist in der Verwendung von freien und gefesselten Ballons soweit es die verwendbaren technischen Hülfs- mittel gestatten an der Grenze des zunächst Erreichbaren angelangt. Wenn auch der Fesselballon den Truppen bei einzelnen Gelegenheiten nicht die gewünschten Dienste hat leisten können, so sind billigerweise die sich seiner Verwendbarkeit entgegenstellenden Schwierigkeiten zu be- rücksichtigen, seine Nützlichkeit für die Kriegführung kann dadurch nicht mehr in Frage gestellt werden. Den Werth freier Ballons für ein- geschlossene Plätze hat die Belagerung von Paris erkennen lassen, und ist dementsprechend eine ausreichende Zahl von Offizieren, Unteroffizieren und Leuten in deren Führung und Bedienung ausgebildet worden, und ausgedehnte Ballonfahrten sind bei jedem Wetter zur Ausführung gelangt.

Da ist es denn wohl an der Zeit, dio Frago aufzu werfen: »Welches sind nun die weiteren Ziele der Militär- Luftschifffahrt?« Die Erfindung des Schiesspulvers führte zur Anfertigung der Handfeuerwaffen; Luntenflinte, Radschloss-, Steinschloss-Flinte, Percussionsgewehr, Hinterlader, Mehrlader und Magazingewehr bezeichnen die Phasen ihrer Entwickelung mit dem Fortschreiton der Technik. So erscheint auch, nach den grossen Errungen- schaften der Maschinentechnik in den letzten zehn Jahren, für die Luft- schifffahrt die Zeit gekommen zu sein, das nächste Ziel »Die Lenkbar- machung der Luftschiffei ins Auge zu fassen. Mag auch beim grossen Publikum, infolge vieler, mit mangelndem Geschick oder unzureichenden Mitteln unternommener und missglückter Versuche, die Möglichkeit stark bezweifelt werden: der Fachmann darf sich dadurch nicht beirren lassen, er muss ernst wägen und wagen.

Schon in den Jahren 1872 und 1873 hat Profesgor v. Hclmholtz diese Möglichkeit theoretisch erörtert*), und 1884 und 1885 ist sie von Renard und Krebs, wie allgemein bekannt, praktisch nachgewiesen worden. Neuer- dings hat nun der Verein Deutscher Ingenieure einem Consortium hervor- ragender Fachmänner den Auftrag ertlieilt, die Frage der Lenkbarmachung von Luftschiffen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Sein Urtheil geht dahin: »Von theoretischer Seite herrscht Uebereinstimmung darin, dass die Naturgesetze keinerlei Hindernisse bieten, und dass die heutigen technischen Hülfsmittel für die statischen und dynamischen Anforderungen an den Bau vou Luftfahr- zeugen ausreichen. Die Schwierigkeiten und Bedenken übersteigen nach der Meinung hervorragender Physiker und Ingenieure nicht diejenigen,

* 1. Theoretische Betrachtungen über lenkbare Luftschiffe. 2. Veber ein Theorem, geometrisch ähnliche Benegungen flüssiger Körper betreffend, nebst An- wendung auf das Problem, Luftballons zu lenken. Veröffentlicht in der Monatsschrift der Königlich l’rcussischcn Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

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Oie weiteren Ziele der Militär-Luftschifffahrt. 165

welche sich vor Zeiten der Schifffahrt auf dem hohen Meere und dem Eisenbahnbetriebe bei den damaligen technischen Hiilfsmitteln entgegen- stellten.« —

Wichtiger als diese theoretische Zustimmung ist für uns aber der schon vorher erwähnte von Renard und Krebs praktisch dadurch gelieferte Beweis, dass er mit seinem Luftschiff »La France zu wiederholten Malen nach mehr oder minder langer Fahrt zur Abfahrtstelle zurückgekehrt und unversehrt gelandet ist (siehe Abbild. 1). Dieses Luftschiff, das bei seinen Fahrten eine Höchstgeschwindigkeit von 6,5 m in der Sekunde erreicht hat, ist mit sehr sorgfältiger und äusserst ge- schickter Benutzung aller vorher gemachter Erfahrungen und zweckentsprechender Ver- werthung von Vorschlägen und theoretischen Berechnungen konstruirt und ausgeführt worden, so dass es bis auf Weiteres als maassgebendes Modell für den Bau von lenkbaren Luftschiffen angesehen werden muss. Ebenso, wie die erste Stephensonsche Konstruktion die Grundlage für unseren Lokomotivbau geworden ist, wird man gut thun, beim Bau lenkbarer Luftschiffe die »La France* zum Muster zu nehmen und sich davon nicht durch phantastische neuere Konstruktionen und Vorschläge ab- bringen zu lassen.

Von den Einzelheiten der in Abbild. 2 dargestellten Renard-Krebsschen Konstruktion, die sich als praktisch ausführbar und zweckmässig erwiesen haben, möchte ich folgende hervorheben:

1. Die schon von Haenlein vorgeschlagene walzenförmige, sich nach hinten verjüngende Form des Ballonkörpers, wodurch bei der Fahrt der Druck und die Reibung an den Scitenwänden vermindert wird. Unsere schnellsten Flieger, wie Schwalben und Möven, zeigen eine ähnliche Körperform; auch bei Segelbooten wird sie mit Vorliebe angewendet.

Lange 60,12 ni, grösster Durchmesser 8,4 m, Volumou 1H61 cbm. Abbild. 2. Lenkbares Luftschiff von Kenartl mul Krebs.

1()6 Die weiteren Ziele iler Militär Luftschifffahrt.

2. Die Anwendung eines Ballonhcmdcs, statt de« Netzes, um eine glattere Seitenfläche des Ballons zu erhalten und die bei der Fort- bewegung des Luftschiffe» unvermeidliche Reibung der Netzknoten auf dem Ballonstoff zu beseitigen.

3. Die zweckmässige Versteifung des Luftschiffes durch die dicht unter dem Ballonkörper angebrachte langgestreckte Gondel.*)

4. Die Anbringung der Propellerschraube am Kopfende des Luft- schiffes, statt wie bei Schiffen am hinteren Ende. Der Ballon bleibt bei aller Versteifung ein elastischer Körper, der dement- sprechend eine von hinten auf ihn einwirkende Kraft abschwächen wird. Am zweckmässigsten würde die Schraube an der Spitze des Ballonkörpers angebracht .werden; dies ist aber eine Forderung, die sich praktisch kaum ausführen lässt.

5. Die Wahl einer möglichst grossen Schraube mit langsamer Bewegung 46 Umdrehungen in der Minute, da schon Helmholtz in seiner vorher angeführten Besprechung zu dem Resultate kommt; »Man kann also sparsam nur arbeiten mit verhältnissmässig langsam bewegten grossflächigen Motoren, t

G- Das ganz eigenartige, aus zwei ganz flachen, aus Stoff gefertigten Pyramiden zusammengesetzte Steuer, welches bei allen Fahrten und Lenkversuchen vorzüglich funktionirt haben soll.

Als unzulänglich hat sich bei schnellem Fahren die Versteifung der Spitze des Ballonkörpers erwiesen, da sie umgebogen und eingedrückt wurde, ein Uebelstand, durch welchen der Luftwiderstand vermehrt und die Fahrgeschwindigkeit vermindert werden musste.

Die Propellerschraube des Luftschiffes wurde durch eine 8,5 pferdige Dynamomaschine getrieben, welche durch eine sehr kräftige galvanische. Batterie gespeist wurde. Leider war die Kraft dieser Batterie eine sehr ungleiche und in 15 bis 20 Minuten aufgebraucht; der Motor genügte deshalb wohl für eine Vorführung, aber keineswegs zu einer praktischen Verwendung des Luftschiffes im Dienste der Truppen, Bein Ersatz durch eine geeignete Betriebsmaschine von grösserer Leistungsfähigkeit bei gleichem Gewicht erscheint deshalb geboten.

Nun hat die Maschinentechnik gerade in den letzten 10 Jahren so grosse Fortschritte gemacht, dass der erforderliche Ersatz des Motors heute keine Schwierigkeiten machen würde. Während der elektrische Motor der »La France « bei einer kurzen Leistungsfähigkeit von 8,5 H P (Pferdekräften) 625 kg wog, hat z. B. ein Daimler-Motor von 12 H P nur ein Gewicht von 505 kg, und es würden sich bei einem etwaigen Wettbewerb vielleicht noch günstigere Verhältnisse erzielen lassen.

Es unterliegt daher wohl keinem Zweifel, dass wir im Stande sein würden, ein Luftschiff mit wenigstens der gleichen Leistungsfähigkeit, und zwar für längere Fahrten, herstellen zu können, wenn auch der Bau erhebliche Mittel und viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Die Aus- führung dieses für die weitere Entwickelung der Kriegs - Luftschifffahrt nothwendigen und unausbleiblichen Schrittes ist nun bisher nur rein doktrinärer Bedenken halber unterblieben. Man hat nämlich festgestellt, dass wir im Jahresdurchschnitt eine Luftbewegung von etwa 5 m haben und deshalb eine Fahrgeschwindigkeit von 6,5 m nicht ausreichend sei,

*) Die Anwendung einer festen Ballonhülle aus Aluminium setzt eine aus- reichende Erfahrung im Gebrauch lenkbarer Luftschiffe und eine ganz sichere Führung derselben voraus, da sonst die Gefahr, beim Landen beschädigt zu werden, sehr nahe liegt.

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Ueber die Einrichtung von Wassersperren. 1 Cu

ein solches Luftschiff gebrauchsfähig zu machen. Ich möchte nun be- haupten, dass mau zu der erwünschten grösseren Fahrgeschwindigkeit nur durch fortgesetzte praktische Versuche und damit verbundene Konstruktions- verbesserungen gelangen kann, dass ohne dieselben aber ein Fortschritt ganz unmöglich ist. Hätte man seiner Zeit bei Ausrüstung der Schiffe mit Maschinen ähnliche Bedenken gehabt, so würden wir heute wohl keine Dampfschiffe besitzen, die bis zu 35 Knoten fahren.

Für Luftschiffe dürften sich von den gebräuchlichen Motoren die so- genannten Explosionsmotoren (mit innerer Zündung) am besten eignen, und von diesen möchte ich wiederum den Gasmotor für den empfehlens- werthesten halten, da sein Betriebsmaterial den Ballon am wenigsten belasten würde. Ob sich der neue, seiner Leistungsfähigkeit wegen so gerühmte Dieselsehe Motor nachdem er für den Betrieb mit Gas ein- gerichtet ist für den Ballonbetrieb eignen wird, ist heute noch nicht zu beurtheilen. Vor Allem wird man von einem Motor einen vollkommen ruhigen Gang verlangen müssen, da jede starke Erschütterung des Luft- schiffes die Fortbewegung desselben behindern und die Fahrgeschwindigkeit beeinträchtigen würde.

Durch Ausrüstung mit einer Betriebskraft erhielte auch der Fessel- ballon eine Möglichkeit, gegen den Wind anzukämpfen, jedenfalls würde seine Stabilität dadurch erhöht werden können, was der Beobachtung vom Ballon ans zu Statten kommen würde. Nun sind wir allerdings mit der Begründung und in der Entwickelung der Militär-Luftschifffahrt bisher Frankreich, dem Gebnrtslande des Ballons, gefolgt und könnten ihm auch ferner die mühevolle Arbeit des weiteren Ausbaues überlassen, anderer- seits ist aber zu bedenken, dass wir mit einem Vorsprung an Zeit und praktischen Erfahrungen gewisse Vortheile erringen, die uns eine dauernde Ueberlegenheit sichern würden. Hierzu aber besitzen wir heute die materiellen Mittel und intellektuellen Kräfte in so ausreichendem Maasse, dass wir uns nicht zu scheuen brauchen, die weiteren Ziele der Militär- Luftschifffahrt selbständig zu verfolgen und auch auf diesem Gebiet die Führung zu übernehmen.

Ueber die Einrichtung von Wassersperren.

Mit «ieben Abbildungen.

Die Einrichtung von Wassersperren hat nicht nur für die Küsten- vertheidigung eine hoho Bedeutung, sondern diese gebührt ihr auch im Festungskriege, zumal die stärkeren Festungen fast ausnahmslos an grossen Flüssen liegen. In dem russischen »Ingenieur-Journal« Nr. 11/1897 veröffentlicht M. Lissowski'f einen bemerkenswerthen Aufsatz über dieses Thema.

Die auf den Rhoden oder in Flüssen angelegten Sperren bezwecken, feindliche Schiffe, welche in das Vertheidigungsbereich eindringen wollen, möglichst lange unter dem Artilleriefeuer festzuhalten, sowie Militär- übergänge oder andere Bauten gegen die Zerstörung durch schwimmende Gegenstände oder Sprengmittel sicherzustellen.

In technischer Beziehung sollen sie

1. bei einer gewissen Schwimmfähigkeit genügend tief in das Wasser versinken, damit sie wirklich ein Hinderniss bilden;

2. der Wirkung der Wellen und des Stromes möglichst wenig Wider- stand bieten;

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IVber die Hinrichtung von Wasscnperren.

•'S. das Material muss möglichst fest sein, um den Stoss des schwim- menden Gegenstandes ohne bedeutende Beschädigungen auszuhalten; es muss elastisch sein, damit sein Widerstand im Momente de« Stesses allmählich wächst; die Konstruktion muss so sein, dass nicht nur die Theile, welche den Stoss unmittelbar erhalten, Widerstand leisten, sondern auch die ihnen benachbarten Glieder.

4. Die Sperre muss möglichst wenig dem Artilleriefeuer ausgesetzt sein; sie muss ein möglichst kleines Ziel bieten; nach Maassgabe des Eindringens der Artilleriegeschosse müssen die Theile, welche der Sperre die Festigkeit geben, 60 bis 70 cm unter Wasser sein; andererseits muss aber ein Theil der Sperre genügend aus dem Wasser hervorragen, damit die Wellen oder der Stoss eines schweren schwimmenden Körpers sie nicht zum Sinken bringt.

5. Die Sperre muss es dem Feinde schwierig machen, mit Hülfe von Handwerkszeug oder durch Sprengung sie zu zerstören; deshalb müssen die wesentlichsten Theile, besonders die Befestigungen und Verbindungen, unter Wasser liegen.

6. Die Aufstellung und das Auseinandernehmen der Sperre, sowie auch das Oeffnen und Schliessen ihrer Durchlässe für die eigenen Schiffe wie auch anderer schwimmender Gegenstände, muss bequem, leicht und schnell vor sich gehen.

7. Das Zufrieren und Aufthauen des Eises darf auf die Festigkeit der Sperre keinen Einfluss haben. Im Folgenden werden die be- sprochenen hauptsächlichsten Sperren hervorgehoben,

Die einfachste Art einer Sperre ist ein Hanftau, das quer über die zu schützende Strecke gezogen wird. Um es auf der Oberfläche des

Wassers zu halten, ruht es auf kleinen Tonnen , Kähnen, Holzklötzen, die in einer gewissen Ent- fernung von ein- ander angebracht werden. Bei starker Strömung werden

die Taue verankert.

i— T .77 . ~7ZT~7Z. Die Netze, die

~ bisweilen mit Tauen yW zusammen im Was- ser angebracht wer- Abbild. 1. den, sind aus festen

Stricken geflochten

a j __ (siehe Abb. 1).

j L -L- - _ i An dem oberen

: L~~ kleine Tonnen

Tn _ - - ~ _ ---- . ' befestigt, um

\ Mnia uT> das Netz über

Wasser zu

~ halten, an dem unteren Ende

Eisen- oder Steingewichte an-

:=:— _ = gehängt, wodurch das Netz

senkrecht im Wasser hängt.

.Schnitt al

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Abbild. 2.

lieber die Einrichtung von Wassersperren.

Ausserdem werden an verschiedenen Stellen Schnüre mit Schwimmhölzem an deu Enden angebunden. Stösst ein Schiff auf ein solches Netz, so zieht es dasselbe mit sich fort und wird genöthigt, sich längsseit zu legen ; gleichzeitig wickeln sich die Schnüre um die Flügel der Schraube, welche sich nun nicht mehr drehen kann. Das Netz dient auch dazu, schwimmende Gegenstände aufzuhalten. Eino andere Sperre besteht aus Balken, von denen je einer ein Glied bildet. Bei starker Strömung, und um schwere Gegenstände oder Dampfschiffe aufzuhalten, werden ver- stärkte Sperren (siehe Abbild. 2) angelegt, deren Glieder aus 3 bis 5 und sogar mehr Balken bestehen; zur grösseren Festig-

keit der Sperre werden zwischen die Balken noch rTjl a,

Stahltaue oder Ketten, Schienen u. s. w. gelegt. nTt*"*^ _ yQriQS,

Die Sperren werden mit Tauen verankert oder | durch in den Boden geschlagene Pfähle festgehalten.

Abbild. 3 stellt eine bei Charleston angewandte Sperre dar. Sie bestand aus fest zusammen- geschlagenon Balken a, die in Gliedern mit Ketten verbunden, und zwi- a

sehen zwei Reihen ein- a

gerammter dichter ö

Pfahlbündel b, die für <jnn = = = '

sie als Ankerbefesti- gungen dienten, gelegt

waren. Nach der Seite des Angreifers zu waren vor die senkrechten Pfähle noch schräge Pfähle mit Spitzen c angebracht. Zwischen den Pfahl- , = = =

bündeln waren, um Schiffe durchzulassen, Durch- UJJ

gänge gelassen, die durch die zwischen ihnen i

gelegten Wasser -Minen geschützt und von I 1

schweren schwimmen- den Thoren (Durch- , a, \

lässen) geschlossen n e ' !

wurden. Während qq. f = =

des russisch-türkischen ; ! L*W"

Krieges 1877/78 wur- t .J L

den zum Schutz der , ^ ! j ; ; ° ° 1

Hindernissen zwei ge- pi" I

wohnliche leichte Sper- _sS5 P ' HJ t

ren angelegt. Jede L— n, >

bestand aus einzelnen Balken, die mit ein-

ander durch Taue (siehe ......

Abbild. 4) oder durch AbbiM- 3‘

eiserne Klammern mit Bolzen und drei 5 bis <5 cm lange Kettenglieder

Schaken (siehe Abbild. 5) verbunden waren.

Ausser derartigen pas- siven oder todten Hinder-

nissen kommen auch aktive _r / 1 Al Gft, vV ■■ - - -75.

Sperren zur Verwendung, *•

die nicht nur feindliche \

Schiffe aufhalten, sondern Abbild. 4.

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l'obcr dir lämiehtiinj; von Wassersporren.

sie auch vernichten sollen. Kiiie solche Sperre stellt die Abbild, »i dar. läings der Sperre sind unter dem Wasser in einiger Entfernung von ein- ander Minen aa befestigt, die durch einen elektrischen Strom zum Springen

gebracht werden. Das eine Ende

Hder Leitungen li,b,b ist von jeder Mine mit der Hauptleitung k ver- bunden, welche auf den Grund versenkt ist und für eine Mine Abbild. 5. dient; das andere Endo ist mit

den entsprechenden kurzen Lei- tungen c, c, c verbunden, die an der Sperre befestigt, sind und deren freies Ende isolirt ist. Alle Leitungen c, c, c sind längs der Sperre derartig an- geordnet, dass das freie Ende des einen etwas Uber das verbundene Ende

des anderen übergreift. Am Ufer be- findet sich die Batterie, deren Pole mit der Hauptlei- tung k und dem am Ufer in das

Abbild. 6. Wasser

versenkten

Zinkblatt p verbunden sind. Sowie nun das feindliche Schiff auf die Sperre trifft, zerreisst es an dem von ihm getroffenen Theile der Sperre eine von den kurzen Leitungen c, indem es in diesen die Metall-Ader blosslegt ; infolge dessen erfolgt zwischen dem blossgelegten Theil des Leiters und dem Ufer-Zinkblatt die Schliessung des Stromes durch das Wasser, und die Mine fliegt auf. Dabei ist zu bemerken, dass die Minen so nahe an der Sperre sich befinden, dass sie auch diese leicht zerstören können.

Im Kriege Paraguays 18G(i wurden auch Minen angewandt ; siehe Abbild. 7), die an einem einzigen Tau aufgereiht und an einzelnen Schwimmhölzern oder an den Gliedern der angelegten Sperre angehängt

waren. Die Minen k hatten eine Ladung von etwa je lfi kg Pulver. Durch die grosse Mün- dung der Mine wird ein Platin- Zünder eingelassen ; alle Zünder sind zu einer Kette verbunden und die Leitung ist mit einer Batterie m in Verbindung ge- bracht, als 'Rückleitung dient das Wasser bei den Zink- blättern c und d. In p ist der Schliesser angebracht, welcher bei dem Stoss eines Schiffes an die Sperre die elektrische Kette schliesst, so dass die Mine sich entladet. Die Minen waren gruppenweise ver- theilt, um dort aufzufliegen, wo der Stoss erfolgte. Diese Sperre hat den Vorzug, dass sie durch die Sprengung der Minen nicht mit ver- nichtet wird.

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Kriegstechnisclies von den deutschen Feldfihungm. 171

Der Verfasser stellt nun noch Berechnungen über die Schwimmfähig- keit der Sperren an, bespricht die Hülfsmittel zur Verbindung der Balken- glieder der Sperren, sowie die Orte, wo Sperren anzulegen sind, und berührt schliesslich die Art und Weise, wie Sperren zu überwinden sind.

K-r.

Kriegstechnisches von den deutschen Feldübungen.

Hit einem Kroki.

Die Kriegskunst ist stets bei der Hand, die Fortschritte der Technik in ihren Dienst zu stellen. Dadurch hat die heutige Kriegstechnik bereits einen sehr komplizirten Charakter angenommen. Der Luftballon war kaum erfunden, als schon die französischen Revolutionsheere sich seiner bemächtigten. Die technischen Unvollkommenheiten Hessen ihn bald wieder aus der Armee verschwinden; abgesehen von einem vergeblichen Versuch vor Venedig 1848 finden wir ihn erst durch die Vertheidigung von Paris in seine Rechte als Kriegsmittel eingesetzt, und es giebt heute kaum noch eine Armee, die nicht einen militärischen Luftschifferdienst organisirt oder wenigstens dessen Organisation vorbereitet hätte. Mit dem Ballon kam in dem eingeschlossenen Paris auch die Brieftaube zu Ehren, der Militärtaubenschlag fehlt heute in keiner Armee, und selbst an die feldmässige Verwendung wird gedacht. Auch der schon uralte Gedanke, den gelehrigen Freund des Menschen, den Hund, als Kriegshund zum Heeresdienst abzurichten, ist plötzlich wieder aufgetaucht. Aber keine Neuerung hat sich so rasch und allgemein in die Kriegstechnik eingeführt als das Fahrrad, und es ist vielleicht die Zeit nicht fern, wo der Rad- fahrer auch in der Organisation der Heere eine feste Stellung erlangt. Das Eisenbahnwesen ist erst durch Moltke als ein entscheidender Faktor für den strategischen Aufmarsch zum Durchbruch gelangt, es hat sich eine feste Stellung in der Heerordnung erworben. Der Eisenbahn- Pionier hält mit seinen schmalspurigen Feldbahnen, die sich der natür- lichen Gestaltung des Geländes ansehmiegen, mit dem Vorgehen der operirenden Heere gleichen Schritt. Hand in Hand damit und noch früher entwickelte sich das Militär - Telegraphenwesen. Von geringerer Bedeutung ist für den Bewegungskrieg das optische Signalwesen ge- blieben, es findet eine sehr ungleichmiissige Berücksichtigung in den Heeren, am meisten Liebe und damit auch Vervollkommnung hat es in den nordischen Heeren erfahren. Der Elektromagnetismus als Quelle der Lichteffekte findet in dem militärischen Beleuchtungswesen, be- sonders für den Festungskrieg, eine ausgedehnte Verwendung. Noch in der Kindheit ist der auf gewöhnlicher Bahn laufende elektrische Motor- wagen, während die schmalspurige elektrische Eisenbahn besonders für Festungon eine grosse Bedeutung haben kann. Auf das militärische Verpflegungs wesen hat die Technik einen grossen Einfluss geübt durch Kondensirung der Nahrungsmittel in deu sogenannten Konserven und in der Vervollkommnung der Zubereitungsvorrichtungen. Auch für die Lagerung der Truppen hat die Technik nicht zu unterschätzende Fort- schritte gebracht. Sehr wichtig sind ondlich die Fortbildungen im Briickenw e sen, auch in improvisirter Herstellung.

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Kriegstechnisclies von d<*n deutschen Feldfibungen.

Die Photographie spielt bis jet/t nur bei den Ballonaufnahmen und bei der Verkleinerung der Depeschen für die Taubenpost eine Rolle; es ist zu verwundern, dass der heute so sehr vervollkommnet« und in tragbare Form gebrachte Augenhlicksapparat bei Erkundungen noch keine Verwendung findet, wobei das Festhalten der gewonnenen Eindrücke von unberechenbarem Nutzen ist.

Wir wollen im Folgenden unsere unmittelbaren Beobachtungen über einzelne der vorerwähnten Verkehrs-, Beobachtungs- und Nachrichten- mittel bei den grossen Truppenübungen der letzten beiden Jahre, er- weitert durch Mittheilungen anderer Beobachter, Studium der Presse und besondere uns gewordene Informationen, wiedergeben, wobei wir auch die flüchtigen Geländeverwandlungen, dem Programm dieser Zeit- schrift entsprechend, in den Kreis unserer Betrachtung ziehen.

Die flüchtigen Befestigungen haben bei beiden letzten Kaiser- manövern mehrfach eine ausgedehnte Anwendung gefunden. Ueber ge- wöhnliche Schützengräben und Geschützaufstellungen gingen dieselben nicht hinaus, entsprechend der zu Gebote stehenden nur geringen Zeit. 1896 in der Oberlausitz nahm die am 11. September unter dem Befehl Sr. Majestät des Kaisers stehende Ost-Armee-Abtheilung (V., VI. Armee- korps, Kavallerie-Division A) mit ihrer rechten Flügeldivision (10.) und Korpsartillerie V. die zur Verteidigung eingerichtete Linie Schafberg Alte Schanze Höhe bei Gröditz ein. Diese in ihrer Längenentwickelnng etwa 5 km ausgedehnte Stellung, den Defensivflügel der ganzen Aufstellung bildend, hatte schon an sich, zum Tlieil einem Höhenrücken folgend, das schwer zu iiberschreitendeLöbauer Wasser vor derFront, eine grosse Festigkeit. Die Einsenkung zwischen den beiden erstgenannten Höhenpunkten war zum Theil durch das zur Verteidigung günstig liegende Dorf Baruth aus- gefüllt. Die Stellung gewährte überall freie Beherrschung des Vorgeländes. Die Schützengräben hatten an den Stellen, wo ich sie besuchte, ent- weder ganz oder nahezu die Deckungshöhe für stehende Schützen. Der Angriff der gegnerischen 8. Division scheiterte an der natürlichen und künstlichen Festigkeit der Stellung, die auf den vorhandenen, leicht zu verteidigenden Uebergängen die sofortige Entwickelung zur Offensive zu- liess, welche später im Verein mit dem vor dem Hinderniss stehenden Offensivflügel zu einem grossartigen Erfolg führte.

Von viel grösserer Bedeutung noch war die Zuhülfenahme von Gelände- verwandlungen während der Kaisermanöver in der Wetterau 1897 am 7. September bei der Verteidigung der Höhen am Wartbaum (bei Win- decken) durch die noch nicht völlig versammelte West -Armee -Abteilung des Grafen Haeseler gegenüber der um ein Drittel stärkeren Ost-Armee- Abtheilung des Prinzen Leopold von Bayern. Das XI. Armeekorps, 3 Divisionen zählend, hatte sich nach dem Auszug aus den Befehlen für den 7. September in der Linie Hühnerberg Höhe 187 Höhe 178 zu hartnäckiger Verteidigung einzurichten. Der Höhenzug, welcher die Stellung bildete, hatte einen bald flacheren, bald steileren Abfall nach dem Feinde zu, gewährte meist eine weitreichende Uebersicht über das Vor- gelände, doch fehlte jegliches Fronthinderniss, es war nur auf dem linken Flügel eine gewisse Anlehnung vorhanden. Der entferntere Anmarsch des Feindes war zum Theil durch Waldungen verdeckt. Im Rücken der Stellung lag das scharf eingeschnittenc Thal der Nidder, die nur auf den vorhandenen Uebergängen zu passiren ist; der Abzug aus der Stellung wäre erschwert gewesen, dagegen war die Bewegung innerhalb und nach vorwärts überall unbehindert. Die Reserven konnten gut gedeckt aufgestellt

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Kriegstechnisches von den deutschen Feldühungen. J 73

werden. Die gesammte Entwickelung der Stellung belief Bich auf 6 km. Auf dem linken Flügel befand sich der zum Theil hoch angeschüttete Bahndamm der Hanau Friedberger Eisenbahn, zu dessen beiden Seiten die zum V III. Armeekorps gehörige 37. Division offen aufgestellt war.

In ausgedehntester Weise waren hier Schützengräben nach dem Profil für stehende Schützen angelegt. Sie folgten im Allgemeinen der Kammlinie. An einzelnen Stellen waren mehrere Linien von Schützen- gräben in Etagen über einander am vorderen Abhang des Höhenzuges angelegt. Ich habe deren auf dem linken Flügel biB zu drei gezählt. Einzelne Feldgeschütze im Einschnitt hatten nicht die gewöhnliche Deckungshöhe, indem man auf die Erdanschüttung vor dem Geschütz verzichtet und durch Beibehaltung der starken Bewachsung des Bodens dem Gegner die Erkennung der Stellung erschwert hatte. An anderen Stellen waren die Geschützeinschnitte in gewöhnlicher Weise angelegt, aber es war immer darauf Rücksicht genommen, dass die angeschüttete Erde durch Bedeckung mit Gras, Zweigen u. s. w. sich nicht von der natürlichen Oberfläche des Geländes abhob. Ein Gleiches galt für die Schützengräben. Die Anlage der sehr umfassenden Geländeverstärkung war in der vorhergehenden Nacht und am frühen Morgen erfolgt, zum Theil mit Heranziehung technischer Truppen, sie wurde nach dem Eintreffen der Divisionen hinter der Stellung noch fortgesetzt und erweitert. Die West -Armee -Abtheilung konnte in ihren zur Vertheidigung eingerichteten Stellungen wiederholte Angriffe des wesentlich überlegenen Gegners ab weisen und behauptete sich nicht nur in denselben, sondern hätte bei dem endlichen Heran- nahen der seit früh im Anmarsch befindlichen beiden weiteren Divisionen des VIII. Armeekorps noch die Offensive ergriffen, wenn dies nicht durch eine von ihrem grossen Hauptquartier eingetroffene Nachricht ausgeschlossen worden wäre. Die allgemeine Anordnung einschliesslich der durch die Pioniere hergerichteten Uebergänge über die Nidder zeigt die umstehende Skizze. Jede der drei Infanterie-Divisionen hatte eine, die 22. zwei Kom- pagnien des Hessischen Pionier Bataillons Nr. 11, die 25. einen Divisions- Brückentrain. Kommandeur der Pioniere war Oberstlieutenant Geiseier. Die 2. Kompagnie war bei der 22. Division verblieben, die drei anderen stellten Ueberbrückungen über die Nidder her.

Auch am folgenden Tage, dem 8. September, wo nach den von der Manöverleitung zu Grunde gelegten Annahmen die West -Armee- Abtheilung nochmals eine Defensivstellung, und zwar nördlich der Nidder auf den Kaicher Höhen, eingenommen hatte, sind wiederum umfassende Geländever- stärkungen zur Anwendung gekommen.

Hinsichtlich der Radfahrer geben wir nach uns gewordenen werth- vollen Informationen zunächst ein kurzes Bild der geschichtlichen Ent- wickelung der Frage in Deutschland und reihen daran dann später unsere eigenen Beobachtungen und Ermittelungen.

Die ersten Versuche mit Fahrrädern zu militärischen Zwecken haben in den Jahren 1888 bis 1890 stattgefunden und zwar bei der Militär- Turnanstalt, welcher zugleich die Aufgabe gestellt wurde, ein passendes Modell zu suchen. Die in jener Zeit stattgefundene erst« Fahrradaus- stellnng in Dresden wurde von beauftragten Offizieren besucht und danach mehrere Fahrräder beschafft. Man entschied sich damals für das Drei- rad. Anwendung im Dienst fand dasselbe zuerst in den grossen Festungen (Königsberg, Strassburg i. E., Köln) zur Verbindung der weit vorge- schobenen Forts mit der Kernfestung. 1892/93 wurde der Sache erneut nähergetreten. Wiederum war die Militär-Turnanstalt mit den Er-

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Kriogsteohnisches von den deutschen Feldübungen.

mittelungen beauftragt. Sie trat mit namhaften Fabriken, insbesondere mit Seidel und Naumann in Dresden, mit Dürrkopf in Bielefeld, mit Gebrüder Reichstein in Brandenburg a. H. in Verbindung, welche Angebote, gemacht hatten. Mau hatte sich damals schon allgemein für das niedere Zwei r ad entschieden, das Dreirad war ganz aufgegeben. Das hohe Zwei- rad ist niemals ernstlich für militärische Zwecke in Betracht gekommen. Ks handelte sich besonders um die Art des Reifens, und hier kamen drei Arten in Betracht: der massive Gummireifen oder Vollreifen, der Kissen-

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reifen und der pneumatische Reifen oder Pneumatik, letztere beide mit Hohlraum versehen. Man entschied sich damals für schwere Räder mit Kissenreifen und gegen Pneumatiks. In Aussicht genommen für den Truppendienst war zunächst der Gebrauch des Rades zum Ordonnanz- und Meldedienst hinter der Front behufs Entlastung der Kavallerie und des einzelnen Mannes. Die Erfahrungen waren in dieser Einschränkung sehr günstig. Wo Klagen einliefen, kamen sie von Stellen, wo man das Programm erweitert hatte, namentlich durch Verwendung der Militär- Radfahrer als Patrouillenfahrer und durch Bildung von Militär-Radfahrer- Abtheilungen.

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Kriegstechnisches von den deutschen Feldübungen.

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Zum weiteren Verfolgen der Frage in konstruktiver Hinsicht wurden die Gewehrfabriken und erneut die Militär-Turnanstalt zu Käthe gezogen. Es kamen verschiedene Konstruktionen in Anregung. Allgemein verwendet man jetzt Kader mit Kahmenban, nahtlosen Köhren, Pneumatiks, Räder mit Kettenübertragung, Uebersetzung von 1 : 65, dabei Höchstgewicht 16 kg ungepaekt (ohne Tasche, Laterne und Werkzeugtasche). Alle glänzenden Theile sollen brunirt sein. Emaillirung ist ausgeschlossen, da sie die Kontrole bei der Abnahme erschwert.

Als Maassstab der Beurtheilnng gelten die minderwerthigen Leistungen, welche die Militär- Radfahrer des zweiten .Jahrganges aufzuweisen haben. Mau strebt gar nicht nach Meisterschaftsfahrern. Von der Verwendung der Radfahrer des Beurlaubtenstandes bei den Friedensübungen ist man ganz abgekommen, es war dies anfänglich versucht worden, hat sich aber gar nicht bewährt. Im Ersatz giebt es im Uebrigon gar nicht soviel vor- gebildete Radfahrer, die brauchbar wären, als man vielfach glaubt. Bei einer statistischen Ermittelung ergaben sich auf 81 000 Mann 754 brauch- bare Militär-Radfahrer, also etwa 9 pCt.

Als geeignetste Bewaffnung gilt das Luftsehiffergewehr .ähnlich dem- jenigen der Fussartillerio); meist wurde bisher das Infanteriegowehr oder der Karabiner geführt. Bei fünf Armeekorps haben Versuche mit Rad- fahrer-Detachements stattgefunden. Die Räder hatten Pneumatiks, es wurden Keservetheile gegen Abgänge bei den Rädern mitgeführt.

Am günstigsten hat sich die Verwendung der Militär-Radfahrer im Verein mit den Kavallerie-Divisionen gezeigt, hier haben sie hervorragende Dienste gethnn, auf die man nicht mehr verzichten wird. Die Zu- sammenstellung der Radfahrer-Detachements erfolgt von Fall zu Fall. Detachements von 60 Mann sind schon reichlich lang. Ein Fahren über freies Feld, wie es manchmal selbst in militärischen Aufsätzen als eine Kleinigkeit hingestellt wird, ist ausgeschlossen, es könnte sich höchstens auf kurze Strecken festen Bodens, wie Wiesenstreifen, aber auch nur bei günstiger Witterung beziehen. Auf weitere Strecken der Art wird der gewöhnliche Radfahrer sein Rad führen, und dann ist er schlechter dran als jeder andere Infanterist. Als Patrouillenfahrer ist der Radfahrer wesentlich auf die Wege beschränkt, und diese müssen noch einiger- maassen fest, dürfen nicht aufgeweicht oder ausgefahren sein. Hier kann also von einem Ersatz deB Kavalleristen keine Rede sein. Das Wesent- lichste ist der Meldedienst, ferner Bedeckung von Artillerie, und zwar besonders der den Kavallerie-Divisionen beigegebeuen Batterien, Entlastung der Kavallerie, inbesondere auch vom Meldedienst in der Nacht. Soweit unsere Wiedergabe der vorerwähnten Informationen.

Der Werth der Militär-Radfahrer hat während der wenigen Jahre ihres HervortTetens in den Vordergrund des Interesses sowohl in der all- gemeinen als in der Fachpresse eine sehr verschiedene Bcurthoilung erfahren. Am vorsichtigsten muss man den Mittheilungeu des Auslandes gegenüber Uber dortige Leistungen und Ergebnisse sein; sie erscheinen gewöhnlich in rosigstem Lichte, wie z. B. im Jahre 1896 die Leistungen der Radfahrer-Kompagnie des Kapitäns Görard bei dem französischen II. Armee- korps. Bei den Armeemanövern 1897, wo man ähnlich unter der Ungunst des Himmels gelitten hat wie bei den deutschen Kaisermanövem, war die Stimmung hinsichtlich der Radfahrer eine gedrückte, und die Urtheile klangen wesentlich kleinlauter. Auch bei nnsfandeingrosserUnterschiedin dem Urtheile beider Jahre statt, ln 1896 hatte eine namhafte deutsche Zeitung der Begeisterung für die Militär-Radfahrer sich derart hingegebeu, dass

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Eindockungen in Feldbefestigungen.

sie ihnen einen Artikel: »Die fahrende Infanterie der Zukunftc

widmete, in dem der weit voranssehauende Blick des Verfassers unsere sämmtlichen Jäiger-Bataillone auf Rädern erblickt. Damit hat es wohl gute Wege, und es scheinen bei uns selbst die Anhänger von einzelnen Radfahrer-Kompagnien bis auf Weiteres keine Aussicht auf Verwirklichung ihrer wohlgemeinten Vorschläge zu besitzen.

Der Reichsmilitäretat der verschiedenen Budgetjahre lässt am besten erkennen, wie sich allmählich das Interesse unserer Kriegsver- waltung für das Fahrradwesen gesteigert hat.

Diq erste umfassende Beschaffung von Fahrrädern hat in den Jahren 1894.-95 und 1895/96 stattgefunden und belief sich auf zwei Stück per Infanterie- und Jäger-Bataillon mit dem Preisansatz von je 300 Mark (728 für Preussen, 78 für Sachsen, 48 für Württemberg). Die Begründung sagte, die Erfahrungen, welche sich bei den bisherigen Versuchen mit Fahrrädern, im Besonderen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit im Feld- dienst, ergeben hätten, Hessen es angezeigt erscheinen, nunmehr mit deren Beschaffung und Nutzbarmachung für den Kriegsfall vorzugehen. Die nächste Beschaffung erfolgte erst im Budgetjahr 1897/98 für die Friedens- formationen der Pioniere. Für die vor dem Beginn technischer Arbeiten oft erforderlichen ausgedehnten Rekognoszirungen ist das Fahrrad vom grössten Nutzen. Für jede Kompagnie wurde ein Kriegsfahrrad zu 228 Mark, ein Lernrad zu 215 Mark beschafft, für die Militär-Telegraphen - schule zwei von jeder der beiden Arten zur Benutzung bei den grösseren kriegsmässigen Uebnngen. Bei den Telegraphenformationen finden die Fahrräder ausgedehnte und sehr nutzbringende Verwendung für das Aus- tragen der Telegramme, Abpatrouilliren der Leitungen u. s. w.

Der Etat 1898 spricht sich dahin aus, dass die ausgedehnten Ver- suche, welche unter den verschiedensten Verhältnissen mit der Verwendung von Fahrrädern im Heeresdienst gemacht worden sind, deren ausserordent- lichen Nutzen für mannigfache militärische Zwecke, insbesondere Melde- und Ordonnanzdienst, Erkundungen, schnelle Besetzung vorgeschobener Punkte, dargethan haben, und eine reichere Ausstattung des Heeres mit Fahrrädern deshalb geboten ist. Es sollen erhalten: jedes Infanterie- nnd Jäger-Bataillon 6 (bisher 2), jedes Kavallerie-Regiment 2, jede Feld- artillerio-Abtheilung 1, jede Fussartilleric- Kompagnie 1 Fahrrad (daneben sollen eine Anzahl Anstalten zur Erleichterung des Ordonnanz- und Revisionsdienstes sowie zu Lehrzwecken in geringem Umfang Fahrräder überwiesen erhalten). Die gesammte Beschaffung beläuft sich auf 2474 Stück für Preussen, 229 Sachsen, 133 Württemberg (zu je 228 Mk.).

(Schlug* folgt.)

Eindeckungen in Feldbefestigungen.

Mit acht Abbildungen.

Die Infanterie muss alle Befestigungsarbeiten einfacher Art selb- ständig auszuführen verstehen und ebenso muss sie auch in der Her- stellung von Eindecknngen in Schützen- und Deckungsgräben geübt und erfahren sein, zumal besonders im kleinen Kriege den einzelnen De- tachements nicht immer Pioniere beigegeben werden können. Auch im Positions- und Festungskriege wird die Infanterie vielfach auf sich selbst angewiesen sein, und liier wird es im Allgemeinen kräftigerer Eindeckungen

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Kimleckuugcn in Feldbefestigungen.

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zur Sicherung gegen feindliches Feuer bedürfen, als dies im Feldkriege in der Regel der Fall ist.

Unsere Feldbefestigungs- Vorschrift geht von der Auffassung aus, dass zahlreiche leichtere Einbauten der Anlage einzelner grösserer und stärkerer Unterstände grundsätzlich vorzuzielien sind, denn sie geben gegen Nchrapnel- und Splitterwirkung hinreichenden Schutz; ihre Docken können Volltreffern aus Feld- und anderen Flachbahngeschützen durch entsprechende Neigung entzogen werden.

Dagegen heisst es in der Vorschrift in Ziffer 40: »Schutz gegen Voll- treffer aus Steilfeuergeschützen ist in guter Vertheilung der Unterstände zu suchen, da mit den Mitteln der Feldbefestigung Sicherheit dagegen sich überhaupt nicht erreichen lässt. '.

Dieser Ausspruch ist klar und genau und lässt nichts zu wünschen übrig; aber er erscheint nicht mehr ganz einwandfrei, wenn inan die Versuchskonstruktionen des belgischen Ingenieurhauptmanns E. Jamotte bezüglich der gesicherten Unterstände in der Feldbefestigung betrachet, über welche in einer Sammlung von technischen Arbeiten belgischer Ingenieurpf fixiere berichtet wird.*)

So lange die Artillerie nur mit gewöhnlichen Granaten oder mit Schrapnels aus Feldgeschützen schoss, war es möglich, die Vertheidiger einer Feldbefestigung durch eine einfache Anordnung der Anschüttungen zu decken. Dies ist aber jetzt nicht mehr möglich, wo die Feldartillerio auch Sprenggranaten mit verlangsamtem Brennzünder und Steilfeuer mit Granaten oder Schrapnels aus leichten Mörsern (Feldmörser- Regiment er in Russland) verwendet.

Das Feuer mit Sprenggranaten mit Brennzünder erfordert ein genaues Entfernungsschätzen und demzufolge eine genügende Sichtbarkeit des Ziels, wegen der geringen Ausdehnung der Gefahrzone der Sprengstiieke dieser Geschosse. Die Verwendung der Letzteren wird daher wenig wirksam sein, wenn der Aufzug der zu beschiessenden Werke gering genug ist, um auf eine Entfernung von 1000 bis 2500 m schwer entdeckt zu werden, und wenn man die frischen Anschüttungen durch Rasen, Zweige u. s. w. dem umliegenden Gelände gleich aussehend gemacht und dadurch der feindlichen Sicht möglichst entzogen hat; unter solchen Verhältnissen werden die Vertheidiger noch genügend durch die deckende Masse der .Anschüttungen geschützt sein.

Wenn man dieselben Vorsichtsmaassregeln beachtet, so wird das Feuer mit Aufschlagzünder aus Feldmörsern ebenso unwirksam sein; aber die Lage wird bei dem Schrapnelfeuer aus diesen Geschützen weniger günstig sein. Die Flugweite der Kugeln dieser Geschosse ist thatsächlieh viel grösser als diejenige der Sprengstiieke der Sprenggranaten, so dass eine so grosse Genauigkeit beim Schiessen mit Schrapnels nicht erforderlich ist.

Daraus folgt-, dass die feindliche Artillerie in den Fällen, wo die Vert-heidigungswerke wenig oder gar nicht sichtbar Bind, noch genügende Wirkung erreichen kann, wenn sie das Feuer ihrer Mörser auf die ver- mutheten Stellungen vertheilt.

Aus diesem Grunde wird es stets vortheilhaft sein, selbst die aus der Ferne wenig sichtbaren Werke mit schrapnelsicheren Eindeckungen zu versehen.

Diese Eindeckungen können hergestellt werden durch eine Bohlenlage

*) Recneil des travaux techniques des officiers dn genie de lärmte beige. I. 1897. Ixelles, Impriiuerie a vapeur S. Kggeriek, nie du prince Albert 40. Kriegstechniiche Zeitschrift. 1*9*. 4. Heft ]*)

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Kindeckungen in Feldbefestigungen.

von 0,10 m Stärke, welche auf Kreuzhölzer von 0,15 m Seite oder auf Rundhölzer von 0,17 ni Durchmesser, die iu Abständen von 1,30 m von Mitte zu Mitte verlegt sind, aufgenagelt werden. (Diese Abmessungen genügen für die Balkon der Eindeckungen in gewöhnlichen Schützen- gräben; für breitere Ausschachtungen müssen die Unterstützungen ent- weder näher aneinander gelegt oder es müssen Unterzüge angebracht werden.) An Stelle der fehlenden Bohlen können auch Rundhölzer von mindestens 0,15 in Durchmesser zur Eindecknng genommen werden.

Abbild. 1. Grundriss. 1 : 100. Abbild. 2. Profil AB. 1 : 100.

In Abbildung 1 und 2 ist eine solche Eindeckung dargestellt, welche nur Rundhölzer und Bindeleinen oder Draht erfordern. Bei vorhandenem Material können vier Mann in 25 Minuten eine solche Eindeckung iu einer Länge von 4,50 m herstellen; sie findet nur in gewöhnlichen Schützen- gräben Anwendung.

Handelt es sich um eine Feldschanze, bei welcher der Verkehr im inneren Graben nicht gestört werden soll, so wird man für die Ein- deckungen die Formen der Abbildungen 3 und 4 anwenden. Bei vor- handenem Material stellen - j vier Mann in einer Stunde 2,75 m solcher Eindeckung

1 HMr - her. Die Auflagerbalken J . i~. .]| (Holme) und die oberen * , 'Tm -- Enden der eingegrabenen

imi-n Ständer sind mit Draht-

... bunden von 3 mm starkem Abbild. 4. Ijingcn ^ , ,

schnitt. 1:100. Eisendraht verbunden;

diese Bunde sind ausser- dem genagelt, um sich beim Auftreffen von Kugeln oder Sprengstücken nicht zu verrücken. Die Anbringung einer Versteifung mittelst Strebt“ ergiebt die Abbildung.

Diese beiden Arten decken den auf der Grabensohle oder der Auf- trittstufe mit dem Rücken feindwärts sitzenden Vertheidiger gegen das Feuer mit Aufschlagzünder.

Sobald die Schützen die Feuerlinie besetzen sollen, werden die Deck- balken dieser Eindeckungen nach der Rückseite (Revers) des Schützen- oder Deckungsgrabens abgeworfen. Wenn es hierzu an der erforderlichen Zeit mangelt, so kann auch ein Glied über die Eindecknng hinweg in stehendem Anschlag feuern.

Es kommen aber Fälle vor, wo man durch die Verhältnisse gezwungen ist, der Befestigungsanlage einen stärkeren Aufzug zu geben, um das Angriffsgelände genügend unter Feuer halten zu können. Alsdann kann das Werk nicht immer der feindlichen Artillerie entzogen werden, deren Feuer ein genau gezieltes sein muss und wobei der Aufsehlagszünder zu der gewünschten Wirkung gelangt.

Abbild. 3. (Querschnitt. 1 : 100.

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Eindeckungon in Feldbefestigungen.

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Unter solchen Verhältnissen werden aber die Eindeckungen gegen das Feuer mit Aufschlagzünder nicht mehr genügen, denn sie werden von den Granaten der Feldmörser oder Haubitzen durchschlagen. Man muss also den Vertheidiger gegen diese Geschosse zu decken versuchen.

Hierbei muss man stets von den Hülfsmitteln ausgehen, welche sich im Feldkriego darbieten; dabei wird es sich immer nur um die Aus- schachtung eines Grabens handeln, den man mit Rundhölzern eindeckt, welche mit einer Erddecke versehen werden.

Diese Eindeckung muss folgender Anforderung genügen: die auf 1,50 m in den Boden eindringende Granate muss detoniren können, ohne die Hölzer der Eindeckung zu beschädigen. Die Erddecke, welche auf diese Balken aufzubringen ist, muss also eine Stärke von 1 ,50 m haben, um die lebendige Kraft des Geschosses aufzuheben, sowie eine weitere Stärke, um der Wirkung der Detonation vorzubeugen.

Für solche Eindeckungen wurde für die Erddecke eine feststehende Stärke von 0,50 m ermittelt; bei dem mit Balken eingedeckten Theile war die Stärke durch einen Versuch festgestellt worden. Man hatte auf einer Eindeckung, bestehend aus zwei Lagen von Rundhölzern zu 0,25 m Durclunesser und einer Erddecke von 0,50 m, l^adungen von 5,7 kg Tonit*) zur Detonation gebracht, als der stärksten Füllung der gegenwärtig im Gebrauch befindlichen Geschosse für Feld-Steilfeuergeschütze.

Diese Eindeckung widerstand also vollkommen den Wirkungen der Detonation, wenn die Deck- balken derselben nicht mehr als 1 .25 m freiliegen und der lichte Abstand zwischen den Stützbalken Ständer) nicht mehr als 0,80 m beträgt.

Aus den Ergebnissen dieser Versuche ist die in den Abbildungen 5 und 6 dargestellte Eindeckuug hervorgegangen, welche gegen das Feuer mit Aufschlagzünder aus Feldmörsern decken soll.

Man kann in einem solchen Unterstand 18 bis 20 Mann, also etwa eine Korporalschaft auf Friedensfuss, unterbringen.

Die Erddecke auf einer solchen Eindeckung erhebt sich 2 ra Uber den gewachsenen Boden und übersteigt somit nicht die Höchstziffer für den

» Es entspricht dies der Sprengladung der Sprenggranat« des rassischen rm Mörsers (vergl. Revue därtillerie vom Februar 18011). Dieser (belgische) Aufsatz war beendet, als die Revue de lärmte beige im März— April-Heft von 1807 über eine neuerdings von Frankreich angenommene 12 cm-Feldhaubit*e Angaben veröffentlichte, wonach diene* Geschütz Sprenggranaten mit ti kg Melinit als Sprengladung verfeuert.

Xach Öen auf dem Regiments Schiessplatz ausgeführten Versuchen übersteigen die Wirkungen dieser Sprengladung auf die beschriebenen Eindockungen nicht wesentlich diejenigen einer Ladung von 6,7 kg. so dass eine Aenderung dieser Eindockungen nicht weiter erforderlich erscheint.

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ISO Eindeclrnngen in Fddbefi-stignnßen.

Aufzug von Feldsehanzen. Die Sohle des Unterstandes liegt auf 2,00 in ; wenn der Boden nicht gestattet, bis zu einer solchen Tiefe zu gehen, so kann der Sitz (Banket) fortgelassen und die Sohle der Ausschachtung auf 1,60 m Tiefe gelegt werden. Es bleibt dann nur eine lichte Höhe von 1,10 m, womit man sich füglich für Mannschaften begnügen kann, die nur für einige Stunden Deckung zu haben brauchen.

VS- .n ««»g. .'WT« IV «Hf

Es handelte sich nun weiter darum, die Abmessungen der Ausschachtungen wie in Abbildung 5 und 6 beizubehalten , ohne Abbild. 6. Uingenschnitt. 1 : 100. die Höhe der An-

schüttung vermehren

oder die Sohle des Unterstandes tiefer, als 1,50 m legen zu müssen.

DieH wurde erreicht, indem man die Eindringungstiefe der Granate durch eine Einlag«? von Balkenholz begrenzte, welch Letztere eine vor- zeitige Detonation des Geschosses horbeiführen sollte. Diese Anordnung war für die russischen Schanzen vorgesehen, welche General Pierron in seinem Werke »Les nuHhodes de guerre 5 la fin du XIXe siöcle anführt.

ln der Voraussetzung, dass eine Lage von Rundhölzern von 0,25 m Durchmesser mit einer Erddecke von 0,50 m genügend ist, um das ein- gesehlagene Geschoss aufzuhalten, war nunmehr die Wirkung der Detonation «lieses Geschosses auf die Balkenlage festznsbdlen.

Hierzu wurden zwei verschiedene Ladungen von 5,7 kg brisantem Sprengstoff und von 4,88 kg Schwarzpulver verwendet, welche die Spreng- ladung der Sprenggranaten und der gewöhnlichen Granaten ans dem russischen 1 5-cm-Möreer «larstellen.

Die Ladung mit gewöhnlichem Pulver zerbrach einfach zwei Balken, ohne ihre Lage zu verändern; die brisante Ladung erzeugte in der Balken- lage ein lx>eh, dessen grösste Abmessung etwa 1,40m betrug.

Es galt nun festzustellen, ob die Wirkung mit brisanter Ladung geringer ist, wenn man die Erddccke über der Balkenlage fortlässt. Als- dann trat jedoch das Gegentheil ein; die Grösse tler Oeffnung betrug nicht allein 2,75 m, sondern eine Zahl «ler nebenliegenden Balken wurde zerbrochen und entfernt liegende Balken wurden herausgeworfen.

Die 0,5(1 m Btnrke Erddecko auf der Balkenlage muss also beibehalten wertlen; wenn sie auch die örtliche Wirkung der Detonation vermehrt, so hält sie andererseits die Balken in ihrer Lage und ermässigt im Ganzen die Ausdehnung der Zerstörung. Die Versuche bewiesen ferner, dass die Zerstörung der Balkenzwischenlage bei den mit Schwarzpulver gefüllten Granaten eine unbedeutende war, wogegen bei Brisanzgrauaten der ent- standene Trichter nach jedem Schuss wieder zugefüllt werden muss.

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Eindockungen in Feldbefestigungen.

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Abbild. 7. Lüngensehnitt. 1 : 100.

Eine solche Konstruktion eines Unterstandes ist in den Abbildungen 7 und K dargestellt. Bei vorhandenem Material kann er ebenso wie der vorhergehende von zehn Mann in 9 bis 10 Stunden hergestellt werden. Zum Schluss seinerAbhand- lung führt Hauptmann Jamotte noch an, in welcher Weise er sieh in Schützen- gräben und Feldschanzen derartige Un- terstände ver- theilt bezw. auch in beson- deren Deckungsgräben ausgeführt denkt. Wir versagen es uns, hierauf näher einzugehen, weil uns die Konstruktion der Unterstände als solche beschäftigt. Die in den Abbildungen 1 bis 4 dargestellten genügen dem beabsichtigten Zweck vollauf, die Stärke der Balken und Bohlen erscheint auch sehr reich- lich bemessen, zumal es immerhin zweifelhaft ist, ob man bei HüchtigenFeld- befestigungen

solches Material in der erforder- lichen Menge wird bereit stellen können. In den meisten Fällen wird man sich mit einfachen Brettern und schwächeren Balken begnügen müssen, wie sie sich gerade vorfinden. Ebenso scheint das rasche Zurückwerfen dieser Balken und Bohlen bei der schnellen Besetzung der Feuerlinie durch die Schützen gar nicht so einfach; zweckmässiger erscheint das Hinüberfeuern aus dem An- schläge im Stehen, wobei freilich die kleineren Leute gänzlich ausfallen würden. Das Richtige bleibt, dass der feuernde Schütze möglichst dicht an die innere Brustwehrböschung herantritt, um wenigstens aufgelegt; schiessen zu können und dabei durch die Brustwehr geschützt zu sein. Bei den Unterständen (Abbild. 5 bis 8) bis auf eine lichte Höhe zwischen Graben- sohle und Balkendecke von 1,10 m herabzugehen, erscheint doch wohl als zu weit gegangen; die Schützen sollen hier einige Stunden in hockender Stellung sitzen, was ein bischen viel verlangt ist. Jedenfalls sind die angegebenen Konstruktionen von höchstem Interesse und werden auf unseren Pionier-Uebungsplätzen einen willkommenen Anhalt zu weiteren Versuchen abgeben, welche sieh vielleicht auch auf die Schiessübungen im Gelände mit der Fussartillerie mit Bespannung zweckmässig ausdehnen lassen, um die Widerstandsfähigkeit dieser Decken gegen Brisanzgranaten mit verlangsamter Zündung zn erproben.

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Abbild. 8. Querschnitt. 1 : 1U0.

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I>us Iwyerischc Kriogsbriickengerftth.

Das bayerische Kriegsbrückengeräth.

(Schluss.)

Hit fünfzehn Abbildungen.

Der Ankerrödelbund ist im bayerischen Reglement als halber (Abbild. 15) und ganzer Einschlag (Abbild. 16) bezeichnet. Beim halben Einschlag wird das Tan mit einer Bucht von unten um die Ducht gelegt und diese Bucht aus freier Hand gehalten. Beim ganzen Einschlag wird die Bucht ausserdem einmal um sich selbst gedreht, noch einmal um die Ducht

I

I

Abbild. 17 a (obere Ansicht).

geschlungen und hierauf durch die Bucht der Ankerrödel gesteckt, bis er sich gegen die Kaffe stemmt. Beide Einschläge dienen zum Festlegen des Ankertaues an der Ducht des Pontons. (Ducht, ist ein eichenes Rund- holz in der Pontonkaffe.)

Beim Legen des Uferbalkens wird in Preussen die Brttckenlinie mit zwei Flaggen (schwarz-weiss oder roth-weiss gestrichenen Stöben mit Fähnchen), in Bayern mit zwei Staken abgesteckt. Die am zweiten Staken

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Landiciirt *.

Das bayerische Kricgabrückcngernth.

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vorbeigeführte Tracirleine wird mit Hülfe eines dritten Stakens nach wasserwiirts des Uferbalkens verlängert.

Der Uferbalken wird, die Knagge (der Kainmi oberstrom und wasser-

Abbild. 19. Abbild. 20.

wärt«, senkrecht zur Brücken- linie mit der Mitte in dieselbe gebracht und mit der Setzwage wagerecht gelegt.

Für die Höhenlage der oberen Fläche des Uferbalkens über dem Wasserspiegel ist zu beachten, dass die normale Ein- bauhöhe des Fontons 0,95 m, die grösste mit gewöhnlichen Mitteln zu erreichende Kinbau- höhe 1,21 m beträgt, und dass das Gefälle eines Briiekenfeldes für Infanterie 1,00 m, für Fuhrwerke 0,30 m nicht über- steigen soll.

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Land wart».

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Das bayerisch«* Kricgshriirkcnprätli.

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Al)l)ild. 23.

Di? Haftpflöcke werden zu beiden Seiten der Enden, ein Uferbalken- pfahl wird an der Stirn des Knaggenendes eingeschlagen. Die übrigen Uferbalkenpfähle werden nach Bedarf vertheilt (Abbild. 17).

Kür das Hand- haben der Balken ist der Balkeutrupp 14 Mann stark, weil für jede Strecke sieben Balken verlegt werden ; die äusseren (Ort-) und der Mittelbalken liegen einfach, bei den Gleise- = balken dagegen zwei | neben einander.

Die Brücken- bücke werden auf ? dein Lande oder in seichtem Wasser aus freierHand(Abbild.l8), bei einer Wassertiefe von mehr als 0,50 m in der Kegel mit der Einbaumaschine (Ab- bild. 0) aufgestellt. In tieferem Wasser (über 0,50 m) kann auch ein zweitheiliges Ponton . . . als Kinbauponton (Ab-

t t f ? ? f bild. 5) dienen,

i i [I | Zum Handhaben des

Pontons als Brücken- unterlage gehört nament- J lieh das Aufrüsten desselben,

i | i | i | Die Ausrüstung des Pontons

i ] ! | besteht aus dem Fahrgeräth,

! ; ; ; ferner dem Geräth zum Fest-

/ek—f ~ legen, für die Aufrüstung

I-L I h fl II IN.^/1 I LA und Herstellung des Ge-

länders.

I T U O , Zum Kestlegen erhält

\j \y C7 das Ponton entweder das

/ ! volle Ankergeräth oder nur

I einen Ankerrödel zur Be-

' 1 11 1 ' '*■ 1 nutzung eines schon gewor-

fenen Ankers oder eine Er- gänzung auf zwei bis vier Spanntaue zum Heften (Festlegen) an Nebon- pontons oder am Ufer.

Die Aufrüstung liegt entweder über der Mitte des Pontons regel- mässigo Aufrüstung oder über den Pontonborden bordige Aufrüstung.

Die regelmässige Aufrüstung für zweitheilige und dreitheilige Pontons zeigen Abbild. 1 u. 19.

Zur bordigen Aufrüstung, welche dreitheilige Pontons verlangt, sind an Geräthon erforderlich: 2 Knaggenbalken, 4 Unterlagsklötze, ö l'nter-

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Das bayerische Kriegsbrückengerät h. 185

lagegeh' wellen, 1 4 Kchniirlcinen, 1 eiserne Knagge. Anstatt eines Paares l nterlagsklötze kann 1 Unterlagsschwelle schräg über die Querwände gestellt Verwendung finden; eiserne Knaggen können nötigenfalls durch Schnürleinen ersetzt werden.

Zur Ausführung der bordigen Aufrüstung (Abbild. 20) werden der landwärtige und wasserwärtige Knaggenbalken von den zugehörigen Num- mern so lange in Brusthöhe gehalten, bis die Unterlagsschwcllen, wie bei der regelmässigen Aufrüstung, gelegt werden. Der wasserwärtige B:dken wird vorerst auf den Schwellen abgelegt.

Die übrigen Verrichtungen werden zunächst am Landborde und hierauf am Stromborde ausgeführt, und zwar wird je ein Unterlagsklotz über den zusammenstossenden Ecken der Pontonstüeke der Iäinge nach und mit

dein C'harnier nach aussen auf das Schundeck gelegt, sodann der Knaggen- balken, die Knaggen gegen die Pontonmitte gerichtet, flach auf die Unter- lagsschwellen und in die Dreheisen der Klötze so eingelegt, dass die Aussenfläche mit dem Borde abschneidet und im Vorderstück die Mitte des Knaggenausschnittes über die Mitte der Unterlagsschwelle kommt.

Der Balken wird hierauf auf den Unterlagsschwellen, den Unterlags- klötzen und an der Schnürleiste mit dem Sehleuderbund festgeschnürt.

Das Belageindecken geschieht derart, dass ein 7 bis 8cm breiter Brettschlitz vom inneren Ortbalken nach innen bleibt (Abbild. 21).

Bezüglich des Brückenbaues ist der beiden Hauptbrüekenformen schon bei den Spannungen Erwähnung gethan. Für die Verankerung der Brücke genüge Abbild. 22.

Auch den Bau mit Brückengliedern sieht das Reglement vor; Abbild. 23 veranschaulicht ein solches Glied mit bayerischem Geriith.

Die Durchlassglieder haben eine etwas andere Kiutheilung als beim preussischen Geräth, was durch die veränderten Briickenformen bedingt ist. An Stelle der Treidelleinen treten zusammengestochene Spanntaue; diese werden nach Abbild. 24 befestigt, ausgezogen und in den Kund- pontons klar aufgeschossen.

Das L'ebersetzen geschieht in Pontons, mit Kuderfähren oder mit fliegenden Brücken.

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Mas bayerische K riegsbrüekengeriith.

Die Knderfähre wird aus zwei zweitheiligen Ponton» gebildet, welche mit Uferbalken bordig aufgcriistet und mit einer regelrechten Strecke überdeckt sind.

Die Herstellung geschieht durch die nämlichen Trupps und in ähn- licher Weise wie der Bau eines Brückengliedes; nach dem Absetzen de> Strompontons befestigen die Einbautrupps den Mittelbalken und die Ort- halken auf den inneren Aufrüstungsbalken, spannen die Kreuztaue und bringen die Verbindungsbalken an ( Abbild. 25).

Zum Kudern stehen in den Vorderstüeken das erste oder zweite sowie das dritte, in Nteuerkaffenstiieken das fünfte, in Steuerstumpfstücken das vierte Kuderschloss zur Verfügung; die Steuerleute legen bei Steuerstumpf- s Wicken in den inneren Eckruderschlössern aus ( Abbild. 26).

Bei den fliegenden Brücken wird die Fähre aus zwei drei- bis sochstheiligen Pontons gebaut, die auch am Steuer mit Kaffenstücken ver- sehen und hordig aufgerüstet werden. Die Aufrüstung dreitheiliger Pontons erfolgt nach Abbild. 27. Bei viertheiligen Pontons werden als Auflager für die .Aufrüstungsbalken über den zusammenstossenden Quer- wänden Unterlagsklötzo und über den Mittelstücken Unterlagssehwellen

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Kleine Mittheilnngen.

187

nach Abbild. 3 aufgelegt. Bei fünf- und sechstheiligen Pontons werden ausschliesslich Unterlagsschwellen als Auflager verwendet, und je ein weiterer Knaggenbalken wird flach verlegt und an den Unterlags- schwellen sowie an den Schnürleisten befestigt (Abbild. 4 u. 2K). Dies geschieht zur besseren Debertragung des Gewichtes auf alle Pontonstücke wie zur Entlastung der Pontonverhindnngen neben den Aufrüstungsbalken beider Borde und init einem Abstand, welcher das Einknaggen der Streck- balken auf den Aufrüstnngsbalken gestattet.

Die Ausrüstung der Buchtnachen entspricht im Allgemeinen denen des preussischen Reglements; an Stelle der gekreuzten Geländerhölzer werden gekreuzte Bockheine genommen, auch findet eine Herrichtung mittelst Unterlagsschwellen oder \\ agen winden statt.

Hiermit wären die wichtigsten Abweichungen von dem preussischen Pontonier-Reglement angegeben. Das bayerische Briickengeräth wird in diesem Jahre auch von den preussischen Pionieren bei der Pontonierübung bei Germersheim zur Verwendung gelangen, wo zwei preussische und zwei bayerische Pionier-Bataillone gemeinschaftlich üben werden.

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Kleine Mittheilungen.

Ein elektrischer Lothkolbon wird von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesell* «chaft hergestellt, llei demselben bildet der in ein Rohr eingesetzte kupferne Kolben den positiven, ein ihm gegenüberstehender Kohlenstift den negativen Pol. Der kupferne Kolben erwärmt sieh durch den entstehenden Lichtbogen «ehr rusch und bleibt gleichiuuftsig warm. Natürlich wird er dabei an dem in das Rohr hineinragenden Theil verbrannt, kann aber durch Ansetzen eines neuen Kupferstückes wieder ergänzt werden. Die negative Kohle steht Anfangs auf 1 mm Entfernung von dem Kolben und muss nach ‘/s Stunde vorgestellt werden.

Zum Entzünden wird sie durch einen Knopf gegen den Kolben gedrückt, heim Loslassen desselben springt sie durch einen Federdruck in ihre Grundstellung zurück, u ml der Licli t- hogen bildet «ich. Diesen kann man durch eine Oeffnung beobachten. Die beistehende Zeichnung, die wir dem Prometheus ent- nehmen, stellt einen spitzen und einen dachen Löthkollien dar. Oh sich diese Loth* kolben hei längerem Gebrauche bewähren, konnte nicht festgestellt werden. Sie sollen leicht und durchaus betriebssicher sein, sind aller nur dort zu verwenden, wo elek- trischer Strom zur Verfügung steht, daher in ihrer Anwendung beschränkt.

Plattirtes Aluminiumblech. Die Verwendung des Aluminiums ist bisher wesentlich dadurch eingeschränkt gewesen, dass erstens alle Verfahren, dasselbe zu lothen, ein Ix* friedigendes Ergebnis« nicht gehabt haben, und dass es zweitens nicht möglich gewesen ist, dieses Metall auf galvanischem Wege mit einem haltbaren

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Kleine Mittheilungen.

Ueberzug von anderen Metallen zu versehen, um es gegen zersetzende Einflüsse von Salzlösungen und anderen Flüssigkeiten zu schützen. Aus diesem Grunde wurden alle kleineren Aluininiumgefüsse gestanzt, alle grösseren Gegenstände aus Aluminium, z. B. Boote und dergleichen, genietet. Für Schi ff sge fasse, die auf See gebraucht werden sollten, war Aluminium nicht gut verwendbar, da das Seewasser dieses Metall zu sehr angreift. Jetzt ist ein Verfahren erfunden worden, Aluminiumblech mit anderen Metallen, z. B. Kupfer, Nickel, Silber, Gold u. s. w., haltbar und in beliebigen Starken zu plattiren. Hierdurch dürfte ein wesentlicher Fortschritt in der Verwendbarkeit des Aluminiums gemacht sein; denn diese platt irten Bleche sind nicht nur viel steifer wie Bleche aus reinem Aluminium, sondern lassen sich auch ganz wie Bleche, die aus den zur Plattirung benutzten Metallen hergestcllt sind, technisch verwenden, also auch löthcn, und widerstehen besser Zersetzungen. Das Verfahren ist von einem Werkmeister erfunden und in allen Staaten patentirt. Die Verwerthung hat ein Konsortium übernommen, das vorläufig mit der Herstellung verkupferter Aluminium- bleche für Marinezwecke beschäftigt ist. Weitere Mittheilungen und Musterbleehe können, wie die > Metallotechnische Revue« angiebt, von Ludwig Sattler, in Firma Maschinenfabrik M. Sch midtmever, ‘Nürnberg, bezogen werden. Wie sieh der Preis von plattirtcui Aluminiumblech gegen Blech aus reinem Aluminium stellt, kann nicht angegeben werden. Eine sehr bedeutende Preissteigerung würde natürlich für die Verwendung ungünstig seiu, kann aber vielleicht durch den fortgesetzten Fall des Aluminiumpreises etwas ausgeglichen werden. Hiermit würde man auch der end- gültigen Lösung der Frage der Aluminiiimpontons einen Schritt näher gekommen sein.

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Cordite-Beroitung.*) In der Institution of Civil Engineers wurde Ende Januar d. Js. auf Grund eines Aufsatzes, den Mr. E. W. Anderson, der Sohn Sir William Andersons (Generaldirektor vom Wool wich- Arsenal), vorgelegt hatte, über die Geheim nisse der Cordite- Bereitung verhandelt. Vorzugsweise befasste die Abhandlung sieh mit den bei der Herstellung von Corditc erforderlichen Maschinen, von denen viele von den Erith-Werken entworfen und uusgefiihrt worden sind. Der Verfasser ist dort angestellt. Der Fabrikationsprozess beginnt mit «1er Mischung von Schiessbanm- wolle r>8 pCt. der besten Waare und Nitroglycerin 87 pCt.). Diese Mischung erfolgt durch Handarlx-it und ergiebt eine Art Teig, welcher dann mit dem letzten Bestand t heil Ö pCt. einer mineralischen Gallerte, deren Zusammensetzung geheim gehalten wird durcheinander geknetet wird. Zur Erleichterung dieser Arbeit wird ein bestimmtes Quantum tfäure zu gesetzt, welches aber insoweit belanglos ist, als es l>eim Trockenprozess wieder verloren geht. Dann wird die Masse in Fäden gebracht, welche dem Explosivstoff das charakteristische Aussehen und den Namen gel»en cord», corditc). Es erfolgt in der Weise, dass die teigige Masse in einen cy lind rischen Behälter gefüllt wird, der am Boden eine kleine Oeffnung hat. Vermittelst einer hydraulischen oder anderen Presse wird dann ein starker Druck auf die Oberfläche der Masse ausgeübt, worauf sie in einem dünnen Faden aus der Oeffnung am Boden tritt und automatisch auf eine kleine Haspel gewickelt wird, deren Schnellig keit genau der Schnelligkeit des Austretens des Fadens aus dem Gefiiss entspricht. Die betreffenden Maschinen sind mit dem grössten Scharfsinn vervollkommnet worden, da die Wirkung des Pulvers wesentlich von der gleichmässigen Zusammensetzung und Festigkeit der Masse, wie von der gleichmässigen Stärke der Fäden abhängt. Mehrere zu verschiedener Zeit hergestellte Fäden, manchmal zehn, werden dann zu einem Strang von verschiedenem Durchmesser (je nach dem Kaliber des Kohres. für welches sie bestimmt sind) zusammengedreht. Für Platzpatronen und Pistolen werden

Es ist das der strähnige Explosivstoff, den England für Gewehr und zum Theil auch für Geschütz eingeführt hat. Die Bezeichnung »Pulver* verdient er eigentlich nicht.

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Kleine Mittheilungen.

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dünne Plättchen davon geschnitten. Dann findet 3 bis Tage lang (je nach dein Durchmesser der Stränge) das Trocknen bei einer Temperatur von 98 bis 100 ° Fahrenheit statt. Ks stellt daher den gefährlichsten Theil der ganzen Fabrikation dar. Für einzelne Geschütze werden an die 00 Cordite- Stränge gebraucht, beim 0 Zoller 15,24 cm z. 15. in einem Gewicht von ll'/s Pfund das Pfund = 0,453 kg ; l»ei noch grösseren Kalibern werden aus den Strängen geradezu Taue. Bei der Wahl der Fadenform ging man von der Erwägung aus, dass so die Verbrennung des Pulvers gleich mässiger und daher rascher erfolgt. Bei dem gewöhnlichen Pulver wird nur die beschrankte Oberfläche von der entzündenden Flamme angegriffen, so dass die Entwickelung treibender Gase geringer bleibt als beim Cordite. In anderen Landern bat man den gleichen Erfolg mittels Durchlöcherung fester Pulverstücke zu erzielen versucht.

Radfahrer-Kompagnien. Italien hat sich im Prinzip zur Aufstellung von selbständigen Radfahrer Kompagnien entschlossen. Als sicher ist anzusehen, dass gemäss dem Vorschlag des mit dem Studium der Frage betrauten General Ferraris, des Direktors der Central-Sehiessschule zu Parma, ein Ausbildungskursus für Rad fahrer im Zusammenhang mit der Schiessschulc eingerichtet wird. Wahrscheinlich werden zunächst Radfahrer für die Bersaglieri - Regimenter in Rom, Bologna und Livorno ausgebildet. Die Organisationsfrugen sind noch nicht abgeschlossen; doch ist an zu nehmen, d.'iss den zwölf Bersaglieri* Regimentern für den Kriegsfall eine 13. Kompagnie zugetheilt wird, deren Stämme u. s. w. im Frieden aufgestellt und ausgebildet werden,

Bambuslanzen. Nach langen und kostspieligen Versuchen ist eine Lanze mit «inem Schaft aus Bambusrohr bei den vier belgischen Lancier Regimentern zur Ein- führung gelangt, und zwar wurden beide Glieder mit derselben ausgerüstet. Jede logische Kavallerie -Brigade bestellt aus einen Lancier- und einem Guidcn- oder ChaHseur Regiment; die von erstcren geführte Lanze ist nur 2,85 m lang. Ihr Gewicht beträgt wenig über 1 kg. also etwa die Hälfte des Gewichtes einer Lanze mit Schaft von Eschcnholz. Die Stahlrohrlnnze der deutschen Kavallerie dagegen ist 3,20 m lang und ist mithin trotz des (Jewichtes von 1,85 kg der belgischen Lanze bei Weitem überlegen, weil die längere l^mze gegenüber der kürzeren stets im Vortheil ist. Legt man die angegebenen Zahlen zu Grunde, so ergielit eine Berechnung, dass eine Bambus- lanze von 3,20 m Länge nur ein Gewicht von 1,12 kg haben würde.

Der Panzerthurm für das Fort Waelhem. Auf der grossen Brüsseler Welt- ausstellung 1807 war ein Panzerthnrm ausgestellt, dessen Abbildung und Beschreibung wir hier auf Grund des Londoner Engineering« vom 24. Dezember v. J. geben. Der Thurm ist in den Ateliers de construction de la Meuse in Lüttich hergestdlt und l**steht in einem grossen aus zusammengenieteten Eisenblechen hergestellten Cvlinder, welcher zwei Geschütze von 16-cm-Kaliber nebst allem Zubehör und der Bedienung» mannschaft aufnimmt. Die Geschütze stehen nebeneinander und die Rohre gehen durch Minimalscharten nach aussen. Diese Minimalscharten sind in einer Eisen- panzer Ktip|*el angebracht, welche den Cylinder «leckt und so den Panzerthurm vollendet. Der oylindrische Theil des Thurmes ist «lazu bestimmt in eine Grube ein- gesetzt zu werden, so dass nur die Kuppel desselben ausserhalb der Erd- uml Beton- Deckung sichtbar bleibt. Die Drehung der Kuppel wird durch eine Anzahl Kidlrüder unterstützt und gefördert, wie man aus der Zeichnung ersieht. Diese Kader laufen auf Schienen, welche auf gemauerter Unterlage des Thurmes gelegt sind. Im Monut Dezember 1890 und im Januar 1897 haben in Gegenwart der Kommandostellen aus- gedehnte Versuche stattgefunden, bei welchen 100 Schüsse mit «1er vollen Gebrauchs-

1<>0

Kleine Mittheilungen.

Indung von 7,6 kg braunem prismatischem I’ulver und 41.6 kg schweren ( ieschossen verfeuert wurden. Die Versuche hatten durchaus günstige Ergebnisse. Die Geschütze konnten innerhalb von 25 bis 30 .Sekunden eine vertikale Biehtungsveriindrrung von 27 Grnd erhalten, und der Thurm oder vielmehr die Kuppel konnte durch sechs Mann innerhalb 60, durch vier Mann innerhalb 76, und durch zwei Mann innerhalb 160 Sekunden zu einer ganzen l'mdrehung gebracht werden. Zur Kinlegung und zur Ablegung eines Geschützes brauchte mau 66 Minntcn. So weit der liericht im > Engineering, i Ich halte nur hinzuzufügen, dass nicht General Rrialmont. wie man aus dem Berichte sehliessen konnte, sondern Schumann den Panzerthurm mit Kuppel erfunden hat. Es heisst nämlich: >nn armoured turret or cnpola of the type origi- nally introduccd by General Urialinont. Wenn man >introduced< einfach mit .eingefübrt übersetzt, dann könnte das richtig sein, denn Itrialmont lud meines

Wissens Schumanns Erlindungen stets sehr hochgestellt. Dem sei nun wie ihm wolle, die gewölbte Kuppel und der Panzerthnrni überhaupt ist zweifellos die Er tindung des leider für die Wissenschaft zu früh verstorbenen prenssisehen Oberst- lieutenants a. D. Max Schumann. Schumann trat mit seiner ersten Erfindung, der Minimalschnrten Endete. bereits 1866 auf. und den damals im Mai vor einer grossen Anzahl von Offizieren und Vertretern von Eisenwerken ans ganz Europa in Mainz auf Anordnung des deutschen Hundes stattgehabten Versuchen habe ich selbst von Anfang bis zu Enile beigewohnt. Der erste gepanzerte Geschützstand wurde auf Grund dieser Versuche und auf Anordnung des Bundes in der Bundesfestung Mainz erbaut und fand auch die besondere Anerkennung Brialmonts. Die Verbindung, in welche Schumann später mit Grnson in Buckau bei Magdeburg trat, führte ihn nachher zur Herstellung der Panzerkuppeln, weil man bald heraus hatte, dass convexe oder sphärisch gebogene Panzerplatten im Vergleiche zu Hachen und ebenen Pan-

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Kleine Mittheilungen. Büeherschau.

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zerungen, des flacheren Auftreffwinkels der Geschosse wegen, weit grosseren Wider- stand zeigten. Auf Veranlassung des Ingenieur Comites in Berlin, in welches Schumann 1868 berufen worden war, hatte Sebunann einen drehbaren ranzerthurin mit leicht gebogener Knppeldeeke konstruirt, welcher wegen des mittlerweile «ungebrochenen Krieges mit Frankreich, erst 1871 auf dem Tegeler Schicseplatxe versucht werden konnte und sich in jeder Beziehung bewahrte. Die Richtigkeit der Scliumannschen Konstruktionen bewährte sich auch später bei den Versuchen in Spezia im April 1886 und namentlich bei den Versuchen in Bukarest 1885/86. Schumann war 1872 aus dem aktiven Dienste nusgeschieden und hatte sich auf dem Gruson werke ganz seinen Panzerkonstruktionen hingegeben. Er war selbst bei den Versuchen in Bukarest zu gegen, und dort auf dem Schiessplatze von Cotroceni errang der von ihm konstruirte und im Gruson werke angefertigte Panzerthurm einen entschiedenen Erfolg über den von dem französischen Genie-Major Mougin angegebenen und von der Compagnie des Hauts Foumeaux, Forges et Acieries de la marine et des chemins de fer in St. Chamond gefertigten französischen Panzerthurm. Schumanns grosses Prachtwerk über die Punzerlaffeten sowie die vom Grusonwerk, bezw. der Expedition der »Neuen Militärischen Blätter« herausgegebenen Berichte über die Sehiessversuche mit und gegen Panzer laffeten oder Panzerthürme lassen keinen Zweifel über den Vorzug der Scliumannschen Konstruktionen, welche er selbst am liebsten Panzer- Laffeten und nicht Panzerthürme nannte. Selbst Frankreich hat sich von der Mouginschen Konstruktion abgewandt. Vt Herget.

-^> Büchersöhau.

Fortschritte und Veränderungen im I Gebiete des Waffenwesens in der neuesten Zeit. Nachtrag III. (1897). Von W. Witte, Oberst z. D. Berlin, Liebelsehe Buchhandlung.

Die als Ergänzung und Fortsetzung der Gemeinfasslichen Waffenlehre« des- selben Verfassers herausgegebenen Nach träge sind für jeden Offizier von grösster Wichtigkeit, weil sie ihn mit allen Neuerungen auf dem Gebiete der Waffen» technik bekannt machen und auf dem laufenden erhalten.

Der vorliegende Nachtrag ent- hält neben Notizen über die ge scbiehtliche Entwickeln ng bis zur Gegenwart Angaben über Treibmittel und Sprengstoffe, das Schiessen und die Wirkung der Feuerw affen, die Handfeuer- waffen, Einrichtung der Ge- schützrohre, die Artillerie M uni tion, die Kevol verkanonen, die Schnellfeuer und Panzer- geschütze, Gebrauch der Hand- feuerwaffen, der Feldgeschütze und der Festungsgescbützc.

Besonderes Interesse erregen hierbei die neuesten Geschützverschlüsse, unter denen auch der Verschluss einer Schnellfeuer- kanone kleinsten Kalibers, sowie der

Canetsehe Sch rauben Verschluss des gleich- namigen französischen Feldgeschützes ent- halten sind. Letzterer erscheint immer noch nicht einfach genug und dürfte dem Kru pp sehen Horizontal Keilverschluss für SchneHfenergeschütze {.siche die Abbild.) nachstehen. Bei diesem Verschluss wird der Keilkörper A mittelst der Kurbel E in Bewegung gesetzt und durch die Ver-

schlussschraube im Rohre gehalten. Der letzte Gewindegang dieser ist jedoch voll, dumit er gegen den Ansatz des Spann- hebels K drückt, der sich um i dreht, und

A Keilkörptu. A Karbol. D Verschlimnb raube. K Spannhebel, i 'lesien Drebong-punkl. II S< hl*#bol*ei>. J SpirnUe4or r AIjsqm- bUtt. ti Ven«cblusspl»tte C Abzu/setück F Abzüge/oder. g WuUt. G AQ*»erf*r. A Nws. a Nut*. b Wnlat.

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Bücherschaii.

hierbei den »Schlagbolzen H zurückzieht, indem er die »Spiralfeder .1 spannt. Diese schnellt den Schlagbolzen nach vorn, sobald die Nase des Abzugsblattes f in der Verse hlusaplatte B durch das Abzugs- stück herausgezogen wird. Die Abzugs- feder F drückt die Abzugsplatte stets gegen den Spannhebel, der mit der Wulst g drehbar im Rohre liegende Ans- werfer G greift gabelförmig hinter den Bodenrand der Kartuseh hülse und seine Nasen werden in der Nuthe a des Keils geführt und gedreht, sobald die Wulst b beim Hinausziehen des Keils anstösst und die Hülse aus dem Ladeloch hinauswirft. Diese Nachtrage des Obersten Witte sind auch einzeln erhältlich und bringen in sich abgeschlossene Aufsätze über Neuerungen, so dass sie auch für die Nichtbesitzer des Wittesehen Hauptwerkes werth voll sind.

Die Festung in der heutigen Krieg- fiihrung. Von Schrocter, Haupt mann und Kompagniechef im Schlesischen Pionier Bataillon Nr. 6. Zweite Ab- theilung: Die O rtsbe fcstigung. Mit 20 Textskizzen und 0 Tafeln in Stein- druck. — Berlin 1898, E. 8. Mittler A Sohn, Königliche Ilofbuchhamllung. Preis Mk. 8,40.

Die erste Abtheilung dieses bedeut- samen Werkes enthielt das Wesen des Festungsbaues und die Landesbefestigung und wandte sieh im Allgemeinen mehr an den Techniker wie an den Soldaten, für weleh Letzteren aber die zweite Ab- theilung ganz besonders wichtig erscheint, da durch sie das Verständnis« für das Festungswesen hei der Eigenart der heutigen Kriegführung in immer weitere Kreise des Heeres getragen wird. Für diese hat es nur ein geringeres Interesse, wie eine Festung aus Erde, »Stein, Beton, Eisen und Stahl zusammengesetzt und anfgebaut wird; wichtig für sie ist nur die vor- handene Festung, die Festung als solche, als Kriegsinstrument wie eine jede Waffe gedacht, also auch die Anordnung der Festung im Sinne der Ortsbefestigung. Diese muss heutzutage jeder Offizier kennen und sich auch eingehend damit be- schäftigen, zumal dem Festungskriege eine ebensolche Wichtigkeit innew ohnt w ie dem Feldkriege, wenn er auch meistens in eine andere Periode eines Feldzuges fällt als die- ser. Die vorliegende zweite Abtheilung nun ist in diesem Sinne verfasst und der Orts- befestigung gewidmet; sie ist in nach folgende Abschnitte gegliedert: Uebersicbt

Cedi uekt in der Königlichen lloflnu-hdruckerei von E.

über die Kampfmittel und sonstigen tech- nischen Hülfsmittel im heutigen Festungs- kriege. — Wie erreicht der heutige Festnngsbau eine genügende passive Wider- standsfähigkeit und geringe Zielfähigkeit?

Uebersicbt über die Eisen panzerung in der heutigen Landbefcstigung. Wie wird inan Festungen in Zukunft angreifen ?

Wie wird man sich in Festungen in Zukunft vertheidigen? Wie vermag der heutige Festungsban das Vertheidi- gungsverfahren zu unterstützen? Einige Betrachtungen über den Friedensaushau und die Armirung grosser Festungen. Welches Bild bietet eine zeit ge müsse grosse Festung? Die Ortsbefestigung an der Küste. Wie vermag der Behelfsbau das Vertheidigungs verfahren zu unterstützen ?

Wie vermögen veraltete Festungen das heutige Vertheidigungsverfahren zu unter- stützen? - Das heutige Festungswesen und die Kriegsgeschichte. Das auto- matische Maschineufort des 20. Jahr hunderte. (Eine Plauderei.) Der Leser möge nicht glauben, dass ihm in dieser Schrift eine langnthmige Abhandlung über Bautechnik oder Kalkmörtel geboten wird; in frischer militärischer Weise versteht es der Verfasser den Leser zu fesseln, dem er als Belohnung für das dargebrachtc Interesse zum »Schluss eine humorvolle Plauderei darbietet, welche auf das Leb- hafteste an Bellamv erinnert.

Das Fahrrad im bürgerlichen und militärischen Leben. Von A. v. Bo- guslawski, Generallieutenant z. D., Berlin. Umfang 48 »Seiten. Preis 1 Mk. Verlag von Schall »V Grund, Hofhuch- händler, Berlin Wß2, Kurfüretenstr. 128.

Der weitbekannte Verfasser hat sich in dieser kleinen »Schrift die Aufgabe ge- stellt, die Einwirkungen des Bewegungs- mittels, welches in kurzer Zeit eine so ungemeine Verbreitung gewann, auf das bürgerliche und militärische lieben zu untersuchen. Er ist dabei mit Unpartei lichkeit verfahren und den Vorzügen und Nacbtheilen des Fahrrades in gleicher Weise gerecht geworden. Die dos Bürger liebe Leben betreffenden Abschnitte wer den den Leser ebenso fesseln, wie die über die Kriegsverwendung des Fahrrades, welch Letzterer man bei uns auch in diesem Jahre wieder dadurch eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat, dass man für die Kaisermanöver das Pionier -De tachemcnt einer Kavallerie-Division in der »Stärke von 2 Offizieren 60 Mann auf Fahrrädern nusriieken lässt.

S. Mittler * Sohn, lierlin SW., Kochatmse 68-71*

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis» untersagt.

Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit des selbstthätigen Maxim-Gewehres.

Mit zwölf Tafeln am ‘Schluss des Heftet.

Vor mehr als zwölf Jahren ist hier eine Erfindung bekannt geworden, welche die Lösnng der Aufgabe, eine äusserst grosse Schusszahl aus einem einzelnen Lauf mit Erfolg schiessen zu können, praktisch möglich gemacht hat. Der ingenieuse Gedanke, den beim Schuss auf die Waffe ausgeübten Rückstoss zu benutzen, um das Oeffnen des Verschlusses oder Schlosses, das Auswerfen der leeren Patronenhülse, das Zuführen und Einladen einer neuen Patrone, das Schüessen und Spannen des Schlosses sowie das Ab- feuern (vom ersten Schüsse ab) sclbstthätig zu bewirken, hat das Maxim- Gewehr und noch andere automatische Waffen entstehen lassen, welche jetzt nicht bloss als Gewehr, sondern auch schon als Kanone, wie anderer- seits als handliche Pistole und Karabiner in verschiedenen Ausführungen vorhanden sind. Naturgemäss kann ein solcher selbstthätig wirkender Mechanismus nicht so einfach wie eine zum einzelnen Schuss oder auch die zum blossen Mehrlader getroffenen Einrichtungen ansfallen, wie dies schon durch eine Bezeichnung als Maschinengeschütze und Maschinen- gewehre Ausdruck gefunden hat. Manche mochten früher diese Frage nach der Leistungsmögliehkeit eines solchen Maschinengewehres kurzer Hand damit abthun, dass es doch wohl nicht gelingen könnte, dasselbe so voll- kommen herzustellen, dass es den unbedingten Anforderungen an Kriegs- brauchbarkeit entsprechen möchte. Diesseits wurde damals schon darauf aufmerksam gemacht, dass eine mit solchem besonderen Geschick gebildete Waffe ein hohes faebwissensehaftliches Interesse böte und sehr wohl noch zu ausreichender Kriegsbrauchbarkeit herausgebildet werden könne. Dies zu erreichen, ist den in sinnreicher Weise fortgesetzten Bemühungen um vollkommenste Ausbildung des Systems sowie um die gleichfalls wichtige, vervollkommnte Fabrikation solcher Waffen soweit gelungen, dass eine Einführung in vielen Staaten stattgefunden hat. Nachdem da» Maxim- Gewehr zuerst in den Marinen und bei den Kolonialtruppen Verwendung fand, sind die Schweiz und Grossbritannien mit Einführung beim Landheere vorangegangen. Wo speziell ein hinreichender Gebrauch in gebirgigen Landestheilen mehr zu Zwecken einer Art von Stellungskrieg in Frage kommt, wird einer solchen Waffe eine Berechtigung am allerersten zu- gestanden werden und selbst die probeweise Einführung behufs wirksamer Unterstützung des Feuergefechtes der Kavallerie bei Besetzung vor- geschobener Punkte noch anders in Betracht kommen, als die im gross- britannischen Heere zur Ausrüstung der Infanterie- und Kavallerie-Brigaden

Kriegs technische Zeitschrift, 1898, S. Heft. 13

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194 Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit de» selbstthätigen Maxim-Gewehre».

allgemeiner getroffene Maassregel. Wenn daher auch nicht daran zu denken ist, dass solche Maschinengewehre die Infanterie zu ersetzen vermögen, so bleibt doch noch genug für eine Betrachtung, in welchen Fällen und in- wieweit eine Verwendung dieser Waffen mit gehörigem Nutzen er- folgen kann. Indem wir voranschicken, dass ein Maxim-Gewehr im Stande ist, tiOO Gewehrgeschosse in einer Minute zu verschiessen und seine Treff- fiihigkeit vorläufig zum Mindesten nicht für geringer gehalten werden möge, als bei gleichem Munitionsverbrauch einer entsprechend grossen Anzahl von Gewehren bei sonst gleichgearteten Verhältnissen nach Ziel und Feuerart zukommt, sowie dass man beim praktischen Schiessen mit der Waffe selbst sehr bald die eindrucksvolle Ueberzeugung von einem eigenartigen hohen Grad an Leistungsfähigkeit gewinnt, wenden wir uns zu einer kurzen Beschreibung der Waffe. (Siehe Abbild. 1 u. 2.)

Das Maxim-Gewehr bildet mit drei seiner Theile, dem Lauf, dessen rückwärtiger Verlängerung oder Schaft und dem Schloss, schon ein Gewehr. Dies ist beweglich gelagert in einem (hinten kastenartigen) Gehäuse, dessen vorderer Theil einen erweiterten Laufmantel bildet, um durch Wasser- fiillung den nur bei lang andauerndem Schiessen allzu heiss werdenden Lauf zu kühlen. Der Rückstoss wirft das Gewehr in seinem Gehäuse nach hinten, und eine hierbei sich spannende Spiralfeder (an der linken äusseren Seite) bringt die Theile durch ihre Rückwirkung wieder in die Feuerstellung vor. Während der Rückwärtsbewegung der Theile trennt sich das Schloss von dem zuerst gehemmten Lauf, zieht die leere Hülse aus und spannt die Schlagfeder. Bei der Vorwärtsbewegung wird die leere Hülse ausgeworfen und eine neue Patrone in den Lauf eingeführt. Die Patronen sitzen zu einigen hundert Stück (meist 250), (siehe Abbild. 7), in den Schlaufen eines Gurtes, welcher nach seiner Einführung in den Mechanismus durch diesen mit jedem Schuss um eine Patrone weiter- geschoben wird. Drückt man nun auf einen Knopf (an der Bodenfläche oben zwischen den beiden Handgriffen), so schiesst das Gewehr in so schneller Folge, doppelt so schnell, als man zu zählen vermag, von selbst weiter, bis man zu drücken aufhört. Gleich zum Schlüsse des Wieder- vorgelangens des Schlosses stösst der Abzug nämlich gegen den Vorsprung einer mit dem Druckknopf verbundenen Hebelstange (siehe Abbild. 2). Man kann auch einzelne Schüsse abfeuern (in der Sekunde etwa je einen), kurze oder lange Serien ohne jede Ermüdung schiessen und das Fener nach Belieben ganz in der Hand behalten. Im Bedarfsfälle lässt sich das Schloss einfach und schnell herausnehmen und durch ein Reserveschloss ersetzen.

Das selbstthätige Gewehr wird auf ziemlich verschiedene Weise je nach dem besonderen Bestimmungszweck laffetirt. Von dem Gebrauch zu Marinezwecken wird hier abgesehen, und sind in den beigegebenen Ab- bildungen 3 bis 14 mehrere Arten der Laffetirung dargestellt. Haupt- sächlich kommen folgende Arten in Betracht:

1. Zum Gebrauch als Fahrzeug, sei es ähnlich einem vierräderigen leichten Geschütz oder mehr als einachsiges leichteres Fahrzeug, z. B. nach Art eines die Patronenkasten mitführenden Karrens, als Infanterie- und Kavalloriekarren oder Galoppirlaffetc (Abbild. 3 u. 4), wie auch als Drei- gestell mit anhebbaren und abnehmbaren Rädern (Abbild. 5 u. 6).

2. Ais einfacheres Sc.hiessgestell, welches tragbar oder als Gepäck transportabel eingerichtet ist. Das in Form eines Dreifusses gebildete Gestell (Abbild. 7) kann beispielsweise beim Stellungswechsel auch wie eine Trage von zwei Mann (Abbild. 8) weitergetragen werden. Ein solches

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Leistniif'srnhigkeit und Verwendbarkeit de» selbst t hat igen Maxim (Gewehre». 105

Gestell kann auch als Gepäck eine» mit der Kavallerie vorrückenden Reitertrnpps auf Handpferden Fortschaffnng finden (Abbild. 9 u. 10) oder ganz wie ein leichtes Gebirgsgeschütz auf Tragthieren verpackt werden. Nach Art eines im Gebirge zum Tragen von Kückenlasten gebräuchlichen TragrefTs ist die Schweizer Refflaffete konstruirt worden (Abbild. 11 u. 12), um den höher gestellten Anforderungen an gute Tragbarkeit auf ganzen Tagesmärschen im Hochgebirge und einer schnellen stabilen Aufstellung gut zu entsprechen.

3. Eine hochzukurbelnde Brustwehr-Laffete (Abbild, 13) wurde speziell für Erd-Brustwohren geschaffen, um ein Hinaufkurbeln in dio erhöhte Feuerstellung und ein Hinabdrehen in die gedeckte Stellung hinter die Brustwehr bewirken zu können. In ganz herabgekurbelter Stellung (Abbild. 14) gestattet die Waffe auf den niedrigen Kadern einen raschen Stellungswechsel.

Bei dem grossen Einfluss, welchen die Laffetirnng auf die Verwend- barkeit ausübt, kann für einen zweckmässigen, nicht bloss an Festungs- werke oder ordentliche Erd-Brustwehren gebundenen Gebrauch als un- erlässliche Bedingung die hingestellt werden, dass das Maschinengewehr bei gleichwerthigem Gegner im feindlichen Infanterie- und Geschtitzfeuer auch ohne besondere Deckung auftreten kann; auch soll es sich dabei nicht von vornherein durch einen Mangel an hinreichend schneller Feuer- bereitschaft oder durch das Darbieten eines zu leicht auffindbaren und mit überlegener Wirkung (von der Artillerie) zu beschiessendcn Zieles allzu sehr in nachthoiliger Lage befinden. Die unzureichende Rolle, welche bekanntlich die Mitrailleusen alsbald bei ihrer kriegerischen Verwendung 1870 spielten, ergab sich daraus, dass sie ein der Artillerie an Grösse gleichartiges Ziel noch dazu mit unzureichender Gegenwirkung boten und von dieser leicht niedergekämpft und oft zu einer willkommenen Beute gemacht wurden. Anders steht es damit, wenn eine andere derartige, jedoch wirksame Waffe sich aus grösserer Ferne von der Erscheinung einzelner Schützen als Ziel allzu schwer unterscheiden lässt, wie Beobachtungs versuche im Gelände auf 2000 bis 1500 m darzuthun vermögen.

Für alle Fälle, in welchen also den modernen Feuerwaffen gegenüber ein bewegliches Auftreten ohne günstige Deckung noch während wirksamen Gefechtes stattfinden soll, kann es nicht angängig erscheinen, erheblich besser wie einzelne Schützen als Ziel sichtbar werdende Schiessgestello für Maschinengewehre zu gebrauchen. Auch für den Festungskrieg würde ein mobiles Auftreten von Maschinengewehren oft genug grade erwünscht sein, ohne dass für andere Deckung als durch geschickte Geländebenutzung bei geringer Zielgrösse Zeit und Gelegenheit bleibt. Ein fest auf einer Protze oder einem Hinterwagen montirtes Maschinengewehr mag daher wohl minderwertliiger Feuerwirkung gegenüber (für gewisse Kolonial- kriege u. s. w.) oder speziell für vornehmliehes Reitergefecht anwendbar erscheinen, sonst aber kann diese Laffetirnng seine Wirksamkeit mehr als zulässig ungünstig beeinflussen. Das beste Schiessgestell für beweglichen Gebrauch dürfte bisher noch die Schweizer Kefflaffete sein. Da mit dieser das Maschinengewehr immerhin eine Last von 52 kg bildet, also das Doppelte von einem gepackten Tornister, so vermögen zwar geübte, kräftige Berg- bewohner mit solchen Tragelasten selbst im Gebirge mit der marschirenden Infanterie gleichen Schritt zu halten, als alleiniges Transportmittel für den Krieg aber mag eine solche Einrichtung darum noch uicht überall zu empfehlen sein. Da auf wegsamen Kriegsschauplätzen der Haupttheil der Munition gewiss auf besonderen Fahrzeugen transportirt werden wird,

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196 Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit des selbst thiitigen Maxim Gewehres.

so erscheint es dann am zweckmässigsten, das tragbare Schiessgestell schnellstens abnehmbar aut den Munitions-Fahrzeugen*) zu verladen, und möchte es sich wohl ermöglichen lassen, diese Verladungen dabei noch so zu bewirken, dass das Maschinengewehr zu gelegentlicher Ver- wendung, ohne es abladen zu müssen, schnell feuerbereit bleiben kann.

Die Schiessleistung des Maxim -Gewehres giebt in Bezug auf Anfangsgeschwindigkeit und Rasanz der Geschossbahn zu nennenswerthen Unterschieden mit anderen Gewehren gleichen Kalibers keinen Anlass. Bei dem so schnellen Schiessen wie 600 Schuss in dor Minute oder zehn Schuss in der Sekunde, während man zum Abzählen einzelner Sekunden bis je fünf oder auch bis sechs schon ziemlich schnell zu zählen nöthig hat, ist die Frage berechtigt, ob die sich schnell wiederholenden Lauf- Schwingungen nicht die Abgangsrichtung der Geschosse soweit beeinflussen, dass eine erhebliche Verringerung der Trefffähigkeit eintritt. Wie die erschossenen Treffbilder zeigen, ist ein Unterschied bei dem schnellen selbstthätigen Abfeuern und einem schussweisen Einzelfeuer wohl vor- handen, aber ohne erheblichen Einfluss zu gewinnen. Auf den kleinen Entfernungen sind diese Unterschiede zu geringe, um ins Gewicht zu fallen, und auf den grösseren Entfernungen zeigen sich diese geringen Unterschiede nach thatsächlichen Ergebnissen von anderen günstiger aus- fallenden Streuungsursachen soweit übertroffen, dass die Trefffähigkeits- verhältnisse des Oefteren bessere als die einer Masse von Gewehren zu sein pflegen. Besonders wird dies in den erforderlichen Zielgrössen für 50, wie auch in den für einige 80 pCt. Treffer zum Ausdruck kommen. Ein auf 50 m mit 40 Schuss in etwa vier Sekunden erschossenes Treffbild wird hier beigefügt (siehe Abbild. 15). Alle 40 Schüsse sitzen in einem Rechteck von 12 cm Breite und Höhe, 37 Treffer in einem solchen von 10 cm, 30 in einem von 8 cm Breite und Höhe.

Nach »Rohne, das gefechtsmässige Schiessen der Infanterie und Feld- artillerie, 1896t beträgt die Höhenstreuung für 50 pCt. Treffer auf 500 m für das deutsche Infanteriegewehr 0,84 m, während sich beim 8 mm-Maxim- Gewehr eine solche von 0,43 m ergeben hat. Auch nach in der Schweiz stattgehabten Versuchen tritt eine Ueberlegenheit zu Gunsten des Maschinen- gewehrs hervor und eine stärkere, wenn es sich um ein schnelles Feuer der Schützen handelt.

Wenn es sich beim Schlossen auf grösseren Entfernungen um ein systematischeres Treffen als blosses Unterfeuernehmen einer Geländestrecke mit sehr viel Munition handelt, möchte man überhaupt einen zuverlässigeren Maassstab in Bezug auf den Einfluss der Dichtigkeit der Schussgarben gewinnen. Es besteht offenbar auch ein grosser Unterschied für die erforderliche Schusszahl, um bei einer Streuungsfläche von 1 qm oder einer solchen von 12 qm gleichviel Figuren zu treffen, indem hierbei eine ver- schieden grosse Anzahl derselben in den Treffbereich gelangen können. Es ist also die Frage nach dem gesetzmässigen Verhältniss, in welchem dor Munitionsaufwand für gleiche Trefferdichtigkeit und der auf gleich- kommende Treffwirkung innerhalb passender Frontbreite des Zieles steht, zur Gewinnung einer zuverlässigen Beurtheilung hierfür gewiss allgemein eine sehr wichtige.

Man kann dazu auf folgende Weise gelangen: Aus den Treffbildern ergeben sich die Zielgrössen für 50 pCt. Treffer nach der Höhe, wie die

* Diese besonderen Munitionsffilirzonge sind in einer ähnlichen Holle wie die erste WugenstalTel einer Batterie zu denken.

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I,eistnngsfühigkeit und Verwendbarkeit de« selbstthiltlgen Maxim-Gewehres. ] 97

nach der Breite, welche mit hso und l>si> bezeichnet werden. Die in doppelter Höhe und Breite gebildete Streunngsellipse umfasst mit 67 pCt. Treffer oder Zweidrittel der Schnsszahl denjenigen Theil der Schnssgarbe, über welchen hinaus die Schüsse schon sehr merklich dünner gestreut sind*) und für ein intensiveres, regelrechteres Treffen weit weniger in Betracht kommen. Der Flächeninhalt dieser Ellipse ist hsn bs« n und bildet das Grössenverhältniss dieser Flächeninhalte zu einander, beispiels- weise für 500, 1000 und 1500 m Schussweite einen ganz sicheren Maass- stab dafür, wieviel Mal mehr Schüsse zunächst von einer dabei nur allein in Betracht kommenden Waffe durchschnittlich zu verschiessen sind, um die Flächen der das Ziel bildenden Figuren mit gleich dicht gewordener Garbe zu treffen, somit also für den »Munitionsaufwand für gleiche Trefferdichtigkeit*. Dasselbe Verhältniss ergiebt sich auch nach dem die Ellipse umschreibenden Rechteck (2hjo 2bso) oder einfacher nach dem 25 pCt. entsprechenden Rechteck aus h$o bso, sowie für andere als Grund- lage genommene rechteckige oder elliptische Streuungsflächen, indem auch die für 75 oder 80 oder 90 u. s. w. pCt. Treffer alle ein gleichartiges Verhältniss wie die Streuungsflächen für 25 pCt. Treffer zu einander bilden. Nur die aus den Treffbildem direkt entnommenen ganzen Höhen- und Breitenstreuungen böten einen dafür nicht so geeigneten Maassstab, da sie mit der Schusszahl eine zu stark wechselnde Grösse zeigen. Geht man auf obiges Beispiel mit 1 und 12 qm Strenungsfläche zurück, so muss man bei der grösseren zwar erstmals das Zwölffacho an Munition verschiessen, ehe man eine gleichartige Trefffähigkeit hervorbringt, in dieser dann ebenso dicht unter Feuer genommenen Fläche befinden sich aber in der Regel, der in die Strenungsfläche fallenden Frontbreite nach mehr an zu treffenden Figuren. Wären dabei z. B. dreimal bo viel Figuren vorhanden, so würde die in zwölffacher Menge verschossene Munition statt einer Figur deren drei treffen und auf die erzielte Treff wi rkung das Vierfache an Munition entfallen. Nach den aus Treffbildem mit einem Maxim-Gewehr erhaltenen Streuungen verhält sich der »Munitionsaufwand zur Erreichung gleicher Trefferdichtigkeit« für 500m zu dem für 1000, 1500 und 2000 m Schussweite wie 1 : 4 : 25 : 100, mit Rücksicht auf die dabei zugleich treffbare Frontbreite des Zieles verhält sich jedoch die auf gleiche Treffwirkung entfallende Munition wie 1 : 3'/j : 9 : 16 oder nahezu wie das Quadrat an Schussweite.

Wird bei zutreffendem Visir durch eine entsprechende Anzahl von Gewehren oder durch das Zusammenwirken mehrerer Maschinengewehre die Froflt eines Zieles mit genügender Dichtigkeit unter Feuer genommen, so kann auch dadurch bereits eine nahezu wie das Quadrat an Schuss- weite erforderliche Munitionsmenge für Erzielung gleicher Treffwirknng hinreichend gemacht werden. In etwas vereinfachter Gestalt könnte dies eine kleine Tabelle angeben:

Schussweite: ni

650 bis 600

800

1000

1200

1360

1500

Verhältniss der Munition für gleiche Tretfwirkung . .

1

2

3

4

6

6

Ungefähre Schusszahlen hei Maschinengewehren . . .

10

1

20

30

40

50

60

#) Von <len ausserhalb fallenden Schüssen gehen etwn je */l * »ach oben bezw. unten, rechts und links ziemlich weit weg, das nach der Seite vorbeigehende •/* kann eher noch zu einer Steigerung der Wirkung bis zn */« der Schnsszahl in Betracht kommen.

198 Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit des selhstthätigen Maxim Gewehres.

Dom Verhältnis« der Munition für gleiche Treffwirkung kommt die anzuwendondo Zeitdauer für die Schussserien mit mehreren Maxim- Gewehren gleich.

Aus allen bekannt gewordenen Ergebnissen kann jetzt schon als oinigermaassen feststehend angesehen werden, dass gute Maschinengewehre auch Einiges mehr als eine gewisse Anzahl einzelner Gewehre bei gleichem Munitionsverbrauch zu leisten vermögen. Ein beraerkenswerther Unter- schied zwischen den Treffern des auf einem festen Schiessgestell ge- hrauchten Maschinengewehres und der durch das Feuer einer Anzahl einzelner Gewehre hervorgemfeuen Leistung besteht jedoch noch in dem aus der konzentrirteren Wirkung des Maschinengewehres auf den grösseren Entfernungen, über 500 m, zn ziehenden Nutzen, wobei namentlich solche von H00 m aufwärts um so mehr in Betracht kommen, als auf diesen bei den Gewehren meist schon zwei verschiedene Visirstellungen zur Anwen- dung gelangen. Aus den Kriegserfahrungen weis« man, dass schwache Verluste bei disziplinirten Truppen auf den Gang des Gefechtes einen allzu geringen EinHuss ausüben, der auf sehr grossen Entfernungen leicht dem Patronenverbrauch nicht entfernt entspricht. Das gute Maschinengewehr erlaubt jedoch unbehindert von anderen Manipulationen seine ganze Auf- merksamkeit dem Ziel zuzuwenden, gewährt auch eine bessere Beobachtung der konzentrirten Wirkung und somit bei der leichten Dirigirbarkeit seines Feuers ein besseres Einschiessen, indem man durch eine nicht unnöthig grosse Reihe von Schüssen (z. B. 10 oder 20 oder 40) in der äusserst kurzen Zeit von wenigen Sekunden durch das zu beobachtende Eintreffen oder Nichteintreffen von Wirkung auf das Ziel feststellen kann, ob das zunächst versuchte Visir passend war, und nöthigenfalls ebenso schnell bei einem folgenden Visir Uber die Wirkung ins Klare zu kommen vermag: auf diese Weise kann es gelingen, dann erst zu einem ausgiebigen Munitions- verbrauch Uberzugehen, sobald sieh eine genügende Wirksamkeit zu zeigen beginnt.

Bei gefechtsmässigem Schiessen erreichte man auf 800 bis 900 in auf 20 Figurscheiben in Linie, oder zehn als Schützenlinie aufgestellte Scheiben, mit 200 bis 300 Schuss alle Figuren zu treffen und dabei nicht weniger als 13 pCt. Treffer von der verschossenen Schusszahl zu bekommen. Gegen zwei Gebirgsgesehiitzc mit zehn die Bedienung darstellende Scheiben wurden auf Entfernungen von 1100 bis 1400 m mit 120 bis 400 Schuss durch- schnittlich neun der Bedienung ausser Gefecht gesetzt und dabei in zwei Fällen sechs, Bonst aber zwölf und mehr Prozent Treffer erreicht. Nach >• Rohne, das gefechtsinässige Schiessen der Infanterie und Feldartillerie« würden im gewöhnlichen Gewehrfeuer gegen Artillerie auf 1100 bis 1400 m nur 5 bis 2,2 pCt. Treffer zu erwarten sein, auch hatten die (auf S. 50 und 51 angeführten) auf 1000 und 1100m stattgehabten Schiessen von 100 Schützen gegen Artillerie mit 50 Bedienungsscheiben bei 833 bis 1088 verbrauchten Patronen erst 0,6 bis 1,6 pCt. Treffer und nur 5 bis 1 1 Figuren von den 50 der ganzen Batterie ergeben. Es tritt danach also doch ein so erheblicher Unterschied in der Leistung bezüglich der zu einer hinreichenden Wirkung erforderlichen Patronenanzahl auf, dass vorläufig das Maxim-Gewehr auf mittleren und grossen Entfernungen in kurzer Zeit selbst das Doppelte und sogar das Dreifache an Leistung zeigt als eine die gleiche Anzahl von Patronen verschiessende Schützenlinie. Je nach der Fertigkeit im Schnellschiessen mögen mehr als 30, auf grösseren Entfernungen auch über 50 Schützen schon dazu gehören können, um gleichviel Patronen als ein Maxim-Gewehr sachgemiiss zu verschiessen,

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I)ns moderne Fahrnul unter Berücksichtiininß »einer militärischen Verwendung. Iflfl

selbst wenn das Maschinengewehr feldmiissig auftretende Ziele mit den bedingten seitlichen Zieländerungen beschiesRt.

Unter der Voraussetzung, dass eine nur durch umfangreicheren Ge- brauch festzustellende praktische Prüfung ebenso gut als anderweitig die völlig ausreichende Kriegsbranchbarkeit der Waffe ergiebt und die gün- stigen Ergebnisse durch leichtere Kchiessgestello oder andere Verhältnisse nicht etwa abgeschwächt werden, ohne dass dem abzuhelfen wäre, bliebe die resnltirende Verwendbarkeit festzustellen. Darauf wird man allerdings von vornherein nicht rechnen können, mit einer nicht ganz handgerecht mitzuführenden Waffe einen Stellungswechsel noch innerhalb desjenigen Bereiches vorzunehmen, in welchem schon von jedem einzelnen Gewehr- schuss ein Treffer erwartet wird oder bereits mit wenigen Schüssen zu erzielen ist. Auf dem Gebiete des Stellung»- und Festungskrieges braucht ein Stellungswechsel im Gefecht auf kleine Entfernungen weniger noth- wendig zu werden und bringt die Ausnutzung grösserer Feuerkraft bei schmalem Aufstellungsraum und beim Bestreichen von Engpässen oder mit immer neuen Trupps zu passirender Geländestellen weitere Vortheile. Zur Bestreichung mittelgrosser Intervalle von provisorischen Stützpunkten oder Zwischenwerken (bis 800 m) werden Maschinengewehre ganz besonders geeignet sein. Der hohe Werth, der dem wirksamen Fernfeuer der Infanterie immer mehr beizumessen ist, würde eine sonst etwa nicht in gleichem Maasse zu erlangende Steigerung der Wirkung für die grösseren Schuss- weiten, besonders von 700 m ab, durch Anwendung von Maschinen- gewehren gewiss erwünscht erscheinen lassen. Unter stärkerer Heranziehung ballistischer Fortschritte, wie beispielsweise Verwerthnng der Geschoss- photographie und entsprechend angelegte Versuchsreihen erscheint es auch möglich, das bisher speziell technisch geförderte Maschinengewehr zu einer Waffe von noch grösserer Leistungsfähigkeit und gesteigerter Verwend- barkeit auszubilden. v. Scheve, Oberst z. D.

Das moderne Fahrrad

unter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung.

Von Freiherr v. Putt kam er I.

Mit zehn Abbildungen.

Etwa im Jahre 1885 kam aus England die Invincible-Maschine, ein Hochrad, dessen saubere Arbeit, Kuhhorn-Lenkstange, Tangentspeichen u. s. w. allgemein bewundert wurden und dessen besonderes Charakteristikum eine breite Felge mit dickem Gummireifen war. Ich erinnere mich ganz genau, dass damals von den noch spärlich gesäeten Radsportjüngern Hannovers behauptet wurde, das sei nunmehr das Non plus ultra der Radindustrie. Es dauerte gar nicht so lange, und man hatte nach glücklicher Ueber- windnng der Kangoroo-, Facile- u. s. w. Periode die Form des heutigen Niederrades, jedoch noch mit festem Reifen, als besser erkannt. Jetzt schien die Spitze erklommen zu sein, als ich durch den bekannten Rad- fabrikanten Rissmann-Hannover die Nachricht erhielt, die Engländer würden im nächsten Jahre mit einer Erfindung anftreten, die die damals auf- keimende deutsche Konkurrenz völlig lahmlegen würde. Dies geschah nun freilich nicht, sie blühte vielmehr trotz der wundersamsten Hindernisse, die Kurzsichtigkeit und Vorurtheile mancher klugen Leute und grünen

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200 Das moderne Fahrrad nnter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung.

Tische in den Weg gelegt haben und noch heute logen, aber der in Eng- land erfundene Pneumatik oder Luftreif begann seinen Siegeszug, wenn auch kurze Zeit, am ausdauerndsten merkwürdigerweise als Bereifung des Militär-Fahrrades, der Kissenreifen rivalisirte. So sind wir denn eine Reihe von Jahren auf demselben Standpunkt stehen geblieben, Pressluft- reifen, Diamantrahmen, Kettenantrieb sind seit geraumer Zeit die Stich- worte gewesen. Erst die neueste Zeit hat sich mit Gewalt dahinter gesetzt, um wieder Neuerungen zu bringen, die auch von dem Militär-Radfahrer nicht unbeachtet bleiben dürfen.

Die leidige Reifenfrage, die der anscheinend leicht verletzbare Pneu- matik lange Zeit verursachte, ist nunmehr endgültig zu seinen Gunsten entschieden. Denn die Militärbehörden haben sich entschlossen, die neuen Räder sämmtlich mit Pneumatiks zu versehen. Für Ordonnanzen, die kürzere Strecken zurücklegen sollen, wie zwischen den einzelnen Kan- tonnements eines Bataillons im Manöver, nach den Scheibenständon, Schiess- plätzen u. A. würde vielleicht der in letzter Zeit stark in Aufnahme gekommene Temmelsche Kompensationsreifen seiner hervorragenden, fast unverwüstlichen Haltbarkeit wegen zu empfehlen sein, zumal seine auch bei jahrelangem Gebrauch andauernde Elastizität der des Luftreifens von den mir bekannten Nichtpneumatiks am meisten ähnelt. Zu sämmtlichen grösseren Fahrten aber, die Schnelligkeit von der Maschine und Ausdauer vom Fahrer verlangen, ist der Pneumatik jeder anderen Bereifung vor- zuziehen. Was ist der Grund hierfür?

Die Träger der Elastizität und damit der Schnelligkeit des Fahrrades sind neben dem geringen Einfluss der Sattelfeder die Räder mit ihrer Bereifung. Die Aufgabe, die Vibration nach Möglichkeit aufzuheben, entspringt dem Bestreben, das Fahren so bequem als möglich zu machen; der erzielte Erfolg ist der, dass es weniger anstrengend, also leichter wird und so eine grössere Ausdauer ermöglicht. Bei gleicher Reibung in den Lagern wird also die Maschine besser laufen, bei welcher die Vibration am meisten gemildert ist. Der Zweck, dem das Rad dienen soll, das Gewicht, welches es zu tragen haben wird, bestimmen den Grad der zu fordernden Elastizität. Ein Rad, welches nur auf der Rennbahn gebraucht werden soll, bedarf kaum einer Sattelfodor; ein fingerdicker Pneumatik ein Einschneiden in den Boden ist auf der Bahn ausgeschlossen genügt für das nicht allzu grosse Gewicht des Rennfahrers. Ein Strapazir- rad ein solches muss unser Militärrad sein bedarf hingegen aller Mittel, um die Vibration auch unter den schwierigsten Verhältnissen in solchem Grade zu überwinden, dass eine Beschädigung des Rades durch Fahren auf schlechten Strassen, ja auch durch Ueberwindung massiger Hindernisse, wie z. B. Schienenstränge, nicht eintreten darf. Zwar hat die schmale Lauffläche des Rennrades weniger Berührung mit der Erd- oberfläche und deshalb anscheinend hier geringere Reibung, und eine breitere Lauffläche hat mehr Reibung, aber bei gleicher Belastung ver- theilt sich der gleiche Druck bei der breiten Lauffläche, konzentrirt sich dagegen bei der schmalen, wo er um so intensiver wirkt. Bei hartem, ebenem Boden, z. B. Asphaltstrasse, hat die schmale Lauffläche den Vorzug; je weicher aber der Boden wird, um so mehr schneidet der schmale Reifen ein, bis er völlig stecken bleibt; bei hartem, unebenem Boden lässt der dünne Pneumatik die Stösse der Unebenheiten entweder bis auf die Felge durch oder fährt, bis zum AeusserHten aufgeblasen, so hart, dass man den Unterschied von einem Vollreifen nicht mehr spürt. Ein breiter Reifen aber zwingt sich selbst durch sandiges Terrain hindurch. Es ist

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Das moderne Fahrrad unter Berücksichtigung Reiner militärischen Verwendung. 20 i

klar, dass der Pneumatik, welcher mehr Luft zu fassen vermag, elastischer ist als ein solcher mit weniger Fassungsvermögen. Der breite Reifen hat also auch bei Ueberwindung der Bodenunebenheiten den Vorzug. Aber auch die Breite muss ihre Grenzen haben, da sonst die Schwere der Bereifung und der Felge zu gross wird.

Ich möchte hier eines Irrthums Erwähnung thun, der nicht nur bei Laien des Radfahrsports besteht, dass nämlich der Reifen in seinem Material die Elastizität bewirkt. Dies könnte allenfalls bei einwandigen Reifen, wie dem alten Boythroad, dem späteren Palmer und deren Nachkommen, zutreffen, sofern sie keine Stoffeinlage haben. Sie finden fast nur auf der Rennbahn Verwendung und haben für uns kein weiteres Interesse. Bei den anderen Arten, den Schlauchreifen, aber begrenzt Laufdeeko und Felge die Ausdehnung des aufgepumpten Sehlauchs vollständig und ist auch an sich fast unelastisch. So ist ja auch, obschon noch wenig verbreitet, mit absolut unelastischem Material, wie Leder, Papior, erfolg- reicher Ersatz für die Guttaperchadecko geschaffen worden. Das Elastische bei dem Pneumatik ist und bleibt lediglich die eingepresste Luft. Das Streben der Konstrukteure von Luftreifen müsste also dahin gehen, bei möglichster Leichtigkeit im Material, begrenzter Breite viel Rauminhalt zu schaffen. Diese Eigenschaften haben meiner Ansicht nach am meisten die Reifen mit Drahteinlage, und die etwas komplizirtere Montirung derselben hält auch nicht davon ab, diesen den Vorzug auch für militärische Zwecke zu geben.

Bezüglich des Aufpumpens des Radreifens folgt man im Allgemeinen der Theorie, dass man, um einen möglichst leichten Lauf zu bewirken, diesen gar nicht stark genug aufpumpen könne. Für einen Radler, dem die Wahl des Weges nicht freisteht, den Militär-Radfahrer, ist es zweck- mässiger, die Reifen nicht allzu scharf aufzupumpen. Je weicher der Reifen ist, um so mehr schmiegt sich die Lauffläche den Unebenheiten des Bodens an und macht dem Fahrer die durch jene entstehende Vibration weniger empfindlich. Auch scheint mir ein nicht allzu scharf aufgeblasener Reifen weniger unter Beschädigungen zu leiden, da der Druck auf die Spitze einer Schuhzwecke, eine Glasscherbe und andere Feinde des Pneumatiks weniger energisch, nachgebend und gewissermaassen vertheilcnd erfolgt. Jedoch darf er nicht zu weich sein, einerseits um beim Passiren von stärkeren Hindernissen, Steinen, Schienensträngen, Rinnsteinen u. s. w. nicht ein Durchstossen bis auf die Felge zuzulassen, andererseits um sich am Berührungspunkt mit dem Boden nicht allzu breit zu drücken und dadurch, dass auch die Rundung des Rades beeinträchtigt wird, hindernd auf den Lauf einzuwirken. Bei einem Radler mittleren Gewichts (140 bis 160 Pfund) dürfte ein Druck von 1 3/-t Atmosphären beim Vorderrad, zwei Atmosphären beim Hinterrad das Richtige sein. Ein Manometer ist im Ganzen unnöthig; Unterweisung erfahrener Kameraden und nach einiger Zeit erworbene eigene Erfahrung lehren den jüngeren Fahrer sehr bald das richtige Maass treffen.

Unzertrennbar von einer Besprechung der Reifenfrage ist die der Felge, die in ihrem Profil selbstverständlich von dem Reifen abhängig ist. Für Wulstreifen, bei denen durch den Druck der eingepumpten Luft zwei Wulste in entsprechende Nuten eingedrückt und dadurch, so lange der Druck anhält, festgehalten werden, eignen sich nur Metallfelgen, während für solche Reifen, die durch Drahtreifen auf der Felge gehalten werden oder festgekittet sind, auch Holzfelgen verwendet werden können. Stahl- felgen haben den grossen Vortheil, dass sie mit Leichtigkeit jedem

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202 r>ns moderne Fnhrrad unter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung.

erforderlichen Profil des Reifens anzupasscn sind. Pie Struktur des Stoffes begrenzt dies für Holzfelgen; aus diesem Grunde sind sie fiir die in Deutschland sehr bevorzugten Wulstreifen nur mit Gefahr zu brauchen. Dagegen sind sie, doch ist dies persönliche Ansicht, bei Reifen wie Dunlop, Preston, Palmer n. s. w. den Stahlfelgen vorzuziehen. Stahl ist das herkömmliche Material der Kahrradfelge noch seit der Erfindung des Hochrades. Erst in den letzten Jahren ist ihm dieser Konkurrent amerika- nischen Ursprungs entstanden. Dio Leichtigkeit, das Material in die gewünschte Form zu bringen, die Elastizität und Festigkeit, die Wider- standsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse, dio durch die Emaillirung erreicht wird, sind unbestrittene Eigenschaften der Stahlfelge. Nur ein

grosser Uebelstand, der auch durch die Konstruktion einer Poppelfelge (Abbild. 1) nicht ganz beseitigt werden konnte, hat dem Konkurrenten Eintritt verschafft: das ist die Gefahr der sogenannten »Hutkrempe«, auch »Achter« genannt. Purch Abbild. 1. die festeste Bauart ist dieser

Fehler nicht zu überwinden. Ein Mann der von mir ausgebildeten Leute mit einem Gewicht von 128 Hund fuhr im »12 Kilometer-Tempo« in einen kleinen Strassengraben; die Maschine war 44 Pfund schwer, ein sogenanntes Kriegsrad, also stärkster Konstruktion; die Fabrik, die es geliefert hatte, geniesst Weltruf, und doch war der schönste Achter die Folge der unbeabsichtigten Evolution. Solchen Ereignissen ist aber auch der geschicktere Radler ausgesetzt, und nur die Holzfelge*) besten Fabrikats gewährt vor der Hutkrempe Sicherheit, ohne die gerühmten Eigenschaften der Stnhlfelgc, soweit an das Profil nicht übermässige Anforderungen gestellt werden, zu entbehren.

Man geht im Allgemeinen von dem Grundsatz aus; je mehr dem Rade zugetraut werden soll, um so schwerer muss es gebaut sein. Das ist an sich nicht falsch, und das obige Beispiel führt keinen vollen Gegenbeweis. Im Entwurf unserer Fahrrad Vorschrift 1896 ist das Passiren von Schienensträngen u. s. w. auf dem schon mehrfach erwähnten »Kriegs- rade«, welches damals bekanntlich noch Kissenreifen führte, ausdrücklich verboten, und auch bei den jetzt eingeführten ist das Verbot noch nicht aufgehoben. Wir befinden uns mit unseren Dienstvorschriften direkt im Gegensatz zu der Ausbildung der österreichischen Radfahrer, bei denen die Ueberwindung grösserer Hindernisse, seihst das Herunter- und auch Herauffahren von Treppen geübt wird. Das Militär-Fahrrad muss im Stande sein, bei korrektem Fahren Hindernisse bis zu einem gewissen Grade zu überwinden, ohne Schaden dabei zu nehmen. Das ist bei einer mit Pneumatik versehenen, solide gebauten Maschine sehr wohl möglich, ohne dass sie ein Riesengewicht zu haben braucht. Mein Körpergewicht mit Kleidung beträgt etwa 160 Pfund, das meines Stöwer-Rades 25 Pfund, und mit dieser im Verhältniss zu meinem Gewicht doch sehr leichten Maschine bin ich ohne Unfall dio drei steilen Granitstufen des hiesigen Bahnhofsgebäudes heruntergefahren. Die Maschine ist, abgesehen von seinem lA/t Dunlop-Reifen, als Strassenrenner gebaut. Es ist klar, dass

*) Der Preis einer Holzfelge stellt sieh nach einem Faehlilatt auf 1.06 bis 1,46 Mk. und zwar sind die amerikanischen noch die bevorzugten; doch sind die deutschen Fabrikate l>ereit.s konkurrenzfähig.

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Das moderne Fahrrad unter Berücksichtigung Heiner militärischen Verwendung. 203

im Gelände solche Hindernisse nie fahrend genommen zu werden brauchen, und wenn es nicht, wie im vorstehenden Kalle, eine Probe der Festigkeit gilt, auch von einem Fahrer, dem seine Maschine lieb ist, nicht ge- nommen werden. Für Ungeschicklichkeit und Unaufmerksamkeit müssen noch Fahrräder erfunden werden. Im Uebrigeu aber ist es kaum glaub- lich, was die leichtesten Maschinen soliden Fabrikats dauernd auszuhalten im Stande sind, wenn sie gut gepflegt, d. h. geputzt und geölt werden. Es ist hier wie bei den Pferden: guter Putz ist halbe Fütterung bezw. doppelte Leistungsfähigkeit.

Schon der Civil- radler zieht die leichtere Maschine der schwereren vor, sofern annähernd die Haltbarkeit dieselbe ist, selbst wenn die Preisdifferenz erheb- lich ist! Für unsere Militärradlcr hat aber das leichte Fahrrad noch eine ganz besondere Be- deutung. Nicht immer eignet sich das Gelände, selbst bei geschicktester Verwendung einer Radfahrertruppe, zum Fahren, und wohl oder übel muss sich der Radler z u in Schieben oder, wie es in der Radler- sprache heisst, zum »Drücken« ent- schliessen. Man ver- suche einmal ein leichtes und dann ein schweres Rad durch aufgeweichten Lehmboden zu schieben das ist

ein gewaltiger Unterschied. Noch grösser aber wird dieser sich bei dem letzten Mittel, dessen sich der Radfahrer zur Fortschaffung seines sonst so schnellen Fahrzeugs bedienen muss, bemerkbar machen, wenn er es tragen soll!

Die Möglichkeit dieser Situation, sowie die Absicht, die Radfahrer, ohne durch das Führen der Maschine behindert zu sein, als fechtende Truppe zu verwenden, hat dem französischen Kapitän Gerard die An- regung zur Erfindung des Klapprades gegeben. «Seitens des Herrn Haupt- manns Stavenhagen wurde im »Militär-Wochenblatt«, Nr. 11 1K97, das Naumannsche Klapprad vorgefiihrt. Bauart und Gewicht zeigten Mängel, die ich, ohne im Prinzip Gegner des Klapprades zu sein, in Nr. 71 derselben

Abbild. 2. Adler Klapprad im Augenblick des Zusammenlegens;.

Digit

204 Das moderne Fnhrrad nnter Berücksichtigung seiner militiirisehen Verwendung.

Zeitschrift nachzuweisen versuchte, die jedoch von Stavenhagen als vermeint liehe bezeichnet wurden. Inzwischen habe ich auch durch den Hauptmann Burekart*) in dieser Stellungnahme Unterstützung gefunden, und auch Franz Smutny, der bekannte Vorfechter des österreichischen Militär-Rad- fahrens, scheint kein besonderer Verehrer des Klapprades zu sein. Um mich aber vor dem Ruf der Voreingenommenheit zu schützen, so möchte ich doch ein Klapprad vorführen, welches durch sein leichtes Gewicht wenigstens die diesbezüglichen Nachtheile**) mildert, das faltbare Adler- Fahrrad. Aehnlich sind auch die Räder der beiden Grazer Fabriken,

Abbild. 3. Adler Klappend (fahrbereit).

Waffenrad-Fabrik und Styria (Joh. Puch & Co.),***) gebaut. Wie aus den Abbildungen 2 bis 4 ersichtlich, haben diese Räder ausser dem erwähnten Vortheil des leichteren Gewichts von 12'/a kg auch den Diamantrahmen beibehalten. Freilich sind nun auch, gegenüber dem Naumannschen, zwei

*) Sicher bisst die Nauinannsche Konstruktion dieselbe Erleichterung zu, wie denn überhaupt dieser Fabrik, die ich zwar nicht aus eigener Erfahrung kenne, nur Rühmliches nachgesagt wird.

**) Adler Fahrrad-Werke, vorm. Klever, Frankfurt n. M.

***) Uebcr Styria Fnhrriider folgt ein besonderer Aufsatz im nächsten Heft. D. Red.

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Da« moderne Kahrrad unter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung. 205

Chamiere nöthig geworden. 26"-Räder und tiefe Tretkurbellager haften auch diesen Maschinen noch an.

In meinem Aufsatz: »Sind Radfahrer als fechtende Truppe ver-

wendbar?« (»Militär-Wochenblatt« 1896, Nr. 60 u. 61) habe ich nach- zuweisen versucht, dass eine fechtende Radlerabtheilung nicht am Rade zu kleben braucht. Der Militär-Radfahrer, mit einer entsprechenden Schuss- waffe ausgerüstet, ist auch ohne Rad vollwerthiger Soldat. Es ist aber klar, dass es von grossem Vortheil ist, wenn der Radler auch in der Schützenlinie sein Rad ohne Schwierigkeit bei sich führt oder auf dem Kücken trägt das Motiv für die Erfindung Gerards.

Dann muss das Rad so leicht sein, dass er es mit seinem Gepäck tragen kann ; das heutige Klapprad aber wiegt, wie wir oben gesehen haben, mindestens 25 Pfund. Das Infanteriegepäck lässt sich für den Militär-Radfahrer um gut 7 Pfund erleichtern. Ein Rad von 17 Pfund ergiebt dem- gemäss für den Radler ein Plus von 10 Pfund gegenüber der durch den Musketier fort- zubewegenden Last. Da Jener dies Gepäck aber nicht den ganzen Tag zu tragen braucht, sondern nurfür kurze Strecken, so ist wohl kaum anzunehmen, dass diese Art von Infanterie schwerfällig sein wird und, wie A. v. Boguslawski in Beinern Büchlein sagt, »insbesondere zu einem Bewegungsgefechte untauglich sein dürfte«. Der- artige leichtere Maschinen wurden auf der letzten Stanley - und National- Fahrrad- Aus- stellung (London) vorgeführt.

Sie unterscheiden sich durch ihr Gestell, welches im Gegen- satz zu dem Diamantrahmen ein ganz eigenartiges Aussehen aufweiBt. Die bisher bekanntere der beiden, die Pedersen-Maschino (Abbild. 5), besteht aus 21 festgefügten Dreiecken. Ihr Gewicht ist bei Verwendung von Aluminium 5 kg! (das würde bei 7 Pfund Gepäckerleichterung also noch 3 Pfund Mehrgewicht gegenüber dem gewöhnlichen Gepäck aus- machen!). Da aber diesem Metall noch nicht recht zu trauen ist, so wenden wir uns zu den Stahlmaschinen, die das Gewicht von 7 bis 9 kg aufweisen, deren Haltbarkeit eq>robt ist. Die Pedersen-Maschine hat aber den Nachtheil, dass Lenkstange und Sattel nicht verstellbar sind, jode Maschine also gewissennaassen nach Maass gebaut werden ' muss. Der Xachtheil ist geringer, als man denkt: bei den alten Hochrädern war es

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. .'i

Abbild. 4. Adler-Klupprod (zusammengelegt).

20G Das moderne Fahrrad unter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung.

einst genau so, und erst die Rover haben uns in dieser Hinsicht vor- wohnt. Für rein militärische Zwecke aber ist dieser Mangel doch so erheblich, dass er ausschlaggebend werden kann; er fehlt übrigens der zweiten Art dieser nach dem Dreiecksystem gebauten Maschinen. Bei der Cantilever-Maschine (Abbild, ö) herrschen ebenfalls Dreiecks -Verbindungen vor, jedoch ist das Gewicht etwas schwerer als bei den zuerst genannten.

Während so dem altbewährten Diamantgestell erst Feinde erstehen, währt der Kampf der kettenlosen gegen die Maschinen mit Kettenantrieb bereits eine ganze Zeit. Die deutschen Fabrikanten siud I recht zurückhaltend. Einige erste mul älteste Finnen, an

Jö!' die ich mich wandte, theilen mir mit, dass sie so über-

laden mit Bestellungen seien, dass sie die zum Theil

Abbild, fi. Pedersen Maschine.

Abbild. 6. Cantilever -Maschine.

geplanten Versuche mit Acatenes*) vorläufig aufgegeben hätten. Das sieht allerdings nicht so aus, als ob der Gebrauch dieses Verguügungs- mittols abnehmen wird« (nach A. v. Boguslawski). Das Ausland, speziell England und Frankreich, nimmt also auch hier wieder die Führung, wie es dies leider auf dem Gebiet der Radindustrie bei sümmtlichcn grösseren Neuerungen gethan hat. Zwar haben auch wir einige Versuche mit den Kettenlosen zu verzeichnen, doch haben die Systeme durch ihre merkwür- dige Form, fernerdurch die fastans Unmögliche grenzende Schwierig- keit, einen Schutz gegen Verschmutzung des Ge- triebes anzubringen, und durch andere Män- gel wenig Aussicht auf Erfolg. Viel gefälliger

sind die auch in Frank- Abbild. 7. I.loyil’s cross roller Transmission (kettcnlosc reich beliebten Formen Uebcrtragung).

') Französisches System kcttenloscr Fahrräder. 1). Heil.

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Das moderne Fahrrad nnter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung. 207

der > Kettenlosen €, die durch eine Brücke oder Kuppelung die Kraft von der Kurbelachse auf die Hinterradackso übertragen. Das ganze Getriebe ist leicht zu verhüllen, sieht elegant aus, aber die Frage, ob die Reibung geringer ist, bezw. ob die wohl etwas erhöhte Reibung durch andere Vor- züge ausgeglichen wird, ist noch immer eine offene. Ein derartiges Rad befand sich auf der letzten Londoner National-Fahrrad-Ausstellung, dessen Autriebsvorrichtung sich Lloyd’s cross-roller-Transmission nennt (Abbild. 7). Bei ihr treten an Stelle des Zahnkranzes an der Peripherie des Ketten- rades Walzenzähne an der Innenseite des Rades, die rechtwinklig auf die Zähne der Kuppelung wirken. Dieser Unterschied von den Acatönes mit Zahnrädern soll folgende Vortheile zur Folge haben : geringere Reibung als bei den Zahnrädern, keine Dehnung oder Wirkung entgegengesetzter Zug- kraft des einen Rades vom andern, Ermöglichung eines schmalen Kurbel- lagers, geringe Empfindlichkeit gegen Schmutz.

Abbild. 8. Diirkopps Zwillingsrad (Seitenansicht).

In meinen früheren Arbeiten bin ich wiederholt für zahlreiche Ver- wendung von Tandems bezw. auch Dreisitzern cingetreten. Sämmtliche heutige Mehrsitzer aber leiden daran, dass sie schwieriger zu steuern sind und aus diesem Grunde auf Fuss- und Landwegen uur selten zu brauchen sind, wie dies auch Versuche des Hauptmanns Burckart im Kaiser- manöver 1B07 ergeben haben. Der bekannte Kunstfahrer Kaufmann führte im vergangenen Jahre ein Zweirad vor, dessen Sitze, wie beim alt«»n Sociable-Dreirad, nebeneinander angeordnet waren. Der Gesichts- punkt, von dem Kaufmann ausging, war in erster Linie wohl der, das unschöne Sitzen von Dame und Herrn hintereinander zu vermeiden, die l'nterhaltung der beiden Fahrenden aber zu erleichtern, ln militärischer Hinsicht hat die Zwillingsmasehine den weiteren Vortheil, dass sie eine noch grössere Verkürzung der Marschkolonne bewirkt als die Tandems (50 pCt. gegenüber dem Einsitzer), dass die Kolonne zu Zweien erheblich schmaler wird und ferner die Steuerung leichter ist als bei den anderen

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208 Um moderne Fahrrad unter Berücksichtigung seiner militärischen Verwendung.

Mehrsitzern. Die Kolonne zu Vieren erfordert aber eine geringere Breite des Weges als die Kolonne zu Dreien auf dem Einsitzer; sie dürfte einen schmaleren Raum einnehmen als vier Pferde und kaum denselben wie

fünf Rotten. Sie erscheint mir durch ihre Kürze die geeignetste Marschformation; dagegen sind vier einzelne Radfahrer Belbst bei breiter Chaussee und gut geschulter Mannschaft ich habe in der Präzis die Probe darauf gemacht nahezu ein Unding. Dass die schmälste und längste Kolonne zu Einem nicht formirt werden kann, ist ein kleiner Nachtheil, der nur beim Vorbeifahren an anderen Truppentheilen eine um Geringes grössere Schwierig- keit verursachen wird. Nie aber wird eine vorbeifahrende Rad- fahrer-Abtheilung annähernd andere Truppentheile so be- lästigen, wie eine vorgezogene Batterie oder Eskadron. Als weiterer, eigentlich überhaupt nur in Betracht kommender Nachtheil des Zwillingsrades ist seine Breite aus dem Grunde Abbild. 9. Diirkopps Zwillingsrad (Vorderansicht). zu nennen, weil sic dasBefahren

von Fusssteigen, die durch Kilometersteine oder Bäume eingegrenzt sind oder hart an starken Böschungen entlang führen, sehr einschränkt. leider ist das Gewicht der Maschine, die von der Bielefelder Maschinenfabrik, ehern. Dür- kopp, gebaut wird, noch recht hoch, 28 kg. Eine Erleichterung scheint jodoch durch Umänderung des Rahmens, der nach der Abbildung das

Rad auf beiden Bitzen auch für Damen fahrbar macht, zu ermöglichen zu sein (Abbild. 8 u. 9).

Als letzte Neuigkeit, die mir besonders für den Militärradler von Wichtigkeit zu sein scheint, möchte ich noch die Acetylen- laterne erwähnen. Der Radfahrer kann im Allgemeinen die durch polizeiliche Vorschrift angeordneto Laterne sehr wohl entbehren, ebenso wie der Kutscher sein Fuhrwerk nur ungern beleuchtet; ich halte es sogar für unbedingt nöthig, dass der radelnde Soldat daran gewöhnt iBt, ohne Laterne zu fahren. Die Augen und das Gehör schärfen sich nachts bei einiger Uebung derartig, dass diese beiden Sinne dem Fahrer mehr Sicherheit gewähren als Abbild. 11). Auetylenlntemv. die bisher allgemein übliche Oellaterne oder

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Zum Sehiessen mit Sprenggranaten.

209

gar eine Stearinkerze ; ihr Lichtkegel, der nur ein unsicheres Zwielicht gewährt und selbst bei massigem Tourentempo das Hinderniss meist zu spät erkennen lässt, ist lediglich nichts weiter als eine Warnung des Publikums, im Felde aber eine Avisirung des Feindes. Anders ist es mit der Acetylenläterne, die neben viel grösserer Sturm- und Stosssicherheit auch bis auf 30 m die Fahrbahn beleuchtet. Ihre Konstruktion ist folgender- maassen (die vorstehende Abbildung 10 ist das Fabrikat der Firma Beisser und Fliege): Aus einem Behälter tropft regnlirbar Wasser auf Calcium- Carbid; das sich entwickelnde Gas steigt durch einen Gummischlauch in die eigentliche Laterne, wo es aus einem Speckstein- oder Glasbrenner zur Verbrennung gelangt. Der Gefahr einer Explosion, die bei der geringen Gaserzeugung nicht ernsthaft zu nehmen ist, wird durch ein Sicherheits- ventil entgegengetreten. Ueberhaupt ist das gasförmige Acetylen nicht besonders gefährlich im Gegensatz zu dem flüssigen, dessen Unthaten man meist auf Rechnung seines friedlichen Bruders setzt. Der Ersatz und der Transport des Calcium-Carbids, als einer festen Masse, ist der denkbar einfachste, im Gegensatz zu den flüssigen Brennstoffen oder gar der elektrischen Beleuchtung, die ausserdem beide an Leuchtkraft hinter dem neuen Lichtbringer zurückstehen.

Zum Sehiessen mit Sprenggranaten.

in einer im Jahrgang 1897 des »Archivs für die Artillerie- und Ingenieuroffiziere« veröffentlichten Studie »Ueber die Zuverlässigkeit des Einschiessens« hatte ich unter Anderem zu zeigen versucht, dass die Gesetze der Wahrscheinlichkeitslehre bei dem genauen Einschiessen mit Az, wie solches beim Schiessen mit Sprenggranaten geboten ist, unter Umständen eine Abkürzung des regiemontarischen Verfahrens, also eine Erspamiss an Zeit und Munition, gestatten. Ich wies nach, dass die die Gabel von 50 m halbirende Entfernung mit einem verhältnissmässig hohen Grade von Wahrscheinlichkeit als zutreffend angesehen werden dürfe, wenn man auf der kurzen Gabelgrenze drei Schüsse vor dem Ziel, auf der weiten drei Schüsse dahinter beobachtet hätte,*) und dass es dann nicht erforderlich sei, auf dieser Entfernung noch eine Reihe von Schüssen abzugeben, ehe man zum Bz-Feuer übergehe.

Von befreundeter Seite ist mir hierauf der Einwurf gemacht worden, es sei doch nicht ausgeschlossen, dass sich bei Fortsetzung dos Schiessens nach den Bestimmungen der Schiessvorschrift die in Rede stehende Ent- fernung als zu gross herausstelle; dann würde man unter Umständen keine Wirkung erhalten.

Dieser vielleicht auch von anderer Seite für begründet angesehene Einwurf ist von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb ein näheres Eingehen darauf angezeigt sein dürfte. Die hier angenommene Möglichkeit gebe ich ohne Weiteres zu; es handelt sich bei Beurtheilung einer Flugbahnlage im mathematischen Sinne stets nur um Wahrscheinlichkeiten, nie- mals um Gewissheit. In der Fähigkeit, sich aus den gemachten Beob- achtungen ein annähernd richtiges Bild von der wahrscheinlichsten Lage des mittleren Treffpunktes zu machen, besteht das ganze Geheimniss

*) Diese Wahrscheinlichkeit stellte sich sogar höher, nls wenn mun von sechs mit gleicher Entfernung abgegebenen Schössen drei vor dem Ziel, drei dahinter beobachtete.

krleg-itfcbniiohe Zeitschrift. 1MB. 5. Heft. ]4

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Zum Schiessen mit Sprenggnumten.

der Sehiesskunst; eine mathematisch sichere Vorstellung kann man nie erreichen, schon deshalb nicht, weil der mittlere Treffpunkt, während des Schiessens beständigen Oscillationen unterworfen ist, die mit Zunahme der Schusszahl zwar kleinerund kleiner werden, ohne jedoch jemals ganz aufznhören.

Ich hatte in der Studie nur den einen Fall untersucht, in dem man auf 2300 m drei Schüsse vor dem Ziel, auf 2350 m drei dahinter beob- achtet hatte. Ich will nunmehr für alle möglichen Fälle, in denen man nach der Schiessvorschrift auf 2300 m zu kurz, auf 2350 m zu weit ein- geschossen ist, die Grösse derjenigen Wahrscheinlichkeit errechnen, dass 2325 m die zutreffende oder zu grosse Entfernung ist.

Folgende vier Fälle sind dabei überhaupt nur denkbar. Es können nämlich beobachtet sein:

1. auf 2300 m 3 Schüsse , auf 2360 m 3 Schüsse +,

2. > «3 > , » > 6 -t-, 1 Schuss ,

3. » »6 » , 1 Schuss -f-, » » 3 » -4-,

4. » »6 » , 1 > *f, * » 6 » -4-, 1 » .

Die Wahrscheinlichkeit, dass 2325 m die zutreffende Entfernung ist,

d. h. dass das Ziel zwischen 2312,5 und 2337,5 m steht, wird nicht nur in diesen vier Fällen von verschiedener Grösse sein, sondern überdies noch von der Grösse der Streuung und der Zuverlässigkeit der Beob- achtung abhängen.

Ich werde die Wahrscheinlichkeit errechnen:

I. unter Annahme nur richtiger Beobachtungen

a) für eine mittlere Streuung von 25 m (Schusstafel),

b) > » » » » 50 m, die der des gefeehts-

mässigen Schiessens ungefähr entspricht;

II. unter Annahme von 90 pCt. richtiger, 10 pCt. falscher Beob- achtungen und einer mittleren Streuung von 50 m.

Die Methode der Untersuchung ist in der eingangs erwähnten Studie ausführlich dargestellt, weshalb ich mich hier auf die Mittheilung der errechneten Ergebnisse beschränken kann.

Zu Ia. Unter Annahme nur richtiger Beobachtungen und einer mitt- leren Streuung von 25 m ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel zwischen 2312,5 und 2337,5 m bezw. näher als 2312,5 m steht, im Fall 1 = 0,584 bezw. 0,208,

> » 2 = 0,619 » 0,351,

> s 3 = 0,619 > 0,030,

» » 4 = 0,814 » 0,093,

im Mittel also = 0,659 bezw. 0,170.

Die Wahrscheinlichkeit, dass 2300 m die zutreffende Entfernung ist, d. h. das Ziel zwischen 2287,5 und 2312,5 m steht, beträgt

im Fall 1 nur 0,203,

» » 2 » 0,349,

» » 3 » 0,011,

» » 4 » 0,092,

im Mittel also 0,164.

Zu Ib. Unter Annahme richtiger Beobachtungen, aber einer mittleren Streuung von 50 m stellen sich die in Rode stehenden Wahrscheinlichkeiten im Fall 1 auf 0,448 bezw. 0,276,

» » 2 » 0,486 » 0,322,

» » 3 » 0,486 » 0,191,

» » 4 » 0,582 » 0,209,

im Mittel also 0,552 bezw. 0,249.

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Zum Schiessen mit Sprenggrtuiaten.

211

Die Wahrscheinlichkeit, dass 2300 die zutreffende Entfernung ist, beträgt im Fall 1 0,228,

» » 2 0,286,

» » 3 0,177,

» » 4 0,204,

im Mittel also 0,224.

Zu II. Unter Annahme von 10 pCt. falscher Beobachtungen und einer mittleren Streuung von 50 m stellen sich die in Rede stehenden Wahr- scheinlichkeiten im Fall 1 auf 0,336 bezw. 0,332,

» » 2 » 0,418 » 0,305,

» » 3 » 0,418 » 0,228,

* * 4 * °'461 * °’27°.

im Mittel also 0,408 bezw. 0,284.

Die Wahrscheinlichkeit, dass 2300 die zutreffende Entfernung sei,

beträgt im Fall 1 0,240,

» » 2 0,228,

» » 3 0,235,

» » 4 0,232,

im Mittel also 0,234.

Fassen wir das Ergebniss noch einmal kurz zusammen, so finden wir, dass die Wahrscheinlichkeit für das Zutreffen der die Gabel halbirendon Entfernung (2325) unter den ungünstigsten Verhältnissen (II.) ungefähr 1 '/a mal B0 gross ist als die, dass das Ziel mit dieser Erhöhung über- schossen wird (0,408 gegen 0,284). Unter Annahme nur richtiger Beob- achtungen steigt dieses Verhältniss auf das Doppelte (0,552 gegen 0,249), ja bei schusstafelmässigen Streuungen sogar auf das Vierfache (0,659 gegen 0,170). Die Wahrscheinlichkeit, dass die kurze Gabelentfernung (2300) die zutreffende Entfernung sei, ist wesentlich geringer.

Nun kann man freilich einwendon, eine Wahrscheinlichkeit von 0,408, wie man sie im Mittel bei Annahme von 10 pCt. falscher Beobachtungen zu erwarten hat, ist nicht gross genug, um den Uebergang zum Bz-Feuer zu rechtfertigen. Ich theile diese Ansicht nicht und werde sie weiter unten begründen. Wer aber diese Ansicht zu der seinigen macht, darf folgerichtig noch viel weniger den Uebergang zum Bz- Fener zugeben, wenn man auf einer Entfernung */s aller Schüsse vor dem Ziel beobachtet, wie die SchiesBvorschrift festsetzt. Das ist sehr leicht zu beweisen.

Hat man z. B. auf 2325 4 Schüsse -f-, 2 Schüsse beobachtet, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies die zutreffende Entfernung sei unter Annahmen, wie sie unter Ia gemacht sind = 0,620,

» Ib » » = 0,309,

»II » » = 0,170.

Sie ist also unter allen Verhältnissen kleiner (unter II. sogar 2‘/jinal kleiner), als wenn man die beiden Gabelgrenzen als zu weit bezw. zu kurz befunden hat.

Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel überschosson wird, d. h. näher als 2312,5 m steht unter denselben Annahmen, wie unter Ia = 0,388 (gegen oben 0,170),

Ib = 0,650 ( » » 0,249),

II == 0,770 ( » » 0,284),

d. h. sie ist mehr als doppelt SO gross, als wenn auf den Gabel- grenzen zu viel Kurz- bezw. Weitschüsse beobachtet sind und

14*

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Znm Schiessen mit Sprenggrannten.

nun die die Gabel halbirende Entfernung als die ermittelte angesehen würde.*)

Es entsteht nun die Frage, welchen Einfluss eine zu weite Lage der mittleren Flugbahn hat. Nehmen wir an, dass der. mittlere Treffpunkt (Erhöhung 2325 m) genau in der deckenden Krete liegt, in welchem Falle man *, a der beobachteten Schüsse vor dem Ziel erhält, so liegen bei richtig brennenden Zündern die Sprengpunkte der im Hz-Feuer verschossenen Sprenggranaten auf 2300, 2325 bezw. 2350 m von der Batterie, in einer Höhe von 7 m; in Bezug auf das Ziel also *®, j, + °/j bezw. 4- ss/7- Nimmt man nur solche Schüsse als wirksam an, deren Sprengweite 15 m nicht übersteigt, so erhält man unter je 100 Schüssen 11, 15 bezw. 7, im Mittel also 1 1 wirksame Schüsse, d. h. in jeder Lage durchschnittlich 0,6 bis 0,7 Schuss.**)

Ist man um 25 m zu weit eingeschossen, so werden die mittleren Sprungweiten + °/j, -j- *s/7 bezw. -f- M/7, und man erhält unter je 100 Schüssen 15,7 bezw. 1, d. h. im Mittel 7,67 wirksame Schüsse, in jeder Lage durchschnittlich 0,4 bis 0,5.

Nun kann es aber noch Vorkommen, dass die Zünder um 25 m zu lange brennen, ohne dass man auf Grund der Beobachtung zu einer Platten- korrektur genöthigt wäre. In diesem Fall würden sich die mittleren Sprengpunkte nicht nur um 25 m in Bezug auf die Sprengweiten ver- schieben, sondern auch die Sprunghöhen nur halb so gross ausfallen. Man würde also mittlere Sprengpunkte auf + ^/s^, + m/s ,t, bezw. -f- 1s/3j5 er- halten und könnte nur von den Schüssen der kürzesten Lage einige wirksame Schüsse erwarten. Man wird in diesem Fall unter 300 nur vielleicht 8 Schüsse als wirksam ansehen können, d. h. in einer Lage von 6 Schüssen nur etwa 0,16 oder auf etwa 37 Schüsse 1 wirksamen.

Dies Resultat ist allerdings sehr dürftig es wächst etwas, wenn die Streuung der Sprengpunkte grösser als nach der Schusstafel wird , aber es tritt auch nur dann ein, wenn zwei ungünstig wirkende Ursachen Zusammentreffen, was doch nur als ein seltener Ausnahme- fall gelten kann.

Erklärt man deshalb einen um 25 m hinter dem Ziel liegenden mittleren Treffpunkt im Allgemeinen noch für unschädlich, so ist bei Annahme nur richtiger Beobachtungen und mittlerer Streuungen von 50 m, wenn man mit ' s Kurzschüssen eingeschossen ist, die Wahrscheinlichkeit, dass das Sprenggranatschiessen zu geringe Wirkung ergiebt, weil das Ziel überschossen wird, nur 0,377 (während die, dass es überhaupt überschossen wird, 0,650 betrug). Aber auch hier muss zu der zu weiten Lage des mittleren Treffpunkts noch das zu lange Brennen der Zünder hinzukommen, um ein gänzlich verfehltes Schiessen herbeizuführen.

Ich bin deshalb der Meinung, dass die Bestimmung, wonach man sich mit ’/s bis */* Kurzschüssen für eingeschossen halten darf, beizubehalten ist, dass aber der Vorschlag, die die Gabel von 50 m halbirende Ent- fernung als ermittelt gelten zu lassen, wenn man auf der kurzen Gabel- entfernung zu viel Kurzschüsse, auf der weiten zu viel Weitschüsse erhält, nicht zurückznweisen sein dürfte, weil die Gefahr, das Ziel zu über-

*) Selbst wen« man auf den beiden Gabelgrenzen nur je zwei Kurz- bezw. Weitschüsse beobachtet hat, ist die Gefahr, das Ziel zn iibersehiessen, nnr etwa halb so gross, als wenn man auf einer Entfernung mit zwei Kurz- und vier Weitschüssen eingeschossen ist, niimlich nur 0,308 gegen 0,770.

**) Vergl. Archiv vom Jahre 180ö 'Studie über das Schiessen mit Sprenggranaten ans Feldgeschützen gegen gedeckte Ziele«, S. 201 nnd 262.

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Mehr Originalität I

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schlossen, in diesem Fall viel geringer ist, als wenn man mit */s Kurz- schüssen eingeschossen ist.

Absatz 1 der Ziffer 107 der Schiessvorschrift würde dann folgende Fassung erhalten: »Bei günstiger Beobachtung schiesst man sich mit Az genau nach der deckenden Krete ein (vergl. Nr. 73 bis 82). Hat man auf der einen Grenze der Gabel von 50 m zu viel Kurz-, auf der anderen zu viel Weitschüsse erhalten, so wird die in der Mitte liegende Entfernung als ermittelt angesehen.«

Dagegen fällt Abs. 2 der Z. 107 a fort.

Zweifellos wird dadurch das Einschiessen mit Sprenggranaten sehr vereinfacht und abgekürzt. Ist diese Abkürzung nicht zulässig, so nehme ich keinen Anstand, zu erklären, dass ein Geschoss, das eine so peinlich genaue Behandlung verlangt, unmöglich für ein kriegsbrauchbaros gehalten werden kann. Ich will zugoben, dass, nachdem man sich für die tiefen Sprengpunkte entschieden hat, das lagenweise Vor- und Zurückgehen um 25 m eine Nothwendigkeit wurde. Aber um so dankbarer sollte jeder auf Vereinfachung und Abkürzung des Schiessens mit Az Bedacht nehmende Vorschlag aufgenommen werden.

Beiläufig mag noch bemerkt werden, dass Z. 108 und 112 der Schiess- vorschrift nicht recht zusammen passen. Nach Z. 108 beginnt man das Schiessen mit einer die kurzo Gabelontfernung um 25 m überschreitenden Entfernung (also z. B. boi der Gabel 2300/2400 mit 2325) und hält nach Z. 112 durch lagonwoises Vor- und Zurückgehen um je 50 in einen der Weite der Gabel entsprechenden Kaum unter Feuer, d. li. man schiesst abwechselnd mit 2325, 2375 und 2425 m. Warum hier um 50 m vor- gegangen wird, während sonst das Vorgehen um nur 25 m für nothwendig erachtet ist, ist nicht recht einzusehen. Bequem ist das Arbeiten mit diesen interpolirten Zahlen weder für den Batterieführer, noch für die Bedienung. Also entweder 2300, 2350, 2400 und 2450 m oder 2325, 2350, 2375, 2400 und 2425 m. Dann ist wenigstens Folgerichtigkeit vorhanden für die im Kriege wahrscheinlich am häufigsten vorkommenden Fälle.

H. Rohne.

Mehr Originalität!

Von A. Callenberg, Oberstlieut. a. D., Leb rer an (1er vereinigten Artillerie- nml

Ingenieurschule.

1. Wenn wir die Geschichte des Waffenwesens durchblättern, so werden wir finden, dass wir in der Frage der Bewaffnung unseres Feld- heeres in den letzten 40 Jahren rocht gut bedient worden sind. Die Einführung dos gezogenen Hinterladesystems für die Feldartillerie zu einer Zeit, wo die anderen Staaten Europas noch das glatte System beibehielten oder das minderwerthige gezogene Vorderladesystem annahmen, die Ein- führung des Ziindnadelgewehrs, welches den zeitgenössischen Gewehren weit überlegen war, die Anpassung einer zweckmässigen Taktik an die Eigenart von Geschütz und Gewehr: Alles dies waren Grossthateu aller- ersten Ranges, denen in nicht geringem Maasso der Erfolg auf den Schlachtfeldern zugeschrieben werden muss. Der darauf folgende rasche Uehergang zu einem neuen Feldgeschütz und zu einem neuen Gewehr erscheint allerdings etwas überhastet, da die für uns gefährlichen Staaten gar nicht in der Lage waren, so schnell eine Umbewaffnung ihrer Land-

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heere vorzunehmcn. Die Folge davon waren denn auch grössere und kleinere Nackenschlägo und das allmähliche Ueborholtwerden durch die- jenigen Staaten, welche, ruhig abwartend, sich unsere Erfahrungen zu Nutze machten. Diese Periode des nur scheinbaren Fortschritts wurde indessen reichlich wieder ausgeglichen durch das schnelle, energische Zu- fassen beim Auftanchen des rauchschwachen Pulvers und die rasche Ausnutzung desselben zur Befriedigung des Strobens nach kleinkalibrigen Magazingewehren und nach Schnellladekanonen. Blieben auch Missgriffe und Hemmungen bei Durchführung dieser Gedanken nicht aus, so können wir doch zweifellos mit der endgültigen Lösung dieser Fragen recht zufrieden sein und dürften hierdurch wieder einen Vorsprung im Waffen- wesen zu verzeichnen haben. Ueber die Einführung eines zweiten Hochbogen- Geschützes für die Feldartillerie, jener meiner Ansicht nach bedenklichen Errungenschaft aus den Erfahrungen des russisch- türkischen Krieges, lässt sich streiten; allein hierin sind wir Leidens- und Freudensgefährten derjenigen Staaten, welche die Nothwendigkeit einer solchen Einführung gleichfalls erkannt zu haben glauben, und deshalb würd erst die Kriegsgeschichte ein rechtskräftiges Urtheil hierüber sprechen. Es wird sich ja zeigen, wem sie Recht giebt.

2. Zu der erschöpfenden Ausnutzung einer Waffe gehört aber auch, dass dieselbe taktisch und praktisch richtig verwerthet wird, d. h. dass sich die taktische Verwendung der Waffe, welche im Exerzirreglement, und der praktische Gebrauch derselben, welcher in der Schiessvorschrift zum Ausdruck kommt, der ballistisch-konstruktiven Eigenart der Waffe anpasst und sie hierdurch zur höchsten Leistungsfähigkeit bringt.

Auch in dieser Beziehung haben wir bisher eine glückliche Hand gehabt. Unsere Exerzirreglements und unsere Schiessvorschriften sind mustergültig, und ein Vergleich derselben mit denen der für uns in Betracht kommenden Staaten lässt uns ohne Ueberhebung vertrauensvoll der Zu- kunft entgegensehen.

3. Etwas Anderes ist es, wenn wir es unternehmen, die Vaterschaft der bei uns eingeführten Waffen und Munition, der bei uns benutzten Messinstrumente und Rechenmethoden u. s. w. festzustellen. Da entrollt sich vor unseren erstaunten Blicken ein wenig erfreuliches Bild.

Am günstigsten erscheint in dieser Hinsicht noch die Infanterie: Die Namen Dreyse, Mauser, Hehler bezeichnen ebenso viele Originalitäten, welche den Haupt-Entwicklungsphasen der Handfeuerwaffen ihren echt deutschen Stempel aufgedrückt haben. Hier finden wir auch, dass die Mehrzahl der Offiziere an der Konstruktion ihrer Waffe ein reges Interesse nimmt, was wohl darin seinen Grund hat, dass viele von ihnen Jäger sind und selbst Büchsen und Flinten der verschiedensten Systeme besitzen, die zum Vergleich sowie zum Austausch der Ansichten herausfordern, und dass die Handhabung und Prüfung solcher immerhin kleinen W’affe einem Jeden mühelos möglich ist. Da überträgt sich das Interesse für die eigene Jagdwaffe instinktiv auf die Dienstwaffe, ebenso wie sich bei der Kavallerie das Interesse für die eigenen Pferde auf die Schwadronspferde und die Reiterei überträgt.

Bei der Artillerie liegen die Verhältnisse wesentlich ungünstiger.

Da finden wir ausser den staatlichen Instituten seit einem halben Jahrhundert nur einen Namen, den Namen Krupp.

Eine Konkurrenz war nicht vorhanden und wurde staatlicherseits auch nicht hervorgerufen; vielmehr wurden von Berlin aus nur Direktiven gegeben und das hiernach von Essen aus Angebotene geprüft. Hierdurch

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entwickelt« sich allerdings ein lebhafter Ideenaustausch und eine thiitige Mitwirkung der staatlichen Organe an der Konstruktion der Geschütze; allein die Hauptthätigkeit ging dabei nicht vom Artilleristen aus.

Wir sind nun zwar bisher auf diese WTeise im Allgemeinen stets gut bedient gewesen, allein das skizzirte Verfahren ist doch nicht unbedenklich. Abgesehen von einer nicht zu unterschätzenden Abhängigkeit von dem in der Geschützfabrikation gemachten Angebote, hat dieses System auch noch andere bedeutsame Folgen gezeitigt: Kb kümmert sich bei uns Niemand nin die Konstruktion von Geschützen, der nicht offiziell dazu berufen ist. Weder beschäftigen sich bei uns im Grossen und Ganzen Gelehrte oder Techniker mit solchen Fragen, noch interessiren sich technisch befähigte Offiziere für derartige Dinge, da sie wenig Aussicht haben, gehört zu werden; Versuche mit anderen Konstruktionssystomen begegnen aber auch meist erheblichen Schwierigkeiten.

So liegt denn eine Art Mehlthan über Allen, der das freie Spiel der Kräfte hemmt und welcher die Entwickelung der deutschen Artillerie- technik sicherlich nicht fördert.

4. In vortheilhafter Weise macht sich nun soit Kurzem ein erfrischender Hauch fühlbar, der, zu einer steifon Brise angefacht, wohl geeignet ist, diesen lähmenden Mehlthan durch weiteren Wettbewerb hinwegzufegen; denn schon sprühen die Feuer und pochen die Hämmer leistungsfähiger Werke in Düsseldorf, Eisenach, Ruhrort und Bochum für artilleristische Zwecke!

Wenn sich aber die Artillerietechnik erst ausdehnt, dann wird sich auch die selbstschöpferische Kraft unseres Volkes regen, dann wird sich die deutsche Originalität und der deutsche Fleiss entfalten, und wir werden in absehbarer Zeit nicht mehr nöthig haben, im Auslande Patente zu kaufen, mit fremden Messinstrumenten zu messen und nach fremden Rechenmethoden zu rechnen; vielmehr werden wir unsere Erfindungen selbst machen und unserer Artillerie den Stempel der deutschen Technik auf drücken.

5. Zweifellos steht es ja der Technik frei, ihre Mittel zu nehmen, wo sie dieselben findet; in diesem Sinne ist sie, wie die Wissenschaft, international; allein in der Artillerie haben wir bisher viel zu wenig mit deutschen Mitteln gearbeitet, eben weil weder Offizieren noch Technikern noch Gelehrten offiziell die genügende Ermunterung zu selbstschöpferischer Thätigkeit zu Theil wurde. Sehen wir uns doch einmal in der Artillerie- technik und dor hiermit eng verknüpften Artilleriewissenschaft um! Was finden wir da?

Eine Rohrkonstruktion nach ursprünglich englischer Idee, die Verschluss- konstruktion als Ausbau schwedisch-italienischer Erfindungen; die Her- stellung des Geschosskerns als Ausnutzung eines englischen Patents; nicht einmal der Name des sog. Einheitsgeschosses ist deutsch. Der Gedanke und die Konstruktion der Sprenggranate ist französischen Ursprungs, das Pulver eine Nacherfindung des französischen, die Schiessbremse die Ver- werthung eines französischen Gedankens. Die Messung der Anfangs- geschwindigkeit geschieht mit Hülfe eines belgischen Instruments, die Messung der Gasdrücke am Stossbodeu mittelst englischer und amerika- nischer Apparate, die Ermittelung des Spannungsgesetzes im Rolirinneru und des Rücklaufes durch verbessert« französische Instrumente. Bei der Berechnung der Schusstafeln wird ein Luftwiderstandsgesetz nach russischem Muster verwendet, und die Berechnung der Schusstafeln selbst erfolgt nach italienischem Verfahren. Deutsch sind nur die Fabrikation des allerdings

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sehr werthvollen Gussstahls, die Laffete im Grossen und Ganzen, die Richt- instrumente und die Zündungen. Das ist das Bild, da» Bich unseren Blicken darbietet!

6. Wie anders dasjenige, welches sich uns in den übrigen Zweigen der Wissenschaft und Technik zeigt! Hier hat der deutsche Geist die führende Rolle. Ueberall tritt deutscher Unternehmungsgeist, deutscher Erfindungsgeist und deutscher Forschergeist in siegreichem Kampfe den fremden Nationen gegenüber.

7. Weshalb macht denn der Schaffensdrang der Gelehrten und der Techniker so oft an den Thoren der Artilleriewissenschaft und der Artillerie- technik Halt? Liegt es nicht im Interesse der Waffe, die Ursachen dieser seltsamen Erscheinung aufzuspüren und dieselben zu beseitigen, damit auch hier wir Deutschen uns die Führerschaft erringen? Sind wir dessen unfähig? Sicherlich nicht; das beweisen unsere Errungenschaften auf den anderen Gebieten. Sind die bei den betreffenden Behörden kommandirten Offiziere dafür verantwortlich zu machen? Keineswegs; dem widerspricht die schliessliche vortreffliche Lösung unserer wichtigsten artilleristischen Fragen, welche zeigt, dass diese Offiziere richtig ausgewählt werden und dass sie ihr bestes Können oinsotzen, um für den Staat das denkbar Beste zu leisten. Es kann somit nur am System liegen.

8. Zweifellos ist die Artilleriewissenschaft und die Artillerietechnik Sache der Artillerie. Nur der Artillerieoffizier kennt die Bedürfnisse seiner Waffe von Grund aus und ist daher auch in erster Linie dazu berufen, die Mittel zu ihrer Befriedigung zu suchen. Er allein ist im Stande, aus den Erfahrungen der Praxis heraus die richtigen Fragen zu stellen, ihre Tragweite für seine Waffe zu erkennen und zu beurtheilen, wie weit sie artillerie-praktisch gelöst zu werden vermögen. Dagegen wird es ihm häufig verschlossen sein, die Möglichkeit ihrer artillerie-wissenschaftlichen oder artillerie-technischen Lösung festzustellen, einfach deshalb, weil er in dieser Hinsicht nicht genügend geschult ist. Der Gelehrte, der Techniker andererseits würde sehr häufig Fragen stellen und ihre Lösung auf Grund- lagen aufbanen, die vielleicht wissenschaftlich oder technisch hoch inter- essant und werthvoll sind, welche aber artilleristisch wenig oder gar keine Bedeutung haben, weil sie artilleristisch vielleicht gar nicht Vorkommen können. Dahingegen ist wieder nur der Gelehrte, der Techniker im Stande, die Lücken in artillerie-praktisch gewonnenen Versnchsreihen-Ergebnissen wissenschaftlich oder technisch zu schliessen, das Gesetz in der Erschei- nungen Flucht zu entdecken und auf diese Weise die Entwickelung der Waffe zu fördern, was dem Artillerieoffizier aus Mangel geeigneter Schulung auf diesen Gebieten versagt ist.

9. Bei der vorgeschrittenen Theilimg der Wissenschaft und Technik kann man aber nicht erwarten, dass die artilleristischen Mitglieder der in Betracht kommenden Behörden Alles zu beherrschen, alle Fortschritte selbst anzugeben vermögen. Ich glaube nicht, dass Jemand sich getrauen wird, dies für sich behaupten zu wollen.

Männer wie Hclmholtz, Siemens u. A. haben jahrelange Studien machen und Erfahrungen sammeln müssen, ehe ihnen reife Früchte zufielen. In unseren Behörden und Instituten dagegen muss naturgemäss ein reger Wechsel der kommandirten Offiziere stattfinden. Oft genügt aber die Zeit des Kommandos kaum zur Einarbeitung. Soll dann das eigene Schaffen erst losgehen, dann tritt ein Anderer auf, und das Spiel beginnt von Neuem. Dies erscheint doch recht bedenklich. Wie in jedem anderen Gebiete, so kann doch auch hier nur eine stetig weiterwirkende Arbeits-

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kraft dauernd Nutzbringendes leisten. Deshalb sollte man Offiziere, welche ganz besonders für artillerie-wissenschaftliche oder artillerie-tech- nische Forschungen befähigt sind und deren giebt es mehr als man denkt , nicht um des aus Avancements- u. s. w. Gründen erforderlichen Wechsels willen wieder loslasBen, sondern man sollte ihre werthvolle Kraft dauernd an diese Gebiete fesseln, indem man sie für das dann nothwendig werdende Aufgeben ihrer Frontkarriere dadurch entschädigt, dass man sie entweder ausserhalb der Front am Avancement theilnehmen lässt oder besser noch, indem man sie aus dem Soldatenstande herausnimmt und sie zu Professoren der Artillerie, zu Räthen oder dergl. ernennt. Deshalb sollten sich aber auch weiterhin die in Betracht kommenden Behörden u. s. w. nicht in sich abschliessen, sondern sie sollten mit an- erkannten Männern der Wissenschaft und der Technik dauernd Fühlung halten und diesen Leuten zunächst die Fragen vorlegen, auf welche sie selbst in ihren dienstlichen Erfahrungen gestossen Bind oder welche zur Befriedigung des jeweiligen Bedürfnisses der Waffe aufgeworfen werden müssen.

Aus diesem Grunde würde es sich empfehlen, eine aus den Koryphäen der Wissenschaft und Technik zusammengesetzte Civilabtheilung ein- zurichten, welche nicht nur gelegentlich einmal, sondern prinzipiell bei allen wichtigeren ballistischen oder konstruktiven Fragen zu Rathe gezogen wird, und welcher unter Umständen auch eine mitbeschliessende Stimme zuzuerkennen wäre. Hierin würde gleichzeitig ein Ansporn für Gelehrte und Techniker liegen, sich mit artillerie-wissenschaftlichen und artillerie- technischen Studien zu beschäftigen, um Mitglied dieser Civilabtheilung zu werden und hiermit eine berathonde Stimme in vielen ebenso inter- essanten wie hochwichtigen artilleristischen Fragen zu erringen. Dieser rege Verkehr, diese gegenseitige Ergänzung der Kräfte tüchtiger Artilleristen und bedeutender Gelehrten und Techniker kann nur Segensreiches bringen, Segensreiches nach allen Richtungen hin. Andere Staaten haben die Bedeutung einer solchen Einrichtung auch längst erkannt. Männer wie Noble und Abel, Berthelot, Sarrau und Andere werden zu allen wichtigen artilleristischen Fragen herangezogen und haben für die Entwickelung der Ballistik und der Artilleriekonstruktion ganz Hervorragendes geleistet. Die fortschreitende Wissenschaft und Technik kann eben nur der Spezialist in vollem Umfange beherrschen.

10. Dies genügt indessen noch nicht. Vielmehr müssen die berufenen Organe die ausländische Litteratur so sorgfältig wie möglich ver- folgen, um stets zu wissen, was das jeweilig Beste ist und wo dasselbe gefunden werden kann. Dies geschieht ja nun allerdings auch, indem bei den in Betracht kommenden Instituten und Behörden Offiziere damit beauftragt sind, über die ausländische Fachliteratur laufend Bericht zu erstatten. Allein ist dies in unbedingt ausreichendem Maasse überhaupt möglich? Kann man die betreffenden Berichterstatter für Versehen ver- antwortlich machen? Gewiss nicht! Wenn man bedenkt, dass ein solcher Berichterstatter, selbst wenn ihm die gesammte ausländische Artillerie- litteratur zur Verfügung stände, fast alle Sprachen des Kontinents be- herrschen und ausserdem noch höhere Mathematik und Mechanik, Physik und Chemie von Grund aus verstehen müsste, um dem Gedankengange der verschiedenen Autoren bis ins Einzelne folgen und daraufhin erschöpfend und sachgemäss berichten zu können, so wird man sich nicht wundern dürfen, wenn Vieles, vielleicht Alles registrirt, die Bedeutung hoch- wichtiger, ja fundamentaler Werke aber zuweilen nicht erkannt odor

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gänzlich übersehen wird. Es ist dies auch gar nicht anders zu verlangen. Zunächst sind die oben angedeuteten Fähigkeiten wohl nur äusserst selten in einer einzigen Person vereinigt, Bodann gehört eine übermenschliche Arbeitskraft dazu, die enorme Last dieses vielseitigen Studiums überhaupt zu bewältigen, ferner bedarf es einer nur durch jahrelange Uebnng in solcher Beschäftigung gewonnenen Schulung, um in jeder Veröffentlichung das in derselben etwa verborgene gute Samenkorn zu entdecken, und schliesslich können dom Berichterstatter auch gar nicht alle Abhandlungen zur Verfügung gestellt werden, welche Wichtiges für die Artillerie ent- halten, einfach deshalb nicht, weil dieselben nicht sämmtlich in Sonder- werken erscheinen, sondern weil viel, sehr viel ungemein werthvolles Material in Zeitschriften zerstreut ist. welche die betreffenden Behörden nicht sämmtlich zu halten vermögen. Niemand wird auch von den koinman- dirton Offizieren verlangen können, dass sie eine hinreichende Uebersicht über alle vorhandenen Journale, in denen Wissens werthes für die Artillerie stehen könnte, mitbringen oder sich während der immerhin kurzen Zeit ihres Kommandos anzueignen vermögen. So ist es z. B. nur zu erklären, dass die hochberühmten Untersuchungen von Noble und Abel über Explosivstoffe (Schwarzpulver und Nitrate) 13 volle Jahre lang in Deutsch- land unbekannt waren, weil dieselben in den »Philosophical Transactions« vergraben lagen, einer Zeitschrift, die nur in der Königlichen und der Universitätsbibliothek gehalten wird, und in welcher wohl Niemand eine solch' wichtige artillerie-wissenschaftliche Abhandlung vermuthete. Da quälte man sich mit der an sich ja guten, aber immerhin doch nicht aus- reichenden Bodeschen Untersuchungsmethode ab und hätte mit geringer Mühe ein Werk haben können, von dem mir sogar nach Erfindung des rauchschwachen Pulvers ein Gelehrter der damals neu gegründeten chemisch- physikalischen Contral-Versuchsstation bewundornd sagte, das sei ihre Bibel! Ein anderes ähnlich zu erklärendes Beispiel wurde dem Schreiber dieser Zeilen gegen Ende der 80er Jahre vor Augen geführt, indem der damalige Leiter der GeschwindigkeitBmessungen mittelst Boulengö- Apparates sich über einen technischen Mangel in der Konstruktion der dabei zur Verwendung kommenden Drahtgitter beklagte, einen Mangel, dessen zweck- mässige Beseitigung bereits im Jahre 1865 in den » Minute« of Proceedings of the Royal Artillery« von dem Ballistiker Bashforth empfohlen worden war.

11. Aber auch dann, wenn derartige Werke oder Entdeckungen nicht in schwierig zu erlangenden Zeitschriften zerstreut waren, wurden sehr werthvolle Forschungen jahrelang gänzlich übersehen und unbenutzt ge- lassen. So wurde die epochemachende Zonenei ntheilung des russischen Generals Majewski für die Berechnung der Schusstafeln völlig vernach- lässigt und noch fast 20 Jahre lang an dem quadratischen Luftwiderstands- gesotze trotz seiner augenfälligen Mängel fostgehalten ; und ebenso wurde die nicht minder epochemachende Rechnungsinethode des italienischen Ballistikers Siacci noch etwa 17 Jahre nach ihrer Veröffentlichung zu Gunsten der alten, durchaus minderwerthigen Prehnschen Methode un- berücksichtigt gelassen. Dieses starre Festhalten an dem alten deutschen Verfahren, so löblich dasselbe auch im Interesse des deutschen Namens ist, darf doch nicht so weit gehen, dass das Bessere von der Hand ge- wiesen wird, nur weil es fremden Ursprungs ist. In dieser Beziehung würde ich unbedenklich dem Fremden das Wort reden, so lange wir selbst nicht das Bessere besitzen. Ob man das Majewskische Werk vor der Klussmaunschen Uebersetzung, die Biaccische Methode vor der Scheveschen Uebersetzung der Braccialinisclien Erweiterung derselben gar nicht gekannt

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hat, ob man die Bedeutung dieser Entdeckungen verkannt oder sich nicht getraut hat, dem Geistesfluge dieser Forscher zu folgen, wer weiss es? Jedenfalls war das Aufgeben des alten Verfahrens im Jahre 1888 durch den damaligen Schusstafel-Referenten, Premierlieutenant Denecke, eine befreiende That, welche tiefe Sachkenntniss und hohes Selbstvertrauen bekundete.

12. Auch auf dem Gebiete der Kohrkonstruktion wurde bedeutsamen Neuerungen nicht immer die genügende Beachtung geschenkt. Allerdings war und ist ja bei uns das Bedürfniss nach einem Systemwechsel in der RohrkonstTuktion weniger zwingend als anderwärts; die Güte des Krupp- schen Nickelstahls, welcher im geeigneten Augenblick wie ein Deus ex machina auf der Bildfläche auftauchte, fegte sonder Mühe in gleicher Weise das System des Hartbronze-Rohrs mit Stahlseele fort wie auch das zum zweiten Male nach fast 30jähriger Panse in die Arena tretende Draht- geschütz-System Longridge; ob letzteres mit Recht, bloibt dahingestellt, da wir uns nicht durch praktische Versuche von der Leistungsfähigkeit dieses Systems überführt haben. Ich persönlich bin der Ueberzeugung, dass das nochmalige Erscheinen des Drahtgeschütz-Systems dem Ringsystem verderblich werden wird, eine Ueberzeugung, die ich übrigens schon seit 14 Jahren vertreten habe.

13. Ueberhaupt stehen unsere leitenden Behörden Neuerungen etwas skeptisch gegenüber und sträuben sich, Versuche anzustellen, wenn nicht von vornherein der Erfolg gesichert erscheint. Das ist zum Theil auch vollkommen gerechtfertigt, denn sonst würde, wie man vulgär zu sagen pflegt, wohl »die Elle länger als der Kram«; allein zum Theil hegt dies wohl auch an dem in unserm deutschen Charakter begründeten Mangel an Unternehmungsgeist und an der Schwierigkeit, die Tragweite vieler Neuerungen richtig zu erkennen. So stiess ein Vorschlag, den Velocimeter Seberts zu versuchen, als sich im Jahre 1887 die Kerbe- und Stauch- apparate unfähig erwiesen, das Gesetz der Gasspaunungen des neuen Pulvers im Kohrinnern zu registriren, an leitender Stelle auf derartig energischen Widerstand, dass derselbe erst zwei Jahre später durch die Erfahrungen der Pariser Weltausstellung gebrochen wurde; so wurde der wichtige und durchaus originelle Vorschlag des Professors Neesen, die Schwächen der selbstregistrirenden Geschosse Seberts durch Einführung einer Registrirtrommel zu beseitigen, welche dazn bestimmt war, ein Diagramm der Geschossbowegung über die ganze Rohrlänge hinweg zu liefern, leider unberücksichtigt, gelassen, und so wurden auch die Versuche nach den bedeutsamen Vorschlägen desselben Gelehrten, den Verlauf der konischen Pendelungen auf photographischem Wege zu fixiren, nach Kurzem wieder fallen gelassen, wohl weil man sich keine unmittelbar ver- werthbaren Ergebnisse davon .versprach. Den in neuerer Zeit bekannt gewordenen, nicht zu unterschätzenden ausser- und inner-ballistischen Versuchen der beiden Amerikaner Cnshing Crehore und Owen Squier mit ihrem Polarisations- Photo -Chronographen, sowie den photographischen Untersuchungen der Vorgänge der Geschossbewegung durch Mach, Vernon Boys und Calatabiano-Fontana bringt man zwar von berufener Beite reges Interesse entgegen, man hat dieselben aber bisher nicht selbst experimentell geprüft und weiter ausgebaut, wahrscheinlich, weil eine geeignete Ver- suchsstation dafür fehlte. Denn mit solchen feineren Untersuchungen, die sehr viel Zeit erfordern und keine Unterbrechungen durch andere, dringlichere Versuche dulden, noch Angliederung anderer Fragen gestatten, darf man natürlich die Artillerie- oder Gewehr-Prüfungs-Kommission in

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ihrer jetzigen Gestalt nicht belasten, da dieselben ohnehin schon genug zu thun haben; auch würde es, um dauernd Werthvolles zu leisten, nöthig sein, hierzu Physiker und Photographen ersten Ranges heranzuziehen.

14. Man ist sich ja auch an leitender Stelle über die Bedeutung einer solchen Versuchsstation vollkommen klar, und es wird nicht lange dauern, bis eine solche ihre segensreiche Thätigkeit entfaltet; man sollte aber doch noch einen Schritt weiter gehen, indem man an der Artillorie- schule eine ähnliche Station für instruktive Zwecke einrichtet. Der ein- oder zweimalige Besuch eines Schiessplatzes seitens der auf Artillerieschule kommandirten Offiziere genügt keinesfalls. Meistens können denselben nicht einmal die offiziell eingeführten Instrumente in Thätigkeit vorgeführt werden, da die Anwesenheit so vieler Zuschauer das genaue Arbeiten dieser feinen elektrischen Instrumente beeinträchtigt. Unmittelbar ist überhaupt dabei nicht viel zu sehen, und lassen daher derartige Besuche die jungen Offiziere meistens ziemlich kalt. Etwas Anderes wäre es, wenn sie selbst mit solchen Apparaten arbeiten könnten, dann würde das Inter- esse für ballistische Studien wesentlich zunehmen und die Fertigkeit für experimentelle Untersuchungen schon frühzeitig in breite Schichten des Offizierkorps getragen. Ich glaube, die Artillerie-Prüfungs-Kommission könnte hiermit ganz zufrieden sein, da sie dann sicherlich ein vortrefflich vorbereitetes, also auch gut verwendbares Personal erhielte. Das für diese ballistisch-physikalische Versuchsstation zu Instruktionszweckeu verausgabte Geld würde sich jedenfalls lohnen.

15. Ueberhaupt verkenne man ja nicht die hoho Bedeutung des möglichst frühzeitigen Wachrufens des Interesses für solche Studien und die möglichst sorgfältige Schulung der jungen Offiziere in der theoretischen und in der experimentellen Artilleriewissenschaft!

Es ist Interesse und Befähigung vorhanden, mehr als man denkt.; aber die Ermunterung, die Unterstützung und die Belohnung solchen Strebens fehlt, und deshalb verflüchtigt sich das Interesse bald wieder, und die Mehrzahl der nach dieser Richtung hin hoffnungsvollen Offiziere taucht wieder im Frontdienst unter, ln meiner langjährigen Lehrthätig- keit, welche sich auf über 600 Offiziere erstreckte, von denen etwa 60 bis 70 der mathematischen Selekta angehörten, zeigten von 1/otzteron (die hier ausschliesslich in Betracht kommen) mindestens 50 ein sehr reges Interesse und eine sichtbare Befähigung für ballistisch-konstruktive Fragen, 10 bis 15 derselben waren sogar geradezu hervorragend begabt und be- rechtigten zu den stolzesten Hoffnungen. Von diesen sind etwa 3 oder 4 vorübergehend verwendet worden, die anderen sind wieder in der Front aufgegangen oder haben die Generalstabskarriere eingeschlagen.

16. Die oben erwähnte Ermunterung könnte darin bestehen, dass den jungen Offizieren, welche Interesse für derartige rein artilleristische Studien zeigen, von oben her der Werth und die Bedeutung dieses Strebens für ihre Waffe klar gemacht würde, die Belohnung andererseits könnte in einem bevorzugten Avancement, für solche Offiziere gefunden werden, welche Hervorragendes in diesen Studien leisten, welch’ letztere, das darf man sich nicht verhehlen, weit mehr Mühe und Arbeit mit sich bringen als Freude und Glanz. Die Unterstützung endlich sollte insofern gewähr- leistet werden, als man mindestens den 1-ehrern dieser Fächer für ihre Studien mehr offizielles Material zur Verfügung stellte wie bigher, damit diese die leitenden Gesichtspunkte unserer Behörden kennen und ihren Unterricht auf wesentlich festerer Grundlage aufbauen können, als ihnen dies bisher möglich gewesen ist. Der Anfang hierzu ist ja auch in der

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That gemacht. Die betreffenden Behörden verhalten sich in dieser Be- ziehung nicht mehr so ablehnend wie früher und haben sogar in neuester Zeit eine sehr schwor empfundene Lücke im artilleristischen Wissen dadurch geschlossen, dass sie den Druck dos Werkes des Hauptmanns Heydenreich über innere Ballistik freigegeben haben. Dies und das früher erwähnte Werk des Premierlieutenants Denecke (Heft 10 der Mitth. der A. P. K.) sind für Lehrer wie für Schüler zwei ungemein wichtige Quellen, deren Eröffnung zwei bedeutsame Punkte in der artillerie-wissenschaftlichen Aus- bildung unserer jungen Offiziere bedeutet.

17. Zum nicht geringen Theil trägt aber auch der Mangel an deutsch geschriebenen Quellen die Schuld an der geringen Dauerhaftigkeit des Interesses für das artillerie-wissenschaftliche Studium. Unsere eigene Litteratur ist die denkbar spärlichste, selbst die kleine Schweiz überflügelt uns hierin, und die ausländische Litteratur? Wie häufig ist mir nicht von jungen Offizieren, die wirklich für die Sache selbst erglüht waren, gesagt worden: »Ja, wenn die und die Quelle nur nicht englisch oder russisch oder italienisch u. s. w. geschrieben wäre, sondern deutsch, dann würden wir uns sehr gern damit beschäftigen, abor so unmöglich!«

18. Ich komme hiermit wieder auf einen Punkt zurück, den ich Bchon einmal von anderer Seite her berührt hatte, auf die ausländische Litteratur. Würden wir die Originaluntersuchungen der bedeutendsten Ballistiker und Konstrukteure nicht in Form mehr oder minder sach- gemässer flüchtiger Besprechungen und Berichte, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung und Ursprünglichkeit in guter deutscher Uebersetzung besitzen, dann würden nicht nur die leitenden Behörden und Institute wesentlich sicherere Grundlagen für ihre Arbeiton haben, sondern es würde auch das durch den Unterricht hervorgerufene Interesse vieler befähigter Offiziere wach erhalten durch die Möglichkeit dauernden Weiterstudiums, und zwar auch in der Provinz, wo die Quellen ohnehin weit spärlicher fliessen als in der Residenz des Deutschen Reiches. Es würde dadurch die eigene Schaffensfreudigkeit der Offiziere gefördert und, falls diese Werke auch Gelehrten und Technikern zugänglich wären, der Wettbewerb auf diesem Gebiete sicherlich segensreiche Früchte tragen. Behörden und Private würden nicht mehr nöthig haben, ganze Gedankenreihen selbst durchzudenken und so häufig nachzuentdecken und nachzuerfinden, um schliesslich nach mühseliger Arbeit an Punkten anzulangen, die schon lange von Anderen erreicht sind, sondern sie würden, dem Geistesfluge fremder Forscher folgend, dieselben mit weit geringerer Mühe überflügeln, ihnen vorauseilen und originelle Werke aus eigener Kraft schaffen können. Es ist viel, sehr viel gebundene Kraft vorhandon. Man befreie sie nur, indem man ihr durch ein in deutscher Sprache geschriebenes Sammelwerk der Fundamente ballistischen und konstruktiven Forschens ein solides Sprungbrett giebt, und man wird bald sehen, wie hoch sich der deutsche Geist schwingt und was der deutsche Fleiss auch auf diesem Gebiete zu leisten vermag. Anfänge hierzu sind schon vorhanden: Hochbedeutsame Untersuchungen von Noble und Abel, Euler, Sn. Roberto, Majewski, Siacci, Longridge, Culatabiano, Saboudski u. A. sind schon übersetzt und theils in Typendruck hergestellt, meistens aber erst in wenig Exemplaren durch Umdruck vervielfältigt. Man hat also nur nöthig, diese Uebersetzungen weiterzuführen und einheitlich systematisch zusammenzustellen. Dazu muss man aber die Uebersetzer ermuntern und ihnen, denen ohnehin die Mühe der Arbeit auf den Schultern liegt, wenigstens die Last pekuniärer Opfer für die gute Sache ersparen.

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Dies könnte durch eine Subvention geschehen, welche die Druckkosten deckt; es würde auch schon genügen, dass die Garnisonbibliotheken dazu angehalten würden, ein oder zwei Exemplare eines solchen Sammelwerks zu erwerben, da sich dann jedenfalls ein Verleger finden würde.

19. Hand in Hand mit all diesen Unternehmungen müsste ferner eine Vertiefung der Ausbildung derjenigen Offiziere gehen, aus denen der Ersatz für die ballistisch -konstruktiven Institute und Behörden der Artillerie gewählt wird.

Die Fussartillerie befolgt unentwegt das seit langen Jahren übliche Verfahren, einem Theil der auf Artillerieschule ausgebildeten Offiziere der gesammten Waffe ein zweites Jahr auf vorwiegend mathematischer Grund- lage eine intensivere höhere Ausbildung zu Theil werden zu lassen. Bei der Feldartillerie ist, nachdem der Besuch der Artillerieschule für alle Offiziere dieser Waffe leider in Fortfall gekommen ist, seit anderthalb Jahren ein neuer Modus eingeführt, nach welchem 30 sich freiwillig meldende Offiziere ein Jahr lang und zwei Drittel davon noch ein zweites Jahr auf mathematisch - naturwissenschaftlicher Grundlage ausgebildet werden. Diese Neueinrichtung ist, nach Ansicht aller einsichtsvollen Artillerieoffiziere, eine jener Grossthaten, welche die wichtigsten Marksteine in der Entwickelung der Feldartillerie darstellen, eine Grossthat, welche ihrem Schöpfer, Excellenz v. Hoffbauer, allein schon ein Denkmal seitens seiner dankbaren Waffe eintragen sollte.

Mit diesem Inslebenrufen der neuen Lehrgänge für die Feldartillerie- offiziere ist schon enorm viel erreicht. Das bedeutet indessen nicht, dass diese Neuorganisation nun fix und fertig sei; vielmehr ist in sehr richtiger Einsicht vorerst ein Provisorium eingerichtet worden, um erst Erfahrungen für eine möglichst zweckmässige definitive Organisation dieser Lehrgänge zu gewinnen.

20. *) Vielleicht ist es mir als altem Feldartilleristen, dessen Liebe zu seiner Waffe wohl bekannt ist, gestattet, hier einige Gesichtspunkte zu entwickeln, welche mir als langjährigem Lehrer an der vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule geeignet erscheinen, das Deflnitivnm so vollkommen wie möglich zu gestalten.

21. Da aus Gründen, denen seinerzeit die Berechtigung nicht ab- gesprochen worden konnte, eine Aufnahmeprüfung, d. h. ein Befähigungs- nachweis, nicht verlangt wird, die Vorkenntnisse der kommandirten Offiziere aber in Mathematik, Physik und Chemie sehr verschieden sind, so bedarf es in diesen Fächern einer längeren nivellircnden Lehrthätigkeit, um erst eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, auf welcher dann der eigentliche Unterricht aufgebaut werden kann. Dadurch geht eine ziemlich grosse Zeit verloren, so dass die übrig bleibende Stundenzahl kaum ausreichen dürfte, um den Offizieren durch praktische Uebungen diejenige Gewandt- heit zu verschaffen, welche erstrebens werth ist für ihre spätere Verwendung bei den Spezialbehörden. Schon aus diesem Grunde würde es sich empfehlen, die Lehrgänge zu einem dreijährigen statt einem zwei- jährigen Turnus einzurichten. Dies wäre auch insofern von ganz beson- derem Werthe, als es dann nicht nöthig sein würde, die jungen Offiziere in die Mysterien des Handwerkszeuges (höhere Mathematik und Mechanik) einzuweihen und gleichzeitig, oft sogar schon vorher, von ihnen zu verlangen, dass sie die höchste artilleristische Anwendung dieses Hand-

*) Die folgenden Vorschläge würden sich möglicherweise hei der anderweitigen Organisation der Feldartillerie verwirklichen lassen.

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Kriegstechnisches von den deutschen Feldiibnngen.

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werkszeuges in der Ballistik und der Artillerio-Konstruktionslehre vor- nehmen sollen.

22. Sollte indessen, was sich natürlich der diesseitigen Einsicht ent- zieht, weder ein drittes Jahr noch eine Aufnahmeprüfung zu erlangen sein, so sollte man wenigstens die Stundenzahl in Mathematik, Physik und Chemie erhöhen, was sich sicher lohnen würde. Der Unterrichtsstoff in diesen Fächern ist so gewaltig, dass bei der gegenwärtigen Stundenzahl an eine erspriessliche Applikation d. h. an ausreichende praktische Uebungen kaum gedacht werden kann. Die Gesaramtstundenzahl ist auch gar nicht so gross, dass die Offiziere durch eine Vermehrung derselben um einige Stunden überbürdet würden. Die frühere mathematische Selekta hatte neun bis zehn Stunden mehr als die jetzigen Lehrgänge der Feldartillerie, und dennoch wurde nicht darüber geklagt. Das oben Entwickelte gilt übrigens auch für die Ausbildung der betreffenden Offiziere der Fuss- artillerie, die gleichfalls noch verbesserungsfähig ist.

23. Schliesslich möchte ich noch die Frage anregen, ob es nicht zweck- mässiger sein würde, nur die Hälfte statt zwei Drittel der Offiziere des ernten Lehrganges noch ein zweites Jahr auszubilden; die Gründe hierfür dürften durchsichtig genug sein; indessen sollte dies dergestalt ausgeführt werden, dass an der Zahl 20 für das zweite Jahr festgehalten, die Zahl des ersten Lehrganges aber auf 40 erhöht würde. Dadurch würde aller- dings eine Theilung des letzteren in zwei Hörsäle erforderlich, doch könnte dies dem Ganzen nur Nutzen bringen, da sich die Lehrer bei 20 Schülern weit eher mit den Einzelnen beschäftigen können als bei 30.

24. Die leitenden Behörden worden gewiss den in Vorstehendem an- geregten Fragen Beachtung schenken und dieselben eingehend prüfen, falls diese für werthvoll genug gehalten werden, um eine Ixisung zu verdienen; wir hegen aber auch zu den aufgeworfenen Fragen das feste Vertrauen, dass ihre sachgemässe Lösung dazu beitragen werde, den deutschen Namen in der Artilleriewissenschaft und der Artillerietechnik zu besonderen Ehren zu bringen, und dass sie dazu helfen wird, zu Gunsten der Artillerie drei Dinge zu stolzer Entwickelung zu bringen: deutschen Wettbewerb, deutschen Schaffensdrang und deutsche Selbstthätigkeit.

Kriegstechnisches von den deutschen Feldühungen.

(Schloss.)

Bei den Kaisermanövern in Ost- und Westpreussen 1894 sind zum ersten Male bei uns Versuche im grossen Stile angestellt worden, den Radfahrer im Kriegsdienste auszunützen. Diese waren aus der Reserve eingezogen, meist mit eigenen, nicht immer gut konstruirten Rädern ver- sehen, im Kartenlesen unbewandert, für ihren Dienst wenig vorbereitet; dazu kam, dass das ohnehin spärlicho Wegenetz durch nasse Witterung aufgeweicht und ausgefahren war. Was Wunder, dass man danach von einem Fiasko der Militär- Radfahrer sprach! Ein Aufsatz in dem September- heft 1895 der Schnackenburgschen Jahrbücher aus der Feder einer ersten Autorität auf dem Gebiet führt die Sache auf ihren wahren Ursprung zurück.

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Kriegsteohniscbes von den deutschen Feldiibungen.

Weder bei diesen noch bei den Kaisermanövern 1895 bei Stettin waren Radfahrer- Detachements dauernd aufgeBtellt. Graf Waldorsoe hatte

1895 ein solches vorübergehend zusammengestellt, welches am 10. Sep- tember dem Korps weit vorauseilend die Uebergänge über den Randow- bruch besetzte und zugleich die Fühlung mit dem lti km entfernten rechten Flügel des II. Armeekorps herstellte. Bei den Kaisermanövern

1896 war das Pionier-Detachement der Kavallerie-Division West (k. Sachs.) auf Räder gesetzt, was gute Dienste geleistet hat. Es wird in einer Rad- fahrer-Zeitschrift mitgetheilt, dass die Radfahrer selbst über Stoppelfelder die Fahrt mit wenig verminderter Geschwindigkeit fortgesetzt haben. Bei der Ost-Armee -Abtheilung (Graf Waldersee) war zur Verfügung des Ober- kommandos eine Radfahrer -Abtheilung von 2 Offizieren, 2 Unteroffizieren, 25 Mann aus Infanterie und Jägern des V. Armeekorps gebildet. Die beiden ersten Tage war dieselbe der Korps -Kavallerie -Brigade V. unter Generalmajor v. Hobe zugetheilt gewesen. Auf den Kreckwitzer Höhen besetzte die Abtheilung den Rand eines Steinbruchs, der mit dichten Binsen bestanden war, und eröfEnete aus dieser verdeckten Stellung Schnell- feuer auf eine Infanterie-Abtheilung von West (8. Infanterie-Division), welche der betreffenden Kavallerie-Division als Soutien folgte. Die In- fanterie, jedenfalls in dem Glauben, der Gegner habe den Berg stärker mit Infanterie besetzt, liess sieh von weiterem Vorgehen abhalten, was der zurückgehenden Kavallerie von Ost, deren Attacke abgeschlagen war, zu Gute kam. Bei diesem Vorfall, den ich an einer anderen Stelle als die Feuertaufe der Militär-Radfahrer zu bezeichnen mir erlaubt habe, war ich selbst Augenzeuge. Die Räder waren am Fuss der Höhe, deren Abhänge sehr steil waren, zurückgelassen worden. Ich habe an den ersten Tagen, wo das Wetter gut und auch gewöhnliche Feldwege fahrbar waren, eine umfassende Thätigkeit von Radfahrer-Patrouillen bemerkt. Stiessen sie auf gegnerische Kavallerie-Patrouillen, so sprangen die Rad- fahrer ab, legten das Rad nieder und oröffneten mit ihrem Infanterie- gewehr, das sie umgehängt trugen, das Feuer, wobei die Kavallerie jedes- mal zurückging. Hieraus weitere Schlüsse zu ziehen, wäre sehr gewagt; an den beiden letzten Tagen, wo regnerisches Wetter eingetreten war, sah ich, wie selbst Sportsleute Mühe hatten, auf den durchweichten Wegen fortzukommen, und lieber ihr Rad schoben. Die Fälle taktischen Auf- tretens sind bei den Manövern 1896 durchaus nicht auf jenen von uns erzählten beschränkt geblieben. Aehnliches ist auch bei den Herbst- manövern der einzelnen Armeekorps vielfach vorgekommen. Ein Bravour- stück erzählt die »Schlesische Zeitung« vom 11. September 1896, wie ein Offizier des VI. Armeekorps am 8. auf dem Rade eine Erkundungs- Patrouille von 170 km bis in den Rücken der West-Armee-Abtheilung gefahren ist und von Bischofswerda Meldung an sein Generalkommando geschickt hat. Ob im Ernstfälle hier der Fernsprecher zur Verfügung gestanden hätte, steht doch wohl sehr dahin.

Erst bei den Kaisermanövern 1897 kommen besondere dauernd zu- sammengcstollte Radfahrer-Detachements zur Verwendung. Die Kavallerie- Division West (Generalmajor v. Bissing) hatte ihr Pionier-Detachement (Bataillon Nr. 11) von 1 Offizier, 60 Mann auf Rädern. Beim VIII. Armee- korps war eine Radfahrer-Abtheilung von gleicher Stärke gebildet und mit Mannschaften der Eisenbahn-Brigade besetzt. Die Kavallerie-Division Ost (Königlich Bayerische) hatte ein Radfahrer-Detachement und ausserdem das gewöhnliche Pionier-Detachement. Ueber die Leistungen dieser De- tachements habe ich mir noch kein Bild machen können. Wie bekannt,

Kriegstechnische» von den deutschen Feldiibnngen.

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waren durch den anhaltenden Regen die Wege bei dem lehmigen Unter- grund für Radfahrer nur schwer passirbar. Auf der grossen Strasse habe ich trotzdem Ordonnanz- und Meldefahrer genug mit grosser Geschwindig- keit, namentlich bergab, fahren sehen, im Uebrigen ist mir, wenn ich auf Feldwegen oder über freies Feld mich bewegte, was gerade nicht zu den Annehmlichkeiten gehörte, kein Radfahrer zu Gesicht gekommen. Wenn kürzlich in einer Zeitschrift behauptet wurde, Radfahrer hätten vor der grossen Kavallerieattacke bei Petterweil am 9. September eine genaue Rekognoszirung vorgenommen, um die feindliche Stellung zu erkunden, so kann ich als Augenzeuge nur sagen, dass bei der Versammlung des Kavalleriekorps auf der Höhe von Kloppenheim weit und breit kein Radfahrer zu sehen war, auch kein Meisterschaftsfahrer dahin hätte gelangen können; die beiden Detachements uud das gewöhnliche Pionier- Detachement wurden, jedenfalls als Impediment, zurückgelassen. Mit solchen Uebertreibungen kann man die Sache nur schädigen. Eine Menge interessanter Vorfälle werden erzählt, z. B. wie Radfahrer XI. Armeekorps am ersten Morgen in dem von den Bayern eben verlassenen Seligenstadt erscheinen, von hier die beim Heranfahren beobachtete Stärke und Bewegungen des Feindes an ihre Vorhut telographiren, mitten im Geschäft aber von bayerischen Radfahrern überfallen und zum Theil gefangen genommen werden, wie eine Radfahrer-Abtheilung eine Eskadron stellt und durchaus verlangt, dieselbe solle zurückgehen, Bchliesslich den Schiedsrichter requirirt und dieser zu Ungunsten der Radfahrer entscheidet u. s. w. Die Kavallerie hat sieh übrigens diesmal nicht mehr in dem Grade von den Radfahrern imponiren lassen wie 1896; sie sitzt ebenfalls ab und feuert, wenn die Radfahrer ihr im Wege sind.

Wenn der Beobachter bei den Manövern die Sicherheit und Leistungs- fähigkeit unserer Militär - Radfahrer zu kontroliren Gelegenheit Anden konnte, so wird jeder ruhig Denkende doch auch zur Erkenntniss gelangt sein, dass die Verwendbarkeit des Radfahrers über den Ordonnanz- und Meldedienst hinaus jedenfalls sehr von äusseren EinAüssen, namentlich der Witterung, Bodengestaltung und Bodenbeschaffenheit, abhängig ist. Auch das zusammenlegbare oder Klapprad, das von den Franzosen und Russen begünstigt wird, kann dem nicht abhelfen ; bei uns ist man für dieses Verfahren überhaupt nicht eingenommen. Als > neueste Spezial- waffe zukünftiger Kriege Hervorragendes in der Gefechtsglioderung zu leisten« (wie wir kürzlich lasen), dafür wird sich wohl kein verständiger Militär-Radfahrer befähigt halten. Wer solcher Utopie sich hingiebt, hat sicher nicht daran gedacht, dass es auch Winterfeldzüge giebt.

Die Kriegshunde werden bei den Jäger-Bataillonen gehalten und abgerichtet behufs Verwendung im Sicherheitsdienst und zum Aufsuchen Vermisster. Der Militäretat weiBt für Preussen und Königreich Sachsen jährlich 3650 Mark zu dem Zweck an. In grösseren Verbänden werden die Hunde zwar mitgeführt, können sich aber weniger bemerklich machen; die zweite Aufgabe weist ihnen eine Rollo bei den Krankenträger-Uebungen an, so zuletzt 1897.

Die ersten Versuche mit Kriegshunden stammen aus 1891 und er- folgten nach Vorschlägen eines Herrn Jean Bungartz, der sich schon längere Zeit mit der Dressur geeigneter Hunderassen zu diesem Zweck beschäftigt hatte. Als die geeignetsten Rassen erschienen die deutschen Schäferhunde und die englischen langhaarigen Hunde. Man verfolgte zwei Zwecke; das Ueberbringon von Meldungen und den Patronenersatz. Die Versuche fanden bei der Garde, den 3. Jägern und dem XIV. Armee-

Kriegstechoiscbe Z«itMhrift. 1806. 5. Heft. |5

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Kriegstechnisches von den dentschen Feldübungen.

korps statt. Die Ergebnisse waren sehr verschieden und hingen namentlich von der Individualität der Unteroffiziere ab, welche die Hunde anführten. Man versuchte auch den Hund im Sanitätsdienst zum Aufsuchen von Verwundeten und gab ihm mittelst einer sattelartigen Tragevorrichtung Verbandzeug, Wein und andere Labemittel mit. Die 1893 erschienene Vorschrift für die Behandlung, Dressur und Verwendung der Kriegshunde verlangt ausser der allgemeinen Dressur, dass der Hund Botengänge mit Sicherheit ausführt, d. h. von vorgesandten Patrouillen zu den rückwärtigen Abtheilungen zurückläuft und zu ersteren wieder zurückkehrt, die Ver- bindung zwischen stehenden Abtheilungen und Posten innehält, dass er wachsam ist und die Annäherung fremder Personen an Posten diesen bemerkbar macht. Die Abrichtung zum Auf suchen Vermisster wird nicht allgemein gefordert, sondern es hängt von der Individualität der Hunde und dem Geschick des Lehrers ab, ob diese Aufgabe in den Kreis der Ausbildung hineingezogen wird. Die Ausführung besteht darin, dass der Hund Buschwerk, einen Waldtheil, ein unübersichtliches Stück im Gelände oder bei Nachtzeit das Gelände überhaupt absucht, sobald er einen Menschen gefunden hat, bei diesem bleibt und bellt, bis sein Herr hinzukommt. Jeder Hund hat ein Halsband und ist mit einer Tasche für Meldungen ausgerüstet.

Die Kriegshunde werden immer von beschränkter Bedeutung bleiben, es hängt dies mit der Schwierigkeit der Auswahl und Dressur zusammen und ergiebt sich schon daraus, dass man sich ausschliesslich bei den Jäger-Bataillonen darauf einlässt. Bei letzteren werden sie dann am meisten zur Geltung kommen, wenn das Bataillon allein auftritt, bei grossen Uebungen sind sie nur im Sicherheitsdienst zu verwenden. Zum Aufsuchen Vermisster wird man sie an die Sanitätsabtheilungen abgeben. Es kann sich ausschliesslich um eine Nachsuche handeln und sind sie lediglich auf Verbellen zu dressiren.

Die Thätigkeit der Militärtelegraphie bei den Kaisermanövern ist eine sehr umfassende. Leider ist es nicht möglich gewesen, über die Leistungen irgendwelche Informationen zu erhalten. Aus der Ordre de bataille ergab sich, dass 1896 bei der Ost-Armee-Abtheilung 1 Divisions-, 2 Korps-Telegraphenabtheilungen, bei der West- Armee- Abtheilung 2 Divi- sions-, 1 Korps-Telegraphenabtheilung aufgestellt waren, 1897 bei Ost (Bayern) das I. Armeekorps 1 Korps-, das II. 2 Divisions-, bei West das XI. Armeekorps 1 KorpB- und 1 Divisions- (22. Infanterie-Division), das VIH. 1 Korps-Telegraphenabtheilung zählte. Normalmössig sollte jedes Korps und jede Division eine entsprechende Abtheilung, ausserdem die Armee 1 biB 2 Feld- und 1 Reserve-Feldtelegraphen-Abtheilung haben. Eine Feldtelegraphenabtheilung führt 33 km Draht mit, davon */» blanken, Vs isolirten Draht, und 500 m Kabel ; die Bauzeit pro Kilometer ist 20 bis 30 Minuten (nach Lehnerts Handbuch für den Truppenführer 1896). Ueber die Zusammensetzung der Abtheilungen bei den Manövern und die mit- geführte Drahtlänge war nichts bekannt. Man sah den Draht meist über Bäume weggeführt, auch an Häusern befestigt oder als Kabel frei auf der Erde liegend, ausserdem kam auch Stangenbau vor. Nach dem Reichs- Militäretat 1898 erhalten die Korps-Telegraphenabtheilungen statt der bis- herigen sechs- oder vierspännigen zw'eispännige Fahrzeuge; die gegenwärtige Gliederung entspricht nicht den Anforderungen, die Fahrzeuge sind zu schwerfällig, die Herstellung der Telegraphenlinien ist daher zu zeitraubend und der Betrieb bei der leichten Zerstörbarkeit zu unsicher. An Stelle des Baues mit blankem Draht und Stangen soll der reine Kabelbau treten.

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Kriegstechnisches von den deutschen Feldübungen.

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Die Armee-Telegraphenabtheilungen sollen ein leistungsfähigeres Kabel (c/9o) erhalten, wie dasselbe bei den Korps-Telegraphenabtheilungen ein- geführt ist, da bei eintretendem Abgang letztere Abtheilungen auf erstere angewiesen sind.

Durch Zufall wurde mir bekannt, dass bei den Kaisermanövern 1897 eine Feld-Telegraphenabtheilung in einer Nacht 187 Depeschen befördern konnte. Das Interesse für die Militärtelegraphie in der Litteratur ist bei uns ein nur sehr geringes. Ausser der bekannten Schrift von v. Fischer- Treuenfeld und einer Arbeit in v. Löbells Jahresberichten, die von Deutsch- land genau vier Zeilen enthält, beides 1892 erschienen, existirt zur Zeit nichts über unsere Verhältnisse; Löbell 1894 schweigt sich darüber ganz aus.

Vom optischen Telegraphen wesen sah ich bei den Kaisermanövern 1896 am 11. September einen Flaggenapparat, der durch zwei Kavalleristen gehandhabt wurde, vom Oberkommando Ost am Stromberg in Thätigkeit gesetzt zum Verkehr mit dem Generalkommando VI. Armeekorps. Ob derselbe mit dem Kavalleriepatrouillen-Apparat in Zusammenhang steht, der im Etat 1897 und 1898 Berücksichtigung findet als hauptsächlichstes Mittel zur Erleichterung und Beschleunigung des Beobachtungs- und Melde- dienstes, ist mir nicht bekannt. Der österreichische Patrouillenapparat enthält eine Telephoneinrichtung nebst Draht in Rollen, die der Reiter hinter sich niederfallen lässt und die sich von selber abwickeln (5 km Leitung lassen sich hier in 20 Minuten, verlegen); bei günstigen Umständen kann der Patrouille noch ein Manginscher Blitzapparat auf einem Hand- pferd verpackt beigegeben worden. Für einen Patrouillenapparat sind im Etat 1100 bezw. 1200 Mark angesetzt.

Während der Kaisermanöver 1897 fanden Versuche mit einem von der englischen Regierung an die unserige überlassenen Blitzapparat oder optischen Fernsprecher statt. Die Stationen waren Homburg (weisser Thurm im Schloss), der Weinberg bei Friedberg (etwa 10 km Abstand), Vilbel und Holzhausen. Durch kürzer oder länger erscheinende Flammen werden die Buchstaben eines Alphabets (ähnlich wie bei MorBe) dargestellt; bei Tage wird das Sonnenlicht, bei bedecktem Himmel und bei Nacht das Kalklicht benutzt. Zu einer Station gehören vier Mann, von denen zwei lesen, einer schreibt, einer telegraphirt. Zur Bedienung waren 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 30 Mann der Eisenbahn-Brigade kommandirt. Man kann 60 Worte in der Minute aufgeben. Starker Sonnenschein soll hinderlich sein, dagegen trübe Luft und selbst Nebel, wenn er nicht sehr stark ist, kein Hinderniss bilden. Es gründet sich dies Alles auf Zeitungsnachrichten.

Scheinwerfer und Beleuchtungswagen kamen bei den Truppen- übungen nicht zur Verwendung.*) Ich habe aber mehrfach, so z. B. im Februar 1892 in Leipzig während der Hygieneausstellung und später in Berlin, Beleuchtungsversuchen mit dem Beleuchtungswagen der Daimler Motoren-Gesellschaft in Cannstatt und dem Scheinwerfer von Schuckert & Co. in Nürnberg beigewohnt, welche mit Uebnngen von Sanitätskolonnen im Aufsuchen Verwundeter bei Nacht verbunden waren und sehr günstige Ergebnisse lieferten. Der vierräderige Kastenwagen (ähnlich unseren Verwaltungswagen) wiegt mit voller Ausrüstung 2040 kg und kann in jedem einigermaassen praktikablen Gelände bewegt werden. Er enthält einen Petroleummotor von 5 Pferdestärken und eine Dynamomaschine zur Erzeugung eines Stromes von 65 Volt und 40 Ampere. Drei Minuten Zeit

*) Scheinwerfer zur Beleuchtung nächtlicher Kavallerieattacken hatte eine fran- zösische MUitärzeitung für die Kaisermanöver 1896 bei Bautzen in Aussicht gestellt!!

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genügen, um die Glüh- und Bogenlampen zum Entflammen zu bringen. Auch die Beleuchtung der Verbandplätze ist dabei ins Auge gefasst.

Zur Anwendung der Taubenpost haben wir uns bei den Feld- übungen noch nicht aufgeschwungen. Beiläufig sei aber erwähnt, dass das Hauptquartier des 1. Armeekorps bei den Manövern 1897 im Norden Frankreichs einen mobilen Taubenschlag mitgeführt hat, der bei den Armeemanövern an das Armee-Hauptquartier überging. Welche Erfolge im Studium des Dienstes der Brieftauben im Felde erzielt worden sind, ist bisher nicht bekannt geworden. Auch die russische Armee hat bei den grossen Manövern in Polen 1897 Brieftaubenschläge mitgeführt.

Die Benutzung der Eisenbahnen geschieht bei den grossen Manövern in der Regel nur zum Abtransport der Truppen, wobei auf die taktische Gliederung keine Rücksicht mehr genommen wird. Die Kaiser- manöver 1896 boten dagegen das lehrreiche Beispiel des Herantrans- ports eines Armeekorps in seiner für die Uebungen an ge nommenen Ordre de bataille und Ausschiffung an den Punkten, von welchen aus am 8. September (Tag des Beginns) der kriegsmässige Vormarsch angetreten werden sollte. Es war das VI. Armeekorps, welches in dieser Weise von Breslau, wo es zur grossen Parade versammelt worden war, herangeschafft wurde. Die Avantgarde, bestehend aus der 21. Infanterie-Brigade mit der Divisions-Kavallerie und -Artillerie, den Pionieren und einer Eskadron der 12. Infanterie-Division, war schon am 7. theils in Reichenbach, 4 km vom eigentlichen Manövergelände, theils weiter rückwärts an Stationen der Linie Görlitz Zittau ausgeschifft worden. Der Rest der 11. Infanterie- Division langte im Laufe des 8. gleichfalls in Reichenbach, die 1 2. Infanterie- Division und KorpB- Artillerie am gleichen Tage in Görlitz und auf der nahe- gelegenen Station Moys an, 22 km Luftlinie vom Manövergebiet entfernt. Am 9. trat das ganze Korps bereits in die Aktion ein; das Ausladen war in Reichenbach am 8., nachmittags 5 Uhr, in Görlitz um 3 Uhr beendet gewesen. Im Ganzen hatte der Transport 32 Züge erfordert (gegen 105 beim mobilon Korps). Dieselben waren mit Rücksicht auf die Aufrecht- erhaltung des ganzen sonstigen Verkehrs in sehr verschiedenen Abständen eingotroffen, welche bis zu 30 Minuten herabgingen (als Mindestmaass).

Der Bau von Feldbahnen seitens der Eisenbahntruppen kann nicht mit den grossen Feldübungen in Verbindung gebracht werden, da diese von zu kurzer Dauer sind, wohl aber z. B. mit den Uebungen der Fuss- artillerie im Belagorungskrieg. Ein solcher Bau hat in der Zeit vom 28. August bis 8. September v. J. von der Station Zinna (bei Jüterbog) der Militärbahn ausgehend, an Trenenbrietzen Belzig vorbei bis Sichartedorf (anf dem Truppen-Uebungsplatz Loburg) stattgefunden. Dem Bau war nicht nur eine operative Idee zu Grunde gelegt (Verbindung des Belagorungs- parks vor einer grösseren Festung mit dem gewöhnlichen Bahnnetz), sondern es waren auch ein vollständiger Artillerie-Belagerungstrain und die Verpflegungsmassen zu befördern. In neun Arbeitstagen war die 83 km lange schmalspurige Bahn vollständig gestreckt, wobei man, abgesehen von den vielfachen Ueberbrückungen in Holzbau, auch eine eiserne Kriegs- brücke (über das Thal der bei Brandenburg in die Havel mündenden Plaue hinweg) anzulegen hatte. In der Zeit vom 9. bis 16. September war der gesammte Transport, der ein Umladen auf die schmalspurigen Wagen bedingte, in vierzehn täglichen Zügen abgelassen. Das in dieser Zeit gleichfalls auf der Feldbahn beförderte Garde-FuBsartillerie-Regünent hatte inzwischen die Batterien gebaut und armirt und konnte die Eröffnung des Feuers markiren. Diese Uebung kann als epochemachend in der

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Geschichte des Kriegs-Eisenbahnbanes gelten und hat alsbald auch in der Presse des Auslandes (»Revue militaire de l’Etranger«, Novemberheft, bekanntlich redigirt im französischen Grossen Generalstabe) Beachtung gefunden. Die leichte Feldbahn hat sich dem Transport schwerster Lasten gewachsen erwiesen. Sie bildet, wie die Münchener »Allgem. Zeitung«, der wir das Vorstehende in der Hauptsache entnommen, bemerkt, »einen Kraftzuschuss für offensive Kriegführung, wie er stärker wohl kaum gedacht werden kann«. In gleicher Weise gilt dies für den Festungskrieg.

Der Etat 1897/98 enthält eine auf sieben Jahre vertheilte erhebliche Forderung für die Vermehrung des Feldbahnmaterials der Feldarmee unter Ausnutzung der inzwischen auf diesem Gebiete gemachten technischen Fortschritte und der bei den Uebungen mit Feldbahnmaterial gemachten Erfahrungen. Aus dem bisherigen Material soll der einer Vermehrung bedürftige Bestand für Zwecke des Festungskrieges ergänzt werden. Nach dem Etat 1898 hat ein Wettbewerb zur Gewinnnng einer für alle Zwecke brauchbaren Kriegs-Eisenbahnbrücke stattgefunden.

üeberbrückungen über Gewässer haben bei beiden Kaiser- manövem 1896 und 1897 nur eine beschränkte Rolle gespielt. Das I. bayerische Armeekorps hatte zum 6. September eine Pontonbrücke über den Main bei Seligenstadt geschlagen, welche von der 1. und 2. Infanterie- Division benutzt wurde. Ueber die kleineren Gewässer sind die vor- handenen üebergänge, an denen nirgends Mangel war, noch durch solche aus Vorgefundenem Material ergänzt worden (vergl. Heft 4, S. 173 u. s. w.). Die mitgeführten Faltbootwagen der Kavallerie-Regimenter sind meines Wissens nirgends zu Üeberbrückungen herangezogen worden; es fehlte eben an einem Bedürfniss dafür.

Was Lagerung und Verpflegung betrifft, so wurde beim Freilager stets die tragbare Zeltausrüstung benutzt. Die Verpflegung geschah unter ausgedehntester Verwendung von Konserven. Das Zeltaufschlagen geschieht sehr rasch, bei der Feldartillerie sah ich nur den Aufbau grösserer Zelte, bei der Infanterie häufig auch den Gebrauch der Zeltbahn als Regen- mantel. Das Wasserholen geschah in zusammenlegbaren Eimern aus wasserdichtem Segeltuch von grösserem Inhalt, die leicht und bequem zu tragen sind und das Entsenden grösserer Abtheilungen zu diesem Zweck entbehrlich machen. Die Tagesportion in Konserven führt der Mann im Brotbeutel mit, einige Stücke Holz unter der Tomisterklappe. Die Leute kochen zu vier Mann zusammen. Meist hat man jetzt gemischte Kon- serven, die Suppe, Gemüse, Fleisch in Einem enthalten. Man hat gar nicht nöthig, erst auf die Kolonnen zu warten, mit dem Aufschlagen des Zeltlagers kann gleich das Abkochen beginnen, in einer halben Stunde ist die Portion fertig. Die Portion für den folgenden Tag wird im Laufe des Nachmittags oder Abends ausgegeben. Für Holz, Stroh, Fourage und Konserven sind an verschiedenen Stellen des Manövergeländes Magazine angelegt, von wo die Manöverbedürfnisse durch Vorspannwagen den Truppen zugeführt werden. Der ganze Verpflegungsapparat hat in beiden Jahren sehr gute Dienste geleistet.

Den Versuchen mit Feldkochmaschinen habe ich bei verschiedenen sonstigen Gelegenheiten beigewohnt, so während des internationalen medizinischen Kongresses zu Berlin 1890, auf der Ausstellung des Rothen Kreuzes in Leipzig 1892 u. s. w. Besonders ist mir hier die Feldkoch- maschine des Majors a. D. Hahn (Berlin) als praktisch aufgefallen. 8ehr günstig lauteten über dieselbe die Urtheile auf Grund der Versuche beim Königlich Sächsischen XII. Armeekorps. Weitere Vervollkommnungen seiner

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Kriegstechnisches von den deutschen Feldübungen.

Konstruktionen, die das gesamtste Feldgeräth und die Zeltanlage umfassen, zeigten die Ausstellungen in Berlin 1896 und 1897.

Der Fesselballon als Mittel zur Erkundung der gegnerischen Maass- nahmen erfährt bei uns eine immer steigende Berücksichtigung, ln den EtatB von 1893 und 1894 kam eine grössere Forderung vor behufs Ein- führung der Verbesserungen auf dem Gebiete der Luftschifffahrt in die Feldausrüstung der Luftschiffer -Abtheilung. Eine noch erheblichere For- derung vertheilt sich auf die Etats 1898 bis 1901. Die Fortschritte der militärischen Luftschifffahrt und die gründliche Erprobung kriegsmässig auf- gostellter Luftschiffer-Formationen machen es erforderlich, die vorhandene Feldausrüstung zu ergänzen und zu verbessern. Gleichzeitig soll die Feld- ausrüstung für diejenigen Formationen beschafft werden, welche künftig im Mobilmachungsfalle über die bisherige Zahl hinaus aufgestellt werden müssen. Zur Gewinnung der fiir Feld-Luftschiffer-Formationen erforder- lichen Offiziere, welche besonderer Ausbildung bedürfen, besteht seit 1. Oktober 1897 eine Luftschiffer-Lehranstalt mit einjährigem Lehrgang für Offiziere anderer Waffen. Es handelt sich namentlich um solche Offiziere, welche die Kriegsakademie besucht haben und somit eine be- sondere Vorbildung für die Generalstabsgeschäfte besitzen. Umgekehrt ist es auch nothwondig, dass das Stammpersonal der Luftschiffer-Formationen durch Dienstleistung beim Generalstab der Truppen sich mit dem Dienst desselben vertraut macht; Beides muss in Wechselwirkung stehen. Zu den Kaisermanövern der beiden letzten Jahre waren Feld-Luftschiffer- Abtheilungen aufgestellt und in die Ordre de bataille eingetheilt worden. Durch trübe Luft, Regen und starken Wind wurden die Beobachtungen wesentlich erschwert, an einzelnen Tagen, wie am 12. September 1896 und am 6. September 1897, unterblieb das Aufsteigen der Witterungs- verhältnisse halber als zwecklos gänzlich. An hellen Tagen leisteten sie gute Dienste, der künftig ausschliesslich zur Verwendung kommende Drachenballon von Premierlieutenant v. Siegsfeld der Luftschiffer- Abtheilung und dem Königl. bayer. Hauptmann Parseval ist auch bei starkem Winde stabil und verwondungsfähig. Der Haupttlieil, von cylin- drischer Form mit halbkugelförmigen Enden, wird durch die Wechsel- wirkung zwischen dem Druck der Gase und der in einer besonderen Abtheilung durch einen Trichter eindringenden atmosphärischen Luft in seiner Gestalt erhalten. Die normale Lage ist schräg aufgerichtet, die Luftabtheilung zu unterst. Am hinteren Ende unterhalb wird der Ballon von einem länglichen Sack umfasst, dem sogenannten Kragen, der mit Luft gefüllt ist; hierdurch wird der Ballon in seiner Lage erhalten. Die Stabilität wird noch durch einen an einem langen Seil befestigten kleinen ringförmigen Ballon, die sogenannte Rose, vermehrt, an welcher noch eine dem Schwanz eines Drachens entsprechende Verlängerung angebracht ist. Das Haltekabel ist am Vorder-, der Korb unter dem Hintertheil des Ballons befestigt.

1896 hatte jede der beiden Armee-Abtheilungen eine Luftschiffer- Abtheilung. Jede derselben führte einen gewöhnlichen oder birnenförmigen und einen Drachenballon mit, die abwechselnd gebraucht wurden. 1897 ist bei jedem der beiden preussischen Armeekorps eine Abtheilung gewesen, die nur Drachonballons mitführten. Die bayerische Armee-Abtheilung hatte nur eine Luftschiffer-Abtheilnng mit ausschliesslich gewöhnlichen Ballons.

Das Gas wird in stählernen Flaschen in gepresstem Zustande auf dem Gaswagen mitgeführt, ausserdem hat man Kabelwagen, Ballonwagen

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Der Stand der Bewaffnungsfrage de« italienischen Heeres.

231

und Riistwagen. Die Füllung des Ballons erfordert 25 bis 30 Minuten, die Steighöhe wird meist gegen 400 m betragen. Die Gaswagon der Luftschifter-Abtheilungen marschiren als Gaskolonne hinter der ersten Staffel der Munitions-Kolonnen und Trains (vergl. Felddienst-Ordnung S. 123).

Was die Stellung des Ballons zur Truppenaufstellung betrifft, so wird dieselbe zwar je weiter nach vorn um so günstiger sein, sich aber doch einigermaassen nach der Wirkungsweite der gegnerischen Waffen zu richten haben. Ob bei den Uebungen dem möglichen feindlichen Feuer genügend Rechnung getragen wird, wollen wir nicht entscheiden; vielfach wurde die Ansicht laut, dass die Fesselballons im Ernstfälle weiter Zurückbleiben müssten. Schon die Manöver haben gezeigt, dasB der Werth dieses Kriegsmittels sehr von äusseren Umständen abhängt, im Kriege dürfte dies noch schärfer hervortreten. Bei der Ausdehnung der heutigen Schlacht- stellungen wie bei der erschwerten Erkennung der gegnerischen Auf- stellungen bilden sie gleichwohl ein unentbehrliches Beobachtungsmittel, dessen höchste Vervollkommnung man anstreben muss. j. Schott.

Der Stand der Bewafftmngsfrage des italienischen

Heeres.

Ein Rechenschaftsbericht der Heeresverwaltung, den der italienische Kriegs minister, Generallicutenant Pelloux, nach Beinern Rücktritt ver- öffentlicht hat, was auch 1893 bei gleicher Veranlassung geschehen war, und ein Gesetzentwurf über die Bewilligung von ausserordentlichen Heeres- kosten für das Quinquennat von 1898 bis 1902, welchen er kurz vor seinem Rücktritt der Kammer vorgelegt hat, lassen erkennen, dass unter seiner verdienstvollen Verwaltung die Umbewaffnung des Heeres mit dem neuen Infanteriegewehr und Karabiner M/91 einen gewissen Abschluss gefunden hat und dass die Frage der Neubewaffnung der Feld- und reitenden Artillerie ihrer Lösung entgegengeführt ist.

Die neue Waffe, Carcano-Mannlieher M/91 mit 6,5 mm-Kalibor, deren Herstellung im Jahre 1892 begann, ist jotzt (Januar 1898) in den Händen

sämmtlicher Linien-Infanterie-, Bersaglieri-, Grenadier- und Kavallerie- Regimenter des stehenden Heeres,

aller Truppentheile der Alpini einschliesslich ihrer Landwehr- und Landsturm-Formationen,

der Legion der Karabinieri-Zöglingo, der Karabinieri-Legionon von Cagliari und Palermo,

der in Afrika stehenden Truppen (die augenblicklich etwa 9000 Mann stark sind); in der Kolonie ist eine für alle Fälle ausreichende Reserve von Gewehren M/91 niedergelegt.*)

Die Gewehrbeständo für die Landwehr und Besatzungstruppen gehen ihrer Vollendung entgegen. Da für das laufende Rechnungsjahr noch die Gelder für die Herstellung von 80 000 Gewehren flüssig sind, bleibt im nächsten Rechnungsjahr nnr noch wenig zu thun. In diesem wird dann

*) Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass Anfang Januar eine ausserordentliche Inspektion des Artillerie- und Geniematerials und der artilleristischen Ausrüstung der Befestigungen in Erithrea durch General de Maria angekündigt wurde.

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Der Stand der Bewaffnungsfrnge de« italienischen Heeres.

das Vetterli-Gewehr 1870/87 auch aus den Reihen des Landsturms ver- schwinden. Es besteht die Absicht, im Ganzen noch 300 000 Gewehre herzustellen, bo dass dann die Gesammtzahl der Ausrüstung sich auf 1 050 000 erheben wird; die Kriegsstärke aller Waffen am 1. Juli 1897 wird von dem Minister auf l 088 744 Mann berechnet.

Die erforderliche Munitionsausrüstung ist ebenfalls vorhanden. Sie beträgt auf den Mann 256 Patronen, von denen er 144 selbst trägt; für die Alpini und Bersaglieri sind 296, für den Kavalleristen 150 Patronen bestimmt. Auch für das neue Gewehr ist eine Schrotpatrone (cartuccia a mitragliera) gefertigt, welche für den Wachdienst der Trappen und den Sicherheitsdienst der Karabinieri zur Verwendung kommt. Da sie sich in Italien bewährt hat, so erscheint es der Erwägung werth, ob sich ihre Einführung nicht auch für andere Staaten empfiehlt, um die Gefahren der weittragenden und durchschlagskräftigen modernen Patrone in der Hand des Wachtpostens abzuschwächen.

Gerade zur rechten Zeit ist eine Schrift des Artilleriekapitäns und Lehrers an der Militärschule zu Modena, Cascino,*) erschienen, um die Behauptung, dass die italienische Armee nunmehr mit der besten modernen Infanteriewaffe ausgerüstet ist, wenigstens in Bezug auf ihre Durchschlagskraft mit Zahlenangaben zu erhärten. Das 10,45 g schwere und 30 mm lange Geschoss des 6,5 mm-Gewehrs besitzt eine Anfangsgeschwindigkeit von 700 m und eine Umdrehungsgeschwindigkeit von 3500. Dank diesen Eigenschaften beträgt die Durchschlagskraft gegen gewöhnliche Erddeckungen, je nachdem dieselben durchweicht, vollkommen trocken oder mässig feucht sind,

auf 600 m

1,25 m

1000 »

0,90 »

1500 »

0,70 >

2000 »

0,60 »

0,80 m 0,60 m

0,65 » 0,46 >

0,45 » 0,35 >

0,20 > 0,20 »

Einen Anhalt für die Wirkungen auch auf andere Deckungen giebt folgende Uebersicht der Stärken, die dem 6,5 mm-Gewehr auf kleine Ent- fernungen und anhaltendem Feuer gegenüber erforderlich wären.

Gewöhnlich anpcfcnchtete Erde . 1,60 m

Trockene Erde 1,10 »

Lehm, thonhaltige Erde . . . 1,50 >

Sandiger Boden 1,00 »

Sand 0,80 »

Kies zwischen Brettern . . . 0,20 » Weiches Holz ....... 1,40 >

Hartes Holz 0,70 m

Mauerwerk 0,60 *

Flussstahl oder schmiedeeiserne

Platten 16 mm

Hartstahlplatten 8 »

Loser Schnee 4 m

Es erhellt ohne 'Weiteres, dass die bisher gültigen Maasse für Deckungen bedeutende Korrekturen erfahren müssen. Cascino spricht dem 6,5 mm- Geschoss die Kraft zu, noch auf 4000 m einen Mann gefechtsunfähig zu machen. Seine Durchschlagskraft dem französischen Lebel-Geschoss gegen- über beziffert er etwa wie 3 : 2.

Der eingangs erwähnte Gesetzentwurf sieht für die Herstellung von Gewehren und Karabinern, Munition und Zubehör, Offizierrevolvern, Auf- sätzen für Gewehre u. s. w. 20 Millionen Lire vor. Wenn italienische Militärblätter mitGonugthuung darauf hinweisen, dass also die Umbewaffnung des Heeres innerhalb von fünf Jahren ohne Inanspruchnahme ausser- ordentlicher Bewilligungen erfolgt sei, so ist daran zu erinnern, dass diese Sparsamkeit doch auch recht traurige Früchte gezeitigt hat, insofern der abessinische Krieg und Adua mit veralteten Infanteriegewehren durch-

*) Armi da fuoco portatili; la penetrazionc. Rom, Voghera. 203 S. 2,50 Lire.

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Der Stand der Bewaflnungsfrnge de« italienischen Heeres*

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gefochten werden mussten, welche denen des barbarischen Gegners durchaus unterlegen waren.

Aus dem Gesetzentwurf geht ferner hervor, dass nunmehr, da die Gewehrfrage als gelöst für die italienische Heeresverwaltung in den Hinter- grund tritt, letztere nunmehr der Geschützfrage energisch näherzutreten gedenkt. Der Minister bezeichnet das über 20 Jahre alte 7 cm-Material C/74 für reitende und fahrende Batterien als durchaus ersatzbedürftig, während das 9 cm-Material C/81 für nur fahrende Batterien eher noch heutigen Anforderungen entspreche. Immerhin seien auch für dieses Aenderungen an Geschütz und Laffete nöthig, und diese Umformungen ständen dicht vor dem Abschluss. Nähere Angaben werden nicht gemacht, doch darf man annehmen, dass es sich um Adaptirungen ähnlicher Art handelt, wie sie das österreichische Feldgeschütz-Material erhalten hat, eine besondere Schnssbremse mittelst Pflugschar oder Spaten, Sicherheits- vorrichtungen für die Bedienung bei Schnellfeuer u. s. w. Im Gegensatz zu manchen sachverständigen Stimmen bezeichnet der Minister endlich das derzeitige italienische 7 cm-Gebirgsgeschütz als >dem anderer Mächte nicht unterlegen«. Immerhin seien auch für diese 'Waffe Studien zur Gewinnung eines neuen Modells in die Wege geleitet. Erinnert sei daran, dass italienische Schnellfeuer-Gebirgsgeschütze bereits in der Schlacht von Adna in Tliätigkeit getreten sind. Die Regierung hatte dem General Baratieri kurz vor der Schlacht zwölf Schnellfeuergeschütze neuer Kon- struktion übersandt, die dieser, in zwei Batterien eingetheilt, der Reserve- Brigade Ellena überwies. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften kannten das Material nicht oder nur nothdürftig; auch sonst erlaubten die eigen- thümlichen Verhältnisse der Schlacht keine sichere Schätzung des artilleri- stischen Werthes dieser Geschütze, die trotz heldenmüthiger Haltung von Offizieren und Mannschaften, nachdem sie sich verschossen hatten, in die Hände der Abessinier fielen. Nach der »Rivista d’Artiglieria« haben diese Stahlgeschütze ein Kaliber von 42 mm, eine Länge von 1,64 m und ein Gewicht von 67 kg. Das Rohr ruht auf einer Räderlaffete von sehr geringem Rückstoss. Die Ladung, die aus 400 g Filitpulver (Balistit) besteht, ist in eine Messingbüchse gebracht, auf der das Geschoss, Granate oder Kartätsch- geschoss, aufliegt. Die doppelwandige 1 kg wiegende Granate erreicht eine Anfangsgeschwindigkeit von 475 m und zerlegt sich in 40 Sprengstücke von mittlerem Gewicht von 25 g. In der Minute können 12 bis 15 Schuss abgegeben werden.

In Bezug auf die Gewinnung eines Modells für ein neues Schnellfeuer- geschütz der reitenden und fahrenden Batterien hat das Kriegsministerium vor längerer Zeit ein Preisausschreiben an die leistungsfähigsten Fabriken des In- und Auslandes erlassen. Von den eingegangenen Modellen sind sechs, und zwar vier des Auslandes, je eins der Geschützfabriken von Turin und Neapel, vom 5. Januar an durch die mit der Central-Schiess- schule vereinigte Ober-Direktion für Versuche auf dem Schiessplatz von Nettuno eingehend geprüft worden. Die Versuche, zu denen Batterien von drei verschiedenen Regimentern herangezogen sind, standen unter Leitung des neu ernannten Generalinspekteurs der Artillerie, Adami.

Der Minister berechnet als bereits verfügbar für das neue Ersatz- geschütz des bisherigen 7 cm-Geschützes und für die Aenderungen am 9 cm-Geschütz 8 bis 9 Millionen Lire; der erwähnte Gesetzentwurf verlangt dafür weiter 18 Millionen Lire. In zwei anderen Titeln sind für Her- stellung von Geschützen grossen Kalibers für Küstenschutz 3 */a Millionen Lire und für Festungsausrüstung mit Artilleriematerial 7 Millionen Lire gefordert.

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Kleine Mittbeilungen.

Der Wechsel im Kriegsministerium wird in Italien einstimmig als ein Wechsel lediglich der Person und nicht der Grundsätze und Anschauungen bezeichnet, und alle Wahrnehmungen unterstützen bisher diese Behauptung. So ist die Hoffnung begründet, dass Generallieutenant Asinari di San Marzano auch in Bezug auf Bewaffnungsfragen die Wege seines Vorgängers wandeln und namentlich den oft genannten Gesetzentwurf, der eine stetige Entwickelung nach einheitlichem Plan auf jenem Gebiet wie auf anderen gestatten würde, innerlich und äusserlich zu dem seinen machen wird.

v. Gr.

Kleine Mittheilungen.

Sir Henry Bessemer f. Mitte März d. Js. starb, reich begütert, auf seinem Landsitz bei London im hoben Alter von 86 Jahren der nm die Eisen- und Stahl- industrie hochverdiente Ingenieur Sir Henry Bessemer, nach dem das von ihm 1856 erfundene Verfahren der »Herstellung von Stahl durch kräftige Einwirkung ein« Luftstromes auf flüssiges Roheisen«, d. i. der Bessemer- oder Converter-Prozess, benannt ist. Hat auch der Bessemer-Gussstahl für die Kriegstechnik unmittelbar nur eine untergeordnete Bedeutung, da die für Waffenfabrikation in Betracht kom- menden Qnalitätsstahle nur im Martinprozess und in höchster Reinheit, und Homo- genität im Tiegelguss-Vcrfnhren herzustellen sind, so war seine Erfindung doch mittelbar insofern von grossem Einfluss auf die Waffenteehnik, als der dadurch ver- ursachte ausserordentliche Aufschwung im Hüttengewerbe im Allgemeinen anregend und befruchtend auf die Kriegsmaterial-Industrie wirken musste. Beiläufig sei bemerkt, dass der Bessemer-Prozess der deutschen Stahlfabrikation erst durch seine durch Thomas und Gilchrist (1878) erfolgte Umgestaltung in vollem Maasse zu gute kam, da erst hierdurch die deutschen Hütten unabhängig wurden von der Einfuhr fremden phosphorarmen Roheisens, das für das eigentliche Bessemer- Verfahren Grundbedingung ist. Aber auch in der Geschichte der Kriegstechnik im engeren Sinne verdient Bessemere Name hervorgehoben zu werden. Er war es, der Mitte der 1860er Jahre in Vorschlag gebracht hatte, ans glatten Vorderladern dadurch die Verwendung von Langgeschossen zu ermöglichen, dass am Geschossmantel (ballförmig gewundene Kanäle angebracht wurden, durch die ein Theil der Pulvergase hindurchströmen und so das Geschoss zu einer drehenden Bewegung um seine Längsachse zwingen sollte. Durch diese Erfindung kam er zu Napoleon III. in Beziehung und zu Minie, dem Erfinder des nach ihm benannten gezogenen Vorderlader-Gewehrs mit Langgeschossen mit Expansionsführung, an deren Durchbildung er auch einen Antheil hatte.

Ein russischer Zielapparat. In der »Rivista di Artiglieria e Genio« Januar 1898 •wird ein von dem russischen Kapitän Hilferding erfundener Zielapparnt, der mit Erfolg bei Truppentheilen der Garnison Rom eingeführt ist, beschrieben. Das Anflage- gcstell des Apparats ruht fest auf vier durch Querstreben verbundenen Beinen, welche zwei Platten tragen (Abbild. 1). Die untere Platte (Fig. 6) ist unbeweglich, während die obere (Fig. 4) wagcrechte Verschiebung zulässt. Beide Platten werden durch eine drehbare, durch sie hindnrehgehende Achse (Fig. 2) in ihrer Lage erhalten. Die obere bewegliche, um diese Achse drehbare Platte trügt vorn (Fig. 1) und hinten je eine senkrechte Stütze zur Auflage der Walle, die vordere Stütze bewegt sich in der Aus- bohrung c der olieren Platte. Auf der Platte (Fig. 4) gleitet zwischen zwei Lauf- schienen (b b) eine geneigte Ebene (Fig. 8). Diese vermag die vordere Stütze mittelst deren Ansätzen zu heben und zu senken, je nachdem sie selbst vor- oder zurück-

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Kleine Mittheilungen.

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bewegt wird. Sie zeigt zu dem Zweck in ihrer Mitte einen Ausschnitt, welcher dem unteren Theil der Stütze entspricht. Die obere Platte nebst der hinteren Stütze a wird mittelst eines Handgriffes, der sich unter der Stütze befindet, bewegt und bringt so die Verschiebung des Gewehrs und der Visirlinie in wagerechter Richtung zu- wege. Die Vor- und Rückbewegung der geneigten Ebene ruft die Verschiebung der vorderen Stütze und der Waffe in senkrechter Richtung hervor. Für das regelrechte Arbeiten des Apparats ist es, wie der Erfinder hervorhebt, erforderlich, dass die Bewegung der vorderen Stütze eine ungehinderte ist, und dass die Berührungsflächen der beiden Platten und die Leitschienen der geneigten Ebene gut geglättet sind. Wir

r*1 n»z Abbild. 1

glauben, dass namentlich für feuchtes Wetter es sogar wünschenswerth sein wird, dass die Flachen und Schienen polirt und geölt sind. Unter dieser Voraussetzung scheint uns der Vorzug des Apparats darin zu liegen, dass er auch kleinste Ver- schiebungen zulässt und jede Willensilusserung des Zielenden festlegt und der Prüfung durch den Vorgesetzten zugänglich macht: ein unbeabsichtigtes Federn und Zurück- springen wie bei dem Kugelgelenkapparat, ein Verzichten auf die Anforderung äusserster Genauigkeit, zu der das Zielen auf dem Sandsack oft veranlasst, kommt hier in Fortfall. Da der Apparat ganz aus Holz (womöglich Eiche, sonst Buche oder Tanne) hergestellt wird, so erscheint seine Herstellung mit den Mitteln der Kompagnie u. s. w. möglich ; Kapitän Hilferding berechnet seine Kosten auf 60 Kopeken,

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Kleine Mittheilungen.

also etwa 1,20 Mk., der Preis wird sich allerdings bei höheren Holzpreisen für nns wohl steigern. Kine Vervollkommnung des Apparats durch Verwendung von Vertikal- und Horizontalschrauben, die ihn dann zu einer Art Messtisch mit Kippregel im Groben machen würden, liegt nahe und würde auch wohl die Kosten nicht erheblich steigern. v. Gr.

Pfahlsprengungen unter Wasser auf dem Rhein bei Kehl. Nach dem Eingehen der Schiffbrücke auf dem Khein bei Kehl, welche durch eine feste Brücke ersetzt wurde, waren die zum Schutze der ersteren angelegten Eisbrecher überflüssig geworden. Diese bestanden aus in den Flussgrnnd eingerammten Pfählen, auf deren Köpfen in schräger Lage ein cisenbeschlagener Holm aufgebracht war. Ein Kommando des Badischen Pionier-Bataillons Nr. 14 hatte diese Pfähle mittelst Sprengung der- selben unter Wasser zu beseitigen und führte dieselbe im Monat Februar aus. Die Pfühle wurden im Allgemeinen durch Bohrladungen gesprengt. Die Bohrlöcher erhielten eine Tiefe von 2 bis 4 m, da die Pfähle 1 m unter zt 0 des Kehler Pegels abgesprengt werden sollten. Das Einbringen der Bohrladungen erfolgte folgender- maassen: Die Ladung wurde an eine Schnur gebunden, in das Bohrloch gesteckt, sodann angezündet und mittelst eines Stängchens hinuntergestossen ; hierauf wurde das Loch mit Wasser gefüllt und die Maschine (aus Pontons des Brückentrains her gestellt) abgesetzt. Die Wirkung der Sprengung richtete sich hauptsächlich nach der Lage des Bohrloches. Trotzdem die Bohrladung mit Rücksicht auf die theilweise starke Verspannung der Pfähle (im Kies des Flussgrundes) um zwei Patronen ver- stärkt war (nach der Sprengvorschrift hätten fünf Patronen genügen müssen, während sieben genommen wurden), mussten mehrere Pfähle eine zweite Ladung erhalten, da die Bohrlöcher nicht genau central gebohrt waren. Um solches zu vermeiden, muss daher bei tiefen Bohrlöchern auf centrales Bohren sehr geachtet werden. Die Pfähle, bei denen die Wirkung nicht genügte, nun, ohne frische Löcher zu bohren, nochmals mit Bohr- ladungen zu sprengen, erschien nicht zweckmässig, weshalb Sprengpatronen zur Ver- wendung kamen. Eine einzige Sprengpatrone, auf einem angespitzten Brett befestigt, ciuerliegend an der Oberstromseite des Pfahles angebracht, wirkte vorzüglich, trotzdem die Pfähle 45 cm Durchmesser hatten. Doch nnr da konnte dies Verfahren angewendet werden, wo das Brett mit der Ladung auf den Grund zu stehen kam. Bei starker Strömung und grossen Tiefen würde es sich empfehlen, die Ladung hinter einer Schutzschale, welche vorher oberstrom auf den Pfahl geschoben wird, anzubringen. Bei Sprengungen auf dem Wasser, wo man sich eines Fahrzeuges bedienen muss, darf die Zündschnur nicht kürzer als 1 m sein, da das Absetzen immerhin einige Zeit in Anspruch nimmt. Zeitresultate: 1. Das Herstellen eines glatten Kopfes am Pfahl (86 bis 40cm stark) durch Absagen (zwei Mann) dauerte rund l/j Stunde; 2. Bohren in Eichenholz pro lfd. m zwei Monn 3/i Stunden: 3. Herstellung einer Bohrladung, sieben Patronen in einem Blechcylindcr nebst Zündung und Dichten der Ladung gegen Feuchtigkeit, rund 6 Minuten ; 4. Auswuchten eines 2,8 bis 3 m unter der Kiesbank bezw. dem Wasser abgesprengten Pfahle« mit Zugwinden (zwei Mann) etwa 10 bis 15 Minuten.

Steigeisen für Militärtelegraphie. Zur Erleichterung des Ersteigen« von Telegraphenstangen ist bei der Kavallerie und den Pionieren, welche bei uns einst- weilen noch die Feldtelegraphen -Abtheilungen aufzustellen haben, während die Festungstelegraphie eine anderweitige Organisation besitzt, ein Steigeisen eingeführt, wie es in Abbild. 1 dargestellt ist. Es besteht ans zwei vernieteten schmalen Flach- eisen, von welchen das untere an der einwörtigen Seite einen Dorn a trägt, welcher beim Ersteigen einer Stange fest in dieselbe eingestossen wird. Auf der auswärtigen Seite geht das Flachcisen in zwei rechtwinklige Ansätze über, von denen der nach vom

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Kleine Mittheilungen.

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gerichtete breitere Ansatz die Fusssohle unterstützen soll ; der nach hinten gerichtete schmalere Ansatz lehnt sich seitlich gegen den Stiefelabsatz. Durch zwei am Steig- eisen angebrachte Schnallriemen b wird dieses am Fusse befestigt, wobei der vordere

Riemen über den Spann, der hintere Riemen über den Hacken zusammengezogen wird. Diese Art der Steigeisen liisst sich von dem Kavalleristen bequem in der Satteltasche fortschaflen und ist auch für den Gebrauch an den gewöhnlichen glatten Telegraphcnstangen sehr geeig- net, aber zum Einhauen des Doms a bedarf es immer einer gewissen Kraft bei amgebogenem Fusse, auch ist die Stellung dieser Steigeisen an der Tele- graphenstange ziemlich ermüdend.

Bei unseren Eisenbahntruppen ist ein etwas anders konstruirtes Steigeisen in Gebrauch, wie es Abbild. 2 zeigt.

Dasselbe ist 36 cm hoch, die Tritt- fläche b hat eine Breite von 9 cm ; bei a sind Oesen zum Durchziehen von Kiemen d behufs Festschnallens am Bein angebracht ; die an einem längeren Riemen befindliche Schlaufe mit Loch- vierkant wird über die scharfe Spitze c gestreift und verleiht dem Steigeisen Haltung und dem Bein die erforderliche Steifigkeit. Aus der Abbildung ist auch der Gebrauch dieser Steigeisen

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Kleine Mittheilangen.

an der Telegraphenstange zu ersehen, nnd auch hier bedarf es des festen Einschlagens des Hakens c in die Stange, nnd wenn auch in geringerem Umfange, so tritt doch auch hier bei der Arbeit leicht Ermüdung ein.

Diesem Uebelstande suchen die von der Firma W. Kücke & Co. in Elberfeld konstruirten Steigeisen abzuhelfen, welche den Dorn nicht hoben und des Ein- schlagens nicht bedürfen, son- dern sich mit ihren bogen- förmig gebildeten Armen um die Telegraphenstange fest anlegen. Die einfachste Art zeigt Abbild. 3, wobei der Fuss mit der Hohle in den Tritt eingesetzt und der Kiemen über Spann und Ferse zu- sammengezogen wird. Auch hierbei ruht der Fuss nur auf dem schmalen Tritt, wfihrend für die anderen Steigeisen (Abbild. 4 und ö) vollständige Fussplatten vor- gesehen sind. Dabei ist das Steigeisen Abbild. 6 verstell- bar eingerichtet, während die übrigen in den Bügeln fest- stehen und für sie daher bei der Beschaffung der ge- wünschte Durchmesser an- gegeben werden muss. Die Abbild. 6. Verstellbarkeit ist in Abbild. 5

durch die zweierlei Stangen- stärken fpunktirte Linie) angedeutet; auch sei auf die geschürfte Innenseite des Bügels hingewiesen. Für dieses Muster ist ein deutsches Reichspatent crthcilt worden, während das in Abbild. 6 dargestellte Steigeisen, bei dem auch wegen der feststehenden Bügel der Durchmesser anzugeben ist, patentamtlich geschützt. Bei

diesem Steigeisen wird durch die an- gebrachten scharfen Spitzen durch Eindrücken derselben in die Stange eine grosse Sicherheit gewährleistet.

Zu den Steigeisen gehört ein lederner Hülfsgurt, wie er in der Art der Abbild. 7 bei uns eingeführt ist. Dieser Gurt hat den Zweck, dem oben an der Stange arbeitenden Mann einen festen Halt zu geben, damit er beide Hände zur Arbeit frei hat. Der um den Leib zu schnallende Gurt hat vorn auf der einen Seite einen Kiemen mit einem Karabinerhaken und ist auf der andern Seite mit einem Ring ver- sehen. Dieser Kiemen wird um die Stange gelegt und dann mittelst Karabinerhaken in dem King befestigt. Abbild. C. Wenn nun dieser einfache Ledergurt

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Kleine Mittheilungen. Bücherschau.

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genügend erscheint, so verdient der verbesserte Kückesche Hülfsgnrt der Abbild. 8 doch den Vorzog, weil er eine doppelte Schnallvorrichtung besitzt und also noch brauchbar ist, wenn eine Schnallstrippe etwa durchgerissen ist. Die an dem Küekesehen G urt angebrachte Werkzeugtasche erscheint als ein weiterer Vortheil. Es wäre vielleicht zweckmässig, mit den neuen Kiiekeschen Mustern Versuche anzustellen; dabei wäre anzuregen, ob für den Kavallerie-Tele- graphisten nicht die Hülfsgurtvorrichtuug unmittelbar am Leibriemen selbst an- zubringen sei; da der Sttbel am Sattel befestigt ist, liesse sich dies unschwer aus- führen, und der betreffende Kavallerist würde ein Stück weniger bei sich zu führen haben und gegen das Verlieren desselben mehr gesichert sein. Pioniere, sowie Eisenbahn- und Telegraphentruppen würden dagegen zweckmässiger den Küekesehen Hülfsgnrt mitzuführen haben.

Aber auch die Küekesehen Bogen-Steigeisen werden die Dorn-Steigeisen mehr nnd mehr verdrängen, sobald die Anwendung von eisernen Telegraphenstaugen eine grössere Ausdehnung angenommen hal>en wird, da bei diesen die Dorn-Steigeisen vollständig werthlos nnd unbrauchbar sind.

Abbild. 7.

Bücherschau, «es*

Die Fuhrwerks-Theorie. Ein Leitfaden zum Selbstunterricht für Offiziere und Einjährig - Freiwillige , Kadetten der k. u. k. Train-Truppe und für Proviant- offiziere der k. u. k. Armee von Hanns Martin Strunk, k. u. k. Bittmeister. 2. Auflage. Mit 16 in den Text ge- druckten Abbildungen. Wien. Verlag von I* W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hof- buchhändler. 1897. 2 Mk.

Wenn der Herr Verfasser in seinem Vorwort zur ersten Aufluge sagt; .Eine Kritik hält dieses Buch nicht aus«, so zengt dies von einer übergrossen Be- scheidenheit; das Buch ist vielmehr sehr anregend und verständlich geschrieben

| und erfüllt seinen Zweck, .die Leser mit den Elementen der Fuhrwerks-Lehre ver- traut zu machen und sic zum Selbst- studium dieses Fachwissens anzuregen <; ganz entschieden, andernfalls würde sich doch gewiss nicht das Bedürfniss einer zweiten Anflage geltend gemacht haben. Jedoch erscheint der Kreis, für den nach dem Buchtitel dasselbe geschrieben ist, zu eng gefasst; denn es kunn nicht nur den Trainoffizieren, sondern auch den Artillerie- offizieren sehr warm empfohlen werden und wird nm noch weiter zu gehen überhaupt von keinem Offizier, gleichviel welcher Waffe, ohne Befriedigung aus der Hand gelegt werden, der ein wenig Inter- esse für dergleichen Sachen hat. Der Verfasser setzt keinerlei besondere wissen- schaftlichen Vorkenntnisse voraus; denn

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Bücherschau.

ein wenig Geometrie (Bekanntschaft mit der Aehnlichkeit der Dreiecke u. dergl.) kann wohl von Schulzeiten her noch bei Jedem angenommen werden, dafür appellirt er an den gesunden Menschenverstand und erörtert in leichtflüssiger Darstellungs- weise die verschiedenen Momente, welche bei der Konstruktion und der Wirkungs- weise der Fuhrwerke zur Geltung kommen. Hierher gehören die verschiedenen Be- wegungswiderstände, die Mittel, dieselben zu beeinflussen, die Arbeitsleistung des Pferdes, der Einfluss der verschiedenen Anspannungsarten auf diese Leistung, ferner der Einfluss der Konstruktion der verschiedenen Theile eines Fuhrwerks auf das Fahren selbst (Achsensturz, Achsen- material, Radnabe, Speichen, Felgenbreite, Deichsel, Federn u. s. w.), die Elemente | der Fahrbarkeit der Fuhrwerke (Biegsam- keit, Stabilität, Lenkbarkeit, Beherrschung des Fuhrwerks u. s. w.) und vieles Andere mehr. Es wird somit ein überaus umfangreiches Gebiet behandelt und dabei in geschickter, fesselnder Weise Auf- klärung gegeben, so dass wir das Buch auch einem weiten Leserkreis empfehlen möchten. Fr.

Dictionnaire militaire, Encyelopedie des Sciences militaires redigee par un eomite d'officiers de toutes armes. Li- vraison: Ecoles Etat-Major; 10© Li- vraison: Etat-Major Fonds. Paris- Xancy, Berger, Levrault fct Cie.

Dieses hervorragende Lieferungswerk, zu dem massigen Preis von Mk. 2,40 (Frcs. 3, ) für die einzelne Lieferung, ist für Jeden, der sich mit französischen Hee- resverhältnissen beschäftigt, ein ebenso nützlicher wie zuverlässiger Rathgeber, und ganz besonders ist dies auch in Bezug auf die Kriegstechnik der Fall, da keins der vorhandenen Wörterbücher die vielfachen neueren technischen Ausdrücke in Heer und Marine in so genauer, knapper und dabei doch erschöpfender Weise zur Er- klärung bringt. Man pflegt derartigen Wörterbüchern den Vorwurf zu machen, dass sic schon bei ihrem Erscheinen durch die Ereignisse überholt, mithin veraltet sind. Es geht dies aber zu weit, denn einmal veralten viele der dargebotenen Mit- theilungen niemals, sondern haben dauernde Gültigkeit und zum Anderen bietet ein solches Werk in dem ganzen Entwickelungs- gange der Militärwissenschaft eine so wich-

I tige Etappe, dass die damit verbundenen | angedeuteten Xachtheile kaum ins Gewicht fallen. Gern hätten w'ir gesehen, dass bei allen technischen Worten auch die Angola* in den anderen Sprachen erfolgt wäre, was beispielsweise bei dem bedeutsamen Ar- tikel »Fabricatiou« und manchem anderen erwünscht war. Dieses Wörterbuch sollte in der Bibliothek keines deutschen Trappen theiles fehlen.

Die Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. 33. Jahrgang,

No. 10 enthält einen sehr lesenswerthen Aufsatz über die Bedeutung der grossen deutschen Manöver bei Homburg von Ulrich Wille. Der Verfasser würdigt diese Manöver in jeder Beziehung und hält sie bei einem so gut nusgebildeten und disziplinirten Heere wie dem deut- schen für höchst werth voll. Gerade die so viel angegriffenen grossen Reiterattacken werden von ihm auf das Höcliste bewun- dert, und er lässt unserer Armee über- haupt in jeder Weise Gerechtigkeit wider- | fahren. Möchten die Tadler und Klein- | müthigen diesen Aufsatz lesen und Worte wie die folgenden l>eherzigen: »Wir

rüsten uns für den Krieg, nicht für den Frieden, ist etwas, das nicht allein dann seine Gültigkeit hat, wenn es im Rathsamte dienlich ist. Die Ma- I növer bei Homburg konnten lehren, welche ' Anforderangen dafür an die Leistungs- fähigkeit der Truppen gestellt werden ! müssen. Die deutschen Truppen hal>en ge- zeigt, dass sie diesen Anforderungen ge- wachsen sind, dass die ganze Armee für den Krieg gerüstet ist und nicht für den Frieden.« »Deutschland besitzt in seiner Armee ein Kriegsinstrnment von einer Voll- kommenheit und Zuverlässigkeit wie keine andere Macht. Das konnte Europa an diesen Manövern wiederum lernen, und die ganze gesittete Welt muss sich darüber freuen. Bei dem ausgesprochenen Willeu des deutschen Kaisers, den europäischen Frieden zu erhalten, ist diese Armee der Schutz des Friedens. Es ist bewundern»- wcrtli, wenn ein mächtiger Herrscher von den bekannten Eigenschaften des deutschen Kaisers, der im Besitz einer solchen Ar- mee liegenden Versuchung, sich die I/>r beern des Siegers und Eroberers um die Schläfen zu flechten, widersteht und »eine Aufgabe darin erkennt, den Frieden in Europa zu erhalten, und bei mehreren J Provokationen schon bewiesen hat, wie heilig ernst es ihm damit ist.«

Gedruckt io der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler k Sohn, Berlin BW., Kochetrwwe Ö8-7I.

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Abbildung- 1 und 2.

Abbildung 3.

Tafel 2.

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Maxim-Gewehr als Infanteriekarrcn, abgespannt.

Abbildung 4.

Tafel 3.

Maxim Gewehr auf Galoppirlaffete.

Abbildung 6.

Tafel 4.

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Maxim-Gewehr auf Drcigcstell mit anhebbaren Rädern.

Abbildung 0.

Tafel s.

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Maxim-Gewehr auf Dreigcstell mit abnehmbaren Rädern.

Abbildung 7.

Tafel 6.

Maxim-Gewehr auf Dreigestell in Schussstellun;

Abbildun

Tafel 7.

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Maxim Gewehr auf leicht tragbarem Schiessgestell

Abbildung 9.

Tafel 8.

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Maxim-Gewehr auf Handpferd, rechte Seite.

Abbildung 10.

Tafel 9.

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Maxim-Gewehr auf Handpferd, linke Seite.

Tafel io.

Abbildung 11.

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Maxim-Gewehr in Refflaffete als Ruckenlast, 32 kg.

Abbildung 12.

Maxim-Gewehr mit RcfTlaffcte in Schiissstelhm<r

Tafel ll.

Abbildung 13.

Maxim-Gewehr auf hochzukurbelnder Brustwehrlaffete in Schussstellung.

Abbildung 14.

Maxim-Gewehr auf hochzukurbelnder lirustwehrlaffele in Transporlstcllung.

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Tafel 12.

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis» untersagte

Englische Dum-Dum-Geschosse.

Kit rier Abbildungen.

Von Seiten des Regierangstisches im Reichstage wurde kürzlich ver- kündet, dass die Einführung einer neuen Infanteriewaffe noch nicht nahe bevorstehe. Es scheint dies hauptsächlich darauf zurückzuführen zu sein, dass man sich an maassgebender Stelle über die genügende Verwundungs- fähigkeit kleinkalibriger Gewehrgeschosse, besonders solcher unter 8 mm Durchmesser, noch nicht ganz klar ge- worden ist. Auch von englischer Seite sind diesbezüglich schwere Bedenken, die sich angeblich auf die Praxis stützen, geäussert worden.

Die britisch-indischen Truppen sollen nämlich in dem Feldzuge in Tschitral die Erfahrung gemacht haben, dass die Ge- schosse ihrer 7 mm-Lee-Metford-Gewehre, welche wie unsere Geschosse 88 aus einem Bleikem mit ogivaler Spitze und einem Nickelmantel bestehen, nicht genügende Wirksamkeit gegen lebende Ziele gehabt haben.

»Durch und durch geschossene Gegner, so sagen die Berichte, bleiben ruhig im Gefecht und kämpfen, ohne wesentlichen Schaden erlitten zu haben, weiter.« Die englische Truppe, die hierdurch eine Zeit lang vollkommen das Vertrauen zur Waffe verloren hatte, half sich nun selbst, indem sie die ogivale Spitze ihres Ge- schosses des Nickelmantels entkleidete und dadurch ein sogenanntes Halbmantel- geschoss herstellte, wie solche bei uns für Jagdzwecke, besonders für 8 mm-BUchsen, in jeder Waffenhandlung zu haben sind.

Diese Geschosse , welche die Soldaten Dum -Dum -Kugeln die Bezeichnung entstammt der englischen Dum-Dum- Munitionsfabrik in Kalkutta nannten, deformiren sich beim Auf- treffen selbst auf einen weichen Körper nicht nur total, sondern spritzen sogar vollkommen auseinander, wenn sie aus grosser Nähe verfeuert

Kricgrtechnische Zeitschrift. 1 69$. ft. Heft 10

Abbild. 1.

Auf ICOm Entfernung abgeschofscne* 8 mm- llftlbmautel-Geachoss, gefunden am Rückgrat eines Rehbocke.

Wekhnasige Geschosse, im tbieriechen Körper defomirh

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Englische Dom-Dum-Geschosse.

worden. Sie erfüllen dadurch allerdings den Zweck, den Gegner sofort ausser Gefecht zu setzen, ganz vorzüglich, verursachen jedoch, wie aus einer Abhandlung des englischen Chirurgen J. Davis im * British medical Journal i hervorgeht, eine ganz ungeheuerliche zerstörende Wirkung, da Blutgefässe und Muskeln in weitem Umkreise des eigentlichen Schuss- kanals zerfetzt werden (siehe Abbild. 1). Da die Engländer neuerdings auch von Staats wegen der Truppe derartige Geschosse geliefert haben, bei denen der Kupfernickel-Mantel hinten dick, an der Spitze aber so dünn gehalten ist, dass das Blei fast zu Tage liegt., und auch für ihre Pistolen und Revolver demnächst ähnlich wirkende einführen wollen (siehe Abbild. 2), so kann das Vorgehen des französischen Abgeordneten Hubert, welcher seine Regierung ersucht hat, gegen das völkerrechtswidrige Verfahren der Engländer einzuschreiten, nur gebilligt werden, denn thatsächlich ist im Verhalten der Engländer eine Verletzung des Völkerrechts zu erblicken.

HohUpiUige Kugel, verursacht, 0 Zoll (ensl.i in Jen Kfir]1«* eingedrungen. ein nackiges Loch ron 3 bis

4 Zoll (engl.» im Durchmet^er.

Zwar wird durch die Genfer Konvention nur das Schiessen mit Ge- schossen, die eine Sprengladung enthalten, aus Handfeuerwaffen verboten, und dem Wortlaut nach dürften somit- die Engländer im Rechte sein, dem Sinne nach aber nicht, denn man hat auf alle Fälle seiner Zeit beab- sichtigt, den Menschen vor zu grausamer Geschosswirkung zu schützen. Gleichgültig ist es daher, ob eine explosionsartige Wirkung mittelst eines chemischen Mittels, z. B. Pulver, oder durch eine physikalische Eigen- schaft, z. B. eine ungeheure, früher nicht geahnte Expansion des weichen Geschosskerns, herbeigeführt wird.

Man muss nur einmal einer Treibjagd auf Hoch- oder Rehwild bei- gewohnt haben, bei welcher mit kleinkalibrigen Halbmantelgeschossen gefeuert wurde, man muss das zerfetzte Wildpret auf der Strecke und die kopfschüttelnd davor stehenden, schmerzlich berührten alten Forstbeamten gesehen haben, um sich zu sagen, dass das Schiessen mit derartigen Projektilen auf Menschen, welches dem Jäger selbst für das Wild nicht immer angebracht erscheint, Menschen unwürdig ist.

Sollte der Soldat gezwungen sein, dem Gegner mit derartigen Werk- zeugen zu Leibe zu gehen, so wird der Krieg kein edles Handwerk mehr für ihn sein, die Schlacht nur ein Schlachten!

Den Engländern, die sich über völkerrechtliche Skrupel und Zweifel wie über so vieles Andere leicht hinwegzusetzen scheinen, mag ja diese Art von Geschossen äusserst gut gefallen, aber ich glaube, jedenfalls nur so lange, als sie nicht mit einer gleichen Sorte wieder beschossen werden.

Leider werden neuerdings auch bei uns Stimmen laut, welche, von falschen Voraussetzungen ausgehend, gewissermaassen dem Vorgehen der Engländer das Wort reden. So schreibt die > Strassburger Post« in einer Abhandlung über dies Thema unter dem 16. März d. Js. unter Anderem Folgendes: »Die gefährliche, zerstörende Wirkung der englischen Hand- waffengeschosse steht jedenfalls fest; es sind thatsächlich Explosions- kugeln, aber ohne Explosionsstoff. Die chemische Explosionskraft ist gewissermaassen durch eine physikalische ersetzt worden. Nun darf man

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Englische Dum Dum-Geschosse.

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in diesen Dingen nicht zu weichherzig sein. Die Schüsse haben den Zweck, das Gefecht möglichst schnell zu beenden, also auch möglichst schnell den Frieden wieder herbeizuführen. Das kann nur geschehen, indem man den militärischen Gegner möglichst schnell kampfunfähig zu machen sucht. Wenn man aber in der Konstruktion von Handfeuergeschossen, die »völlig unschädliche« Wunden machen, so weiter fortfährt wie bisher, so erreicht mau das grosse Ziel des Krieges, die Wiederherstellung eines besseren Friedens, nicht in der wünschenswerthen, gebotenen Schnelligkeit. Will man das Schiessen im Kriege künftig beibehalten, dann schiesse man auch ordentlich und tödlich. Sonst wird das ganze Schicssen zur reinen Spielerei, und der wirklich ideale Zweck des Krieges, die schnellste Wiederherstellung eines besseren Friedens, wird nie oder nur sehr kümmerlich erreicht werden, und damit würde der Menschheit und Menschlichkeit viel weniger gedient sein, als wenn in kürzeren aber wirksameren Kämpfen gefährliche Wunden ausgetheilt werden.«

Dieser Artikel verspricht sich also zunächst von der Verwendung dieser grausamen Geschosse eine schnellere Beendigung des Kampfes. Ich glaube jedoch, dass dies nur dann der Fall sein wird, wenn nur die eine zweier kämpfenden Parteien mit derartigen Projektilen ausgerüstet ist, während, wenn beide gleichmässig mit diesen Geschossen bewaffnet sind, nur die Verletzungen auf beiden Seiten bedeutender, die Erbitterung eine grössere und damit die Art der Kampfführung eine barbarischere sein wird.

Ferner ist ein wichtiger Punkt, der, abgesehen von humanitären Gründen, gegen die Zweckmässigkeit der Halbmantelgesehosse spricht, nicht berücksichtigt wordon. Es ist dies die Durchschlagskraft.

Während das Vollmantelgeschoss mit Leichtigkeit durch mehrere Gegner hindurchschlägt, z. B. bei der Kavallerieattacke, beim Vorgehen geschlossener Abtheilungen, beim Schützenanlauf und beim Verfolgungsfeuer, ja, den Feind selbst nach Durchschlagung der Deckung trifft, ward das sich schnell deformirende Halbmantelgeschoss meist schon im ersten Getroffenen stecken bleiben und dadurch bedeutend weniger Gegner ausser Gefecht setzen. Die Ansicht, dass durch Dum-Dum- oder ähnliche Geschosse die Ent- scheidung schneller herbeigeführt werde, ist deshalb unrichtig.

Des Weiteren wird vor der Konstruktion von Handfeuergeschossen, die »völlig unschädliche« Verwundungen machen, gewarnt.

Wie deutsche Versuche nachgewiesen haben, ist diese Besorgniss bei Weitem übertrieben, denn selbst 6 mm-Geschosse bringen jedenfalls, wenn sie mit genügend grosser Mündungsgeschwindigkeit verfeuert werden, sogar im Körper grosser Thiere ausreichend starke Verletzungen hervor. Jedoch ist die Wirkung des Schusses bei allen Theilen des Körpers nicht dieselbe. Während z. B. bei jedem Knochenschuss zu erwarten ist, dass die Kampfunfähigkeit sofort eintritt, kann es Vorkommen, dass beim Durchschossenwerden gewisser Bahnen des Körpers die Wirkung nicht sogleich, sondern erst nach einigen Minuten eintritt.

Dies ist auch der Grund gewesen, weshalb man bei uns bisher ge- zögert hat, den grosskalibrigen, schweren Armeerevolver durch einen klein- kalibrigen und dadurch leichteren Revolver oder eine handliche Mehrlade- pistole zu ersetzen. Wir müssen eben im Revolver eine Waffe haben, mit welcher wir einen Gegner, der uns bis auf kurze Entfernung auf den Leib gerückt ist, auf der Stelle unschädlich machen können. Die Kon- strukteure moderner Rückstosspistolen, z. B. Mauser, werden deshalb gut thun, ihre Pistolenmunition so einzurichten, dass diesolbe gute Wirkung hervorbringt.

10*

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244

Englische Dum-Dirai-Gesehossc.

Ganz anders verhält es sich jedoch mit der Zweckmässigkeit klein- kalibriger Gewehre.

Die Engländer haben vielleicht für ihre Kriege in den Kolonien, in den häufigen Guerillakämpfen, eine Waffe nöthig, deren Geschosse schnell ausser Gefecht setzen. Sie sind in dieser Beziehung sehr durch ihr altes Henry-Mattini-Gewehr verwöhnt worden, welches bei einem Kaliber von 1 1 mm und noch stärkerer Patrone als die unseres Gewehrs 7 1 eine vor- zügliche Geschosswirkung hervorbrachte. Sie mögen deshalb, als das Lee- Metford-Gewehr nicht dasselbe leistete, etwas enttäuscht, gewesen sein.

Auf unseren europäischen Kriegstheatern dagegen, auf welchen die Entscheidung nicht Mann gegen Mann, sondern bereit# fallen wird, wenn die Gegner noch 400 bis 500 m auseinander sind, ist eine derartige Waffe nicht absolut nothwendig.

Es drängt sich nun unwillkürlich die Frago anf: »Sind wir denn überhaupt gezwungen, uns entweder für das Vollmantelgeschoss mit grosser Durchschlagskraft, aber geringer Verwundungsfähigkeit oder für das gefährlich wirkende Halbmantelgeschoss mit geringer Durchschlags- kraft zu entscheiden, oder giebt es drittens noch eine goldene Mittel- strasse, die zum gewünschten Ziele führt?«

Das Nächstliegende, was in dieser Beziehung eingehend zu ver- anlassen wäre, ist wohl die Einleitung von Versuchen mit Vollmantel-

geschossen mit abgeflachter Geschossspitze.

Zwar wird bei Verwendung derselben zweifellos die Anfangsgeschwindig- keit und damit die Rasanz herabgesetzt werden, denn neuerdings angestellte Versuche sollen ergeben haben, dass selbst die ogivale Spitze unseres Geschosses 88 zur Ueberwindung des Luftwiderstandes nicht am günstigsten ist, und dass man mit noch spitzer gehaltenen Geschossen höhere Ge- schwindigkeiten erzielen kann. Durch die gesteigerten Abbild. 3. aero- und hydrodynamischen Erscheinungen beim Durch-

*

gehen der abgeflachten Geschosse durch den mensch- lichen Körper wird dafür aber Abbild. 4. auch die Verwendungsfähigkeit

erhöht werden.

Hie zweckmässigste Grösse der Abflachung muss naturgemäss V* ® für jedes Kaliber und für jede

Geschossgeschwindigkeit verschie- den sein und besonders ermittelt ß werden. Bei der sehr gesteigerten Geschwindigkeit von 6 mm-Ge- schossen, die etwa 800 m in der Sekunde betragen dürfte, kommt man vielleicht schon mit einer wfWv. minimalen Abplattung aus.

Will man aber absolut an der \\sy Geschossgeschwindigkeit eine Ein-

, , . ....... busse nicht erleiden, so bleibt kein

Wirkung (7 mm) und *ur Vor- anderer Weg übrig, als zu be- »r ^ «rietuuRMi t* : i). sonderen Geschosskonstruktioneu

A. F , . . ksobi B iafantorie-MantolgescbosA mit bleihaube xor Yergrnsserung der Geschosswirkung (7 mm) und xur Ver- hinderung xu grausamer Verleitungen *2:1).

zu schreiten.

\ erfasser dieses Artikels schlägt, für diesen Fall vor, nachstehend beschriebene Konstruktion, welche aus der Abbild. 3 näher ersichtlich ist, einer praktischen Prüfung zu unterziehen.

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Die BewegungswiderstAnde der Eisenbahnzüge.

245

Das Geschoss besteht:

1. aus dem Geschosskern (a),

2. aus dem diesen Kern umgebenden Geschossmantel (b),

3. aus der aus Hart- bezw. Weichblei bestehenden Haube (c).

Die Haube (c) gewinnt Halt anf dem eigentlichen Geschoss (a b) durch die in dieses an der Spitze eingepresste Nute (d).

Die Herstellung der Haube kann entweder durch Aufpressen oder durch Anschmelzen bewirkt werden.

Dieses Geschoss dürfte folgende Eigenschaft besitzen:

»1. Es durchfliegt die Luft, ohne dass die Geschossgeschwindigkeit beeinträchtigt wird;

2. es deformirt sich beim Einschlagen in einen menschlichen Körper nicht so vollständig, wie es das Halbmantel- bozw. Dum-Dum- Ge8choss thut, bei welchem meist der ganze Bleikem aus dem Nickelmantel herausgeschoben und auseinandergerissen wird (siehe Abbild. 1). Es erhält vielmehr beim Aufschlagen nur an der Spitze eine pilzartige Verstärkung, da allein die Haube sich platt schlägt (siehe Abbild. 4). Beim Durchbohren des menschlichen Körpers wird es daher einen grossen Schusskanal verursachen, ohne eine übermässige Zerreissung der umliegenden Muskel- und Gewebethoile herbeizuführen. Dadurch, dass man die Haube (c) in beliebig starker Schicht, entweder dünn oder dicker, anbringen kann, hat man die Regulirung der Verwundungsfähigkeit in der Hand;

3. es hat gute Durchschlagskraft, da unter der sich heim Auftreffen leicht deformirenden Haube (c) die intakte harte Spitze (e) hervortritt, c

Werfen wir also vorläufig die Flinte noch nicht ins Korn, und hoffen wir, dass es bald gelingen werde, unseren vorzüglichen kleinkalibrigen "Waffen ein Geschoss zu geben, welches bei guten ballistischen Leistungen und guter Durchschlagskraft den menschlichen Körper nicht über den idealen Zweck der Kampfunfähigkeit hinaus schändet und verstümmelt.

A. F...k.

Die Bewegungswiderstände der Eisenbahnzüge

mit besonderer Rücksichtnahme auf den Bau von Feldeisenbahnen.

Von C. Lobinger, konigl. bayer. Major a. D.

Mit acht Abbildungen.

Im Kriege der Kulturstaaten tritt die Noth wendigkeit des Baues von Feldeisenbahnen hauptsächlich in folgenden Fällen auf:

a) Die Armee steht in Feindesland. Eine Eisenbahn (Hauptbahn) verbindet dieselbe mit der Heimath. An einem wichtigen Punkte wird diese Bahn durch eine feindliche Festung gesperrt, deren Bezwingung voraussichtlich noch Monate erfordert. Man benöthigt eine Umgehungsstrecke, welche der Wirkungssphäre dieser Festung entrückt ist.

b) Ein in der vorbezeichneten Hauptbahn gelegener Tunnel wurde bei Beginn des Krieges derart zerstört, dass an seine Wieder- herstellung vor Jahresfrist nicht zu denken ist. Man bedarf einer Feldbahnstrecke, welche den durchbohrten Berg entweder umgeht,

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246

Die Beweguugswidcrstände der Eisenbohuzüge.

oder, wenn dies nicht möglich ist, denselben in längerer Ent- wickelung überschreitet.

c) Der Hauptdepotplatz einer Belageningsarmee soll mit einer naho- gclegeuen, dem Heimathlande zuführenden Eisenbahn durch eine Zweigbahn verbunden werden, um den gesammten Armeebedarf rasch heranbringen 'und hierdurch die Aktion gegen die belagerte Festung beschleunigen zu können.

In den unter a und b bezeiehneten Fällen ist ohne Weiteres ein- znsehen, dass die in die Hauptbahn einzuschaltenden Feldbahnstrecken die gleiche Leistungsfähigkeit wie diese haben müssen, das will heissen, es müssen auf den Feldbahnstrecken in der gleichen Zeit ebenso viele und ebenso grosse Züge verkehren können wie auf der Hauptbahn; andernfalls würden an den Endpunkten der Feldbahnstrecken Stauungen des Transportgutes entstehen, durch welche der Verkehr schliesslich ge- hemmt werden würde. In dem unter c bezeiehneten Fall dagegen bleibt der Betrieb der Hauptbahn unabhängig von jenem der Zweigbahn, und es ist nicht nöthig, dass letztere die Leistungsfähigkeit der ersteren besitzt.

Was nun die Faktoren anbelangt, von denen die Leistungsfähigkeit einer Bahn abhängt, so sind dieselben theils bautechniseher, theils betriebs- technischer Natur. In ersterer Beziehung sind es die Widerstände, welche die Fahrbahn der Bewegung der Züge entgegensetzt und welche vor- nehmlich aus den Steigungen und Krümmungen derselben entspringen. In letzterer Beziehung sind es die Triebkräfte der Lokomotiven, welche je nach ihrer Grösse dieso Bewegungswiderstände mehr oder weniger gut überwinden, dann die Konstruktion der Untergestelle von Lokomotiven und Wagen, bei welcher auf das Durchlaufen enger Kurven mehr oder weniger Bedacht genommen ist. Es leuchtet ein, dass man bei der Anlage einer Feldeisenbahn nur den bautechnischen Faktor zu gestalten vermag, während man hinsichtlich der Betriebsmittel auf das Vorgefundene oder vom Heimathlande herangeschaffte Material angewiesen ist und also in dieser Beziehung mit unabänderlichen Dingen zu rechnen hat. Solange die in eine Hauptbahn einzuschaltende Feldbahnstrecke nicht den Charakter einer Gebirgsbahn erhält, muss dieselbe mit dem Betriebsmaterial der Flachlandbahnen befahren werden können; es wäre ganz unzweckmässig und in hohem Grade betriebsstörend, wollte man bauliche Mängel einer Feldbahn durch Zuweisung eines besonderen Fahrmaterials ausgleichen. Ist es aber unvermeidlich, der Feldbahnstrecke den Charakter einer Gebirgs- bahn zu geben, so wird man an den Endpunkten derselben Bahnhöfe an- legen, in welchen Lokomotiven besonderer Konstruktion (Gebirgslokomotiven) bereitgestellt und die nöthigen Gleise für Theilung der Züge und Aus- rangiren der auf den engeren Kurven solcher Bahnen nicht gängigen Wagen vorhanden sind.

Im Nachfolgenden sollen die besonderen Eigentümlichkeiten der Anlage und des Betriebes solcher Gebirgsbahnen nicht weiter erörtert und nur jene Feldbahnen im Auge behalten werden, welche mit den Loko- motiven und Wagen der Flachlandbahnen befahren werden können.

Jedem Eisenbahntechniker ist bekannt, dass der Bau einer Bahn iu schwierigem Gelände um so leichter wird, je stärkere Neigungen und Krümmungen für dieselbe zugelassen werden. Die Trace gewinnt hier- durch ausserordentlich an Schmiegsamkeit und wird kurz; die Erdarbeit wird gering, bedeutend dagegen, wenn nur massige Richtungsveräuderungen der Bahnachse zur Anwendung kommen dürfen. Betrachtet man nun die oben unter a und b aufgeführten Fälle des Näheren, so wird man sich

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I>ie Bewegungswideretiinde der Eisenlmhnzüge.

247

sagen müssen, dass für die dortigen Feldbahnstrecken zumeist wohl un- günstige Bauverhältnisso vorliegen werden. Die erwähnte Sperrfestung wird immer so angelegt sein, dass jede Umgehungstrace auf Schwierig- keiten stossen muss; ebenso wird die Umgehung des zerstörten Tunnels immer nur durch eine Bergbahn möglich sein, deren Herstellung viel Zeit und Arbeit erfordert. Nun handelt es sich beim Bau von Feldeisenbahnen aber stets darum, dass dieselben mit der grösstmöglichon Beschleunigung fertiggestellt werden, weil der Fortgang der Kriegsoperationen sehr wesent- lich von dem gesicherten Bahnbetrieb im Rücken der Armee abhängt. Der mit Festlegung der Trace beauftragte und demnach für Einhaltung der gestellten Baufrist in erster Linio verantwortliche Offizier wird deshalb in den meisten Fällen seine Zuflucht zu starken Neigungen und Krüm- mungen der Bahnachse nehmen müssen, wodurch, wie bereits gesagt, die Hauptarbeit die Erdbewegung auf ein Mindestmaass geführt wird. Er darf aber hierbei die Konsequenzen für den Betrieb nicht aus den Augen verlieren, und der verkehrshemmende Einfluss dieser Faktoren muss ihm stets in Zahlen zur Hand liegen. Diese Rücksichtnahme auf den Betrieb ist in den unter a und b bezcichneton Fällen von ganz besonderer Wichtigkeit, weil der Verkehr auf den dort erwähnten Hauptbahnen, deren Bewachung und Instandhaltung ein starkes Truppenaufgebot erheischt und welche also nicht zahlreich sein können, naturgemäss ein grosser sein wird.

Zweck der nachfolgenden Zeilen ist es nun, den Einfluss der aus Bahnkrümmung, Neigung und Anderem entspringenden Bewegungswider- stände auf den Betrieb zahlenmiissig darzustellen und zwar solcher Art, dass der mit Projektirung der Bahn betraute Offizier im Stande ist, die Konsequenzen der gewählten Krümmungshalbmesser und Bahngefälle sofort zu übersehen.

Man unterscheidet regelmässige und zufällige Fahrwiderstände. Die ersteren werden hervorgerufon durch

1. die rollende Reibung der Räder auf den Schienen,

2. die Reibung der Achsschenkel in den Lagern (Zapfenreibung),

3. den Widerstand der Luft (im Ruhezustand derselben),

4. den Kurvenwiderstand,

5. den Einfluss der Schwerkraft bei steigender Bahn.

Die zufälligen Fahrwiderstände entstehen

1. durch Frontwind, welcher der Zugkraft der Lokomotive direkt entgegenwirkt,

2. durch Seitenwind, welcher die Spurkränze der Räder gegen die Fahrkanten der Schienen presst und so die rollende Reibung vermehrt,*)

3. durch Nebel, Reif, Eis und Schnee auf den Schienen, welche die Reibung der Triebräder der Lokomotive auf der Bahn ver- ringern und hierdurch die Zugkraft der Lokomotive herabsetzen.

Die zufälligen Fahrwiderstände sind unberechenbar; wenn in geringem Grade einwirkend, werden dieselben durch den Kraftüberschuss der Loko- motive überwunden, wenn in stärkerem Maasse auftretend, müssen zu ihrer Begleichung die Maschinenreserven eingesetzt werden. Im Allgemeinen wird man deren Vorhandensein immer voraussehen und entsprechende Maassnahmen rechtzeitig treffen können.

*) Schräg einfallender Wind wirkt mit je einer Komponente als Frontwind und Seitenwind.

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Die Bewegnngswiderstände der Eisenbahnzüge.

Von (len regelmässigen Fahrwiderständen ist es zunächst

1. die rollende Reibung der Räder auf den Schienen, welche zu betrachten ist.

Man kann sich von derselben eine gute Vorstellung machen, wenn man sich ein einzelnes Räderpaar auf vollkommen horizontaler und gerader Bahn dahinrollen denkt. Das Räderpaar wird eine lange Strecke fort- laufen, endlich aber doch stehen bleiben, die rollende Reibung hat alsdann die in ihm aufgespeicherte lebendige Kraft aufgezehrt. Die rollende Reibung ist relativ gering und bildet nur einen kleinen Bruchtheil der

2. Reibung der Achsschenkel in den Lagern (Zapfenreibung), mit welcher sie gemeinsam in der Weise bestimmt wird, dass man einen Wagen auf vollkommen horizontaler und gerader Bahn in eine Geschwindig- keit versetzt, welche noch nicht so gross ist, dass der Luftwiderstand in Betracht kommen kann. Der sich selbst überlassene Wagen wird nach Zurücklegung einer gewissen Strecke stehen bleiben, und hat alsdann die Arbeit der rollenden und Zapfenreibung seine lebendige Kraft, d. h. die in ihm aufgespeicherte Arbeit, aufgezehrt.

War das Gewicht des Wagens G, seine Geschwindigkeit in der ersten Sekunde der freien Bewegung v, so war Beine lebendige Kraft

G ,

2g'V

wenn g die Beschleunigung der Schwerkraft bedeutet. Die Arbeit der Reibung bis zum Stillstand des Wagens ist

R-a,

wenn R den gesammten Reibungswiderstand und a die zurückgelegte Weg- strecke darstellt.

Es ist mithin G

R - a = v ,

2g

woraus

R==_G .l!

2g a

oder, weil es sich hier um eine gleichförmig verzögerte Bewegung handelt, bei welcher

v3 9t

Jpa

(p die konstante Verzögerung in m/sec3),

G 2pa p

R -

i .G.

Der Widerstand der rollenden und Zapfenreibung ist also proportional dem Wagengewicht bezw. der Zahl und Belastung der Achsen.

Durch viele Versuche der Eisenbahnvorwaltungen wurde für Grösse p dor Durchschnittswerth 0,014 715 und somit

R = ® = 0,0015 G (durchschnittlich)

ermittelt.

In Worten ausgedrückt heisst dies: Der Widerstand der rollen- den und Achsschonkelreibung ist mit 1,5 kg pro Tonne Zugs- last zu veranschlagen.

3. Der Widerstand der ruhigen Luft resultirt aus dem Stoss der Lufttheilchen gegen die sie verdrängenden Flächen des Zuges (Stiru-

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Die Bewegungswiderstiinde der Eisenbnhnziige.

249

seiten der Lokomotiven und Wagen, vordere Grenzflächen der Beladungen u. s. w.). Die im Wege stehenden Luftmassen müssen die Geschwindig- keit des Zuges annehmen; hierbei wird von ihnen eine Arbeit absorbirt, welche sich, wie folgt, bestimmen lässt:

Bezeichnet W den Luftwiderstand für den ganzen Zug, so ist die von ihm auf der Wegstrecke a geleistete Arbeit

W a.

Die auf der gleichen Strecke zur Seite gestossene Luftmasse ist, wenn F die Summe aller Stossflächen und y das Gewicht von 1 cbm Luft bedeutet,

F a y g

Die von dieser Luftmasse beim Stosse absorbirte Arbeit ist

* vs

2g

weun V die Zugsgeschwindigkeit darstellt.

Beide Arbeitsgrössen müssen gleich sein, daher

oder

W.a^I^lZ.V’

2g

W = L^.V*.

2g

Es leuchtet ein, dass sich die Grösse F von Fall zu Fall nur sehr schwer bestimmen lässt; hierzu kommt, dass nicht alle verdrängten Luft- theilchen mit gleicher Intensität zur Seite gestossen werden und der

F y

Faktor ^ - deshalb noch mit einem Erfalirungskoefflzienten zu versehen

wäre, endlich würde die Rechnung sehr unbequem werden, wenn der Luftwiderstand nicht ebenfalls auf die Einheit «Kilogramm pro Tonne

2g

durch

Zugsgewichtc bezogen wäre. Man hat deshalb den Faktor

eine Reihe von Versuchen mit verschieden langen Zügen bestimmt und hierfür den Mittelwerth 0,001 gefunden, so dass in der Formel

Wt = 0,001 V*

Wt den Luftwiderstand in Kilogrammen pro Tonne Zugsgewicht und V die Zugsgeschwindigkeit in Kilometern pro Stunde darstellt.

Der Koeffizient 0,001 gilt nur für vollbeladene Züge; für Leerzüge würde derselbe grösser ausfallen. Dies hat jedoch keinen weiteren Belang, weil alle übrigen Widerstände mit der Zugsbelastung zunehmen und demnach Leerzüge für Bestimmung des Gesammtwiderstandes nicht in Betracht kommen können.

Der Luftwiderstand wächst somit mit dem Quadrate der Zugsgeschwindigkeit und beträgt beispielsweise für einen Militärzug von 100 Achsen ä 6,5 t Belastung bei einer Geschwindigkeit von 22,5 km pro Stunde

W = 0,001 . 650 . 22, 5* = 330 kg (ca.), bei 45 km pro Stunde Geschwindigkeit

W = 0,001 650 45* = 1320 kg (ca.).

Man erkennt hieraus, welchen bedeutenden Kraftaufwand eine Beschleunigung der Züge erfordert.

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Die Bewegungswiderstände der Kisenbahnziige.

Bei den Lokomotiven gesellen sich zur rollenden und Achsschenkel- reibung noch ^lie bei der Kolben-, Schieber-, Krenzkopf- und Kurbel- bewegung auftretende gleitende bezw. Zapfenreibung, ferner der Widerstand der schwingenden Massen, welcher mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zunimmt, und man hat hierfür insgesammt den Ausdruck w,= 4 |/n, + 0,002

ermittelt, in welchem wj den Widerstand an der Lokomotive in Kilo- grammen pro Tonne ihres Gewichts und ni die Zahl der Triebachsen bedeutet.

Die bisher besprochenen Fahrwiderstände beziehen sieh auf hori- zontale gerade Bahn, und es ist also auf einer solchen der Widerstand des Tenders und der Wagen:

wg = 1,5 -f 0,001 V2 k*/t, der Widerstand der Lokomotive:

w, = 4 l 'n7 + 0,002 V2 k‘/t, der Gesammtwiderstand die Summe dieser beiden.

4. Der Kurvenwiderstand.

Der Kurvenwiderstand entspringt theils aus der in Kurven veränderten Uebertragung der Zugkraft auf die Wagen, theils aus den Konstruktions-

Abbild. 1. Uebertragung der Zngkraft auf grader Strecke.

Abbild. 2.

Uebertragung der Zugkraft in Kurven.

b

o o

3

-Vi

eigenthiimlichkeiten der Lokomotiven und Wagen. In ersterer Beziehung diene Folgendes zur Erläuterung:

Denkt man sich alle durch Reibung u. s. w. entstehenden Widerstände beseitigt, so wird sich bei einem auf horizontaler und gerader Bahn fah- renden Zuge die Zugkraft (Z) der Lokomotive ungeschwächt vom ersten bis zum letzten Wagen fortpflanzen (Abbild. 1). Sobald aber die Bahn

krummlinig wird, ändert sich dieses Verhältnis» infolge der steten Richtnngsveränderung der Wagen (Abbild. 2).

Die Zngkraft Zi am ersten Wagen ist nur noch Zi cos a, jene am zweiten Wagen Zs Zi cos n = Z cos» tr, jene am dritten Wagen Za = Za cos a = Z cos» a u. s. f., jene am nu” Wagen Z„ = Z cos" a.

Wie man sieht, wird die Zngkraft von Wagen zu Wagen kleiner, gleichzeitig treten an den Kuppelungen Kraftkomponenten (N) auf, welche auf Ablenkung der Wagen im Sinne der Kurve hinwirken. Die am letzten Wagen verbleibende Zugkraft Z cos” a ist die für die Fortbewegung des ganzen Zuges maassgebende; dieselbe ist um Z Z cos" « = Z (1 cos” a)

kleiner als bei der Fahrt auf gerader Bahn, indessen beträgt dieser Ver- lust bei den längsten Zügen und dem zulässig kleinsten Kurvenradius

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Die Be wegungs widerstände der Eiseuhahnzüge.

251

nicht über 5 pCt. Weit beträchtlicher sind die aus der Konstruktion der Untergestelle von Lokomotiven und Wagen hervorgehenden Kurven- widerstände.

Wird ein einzelner Wagen langsam durch eine Kurve gezogen, so bemerkt man, wie die vordere Achse alle paar Meter einen hörbaren Ruck

zur Seite, d. i. kurven- einwärts , macht. Der WTagen will auf einer zu seinen Achsen senkrecht gerichteten Bahn gehen und läuft daher mit seinem vorderen äusseren Rade fort während an die äussere Schiene an. Die hier auf- tretende starke Reihung bewirkt, dass sich dieses Rad mit seiner schiefen

Spurkranztläche etwas an der Schiene emporarbeitet, gleich darauf aber ver- möge seiner Schwere (Be- lastung) wieder abrutscht, wobei die Vorderachse etwas zur Seite geschoben wird. Die Hinterachse erfährt gleichzeitig eine kleine Schwenkung um ihren Mittelpunkt im Sinne der Kurve (Abbild. 3).

Abbild. 3. Aeusseres Vorderrad des Wagens in der Kurve bei langsamer Fahrt.

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252

Die Bewegungswiderstände der Eisenbahnzüge.

Dieser Vorgang wiederholt sich, wie erwähnt, alle paar Meter des Weges. Der Wagen läuft also keine Kurve, sondern lauter kurze grade Stücke, welche um so kürzer sind, je enger die Kurve ist; er wechselt seine Richtung somit nicht stetig, sondern ruckweise, seine Achsen bleiben dabei parallel. Anders verhält, sich die Sache, wenn der Wagen mit grösserer Geschwindigkeit durch die Kurve bewegt wird, ln diesem Falle bewirkt die (>n trif ugal kraf t, dass die beiden äusseren Radspurkränze fortwährend der äusseren Fahrkante genähert bleiben und weil die Rad-

Abbild. ß. Aufhängung des Oberwagens und Anordnung am Achsschenkel. Ansicht bezw. Schnitt in der Ebene der Achshalter.

a$udk £otu.>-.^*

reifen konisch ge- formt aind, die äusseren Räder auf einem grösse- ren Kreis laufen als die inneren. Durch diesen U in- stand, welcher bei Kurven unter 500 m Radius noch durch Er- weiterung der Spur begünstigt wird, erhält jede Achse das Be- streben, sich fort- während nach der Spitze des durch beiden Lauf- kreise gelegten Kegels einzu- stellen, ihre Richtung somit stetig zu ändern (Abbild. 4).

Die beiden Achsen dos Wagens*) erhalten hierdurch nothwendigor- weise eine konvergente Stellung zu einander, und es fragt sich nur, inwieweit die Wagenkonstruktion dieselbe zuliisst.

Aus Abbild. 5 ist ersichtlich, dass die Achshalter in den Nuthen der Achsbuchsen einen kleinen Spielraum haben, welcher die konvergente

Grundriss bezw. Schnitt Dach Ebene A— B.

*; Bei drei- und mehrachsigen Wagen gilt obige Betrachtung für jedes auf einanderfolgende Aehsenpanr de* Wagens, im l'ehrigen können solche Wagen (meist nur ftir Schnellzüge gebräuchlich) ihrer Seltenheit wegen für die Eisenbahntransporte im Kriege nicht als Norm in Betracht kommen.

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Die Bewegnngswideratände der Eisenbahnzüge.

253

Stellung der Achsen bis zu einem gewissen Grade ermöglicht, und zwar um so mehr, je geringer der Radstand ist; allein die vollkommen sym- metrische Aufhängung des Oberwagens an den Federenden, welche dessen Gleichgewichtslage entspricht, setzt diesem Bestreben der Achsen einen gewissen Widerstand entgegen.

Aus Abbild. 5 ist ferner zu ersehen, dass die Last des Oberwagens durch bewegliche Gelenke (c) auf die Federenden übertragen wird. Die Winkel (a) dieser Gelenkstücke zur Vertikalen bleiben auf grader Bahn gleich, werden aber ungleich, sobald die Wagenachsen aus der oben besprochenen Ursache ihre parallele Lage verlassen. Hierdurch werden aber auch die Horizontalkomponenten (H) der an den Federenden wirkenden Lasttheilo ungleich und tritt deren Differenz (^H) als Schubkraft an jenem Federende auf, welchem die grössere Horizontalkomponente zukommt (Abbild. 6).

Abbild. 6. Verschiebung der Tragfedem und Gehänge in Kurven bei schneller Fahrt.

./H = Hi Hs links wirk »am. Spielraum der Achs- buchsen links vergrössert, rechts verkleinert. Trag federn unsymmetrisch be ansprucht.

Das in AhbUd. 6 ge- zeichnete Rad entspricht dem ersten Rad in Ab- bildung 7.

Diese Schubkräfte treten an jeder Achse beiderseitig auf, eB sind Gegenpaare, welche die Achsen wieder in die parallele (Gleichgewichts-) Lage zurückzubringen suchen (Abbild. 7).

Abbild. 7. Kräfte, welche an den Wagenachsen in Kurven bei schneller Fahrt auftreten. Grundriss der Wagenachsen.

Letzteres kann aber nur dann geschehen, wenn die Räder während des Rollens zugleich auf den Schienen schleifen, wobei die gleitende Reibung überwunden werden muss. Dieser Reibungswiderstand ( R Abbild. 6) ist nun in der Regel grösser als die erwähnten Schubkräfte (Jü Abbild. 7), und die Achsen werden daher auf der Kurve in ihrer konvergenten Stellung verharren, wodurch der Lauf des Wagens ruhig bleibt und der Kurven- widerstand sich auf jene kleine Arbeit beschränkt, welche bei Verstellung der Federgelenke (Federgehänge) absorbirt wird.

Dieser ideale Lauf des Wagens in der Kurve setzt jedoch voraus, dass die Spitze des Laufkreiskogels (Abbild. 4) mit dem Kurven-

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Die liewcgungswiderstände der Eisenbahnzüge.

mittelpunkt zusammcufällt. Hierzu ist aber erforderlich, dass die Zugsgeschwindigkeit (Centrifugalkraft) eine ganz bestimmte, der Kurve zusagende ist und auch die Ueborhöhung des äusseren Schienenstranges hierzu passt, ferner dass die Achsbüchsen zwischen den Achshaltern genügend Spielraum haben.

Diese Bedingungen werden jedoch in der Regel nicht erfüllt, weil erstens die Kurven vorsichtshalber fast immer zu langsam befahren werden, zweitens die Ueberhöhung des äusseren Stranges nur für die Maximalgeseliwindigkeit der Züge passt und drittens mit dem Spielraum zwischen Achsbüchse und Achshalter ans konstruktiven Gründen nicht über ein gewisses Maass (bei gewöhnlichen Wagen in max. 1 cm) hinaus- gegangen werden kann, welch’ letzteres bei grösseren Radständen in engen Kurven nicht mehr ausreicht.*) Die Folge hiervon ist, dass die Wagenräder eine andere, meist flachere Kurve laufen und von Zeit zu Zeit eine gewaltsame Anpassung des Wagenlaufes an die Bahnkurve durch Zerren der Achsen erfolgen muss, wobei die Räder zugleich rollen und schleifen.

Die gekuppelten Triebachsen der Flachland-Lokomotiven können nicht aus ihrer parallelen Lage weichen, und treten daher bei den Lokomotiven die vorbesprochenen Unregelmässigkeiten des Laufes in Kurven immer auf, indessen ist die Entfernung der Triebachsen verhältnissmässig gering und damit auch das Maass deren Zerrung in Kurven. Die Vorlaufachscn mancher Lokomotiven haben einen kleinen Spielraum in den Achsbüchsen- führnngen und können daher mit den Triebachsen etwas konvergiren. Bei grossen Lokomotiven ist die Vorlaufachse durch ein zweiachsiges Drehgestell ersetzt, welches sich in Kurven von selbst radial einstellt.**) Immerhin bleibt der Fahrwiderstand in Kurven für Lokomotiven erheblich grösser als für Wagen und zwar etwa im Verhältnis der Gewichte.

Fasst man das bisher Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass der Kurvenwiderstand eine von vielen Zufälligkeiten abhängige, somit durch exakte Rechnung nicht bestimmbare Grösse ist, über die sich nur soviel sagen lässt, dass sie mit der Krümmung der Kurve und dem Rad- stand der Fahrzeuge zunimmt. Hinsichtlich des Einflusses der Fahr- geschwindigkeit kann ferner gesagt werden, dass der Widerstand in engen Kurven mit grösserer Spurerweiterung kleiner wird, wenn dieselben genügend rasch durchfahren werden.***)

Aus einer Reihe von Versuchen, welche von verschiedenen Eisen- bahnverwaltungen über diesen Gegenstand gemacht wurden, hat sich nun die Thatsache ergeben, dass der Kurvenwiderstand bei Fahrgeschwindig- keiten nicht unter 20 km pro Stunde keineswegs in weiten Grenzen variirt und sich hierüber immerhin empirische Formeln aufstellen lassen, aus

*) ln neuerer Zeit werden Wagen konstruirt, bei denen dieser Spielraum erheblich vergrössert ist, ohne dass hierdurch die Fahrsieherheit beeinträchtigt wird. Diese Koustrnktioii ist unter dem Namen » Lenkachsen* bekannt und ermöglicht grosse Radstände ohne Klemmung der Wagen in engen Kurven.

**: Diese Vorlaufochsen und Drehgestelle haben ausserdem noch den Vortheil, dass der Lauf der Lokomotive ruhiger und die Gefahr des Entgleisens geringer wird.

***} Die Spitze des Iainfkreiskegels rückt hierdurch gegen den Kurvenmittclpnnkt herein. Bei Hachen Kurven wäre es denkbar, dass die Erzeugende des I-anfkreis- kegels durch zu rasche Fahrt kleiner als der Kurvenradins werden könnte, dies ver hindert jedoch die geringe Spurerweiterung solcher Kurven (von Ö00 m Radius an wird eine solche überhaupt nicht mehr gegeben), welche eine erhebliche Differenz der Laufkreise des inneren und äusseren Bades nicht zulässt.

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Die Bewegung widerstünde der Eisenbahnzüge.

255

welchen derselbe mit genügender Annäherung berechnet werden kann. Auf diese Weise wurde die Formel

w,

4H-1**) r 45

ermittelt, in welcher wr den Kurvenwiderstand in Kilogrammen pro Tonne Zugslast (Maschinen und Tender mit inbegriffen), 1 den Kadstund und r den Kurvenradius in Metern bezeichnen. Kommen, wie dies bei Zügen wohl immer der Fall sein wird, der Grösse 1 verschiedene Werthe zu, so empfiehlt es sich, einen Mittelwerth anzunehmen. Für Militärzüge (ge- mischte Züge) stellt sich dieses Mittel in Berücksichtigung der in Deutsch- land hierfür gebräuchlichen Maschinen- und Wagentypen auf etwa 4,5 m, und man erhält für diese Züge aus obiger Formel

4 - 4,5 -f 4,5= 800

wr = 21 = “45 (abgerundet).

Was den Kurvenradius r betrifft, so setzt die Lokomotivkonstruktion hierfür eine untere Grenze. Dieselbe liegt für Machlandbahnen, welche mit dreiachsigen Güterzugslokomotiven der normalen Typen befahren werden, bei 180 m. Kurven unter 180 m werden von dem starren Untergestell dieser Lokomotiven derart deformirt, dass die Gefahr einer Entgleisung naherückt. Aus Gründen der Betriebssicherheit ist man für Hauptbahnen nicht bis zu diesem technisch zulässigen Minimum herabgegangen, und wurde der Minimalradius für diese auf 300 m festgesetzt ; dagegen können bei Feldbahnen, welche mit ermässigter Gesell windigkeitbefahren werden, recht wohl Krümmungen von 180 m Radius zur Anwendung kommen. Normal- spurige Gebirgsbahnen weisen Radien bis zu 100 m auf; dies bedingt jedoch eine ganz besondere Konstruktion der Lokomotiven und auch der Wagen, wenn die letzteren mehr als 4 m Rad- stand haben (Lenkachsen, Drehgestelle).

Auf diese abnormen Verhältnisse soll indessen, wie schon eingangs erwähnt, hier nicht weiter eingegangen werden.

Der letzte und bedeutsamste Fahrwiderstand ist

5. der Einfluss der Schwerkraft bei steigender Bahn. Seine Berechnung ist einfach.

Ein auf schiefer Bahn befindlicher Wagen wird durch seine Schwere mit einer Kraft S abwärts getrieben, welche proportional ist dem Gewicht G des Wagens und dem Sinus des Neigungswinkels ß (Abbild. 8)

S = G sin ß.

Weil der Winkel ß auch bei der grössten zulässigen Bahnsteigung (1 : 25) nur 20' misst und Sinus und Tangens desselben noch nicht in der vierten Dezimalstelle differiren, so setzt man bequemer

S = G tang ß G ^ .

*) Vergl. Ingenieur-Taschenbuch »Hütte«, Abtheilung II, Abschnitt X.

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Die Bewegungswiclerstände der Eisenbahnzüge.

256

Die bisher erörterten Fahrwiderstände sind sämmtlich in Kilogrammen pro Tonne Zugslast ausgedrückt; um auch die Gegenwirkung der Schwer- kraft in diesem Maass (s) auszudrücken, hat man, wenn G in Tonnen angegeben ist, das aus obiger Formel hervorgehende Resultat einfach mit

1000 r yj h 1

zu multipliziren, z. B. T = -, G A 40

s = G

h

k

1000

G

1000

= = 25 k«/t.

40 7t

Ist

= (Steigungsverhältniss), so hat man

1000. ,

8 == k*/..

Der Quotient entspricht nun immer jener Zahl, welche angiebt,

um wie viel Millimeter die Bahn auf 1 ,0 m ihrer horizontalen Länge steigt, drückt also zugleich das Steigungsverhältniss in Zehntelprozent (u/oo) aus.

In obigem Beispiel war x = 40; —— = 25; das Steigungsverhältniss ist also 25 °/oo und daher

8 = 25 kg pro Tonne Zugslast.

Hiermit sind alle normalen Fahrwiderstände in rechnungsmässige Form gebracht. Ihre Summe

w = Wj -}- wr 8 für Tender und Wagen

und

wt = wt -{- wr -j- s für die Lokomotiven

(vergl. Seite 250) tritt ein auf steigender gekrümmter Bahn. Auf hori- zontaler grader Strecke sind s und wr = 0. Bei Rückenwind werden die Summanden mit V, soweit sie vom Luftwiderstand herrühren, kleiner. Dieselben können sogar negativ werden, wenn der Rückenwind eine grössere Geschwindigkeit besitzt als der Zug. Das Gleiche gilt vom Summanden s, welcher auf Gefällen negativ wird und bei genügender Grösse den Zug allein bewegt.

Es ist klar, dass die Zugkraft der Lokomotive im Stande sein muss, die Höchstsumme aller dieser Widerstände zu überwinden, ferner dass diese Leistung noch nicht die maximale sein darf wegen der Eventualität zufälliger Fahrwiderstände (vergl. Seite 247).

Bezeichnet Q das Gewicht sämmtlicher Wagen, T das Gewicht des Tenders und L jenes der Lokomotive in Tonnen, ferner Z die Zugkraft der Lokomotive in Kilogrammen, so muss hiernach

Z>(Q + T)w+L.wi sein.

Mit dieser Gleichung ist man im Stande, bei bekannten Widerstands- grössen das zulässige Gewicht Q des Zuges bezw. die Zahl (n) und Be- lastung (q) der Wagenachsen zu berechnen.

Angenommen, ein Eisenbahnzug habe 100 Achsen mit durchschnittlich 6,5* Belastung und soll mit 22,5 km/st4. Geschwindigkeit befördert werden. Derselbe sei mit 2 Güterzugslokomotiven von je 38 1 Betriebsgewicht be- spannt, von denen jede 3 gekuppelte Achsen besitzt. Nach diesen An- nahmen, welche etwa dem Maximum der Länge und Beladung

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Die Bewegungswiderstunde der Eisrnbahnziige.

2n7

von Militärzügen, im Uebrigen aber den für diese bestehenden Normen entsprechen, ist

w8 = 1,5 + 0,001 Vz == 2,0 kg (ca.) w,= 4 j/3 + 0,002 Vs = 8,0 kg (ca.)

L = 2 38 = 76'; T= 2 28,5 = 57‘

Q = n q = 100 6,5 = 650‘; ferner ist w = wg 4 wr 4 8 und

W| = W| wr + s und hieraus Wj = w 4" wl Wj = w 4 6.

Weil nun

Z ^ (Q 4 T) w -f L w, so erhält man Z > (Q 4- T 4- L) w 4- 6L.

Setzt man Q-fT-[-L=Ql (Gesammtgewicht des Zuges), so folgt für den angenommenen Fall:

Z>Q‘.w+6L

Z > (650 4 57 4 76) w 4- 6 76 Z>783-w4 456; hieraus -Z 456

w 5: = wg 4 wr 4 9 2 4 wr 4 8> woraus

i

w,4 s<

z

456 783

2.

Der Ausdruck

Z 456 ~ 783

2 stellt also den Grenzwerth dar, bis zu

welchem der Kurven- und der Steigungswiderstand anwachsen dürfen, wenn die vorgeschriebene Achsenzahl und Geschwindigkeit eingehalten werden soll.

Hinsichtlich der Zugkraft Z der Lokomotiven kommt Folgendes zu bemerken :

Jede neuere Lokomotive ist derart, konstruirt, dass die Dampfkraft die Reibung der Triebräder auf den Schienen zu überwinden vermag und das »Adhäsionsgewicht« der Maschine somit vollkommen ausgenützt ist. Es ist klar, dass ein etwaiger Ueberschuss der Dampfkraft über den Reibungswiderstand der Triebräder auf den Schienen keinen Nutzen bringt und das Maximum der Zugkraft der Lokomotive eben nur dieser Reibungsgrösse gleich sein kann. Der Reibungskoeffizient zwischen den Triebrädern und Schienen beträgt bei trockener Beschaffenheit der Reibflächen '/* bis ‘,7, im nassen Zustande (Regen) etwa */•> bei Reif- und Schneebelag nur noch ‘/» und weniger. Normale Verhältnisse voraus- gesetzt, kann man also die »Adhäsion« zu etwa x\i des auf den Trieb- achsen lastenden Lokomotivgewichts annehmen,*) und würde hiernach die maximale Zugkraft einer der oben bezeichneten Lokomotiven

= 5430 kg (ca.)

betragen.**)

*) Bei Lokomotiven mit Vorlaufachsen oder Drehgestellen geht der anf diesen lastende Gewichtstbeil für die Zugkraft verloren; indessen ist bei solchen Lokomotiven das Hauptgewicht stets auf die Triebachsen gelegt.

**) Die im obigen Beispiel für die Lokomotiven angegebenen Daten entsprechen der normalen Uiiterzugsmuschine der preussischen Stnntsbnhnen. Hut man mit fremden Criegvttehuische Zeitschrift. Ib9& 6. Heft. X7

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258

Die Bewegungswiderstande der Eisenbahnzüge.

Von dieser maximalen Leistung wird man auB den bereits angegebenen Gründen nur etwa9/iu, das sind im vorliegenden Falle 9/m -5430 = 49< )0 kg (ca.), in Rechnung stellen und erhält sodann

Wr + 8 =

2 4900 456 780

2

10 k*/t (ca.),

d. h. es darf bei der angenommenen Grösse, Belastung und Fahrgeschwindigkeit des Zuges der Kurven- und Steigungs- widerstand zusammen höchstens auf 10 kg pro Tonne Zugs- gewicht anwachsen.

Hiermit kann nun eine Tabelle aufgestellt werden, aus welcher die bei einer bestimmten Bahnkrümmuug noch zulässige Steigung, oder um- gekehrt die bei einer bestimmten Steigung noch zulässige Krümmung entnommen werden kann.

Tabelle

der maximalen Neigung und Krümmung vollspariger Bahnen, auf welchen ganze Militärzüge mit 22,5tm/st Geschwindigkeit verkehren sollen. Bespannung: zwei normale Güterzugsmaschinen.

Kurven*

Steigung»-

Hochstzulässige Bahn- Steigung

radius

800

wr = r 46

widerstand 8 = 10 Wr

gerechnet 1000 x =

8

für die Praxis abgerundet

Bemerkungen

Ul

in kg pro Tonne Zugsgewicht

1 : x

1 : x

r oc

0

10,00

1:100

1 : 100

(wr 4- s) = 10 kg/t

r= 500

1,76

8,24

1 : 121

1 : 120

mix

r = 400

2,25

7,75

1:130

1 : 130

W = Wg 4- wr 4- s mu

r = aoo

3,14

6.8«

1 : 146

1 : 140

= 1 2 kg t

r = 280

3,40

0,60

1 : 151

1 : 150

wi ■= w| wr 4- s

r = 260

3,72

6,28

1: 160

1 : 160

mu

18 kg/t

r = 240

4,10

5,90

1: 170

1 : 170

r= 220

4,57

5,43

1:184

1 : 180

r = 200

6,16

4,84

1:207

1:200

r 180

ID IO

5,92

4.48

1:245

1 : 240

Maschinen zu rechnen, so mag man zur Bestimmung der Zugkraft, wie folgt, kalkuliren: Bezeichnet I) den Durchmesser eines Triebrades (cm), d den Kolbendurchmesser (cm . 1 den Kolbenhub (cm), pi den mittleren Dnmpfdrnck im Cylinder bei grösster Fällung (etwa 7/io der maximalen Kesselspannung, rothe Starke des Manometers!), einen Koeffizienten für Kraftverlnst bei Uebertragung der Kolbenarbeit auf die Triebräder i. M. 0,7s, so ist die Arbeit der Zugkraft während einer Badumdrehung au den

TT

beiden Kolben gemessen —2 - p, 21 = ad*, pi 1; am Zughaken der Mn

sehiiie gemessen =,Z-tt.D 1

Beide Ausdrücke müssen einander gleich sein, >1

p, . Für die normale prcussische

d*.

daher Z-n-D - * =Tr,ds<p, >1 oderZ = ff-

tj l)

Güterzugslokomotive ist beispielsweise D=133cm, d = 45 cm, 1 = 63 cm; pt bei grösster Cylinderfüllung und höchstem Dampfdruck etwa 7,6 atm (U eberdruck ^ daher

Z = 0,75 i3 7,5 = 5400 kg.

lut)

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Neue Studien über d. Wirknng d. Inf -Gewehr« b. gefeehtsni. Abtheilungsscbiessen. 259

Mit Hülfe dieser Tabelle ist man im Stande, der Bahn in schwierigem Gelände stets gleichbleibenden Widerstand zu geben, ein Umstand, durch welchen die Führung der Züge und Einhaltung der Fahrzeiten ausserordentlich erleichtert und insbesondere die Möglichkeit ferngehalten ■wird, dass schwerbeladone Züge durch plötzliches Anwachsen der Fahr- widerstände auf Steigungen stehen bleiben. Front- und Seitenwind bis zu etwa 30 m/,K Stärke kann die vorhandene Kraftreserve der Lokomotiven überwinden; der nachtheiligo Einfluss des Regens bei der Bergfahrt ist durch die in der Rechnung herabgesetzte Adhäsionsziffer bedacht; nur wenn mehrere zufällige Fahrwiderstände (vergl. Seite 247) gleichzeitig auftreten, kann es nothwendig werden, dass dem Zug auf einer Bergfahrt von wr-{- s = 10 l*/t eine dritte Maschine (am Zugsende) beigegeben werden muss. Auf keinen Fall aber wird man bei Einhaltung der in der Tabelle angegebenen Grenzziffern zur »Theilung der Züge« schreiten müssen, eine Maassregel, welche nicht nur den Betrieb sehr erheblich komplizirt, sondern nach Umständen auch eine beträchtliche Mehrung der baulichen Anlagen (Einlegen von Zwischen Stationen und Anderes) nothwendig macht.

Nach dem Vorhergehenden hält cs nicht schwer, für Feldeisenbahnen, deren Leistung auf ein geringeres Maas« festgesetzt ist, als in der Tabelle angenommen wurde (Neben- und Anschlussbahnen vergl. litt, c Seite 24(5), den oberen Grenzwerth für wr -|- s auszurechnen. Die Neigungen solcher Bahnen werden stärkere sein können, dagegen ist man, wenn dieselben mit den Lokomotiven und Wagen der Hauptbahnen befahren werden sollen, auch bei diesen an den Minimalradius von 180 m gebunden.

Neue Studien über die Wirkung des Infanteriegewehrs beim gefechtsmässigen Abtheilungsschiessen.

Mit fllnf Abbildungen.

Es dürfte kaum eine Frage geben es sei denn die des Infanterie- angriffs — , über welche die Meinungen so weit auseinandergehen, -wie über die Wirkung des Infanteriofeuers beim gefechtsmässigen Abtheilungs- schiessen. Der Grund hierfür liegt meines Erachtens darin, dass diese Wirkung von sehr vielen Umständen abhängt, die bei den darüber an- gestellten Betrachtungen nicht genügend berücksichtigt bezw. in ihrem Einfluss verschieden beurthoilt werden. Zur Begründung dieser Ansicht möchte ich die Aeusserung zweier hoch bedeutender Offiziere über die Wirkung des Gewehrfeuers anführen, die, obwohl scheinbar im voll- kommensten Widerspruch, dennoch beide durchaus richtig wTaren.

In dem Aufsatz »Bankrott« (Militär -Wochenblatt Nr. 112/1897, gezeichnet g) heisst es, »das neue Gewehr besitze die Fähigkeit, mit zwei Visiren den Raum von 1000 m Tiefe in Mannshöhe gleichzeitig zu bestreichen«. Demgegenüber erklärt General v. Leszczynski in einer Er- widerung auf diesen Aufsatz (Militär-Wochenblatt Nr. 10/1898) »diese Erörterungen über die Schnssleistung und den bestrichenen Raum des modernen Gewehrs für unrichtig; denn das Visir 900 giebt nur 40 m bestrichenen Raum, Visir 000 111m und erst 500 giebt einen ganz bestrichenen Raum.«

Thatsächlich aber haben beide Herren von ihrem Standpunkt aus Recht. Der Unterschied liegt nur darin, dass General v. Leszczynski die

17*

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260 Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.Gewehrs b. gefechtsm. Ahtheilungsschiessen.

einzelne Flugbahn bezw. eine Gruppe von Schüssen ohne jede Streuung betrachtet, während der Verfasser von »Bankrott« das gefechtsmässige Schiessen einer Abtheilung im Auge hat. Bei Truppen, die nicht vor- züglich ansgebildet sind und ferner infolge der Aufregung schlecht zielen, wird thatsächlich durch die Visire 500 und 800 oder bei noch schlechteren Schützen auch 600 und 900 der Kaum von der Mündung bis über 1000 m unter Feuer gehalten, freilich mit recht verschiedener Intensität, wie das Nachstehende zeigen wird.

Ich beabsichtige in dieser Studie nachzuweisen, welchen Einfluss die verschiedenen Umstände auf die Wirkung des Infanteriefeuers haben können. Die Wichtigkeit des Themas möge entschuldigen, wenn manches bereits an anderer Stelle Ausgeführte wiederholt wird; ich hoffe aber dennoch, dem Stoff einige neue Seiten abzugewinnen und zur Klärung der Ansichten beitragen zu können.

L

Im Nachstehenden setze ich zunächst gleiche Ziele, gleiche Stärke der feuernden Abtheilung, gleiche Feuergeschwindigkeit, gleichen Munitions- aufwand voraus. Schon diese Aufzählung zeigt, wie mannigfach die die Wirkung beeinflussenden Umstände sind.

Um eine hohe Wirkung gegen ein Ziel zu erhalten, muss einmal die Geschossgarbe eng geschlossen, dio Streuung also klein Bein und ferner die Geschossgarbe richtig zum Ziele liegen, d. h. das Ziel muss ganz oder zum Theil in den dichtesten Kern der Garbe fallen; mit anderen Worten, das gewählte Visir muss der Entfernung entsprechen. Jo gekrümmter die Flugbahn bei ein und derselben Waffe also, je grösser die Entfernung , um so mehr wird die Wirkung herabgesetzt, wenn das Visir der Ent- fernung nicht entspricht.

Wäre die Streuung Null, so würde das Ziel von jedem Schuss getroffen, sobald es sich innerhalb des durch das gewählte Visir be- strichenen Baumes befindet. Stände es aber nur um einen Meter näher oder weiter, so würde kein Schuss treffen. Zusammenstellung 1 giebt an, welcher Kaum von den betreffenden Visiren in dieser Weise bestrichen, d. h. mit lOOpCt. Treffern gedeckt wird, wenn die wagerecht gedachte Visirlinie auf dio Mitte des Ziels gerichtet ist. Aus später (unter II) klar werdenden Gründen wähle ich nicht ein 1,7 m hohes Ziel, sondern nur ein solches von 1 m Höhe.

Zusammenstellung 1.

Mit den angegebenen Visiren wird ein Ziel von 1 m Höhe von jedem Schuss getroffen, wenn es sich innerhalb der daneben angegebenen Ent- fernungen befindet.

Visir

Entfernung

m

Visir

Entfernung

m

Stand

0—335

1200

0—13

und

1193—1206

kl. Kl.

0—136

nnd

253—400

1300

0-11

»

1294 1306

450

0-75

>

400—486

1400

0—10

>

1396—1405

500

0—56

»

460-630

1500

0—9

»

1495—1506

«00

0—41

>

672—622

1600

0—8

>

1596-1004

"00

0—32

»

680- 717

1700

0-7

>

1696—1704

800

0—27

>

784- 813

1800

0—6

>

1797—1803

900

0—22

»

887—911

1900

0—6

>

1897—1903

1000

0—17

»

990—1009

2000

0-6

>

1997—2003

1100

0—15

> 1091—1108

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewehrs b. gerechtem. Abtheilungsschiessen. 261

Ein Schiessen ohne Streuung giebt es in Wirklichkeit nicht, und, so paradox es auch klingt, gerade das ermöglicht erst das Treffen auf den grösseren Entfernungen. Stände z. B. ein 1 m hohes Ziel auf 725 m, so würde man mit Visir 700 keinen Schuss bis in das Ziel bringen, mit Visir 750 alle Schüsse über das Ziel hinaus treiben.*) Lediglich, weil die Gewehre oder die Schlitzen nicht ganz genau schiessen, ist es möglich, das Ziel sowohl mit Visir 700 als auch 750, ja bei grösseren Streuungen auch mit Visir 650 und 850 zu troffen. Die auf das Aeusserste ge- steigerte Präzision beim Schiessen ist nur so lange von Werth, als der von einem Visir bestrichene Kaum grösser ist als der beim Schätzen der Entfernung gemachte Fehler.

Selbst wenn man aus einem einzelnen Gewehr unter Benutzung eines Schiessgestells schiesst, werden die Bahnen der einzelnen Geschosse etwas auseinanderfallen. Infolgedessen werden einzelne Schüsse das Ziel fehlen; aber andererseits kann das Ziel auch dann noch getroffen werden, wenn es ausserhalb des > bestrichenen Raumes« steht, und zwar von den tief- liegenden Flugbahnen, wenn es näher, von den hochliegenden, wenn es weiter steht, ln welcher Weise das Gelände durch die wichtigsten Visire unter Feuer gehalten wird, wenn alle von der Verschiedenheit der Gewehre und den Fehlern der Schützen herriihrendeu Abweichungen ausgeschlossen sind,**) zeigt

Zusammenstellung 2.

Visir

Von 100 .Schüssen erhält man in Scheiben von Im Höhe auf den betreffenden Entfernungen

.... Treffer

50

[100 150

200

j 200 aoo

350 | 400

4.VI

600 550 j 600

050 700

77.0

1 800 1 860 900 960 m

Sinn 4-

100

100 100

100

100 973

'

6,8 :

1

i

kl Kl.

loo ;

90,4 4 3

6,5

453 Vö.0

100 60

450

100

- -

-

_ i __

- 47,6

100

16,7

500

IOO ,

i

-

- ^

23,2

»8.3 ! ».6

ooo t

-

i

-

- -

- -

! 6.0 983 ;

1,7

700

!

-

- -

-

- 1 - 1-1

0,9 883

0,4 j

S00

- I

- -

-

- -

-

- -

0.10

783 0,1

900

;

Irl

:

_ _ _ 1

1

- 70,7

Man erkennt aus dieser Zusammenstellung, dass mit einem Visir, und zwar der kleinen Klappe, nur ein Raum von etwa 430 m Tiefe gegen 1 m hohe Ziele unter Feuer gehalten wird, dass aber selbst dann das Ziel zwischen 140 und 210 nur ausnahmsweise getroffen wird. Mit zwei Visiren, nämlich der kleinen Klappe und 500, würde der Raum von der Mündung bis 560 m bestrichen werden. Auf den Entfernungen von 600 m und darüber wird ein Raum von höchstens 50 m Tiefe durch ein Visir mit genügender Wirksamkeit unter Feuer genommen. Mau würde also eintretendenfalls bei so niedrigen Zielen seine Zuflucht zu den dazwischen liegenden Visiren nehmen müssen, um ausreichende Wirkung zu erlangen.

Beim gef echt sinäasigen Schiessen hat man es jedenfalls mit erheblich grösseren Streuungen zu thun. In Bezug auf die Grösse dieser Streuungen

*) Visir 750 würde von 732 bis 709 m reichen.

**\ Die mittleren Streuungen sind wie in der » Schiesslehre für Infanterie-, Anlage S. Sp. 2. angenommen, die Berechnung ansgeführt nach der Schiesslehre, § 19, S. 57 u. ff.

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262 Nene Studien über d. Wirkung d. Inf. Gewehrs b. gef echtem. Alithrilungssehicssen.

ist man mehr oder minder auf Schätzungen angewiesen. In Deutschland wenigstens sind solche systematischen Versuche, wie sie von Mieg mit dem Gewehr 71 angestellt sind, mit dem Gewehr 88 nicht ausgeführt worden. Jedenfalls hängt die Streuung sehr von der Schiessausbildung und

Abbild. 1.

.Mittlere (»Oproeentige) Höhenstreuungen beim gefcchtsnuissigen AbtheilungsschiMsen.

{I. d«*otscbo Infanterie, Q*w

II « «TI.

Ilf. . »chweiser

IV. - - frinzfthittutie

V, belgfccb« ff

Ruhe der Schützen ab. Die vorstehende Zeichnung (Abbild. 1) giebt einen UeberbÜck, wie die Streuung in verschiedenen Armeen veranschlagt wird.*)

*) Die Streuung für die deutsche Infanterie mit Gewehr 88 ist der 'Schiesslehre für Infanterie , Anlage 8. Sp. 8, entnommen. Für die Entfernungen bis 700 m ist sie aus Truppenschiessübnngen errechnet, für die grösseren geschützt. Für das Gewehr 71 ist die Streuung aus Angaben Miegs über die Längen Streuung nnd den Fallwinkeln errechnet, die für die schweizer Infanterie nach dem -Offizier-Taschenbuch für 180-4«, S. 117, für die französische Infanterie nach der lievue d artillerie«, tomc öO, p. 13/14 (mich le Joindre »Turs de combat individuels et collectifsi wäre sie noch etwas höher zu veranschlagen), für die belgische Infanterie nach d’Aout »La grande tension des trajectoires et le fusil de 1’avenir«.

Die namentlich auf den nahen Entfernungen kleine Streuung der deutschen Infanterie ist die Folge einer sehr sorgfältigen Schiessausbildung; diese bewirkt, dass sie sogar mit dem Gewehr 71 bis etwa 1000 tu eine grössere Präzision aufwies als die übrige Infanterie mit dem kleinkalibrigen Gewehr.

Die Errechnung der Streuung aus den Trefferzahlen bei gefechtsmässigem Schiessen wird meist zu grosse Zahlen ergeben, da die dazu angewendete Methode (Scbiess- lehre S. 7ö) nur dann zulässig ist, wenn die Ueherzeugung besteht, dass das beim Schiessen benutzte Visir auch das zutreffende d. h. nicht nur der Entfernung, sondern auch den Tages ein tlüssen entsprechende ist.

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewehra b. gcfeohtsm. Abtheilungsschiessen. 203

Fall sein. Mit den Visiren 500 und 800 der That der Kaum von der Mündung

Die vorstehenden Zusammen- stellungen 3 und 4 lassen er- kennen, wie das Gelände mit den Hauptvisiren unter Feuer gehalten wird, wenn die Grösse der Streuung der in der »Schiesslehre für In- fanterie« für eine gut ausgebildete Truppe angenommenen entspricht, bezw. wenn sie doppelt so gross ist, wie das bei weniger gut ausge- bildeten oder aufgeregten Schützen Vorkommen wird. Es kommt weniger darauf an, dass die an- genommene Grösse der Wirklich- keit entspricht, als vielmehr darauf, den Einfluss einer grossen und einer kleinen Streuung zu zeigen.

Aus diesen Zusammenstellun- gen, deutlicher aber noch aus den graphischen Darstellungen (Ab- bild. 2 und 3) erkennt man das Folgende:

1) Mit einem Visir wird von guten Schützen gegen ein Ziel von 1 m Höhe ein Kaum von höchstens 500 m mit der kleinen Klappe (350) unter Feuer gehalten ; mit schlechteren Schützen dagegen ein Kaum \-on 700 m (Visir 500). Gegen ein 1,7 m hohes Ziel würde das in verstärktem Maasso der wird von schlechteren Schützen in bis auf 1000 m, auf einigen Ent-

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewehrs b. gefecbtom. Abtheilnngtachiessen. 265

ffernungen allerdings mit sehr geringer Intensität, unter Feuer genommen. Mit den Visiten 600 und 900 würde dasselbe gegen ein Ziel von 1,7 m Wöbe ointreten, wenn die Streuung nur etwas grösser wäre, zum Beispiel die der französischen Infanterie er- reichte.

2) Auf Entfernungen von 700 m an und darüber wird durch ein Visir von guten Schützen ein Kaum von 200 m, von schlechten Schützen von 400 m Tiefe unter Feuer genommen.

Bei genau zutreffendem Visir ist das TrefTergebniss bei guten Schützen nahezu doppelt so hoch. Ist der Schätzungsfehler 50 m, so sind die Treffergebuisse dieselben, wird er noch grösser, treffen die schlechteren Schützen mehr als die guten. Als wirksam bestrichen kann aber nur etwa die Hälfte des Raumes, also ein Streifen von 10t» bezw. 200 m Tiefe, angesehen werden.

3) Je grösser die Streuung, um so kräftiger muss eine Korrektur des Visirs sein, um wirksam zu werden.

Erreicht man z. B. mit Visir 600 gar keinen Treffer, weil Alles vor dem Ziel einselilagt. so kann man daraus schliessen, dass bei guten Schützen das Ziel auf mindestens 700 in, bei schlechten dagegen auf mindestens 800 m steht.

4) Ist die Entfernung unbo kannt, so ist ein Gelände von einer gewissen Tiefe durch Anwendung mehrerer Visire unter Feuer zu nehmen, da die Erfahrung lehrt, dass

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26(i Neue Studien über <1. Wirkung <1. Inf.-Gewehrs b. gefechtsm. Abtheilungsschiesscn.

bei den kleinen Geschossen und der grossen Ausdehnung der Geschossgarbe eine Beobachtung und somit eine Korrektur des Visirs fast ausgeschlossen ist.*) Die Tiefe des Baumes, den man unter Feuer nehmen muss, hängt' von der Grösse des »wahrscheinlichen« Fehlers bei der Schätzung der Zielentfernung ab und muss mindestens die doppelte Tiefe des wahr- scheinlichen Schätzungsfehlers betragen, damit man wenigstens in der Hälfte aller Fälle eine ausreichende Wirkung orhält.

In der »Schiesslehre für Infanterie« habe ich den »wahrscheinlichen« Schätzungsfehler zu '/» der Entfernung angenommen. Wie ich glaube, ist diese Annahme eher zu niedrig als zu hoch gegriffen; in gänzlich un- bekanntem Gelände und in der Unruhe des Gefechts wird er gewiss häufiger grösser als kleiner ausfallen. Ist die Entfernung z. B. 800 m geschätzt, so wird unter Voraussetzung eines solchen Schätzungsfehlers das Ziel in der Hälfte aller Fälle zwischen 700 und 900 m stehen; in */« aller Fälle steht es näher als 700, ebenso oft weiter als 900 m. Man kann nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit noch weiter gehen und sagen, dass das Ziel in 4/s (genauer 82 pCt.) aller Fälle zwischen 600 und 1000 m liegt; in */io aller Fälle (genauer 9 pCt.) ist die Entfernung kleiner als 600, ebenso oft grösser als 1000 m. Will man sich damit be- gnügen, in mindestens der Hälfte aller Fälle eine Wirkung zu erhalten, so muss man einen Kaum von 200 m Tiefe (von 700 bis 900 m) unter Feuer nehmen. Es ist ganz selbstverständlich und nicht zu ändern, dass man einen Raum von 200 m Tiefe nicht mit derselben Intensität bostreichen kann wie einen Raum von der halben Tiefe. Ob guto oder schlechte Schlitzen schiessen, ändert an dieser That- sache nichts; nur eine Waffe mit sehr bedeutend gestreckterer Flugbahn könnte hier einen Vortheil bringen. Wenn mau die grössere Wirkung, die man im Vergleich zu früher erzielt, den modernen »Präzisions waffen« zuschreibt, so ist das durchaus verkehrt; die grössere Trefferwirkung ist lediglich die Folge grösserer Rasanz.

Nach dem Vorstehenden ergiebt sich also, dass man unter der An- nahme eines Schätzungsfehlers von */ g der Entfernung in der Hälfte aller Fälle Wirkung erhält, wenn man bei der Schätzung der Entfernung von

500 m

einen

Raum

von

125 m

Tiefe, von

1 437,5

bis 562,5 tu

600 *

»

»

150

» X

525

9

675 »

700

X

175

612,5

X

787,5 »

800 »

»

200 ■>

;> v

700

X

900 »

900 »

V

»

»

225

*> *>

787,5

X

1012,5 »

1000

»

7>

»

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unter Feuer hält.

*) Dass es auf jedem Uebnngsplatz Stellen gieht, wo die Grasnarbe fehlt und man bei trockenem Wetter die Gcschossaufschliige deutlich wahrnehmen kann, ändert nichts an der Uichtigkeit der Behauptung, da man im Gelände solche Stellen nur sehr selten linden dürfte.

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Uewehrs b. gefeohtsm. Abtheilungsschiessen. 267

Vergleicht man mit diesen Angaben die Zusammenstellungen 2, 3 und 4, so findet man, dass bei Schützen, dio gar keine Streuung auf- wiosen, wo die Streuungen also lediglich eine Folge der Bewaffnung waren (Zusammenstellung 2), mit einem Visir allenfalls bis 450 m ge- schossen werden könnte. Bei guten Schützen (Zusammenstellung 3) reicht ein Visir nur bis zur Schussweite 500, allenfalls 600 m aus. Die Treffer- zahl, die bei zutreffendem Visir (600) gegen eine 1 m hohe Scheibe 48 pCt. betragen würde, sinkt in der Hälfte aller Fälle, wenn das Ziel näher als 525 oder weiter als 675 m steht, schon unter 13 pCt., also auf etwa 1 i. Bei weniger guten Schützen (Zusammenstellung 4) kommt man mit einem ViBir bis etwa 700 m aus; die Trefforzahl, dio im günstigsten Falle etwa 21 pCt. erreicht, würde in der Hälfte aller Fälle unter lOpCt., also etwa Hie Hälfte, sinken.

Ueber diese Entfernungen hinaus also bei guten Schützen über 600, bei schlechteren über 700 m ist durch Anwendung mehrerer Visiro ein Kaum von grösserer Tiefe unter Feuer zu nehmen.

Es entsteht nun die Frage, welche Visire sind anzuwenden, d. h. wie weit sind dieselben zweckmässig auseinander zu legen. Wählt man nahe aneinander liegende Visire, so wird der unter Feuer gehaltene Raum nur wenig vorgrössert; wählt man weit auseinander liegende, so kann es Vorkommen, dass zwischen den Geschossgarben beider Visire ein von Treffern gar nicht oder nur ungenügend bedeckter Kaum liegt. Es ist leicht einzusohen, dass die Grösse der Streuung darüber entscheiden muss. Bei kleinen Streuungen sind die Visire nahe, bei grossen weiter auseinander zu wählen. Natürlich würden dann bei kleinen Streuungen mehr Visire anzuwenden sein. Ein Beispiel wird dio Sache klar machen.

Wird die Entfernung eines Zieles 850 m geschätzt, so sind nach der »Schiessvorschrift für die Infanterie« die Visire 800 und 900 anzuwenden. Ein Blick in Zusammenstellung 2 zeigt, dass bei so kleinen Streuungen diese Visire nur die Räume von etwa 775 bis 825 und von 875 bis 925 genügend unter Feuer halten. Da mit einem Schätzungsfehler von rund 100 m zu rechnen ist, so muss das Gelände zwischen 750 und 950 m möglichst gleichmässig unter Fouer gehalten werden. Das kann bei so kleinen Streuungen nur erreicht werden, wenn die Visire 750, 800, 850 und 950 m angewendet würden.

Bei guten Schützen (Zusammenstellung 3) würde mit den Visiren 800 und 900 das Gelände, wie folgt, unter Feuer gehalten worden. Von 100 Schuss (für jedes Visir 50) würde eine Scheibe von 1 m auf 700 750 800 850 900 950 1000 m Entfernung

0,35 6,45 16,6 11,0 13,6 4,65 0,25 Treffer erhalten.

Bei schlechteren Schützen mit doppelt so grosser Streuung (Zu- sammenstellung 4) würde das Ziel auf

600 650 700 750 800 850 900 950 1000 1050 1100 m Entfernung

0,25 1,05 3,5 7,8 11,0 11,45 9,7 5,6 2,3 0,7 0,1 Treffer erhalten.

Die weniger guten Schützen halten nicht nur ein Gelände von grösserer Tiefe unter Feuer, sondern bedecken es auch gleichmässiger mit Feuer; nur wenn das Ziel in nächster Nähe der den gewählten Visiren entsprechenden Entfernungen steht, erhalten die bes- seren Schützen höhere Treffergebnisse.

Wäre die Entfernung 1250 m, so würde man mit den nach der Schiessvorschrift anzuwendenden Visiren 1200 und 1300 bei guten Schützen einen Raum von 1150 bis 1350 m wirksam unter Feuer halten, während

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268 Neue Studien über d. Wirkung d. Inf. -Gewehrs b. gerechtem. Abtheilungsschiessen.

das Ziel sich nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitslehre nur in ■/> aller Fälle innerhalb, doppelt so oft aber ausserhalb dieses Raumes be- finden wird. Um einen Raum von 300 m, wie es einem Schätzungsfehler von 'jt der Entfernung entsprechen würde, unter Feuer zu halten, müsste

ex 6so :x ;.v Ar &w 900 950 iow

Abbild. 4. Darstellung der mit den Visiren 800 nnd 900 von gutdn bezw. weniger guten Schützen zu erwar- tenden Treffer gegen eine Scheibe von 1 m Hohe,

gute Schützen, weniger gute Schützen.

Dm Schratfirte stellt den Raum dar, in dem sich das Ziel befindet, wenn der SchxtzungsMiler kleiner aLi der wahrscheinliche (106 m) ist.

man die Visiro 1150, 1250 und 1350 anwenden. Mit weniger guten Schützen würde man mit den Visiren 1200 nnd 1300 den Raum von 1150 bis 1350 m in ähnlicher Weise wie mit guten Schützen, nur gleich- massiger unter Feuer halten. Die nebenstehenden Abbildungen 4 und 5 zeigen, wie der Raum durch 2 bezw. 3 Visire bei guten nnd bei schlechteren Schützen mit Feuer gedeckt wird.

Wollte man bei kleinen Streuun- gen (Zusammenstellung 3) die Visire 200 m auseinander legen (Visire 1150 und 1350), so würde in der That der Raum von 1200 bis 1300 m fast gar keine Treffer erhalten.

Erfahrungsgemäss ist die Aus- breitung der Schüsse auf dem Boden

(die Längenstreuung) beim gefechtsmässigen Schiessen auf den Entfernungen von 600 oder 700 m an eine von der Schussweite fast ganz unabänderliche Grösse. Bei den für die doutsche Infan- terie angenommenen Streu- ungen erhält man bei guten Schützen eine mittlere Län- genstreuung (Ausbreitung der besseren Hälfte aller Schüsse) von rund 50 m, für

Abbild. 6. Graphische Darstellung der von guten und weniger guten Schützen in einer 1 m hohen Scheibe zu erwartenden T refferprozente.

schlechtere eine solche von 100 m. ln der Nähe des

gute Schützen. Visire 1200 und 1300.

gute Schützen, Visiro 1150, 1250, 1350,

weniger gute Schützen, Visire 1200 und 1300,

weniger gute Schützen, Visire 1150 nnd 1350.

Das Schraffirte bezeichnet den Kaum, in dem sich das Ziel be- findet, wenn der SchStxuogMfehler kleiner als der wahrscheinliche (156 m| ist.

mittelsten Treffpunktes ist die Dichtigkeit der Treffer am grössten; in einem be- stimmten Abstand von die- sem Punkt, welcher gleich

der 0,87 fachen mittleren Streuung ist, sinkt sie nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitslehre auf die Hälfte, was die Zusammenstellungen 3

und 4 auch erkennen lassen. Legt man die Visire doppelt so weit, d. h. um die 1,74 fache mittlere Streuung auseinander, so wird das Gelände

zwischen den diesen Entfernungen entsprechenden Visiren so gleichmässig unter Feuer gehalten, als es nur möglich ist. Bei guten Schützen (mittlere Längenstreuung 50 m) muss man also das Visir um 87, in der Praxis also 100 m auseinander legen; bei weniger guten Schützen (mittlere Streuung 100 m) müssen die Visire mithin um 200 m weit auseinander liegen.

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'><•«<-* Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewchrs b. gefechtsm. Abtheilungsschiessen. 26$

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Man mag über die angenommene Grösse der Streuung und des

wahrscheinlichen Schätzungsfehlers denken, wie man will, unwiderleglich .. fest steht, dass das Schiessverfahren, um rationell zu sein, auf den Entfernungen über 600 m bedingt sein muss durch die Grösse der wahr- scheinlichen Streuung und des wahrscheinlichen Schätzungs- fehlers. Daraus geht die Wichtigkeit von deren Kenntniss hervor. Je kleiner der wahrscheinliche Schätzungsfehler ist, um so schmaler kann der wirksam unter Feuer gehaltene Geländestreifen sein; je grösser derselbe ist, um so tiefer muss dieser Streifen sein, um so weniger Werth hat eine grosse Präzision des Schiessens. Je kleiner die Streuung, um so geringer ist die Tiefe des von einem Visir wirksam unter Feuer gehaltenen Raumes, ^ um so näher müssen mithin die Visire aneinander liegen, falls die Tiefe des von einem Visir bestrichenen Raumes nicht ausreicht. Je grösser ‘s die Streuung, um so weiter kann man die Visire auseinander legen, mit i- desto weniger verschiedenen Visiren kommt man dann auch aus. Für die ; W irku ng ist es durchaus gleichgültig, ob man mit mehreren nahe aneinander liegenden oder mit wenigen weiter auseinander liegenden Visiren schiesst; das Ausschlaggebende ist die Tiefe des unter Feuer gehaltenen Raumes.

Nach der deutschen Schiessvorschrift wird auf den Entfernungen von < 800 m mit einem Visir, darüber hinaus in der Regel mit zwei um 100 m

auseinander liegenden Visiren geschossen. Da nach Ziffer 156 der Schiess- vorschrift jedes Visir einen Raum von etwa 100 m Tiefe unter Feuer hält, so wird auf den Entfernungen bis 800 m ein Raum von 100 m, darüber hinaus von 200 m unter Feuer genommen. Diese Regeln passen nach dem vorstehend Entwickelten nur für den Fall, dass sehr gut ausgebildete Schützen schiessen und der wahrscheinliche Schätzungsfehler etwa 6 biB 7 pCt. (l/i6) der Entfernung beträgt, was auf dem bekannten Uebungs- gelände wohl zutreffen mag, nicht aber in unbekanntem Gelände. Hier würde ein Raum von doppelt so grosser Tiefe natürlich unter Ver- zichtleistung auf die höchstmögliche Wirkung unter Feuer zu nehmen sein, um wenigstens in der Hälfte aller Fälle eine ausreichende Wirkung zu erreichen.

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, sind die Streuungen der fran- zösischen Infanterie ungefähr 1 bis 2 mal so gross als die für die deutsche angenommenen, namentlich auf den näheren Entfernungen Bind sie erheblich (bis zu 3 mal so gross). Es ist daher ganz folgerichtig, wenn die Fran- zosen auf den Entfernungen bis 1000 m mit einem Visir, darüber hinaus mit zwei um 200 m auseinander liegenden Visiren schiessen. Es wird auf diese Weise bis 1000 m ein Raum von 200, darüber hinaus von 400 m unter Feuer gehalten. Der bekannte General Langlois rechnet mit noch grösseren Streuungen, aber auch grösseren Schätzungsfehlern, weshalb er den Vorschlag macht, auf den grösseren Entfernungen mit zwei um je 300 m auseinander liegenden Visiren zu schiessen.

Mein in der tSchiesslehre für Infanterie« gemachter Vorschlag, auf Entfernungen über 600 m mit zwei um 100 m, auf den Entfernungen über 1200 m mit zwei um 200 m auseinander liegenden Visiren zu schiessen, ging aus ähnlichen Erwägungen hervor. Man könnte dem entgegenhalten, dass im Ernstfall die Streuungen grösser, ja erheblich grösser, als an- genommen, sein würden, und dass es daher keineswegs wünschenswerth sei, die Streuung noch mehr zu vergrössern. Abgesehen davon, dass es unter diesem Gesichtspunkt nicht nur folgerichtiger, sondern auch ein- facher wäre, stets mit nur einem Visir zu schiessen, so ist auch mit

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Selbstbülfe der Kriegs verwundeten.

Sicherheit anzunehmen, dass ebenso wie die Streuungen auch die Schätzungs- fehler, wenngleich wohl nicht in demselben Grade, wachsen. Im Uebrigen würde es selbst bei der angenommenen Grösse des wahrscheinlichen Schätzungsfehlers (l/> der Entfernung) nichts schaden, wenn ein Raum von grösserer Tiefe unter Feuer gehalten wird; denn bei der voraus- gesetzten Grösse des wahrscheinlichen Schätzungsfehlers befindet sieh das Ziel nur in der Hälfte aller Fälle innerhalb des wirksam unter Feuer gehaltenen Raumes, ebenso oft aber auch ausserhalb desselben. Verlangt man in 4/s aller Fälle Wirkung, so muss schon ein Kaum von der vier- fachen Grösse des wahrscheinlichen Schätzungsfehlers unter Feuer genommen werden, also z. B. auf 1300 m ein Raum von 650 m Tiefe. Das ist der Fall, wenn bei Anwendung der Visire 1200 und 1400 die mittlere Längen- streuung 450 m beträgt, d. h. wenn sie etwa 9 mal so gross, als in der Schiesslehre angenommen ist. Es müssen wohl schon recht schlechte oder aufgeregte Schützen sein, die noch grössere Streuungen aufweisen. Die Ausbreitung der mit einem Visir abgegebenen Schüsse würde dann etwa 1800 m auf der wagerechten Ebene betragen.

Dass der Vorschlag, von 700 m an mit zwei um 100 m, von 1200 m an mit zwei um 200 m auseinander gelegenen Visiren zu schiessen, bei guten bezw. massig ausgebildeten Schützen nur von Vortheil sein kann, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Es bliebe noch zu untersuchen, welche Folgen der Vorschlag bei sehr schlechten oder aufgeregten Schützen haben würde.

Nimmt man die Streuung achtmal so hoch an, wie. die Schiesslehre, Anlage 8, Sp. 3, angiebt, so dürfte das wohl selbst im Ernstfall kaum übertroffen werden.

Nachstehend ist ersichtlich gemacht, in welcher Weise das Gelände durch das Visir 750 bezw. die Visire 700 und 800 unter Feuer gehalten wird. Gegen eine Scheibe von 1 m Höhe erhält man auf

300 400 500 600 700 800 900 1000 1100

mit Visir 750 . . . 4,3 5,2 5,4 5,6 5,3 4,2 3,0 2,0 1,3 pCt.,

» » 700 u. 800 4,3 5,2 5,4 5,5 5,0 4,1 3,0 2,0 1,3 pCt, Treffer.

Es geht hieraus hervor, dass die vorgeschlagene Maassregel bei schlechten Schützen allerdings überflüssig, zugleich aber auch vollkommen unschädlich ist; denn ob man gegen ein Ziel 5,3 oder 5,0 pCt. Treffer erhält das ist der grösste überhaupt vorkommende Unterschied , ist doch in der Praxis durchaus gleichgültig. In noch höherem Maasse gilt das für die weiteren Entfernungen.

(Schluo folgt)

Selbsthülfe der Kriegsverwundeten.

Die modernen Feuerwaffen werden, den Fortschritten der Technik gemäss, immer mehr vervollkommnet und dadurch in ihrer Wirkung immer verheerender. Wie bei der Infanterie, so ist neuerdings auch bei der Ar- tillerie, hauptsächlich der Feldartillerie, der Mehrlader eingeführt. Bereits spricht man schon von dem Selbstlader als der Waffe der Zukunft. Die Wir- kung der heutigen Geschütze und Gewehre ist den meisten Lesern hin- reichend bekannt. Sie werden daher eingestohen, dass ein gewaltiger Unterschied in dieser Beziehung gegen 1870/71 vorliegt. Diese grosso Ver- schiedenheit wird bei den Millionenheeren der Zukunft auch zu einer Masse von Todton und Verwundeten führen, von welcher ein Bild sich heute zu

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Selbsthülfe der Kriegsverwundeten.

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gestalten wohl nicht möglich sein dürfte, welche aber diejenige des letzten Krieges sicher um das Dreifache übersteigen wird.

Freilich ist ja das Sanitätswesen auch in grossartiger Weise ausge- bildet, und das Rothe Kreuz arbeitet in Friedonszeiten mit aller Kraft darauf hin, den Verwundeten des nächsten Krieges möglichst schnell und aus- giebig helfen zu können, so dass man mit einiger Ruhe einem Feldzuge in dieser Beziehung entgegensehen könnte. Aber wie viel Verwundete können schon während der Schlacht versorgt werden? Bei der heutigen Taktik und den heutigen Waffen leider nur sehr wenige. Wie viel Verwundete ferner kommen rechtzeitig auf denVerbandplatz ? Voraussichtlich nur diejenigen, welche wegen der Art ihrer Verwundung warten können entweder bis nach der Schlacht oder bis zu einer grösseren Feuerpause. Die Fürsorge für die Verwundeten muss trotz der heutigen Feuerwaffen schon auf dem Schlachtfelde beginnen, sollen nicht Tausende unnöthigerweise geopfert werden. Die Aerzte und das ganze Sanitätspersonal werden gewiss ihre Pflicht thun. Doch hilft der beste Wille hier nicht viel, helfen alle Todes- verachtung und aller Opfermuth wenig bei den grossen Entfernungen und den ausgedehnten bestrichenen Räumen. Es wäre wenigstens ein nutzloses Aufopfern auf Kosten der Verwundeten, welchen, nachdem sie Hülfe er- sehnend auf dem Verbandplätze schliesslich angelangt sind, auf diese Weise nur noch später und unzureichend sachgemässe Hülfe zu Theil werden würde, wenn die ohnehin verhältnissmässig geringe Anzahl von Aerzten auf dem Gefechtsfelde noch vermindert würde. Das Sanitätspersonal wird schon auf den Verbandplätzen Alles aufs Besto zur raschen und ausge- dehnten Versorgung der Verwundeten bereitstellen. Die sorgfältigen Vor- bereitungen der staatlichen und privaten Organisationen kommen nur einem gewissen Prozentsatz der Verwundeten zu Gute. Ein grosser Theil muss sich auf dem Schlachtfelde verbluten. Hier dürfte sich wohl eine Lücke befinden in der Fürsorge für die Kriegsverwundeten der Zukunft. Voll- kommenes lässt sich ja auch hier nicht erreichen, doch müsste das Menschen- mögliche versucht werden. Ist es denn nicht auch nöthig, dafür zu sorgen, dass möglichst allen Verwundeten, denen leicht geholfen werden kann, auch wirklich geholfen wird? Sie haben dies nicht allein verdient, sondern haben ein Recht darauf. Während noch 1870/71 die Krankenträger und selbst die Boidaten die Verwundeten während des Gefechts transportirten, wird dies in Zukunft ausgeschlossen sein. Wer sorgt denn nun für dieselben? Wer bringt ihnen Hülfe? Die einzige Möglichkeit dürfte wohl in Zukunft in der Belbsthülfe liegen, welche der Verwundete sich selbst oder seinem Kameraden neben ihm leistet.

Jeder Soldat hat, wie bekannt, sein Verbandpäckchen bei sich. Mit diesem kann er ebensoviel Nutzen stiften als Schaden anrichten, je nachdem er mit reinen Fingern und sachgemiiss dasselbe anwendet oder nicht. Jedenfalls aber liegt dieser Ausrüstung des Boidaten mit dem Verband- päckchen doch auch die Idee einer Belbsthülfe zu Grunde. Noch viel segensreicher, weil wichtiger in der Wirkung und leichter und schneller anzuwenden wäre die Ausrüstung jedes Boidaten mit einem Schlauche oder elastischen Gurte, sei es aus Gummi, sei es aus Messingspiralen, letztere mit Leder überzogen. Dieses elastische Bclinürmittel könnte um den Leib getragen werden über der Hose, lose gespannt und mit Haken und Oese befestigt w'erden. Als Ersatz für Hosenträger oder Leibriemen dürfte es nicht gebraucht werden, ln Wasser Hessen sich diese Gummigurte während der Friedenszeit gut konserviren. Die Messinggurte würden sich in den Arsenalen wohl noch besser brauchbar erhalten lassen.

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Selbsthälfe <ler Kriegsverwundeten.

Die Hauptgefahr bei den Verletzungen im Zukunftskriege liegt eben nach Ansicht der Autoritäten in der Verblutung. Dieser soll durch Ein- führung meines Vorschlages vorgebeugt werden. Dadurch würden Tausende und Abertausende gerettet, welche sonst ohne Zweifel sich auf dem Schlacht- felde oder in Festungen, in grossen Schlachten oder in Gefechten oder Vorpostengefechten verbluten würden, selbst bei geringfügigen Verletzungen, sobald dabei nur eine Pulsader an den Gliedmaasscn getroffen worden. Innerhalb kürzester Zeit, in kaum einer Minute, kann durch Umschnürung des verletzten Gliedes oberhalb der Wunde dem Bluten Einhalt geboten werden, und der Verwundete ist vom sicheren Tode gerettet. Diese l'm- Bchnürung kann 3 bis 4, sogar im Nothfalle bis zu 12 Stunden, also während eines Schlachttages, liegen bleiben. Der grosse Vortheil liegt auf der Hand. Innerhalb dieser Frist werden in den meisten Fällen sich Hülfeleistung von Seiten des Sanitätsdetachements und Transport ermöglichen lassen.

Damit nun jeder Soldat den sachgemässen Gebrauch dieses Gurtos sicher lernt, müssten einigo Stunden im Jahre zu seiner Ausbildung in dieser Fertigkeit verwendet werden. Ueber die Art dieser Ausbildung, den Unterrichtsstoff und die Lehrmethode, über die Anwendung im Angriff und in der Vertheidigung, sowie über die Vortheile dieser Ausbildung überhaupt, sowohl im Kriege wie im Frieden, Bind schon im Militär- Wochenblatt, Jahrgang 189b Nr. 100 u. 113, sowie 1897 Nr. 73, die nöthigen Angaben in den drei Aufsätzen „Erste Hülfe in der Gefechtslinie“ enthalten. Es wird daselbst für zweckmässig gehalten, dass jeder Soldat über den Ban des menschlichen Körpers, speziell Knochengerüst und Blutkreislauf, unter- richtet, dabei in der Methode der Umschnürung mit dem elastischen Gurte sowie in der Anlegung von Schutz-, Druck- und Stützverbänden unterwiesen werde. Die beiden ersten Verbandarten muss doch schon jeder Soldat kennen, wenn er mit Erfolg und ohne zu schaden sein Verbandpäckchen im Nothfalle anwenden will. Also darin müsste auch jetzt schon die ganze Armee ausgebildet werden, wenn anders die Ausrüstung derselben mit dem Verbandpäckchen wirklich Zweck haben soll. Eine Leichtigkeit wäre es, in Verbindung damit auch die Fertigkeit im Anlegen von Stütz- verbänden zurStütze zerbrochener oder zerschossener Gliedmaassen zu lehren. Wie wichtig dies ist, wird wohl Jedem einleuchten. Auch glaube ich an- nehmen zu dürfen, dass jeder Soldat, da er sich doch darauf gefasst machen muss, auf dem Schlachtfelde stundenlang, sei es in glühender Sommerhitze, sei es bei strengster Kälte, liegen zu müssen mit zerschossenen Gliedmaassen, die bei jeder Bewegung des Körpers die grössten Schmerzen verursachen, sich glücklich schätzen wird, in der Lago zu sein, entweder sich selbst durch einen Stützverband Linderung der Schmerzen zu ver- schaffen oder von seinem Kameraden sich verschaffen -zu lassen. Die zu einem solchen improvisirten Verbände nothwendigen Schienen sind ja auf dem Schlachtfelde hinreichend vorhanden in Form von Seitengewehren, Gewehren u. s. w., desgleichen die Befestigungsmittel in Form von Riemen, Gurten, Uniformtheilen u. s. w.

Könnte es nun nicht möglich sein, in Anbetracht, dass die Verwundeten voraussichtlich lange auf dem Schlachtfelde liegen bleiben müssen, den- selben noch mehr Linderung zu bereiten, ihr Loos etwas erträglicher zu gestalten, indem wirkliche Schienen aus Stroh, Draht oder nach General- arzt I)r. Port aus Bandeisen, die vorher an den Verbandplätzen fertig- gestellt worden sind, während des Gefechts ihnen zugestellt würden? Zu diesem Zwecke müsste eine Verbindung zwischen Gefechtslinie und Truppenverbandplatz hergestellt werden, und dieselbe liesse sich vielleicht

■Sellistbülfe der Kriegsverwundeten.

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lolgonderm nassen bewerkstelligen. Ich habe dabei die Art und Weise im Auge, wie den Kämpfenden die Munition von hinten zugoworfen wird. Ebenso könnten wohl Sanitätsmannschaften die genannten Schienen kriechend bis in die Nähe der Feuerlinie schaffen und dort durch Hinwerfen an ge- wünschte Stellen vertheilen. Auf ähnliche Art Hessen sich denn auch Lebensmittel dort niederlegen. Dass diese Mannschaften, in die Nähe der Gefechtslinie gelangt, nun auch selbst verbinden, ist wohl nur in einzelnen Fällen, sonst selten möglich. Dafür ist die Zeit zu gering und die Ent- fernung zu gross, auch die Uebersicht zu erschwert. Das Verbinden müssen eben die Soldaten unter sich besorgen. Die Sanitätsmannschaften kommen vom Truppenverbandplätze. Es wäre also auch aus diesem Grunde nöthig, dass ein solcher mögHchst nahe bei der Gefechtslinie errichtet werdo. Im Allgemeinen wird man denselben doch etwa 3000 4000 m von den feind- lichen Gewehren entfernt anlegen. Für genannten Zweck ist dies zu weit. Aus anderen Gründen nun könnte es aber auch sehr wünschenswerth, ja sogar nothwendig erscheinen, denselben näher, bis ca. 2000 m von den feindlichen Gewehren entfernt, aufzuschlagen. Bietet aber das Gelände überall dazu die Möglichkeit? Ist es nicht selten, dass todte Winkel in -dieser Entfernung und in der nöthigen Grösse hinter der Truppe liegen?

Ein Truppenverbandplatz für ein Regiment z. B. muss (nach Bircher) etwa 100 m Länge und 50 m Tiefe haben oder umgekehrt. Soll derselbe nun ganz geschützt sein bei der Flugbahn der heutigen Geschosse, so muss er, vorausgesetzt, dass unsere Feuerlinie gleiches Niveau hat mit der feind- lichen, bei einer Entfernung von 500 m von der eigenen Feuerlinie, ent- weder hinter einem Erdwall oder einer Böschung von 8 m Höhe Hegen, oder es muss in der Mitte zwischen Freund und Feind eine Anhöhe von etwa 16 m sich befinden. Bei einer Entfernung von 1000 bezw. 1500 m würden die anderen Zahlen 16 bezw. 25 m und 47 bezw. 125 m betragen müssen.

Wenn also die Natur nicht die nöthigen Verhältnisse liefert und die Nothwendigkeit vorhanden ist, einen Truppenverbandplatz nahe an den Kämpfenden anzulegen, bleibt nichts übrig, als die Kunst zu Hülfe zu nehmen und sich auch hier die Neuheiten der Technik nutzbar zu machen.

Wälder oder Gehölze, wenn sie nicht einen Bestand von dicken, dicht zusammenstehenden Bäumen aufweisen, bieten ja keine Deckung mehr gegen unsere heutigen Geschosse. Ebenso wenig Mauern, Zäune u. s. w. An derartige Gehölze, Hocken, Mauern u. s. w. angelehnt, ja im Nothfalle auch mitten im freien Felde aufgestellt könnten aber künstliche Schutz- wände einigen Schutz wenigstens gegen Infanteriefeuer gewähren. Es müsste dabei Bedacht darauf genommen werden, ob nicht dieselben etwaigen Kavallerieattacken ausgesetzt wären. Solche Schutzwände Hessen sich viel- leicht auf folgende Weise anfertigen und anfstellen.

An den Seitenwänden der Sanitätswagen und Krankentransportwagen könnten Platten von derselben Grösse wie die Wagenwände, aus Niekel- stahl etwa 1 */» bis 2 cm dick, angebracht werden. Sollte dies Material zu schwer sein, dann wäre zu erwägen, ob nicht das Dowesche Panzer- material, wasserdicht imprägnirt, in Rahmen von Nickelstahl zu diesem Zwecke zu gebrauchen wäre. Auf dem Wagenhalteplatz würden die Platten abgenommen, auf je zwei Tragbahren von je vier Krankenträgern nach dem zum Nothtruppenverbandplatz bestimmten Ort transportirt und dort von den vier anderen Krankenträgern der zweiten Tragbahre, die zum Transport der Platte benutzt werden, in Empfang genommen und abge- Jaden. AUe Platten würden sodann nach Art der „spanischen Wände“

Krlegatechniicbe Zeitschrift. 1893. 6. Heft. 13

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Selbsthülfe der Kriegsverwundeten.

sei es durch Charnirgelenke oder auf andere Art zu einer Schutzwand zu- sammengesetzt und durch Stützen vor dem Umfallen geschützt. Haben solche kleinere „vorgeschobene Nothtruppenverbandplätze“ auch geringe Front und wenig Tiefe im Vergleich zu den wirklichen Truppenverband- plätzen, so bieten dieselben trotzdem sehr grosse Vortheile. Vor Allem denjenigen, dass sie sich anlegen lassen unabhängig vom Gelände, wo man will, wo z. B. wegen der Grösse der Verluste es nothwendig ist, die Entfernung zwischen den Verwundeten und der ärztlichen Hülfe möglichst zu verringern. Die am meisten gefährdeten Schwerverwundeten könnten hier zunächst geborgen werden, bis sich ein weiterer Transport zum Truppen- bezw. Hauptverbandplatz ermöglichen licsse. Dies liesse sich vielleicht durchführen, da der Transport aus der Gefechtelinie bis auf diesen Noth- verbandplatz nur 10 bis 15 Minuten in Anspruch nähme, während zum Truppenverbandplätze über ’/j Stunde zu diesem Zwecke wohl sicher nöthig wäre. Bewerkstelligt könnte der Transport werden von den schon oben erwähnten Sanitätsmannschaften, die von diesen Nothverbandplätzen strahlen- förmig als vorgeschobene Sanitätsposten wie mit Schienen und Lebensmitteln, so auch mit zusammenlegbaren Tragbahren zu je zweien kriechend bis in die Nähe der Kämpfenden sich begäben, eine Feuerpause abwarteten und diese dann benutzend die Schwerverletzten, die von ihren Kameraden den Nothverband Bchon erhalten, eiligst zum Nothvorbandplatze hinbrächten.

Ist auf solche Weise durch Zwischenstation und Verbindungsleute eine Fühlung zwischen Gefechtslinie und Truppenverbandplatz hergestellt, dann würde dies zur Erleichterung der Sclbsthülfe der Verwundeten und zur Versorgung derselben überhaupt sehr wesentlich beitragen.

In Frage käme diese Neuerung hauptsächlich in der Vertheidigungs- stellung, wenn voraussichtlich die Kämpfenden stundenlang dieselbe Po- sition behaupten müssen. Es finden sich auch leichter kleinere für solche Nothverbandplätze passende Stellen, als grosse todte Winkel für die Truppen- verbandplätze in der nöthigen Nähe.

Beim Angriff kämen derartige Verbandplätze weniger in Frage. Bei dem häufigen Wechseln der Stellungen genügte die Selbsthülfe der Sol- daten, wie sie an oben genannten Stellen im Militär-Wochenblatt vor- geschlagen wurden, da ein Transport sich hier leichter durchführen lässt.

Ich verkenne keineswegs die grossen Schwierigkeiten, die sich der Einführung dieser Vorschläge entgegenstellen, fürchte auch, dass die Platten sehr schwer sind und die Transportwagen vielleicht zu sehr beschweren werden. Wenn den Soldaten die Fertigkeit im Anlegen der genannten Verbände und vor Allem des elastischen Gurtes in Friedenszeiten aus ver- schiedenen Gründen z. B. Zeitmangel wirklich nicht beigebracht werden kann, woran ich jedoch zweifle, da doch nur wenig Stunden dazu nöthig sind, so wäre zu überlegen, ob es sich nicht empfehlen würde, bei der Mobilmachung sowohl in den Garnisonen, als an den Bezirkskommandos durch die daselbst zahlreich versammelten Aerzte vor dem Ausrücken ins Feld eine Instruktion und Demonstration, verbunden mit praktischen Hebungen vornehmen zu lassen und jedem Soldaten bei der Ueberreichung des elastischen Gurtes auch ein solide gebundenes Heftchen, enthaltend die Gebrauchsanweisung und die wichtigsten Bilder zum Zweck der SelbBthülfe hinzuzugeben. Vor dem Ernstfälle stehend, hat jeder Soldat ein noch grösseres Interesse für diese Sache als mitten im Frieden und wird sich selbst bemühen, sieh möglichst bald mit der Anlegung des Gurtes und der Verbände vertraut zu machen.

Die ausserordentliche Wirkung der Feuerwaffen rechtfertigt auch

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Das Militärrad.

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ausserordentliche Maassregeln. Die genannten Vorschläge halte ich für die Verwundeten für sehr segensreich und glaube, dass das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren, wie Blutstillung durch Umschnürung der Gliedmaassen , Anlegung der Schutz- und Stützverbände, Ermöglichung schnelleren Transportes der Schwerverletzten an einen relativ geschützten Ort, Wo ärztliche Kunst ihrer schönen Aufgabe gerecht werden kann, und Linderung des Looses aller auf dem Schlachtfelde verwundet liegenden durch die vorgeschobenen Sanitätsmannschaften die schönsten Früchte zeitigen wird. Die Hauptbedingung wird aber immer bleiben, dass jeder Soldat zur Selbsthülfe fähig gemacht werde.

Was hier verausgabt wird an Geld und Arbeit, wird später gespart durch Erhaltung tausender theurer Menschenleben und durch Verminderung der Zahl von Wittwen und Waisen nach dem zukünftigen Kriege.

Diese Selbsthülfe der Soldaten würde wie bei der Infanterie, so auch bei den Pionieren und der Artillerie sehr segensreich wirken z. B. im Festungskriege. Und die Feldartillerie wird wrohl beim langsamen Feuern von den 6 Bedienungsmannschaften jedes Geschützes gut je zwei, wenn nöthig, zum Verbinden für einige Minuten abgeben können. Aber auch bei der Marine würden sich die grossen Vortheile dieser Selbsthülfe sowohl auf den Schiffen im Seekampf als auch bei Landungskämpfen und über- haupt im Kolonialdienst sehr bemerkbar machen.

Sollte aber ein Krieg uns noch lange erspart bleiben, so würde trotz- dem alle Mühe überreich belohnt werden durch den unberechenbaren Nutzen und grossen Segen im Frieden, der sich ergeben würde aus dieser Ausbildung der Armee in der ersten Hülfeleistung in dem Sinne, dass jeder zur Reserve Entlassene in seinem Berufe und Wirkungskreise im Noth- falle in gewisser Beziehung Samariterthütigkcit ausüben könnte.

Das Militärrad.*)

Mit drei Abbildungen.

Die Konstruktion des Fahrrades war in seiner bisherigen Gestalt nicht so vollkommen, dass es auch im Felde jederzeit sicher gebraucht werden konnte, sobald sich demselben Hindernisse entgegenstellten, die zu nehmen dem Radfahrer oft unmöglich wurde. Dadurch entsprach da« Fahrrad nicht allen Anforderungen, die man an ein in allen Dienstes- lagen brauchbares Kriegsgeräth zu stellen gezwungen ist. Wenn es tüchtigen und ausdauernden Radfahrern auch gelang, so manches Hinderniss, ohne abzusitzen, zu überwinden, so war dies bei Hindernissen grösseren und mächtigen Umfanges doch unmöglich. Die Maschine war in diesem Falle gleichsam eine Last, die das Fortkommen behinderte, denn das Rad musste jetzt entweder gezogen oder gehoben oder geschoben werden.

Durch die Erfindung des zusammenklappbaren Rades ist dieser Uebel- stand gänzlich behoben worden. Dieses Fahrrad-Modell ist mit einem Mechanismus versehen, der es gestattet, das Rad nach Bedarf zusammen- zuklappen und ähnlich wie einen Tornister auf dem Rücken zu tragen (Abbild. 1). Auf diese Weise kann der Radfahrer beim Anlangen an einem Hindernisse den Weg anstandslos mit geschultertem Rade fortsetzen und so die Lösung der ihm gestellten Aufgabe durchführen. Die Konstruktion,

*) Siehe Heft 6, Seite 20t, Anmerkung der Redaktion in der Fussnote.

18»

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Das Militärrad.

welche dieser neuen Erfindung zu Grunde liegt, ist eine höchst einfache. Jeder Laie kann sich auf den ersten Blick die Funktionen des Mechanismus erklären. Er besteht aus einer einfachen Bolzenvorrichtung, welche das Vorder- und Hintergestell des Rades miteinander verbindet. Ein. derartiger

Abbild. 1. Pnchsches Klapprad Abbild. 2. Puchschea Klapprad fertig

geschultert. zur Fahrt.

Bolzen ist an der Mitte der oberen, der andere an der unteren Verbindungs- stangc des Rahmens angebracht, so dass das Rad in seiner Längenmitte gebrochen werden kann. Werden also die Bolzen aus den Oehren, die

daselbst angebracht sind, heraus- gezogen, so lässt sich das Rad derart zusammenklappen, dass Vor- der- und Hinterrad aufeinander zu liegen kommen und sich vollkommen decken.

In diesem Zustande lässt sich das Rad wie ein Tornister schultern. Zu diesem Zweck sind am Hinter- gestell zwei Tragriemen befestigt. Wird das Rad wieder aufgeklappt, und steckt man die Bolzen wieder in die Oehre, so ist das Rad wieder in fahrbarem Zustande (Abbild. 2). Das Rad kann in 30 Sekunden zusammengeklappt und geschultert werden. Die Wiederinstandsetzung Abbild. 3. Puchsches Klapprml zur pahrt beansprucht eine noch

kürzere Zeit. Das Gewicht der Maschine beträgt 12'/a kg; sie ist also bedeutend leichter als jene der bisher im Militärdienst in Verwendung gestandenen, aber auch leichter

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Einiges über Ausbrennangen and Rohrabnutzung.

277

als der vorschriftsmässig gepackte Tornister des Infanteristen. Auch die Schusswaffe kann mit geschultertem Rade ungehindert gebraucht werden, so dass es dem Mann möglich ist, anstandslos liegend, knieeud oder stehend zu schiessen (Abbild. 3). Es ist einleuchtend, dass es ein grosser Vortheil ist, das Rad gleich einem Tornister tragen zu können, wenn man es wegen der Bodenbeschaffenheit nicht zum Fahren benutzen kann. Besonders wichtig ist z. B. die Verwendung eines derartigen Rades für Patrouillen. Der im Aufklärungs- und Sicherheitsdienst thätige Rad- fahrerwird beim Betreten und Durchstreifen bedeckter Geländestrecken, Wege- engen, Ortschaften u. s. w. den Werth dieser Konstruktion schätzen lernen. Jedes Gelände, das ihm bisher ein Hinderniss war, welches er bisher mit grossem Zeitverlust umgehen musste, kann er jetzt anstandslos passiren.

Dieses Fahrrad-Modell fertigt die Firma J. Puch & Co. in Gratz solid und fest, dass man mit demselben überAecker, Stiegen, Schotterhaufen u. s.w. fahren kann, ohne dass dem Rade der geringste Schaden geschieht. Das Modell 1898 besitzt 28" Räder. Die linke Gonvernalhälfte dieses Rades, welche beim Modell 1898 über den Kopf hervorragte, kann ebenfalls zum Umklappen eingerichtet werden. Ein weiterer hervorragender Vortheil dieses neuen Modells liegt darin, dass hinter dem Sattel ein zweiter Sitz rasch und ohne Mühe angebracht werden kann, wodurch es jedem Fahrer ermöglicht wird, eine zweite Person, welche des Fahrens nicht kundig zu sein braucht, ohne viel Anstrengung fortzubringen. Ist jedoch diese zweite Person des Fahrens kundig, so können sich beide im Treten ablösen und auf diese Weise ohne Ermüdung grosse Strecken zurücklegen. Da die Räder des neuen Modells klein sind und verstärkte Kontinentalreifen haben, so erhalten sie trotz ihres geringen Gewichts von 3'/j kg eine erhebliche Widerstandskraft. Dieses Rad ist ferner so eingerichtet, dass die beiden zusammenklappbaren Theile von einander getrennt werden können. Die vordere Hälfte wiegt dann 5 kg, die rückwärtige 71/* kg. Es kann demnach jeder der beiden Theile von zwei Fahrern spielend fortgebracht werden. Das Anbringen eines zweiten Sitzes, zu welchem auch Richtpedale geliefert werden, die ein vollkommenes Ausruhen ermöglichen, bietet übrigens nicht nur dem Militär Vortheile, sondern jedem Fahrer überhaupt, weil derselbe dadurch in die oft erwünschte Lage versetzt werden kann, eine andere Person (Kinder u. s. w.) mit sich zu führen.

Das zusammenklappbare Rad wurde in den Jahren 1896 und 1897 sowohl in Oesterreich als auch in anderen Staaten während der Manöver benutzt, und es war den Radfahrer-Abtheilungen gelungen, den Beweis zu liefern, dass eine gut geschulte Abtheilung im Ernstfall im Stande ist, in weit ausgedehnterem Maasse Erspriessliches zu wirken, als dies bisher der Fall war und vermuthet wurdo, insbesondere aber durch die Ver- wendung der erwähnten klappbaren Räder, für welche cs überhaupt kein Geländehinderniss mehr giebt.

Einiges über Ausbrennungen und Rohr- abnutzung.

Von einem englischen Mitarbeiter.

Mit drei Abbildungen.

Die Einführung des rauchlosen Pulvers, die in taktischer und ballistischer Beziehung nur Vortheile mit sich brachte, hat, wenigstens bei einigen Sorten, dem Waffentechniker in einer Beziehung auch eine Enttäuschung

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Einiges über Ausbrennungen und Kohrabnutzung.

gebracht, insofern nämlich, als die von manchen Seiten ersehnte Schonung der Seelenwände der Kanonen vor rascher Abnutzung und Ausbreunnngen nicht oder doch nicht in dem Maasse eingetTeten ist, wie man es wohl erhofft hatte. Man war deswegen besonders geneigt, in dieser Beziehung viel zu erwarten, weil man einen grossen Theil der Schuld der bei den grossen Ladungen des prismatischen Pulvers beobachteten Ausbrennungen den bedeutenden Mengen nicht gasförmiger Produkte beimaass , die in Verbindung mit hoher Verbrennungstemperatur und hohem Gasdruck im Beginn und während der Geschossbewegung gewissermaassen wie ein Schmirgelgebläse zerstörend auf das Rohrmetall einwirkten. Sachliche Aeussemngen über die Einwirkungen des rauchlosen Pulvers sind in der Litteratur erst äusserst dürftig vertreten, und es ist auch kaum zu erwarten, dass sich staatliche Behörden*) oder Privatfabriken schon in nächster Zeit zu solchen entschliessen werden, theilB weil noch zu wenig Erfahrungen vorliegen, sich Manches noch im Versuchsstadium befindet, theils weil es nicht in ihrem Interesse liegen kann, die oft mit grossen Opfern an Zeit, Geld und Mühe selbst gemachten Erfahrungen zum Gemeingut werden zu lassen. Bei unsachgemässer Beurtheilung kann es aber Vorkommen, dass dem rauchlosen Pulver ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht werden. Es sei daran erinnert, dass bei den meisten Geschützen mit der Annahme des rauchlosen Pulvers eine Steigerung ihrer ballistischen Leistung ein- getreten ist, dass aber ein Vergleich der Abnutzung der Seelenwände bei verschiedenen Pulvorsorten zur Voraussetzung haben muss, dass alle wesentlichen Verhältnisse gleich, dass also insbesondere die Ladungen stets so bemessen sind, dass sie gleiche Bewegungsarbeit an der Mündung ergeben.

Bemerkenswerth sind einige in offiziellen englischen Handbüchern aufgenommene Aeusserungen über das in der britischen Armee und Marine eingeführte rauchlose Pulver, Cordit, das bekanntlich aus 58 pCt. Nitro- glycerin, 37 pCt. Schiesswolle und 5 pCt. Vaseline besteht. Die 1897er Ausgabe des ungefähr der deutschen früheren Kriegsfeuerwerkerei ent- sprechenden Buches »Treatise on Ammunition < kommt auf Grund von Vergleichsversuchen zu folgendem Schluss:

1. Bei Kanonen bis zum Kaliber der Feldgeschütze ist die Abnutzung bei Cordit nicht stärker als bei den früheren Pulversorten;

2. bei Kanonen bis 15 cm einschliesslich macht sich in der Gegend des Geschossraumes eine stärkere Abnutzung als bei den alten Pulversorten bemerkbar, immerhin aber nicht in solchem Maasse, dass nicht die übrigen Vortheile des Cordits bei Weitem überwiegen;

3. bei Kanonen der grösseren Kaliber geht, wenn sie mit der Gefechts- ladung feuern, die Abnutzung sehr rasch vor sich, doch erwartet man viel von einer Abänderung der Form des Geschossraumes in Verbindung mit einer lidernden Gescbossfiihning ;

4. offene Zündkanäle brennen sehr rasch aus.

*) Das im Heft 3, Seite 130 dieser Zeitschrift besprochene, auf dienstliche Ver- anlassung bearbeitete Werk des Hauptmnnns Heydenreich »Die I-elire vom Schuss und die Schusatafeln« sagt im I. Theil, Seite 64 allgemein, dass die Abnutzung der Kohre Vergrosserung des Verbrennungsraumes und Abflachung des Beginnes der Züge bei den rauchschwachen Pulversorten grösser ist als bei Schwarzpulver. Im II. Theil, Seite 48 heisst es dann von den Nachtheilen einer bestimmten rauch- schwachen I’ulversorte n. a. : »Es sind dies, hervorgerufen durch die überaus grosse Wiirmecntwickelung, die sehr starken Abnutzungen der Kohre durch Abschmelzungen und Ausbrennungen.« Die Redaktion.

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Einiges über Ausbrennungen und Rohrnbnutzung. 279

Weniger vorsichtig drückt sich das gleichfalls offizielle Lehrbuch »Text-book of gunnery, London 1897« aus, indem es schreibt:

»Die hohe Temperatur des Cordits ist leider von mächtigem Einfluss auf das Ausbrennen der Rohre. Das Metall erscheint an der Seelen- wandung wie weggewaschen, wie infolge der grossen Hitze geschmolzen, und die Mittel, diesen Ausbrennungen beizukommen, erregen die ernste Aufmerksamkeit der Artilleristen.«

Durch Zeitungsnachrichten haben diese offiziellen Mittheilungen einige Ergänzungen gefunden. Danach soll sich die ausbrennende Wirkung ausser bei den schweren (besonders 23,4 cm und 30,5 cm) Kanonen der Marine noch bei den leichten Feldgeschützen und den Maschinengewehren in recht unangenehmer Weise bemerkbar gemacht haben.

Infolge dieser Erscheinungen wurden bei allen Geschützen mit offenen Zündlöchern lidernde Schlagröhren eingeführt, es wurde die Ver- wendung des Cordits auf die kriegsmässigen Gcfcchtsladungen beschränkt und bei Kanonen von 15 cm Kaliber und darüber das unter 3 erwähnte Führungsband angenommen. Nebenstehende Abbild. 1, in der G ein Stück der Geschosswandung, F das kupferne Führungsband im Profil darstellt, macht eine ein- gehende Erläuterung überflüssig. Die sich in die Hohlkehle pressenden Gase treiben den äusseren (ge- reifelten) Mantel*) der Führung gegen die Seelen- wandung, und es soll so das namentlich im Beginn der GeschosBbewegung verhängnisvolle Vorbeischlagen der Stichflamme zwischen Führung und Seelenwandung verhindert werden.

Ausser dieser eingeführten Konstruktion liegen noch zahlreiche andere, meist patentirte Erfindungen vor.

Da war zunächst das inzwischen erloschene Deutsche Reichspatent**) 52 362 vom 15. Juli 1889, dessen An- spruch, wie folgt, formulirt war: »Geschoss mit be- sonderem Stossboden, der auf den Geschosskörper derart geschraubt ist, dass er beim Abfeuern durch die Züge gedreht und auf den Geschosskörper weitergeschranbt wird, wodurch letzterem die drehende Bewegung all- mählich mitgetheilt und ferner daB zwischen Stossboden und Geschosskörper befindliche Schmiermittel heraus- gequetscht wird«, dann die Erfindungen der bekannten Ingenieure Hiram Stevens Maxim in London und Hudson Maxim in Newyork.

Aus dem dem Ersteren ertheilten D. R.-P. 53 992 vom 29. Januar 1890 sind die nachstehenden Stellen bemerkenswerth : Die zerstörende Wirkung zeigt sich gewöhnlich da, wo die Züge anfangen, und ist auf die Ausströmung der Gase zwischen dem Geschosse nnd der Rohrseele zurückzuführen. Es hat sich denn auch herausgestellt, dass einige der schwersten zum Panzerschiessen gebauten Geschütze infolge solcher zerstörenden Einwirkung gebrauchsunfällig geworden sind, nachdem aus ihnen erst 100 Schüsse abgegeben worden

*) Die Reifelung hat mit der Abdichtung der Führung nichts zu thun, sie hat vielmehr lediglich den Zweck, heim Ansetzen das Geschoss fest in den Zügen zu halten, damit es nicht nach hinten unten herausgleitet, wenn dem Bohre eine grössere Erhöhung gegeben wird.

**) Siehe auch D. R.-P. 62 577 vom 16. Juni 1891 und 66 290 vom 9. Februar 1892.

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Einiges über Aushrennangen und Rohrabnutzung.

waren, während in einigen Fällen die Zerstörung noch rascher stattfand. In Anbetracht dieser schnellen Abnutzung und der grosgen Herstellungs- kosten solcher Geschütze wird jeder einzelne Schuss ausserordentlich theuer, da die durch die Abnutzung bedingte Werthverminderung die Kosten der Ladung und des Geschosses noch weit übersteigt. Man hat versucht, diese Abnutzung dadurch zu verhindern, dass man die Geschosse mit Treibringen zum Zurückhalten der Gase versah, welche Ringe, aus Kupfer oder ähnlichem passenden Metall hergestellt, sich answeiten und in die Züge einpressen sollten. Bei einem Gasdruck von etwa 3000 Atm- ist indess das Bestreben des Gases, zwischen Geschoss und Seele dureh- zuschlagen, so gross, dass die Ringe diesem Bestreben den nöthigen Widerstand nicht bieten konnten. Dazu kommt noch, dass infolge der Torsion, welcher der Ring beim Eintreten in die Züge ausgesetzt ist, dieser nicht genau in letztere sich hineinlegt und einen schmalen Raum zwischen sich und der einen Seite eines jeden Zuges frei lässt, durch den das Gas mit Heftigkeit hindurchströmt, den Stahl wegfrisst und die I /ebensdauer der Kanone ganz erheblich vermindert. Das Wegfressen des Stahls erfolgt fast mit derselben Schnelligkeit, mit der Eis von kochendem Wasser zerstört wird.

Das gewaltsame Austreten von Gas zwischen Geschoss und Rohr soll nun bei der Maxim-Erfindung dadurch verhindert werden, dass mit dem Geschoss besondere Mittel vereinigt werden, die eine vollständige Schliessung der Seele bewirken, ehe der Treibring in die Züge eintritt.

Es würde zu weit führen, auf die Einzelheiten der Erfindung, über die die Patentschrift eingehende Auskunft giebt, einzugehen, und wir be- schränken uns daher hier auf Anführung des Hauptpatentanspruebs : »Artilleriegeschoss, bei dem in Verbindung mit einem Treibringe auf dem Geschosskörper zwischen letzterem und einer gegen denselben ver- schiebbaren Bodenscheibe eine Packung angebracht ist, die beim Schuss infolge der Anordnung von mit zusammendrückbarem Stoff (z. B. Luft} gefüllten Kammern einem höheren Druck ausgesetzt ist, als der Gas- spannung der Treibladung entspricht.«

Die Erfindung stellt sich also dar als eine Uebertragung der plastischen Geschützliderung auf das Geschoss.

Der andere (Hudson) Maxim kennzeichnet sein D. R.-P. 88 196 vom 29. Oktober 1895, wie folgt: »Ein Dichtungsring für Artilleriegeschosse, auf den die Treibgase unter Vermittelung eines bei hohem Druck fliessenden Metalls (Blei u. s. w.) in der Weise einwirken, dass der Dichtungsring dem Metall eine grössere Angriffsfläche darbietet als das Metall dem Druck der Treibgase, zum Zweck, den Druck der letzteren bei seiner Uebertragung zu vervielfältigen. «

Erwähnenswerth ist schliesslich noch das dem Herrn Alfred Nobel in Paris ertheilte D. R.-P. 85 386 vom 3. Juli 1895 mit folgenden Patent- ansprüchen:

»1. Geschoss mit Dichtungsring, der durch die Explosion einer besonderen, im Geschoss gelagerten Pulvermasse, die durch die Geschützladung entzündet wird, gegen die Seclenwandung bezw. in die Rohrzüge gepresst wird;

2. Ausführungsformen des unter 1 gekennzeichneten Geschosses, dadurch gekennzeichnet, dass

a) in dem von der Pulvermasse nach aussen gehenden Kanal ein Rückschlagventil angeordnet ist, um den von ersterer ent-

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Einiges über Ausbrennungen and Kohrabnatzang.

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wickelten Gasdruck innerhalb des Dichtungsringes aufrecht- zuerhalten;

b) die Pulvermasse in einer Ausdrehung des Dichtungsringes an- geordnet ist.«

Es ist bemerkenswerth, dass alle diese Konstruktionen in die Zeit seit Erfindung der rauchlosen Pulver fallen. Darüber indess, ob und wie weit diese verschiedenen Erfindungen durchversucht worden sind, ist wenig bekannt geworden, und noch weniger, welche Ergebnisse etwaige derartige Versuche gehabt haben.

Erst Ende März d. Js. wurde in englischen Blättern von einem vor Vertretern der britischen Admiralität und des Kriegsministeriums mit einer 1 5,2 cm -Schnellfeuerkanone L/46,4 ausgeführten Schiess versuch gemeldet, bei dem Geschosse verwendet wurden , die mit einer der vorgenannten Konstruktionen versehen waren , und zwar handelte es sich dabei an- scheinend um eine Modification der weiter vor genannten Erfindung von Hiram St. Maxim, die, abgesehen von dem Hauptzweck, noch bewirken sollte, dass bei ausgeschossenen Rohren das Geschoss nicht zu weit an- gesetzt werde. Nach dem etwas eigenthümlich angesetzten Bericht der Times vom 30. März wurden bei 11,33 kg Cordit- Ladung, die dem 45,4 kg schweren Geschoss bei 1980 Atm. Druck eine Anfangsgeschwindigkeit von 820 m ertheilte, vier Schuss mit der gewöhnlichen Führung und ebenso viele mit der patentirten Führung abgegeben. Es wurde dabei festgestellt, »dass die ganze Bewegungsarbeit des Geschützes wieder erreicht (restored) wurde, nachdem mehr als 250 Schüsse daraus vorher abgefeuert worden waren«, und dann weiter, »dass man erwarten könne, dass Kanonen, deren Geschosse mit der neuen Einrichtung versehen seien, nach vielen hundert Schüssen keine Einbusse an Bewegungsarbeit erlitten.« Bei einer anderen Gelegenheit soll auch festgestellt worden sein, dass das Geschütz nach 200 Schuss eine unveränderte Trefffähigkeit gehabt habe. Auffallend ist nur, dass bei früheren Berichten (Times vom 22. Oktober und 15. De- zember 1897) bei gleicher Ladung und gleichem Geschossgewicht der Gas- druck zu 2420 Atm. und die Anfangsgeschwindigkeit zu 848 m angegeben worden waren.

Angaben über die Lebensdauer schwerer Geschütze bei Anwendung der früheren rauchentwickelnden Pulversorten, insbesondere dos schwarzen und des braunen prismatischen Pulvers, finden sich u. A. in der 1892 er Ausgabe des schon genannten englischen Handbuches über Munition. Nach den Angaben desselben ist die Tabelle auf der nächsten Seite zusammen- gestellt, nachdem sie in metrisches Maass übertragen und nach dem gleich- falls amtlichen Handbuch »Treatise on Service-Ordnance, London 1893« erweitert worden sind. Es sei dabei namentlich auf die Spalten IX und XH bis XIV hingowieson, aus denen horvorgeht., wie ausserordentlich stark die Lebensdauer und die relative Rohrausnutzung (XIV) mit zu- nehmendem Kaliber, Rohrgewicht und zunehmender absoluter Leistung abnimmt.

Dieses Geschütz-Handbuch giebt die Minimalfestigkeit der zu den englischen Kanonen verwendeten geschmiedeten und vergüteten Rohr- stahlblöcke zu 54 kg für den Quadratmillimeter an bei mindestens 15pCt. Dehnung, und es darf danach weiter die bleibende Dehnung bei einer Belastung von 33 kg auf den Quadratmillimeter höchstens 0,1 pCt. der Mess- länge betragen. Es heisst dann an einer anderen Stelle (S. 457): Ver- suche haben gezeigt, dass es für die Lebensdauer der Kanone und für ihre Empfindlichkeit gegen Ausbrennungen praktisch ohne Belang ist, ob

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Einiges über Ausbrennungen und Bohrabnutzung.

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Kleine Mittheilungen.

283

«las Seelenrohr vergütet ist oder nicht. Zu Spalte XII ist zu bemerken, dass dieselbe nicht die ganze Lebensdauer darstellt, sondern diejenige »ungefähre Zahl mit Gefechtsladungen abgegebener Schüsse, nach denen (wegen zu starker Felderabnutzung) das Geschoss nicht mehr den Zügen folgt.«

Nach englischen Begriffen ist die Kanone dann noch nicht unbrauchbar; es werden vielmehr in diesem Falle an den Geschossführungen Verstärkungsringe angebracht, in dem Kupferdrähte oder -Bänder in die Rillen der Kupfer- führungen eingehämmert werden. Bei älteren Geschossen müssen die Rillen zu diesem Zweck zuerst mittelst eines Meisseis entsprechend erweitert werden. Siehe nebenstehende Abbild. 2, in der, und zwar im Schnitt, F das kupferne Führungs- band, V die Verstärkungsringe und die ge- strichelten Kurven a die Höhlungen dar- stellen, die zunächst ausgearbeitet werden müssen, um für die einzuhämmernden Verstärkungsringe Raum zu geben. Bei neueren Geschossen, wenigstens bei solchen von 1 5 cm Kaliber an aufwärts, sind die Rillen der Kupferführungen von vorn- herein so gestaltet, dass die Verstärkungs- ringe ohne Weiteres eingehämmert werden können. Siehe Abbild. 3, die ebenso wie die beiden anderen (1 und 2) dem mehr- genannten Handbuch »Treatise on Am- munition« entnommen ist. Abbild. S.

Abbild. 2.

-s k#» Kleine Mittheilungen.

Die Selbstladepistole ln der Sohweiz. Im dritten Heft der »KriegstechniBchen Zeitschrift« wnrde auf Seite 98 eine kurze Mittheilung über Versuche mit Selbstlado- pistolen in der Schweiz gemacht und daran eine Schlussfolgerung über die etwaige Annahme eines bestimmten Systems der Selbstladepistole geknüpft, welche sich als nnzntreffend erweist. Wie uns die «Verwaltung des eidgenössischen Kriegsmaterials, Technische Abtheilnug« unter dem 7. Mai d. Js. aus Bern mittheilt, hat in betreffender Beziebnng in der Schweiz noch keine engere Wahl stattgefnnden, und es sind im Gegentbeil Selbstladepistolen nach den Systemen Bergmann und Mannlicher neuester Konstruktion in Aussicht genommen, da dieselben ähnliche Leistungen aufznweisen scheinen, wie die Pistole von Mauser. Im Interesse der sachlichen Entwickelung dieser interessanten Bewaffnnngsfrage wird diese Richtigstellung den Lesern der »Kriegstechnischen Zeitschrift« willkommen sein, und sei der eidgenössischen Kriegs- materialverwaltung he zw. dem Chef der Technischen Abtheilung für die gefällige Mittheilung auch an dieser Stelle der beste Dank ausgesprochen.

Die neue 16 zöllige (40 cm) Kanone der Vereinigten Staaten. In dem

»Arniy and Navy Journal « vom 18. Dezember 1897 findet sich eine kurze Beschreibung der nenen lOcm-Kanonc, welche von den Bethlehem Iron Works gegenwärtig an- gefertigt wird. Nach Ansicht des Berichterstatters, Lieutenants Carden, welcher einen

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284

Kleine Mitth ei langen.

längeren Aufsatz über das Geschütz in der Zeitung >Harper's Weekly« veröffentlicht hat, ist das neue Geschütz für die Vertheidigung des Hafens von Newyork bestimmt und soll auf den Korner Sandbänken Aufstellung finden. Das Geschütz soll, vermöge seiner Tragweite, nördlich bis zur Strasse Nr. 69, östlich bis über Far Rockaway, südlich bis fast an Asburv Park und westlich bis über Metuchen hinaus, also na« b jeder Richtung auf eine Entfernung von etwa 24 km, reichen. Das Kriegsdepartement hat bei diesem Geschütz zum ersten Mal die Schildzapfen aufgegeben und das Kohr durch einen Kohrträger, welcher in kreisförmigen Gleitbahnen lagert, mit der Laff«*t«*. die wahrscheinlich eine Panzerkuppel laffete mit Minimalscharte sein wird, verbunden. Bei der Marine hat man schon vor einiger Zeit die Schildzapfen aufgegeben und statt ihrer die erwähnte I^iffetirungs weise, welche unseres Wissens auf Schumanns Panzer - und Minimalschnrtenlaffeten zurückzuführen ist, angewendet. Die Höhenrichtung des Kohrs, dessen Gewicht bekanntlich durch ein Gegengewicht halancirt wird, geht dabei leicht vor sich, der Bückstoss wird besser und ohne schädliche Wirkungen auf Kohr und Schiessgestell überwunden. Als Anhalt für die Beurtheilung der Dauer des Rohres wird angeführt, dass die 119 tons Kanone von Krupp, welche der hier be- sprochenen 40 cm-Kanonc nahekommt und in Italien zur Küstenvertheidigung bestimmt ist, 200 Schuss gethan hat, ohne irgend welche Beschädigung zu zeigen. Ebenso habe eine 26cm-Kunone 700 Schuss abgegeben, ohne Schaden zu leiden. Man hoff**, durch Verminderung oder bessere Regelung der Gasspannungen, worüber gegenwärtig Versuche im Gauge seien, die Dauer der Rohre zu verlängern, sehe aber dal>ei vor Allem darauf, dass die Feuerwirkung nicht geschwächt werde. Wie der Widerspruch zwischen Verminderung der Gasspannnng und Beibehaltung der Feuerwirkung gelöst werden soll, ist nicht gesagt. Jedenfalls kann dies nur durch Einführung von rauch- schwachem Pulver geschehen, welches langsamer verbrennt, den höchsten Druck später erreicht und sich langsamer wieder abspannt als das alte »Sehiesspulver. Es wird ferner erwähnt, dass das Kriegsdepartement noch immer der Reibzündung zum Ab- feuern der Geschütze den Vorzug gebe vor der elektrischen Zündung, welche doch bei den meisten europäischen Artillerien eingeführt sei. Eine Zusammenstellung der gegenwärtig schwersten Geschütze der Welt, welche Lieutenant Garden giebt, ist wohl von Interesse und sei deshalb hier wiedergegeben:

Kaliber

Rohrgewicht

Kohrlänge

Geschoss und Ladung*

in cm

in Centnern

in cm

gewicht in kg

Vereinigte Staaten

. 40

2560

1494

1066 464

Deutschland

. 41,36

2438

1400

1000 410

Italien . . .

. 42, 60

2113

1243

908 408,6

England . .

, .

. 40,62

2246

1289

817 436

Frankreich . .

. 41,86

1407

991,26

780,6 260.

Zu dieser Zusammenstellung, welche aus amerikanischen Maassen und Gewichten umgerechnet ist, muss bemerkt werden, dass der amerikanische Herr Verfasser die Kaliberangaben wohl auf viertel und halbe Zolle abgerundet bat: denn Deutschland hat keine 41,26 cm Kanone, und es kann also nur die 40 cm Kruppsche Kanone gemeint sein, die aber bei nns nicht eingeführt ist, sondern in .Spezzia in Italien zur Hafen- armirung dient. Bei der Angabe der Ladungen ist jedenfalls ein besonderes Pulver, etwa das in Amerika eingeführte sog. Chokoladenpulver, gemeint. Sonst wäre das Gewicht der Ladung ganz aussergewölinlich gross.

Pferdeschoner und Vorrichtungen zum Erleichtern des Anziehens. Im

zweiten Heft dieser Zeitschrift wurde von berufener Seite in dem Aufsatz >Das moderne Feldgeschütz«, Seite 70, auf die Bedeutung der Pferdeschoner für die Beweg- lichkeit der Feldgeschütze und -Fahrzeuge aufmerksam gemacht. Fortwährende Neuerungen auf diesem Gebiete weisen darauf hin, dass einerseits die Kedürfnissfrage

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Kleine Mittheilungen.

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bejaht werden muss, dass es aber andererseits ausserordentlich schwer sein muss, etwas in jeder Beziehung Brauchbares zu schaffen. Hingehende Auskunft über die zahlreichen derartigen Konstruktionen giebt das in unserem ersten Heft, Beite 40, besprochene Buch > Beschirrungslehre« von Zürn, und es würde zu weit führen, hier im Einzelnen darauf einzugehen; dagegen können wir uns nicht versagen, das zu- sammentassende Urtheil dieses Kenners hier wiederzugeben, das, wie folgt, lautet : >Im liroBsen und Ganzen kann man den Pferdeschonern nachrühmen: a) dass bei ihrer Benutzung, je nach der Art der Schoner, 18 bis 20 pCt. an Arbeitskraft erspart wird, beim Anziehen und bei Hindernissen, die der unebene Weg bedingt, wird den Zug- thieren 11 bis 17 pCt. Erleichterung gegenüber gewöhnlicher Anspannung verschafft; b) die stossartig wirkenden Zugkraftschwankungen, wie sie bei gewöhnlicher An- spannung statthaben, werden durch die Schoner bedeutend abgeschwächt oder ver- ringert, bei gewöhnlichen Schonern um etwa 20 pCt., bei den schwedischen um 34,6 bis 46,6 pCt.; infolgedessen werden viele durch Erschütterungen bedingte äussere Krankheiten der Zugthiere, wie Dehnungen von Gelenkbändern, Sehnen und deren Scheiden, Muskeln u. s. f., sowie Druckschäden und Wundreiben verhütet, die Arbeits- kraft der Pferde länger erhalten, endlich wird das Geschirr und das Fahrzeug ge- schont.« Werden die eigentlichen Pferdeschoner, d. h. die im Geschirr selbst ein- geschalteten federnden Zwischenmittel vorwiegend für Kriegsfahrzeuge, die sich auf allen Boden- und Geländearten und mit den verschiedensten Geschwindigkeiten zu bewegen haben, in Betracht kommen, so verdienen für die schweren Kriegslastfuhr- werke, wie sie z. B. in den Trains, Munitionskolonnen und Geschützen der Belagerungs- artillerie vertreten sind, an Stelle der Pferdeschoner oder neben diesen noch solche Vorrichtungen Beachtung, die darauf hinausgehen, den Uebergang von der Ruhe in die Bewegung, also denjenigen Moment zu erleichtern, der erfahrungsmüssig die Zug- thiere am meisten angreift und bei dem sie am leichtesten versagen. Dies wird dadurch erreicht, dass durch geeignete Hebelübertragung der Anzug an den (Hinter-) Rädern angreift und, erst wenn sich die Räder um einen gewissen Winkel gedreht haben, der Wagen sich also um eine kurze Strecke vorbewegt hat, das weitere Ziehen in der gewöhnlichen Weise vor sich geht. Verschiedene ausländische Fachblätter*) haben auf derartige Konstruktionen aufmerksam gemacht, ohne indessen zu erwähnen, dass ähnliche schon seit längerer Zeit in Deutschland existiren. Wir meinen die von Pet. Dan. Völker erfundenen, durch D. R. P. 67 374 vom 26. Mai 1892 mit Zusatz- pntent Nr. 76 091 geschützten Konstruktionen, deren Wirkungsweise von dem mehr- genannten Dr. Zürn, wie folgt, beschrieben wird: «Beim Anziehen des Wagens greift ein bis dahin durch eine Feder zurückgehaltener Hebel in die Zähne eines Sperrrades, welches auf der Wagenachse sitzt, alsdann ist die Drehung der Achse sehr leicht gemacht; ist dies bewirkt, so sinkt die unter dem Wagen befindliche Vorrichtung, dem Gesetz der Schwere folgend, zurück, und der Hebel wird durch die Feder zurück- gezogen. Ein über eine Rolle laufendes Drahtseil von bestimmter Länge vermittelt die Verbindung der Zugstränge mit einem unter dem Wngen befindlichen Schlitten und mit der Vorrichtung selbst. Bei Wagen, deren Räder locker auf den Achsen sitzen, ist die Vorrichtung auf den Rfidernaben angebracht.« Diese »Anzieh- vorrichtung von Wagen zum Schonen der Zugthiere« wird von der Firma Zöllner & Fischbach in Köln, welche die Patente erworben hat, gefertigt und ist von ihr nicht nur mit gutem Erfolg durchversucht, sondern auch bei zahlreichen Last- fuhrwerken eingeführt worden.

*) »Le Genie civil«, 1894, Nr. 615, »Engineer«, 1897, Nr. 2153, und »Revue d'Artillerie«, 1897, Band 60, Heft 5, Seite 609.

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Kleine Mittheilungen.

Mittel zur Steigerung der Beweglichkeit der Artillerie. Die Beweglich- keit der Artillerie wird durch eine Menge Faktoren bestimmt, die theils im todten, theils im lebenden Material zu suchen sind, d. h. theils bei der Last, theils bei der Kraft und schliesslich auch in der Verbindung beider. Auf Verbesserungen der letzteren wurde an dieser Stelle schon mehrfach hingewiesen. Weiterhin dürften die allgemeinen Gesichtspunkte, die zur Steigerung der Beweglichkeit führen, soweit sie im Material beruhen, als bekannt vorausgesetzt werden. Es sei daher heute nur auf eine Einzelheit hingewiesen, die nnsers Erachtens bisher noch zu wenig beachtet worden ist. Die grossen Fortschritte, die die Anwendung von Kugel- und Rollen- lagern beim Maschinen-, Schiffslaffeten- und Fahrradbau gemacht hat, sind merk- würdiger Weise noch wenig auf andere Fahrzeuge übertragen worden. Die trefflich geleitete illustrirte Wochenschrift über Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissen- schaft »Prometheus« lenkt in ihren Nrn. 417 und 441 (Nr. 1 und 25 des laufenden IX. Jahrganges) die Aufmerksamkeit hierauf und bringt gleichzeitig gute Abbildungen und klare Beschreibungen der Kugel- und Hollenlager, namentlich solcher verbesserter Konstruktion mit kleinen Zwischen Kugeln bezw. -Rollen. Nach der genannten Zeitschrift sind derartige I-ager an einem Selbstfahrwagen, einem gewöhnlichen Kutschwagen und einer zweirädrigen Karre für 6000 kg Beladung während einer sechsmonatigen Betriebszeit mit gutem Erfolg erprobt worden, und sie sollen sich auch »merkwürdig gut in den Naben von Strassenfuhrwerken bewährt haben, so dass ihre allgemeine Verwendbarkeit dafür nicht mehr zweifelhaft erscheint«. Wenn Ver- fasser dann w-eiter sagt, »solche Rollenlager könnten auch für die Feldartillerie von grosser Bedeutung werden«, so kann man sich dem nur anschliessen, ohne darum auch der Schlussfolgerung zuzustimmen, dass dadurch sich »vielleicht die lange vergebens angestrebte Verminderung der Zugpferde am Geschütz von sechs auf vier ermög- lichen« lasse.

Taubenpost bei den russischen grossen Manövern bei Bjelostok im Jahre 1897. Bei dem Stabe der Ost- Armee wurde bei den grossen Manövern in ihrem ganzen Operationsrayon die Ueberbringung von Meldungen durch Brieftauben eingerichtet. Der Berichterstatter, Rittmeister Falkowsskij, erhielt im Frühjahr von dem Kommandirenden der Truppen des Wilnaer Militärbezirks den Auftrag, mit den in der Brieftauben Station, die sich bei den Kasernen des 4. Leib Garde- Dragoner- Regiments in Wilna befindet, vorhandenen Tauben eine Militär-Taubenpost für die grossen Manöver zu organisiren. Es wurde zu dem Ende bei Bjelostok eine trans- portirbare Sammel-Taubenstation eingerichtet und am 0-/18. Mai solche mit 60 bel- gischen, zwei Monate alten Tauben bevölkert. Am 1./13. Juni begann deren Aus- bildung in dem ganzen Manöverbereich, der das Gouvernement Lomsha und einen Theil des Gouvernements Grodno mit einer Fläche von 160 Quadratwerst umfasste. Am 6./18. August waren 47 Tauben für den Postdienst in diesem Rayon vollständig bereit, während 13 Stück in dieser Zeit infolge der Dressirung und durch Diebe ver- loren gingen. Ausserdem wurden vom 1./13. Juli ab 24 drei Monate alte Tauben in der Richtung Wilna Bjelostok dressirt, von denen am C./18. August 18 Stück aus- gebildet waren; die übrigen 6 waren während der Ausbildungszeit verschwunden. Für den Dienst während der Operationen waren die Tauben in zwei Abtheilungen getheilt, um den Tag über mit vollständig frischen Kräften arbeiten zu können; die Ruhe wurde aber durch die Verthcilung der Tauben auf die verschiedenen Punkte, die sehr viel Zeit in Anspruch nahm, gestört, so dass sie nur während des Transports ruhen konnten. Um die Tauben zu den Stäben der Detachements zu schaffen, waren der Station Patrouilleure und zwei Reitpferde beigegeben; erstere waren dort mit der Wartung der Tauben und mit der Art, wie die Depeschen zu befestigen sind, bekannt gemacht. Um die Tauben unterwegs und bei dem Transport zu den Truppen-

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abtheilungen unterzubringen, war eine besondere Art von Handkorben und von Pack- zeug für die Pferde angefertigt. Jeden Tag ordnete der General-Quartiermeister an, wie die Tauben am Abend auf die Stiibe vertheilt werden sollten; die Patrouillcnre begaben sich nach dem bestimmten Sammelpunkt, vorzugsweise nach den Eisenbahn- stationen, wohin auch die Tauben für den Dienst am folgenden Tage von der Station bei Kjelostok geschafft wurden. Bisweilen erhielten die Putrouilleure selbständige Aufgaben, um den Feind zu erkunden, wobei sie verpflichtet waren, die Meldungen durch Tauben zu überschicken. Die Tnubenstation war mit dem Stabe der Ost- Armee durch einen Telegraphen verbunden. Vorsichtshalber wnrden für den Fall, dass Tauben mit Depeschen umkamen, je zwei Tauben mit einer und derselben Depesche abgeschickt; dadurch wurde die Uebersendnng zuverlässig und schnell, da Tauben lieber paarweise fliegen. Während des Manövers beförderten die Tauben 64 Depeschen, von denen jede in zwei Exemplaren ausgefertigt war, also zusammen 128 Depeschen; 16 Tauben kamen ohne Depeschen an, nicht weil sie sie verloren hätten, sondern weil sie nicht damit versehen waren, indem man aus Mangel an Zeit die Depeschen nicht doppelt ausgefertigt hatte. Von den den Tauben iil>ergebenen Depeschen ging nicht eine verloren, und keine Taube kam um. Die Schnelligkeit der Beförderung der Meldungen mit der Taubenpost schwankte zwischen 66 und 100 Werst in der Stunde, je nach dem Wetter und der Entfernung; sic war aber so gross, dass trotz des Umwege« (zuerst nach der Station in Bjelostok und von dort telegraphisch noch dem Stabe der Ost-Armee) die mit Tauben beförderten Depeschen sehr viel schneller eintrafen als die mittelst einer Kelaislinic beförderten, die in direkter Dichtung nicht über 16 bis 20 Werst vom Stabe entfernt war. Trotz der verhnltniss- mässig grossen Anzahl der der Taubenpost übergebenen Depeschen, heisst es in dem Bericht, hatten doch Manche kein Vertrauen zu dieser Einrichtung. Wenn aber die Truppen von der festen Organisation der Taubenpost und dem unvergleichlich schnellen Verkehr mit Hülfe derselben überzeugt sein werden, so wird der Dienst der Taubenpost im Frieden bei den Manövern und im Kriege eine hervorragende Stelle einnehmen, und täglich werden nicht nur die grossen, sondern auch die kleineren Stäbe, ja auch die Erkundungsabtbeilungen und Kavalleriedctachements, die weit vorgetrieben sind, durch Tauben verbunden sein. Bei der Aufklärung, besonder» wenn sie auf eine weite Entfernung einzutreten hnt, wird der Vortheil der Verbindung mittelst der Tauben ausser jedem Zweifel sein. Die Taube nimmt den Patrouillen den schwersten und den gefährlichsten Dienst die rechtzeitige Uebcrbringung der erlangten Nachrichten ab. Der Versuch hat gezeigt, fährt der Berichterstatter fort, dass die Tauben einen bedeutenden Raum regelrecht und ohne einen Verlust während des Dienstes selbst überflogen, obwohl die Ausbildungszeit auf der Station eine kurze war. Dass die Tauben im Kriege abgescliossen werden, ist wenig wahr- scheinlich: sic im Finge mit der Kugel des kleinkalibrigen Gewehrs zu treffen, ist gar nicht leicht; wenn die Meldungen durch ein Paar Tauben, bei wichtigeren durch eine grössere Anzahl abgeschickt werden, so ist die Uebcrbringung eine voll- ständig zuverlässige. Dieser Versuch hat ferner bewiesen, dass eine systematisch arbeitende Taubenpost vollständig fähig ist, den Postdienst nicht in einer oder mehreren gewohnten Richtungen, sondern auch über einen ganzen, bedeutenden Rayon zu übernehmen, was besonders für die ständigen Festungs- und Grenz-Taubenstationeu wichtig ist. Zum Schluss spricht der Berichterstatter die Hoffnung aus, dass die schnelle und einfache Organisation der zeitigen Posttauben-Stationen bei äusserst geringen Kosten die Taubenpost zu einer gebräuchlichen Hülfscinrichtung bei den Stäben grösserer oder kleinerer Manöverdetachements in Zukunft machen und dass solche das Vertrauen der Truppen erlangen und ihnen grossen Nutzen in Bezug auf den schnellen, sicheren und einfachen Verkehr bringen werde.

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litichcrschau.

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Bücherschau. «sse-

Ueber elektrische Wellen und ihre I Anwendung zur Demonstration der Telegraphie ohne Draht nach Mar- i coni. Experimentalvortrag von Erich Er necke, Ingenieur. Berlin 1807.

R. Gaertners Verlagsbuchhandlung. Preis Mk. 0,60.

Das Schriftchen giebt eine klare, leicht- fassliche Darstellung und kann für solche, die sich über die neue Telegraphie leicht orientiren wollen, nur empfohlen werden. Dass die für den Telegmphenapparat und das Rasselwerk zum Klopfen des Kohärers gewühlte Ruhestromschaltung besondere Vortheile bietet, um die Funkenbildung beim Oeffneu des Stromes zu verhindern, vermögen wir nicht einzusehen, denn bei dieser Ruhestromschaltung kommen ebenso viel Stromunterbrechungen und Schlies- sungen vor wie bei Arbeitsstromschaltung. Der einzige Vortheil dieser Schaltung vor der Hintereinanderschaltung von Telegra- pbenapparat und Rassel werk auf Arbeits- strom besteht darin, dass beide von ein- ander unabhängig sind. Dies kann man aber auch durch Nebeneinanderschaltung auf Arbeitsstrom erreichen, nur müssen dazu der Telegraphenapparat und das Rasselwerk nicht zu verschiedenen inneren Widerstand haben.

Ueber sich tsk&rte der Dislokation des k. u. k. ös terr. - Ungar. Heeres und der Landwehren im Jahre 1897 98.

Maassstab 1 : 800 000. Verlag von G. Freytag & Berndt , Wien VII, I. Preis Mk. 2, .

Die Truppenzeichen sind in eigen- artiger Weise durch Darstellung der Kopf- bedeckungen der verschiedenen Truppen- gattungen und Einschreiben der Nummer des Truppentheils dargestellt. Auf diese Weise ist cs allerdings sehr leicht, sofort zu erkennen, ob ein Ort z. B. mit Husaren ( oiler mit Dragonern belegt ist, dagegen sehr schwer, eine allgemeine Uebersicht 1 zu gewinnen, wie die einzelnen Waffen i

bei der Dislokation vertheilt sind. Zudem sind Jäger und Landwehr hei der gleichen Signatur und der Aehnliehkeit der Farbe- leicht zu verwechseln. Wir glauben, das» es praktischer gewesen wäre, die Signaturen nach (leu taktischen Einheiten zu gestalten und recht augenfällig verschiedene Farben für die einzelnen Waffengattungen zu wählen, die Landwehr aber etwas weniger sichtbar zu machen, da sie im Frieden doch nur aus kleinen Stämmen besteht. Sonst ist die Karte vollständig und mit guten, übersichtlichen Erläuterungen ver- sehen.

Die Einrichtung ständiger verschanz- ter Lager (grosser Waffenplätze ). Von General Brialmont. Mit Genehmigung des Herrn Verfassers übersetzt von W. Stavenhagen. Mit 2 Tafeln. Berlin 1808. Hermann Peters. Preis Mk. 1,60.

Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass hervorragende schrift- stellerische Arbeiten aus fremden Sprachen ins Deutsche übersetzt werden, und zur Nothwendigkeit wird dies, wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, um Kriegs- technisches handelt, da das technische Fremdwort selbst dem Sprachknndigen nicht selten Verlegenheit bereitet. Die vorliegende Uebersetzung giebt einen in dem > Recueil des travaux techniqnes des ofticiers du geuie de lärmte beige« von 1897 erschienenen Aufsatz Brialmonts wieder, in welchem diesser im Festung« bau erfahrenste Ingenieur unserer Zeit über die zweckmässigste Einrichtung und Ausgestaltung einer solchen Festung von grosser Entwickelung sich üussert. Zwei Tafeln mit vortrefflichen Zeichnungen erläutern den Text, und in einem Anhänge giebt. der belgische General seine An- sichten iil>er den Minenkrieg kund, der für ihn trotz einiger Neuerer durchaus kein überwundener Standpunkt ist. Wem das I^esen des Rrialmontschen Aufsatzes im »Recueil« zu grosse Schwierigkeiten bereitet, der wird die Uebersetzung gewiss willkommen heissen; jedenfalls verdient sie gelesen zu werden.

ttediuckt in der Königlichen llofbuclidnickwrei Ton E. 8. Mittler k Sohn, Berlin .SW., Kochitrasae 68-71.

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubni98 untersagt»

Die Feldbefestigung

in den Heeren der europäischen Grossmächte.

Uit einer TsfeL

Durch Einführung der Feldbefestigungsvorschrift vom 6. April 1893 bezw. der Feldpioniervorschrift vom 30. Oktober 1894 im deutschen Heere ergaben sich einschneidende Veränderungen auf dem Gebiete der Feld- befestigung. Bei der Wichtigkeit der letzteren für alle Schlachtfelder der Zukunft sollen an der Hand dieser beiden Bücher mit den bei uns herr- schenden Anschauungen die in den entsprechenden Vorschriften der anderen Grossmächte niedergelegten Grundsätze vergleichsweise betrachtet und, so- weit nöthig, auch auf Einzelheiten eingegangen werden.

Die Feldbefestigung ist heutzutage nicht mehr eine Kunst, die nur für die Pioniertruppe Vorbehalten ist, sondern sie bildet einen wichtigen Theü der Ausbildung auch bei den Hauptwaifen. Sie wird und muss daher Allgemeingut der ganzen Armee werden. Dazu müssen ihre Formen einfach und fasslich sein. Auf diesem Standpunkte stehen unsere beiden Vorschriften vom Frühjahr 1893 undHerbst 1894. Fast gleichzeitig damit war in Frankreich die vom 15. November 1892 datirte neue s Instruction sur les trnvaux de Campagne ä l’usage des troupes d'infanterie, approuvde par le minist re de la guerre* erschienen. Diese französische Instruktion sowie auch die italienische entsprechen beide vollständig unserer Feldpionier- vorschrift für die Infanterie. Von den österreichischen Dienstvorschriften ist zur Vergleichung seines offiziellen Charakters wegen hier heran- zuziehen der „Leitfaden für den Unterricht in der Feldbefestigung“ vom k. und k. österreichischen Generalmajor v. Brunner, der in der 7., neu zum Gebrauche in den Militärbildungsanstalten und Kadettenschulen be- arbeiteten Auflage von 1898 erschienen ist. Sein Inhalt deckt sich mit dem unseres Kriegsschul-Leitfadens in der Feldbefestigung. Wenn diese drei Schriften bezüglich des Umfanges des behandelten Stoffes auch nicht ganz iibereinstimmen, so eignen sie sich doch zum Vergleich mit unseren Vor- schriften, soweit sie hierfür Material bieten. In Russland und Italien entschloss man sich erst später zur Einführung endgültiger Instruktionen. Für die russische Armee ist die Bearbeitung des als hervorragender Kenner des dortigen Militairs bekannten Hauptmanns Freiherm v. Tettau den folgenden Angaben zu Grunde gelegt.

Bezüglich der auf der Tafel im Maassstabe von 1 : 100 dargestellten Profile ist zunächst zu bemerken: Bei dem berechneten Inhalt der Aus- schachtung ist mittlere Standfestigkeit des Bodens angenommen. Bei den österreichischen stellen die Profile Fig. 11 und 12 Gräben für geschlossene Infanterieabtheilungen dar; alle Profile zeigen die recht nachtheiligen Kriegbteclmitche Zeitschrift. 189». 7. Heft 19

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290 Die Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Urossmiiohte.

Bonnets. Die Anschüttungen der französischen Schützengräben der Figuren 19 und 20 weisen auffallend geringe Brustwehrstärken in Höhe der Feuer- linie auf.

Die deutsche Feld befestigungs Vorschrift behandelt nun in ihrem I. Theil die allgemeinen Gesichtspunkte für die im Felde vorkommenden Befestigungsarbeiten. Zielbewusst stellt sie für alle Deckungen als ersten Grundsatz voran: »Brustwehren und sonstige Schüttungen müssen thunlichst niedrig gehalten werden und ein überall gleichförmiges, vom umliegenden Gelände nicht unterschiedenes Aussehen zeigen.» Dieses Prinzip, dem feindlichen Auge die befestigte Stellung durch sorgsames Anpassen an die Geländeformen nach äusserster Möglichkeit zu entziehen, ist zwar allgemein als maassgebeud erkannt, aber nicht überall durchgeführt. So z. B. zeigen sich bei den französischen Profilen Brustwehrhöhen von 0,80 bis 1,30 m, bei den österreichischen bis 1,20, bei den italienischen sogar bis 1,70 m, während bei uns 1,00 m Deckungshöhe über +0 nur gauz ausnahms- weise anzuwenden ist. Als zweiten wichtigen Grundsatz hebt die Vor schrift die Unmöglichkeit hervor, mit Mitteln der Feldbefestigung Ein- deckungen zu bauen, die dem Steilfeuer Widerstand leisten. Deshalb soll die Truppe das an und für sich schwierige feindliche Einschiessen noch erschweren durch Anlage kleinerer, aber desto zahlreicherer Unter- stände, während sie andererseits der Wirkung des Flachfeuers erfolgreich durch geringe Neigung etwa 12° der horizontalen Decken nach rückwärts eutgegenarbeiten kann. Dazu »empfehlen sich Anlagen so ein- facher Art, dass sie in kurzer Zeit und von der Infanterie selbständig hergestellt werden können«. Während die deutsche Vorschrift auf diesen wichtigen Theil der Befestigungen durch zahlreiche Beispiele mit deutlichen Bildern die Truppe hinweist, erwähnt ihn die französische Instruktion mit keinem Worte; es ist zweifelhaft, ob sie die Eindeckungen für unnöthig erachtet oder glaubt, dass ihre Infanterie sie herzustellen nicht versteht. Auch in Oesterreich scheint man es noch vorzuziehen, anstatt Eindeckungen zu bauen, die deckende Höhe durch Vertiefung des Grabens zu vermehren und die grösseren Profile nebst den Unterständen als eine Arbeit der technischen Truppen anzusehen. Unsere diesbezüglichen Einrichtungen sind aber so praktisch gewählt, dass zu ihrer Ausführung keine besonderen technischen Kenntnisse erforderlich sind und unsere Infanterie-Pioniere sie leisten können.

Charakteristische Unterschiede bieten die drei Armeen bezüglich der Behandlung der künstlichen Stützpunkte. In unserer Vorschrift fristet die »Feldschanze« mit nur vier Nummern ein kümmerliches leben, und ihre »nur ausnahmsweise Verwendung« in Feldstellungen wird sie in Wirklichkeit wohl kaum erleben. Schon die im Verhältniss zu grosse Arbeitsleistung wird sie davon abhalten. Ihre starren und winkeligen Formen sind verschwunden, aber jede, selbst die unregelmässigste Gestalt eines Stützpunktes hat ihre Berechtigung, sofern sie nur den Anforderungen an Wirkung und Deckung entspricht. Im Festungskriege zur Verstärkung der Einschliessungslinie, beim Gebirgskriege, zur Sicherung von Etappen- orten, Brückenübergängen u. dergl. wird sie noch am Platze sein; auf dem Schlachtfelde ist sie jedenfalls durch gruppenweise Anordnung von Schützen- und Deckungsgräben zu ersetzen, die mit zahlreichen Ein- deckungen ausgestattet und durch Hindernisslinien im wirksamsten Fouer- bereich verstärkt sind. In Oesterreich und Frankreich sucht man noch die Schanze zu erhalten, dort will man durch Anordnung von Deckungsgräben der Schanzenbesatzung einige Sicherheit wenigstens gegen das Artillerie-

Die Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Grossmächte. 291

feuer verschaffen, indem man Bedenken trägt, die bei dem anerkannt vorzüglichen Zielobjekt einer Feldschanze kaum zu empfehlenden horizon- talen Deckungen herznstelleu. In der französischen Vorschrift findet man noch jene starren Formen der Halbredouten und Lünetten, die als Schützen- gräben koinpagnie- oder bataillonsweise ungeordnet sind.

Während man es bei den künstlichen Stützpunkten in der Hand hat, sie zu verwerfen oder durch andere Formen zu ersetzen, so muss man mit den natürlichen Stützpunkten, die in dem nach taktischen Rücksichten gewählten Gelände liegen, rechnen; man muss einerseits die gebotenen Vortheile ausnutzen, andererseits die nachtheiligen Eigenschaften auszu- gleichen versuchen. Zuerst hat man sein Augenmerk auf das vom An- greifer zu durchschreitende oder ihm nutzbare Gelände zu richten, und nur au denjenigen Punkten unserer Stellung können demnächst Verstärkungen vorgeuommen werden, wo der Angreifer vortheilhafte Verhältnisse, vor Allem gedeckte Annäherung findet. Diese Ansicht vertreten wir in unserer Vorschrift, wo es heisst: »Die Deckungen für die Infanterie werden nicht durchweg gleiche Stärke erhalten. Ausser den Flügeln bedürfen namentlich diejenigen Stellen besonderer Berücksichtigung, denen gegenüber der Feind gute Artilleriestellungen findet, oder wo ihm das Gelände gedeckte An- näherung gostattet. « An solchen Punkten wird auch in Zukunft ein Gehöft, ein Dorf, ein Waldzipfel noch mit grossem Vortheil benutzt werden. Im Uebrigen hat es aber wahrscheinlich bald ein Ende mit jenen Vertheidigungsstellungen, welche sich von einem natürlichen Stützpunkt zum anderen ziehen. Sie verrathen schon auf weite Entfernungen dem Gegner die Zielpunkte des Angriffes und zeigen ihm vorzeitig die Brenn- punkte des Entscheidungskampfes. Auch bieten die Gebäude nur einen geringen Schutz gegen das Geschütz- und Gewehrfeuer. Darauf macht wohl die Vorschrift aufmerksam, sie lässt aber hierbei die Wirkung des Steilfeuers ganz ausser Acht. Auch bespricht sie die sehr mühsame Ein- richtung der Ortschaften mit Abschnitten und Kernpunkten in nur ge- ringem Umfange. Direkt liarmloB hierbei ist die französische Instruktion, welche sich auf die einfache I^ehre beschränkt: »les murs dörobent les troupes aus vnes de l’ennemi; ils rösistent au tir de l’infanterie, mais non ä celui de l’artillerie.« Im Uebrigeu sucht sie ihre Hauptthütigkeit im Herstellen der so weit sichtbaren Mauerscharten, deren Anlage ausserdem ziemlich zeitraubend ist.

Unsere beiden Vorschriften ziehen auch in dem III. Abschnitte »An- griffsarbeiten der Infanterie und Pioniere« bezw. »Verwendung der In- fanterie bei Angriffsarbeiten« in ihren Bereich. Die Feldbefestigungsvor- schrift vermittelt dabei den Uebergang von dem betreffenden vorhergehenden Abschnitt durch die Bemerkung: »In vereinfachter Art können solche Arbeiten auch beim Angriff auf befestigte Stellungen Vorkommen.« Hiermit allein ist schon gesagt, dass diese sämmtlichen Arbeiten bis auf das Herstellen von Laufgräben mit der Erdwalze durchaus nicht eine Spezialität der Pioniere sind, sondern Allgemeingut der gesummten Infanterietruppen sein müssen. Die Laufgräben sind eben nichts Anderes als die gewohnten Schützengräben. Sie sind selbständig von der Infanterie auszuführen. Wo derselben noch Offiziere und Mannschaften der Pioniere beigegeben werden, wie z. B. bei nächtlichen Arbeiten, da dienen jene meist nur als orientirte Führer in unbekannten Geiändetheilen und zur Unterstützung der Infanterieoffiziere. Mit jener Neuerung ist ein be- deutungsvoller Schritt vorwärts gethan. Der Ingenieurangriff hat sich in einen Infanterieangrifl umgewandelt. Der Infanterist ist nicht mehr

19*

292 DJ* Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Grossmäehte.

Arbeiter in der Hand des Ingenieurs, sondern er kämpft selb- ständig und muss sich unter eigener Verantwortung im Gebiete des Festungskrieges umsehen. Die Infanterie darf nicht vor Festungen rathlos und unvorbereitet dastehen und sich nach den Pionieroffizieren nmsehen, sondern sie muss die nöthigen Kenntnisse bereits mitbringen. In Beziehung hierauf führten die bei der grossen Pionierübung bei Coblenz im Juli 1897 gemachten Erfahrungen zu folgendem Ergebniss: »Var schon bei den Pionieroffizieren das Verständnis für die Eigenart des Festungs- krieges nicht durchweg ganz befriedigend, so versagte dasselbe da, wo In- fanterieoffiziere mitwirken sollten, zuweilen so völlig, dass selbst ein- gehende Belehrungen vor dem Beginn der Bewegungen den Uebelstand nicht genügend beseitigen konnten. Wenn auch im Ernstfall der lang- samere Gang der Ereignisse hierin zweifellos bald Wandel schaffen dürfte, so möchte es doch der Bedeutung des Gegenstandes mehr entsprechen, wenn auch die Infanterie bereits im Frieden Gelegenheit nähme, sich auf ihre verantwortlichen Aufgaben in und vor belagerten Festungen vorzn- bereiten.«

Die neueste Feldpioniervorschrift für die Infanterie haben die Italiener. Sie ist am 9. Februar 1895 vom Kriegsministerium als slstrnzione sui lavori da zappotore per la fanterla« herausgegeben. Durch die grosse Fülle des Arbeitsstoffes, den sie der Infanterie zumuthet, erscheint sie einem Handbuche für die Pioniere ähnlicher als einer Instruktion für In- fanterie. Unsere Vorschrift behandelt auf noch nicht 100 Seiten zuerst in einem Hauptabschnitte die Feldbefestigung, dann in drei besonderen kleineren Vorschriften den Behelfsbrückenbau, die Ortsverbindungen nebst dem wichtigen Rampenbau und die Lagereinrichtungen. Von den fünf grossen Abschnitten der italienischen Vorschrift, welche Vorkenntnisse und Vorarbeiten, Positionsbefestigung, Kommunikationswesen, Lagerbau und Sprengarbeiten auf erheblich mehr als 200 Seiten enthält, ist der zweite Abschnitt für diese Erörterung der wichtigste. In dieser Vorschrift wird der Grundsatz aufgestellt, dass bei hinreichender Zeit zunächst die Genie- truppe die Stellungsbefestigung auszuführen habe, die Infanterie hingegen nur Hülfsarbeiter stellt. Dagegen bei Zeitmangel solle die Infanterie selbst für ihre Deckungen sorgen. Die Schwierigkeit, den zur Ausführung der beabsichtigten Arbeiten verfügbaren Zeitraum abzuschätzen, ist nicht gering. Dabei liegt die Gefahr nahe, dass der Entschluss der Infanterieführer zur Selbsthülfe in Frage gestellt wird. Einer solchen Vorschrift ist jedenfalls die deutsche bei Weitem vorzuziehen, dass die Truppe sich unter allen Umständen ihre Verteidigungsstellung selbst einzurichten hat, wie dies in unseren beiden Vorschriften klar ausgedrückt ist. Die Profile der italienischen Schützengräben zeigen Anschüttungshöhen bis 0,70 und 0,85 m, die sich bei der alten beibehaltenen Schanze auf 1,30 und sogar 1,70 m steigern. Sie sind infolgedessen unverhältnissmässig weit sichtbar und zeigen in der mit '/» Anlage geführten inneren Brustwehrböschnng eine recht ungünstige Lage der Feuerlinie zum Standpunkte des Schützen, bedeuten also für diesen einen unbequemen Anschlag. Die Vorschrift enthält u. A. auch eine längere Unterweisung für den normalen Schanzenbau. Das ist ein Beweis dafür, dass man in der italienischen Armee sich zunächst noch nicht von diesen alten Resten ingenieur-wissenschaftlicher Vergangenheit trennen kann. Andererseits ist von Eindeckungen in Schützengräben u. s. w. nirgends die Rede. Es ist meist nur ein besserer Schutz des Schützen gegen Frontal- und Flankenfeuer durch Anlage kleiner Bonnets und Schiessseharten anempfohlen. Aber eigentümlicherweise wird hierzu Holz

Die Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Grossmächte. 293

benutzt, das, auf der Deckung gelagert, durch losgerissene Splitter ausser- ordentlich verhängnissvoll wirken kann. Auffallend ist. ferner, dass die Infanterie im Frieden und im Felde, für alle solche Arbeiten sehr dürftig mit Schanzzeug ausgerüstet ist, nämlich mit nur 54 Spaten und 33 Hacken pro Infanterie-Regiment ä 3 Bataillone zu 4 Kompagnien, einschliesslich des auf den Fahrzeugen untergebrachten. Auch sind die 1,36 m langen Spaten sehr lästig für den Träger.

Zu besprechen wären nun noch die Grundsätze der russischen Feld- befestigung. Den Fortschritten in der W'affen Wirkung hatte im Jahre 1891 Russland Rechnung getragen durch Erlass einer »Vorschrift für das Truppenschanzwesen « . Neueren Datums ist die »Anleitung für Feld-

befestigung bei den Truppen« und die »Anleitung zum Verschanzen der Infanterie mit dem kleinen Spaten« vom Jahre 1893. Rnssische Schützen- und Deckungsgräben sind den deutschen bezüglich der Abmessungen sehr ähnlich, doch werden erstere nicht nur für Schützenlinien, sondern, falls erforderlich, auch für deren Reserven angelegt. Der zum Auf- stützen der Arme und Bereitlegen der Munition bestimmte fussbreite Absatz fehlt, der dortige handbreite dient nur dazu, der Brustwehr- böschung eine grössere Standfestigkeit zu geben. Die Russen entwickeln eine grosse Vorliebe sowohl für das Schanzen überhaupt als auch im Be- sonderen für jegliche Art Erdschutzwerk, die man eine Schanze nennen kann. Ihre Brustwehr wird so Btark gemacht, dass sie auch gegen Go- schosse der Feldartillerie sichert; der dazu erforderliche Boden wird aus einem breiten, tiefen und so geformten Aussengraben genommen, dass letzterer dem stürmenden Feinde als Hinderniss dionen soll. Der Bau einer so starken Schanze wird nur durch einen recht bedeutenden Aufwand an Kräften und Zeit erreicht, worin naturgemäss ein grosser Nachtheil einer solchen Anlage liegt. Während nämlich der deutsche Stützpunkt von 2 Infanterie-Kompagnien mit ihrem tragbaren Schanzzeug bequem in wenigen Stunden ausgeführt werden kann, reicht zum Ausheben einer solchen Schanze in 9 bis 10 Stunden ein russisches Bataillon noch nicht einmal auB; es scheint, als ob die russische Anleitung bezüglich ihres Schanzenmusters weit über das Maass desjenigen hinausgeht, was mit dem kleinen Spaten bei einer Schlachtfeldverschanzung geleistet werden kann. Ueber die Auswahl des Platzes für Schützen- und Deckungsgräben ent- hält die russische Vorschrift ebenso wie über die Bestimmung des Grund- risses sehr ausführliche Darlegungen. Sie decken sich völlig mit den be- treffenden Grundsätzen der deutschen Vorschrift, in welcher mit weniger Worten dasselbe gesagt ist. Die in den russischen Schanzen noch vorzu- findende Aufstellung von Geschützen widerspricht den in allen anderen Staaten herrschenden Anschauungen.

Bezüglich der Lage der Verschanzungen zu einander tritt die im Vergleich zu den übrigen Armeen recht verschiedene Auffassung scharf hervor. Während wir einen Stützpunkt, wie schon der Name sagt, inner- halb langer Schützengrabenlinien, als Unterstützung derselben an besonders wichtigen Punkten anlegen, bildet die russische Schanze den Kernpunkt, das Reduit der Schlachtfcldbefestigung. Die russischen Schützengräben sind gewissermaassen nur der Schanze wegen da; thcils sind sie vor die- selbe vorgeschoben, um den Angriff, bevor er an die Schanze herankommt, zu schwächen, theils sollen sie seitwärts-rückwärts der Schanze liegen, um den in letztere eindringenden Gegner durch Längs- und Querfouer wieder zurückzutreiben. Diese Schlachtfeldbefestigung entspricht nicht dem all- gemeinen Grundsatz, den unsere Feldbefestigungsvorschrift als notliwendig

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294 Die Feldbefestigung in den Heeren der europäischen Grossmächte.

bezeichnet, nämlich dass künstliche Deckungen nur den Absichten der Führung dienen sollen, aber nicht dazu gelangen, sie zn beherrschen. Bezüglich der Benutzung von Geländegegenständen entsprechen die russischen Bestimmungen im Allgemeinen den deutschen Vorschriften.

Zieht man zum Schluss nochmals einen Vergleich zwischen den Feld- pioniervorschriften bezw. den als solche herangezogenen Reglements der fünf Armeen miteinander, so findet man, dass im Grossen und Ganzen die russischen und auch französischen Formen der Feldbefestigung den unsrigen am ähnlichsten sind. Nur in dem einen Punkte, nämlich bezüglich der Feldschanzen, weichen die russischen erheblich von den deutschen ab. Man kann sogar behaupten, dass sowohl die Profil- verhältnisse der russischen Feldschanze als auch die ihr in der Schlacht- feldbefestigung zngewiesene Rolle ein Verkennen der Ziele und des Wesens der heutigen Schlachtfeldverschanzung beweisen. Im Uebrigen muss aber, abgesehen von einzelnen zn breiten Darlegungen wie z. B. die Anstellung der Arbeiter beim Ausheben der Schanzen, die Vorschrift un- serer östlichen Nachbarn als recht klar, knapp in der Form und zweck- entsprechend bezeichnet werden; namentlich theilt sie mit unserer Vor- schrift den Vorzug, dass sie jedem gerado hier gefährlichen Schematismus vorbeugt, indem sie die Bestimmung des Grundrisses der Deckungen von der jedesmaligen Sachlage abhängig macht und ein starres Festhalten an den gegebenen Abmessungen als nicht erforderlich ansieht.

Anders die Instruktion unseres westlichen Nachbarn. In ihr findet man wenig von jener aus dem praktischen Bedürfniss entstandenen Auffassung. Alles wird schematisirt, wie man es namentlich bei der Feldschanze be- merkt. Doch dürfte dieser fühlbare Mangel, den die französische Feld- pioniervorschrift mit allen übrigen französischen Reglements gemeinsam haben soll, nach dem Urtheile von Kennern dieser Armee, keinen Einfluss auf die Anlage der Feldbefestigungen haben, da die natürliche Beanlagung des französischen Soldaten für Schanzarbeiten die durch den Schematismus der Vorschrift verursachten Schwierigkeiten bald besiegen wird bezw. besiegt hat.

Das italienische Reglement steht auf einem recht veralteten Stand- punkte. Die Klagen der italienischen Genie- und Infanterieoffiziere über die geringe Fürsorge, mit welcher für die Feldbefestigung die Friedens- vorbereitungen getroffen sind, erscheinen daher wohl begründet.

In der österreichischen Armee ist zwar in anerkennenswerther Weise den Fortschritten der neueren Ansichten Rechnung zu tragen gesucht, aber es haben noch manche alten Sachen Gültigkeit; auch giebt es zwecklos breite und sehr verschiedenartige Profile.

Die deutsche Vorschrift ist, trotzdem sie zuerst zur Verausgabung gelangte und der russischen zum nicht geringen Theil als Vorbild gedient hat, allen anderen und besonders denen des Dreibundes um ein gutes Stück vorangeeilt und in ihrer knappen Einfachheit, Klarheit und Schärfe unerreicht geblieben. Br.

e

n

i

>,i

n.

1.2

4

W

i.C

i

35?

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Frankreich

ü

>,5

n.

1,21

tranchöe öbouchöe.

f9v MSL Bi|d 20

J.-0.45 qm.

tranch6e renforc6e.

tranchße normale.

J. = 0,68 qm.

J. = 2,00 qm.

I

ouvrage de compagnie.

= 4,50

qm.

Russland.

2,7malaja transcheja einer SchQtzengraben).

bolschaja transcheja (grosser Schützengraben).

*ß7.f

Bild 24.

J. = 1,97 qm.

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Neue Studien über d. Wirkung d. I*1 ' Gewehrs b. gefechtsm. Abtheilungsschiessen. 295

Neue Studien über die Wirkung des Infanteriegewehrs beim gefechtsmässigen Abtheilungsschiessen.

(Schiass.)

Mit rier Abbildungen.

n.

In meiner Studie »Ueber die Beurtheilnng der Wirkung beim gefechtsmässigen Schiessen u. s. w.« wies ich auf die Nothwendigkeit eines einheitlichen, unwandelbaren Maassstabes für die Beurtheilung von Treffergobnissen hin. Meine in beiden Auflagen dieser Studie gemachten Versuche zur Auffindung eines solchen haben wohl einen Beitrag zur Lösung der Frage geliefert, ohne sie indessen zu einem völlig befriedigenden Abschluss zu bringen. Inzwischen glaube ich, der Lösung der Frage erheblich näher gekommen zu sein, und das ist der Grund, weshalb ich unter I. von den Treffergebnissen gegen eine Scheibe von 1 m und nicht, wie das gewöhnlich geschieht, von 1,7 m Höhe ausgegangen bin. Aus der Zahl der gegen eine 1 m hohe Scheibe zu erwartenden Treffer lassen sich mit leichtester Mühe die gegen jedes Ziel zu erwartenden Treffer mit einer für die Praxis durchaus genügenden Genauigkeit ermitteln.

Innerhalb der Geschossgarbe ist bekanntlich die Vertheilung der Treffer keine gleichmässige, da die Dichtigkeit derselben von der Mitte nach dem Umfang zu in bestimmter Gesetzmässigkeit abnimmt. Inner- halb eines Theils dieser Garbe kann jedoch die Treffervertheilung als gleichmässig angenommen und daher die Trefferzahl proportional der Trefffläche gesetzt werden, wenn die Streuung im Verhältnis« zum Ziel

nicht gar zu klein ausfällt und die Zielhöhen nicht gar zu verschieden

sind. Die Höhe von 1 m hält so ziemlich die Mitte unter den feld- massigen Zielen (0,35 bis 1,7 m); deshalb eignet sie sich ganz besonders als Ausgangspunkt.

Denkt man sich gegen eine Scheibe von 1 m Höhe 10 000 Schuss abgegeben und die davon erhaltenen Treffer gleichmässig anf eine Breite von 100 m vertheilt, so entfällt auf je 1 qm der Trefffläche der hundertste Theil dieser Treffer, d. h. 1 qm erhält genau so viel Treffer, als von 100 Schuss gegon ein Ziel von 1 m Höhe und sehr grosser Breite zu erwarten sind. Diese Zahl, also dio gegen ein 1 m hohes Ziel zu erwar- tenden Trefferprozente, werde ich fortan »Wirksamkeit des Schiessens« nennen.*)

So ist z. B. bei guten Schützen (Zusammenstellung 3) die »Wirk- samkeit« auf 500 m bei Anwendung des Visirs 500 gleich 58,1, bei An-

wendung des Visirs 600 nur 3,9, die »Wirksamkeit« weniger guter Schützen (Zusammenstellung 4) unter den gleichen Umständen 31,2 bezw. 14,9.

Kennt man die »Wirksamkeit eines Schiessens« (w), so lässt sich die gegen jedes Ziel von beliebiger Grösse und Ausdehnung zu erwartende Trefferzahl (T) feststellen. Diese steht nämlich in einfach geometrischem Verhältnis zur Grösse der treffbaren Zielfläche (Z) ab- hängig von Grosse und Zahl der Figuren , zur Zahl der aufgewendeten

*) Es ist das fast genan dasselbe, was der bekannte General Lnnglois »densite (ln tir< nennt. (Vergl. -Militär Wochenblatt; Nr. 21 1898, 8p. 700.)

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296 Nene Studien über d. Wirkung d. Inf. -Gewehrs 1>. gefechtsm. Abtheilungsschiessen.

Patronen (P), ausgedrüekt in Hunderten von Patronen,*) sowie endlich in umgekehrtem Verhältnis» zur Frontbreite des Ziels (F). Somit ist die zu erwartende Trefferzahl

T =

Z.P

F

(!)•

Bei gleichmiissigen Abständen (a) und Scheiben von gleicher Grösse (s) wird, wenn n die Zahl der Scheiben bedeutet,

Z = u s und F = n a.

Führt man diese Werthe in (1) ein, so wird

T = wPi('8 (2).

Aus (1) folgt

T F : Z.P

(3).

Da die bei einem Schiessen verfeuerte Patronenzahl, die Zahl der erreichten Treffer, die Grösse und Frontbreite des Ziels bekannt sein müssen diese Angaben dürften in keinem Schiessbericht fehlen, sonst ist er völlig werthlos , so lässt sich die »Wirksamkeit des Schiessens«

T

leicht berechnen. Der Bruch ist die Zahl der in jedem Schiessbericht

P T

bereits ermittelten Trefferprozentzahl (p). Setzt man in (3) p = p, so wird

w = ^ P W-

Bei gleiclimässigen Scheibenabständen (a) und Scheiben von gleicher Grösse (sl folgt aus (2)

aT

w = oder s P

a ... w = s P W

Beispiele.

1. Wie viel Treffer sind gegen ein Ziel, bestehend aus 20 Rumpfscheiben,

85 Brustscheiben,

45 Kopfscheiben

zu erwarten, wenn die Frontbreite 120 m beträgt und gute Schützen 980 Patronen mit zutreffendem Visir verfeuern? Entfernung 700 m.

Die Zielfläche errechnet sich als die Summe der Trefffläclien**) von 20 Rumpfscheiben 20 0,27 = 5,4 qm,

85 Brustscheiben 85*0,13 = 11,05 »

45 Kopfscheibeu 45 0,06 = 2,07 »

zusammen =19,15 qm.

*) Sind /.. B. 1425 Patronen verfeuert, so ist P = 14.25.

** Für die Berechnung der Zielgrösse werden die in der Sehiesslehre ti. s. w . , ,

8. <2, angegebnen Abmessungen zu Grande gelegt, d. h.

stehender Mann von vorn Figurseheibe! .... 0,54 qm, » » von der Seite (Protilscheibe) . . 0,20

knieender Mann von vorn i Kniescheibe) .... 0.29 halb gedeckter Mann von vorn (linmpfseheibe) . 0.27

liegender Schütze (Brust. scheibe) 0.13

Kopfseheibe 0,00

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Neue Studien über d. Wirkuug d. Inf- Gewehre b. gefeehtsm. Abtheilungsscliiesseu. 297

Somit ist Z = 19,15,

P= 9,80,

F= 120,

w = 40,1 (Zusammenstellung 3).

Mithin ist die Trefferzahl T = w^ ^ =40,1

F 1 20

= 40,1 1,565 = 62,7.

Wäre die Zielentfernung nicht 700, Bondern 650 oder 750 m, so würde w 1 8,0 bezw. 1 5,2 sein, vorausgesetzt, dass die Schützen mit Visir 700 feuern. Dem entsprechend würde

T = 18,0 . 1,565 = 28,2 bezw.

= 15,2 1,565 = 23,2 werden.

Stände das Ziel auf 600 oder 800 m, so würden nur 1,6- 1,565, d. h. 2,5 bezw. 0,9- 1,565 oder 1,4 Treffer zu erwarten sein.

Weniger gute Schützen (Zusammenstellung 1) würden mit dem Visir 700 auf 600 m 9,9- 1,565 oder 15,5 (gegen 1,4 bei guten Schützen).

650 >

18,0 1,565 »

28,2 (

* 28,2 »

»

»

).

700 »

20,8- 1,565 »

35,5 (

» 62,7 »

»

»

).

750 »

14,6 - 1,565 »

22,8 (

» 23,2 »

»

X

).

800 »

6,7 1,565 »

10,5 (

» 1,4»

»

X

)

Treffer erwarten dürfen.

Bei diesem Beispiel, das nicht sehr einfach ist, ist auch die Berech- nung der Zielgrösse etwas umständlich. Alle anderen Methoden würden diesem Beispiel gegenüber vollständig versagen.

2. Wie viel Treffer sind von guten und von weniger guten Schützen auf 400 m gegen eine liegende Schützenlinie (Brustscheiben) Abstand 1,2 m von Mann zu Mann mit 600 Patronen zu erwarten bei Anwen- dung des Standvisirs, der kleinen Klappe, der Visire 450, 500 und 600 m?

, P-s 6-0,13 „„„

Nach (2) ist T = w =w = w 0,65.

a 1,2

a) Bei guten Schützen (Zusammenstellung 3) ist

w für das Standvisir = 5,2, mithin T = 5,2 0,65 3,4,

» die kleine Klappe = 53,2, » T = 53,2 0,65 = 34,6,

» Visir 450 =47,1, » T = 47,1 0,65 = 30,6,

» » 500 =11,8. » T= 11,8 -0,65= 7,7,

» » 600 = 0, » T = 0.

b) Bei weniger guten Schützen (Zusammenstellung 4) ist

w für das Standvisir =17,6, mithin T = 17,6 0,65 = 11,4,

s die kleine Klappe = 35,4, > T = 35,4 0,65 = 23,0,

> Visir 450 =30,2, » T = 30,2 - 0,65 = 19,6,

» » 500 =21,6, » T= 21, 6- 0,65 = 11,0,

» » 600 = 3,0, » T= 3,0-0,65= 2,0.

3. Wie viel Treffer sind gegen eine vorschriftsmässig besetzte Batterie von 1200 Patronen zu erwarten? Entfernung 1250. Visire: 1200, 1200 und 1300, 1100 und 1200, 1100 und 1300.

a) Von guten Schützen, b) von weniger guten Schützen.

Die Besatzung der Batterie besteht aus 29 Front-, 18 Profilscheiben; Frontbreite 80 m.

Die Trefffläche von 29 Frontscheiben ist 29 0,54 = 15,66 qm,

» 18 Profilscheiben * 18-0,30= 5,4 »

zusammen = 21,06 qm.

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298 Studien über d. Wirkung d. Inf. Gewehrs b. gefechtsin. Abtheilnngsschiesscn.

Die zn erwartende Trefferzahl ist

Z.P T = w w

21,06. 12 80'

= w- 3,16.

a) Gute Schützen (Zusammenstellung 3).

Für Visir 1200 ist w = 5,7, mithin T = 5,7.3,16 =

» » 1200 und 1300 » » = = 5,65, » T = 5,65 3,16 =

» » 1100 » 1200 » » =-£ =2,85,» T = 2, 85. 3, 16 =

5 ()

» » 1100 » 1300 » s=-ij- =2,80,» T = 2,8-3,16 =

18,0,

17,9,

9,0,

8,8.

b) Weniger gute Schützen (Zusammenstellung 4).

Für Visir 1200 ist w = 5,3, mithin T = 5,3*3,16=16,7,

» » 1200 und 1300 » »=5,25, » T = 5,25 3,16 = 16,6,

» » 1100 » 1200 » » == 1,3 i'^3 = 3,3, » T = 3,3.3,16=10,4,

» » 1 100 » 1300 » » = b3 = 3,25, » T = 3,25 3,16 = 10,3.

4. Wie gross ist die »Wirksamkeit*, wenn gegen eine Schützenlinie von Brustseheiben mit lm Abständen 2,16 pCt. Treffer erzielt sind?

Nach (5) ist w = ‘^.p. Da a=l, s = 0,13, p = 2,16 ist, so folgt

5. Wie gross ist die »Wirksamkeit«, wenn gegen eine vorschrifts- müssig besetzte Batterie (vergl. Beispiel 2) 3,5 pCt. Treffer erreicht sind und die Batteriefront 80 bezw. 60 m betrug?

Nach (4) ist w = da Z = 21,06 qm, F = 80 bezw. 60 m,

3 5 Z

w = F = 0,166 F, also für

21,06

F = 80w= 13,28; für F = 60 w = 9,96.

Diese Beispiele zeigen, wie leicht die »Wirksamkeit« zu ermitteln ist. So weit es sich nur um die Verwerthung der Munition handelt, ist also diese »Wirksamkeit« ein vorzüglicher Vergleichsmaassstab.

Im Ernstfall aber hat die Ausnutzung der Zeit eine grössere Be- deutung als die der Munition. Man muss daher auch die Feuer- geschwindigkeit, d. h. die Zahl der in einer Minute aus jedem Gewehr durchschnittlich abgegebenen Schüsse, berücksichtigen. Das Produkt aus dieser »Feuergeschwindigkeit« und der »Wirksamkeit« giebt an, wie viel Treffer von 100 Schützen in 1 Minute gegen eine Scheibe von 1 m Höhe bezw. gegen 100 qm eines 100 m breiten Ziels zu erwarten sind. Diese Zahl nenne ich »Wirksamkeit des Schiessens pro Minute«.

Die nachstehende Zusammenstellung giebt Angaben über mehrere von Truppen wirklich ausgeführte Schiessen. Spalte 13 giebt die hieraus errechnete »Wirksamkeit«, Spalte 14 die »Wirksamkeit pro Minute«.

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Z ii h u m m o n h t <> 1 1 ii n £

Nene Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewelirs b. gefechtsm. Abtheilungssehiessen. 299

300 Neue Studien über d. Wirkung d. Inf. -Gewehr* b. gefeehtsni. Abtheilnngsschiessec.

Einen sehr anschaulichen Ueberblick über die Leistungen, die he jedem einzelnen Schiessen gezeigt sind, erhält man, wenn man die it den Spalten 14 und 15 vermerkten Grössen in einem Gitterbogen darstellt. Die Zielentfernungen sind als Abszissen, die »Wirksamkeit* als Ordinatec dargestellt in den Abbildungen 6 und 7.

Um einen Maassstab für die unter günstigen und weniger günstiger Verhältnissen zu erwartende »Wirksamkeit« zu schaffen, ist in Abbildung *> die von guten Schützen (Zusammenstellung 3) zu erwartende Wirksamkeit durch eine Kurve (I) dargestellt. Die Kurve liegt höher, als die betreffende

i f ar»7jjf

N'oue Studien aber d. Wirkung <1. Inf.-Gewehrs b. gerechtem. Abtheilungsschiessen. 301

Zusammenstellung angiebt. Beispielsweise sind nach der Zusammen- stellung 3 auf 700 m mit Visir 7oo 40,1 pOt. Treffer in eine 1 m hohe Scheibe zu erwarten, während nach der Kurve die » Wirksamkeit 52 beträgt. Oer Grund liegt- darin, dass Zusammenstellung 3 nur die direkten (also Rund-) Treffer angiebt, während bei den gefechtsmässigen Schiessen noch Querschläger hinzutraten. Auf je 100 Kundtreffer sind noch 30 Querschläger hinzuzurechnen. Aus diesem Grande sind die betreffenden Zahlen der Zusammenstellung 3 (die fett gedruckten) mit 1,3 multiplizirt.

Auf den Entfernungen unter 400 m wird die »Wirksamkeit* 100 und

302 Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewehrs b. gefechtsm. Abtheilnng*eclii««ea

mehr. Das heisst natürlich nicht, dass von 100 Schüssen auf 1 qm mehr als 100 Treffer erzielt werden; es besagt vielmehr, dass diese 1 OO Treff« in einem Raum, der kleiner als 1 qm ist, sitzen, weil die Streuung sc klein ist. So z. B. ist auf 200 m die Wirksamkeit zu 170 angegeben, weil die 100 Schüsse in einem Raum von nur 0,55 qm Platz linden. Dir Streuung ist auf den Entfernungen unter 400 m so klein, dass die An- nahme, die Treffer süssen innerhalb eines senkrechten Streifens von 1 m Höhe gleichmä8sig vertheilt, nicht mehr zulässig ist. Da nun auf diesen Entfernungen meist nur Ziele von geringer Höhe beschossen werden, so ist auf diesen Entfernungen bei der Berechnung der »Wirksamkeit« eine Zielhöhe von 0,5 m zu Gmnde gelegt.

Es ist klar, dass diese Wirksamkeit nur erreicht werden kanu, wenn ein zutreffendes Visir genommen und die Streuung klein ist. Unter besonders günstigen Verhältnissen kann sie um eine Kleinigkeit über- schritten werden, da die angenommene Streuung ein Durchschnitts werth ist. Bei einer starken Ueberschreitung dieser Leistung ist ein Zweifel an der Richtigkeit des Schiessberichts am Platz (lfd. Nr. 15, 20, 28), der zur absoluten Gewissheit wird, wenn, wie bei lfd. Nr. 15, 26 und ganz be- sonders 28, nicht mit den genau zutreffenden Visiren geschossen ist. Es ist dann noch nicht gesagt, dass die Trefforzahlen falsch sein müssen, obschon das die grösste Wahrscheinlichkeit für sich hat; es könnten auch die Zahl der verfeuerten Patronen und die Abmessungen der Scheiben zn niedrig oder die Frontbreite zu hoch angegeben sein. Sehr häufig lässt sich der Irrthum, wenn er frühzeitig bemerkt wird, noch aufklären. Leider stösst der Kundige noch recht häufig auf solche »Irrthiimer«, die der Erkenntniss der waltenden Gesetze sehr im Wege stehen.

Eine zweite Kurve giebt die »Wirksamkeit« für den Fall an, dass auf den Entfernungen über 800 in die beiden nach der Schiessvorschrift zu wälilenden richtigen Visire genommen sind, bezw. auf den kleineren Ent- fernungen, dass ein Schätzungsfehler von +50m gemacht ist. Ein Ver- gleich der Zusammenstellungen 3 und 4 zeigt, dass gute und weniger gute Schützen unter dieser Voraussetzung nahezu das Nämliche leisten.

Sieht man von den lfd. Nrn. 15, 26 und 28 ab, so findet man, dass 2mal (lfd. Nr. 6 und 16) die Leistung guter Schützen bei zutreffendem Visir um eine Kleinigkeit übertroffen ist, dass sie etwa 1 1 mal (lfd. Nrn. 1,

2, 5, 7, 8, 11, 23, 27, 31, 32, 33, 34 und 35) unter der niedrigeren Kurve liegt, dass dagegen 18 mal, also in der Hälfte aller Fälle, die »Wirksam- keit« zwischen den beiden Kurven liegt. Bei den Schiessen lfd. Nr. 2, 11, 32 und 34 ist die Abweichung von der Kurve II ganz unbedeutend.

Man wird daraus schliessen dürfen, dass die über die Streuung eine im Ganzen bedeutenden Schwankungen ausgesetzte Grösse gemachten Annahmen ziemlich zutreffen.*)

*) Die »Wirksamkeit^ für Kurve I ist angenommen auf

200 m zu 170, «00 m zu 63, 1000 m zu 28, 1400 m zu 13.

300 » > 13«, 700 » > 62, 1100 » » 22, 1600 » » 11.

400 » » 102, 800 » » 42, 1200 » » 18. 1«00 » » 9,

600 » » 80, 900 > 34, 1300 > » 15, 1700 > » 8.

Für Kurve II ist die Wirksamkeit angenommen auf

200 m zu 104, 600 m zu 31, 1000 m zn 10,9, 1300 m zu 6,9,

300 » » 85, 700 > » 22, 1100 » » 9,6, 1400 * » 6,2,

400 » > «5, 800 » » 17, 1200 * » 8,0, 1600 » » 6,5.

600 » » 4«, 900 » » 12,6,

Die Feuergeschwindigkeit ist veranschlagt bis 300 m auf 6 Schuss, auf 400 m zn 4,6, auf 600 m zu 4,0, anf 600 und 700 m zn 3,5, auf 800 bis 1100 m zu 3,0, auf 1200 und 1300 m zu 2,5, auf 1400 und 1500 m zu 2,0, auf 1600 und 1700 m zu 1,5 Schuss pro Minute und Gewehr.

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewehra b. gefechtsin. Abtheilungsschicssen. 303

In Abbildung 7 ist in ähnlicher Weise nach Spalte 15 die »Wirk- samkeit pro Minute« eingetragen. Ebenso sind zwei Kurven gezogen, welche der »Wirksamkeit pro Minute« bei durchaus zutreffendem Visir, bezw. bei einem Schätzuugsfehler von + 50 m aber (über 800 m) der An- wendung zweier um 100 m auseinander liegender Visire entsprechen. Während Abbildung 6 zeigt, dass die »Wirksamkeit«: der von mir ver- anschlagten in der Mehrzahl der Fälle entsprach, tritt hier deutlich zu Tage, dass die »Wirksamkeit pro Minute« erheblich hinter der geschätzten zurückblieb. Der Grund kann nur darin liegen, dass die erreichte Feuer- geschwindigkeit bedeutend kleiner als die von mir veranschlagte war. In einzelnen Fällen (lfd. Nr. 11, 20) darf man aus der runden Zahl der ver- feuerten Patronen den Schluss ziehen, dass das Feuer nicht nach einer vom Leitenden festgesetzten Zeit gestopft wurde, sondern dass vielmehr die Aufgabe war, eine vorher bestimmte Zahl von Patronen (15 bezw. 10) zu verschiessen. Das giebt natürlich kein richtiges Bild von der durch- schnittlichen Feuergeschwindigkeit.

Offenbar wird von manchen Truppentheilen der Feststellung der Zeit- dauer des Schiessens ein viel zu geringer Werth beigelegt. In dieser Be- ziehung ist das Schiessen lfd. Nr. 15, das bereits wegen der hohen »Wirksamkeit« auffiel, ein klassisches Beispiel. Die Abgabe von 9,23 gut gezielten Schüssen pro Gewehr und Minute halte ich als Durchschnitts- leistung für ganz unmöglich. Auch die lfd. Nrn. 6 und 16 geben zu Be- denken Veranlassung.

Zum Schluss will ich noch zeigen, wie man aus der zu erwartenden »Wirksamkeit« eines Schiessens auf höchst einfache Weise die gegen jedes Ziel aufzuwendende Patronenzahl bestimmen kann, die nöthig ist, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen.

v. , , , , w Z P (die Bedeutung der Zeichen siehe oben,

Nach (1) war 1 p aucj1 Zusammenstellung),

woraus folgt

P =

T. F w Z

Setzt man so wird

Z = n s (n Zahl, s Grösse der Scheiben),

P

T F n w . s

Nun ist T/n das Verhältniss der Treffer zu der im Ziel vorhandenen Zahl von Figuren, d. h. die Zahl, welche angiebt, wie oft durchschnittlich jede Fignr getroffen sein muss, um eine bestimmte Prozentzahl der Figuren im Ziel ausser Gefecht zu setzen gleichmässige Vertheilung des Feuers vorausgesetzt. Sollen z. B. 50 pCt. der Figuren getroffen werden, so ist T/„ 0,69 (vergl. »Schiesslehre«, Anlage 14). Es wird dann

0,69 « F

w s

Setzt man F 1, so erhält man die Patronenzahl, welche auf das laufende Meter der feindlichen Front aufzuwenden sind, um 50 pCt. ausser Gefecht zu setzen.

Nimmt man stehende Schützen an (s = 0,54), so wird

P

_0,69 0,54 w

= 1,28-

1

w

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304 Ncno •Studien idier d. Wirkung d. Inf.dowehrs b. gefcchtsm. Abthcilimgssehiessen.

Für die Entfernung von

500 m ist w = 80, mithin P = 0,010,

1000 » » w = 28, » P = 0,0457,

1500 » » w=ll, » 0 = 0,116.

P war die Zahl der Patronen, getheih, durch 100; es sind also, um von stehenden Schützen die Hälfte ausser Gefecht zu setzen, auf das laufende Meter der feindlichen Gefechtsfront einzusetzen auf 500 ni . . . 1,6 Patronen,

1000 » . 1,6 »

» 1500 » . . .11,6 »

Diese Zahlen stimmen fast genau mit den in der -Schiesslehre , Au- lage 15, errechnet*'n überein; nur auf 500 m ist die dort gegebene Zahl höher und zwar richtiger. Die Annahme, dass auf 500 m die Vertheilung der Treffer innerhalb der Höhe von 1,7 m gleichmässig sei, trifft eben nicht mehr zu.

Für die Brustscheiben würde man erhalten

auf 500 m . . . 6,6 Patronen,

» 1000 «... 19,1 »

» 1500 » . . . 49,0 »

Legt man die »Wirksamkeit«, die man bei einem Schätzungsfehler von + 50 m, bezw. hei Anwendung von zwei Visiren erwarten darf, zu Grunde, so stellt sich die not h wendige Patronenzahl für Rumpfscheiben, wie folgt: 300 m auf 3,01, 700 m auf 11,6, 1000m auf 23,9, 1300 m auf 37,0,

400 » 3,93, 800 » » 15,0, 11(10 > » 26,6, 1400 * » 41,2,

500 » » 5,55, 900 * » 19,7, 1200 * » 31,9, 1500 » » 46,5.

600 » » 8,21,

Da stehende Schützen eine doppelt so grosse Trefffläche bieten, so würde man bei diesen nur die Hälfte dieser errechneten Patronen ge- brauchen; bei Brust- und Kopfzielen dagegen die doppelte bezw. vierfache Zahl. Bei Artilleriezielen ungefähr -/* der gegen Kumpfseheiben.

Abbild. 8.

liruphische Darstellung der Patronenzahl, welche pro laufendes Meter Front erforderlich ist, um hei einer hulbgcdeckten Schützenlinie (Rumpfscheiben) 50 ja ’t. der Figuren ausser tiefecht zo setzen. Für stehende Schützen sind hall) soviel, für Brustschelhen doppelt.

wie dies in Abbildung 8 geschehen ist, so kann man mit einer für den Gebrauch genügenden Zuverlässigkeit den Bedarf an Patronen, wie er bei Friedensübungen unter gewöhnlichen Bedingungen bei sehr guter Schätzung der Entfernung sich heraussteilen wird, unmittelbar feststellen.

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Neue .Studien über (1. Wirkung d. Inf.-Gewelirs b. gefechtsm. Abtheilnngsschiessen. 305

Beispiel. Wie viel Patronen sind gegen eine aus Kopf- und Brust- zielen bestehende Schützenlinie von 300 ni Länge nöthig auf 600 ra? Gegen Brnstziele sind pro lfd. m erforderlich 16,4 Patronen,

» Kopfziele » » » » 32,8

im Mittel also 24,6

im Ganzen also 7380 oder rund 7500 Patronen.

Will man sich mit 30 pCt. ausser Gefecht gesetzten Mannschaften begnügen, so genügt die Hälfte, da jeder Mann nur 0,34 mal (statt 0,69 mal) getroffen werden muss.

m.

Im Vorstehenden ist ebenso wie in der »Schiesslehre für In- fanterie* nur von feststehenden Zielen die Kede gewesen. Eine Unter- suchung über die Wirkung des Infanteriefeuers gegen einen Kavallerie- angriff dürfte nicht ohne Interesse sein, zumal meines Wissens in der deutschen Litteratur eine solche Untersuchung noch nicht angestellt ist und auf den Uebungsplätzen der Truppen, ja selbst der Schiessschnlen die Darstellung eines solchen Angriffs auf grosse, zum Theil unüberwind- liche Schwierigkeiten stösst. Dazu kommt, dass die Schiessvorschrift über das Feuer gegen derartige sich schnell bewegende Ziele nichts enthält und das Exerzir-Keglement für die Infanterie wohl einige Grundsätze über die anzunehmenden Formen ausspricht, dagegen nichts über die Art des Feuers, Wahl der Visiro u. s. w. sagt. Auch die Felddienstordnung enthält nur den Satz, dass »Kavallerieabtheilungen einer geordneten Infanterie . . . frontal gegenüber auf einer Entfernung innerhalb 800 m nur in der Attacke erscheinen dürfen.«

Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung muss man von bestimmten Voraussetzungen ausgehen, die vielleicht in keinem einzigen Falle völlig zutreffen; aber dadurch, dass man die unter diesen bestimmten Bedin- gungen zu erwartenden Treffergebnisse mit einiger Sicherheit angeben kann, vermag man zu einer Vorstellung davon zu gelangen, welche Wir- kung unter anderen Umständen eintreten wird.

»Ponr fixer les idöes«, nehmen wir also an:

1. Die attackirende Kavallerie erhält auf einer Entfernung von 800 m das erste Feuer von der Infanterie und nimmt von da ab ein Tempo von 500m (630 Schritt) in der Minute an;

2. die angegriffene Infanterie ist eine Schützenlinie von 100 m Breite, auf je 1 m Front 1 Gewehr;

3. die Kavallerie nimmt die gleiche Frontbreite ein;

4. jeder Schütze giebt in der Minute durchschnittlich 5 Schuss ab.

Ich setze ferner voraus, dass nur mit einem Visir geschossen wird,

weil bei der Schnelligkeit, mit der sich ein Kavalleriegefecht abspielt, auf ein Umstellen des Visirs nicht mit Sicherheit zu rechnen ist. Die Unter- suchung wird sich auf die folgenden fünf Fälle erstrecken, dass nämlich mit den Visiren 600, 500, 450, kleiner Klappe und Standvisir gefeuert wird.

Da bei Kavallerieangriffen, selbst bei Friedensübungen, stets eine gewisse, die Streuung vergrössernde Aufregung herrscht, so werde ich die Untersuchung nicht nur auf »gute« und »weniger gute« Schützen (vergl. Zusammenstellungen 3 und 4), sondern auch auf »schlechte« Schützen ausdehnen, deren Streuung 4 mal so gross als die guter Schützen (vergl.

»Schiesslehre für Infanterie«, Anlage 8, Spalte 3) ist. Was noch schlechtere Schützen leisten werden, kann man sich danach vielleicht vorstellen oder nach der hier entwickelten Methode ermitteln.

Krw'gstechniscbe Zeitschrift. 1898. 7. Heft. 20

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30G Nene Studien über d. Wirkung d. Inf.-Oewehr» 1>. gefcehtsm. Abtheilungsschiessen.

Nimmt man, wie vorausgesetzt, das Tempo der Kavallerie zu 500 m in der Minute an, so wird die Strecke von 800 m in t Minute 36 Sekunden zurückgelegt; bei der angenommenen Feuergeschwindigkeit würde jeder Mann 8 Schuss abgebeu und die Zielentfernung von Schuss zu Schuss um etwa 100 m kleiner werden. Für die Wirkung ist es bei dieser Betrachtung durchaus gleichgültig, ob man Salven- oder Schützonfeuer voraussetzt. Man kanu danach die Zielentfernung bei Abgabe des

1 . Schusses ... zu 800 m,

2. » ...» 700 »

7. » ...» 200 »

8. » ...» 100 » annelimen. Wenn sich

das Ziel bei Abgabe des 1. Schusses nicht auf 800, sondern auf 750, beim 8. Schuss also auf 50 m befände, würde das an der Wirkung wenig ändern. Eine nähere Untersuchung würde höchstens lehren, dass die oben gemachte Annahme die für die Wirkung des Feuers ungünstigste ist.

Unter den gemachten Voraussetzungen lässt sich die Zahl der gegen eine Scheibe von 2 m Höhe zu erwartenden Treffer, die wir uns zunächst an Stelle der Kavallerie in Bewegung denken, nach der in der »Schiess- lehre« (§ 19, S. 57 u. ff.) entwickelten Methode errechnen. 100 »gute« Schützen würden hiernach z. B. mit dem Visir 450 beim

1. Schuss, Zielentfernung 800 m, 0 Treffer,

2.

»

700 »

0

»

3.

*

»

600 »

1.2

»

4.

»

500 »

68,3

»

5.

400 »

84,6

»

6.

*

300 »

44,1

»

7.

»

200 »

36,3

»

8.

»

100 »

99,5

im

Ganzen also

334,0

Treffer

erreichen.

Die hier gefundene Zahl ist aber nicht diejenige, welche gegen Kavallerie zu erwarten ist. Die »treffbare« Fläche einer Kavallerie- linie ist wesentlich kleiner und richtet sich danach, ob die Attacke in geschlossener oder geöffneter Linie ausgeführt wird.

Nehmen wir eine eingliedrige geschlossene Linie an, so entfällt auf je 1 Schritt (0,8 m) Front ein Reiter mit einer Trefffläche von 1,2 qm. Die treffbare Fläche verhält sich zu der ganzen Scheibe wie 0,75 : 1. Die geschlossene Kavallerielinie nimmt daher nur 3 < der für die Scheiben- wand errechneten Trefferzahlen auf. Somit würden also »gute« Schützen

Visir

450

mit

dem

1. Schuss .

. . 0 Treffer

»

»

2. »

. . 0

*

»

»

3.

. . 0,8

J*

4. »

. . 51,2

>*

»

5. >•

. . 63,4

>

V

6. V

. . 33,0

r

»

7. *

. . 27,2

X

>

»

8. »

. . 74,6

y>

im Ganzen 250,2 Treffer oder 31,2 pCt. erhalten.

Dio nachstehenden Zusammenstellungen geben an, wie viel Treffer mit den verschiedenen Visiren von 100 »guten«, »weniger guten« und »schlechten < Schützen gegen eine geschlossene eingliedrige Kavallerielinie von 100 m Frontbreite erwartet werden dürfen.

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Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.-Gewchrs b. gefechtsm. Abtheilungsschiessen. 307

Zusammenstellung 6

über die von guten Schützen zu erwartenden Treffer.

Nummer

des

Von der Ka- vallerie zurück-

Entfernung

V i a i r

e

Schusses

Ul

m

600

600

460

kl. Kl.

Standv.

1

0

800

__

2

100

700

10,7

1

3

200

600

61,0

9,6

0,8

4

300

600

13,6

66,6

61,2

6,2

6

400

400

1,6

33,6

63,4

63,4

21,4

6

600

300

6,4

33,0

73,2

73,6

7

600

200

4,2

27,2

72,3

75

8

700

100

6,7

68,3

74,6

1 76,0

75

Im Ganzen 8 Schuss 1

93,4

188,6

| 250,2

1 289,1

246,0

= |

11,7

23,6

31,2

1 36,1

30,6 pCt.

Zusammenstellung 7

über die von weniger guten Schützen zu erwartenden Treffer.

Nummer

des

Von der Ka- vallerie zurück-

Entfernung

V i s i r

e

Schusses

m

m

600

500 |

450

kl. Kl. |

Standv.

i

0

800

1,1

|

2

100

700

20,9

1,9

0,6

3

200

600

36,8

19,2

8,5

1,3

4

300

500

21,4

43.0

38,2

16,4

4,6

5

400

400

0,6

34,2

47,5

48,5

28,3

0

600

300

1,6

18,1

35,2

61,0

60,6

7

600

200

1,1

16,0

31,4

61,2

72,0

8

700

100

18,8

66,2

67,7

74,4

75,0

Im Ganzen 8 Schuss

108,1

13,6

188,6

23,6

229,0

28,6

262,8

32,8

240,3

i 30,0 pCt.

Zusammenstellung 8

über die von schlechten Schützen zu erwartenden Treffer.

Nummer

des

Von der Ka vallerie zurück

Entfernung

V i s i i

e

Schusses

m

m

600

600

450

kl. Kl.

Standv.

1

0

800

6,6

3,7

1,2

0,7

2

100

700

10,1

7,4

5,5

2,4

1,3

3

200

600

19,4

16,2

13,3

7,9

4,2

4

300

600

19,2

23,2

22,8

17,6

1 11,9

5

400

400

15,4

25,9

29,5

28,9

32,8

ö

600

300

10,9

24,7

| 31,1

89,2

1 39.7

7

600

200

10,6

25.9

34,0

47.«

54,0

8

700

100

28,0

39,9

I 65.6

66,1

! 71,1

Im Ganzen 8 Schuss 185,0 10«,'.» 103,0 310,4 816,0

= 15,6 20.6 24,1 26,3 | 26,9 pCt.

2o* Digitized by Google

30S Neue Stadien filier d. Wirkung d. Inf.-Gewehrs b. gefeehtsm. Abtheilangssehirssen,

Aus diesen Zusammenstellungen gellt hervor, dass die Grösse der Streuung von unbedeutendem Einfluss auf die Wirkung ist. Gute Schützen erreichen im Durchschnitt zwar etwas bessere Resultate als schlechte: immerhin reicht die Wirkung dieser selbst bei dem ungünstigsten Visir ( 600 noch völlig aus und verhält sich zu der guter Schützen im Durchschnitt etwa wie 6 : 7.

Von grösserem Einfluss ist schon die Wahl des Visirs, wiewohl man behaupten kann, dass wenigstens bei schlechten Schützen mit jedem Visir von 600 an und darunter eine ausreichende Wirkung erzielt wird.*: Der Unterschied liegt wesentlich darin, dass, je niedriger das Visir gewählt ist, um so höher die Wirkung auf den nahen Entfernungen steigt. Da bei guten Schützen mit den Visiren 500 und 600 die Wirkung auf den nahen Entfernungen (200 und 300 m) gering ansfällt, diese Visire sich auch schwerer einstellen lassen, so empfehlen sich die Visire 450, kleine Klappe und Standvisir mehr. Lediglich praktische Rücksichten dürfen darüber entscheiden, welches dieser Visire zu wählen ist. Für die Wirkung selbst ist der Unterschied verschwindend.

Es entscheidet für die Wirkung nicht die Zahl der Treffer, sondern die der getroffenen Figuren. Auch diese ist nach der in der »Schiess- lehre« entwickelten Methode leicht zu bestimmen, wenn das Feuer über das ganze Ziel gleichmässig vortheilt ist. Nehmen wir wieder gute Schützen mit Visir 450 an, so würden nach der Zusammenstellung 6 250,2 Treffer erreicht. Das hier vorausgesetzte Ziel bestand ans 1 25 Reitern, die also durchschnittlich je 2 Treffer erhielten. Nach der »Schi ess- lehre«, Anlage 14, würden hiernach 86*/jpCt der vorhandenen Figuren getroffen sein. Damit ist nicht etwa gesagt, dass 86 pCt. der Reiter und 86 pCt. der Pferde ausser Gefecht gesetzt wären. Im Gegentheil! Da die treffbare Fläche eines Pferdes rund doppelt so gross als die eines Reiters ist, so wird jeder Reiter durchschnittlich */* (0,67) Treffer, jedes Pferd durchschnittlich 1,33 Treffer erhalten und somit (nach Anlage 14 der »Schiesslehre«) etwa 48 pCt. der Reiter und 74 pCt. der Pferde getroffen sein. Hierbei ist es durchaus gleichgültig, ob die Linie geschlossen oder geöffnet war; so lange die Frontbreite der angreifenden Kavallerielinie 100 m beträgt, wird sie höchstens (nämlich bei gleichmässiger Feuer- vertheilung) den erreclineten Prozentsatz ihrer Stärke einbüssen.

Die nachstehende Zusammenstellung zeigt, wie viel Prozent ihrer Stärke eine Kavallerielinie von 100 m Hreitc beim Angriff gegen 100 Schützen unter den gemachten Voraussetzungen höchstens verliert.

Zusammenstellung 9.

Eine Kavallerielinie von 100 m Frontbreite erleidet bei einem von 800 m an dnrehgeführten Angriff auf eine Linie von 100 Schützen einen Verlust von . . . Prozent ihrer Stärke.

Visir 600

Visir 600

Visir 450

kl. Klappe

Standvisir

M«nn Pferd

Hann Pferd

Mann

Pferd

Mann

Pferd

Gute Schützen .....

22 39

30 63

40

74

54 1 79

48

73

Weniger gute Schützen . .

25 43

30 63

46

71

60 75

72

Schlechte Schützen . . .

30 61

37 61

42

67

45 70

46

71

*) Bei «guten« Schützen verhalt sich die Trefferznhl des ungünstigsten Visirs (600) zu der des günstigsten (kleine Klappe) wie 1:8,1; bei schlechten dagegen wie 1 : 1,72 (Visir 600 und Standvisir).

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N eue Studien über d. Wirkung d. Iuf.-Gewehre b. gerechtem. Abtheilungsschiessen. 309

Man kann eich nun auch leicht eine Vorstellung davon machen, welche Wirkung unter anderen Umständen zu erwarten ist. Die Wirkung, d. h. die Trefferzahl, steht in einfach geometrischem Verhältniss zur Zahl der feuernden Schützen, zur Feuergeschwindigkeit sowie zur Zeitdauer der Attacke, d. h. also im umgekehrten Verhältniss zum Tempo der Kavallerie. Je langsamer diese reitet, um so mehr Schüsse erhält sie. Ferner steht die Zahl der Treffer in umgekehrtem Verhältniss zu der Grösse der Zwischenräume zwischen den einzelnen Heitern. Nimmt dieselbe Zahl von Reitern eine doppelt so grosse Front ein, so sinkt die Trefferzahl auf die Hälfte; die Zahl der ausser Gefecht gesetzten Figuren sinkt ebenfalls, jedoch nicht in demselben, sondern in etwas schwächerem Verhältniss.

Ich will hier nur noch untersuchen, wie der Erfolg voraussichtlich ausfällt, wenn es der Kavallerie gelingt, gedeckt auf nähere Entfernungen heranzukommen. Das ist für die Kavallerie von hoher Bedeutung; denn das angenommene Tempo von 500 m in der Minute ist so stark, dass eB wohl für eine kurze Strecke, nicht aber für eine solche von 800 m Länge innegehalten werden kann, wenn die Pferde durch vorausgegangene An- strengungen nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte sind.

Denkt man sich, es sei der Kavallerie gelungen, an eine feindliche Hchützenlinie gedeckt bis auf 200 m heranzukommen, so wird, wenn sie sich von hier an auf den Feind stürzt, eine gewisse Zeit vergehen, bis sie Feuer erhält. Unter der Voraussetzung, dass diese Zeit rund 12 Se- kunden dauert, wird das erste Feuer auf einer Entfernung von 100 m abgegeben. Nimmt man »schlechte« Schützen und das Visir 600 an, so würde die Kavallerielinie wenn sie geschlossen anreitet 28 Treffer erhalten (vergl. Zusammenstellung 8) und bei einer Frontbreite von 100 m 8 pCt. ihrer Mannschaften, 1 5 pCt. ihrer Pferde verlieren. Wäre cs der Kavallerie gelungen, bis auf 300 m heranzukommen, so würde sie auf 200 und 100 m Feuer und im Ganzen 38,5 (28 -j- 10,5) Treffer erhalten, wodurch bei gleichmiissiger Feuervertheilung lOpCt. ihrer Stärke an Mannschaften und 8 pCt. an Pferden getroffen würden.

Nachstehende Zusammenstellung giebt die Zahl der Verluste in Pro- zenten ihrer Stärke an, welche die Kavallerie erleidet, wenn sie die Attacke aus kürzerer Entfernung ansetzt.. Vorausgesetzt sind »schlechte« Schützen.

Zusammenstellung 10.

Entfernung, auf welcher die Kavallerie das erste Feuer erliiilt

m

Visir 600

Mann Pferd

Visir 500

Mann Pferd

Visir 450

Mann j Pferd

kl. Klappe Mann Pferd

Standvisir Mann Pferd

100

8 | 15

11 ! 21

15

27

17

31

18

33

200

10 18

17 31

22

40

28

48

30

51

300

12 23

23 40

29 |

49

86*)

59

37

60

400

17 31

28 48

35*)'

58

40

65

43

68

500

21 38

33*) 55

39 1

63

43

68

45

70

600

25 44

30 69

41

65

45

09

46

70

700

20 49

37 I 60

42

67

45

70

46

71

800

30 51

37 01

42 1

1

67

45

70

46

! 71

*) Nach Balck * Taktik i, I. Theil, 2. Hnlbbnnd, verlor das 1. Garde-Dragoner Regiment bei seiner Attacke auf französische Infanterie 33 pCt. der Stärke an Mann- schaften (Offiziere eingerechnet' und 60 pCt. der Stärke an Pferden, was nahezu dem errechneten Verhältniss entspricht.

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310 Neue Studien über d. Wirkung d. Inf.Gewehrs b. gefeehtsm. AbtheilungRschies«a.

Man erkennt hieraus, dass die Yisire 600 und 500 zwar bei schlechten Schützen noch allenfalls ausreichen, um einen aus grösserer Nähe etwa 400 m geführten Kavallerieangriff zurüekzuweisen, dasg aber die Visire 450, kleine Klappe und Standvisir unbedingt den Vorzug verdienen. Bei »guten« Schützen und Anwendung des Visirs 600 würde ein von 400 m an ausgeführter Angriff nur 8,2 (6,7 -j- 1,5) Treffer*) erhalten, wodurch nur 2 pCt. der Mannschaften und 4 pCt. der Pferde ausser Gefecht gesetzt würden.

Welche Schlüsse aus diesen Zahlen des Weiteren noch zu ziehen sind, muBB ich den Taktikern der Infanterie und Kavallerie überlassen. Dass diese Zahlen im Ernstfall erheblich niedriger ausfallen werden, dürfte einleuchten; schon bei Friedensübungen wird wahrscheinlich die Zahl der getroffenen Figuren schwerlich erreicht werden, da gerade bei solchen Zielen die Wirkung sich mehr nach der Mitte zu konzentrirt. Durch Querschläger, die hier nicht in Rechnung gestellt sind, würde dagegen das Resultat wieder etwas erhöht. Die Zahl der ausser Gefecht gesetzten Mannschaften würde sich endlich noch dadurch erhöhen, dass beim Sturz der getroffenen Pferde auch einzelne Leute verletzt würden.

Ich vermuthe, dass der grösste Theil meiner Leser sich eine höhere Vorstellung von den Verlusten der gegen Infanterie anreitenden Kavallerie gemacht hat. Trotzdem bin ich der Meinung, dass ein frontal gegen unerBchütterte Infanterie gerichteter Angriff keine Aussicht auf Erfolg bietet, wenn er nicht etwa völlig überraschend ausgeführt ist. Bei einem flankirenden und umfassenden Angriff wird ein grosser Theil der Gewehre gar nicht in Thätigkeit treten, weil die Leute sich gegenseitig bei dem schrägen Angriff hindern würden; damit wächst die Aussicht auf Erfolg wesentlich.

Bei einem solchen Angriff fällt die Abwehr zu einem grossen Theil den hinteren Treffen zu. Denken wir uns, der Angriff sei unter 45 c gegen

den linken Flügel einer Schützen- linie gerichtet, so wird nur ein kleiner Theil dieser Linie feuern jvIl können. Denkt man sich, der An-

griff sei auf einer Entfernung von

\ s Abbild. 9. 8()Q m angesetzt (siehe Abbild. 9),

' s die hinteren Abtheilungen befinden

' s . _ sich etwa 300 m rückwärts und 50 m

^ o links überragend hinter der Schützen-

\ N N linie, so könnte der Angriff auf

\o N einer Entfernung von 950 bis 300 m

o s beschosson werden. Nimmt man,

' ^ I wie oben, das Tempo zu 500 m, die

^ I Feuergeschwindigkeit zu 5 Schuss in

. der Minute an, so würden 9 Schuss

^ j abgegeben; in der zwischen zwei

v , aufeinanderfolgenden Schüssen ver-

-<y\ streichenden Zeit würde sich die

Entfernung um je 70 m verringern. Nimmt man an, dass bis zur Abgabe des ersten Schusses 12 Sekunden ver- streichen, so würde die Entfernung der Kavallerie bei Abgabe des ersten Schusses 870 in betragen. An ein Umstellen der Visire ist auch hier

Abbild. 9.

*) Vergl. Zusammenstellung 0.

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Ueher militärische Signalgebung und das Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika. 311

nicht zu denken; aber es scheint, dass das Visir 600 völlig genügende Resultate ergeben würde. »Schlechte« Schützen würden

beim

1.

tSchuss

auf

870 m .

. 0

Treffer

9

2.

»

9

800 » .

. 6

9

»

3.

9

9

730 » .

. 15

9

9

4.

»

9

660 » .

. 19

9

9

5.

»

9

590 » .

. 19

9

9

6.

9

9

520 » .

. 19

9

7.

9

9

450 » .

. 17

9

">

8.

9

»

380 » .

. 14

9

9

9.

9

9

310 » .

. 10

9

im Ganzen 119 Treffer = 13,2 pCt.

erzielen. Mit dem Visir 500 würde zwar die Trefferzahl noch etwas höher ansfallen. Das Visir 600 stellt aber auch dann noch ausreichende Wirkung in Aussicht, wenn die hinteren Abtheilnngen etwas weiter zurückstehen.

Das Ergebniss der vorstehenden Untersuchung dürfte sich in folgende Sätze zusammenfassen lassen:

1. Infanterie, die in der Front von Kavallerie angegriffen wird, schlägt jeden Angriff zurück, wenn sie ihre Ruhe nicht verliert; es ist dazu eins der drei niedrigsten Visire zu wählen, das Feuer nicht zu früh und in Ruhe abzugeben. Das Verhalten der Infanterie muss dem der Artillerie ähnlich sein, welche das Herankommeu des Kavallerieangriffs mit geladenen Geschützen erwartet und zum Schnellfeuer übergeht, sobald er auf wirksame Entfernung herangekommen ist.

2. Infanterie in einem hinteren Treffen, die flankirend gegen einen Kavallerieangriff feuert, wählt dazu das Visir 600; dieses wird auch für den Fall, dass sie selbst angegriffen wird, noch eine genügende Wirkung ergeben.

3. Für die Kavallerie ergiebt sich die Regel, den Angriff aus mög-

lichst kleiner Entfernung, bis zu welcher man gedeckt herankommen kann, anzusetzen, in möglichst breiter Front und möglichst starkem Tempo anzugreifen. H. Rohne.

Ueber militärische Signalgebung und das Signal- korps der Vereinigten Staaten von Amerika.

Mit fünf Abbildungen.

Dem Ohr oder Auge nach bestimmter Verabredung oder Vorschrift ohne künstliche Leitungen vernehmbar gemachte Zeichen nennt man be- kanntlich Signale. Hiernach werden also akustische oder Schall- und optische oder Blicksignale zu unterscheiden sein. Von beiden hat die Kriegführung seit Alters Gebrauch gemacht.

So erwähnt z. B. Caesar die Rufsignale der Gallier, durch welche das Herannahen der Römer verkündigt wurde. Letztere gaben mit lituus und tuba (Trompete), mit bucca und comu (Horn) für jede Dienstverrichtung ein besonderes musikalisches Zeichen. Das wichtigste aber war ihr classicum, das nur der Heerführer blasen Hess und das je nach seinem Rang und Person in Form und Signalgebung ein anderes war, so dass es zu einem Unterscheidungszeichen wurde ähnlich dem, wie es heute z. B. optisch Standarten und Flaggen im deutschen und französischen Heere sind, um den Truppen den Platz, den Rang und das Kommandoverhältniss des betreffenden Führers zu Gesicht zu bringen. Die Thurmwächter mittelalterlicher Burgen benachrichtigten deren Kommandanten von jedem

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312 lieber militärische Signalgebung und das Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika.

bemerkenswerthen Vorgänge im Aussenfeide. Und auch heute hören wir weithin tönende Trommel-, Horn- oder Pfeifensignale im Marsch oder im Gefecht, um lange Linien besonders bei trübem Wetter sowie im unüber- sichtlichen Gelände zu leiten oder die Kantonnements zu alarmiren oder endlich den täglichen Dienstbetrieb zu regeln. Deunoch spielen diese akustischen Signale, wenn wir hier von Tele- und Mikrophon, von Sum- mern und Klopfern schon deshalb absehen, weil sie eben Leitungen benutzen müssen, im Landkriege für die Nachrichtenübermittelung kaum noch eine Holle. Sie sind eben auf zu kurzen Entfernungen und in zu allgemeiner, auch dem Feinde verständlicher Weise nur vernehmbar. Im Küsten- und Seekriege dagegen werden sie stets von hohem Werth bleiben in der Form von Nebelsigualen, um durch kurze oder lange Töne von Dampfpfeifen, Sirenen, Nebelhörnern, Glocken, Trommeln, Kanonenschüssen, meist unter Zugrundelegung des Morse-Alphabets, einen Verkehr bei Nebel- wetter zwischen den fahrenden und vor Anker liegenden Schiffen und mit den Küstenstationen aufrechtzuerhalten, mindestens in Form von kurzen Warnungs- und Nothsignalen.

Anders verhält es sich mit den Blicksignalen, welche telegraphische Zeichen durch sich fortpflanzendo Lichtstrahlen von Ort zu Ort übermitteln. Auch sie haben manche Nachtheile, wie die grössere Abhängigkeit ihrer Tragweite von dem Zustande der Atmosphäre, dem Gelände und der Lage der Signalstationcn. Trübe Witterung, ungünstige Beleuchtung erschweren das Zeichengeben auf grössere Entfernungen alB 8 bis 10 km in unseren Breiten, starke Nebel verhindern es überhaupt. Bedecktes und nnebenes Gelände vermehrt die Zahl der Stationen und des Personals und ver- langsamt die Mittheilungsdauer nicht unerheblich. Bei den rasch ver- schwindenden Signalen sind leicht Irrthümer im Lesen und Verstehen derselben möglich, die um so bedenklicher werden können, als die optische Telegraphie keine Dokumente liefert. Auch sind die optischen Zeichen, besonders Flaggensignale, recht auffallend, und der Feind erfährt so nicht nur leicht die Thatsache des Verkehrs, sondern kann unter Umständen auch mitlesen. Dadurch wird oft die Benutzung eines umständlichen Ohiffre- systems nöthig, und besonders wichtige Nachrichten bleiben auf den Botendienst angewiesen. Auch bedarf die richtige Handhabung dieses Signalwesens ein langjährig geschultes und im Beobachten geübtes Per- sonal, das in der Truppe schwer zu erziehen ist.

Aber diesen zweifellosen Nachtheilen, die in nördlicheren Klimaten sich besonders fühlbar machen, stehen doch so grosse militärische Vorzüge gegenüber, dass das optische Signal, der Blicktelegraph, jedenfalls da an- zuwenden bleibt, wo der elektrische fehlt oder sein Netz nicht genügend dicht, ist und daher vervollständigt werden muss. Es sei hier besonders auf die Ersparnis an Leitungsmaterial jeder Art und die Möglichkeit hingewiesen, innerhalb gewisser Einschränkungen zwischen ganz beliebig gewählten Orten ohne sorgfältige Vorbereitungsarbeiten, in wenigen Minuten schon, einen Depeschenaustausch auf bedeutende Entfernungen zu erzielen. Dadurch wird, obwohl nur bis zu einem gewissen Grade, wieder die Langsam- keit des optischen Nachrichtenverkehrs gegenüber dem elektrischen aus- geglichen, oft sogar die Schnelligkeit der Beförderung überhaupt erhöht. Auch sind, was heute, wo der Volkskrieg eine erhebliche Rolle spielen wird, von hohem Werthe, die Verbindungen gewissermaassen unzerstörbar. Man kann über d.en Kopf des Gegners hinweg sprechen, ohne dass dieser es merkt oder hindern kann. Das \vird besonders für den eingeschlossenen Festungs- vertheidiger wichtig. Erwähnt sei schliesslich noch die Handlichkeit der

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lieber militärische Signalgebung und das Signalkorps der Vcr. Staaten von Amerika. 313

meisten Apparate, die einen leichten Transport bis in die vordersten Linien und auf die steilsten Berge ermöglichen, was namentlich im Gebirgskriege von grosser Bedeutung ist. Auch die Billigkeit der In- strumente möchte bei dem Kostenaufwande der heutigen Kriegsvorbereitung nicht von der Hand zu weisen sein.

Wir Anden daher schon in uralten Zeiten die optische Telegraphie angewendet, so als sehr auffällige Feuer- und Hauchsignale, wie sie z. B. als pyrsoi den Fall von Ilion meldeten, und für welche Bich noch Jomini begeistert, die aber heute höchstens im Gebirgskriege, schon der möglichen grossen Irrthümer wegen, Vorkommen können. Alexander der Grosse, Hannibal, Caesar wie Napoleon I. bedienten sich der optischen Zeichen. Letzterer verdankte z. B. 1805 ihnen seinen Erfolg bei Regensburg. Im Krim- wie im nordamerikanischen Bürgerkriege, wo namentlich die SUd- staaten grossen Nutzen aus den Diensten ihres Signalkorps zogen, im italienischen Kriege, wo dio Oesterreicher bei Mantua und Verona die optische Telegraphie benutzten, stellenweise auch 1870/71, z. B. im Kriege gegen die Kommune, und endlich in neuerer Zeit, besonders iu den Feld- zügen der OeBterreicher in Bosnien, der Engländer in Südafrika (Zulu- Krieg!, Afghanistan (General Roberts) und Indien (Jowak-Afridi-Expedition), sowie der Spanier im marokkanischen und im Karlisten-Kriege Anden wir daher die Blicksignalgebung in reichem Maasse und mit grossen Erfolgen angewendet.

Der Kriegswerth der optischen Telegraphie dürfte daher wohl un- bestritten sein, vorausgesetzt, dass sie am rechten Ort und zu geeigneter Zeit saehgemäss verwendet wird. Zwar kann das System der Benutzung eines besonderen Signalbuches, d. h. einer alphabetischen Zusammen- stellung verschiedener Zeichenverbindungen (zwei bis vier) zu Silben, Worten, Satztheilen und ganzen Sätzen trotz grosser Kürze und Verständ- lichkeit wohl nur für Marinezwecke in Betracht kommon, da es verwickelte Signalapparate erfordert und namentlich ohne Zuhilfenahme des Kodex, der aber leicht dem Feinde in die Hände fallen kann, nicht verständlich ist. Aber das andere System, das Morsezeichen anwendet und nur die beiden Signale »Strich« und »Punkt« erfordert, welche entweder gleich- zeitig durch mehrere Signalisten oder nacheinander gegeben werden können, die optische Telegraphie im engeren Sinne, ist so kriegsmässig, dass es im Landkriege durchaus, im Küsten- und Seekriege neben dem Signalbuch- verfahren in Benutzung steht und in Verbindung mit dem Zweirade eine grosse Zukunft hat.

Die Zeichengebung beider Systeme erfolgt entweder durch die Strahlen einer Lichtquelle, welche unmittelbar oder nach Beugung benutzt werden (Fackeln, Laternen, Leuchtkugeln, Raketen, Ballons, Lichtblitze u. s. w., oft in Verbindung mit Unsen und Spiegeln), oder durch entsprechend weit sichtbar gemachte leuchtende Gegenstände (Fahnen, Flaggen, verschieden geformte oder gefärbte Tafeln, Zeichengeber, Semaphore, Fensterladen und Schiebertelegraphen u. s. w.). Dabei dient also die Dauer des Sichtbarmachens, die Farbe der Lichtstrahlen, die gegenseitige Stellung der Theile der Lichtquelle oder leuchtenden Gegenstände als Grundlage der Verständigung.

Die Benutzung einer Lichtquelle ist selten auffällig, sichert dadurch mehr die Geheimhaltung und ermöglicht eine mit der fortschreitenden Ver- besserung des künstlichen Lichts und der Spiegel- und Linsenapparate sich steigernde grössere Tragweite. Als solche Lichtquelle dient entweder das Sonnenlicht oder das künstliche (Petroleum-, Magnesium-, Druinmond-

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314 lieber militärische Signalgebung uml «las Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika.

sches Kalklicht und elektrisches Licht). Das weisse Sonnenlicht hat natürlich die stärkste Leuchtkraft, ist aber selbstredend nur bei Tage benutzbar und am vortheilhaftesten in möglichst wolkenlosen Gegenden wie Aegvpten, Indien, wo Tragweiten bis 160 km nicht ungewöhnlich sind. Der dazu erforderliche Apparat ist der Heliotrop, der in Deutschland bisher nur auf Vermessungszwecke und den Festungs- und Küstenkrieg bei Entfernungen bis etwa 100 km beschränkt blieb. Unter den künst- lichen Lichtquellen ist die elektrische natürlich die stärkste (800 bis 900 Kerzen üblich), die am Tage bis 45, Nachts mit Fernrohr bis 80 km beobachtungsfähig bleibt. Sie erfordert aber Motoren oder Akkumulatoren, wodurch Gewicht und Einfachheit der Bedienung eingeschränkt werden. Käme dieBO Art der Signalgebung in unseren Breiten für den Feldkrieg wohl nur auf Entfernungen von 20 bis 25 km in Betracht, die durch- schnittliche Weite der Luftdurchsichtigkeit, für welche einfache handliche Apparate ausreichen, während die Benutzung auf grössere Entfernungen sich wohl nur auf den Festungs- und Seekrieg beschränkt, der Verwen- dung grösserer Instrumente gestattet, bo ist die zweite Art der Zeichen- gebung, die durch weite Sichtbarmachung hellerleuchteter Gegenstände, so recht das Gebiet des Feld- und Kolonialkrieges. Denn hier müssen die einfachsten Mittel, die man bis in die vordersten Zonen der Vortruppen tragen kann, in Wettbewerb mit den Vorposten- und Kavallerie-Telegraphen und -Telephonen treten.

Hierher gehören zunächst die einfachen und billigen Flaggensignale, welche schon mit der Lanze gegeben werden können, oder durch zwei weiss-rothe Winkflaggen von etwa 1 qm Fläche an kurzen Stöcken, die in Verbindung mit einem guten Fernrohr ein Signalisiren von 4 bis 14 km bei Tage gestatten und von einem Mann auf die höchsten Berge geschafft werden könnon. Aehnlich brauchbar sind hölzerne roth-weisse Rahmen-, Scheiben- und Tafelsignale von dreieckiger oder viereckiger Form, wenn auch beide Arten sehr auffällige, nach allen Richtungen sichtbare Zeichen geben. Für feste Aufstellungen eignen sich Semaphore (Zeichenträger),*) die aus einem Maste mit daran beweglichen Flügeln und zwar am Topp zwei Signalarmen, in halber Höhe ein Weiser, bestehen. Während mit den Signalarmen durch Stellung eines oder beider Arme zu einander mit Hülfe eines Hebels die verabredeten Zeichen liervorgobracht werden, soll der Weiser den Einfluss der verschiedenen Stellungen zwischen Sig- nalisirendem und Ablesendem auf die Bedeutung des Signalzeichens auf- heben. Auch bei Nacht hat sieh der Gebrauch des Semaphors bewährt, selbst bei schlechtem Wetter und grosser Eile, wenn über und vor dem Apparat Lampen angebracht werden. Verschiedene Stellungskombinationen farbiger (meist rother und weisser) Laternen ersetzen überhaupt des Nachts den Gebrauch der Flaggen in einfachster Weise.

So dürft« wohl kaum zu leugnen sein, dass die optische Signalgebung, trotz mancher kleiner Mängel, besonders bei weiterer Vervollkommnung der Apparate, ein sehr gutes Aushülfsmittel für den fehlenden elektrischen Telegraphen oder das Telephon ist und daher nicht vernachlässigt werden darf. Im Ernstfall thun es aber auch hier, wie überhaupt, nicht bloss gute Instrumente, sondern vor Allem ihre sachgemässo Anwendung durch ein vorzüglich geschultes Personal, das namentlich sowohl mit

*) Diese zuerst 1033 vom Marquis Worecster konstruirten Telegraphen haben jahrelang in allen Ländern den Ell Nuehriehten verkehr besorgt, bis sie durch den elektrischen Telegraphen abgelöst wurden. Man kann bis zn 20 Worten in der Minute mit ihnen geben.

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lieber militärische Signalgebung nnd das »Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika. 315

freiem Auge wie mit dem nicht so leicht zu handhabenden Fernrohr richtig beobachten und sowohl die Güte der Gläser wie vor Allem die Tragweite der Signale atisnutzen kann.

Leider fehlt es an solchem Personal noch in den meisten Heeren; nur wenige haben ein eigenes Signalkorps. Hierzu gehören namentlich Schweden und Norwegen, England und vor Allem die Vereinigten Staaten. Wie schon erwähnt, haben die Erfahrungen des Bürgerkrieges zur stän- digen Einrichtung desselben geführt, und zwar war es Ende 1864 ein Korps von 168 Offizieren, 1350 Mann, das jedoch bald anf etwa 400 Mann unter einem obersten Signaloffizier eingeschränkt wurde. Oberst Myer, der das Korps auch während des Krieges geleitet, wurde auch der erste Chief signal officer. Der Kriegssokretär war befugt, für fernere Wahr- nehmung des Signaldionstes eine Zutheilung von 6 Offizieren, 100 Unter- offizieren und Gemeinen aus dem Etat des Ingenieur-Bataillons eintreten zu lassen, die sich zuvor einer Prüfung zu unterwerfen hatten. Das Korps war dem War Department unmittelbar wie auch heute noch unter- stellt und über das ganze Gebiet der Union vertheilt. Während es im Frieden hauptsächlich meteorologischen Zwecken diente, wurde eine Kom- pagnie in Washington besonders für den Dienst dos optischen und elektrischen Telegraphen ausgebildet. Seitdem sind jedoch mehrfach Aenderungen eingetreten, und das gegenwärtige System besteht seit dem Jahre 1885. Es hat in diesen zwölf Jahren manche Erfolge aufzuweisen und fand auch bei der Weltausstellung 1894 in Chicago die Anerkennung des Auslandes. So wirkten die Signalisten 1886 in dem Geronimo-Feld- znge, 1890 in der Wounded Knee-Kampagne, 1893 während der militärischen Operationen längs der mexikanischen Grenze und 1896 bei der Bekämpfung der L’nruhen der Indianer in Arizona mit. Ueberall liess das telegraphische System im Stich, und man musste, weil es nicht immer vorbedacht war, oft mit grossen Kosten und Zeitverlusten die Signalisten auf weite Ent- fernungen heranziehen. Alle gemachten Erfahrungen lehrten, dass Ge- schicklichkeit und Entschlusskraft nöthig sind, um ein geeignetes Signal- korps zu schaffen. Das ständige Korps ist jetzt nur 10 Offiziere und 49 Unteroffiziere stark, die auf die acht Militärdopartements der Union vertheilt sind. Ausserdem sollen nach den Army Regulations von jeder Kompagnie u. s. w. 1 Offizier und 4 enlisted men im Signaldienst aus- gebildet werden. Ferner wird jeder Militärposten auf Wunsch mit Signal- geräth ausgestattet, um das Interesse dafür zu wecken. Auch haben die Nationalmilizen von Connecticut, Newyork, Illinois und Ohio eigene Signal- korps, die Gutes leisten. So hat das von Connecticut im verflossenen Jahre eine ausgezeichnete Signalkarte des Ostausganges von Long Island Sound hergestellt, die im Kriege sehr werthvolle Dienste erweisen wird. Ferner werden die Zöglinge von 50 höheren Schulen im Signalisiren geübt, was bei einem Milizheere von grosser Bedeutung ist, denn ein Theil dieser Studenten übt nach Beendigung ihrer Studien bei den National- garden. Allerdings ist, der jetzige Chef des Signalkorps, Brigadier-General A. W. Greely, wie aus seinem letzten Jahresbericht von 1897 an den Kriegssekretär hervorgeht, mit dem bisherigen System nicht zufrieden. Nach seinen Ausführungen hat sich die Vorschrift, dass bei jeder Kom- pagnie 1 Offizier, 4 Mann ausgebildet werden, nicht bewährt. Denn einmal ist das Ergebniss nicht erreicht worden, indem z. B. bei der Infanterie, die 65 Offiziere, 338 Mann ausgebildet hatte, allein 143 Kom- pagnien ohne im Signalisiren geübte Offiziere, 115 Kompagnien ohne solche Mannschaften, in der ganzen Armee von der vorgeschriebenen Zahl

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316 Heber militärische .Signalgebung und da» Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika

nur 41 pCt. der Offiziere und 48 pCt. der Mannschaften mit der optischen Telegraphie vertraut sind. Dann aber erfordert das System zuviel Kräfte, denn es würde 360 Offiziere, 1140 enlisted men des ganzen Heere« beanspruchen, tun durchgeführt zu werden. Dagegen schlägt der chief signal officor vor, auf jeden besetzten festen Posten dauernd zwei mit dem Signalwesen vertraute Leute zu stellen, welche unter Oberaufsicht der auf die Departements vertheilten Signal- Abbild. 2.

Offiziere ihren Dienst versehen sollen. Dies würde nur 115 Mann im Ganzen erfordern, die stets in jedem Militärbezirk verfügbar, mit der Oertlichkeit genau ver- traut, einheitlich ausgebildet wären und mehr leisten würden als die vielen jetzt schlechter ausgebildeten Leute, welche die anderen Waffen schwächen und in der übrigen Ausbildung stören.

Für die kleinen Entfernungen werden Flaggen bezw. Fackeln, die in hellen Nächten vortheilhafter als elektrisches Licht sind, benutzt.

Die bisherigen Versuche mit Later- nen befriedigten nicht, doch dürften sie dieses Jahr zum Abschluss gelangen. Es sind eben nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei dem nächtlichen Signalsystem zu überwinden. Bei genügender Trag- weite und Durchdringungskraft des Lichtes sollen die Apparate doch durch Gewicht und Raum- grösse handlich und leicht tragbar sein, gegen Unfälle möglichst widerstandsfähig und sich leicht ausbessern lassen.*) Für grössere Entfernungen dient der Helio- graph, für dessen Verwendung eben eine neue Vorschrift erlassen worden ist. Das Instrument hat sich ausserordentlich bewährt und ge- langt auch bei den anderen Waffen zur Verwendung. Die wichtigsten Vortheile desselben sind sein festes Licht, die Einfachheit der Form, die starke Konstruktion, das zweckmässige Gewicht, die Aus- wechselbarkeit der Theile, vorzüg- liche kleine viereckige Spiegel, Genanigkeit der Visur und Jnstining, Stand- fähigkeit im Gebrauch und vollständige Trennung des Lichtspiegels vom Schirm. Der sehr bewährte englische Heliograph hat bekanntlich beweg- liche Spiegel, während der amerikanische nur einen beweglichen Schirm.

Abbild. 1.

I>cr Fcld-Ilcl losni|»li.

Die K«‘ld-lle)iitgr&i»h«'n-Ausrtl$tang umfasst:

1. eine Tasche X aus Sohlenleder, enthaltend:

ei"«" sK!LPp*^il] m 'i"6"1 HoUku»«; einen Schirm; eine Yisirstange; einen SchranU't- zieher;

2. eine kleinere Tasche K, welche mittelst zweier Schl »aff» am Kieui-n der grü-weren entlang ge»ohohen w«*rde> kann und emo Spiegelstange aufnimint;

3. ein Skolettfutteral mit zwei Stativen.

I

*) Kürzlich haben zwei amerikanische Offiziere Drachen, welche verschieden farbige Lichter trugen und bis 160 m hoch stiegen, zur Signalgebung hei Nacht hin 13 km erfolgreich verwendet. An ziemlich windstillen Tagen, die allerdings nickt häutig sind, dürfte dieses einfache und billige, ans der Kindheit vertraute Mittel wohl beachtenswert!! sein.

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lieber militärische Signalgebung mul (las Signalkorps der Ver. Staaten von Amerika. 317

aber eilten festen Spiegel hat, was vortheilhafter ist. Der Apparat wird in zwei Grössen geliefert. Der feste Feld-Heliograph hat Spiegel von 4 1/'_> Zoll Quadratsoite und gestattet unter günstigen Bedingungen mit blossem Auge bi9 auf 30 miles,*) mit dem Fernrohr bis auf 00 miles Entfomung Nachrichten zu schicken, während unter ganz besonders vor- theilhaften Verhältnissen sogar bis auf 90 miles Mittheilungen gesandt sind und das Licht auf 125 miles erkannt worden ist. Für sehr grosse Entfernungen, bis zu 183 miles, ist nach demselben System ein Stations- Heliograph mit Spiegeln von 8 Zoll Quadratseite vorhanden.

IW Fcld-Hcl iotruph.

A Stativ; i. SUtivkopf ; <’ Sonnen- Spiegel ; D ätation*»pieg«1 ; E Spivgd- trftgür; F Tun gon teu *clirial>e zur Drt-huog des um wine hori- zontale Achse: O Spiegel*tatige ;

II Tungeuternchrauhe zur )>rchung des Spiegel« um seine vertikale Achse ; / Sehr au b<>n k lampe zur Verbindung der Spiegel staune mit dem Stativ; K Feder zur Fcsthaltuug der Spiegel- und der Visirstange; /, Vici ctange mit Wweglirbor Scheibe; M Schirm; .V Schlüssel für den Schirm; 0 Schiria- feder.

0

Abbild. 4. Abbild. 6.

Da die amerikanische Armee im Kriegsfall in engster Verbindung mit der Flotte zu operiren hat, ist hier die Einführung gleicher Signale berechtigt, und zwar ist es der heliographe Code nach Mycrs System, der die Buchstaben, Zahlen und Abkürzungen durch bestimmte Kombinationen deT Ziffern 1 und 2 zu ein- bis vierstelligen Zahlen giebt, z. B. J = 1, T = 2, E=12, H=122, Z = 2222, 1 = 1111 u. s. f. Für gewisse kon- ventionelle Zeichen wie »Wortende«, »Irrthum« n. s. w. wird noch die 3 zu Hülfe genommen.

Auch die sonstige Thätigkeit deB Signalkorps ist interessant. Es stellt allerlei technische und wissenschaftliche Versuche und meteorologische Beobachtungen an. Es baut ständige Telegraphenlinien (bisher 802 miles), die anch dem allgemeinen Handel und Wandel zu Gute kommen, bedient den Küstentelegraphen, baut fliegende Linien und ist endlich auch Luft- schiffer-Abtheilung. So hat es bisher eine Fesselballon-Sektion oingerichtet

*) 1 mile = 1,61 km.

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Feldkoclianstaltcn.

und zwar zu Fort Logan in Kolorado, unter Aufsicht des Captain W. A. Glassford, welche einen Ballon von 14 000 Kubikfuss Fassungv. vermögen, einen Ballonwagen mit Kabeltrommel, Fesselkabel und Zubehör, einen Wagen für die Bedienungsmannschaft, einen Gaserzeuger, einen Gaskompressor, 180 Stahlbehälter für auf ',ioo bis Vuo seines Volumen» zusammengedrücktes Gas besitzt. Auch ein Ballonhaus ist errichtet, in welchem bei ungünstigem Wetter Auffahrten stattfinden können. Für weitere Versuche sind 42 000 Mark beantragt, und dieselben sollen vor- zugsweise mit einem lenkbaren Ballon stattfinden, dem Aeroplan des Professors Langley. Interessant sind ferner die Anforderungen an einen solchen. Nach amerikanischen Ansichten muss er 5500 Pfund Auftrieb haben, von denen 1700 Pfund für Passagiere, Instrumente, Explosivstoff und Ballast zu rechnen sind. Es sollen nämlich ausser den 3 bis 4 Mann der Besatzung auch Sprengbomben und ein Maschinengeschütz mitgenommen werden. Auch hier hängt die Lösung des Problems hauptsächlich von der Konstruktion eines leistungsfähigen Motors von nicht zu grossem Gewichte ab. Schliesslich liegt dem Chef des Korps noch die Verwaltung der aus- gezeichneten Bibliothek des Kriegsministeriums und die Drucklegung der Heeresvorschriften ob in der That eine recht vielseitige Thätigkeit Dennoch eine beachtenswerthe und zum Theil, was den eigentlichen Signaldienst anbelangt, nachahmungswürdige. W. Stavenhagen.

Feldkochanstalten.

Mit «ittundzwanzig Abbildungen.

Die Verpflegung des Heeres im Kriege ist von der grössten Wichtig- keit, und mit der Zunahme der HeeresBtärken wachsen auch die Schwierig- keiten zur regelrechten Durchführung derselben. Die Intendantur hat mit ihrem gewaltigen Apparat dafür Sorge zu tragen, dass die Truppen im Felde wie auch bei grossen üebungen im Frieden rechtzeitig in den Besitz der Verpflegung für Mann und Pferd gelangen, wenn diese unter beson- deren Umständen, wie etwa in der Nähe des Feindes u. s. w., nicht durch Beitreibung oder durch den Quartiergeber dies namentlich im Frieden erfolgt. Dagegen wird die Zubereitung der gelieferten oder beigetriebenen Verpflegsartikel zur nahrhaften Speise in der Regel dem Truppentheil überlassen bleiben, und da in Zukunft die Heeresmassen bei verhältniss- mässig schmaler Gefechts- oder Aufmarschfront auch selbst bei Orts- unterkunft so eng zusammenliegen werden, dass sich Kochgelegenheiten in genügender Zahl für die Truppen überhaupt nicht auftreiben lassen, so wird die Zubereitung der Speisen durch die Mannschaften selbst die Regel bilden, wie dies im Biwak und im Lager fast ausnahmslos der Fall ist. Welche Wichtigkeit diesen Verhältnissen innewohnt, beweist die Auf- nahme besonderer »Rathschläge für das Abkochen am Lagerfeuer« in dem Entwurf zu einer neuen Friedens-Verpflegungsvorschrift, welche in diesem Jahre in der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler & Sohn er- schienen ist.

Die einfachste Art von Kocheinrichtungen für die Verhältnisse des Biwaks, wie sie bei uns üblich ist, sind die Kochlöcher (Abbild. 1), welche die Hitze gut Zusammenhalten und weuigBrennholz sowie kurze Znbereitungs- zeit gebrauchen, auch für den kochenden Mann ein bequemes Sitzen gestatten.

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Feldkochanstnlteu.

319

Bei schlechtem Boden oder starkem Regen lassen sich diese Koch- löcher oft nicht recht standfest hersteilen, und man behilft sich dann mit flachen Kochgräben (Abbild. 2).

Abbild. 1.

In beiden Arten hat das Einzelkochgeschirr des Mannes die Ober- hand, und wenn auch mehrere Leute eine gemeinschaftliche Kochkamerad- schaft bilden, so gelangt doch stets bei den Fusstruppen das Kochgeschirr

Abbild. 2.

zur Anwendung. Bei länger dauernder Lagerung, wie im Festungs- und Stellungskriege, wird dagegen die Bereitung des Essens gemeinschaftlich für die Kompagnien die Regel bilden, wozu man die erforderlichen Kessel

in Kochherden vereinigt ( Ab- bild. 3). Als Baumaterial für solche Herde wird man am besten Ziegel- oder Lehm- steine mit Lehmmörtel, im Xothfall auch Rasenstücke verwenden; auch kann man in einfacher Weise den Herd

mit einem Schutzdache ver-

sehen (Abbild. 4). Bei allen diesen Anlagen, bei denen Ausschachtungen für Sitz- gräben oder Heizgruben er-

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Feldkochnnstalten.

1.90

forderlich werden, ist auf eino gute Abwässerung der Sohlen die»-- Gräben von vornherein Bedacht zu nehmen.

Da die aufgeführten Formen bei uns nur als Anhalt dienen und kei» Vorschrift sein sollen, so erscheint es angezeigt, auch die im österreichisch

ungarischen Heere gebräuchlich« ■n Kochanstalten kurz zu betrachten.

In der Regel werden Kochgrüb*» oder Kochlöcher ausgeführt. Bei den Kochgräben (Abbild. 5) werden dk Seitenwände des Grabens a b mög- lichst steil gehalten. Der Gräber-

Abbild

Abbild. 5.

theil b zur Erleichterung des Luftzutritts erweitert sich nach vorwärts bis auf 36 cm und wird mit Rasenstücken oder dergleichen überdeckt. Die Heizgrube c ist mit Stufen versehen; zur Ableitung des Regen wassers

dient ein Sarnmei- graben f, ein Schorn- stein d wird aus Rasen. Lehm oder Erde (am besten ein Stück^Ofen-

Abbüd. 7.

* d

1

rohr) hergestellt und unter demselben für Aufnahme von Asche und Russ eine Vertiefung e angebracht.

Die Kochlöcher worden normal für je acht Kochgeschirre ausgehoben, welche paarweise mittelst Holzstangen bezw. Holzkreuzen, Steinen, Rasen- stücken u. 8. w. aufgehängt werden (Abbild. 6). Bei b wird ein Raucb- abzugskanal angelegt, c ist das Heizloch, d die Heizgrube, e der stehen- bleibende (natürlich gewachsene) Erdkörper.

Nur ausnahmsweise werden Kochrinnen (Abbild. 7) angelegt; es sind dies in der Richtung des Windes und in entsprechender Länge ausgehobene

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Feldkochanstalten.

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Gräben a, zu deren beiden Seiten die Kochgeschirre aufgestellt werden. Sie entsprechen den bei uns gebräuchlichen Kochgräben.

Für den beständigen Ortswechsel, welchen der Feldkrieg mit sich bringt, können diese einfachen Kochanstalten wohl genügen und werden

namentlich für Vorpostentrnppen nicht zu entbehren sein. Anders dagegen gestaltet sich die Sache für das Gros der Heeresabtheilungen, welche bei den Massenaufgeboten zukünftiger Kriege das Biwak als die regelmässige Lagerung anzusehen haben werden, sowie für den Positions- und Festungs- krieg, wodieTruppen längere Zeit an bestimmte Stellen gebunden sind. Für diese Zwecke wird die mit den Hülfsmitteln der Technik vorbereitete Feldkochanstalt einen grösseren Erfolg in der raschen, zuverlässigen und guten Verpflegung der Truppen erzielen, als dies Kochlöcher, Kochgräben u. s. w. vermögen.

Die bedeutendste Kon- struktion auf diesem Gebieto ist die bereits im Heft 5 der * Kriegstechnischen Zeit- schrift« erwähnte zusam- menlegbare Feldkoch- maschine des Majors a. D. Kurd Hahn, Berlin 8., Urban-Strasse 27, welche als eine sehr eigenartige und bemerkenswerthe Erfindung zu bezeichnen ist. In erster Linie für die Bedürfnisse der Feld- bezw. Manövertruppen erdacht und zur bequemen Mit- führung bei häufig wechselndem Aufenthalt sowie

Abbild. 12.

Abbild. 14.

KrirgstecUnUche Zeitschrift. 1898. 7. lieft.

21

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Feldkocbanstalten.

zum schnellen Auf- und Abbau im Feldlager eingerichtet, erlangt sie gerade durch ihre hierauf gerichteten Eigenschaften und die auf den denkbar kleinsten Raumbedarf zurückgeführte Verpackung eine besondere Bedeutung für längere Lagerungen von Truppen und namentlich auch für die Zwecke des transportablen Lazareths, Nach der oben angezogenen Friedens- Verpflegungsvorschrift (Seite 14, Zeile 1 und 2 von unten) können den Truppen zur Herstellung der Speisen transportable Kochküchen über- wiesen werden. In versendnngsfähigem Zustande hat die Hahnsche Feld- kochmaschine mit allem Zubehör die in Abbild. '8 dargestellte Form eine- Kastens.

Die einzelnen Theile der Maschine sind:

1. zwei Kochplatten, zusammenschliessbar durch sechs Verbindungs- klammern, die Kochplatten mit sechs Kochlöchern (Abbild. 9);

2. eine Feuerthür nebst zwei Thürstützen, zum Abschluss des Fetter- kanals (Kochgrabens) ; A Thür, B Thürstütze rechts, C Thürstütz** links (Abbild. 10);

3. ein Fuchsgestell als Zwischenglied zwischen Herdplatte und Schorn- stein (Abbild. 11);

4. ein Schornstein, welcher zur Abführung der Feuergase und des Rauches dient, aus drei Stücken bestehend; im mittleren Stück wird die Zugklappe, im unteren eine Kaffeetrommel zum Kaffee- braunen eingesetzt (Abbild. 12);

5. eine Windhaube, bestehend aus dem auf die Ausschnitte des oberen Schornsteinstückes aufzulegenden Windhaubenkreuz, der Kappe mit Dille und der Windfahne (Abbild. 13).

Die Zusammen- setzung dieser einzel nen Theile ist in Ab- bild. 14 dargestellt.

Zu den Zubehör- stücken gehört ein Rost, eine Zugklappe, sieben Deckplatten, vier Schneidebretter, Koch- gefösse und sonstige Küchen- uridEssgeräth- schäften.

Der Apparat be- darf zur Inbetrieb- setzung eines Unter- baues. Die Art des- selben ist abhängig vomBoden und Wetter, von der verfügbaren Zeit und der Kriegs- lage. Er kann ge- wonnen werden : *)

1. (Abbild. 15 und 16) durch Ausschachten eines Feuerkanals FC (Kochgrabens) aus dem gewachsenen Boden B nebst quer vor dem Feuerkanal F C (Kochgraben) befindlichen Graben G, von welchem

■W. f ■' i if fMlr

Abbild, lö.

*) In den nachstehenden ad 1 bis 5 angegebenen Fällen ist angenommen, dass zur Aufstellung des Herdes eine halbe Stunde Zeit verfügbar ist.

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Feldkochanstalten.

323

aus man zur Feuerung gelangt. Die Sohle des Feuerkanals F C (Koch- Grabens) liegt bei dieser Art des Herdbaues unter dem Bauhorizonte (siehe Profil m n der Abbild. 15). Das Herdgerüst schliesst den Feuerkanal F C (Kochgraben) vollständig ab. Die ausgeschachtete Erde kann zu einer

Erdbank für die vier Schneidebretter verwendet werden. Seitlich dieser Anlage können die beiden vierkantigen Gefässe des Zubehörs über beson- derem Kochgraben und kann der Rost Uber Holzkohlenfeuer aufgestellt werden. Diese Art des Herdbaues beansprucht einen Arbeiter; man wendet sie an, wenn es an Zeit und Arbeitskräften mangelt;

2. (Abbild. 17 und 18) durch Ausschachten eines Feuer- kanals FC (Kochgrabens) aus dem gewachsenen Boden Bl, B2, B3 und von Gräben Gl, G2, G3 für das Küchenpersonal. Die

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Feldkoohanstalten.

Sohle des Feuerkanals F C (Kochgrabens), in welchem das Herdgerüst ein- gebaut wird, liegt hierbei gleichfalls unter dem Bauhorizonte (siehe Profil m n der Abbild. 17). Die ausgeschachtete Erde kann zur Um-

Abbild. 18.

wallung der ganzen Anlage verwendet werden. Der Herdbau nach dieser Art beansprucht vier Arbeiter, wenn die Höhe des Herdes 75 cm (75 cm ist gewöhnliche Herdhöhe) betragen soll. Der erste Arbeiter hebt G 1 und vorderen Theil von F C aus, der zweite und dritte Arbeiter G2, der vierte Arbeiter G3 und hinteren Theil von F C. Kr ist zu empfehlen im Lehmboden, im lehmigen Sandboden, auf der Wiese bei trockenem Wetter, sowie unter niedrigen, satteldachförmigen Zelten bezw. Zeltdächern;

Abbild

3. (Abbild. 19) durch Aufschütten von Dämmen aus loser, festzustampfender Erde bezw. aus Rasen, Steinen u. s. w. behufs

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Feldkochnustalten.

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Bildung eines Feuerkanals (Kochgrabens). Die Sohle des Feuerkanals (Kochgrabens), in welche das Herdgerüst eingebaut wird, liegt je nach der Höhe, welche dem Herdunterbau gegeben wird, entweder auf oder über dem Bauhorizonte. Dieser Herdbau beansprucht zwei Arbeiter, wenn die Höhe des Herdes 75 cm betragen soll. Er empfiehlt sich bei nassem "Wetter und wenn Baumaterial (Erde, Rasen, Steine) zur Stelle ist bezw. bequem gewonnen oder herangeschafft werden kann, sowie beim Einbau in höhere Zelte, z. B. Küchenzelte;

4. (Abbild. 20) durch eine Vereinigung des Herdbaues nach 2 (Abbild. 17 und 18) und 3 (Abbild. 19). In diesem Falle liegt die Sohle des Feuerkanals (Kochgrabens) i n der Ebene des Bauhorizontes. Die

Abbild. 20.

Arbeit erfolgt sinngemäss, wie ad 2 angegeben, und beansprucht zwei Arbeiter, wenn die Herdhöhe 75 cm betragen soll. Die ausgeschachtete Erde findet unmittelbar Verwendung zur Errichtung des Hordunterbaues. Diese Art des Herdbaues ist sehr einfach und überall anwendbar.

Sind Steine zur Stelle, so können Sohle und Wände des Feuerkanals (Kochgrabens) in den Fällen ad 1 bis 4 mit solchen bekleidet werden;

5. (Abbild. 21) durch Aufmauern des ganzen Herdunterbaues. Die Anlage erfolgt, wie auB Abbild. 21 ersichtlich. Die Arbeit beansprucht sechs geübte Arbeiter (drei Maurer und drei Handlangerl, wenn sie in einer halben Stunde geleistet werden und wenn der Herd 75 cm hoch gebaut werden soll. Der Bedarf an Ziegelsteinen ist 500 bis 600 Stück.

Diese Art des Herdbaues wird vornehmlich beim Einbau des Herdes in Baracken angewendet.

Es ist durch nmfangreiche und einwandfreie Versuche unter Aufsicht eines Sanitätsoffiziers dargethan worden, dass die Feldkochmaschine selbst bei feldmässiger Verwendung unter freiem Himmel die Bereitung aller in

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Feldkoehanstalten.

Betracht kommenden Speisen binnen kürzester Frist gestattet. Mit Ein- schluss der Erdarbeiten ist in 3 bis 3‘/j, ohne dieselben in 2 bis 2'/j Stunden jede der üblichen Mahlzeiten für 100 bis 125 Mann her- zustellen. Im geordneten Küchenbetriebe, unter Dach und Fach, sowie im festen Herdeinbau werden sich diese Ergebnisse eher noch günstiger ge- stalten. Es ist deshalb kein Zweifel, dass die sehr sinnreiche Vorrichtung, die durch ihre ungemein günstige Verpackungsart und Versendbarkeit

eigens für transportable Lazarethe erdacht und hergestellt erscheinen könnte, auch in ihren Leistungen den Anforderungen einer Lazarethküche, besonders im Felde, vollauf zu genügen vermag, denn die verhältniss- mässig grosse Zahl von acht Kochlöchem auf der Herdplatte (siehe Abbild. 21) macht sie auch für die gleichzeitige Zubereitung verschieden- artiger Speisen, der Sonderkost für einzelne Kranke neben den verschiedenen Formen der allgemeinen Mittagsmahlzeit geeignet. Ein Hauptvorzug der Hahnschen Kochmaschino ist aber die völlige CnabhSngigkeit von dem Quartierwirth, was auch der verstorbene Kriegsminister General v. Kalten- born-Stachau anerkannt hat und was besonders bei engen und Noth- quartieren hervortritt.

Ueber die Verwendung dieser Feldkochmaschine im Kriege spricht sich der Bericht des Centralkomitees der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz über seine internationale Hülfsthätigkeit- wäh- rend des türkisch-griechischen Krieges 1897 auf Seite 31, Nr. 7, wie folgt, aus:

»Der Hahnsehe Feldkochherd war in der bei Menger, S. 62, angegebenen Weise*) eingegraben worden. Wegen der grossen Aufsaugungsfähigkeit des Bodens kam es auch nach starken Regengüssen nur zu geringer vorübergehender Wasseransamm- lung in dem Graben, welche keine Störung mehr machte, nach-

*) Wie in Abbild. 18 auf Seite 324 dargestellt.

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Kleine Mittheilnngen.

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dem der Graben eine Einlage mit grobem Kies erhalten hatte. Die Feuerungsstelle hatte man mit Dachziegeln ummauert. Der Herd war in 20tägiger starker Benutzung; er hat während dieser ganzen Zeit tadellos funktionirt und ist für das Lazareth geradezu unersetzlich gewesen. An einem Tage wurden die Speisen für etwa 200 Personen auf dem Herde zubereitet u. s. w.«

Kleine Mittheilungen.

Schnellfeuerk&nonen in 8panien. Die spanische Gebirgsartillerie führt seit einigen Jahren 7,6 cm Schnellfcnerkanonen, System Krapp, über welche folgende Zahlenangaben zn machen sind. Das Kohr mit Verschluss wiegt nur 106 kg; die

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Kleine Mittheilungen.

Länge des Rohres betrügt 825 mm oder 11 L, der Seele 655 mm oder 8,75/L, des« ge- zogenen Theilea 457 mm, der Kammerraum 550 ccm, die Zahl der Züge 28, deren Tiefe 0,76 mm, deren Breite 5,92 mm, die Breite der Balken 2,5 mm, die Lange der Ziellinie 525 mm. Die aus Stahl konstruirte Laffete lässt sich für die Transporte in vier Theile zerlegen; zur Herstellung der Kanone als Fahrzeug dient eine Protze tun (Jabeldeichsel. Wie die einzelnen Theile der Laffete, so kann auch das Rohr auf dem Tragsattel eines Tnigthieres befördert werden; die Art der Befestigung ergiebt die Abbildung 1. Wie bei den meisten Schnellfeuerkanonen werden auch bei diesem Geschütz nur Einheitspatronen verwendet, bei denen das Geschoss in einer Metall hülse steckt (Abbild. 2). Es gelangen drei verschiedene Arten von (Jeschossen zur Verwendung und zwar zunächst eine Segmentgranate (Abbild. 3) von 6 kg Gewicht mit 155 g Sprengladung. Das Schrapnel (Abbild. 4) ist ein Bodenkammerschrapne! und wiegt geladen ebenfalls 6 kg, die Sprengladung betrügt indessen nur 90 g. die Zahl der Füllkugeln 225, das Gewicht einer solchen Kngel 11 g. Die Kartätsche wiegt dagegen 6,6 kg und enthält 310 Füllkugeln zu 16 g Gewicht (Abbild. 5). Die Ladung der Metallhülse mit Centralbodenzündung besteht aus 166 g rauchscbwachem Pulver, welche dem Geschoss eine Anfangsgeschwindigkeit von 275 m verleiht. Die lebendige Kraft des Geschützes beträgt pro Kilogramm desselben 218,3 kgm.

Ueber die wasserdichte Bekleidung des Soldaten. Auf Veranlassung des Generalmajors Skugarewskij, Kommandeurs der russischen 58. Reserve-Brigade, stellte der Oberarzt des Irkutskiscben Reserve-Bataillons, Dr. Pawlowskoi, Versuche an. die Bekleidung wasserdicht zu machen. Ueber die im Sommer 1897 angestellten Ver- suche berichtet der Dr. Pawlowskoi, wie folgt: Ein Pfund (409,5g) Bleizuckcr und ein Pfund (409,5 g) gewöhnlicher Kwnss*) werden in je einem Wedro (12,29 Liter Wasser aufgelöst; man nimmt dazu besser ein hölzernes als metallenes Gefäss. Die aufgelösten Substanzen werden zusammen in einen kleinen Kübel gegossen und in voller Ruhe gelassen, bis sieh die so erhaltene sehr trübe Flüssigkeit vollständig niedergeschlagen bat, was höchstens in einer halben Stunde erfolgt. Die helle Flüssigkeit, die essigsaures Salz der Tbouerde enthält, schöpft man vorsichtig ab oder giesst sie von dem Niederschlag des Schwefelsäuren Bleis in einen grösseren Kübel ab, in welchen man auch das Tuch oder das, fertige Kleidungsstück hineinlegt, das dort so lange bleibt, bis es ganz durchnässt und von der Flüssigkeit dnrehtränkt ist. Das Tuch muss jedenfalls mindestens 24 Stunden ganz von der Flüssigkeit bedeckt sein, wozu rein gewaschene Steine daraufgelegt werden. Das ganz durch tränkte Gewebe oder Kleidungsstück nimmt man aus der Flüssigkeit und, ohne es irgendwie auszuwinden, bängt man es auf reine dünne Stangen zum Trocknen auf, um zu vermeiden, dass das Tack sich zieht und unregelmässig dicht wird. Das so behandelte Tuch verändert die Farbe nicht, wird nur etwas härter und riecht etwas nach Essig, aber nicht lange. Die Kosten, um die Bekleidung auf diese Weise wasserdicht zu machen, sind sehr gering. Der Dr. Pawlowskoi sagt zum Schluss: Die wasserdichte Bekleidung ersetzt im Wasser zum Theil die Rettnngsgürtel und -ringe und trägt dazu hei, dass die Leute sich länger dort halten können; sie erleichtert es den Truppen, grosse Märsche hei den Herbst regengüssen zn machen, denn sie behält ihr ursprüngliches Gewicht, und der Mann kommt trocken und ohne vor Frost zu zittern in das Quartier oder Biwak; sie verhindert viele verschieden artige Erkältungskrankheiten und erhält der Truppe viele Leute, die ohne sie in den Lnzarethen liegen würden und so für die Armee vielleicht zur nöthigsten Zeit ver- loren wären. Der General Skugarewskij sendet diese Beschreibung, die Kleidung wasserdicht zu machen, mit folgenden Bemerkungen dem * Russischen Invaliden; ein: »Der Dr. Pawlowskoi berührt eine Frage von hervorragender Wichtigkeit, und

*) Säuerliches Getränk aus Roggenmehl und Malz.

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Kleine Mittheilungen.

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wenn sein Vorschlag glückt, wird er unserer Armee einen unschätzbaren Dienst erweisen. Für Alle, die im Felde arbeiten, wird es ausserordentlich wichtig sein, «ine Bekleidung zu haben, die die Luft, aber kein Wasser durchlässt. Das Gummi, das eine solche ausserordentliche Verbreitung erhalten hat, hat den grossen Mangel, dass es keine Luft durchlässt. Es ist aber auch für die Truppen theuer. Die Kigenthümlichkeiten der essigsauren Thonerde sind längst bekannt; in der Medizin findet sie bei der Verbindung von Wunden Anwendung.... Unsere Intendantur wendet sie bei der Bearbeitung der Wagenlaken an. . . . Das Verdienst des Dr. Pawlowskoi besteht darin, dass er eine Reihe von Versuchen angestellt und erfolgvolle Resultate erreicht hat, ohne sie für seinen persönlichen Nutzen zu verwerthen. . . . Jetzt können in jedem Regiment solche Versuche mit der Bekleidung der Posten, der Radfahrer, der Ochotniks- (Jagd-) Kommandos, mit den Mänteln, ßaschliks, Feldzelten u. s. w. angestellt werden. Und wenn die Versuche günstig ausfallen, kann die ganze Armee mit wasserdichter Bekleidung versehen werden. Dabei ist hervorzuheben, dass das Oe webe nicht nur seine Festigkeit nicht verliert., sondern auch gegen die Motten schützt, was eine grosse Bedeutung für uns bei den Reservetruppen und den mächtigen Depots hat.«

Die Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken begingen am 8. Februar d. Js. in Köln, ihrem Geschäftssitz, die Feier des 25jährigen Bestehens. Eine von dem jetzigen Direktionsmitgliede der Pulverfabriken, Herrn F. A. Spiecker, aus dieser Ver- anlassung verfasste Festschrift giebt interessante Aufschlüsse über die äussere Ent- wickelung der Gesellschaft. Sind die Mittheilungen auch zum grossen Theil wirth- schaftlicher Natur, so enthalten sie doch auch solche kriegstechnischer Art und geben eine Vorstellung von dem in diesem Vierteljahrhundert eingetretenen ungeahnten Aufschwung der Pulver-Privatindustrie als eines wichtigen Zweiges der Kriegstechnik. Die einzelnen Fabriken, die zu einem gemeinsamen kraftvollen Unternehmen vereinigt wurden, sahen grüsstentheils auf eine Jahrzehnte lange, vereinzelt sogar auf eine Jahrhunderte lange Vergangenheit zurück. Für die Geschützpulversorten war es namentlich die Rittersclie Pulverfabrik in Hamm a. d. Sieg, die mit ihrem prisma- tischen Pulver C/68 schon grosse Erfolge zu verzeichnen hatte. Die neueren schwarzen und braunen prismatischen Pulver fallen schon alle in die Zeit der ersten Ver- schmelzung der verschiedenen Werke zu den »Vereinigten Rheinisch- Westfälischen Pulverfabriken «, die Hand in Hand mit der Kruppschen Gussstahl fabrik in hohem Maasse bahnbrechend für die Entwickelung der - Pulverfrage e und damit eines Theil es der inneren Ballistik geworden sind. Eine neue Bahn wurde der Pulve'rtechnik in den 80er Jahren gewiesen: die Herstellung von Pulver auf dem Wege chemischer Verbindung statt auf dem bisherigen Wege rein mecha- nischer Misch nng. Besonders war es die Kottweiler Fabrik, die die ersten Erfolge auf diesem Gebiete, zunächst für Gewehrpulver, aufzuweisen hatte. In dem der Gesellschaft gehörenden englischen Patent 6022 vom 25. IV. 87 ist das ganze Ver- fahren in die kurzen Worte gekleidet: »A nitrate«! woody matter or fibre is dissolved in a solvent such as ether and then dried and reduced to powder.« Diese einfache Vorschrift ist nachweislich die erste öffentliche Beschreibung des Verfahrens, das heute allgemein die Grundlage bildet zur Herstellung von Pulver zu militärischen Zwecken aus reiner Nitrocellulose. Schon im zweiten Betriebsjahre betrug die Pro duktion der Rottweiler Fabrik, als der ersten Privatfabrik für rauchlose Militär- pulver, über 600 000 kg. Das Ende der 80 er Jahre brachte die Verbindung mit der Deutschen Metallpatronenfabrik in Karlsruhe und der Firma Ludw. Loewe & Comp, in Berlin, die beide seit Kurzem in die »Deutschen Waffen- und Munitions- fabriken« aufgegangen sind. Ausserdem fällt aber in diese Zeit die Erfindung, Herstellung und Einführung des nitroglycerinhaltigen rauchlosen Pulvers, nach seinem Erfinder zunächst Nobel-Pulver, dann nach seiner ersten Form und Entstehung Würfel*

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Kleine Mittheilnngen.

pulver C/89 genannt. Die Anfnabme dieser Fabrikation brachte anch in wirth.vrh*'- licher Beziehung neue und grossartige Grnppirungen, auf die indessen hier nicx eingegangen werden soll. Mit Recht können die Vereinigten Köln-Kottweiler Pulver fabriken in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit in Militärpulver, sowohl hinsichtl.'-i der Menge wie der Beschaffenheit, von sich sagen, dass sie nicht nur an der Spitzr inarschiren, sondern einzig dastehen. Bezeichnend für die Bedeutung der Gesellschah ist die steigende Höhe der Betheiligung des Auslandes an dem GesamiutumschUc Sie stellt sich für die Jahre 1890 bis 1896 auf 18,5 pCt., 12,8 pCt., 14 pCt.. 22 pO_ 21,6 pCt., 42 pCt., 36 pCt., wobei der grösste Antheil an dieser Ausfuhr auf Militär pulver entfällt. Zum Schluss sei noch bemerkt, dass auch auf dem Gebiete der Jagdpulver und der für die Bergwerksindustrie bestimmten Sprengpulver dir Gesellschaft in wirthschaftlicher und technischer Beziehung ausserordentliche Erfolcr anfzuweisen hat. Nach einem wehmüthigen kurzen Rückblick auf das Entstehe« und rasche Vergehen der letzten Schwarz- und Braunpulversorten sagt der Referent dann weiter: »Wer weiss, ob nach einem weiteren Vierteljahrhundert nicht auch in ähnlicher Weise auf die heutigen, uns mit gerechtem Stolze erfüllenden I^eistungr« auf dem Gebiete des rauchlosen Militärpulvers zurückgeblickt werden wird.* i dem, wie ihm sei, die V. K-R. P. F. haben keine Ursache, vor der kommenden Ent Wickelung sich zu bangen, denn ihre Vergangenheit ist die beste Gewähr für ihre Zukunft.

Neue Entgleisung* •Vorrichtungen zur Unterbrechung des Bab nverkehr* . im Kriege. In der »Rivista di artiglicria e geniot beschreibt Herr Genielientenant Pietro Pascoli verschiedene Vorrichtungen, welche an die Bahnschienen befestigt werden, um Züge zur Entgleisung zu bringen. Derselbe Techniker hat schon früher eine Art von selbBtthötigen Minen angegeben, um Bahnlinien durch Sprengung zu unterbrechen. Er geht aber von dem gewiss richtigen Gedanken aus, dass im Kriege

Abbild. 1. (Muster I.)

Abbild. 2. (Muster II.)

Schiene ron oben gesehen.

cSWwvtU A fl

sehr häutig Fälle eintreten, in welchen es weniger auf eine völlige Zerstörung von Bahnlinien ankommt, die man unter Umständen in kurzer Zeit selbst wieder mit Vortheil benutzen könnte, als vielmehr darauf, durch die Entgleisung feindlicher Züge nur Zeit zu gewinnen, ohne dass die Schienen selbst zerstört werden und die Bahn zu ihrer Wiederbenutzung einer zeitraubenden Herstellung bedarf. Die von Pascoli erdachten und in zwei Mustern hergestellten Vorrichtungen haben sich voll ständig bewährt. Abbild. 1 stellt das Muster I von der äusseren Seite des Gleises gesehen und im Querschnitt, Abbild. 2 das Muster II von oben und im Querschnitt

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Beide Muster sind fast gleich. Das erstere besteht aus einem Stuhlblock in der Gestalt und den Abmessungen, wie solche die Figur zeigt, sowie aus zwei Keilen von starkem Holz und einem Kiemen, um das Ganze für den Transport zusammen- zuhalten. Abbild. 3 zeigt die für den Transport hergerichtete Vorrichtung. Es ergiebt sich daraus, dass eine solche Vorrichtung sowohl von Infanterie als auch von Kavallerie mit Leichtigkeit mitgeführt werden kann. Die Vorrichtung nach Muster II unter- scheidet sich von derjenigen nach Muster I im Wesentlichen nur dadurch, dass sie zu ihrer Befestigung der Holzkeile nicht bedarf. Das Gewicht einer jeden der Vorrichtungen übersteigt nicht 12 kg, die Vorrichtung kann also von einem Mann gehandhabt werden. Die Anbringung geschieht, wie sich leicht aus den Abbildungen ergiebt, dadurch, dass man den Stahlblock A mittelst der Bügel B über die Schiene setzt, fest aufdrückt und nöthigenfalls mit den Holzkeilen C festklemmt. Das betreffende Eisenbahnwagenrad oder Lokomotivenrad gelangt dann auf die nach aussen ablenkende Bahn D der aufgesetzten Vorrichtung, und der ganze Zug wird abgelenkt, wenigstens aber Lokomotive und einige Wagen aus den Schienen ge- worfen, so dass ein längerer Aufenthalt entsteht, während das Bahngleise an sich unverletzt bleibt. Selbstverständlich müssen solche Vorrichtungen der Schienenstärke der betreffenden Eisenbahnnetze entsprechend angefertigt sein, damit ihre Anbringung und Befestigung auch ohne Keile leicht vor sich geht. Die zweckmässigsten Stellen zur Anbringung von Entgleisungsvorrichtungen sind: Mündungen von Tunnels, Weg- überführungen, Brücken, Abhänge, starke Böschungen. Da die Laternen der Loko- motive zwar ziemlich weithin leuchten, ein Unterscheiden von Gegenständen von der

Abbild. 4.

Abbild. 3.

Vorrichtung tum Tragen znsaminengesctanallt.

Grösse einer Entgleisungsvorrichtung auf eine Entfernung von 40 m aber kaum möglich ist, so kann ein mit der Umgebung vertrauter Mann eine solche Vorrichtung, ohne von den Bahnwärtern bemerkt zu werden, noch mit Leichtigkeit anbringen, sobald er den Zug kommen hört. Ausser zur Hervorbringung von Entgleisungen lassen sich die oben beschriebenen Vorrichtungen auch zur vorübergehenden Herstellung von Weichen, also zum Ueberführen von Wagen oder Zügen von einem auf das andere Gleise benutzen. Abbild. 4 zeigt eine derartige Anwendung. C. v. H erg et.

Verdeckte Geschützstellungen. Die Fnssartilleric hat dauernd mit den Schwierigkeiten zu rechnen, welche eine indirekte Richtung dem Batteriekommandeur auferlegt. Der k. u. k. Major Miksch nimmt im 2. Heft des Organs der militär-

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Kleine Mittheilungen.

wissenschaftlichen Vereine, Jahrgang 1807, Stellung gegen die vielen komplizirten Methoden, welche im Gefecht die Lösung mathematischer Aufgaben, Konstruktion geometrischer Figuren und Anwendung subtiler optischer Instrumente erforderlich machen. Er behandelt dabei eingehend: 1. die Ueberzeugung, dass die Deckung ver lässlich überschossen werden kann; 2. die Festlegung der Seitenrichtung des Geach ürze* gegen das Ziel; 3, die Möglichkeit der noth wendigen Korrekturen dieser Seiten rieh tune bezw. des Ziel Wechsels; 4. die Beobachtung; 6. die Uebermittelung der Beobaoh tu ng*- ergebnisse. Bemerkenswerth ist, dass der Verfasser nicht die kürzeste Distanz von der Deckung gewählt wissen will, von der aus ein Ueberschiesseu möglich ist, sondern im Gegentheil die weiteste, denn er sagt gewiss ganz zutreffend, dass hier durch die gegen den Kamm der Deckung gerichteten Schüsse die Chancen, getroffen zn werden, grössere sind, als wenn die Geschützaufstellung möglichst weit von der Deckung abbleibt. Für die Seitenrichtung verlangt er ein schnelles Parallelstellen der Geschütze nach einem eingerichteten Geschütz. »Die erste Seitenrichtung kann«, sagt Major Miksch, »ebenso wie die niemals verlässliche erste Höhenrichtung beiläufig genommen werden; das Schwergewicht der indirekten Richtung liegt ausschliesslich in der ver lässlichen Parallelstellung der Geschütze.« Verfasser bespricht sodann die verschiedenen Hiilfsmittel, die Geschütze einer Batterie parallel zu stellen, als weit entfernte Hülfs Zielpunkte vor und hinter dem Geschütz, Sterne und Wolken, Anwendung der Bussole und der Richtflüche. Letztere besonders empfiehlt er als bestes, einfachstes Hülfs- mittel. Wenn aber keim» dieser Mittel anwendbar ist, hält Verfasser das ungefähre Nehmen der Seitenrichtung nach dem Gefühl und das Korrigiren dieser Richtung durch das Schiessen selbst für durchaus angebracht, da die seitlichen Fehler kleiner sein werden als die Schützungsfehler der Entfernungen, und da sie sich ausserdem viel leichter und schneller korrigiren lassen. Die Richtflüche wird auch zum Nehmen seitlicher Korrekturen und insbesondere grösserer für einen Zielwechsel besonders empfohlen. Bei der Beobachtung wird erneut darauf hingewiesen, wie fehlerhaft es ist, eine Batterie zu nahe an die Deckung heranzulegen, besonders wenn diese eine sanft geneigte plateauartige Fläche bildet, welche die Beobachtung von Kurz und Weitschüssen sehr erschwert. Eine solche Batterie könne die sonst unverlässliche Einschiesslinie prüzisiren. Auch des Ballons wird Erwähnung gethan. Der Ballon- beobaehter soll die Luge des Zieles erkunden und das Feuer der eingeschossenen Batterie dahin dirigiren. Major Miksch spricht sich dann gegen ein salvenweises Schiessen mit verschiedenen Aufsätzen (Streuen) aus. Es sei dies ein Nothbehelf. dem besonderer praktischer Werth abzusprechen sei. Ohne ein korrektes Einschiessen ginge der Werth der Präzision unserer Geschütze vollständig verloren. Jedes alte Geschütz, wenn es dieselbe Schussweite hätte, würde mit seiner natürlichen Streuung in solchem Falle den gleichen Werth haben wie unsere neuen Geschütze mit einer derartigen künstlichen Streuung. Im Festungskriege handle es sich immer um ganz genau bestimmte feststehende Ziele mit Ausnahme der Fälle, wo auf Grund von Meldungen Räume unsicher gemacht werden müssen. Alsdann seien Streuscbüsse und Batteriesalven auch am Platze. Der Verfasser hält vorläufig die Verwendung des Ballons für das Einsehicssen einer Batterie oder einer Gruppe von Batterien für ausgeschlossen, weil man im Ernstfälle nicht hinreichend genug Ballons zur Ver- fügung hat. Beim Einschiessen mehrerer Batterien gegen ein Ziel wird empfohlen, diese Aufgabe der am günstigsten liegenden Batterie zu übertragen und deren Feuer durch den Ballon eventuell korrigiren zu lassen. Nachher könne der Ballon immer noch das Feuer der anderen Batterien ebenfalls reguliren. Aber der Verfasser ver- hehlt sich nicht die Nachtheile, welche darin liegen, dass man feuerbereite Batterien so lange Zeit schweigen lässt, bis eine einzige eingeschossen ist, und glaubt nur an diese Möglichkeit bei sehr verdeckter Lage der Batterien und bei Verwendung von rauchschwachem Pulver, und auch diese Möglichkeit wird hinfällig, sobald auch der Gegner Ballons hat. Ebensowenig wird es für durchführbar gehalten, dass man die

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Schasseleinente von einer Batterie zur andern überträgt. Major Miksch bespricht weiter die Schwierigkeiten, die der Ballonbeobachtung sich entgegenstellen, und giebt der Hoffnung Ausdruck, dass diese alle mit der vorwärtsschreitenden Technik wohl überwunden würden. Vom heutigen Ballonbeobachter könne man aber nur fordern, was er zu leisten vermöge: nämlich die Krkenntniss der Lage des Ziels zur Ein- »ckiosslinie und die Beurtheilung der Lage der wenigen entscheidenden Schüsse bei Verlegung des Treffpunktes von der Einschiesslinie in das Ziel. Was die Tliiitigkeit des Gruppenkommandanten anbetrifft, so wird zunächst darauf hingewiesen, dass jeder Batterie während des Einschiessens die grösste Selbständigkeit gelassen werden müsste, alsdann aber hätte der Gruppenkommandant die ihm vorgeschriebene taktische Aufgabe zu lösen und das Feuer gegen das beabsichtigte Ziel zu vereinen. Hier könne es sich nützlich erweisen, während eine eigentliche Feuerleitung mehrerer Batterien oder ein Eingreifen im Falle grober Fehler eine Unmöglichkeit sei. Um Fehler festzustellen, müsse man den Gang des Schiessens verfolgen, das sei für drei und mehr Batterien nicht durchführbar ; man könne in dem Falle nur von mangelnden Erfolgen auf gemachte Fehler sch Hessen. Verfasser bespricht weiter das interessante Kapitel der Beobachtungsübermittelung, bei welchem er die einfachsten Signale, »kurz, weit, rechts, links, Linie«, empfiehlt und vor zu vielen gleichzeitigen Beobachtern warnt. Ebenso empfiehlt er die einfachste Verwendung des Telephons ohne Mittels- personen.

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Rauchloses Geschütz-Blättchenpulver. In der Erzeugung von rauchlosem Geschütz- Blättchenpulver nimmt die Pulverfabrik Max v. Förster zu Hiinkels Ablage bei Berlin einen ersten Platz ein, und die mit diesem Pulver ausgeführten Schiess- versuche haben ausserordentlich günstige Ergebnisse anfznweisen gehabt. Besonders umfangreich waren die Versuche im Winter 1897/98, welche seitens der Türkei auf dem Schi essplatze Hademkoy bei Konstantinopel angestellt wurden. Die türkische Feldkanone, ein Kruppsches Gussstahlgeschütz von 8,7 cm Kaliber, wurde hei diesem Versuche benutzt, und es wurden aus einem einzigen solchen Geschütz unter den wechselndsten und verschiedenartigsten Verhältnissen 1000 Schuss abgefeuert. Es ist bekannt, dass die Eigenschaften des Pulvers von hoher Bedeutung für die möglichst lange Erhaltung der Brauchbarkeit des Geschützes und insbesondere auch des Ver- schlusses ist, und in dieser Beziehung hat sich das v. Förstersche Pulver ganz besonders bewährt. Nach vollendetem Beschüsse wurde das Geschütz in allen Einzelheiten auf das Sorgfältigste untersucht und nachgemessen, wobei sieh ergab, dass das Geschütz auch nicht die geringste Veränderung erlitten hatte; in allen seinen Theilen war das Geschütz völlig erhalten und in jeder Hinsicht gebrauchsfähig. Hieraus folgt in erster Linie die tadellose Beschaffenheit des Kruppschen Geschützmaterials und der vorzüglichen Konstruktion des Verschlusses, sodann aber auch die Vor- trefflichkeit des zur Verwendung gelangten Pulvers. Bei diesem ist die Gleich- mässigkeit der Wirkung ausschlaggebend, und diese wurde bei dem Versuche durch Schiessen auf Treffgenauigkeit auf die verschiedensten und zumeist unbekannten Entfernungen festgestellt. Von dem Pulver war eine Anfangsgeschwindigkeit von 460 m gefordert worden, und diese wurde nicht nur mit I*eichtigkcit erreicht, sondern es ergab sich dabei ein Gasdruck von nur 1200 Atmosphären. Da sich das Pulver ferner in ballistischer, physikalischer und chemischer Beziehung durchaus gut, nnd brauchbar erwies, so gelangte es für die türkische Feldartillerie zur endgültigen Einführung. Bei den Sc hiessv ersu e hen stellte sieh übrigens heraus, dass die Schiess- ausbildung des türkischen Feldartilleristen eine ganz vortreffliche ist.

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Kleine Mittheilnngen. Bücherschnu.

Mauerbohrer. Auf den Feldfahrzeugen der Pioniere werden zur Herstellung von Bohrlöchern bei der Ausführung von Sprengungen nach der Sprengvorschrift (Spr. V.) von 1896 drei verschiedene Arten von Steinbohrern mitgeführt, welche als Meissel-, Kreuz- und Kronbohrer, je nach Art der Schneide, unterschieden sind. Di«*o Bohrer bestehen aus 3,6 cm starken massiven Eisenstäben mit bester Verstählung an den Enden, und zu einem Satz Bohrer gehört ein Anfangsbohrer 50 cm lang, ein Mittelbohrer 75 cm lang und ein Langbohrer 100 cm lang. Die Werkzeugfabrik von

H. Hommel in Mainz nun fertigt neuerdings Mauerbohrcr aus feinsten stark waniligen Werkzeug-Gussstahlröhren mit höchster Arbeit* lcistung und scharfem langandauernden Schnitt. Sobald dieselben stumpf geworden sind, können sie jederzeit nacbgehürtet und frisch geschärft werden. Diese Mauerbohrer arbeiten wie Fraiser, liefern egale runde Löcher und sind besser zn handhaben als die vollen Bohrer, weil das Bohrmehl sich in die Kühre hineindrückt und daher das Bohrloch mit dem Bohrlöffel nicht so oft ausgeleert zu werden braucht. Die Mauerbohrer werden in Stärken von 12, 16, 20 mm und immer um weitere 5 mm steigend bis zu einem Durchmesser von 50 mm angefertigt und zwar in drei verschiedenen Längen von 40, 60 und 100 cm, so dass sie etwa den bei den Pionieren gebräuchlichen Anfangs-, Mittel- und Langbohrern entsprechen. Ver suche mit den Hommelschen Mauerbohrern würden sich um so mehr empfehlen, als dadurch vielleicht ein Einheitsbohrer für die Feldfahrzeuge der Pioniere an Stelle der jetzt gebrauchten drei Arten von Steinbohrem treten könnte.

-*»► Bücherschau, «es*

Attaque et defense des forteresses

par V. Deguise, capitaine commandant du genie, professeur u l'ecole d'appli- cation de l'artillcrie et du genie. Bruxelles, Polleunis et Ceuterick, im- primenrs, 37 rue des Ursulines, 1898. Prix : 20 Francs.

Der auf dem Gebiete des Befestigungs- wesens als Militörschriftstellcr hervor- ragend thätige und bekannte Herr Ver- fasser behandelt in seinem neuesten Werke als einen Theil der Taktik des Belagerungskrieges den Angriff und die Vertheidigung von Festungen, die er an einer um Brüssel angelegt gedachten Be- festigung modernster Art eingehend, ja erschöpfend erörtert. Er tritt dabei mit einem Entwurf für Gruppen kleinerer Werke hervor, die untereinander nur einige hundert Meter auseinanderliegen, welche in bestimmten Fällen das Ein- heitsfort ersetzen sollen, namentlich in so unregelmässigem und stark bedecktem Gelände, wie cs sich im Osten und Süd- ; osten von Brüssel vorfindet. Ein ins Einzelne gehender Entwurf eines der- artigen Grnppenwerkes ist dem Werke beigegeben und wird besonders den In- genieur als Kriegsbaumeister interessiren.

Aber die Taktik des Festungskrieges ist für jeden Offizier, welcher Waffe er auch allgehören möge, von grosser Wich- tigkeit, zumal der Belagerungskrieg einen eigenartigen Charakter besitzt, welchen Deguise in folgender Weise festlegt.

Der Kampf, welcher sich um eine Festung in beständiger Bauart entspinnt, hat einen vollständig verschiedenen Cha rakter von demjenigen, den der Kampf auf dem freien Schluchtfelde oder gegen eine mit fcldmässigen Mitteln errichtete befestigte Stellung besitzt. Daher ist ein besonderes Studium des Belagerungs- krieges erforderlich.

Wie bei jedem Kampfe umfasst auch der Bclagemngskricg die Vorbereitungen zum Kampfe und den Kampf selbst.

Die Vorbereitungen sind sowohl für die Vertheidigung wie für den Angriff beträchtlich. Der Angreifer kann nnr durch ungeheure Anstrengungen die Ueber- legenheit in dem Artilleriekampfe zu er- reichen hoffen. Der Widerstand, den die Deckung in der beständigen Befestigung darbietet, zwingt den Angreifer zur Ver- wendung zahlreicher Geschütze schweren Kalibers. Der Artilleriekampf hat also einen besonderen Charakter, der nicht allein aus der Bedeutung der angewandten Mittel hervorgeht, sondern auch ans den

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Bücherschau.

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Schwierigkeiten, welche sieh dem An- greifer entgegenstellen, um die Festungs- bauten zu zerstören.

Das durch Kleinwaffen vertlieidigte oder flankirte Hindernis» kann in be- ständiger Befestigungsweise derart aus- gestaltet werden, dass es dem Beechiessen aus den schwersten Belagerungsgeschützen einen, so zu sagen, unbegrenzten Wider- stand entgegensetzen kann.

Man wird allerdings verlangen, dass die Artillerie immer dahin kommen wird, die Vertheidigungsmittel einer Festung durch eine hinreichend verlängerte Beachiessnng aus Belagerungsgeschützen zu zerstören. Aber wird die Dauer der Beschiessung selbst nicht derart sein, um auf das Unternehmen zu verzichten? An- genommen, der Angreifer habe in dem Artillerieknmpf die Ueberlegenheit ge- wonnen: wird er nicht viel rascher zur Einnahme der Festung gelangen, indem er sieb gedeckt den zu nehmenden Stellungen nähert, um den technischen Truppen die Beseitigung des Hindernisses zu gestatten und den von den Sturm - truppen zu durchlaufenden ungedeckten Kaum auf das geringste Maas» zurück- zuführen?

Mit dieser Auffassung tritt uns der Ingenieur entgegen. Wohl lässt er dem Artilleristen volle Gerechtigkeit wider- fahren, dass er die Festung Zusammen- sein essen kann, aber er hruueht dazu ungeheure Mittel und viel Zeit. letztere ist aber gerade im Festungskriege von der höchsten Bedeutung, und sie nach Mög- lichkeit abzukürzen, wird eher dem Spaten des Infanteristen und Pioniers gelingen als dem schweren Geschütz des Artille- risten. Auch nach den Worten des Herrn Verfassers ist es einleuchtend, dass der Angreifer nur durch die Anwendung im Fehlkriege nicht gekannter Mittel in der Dtgc sein wird, den Sturm mit ernst- licher Aussicht auf Erfolg auszuführen.

Der Zweck, den der Vertheid iger einer Festung verfolgt und auf den alle Unter- nehmungen der Besatzung gerichtet sein müssen, ist »Zeit, zu gewinnen «. Bei der Vertheidigung einer Festung begnügt man sich nicht damit wie auf dem freien Schlachtfelde, eine Stellung mit allen seinen Kräften zu halten. Obschon der Fortsgurtei die Hauptstellung für die Er- haltung ist, für die man sich ohne Zandern die grössten Opfer auferlegen muss, so steht es auch fest, dass eine Festung durch ihre Natur selbst das Mittel bietet, den Kampf anf hintereinander liegende Stellungen zu lenken und dadurch die Dauer des Widerstandes zu verlängern.

Das Studium des Festungskrieges wie der Kriegstechnik im Allgemeinen wird in neuester Zeit nicht mehr allein von den Offizieren der technischen Waffen

' betrieben, weil ein zukünftiger Krieg uns früher als in der Vergangenheit vor Auf- I gaben des Festungskrieges stellen wird und sich mit diesem daher auch die , übrigen Waffen vertraut machen müssen.

Hierzu ist das Deguisesche Werk beson- I der» geeignet, welches im ersten Theile die Taktik des Belagernngskrieges gegen Festungen mit Bauten enthält, welche | lange der Wirkung der Sprenggranaten ! zu widerstehen vermögen, während der zweite Theil die Angriffs- und Verthei - digungsoperationen von Festungen be- I handelt, die vor den Fortschritten in der Bewaffnung der Artillerie erbaut wurden und seitdem keine Veränderungen erfahren haben. Das hervorragende Werk Bei allen Offizieren empfohlen; der Preis weist allerdings zunächst auf die Be- schaffung durch die Bibliotheken hin.

Zur Frage der LandeBbefestigung.

Für die Offiziere der Hauptwaffen be- arbeitet von Meyer, Hanptmann in der I. Ing.-Insp., komm, als Lehrer zur Ver. Art.- und Ing.-Schule. Berlin 1898. Königliche Hoflmchhandlung von E. S. Mittler & Sohn. Preis M.2, , geb.M.3,26.

Mit hohem Interesse haben wir von dieser Schrift Kenntnis» genommen, welche sich an die Offiziere der Hauptwaffen I wendet und erkennen lässt, dass in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit dieser Offiziere ' auf ihnen sonst ferner liegende Fragen ge- lenkt werden soll, was dem Verfasser in j vollem Maasse gelungen sein dürfte. Von | vornherein wird jedes trockene Dociren sorgsam vermieden; mit kühnem Griff ; geht es in die Kriegsgeschichte hinein, und ein Ueherblick über die Festungen in der Kriegsgeschichte des letzten Jahr- hunderts und in der Tageslitteratur weist auf den Kampf um Festungen hin, welcher I mit so verschiedenartigem Erfolge geführt worden ist. Der Verfasser kommt dabei zu dem Schluss, dass Festungen ein empfind- liches Wehrmittel sind, das wie jedes andere im Frieden sorgfältig durchgebildet und geübt, im Kriege richtig verwandt werden will, wozu Truppenführung und Ingenieur- ! korps in inniger Berührung miteinander ! arbeiten müssen. Indem er namentlich ! die Schlussfolgerungen, die sich aus den Massenheeren der Gegenwart und ans der Fortentwickelung der Eisenbah nen ergeben, | schärfer zusamuienfasst, als dies bisher geschehen ist, giebt er über die Eigen- tümlichkeiten der Entstehung und des Baues von Festungen genaue Aufklärung, beurteilt die Gründe, die gegen die An- ! läge von Festungen angeführt werden können, erörtert den Zweck der Festungen, beleuchtet die Frage, wo und in welchem 1 Umfang dieselben anzulegen sind, wie sie

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Bücherschau.

verwendet werden, und schildert endlich die Aufgaben und Anforderungen, die an Festungen gestellt werden können. Die Schrift wird für Alle, welche ein zu- treffendes Urtheil über den Festungsbau und über die richtige Verwendung der I^andesbefestigungen gewinnen wollen, der beste Kathgeber sein.

Aus dem Feldzuge in Thessalien 1897.

Erinnerungen und Studien von Robert Weber, Oberst im schweizerischen Generalstabe. Zürich, Kommissions verlag von Fäsi & Beer. Preis M. 4, .

Der Verfasser dieser interessanten Schrift wohnte dem griechisch-türkischen Kriege im Aufträge des schweizerischen Bundesrath es auf griechischer Seite bei und giebt in anregender und fesselnder Weise die Eindrücke wieder, welche er auf dem klassischen Boden Griechenlands von der Kriegführung der Neugriechen erhalten hat. Ein aufmerksamer Beob- achter, weist er unter Anderem in der Schlacht von Domokos auf die bemerken»- werthe Rolle der Positionsartillerie hin: drei griechische 10,5 cm Kingkanonen zwangen die türkische Infanterie auf über 5000 m zum Aufmarsch, die türkischen Haubitzen entschieden den Artilleriekampf, als die Feldartillerie gegenüber den Ge- schützeinschnitten der Griechen nichts ansrichtete. Die verhiiltiiissmassig geringen Verluste erklären sich aus der geringen Sehiessausbildung der Truppe, und dass das klcinkalibrige Repetirgewehr der Bri- gade »Adrianopel« keinen Sondererfolg erzielte, beweist, dass die bessere Waffe nicht zur Geltung kommt, wenn sie nicht in den Händen guter Schützen liegt. Die höchst bemerkenswcrthe Schrift, welcher zwei Karten und ein Plan beigefügt sind, ist als 93. Neujahrsblatt der Feuerwerker- Gesellschaft Zürich herausgegeben und enthält ein Titel-Vollbild von der Schlacht bei Domokos nach einer Augenblicksauf- nahme des Spezialartisten der »Illustrated London News«. Im Vordergründe befindet sich Oberst Mastrapas; im Mittelgründe die griechischen Stellungen; in der Mitte die Artilleriestellung von Purnar und die Strasse nach Pharsalos; die Bäume und Büsche links verdecken Skarmitza; weiter in der Ebene zeigen sieh die türkischen Feuerlinien; in der Mitte derselben der Felshügel«, welcher zum Theil die Ent- wickelung deckte; rechts und links der Strasse in der Ebene sind die türkischen Batterien aufgefahren. Dass die Griechen die bekannte Niederlage erlitten, war durchaus nicht nöthig; aber sie bezahlten

theuer, was sie in friedlichen Zeiten i an ihrer Kriegsbereitschaft vernachlässigt. Die Kleinheit eines Staates ist kein ver- nünftiger Grund dafür, das Wehrwe«et. i zu vernachlässigen, sondern nur für da» I Gegentheil. Zur Zeit kriegerischer Ver 1 Wickelungen gilt die Wehrkraft was sie werth ist. und die Geschieht* ; lehrt, dass auch kleine Staaten, wo unterlagen, dnreh eigene Schuld unter- 1 lagen.

Alfried Krupp. Ein Lebensbild von Hermann Frohen ins. Dresden mul Leipzig. 1898. Carl Reissner.

Die vorliegende Schrift bildet den zweiten Band eines unter dein Titel »Männer der Zeit- von I)r. Gustav Diercfcs hcrausgegehenen Sammelwerkes, das die 1 Lebensbilder von hervorragenden Persön- lichkeiten der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit enthält. Dass darunter Alfried oder, wie er gewöhnlich genannt wurde, Alfred Krupp nicht fehlen durfte, versteht sich von selbst ; ebenso, «lass wir an dieser Stelle des von dem Verfasser mit ebenso grosser Liebe wie Sorgfalt zusammengestellten I-ebensgangcs dieses seltenen Mannes gedenken, welcher nicht nur mit der Kriegstechnik im Allgemeinen auf das Engste verknüpft war, sondern dessen mit ehrenvollem Danke im deut- schen Heere gedacht werden wird, so- lange man noch das Wort »gezogenes Ge- schütz'. kennen wird. Es ist ein Bild von ungemeiner Grossartigkeit, wie sich Krupp aus kleinen Anfängen heransgestaltet, aus einem bescheidenen Fabrikwesen eine An- stalt geschaffen hat, die auf dem ganzen Erdenrund bekannt ist, und deren Schöpfer gleichzeitig mit den grössten Deutschen seiner Zeit genannt wird. Krupp warein Vorbild in jeder Beziehung; er war ein Mann von unermüdlicher, fleissiger. un- erschütterlicher Thätigkeit und Beharr lichkeit, von ausserordentlicher Energie. Gewissenspflicht und grosser Strenge gegen sich selbst ; bahnbrechend für die Industrie | war er ein glühender Patriot und ein Vater seiner Tausende von Arbeitern, dem für das Vaterland und für sie kein Opfer zu gross war. Die Erfolge der deutschen Artillerie in den Kriegen Kaiser Wilhelms des Grossen wären ohne Krupp nicht möglich gewesen, und so verdient sein Lebensgang von allen Angehörigen des deutschen Heeres eingehend gekannt zu sein, wozu das verdienstvolle Werk von Frobenius, dem die besten und zuver- lässigsten Quellen zu Gebote standen, sich ganz besonders eignet.

Gedruckt in der Königlichen Uofbucbdruckerei ron E. 3. Mittler & Sohn, Berlin SW., Höchstnote öb 71.

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis« untersagt.

Die taktische Verwendbarkeit des Maschinen- (Maxim-) Gewehrs.

Aus sehr sachkundiger Feder erschien im fünften Heft dieser Zeit- schrift ein Aufsatz über »die Leistungsfähigkeit und Verwendbarkeit des selbstthätigen Maxim-Gewehrs «. ln Bezug auf die ballistische und technisch- konstruktive Seite können wir daher ganz auf jenen Aufsatz verweisen. Wenn nun aber auch der Verfasser einige taktische Gesichtspunkte be- rührte, so erscheint eine etwas eingehendere Beleuchtung der taktischen Verwendbarkeit dieser Waffe doch am Platz.

Nimmt man den Durchschnitt der Erfahrungen im Kriege und auf den Uebungsplätzen als Grundlage der Betrachtung an, so wird man anerkennen müssen, dass es höchst gefährlich ist, im Punkte der Bewaff- nung ein bestimmtes Prinzip, mag dasselbe auch anscheinend grosse Vor- theile darbieten, auf den Thron zu setzen und, hierauf gestützt, neu auf- tretende Erfindungen oberflächlich zu untersuchen oder ganz abznweisen. Die gesammte Kriegsgeschichte von 1859 bis in die jüngste Zeit liefert den Beweis für meine Behauptung. Die in den letzten Jahren erschienenen Denkwürdigkeiten der Generale Lebrun, du Barail, Fleury und Trochu stellen z. B. die in den hohen französischen Militärkreisen vorherrschende Beurtheilung des Zündnadelgewehrs und seine, auf angeblich alte Er- fahrung sich stützende Unverwendbarkeit für den Ernstgebrauch abermals in das grellste Licht, bis dann der »Donnerschlag von Sadowa« Wandel schaffte.

Obwohl wir uns in der sorgfältigen Prüfung neuer Erfindungen und in der Einführung solcher im Allgemeinen stets auf der Höhe der Zeit gehalten haben, so sind doch auch Perioden der Zögerung und Ab- weichungen zu bemerken. Eine solche ist z. B. die Zeit von Beendigung des österreichischen Krieges bis zum Beginn des französischen, in welcher wir mit geringen Abänderungen des Zündnadelgewehrs anszukommen meinten, wobei indess der Umstand, dass wir mit dieser Waffe soeben die bedeutendsten Erfolge erfochten, und die anderen ausgedehnten, der Heeresleitung obliegenden Aufgaben nicht vergessen werden müssen, um diese Zögerung zu erklären. Ferner hielt man nach 1871 in der Feld- artillerie Jahrzehnte lang mit grosser Hartnäckigkeit an der Einheitlichkeit des Geschützes und des Geschosses (Schrapnel) fest, ungeachtet die Er- fahrungen von Plewna ganz deutlich darauf hin wiesen wie ich damals entschieden behauptete , dass wir auch für den Feldkrieg eines Wurf- geschützes bedürften. Die Entwickelung der Dinge hat diese Ansicht be- stätigt. Wir werden die Feldhaubitze erhalten.

Kii<g»U«hol*ch« Zeitschrift. 1898. 8. Heft.

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338 Die taktische Verwendbarkeit des Maschinen- (Maxim-) Gewehrs.

Die möglichste Durchführung der Einheitlichkeit in der Bewaffnung der Truppen hat unbedingt sehr grosse Vorzüge, aber die Anforderungen des Krieges sind eben zu verschiedene, um ein solches Prinzip unter allen Umständen festhalten zu können.

Das Maxim-Gewehr ist nun Jetzt auf einem Standpunkt der Entwicke- lung angelangt, welcher die gründlichste Prüfung seiner Verwendbarkeit verlangt. Sie soll auch, dem Vernehmen nach, auf deutscher Seite start- finden.

Diese Waffe ist bereits eingeführt bei unseren Kolonialtruppen, bei der Marine und, wenn wir recht berichtet sind, zur Verstärkung der Bewaffnung unserer Festungen.

Ln einigen Gefechten unserer Truppen in Afrika hat es sich nicht be- sonders bewährt, da es häufig versagte. Die neuesten Verbesserungen desselben, wie sie der Oberst v. Scheve in dem vorhin erwähnten Auf- satz schildert, lassen erwarten, dass Versager in Zukunft zu den Selten- heiten gehören werden. In der Schlacht am Atbara haben die Maxim- Gewehre besonders gut gegen die Reiterei der Derwische gewirkt. Die inzwischen eingegangenen Nachrichten von dem neuen Sieg der Engländer über die fanatisirten Schaaren unter des falschen Khalifen eigener Führung bei Omdurman haben uns abermals das Maxim-Gewehr in erfolgreicher Thätigkeit gezeigt. Sicherlich hat es in dem Defensivkampf der Engländer gegen die mit glänzender Tapferkeit, aber in tiefen Haufen ohne gehörige Vorbereitung ausgeführten Angriffe der Mahdisten zum Siege beigetragen. Es ist dies ein Hinweis auf seine Brauchbarkeit gegen Kavallerieangriffe, in denen doch auch geschlossene Massen zur direkten Verwendung kommen. Erinnert muss aber daran werden, dass auf Seite der Derwische Artillerie so gut wie gar nicht zur Verwendung gekommen zu sein scheint. Im spanisch-amerikanischen Kriege scheinen die Maxim-Gewehre nicht zur Anwendung gekommen zu sein.

Die verhältnissmässig schwachen Kolonialtruppen können von diesen Waffen grossen Nutzen ziehen durch eine Verstärkung ihrer Feuerkraft, gegen unzivilisirte Gegner. Sie ersetzen eben dort zum Theil die Zahl- Für europäische Kriege beweisen derartige Erfolge nicht viel.

In Kämpfen zur See, in denen das Ziel dem Gegner abgesehen von der Panzerung offen gegenübertritt, können die weiter unten zu erörternden Nachtheile der Maxim-Gewehre sich nicht in gleicher Weise geltend machen wie im Feldkriege. Ob sie einen entsprechenden Nutzen gewähren können, müssen wir der Beurtheilung eines Marineoffiziers überlassen.

Dass die ballistischen Leistungen und, bei richtiger Bedienung, die Durchschlagwirkung der Waffe treffliche sind, hat der erwähnte Aufsatz nachgewiesen, es handelt sich somit für den Taktiker um die Erörterung, ob ihre gesammte Eigenthümlichkeit ihre Verwendbarkeit im Feld- und Festungskriege gestattet.

Die Engländer haben diese Frage alsbald bejaht und jeder mobilen Infanterie- und Kavallerie-Brigade eine Anzahl Maxim-Gewehre zugetheilt. Auch die Schweizer sind damit vorgegangen. Ihre Einführung für den Feldkrieg kann mit Erfolg nur für die Kavallerie und Infanterie als zu- getheilte Hülfswaffo in Betracht kommen. Nun bedingt jede solche Zu- theitung eine Komplizirung der Organisation, welche möglichst zu ver- meiden ist, denn unsere Organisation ist durch die Errichtung vieler technischer Truppen schon an und für sich komplizirter geworden.

Die Verwendung der Maschinengewehre erheischt wieder neues

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Die taktische Verwendbarkeit des Maschinen- (Maxim-) Gewehrs.

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technisches und taktisches Studium für den Offizier, dessen Wissenskreis und Arbeitsfeld sich gegen früher schon ungemein vergrössert hat. Eine Leitung des Feuers von 2 bis 3 Maschinengewehren durch einen Offizier wird aber nicht zu entbehren sein, wenn auch das Richten und Ziel- nehmen Sache der Mannschaft bleibt. Es wird aber nicht angehen, nur einen Offizier per Bataillon oder Kavallerie-Regiment mit dieser Waffe auszubilden, sondern es werden mehrere sein müssen, um zu richtiger Zeit für Ersatz sorgen zu können.

In erster Linie erscheint uns seine Verwendung bei den Kavallerie- divisionen möglich und aussichtsvoll. Ich hörte vor einiger Zeit von beachtenswerther Seite die neue Ansicht aussprechen, dass die Zutheilung von reitender Artillerie zu diesen Truppenkörpern eine wenig nützliche Maassregel sei, da das Eingreifen der Artillerie beim Zusammenstoss der Divisionen schwierig und die Artillerie nur in wenigen Fällen zur Abgabe wirksamen Feuers gelange, oft sogar sofort genommen werde. Die Schwierigkeit des Eingreifens ist allgemein anerkannt, aber diese An- sicht scheint denn doch mehr eine Manöver- als eine Kriegserfahrung zu sein. Die Verhältnisse des Krieges sind so mannigfaltig, und die Auf- gaben einer Reiterdivision so vielseitig, dass Artillerie garnicht entbehrt werden kann. Diese Vielseitigkeit scheint aber auch für eine Zutheilung von Maxim-Gewehren zu sprechen. Vielfach hat man die Ansicht ver- fochten und auch praktisch, z. B. in der russischen und österreichischen Armee, durchgeführt, dass den weit vor die Front der Armeen vor- getriebenen Kavallerie-Divisionen ein Rückhalt von Infanterie ungeachtet ihrer Bewaffnung mit guten Karabinern erwünscht sein müsse. Aber man hat bei uns stets das Bedenken erhoben, dass die Infanterie auf den Märschen mit der Kavallerie nicht Schritt halten könne. Verschiedene Mittel sind zur Beseitigung empfohlen worden, unter Anderem auch der Transport durch Wagen oder die Verwendung des Fahrrades. Doch kann man gegen diese Vorschläge die verschiedensten Einwände geltend machen. Da bietet sich nun das Maschinengewehr als ein Auskunftsmittel, um einer vor- oder zurückgehenden Reiterdivision in den mannigfachen Ge- fechtslagen eine wirksame Feuerverstärkung zuzuführen.

Wenn wir den Zusammenstoss starker Kavalleriemassen in offener Gegend vorerst betrachten, so besteht die Schwierigkeit für die reitende Artillerie darin, sieh mit genügender Schnelligkeit seitlich eines Flügels oder in den Intervallen der Brigaden bezw. der Regimenter ins Feuer zu setzen, um die Attacke vorbereiten zu können; wenn der Gegner aber schon im Anreiten begriffen, ihn durch einige Lagen in Unordnung zu bringen. Kann dies nun durch die Maschinengewehre voraussichtlich schneller geschehen als durch die Artillerie? Wir glauben diese Frage bejahen zu können. Wie die Abbildungen zu dem Aufsatz des Oberst v. Scheve zeigen, kann man das Maxim-Gewehr sowohl auf oinem Fahrzeug ähnlich alsdann einem vierrädrigen leichten Geschütz oder auf einem einachsigen leichteren Fahrzeug, auf einem Infanterie- oder Kavalleriekarren, oder auf einer Galoppirlaffete, endlich auch auf Handpferden mitführen. Wir halten die beiden letzten Arten für die Zutheilung zur Reiterei am passendsten. Zwei bis drei solcher mit zwei Pferden bespannter Karren welche die Munition mitführen oder Handpferde würden doch wohl mit grösserer Schnelligkeit in Stellung gelangen als eine Batterie. Wenn dies aber auch nicht der Fall wäre, so bieten sie dem Gegner unbedingt ein kleineres Ziel dar als eine Batterie, zudem sie das Gelände in derselben Weise, wie es jetzt von der Artillerie geschieht, ausnützen könnten.

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340 Die taktische Verwendbarkeit des Maschinen- (Maxim ) Gewehrs.

So glauben wir, dass das Maxim-Gewehr gerade beim Zusammenstoss eine nicht zu verachtende Hiilfswaffe der Reiterei sein könnte. Man kann die Wirksamkeit des Maxim-Gewehrs im Ernstgefecht auf Entfernungen bis 1500 m annehmen. Von 800 m aufwärts ab bezeichnet der erwähnte Auf- satz die "Wirkung wegen der dichten Streuungsgarbe als eine besonders gute. Die Feldartillerie übertrifft das Maschinengewehr an Wirkung auf weitere Entfernungen unbezweifelt, ungefähr so, wie dies auch im Verhalt- niss zur Infanterie der Fall ist. Auch ist der moralische Eindruck über der Truppe richtig platzender Artilleriegeschosse ein grösserer. Aber andererseits hat das Maxim-Gewehr den Vorzug, dass der Bedienungsmann ihm sowohl eine seitliche wie auch vertikale Bewegung geben kann. Es vermag somit ganze Geländestrecken während des ununterbrochenen Feuers abzustreifen, was besonders gegen die schnelle Vorbewegung einer attackiren- den Kavallerielinie von Vortheil sein müsste. Die Schwäche der Artillerie gegen Kavallerie liegt gerade in solchem Moment; sie würde durch das Maxim-Gewehr zum Theil ausgeglichen. Im Moment des Aufeinandertreffens von Kavallerie-Divisionen wird es weniger darauf ankommen, den Gegner auf weite Entfernungen durch Geschützfeuer zu schädigen als durch Feuer auf mittlere und kurze Entfernungen, um entweder die Attacke gründlich vorzubereiten, oder den gegnerischen Anlauf ins Stocken zu bringen. Hierbei dürfte das Maxim-Gewehr als eine verbesserte Mitrailleuse die wesentlichsten Dienste leisten.

Wenn es sich beim Vorgehen der Roiterdivisionen darum handelt, eine vom Feinde besetzte Oertlichkeit zu nehmen, um ihr den Weg frei zu machen, werden Maxim-Gewehre zur Bestreichung von Dorfeingängen. Wald- und Dorfsäumen immerhin von Nutzen sein, indess wird hier die Hauptarbeit wohl die reitende Artillerie thun müssen zur Vorbereitung des Angriffs der abgesessenen Reiter- oder zugetheilter Infanterie- bezw Radfahrer- Abtheilungen.

Desto wirksamer werden sich Maxim-Gewehre bei Behauptung einer solchen Oertlichkeit erweisen. Die richtige Verwendung dürfte hier darin bestehen, ihnen die Annäherungswege oder die Geländestrocken, welche der Entwickelung des Gegners und dem Angriff am günstigsten sind, zur Bestreichung zu bezeichnen und ihre Aufstellung danach zu regeln. Dies wird, da in solchen Verhältnissen von wirklich vorbereiteten und aus- gesuchten Stellungen nur ganz ausnahmsweise die Rede soin kann, schnellen taktischen Blick und Kenntniss der Eigenthümlichkeit der Waffe erfordern.

Die Zutheilung zur Infanterie erscheint uns von weit zweifelhafterem Nutzen als die zur Kavallerie, denn wir können uns von dem Maxim- Gewehr nur in der Vertheidigung eine durchschlagende Unterstützung der Infanterie versprechen. Es wird aber immer Bedenken erregen, Waffen mit sich zu führen, die nicht für alle Kriegslagen eine verhältnissmässig gleiche Brauchbarkeit besitzen. Von den Ursachen, welche dieser Waffe für das Angriffsverfahren nur einen äusserst bedingten Werth verleihen, ist die eine schon vom Oberst v. Scheve erwähnt. Sie besteht in dem Umstand, dass das Maxim-Gewehr ohne besondere Deckung immerhin ein höheres Ziel abgeben wird als die liegenden Infanteristen, was auf nähere Ent- fernungen bedeutend ins Gewicht fallen dürfte. Da wir nun ganz ent- schieden die Ansicht bekämpfen, dass es möglich sein wird, während des eigentlichen Infanterieangriffs sich durch Eingrabungen Deckungen zu schaffen, so dürfte hierin schon ein bedeutendes Hinderniss gegen die Verwendbarkeit beim Angriff gefunden sein. Wenn man freilich der Theorie huldigt, dass der Angriff in der heutigen Feldscblacht in einer

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Die taktische Verwendbarkeit des Maschinen- (Maxim ) Gewehre. 341

Art Belagerungsangriff besteht, könnte man sich auch, jedoch immer nur auf weitere Entfernungen, eine Verwendung der Maxim-Gewehre ausmalen. Wir glauben aber, dass diese Theorie bei energischer Gefechtsführung in der That keine Stätte finden kann. Der Angriff muss auf den entscheidenden Punkten gut vorbereitet sein, dann aber auch unaufhaltsam ausgeführt werden.

Eine nähere Besprechung dieser Verhältnisse ist natürlich hier nicht am Platz. Wir wollen nur noch erwähnen, dass unsere Ausführungen hier nur den entscheidenden Angriff betreffen. Bei Scheinangriffen (Demonstrationen) kann es natürlich Vorkommen, dass man in einer gewonnenen Linie stehen bleibt, sich dort verschanzt und nun wohl auch Zeit haben wird, den Maxim-Gewehren Deckung zu schaffen.

Zum Zweiten kann die Bewegungsfähigkeit der Maxim-Gewehre mit der schnellen Vorwärtsbewegung der Infanterie, die bei den jetzigen An- griffen nöthig ist, nicht Schritt halten.

Mag man nämlich den Transport des Maxim-Gewehrs gestalten, wie man will, als Infanteriekarren oder auf Dreigestell mit abhebbaren Rädern oder durch die tragbare schweizer Refflaffete im Gefecht selbst kann man es nur auf einem möglichst niedrigen Schiessgestell verwenden. Ob nun für die Vorwärtsbewegung im Gefecht die Refflaffete (Abbild. 12) oder das von zwei Mann leicht tragbare Schiessgestell (Abbild. 8 des Heftes 5) oder endlich ein nenkonstruirter Schlitten am besten verwendbar sind, müssten eingehende Versuche ergeben. Zieht man in Betracht, wie oft das Infanteriegefecht 1870/71 in einem wilden Hin- und Herwogen der Schützenschwärme bestanden hat und auch in Zukunft ohne Zweifel be- stehen wird, so wird man sich unserem Bedenken gegen die Verwendbar- keit dieser Waffe beim Angriff um so eher anschliessen.

In der vorbereiteten Verteidigung dagegen kann man dem Maxim- Gewehr Deckung verschaffen, und finden schnelle Vorwärtsbewegungen nur ausnahmsweise statt. Zu den Gegenstössen von Infanterieabtheilungen, die naturgemäss einen kurzen Verlauf nehmen, kann und wird man Maxim-Gewehre nicht verwenden, sondern nur in Stellungen; dass sie hierbei nicht Unbedeutendes leisten werden, geht ebenfalls aus dem er- wähnten Artikel hervor. Ein Uebergewicht gegen eine Infanterieabtheilung, die in derselben Zeit etwa die gleiche Anzahl Schüsse abgeben könnte, dürfte sich auf weitere Entfernungen, vielleicht von 900 m ab richtiges Zielen der Bedienung vorausgesetzt der konzentrirten Garbe wegen, wohl ergeben. Man kann aber hierbei getrost die Frage aufwerfen, ob sich nicht bei der Schiessleistung Mehrerer die Korrektur einer etwaigen falschen Zielaufnahme durch selbständige Thätigkeit der einzelnen Schützen leichter bewirken wird als bei dem Maxim-Gewehr, wo ein solcher Aus- gleich fehlt. Andererseits ist die Beobachtung der Wirkung beim Maxim-Gewehr erleichtert, und kann also auch eine Korrektur erfolgen, falls eine sachgemässe Leitung der Gewehrbatterie besteht. Auch ist ein Einschiessen dem wir bei der Infanterie immer höchst skeptisch gegenüberstehen eben der dichten Feuergarbe wegen, beim Maxim-Gewehr nicht illusorisch.

Wenn wir also diese Waffe im Vertheidignngsgefecht der Infanterie als brauchbar erachten, so würden immer noch die Fragen zu lösen sein:

1. Ist es wünschens werth, sie bei nur bedingter allgemeiner Brauch- barkeit bei der Infanterie mitzuführen?

2. Ist ihr Nutzen selbst in der strikten Vertheidigung, angesichts der Einführung der Schnellladegeschütze und der Feuerwirkung der neuen Gewehre so gross, um ihre Einführung zu rechtfertigen?

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege.

Alles dies kann nur durch sorgfältige Registrirung der Schussleistungen im gefechtsmässigen Schiessen und der Mitführung von Maschinen- gewehren beim Manöver genügend geprüft werden.

Noch wollen wir die Bemerkung machen, dass wir bei der Infanterie einer erhöhten Aufmerksamkeit auf die Feuerdisziplin bedürfen werden, nm einer Munitionsverschwendung auf zu weite Entfernungen entgegenzu treten, denn das Fernfeuer der Maxim-Gewehre ist geeignet, hin und wieder die Infanterie ebenfalls zum frühzeitigen Fernfeuer zu verleiten.

Bei der Verwendung auf weitere Entfernungen, 1200 bis 1500 m, wird die gegnerische Artillerie die Maschinengewehre natürlich zum Ziel nehmen, falls sie von der ihr gegenüberstehenden loskommen kann, aber sie wird nicht so leichtes Spiel wie wir mit den französischen Mitrailleusen 1870/71 haben, denn die ersteren bieten ein viel kleineres Ziel als die letzteren dar, welche die Höhe eines Geschützes hatten.

Unsere Darlegungen zusammengefasst, so erscheinen uns die Maxim- Gewehre für Kavallerie-Divisionen unbedingt geeignet; für die Infanterie erscheint ihr Nutzen zweifelhaft, doch ist die Frage genauer Prüfung werth.

Die Frage der Organisation würde wohl am besten durch die Formirung von Maxim-Gewehr -Abtheilungen, deren Mannschaften aus den Truppen- theilen selbst zu nehmen wären, und der Zutheilung von zwei bis drei dieser Waffen an jedes Bataillon und Kavallerie-Regiment gelöst werden. Ob man diese Abtheilungen beim Ansrücken ins Feld oder im Bedürfniss- falle vor der Kriegshandlung in grösseren Verbänden zusammenziehen wollte, könnte ebenfalls bei den Manövern geprüft werden, würde indess wohl wahrscheinlich meist von der besonderen Gestaltung der Dinge abhängen.

Was den Festungskrieg anbetrifft, so können wir hier nicht näher auf die verschiedenen Lagen, in denen Maschinengewehre mit Nutzen anwendbar erscheinen, eingehen. Das, was wir über die vorbereitete Vertheidigung gesagt haben, wird genügen, um den Nutzen dieser Waffen im Festungskriege klarzulegen. Da sowohl der beschleunigte wie förmliche Angriff Deckungen schaffen muss, so würden auch vom Belagerer die Maxim-Gewehre mit Vortheil verwendet werden können.|

A. v. Boguslawski.

Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege.

Mit sieben .Abbildungen.

Bei keiner anderen Art der Kriegführung spielt die nächtliche Unter- nehmung eine so grosso Rolle als im Festungskrioge. Der Angreifer bedient sich ihrer, um seine Arbeiten unbemerkt auszuführen und dem Feuer der Festung zu entziehen, seine Angriffstruppen vorzuschieben, seine Sturmkolonnen aufzustellen und in Bewegung zu setzen; der Vertheidiger, um mit schwachen Kräften gegen feindliche Arbeiten und Lagerplätze überraschend zu wirken und Schäden an seinen Befestigungen auszubessem oder neue Schutzwehren und Batterien zu schaffen. Schon in früheren Zeiten hat man sich daher bemüht, durch Beleuchtung des Vorfeldes Kenntniss von der nächtlichen Thätigkeit des Gegners zu erhalten. Die Mittel, welche dazu zu Gebote standen, gestatteten meist nur einen Einblick auf kurze Dauer und nicht sehr grosse Entfernung. Von diesen Mitteln

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege, 348

sind besonders die Leuchtbomben und die Leuchtraketen zu erwähnen. Erstere leuchten hauptsächlich, nachdem sie niedergefallen sind, und haben eine längere Brennzeit, sie erhellen aber nur einen verhältnissmässig kleinen Umkreis, da sie vom Erdboden aus Licht geben; letztere bestrahlen von oben her in günstiger WeiBe ein ziemlich umfangreiches Stück Gelände, ■erlöschen aber zu schnell. Beide Beleuchtungsmittel finden ihre Grenze etwa bei 1200 m. Auf kurze Entfernungen kann man auch Leuchtfackeln oder Leuchtkugeln verwenden. Sie gehören mehr zu den kleinen Mitteln, die von Patrouillen und Posten benutzt werden. Die Leuchtkugeln werden dabei aus besonders dazu hergerichteten Pistolen geschossen.

In neuerer Zeit ist der wesentlichste Antheil an der Vorfeldbeleuchtung dem elektrischen Lichte zugefallen, da es für die Beleuchtung eine längere Dauer und eine Ausdehnung auf grössere Entfernung möglich macht. Allerdings erfordert es dafür auch ein nicht ganz unbedeutendes Geräth. Für die Beleuchtung in nächster Nähe hat es sich bis jetzt noch nicht die erste Stelle erobert.

Ehe wir uns der Wirkungsweise und der Verwendung des elektrischen Lichtes zuwenden, möge zunächst eine Besprechung der dazu erforder- lichen Geräthe erfolgen.

Es kommt darauf an, auf möglichst grosse Entfernungen zu leuchten. Dies kann nur durch grosse Einzelnlichter geschehen, da die Wirkung von mehrfach getheiltem Licht für solche Zwecke nicht brauchbar ist. Als Lampon sind daher nur Bogenlampen verwendbar, deren Licht durch Linsensysteme gebrochen oder durch Spiegel reflektirt und zusammen- gehalten wird. Als Betriebsart für diese Bogenlampen kommt nur der Oleichstrom in Betracht, weil bei Gleichstrom die positive Kohle ein viel stärkeres Licht ansstrahlt als jede einzelne Kohle beim Wechselstrom. Der Lichtbogen selbst leuchtet bekanntlich nur sehr schwach. Die Lampen müssen also so gebaut sein, dass dieses starke Licht der positiven Kohle möglichst günstig auf den Spiegel fällt. Man wendet daher Lampen an, bei denen die Kohlenstifte nicht senkrecht stehen, sondern wagerecht oder schräg. Da bei Gleichstromlampen die positive Kohle wesentlich stärker, etwa doppelt so stark, verbrennt als die negative, so macht man sie dicker als letztere. Die Lampen sind entweder Handlampen, bei denen die Regnlirung der Auseinanderstellung der Kohlenstifte durch Drehung von Schrauben erfolgt, oder automatische, d. h. Differential- oder Neben- schlusslampen. Bei den meisten Lampen sind Einrichtungen für beide Regulirungsarten getroffen. Wird die eine benutzt, so muss die andere ausser Thätigkeit gesetzt werden. Lampen mit schräg stehenden Kohlen bevorzugen Sautter, Harle und Siemens, Lampen mit wagerecht stehenden Kohlen verwendet die Aktiengesellschaft Schuckert. Je nachdem stärkeres oder weniger starkes Licht gefordert wird, sind Lampen für 60 bis 75 Volt, 30 bis 120 Ampöre im Gebrauch.

Damit das Licht nicht zerstreut wird, müssen die Lampen in Schein- werfer eingesetzt sein, die mit optischen Vorrichtungen versehen sind, um das Licht in einem möglichst spitzen Kegel zusammenzufassen. Hierzu benutzte man früher vielfach Fresnelsche Linsensysteme, jetzt ausschliesslich Spiegelreflektoren. Die beste Form solcher Spiegel ist das Paraboloid, weil es alle Strahlen, die durch seinen Brennpunkt gehen, mit seiner Achse gleichlaufend zurückstrahlt. Metallspiegel, so weit diese überhaupt in Gebrauch sind, werden daher stets nur in dieser Form angewendet. Parabolische Glasspiegel fertigt bis jetzt nur die Aktiengesellschaft Schuckert in Grossen von 30 cm bis 150 cm Durchmesser. Diese mit

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344 Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festnngskriege.

8ilberbelegung versehenen Spiegel sind sehr gut und übertreffen alle übrigen bedeutend. Siemens setzt seine Spiegel aus einem sphärischen Mittelstück und mehreren sphärischen Ringen zusammen. Jeder dieser Theile spiegelt die Strahlen annähernd parallel der Spiegelachse. In Frankreich benutzt man den Manginschen Spiegel. Bei diesem Spiegel, der sphärisch geschliffen ist, wird die Streuung dadurch vermindert, dass seine innere Schleifung nicht mit der äusseren gleichlaufend , sondern

Abbild. 1. 80cm Scheinwerfer mit Abbild. 2. 90 cm Scheinwerfer mit para-

Mangin-Spicgel und sehniger Lampe. boliscliem Spiegel und horizontaler Lampe.

stärker gekrümmt ist. Der Spiegel hat daher nach dem Rande zu eine grössere Stärke. Hierdurch wird eine verschiedene Brechung der ge- spiegelten Strahlen erzielt, die ihre Richtung der gleichlaufenden nähert. Die grössten Manginschen Spiegel haben 90 cm Durchmesser.

Gute Spiegel streuen nur etwa 2°.

Alle diese Spiegel sind in Gehäuse eingesetzt, die eine volle Horizontal- und eine bedeutende Vertikalbewegung gestatten. Die Einrichtung ist derart, dass man mit einer groben Bewegung schnell im Allgemeinen ein-

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege. 345

richten und dann mit einer feinen Bewegung durch einen Zahntrieb genauer einstellen kann.

Die Lampen werden in die Scheinwerfer, in welche die Leitungen eingeführt sind, fest eingesetzt und so eingestellt, dass die hellsten Stellen der positiven Kohle im Brennpunkte des Spiegels stehen. Es sind hierzu Vorrichtungen zum Verschieben der Lampen vorhanden. Man kann an dem Lichtkegel selbst sehen, ob die Lampen richtig stehen, oder ob die Strahlen zu sehr streuen oder Bich überschneiden. Die Gehäuse der Spiegel sind vom durch eine Glasscheibe geschlossen, die meist aus einzelnen senkrecht zusammenstossenden Stücken zusammengesetzt ist. An der Seite des Gehäuses erscheint auf einer matten Glasscheibe ein Bild der Kohlenspitzen mit dem Lichtbogen.

In Abbild. 1 und 2 sind Scheinwerfer im Querschnitt dargestellt und zwar in Abbild. 1 ein 60 cm-Scheinwerfer mit Mangin-Spiegel und schräger Lampe, in Abbild. 2 ein Schuckertscher 90 cm-Scheinwerfer mit para- bolischem Spiegel und horizontaler Lampe.

Um den Lichtkegel verbreitern zu können, sind einfache und doppelte Lamellenstreuer in Gebrauch. Bei der ersteren Art wird an Stelle der vorderen Schutzscheibe eine Scheibe aus planconvexen Cylinderlinsen an- gebracht, bei der letzteren sind zwei solche Scheiben mit gleicher Anzahl von Cylinderlinsen so vor einander gesetzt, dass ihre ebenen Seiten ein- ander gegenüberstehen. Die hintere Scheibe ist in der Richtung der Spiegelachse verschiebbar und be- steht aus Gläsern von grösserer Brennweite als die vordere. Werden die Gläser so weit von einander ent- fernt, dass ihre Auseinanderstellung der Summe ihrer Brennweiten gleich ist, so erhält man gleichlaufend aus- tretende Strahlen, also concentrirtes Licht. Nähert man die Gläser ein- ander, so kann man eine Streuung bis zu 45° erzielen. Wir übergehen die Konstruktion anderer Doppel- streuer und bemerken nur noch, dass bei einfachen Streuern je nach der Brennweite der Linsen Streuungs- winkel von 13 bis 45° erzielt werden.

Abbild. 3 stellt einen Scheinwerfer mit doppeltem Lamellenstreuer dar.

Ohne Lamellenstreucr kann man auch Abbild. 3. Scheinwerfer mit Doppelstreuer durch einfache Verschiebung der Lam- mit elektromotorischer Bewegung,

pen Streuungen bis zu erzielen.

In jedem Falle, wo das Licht über eine breitere Fläche gestreut wird, tritt eine entsprechende Abschwächung ein. Streuer sind daher hauptsächlich an solchen Scheinwerfern anzubringen, von denen zeitweilig auf kurze Entfernung eine grössere Fläche beleuchtet werden soll. Dies iBt hauptsächlich bei Schiffs- und Küstenbeleuchtungsapparaten der Fall.

An einzelnen Scheinwerfern sind noch Vorrichtungen zur plötzlichen Verdunkelung angebracht. Man kann mit solchen Scheinwerfern durch

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege.

Lichtzeichen telegraphiren. Das Licht zum Zeichengeben wird dabei entweder unmittelbar gegen den Empfänger oder gegen Dunst und 'Wolkenmassex des Himmels gestrahlt. Solche Verdunkelungsvorrichtungen können ver- schieden gestaltet sein. Sehr gebräuchlich sind jalousieartige Einrichtungen, die in der Oeffnung der Scheinwerfer angebracht sind und beliebig geöffnet und geschlossen werden können.

Abbild. 4.

Um die Lange der Schatten möglichst zu vermindern, müssen dio Scheinwerfer auf erhöhten Punkten auf gesteht werden. Da solche sich im Gelände nicht immer finden, werden Gerüste aufgestellt. Am besten eignen sich solche Gerüste, die ihren Standpunkt leicht wechseln können, z. B. die fahrbaren Thurragerüste (Abbild. 4) und fahr- baren Leitern. Die ersteren geben dem Scheinwerfer und seiner Bedienung einen festen Aufstellungsplatz und machen cs möglich, ihn 10 m hoch zu heben. Bei letzteren hängt der Scheinwerfer an dem oberen Ende der schräg stehenden Leiter, auf welcher der ihn bedienende Mann stellt. Der Scheinwerfer darf daher nicht zu schwer sein und kann aus diesem Grunde keinen Glac- spiogel, sondern nur einen leichten Metallspiegel erhalten. Hierdurch wird die Lichtstärke wesentlich verringert. Auch die Bedienung des Scheinwerfers auf der Leiter ist unbequem. Trotzdem diese eine Erhöhung des Lichtes von 18 m über dem Erdboden gestattet, zieht man daher die Thurmgerüste den Leitern vor. Beide Geräthe werden in sehr guter Ausführung von der Firma Magirus in Ulm gefertigt.

Zum Transport der Scheinwerfer, von denen die grösseren (90 ein) 250 bis 300 kg wiegen, bedient man sicli meist besonderer Wagen. Nur bei kleineren Typen befördert man die Scheinwerfer auf den Motorenwagen.

In den Forts selbst kann man Scheinwerfer nur in hebbaren Pauzer- thiirmen einigermaassen gesichert auf stellen. Man hat dabei verschiedene Systeme angewendet, und zwar das Licht entweder unmittelbar durch die

Fahrbares Tburmgerüst von Magirus in Ulm (aufgestellt:.

Oeffnung des Thurmes ausstrahlen lassen (Abbild. 5), oder von nnten gegen einen oben im Thurm schräg eingesetzten Planspiegel geworfen und von diesem gespiegelt. In letzterem Falle sind die Scheinwerfer weniger der Zerstörung durch Zufallstreffer ausgesetzt, das Licht wird aber zu sehr abgeschwächt.

Scheinwerfer, die fest anfgestellt sind, z. B. auf Schiffen und in Be- festigungen selbst, können mit elektrischer Bewegung ausgestattet sein. Zu einer solchen sind 8 Leitungen und zwei Motoren erforderlich. Einer dieser Motoren dient zur Seitwärtsbewegung, der andere zum Heben und Senken des IJchtes. Durch einen Umschalter werden stets je zwei der Leitungen auf einen Motor gelegt. Je nachdem man dabei noch einen Widerstand einschaltet, laufen die Motoren schneller oder langsamer und bewogen demgemäss den Scheinwerfer.

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Pestongskricge. 347

Zur Erzeugung des Lichtbogens in der Lampe ist ein starker elek- trischer Strom erforderlich. Er wird gewöhnlich unmittelbar durch eine Dynamomaschine hervorgebracht. In den meisten Fällen benutzt man für jeden grösseren Scheinwerfer eine Dynamomaschine, nur bei kleineren Scheinwerfern legt man auch zwei an eine Dynamomaschine und schaltet sie nebeneinander. Die Dynamomaschinen können beliebigen Typen an- gehören, wenn sie nur dieselbe elektrische Leistung geben. Bei beweg- lichen Beleuchtungsanlagen ist es vortheilhaft, möglichst leichte Dynamo- maschinen zu verwenden. Gusseisenkerne der Elektromagnete Sind daher ausgeschlossen.

Akkumulatoren kommen hauptsächlich für fest eingebaute Beleuchtungs- anlagen in Betracht, da sie sich auf schlechten Wegen nicht gut trans- portiren lassen und bei kleiner Zahl nicht ge- statten, Licht auf län- gere Zeit zu geben.

Für fahrbare Beleuch- tungsanlagen der Be- lagerungstrains sind sie gar nicht geeignet.

Zum Laden der Akku- mulatoren ist übrigens die Dynamomaschine doch erforderlich.

Dynamomaschine und Scheinwerfer wer- den durch Kupfer- leitungen verbunden, die je nach ihrer Länge und der Stärke des Stromes grössere oder geringere Querschnitte haben. Um nicht zu starke Leitungen an- wenden zu müssen, kann man die Ent fernung der Schein- werfer von den Auf- stellungspunkten der Dynamomaschinen nicht über 400 m ausdehnen.

Im Allgemeinen rechnet man für je 2 Ampöre Stromstärke 2 qmm Querschnitt der Kupferleitung, also z. B. für 80 Ampere 40 qmm, d. h. 7 mm Durchmesser. Bei fest eingebauten Anlagen kann man starren Kupferdraht verwenden, für bewegliche Beleuchtungseinrichtungen sind biegsame Kabel erforderlich, die aus dünnen Kupferdrähten zusammen- gedreht sind. Bei schwächeren Leitungen vereinigt man zuweilen zwei Kupferleitungen in einem Kabel. Die Kabel sind aussen durch Gummi isolirt und demnächst durch Bandumwickelung und gethoerte Hanfgarn- umspinnung geschützt oder auch nur mit doppelter guinmirter Band- umwickelung und Garnumspinnung versehen. Zum Transport werden sie in Stücken von 100 oder 200 m auf hölzerne Trommeln aufgewickelt. Man befördert die Kabel meist auf denselben Wagen wie die Scheinwerfer. Die Verbindung der Kabelstücke geschieht durch Klemmen odor Muffen.

Für das Betreiben der Dynamomaschinen sind Motoren erforderlich,

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348 Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege.

deren Arbeitsleistung sich nach der Stärke der Dynamomaschine richten muss. Je nach der Grösse der Lichter Bind Maschinen von 5 bis 15 PS. im Gebrauch. Bei festen Anlagen verwendet man auch in Hohlräum« fest aufgestellte Dampfmaschinen oder Petroleum- (Benzin-) Motoren, fce beweglichen Beleuchtungseinrichtungen werden entweder Lokomobile! ähnliche Dampfmaschinen oder fahrbare Petroleummotoren benutzt. Die letzteren haben verschiedene Vortheile. Sie sind leichter, bedürfen me einer geringen Menge Wasser und einer im Vergleich zu den Dampf maschinen unbedeutenden Menge von Brennstoff. Sie lassen sich ia wenigen Minuten in Betrieb setzen, während bei Dampfmaschinen, vom Beginn des Anheizens an gerechnet, mindestens eine halbe Stunde, meist erheblich mehr dazu erforderlich ist. Endlich verrathen sie ihren Auf stellungspunkt nicht durch Rauch. Bei stärkeren Kraftleistungen ist ihr Gang aber gewöhnlich unregelmässiger als bei Dampfmaschinen und ihre Bedienung, besonders im Dunkeln, gefährlicher, da leicht Erplosionen Vorkommen können. Für die grössten Lichter hat man daher, trotz der vorher angeführten Uebelstände, die Dampfmaschinen beibehalten und Petroleummotoren nur für kleinere Lichter gewählt.

Die Dampfmaschinen haben im Allgemeinen stehende Röhrenkessel. ähnlich wie die Dampfspritzen und die Drei- oder ViercylindermaschinM oder Dampfturbinen, welche die Dynamomaschinen direkt antreiben, doch können auch Riemenantrieb, Seiltrieb und Presskuppelung Vorkommen Bei direktem Antrieb muss die Antriebswelle, der Tourenzahl der Dynamo- maschine entsprechend, 600 bis 800 Umdrehungen in der Minute machen. Dynamomaschinen von geringerer Tourenzahl lassen sich nämlich nur für feststehende Anlagen anwenden, da sie bei gleicher Leistung viel schwerer sind als Dynamomaschinen mit höherer Tourenzahl und daher das Fahr zeug zu schwer machen würden. Dampfkessel, Dampfmaschine und Dynamomaschine sind stets auf einem Wagen gemeinsam aufgestellt. Das Gewicht solcher Wagen ist ziemlich bedeutend, so z. B. wiegt der in Abbild. 6 dargestellte Beleuchtungswagen 3800 kg.

Die kleineren Hiilfsapparate, als Schaltbretter mit den nöthigen elek- trischen Messapparaten, Tourenzähler, künstliche Widerstände u. s. w. wollen ■wir übergehen, da sie nur für denjenigen Interesse bieten, der sich selbst mit dergleichen BeleuchtnngBapparaten zu beschäftigen hat.

Nur der Akkumulatoren möchten wir noch kurz Erwähnung thnn. Sie bestehen bekanntlich ans Bleiplatten oder Bleigittern , die in eine Mischung von Wasser und Schwefelsäure getaucht werden. Beim Laden wird die Oberfläche der positiven Platten in Bleisuperoxyd, die Oberfläche der negativen Platten in schwammiges metallisches Blei verwandelt, beim Entladen geht auf beiden Platten eine Rückbildung zu Bleioxyd vor sieb.

Die Stromstärke eines normal geladenen Akkumulators richtet sich nach der Grösse der wirksamen Oberfläche seiner Platten. Akkumulatoren, die lange einen starken Strom entwickeln sollen, müssen daher sehr gross und sehr schwer sein. Die Spannung eines jeden Akkumulators schwankt zwischen 2,5 und 1,8 Volt. Unter letztere Spannung darf man die Ent- ladung nicht treiben, ohne den Akkumulator zu verderben. Um die Spannung von 65 Volt zu erhalten, die für Bogenlampen gebraucht wird, müssen also 36 Akkumulatoren hintereinander geschaltet werden. Mit diesen kann man dann je nach ihrer Grösse 3 bis 6 Stunden Licht geben. Hieraus ergiebt sich, dass sich Akkumulatoren für bewegliche Beleuchtungs- anlagen mit grossem Licht nicht eignen.

Bei den vorstehenden Betrachtungen sind nur die Geräthe zur Vorfeld-

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Die elektrische Beleuchtung <les Vorfeldes im Festungskriege.

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Abbild. 6. Beleuchtnngsvragen.

350 Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege.

beleuchtung auf weite Entfernungen berücksichtigt worden. Es wären noch kurz diejenigen Geräthe zu erwähnen, welche benutzt werden, mo Patrouillen und einzelnen Posten die Möglichkeit zu geben, auf kurze Entfernungen ein Stück Gelände zu beleuchten.

Hierzu sind meist Leuchtfackeln und ähnliche Mittel angewende: worden, von elektrischer Beleuchtung hat man nur wenig Gebrauch

gemacht. Leichte Patrouillenlampen, wie sie in Abbild. 7 zur Darstellung ge- langt ist, bestehend aus einem kleinen Scheinwerfer mit parabolischem Me- tallspiegel und einer etwa im Brennpunkt mit dem leuchten- den Kohlenfaden eingesetzten Glüh- lampe, werden aus schliesslich von der Aktiengesellschaft Schuckert- N ürn berg hergestellt. Diese Lampen werden von dem Posten vom am Leibriemen getragen und empfangen den elektrischen Strom durch eine aus sechs kleinen Akkumula- toren bestehende Batterie, die wie ein Tornister auf dem Rücken getragen wird. Die Batterie, deren Akkumulatoren entweder mit gallertartig verdickter Flüssigkeit gefüllt oder wasserdicht verschlossen sind, ist mit der Laterne durch eine Loitungsschnur verbunden. Ein Umschalter am Scheinwerfer gestattet es, das Licht nach Belieben strahlen oder erlöschen zu lassen. Eine solche Laterne leuchtet bis auf 100 m und kann 3 bis höchstens 6 Stunden Licht geben. Dies richtet sich nach der Grösse der Akkumulatoren. Auch von anderen Firmen werden Patrouillenlampen hergestellt, deren Konstruktion der beschriebenen ähnlich ist.

Nachdem neuerdings Acetylengaslateruon hergestellt sind, die ein- schliesslich Gaserzeugungsapparat weniger wiegen als die elektrische Laterne mit ihrer Batterie und eben so weit leuchten, dürfte das elektrische Licht für Posten und Patrouillen vorläufig nicht in Frage kommen. Für die grossen zur Fernbeleuchtung nothwendigen Lichter wird die Elektrizität aber immer ihren Platz behaupten.

Dieses Licht findet besonders im Festungskriego Anwendung und zwar sowohl beim Vertheidiger wie beim Angreifer.

Bei dem Vertheidiger dient es dazu, die Anmarschstrassen bei Nacht zu beobachten, die zur Errichtung von Parks und Depots zu benutzenden feindlichen Arbeiten und Truppenanhäufungen rechtzeitig zu entdecken, die Wirkung des Artilleriefeuers gegen Deckungen des Angreifers zu beobachten, die Zwischenräume der Forts zeitweilig einzuseheu. Bei Küstenbefestigungen

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege. 351

muss man das Fahrwasser beleuchten und feindliche Landungsversuche zu entdecken suchen.

Der Angreifer benutzt das elektrische Licht, um Ausfälle und nächt- liche Unternehmungen des Vertheidigers zu sehen, wichtige Ziele, besonders beschossene Forts, auch bei Nacht anzuleuchten, um die Wirkung der eigenen Artillerie zu beobachten und Ausbesserungsarbeiten zu hindern.

Um diese Zwecke zu erfüllen, muss das Licht recht stark sein und weit reichen. Kleinere Scheinwerfer sind daher nur für besondere Falle verwendbar, meist müssen grosse in Thätigkeit treten. Scheinwerfer Uber 90 cm Durchmesser lassen sich nur in festen Aufstellungen in Befestigungen benutzen, da sie zum Transport zu schwer sind. Sie kommen daher bi» jetzt nur bei Küstenbefestigungen vor und sind dann meist mit doppeltem Lamellenstreuer und Signalisirapparat zur wechselnden Erhellung und Verdunkelung versehen. Gewöhnlich ist bei ihnen auch für elektrische Fernbewegung Sorge getragen, da es bei rasch beweglichen Gegenständen nöthig ist, dass der Beobachter den Scheinwerfer selbst richten kann, weil der Verkehr mit Fernsprecher oder Apparat zu lange Zeit zwischen Befehl und Ausführung erfordert.

Am meisten wendet man im Festungskriege Scheinwerfer von 90 cm Oeffnung an, für besondere beschränktere Zwecke von 60 cm Oeffnung. Beide werden gewöhnlich in wechselnden Stationirungen benutzt; wo sie jedoch in festen, schuss- oder bombensicheren Aufstellungen untergebracht sind, ist wechselnde Stationirung ausgeschlossen. Man bevorzugt für die Aufstellung in Panzerthürmen die kleinen Scheinwerfer, weil sie eine geringere Oeffnung des Thurmes beanspruchen und ein kleineres Ziel bieten. Bei fahrbaren Beleuchtungseinrichtungen finden die Scheinwerfer hauptsächlich durch die Schwierigkeit dos Entfernungsschätzens und den Wechsel der Stellung ihren Schutz. Die Bestimmung der Entfernung, in der sich ein Scheinwerfer befindet, ist nämlich keineswegs leicht. Ge- wöhnlich wird erheblich zu kurz geschätzt, oft bis auf ein Drittel der wirklichen Entfernung.

In allen Fällen der Anwendung elektrischer Vorfeldbeleuchtung muss der Beobachter von der Lichtquelle selbst entfernt stehen, und zwar seitlich des Lichtkegels, weil er sonst durch das nahe Licht zu sehr geblendet wird und entferntere Gegenstände nicht mehr wahrnimmt. Der Beobachter muss ferner vorgeschoben werden, um auf weitere Entfernungen bei Abnahme der Lichtstärke noch genügend scharf sehen zu können. Zwischen Scheinwerfer und Beobachter ist daher eine Verbindung durch Fernsprecher oder Summer herzustellen und demgemäss jedem Beleuchtungs- wagen das erforderliche Geräth zuzutheilen. Die Verbindung geschieht durch leichte Feldkabel, die von Trommeln abgerollt werden, deren mehrere sich auf einer Trage befinden. Der Summerbetrieb empfiehlt sich besonders, weil die betreffenden Töne nicht so auffällig sind, wie gesprochene Worte, und weil bei dieser Betriebsart auch Leitungen mit der mangelhaftesten Isolation benutzt werden können. Die Uebermittelung der Nachrichten mit Summer geht auch ebenso schnell wie mit dem Fernsprecher, besonders wenn für die häutigst vorkommenden Weisungen kurze Zeichen verabredet sind, z. B. »r« für »rechts«, »1« für »links«, »h« für heben, »s« für senken oder ähnlich.

Die Beobachtung im Gelände i»t keineswegs ganz einfach, besonders macht die Orientirung grosse Schwierigkeiten. Da das diffuse Licht fort- fällt, das bei Tage und selbst bei Mondschein den im Schatten liegenden Geländctheilen Beleuchtung zukommen lässt, so zeigt das Gelände ein

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Die elektrische Beleuchtung des Vorfeldes im Festungskriege-

wesentlich anderes Aussehen bei elektrischer Beleuchtung als wie *e- wohnlich. Die Schatten heben sich völlig dunkel gegen das Licht ab ux.i machen daher oft den Eindruck von starken Vertiefungen. Zudem sini sie bei dem niedrigen Standpunkt, der den Scheinwerfern meist nur gegeben werden kann, gewöhnlich sehr lang. In manchen Fällen kauen man sie etwas vermindern, wenn man denselben Geländetheil mit nt« Scheinwerfern von auseinanderliegenden Aufstellungspunkten aus bestrahlt. Durch Vereinigung beider Lichter auf eine Stelle kann man dann axu:~ diese sehr stark erhellen.

Ausser diesen eigenartigen Schatten wird die Orientirung noch weiter durch die Schmalheit der beleuchteten Fläche erschwert. Wir sind nicht gewöhnt, die Eigenartigkeit des Geländes in schmalen Streifen aufzufassen Diese geringe Breite des Lichtkegels ist aber durchaus erforderlich, wenn das Licht auch auf weite Entfernungen genügend stark bleiben soll. Ein guter Scheinwerfer darf auf 3000 m nicht mehr als 100 bi* 150 m streuen.

Demgemäss muss die Beobachtung bei elektrischem Licht sehr gut eingeübt werden, wenn sie gute Ergebnisse liefern soll. Bei festen Anlagen werden Hauptrichtungslinien für den Scheinwerfer auf seinem Untergestell bezeichnet, so dass sie sich ohne Weiteres finden lassen. Bei beweglichen Scheinwerfern ist es manchmal möglich, am Tage vorher Richtungslinieo für den Scheinwerfer an seinem Untergestell zu bezeichnen.

Bei einer Mobilmachung müssen daher die Beleuchtungsabtheilungen in Festungen oder Belagerungstrains sofort täglich eingehende Uebungen anstellen. Die Beobachter sind dazu mit sehr guten Doppelfemrohren auszurüsten. Nebel hindert die elektrische Fernbeleuchtung sehr stark, Mondschein unterstützt sie nicht, weil die Schattenwirkung der an sich schwach beleuchteten Gegenstände und somit ihr Unterschied gegen einander schwächer wird. Besonders ungünstig ist die Stellung des Scheinwerfers dem Mond entgegen. Holle Gegenstände sind in dem elektrischen Lichte bedeutend besser erkennbar als dunkele. Helle Ge- bäude heben sich besonders stark hervor. Liegen sie im Vordergründe, so stören sie den Einblick in das weitere Vorfeld, indem sie das Auge gegen dunklere Gegenstände abstumpfen. Es ist daher oft nöthig, den Beobachter vor solche Gebäude vorzuschieben. Gegenstände, die sich be- wegen, machen sich für das Auge mehr bemerklich als in Ruhe befind- liche. Für Arbeiter, Patrouillen, kleine Truppenabtheilungen empfiehlt es sich daher, sich ruhig zu verhalten, am besten sich niederzulegen, sobald sie in den Lichtkegel kommen. Sie werden dann oft von dem Beobachter nicht entdeckt. Ein schnelles Bewegen des Scheinwerfers kann durch überraschende Beleuchtung manchmal zu Entdeckungen führen. Im

Allgemeinen ist es aber vortheilhafter, das Vorfeld langsam abzuleuchten. In dieser Beziehung wird vielfach gefehlt und der Scheinwerfer zu schnell gedreht. Es wird dabei nicht beachtet, dass der LichtBtreifen auf weitere Entfernung schon bei mässiger Drehung mit der Geschwindigkeit eines Eisenbahnzuges über das Gelände streicht. Bewegt man z. B. den Schein- werfer um in einer Sekunde, so hat der Lichtstreifen auf 5000 m eine Geschwindigkeit von etwa 90 m in einer Sekunde, auf 2500 m immer noch von 45 m. Natürlich macht eine so schnelle Bewegung eine gute Beobachtung unmöglich.

Die Aufstellung der Scheinwerfer beim Vertheidiger erfolgt in festen Anlagen in den Forts zur Beleuchtung wichtiger Annäherungswege, schwer zu überschreitender Engpässe, Sperren von Flüssen und Häfen, Hafcnein-

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fahrten und der Fortszwischenräume, in wechselnden Stellungen zur Ent- deckung nächtlicher Unternehmungen jeder Art des Angreifens.

Die Scheinwerfer sind in letzterem Falle auf erhöhten Punkten in der Fortslinie oder hinter ihr aufzustellen. So lange das weitere Vorfeld vor einer Festung behauptet wird, ist es sogar unter Umständen geboten über die Fortslinie hinaus zu gehen. Man wählt die Aufstellungspunkte möglichst nah an guten Strassen. Stehen Thurmgerüste zur Verfügung, so ist es vortheilhaft, hinter einer nicht zu hohen Maske, z. B. einem Gehölz oder Aehnlichem zu bleiben und nur zeitweilig den Scheinwerfer zum Leuchten über diese Maske zu heben. Die Lichtmaschine stellt man unter allen Umständen seitwärts rückwärts vom Scheinwerfer möglichst gedeckt auf. Die Aufstellung unmittelbar hinter Gegenständen, die sich für den Angreifer besonders hervorheben und daher eine gute Schätzung der Entfernung ermöglichen, ist zu vermeiden. Wenn es irgend möglich ist, entfernt man die Scheinwerfer vom eigentlichen Kampffelde und leuchtet von seitlichen Stellungen auf dasselbe.

Für den Angreifer gelten ähnliche Gesichtspunkte. Er ist insofern besser gestellt wie der Vertheidiger, weil er über die Lage der Kernpunkte der feindlichen Befestigungen unterrichtet ist. Er beobachtet Ansamm- lungen von Truppen in der Nähe der Befestigungen, Strassenziige, die zu seinen wichtigsten Anlagen wie Parks u. s. w. führen, beschossene Werke zur Verhinderung von Aufrämnungsarbeiten. Ungünstig für den Angreifer ist es, dass der Vertheidiger das Vorfeld der Festung ganz genau kennt und daher sehr gut schätzen kann, an welcher Stelle ein Scheinwerfer des Angreifers sich befindet. Gegen Scheinwerfer sucht man hauptsäch- lich mit Schrapnelfeuer zu wirken, Infanteriefeuer ist gewöhnlich wegen der grossen Entfernung ausgeschlossen. Tritt Gefahr für den Schein- werfer ein, so muss er sein Licht löschen und versuchen, eine andere Auf- stellung zu nehmen. Eine seitliche Verschiebung ist in diesem Falle weniger wirksam als im Vor- oder Zurückgehen.

In den meisten Fällen kann bei sehr grossen Entfernungen das Licht eines Scheinwerfers unbeachtet bleiben, besonders wenn nicht angenommen zu werden braucht, dass ein Beobachter nahe herangeschoben ist. Bei dem sehr abgeschwächten Lichte vermag nämlich ein fern stehender Beobachter auf grössere Entfernung nur sehr wenig zu erkennen, auch wenn es dem Beleuchteten scheint, als müsse er gesehen werden. Auf 5000 m z. B. kann man im Lichtkegel bei Scheinwerfern von 90 cm Oeffnung noch ganz gut mittlere Schrift lesen, es ist aber für einen Beobachter sehr schwer, auf 1000 m Entfernung irgend etwas, ausser sehr grossen Gegenständen, deutlich zu erkennen. Arbeiter, die sich auf solche Entfernung im Lichtkegel befinden, thun also am besten, sich nicht stören zu lassen und das gespendete Licht als eine freundliche Unterstützung des Gegners zu betrachten.

Zum Schlüsse wollen wir noch kurz anführen, welches Geräth und Personal zu einer beweglichen Beleuchtungsstation erforderlich ist.

1. Geräth:

1 Beleuchtungswagen mitDampfkessel, Dampfmaschine und Dynamo- maschine, öspännig,

1 Wagen für den Scheinwerfer, die Kabel und sonstiges Geräth, 2spännig,

1 fahrbares Thurmgeriist, 4spännig,

1 Kohlenwagen, 2spännig,

1 Wasserwagen, 2spännig,

Kriegst©chniKhe Zeitschrift. 1898. 8. Heft 23

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354 Ueber die russischen Maassnnhmen gegen i'lewna.

2 tragbare Telegraphen- oder Fernsprech- und Summer- .Sys teas- zur Verbindung mit dem Beobachter nebst 2000 bis 3(K»> o Kabel auf 2 bis 3 Tragen,

2 tragbare Fernsprech- und Summer-Systeme zur Verbindung ce Scheinwerfers mit dem Beleuchtungswagen und der nächst« Kommandostelle (Fort u. s. w.) mit 1500 bis 2000 m Kai« auf 2 Tragen.

2. Personal:

1 Offizier zur Leitung der Lichtstation,

1 Unteroffizier zur Bedienung des Scheinwerfers,

6 Mann zu Hülfsleistungen am Scheinwerfer,

1 Maschinist,

1 Heizer,

4 Mann zum Heranschaffen von Wasser und Kohlen,

6 bis 8 Fahrer,

1 Offizier als Beobachter,

2 Unteroffiziere als Führer des Beobachtungstrupps und de? Trupps zur Fernsprechverbindung nach rückwärts,

4 Telegraphisten,

8 bis 10 Mann zum Kabeltragen,

2 Mann zum Aufkurbeln.

Im Ganzen 2 Offiziere, 3 Unteroffiziere, 30 bis 34 Mann, 16 Pferde. Die dieser Betrachtung beigefügten Zeichnungen sind meist dem Buche entnommen: »Die elektrische Vorfeldbeleuchtung und deren Anwendung im Festungskriege von Carl Exler, K. und K. Hauptmann im Geniestabe. Wien 1894, L. W. Seidel und Sohn.« Dieses Buch kann allen denjenigen, welche sich auf dem betreffenden Gebiete eingehender unterrichten wollen, nur angelegentlichst zum Studium empfohlen werden. q ±

Ueber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

Hierzu eine UeberaichtaHkizze.

Die Kriegsprobe, welche für alle in der Zeit des gezogenen Geschützes erbauten Festungen noch aussteht, ist im Feldzuge 1877/78 einem Lande zu Theil geworden, zu dessen Ueberlieferungen eine gute Verteidigung seiner festen Plätze soweit gehört, als der noch allgemeiner gültige Charakterzug seiner Heerfiilirung, die vollständige Unberechenbarkeit all« Maassnahinen, dies zulassen will.

Zu diesen Festungen darf man aber keineswegs Plewna rechnen. Es erscheint nothwendig, dies von vornherein zu betonen, uni die russischen Operationen dagegen richtig zu beurtlieilen. Diesem Ort, von dessen Dasein vor 1877 ausserhalb Bulgariens höchstens die Geographen etwas wussten, fehlte der Charakter der Festung, d. h. die Eigenschaft der Sicherung eines strategisch wichtigen Punktes mit möglichst geringen lebenden Kräften, vollständig. Nicht einmal eine Festungs- Improvisation kann Plewna genannt werden, da es die Bewegungsfreiheit des Heeres aufhob und der Ausrüstung mit schwerem Geschütz entbehrte. Vielmehr war es in dem ersten Zeitraum des Krieges lediglich eine feldfortifikatorische Frontverstärkung der türkischen Feldarmee zur Erhöhung ihrer Ver- theidigungskraft, in der zweiten Periode eine hieraus erwachsene feste Positionsverschanzung , die infolge Fehlens genügender materieller Sturin-

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Ueber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

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freiheit grosse aktive Kräfte zur Vertheidigung benöthigte, d. h. die Feld- armee an die Oertlichkeit fesselte. Dass trotzdem einem wohldisziplinirten, an Zahl überlegenen Angreifer gegenüber ein so erfolgreicher, fast fünf- monatiger Widerstand lediglich hinter den erst im Angesicht des Feindes aus dem Nichts entstandenen Erdbrustwehren gelungen und Plewna schliesslich nur durch Hunger bezwungen worden ist, dass es überhaupt

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einen maassgebenden Einfluss auf den ganzen Gang des Krieges gewinnen konnte, verdankt es neben seiner Bedeutung als Flankenstellung zunächst seinen Truppen und der ungeschickten Art, wie es von den Russen beachtet wurde. Wohl haben auch die Werke ihren Antheil an dem Erfolge. Haben sie doch trotz verhältnissmässig schwacher Artillerie energischer und anhaltender Beschiessung aus zahlreichen, darunter schweren Ge- schützen sowie den wiederholten Nahangriffen tüchtiger Truppen fast durchweg widerstanden und endlich den Angreifer dadurch gezwungen,

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lieber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

zur engeren Einschliessung mit förmlichen Angriffsmitteln zu schreiten. Haben sie ihn doch dauernd auf diese Angriffsart beschränkt, indem sie jede versuchte Abkürzung des Verfahrens vereitelten, während die wohl- ausgerüsteten Festungen Kardahan, Nikopolis und Kars gewaltsamen An- griffen unterlagen. Trotzdem ist der entscheidende Theil des tüchtigen Widerstandes von Plewna eine That seiner Vertheidigungsarmee und vor Allem in den fehlerhaften Maassnahmen des rassischen Angreifers zu suchen. Diese Grundursache soll nun hier näher beleuchtet werden.

Bei dieser Betrachtung sind zwei Perioden zu unterscheiden. Die erste umfasst die Zeit vom Eintreffen Osman Paschas bis zur zweiten siegreichen Behauptung der gewählten Front, also etwa vom 9. bis 30. Juli, die zweite Periode die Monate bis zur Vernichtung des türkischen Heeres, bis zum sogenannten Fall Plewnas.

In dem ersten Zeitraum ist der russische Anlauf am 20. Juli und der Sturm vom 30. Juli zu erörtern.

Am 7. Juli hatte am Wid die erste Fühlung mit den Truppen Osmans stattgefunden. Doch unterschätzte das russische Oberkommando, das seine Augen auf den glücklichen Fortgang des Centrums der Armee unter Gurko gerichtet hatte, sowohl Stärke als Nähe des Feindes. Dieser hatte sich von Wid(d)in her unbemerkt gegen den rechten russischen Flügel heranbewegt und nahm, zum Angriffe zu schwach, am 9. Juli bei Plewna eine die strategische Flanke und Verbindung der Bussen sowie ihren nur drei Märsche entfernt liegenden, fehlerhafter Weise unbefestigten Donauübergang Sistowa Simnitza bedrohende Stellung ein. Dieselbe lag auf etwa dem halben Wege zwischen Widin und Schumla und war örtlich durch die Natur des Geländes eine sehr günstige. Von hier aus war auch ein Vorgehen auf verschiedenen Hauptstrassen leicht möglich, die rück- wärtige Verbindung nach Widin (über Rachowa) und Sofia (über den Balkanpass Baba-konak) bequem und gesichert. Auf die Nachricht von einer schwachen Besetzung Plewnas erhielt die 5. Division dos Krüdener- schen Korps (9.) unter Generallieutenant Schilder- Schuldner den Befehl, mit einer Abtheilung aus 9 Bataillonen, 4 Kavallerie -Regimentern und 32 Geschützen, etwa 8000 Mann, den Ort am 19. Juli anzugreifen. In zwei weit getrennten Kolonnen, auf zwei Anmarschlinien von Norden und Südosten her rückte der General vor und musste, da ein Regiment ver- spätet eintraf, den Angriff auf den 20. verschieben. Infolge oberflächlicher Erkundung kannte man die Stärke des Feindes nicht, der sich inzwischen auf etwa 30 000 Mann verstärkt hatte, also eine Zahl, gegen welche die Angriffstruppen keinesfalls ausreichten. Dass dio so aufs Gerathewohl an den Feind heranlaufende Infanterie nicht schon am 19. eine ernste Niederlage erlitt, verdankt sie wohl nur der Schwerfälligkeit der türkischen Truppen zu Angriffsbewegungen. Der am 20. Juli von NO und SO durch den tiefen Grand des Bukowlek- Baches gegen die überhöhende Stellung unternommene Angriff misslang vollständig, und die erste Bekanntschaft im offenen Felde mit dem bis dahin unterschätzten Gegner wurde theuer bezahlt. Warn mV

Unser Infanterie- Exerzirreglement sagt mit Recht: »Der Angriff auf eine vollentwickelte, wohl gar bereits vorbereitete Vertheidigungsfront muss ein von seinen Anfängen an durch die Führung geplanter sein und hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn ihm die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit gelingt.« Um einen solchen Angriff, noch dazu gegen einen in seiner Stärke unbekannten Gegner, handelte es sich hier. Schon am 9. Juli war die Avantgarde Osmans sofort zur Befestigung des die

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Ueber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

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Vertheidigung begünstigenden Geländes gegen die wahrscheinliche Angriffs- ric-htung der Russen von Norden und Nordosten geschritten; der rechte Flügel lehnte sich an die Strasse Lowtscha Plewna. Am 20. Juli bestand die 8 km lange Stellung wahrscheinlich aus den durch Laufgräben ge- üeeltten, wenn auch schwachen Redonten Suleiman Pascha-tabija, Griwiza und Ibrahim-bei-tabija im Norden und wurde von einer fast dreifachen TJeberlegenheit hauptsächlich durch starkes Gewehrfeuer ausgezeichnet vertheidigt. Hiergegen wurde nun russischerseits ein völlig übereilter Anlauf ausgeführt. Ohne genaue Erkundung, die sich auf die Gestaltung und die Schwierigkeiten des Geländes, die Art der Befestigung, die Stärke und Vertheilung der gegnerischen Kräfte, besonders die Aufstellung seiner Reserven, die geeignetsten Artilleriestellungen, die besten Annäherungswege der Infanterie und die geeignetsten Angriffspunkte zu erstrecken hatte, und ohne darauf gegründete Angriffsdisposition, sowie Bereitstellung der erforder- lichen Mittel, ohne artilleristische Feuerüberlegenheit, die der Infanterie den Weg bahnen muss, ja ohne Vorbereitung durch Infanteriefeuer wird rein frontal ein zusammenhangloser Sturm der beiden räumlich weit getrennten Kolonnen, von jeder auf eigene Faust, ohne taktische Uebereinstimmung mit der anderen ausgeführt und zwar sogleich mit allen verfügbaren Kräften.

Diese Planlosigkeit des Angriffs, ohne Einheit der Führung und fast ohne Reserve, auf einen überlegenen und unerschütterten Gegner musste den Sturm umsomehr zum Scheitern bringen, als die Truppen bei dem sehr starken Patronen verbrauch des fast sechsstündigen Gefechts und bei der schlecht eingerichteten Art der Munitionsergänzung bald das heftige Gewehrfeuer nicht mehr zu erwidern vermochten. Für den Rückzug fehlte es an Deckungstruppen, und er gelang nur infolge der Unterlassung des entschiedenen Gegenangriffs und der Verfolgung durch die Türken.

Die strategische Folge des misslungenen Sturmes war, dass die Vor- bewegung der Mitte des russischen Heeres stockte und der linke Flügel seine Offensive gegen das Festungsviereck vorläufig aufgeben und auf Verstärkung des rechten Flügels gegen Plewna Bedacht nehmen musste; denn das Vorhandensein eines so starken feindlichen Korps in der Nähe des wichtigen Donauüberganges Sistowa konnte der ganzen Armee be- drohlich werden.

Um die Fehler der ersten Uebereilung wieder gut zu machen über- eilten sich die Russen beim Sturm am 30. Juli zum zweiten Male. Zwar wurde die ernste Bedrohlichkeit der Türken bei Plewna richtig gewürdigt und ebenso erkannt, dass dagegen Maassregeln zu treffen nothwendig sei. Aber nicht der sofortige Angriff war das Gebotene, sondern wie auch General Krüdener vorgeschlagen das Beziehen einer Gegen- und Beobachtungsstellung, die Osman bei seinen Bewegungen auf Timowo hätte angreifen müssen, oder von der aus er selbst in der Flanke gefasst worden wäre, sobald genügend starke Kräfte zur Stelle waren. Aber aus Sorglosigkeit und verletztem Ehrgefühl unterschätzte das Oberkommando den Werth des Gegners und seiner starken Stellung und erwartete auf Grund einer Verstärkung auf 35 000 Köpfe (darunter 28 800 Mann In- fanterie) und 170 Feldgeschütze einen schnellen und sicheren Erfolg. Daraus entsprangen auch alle übrigen fehlerhaften Maassnahmen gegen Osman, der inzwischen auf über 28 000 Bajonette türkischer Kerntruppen und wenn auch nur 54, so doch viel weiter reichende Feldgeschütze, eine sehr viel reichere Patronenausrüstung und eine grössere Anzahl von Schanzzeug verfügte. Mit dem Spaten aber hatte er inzwischen Wunder-

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lieber die russischen Manssnahmen gegen Plewna.

dinge geleistet und so unter sorgfältigster Ausnutzung aller Eigen thiiinlich- keiten seiner natürlich starken Stellung an dem wichtigen Strassenknot*-j! eine Feldbefestigung hergestellt, die in den Hauptumrissen bereit» spätere verschanzte Lager aufwies. Eb waren zum grössten Theil mehren- dem Gelände vorzüglich angepasste, stockwerkförmig übereinander liegend- Reihen von Schützengräben, als deren Stützpunkte geschlossene viereckigs- Redouten starken Profils dienten, die für Etagenfeuer und mit Travers« eingerichtet waren. Die Hauptvertheidigung dieser Anlagen beruhte auf dem Gewehrfeuer. Dieser Stärkezuwachs glich also die artilleristische Unterlegenheit und auch die Minderheit an regulärer Kavallerie, zumal die Türken dafür über Tschorkessen verfügten, wieder aus, was die Russen wohl nicht genügend in Betracht zogen. Ein Zurückweisen ihres Sturmes unter Verlust von 7000 bis 8000 Mann musste, da der An- greifer auch sonst die alten Fehler machte, die Folge sein. Zunächst waren für den beabsichtigten gleichzeitigen Stoss in drei räumlich weit getrennten Abschnitten, von Norden, Osten und Südosten her, die Russen trotz aller Tapferkeit an Zahl zu schwach. Dies hätte umsomehr berücksichtigt werden müssen, als die Stärke Osmans fälschlich auf 60 000 Mann geschätzt wurde. Die unzureichende Erkundung zeigte sich auch in einer Ueberschätzung der Stärke der Ostfront und der dort ge- legenen Griwiza-Redoute als vermeintlichen Schlüssels der ganzen Stellung, gegen welche die russischen Hauptkräfte des rechten Flügels geleitet wurden und sich verbrauchten, während die Entscheidung auf der Süd- seite mit ihren dem Angriffe günstigeren Verhältnissen viel leichter zu erreichen war. Thatsächlich wurden auch hier Vortheile gewonnen, die aber um so weniger entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des ganzen Angriffs haben konnten, als infolge des nicht einheitlichen Oberbefehls die russischen Vorstösse nicht gleichzeitig auf der ganzen Linie erfolgten und bei dem fehlenden Zusammenhang in der Thätigkeit der drei Waffen und den zu schwachen und falsch aufgestellten Reserven nicht mit der erforderlichen Kraft unterstützt werden konnten.

Die Vorbereitung des Angriffs, der wiederum nur frontal erfolgte, durch Gewehrfeuer war überaus schwach, die Richtung der einzelnen Stösse und die Angriffspunkte waren falsch gewählt. Denn einmal lagen die beiden Haupteinbruchsstellen zu weit auseinander, wodurch ein über 4 km weiter leerer Raum in der Mitte entstand und die einheitliche Be- fehlsführung unmöglich wurde, dann aber entschieden nicht die allerdings sehr in die Augen fallenden Redouten, sondern die in ihren Zwischen- räumen gelegenen Schützengräben über den Besitz der Stellung und mussten daher statt der Redouten angegriffen werden. Einzig die Gefechts- leitung des schwachen Detachements Skobeljew und das Zusammenwirken der ihm unterstellten drei Waffen, namentlich auch die Thätigkeit seiner Kavallerie, waren ausgezeichnet, da sie in seltenem Maasse vorsichtige Ueberlegung mit tollkühner Entschlossenheit zeigten. Aber dadurch konnte der Erfolg des Ganzen nicht gerettet werden. Der Rückzug hinter die Osma nach Bulgareni und Poradim musste angetreten werden, was anf dem rechten Flügel in solcher Unordnung geschah, dass die Türken bei einem Angriffe die russischen Truppen hätten vernichten können.

So war ein zweiter, grösserer Misserfolg zu verzeichnen, der einen sehr ungünstigen moralischen Eindruck im russischen Volk und Heer machte und sein Oberkommando belehrte, dass der bisherige Einsatz von Streitkräften um so weniger ausreichend war, als in der entstehenden Pause die ursprüngliche Schlachtfeld-Befestigung zu einer starken Positions-

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lieber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

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verschanzung in Form eines verschanzten Lagers wurde. Osman Pascha, klug; genug, nicht durch isolirtes Vorgehen gegen die russischen Donau- iiberjgänge seine Erfolge aufs Spiel zu setzen, hatte nämlich nicht die naheliegende Vereinigung mit den anderen türkischen Heerestheilen an- gestrebt, sondern sich auffallender Weise für ein Bleiben bei Plewna ent- schieden; wohl ein Zeichen, dass er schwächer war, als russischerseits vermuthet wurde, ein Beweis aber auch dafür, dass nicht bloss die Festung die Sphinx ist, welcho Armeen anzieht, sondern oft in noch höherem Maasse selbst geschaffene Werke, zumal wenn eine Neigung zur Defensive ohnehin im Charakter des Feldherrn und seiner Truppen liegt. Die Vortheile der Position waren nach Todleben folgende:

»Die Ausdehnung der Stellung um Plewna betrug nur 36 km.*) Das Gelände war so gestaltet, dass die Höhen fächerartig von dem Centrum Plewna nach allen Seiten sich hinzogen. Die in diesem Centrum auf- gestellten Reserven konnten leicht bei einer Entfernung von 4 bis 5 km jeden beliebigen Punkt unterstützen, während Klüfte und Schluchten, die, je näher an der Cernirangslinie, um so tiefer wurden, die Verbindung zwischen unseren (den russischen) Stellungen unterbrachen. Die Be- festigungen waren in mehreren Linien angelegt und dem Gelände sehr kunstgerecht angepasst. Die Reserven konnten ausserhalb des Schuss- bereichs aufgestellt werden.«

Diese Stellung stark auszubauen, Hessen nun die Russen Osman Pascha fast fünf Wochen Zeit, ein Fall, auf den in künftigen Kriegen unter ähnlichen Umständen nicht zu rechnen sein wird. So wuchs die Stärke der Brustwehren der Redoute bis auf 6 m, die Laufgräben wurden so tief, dass man aufrecht darin stehen konnte, die Zahl der LTnterstiinde und Traversen wurde vermehrt, Glacis angeschtittet und das Schussfeld freigemacht. Während dieser Zeit zogen die Russen schweres Belagerungs- geschütz heran, da sie der Wirkung ihrer Feldartillerie allein gegen die Erd werke nicht trauten, bereiteten den Batteriebau vor, führten Wege- besserungen und Brückenbauten aus, legten Verbandplätze an, stellten Sturmübungen mit den Truppen an, ergänzten Munition und Ver- pflegung u. s. w. Auch die Umgebung Plewnas wurde erkundet und topographisch aufgenommen, leider nur die weitere, während die näher gelegenen Zugänge und die Lage der Befestigungen oder gar die Auf- stellung der türkischen Truppen dank einem schlecht organisirten Nach- richtenwesen unbekannt blieben. Das so wichtige Gelände im Süden, ebenso wie das im Norden, wurde höchst fehlerhafter Weise überhaupt nicht erkundet, angeblich um die Aufmerksamkeit der Türken nicht nach dieser Richtung zu ziehen und sie zur Verstärkung ihrer Befestigungen zu veranlassen.

Somit war ein neuer Angriff auf Plewna beschlossen und nicht nur Ehrensache geworden, sondern versprach auch bedeutende strategische und politische Vortheile, seitdem die Gegner Russlands jeden Tag des Aufschubs als ein Zeichen der Schwäche betrachteten. Trotz Verstärkung durch die rumänische Armee gelangte also die Offensive gegen Mehemed Ali oder Suleiman Pascha vorläufig zum Stillstände, und alle Kraft wurde gegen das befestigte Lager verwandt, ein Entschluss, den man unter den dargelegton Verhältnissen nur billigen kann.

*) Nach der späteren genauen Aufnahme 30 km. Plewna seihst liegt in einer Mahle, die aus dem Zusammentreffen dreier tiefer und steilrnndiger Bachthäler das von ßukowlek, das von Griwiza, das von Tutscheniza entsteht.

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lieber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

Wir treten hiermit in die zweite Periode ein, die mit dem schliess- lichen Fall Plewnas endete. Zum Angriff gegen die Armee Osman Paschas wurde die nunmehrige Westarmee- Abtheilnng unter Generallieutenant Sotow bestimmt, welche am 4. September 42 Bataillone, 16 Eskadrons, 12Ssotnien, 188 Geschütze umfasste. Unter Hinzurechnung der rumänischen Armee und des Detachements des Fürsten Imeretinski standen 107 Bataillone, 61 Eskadrons, 30Ssotnien, 444 Geschütze oder 82000 Bajonette, 1 1 000 Säbel, 444 (einschliesslich der Belagerungs- und reitenden) Geschütze zur Verfügung, so dass mit den Nichtkombattanten die Heeresstärke auf 100 000 Mann und 20 000 Pferde anzunehmen ist. Der Artillerie- Belagerungspark um- fasste 20 Geschütze (sechzehn 24 Pfänder, vier HPfünder) nebst 600 Fahr- zeugen (mit 1800 Ochsen bespannt). Für jedes Geschütz waren 150 Schuss vorhanden. Die ganze Armee besass nur ein einziges Sappeur-Bataillon, Ingenieuroffiziere fehlten gänzlich, Schanzzeug war nur wenig vorhanden eine schwere Unterlassung für eine Armee, die eine so stark befestigte Stellung angreifen sollte. Dagegen darf die Stärke der Kavallerie (l/s der Gesammtstärke) und der Artillerie (auf 1000 Mann 4,4 Geschütze) als normal angesehen werden.

Die Türken verfügten in einer auf drei Fronten stark befestigten und im Kücken durch das Gelände gedeckten Stellung von 30 km Umfang nur über 49 (zum grossen Theil auserlesene Nisam-) Bataillone, 26 Es- kadrons, 60 Geschütze oder 29 400 Mann Infanterie, 2600 Mann Kavallerie, 1000 Mann Artillerie, im Ganzen also 33 000 Mann mit 60 Geschützen, die im Laufo des Kampfes noch verstärkt wurden, so dass die türkischen Angaben von 40 000 Mann auch zutreffen können. Es war dies nicht viel boi der ausgedehnten Vertheidigung, besonders waren 2 Geschütze auf 1000 Mann bezw. 1 km zu wenig. Auch hier fehlten die Ingenieurtruppen ; dafür aber war Ueberfluss an Schanzzeug und genügende Arbeitskräfte vorhanden. Ebenso war die Munition sehr reichlich. (500 Patronen für das Gewehr, über 200 Schuss für jedes Geschütz.)

So stellte sich das Verhältniss von Angreifer zu Vertheidiger wie 3:1, und auf den Meter Umfang kam etwa 1 Vertheidiger.

Ehe sich indessen die Einschliessung vollzog, machte Osman, wohl nur zu Erkundungszwecken, am 14. bezw. 21. /22. August zwei leichte Vorstösse mit unzureichenden Kräften, die ebenso wie ein ernster Ausfall in südöstlicher Richtung gegen den linken Flügel der allmählich sich an Plewna heranschiebenden russischen Armee am 31. August zurückgewiesen .wurden. Der nach diesem Gefecht unternommene Verfolgungsversuch miss- lang und war auch zwecklos, denn die ernste Absicht oder gar die Gewissheit, mit dem Gegner zugleich in die Verschanzungen einzudringen oder aber die Möglichkeit eines Abdrängens des Feindes von seiner festen Stellung bestanden nicht. Dieser Erfolg bei Pelischat gegen Osman war aber dadurch wichtig, dass er die russischen Vorbereitungen für einen Angriff auf den 30 km südlich von Plewna gelegenen und von einer türkischen Besatzung vertheidigten befestigten Strassenknoten Lowtscha ermöglichte. Durch die am 3. September erfolgende Einnahme dieses Ortes, dem Osman zu spät Hülfe brachte, war ein bedeutender Schritt zur Isolirung Plewnas geschehen, da die einzige Rückzugsstrasse (nach Sofia) gefährdet war. So war die türkische Armee bis zu einem gewissen Grade auf ihre eigenen schwachen Kräfte allein angewiesen und konnte, da die Russen beweglicher und an Kavallerie bei Weitem überlegen waren, wenn sie geschlagen war, leicht von ihrer Zufluchtsstrasse abgeschnitten werden.

Ein Erfolg gegen Osman war um so wahrscheinlicher, als die türkischen

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Ueber die rassischen Miuissnuhmen gegen Plcwna.

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Stellungen nm Plewna von dem umliegenden Gelände im Norden, Westen und Süden überhöht wurden und sich gute Angriffsstellungen, besonders auch für die überlegene Artillerie, boten. Dazu wTar der Geist der rassischen Truppen nicht minder siegesfreudig, besonders nach dem Gefecht von Pelischat, als der der türkischen Besatzung, welche schon zweimal die Russen von ihren Brustwehren blutig abgewiesen hatte. Hieraus und weil die Zeit für einen Vormarsch auf Konstantinopel drängte, lässt sich erklären, dass der russische Operationsplan statt der einen sicheren Erfolg mit wenig Verlusten versprechenden engeren Einschliessung deren Dauer aber gar nicht abzusehen war, statt der vielleicht angebrachten regelrechten Belagerung die den schnellsten und glänzendsten Sieg versprechende und der Stimmung der Truppen gemässeste Erstürmung wiederum ins Auge fasste. Nur sollte ihr diesmal eine gründliche Vorbereitung durch eine Tage währende Artilleriewirkung, auch aus Belagerungsgeschütz, voraus- gehen.

Die folgenden Operationen sind daher in die vorbereitenden des Geschützkampfes und die entscheidenden des Infauteriesturmes zu theilen.

In der Nacht vom 6./7. September wurden die russisch-rumänischen Truppen unbemerkt in eine bis auf Kanonenschussweite von den türkischen Werken entfernt liegende Stellung geführt, welche sich in 9 km Länge von der der Griwiza-Redoute gegenüberliegenden Höhe bis zur Tutscheniza- Schlucht ausdehnte. Der Angriff wurde also gegen die Ost- und Südfront des Plewnaer Lagers gerichtet. In dieser eng versammelten Aufstellung (6 Mann auf den Schritt, 45 Geschütze für den Kilometer) konnten bei Tagesanbruch des 7. September 134 von den 400 Geschützen das Feuer eröffnen.

Der Grundgedanke der viertägigen Beschiessung vom 7. bis 10. Sep- tember war: Starkes Geschützfeuer aus verschanzten Batterien soll die Armirung der Werke zerstören, den Aufenthalt für grosse Reserven in ihnen unmöglich machen und vor Allem die Zugänge zu den Werken unter scharfe Bestreichung nehmen, um eine Verstärkung durch frische Truppen zu vereiteln. Dagegen sei von dem Versuche, die Erdaufwürfe zu zer- stören, weil mit Feldgeschütz nicht durchführbar, Abstand zu nehmen und ebenso, mit Rücksicht auf den zu grossen Munitionsverbrauch, von einer Tag und Nacht ununterbrochenen Beschiessung. Die Wirkung der Artillerie wäre durch die Erhöhung der Zahl der in Stellung zu bringenden Geschütze und durch ein allmähliches Nähorschieben der letzteren zu steigern. Der Beschiessungsbereich habe sich auf die Strecke vom Dorfe Griwiza bis zur Lowtschaer Strasse zu erstrecken.

Die Infanterie sollte, soweit es die Rücksicht auf das feindliche Feuer irgend gestattete, durch Vorschieben möglichst schwacher Abtheilungen die Deckung für die Artillerie bilden, die übrigen Truppen aber geschützt gegen Sicht und Feuer in steter Bereitschaft Zusammenhalten. Auch sie hat sich unter dem Schutz des Geländes unbemerkt den Werken zu nähern und endlich die Geschützwirkung zum Sturm auszunutzen. Jedenfalls aber müsse jede errungene Position sofort verschanzt werden.

Der Operationsplan wies viele Mängel auf. Zunächst erfolgte der Angriff wieder gegen eine falsche Front, nämlich die am stärksten be- festigte Ostfront, wo auch das Gelände für seine Ausführung insofern am ungünstigsten war, als die offenen Abhänge unter Frontal- und Kreuzfeuer des Gegners lagen. Auch bedrohte der Angriff nicht die Rückzugsstrasse der Türken. Dennoch hätte er bei energischer und geschickter Durch-

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Gefährlichkeit der Bliudgegchosse.

führung tmd gegenseitiger Unterstützung der einzelnen Waffen wohl gelingen können.

Aber schon der Nachtmarsch am 6. September mit solchen Massen und scliwerom Belagerungsgeschütz, der noch dazu unrichtig disponirt war, erscheint fehlerhaft. Nur der völligen Unthätigkeit der Türken war es zu danken, dass er gelang. Bei einem feindlichen Angriff waren der Rückzug und die Verluste zahlreicher, besonders der schweren Geschütze unvermeidlich. Dadurch war das ganze Unternehmen aufs Spiel gestellt. Zwar ist der moralische Eindruck des unerwarteten Erscheinens einer so grossen Artilleriemasse nicht zu verkennen. Aber er ist nicht ausgenutzt worden. Das Feuer hätte, um eine Erschütterung der Türken herbei- zuführen, kurz und mächtig sein und auf die richtigen, vorher sorgfältig zu erkundenden Angriffspunkte gerichtet werden müssen, dann konnte die Infanterie wahrscheinlich noch an demselben Tage stürmen. Statt dessen wurden erst am 10. September die geeigneten Einbruchsstellen bekannt, und das Feuer wurde täglich matter. So erholten sich die Türken rausch wieder und gewöhnten sich an das Feuer. Was am Tage zerstört wurde, bauten sie in den nächtlichen Feuerpausen wieder auf. Dabei war der angerichtete personelle und materielle Schaden so gering, dass die Zuversicht der Armee Osmans in ihren sogar während der Beschiessung neu an- gelegten Befestigungen nur stieg.

(Schlns« folgt.)

Gefährlichkeit der Blindgeschosse.

Mit einer Abbildung.

Die vor einiger Zeit im deutschen Reichstage zur Sprache gekommene Erblindung eines Hauptmanns infolge von Verletzung durch einen Exerzir- schuss aus einem Geschütz bei einer Herbstübung lenkte die Aufmerksam- keit weiter Kreise auf die Frage der Gefährlichkeit von solchen Schüssen. Das einschlägige Fachschriftthum giebt hierüber nur spärlich Aufschluss, während sonst über Verletzungen beim Heeresdienste im Frieden allent- halben reichlich Veröffentlichungen vorliegen. Die hauptsächliche Quelle bildete bisher das »Handbuch der Militärkrankheiten* von Fr. A. Düms, dessen auf den vorliegenden Gegenstand bezügliche Stelle im ersten Hefte dieser Zeitschrift (Seite 3 und 4) wiedergegeben wurde.

Salzmann, dessen Versuche dort ohne nähere Angabe sich angeführt finden, berichtete in der Sitzung der Berliner militärärztlichen Gesellschaft vom 21. März 1892 (»Deutsche Militärärztliche Zeitschrift«, 21. Jahrgang, S. 555 u. 556) über eine günstig verlaufene Augenverletzung durch eine Platzpatrone des Armeerevolvers auf 60 bis 70 cm Entfernung und über infolgedessen angestellte Versuche:

»Die Platzpatrone des Armeerevolvers gleicht vollständig der des Armeege wohrs 71 und hat demgemäss dieselbe Wirkung wie diese, nur dass ihre Durchschlagskraft entsprechend ihrer geringeren Pulverladung von 1 g und dem geringeren Gewicht des Pfropfens von 0,26 g eine schwächere ist. Sie durchschlägt auf 50 cm Entfernung wie eine Kugel das Stirnbein eines Hammelkopfes und macht auf 80 cm Entfernung erhebliche Verletzungen in den Weichtheilen. Die Platzpatrone 88 ent- hält nach Mittheilung der Direktion der Munitionsfabrik zu Spandan 0,8 g Platzpatronenpulver, einen kleinen Deckpfropf aus Fliesspapier von

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Gefährlichkeit der Blindgeschosse.

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0,25 g Gewicht und ein hohles cylindrisches Holzgeschoss von 0,458 g Gewicht. Dieses Geschoss bewirkt bei aufgesetzter Mündung dieselben explosionsartigen Zerstörungen des Schädels wie der Deckpfropfen der Platzpatrone 7 1 und macht auf 80 cm Abstand eine kugelförmige Durch- bohrung in Stirn und Scheitelbein eines Hammelkopfes. Bei weiteren Entfernungen wird das Holzgeschoss durch die Pnlvergase in Splitter zersprengt, welche noch bis auf 2,5 m Entfernung in die Wcichtheile eindringen, deren Tragweite aber nicht über 5 m reicht. *

Ein Fall von Verlust des linken Auges durch einen Blindschuss findet sich im 8. Hefte der vorerwähnten militärärztlichen Zeitschrift (19. Jahr- gang, 1890, S. 585 u. 586) von Sch. beschrieben; es handelte sich hierbei um einen anscheinend aus einem Armeekarabiner geschossenen Papppfropf.

Eine ausführliche Zusammenstellung der Fälle von Verwundungen durch Exerzirschüsse im österreichisch-ungarischen Heere gab nach amtlicher Quelle kürzlich Franz Deubler im Oktoberhefte der »Mit- theilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens« (Jahr- gang 1897). Der Umstand, dass bei nicht weniger als 20 unter 27 in den Jahren 1889 bis 1896 tödlich verlaufenen Verwundungen als Todes- ursache Tetanus (Wundstarrkrampf) angegeben sich ftndot, erregte die Auf- merksamkeit der deutschen Fachpresse.

Doch auch sonst verdient der reiche Inhalt der Abhandlung Deublers in mehrfacher Hinsicht Beachtung. Die bisher für harmlos geltende österreichisch-ungarische »Exerzir- patrone für Kepetirwaffen « stellt beistehende Abbildung nach Deubler in der wirklichen Grösse dar. Darin bedeutet H die Hülse, K die Zündkapsel, L die Pulverladung, P den Schlusspfropf. Letzterer besteht aus theils gerollter, theils gepresster Papiermasse an Stelle des in anderen Staaten eingeführten hölzernen Blindgeschosses. Diese SchluBS- pfröpfe werden von Alois Purkert zu Weisskirchlitz in Böhmen gefertigt.

Im Jahre 1896 traf das österreichisch-ungarische ReichB- Kriegs-Ministerium im Beiblatt Nr. 23 zum »Normal-Ver- ordnungsblatt» eine Anzahl Maassnahmen zur Verhütung von Verwundungen durch Exerzirschüsse aus Handfeuerwaffen und beauftragte das technische Militärkomiteo mit Versuchen und sonstigen Forschungen über die Wirkung derartiger Schüsse. Es war gerade damals die Prüfung verschiedener Exerzirpulver im Gange, worüber von Filipp Hess und Julius Zigall im 8. Heft des Jahrganges 1896 der »Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens« berichtet wurde.

Das erwähnte Komitee stellte eine lange Reihe von Schiessversuchen auf geringe Entfernungen an, wobei u. A. zu Scheiben dienten: Papier, Bretter, Seife, Hasenfelle, Bauchtheile von Schweinen auf verschiedenen Unterlagen, Thonerdeplatten und dergl. Ueber die Ergebnisse bringt Deubler drei Tafeln mit zahlreichen Abbildungen und sieben Seiten Schiesstabellen bei. Es zeigte sich, dass die Wirkungsfähigkeit der Exerzir- schüsse aus Gewehren oder Karabinern auf kleine Entfernungen bedeutend ist. Deubler meint jedoch, dass über 4 m Entfernung eine Verletzung nur dann stattfinden könne, wenn zufällige oder muthwillige Beimengung von festen Körpern zur Ladung stattgefunden habe oder der Mündungs- deckel nicht entfernt wurde oder endlich bei Deckung der Mannschaft in

Diq

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Gefährlichkeit der Blindgeschosse.

Baumgruppen, Zäunen oder Saaten Pflanzentheile durch den Schuss mit fortgerissen werden.

Die »Versuche zur Behebung der Gefährlichkeit der Exerzirsch tisse auf kurze Entfernungen« erstreckten sich auf die Wahl des Verdämmnngs- oder Abschlussmittels. Als günstigste Verdämmung bewährte sich die mit Baumwolle und die mit Unschlitt; die erstere entwickelt aber bei Gegen- wind und Massenfeuer einen für Augen und Lungen lästigen Staub: der Unschlitt giebt zuviel Rauch und schmilzt bei warmem Wetter. Mit den in deutschen Patentschriften beschriebenen zerstäubenden Schluss pfropfen scheint man keine Prüfung vorgenommen zu haben; dagegen wurden aus Hartpapiermasse gepresste Pfropfen, ferner solche aus einer mit Säge- spänen gefüllten dünnen Gelatinehülle und solche, welche aus dünnem Schachtelholze gerollt und mit einer Papierhülle versehen waren, und Aebn- liches versucht. Röhren ans Papier, die oben an der Geschossspitze ent- sprechend geschlossen und solche aus Metall, die oben nur eingefaltet oder mit Wachs oder Papier verdammt waren, wurden, als eigene Konstruktionen des Komitees, erprobt. Von diesen Röhren erinnern die papiernen an das in der Anmerkung auf Seite 4 des 1. Heftes dieser Zeitschrift erwähnte Blindgeschoss Jean Sch erb eis. Mit Röhren aus Metall stellte Schreiber dieses bereits einige Jahre früher Versuche an; die vom Komitee ge- fundenen Nachtheile des Abreissens aus der angelötheten Hülse, des Ein- reissens und dergl. würden sich vermutblich beheben lassen. Doch er- schienen derartige Röhren wegen der kostspieligen Herstellung selbst bei mehrmaliger Verwendbarkeit unwirtschaftlich.

Eine eigenartige, zur Unschädlichmachung von Blindschüssen bestimmte Vorrichtung bestand in einem in der verlängerten Laufaxe angebrachten, mit der Spitze gegen die Laufmündung gerichteten, 3 bis 4 cm davon ent- fernten Kegel, der unbeschadet des Aufsetzens des Bajonetts am Laufe befestigt werden konnte. Erscheint ein solcher Kegel auch für Gewehre zu un- handlich, so wäre der Gedanke doch möglicherweise für Geschütze verwendbar.

Ein Schiesspapier von Johann Dworak gelangte zur Untersuchung, mit dem ein guter Exerzirschuss ohne jede Verdämmung erhalten werden konnte. Es besteht aus nitrirtem, mit Ammoniak neutralisirtem und mit Harnstoff stabilisirtem Filterpapier und zeigte sich ebenso wie der Plasto- menit von Güttler zu Reichenstein oder der Hamburger Spiralit zu hygroskopisch und zu wenig haltbar. Wenn dabei Hess und Zigal (a. a. O.) angeben, dass »durch Nitriren von fertigem Papier, wie zahlreiche Er- fahrungen bei ähnlichen, kurz nach Erfindung der Schiesswolle auf- getauchtcn Präparaten zeigten, selbst bei gewissenhaftem Auswässern, Neutralisiren und Stabilisiren, kaum genügend stabile Präparate zu er- halten sind«, so bleibt zu beachten, dass nicht stabilisirte reine Nitro- cellulose, deren Neutralisirungsmittel vorsichtig angewandt und gut aus- gewaschen wurde, unbegrenzt haltbar und dabei wesentlich weniger hygroskopisch, als gewöhnliches Papier ist. Das Stabilisirungsmittel soll die aus dem Nitrocellulosepräparat nachträglich sich abscheidenden freien Säuren durch Bindung oder Spaltung unschädlich machen. So würde beispielsweise der zngesetzte Harnstoff die auftretende salpetrige Säure in die unschädlichen Verbindungen Kohlensäure und Wasser sowie in freies Stickgas überführen: CO(NH)a N20„ = COs -f- 2HaO -j- 2NS. Die Er- fahrung vermochte aber die Erwartung, welche man aus theoretischen Gründen auf die Stabilisirung setzte, bisher nicht völlig zu bestätigen.

Das technische Komitee erhielt durch die Sanitätschefs der Korps aus sämmtlichen Militär-Heilanstalten die durch Exerzirschüsse von 1888 bis

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1896 entstandenen 267 Verletzungen mitgetheilt. Für die Jahre 1893 bis 1896, wo vollständigeres Material vorliegt, berechnet sich ein Jahres- durchschnitt von 43. Die Mehrzahl, nämlich 72 pCt. der Verwundungen, erfolgte aus unmittelbarer Nähe; die grösste festgestellte Entfernung betrug 20 Schritte. Nach den getroffenen Körpertheilen stellt sich die Häufigkeit wie folgt: Kopf (22 ’/s pCt.), Hand, Oberschenkel, Vorderarm, Unterschenkel, Oberarm, Brust, Gesäss, Rücken, Hals, Bauch, Fuss (1,89 pCt.).

Von den Verletzungen kamen 6 pCt. auf Selbstmord und Selbst- verstümmelung, während die meisten durch Entladung der eigenen Waffe infolge von Unvorsichtigkeit oder Zufall herbeigeführt waren. Ein Theil wurde durch das Gewehr des Hintermanns bei mehrgliedrigem Feuer veranlasst. Selten entstanden Verletzungen durch muth willigen Scherz oder durch Unachtsamkeit hitziger Manövergegner. Zwei Drittel der Wunden erschienen schwer, wobei zu bedenken ist, dass von den leichteren Fällen wohl viele nicht in die Statistik gelangten. Der Ausgang der Ver- wundungen aus Gewehren und Karabinern (aus Geschützen kamen über- haupt keine vor) war bei 10 pCt. der Fälle tödlich, während bei 15 pCt. theilweise und bei 75 pCt. völlige Heilung eintrat. Wundinfektion ohne tödlichen Ausgang gelangte bei IÖ'/j pCt. zur Wahrnehmung. Die In- fektion durch Wundstarrkrampf gesellte sich oft zu geringfügigen Weichtheilschüssen. Wo die Gründe dieser Verschlimmerung zu ermitteln waren, finden sich theils in die Wunde eingedrungene Pfropfenrückstände, theils durch Staub oder Koth verunreinigte Kleidungs- oder auch Wäsche- stückchen, die in die Wunde gelangten, in den ärztlichen Gutachten als Ursache bezeichnet. Bei einem oberflächlichen Streifschüsse an der Innen- fläche des rechten Vorderarmes heilte die Wunde, worin Pfropfentheile steckten, am 8. Tage nach der Verletzung; am 10. trat Trismus (Kinn- backenkrampf) und Tetanus ein, am 12. erfolgte der Tod. Der tödliche Ausgang ereignete sich in einem Falle erst am 24., in einem anderen am 27. Tage nach der Verwundung. Als früheste Todeszeit wird der 3. Tag angegeben, doch lag in diesem Falle eine an sich lebensgefährliche Ver- letzung des rechten Nierenbeckens vor. In der Regel tödtcte der Wund- starrkrampf vom 8. bis 10. Tage nach der Verwundung. Neben dem Tetanus traten bei einigen Fällen zu den Wundkrankheiten Rose, Lungen- entzündung, Phlegmone, Eiterfleber u. s. w. hinzu. Wieviel Fälle von festgestelltem Wundstarrkrampf sich unter den oben erwähnten 161/* pCt. Wundinfektionen mit günstigem Ausgange befanden, wird nicht ersichtlich. Eine infolge der erwähnten Wundinfektionen vom Militär-Sanitäts- komitee vorgenommene bakteriologische Untersuchung konnte schäd- liche Keime nur in den bei Schwarzpulver-Exerzirpatronen für 8 mm- Gewehre und Karabiner von 1888 bis 1894 gebrauchten, aus Flusspapier- streifen gewickelten Schlusspfropfen, sowie in den Flussdeckelpfropfen nachweisen. Dagegen fanden sich in den seit 1890 für rauchschwache und seit 1894 auch für Schwarzpulver-Exerzirpatronen verwandten Schluss- pfropfen nur die überall vorkommenden harmlosen Keime. Es zeigte sich, dass durch die Pulvergase beim Schüsse die Keime nicht zerstört werden. Anlässlich dieser Befunde wurde Folgendes angeordnet:

»1. Sterilisirung aller für die Adjustirung von Exerzirpatronen be- stimmten Schluss- und Flussdeckelpfropfen durch Aussetzen einer Tem- peratur von 100° C. durch eine bestimmte Zeit, wodurch alle etwa vorhandenen Keime zerstört werden. 2. Vorsorge zur Verhütung einer nachträglichen Verunreinigung der Pfropfen. 3. Möglichst staubfreie Aufbewahrung und Verpackung der Exerzirpatronen.»

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Sprenggranaten-Flactlbahn Schiessen.

Inwieweit diese Maassnahraen das Auftreten von Wundkrankheiten bei Verletzung durch Blindschüsse vermindern werden, lässt sich nicht im Voran» sagen. Das Hauptgewicht dürfte nach wie vor auf eine sachgemäße Be- handlung der frischen Verletzung zu legen sein.

Deubler sieht die Verwundungsgefahr durch Blindschüsse ali geringfügig an, da die Verletzungen nach Abzug der absichtlich bewirktet nur 0,000143 pCt. dieser Schüsse betragen, wovon überdies drei Viertei mit vollständiger Heilung enden. Er schreibt deshalb auch einer ganz gefahrlosen Uebungspatrone einen zweifelhaften Werth zu, da die Zah der beim Scharfschiessen vorkommenden Opfer infolge einer zur Gewohn- heit gewordenen sorglosen Behandlung der Waffe weitaus die durch Blind- schüsse gegenwärtig vorkommenden Verletzungen überwiegen würde.

Man könnte hierüber abweichender Ansicht sein, ohne den hohen Werth der gründlichen Abhandlung Deublers in Abrede zu stellen. Wenn dieser eine Ergänzung vom ärztlichen Standpunkte erwartet, damit * nicht nur dem technischen Theile der Angelegenheit, Bondern auch dem be- sonderen Interesse in der Verwundungsfrage Vorschub geleistet werden kann«, so dürfte dies auch in Deutschland Beherzigung finden. Vor Allem wäre eine ärztliche Statistik der im letzten Jahrzehnt im deutschen Heere vorgefallenen Blindschussverletzungen erforderlich. g.

Sprenggranaten-Flaehbahn-Schiessen.

Von Mayer, Hauptmann und Kompagnie Chef im Künigl. Bayer. 2. Fnssart.-Hegt.

Die bisher nach Ziff. 169 und 138 der Anleitung zum Schiessen aus Geschützen der Fussartillerie durchgeführten Schiessen »Sprenggranaten- Flachbahn« haben erkennen lassen, dass erst nach einer zu hohen Schuss- zahl eine der Wirkung günstige Gruppirung der Sprengpunkte erreicht wird. Diese Erscheinung hat auf den Werth des Sprenggranaten-Flachbahnfeuers empfindlich gedrückt. Kann doch bei einem derartig verspäteten Eintritt der Wirkung der Hauptanforderung an das Brennzünder-Schiessen, die Thätigkeit bezw. den Widerstand des Gegners rasch lahm zu legen, nicht entsprochen werden. Wenn man daher die Sprenggranaten-Flachbahn als Kampfmittel gegenüber dem Schrapnel und der Sprenggranaten -Wurfbahn niedriger einschätzt, so muss dies andererseits wiederum einen besonderen Ansporn dafür bilden, hier eine Wandlung zum Besseren zu schaffen, in- dem man der Sache in Richtung des Schiess Verfahrens selbst nachgeht. Es ist dieses umsomehr geboten, als die Anzeichen sich mehren, dass für die Sprenggranaten-Brennziinder in der Haubitze nicht die günstigsten Vor- aussetzungen gegeben sind. Es stellt sich bei diesem Geschütz das Az.- Feuer (kleine Ladung, Fallwinkel ca. 30°) in einen unvereinbaren Gegen- satz zum Bz. -Feuer (grosse Ladung, kleinere Fallwinkel, kleine Höhenstreuung); die in Ziff. 169 der Anleitung betonte Verbindung von Aufschlag und Sprengpunkt erscheint daher nicht unwesentlich gelockert, da der eine Theil nur auf Kosten des anderen berücksichtigt werden kann, und zwar ist es das Brennzünder-Schiessen, das im Verlauf der Zeit immer mehr zurücktreten musste; die Ueberlegenheit der Az. -Wirkung wurde Veranlassung, dass man immer weiter von Ziff. 140 der Anleitung sich abhielt, um schliesslich in eine Richtung einzulenken, als deren End- ziel das Einheitsgeschoss Az. gelten mag. Da nun aber das Az. -Geschoss zwar die gründlichste Wirkung (Niederkämpfen), nicht aber die

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Sprenggranaten-FlachbahnSchiessen.

367

rascheste Wirkung (Niederhalten) ermöglicht, kann auf die ergänzende Wirkung der Sprenggranaten- Flachbahn nicht verzichtet werden. Die Forderung, die zur Zeit daher unabweisbar sich geltend macht, lautet:

»Das Schiessverfahren für Sprenggranaten-Flachbahn hat in erster Linie dem taktischen Erfordemiss auf Raschheit der Wirkung gerecht zu werden.«

In nachstehendem Vorschlag nebst Begründung möge versucht werden, der Lösung dieser Aufgabe näher zu treten.

»Ist eine richtig liegende Gruppe Az. (6 bis 12 beobachtete Schüsse) erschossen, so wird die Sprenghöhe in einer um 3 / 1 e ° über die Az.-Flug- bahn gehobenen Flugbalm mittelst Aenderung der Brennlänge in der Art geregelt, dass unter 6 Sprengpunkten 1 bis 2 tiefe oder 1 höchstens 2 Aufschläge erscheinen. Nach dem Regeln der Sprenghöhe wird mit der erschossenen Verbindung von Erhöhung und Brennlänge und einer um 25 m weiter und einer um 25 m kürzer liegenden abgewechselt.« Die theoretische Begründung siehe Anlage S. 370, 371 u. 372.

Obwohl den in diesen Anlagen niedergelegten Erwägungen und Folge- rungen eine überzeugende Beweiskraft nicht abzusprechen ist, wäre doch noch besonders festzustellen, ob das Maass von 2/><j°> um welches bei Uebergang zum Brennzünder über die erschossene Az. -Flugbahn vor- gegangen wird, für alle Verhältnisse (Entfernung, Kaliber, Geschützart u.s. w.) namentlich bezüglich der zu erwartenden hohen Sprengpunkte bezw. Auf- schläge zutreffend ist, und ob ferner bei dem durch Aenderung der Brenn- liinge erfolgenden Regeln der Sprenghöhe in der um */ig° gehobenen Flug- bahn die mittlere Sprengpunktslage sich nicht derart ungünstig zur deckenden Krete des Ziels verschiebt, dass das Streuen um 25 m vor und zurück nicht mehr richtig wäre.

Obwohl für diese beiden Punkte ein endgültiges Gesetz nnr auf Grund stattgehabter Schiessen aufgestellt werden kann, lässt doch auch schon die theoretische Erwägung die Grenzen der Richtigkeit der für das Schiessverfahren zu bestimmenden Maasse soweit erkennen, dass damit eine im Wesentlichen auch für das Schiessen selbst zutreffende Grundlage gewonnen wird.

Zunächst Punkt 1: »Welche Sprenghöhe ist anzustreben?«

Der Umstand, dass bei der Sprenggranate die Mehrzahl der für die Wirkung in Betracht kommenden Sprengtheilchen unter einen Winkel von ca. 60° nach vorwärts-abwärts gedrückt wird, und die geringe lebendige Kraft der Sprengtheilchen selbst haben zur Folge, dass der Sprenggranate nur eine sehr geringe Tiefenwirkung innewohnt, nnd dass ausserdem bei ihr im Gegensatz zum Schrapnel, bei dem ein Mattwerden der Füllkugeln nicht so sehr auf die Sprenghöhe als auf die Sprengweite zurückzuführen ist, für die Sprenghöhe nahezu ebenso enge Grenzen gezogen sind wie für die Sprengweite. Für das SchiesBverfahren geht daraus hervor, dass eine Sprenghöhe anzustreben ist, bei der die Sprengpunkte von -j- 3 m bis -f- 20 m nach der Höhe sich vertheilen. Eine Sprenghöhe, die zur Flugweite von 60 m gehört, wie sie bislang in den Schrapnel-Schnsstafeln angegeben war, würde zu hoch sein, da dann zuviele Sprengpunkte von über 20 m erscheinen würden. Legt man hingegen die mittlere Spreng- höhe auf -f- 5 m über die deckende Krete (Anleitung Ziff. 138), so erhält man, die schusstafelmässige Höhenstreuung 1 '/» fach genommen, bei der lg. 15 cm K. auf 5000 m 2 Aufschläge unter 6 Schuss, d. h. 30 pCt. der Schüsse gehen für die Wirkung verloren, da erst bei Fall winkeln von über 24° bei Aufschlägen auf Wirkung (Riickenwirkung) gerechnet werden

Diaiti;

Dgle

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Sprenggranaten Flachbahn Schiessen.

kann; bei der lg. 15 em K. käme dies erst auf Entfernungen von über 6500 m in Betracht. Man wird sich daher bezüglich der Aufschläge da- hin zu entscheiden haben, dass dieselben nur dann in den Kauf ge- nommen werden sollen, wenn die um 25 m oder 50 m kürzere Brennlänge ungünstig hohe Sprengpunkte ergiebt.

Nimmt man die mittlere Sprenghöhe zu -f- 11 m an, das ist da» Maass, um welches auf 5000 m */'«° den Treffpunkt nach der Höhe ver- legen, oder mit anderen Worten, wenn man die Sprenghöhe in der */i6 0 über der deckenden Krete hinweggehenden Flugbahn regelt, so erhält man bei einer mittleren Sprengpunktslage von 6/n unter 100 Schüssen

16 von über 20 m Sprenghöhe 16 Aufschläge,

also unter 6 Schüssen 1 hohen Sprengpunkt und 1 Aufschlag.

Errechnet man nun bei der 15 cm Haubitze, s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. auf den Entfernungen von 3000 bis 6000 m für die mittlere Sprenghöhe von 5 m, und für diejenige, die aus dem Heben der Flug- bahn um */i6° sich ergiebt, die Zahl der Aufschläge und hohen Spreng- punkte, so gelangt man zu dem Ergebnis», dass das Heben der Flugbahn um nur 5 m, wio Ziff. 138 der Anleitung angiebt, die Zahl der Aufschläge ungünstig anwachsen lässt, während das Maass von s/is0 für alle Ent- fernungen und jede Geschützart sowohl bezüglich der hohen Sprengpunkte wie auch der Aufschläge das günstigste Verhältniss aufweist, und zwar kommt das letztere zahlenmässig annähernd dadurch zum Ausdruck, dass unter 6 Sprengpunkten 1 bis 2 tiefe (unter 3 m) erscheinen.

Punkt 2: »Es ist festzustellen, wie beim Regeln der Sprenghöhe in der 2/i6° über die deckende Kröte hinweggehonden Flugbahn auf 1 bis 2 tiefe Sprengpunkte unter 6 die mittlere Sprengpunktslage zur deckenden Krete sich verschiebt.«

Die durch Zünder- und Geschützstreuung gesteckte Grenze für das Regeln der Sprenghöhen ist erreicht, wenn unter 6 Sprengpunkten 1 hoher (über 20 m) und 1 tiefer (unter 3 m) erscheinen. Legt man dieses Ver- hältniss zu Grunde, so erhält man, wenn in der Wahrscheinlichkeits- 2

formel = w für w die Zahl 1,54 (Wahrscheinlichkeitsfaktor für 70pCt.) öt

und für St. eine mittlere Höhonstreuung von z. B. 3,8 m eingesetzt wird, als Z. (Zielstreifen) die Zahl 5,8 m, d. h. bei einer mittleren Sprenghöhe von 3 m über der als tief zu bezeichnenden Sprengpunktslage (0 bis 3 m), also bei einer Sprenghöhe von -f 6 m und einer mittleren Höhenstreuung von 3,8 m erscheinen unter 100 Schuss 16 hoch und 16 tief oder unter 6 Schuss 1 hoher und 1 tiefer Sprengpunkt. Da nun aber für das ge- wählte Beispiel */i«° den Treffpunkt nach der Höhe um 6,6 m verlegen, so geht daraus hervor, dass beim Regeln der Sprenghöhe in der */i«° über die deckende Krete hinweggehenden Flugbahn auf einen tiefen Sprengpunkt unter 6 die mittlere Sprengpunktslage von selbst als die beste, d. h. als ungefähr über der deckenden Krete befindlich, hier auf + ® s, sich ergiebt.

Errechnet man auf diese Weise von 3000 bis 6000 m für die 15 cm Haubitze, s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. die Sprengpunktslage für eine Sprenghöhe von 1 tiefen Sprengpunkt unter 6, so findet man, dass unter 17 Fällen 6 günstige Sprengpunktslagen sich ergeben; in 11 Fällen hat sich der Sprengpunkt von 10 bis 22 verschoben; ein ungünstiges Verschieben des Sprengpunkte nach der Weitseite ergiebt sich nicht.

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Sprenggranaten-Flachbahn-Schiessen.

369

Stellt man die errechneten Sprengpunktslagen zusammen, so gelangt man zu nachstehenden Folgerungen.

1. Wenn die Sprenghöhe auf 1 bis 2 tiefe Sprengpnnkte unter 6 geregelt wird, ergiebt sich für die s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. bei schusstafelmässiger Höhenstreuung eine für die Wirkung günstige mittlere Sprengpunktslage, die auch bei 1 l/s fach angenommener Höhenstreuung für die lg. 15 cm K. günstig bleibt, während die s. 12 cm K. etwas un- günstigere Zahlen aufweist.

Schlussfolgerung. Die s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. bieten sehr günstige ballistische Voraussetzungen für das Regeln der Sprenghöhe in der */u° jenseits der erschossenen Az.-Flugbahn liegenden Flugbahn und für eine daraus von selbst sich ergebende günstige mittlere Spreng- punktslage.

2. Weniger günstig wird die Sprengpunktslage bei der 15 cm H. und zwar verschiebt sie sich nach der Kurzseite, so dass hier ein Streuen um 25 m nach vorwärts geboten erscheint; des Weiteren steigern sich bei diesem Geschütz die Sprenghöhen in derart ungünstiger Weise, dass ein Regeln der Sprenghöhen mit Vermeidung von Aufschlägen nicht durch- führbar ist, vielmehr die gegebenen ballistischen Verhältnisse von selbst auf 1 j Aufschlag, */s Sprengpunkt hinweisen.

Schlussfolgerung. Die 15 cm H. ist das Geschütz für das Ein- heitsgeschoss Az., während die Sprenggranate Bz. ausschliesslich der s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. zu überweisen ist.

3. Der Umstand, dass die mittlere Sprengpunktslage ausser bei der

15 cm Haubitze auch bei der s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. theilweiso um 10 bis 22 m nach der Kurzseite schwankt, lässt ein Streuen um 25 m nach vorwärts geboten erscheinen. Obwohl ein ungünstiges Ver- schieben der Sprengpunktslage nach der Weitseite sich zunächst nicht er. giebt, will man doch von dem Streuen um 25 m nach rückwärts nicht absehen mit Rücksicht auf die Eigenart der Geschütze und die nicht immer günstigste Verschiebung des Sprengpunktes durch einseitige Korrektur an Brennlänge (siehe Zusammenstellung 8. 371 Ziff. 5).

Schlussfolgerung. Es ist von der erschossenen Verbindung an Brennlänge und Erhöhung 25 m vor- und rückwärts zu gehen.

4. Legt man der Bestimmung der mittleren Sprengpunktslage nicht

16 pCt. tiefe, sondern einen Zwischenwerth zwischen 16 pCt. (1 tiefer Sprengpunkt unter 6) und 32 pCt. (2 tiefe Sprengpunkte unter 6) zu Grunde, nämlich 24 pCt., so werden die Sprenghöhen noch niedriger, d. h. es erscheinen noch weniger Sprengpunkte von über 20 m Sprenghöhe, ohne dass dabei die Zahl der Aufschläge in einer die Wirkung merklich mehr beeinträchtigenden Weise zunehmen würde; des Weiteren ist zu er- kennen, dass die Zunahme der Entfernung nahezu keinen Einfluss auf die Sprengpunktslage ausübt. Endlich geht aus der Schusstafel für lg. 15 cm K. hervor, dass die Höhenstreuung für Gr. C/88 etwas geringer ist als die für 15 cm Sehr. C/90/92 mit Dopp.-Z. C/92. Daraus lässt sich für die s. 12 cm K., welche ähnliche ballistische Wertheigenschaften wie die lg. 15 cm K. besitzt, der Schluss ziehen, dass bei der s. 12 cm K. für die Sprenggranate Bz. bis über 5000 m günstige ballistische Voraus- setzungen sich bieten.

Schlussfolgerung. Flachbahngeschütze mittleren Kalibers erfüllen bis 6000 m die für Sprenggranate Bz. nothwendigen ballistischen Vorbe- dingungen, es muss daher die 12 cm Gr. C,88 für s. 12 cm K. statt des

KriegstechnUche Zeitschrift. löSS. 8. Heft. 24

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Sprenggranaten-Flachbahn-Schlessen.

Doppelzünders C/85 den Doppelzünder C/92 erhalten, um die Leistungs- fähigkeit von Geschütz und Geschoss richtig ausnützen zu können.

5. Flache Fallwinkel haben allerdings den Vortheil, dass sie mit viel geringerer mittlerer Höhenstreuung verbunden sind, dagegen haben sie den Nachtheil, dass ein Zuviel im Abbrechen an Brennlänge ungünstig? Sprengwoiten im Gefolge hat; da derartige Unstimmigkeiten im Abbrechen auch bei kleinen Korrektureinheiten nicht zu vermeiden sind, so liegt bei sehr flachen Fallwinkeln die Nothwendigkeit vor, ein grösseres Maass für das Streuen nach vorwärts anzunehmen, wodurch das Brennzünderschi essen an Einfachheit und Einheitlichkeit nicht gewinnt. Das Gegenstück hierzu bildet die nachtheilige Vermehrung der Sprenghöhe durch eine mittlere Höhenstreuung von über 15 m, die selbst wiederum in Verbindung steht mit einer Zunahme des Fallwinkels von 20 ° aufwärts.

Schlussfolgerung. Die besten ballistischen Voraussetzungen für die Sprenggranate Bz. liegen in den Fallwinkelgrössen, welche den Ueber- gang bilden vom Flachbahnfeuer zum Wurffeuer (also zwischen 10° und 20°), demgemäss bei der s. 12 cm K. und lg. 15 cm K. zwischen 3000 m und 6000 m, während bei der 15 cm H. diese Fallwinkel gewöhnlich nicht in Betracht kommen.

6. Die Fallwinkel von 10° bis 20° ermöglichen das Wirksamwerden der Sprenggranaten-Flachbahn auch gegen Batterien hinter Hängen, so dass der Sprenggranaten-Flachbahn eine das Wurfgeschoss Az. in der Wirkung höchst vortlieilhaft ergänzende Leistungsfähigkeit zuzuerkennen ist.

7. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Flachbahngeschützes durch richtige Ausnützung der Sprenggranate erhöht die Bedeutung der Flachbahngeschütze wesentlich und dürfte der Richtung für Bevorzugung des Wurffeuers auch in der Zusammensetzung der Artillerie-Belagerungs- Trains die entsprechenden Grenzen setzen.

Anlage.

Zeichnerische Zusammenstellung der Verbindungen zwischen Zünder- und Flugbahnstreuung.

1 : 300.

nicht > = wirkungslose Sprengpunkte.

Die Grenzwerthe für die Lage der wirksamen Sprengpunkte sind, wie folgt, angenommen (theilweise nach Hohne):

1. -»/io,

2. -»/3,

3. +S/10.

Bemerkungen:

1. Die mittlere Flugbahn Az. durch die deckende Krete liegt unterhalb de» Raumes der wirksamen Sprengpunkte, während die 6 m über der deckenden Krete hinweggehende Flngbahn als Mittellinie dieses Raumes sich darstellt.

F**- der Bemotkuneen S. 872. 1 [ ^

Sprenggranaten-Flachbahn-Schieasen.

371

372

Ueber da« Acetylengas und »eine Verwendbarkeit.

2. Beim Kegnliren der Sprenghöhe in der Flugbahn Az. durch die decken»:- Krete auf V* Aufschlag */2 Sprengpunkte sind nach der mittleren Hohes Streuung höchstens zwischen 16 und 25 pCt. wirksame Sprengpunkte n erwarten, d. h. unter 6 Schuss 1.

3. Beim Kegnliren der Sprenghöhe in der 6 m über der deckenden Krete hir weggehenden Flugbahn sind, wenn der mittlere Sprengpunkt auf -f- 8 geschoben ist, nach der Höhe 90 pCt. wirksame Sprengpunkte zu erwart«, d. h. unter 6 Schuss 5.

4. Das Kegnliren der Sprenghöhe in der 5 m über der deckenden Krete hinwtc gehenden Flugbahn giebt eine Gewähr für die ungefähr richtige Lage Sprengpunkte« znm Ziel, wenn unter 6 Schüssen ein bis zwei nieder* (0 3 m) Sprengpunkte bezw. Aufschläge (über 4000 m erscheinen ; jeder Sprengpunkt, der unterhalb der wagerecbten Ebene durch die deckend- Krete liegt, gilt als Aufschlag.

ö. Nach dem Kegnliren der Sprenghöhe ist mit der erschossenen Erhöhung und Brennlänge, einer gleichlaufend um 25 m vermehrten und 2-5 m ver ringerten Entfernung abwechselnd weiter zu schiessen. Dieses Pendeln ist nothwendig mit Rücksicht auf die Eigenart einzelner Geschütze and weil bei Verschiebung de« Sprengpunkte« nur durch Aenderung der Brennlanjr» nicht immer das richtige Verhältniss von Sprengweite und Sprenghöhe «wh ergiebt.

Ueber das Acetylengas und seine Verwendbarkeit

mit Berüoksiehtignng militärischer Gesichtspunkte.

Von Dr. Christian Göttig,

et&Umlcaißem Professor der Königlichen Vereinigten Artillerie- und lagenienrochale.

Das Acetylengas, welches augenblicklich in der Beleuchtungsindustrie den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses bildet, ist keineswegs ein der neueren Forschung entstammendes Produkt.

Schon im Jahre 1836 beobachtete Davy, dass bei der Darstellung des Calciummetalles gewisse Nebenprodukte entstehen, welche sich mit Wasser unter Bildung von Acetylen zersetzen.

Auch die Entdeckung des Calciumcarbids oder Carbocalcinms, des- jenigen Körpers, durch welchen wir heute das Acetylengas gewinnen, ist nicht neueren Datums, was durch die kürzlich bekannt gewordenen An- fechtungen des Bullierschen Calciumcarbid-Patents in Erinnerung gebracht wird. Bereits 1862 schrieb der illustre Forscher auf chemischem Gebiet. Friedrich Wöhler, derselbe Chemiker, welcher zum ersten Male ein thierisches Produkt aus den Grundstoffen aufbauen lehrte, der geniale Entdecker des Aluminiummetalls, in den Liebigschen Annalen über die Darstellung des Calciumcarbids.

Hierauf erst erschienen die grundlegenden Arbeiten des französischen Forschers Berthelot, dem es beiläufig auch gelang, das Acetylen ans seinen elementaren Bestandtheilen, Kohlenstoff und Wasserstoff, darzustellen.

Alle diese Erfolge hatten aber insofern noch keine praktische Be- deutung, als die bis dahin bekannten Methoden noch nicht gestatteten. Caleiumcarbid und Acetylen zu einem hinreichend wohlfeilen Preise zu gewinnen.

Erst nachdem Borchers 1891 beobachtete, dass Metalloxyde sich durch elektrisch erhitzten Kohlenstoff im Sinne der Gleichung Ca O 3C = Ca Cs -f- CO reduciren lassen, und nachdem Moissan 1892 bestätigende

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Deber das Acetylengas und seine Verwendbarkeit»

373

Beobachtungen gemacht hatte, die er 1893 und 1894 veröffentlichte, wurden die Wege zur Darstellung von Caleiumcarbid soweit vervollkommnet, »lass eine Konkurrenz des Acetylengases mit anderen Beleuchtungsmitteln aussichtsvoll erschien.

Die Darstellung des Acetylengases geschieht bei der Berührung des Calciumcarbids mit Wasser gemäss der chemischen Formelgleichung Ca Cs -f 2H3 O = Cs Hj -f- Ca Hs Os.

Je nach der Art und Weise, wie nun diese Berührung für praktische Zwecke behufs Herstellung von Acetylen zur Ausführung gelangt, kann man vier Kategorien von Acetylen-Entwicklern unterscheiden:

1. Entwickelungsapparate, bei denen das Wass tropfenweise auf Carbid fällt»

2. Entwickler, welche so eingerichtet sind, dass das Caleiumcarbid in Wasser gesenkt wird.

3. Acetylen-Entwickelungsapparatc, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Carbid in bestimmten Mengen selbstthätig in das Wasser fällt.

4. Acetylenerzeuger, deren charakteristisches Merkmal darin besteht, dass das Wasser von unten an das Caleiumcarbid dringt.

Apparate der an zweiter und dritter Stelle genannten Art dürften für grössere, die zuletzt bezeichneten für mittlere und kleine Anlagen geeignet sein, während ich diejenigen der erstgenannten Kategorie unter Umständen für nicht ungefährlich halte.

Bei der Acetylenentwickelung wird der jedesmal in Thätigkeit befind- liche Carbidbehälter warm, wodurch man bei manchen Entwicklern in der Lage ist, den Fortgang zu überwachen. Die entstehende Temperatur- erhöhung erreicht jedoch nach meinen mehrfachen Messungen selten die Höhe von 100° C., so dass ich eine Explosionsgefahr bei diesen drei Darstellungsprinzipien im Allgemeinen für ausgeschlossen halte.

Ausser den stationären Entwicklern der vier genannten Kategorien mögen noch die transportablen Acetylenapparate, welche auch auf der ersten Acetylen-Fachausstellung 1898' mehrfach vertreten waren, kurze Erwähnung finden.

Diese Apparate sind fast alle als verbesserungsbedürftig zu bezeichnen, da bisher die Nachentwickelung nicht genügend vermieden werden konnte und das für solche Zwecke geeignete flüssige Acetylen zu gefährlich ist.

Was die Eigenschaften des nach vorerwähnten Methoden darstellbaren Acetylens anbetrifft, so sind darüber vielfach unrichtige Ansichten ver- breitet. Es ist ein farbloses Gas von der chemischen Formel Cj Hs und dem spezifischen Gewicht 0,92, welches sich bei C. und einem Druck von etwa 21 Atmosphären verflüssigt, während bei höherer Temperatur entsprechend grösserer Druck hierzu erforderlich wird und bei einem oberhalb 37 ° C. liegenden Wärmegrade, der kritischen Temperatur, eine Verflüssigung überhaupt nicht mehr zu erreichen ist. Das verflüssigte Acetylen gehört zu denjenigen Stoffen, welche durch gewisse, theilweise vielleicht noch unbekannte Ursachen unter heftiger Explosion in ihre Bestandtheile zerfallen. Unter den bisher erkannten Ursachen solcher Explosionen sind hauptsächlich die sogenannte Initialzündung, welche durch explodirende Stoffe hervorgemfen wird, sowie Wärmeeffekte, z. B. durch Berühren mit glühenden Körpern, hervorzuheben. Der hierdurch an einer bestimmten Stelle des im verschlossenen Raume befindlichen Acetylens herbeigeführte Zerfall theilt sich der ganzen Masse mit. Aehnlich verhält sich

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lieber das Acetylenga* und seine Verwendbarkeit.

auch gasförmiges Acetylen, wenn dasselbe unter Druck und konstantem Volumen bei einer Temperatur von etwa 780 0 C. eine Zersetzung erleidet.

Mit atmosphärischer Luft vermischt zur Entzündung gebracht, explodirt Acetylen, wenn auf ein Volumen desselben wenigstens etwa zwei Volumen Luft kommen, während die Explosionskraft ihren Höhepunkt erreicht, wenn ein Volumen Acetylen mit etwa zwölf Raumtheilen Luft vermengt ist, und nicht mehr eintritt, sobald im betreffenden Gemisch auf einen Raumtheil Acetylen mehr als etwa 20 Raumtheile Luft enthalten sind. Hierdurch und in Anbetracht des charakteristischen Acetylengerachs er- scheint die Gefahr für das Entstehen explosibler Gasgemische bei Anwen- dung der Acetylenbeleuchtung äusserst gering.

Was die chemischen Eigenschaften des Acetylens betrifft, so ist hauptsächlich von Interesse sein Verhalten gegen Metalle, ferner die an- gebliche Giftigkeit und seine Verwandlung beim Verbrennen.

Die vielfach in der Litteratur verbreitete Ansicht, dass Acetylen in Berührung mit Kupfer oder kupferhaltigen Legirungen explosive Verbin- dungen bildet, hat sich nach meinen mehrfachen Untersuchungen in dieser Form nicht als richtig erwiesen. Da jedoch kupferhaltige Legirungen bei gleichzeitiger Gegenwart von Ammoniak durch Acetylen angegriffen werden, so erscheint es rationeller, z. B. Blei- oder Zinnröhren anzuwenden, weil diese Metalle mit Acetylen überhaupt keine explosiven Verbindungen ein- gehen. Die Giftigkeit des gereinigten Acetylens ist meines Erachtens nicht so gross wie die des gewöhnlichen Leuchtgases, da mit Acetylen gesättigtes Blut dasselbe leicht wieder entweichen lässt.

Bei der Entzündung des Acetylens, welche sich bei etwa 480 0 C. vollzieht, findet unter gewöhnlichen Verhältnissen eine vollständige Ver- brennung nicht statt, weil sich der Kohlenstoff theilweise unverbrannt als Russ abscheidet.

Hierdurch entsteht die Nothwendigkeit, für die Acetylenbeleuchtung besonders konstruirte Brenner zu benutzen, welche genügende Luftzufuhr gestatten, so dass die Verbrennung ohne Abscheidung von Russ mit starker Lichtemission erfolgen kann.

Dies wird z. B. dadurch erreicht, dass Kapillarbrenner-Röhrchen ver- wendet werden, welche sich an ihrer Mündung kammerförmig erweitern, oder in der Weise, dass ein durchbohrtes Metallblättchen in gewisser Entfernung über dem Brennerkopf befestigt ist, so dass die Luft von allen Seiten Zuströmen kann.

Gewöhnlich werden durch paarweise schräg gegen einander gerichtete Anordnung der genannten Einzelbrenner Schmetterlingsflammen erzeugt, welche ein helles ruhiges Licht verbreiten.

Wenn nun nach diesen Betrachtungen eine Zusammenfassung be- treffend die Verwendbarkeit des Acetylens für Beleuchtungszwecke gebildet werden soll, so ergiebt sich, dass flüssiges Acetylen wegen seiner gefähr- lichen Eigenschaften bis jetzt nicht zu empfehlen ist, während gasförmiges Acetylen, welches natürlich unter geringem Druck und Vermeidung höherer Temperatur herzustellen ist, bei der nöthigen Vorsicht ohne Gefahr und mit hervorragendem photometrischen Effekte verwendet werden kann.

Hierbei möchte ich schliesslich die Frage anknüpfen, ob und in welchem Umfange das Acetylengas für militärische Zwecke in Anwendung kommen könnte, ein Thema, welches bereits in einem Aufsatze des Hauptmanns Kutzlnigg im Februarheft von Streffleurs österreichischer militärischer Zeitschrift berührt ist.

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Kleine Mittheilnngen.

375

Die bisherigen Beleuchtungsarten fortifikatorischer Anlagen, haupt- sächlich durch Petroleum- und elektrisches Glühlicht, erscheinen nach mir gewordener Mittheilung hervorragender Fachmänner noch verbesserungs- bedürftig. Die Petroleumbeleuchtung verlangt eine gewisse Berücksichtigung der baulichen Anordnung sowie ein grösseres Bedienungspersonal wegen der bedeutenden Anzahl von Lampen und Laternen und erleidet oft Störungen durch Zerbrechen von CyLindern und durch Erlöschen von Flammen infolge der beim Auftreffen der Geschosse und bei Abgabe des Feuers hervorgerufenen Erschütterungen.

Das elektrische Licht erfordert einen grossen Installationsraum mit Motor, Dynamomaschine und einem geschulten Personal, die dabei ver- wendeten Glasbirnen werden durch Erschütterungen leicht unbrauchbar.

Hiernach dürfte das Acetylenlicht vielleicht geeignet sein, die bisher erwähnten Belenchtungsmittel der in Rede stehenden Anlagen zu ersetzen, da es nicht so leicht verlöscht wie das Petroleumlicht, sich bedeutend billiger erweist als elektrisches Glühlicht und keine grossen Ansprüche an Raum und Bedienung stellt.

Wieweit sich im Uebrigen das Acetylenlicht, abgesehen von der Eisenbahnbeleuchtung, bei der es sich bereits als Gemisch mit Fettgas bewährt hat, für militärische Zwecke, z. B. für Scheinwerfer, Leuchtthürme, Rettungsringe u. s. w. verwerthen lässt, ist bei dem heutigen Stande der jungen Acetylenindustrie noch nicht sicher zu beurtheilen. Die Aussicht für grössere Verwendbarkeit auf diesem Gebiete erscheint indess günstig.

-»€► Kleine Mittheilnngen.

Patent-Rollenlager. (Mit fünf Abbildungen.) Seit langer Zeit ist man bemüht, die Reibung zwischen Achsschenkel und Lager zu vermindern, und erreichte dies in gewissem Maasse durch Schmieren mit Oel und durch Einsetzen von Schalen aus ver- schiedenen Metalllegirungen in die Achslager; immerhin verzehrte die gleitende Reibung zwischen Lager und Achsschenkel viel Kraft, und erst seitdem man dazu überging, an Stelle der gleitenden die rollende Reibung treten zu lassen, sind nennenswerthe Erfolge erzielt worden. In den von Arthur Koppel, Berlin NW 7, Dorotheenstrasse 32,

gefertigten Patent-Rollenlagern tritt nur rollende Reibung auf, und die veranstalteten Zugkraftmessungen haben gegenüber den bisherigen Schalenlagem ausserordentlich günstige Resultate ergeben. So wurde bei den vielen angestellten Versuchen auf der Horizontalen eine Zugkrafts-Ersparniss von 40 bis GO pCt. unter sonst gleichen Ver- hältnissen zu Gunsten der Patent- Rollenlager ermittelt. Demnach kann z. B. dieselbe Last, zu deren Fortbewegung auf Wagen mit Lagern alter Konstruktion zwei Arbeiter nothwendig waren, bei Anwendung der Patent-Rollenlager durch einen Mann befördert

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Kleine Mittheilungen.

8.

4.

■werden, was also eine erhebliche Verringerung der Betriebskosten bedeutet. Weitere Vortheile, welche die Anwendung der Patent-Rollenlager bietet, sind folgende:

1. Durch die Zugkrafts-Ersparnis» wird bei Bnhnen, welche durch Lokomotiven oder Motoren betrieben werden, bei Anschaffung der letzteren erheblich ge spnrt, weil dieselben schwächer und leichter werden können als bei Anwendung der bisherigen Schalenlager.

2. Hieraus folgt dann eine weitere Ersparnis» an den nun bedeutend leichter herzustellcnden Gleisen, denn die Maschine ist fast immer dasjenige Fahrzeug auf der Bahn, welches den grössten Raddruck ansübt und somit für die Kon- struktion des Oberbaues maassgebend ist.

Die Konstruktion des Patent-Rollcnlngers gestattet dem Logergchüusc eine freie Beweglichkeit in vertikaler Richtung, so dass dasselbe den bei mangel haft gelegten Gleisen unvermeidlichen Gleis-Unebenheiten folgen kann und hierdurch Entgleisungen verhütet.

Die Abdichtung des inneren Lager» am Achszapfen ist eine so vollkommene, dass ein Eindringen von Staub oder Sand unmöglich und dadurch die Ab- nutzung der rollenden Theilc auf das geringste MnasB beschränkt wird.

5. Infolge der geringeren Reibung findet natürlich auch ein geringerer Verbrauch von Schmiermaterinl statt.

Die angeführten Vortheile sind allerdings nur mit richtig konstruirten nnd sorgfältig gearbeiteten Rollenlagern, in denen die Rollen tadellos laufen, zu erzielen.

Mangelhaft ge- arbeitete Rollen- lager würden schlechter sein als die alten Schnlenlager. Die Abbild. 1 zeigt den Durch- schnitt eines Aussenlagers. bei welchem die ganze Vorrich- tung ausserhalb

des Rades nn-

Abbild. 4.

gebracht ist. Für mili- tärische Fuhrwerke halten wir die Aussenlager vor- theilhafter als die Innen- lager, bei denen der Apparat innerhalb des Rades liegt, so da»» man für Re- paraturzwecke, Reinigen, Gelen u. s. w. nicht so bequem an die

einzelnen Theile gelangen kann wie beim Aussenlager, welches die Abbild. 2 in der äusseren Ansicht darstcllt. Die äusseren drei Theile, als Bügel, Platte und Büchse, sind in der Abbild. 3 wiedergegeben, während die Abbild. 4 die Patent- rollen, den Verschlussring nebst den beiden Liderungsringen und die beiden Vor- stecker zum Festhalten des Verschlussringes zeigen. Der Oelkanal ist durch eine

/JMi

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Kleine Mittheilungen.

377

Schraube verschlossen. Die Abbild. 6 stellt einen Muklonkipp wagen <lar, welcher mit Patent-Rollenlagern (Aussenlagern) ausgerüstet ist. Diese Wagen dürften beim Feldeisenbahnbau eine bedeutsame Rolle zu spielen berufen sein, l'ebrigcns werden die Patent- Rollenlager in jeder gewünschten Grösse geliefert; die Abmessungen der in Betracht kommenden Achsen sind bei Bestellungen nach besonderen Skizzen an-

Abhild. 6.

zugeben, welche durch die Firma Arthur Koppel auf Anfordern übersandt werden. In diesen Patent-Rollenlagern dürfte auch das Mittel gefunden sein, den Betrieb auf Förderbahnen zur Versorgung der Batterien im Festungskriege mittelst Mannschaften erheblich leichter zu gestalten, so dass ein ausgedehnter Versuch mit diesen Rollen- lagern bei einer artilleristischen Armirungsübung zu empfehlen ist.

3*$-

Die russische Feldlaffete Modell 1895. (Mit Abbildung.! Die neue russische FeldlafTete M/96, deren Beschreibung und Zeichnung hier auf Grund von Angaben der »Rivista di Artiglieria e Genio« vom Februar d. Js. bezw. der »Revue d'artillerie« vom November v. Js. folgt, hat die neuesten Verbesserungen zur Beschleunigung der Bedienung sich möglichst zu Nutze gemacht. Zunächst sehen wir den Spaten A, welcher bei dem ersten Schüsse seine Iaige einnimmt und vom zweiten Schüsse ab den Rücklauf hemmt, so dnss die Laffetenräder sich infolge des Rückstosses nur heben und auf denselben Fleck wieder niederfallen, auf welchem sie vor dem Schüsse gestanden haben. Ob diese Art, den Rücklauf aufznheben, empfehlenswert}) ist, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann sie nicht ohne Einfluss auf die Haltbarkeit selbst einer eisernen Laffete bleiben, auch wenn die Kraft des Rückstosses durch mit dem Spaten verbundene Guuimiseheiben o, wie hier, gemildert wird. Die Einrichtung, welche den oberen Theil der Iaiffete, den eigentlichen Rohrtriiger, durch den Kück- stoss zurückgleiten und durch eine I'ufTervorrichtung von selbst wieder in die alte Lage vortreiben lässt, scheint zweckmässiger. Denn es kommt ja im Wesentlichen darauf an, den Rücklauf und dns zeitraubende Wiedervorbringen der Laffete zu ver- meiden, auch die einmal gefundene passende Richtung des Rohres auf das Ziel möglichst beizubehalten. F.inigermaassen ist indessen auch an der russischen Iaiffete der Schonung der Haltbarkeit Rechnung getragen, indem Gummipuffer ß an der Achse angebracht sind, welche bei dem Zurückschieben der Laffctenwände bezw. der mit

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Kleine Mittheilangen.

diesen verbundenen Platte <1 durch den Schuss in Wirksamkeit treten und Stoss mildern. Zur Erleichterung der Seitenrichtung ist die Laffete ferner so struirt, dass ihr oberer Theil durch eine Schraube ohne Ende, deren Handgriff

der rechten Aussenseite der Laffete sichtbar ist, mit einer die Achse c bedeckenden und mit den Laffctenwänden ver- bundenen glatten Eisenplatte d wagerecht auf der Achse ver- schoben werden kann. Auf der Zeichnung istdiese Einrichtung leider nicht genau ersichtlich

der kor, b an

gemacht. Auffallend ist, dass die Räder, wie es nach der Zeichnung scheint, im Texte aber nieht erwähnt ist, noch keine metallenen, sondern die alten hölzernen Naben besitzen.

Schiessversuche mit neuen Schnellfeuer-Feldgeschützen. In der Schweiz haben im Laufe dieses Sommers umfassende Schiessversuche mit neuen Schnellfeuer Feldgeschützen stattgefnnden, woran die grossen Geschützfirmen Saint Chamond. Cockerill-Nordenfelt und Friedr. Krupp mit ihren neuesten Konstruktionen betheiligt waren, lieber die Erfolge dieser Versuche ist auch in der politischen Presse berichtet worden; jedoch lehnen sich diese Berichte, wie auch der in der »Kölnischen Zeitung-- vom 17. Juli d. Js. enthaltene, an einen Artikel der »Revue de l’armee beige« an. welcher die Endergebnisse jener Schiessversuche zu Ungunsten der Kruppschen Geschütze erheblich entstellt. Zuverlässige und einwandfreie Berichterstattung über die betreffenden Ergebnisse sind im »Schweizerischen Bundesblatt«, Nr. 26 vom 16. Juni 1898, in einer Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung vom 13. Juni enthalten, betreffend die Bewilligung eines Kredites für die Fortsetzung von Versuchen mit neuen Feldgeschützen. Es heisst daselbst;

»In der Zeit vom 20. Mai bis zum 10. Juni haben durch die von uns ernannte Kommission eingehende Versuche mit drei Schnellfeuer-Feldgeschützen neuester Kon- struktion stattgefunden. Gestützt auf diese Versuche, gelangte die Kommission am 11. Juni zu dem Anträge: „Es möchte zur Vornahme von Versuchen in grösserem Maassstabe bei der Truppe in den nächstjährigen Kursen der Artillerie mit einer ganzen Batterie von sechs Geschützen des Kruppschen Modells nebst vier Caissons und der nöthigen Munition alsbald eine Kreditbewilligung im Betrage von 300 000 Franc* erwirkt werden.* Solche Versuche bei der Truppe und in grösserem Maassstalle waren im Programm der Kommission von Anfang an vorgesehen, und sie sind auch unbedingt notliwendig, um zu einem sicheren und abschliessenden Urtlieil in dieser wichtigen Angelegenheit gelangen zu können. Es soll durch diese Versuche nicht nur der Werth des Materials erprobt werden, sondern es handelt sich dabei auch darum, überhaupt den taktischen Werth der Schnellfeuergeschütze gegenüber dem bisherigen Material festzustellen. Die Auswahl des Kruppschen Versuchsgeschützes für die weiteren Versuche mit einer ganzen Batterie gründet sich auf den vergleichsweisen Werth, der sich für die drei erprobten Einzelgeschütze nach den bis jetzt gemachten

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Kleine Mittbeilungen.

379

"Versuchen und Stadien der Kommission za erkennen gegeben hat. Die Kommission hat einstimmig von den drei Versnchsmodellen dem Kruppschen als dem in allen Theilen feldtöchtig vollendetsten und zugleich unter verschiedensten Verhältnissen durchschnittlich die besten Ergebnisse aufweisenden und am sichersten funktionirenden den Vorzng gegeben. Von den beiden anderen Geschützen erscheint ihr keines werth, neben den Kruppschen zu Versuchen mit ganzer Batterie genommen zu werden. Die Höhe des verlangten Kredits ist bemessen nach den von Krupp für Geschütze und Munition gestellten Preisen, wobei ungefähr die Hälfte des Kredites auf die Kosten des Materials, die andere Hälfte auf die der Munition entfällt. Für die Durchführung eingehender Versuche bei der Truppe in mehreren Kursen ist eine grosse Schusszahl von über 600 Schuss per Geschütz erforderlich. Aus dem Rest des bisher bewilligten Kredits gedenkt die Kommission weitere Versuche mit einer von der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte erstellten Laffetc, sowie Versuche zu weiterer Erprobung des Verschlusses des Rohres des Geschützes von Nordenfeit und endlich hauptsächlich Studien und Versuche für Pulver zu den neuen Geschützen und für Selbstfabrikation der Munition vorzunebmen. Ein viertes Versuchsgeschütz, welches die Kommission bei Schneider A Cie. bestellt hatte, wurde für die Versuche nicht geliefert. Auf das Anerbieten von Schneider & Cie. zur Stellung einer Versuchsbatterie auf eigene Kosten ohne Munition glaubte die Kommission nicht eintreten zu sollen, und wir stimmen ihr darin durchaus bei. Der Kredit für die weiteren Versuche sollte im Laufe der gegenwärtigen Session bewilligt werden, weil sonst die rechtzeitige Lieferung der Batterie für nächstes Frühjahr unmöglich ist und also ein ganzes Jahr unbenutzt verstreichen würde. Die Akten stehen auf der technischen Abtheilnng der eid- genössischen Kriegsmaterialverwaltung zur Disposition der Kommissionen der Käthe, sie können aber mit Rücksicht auf den diskreten Charakter der ganzen Angelegenheit nicht herausgegeben werden.«

Hieraus ergiebt sich, dass die weiteren Versuche nur mit dem Kruppschen Geschütz statttinden werden und solche mit den Geschützen von Saint-Chamond und Cockerill mithin nicht in Aussicht genommen sind.

Tropon. Die Zeiten sind längst vorüber, in welchen 10 000 Mann, die Stärke einer heutigen Division, ein Heer darstcllten. Damals, zu Prinz Eugens Zeiten, liess sich ein solches Heer durch Magazinirnng und Nachführen von Lebensmitteln und Inanspruchnahme der bei den Landeseinwohnern vorhandenen Lebensmittel überall ernähren. Die Steigerung der Zahl in den Kriegen in der zweiten Hälfte und zu Ende des vorigen Jahrhunderts machte die Rücksicht auf Magazine und Verpflegungskolonnen zu einem so eingreifenden Hindemiss der Operationen, dass die Heere der französischen Republik und des französischen Kaiserreichs zu dem Requisitionssystem übergingen und dadurch die Lasten des Krieges für die Bevölkerung in unglaublichem Maasse steigerten. Es ist heute schon zweifellos festgestellt, dass der Misserfolg Napoleons 1. im Feldzüge von 1812 keineswegs der überhaupt gar nicht übermässigen Kälte des Winters von 1812/13, sondern vielmehr der Zuchtlosigkeit seines Heeres, veranlasst durch mangelhafte Verpflegung und Marodiren unter der Maske des Requirirens, zu- gcschrieben werden muss. Die in der Mitte unseres Jahrhunderts zur Anwendung kommenden Eisenbahnen erleichterten den Lebensmitteltransport und gestatteten die schnelle Verproviantirung der Magazine und somit die Verschiebung der Operations- grundlinien noch Maassgabe des Vorschreitens der Heere. Aber schon im Kriege 1870/71 finden wir die erste Anwendung von Konserven, um die Ernährung der Truppen zu bewirken. Die Erbswurst, welehe leicht zu verpacken war und die Herstellung einer nahrhaften kräftigen Suppe in wenig Minuten gestattete, brachte eine sehr zu- trägliche Abwechslung in die oft wochenlang nur aus Hammelfleisch bestehende Ver- pflegung der Truppen vor Metz und Paris. Sie gestattete auch, dem Manne als eiserne Portion übergeben, die Sicherung der Verpflegung auf Märschen von längerer

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Kleine Mittheilungen.

Dauer, ohne Monn und Pferd zu überlasten. Und diese letztere Rücksicht muss unseren heutigen, lange andauernden Schlachten ganz besonders beachtet werden. Denn, wie schon Major v. Ploennies Anfang der 60er Jahre in seinen klassischen Schriften über das Infanteriegewehr und über die Ausrüstung von Mann und Pferd hervorhebt, der Mann vermag nur eine gewisse Zahl von Kilogramm an Arbeit n leisten. Sache der Ausrüstung ist es daher, diese so nach Gewicht und Gestalt ein- zurichten, dass der Hauptantheil der Leistung für das Gefecht verfügbar bleibt um! nicht auf dem Marsche zum Lasten tragen aufgebrauoht wird. Deshalb ist die Ver- wendung von Konserven von ganz ausserordentlicher Bedeutung für die heutige® Heere, Und die Kriegsverwaltung legte bald nach dem Kriege eigene Konserven- fabriken an, deren erste bekanntlich in Mainz ins Leben trat. Zu einer nutzbringenden Verwendung der Konserven gehört aber auch, «lass der Soldat sein Misstrauen gegen diese ihm fremden Dinge als irrig erkennt. Das alte Sprichwort: »Was der Kauer nicht kennt, mag er nicht«, trat schon im Feldzuge 1870/71 bei Ausgabe der Erb» vvurst hervor. Ist mir doch ein Fall bekannt, dass eine neben meiner Abtheilung vor Gravelotte in Erwartung eines Ausfalles aus Metz im Rendezvous stehende Schwadron nicht abkochen konnte, weil sie ihre Erbswurst weggeworfen hatte. Ebenso traf ich im Quartier bei einem Geistlichen gelegentlich eines Marsches auf Tours 1871 ganze Mengen von Erbswurst. Auf meine Frage erhielt ich die Antwort, durchmarschirende deutsche Truppen hätten dieselbe auf die Strasse geworfen, und er habe sie von den Bauern anfiesen lassen, um auf allenfallsigen Mangel an I^ebens- mittein während des Feldzuges gerüstet zn sein. Es war also nicht bloss für die Auffrischung der Konserven sondern auch für die Verbreitung der Kenntnis» ihrer Brauchbarkeit wichtig, dass man die Einrichtung traf, auch in der Friedensmenage der Truppen and gelegentlich der Herbst Übungen Konserven zu verwenden. Nun lehrt uns aber die Wissenschaft, dass zur Ernährung des Menschen und zur Erhaltung seiner Kraft die Allfüllung des Magens mit animalischen und vegetabilischen Stoffen, mit Fleisch und Gemüsen, nicht ohne Weiteres genügt. Wir wissen vielmehr, dass für die Ernährung Eiweiss, Fett und Kohlehydrat, d. h. Zucker, Stürke u. s. w„ in Betracht kommen, und dass von den drei organischen Nährstoff arten das Eiweiss der stickstoffhaltige Bestandtheil ist, während die Fette und Kohlehydrate die Gruppe «ler stickstofflosen Substanzen bilden. Die drei genannten Nährstoffe sind unter sich nicht gleichwertig. Die stickstofffreien Substanzen, also Fette und Kohlehydrate, können sich untereinander bis zu einem gewissen Grade vertreten oder ersetzen. Das Eiweiss aber, die stickstoffhaltige .Substanz, muss unter allen Umständen zur Er- nährung gereicht worden. Ohne Eiweiss kann kein lebendes Wesen bestehen, da das Eiweiss der Grundstoff und die eigentlich arbeitende Substanz der Zellen ist. Der Verbrauch an Eiweiss für die Arbeitsleistung kann nur durch Zufuhr von Eiweiss ausgeglichen werden. Das Eiweiss ist daher der Nährstoff erster Ordnung. Jede vom Körper geleistete Arbeit ist mit einem entsprechenden Verbrauch von Eiweiss verbunden. Dem arbeitenden Menschen muss also Eiweiss und zwar in derjenigen Menge zugeführt werden, welche den Verbrauch derselben deckt, wenn anders er gesund und arbeitsfähig bleiben soll. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass in der Eiweiss Zersetzung die Quelle der Muskelkraft liegt. Diesem Umstande hat man auch bei der Soldatenkost in der Art Rechnung getragen, dass man für ver- mehrte Arbeit die Ernährung an Eiweiss reicher gestaltete. So wird für die Soldaten-

nahrung gefordert:

Eiweiss

Fett

Kohlehydrate

1. Bei der

Krossen Beköstigungsportion unter Ver-

wendung

von Brot durchschnittlich

117,9g

113,5g

489,8 g

2. Bei der

grossen Beköstigungsportion unter Ver

wendung

von Feldzwieback durchschnittlich

136,9 >

108,5 .

496,8 »

Im Allgemeinen und dies wird auch durch Untersuchungen in Menagen für Arbeiter, welche schwere Arbeit, wie bei Krupp z. B., zu verrichten hüben, bestätigt.

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Kleine Mittheilangen.

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reichen für die Kostration bei massiger Muskelarbeit 117 bis 120 g, bei schwerer Arbeit 130 bis 165 g Eiweiss aus. Nnn ist aber das Eiweiss, welches sich in den animalischen und vegetabilischen Substanzen, also in den Fleisch- und PllanzenmengeD, der Nahrung befindet, nicht in vollem Umfange verdaulich. Ein beträchtlicher Prozentsatz des Eiweisaes, welche« durch die Aufnahme der Nahrung in den Magen gelangt, geht nicht in das Blut über und wird vielmehr als nicht ausnutzbar wieder ausgeschieden. Am besten ausgenutzt werden die animalischen Nahrungsmittel, aber sie sind theuer, am schlechtesten die vegetabilischen. Diese letzteren sind zwar billig; um aber die nur für einen miissig arbeitenden Menschen nöthige Eiweissmenge selbst aus den ei weissreichsten Pflanzenarten zu gewinnen, Issdarf man einen Brei von 1600 g Gewicht und in Suppenform sogar 4400 g. Solche Massen kann ein Mensch kaum aufnehmen. Und dabei sind in diesen ei weissreichen Vegetabilien noch 20 bis 60 pCt. Eiweiss un- verdaulich. Man musste deshalb neue Eiweissquellen erschliessen, d. h. man musste versuchen, reines Eiweiss aus animalischen oder vegetabilischen Stoffen darzustellen und zwar in einer Form, welche den Zusatz desselben zn Speisen aller Art in der für die Ernährung und Krüfteerhaltung des Menschen nöthigen Menge gestattet, ohne einen Tlieil desselben nutzlos dem Magen als unverdauliche Masse zuzuführen. Dann gelangte man in die Lage, die Eiweisszuführung dauernd, gleichmässig und für die Arbeit genügend und mit ihrer grösseren oder geringerem Kräfteanstrcngnng steigend oder fallend zu regeln. Dabei muss dieses künstlich hergestellte Eiweiss, wenn es der Massenernahrnng zn Gute kommen soll, billig sein, und wenn cs für die Ver- pflegung im Kriege, sei es für dos fechtende Heer, sei es für Kranke im Iazareth, brauchbar sein soll, so mnss es sich, in kompakter Gestalt leicht verpackbar, anch im Tornister nnd in der Satteltasche mitführen lassen. Ein solches künstliches Eiweiss besitzen wir, dank der Arbeiten des Herrn Professor Dr. Finkler und seines Mit- arbeiters Herrn Dr. I.ichtenfeit, beide in Bonn. Dasselbe führt den Namen Tropon nnd wird in den Troponwerken zu Mülheim am ithein hergestellt und von da aus vertrieben. Herr Professor Dr. Finkler hat als deutscher Delegirter zu dem hygienischen Kongress in Madrid über Eiweissnahrnng nnd Nahrungseiweiss einen eingehenden Vortrag gehalten, welcher die Darstellung des Tropons behandelt. Derselbe ist in der »Dentschen Medizinischen Wochenschrift» und als Sonderabdrnck im Verlage von Georg Thieme in Leipzig erschienen. Ihm und einem kleinen von den Mülheimer Troponwerken herausgegebenen Werkchen habe ich meine Mittheilungen entnommen. Der Tropon kann der Speise zugesetzt werden, ohne den Geschmack zu verändern, ohne den Mugen zu belästigen oder gar Krankheit zu erzeugen. Es ermöglicht, die Kost gleichmässig nahrhaft nnd ausreichend zu gestalten, und ist billiger, als es im Fleisch oder in konzentrirten Nahrungsmitteln geliefert werden kann. Ein Kilo resorhir- harcs Eiweiss kostet z. B. in Milch 4,43, in Kartoffeln 4,62, in Koggenbrot 6,31, in Eiern 6,66, in Kindfleisch 7,35, in Kalbfleisch 7,46, in Keis sogar 14,30 Mark, in Tropon dagegen nur 4 Mark. Dabei ist es unbeschränkt haltbar, frei von Bakterien, von nur schwachem Geschmack, geringem Volumen, also leicht zu verpacken, kann allen Stoffen beigemischt, sogar im Brot verblühen werden, eignet sich znr eisernen Portion, indem 600 g für einen Mann anf drei Tage genügen, jedenfalls die für diese Zeit nöthige Eiweissmenge sichern. Rechnet man ferner, dass durch Verwendung von Tropon znr eisernen Portion diese, welche gegenwärtig 1960 g beträgt, nra 1460 g leichter an Gewicht gestaltet werden kann, so kommt diese Lastverminderung dem Soldaten entweder in Schonung seiner Kräfte für das Gefecht zn Gute oder sie gestattet, wenn man au ihrer Stelle ein gleiches Gewicht an Mnnition zusetzt, die Patronenzahl des einzelnen Mannes von 120 auf 160 Stück zu vermehren nnd damit ebenfalls die Gefechtskraft zu steigern. Ein Aufsatz in No. 11 von 1898 der Zeit- schrift »Das Rothe Kreuz» giebt dem Tropon auch als Nahrungsmittel für Kranke in Kliniken and Lazarethen das beste Zeugniss. Das Tropon muss demnach zweifellos als ein für Heer und Flotte höchst wichtiges und förderliches Verpflegungsmittel bezeichnet werden. C. v. Herget.

382

Bücherschau.

- -ae*- Bücherschau, «e®

Der theasalische Krieg und die tür- kische Armee. Eine kriegsgeschicht- liche Studie von Colmar Frhr. v. der Goltz. Mit Skizzen und Karten in Steindruck. Berlin 1898. Ernst Sieg- fried Mittler und Sohn. Preis geh. Mk. 6,—, gebd. Mk. 7,60.

Einer der genauesten Kenner und be- rufensten Beurtheiler der griechischen und türkischen Heeresverhältnissc, der aus türkischen Diensten wieder in das deutsche Heer zurückgekehrte und mit Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs des Ingenieur- und Pionierkorps und Generalinspekteurs der Festungen beauf- tragt« Generallieutenant Frhr. v. der Goltz, beschreibt in dem vorliegenden Werke die Ereignisse des thessalischen Krieges in einer fesselnden und lehrreichen Weise, wobei zahlreiche vorzügliche Karten das Verständniss ungemein erleichtern. Die Mittheilnngen persönlicher Freunde und Verehrer unterstützten ihn dabei wesentlich. Er berichtet nicht allein über die Vorbereitungen zum Kriege und über dessen Verlauf, schildert die leitenden Persönlichkeiten, beurtheilt die einzelnen Operationen, sondern er kennzeichnet auch die Eigenart des türkischen Volkes und Heeres, die so rühmliche Erfolge herbei- führtc. Ueberall gewahrt man in der Darstellung und Kritik die sichere, über- zeugende Beobachtung, die der Verfasser in seinem langjährigen Aufenthalte auf der Balkan-Halbinsel und bei der Aus- bildung der ottomanischen Armee, deren waffentüchtiger Stand grossentheils sein eigenes Verdienst ist, gesammelt hat. In diesem Sinne hervorragend sind nament- lich seine Schlussbetrachtungen, welche der türkischen Wehrmacht gewidmet sind. Besonders günstig wird dabei das Ver- I halten der Artillerie und ihrer Offiziere beurtheilt, welche siimmtlich schon aus Militärschnlen hervorgegangen sind. Von den H ülfsdiensten der Armee, zu denen auch die technischen Truppen gehören, stand nur das Telegraphenwesen auf einer anerkennenswerthen Höhe. Der Apparat, der den Feldherrn mit dem Palast des Grossherm verband, folgte jenem meist bis auf das Schlachtfeld. Es ist dies ein i Beweis dafür, was im türkischen Heere geleistet werden kann, wenn von der höchsten Stelle aus an der Leistung ein lebendiges Interesse genommen wird. Bei Veleatinon, I’harsala und Dhomokos hatten die Griechen zwar umfangreiche Stellungen befestigt, aber sie erwiesen sich doch nur als dürftige Improvisationen

ohne grössere Widerstandskraft, ao dass kriegstechnische Erfahrungen in dieser Beziehung bei der Defensive der grie- chischen Armee nicht zu verzeichnen waren.

Idöes de progrös relatives au tir et a l’armement de I’infanterie par F. de Pardieu, cnpitaine brevete au 63* regiment d'infanterie. Paris, Henri Charles La vanzelle.

Das vorliegende Buch erregt dadurch Interesse, dass sein Inhalt in mancher Hinsicht an die kleine Schrift von d'Aont (vergl. 4. Heft .Gedanken über das Infan- teriegewehr der Zukunft« ) erinnert. Auch de Pardieu ist davon überzeugt, dass im Gefecht ein grosser Theil der Schützen, namentlich auf den kleinen Entfernungen, gar nicht oder schlecht zielt. Während jedoch d'Aout eine Steigerung der Rasanz geradezu für nachtheilig erklärt, vertritt de Pardieu die Ansicht, dass es vortheil- haft wäre, die völlige Rasanz gegen manns hohe Ziele, die jetzt bis auf etwa 600 m vorhanden ist, bis auf 800 m zu steigern. Aber andere Verbesserungen sind in seinen Augen wichtiger. Sein Vorschlag zielt in erster Linie auf ein Gewehr ah, das selbst- thütig abgefeuert werden kann, sobald die Neigung der Seelenachse zur Wagerechten der Schussweite von 600 m entspricht ; er giebt auch den Weg an, auf dem die I-ösung der Aufgabe zu suchen wäre. Wir müssen uns darauf beschränken, die sich dafür interessirenden Kreise hierauf aufmerksam zu machen, können aber den Optimismus des Verfassers, der diese Aufgabe als leicht lösbar hinstellt, nicht theilen. Gelingt der Technik die Lösung der auf S. 151 dieser Zeitschrift geforderten Aufgabe, dass sie nämlich das Abfeuern eines Ge- wehrs verhindert, wenn die Neigung der Seelenachse mehr als 8 (6) Grad be- trägt, so ist das schon eine anerkennens- werthe Leistung, die aber ein Kinderspiel zu der hier geforderten ist, wonach das Gewehr selbstthatig abgefenert werden soll, wenn die Neigung der Seelenachse etwa 30 Minuten beträgt, wobei natür- lich ein kleiner Spielraum von vieUeicht ± 10 Minuten gewährt werden muss. Das Alles würde aber noch wenig helfen, wenn nicht zugleich auch noch dem Winkel, den die Visirlinie bei höher oder tiefer gelegenen Zielen mit der Wagerechten bildet (Geländewinkel), Rechnung getragen würde. Die Möglichkeit der Lösung der Auf gäbe ist theoretisch nicht ausgeschlossen; ob aber ein Gewehr, das mit den dazu erforderlichen Einrichtungen versehen

iUU

Bücherschau.

383

Abbild. 1.

Kumt und Wissenschaft, and auch auf militäri- schem Gebiete hat die Photographie an Bedeu tang zugenommen, ob- schon sie hier immer noch *u sehr vernachlässigt und nicht hinreichend ausgenutzt wird. Bisher

wäre, noch kriegsbrauchbar genannt w erden kann, ist eine andere Frage. Im Uebrigen wird vor Allem Werth anf Erleichterung der Mnnition gelegt, die aber nicht dnreh Herabsetzung des Kalibers, sondern dnreh Annahme einer verbrennbaren Hülse Celluloid?,' angestrebt werden soll.

Praktikum der wissenschaftlichen Photographie. Von Dr. Karl Kaiser- ling, Assistent am Königl. pathologi- schen Institut in Berlin. Mit 4 Tafeln und 193 Abbildungen im Text. Berlin, Gustav Schmidt (vorm. Robert Oppen- heim). 1898. Preis geh. Mk. 8, , gebd. Mk. 9,—.

Während die Amatenrphotographie mehr nnd mehr aufhört ein Zeitvertreib oder eine Spielerei zn sein, wird sie immer mehr ein unentbehrliches Hülfsmittel für

Darstellung; mühsam mnsste sich der Anfänger an der Hand von Spezial- werken das für seine Zwecke Brauch- bare znsammensnehen nnd dnreh zeit- raubende Versuche die einzelnen Methoden dnrehprobiren. Das vorliegende Werk bringt diesem L" ebelstand gründliche Ab- hülfe; es hat folgenden reichen Inhalt: das Licht und seine Wirkungen; der Auf- nahmeupparat ; die Aufnahme ; das Negativ- verfahren; das Positivverfahren; die Ver- grösserung nnd die Mikrophotographie ; die Stereoskopie; die Verwendung der X-Strahlen; die Photographie in natür- lichen Farben nnd die Keproduktions- verfnhren. Auch für den militärischen Amateur ist die wichtigste Frage die Be- schaffung eines gnten Objektivs; für ihn dürfte sich wegen seiner möglichst uni- versellen, wissenschaftlichen Verwen- dung das Doppelanastigmat von C. P. Goerz in Friedenau-Berlin empfehlen. Es stellt ein symmetrisches Doppelobjektiv ans zwei dreifachen Linsen dar (Abbild. 1

Abbild. 2.

entbehrte diese Art von Photographie einer zusammenhängenden, kurzgefassten

Abbild. 3.

und 2). Seine wirksame Oeffnung ist 1 : 7,7. Der Bildwinkel beträgt bei mitt- leren Blenden etwa 70 Grad. Bei der kleinsten Blende gestattet er, nahezu 90 Grad anszunntzen, so dass er auch als Weitwinkel dienen kann. Ein Doppel- anastigmat von 16 cm Brennweite zeichnet bei kleinster Blende eine Platte von 18 X 24 cm ans. Die Lichtstarke genügt für fast alle Momentaufnahmen hei einiger- maassen gutem Lichte. Die Hinter- linse allein kann als Landschafts- linse von annähernd doppelter Brennweite, wie das ganze System hat, unter Benutzung

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Bücherschau.

der Iris als Vorderldende benutzt werden. Wichtig ist auch die Auswahl einer Kamera, wobei es unter Umstünden vor- teilhaft ist, wenn auch (las Stirnbrett mit dem Objektiv verstellbar ist (Abbild. 3 und 4). Bei dieser Kamera, bei der die Einstellung des Stirnbrettes durch die Schraube a erfolgt, die der Visirscheibe I durch b, wird die Neigung nach vorn und hinten durch die Schraube c und die nach rechts und links durch die Schraube d vermittelt. Zusainniengelegt (Abbild. 4) nimmt diese Kamera, die ausserdem noch einen doppelten Bodenanszug hat, trotz ihrer grossen Balglünge nur ein kleines Volumen ein und dürfte von allen Kameras

Abbild. 4.

die empfehlenswertheste sein. Diese Ka- mera muss auf einem Stativ befestigt werden, wozu sich nm besten die in Abbild. S dargestellten Stative für Kcise- apparute eignen. Von Momentverschlüssen wird neuerdings der Thornton-Pickard- Verschlus* bevorzugt (Abbild. 6). da er sowohl für Zeit- als uueh für Moment- aufnahmen zu benutzen ist. Die Kegul innig der Schnelligkeit geschieht durch mehr oder weniger starke Spannung der Trieb- feder; auch lässt sich dieser Verschluss durch Aufschieben vor dem Objektiv an- bringen. Von militärischer Bedeutung sind uueh die Reihenaufnahmen, wie sie für die Herstellung des Kinematographen gemacht werden. Die Militärbehörden können die Sprcngversuche mit Minen,

daH Schiessen mit Torpedos und Kanonen und andere in ihr Fach schlagende Anf nahmen mit dem Kinematographen eiet

Abbild. 5.

besser ausführen als mit den bisher an gewandten chronophotographischen Appa raten. Auch hierüber giebt das bedeutende Werk des Dr. Kaiserling genauen Auf Schluss sowie Anhaltepnnkte für da« Photographiren. Wenn wir einen Wunsch hinzuzufügen hätten, so wäre es der, das.- das Photographiren nus dein Luftballon sowie das Herstellen von Mikrophoto

Abbild. 0.

grnmmcn zur Anfertigung von Depeschen triefen für Brieftauben mit in den Bereich des hervorragenden Werkes hineingezoern worden wäre.

bedruckt in der Königlichen tlofhncbdruckerei von E. S. Mittler t Sohn, llerlin MV., Kochetneee 60-11

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubnis untersagt.

Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie- Materials 1892 bis 1897.

Mit ri*r Tafeln and acht Abbildungen im Test.

Die Fortschritte in der Wirkung und Feuerbereitschaft des Infanterie- gewehres, die seit etwa zehn Jahren die verschiedenen Armeen gemacht haben, legten der Feldartillerie das Gebot auf, durch Studium eines neuen Materials nach Wiederherstellung des normalen Wirkungsver- hältnisses zwischen Infanterie und .Feldartillerie zu streben. Eine ganze Reihe inzwischen erlangter technischer Vervollkommnungen konnte bei dem kommenden Feldgeschütz angebracht werden, vor Allem lag es nahe, auf eine grössere Beweglichkeit hinzuarbeiten, da das in den siebenziger Jahren entstandene Material der Wirkung zu Liebe bis an die Grenzen, der noch zulässigen Gewichtsverhältnisse, zum Theil, mit Rücksicht auf die reitende Artillerie, noch darüber hinausgegangen war. Da das moderne Infanteriegewehr auf dem Schnellfeuerprinzip be- gründet ist, so lag der Gedanke nahe, beim Zukunftsgeschütz etwas dem Entsprechendes zu erstreben, wozu vor Allem die Beschränkung, wenn möglich Aufhebung des Rücklaufs gehörte. Es lag überhaupt im Inter- esse der Waffe, für die Fälle, wo das gewöhnliche Feuertempo genügt, die Bedienung zu erleichtern, um hierdurch Zeit für ein sorgfältiges Richten zu gewinnen und die Kräfte der Mannschaften zu schonen. Vor- bilder für Schnellfeuer-Geschütze selbst grösserer Kaliber lagen bereits vielfach in der Marine vor; ein Gleiches zu erreichen konnte bei den eigentümlichen Gebrauchsverhältnissen des Feldgeschützes nicht gehofft, immerhin durfte eine Annäherung daran erstrebt werden. Das rauchlose Pulver bildet hierfür die Grundlage.

Es entstand zunächst die Streitfrage, ob man der Feuergeschwindigkeit zu Liebe in der Wirkung des Einzelschusses einen Nachlass gewähren und den wirksamen Einzelschuss durch Massenfeuer ersetzen könne. Man konnte dann unter die bisherigen Feldkaliber wesentlich heruntergehen und die Rücklaufhemmung wie die Bedienung erleichtern. Es litt aber dann besonders die Beobachtungsfähigkeit des Schusses und damit die Grundlage des Einschiessens und der Treffwirkung. Man kann annehmen, dass man in den Staaten, die mit ihrem neuen Geschützmodell bereits abgeschlossen haben, sieh vor einer Ausschreitung in der Kaliberherab- setzung gewahrt hat, wenn auch noch nirgends ein völlig klares, auf amtlichen Schriften begründetes Bild der Verhältnisse des neuen Modells vorliegt.

Dagegen konnte man schon seit einer Reihe von Jahren den Be- strebungen der Privatindustrie auf dem Gebiete folgen, namentlich auf den verschiedenen grösseren Ausstellungen, und hier wurde man ge-

Krifgstechnische Zeitschrift 1898. 9. Heft. 25

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386 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Mnterials 1892 bis 189“.

wahr, wie auch vielfach auf nicht mehr feldmässige Kaliber eingegangen wurde. Die Privatindustrie arbeitet nicht für ihren eigenen Zweck, und da sie unter dem Privatpublikum keine Abnehmer für diese Fabrikate findet, so muss sie auf die Geschmacksrichtung der Staaten Rücksicht nehmen, sie muss ihnen ausserdem eine gewisse Auswahl zur Verfügung stellen. Wenn daher unter die feldmässigen Kaliber heruntergegangen wurde, so muss man nicht denken, dass das betreffende Werk nun gerade das unter diese Kategorie fallende Geschütz als ein Ideal betrachtet, sondern die Industrie sieht in diesen Konstruktionen auch ein Mittel zum Studium der einschlägigen Verhältnisse, dessen Ergebnisse auf grössere Kaliber übertragen werden können.

An jenen Stellen, wo man sich über das Vorgehen der Privatindnstrie unterrichten konnte, hat nun im letzten halben Jahrzehnt die bedeutendste Geschützwerkstätte Deutschlands und die hervorragendste des Erdballs, die Gussstahlfabrik Fried. Krupp in Essen, sich mit Feldgeschützen beschleunigten Feuers nicht betheiligt, sie ist auch gegenüber der tech- nisch-militärischen Litteratnr zurückhaltend gewesen, indem sie in diesem Zeitraum keine Schiessberichte zur Kenntniss der Interessenten und der Freunde des Werks gebracht hat, wodurch sonst ihre Studien und Ver- suche in ihren Ergebnissen weiten Kreisen zugänglich gemacht wurden. Der letzte von der Firma herausgegebene Schiessbericht No. 88 vom Oktober 1892 behandelte Schiessversuche, die im Jahre 1891/92 mit 6 cm Schnellfeuer-Feldkanonen ausgeführt worden waren. Man hatte bei diesem Geschütz, wie oben angedeutet, auf einen Theil der ballistischen Wirkung zu Gunsten einer grösseren Feuergeschwindigkeit verzichtet, und es war hierbei die Laffete mit besonderen Hemmungsmittelu zur Aufhebung des Rücklaufs und zur raschen Wiederaufnahme der Seitenrichtung versehen, auch waren Metallkartusche und Geschoss zu einer Patrone vereinigt worden. Der Bericht 88 ist mehrfach missverstanden und dahin gedeutet worden, als ob die Kruppsche Fabrik unter Schnell- feuer-Feldgeschützen nur jene von geringer Seelenweite verstehe, wozu der Umstand noch beitrug, dass die Schiessergebnisse von 8 cm-Geschützen zum Vergleich herangezogen worden waren. Bereits verfügte die Fabrik über Ver- treter der grössten Einzelschusswirkung in den 8 cm- Schnelllade-Kanonen L/29 und L/30 mit einem Geschossgewicht von 7 bis 7,5 kg und einer Mün- dungsgeschwindigkeit von 570 und 550 m. Leitende Gesichtspunkte für die Konstruktion waren hierbei: Grösste Ausnutzung des Materials und grösste Wirkung des Einzelschusses bei noch ausreichender Beweglichkeit. Das Rohrgewicht betrug 450 kg, das Latfetengewicht 550 bis 610 kg, so dass das Gewicht des abgeprotzten Geschützes 1000 bis 1060 kg erreicht. Mit dem leichteren dieser Geschütze konnte bei Schiess versuchen im Jahre 1890 die Mündungsgeschwindigkeit des 7 kg schweren Geschosses unbeschadet der Haltbarkeit sogar bis auf 597 m bei theilweise auf- gehobenem Rücklauf gesteigert werden, was einer Miindnngsarbeit von 127 mt entspricht, das Höchste, was jemals mit einem Feldgeschütz erzielt worden ist. Gleichwohl hatte eine derartige Beanspruchung des Geschützes wesentliche Nachtheile für den Feldgebrauch im Gefolge; es wurde wieder auf 570 m Mündungsgeschwindigkeit zurückgegangen und gleichzeitig noch, um ein ruhigeres Arbeiten des Geschützes zu erreichen, das Laffeten- gewicht auf rund 600 kg erhöht. Diese Angaben sind für alle Diejenigen von höchstem Interesse, die der Diskussion über das »Feldgeschütz der Zukunft';, hervorgerufen durch das 1891 erschienene gleichnamige Werk des Generalmajors z. D. R. Wille, nahegestanden haben. Die Krupp*

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«che Fabrik war schon damals der Ansicht, dass das Schnellfeuer nicht Selbstzweck der mit Schnellfeuer-Geschützen bezeiehneten Konstruktionen «ein konnte, Bondern dass durch die letzteren nur eine Vereinfachung der Bedienung im Ganzen und in ihren Theilen erreicht werden sollte. Diese Vereinfachung tritt unter Umständen auch als Steigerung der Feuer- geschwindigkeit und als Schnellfeuer in die Erscheinung. Jedenfalls aber, und darüber bestand bei der Kruppschen Fabrik schon damals kein Zweifel, sollten Einzelschusswirkung und Beweglichkeit gegenüber den ein- geführten Systemen nicht vermindert werden.

Die Kruppsche Gussstahlfabrik ist nunmehr aus der hinsichtlich ihrer Schiess versuche bisher beobachteten Zurückhaltung herausgetreten, indem sie den als Manuskript gedruckten Schiessbericht 89 herausgegeben hat.

Kurz vor Ausgabe der ersten Exemplare wurde uns in Essen die Möglich- keit, einzelne Typen der Entwickelungsstufen des Kruppschen Feldartillerie- materials in Augenschein zu nehmen. Im Folgenden geben wir auf Grund des Berichtes und dieser Besichtigung ein gedrängtes Bild dieser Ent- wickelung unter Beifügung von Skizzen und Gesammtansichten. Man wird aus der Darstellung erkennen, welche Ueberlegungen und Versuche zn den seit jener Zeit (1891/92) bis 1897 ausgebildeten Konstruktionen geführt, welche Wege als geeignet, welche als ungeeignet sich erwiesen haben.

Die erreichten Vereinfachungen des Geschützes und seiner Bedienung beziehen sich:

1. auf den Verschluss, für den die Liderung durch eine das Zünd- mittel und die Ladung aufnehmende, selbst lidernde, von Schuss zu Schuss erneuerte Metallhülse ersetzt ist;

2. auf die Laffete, deren Rücklauf vermindert, und die mit Ein- richtungen zur raschen Wiederaufnahme der Seitenrichtung versehen wird;

3. auf die Munition, insofern die Schlagröhrc wegfällt und das Zündmittel mit der Kartusche vereinigt und weiterhin diese Kartusche mit dem Geschoss zu einer fertigen Patrone verbunden wird.

Diese Vereinfachungen konnten indess erst dann zu einer wesent liehen Steigerung der Feuergeschwindigkeit führen, wenn gleichzeitig ein rauchloses Pulver verwendet wurde. Es steht daher die Anwendung des rauchlosen Pulvers im engen Zusammenhang mit der Entwickelung der Schnellfenergeschütze.

A. Geschützrohre.

1. Material und Aufbau.

Es ist bei säinmtlichen Rohren die Mantelrohr-Konstruktion unter Verwerthung des bewährten Kruppschen Tiegelgussstahls gewählt. Stahllegirungen von noch grösserer Zähigkeit werden verwendet, wenn der Gebrauch brisanter Sprengstoffe als Geschoss-Sprengladung in Aus- sicht genommen ist. Die umseitige Tabelle enthält einige der wichtigeren Rohrkonstruktionen Kruppscher Schnellfenergeschütze.

Es geht daraus hervor, dass die Kruppsche Fabrik für ein Feld- geschütz der Rohrlänge von 26 bis 30 Seelenweiten den Vorzug giebt, jedoch soll die absolute Rohrlänge des Fahrens wegen in der Regel 2,25 m nicht übersteigen. Die Rohre verfeuern Geschosse, deren Gewicht 4,3 bis 6,5 kg beträgt, und haben Seelenweiten von 6,5 bis 7,8 cm. Bei den meisten beträgt sie 7,5 cm, da diese Seelenweite in Verbindung mit einem Geschossgewicht von etwa 6 kg und der Mündnngsgeschwindigkeit

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388 Die Entwickelung des Kruppschen Fcldartillerie-Materials 1892 bis 189“.

von etwa 500 m ein Rohr- und Geschützgewicht ergiebt, wie es für euro- päische Verhältnisse angemessen ist.

Die Rohrausnutzung (Spalte VI der Tabelle) steht in engem Zusammen- hang mit der Leistung, die das ganze System hergeben soll.

2. Verschluss.

Als solcher wird in erster Linie der von der Fabrik konstruirte wage- rechte Schnelllade-Keilverschluss benutzt. Er öffnet sich in der Regel nach rechts und ist behufs bequemeren Ladens das Bodensttiek an der linken Seite bis zum Keilloch aufgeschnitten. Nach besonderen Wünschen der Besteller wird er in mehreren Formen ausgeführt; ausser- dem fertigt die Fabrik zahlreiche Konstruktionen von senkrechten Keil- verschlüssen und von Schraubenverschlüssen, über deren Einzelheiten und Eigenthiimliehkeiten noch Veröffentlichungen von der Fabrik in Aussicht gestellt sind.

3. Zielvorrichtung.

Die Lage der Ziellinie hat sich vornehmlich nach der Verschluss- konstruktion zu richten, so dass der Richtende durch den ladenden oder den Verschluss bedienenden Kanonier nicht behindert wird. Ein Mann bedient nur die Richtvorrichtung, ein Mann den Verschluss und einer besorgt das eigentliche Laden; die Thätigkeit dieser drei Leute hat gut ineinander zu greifen. Diese Anforderungen lassen sich beim Keilverschluss leicht erfüllen.

Der Aufsatz ist entsprechend der Seitenabweichung des Geschosses schräg gestellt, so dass unter normalen Verhältnissen die Seitenverschiebung von selbst berücksichtigt wird; auch ist er mit einem ausschaltbaren Schneckengetriebe versehen. Der Bedeutung, die das rasche Nehmen der Richtung bei Schnellfeuergeschützen hat, ist hierdurch bei der Ziel- einrichtung an den Kruppschen Geschützen Rechnung getragen. Die Er- höhung kann stets leicht und sehr genau eingestellt werden.

B. LafFeten.

Die Konstruktion einer geeigneten Laffete ist beim Schnellfeuer-Feld- geschütz eine der am schwierigsten zu lösenden Aufgaben. Für Geschütze

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie Materials 1892 bis 1897. 380

kleiner Seelenweite hat die Konstruktion einer Laffete ohne Rücklauf oder mit stark vermindertem Rücklauf nie grosse Schwierigkeiten gemacht, da das Verhältnis zwischen Geschossgewicht und Mündungsgeschwindigkeit einerseits und Geschützgewicht andererseits von selbst einen geringen Rücklauf mit sich bringt, und also weder an die Widerstandsfähigkeit noch an die Mittel zur Rücklaufhemmung der Laffete hohe Anforderungen gestellt zu werden brauchen. Sobald sich die Unmöglichkeit herausgestellt hatte, auf Grundlage kleiner Seelenweiten zu einem auch im Einzelschuss genügenden Feldgeschütz zu gelangen, traten die Schwierigkeiten der Konstruktion einer geeigneten Laffete um so mehr in die Erscheinung, je mehr man die Wirkung des Einzelschusses in Verbindung mit möglichst grosser Feuergeschwindigkeit zu steigern trachtete, ohne die für Feld- geschütze gegebene Gewichtsgrenze zu überschreiten. Durch die Forderung einer hohen Feuerbereitschaft und die dadurch bedingten Aenderungen der Laffete wird die Schwierigkeit, sie gleichzeitig als gutes, dauerhaftes Fahrzeug herauszustellen, gesteigert, und die alte Schwierigkeit, den Gegen- satz zwischen Beweglichkeit und Leistung auszugleichen, besteht heute in wesentlich verstärktem Maasse.

Verwendung des besten und geeignetsten Materials für die ver- schiedenen Theile und zweckentsprechende Einrichtung bilden die beiden zur Erreichung dieses Zieles führenden Mittel. Auf das erste Mittel hat die Fabrik schon bei den älteren Laffeten grosses Gewicht gelegt. Durch eine grosse Zahl von Versuchen wurde das für alle wichtigen Theile geeignetste Material bestimmt, unter fortwährender Benutzung der neuesten Fortschritte und Verbesserungen der Metallurgie und mit Hintansetzung der Frage der Materialpreise. Es ist auf diese Weise gelungen, die

Haltbarkeit der Laffete ganz erheblich zu steigern und das Gewicht ent- sprechend zu vermindern.

Hinsichtlich der Konstruktion kommen hauptsächlich die nach- folgenden Punkte in Betracht.

Hemmung des Rücklaufs.

Die Verminderung des Rücklaufs ist das wichtigste Mittel zur Ver- einfachung und Erleichterung der Bedienung und Vergrösserung der Feuergeschwindigkeit. Der grösste Zeitaufwand beim bisherigen Feld- geschütz wird von Schuss zu Schuss durch den Rücklauf und das Wieder- vorbringen des Geschützes in die Feuerstellung bedingt.

Nach drei Richtungen lässt sich beim Schnellfeuer-Geschütz gegen diesen Uebelstand vorgehen:

a) Möglichste Verkürzung des Rücklaufs;

b) Festhalten des Geschützes in der Feuerstellung;

c) selbstthätiges Zurüekbringen des Geschützes in dieselbe.

In diesem Sinne bewegten sich die vor und nach ausgeführten Laffetenkonstruktionen.

Zuerst versuchte man es mit starker Bremsung der Räder, d. h. mit besserer Ausnutzung der Reibung der Laffete beim Rücklauf auf dem Erdboden. Darauf suchte man durch Spaten und Sporne der Laffete einen Stützpunkt im Erdboden selbst zu verleihen; endlich wurde das Verbindungsglied zwischen Laffete und Erdboden beweglich und elastisch eingerichtet. Nebenher gingen die Bestrebungen, den Rück- stoss durch Einschaltung einer hydraulischen Bremse, sei es zwischen Rohr und Laffete, sei es zwischen Laffete und Sporn, zu mildern.

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390 DiP Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie Materials 1892 bi» 1 8V7.

Radbremsen.

Die Radbremse stellt im äussersten Falle die Räder völlig fest und verwandelt deren rollende Reibung in eine gleitende.

Nach praktischen Ermittelungen beträgt der Reibungskoeff izient auf wagerechtem gewachsenen Boden rund 0,16 bei ungebremstem Ge- schütz, 0,6 bei gebremstem Geschütz. Da der Rücklaufweg umgekehrt proportional dem Reibungskoeffizienten ist, so ist eine Rücklauf- verminderung im Verhältnis» von 60 : 16 oder von 15 : 4 zu erreichen.

Da die Räder sich beim Schuss etwas heben, oder das ganze Ge- schütz vom Boden federt und zurückspringt, so gelingt es der Bremse in Wirklichkeit nur, den Rücklauf auf etwa ein Drittel zu vermindern. Ueber Messungen des Rücklaufs beim gebremsten und ungebremsten Ge- schütz siehe die folgende Tabelle (S. 391).

Die Fabrik hat sowohl Nabenbremsen als Radreifenbremsen kon- strnirt und so eingerichtet, dass ein Anziehen vor dem Schuss oder ein Lösen nach demselben erforderlich ist, oder aber selbstthätig, so, dass die Bremse beim Schuss mit zunehmender Kraft sich anzieht und beim Vor- bringen des Geschützes von selbst loslässt.

Der Rücklauf kann also durch Radbremsen allein nicht in dem Maasse gehemmt werden, dass ein nachheriges Vorbringen des Geschützes ver- mieden wird. Das Geschütz geräth wegen der meist ungleichen Bremsung beider Räder oft aus der Richtung. Die Radbremsen sind also in beiden Beziehungen für Schnellfeuer nicht günstig.

Starre Sporne.

Die Anwendung eines festen Sporns am Laffetenschwanz ist schon seit langer Zeit bekannt, bei Geschützen von geringer Leistung wie beim 6 cm Geschütz hat sich ein solcher einfacher Sporn auch bewährt.

Sobald indess grosse ballistische Leistungen gefordert werden, bringt der feste Sporn in wenig nachgiebigem Boden, also bei geringem Rück- lauf, ein mehr oder minder starkes Springen des Geschützes, bei weichem Boden aber ein Einwühlen des Laffetenschwanzes mit sich.

Unter Umständen entsteht eine Neigung des Geschützes, sich in wagerechter Richtung um den Laffetenschwanz zu drehen und dadurch die Seitenrichtung zu ändern. Die Acnderung wächst mit der Zeit, während welcher die Räder in der Luft schweben. Die Feuergeschwindigkeit wird hierdurch vermindert. Es liegt nahe, den starren Sporn nur in besonderen Fällen, wo Bodenbeschaffenheit und Gelände die Anwendung begünstigen, anzuwenden. Man richtet ihn dann ausschaltbar, als Klappsporn ein.

Von der allgemeinen Anwendung des starren Sporns hat bei ge- steigerter ballistischer Leistung vielfach die Rücksicht auf die Haltbarkeit der Laffete abgehalten, denn da der Rohrriickstoss vorn, der Spornwider- stand aber am Schwanz der Laffete wirkt, so werden bei diesem Hemmungs- mittel die Hauptlaffetentheile, besonders die Laffetenwände, sehr stark in Anspruch genommen. (Starrer Sporn ist Tafel III u. IVa zu ersehen.)

Rohrrücklauf (vergl. Tafel III).

Einrichtungen zur Verminderung dieser Beanspruchung sind von der Kruppschen Fabrik schon vor langer Zeit hergestellt worden. So wurde von hier schon im Jahre 1856 eine elastische Lagerung des Rohres in der Laffete zur Anwendung gebracht, indem zwischen den Schildzapfen und deren Lagern in den Laffetenwänden Gummipuffer eingeschaltet wurden.

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1802 big 1807. 391

392 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie Material» 1892 bi» 1897.

Schiessversuche mit einem in solcher Laffete gelagerten » 1 2 pfündigen hannoverschen Geschützt sind 1857 im Beisein von Artillerieoffizieren verschiedener deutscher Staaten ausgeführt worden und sollen nach einem noch vorliegenden gedruckten Bericht aus jener Zeit gute Ergebnis» geliefert haben. Die aus unbekannten Gründen später wieder fallen ge lassene Idee ist nachher anderwärts aufgenommen und ausgebildet worden, wofür u. A. die Konstruktion des russischen Generals Engelhardt den Beleg liefert.

Verbreiteter ist die Einschaltung einer hydraulischen Bremse zwischen Rohr und Laffete zur Verminderung der Laffetenbeanspruehnng. Die Schonung der Laffete wird auf diesem Wege allerdings erreicht, e* ist aber nach Ansicht der Kruppschen Fabrik vortheilhafter, das Gewicht der Bremse nebst Zubehör zur Verstärkung der angegriffenen Theile zu verwenden und dann die Bremse fortzulassen. An sich wird die hydrau- lische Bremse zwischen Rohr und Laffete eine Verminderung des Laffeten- rücklaufs nicht zur Folge haben, vielmehr wird dieser, solange an der Laffete keine anderen Mittel zum Hemmen ihres Rücklaufs angebracht sind, nicht kleiner, sondern eher grösser werden. Es wird die Wirkung des Schussdrucks des Laffetenschwanzes auf den Boden immer die Haupt- ursache der verminderten Rücklaufsgeschwindigkeit des Geschützes bilden. Dieser Druck ist aber bei Anbringung von Flüssigkeitsbremsen*) verringert, dies die Ursache jener Erscheinung. Es wird aber bemerkt, dass man durch die Art der Anordnung des Rohrrücklaufs nicht nur eine Verminderung, sondern sogar eine völlige Aufhebung deu Laffetenrücklaufs ermöglichen kann, wenn der Druck in der Rohrrücklaufhemmung geringer wird als der Widerstand des Bodens. Es nöthigt dies aber, dem Rohr einen sehr bedeutenden Rücklauf zu geben, und es entstehen für den Feldgebranch ungeeignete Konstruktionen. Handelt es sich lediglich um Verminderung oder Aufhebung des Buckens, so braucht der Rohrrücklauf nicht so gross zu sein wie für die Aufhebung des Geschützrücklaufs, immerhin führt er zu schweren und langen Laffeten. Um die Richtigkeit ihrer theoretischen Erwägungen durch Versuche zu erhärten, hat die Kruppsche Fabrik solche Konstruktionen zu Studienzwecken ausgeführt.

Wir kommen hierauf später noch zurück.

Es können nun in Bezug auf jene Mittel zur Verminderung der Laffetenbeanspruchung noch folgende Erwägungen Platz greifen.

Die Einrichtung des Rohrrücklaufs ist keineswegs einfach , die Flüssigkeitsbremse verlangt eine sorgfältige Behandlung und dauernde Aufmerksamkeit, die im Felde, namentlich wenn es an geübter Mannschaft mangelt, schwer durchzuführen sind. Schon darum empfiehlt sich der Rohrrücklauf für den Feldkrieg nicht.**)

Es kann Vorkommen, dass bei vernachlässigter Auffüllung der Bremse das Rohr sich nach hinten herausschiesst und somit nicht nur das ganze Geschütz unbrauchbar, sondern auch noch die Mannschaft gefährdet wird.

Die Kruppsche Fabrik hat in diesem Sinne 1892 Versuche angestellt. Es wurde absichtlich ein Bremscylinder nur mangelhaft mit Flüssigkeit gefüllt. Das Rohr wurde alsdann nach hinten herausgeschossen und die Bremse zertrümmert. Sobald die Einrichtung zu dem Wiedervorbringen

*) Die Kruppsche Fabrik hat für hydraulische Bremsen das deutsche Wort »Flüssigkeitsbremse! eingeführt , analog auch » Flüssigkeit» i- statt Hydraulischer Druck.

**) Das Reglement für die französische 12 cm Feldhaubitze enthält 14 Octav seiten Gebrauchsanweisung für die hvdro-pneumatisehe Bremse.

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Die Entwickelung des Kruppschen Fcldartillerie-Materials 1892 bis 1897. 393

des Rohres versagt, was im Schnellfeuer und in der Hitze des Kampfes leicht unbeachtet bleiben kann, tritt derselbe Fall ein. Nur auf Kosten des Gewichts kann dem Herausschiessen des Rohres durch grosse Ver- stärkung der Bremse vorgebeugt werden. In welcher Weise der das Material ausserordentlich angreifende jahrelange Fahrgebrauch auf ein solches Geschütz wirkt, hat noch nicht in Erfahrung gebracht werden können. Uebrigens kommt ein Unbrauchbarwerden des Rohrrücklaufs, also eines verhältnissmässigen kleinen Theils des Geschützes durch feind- liches Feuer oder sonstwie einem zeitweisen Unbrauchbarwerden des ganzen Geschützes gleich. Die Gefahr ist dafür um so grösser, je grösser der Rücklauf ist und je weniger einfach die betreffenden Ein- richtungen sind.

Die Folgerungen, die auB den mit Rohrrücklauf-Geschützen gemachten Versuchen gezogen werden konnten, waren dieser Konstruktion nicht günstig.

Achsspaten.

Um gewissen Nachtheilen des starren Sporns aus dem Wege zu gehen, wie der starken Laffetenbeanspruchung und dem lästigen Einwühlen des Laffetenschwanzes, und dabei doch den Rücklauf zu ermässigen, schuf man ein Hemmmittel, dessen Angriffspunkt weiter vorn liegt. Es wurde in Form von Achsspaten grösserenVersuchen unter- worfen. Vergl. Abb. 1.

Die Spaten sind bei den 7,5 cm Schnellfeuer- kanonen L/30 in Feld- laffete mit steigendem Rohrrücklauf und bei der 8,4 cm Kanone -L/25 in Feldlaffete mit Rohrrück- lauf vorübergehend ange- bracht gewesen. Eine Ab- art der Spatenhemmung bilden die Schildzapfen- spaten, bei denen der Angriffspunkt der Spatenstiele in die seitlich zu diesem Zweck etwas ver- längerten Schildzapfen verlegt worden ist.

Die Achsspaten nebst Ketten und Beschlägen vermehren das Gewicht der Laffete um 6<> bis 70 kg, und es werden, wenn auch das Einwühlen des Laffetenschwanzes etwas vermindert ist, wesentliche Vortheile nicht erreicht. Die Spaten haben dem Sporn gegenüber den Nachtheil, dass der Rücklauf und die Breitenstreuung der Geschosse wesentlich grösser sind. Der Rücklauf ist stellenweise sogar bis 9 mal grösser als beim ge- wöhnlichen Sporn gewesen. Die Achsspaten werden bei kleinen Erhöhungen nicht in den Boden gedrückt, sondern durch das Bucken des Geschützes herausgezogen. Ihre Wirksamkeit wird durch das Bucken des Geschützes vermindert, die des Sporns dagegen erhöht. Auf nach hinten geneigtem Geschützstand versagen die Achsspaten häufig ganz, sie legen sich flach auf den Boden und dringen nicht ein. Auch der Schildzapfenspaten hat sich nicht bewährt.

Die Spatenkonstrnktion hat bei grossen Erhöhungen, z. B. bei Feld- haubitzen, im Laufe der Versuche sich als leidlich brauchbar erwiesen; hier umgeht man mittels der Spaten das bei Haubitzen besonders lästige

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394 D>e Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Material» 1892 bis 1897.

Einwühlen des Laffetensehwanzes. Ein weiter unten dargestelltes Hemm- mittel, der »lange Federsporn« (vergl. Abbild. 2a bis c), das die Vortheüe des Sporns und der Achsspaten zu vereinigen suchte, hat den Achsspaten als Ausgangspunkt gehabt.

Stauchlaff eten (vergl. Taf. IVa).

Um die schädlichen Einwirkungen des Stosses aut die Laffete bei gleichzeitiger Verminderung des Rücklaufs aufzuheben, führt man beim Schuss eine Verkürzung oder Stauchung der Laffetenwände herbei. Man

nennt diese Konstruktion Teleskop- oder Stauchlaffete.

Die Laffetenwände sind durch zwei inein- andergesteckte Röhren ersetzt, von denen die vorderen beim Rücklauf über die hinteren hin- weggleiten. Die letzte- ren haben am unteren Ende, dem Laffeten- schwanz, einen starren Sporn, während die vor- deren Röhren Träger aller übrigen Laffeten- theile und damit auch des Geschützrohres

sind. Die Hauptlaffete gleitet beim Schuss zurück und wird in dieser Be- wegung durch in den Röhren angebrachte Flüssigkeits- oder Federbremsen

gehemmt. Ist die Rücklaufgeschwindigkeit auf 0 vermindert, so läuft unter der Einwirkung von Druckluft oder Federkraft die Laffete wieder vor.

Im Sinne der grossen Einfachheit hat sich die Kruppsche Fabrik nach einigen Vorver- suchen für Feder- kraft allein als Mit- tel zum Hemmen wie zum Vorbringen ent- schieden. Die Laffeten- balken (vergl. Taf. IVa) gehen hier von der Laffetenachse aus, das Rohr ist in dieser ge- lagert, so dass sich die Mittellinie der

Laffetenachse mit der Mittellinie der Laffetenbalken und der Seelenachse

schneidet. Die Laffetenachse ist zu einem Rohrträger für ein Rohr mit

senkrechten Schildzapfen ausgebildet. Der Raddurchmesser ist das Dop- pelte der Feuerhöhe. Ausser dieser Konstruktion giebt es noch eine mit niedrigen Laffetenrädern und anderer Angriffsrichtung der Riickstosslinie. Erstere hat den Vortheil eines spitzeren Laffetenwiukels uud niedrigerer Schwerpunktslage, dadurch Verminderung des Bnckens der Geschütze. Beide Konstruktionen sind gleichfalls nur des Studiums halber ausgeführt Alle Stauelilaffcten vergrössern während des Schusses durch Ver-

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897. 395

kürzung der Laffetenbalken den Laffetenwinkel, das Trägheitsmoment ver- mindert sich stark, und sie werden stark bucken. Bei Beschädigungen der Gleitflächen oder der äusseren Röhren durch feindliches Feuer oder Anstessen der Protzräder kann der Mechanismus leicht versagen, selbst wenn Flüssigkeits- und Luftdruck ganz vermieden werden. Auch im Uebrigen bieten sie keinen Vortheil vor anderen einfacheren Konstruk- tionen. Durch die Theilung des Laffetenkörpers in zwei Stücke wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber der Beanspruchung auf Biegung sehr geschwächt, was durch grössere Abmessungen bezw. Gewichte ausgeglichen werden muss.

Bewegliche Sporne (vergl. Taf. I, II).

In der Ausbildung des Sporns wurde das Mittel erkannt, die Laffetenfrage weiter zu entwickeln. Es galt, ein geeignetes elastisches Zwischenmittel ausfindig zu machen. Auch beim Versagen desselben durch Unbrauchbarwerden oder bei nicht entsprechender Bodenbeschaffen- heit musste die Schiessfähigkeit der Laffete erhalten bleiben. Elastische Hemmmittel am Laffetenschwanz reichen schon bis zum Jahre 1872 hinauf, wo sie bei der Kruppschen Fabrik konstrairt und durchversucht wurden.

Ein elastischer Sporn in verbesserter Form wurde zuerst 1892 zur Anwendung gebracht, und zwar an einem 6,5 cm-Geschütz L/35 (vergl. Abbild. 3). Ein Sporn ist um eine wage- rechte, normal zur Laffe- tenmittellinie im Laffe- tenschwanz liegende Achse drehbar, der Sporn steht unter einem federn- den Gegendruck; sobald der Widerstand eine ge- wisse Höhe erreicht hat, giebt der Sporn nach.

Er bringt also das Ge- schütz in den meisten Fällen nicht in seine ursprüngliche Lage zurück, sondern vergrössert nur die Reibung am Boden unter gleichzeitiger Verringerung der Laffetenbeanspruchung und des Buckens gegenüber dem starren Sporn. Bei grosser Einfachheit der Konstruktion wird der Laffetenschwanz nur massig belastet, der Rücklauf aber nur unvollkommen gehemmt.

Ein anderes Mittel bildete eine zwischen Sporn und Laffetenschwanz einge- schaltete Flüssigkeitsbremse (Taf.IVb). Die Basis des Laffetenschwanzcs bildet hier der Bremscylinder mit einem darüber angebrachten Windkessel. Auf dem Bremscylinder kann der Laffetenschwanz, der auf der unteren Seite mit Gleitflächen versehen ist, zurücklaufen. Unterhalb am Brems- cylinder ist ein starrer Sporn angebracht. Der Laffetenschwanz biegt sich hinten mit einer Nase nach abwärts, mit dem unteren Ende dieser ist die Kolbenstange verbunden. Beim Rücklauf nimmt die Laffete den Kolben mit, die Flüssigkeit tritt aus dem Raum hinter dem Kolben in den Wind- kessel, in welchem die Spannung der Luft sich vermehrt. Vor dem Kolben entsteht im Bremscylinder eine Luftleere: nach Beendigung des Rücklaufs geht infolge der Luftleere, Wiederzusammenpressung der Luft

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396 Di® Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

im Windkessel, der Kolben und mit ihm das ganze Geschütz wieder vor. Den Bremscylinder hat man sich dabei mittels des Sporns im Boden fest- gestellt zu denken.

Die Laffete hat alle Nachtheile, welche der Luft- und Flüssigkeits- bremse entspringen, bedenklich ist es besonders, sich auf Luftleere und Luftverdünnung verlassen zu müssen. Der Laffetenschwanz ist sehr be- lastet, und die weit vorgestreckte Rohrlage verleiht der Laffete eine un- günstige Form. Die Konstruktion hat aber dadurch Bedeutung, dass sie zum ersten Male die Absicht zum Ausdruck bringt, das ganze Geschütz nach beendigtem, genau beherrschtem Rücklauf wieder möglichst in seine frühere Stellung vorzubringen.

Von den weiteren Konstruktionen geht eine (vergl. Abbild. 2 a -c) von den Achsspaten aus, indem sie Form und Richtung günstiger ge- staltet und den starren Stoss in einen federnden verwandelt. Das Hemm- mittel wird als »langer Federsporn« bezeichnet. An der Laffete ist ein federndes Bremsgestänge A angebracht, dessen vorderer Theil durch einen Gelenkbolzen B mit den Laffetenwänden C oder der Laffetenachse D

verbunden ist, wäh- rend der hintere Theil E, auf welchem der vordere unter Anspannen der Ge- stängefedern zurück- gleiten kann , mit einem Sporn F in fester Verbindung steht. Der Schuss treibt den Sporn in den Erdboden, und der vordere Theil des Gestänges läuft mit der Laffete gegen den festgelegten hin- teren Theil zurück. Das Gestänge schiebt sich zusammen, seine Federn werden gespannt; sie nehmen einen Theil der Rückstossarbeit auf, der zum Wiedervorbringen der Laffete nutzbar gemacht wird. Eine Vorrich- tung G sorgt dafür, dass beim Schuss die Laftetenwände sich nur wenig vom Sporn entfernen können und dass dieser bei aufgeprotztem Geschütz nicht herunterhängt. Auch kann das ganze Gestänge ohne Spannung der Feder verkürzt werden. Es erfolgten dann noch weitere Modifikationen der Konstruktion, die wir hier übergehen können.

Eine andere Konstruktion, die den Angriffspunkt des Hemmmittels direkt am Laffetenschwanz selbst sucht, lehnt sich an den in Abbild. 3 genannten drehbaren elastischen Sporn und an die älteste Sporn- konstruktion vom Jahre 1872 an. Zum Unterschied von ersterer giebt der Sporn im Augenblick des grössten Widerstandes nicht nach, sondern wirkt als ein fester Sporn, dagegen wird die aufgespeicherte Federkraft zum Wiedervorbringen des Geschützes benutzt. Hierher gehört der elastische Zungensporn (vergl. Abbild. 4 a, b) entweder mit Scheiben- federn (wie in Abbild. 4) oder mit Kautschukpuffern. Dem Sporn, oder richtiger gesagt, der Laffete, ist ein grosser Weg gestattet, während die Zusammenpressung des elastischen Zwischenmittels eine geringe ist. Vor dem Schuss ist der Sporn schräg nach rückwärts gerichtet (4 a), während

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1882 bis 1897. 397

des Rücklaufs geht seine Richtung immer mehr in eine zum Erdboden senkrechte über, welche Stellung er auch bei ganz beendetem Rücklauf nur wenig überschreitet (4 b). Die schematische Abbildung zeigt sowohl das Zusammenpressen der Scheibenfeder, als die Rückwärtsbewegung der Laffete, die beim Nachlassen der Feder wieder in die Stellung 4 a zurück- kehrt. Charakteristisch ist, wie der Drehbolzen des Sporns in dem Falz der Vorrichtung sich rückwärts schiebt und der Ansatz des Sporns die Feder nach rückwärts zusammenpresst.

Auch bei ganz hartem, z. B. gefrorenem Boden, in den ein Ein- dringen unmöglich ist, trögt er noch zur Verminderung des Rücklaufs bei.

Der Zungenspom ist einfacher, leichter, weniger verletzlich und beim Fahren weniger hinderlich als der lange Federsporn, der 90 kg wiegt, und verdient daher als Theil der Laffete den Vorzug. Weitere Formen des Zungensporns sind der mit Schraubenfeder und der mit Spiralfeder.

Bei grossen Rückstossarbeiten war eine Vergrösserung des Sporn- weges nöthig, und man suchte zugleich der Federkraft günstigere Stütz- punkte zu geben, indem man sie unter der Laffete, einerseits etwa in der Mitte der beiden Wände, andererseits an demselben Hebel, der auch den Arm des Sporns bildet, angreifen liess. Es entstanden die Hebelsporne, von denen der schwin- gende (vergl. Tafel 11a) abgebildet ist; der glei- tende hat eine zur un- teren Laffetenwand pa- rallele, zwangsläufige Führung.

Alle vorgenannten Spornarten sind nicht ausschaltbar. Für das Schiessen auf Fels- und auf gefrorenem Boden ist dies aber nöthig. Es musste bei jenen auch darauf Rücksicht genommen werden, dass sie durch zu grosse Abmessungen den Fahrgebrauch der aufgeprotzten Laffete nicht beeinträchtigten.

Erst bei weiterer Durchbildung der Konstruktionen wurden die beweg- lichen elastischen Sporne ausschaltbar gemacht. So entstand zunächst der federnde Klappsporn, der einfach nach oben um den Laffetenschwanz umgeklappt wird (vergl. Tafel I). Bei einer späteren Konstruktion wurde der Sporn mittelst eines Gelenks flach unterhalb der Laffetenwände befestigt.

Mit der Ausschaltbarkeit der Sporne hat man freiere Hand für ihre Abmessungen erhalten, da sie in ausgeschaltetem Zustande beim Fahren nicht mehr in den Boden eingreifen können.

Der vorbeschriebene Zungensporn mit kurzem Hub in Verbindung mit einer kurzen gut fahrbaren Laffete genügt für massige, nach Ansicht der Kruppschen Fabrik für den Feldgebrauch ausreichende ballistische Leistungen. Will man letztere noch steigern, so wird das Geschütz beim Schuss unruhig, sein Springen unbequem, die Abweichung von der Seiten- richtung, besonders bei ungünstigem Boden, häufig und gross. Drei Maassregeln dienen zur Verringerung dieser Uebelstände: 1. Vergrösserung

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398 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

des vorübergehenden Rücklaufs, 2. Verlängerung der Laffete, 3. Yer- grösserung des Geschiitzgewichts.

Zur Vergrösserung des vorübergehenden Rücklaufs musste der Dreh- punkt des Sporns, der bisher im Laffetenschwanz gelegen hatte, höher gelegt und dadurch sein Hebelarm vergrössert werden. Diese Anordnungen zeigen Abbild. 5 undTafelllb. (Ausschaltbarer federnder Sporn.) Man hat dabei gleichzeitig Flüssigkeitsdruck angewandt und erreicht, dass auf hartem wagerechten Boden Rück- wie Vorlauf ruhiger vorging als bei den bisherigen Konstruktionen. Die Flüssigkeitsbremse macht den Brems- druck beim Rücklauf gleichförmiger und mässigt den Vorlauf. Es zeigte sich aber bei den Versuchen, wie die Federkraft unter ungünstigen Boden- verhältnissen für das Wiedervorbringen des Geschützes so stark und ihr Weg so gross sein muss, dass sie ihrerseits allein zur Bewältigung des Riickstosses ausreichend ist. Da diese ungünstigen Bodenverhältnisse, nämlich nach hinten fallender Hang und weicher Boden, im Kriege häufig Vorkommen, so folgt daraus nicht nur die völlige Nutzlosigkeit, sondern sogar die Schädlichkeit der Flüssigkeitsbremse. Bei Abwesenheit der letzteren gilt es, einem zu starken Vorlauf einen regelbaren Widerstand

entgegenzusetzen , wozu eine einfache Vorrichtung (Ab- bild. 5) ausreicht. Die die Scheiben- federn tragende, mit einem Ende am Sporn S befestigte Stange A verjüngt sich nach vorn und ist durch zwei Bron- ze - Bremsbacken B geführt, deren Auseinanderstellung sich durch eine Schraube C verändern lässt. Zur Erzielung einer noch grösseren Reibung ist die Stange ausser- dem geschlitzt und ü afasst mit diesem Schlitz eine zwischen den Klemm- backen unbeweglich gelagerte Klemmplatte. Durch die kegelförmigo Gestalt der Stange A und den durch Versuche ermittelten Grad der Klemmung der Bremsbacken B lässt sich ein vollständiges ruhiges Arbeiten, d. h. ein ruhiger Rück- und Vorlauf des Geschützes erzielen. Die Möglichkeit, diesen zu regeln, geht aber noch weiter, insofern man es durch Anziehen oder Lockern der Schraube C immer in der Hand hat, den Brems- bezw. Vorlaufwiderstand den Bodenverhältnissen entsprechend zu vermehren oder zu vermindern.

Nicht nur Gewicht und ballistische Leistung des Geschützes, sondern auch seine Aufstellungsart beeinflussen sehr die Wirkungsweise der Hemm- mittel, so dass eine Konstruktion, die unter allen Verhältnissen das Richtige trifft, nicht erreichbar ist. Richtet man die Hemmvorrichtung auf sanft (bis 5 °) nach hinten abfallenden Abhang ein, so arbeitet sie bei wagerechtem Boden mit einem Uebersehuss von Kraft, bei steilerem Hang aber vielleicht mit nicht ganz ausreichender Kraft. Bei dem Zungen sporn mit kurzem Hub und der kurzen Laffete worden die Verhältnisse so ausgeglichen, dass Rück- und Vorlauf unter den im Felde am häufigsten vorkommeuden Verhältnissen sich gegenseitig Aufheben. Bei langem Hub jedoch wird auf wagerechtem oder nach vorn fallendem festen Boden eine Jliissigung des Vorlaufs wiinschenswerth, und es ist dies in der zuletzt erwähnten Federspornbremse mit Klemmvorrichtung erreicht.

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Tafel I.

a) Schnellfcucr-FeldlafFelc mit federndem Klappsporn. Sporn hochgeklappt.

Tafel II.

a) Schwere 7,5 cm Schnellfeuer-Kanone I./28 in FeldlafTete mit Seitenrichtmaschine, schwingendem Hebel- Federsporn und Radreifen-Fahrbremse.

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Tafel III.

Tafel IV.

a) 7,5 cm Schnellfeuer-Kanone L 28 in Stauch-FeldlafTete, mit Seitenrichtmaschine und Radreifen- Fahrbremsc. (Lagerung des Kohrs in der Kadachse.)

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b) 6,5 cm Schnellfeuer-Kauonc I./35 in Fcldlaflfete mit FlUssigkeits-Spornbremsc und Kadreifec

Nochmals die Zuverlässigkeit, des Einschiessens.

399

Die oben erwähnte dritte Maassregel: „Vergrösserung des Geschütz- gewichts“ wird sieh schon durch Anwendung der Maassregeln unter 1. und 2. „Vergrösserung des vorübergehenden Rücklaufs“ und „Verlängerung der Laffete“ ergeben. (Schluss folgt.)

Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

Vor etwa anderthalb Jahren veröffentlichte ich im »Archiv für die Artillerie- u. s. w. Offiziere« (Mai-Juniheft) eine kleine zwei Bogen starke Studie »Ueber die Zuverlässigkeit des Einschiessens«, der später im Mai d. Js. in der vorliegenden Zeitschrift eine Fortsetzung »Zum Schiessen mit Sprenggranaten« von etwa vier Druckseiten folgte.

In der ersten dieser Arbeiten handelte es sich für mich darum, die- jenigen Offiziere, welche vorzugsweise berufen sind, die Entwickelung der Schiesskunst zu fördern, mit einer sehr scharfsinnigen, von dem belgischen Artilleriekapitän Magnon erdachten Methode zur Prüfung der Zuverlässig- keit des Einschiessens im Az. -Feuer bekannt zu machen.*) Es war natür- lich, dass ich, um die praktische Brauchbarkeit der Methode nachzuweisen, an einigen Beispielen zeigte, wie gross unter gewissen Voraussetzungen die Zuverlässigkeit des Einschiessens, insbesondere der Gabelbildung sei, und zugleich untersuchte, mit welcher Sicherheit man bei Befolgung der Schiessvorschrift auf wirkungsvolles Bz.-Schiessen mit Schrapnels rechnen dürfe. Ich untersuchte ferner, ob und in wie weit eine Kontrole der Gabelschüsse, wie sie durch die Schiessregeln fast aller fremden Artillerien vorgesehen ist, die Sicherheit des Einschiessens erhöhen könne.

Diese trockene, ja langweilige Studie, die schwerlich von irgend Jemand ausserhalb der Kreise, für die sie von vorn herein bestimmt war, gelesen ist, hat Oberstlieutenant a. D. Callenberg in einem Buche von fast sechs Bogen Stärke zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung ge- macht, um die Schiess Vorschrift gegen die von mir ausgegangenen »An- griffe« in Schutz zu nehmen und die »dadurch hervorgerufene Beunruhigung« zu zerstreuen. Ich bemerke, dass ich, abgesehen von einer einzigen Stelle**) (Archiv, Band 104, S. 198 Absatz 2 u. 3) mir durchaus keines »Angriffs« auf die Schiessvorschrift bewusst bin. Wie

*) Eine Cebersctzung dieser Studie in die französische Sprache ist neuerdings von der »Revue de l'armee beige« gebracht, woselbst auch die Magnonsche Arbeit erschienen war.

**) An dieser Stelle habe ich ausgesprochen, dass ich die Fortsetzung des Hz. Feuers abwechselnd auf den beiden Gabelentfernungen in dem Falle für unzweck- uiässig halte, wenn die Beobachtung der nach dem l'ebergang zum ßz.Feuer noch geladenen Az.-Schüsse erkennen lässt, dass schon die kurze Uabeleutfernung grösser ist als die Zielentfernung. Ich habe mich wörtlich, wie folgt, ausgesprochen: »Meines Erachtens ist die Schiessvorschrift hier zu starr und bindend. Diese Bestimmung steht in auffallendem Widerspruch zu dem Geiste aller unserer sonstigen Vorschriften und Bestimmungen, die stets das den Umständen entsprechende Handeln betonen. Was aber hier von der Sehiessvorschrift vorgesehrieben ist, ist unter Umständen das Schlechteste, was man thun kann.« Iias ist der schärfste von mir gebrauchte Aus- druck. Merkwürdigerweise versucht Oberstlieutenant Callenberg diesen Angriff gar nicht znrückzuweisen. Sollte er vielleicht hier meine Ansicht HicilenV Im Uebrigen bemerke ich, dass die Sehiessvorschrift doch nicht zn den symbolischen Büchern ge hört, vor denen die wissenschaftliche Kritik ehrfurchtsvoll zu schweigen hätte. Im Dienst muss sie unbedingt befolgt werden; aber der Wissenschaft muss die Kritik natürlich nur eine streng objektive Kritik, freistehen. Ohne das wäre jeder Fortschritt ausgeschlossen.

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400

Nochmals (lie Zuverlässigkeit des Einschiessens.

also durch diese Studie ernste Beunruhigung in den Kreisen hervor- gerufen ist, die sie schwerlich gelesen haben, vermag ich nicht zu fassen.

Am Schluss meiner ersten Studie habe ich gesagt, »dass ich mich freuen würde, wenn meine Ausführungen dem Einen oder dem Anderen zu weiteren Untersuchungen Anlass gäben, auch dann, wenn ein anderes Resultat herauskäme. Denn nicht darauf kommt es an, dass die vor- stehenden Ausführungen als richtig anerkannt werden, sondern, dass die Wahrheit erforscht wird, was meist erst durch Widerlegung eines Irr- thums möglich ist«. Diesen Satz halte ich auch jetzt noch in vollem Umfange aufrecht und freue mich darüber, dass die Magnonsche Methode durch den Oberstlieutenant Callenberg allgemeiner bekannt geworden und in einem Punkte vervollkommnet ist, wenngleich bei Weitem nicht in dem Umfang, wie der Verfasser glaubt. Gegen die Richtigkeit der Magnonschen Methode macht Oberstlieutenant Callenberg keine Einwen- dungen, wohl aber gegen die von mir bei deren Anwendung gemachten Annahmen.

Die Zuverlässigkeit des Einschiessens bängt, wie leicht einzusehen, bei richtiger Befolgung der Schiessvorschrift von der Sicherheit der Beob- achtung und der Grösse der Geschossstreuung ab. Ueber diese beiden Faktoren lag keinerlei offizielle Statistik vor. Ich war daher ge- nöthigt, hierüber gewisse Annahmen auf Grund persönlicher Erfahrungen zu machen, und nahm auf neun richtige eine falsche Beobachtung sowie eine durchschnittliche Längenstreuung von 50 m an. Diese Annahme hält Oberstlieutenant Callenberg nicht für zulässig, sondern glaubt sie durch andere, mit den Erfahrungen der Schiessschule besser überein- stimmende ersetzen zu müssen. Zweifellos wird bei der Schiessschule, wo die kommandirten Offiziere während eines Zeitraumes von vier Monaten fast täglich Gelegenheit haben, sich in der Kunst des Beobachtens zu üben, besser beobachtet, als bei der Truppe; denn leider verlernt sich diese Kunst leicht wieder durch Mangel an Uebung. Ebenso ist es mit den Streuungen. Die Truppe hat es bei ihren Uebungen meist mit Rekruten zu thun, die natürlich schlechter richten als die vorzüglich ansgewählten und ausgebildeten, sämmtlich im zweiten Dienstjahre stehenden Kanoniere der Schie8BBchule. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass infolge davon die Zuverlässigkeit des Einschiessens bei der Truppe erheblich niedriger ausfallen muss, als bei der Schiessschule. Die Statistik dieser ist daher keineswegs ohne Weiteres auf die Truppe zu übertragen. Dass aber meine Annahmen sich nicht so sehr weit von der Wahrheit ent- fernen, dürfte daraus hervorgehen, dass die von mir errechneten Zahlen der falschen Gabeln und > wirkungslosen« Bz.-Schicssen sich den bei einer Truppensehiessübung*) erreichten ausserordentlich nähern; sie stimmen sogar besser damit Überom als die von Oberstlieutenant Callenberg er- reohneten mit den von der Schiessschule erreichten, wie die nachstehende Zusammenstellung 1 erkennen lässt.

Ich musB entschieden Einspruch dagegen erheben, dass meine er- rechneten Zahlen den von der Schiessschule erreichten gegenübergestellt werden, uin daraus die Folgerung zu ziehen, dass meine Rechnung falsch sei. Sie können und dürfen nur mit den bei Truppenübungen erreichten verglichen werden. Jeder andere Vergleich ist durchaus unstatthaft.

* ' Vergl. ^.Vrtillerieschiessspiel« 2. Auflage, 1893. Dazu sind benutzt 231, d. h. sämmtliche Schiessen einer Schiessübung des Jahres 1893, bei denen die Zielentfernung nach den Beobachtungen nm Ziel festgestellt werden konnte.

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

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Im Gefecht werden zweifellos sowohl die Beobachtungen als anch die Streuungen bedeutend wachsen und damit auch die Unsicherheit des Einschiessens, weshalb es doppelt wünschens- werth wird, diese Unsicherheit auf irgend eine Weise einzu- schränken.

Zusammenstellung 1.

Von je 100 Gabeln bezw. Bz.-Schiessen sind falsch gebildet bezw. wirkungslos:

nach den

Verhältniss

nach

Verhältniss

Berech-

Truppen-

der Zahlen

Callen-

Statistik

der Zahlen

nungen

schiess-

in Spalte

bergs

der Schiess-

in Spalte

meiner

Übung

2 n. 3

Berech-

schule

6 n. 6

Studie

1:

nung

1:

1.

2.

3.

4.

6.

6.

7-

Gabel von 200 m

29,3

31,6

1,08

17,0

16,2

0,96

> > 100 >

47,6*)

40,3

0,84

80,8

20,7

0,68

Bz.-Schiessen

20,6

28,4

1,13

8,8

9,6

1,08

Mittel

1,02

0,90

In Bezug auf die Streuungen unterscheidet Oberstlieutenant Callen- berg nach den Entfernungen 5 Gruppen von 1600 bis 4200 m, innerhalb deren die mittlere Längenstreuung von 38 bis 51 m wächst; das Mittel beträgt 45 m (meine Annahme war 50 m). Einen praktischen Werth vermag ich in dieser Trennung nicht zu erkennen; aus den Rechnungen geht hervor, was man sich vorher sagen konnte, dass die Zuverlässig- keit des Einschiessens mit Zunahme der Streuung und der Unsicher- heit der Beobachtung, also auch der Entfernung, abnimmt. Da die Schiessvorschrift aber für alle Schiessen über 1500 m nur ein Schiess- verfahren kennt, so ist es durchaus gerechtfertigt, einen Durchschnittswerth für die Streuung anzunehmen, der mit 50 m für die Truppenübungen eher zu niedrig, als zu hoch angesetzt ist. Hätte ich mit einer Streuung von 45 anstatt 50 m gerechnet, so würde die Zahl der falschen 200 m- Gabeln nur 27,8 statt 29,3 pCt., die der falschen 100 m-Gabeln nur 45,8 statt 47,6 pCt, betragen haben.

Gegen die von Oborstlieutenant Callenberg angenommene Grösse der Streuung habe ich kein Bedenken; dagegen muss gegen seine Annahmen über die Sicherheit der Beobachtung im Namen der Wissenschaft ernstlich Einspruch erhoben werden. Nach der von ihm selbst mitgetheilten Statistik der Schiessschule sind von den 6026 zur Gabelbildung verwendeten Schrap- neU c/91 im Az. -Feuer 4207 richtig, 1601 fraglich und 218 falsch beob-

*) Die Zahl 47,6 errechnet sieh unter der Voraussetzung, dass die 100 m -Gabel durch drei beobachtete Schüsse gebildet ist. Sehr oft sind vier und mehr beobachtete Schüsse dazu benutzt, sei es, dass zuerst eine Gabel von 400 m gebildet wurde, oder dass der Fehler bei der Schützling der Entfernung ein zweimaliges Vor- oder Zurück- gaben um je 200 m erforderte. Bei der Schiessscliule betrug die Zahl der durch- schnittlich auf eine 100 m Gabel entfallenden Schüsse nuch dem Callenbergschen Buche 3,98, also nahezu 4. Setzt man vier Schüsse voraus als nothwendig zur Gabel- bildung, so sinkt die Zahl der falsch gebildeten Gabeln auf 44,7 pCt., wenn von den vier Schüssen zwei vor, zwei hinter dem Ziel beobachtet wurden, dagegen auf 47,6 pCt., wenn das Verhültniss der Kurz bezw. Weitschüsse 1 : 3 oder umgekehrt war. Im Mittel würde man also auf 46,1 pCt. falsch gebildeter Gabeln zu rechnen haben.

Kricgstechnhch« Zeitschrift 1S9S. 9. Heft 26

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

achtet. Sieht man von den fraglichen Schüssen ab, so ergeben sich auf die 4425 übrig bleibenden Schüsse 95,07 pCt. richtig und 4,93 pCt. falsch beobachtete Schüsse. Statt nun von diesen gegebenen Zahlen auBzugehcn, kommt Oberstlieutenant Gailenberg durch verschiedene Annahmen, die alles Andere, nur nicht wissenschaftlich sind, dahin, fast die Hälfte der falsch beobachteten Schüsse einfach fortzulassen und seiner Berechnung zwar 4207 richtig beobachtete, aber nur 119, d. h. 2,75 pCt. falsch beobachtete Schüsse zu Grunde zu legen. Ich werde zu begründen haben, dass das unzulässig war.

Ziffer 36 seines Buches sagt der Verfasser, es sei statistisch nach- gewieBen, dass von den 218 falsch beobachteten Schüssen 37 auf trotzdem richtig gebildete nnd nur 181 auf falsch gebildete 100 m-Gabeln entfallen. Diese Thatsache kann als richtig gelten, berechtigt ihn aber durchaus nicht, die 37 Schüsse ohne Weiteres fallen zu lassen. Für die Zulässigkeit dieses Verfahrens versucht er nicht einmal einen Beweis beizubringen. Bereits in meiner Studie habe ich (Archiv S. 188), allerdings nur beiläufig bemerkt, dass gerade durch falsche Beobachtung bisweilen eine Gabel richtig ge- bildet worden kann. Dieser Thatsache aber trägt die Magnonsche Methode in ihrer strengen Wissenschaftlichkeit vollauf Rech- nung, weswegen es weder nöthig noch zulässig ist, diese 37 Schuss mehr als '/* aller (!) einfach fortzulassen. In meiner Studie habe ich gezeigt, dass unter den über Streuung und Sicherheit der Beobachtung gemachten Voraussetzungen wahrscheinlich 52,4 pCt. aller 100 m-Gabeln richtig, 17,6 pCt. falsch gebildet werden. Lediglich infolge der Streuung also bei durchaus richtiger Beobachtung würden 70,7 pCt. aller Gabeln richtig, mithin 29,3 pCt. falsch gebildet (Archiv 8. 187, Abs. 5). Durch falsche Beobachtung allein würden aber wahrschein- lich 27,1 pCt. aller 100 m-Gabeln falsch gebildet, was leicht zu beweisen ist. Bei einer richtig gebildeten 100 m-Gabel müssen drei Schüsse richtig beobachtet sein. Da die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Beobachtung von mir zu 0,9 angenommen ist, so ist die Wahrscheinlichkeit der rich- tigen Beobachtung aller drei Schüsse nnd damit der richtigen Gabelbildung 0,9 3 oder 0,729; mithin werden wahrscheinlich falsch gebildet 1 0,729 = 0,271 oder 27,1 pCt. Die Summe aller falsch gebildeten 100 m-Gabeln würde sich auf 29,3 -[-27,1 = 56,4 pCt. stellen, wenn nicht ein Theil der falsch beobachteten Schüsse gerade die Ursache einer richtigen Gabelbildung würde. Da nach der Magnonschen Methode 47,6 pCt. aller Gabeln falsch gebildet werden, so müssen 56,4 47,6 oder 8,8 pCt. aller Gabeln gerade durch falsche Beobachtungen richtig gebildet werden. Das wird immer eintreten, sobald ein Schuss, der, richtig beobachtet, infolge der Streuung zu einer falschen Gabel führen müsste, falsch beobachtet wird. Dies Rreigniss muss um so häufiger eintreten, je grösser die Streuung und je unsicherer die Beobachtung ist.*)

Weiter! S. 11 (Tabelle 2) thoilt Oberstlieutenant Callenberg mit, dass nach der Statistik der Schiessschulo von 1111 überhaupt gebildeten Gabeln von 100 m 229, darunter 139 lediglich durch unrichtige Beobachtung falsch gebildet seien. Da nun, um eine Gabel falsch zu bilden, nur ein einziger falsch beobachteter Schuss genügt, während bei einzelnen Gabeln zwei und mehr Schüsse falsch beobachtet sind, so glaubt sich der Ver-

*) Oberstlicuteuant Callenberg, iler mit wesentlich grösserer Sicherheit der Beobachtung ;97,25pCt. richtig, 2,75 pCt. falsch) rechnet, nimmt unter vier 100 m Gabeln 30 (2,7 pCt.) Gabeln an, die infolge falscher Beobachtung richtig gebildet sind. (Ziffer 128.)

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Nochmal» die Zuverlässigkeit des Einschiessen».

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fas »er berechtigt, die Zahl der falsch beobachteten Schüsse der Zahl der falsch gebildeten Gabeln gleich zu setzen. Statt 181 (218 '37) setzt er datier nur 139 falsch beobachtete Schüsse, weil eben nur 139 Gabeln lediglich durch unrichtigo Beobachtung falsch gebildet seien. Diese Weg- lassung von 42 Schüssen muss aber wiederum als willkürlich bezeichnet werden; denn es lässt sich leicht nach weisen, dass mit 139 falsch beob- achteten Schüssen höchst wahrscheinlich, ja fast könnte man sagen sicher, weniger als 139 falsche Gabeln gebildet werden müssen. Es ist eben » wahrscheinlich«, dass bei einem Theil der Gabeln zwei oder drei falsch beobachtete Schüsse Vorkommen. Ich erinnere daran, dass von 1000 Gabeln, zu deren Bildung je drei Schüsse gebraucht werden, unter der Voraussetzung, dass '/io aller Schüsse falsch beobachtet werden, nicht 300, sondern »wahrscheinlich« nur 271 Gabeln falsch gebildet werden. Die 300 falsch beobachteten Schüsse werden sich nach der Theorie etwa derart vertheilen, dass »wahrscheinlich« 252 Gabeln je 1, 27 Gabeln je 2 und 2 Gabeln je 3 falsch beobachtete Schüsse aufweisen. Es ist richtig und liegt in der Natur der Sache, dass die Zahl der mehr als einen falsch beobachteten Schuss aufweisenden Gabeln in Wirklichkeit grösser ansfällt, als die Theorie vermuthen lässt. Der Grund liegt darin, dass die Theorie voraussetzt und voraussetzen muss, dass gegen alle Ziele gleich gut oder gleich schlecht beobachtet wird. In Wahrheit aber giebt es Ziele, gegen welche die Beobachtung besonders unsicher ist, bei denen leicht eine Verwechslung des Ziels mit Gegenständen im Gelände eintritt. (Vergl. Studie S. 196, Anm.)

Selbst wenn man nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitslehre lediglich aus der Zahl der durch unrichtige Beobachtungen falsch gebil- deten Gabeln und der Durchschnittszahl der zu einer Gabelbildung ver- wendeten Schüsse die als unbekannt angenommene wahrscheinliche Zahl der bei diesen verfehlten Gabeln falsch beobachteten Schüsse be- rechnen wollte, würde man eine grössere Zahl erhalten als die, auf welche Oberstlieutenant Callenberg schliesslich abkommt.

Nach Tabelle 2 (Ziffer 27) des Callenbergsehen Buches sind von vier gebildeten 100 m- Gabeln thatsächlich 139 oder 12,5 pCt. lediglich in- folge unrichtiger Beobachtungen falsch gebildet. Wenn man alle anderen Ursachen falscher Gabelbildung ausschlösse, so würde man mithin mit 87,5 pCt. richtig gebildeter Gabeln rechnen dürfen. Rechnet man, dass zur Bildung der 100 m- Gabeln drei Schuss erforderlich sind, so

S

müssten ]/ 0,875 = 0,956 aller Schüsse richtig, mithin 4,4 pCt. falsch beobachtet sein. Rechnet man dagegen, dass durchschnittlich vier Schüsse erforderlich waren (der Durchschnitt stellt sich auf 3,98), so würden

4

\ 0,875 oder 0,967 richtig, also 3,3 pCt. aller Schüsse falsch beobachtet worden sein. Da 4425 Schüsse beobachtet sind, so würde man statt 139 mit 146 falsch beobachteten Schüssen zu rechnen hahcn. In dieser Zahl sind aber die 37 falsch beobachteten Schüsse, die zu richtiger Gabel- bildung führten, nicht mit einbegriffen. Die Summe der in Rechnung zu stellenden falsch beobachteten Schüsse stellt sich demnach auf min- destens 146 -(- 37 oder 183 4,14 pCt. Das ist das äusserste Zugeständ- nis», das ich machen kann.

Noch willkürlicher geht Oberstlieutenant Callenberg (Ziffer 29 bis 33) zu Werke, wo er die Zahl der falsch gebildeten Gabeln von 229 auf 209, die der durch unrichtige Beobachtung falsch gebildeten Gabeln von 139

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

auf 119 herabdrückt. Die Führung der Kurven 1 und 2 auf Tafel 1 ist durchaus fehlerhaft.

Es ist allgemein bekannt, dass, wenn durch eine Kurve irgend ein Gesetz zur Darstellung gebracht werden soll und die einzelnen zur Fest- legung der Kurve gegebenen Punkte infolge unvermeidlicher Fehlerquellen so liegen, dass die Kurve nicht durch alle Punkte hindurch geführt werden kann, der Lauf der Kurve wenn von einer mathematisch genauen Be- stimmung ihrer wahrscheinlichsten Lage abgesehen wird zum Mindesten so geregelt werden muss, dass sich die Punkte auf beide Seiten der Kurve gleichmässig vertheilen, so dass, wenn der Verlauf an einem Punkte ein zu günstiges Ergebniss liefert, dies durch die Lage eines anderen Punktes wieder ausgeglichen wird. Oberstlieutenant Callenberg zieht aber den letzten Theil der Kurve nur unterhalb der gegebenen Punkte und führt als Erklärung dafür auch das verschiedene Gewicht der einzelnen Punkte an, d. h. die Zahl der Gabelbildungen, aus denen als Mittel die Lage des Punktes berechnet ist. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Gewichts der Punkte würde sich der angenommene Lauf der Kurve nicht ergeben können.

Das Gewicht der Punkte der Gruppen 4 und 5 ist der Zahl der Gabelbildungen entsprechend nur um ein Weniges geringer, als dasjenige der Punkte für Gruppe 1 und 2; nur der Punkt für Gruppe 3 hat der grossen Zahl der Gabelbildungen entsprechend ein beträchtlich grösseres Gewicht, so dass man die Kurve jedenfalls nahe an diesen Punkt heran- zuziehen hat. Unbedingt muss aber der letzte Theil der Kurve zwischen den Punkten 4 und 5 hindurch viel steiler ansteigen. Dieses steile An- steigen ist die auch aus der Statistik sich naturgemäss ergebende Dar- stellung des Umstandes, dass die Auffassung der Ziele und die Beobach- tung der Schüsse mit der Grösse der Entfernung schwieriger werden. Mit der in Tabelle 2 auf Seite 11 gegebenen Anmerkung muss eben gerechnet werden, wenn die Ergebnisse der Wirklichkeit entsprechend dargestellt werden sollen.

Dass eine mit solcher Willkür vorgenommene Aenderung der durch die Statistik gelieferten Zahlen nicht zulässig ist und zu falschen Re- sultaten führen muss, liegt auf der Hand.

Ich komme nunmehr zur Anwendung der Magnonschen Methode durch den Oberstlieutenant Callenberg. Ich erkenne mit Freude an, dass der Verfasser bei dieser Gelegenheit sehr schätzbare Mittheilnngen gebracht hat über den Einfluss, den Lage und Entfernung der Aufschläge in Be- ziehung zum Ziel auf die Güte der Beobachtung ausüben, welche die Kenntniss und die Einsicht in den Zusammenhang der Dinge vermehren. Ich sehe mich hier indess zu einer persönlichen Bemerkung, die ich gern vermieden hätte, genöthigt. Der Verfasser sagt (Ziffer 10), ich habe die »Behauptung« aufgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Aufschlag in Bezug auf das Ziel richtig oder falsch zu beobachten, im Grossen und Ganzen unabhängig sei von seiner Lage und Entfernung zum Ziel. Er hat wohl den nachstehenden Satz meiner Studie (S. 176) nicht gelesen: »Es leuchtet ein, dass die Beobachtung von Schüssen, die dicht vor oder

hinter dem Ziel einschlagen schwieriger und unsicherer sein

muss als die von Schüssen, die weit vor oder hinter dem Ziel einschlagen.« Ich muss Werth darauf legen, festzustellen, dass hier von einer meinerseits gemachten »Behauptung« keine Rede sein kann, sondern nur von einer bewusst gemachten, »den thatsächliclien Verhältnissen nicht ganz ent- sprechenden Annahme« (Studie S. 176).

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

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Wer nur das Callenbergsehe Buch, aber nicht meine Studie selbst liest, muss auf den Gedanken kommen, dass ich es an der bei wissen- schaftlichen Untersuchungen durchaus gebotenen Gründlichkeit hätte fehlen lassen.

Es ist mir nicht entgangen, dass hier der schwache Punkt der Mag- nonschen Theorie liegt und dass man daher auf ein ganz genau mit der Wirklichkeit übereinstimmendes Ergebniss nicht rechnen kann. Immer- hin liefert die Methode sehr brauchbare Näherungs- und Vergleichswerthe, die einen klaren Einblick in das Zusammenwirken der Einflüsse geben, von denen das Gelingen des Einschiessens abhängt.

Hätte mir das reiche statistische Material ebenso zur Verfügung gestanden, wie dem Oberstlieutenant Callenberg, so würde ich es in ähnlicher Weise verwerthet haben wie er. Ich habe es nachträglich benutzt und die Rech- nung unter der in meiner Studie vorausgesetzten Streuung, aber nach der von Oberstlieutenant Callenberg angegebenen schärferen Methode die 10 pCt. falschen Bobachtungen sind nach derselben Methode, die er Ziff. 37 bis 41 entwickelt, vertheilt wiederholt. Was ich in meiner Studie (Archiv S. 176) als Vermuthung aussprach, dass der Fehler in meiner Annahme keinen grossen Einfluss auf das ErgebniBs der Untersuchung haben werde, hat sich durchaus bestätigt. Während in der Studie die Zahl der falsch gebildeten 200 m- Gabel zu 29,3 pCt. errechnet war, erhält man bei der Rechnung nach der schärferen Methode 29,6 pCt.; bei den 100 m- Gabeln stellen sich die Zahlen auf 49,3 statt 47,6 pCt. ; bei den »wirkungslosen« Bz.-Schiessen auf 18,8 statt 20,6 pCt. Andererseits habe ich auch unter Zugrundelegung der Callenbergschen Annahmen über die Grösse der Streuung (im Mittel 45 m) und die Güte der Beobachtung (2,75 pCt. falsch beobachteter Schüsse) nach der in meiner Studie entwickelten Methode die Rechnung ausgeführt. Die Zahl der falsch gebildeten 100 m- Gabeln stellt sich hiernach auf 33,6 pCt., während Oberstlieutenant Callenberg 30,3 pCt. errechnet hat. *)

Mit der Art und Weise, wie Oberstlieutenant Callenberg auch hier wieder den »Ausgleich« vomimmt, vermag ich mich abermals nicht ein- verstanden zu erklären. Wo die Kurven (Tafel 2) sich nicht durch allo Punkte legen lassen, führt er sie stets unter die betreffenden Punkte, statt diese auf beide Seiten der Kurve zu vertheilen. So sinkt denn die Prozentzahl der falsch beobachteten Schüsse im Durchschnitt von 2,75 auf etwa 2,5.

Sieht man davon ab, dass Oberstlieutenant Callenberg seine Unter- suchungen auf den verschiedenen Entfernungsgruppen gesondert vornimmt, was unzweifelhaft einen Fortschritt, aber freilich eine bedeutende Mehr- arbeit gegenüber der von mir geführten Untersuchung bedeutet, so unter- scheidet sich seine Methode von der meinigen nur noch in einem Punkte. Ich habe (S. 184 meiner Studie) ausgeführt, dass und warum ich den Bereich aller möglichen Fälle bis auf rfc 300 m von der »wahrschein- lichsten« Lage des Ziels ausführe. Oberstlieutenant Callenberg, der mir (Ziff. 11) vorwirft, meine »Behauptung«, dass Schüsse, welche 300 und mehr Meter vor und hinter dem Ziel aufschlagen, mit absoluter Sicherheit richtig beobachtet würden, sei falsch (während in meiner Studie nur von einer S. 184 und 185 begründeten »Annahme« die Rede

*) Hätte ich die Grenzen der »möglichen« Fälle ebenso eingeschränkt, wie er es meiner Meinung noch zu Unrecht thut (siche weiter unten), so würde die Zahl der falsch gebildete» Gabeln auf 30,6 pCt gesunken sein. Die Zahl der »wirkungslosen« Bz.-Schiessen stellt- sich bei diesen Annahmen uuf nur 7,6 pCt.

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Nochmain die Zuverlässigkeit des Einschiessen*.

ist), schränkt gleichwohl die Grenzen der möglichen Fälle sehr viel enger ein. Für die mit drei Schüssen gebildete 100 m-Gabel dehnt er die Grenzen nur bis auf ± 200 m,*) mit anderen Worten: er nimmt an, dass jeder Schuss, der mehr als 200 m vor oder hinter dem Ziel anf- schlägt, stets richtig beobachtet wird. Wie es bei einer Gabel von 50 m gehalten werden müsste, geht aus dem Callenbergschen Buche nicht her- vor. Ebenso wenig passen die gewählten Grenzen für den Fall, dass eine 400 m-Gabel gebildet ist oder wenn die mittlere Längenstreunng 50 m überschreitet. In allen Fällen wird die Wahrscheinlichkeit der richtigen Gabelbildung zu hoch ermittelt, weil die Zahl der über- haupt »möglichen« Fälle herabgesetzt, die der »günstigen« un- verändert gelassen ist.

Bildet man eine 200 m-Gabel, so würde sich nach der Callenberg- schen Rechnung heransstellen, dass die Wahrscheinlichkeit der richtigen Gabelbildung verschieden ausfällt, je nachdem man zuerst einen Kurz- oder zuerst einen Weitschuss beobachtet, was gegen alle Vernunft ist. Oberstlieutenant Callenberg hat zwar in einer besonderen Tabelle 17 den Beweis zu liefern versucht, dass die Reihenfolge der Schüsse ganz gleich- gültig für die Zuverlässigkeit der Gabelbildung sei. Die Rechnung stimmt auch für die Entfernungsgruppe I, wo die Streuung klein, die Beobachtung sehr zuverlässig ist. Führt man jedoch die Rechnung, wie nachstehend (Zusammenstellung 2) geschehen, für die Entfernungsgruppe V aus, so stellt sich der Fehler schon heraus. Die Rechnung zeigt, dass die Wahr- scheinlichkeit für die richtige Bildung der 200 m-Gabel 0,776 betragen würde, wenn man zuerst einen Kurz-, dann einen Weitschuss beobachtet, dass sie aber auf 0,772 sinken würde, wenn die Schüsse in umgekehrter Reihenfolge beobachtet werden.**) Wachsen die Streuungen und die Un- sicherheit der Beobachtung, so wird der Unterschied natürlich grösser. Die Zahl der falschen Gabeln würde sich im ersten Falle auf 22,4, im zweiten auf 22,8 pCt. stellen. Oberstlieutenant Callenberg hat sie infolge eines Rechenfehlers in Tabelle 16 (S. 72) auf 21,7 pCt. errechnet. Bei Ausdehnung der »möglichen« Fälle auf dr 300 m von der »wahrschein-

*) Richtiger: von -+- 160 bis 260 oder von 160 bis -f- 260 m, je nachdem der erste Gabelschuss -4- oder beobachtet ist.

**) Trotz einer auf 8. 92 des C'Bllenbergscben Ruches enthaltenen Bemerkung, deren Berechtigung ich vollkommen anerkenne, habe ich mich nicht entschliessen können, alle Berechnungen ausführlich wiederzugeben. Es würde dadurch der Süssere Umfang der Arbeit auf das Doppelte steigen in dem Callenbergschen Buche nehmen die Rechnungen mehr als ein Drittel des ganzen Buches ein und schwerlich würde eine Redaktion geneigt sein, eine solche Arbeit zur Veröffentlichung anznnebmen. In meiner Studie habe ich genau angegeben, in welcher Weise die Rechnung ausgefübrt ist, und jede Zahl mehrmals nachgerechnet. Wer im Stande ist, dem mathematischen Gang der Arbeit zu folgen und ein wirkliches Interesse an dem Gegenstand hat, der wird sich durch eine Probe leicht von der Richtigkeit der Rechnungen überzeugen können. Für die übrigen Leser bat die Berechnung selbst nur ein untergeordnetes Interesse.

Ich ergreife indess die Gelegenheit, einige Rechenfehler, die bei den sehr um fangreichen Arbeiten sieh dennnoeh eingescblichen haben, zu verbessern. In der Kriegstechnischen Zeitschrift«

8. 211 Ziff. 13 von unten lies 0.638 statt 0,620,

12

n

4

3

Einen Einfluss nicht ausgeübt.

0.346

0,117

0,343

0,680

0.808

0,309,

0,170,

0,388,

0,650.

0,770.

auf die von mir gezogenen Folgerungen haben diese Fehler

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einsehiessens.

407

liebsten« Zielentfernung, wie ich sie annehme, würde man im Uebrigen die CaUenbergschen Grundlagen benutzend auf 22,8 pCt. falscher Gabeln kommen, gleichviel, in welcher Reihenfolge die Schüsse beobachtet werden.

Zusammenstellung 2.

Luge des mittleren Treff- punkts der

1. Gabel- entfer- nung in Bezug auf das Ziel

m

+

4-

Logarithmen j der Wahr- .

scheinlich- ftum' keiten: me der

den 1. den 2. .... Gabel- Gabel- Zlffern schuss schnss in Sp. kurz zu weit zu , .

beob- beob- |2 UD<1 3 achten achten j

Num- mern der 8p. 4

Sum-

mirung

der

Num-

mern

Logarithmen der Wahr- ] Sum | scheinlich- 1 Num-

keiten : me der

den 1. 1 den 2. y._ mern

Gabel- Gabel " der

scliuss schuss , in 8p. weit zu knrzzu - ®P* •*

beob- 1 beob- |,und8 achten achten |

Sum-

rnirung

der

Num-

mern

i.

2. 3. 4.

6.

8.

7. 1 8. I 9. 10.

11.

300

9,9860 , 8,7853 8,7703

0,059

8,6316 9,9864 8,5169 0,033

275

9,9850 8,9446 8,9295

0,085

8,5316 9,9864 8,5169 1 0,033

250

9,9845 9,1987 9,1832

0,152

>0,810

8.5411 1 9,9864 8,6265 | 0,034

225

9.9841 9,4843 9,4684

0,294

8,6663 1 8,9864 8,5417 0,035

200

9,9836 9,7143 9,6979

0,499

8,5682 9,9854 8,5536 0,036

175

9,9827 9,8615 9,8442

0,699

8,6911 9,9854 8,5765 0,038

150

9,9814 9,9395 9,9209

0,833

8,6232 9,9854 8,6086 0,041

1,116

125

9,9777 9,9717 9,9494

0,890

8,6990 9,9864 1 8,6844 0,048

100

9.9727 9,9814 9,9641

0,900

6,170

8,7853 9,9860:8,7703 0,069

76

9,9600 9,9846 9,9445

0,880

8.9446 9,9850 ! 8,9295 0,085

60

9,9263 9,9850 9,9103

0,813

9,1987 9.9846 9,1832 1 0,152

26

9,8420 1 9,9854 9,8274

0,672

9,4843 9,9841 ' 9,4684 0,294

± o

9,6830 9,9854 9,6684

0,466

9,7143 9,9836 9,6979 0,499

+ 25

9,4362 9,9864 9,4216

0,264

9,8616 9,9827 , 9,8442 0,699

-t- 50

9,1139 , 9,9859 9,0998

0,126

9,9395 9,9814 9,9209 0,833

-+- 75

8,7993 9,9859 8,7852

0,061

9,9717 9,9777 9,9494 0,890

+ 100

8,6232 1 9,9859 8,6091

0,041

9,9814 9,9727 9,9641 0,900

*8,170

-+- 125

8,5441 ! 9,9859 8,5300

0.034

9,9846 9,9600 1 9,9445 , 0,880

+ 160

8,6316 9,9869 | 8,5174

0,033

9,9860 9,9253 9,9103 1 0,813

-+- 176

8,5186 9,9869 8,5044

0,032

9,9854 9,8420 : 9.8274 0,672

-+- 200

8/>18.> 9,9869 8,5044

0,032

9,9854 9,6830 9,6684 0,466

-1- 225

8,5186 9,9869 8,6044

0,032

9,9864 9,4362 9,4216 0,264

+ 250

8,5061 9,9869 8,4910

0,031

9,9869 9,1139 9,0998 0,126

0,704

276

8,6051 9,9859 ! 8,4910

0,031

9,9859 8,7993 8,7862 0.061

+ 300

8,5061 9,9859 8,4910

0,031

9,9859 8,8232 8,6091 0,041

6.170

6,170

W*> = 7,949 = °’770

7,949

W*° = 7,990” 0,772

7.990

Grösser wird der Unterschied, wenn man die Bildung der 100 m-Gabel in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit untersucht. Rach Tabelle 16 des Callen- bergschen Buches sind auf Entfernungsgruppe V bei der Bildung der 100 m-Gabel durch drei Schüsse 36,9 pCt. falscher Gabeln zu erwarten. Hier liegt die Grenze der »möglichen« Fälle 150 m vor bezw. 250 m hinter der »wahrscheinlichsten« Lage des Ziels. Dehnt man die Grenzen, wie ich es für richtig halte, bis auf 300 m vor oder hinter der wahr- scheinlichsten Lage des Ziels aus und das muss man, da ja thatsäch- lich falsche Beobachtungen innerhalb dieser Grenzen angenommen sind so steigt die Zahl der wahrscheinlich falsch gebildeten Gabeln auf 40,9 pCt.*)

*) Die Summe der Spalte 10 stellt sich auf 4,051 statt 3,818.

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408

Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

Wird die 100 m-Gabel von vorn herein, also durch nur zwei Schüsse gebildet, so ändert sich in dom Ergebniss der Rechnung nichts, ob man, wie Oberstlieutenant Callenberg, die Grenzen der möglichen Fälle von 250 m vor und 350 m hinter der wahrscheinlichsten Lage des Ziels oder 300 m vor und hinter festsotzt. Ein gewisser Unterschied in der Zu- verlässigkeit der Gabelbildung ob von vorn herein oder nach Bildung der 200 m-Gabel bleibt natürlich bestehen; aber er stellt sich erheb- lich niedriger, wenn man nach meiner Methode rechnet.

Ich komme nunmehr zum Vergleich der von Oberstlieutenant Callen- berg errechneten und den nach der Statistik der Schiessschule wirklich erreichten Ergebnisse, wie Zusammenstellung 1 sie wiedergegeben hat. Ich habe gezeigt, wie die Callenbergschen Annahmen über die Zuverlässigkeit der Beobachtung erheblich günstiger sind, als die Statistik der Schiess- schule angiebt. Statt 4,93 pCt. falscher Beobachtungen (oder 4,14, die ich äusserstenfalls zugeben kann), rechnet Oberstlieutenant Callenberg mit 2,75 pCt. Ferner findet er dadurch, dass er die Zahl der »möglichen». Fälle auf die Strecke von 200 m vor und hinter der »wahrscheinlichstem Lage des Ziels einschränkt während doch bis 300 m vor und hinter dem Ziel ein beachtenswerther Prozentsatz falscher Beobachtungen vor- kommt — , die Prozentzahl der richtig gebildeten Gabeln zu hoch, also die der falsch gebildeten zu niedrig, und doch ist das nach der Statistik wirklich erreichte Resultat noch erheblich günstiger. Wie ist dieser auffallende Widerspruch zu erklären? Was Oberstlieutenant Callenberg in Ziff. 87 darüber vorbringt, ist in keiner Weise geeignet, den vorhandenen Widerspruch zu heben, vielmehr nur, seine Aufhellung noch schwieriger zu machen. Die schwierigen Beobachtungsverhältnisse bei den Zielen auf den Entfernungen von 3000 bis 3500 m meiner Meinung nach werden diese Verhältnisse auf solchen Entfernungen immer schwierig sein*) haben den Oberstlieutenant Callenberg bewogen, die statistischen Angaben der Schiessschule über die Beobachtung zu verändern (ich sage nicht zu »verbessern«); das war nur ein Grund mehr, zu erwarten, dass die errechneten Ergebnisse günstiger ausfielen, als die nach der Statistik erreichten.

Hiernach sind nur zwei Dinge möglich. Entweder ist die Magnon- sche Theorie falsch oder aber die Statistik der Schiessschule. Die Magnon- sche Theorie steht im vollsten Einklang mit allen mathematischen Gesetzen die Annahme, dass alle Schüsse gleich sicher beobachtet werden, ist zwar nicht ganz richtig, hat aber nur geringen Einfluss auf das Ergebniss ; die Annahmen, die Oberstlieutenant Callenberg ge- macht hat, haben ausnahmslos die Ergebnisse nur günstiger gestalten können. Es bleibt also nur übrig anzunehmen, dass die Statistik der Schiesschule mit einem Fehler behaftet ist. Dieser Ansicht neigt sich auch Oberstlieutenaut Callenberg zu; leider spricht er keinerlei Vermuthung darüber aus, wo er den Fehler sucht. Es ist nur möglich, dass entweder die Zahl der falsch gebildeten Gabeln zu niedrig oder aber die Streuungen und die Zahl der unrichtigen Beobachtungen zu gross angegeben sind. Die Zahl der unrichtigen Beobachtungen ist vom Oberstlieutenant Callen-

*) Pie auffallende Erscheinung, dass in der Entfemnngsgrnppe V die Zahl der falsch gebildeten Gabeln nur unerheblich grösser ist, als auf der Entfernung» gruppe IV, wird sich am einfachsten dadurch erklären lassen, dass man. nm auf diesen Entfernungen (3500 bis 4200 m) überhaupt schiessen zu können, die Ziele deutlich sichtbar aufgebaut hat.

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

409

berg bereits so niedrig angegeben, dass der Fehler hier unmöglich liegen kann. Selbst wenn man alle Beobachtungen als richtig an- nimmt, wie Oberstlioutenant Callenberg dies in Tabelle 15 gethan hat, erhält man auf einigen Entfernungen, und zwar gerade auf den drei niedrigen Entfernungsgruppen, auf denen die Führung der Kurven auf Tafel 1 und 2 unverändert gelassen ist, durch die Rechnung eine erheb- lich höhere Zahl falsch gebildeter Gabeln, als die Statistik der Schiess- schule angiebt.

Nachstehend stelle ich den Angaben der Callenbergschen Tabelle 3 über die nach der Statistik der Schiessschule falsch gebildeten 100 m- Gabeln, die seiner Tabelle 15, d. h. die Prozentzahlen der lediglich in- folge der Streuung, also unter Voraussetzung nur richtiger Beobachtung falsch gebildeter Gabeln gegenüber.

Zusammenstellung 3.

Von je 100 Hubeln von 100 m werden falsch gebildet:

Entfernungsgruppe

I

II

III

IV

V

Noch Callenbergs Tabelle 16, also bei nur richtiger Beobach- tung

23,8

24,6

26,6

28,0

30,1

Nach der Statistik der Schiess- schnle überhaupt. (Tabelle 3 des Callenbergschen Buches)

8,9

12,8

18,6

35,5

37,1

Ich bemerke, dass, wenn man die »verbesserte« Tabelle 3a benutzen wollte, auch noch auf der Entfernungsgruppe IV die »wirklich erreichten« Leistungen der Schiessschule die errechneten Ergebnisse des Oberstlieute- nants Callenberg in Schatten stellen würden. Es ist merkwürdig, dass dies dem Verfasser nicht aufgefallen ist. Da ihm das ganze statistische Material der Schiessschule zu Gebote Btand, wäre er vielleicht in der Lage gewesen, eine befriedigende Erklärung zu finden, da es in der Wissenschaft keine Widersprüche geben kann.

Ich möchte an dieser Stelle auf das Nachwort moiner Studie aufmerk- sam machen, in dem ich erwähnte, dass der Professor der Mathematik an der Universität Kiel, Herr Dr. Pochhammer, sich mit demselben Problem Untersuchung der Zuverlässigkeit der Gabelbildung beschäftigt habe. Seine Untersuchungen erstreckten sich nur auf die durch zwei Schüsse gebildeten Gabeln unter Ausschluss aller falschen Beobachtungen. Das Resultat seiner mit Hülfe der höheren Mathematik, ganz unabhängig von Mag non ausgeführten Berechnungen war, dass die Wahrscheinlichkeit

g

einer falschen Gabel sich auf 0,59 (wobei s die mittlere Längenstreuung,

y die Weite der Gabel beide ausgedrückt in Metern) stellte. Man er- hält dabei um eine Kleinigkeit höhere Werthe, als nach der Callenberg- schen Rechnung, was den bei letzterer angewendeten Abrundungen zuzu- schreiben ist.

Man kann aber mit Hülfe dieser Formel ermitteln, wie gross die mittlere Streuung höchstens sein dürfte, damit die Resultate der Schiess- schule überhaupt möglich werden. Bezeichnet man die Wahrschein-

410

Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

lichkeit einer falschen Gabelbildung mit w, so folgt aus der Gleichung s w * y

w = 0,59 unmittelbar s = - ' und da y = 100 y 0,59

8= 169,5 w, d. h. (die Werthe von w nach der Tabelle 3 des Callonbergsehen Buches eingesetzt)

für die Entfemungsgruppe I (1600 bis 2000 m) s = 169,5 0,089 = 15,1 m. » » » II (2000 bis 2400 m) s= 169,5 -0,126 = 21,4 m

Da für die Entfernungsgruppe I die schusstafelmässige Streuung 16 bis 17 m beträgt, so ist es selbst bei Ausschluss aller falschen Beobachtungen ein Ding der Unmöglichkeit, dass so wenig falsche Gabeln gebildet sein sollen; für Entfernungspruppe 11, mittlere Streuung nach der Schusstafel 18 m, ist es mehr als unwahrscheinlich.

Wird nun die Zahl der falschen Beobachtungen auf 4,93 pCt. fest gesetzt, wie sie der Statistik der Schiessschule entspricht, sowie eine mittlere Längenstreuung von 45 m angenommen, so errechnet sich die Zahl der voraussichtlich falsch gebildeten 200 m-Gabeln auf 20,9 pCt., die der 100 m-Gabeln auf 36,9 pCt. Diese Zahlen, welche die bei Truppen- übungen erreichten bei Weitem nicht erreichen, sind doch erheblich grösser, als die Statistik der Schiessschule angiebt.

Dass die Statistik der Schiessschule keine zuverlässigen Zahlen liefert, darin stimme ich ganz mit Oberstlieutenant Callenberg überein (ZifT. 84, 85). Oberstlieutenant Callenberg bespricht Ziff. 85 die Möglichkeit, »dass bei Aufstellung der Statistik über die 100 m-Gabeln eine allgemein zu günstige Grundlage gewählt ist«. Es ist mir nicht klar, was damit gemeint ist. Sicher scheint mir aber, dass ihm die Angaben über die Zahl der richtig und falsch gebildeten Gabeln fertig übergeben sind und dass keineswegs feststeht, ob die Schiessschule unter einer »richtig gebildeten Gabel« dasselbe versteht wie Oberstlieutenant Callenberg und ich. Es wäre ja möglich ich bemerke ausdrück- lich, dass es sich hier lediglich um einen Versuch zur Erklärung des Widerspruchs handelt , dass die Schiessschule eine Gabel auch dann noch als richtig gebildet ansieht, wenn die kurze oder weite Gabel- entfernung gleich der » zutreffenden« Entfernung ist.*) Wenn z. B. die »wahrscheinliche« Zielentfemung (in den Schiesslisten errechnet) 2296 m ist, so ist 2300 m die »zutreffende« Entfernung, weil man keine Erhöhung wählen kann, die den mittleren Treffpunkt näher an das Ziel bringt, als eben 2300 m. Hiernach würde eine Entfernung (Erhöhung) als »zutreffend« anzusehen sein, wenn dieselbe um nicht mehr als ± 12,5 m von der »wahrscheinlichen« Zielentfernung abweicht. Dadurch wird der Bereich der »günstigen« Fälle um je 12,5 m auf beiden Seiten der Gabel erweitert. Während ich z. B. die Gabel 2300/2400 als richtig ansehe, wenn die Ziel- entfernung zwischen 2300 und 2400 m beträgt, so würde nach dieser Vor- stellung das Ziel zwischen 2287,5 und 2412,5 m liegen dürfen, und die Zahl der »falsch« gebildeten 100 m-Gabeln würde unter den gemachten Voraussetzungen (45 m mittlere Streuung, 4,93 pCt. falsche Beobachtungen) auf 27,3 pCt. sinken und schon besser mit der Statistik der Schiessschule (20,7) übereinstimmen. Die Zahl der falsch gebildeten 200 m-Gabeln würde auf nur 15,8 pCt. sinken, also um 0,4 pCt. hinter den Angaben der Schiessschule Zurückbleiben. Bei einer solchen Definition würde aber auch unter den in meiner Studio gemachten Voraussetzungen die Zahl der

*) Yergl. Studie Archiv

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschicssens.

411

falsch gebildeten Gabeln sinken, und zwar die der 200 m-Gabeln von 29,3 auf 24,5 pCt., die der 100 m-Gabeln von 47,6 auf 37,8 pCt.

Jedenfalls bleibt hier noch ein Widerspruch aufzuhellen; aber mit aller Bestimmtheit darf man es schon jetzt aussprechen, dass die Statistik der Schiessschule nicht richtig ist, nicht richtig sein kann.

Ich wende mich nunmehr zur Besprechung der Untersuchung über die »wirkungslosen« Bz.-Schiessen und gestehe offen, dass ich den Darlegungen des Oberstlieutenants Callenberg (Zift. 91 bis 105) nicht zu folgen vermag. Was ich untersucht habe, ist Folgendes. Ich habe er- mittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit man darauf rechnen kann, dass sich nach Bildung der 100 m-Gabel ein Ziel innerhalb desjenigen Raumes befindet, der sich erstreckt von 30 (richtiger 25) m diesseits der kurzen, bis 80 (75) m jenseits der weiten Gabelgrenzo. Wäre z. B. die Gabel 2300/2400 gebildet, so würde sich der fragliche Raum von 2275 bis 2475 m erstrecken. Befindet sich das Ziel innerhalb dieser Grenzen, so muss man richtiges Verhalten der Zünder vorausgesetzt mit einer der beiden Entfernungen, auf denen nach der Schiessvorschrift das Bz.-Feuer ausgeführt wird, mittlero Sprengweiten zwischen 25 und 125 m, also »gute Wirkung« erhalten. Ich fand, dass dies in 79,4 pCt. aller Fälle eintritt, dass dagegen in l/s aller Fälle (20,6 pCt.) entweder grössere oder kleinere mittlere Sprengweiten (oder nur Sprengpunkte hinter dem Ziel) erhalten werden. Diese Schiessen habe ich »wirkungslos* genannt, habe aber aus- drücklich (S. 189) darauf aufmerksam gemacht, dass man auch dann noch Wirkung erhalten kann, wenn das Ziel ausserhalb dieser Grenzen steht. Immerhin setzt das voraus, dass der gemachte Fehler er- kannt wird, was oft gar nicht, stets aber erst nach längerer Zeit eintritt. Eine Schätzung oder gar Berechnung, wie oft ein verfehltes Ein- schiessen mit Az. durch eine Korrektur nach Ziff. 88, 94 oder 95 der Schiessvorscbrift unschädlich gemacht wird, halte ich vorläufig noch für unmöglich.

Meine Zahl 20,6 pCt. »wirkungsloser* Schiessen, bei Annahme einer mittleren Streuung von 45 in und von 4,93 pCt. falscher Beobach- tung würde man 14,8 pCt. erhalten lässt sich natürlich nicht mit der Statistik der Schiessschule (9,5 pCt.) vergleichen. Zweifellos bezieht sich die letztere Zahl auf diejenigen Bz.-Schiessen, bei denen schliesslich vielleicht nach Ausführung mehrerer Korrekturen mittlere Sprengweiten zwischen 30 und 130 m nicht erreicht worden sind. Diese Zahl muss natürlich kleiner ausfallen.

Aus welchem Grunde Oberstlieutenant Callenberg bei seinen Unter- suchungen vom Bz.-Feuer anstatt vom Az.-Feuer ausgeht, in welchem das erste und entscheidende Einschiessen stattfindet, mit welchem Recht er ferner die Beobachtung der von Bz.-Schüssen herrührenden Sprengpunkte für ebenso zuverlässig ansieht, wie die der Az.- Schüsse, vermag ich nicht einzusehen. Ich halte die ganze Methode der Untersuchung für verfehlt, wenigstens dann, wenn meine Ausführungen widerlegt werden sollten.

Was nunmehr in dom Callenbergschen Buche folgt, darf wohl als die Quintessenz der ganzen Arbeit angesehen werden; es ist die Vertheidigung der Schiessvorschrift gegen meine »Angriffe«, deren ich mir, wie ich eingangs bereits erwähnt habe, gar nicht bewusst bin. Ich habe lediglich die Thatsache festgestellt, dass bei Annahme von 10 pCt. falscher Be-

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412

Nochmals die Zuverlässigkeit des Einsohiessens.

obachtungen und einer mittleren Streuung von 50 m die Sicherheit der richtigen Bildung einer Gabel von 100 m keineswegs Behr gross ist und dass man daher in den Schiessregeln aller Staaten Bestimmungen findet, welche dem Misslingen des Schiessens Vorbeugen sollen. Den Werth dieser Bestimmungen habe ich an der Hand der Magnonschen Theorie geprüft. In allen Fällen wird die Sicherheit des Einschiessens durch die Kontrole der Gabelgrenzen oder die » vörification de la hausse < erhöht, gleichviel, ob die Beobachtung etwas sicherer oder unsicherer, die Streuung etwas grösser oder kleiner ausfiillt. Ob die Kontrole das Schiess- verfahren so erschwert, dass sie besser unterbleibt, ist eine Frage, die Niemand von vornherein mit Ja oder Nein beantworten kann, sondern über die lediglich ein auf breitester Grundlage ausgeführter praktischer Versuch entscheiden könnte.

Zum grössten Theil richten sich die Callenbergsehen Ausführungen gegen einen Gedanken, dem in meiner Studie in keiner Weise das Wort geredet ist, nämlich gegen den Vorschlag, nach Kontrole der Gabel das Bz.-Schiessen auf nur einer Entfernung auszuführen. Ich hätte nur gewünscht, der Verfasser hätte es ausgesprochen, dass die Ausführungen der Ziff. 114 bis 115 zu meiner Studie in gar keiner Beziehung ständen; dann hätte er seinen begeisterten Verehrer in Nr. 76 des Militär-Wochen- blattes nicht dazu verführt, mir einen so thörichten Vorschlag unter- zuschieben.

Dagegen ist mir der Gedanke, (Z. 106) »nur die sicherer gelingende 200 m- Gabel im Az.-Feuer zu bilden und dann auf allen drei Entfernungen (kurze, weite Gabelentfernung und Mitte) lagenweise im Bz.-Feuer zu streuen«, ausserordentlich sympathisch. Er findet sich nur mit dem Unterschiede, dass die Gabel kontrolirt und der Streubereich thunlichst eingeschränkt werden sollte bereits in meinem »Artillerieschiessspiel« und ist auch in einer Fussnote meiner Studie (S. 194 und 195) wörtlich erwähnt. Ich will die Kontrole gern fallen lassen, wenn praktische Versuche den Beweis ihrer Unausführbarkeit geliefert haben, oder wenn sich dabei herausstollen sollte, dass die Kontrole »meistens gar nicht die erhoffte Wirkung haben werde«. Jedenfalls bitte ich den Ver- fasser, diesen seinen Gedanken festzuhalten; wir könnten dann vielleicht noch einmal Schulter an Schulter kämpfen; denn ich bin allerdings der Meinung, dass »die Sicherheit des Einschiessens im Az.-Feuer das Entscheidende ist«.

Wenn Oberstlieutenant Callenberg (Ziff. 111) mit einer gewissen Emphase vor »Zweifeln im Ernstfälle« warnt, so darf man wohl mit gleichem Recht vor übertriebener Vertrauensseligkeit warnen. Beide können gleich »unheilvoll« wirken. Wenn irgend ein Leitmotiv aus allen meinen bisherigen Arbeiten herausklingt, so ist es nur das eine, dass »man sich lieber mit geringerer ich pflege zu sagen ausreichender , aber sicherer Wirkung begnügen möge«, und freue mich, dass ich in Oberstlieutenant Callenberg einen so beredten Gesinnungsgenossen ge- funden habe.

In einem Nachtrag beschäftigt sich der Verfasser mit meiner zweiten Studie »Zum Schiessen mit Sprenggranaten «. Wurde meiner ersten Studie der Vorwurf gemacht, dass sie Künstelei in das Schiessverfahren hineintragen wollte, so wird nunmehr ein von mir ge- machter Vorschlag bekämpft, der das Schiessen zu vereinfachen bezweckt.

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Nochmal» die Zuverlässigkeit de* Einschiessens.

413

Bereit» in der ersten Studie hatte ich mit Hülfe der Magnonschen Methode gezeigt, das» man einen sichereren Anhalt über die Lage des ZielB erhalte, wenn auf beiden Grenzen der 50 m-Gabel je drei Schüsse vor bezw. hinter dem Ziel beobachtet seien, als wenn man, mit einer und derselben Erhöhung schiessend, je drei Schüsse davor und dahinter erhalte. Beispielsweise ist also die Wahrscheinlichkeit, dass 2325 m die zutreffende Entfernung ist, d. h. dass das Ziel zwischen 2312,5 und 2337,5 m steht, grösser, wenn man auf 2300 drei Kurz-, auf 2350 drei Weitschüsse beobachtet, als die, dass das Ziel auf 2300 (zwischen 2287,5 und 2312,5) m steht, wenn man mit der Erhöhung 2300 drei Kurz- und drei Weitschüsse erhält.*) Daraus wurde von mir die sehr natürliche Folgerung gezogen, dass es beim Schiessen mit Sprenggranaten nicht nöthig sei, im ersteren Falle das Schiessen im Az.-Feuer noch auf 2325 m fortzusetzen; man dürfe vielmehr die Entfernung von 2325 m ohne Weiteres als ermittelt annehmen, mithin das Bz. -Feuer auf 2350 m eröffnen.

Gegen diesen Vorschlag wurde oingewendet, dass es nicht aus- geschlossen sei, dass sich bei Fortsetzung des Schiessens auf der die Gabel halbirenden Entfernung (2325 m) herausstellen könne, dass das Ziel näher als 2325 m stehe und man unter Umständen keine Wirkung erhalten werde. Infolgedessen untersuchte ich in der neuen Studie den Fall eingehender, stellte die Wahrscheinlichkeiten dafür fest, dass die die Gabel halbirende Entfernung, 2325 m, die »zutreffende« sei, bezw. dass das Ziel näher als 2312,5 m steht, und endlich dafür, dass eine um 25 m kleinere Entfernung (2300) zutreffe, und zwar dehnte ich die Unter- suchung auf alle möglichen Fälle aus, in denen auf der einen Gabel- grenze zu viel Kurz-, auf der anderen zu viel Weitschüsse beobachtet wurden. Desgleichen untersuchte ich die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass die Entfernung die zutreffende bezw. überhaupt zu gross sei, wenn man mit einer und derselben Erhöhung unter sechs Schüssen vier hinter, zwei vor dem Ziel beobachtet. Ich zeigte, dass:

1. die Wahrscheinlichkeit, die Entfernung zutreffend zu ermitteln, im ersten Falle grösser sei als im zweiten, und dass diese Wahrschein- lichkeit im ersten Falle grösser sei als die, dass die (um 25 m kleinere) kurze Gabelgrenze die zutreffende Entfernung sei;

2. die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel überschossen wird (d. h. um mehr als 12,5 m näher steht als die für zutreffend angenommene Entfernung), im ersten Falle kleiner als im zweiten sei.

Hiernach ist klar, dass, wenn man, wie die Schiessvorschrift (Ziff. 80) festsetzt, sich mit vier Weit- und zwei Kurzschüssen für eingeschossen hält, man nicht das mindeste Bedenken zu hegen braucht, in dem von mir beregten Falle die die 50 m-Gabel halbirende Entfernung für zu- treffend zu halten; denn diese Wahrscheinlichkeit ist grösser als in dem anderen Fall und bietet namentlich eine weit höhere Sicherheit gegen das Ueberschiessen des Ziels.

Oberstlieutenant Callenberg behauptet nun (Ziff. 6), dass das vou mir empfohlene Verfahren praktisch erprobt sei, dass man dabei aber häufig das Ziel überschossen und infolgedessen wenig oder gar nichts gewirkt habe. Diese Angabe überrascht mich in der That sehr, um so mehr, als mir sehr viele Schiesslisten Vorgelegen haben, bei denen sich gerade die die 50 m-Gabel halbirende Entfernung als zutreffend herausgestellt hatte

*J Die Wahrscheinlichkeiten stellten sich auf 0,348 bezw. 0,278 (Archiv 8. 199).

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

natürlich nur unter der Voraussetzung, dasB die beiden Gabelgrenzen bereits als zu kurz bezw. zu weit befunden waren. Hätte man mit der- selben Aufmerksamkeit auf die Lage des mittleren Treffpunktes Acht ge- geben, wenn man auf einer und derselben Gabelentfernung vier Weit- und zwei Kurzschüsse beobachtet hatte, so würde man unbedingt gefunden haben, dass hierbei das Ueberschiessen des Zieles weit häufiger einträte. Das liegt nun einmal in der Natur der Sache; denn die Beobachtung von mehr Weit- als Kurzschüssen deutet darauf hin, dass der mittlere Treff- punkt wahrscheinlich hinter dem Ziele liegt.

Was der Verfasser sonst gegen die Magnonsche Theorie vorbringt, sind nur allgemeine Bemerkungen Uber Theorie und Praxis, die mich in Versuchung führen, ihm aus dem Schlusswort meiner ersten Studie zu- zurufen: »Sie nennen das, was Sie nicht beweisen können, Praxis, und das, was Sie nicht widerlegen können, Theorien Die Berufung auf die Statistik der Schiessschule (Ziff. 16) berührt um so eigentümlicher, als im ersten Theil des Buches (Ziff. 83 bezw. 89) die Statistik der Schiess- schule mit Recht angezweifelt ist und ihren Zahlen die aus theoretischen Berechnungen hervorgegangenen als die sichereren gegenübergestellt sind. Wer einmal einen solchen Gedanken ausgesprochen hat, besitzt nicht mehr das Recht, sich Anderen gegenüber auf dieselbe Statistik, deren Angaben nicht einmal vorgelegt werden, zu berufen.

Es ist nicht einzusehen, warum die Magnonsche Theorie zulässig sein soll, wenn es sich um die Wahrscheinlichkeit der Lage eines Ziels auf Grund der Beobachtung je eines Kurz- oder Weitschusses handelt, und warum sic versagen soll, wenn aus der Beobachtung mehrerer mit gleicher Erhöhung abgegebenen Schüsse ein Schluss auf die Lage des Ziels gezogen werden soll (Ziff. 16 des Anhanges). Das Letztere hat man ja stets beim sogenannten »Gruppeschiessen« gethan. Die Magnonsche Theorie ist ja gerade darauf aufgebaut, dass man bei einer bestimmten Lage des mittleren Treffpunkts zum Ziel wahrscheinlich ein be- stimmtes von der Grösse der Streuung abhängiges Verhältniss von Kurz- und Weitschüssen erhält. Mit demselben Recht ist man befugt, aus dem gegebenen Verhältniss von Kurz- und Weitschüssen auf die wahrscheinliche Lage des mittleren Treffpunktes zum Ziel zu schliessen.*)

Zu S. 90 Abs. 3 bemerke ich, dass ich an keiner Stelle meiner Studien gesagt habe, dass, »wenn wir im gegebenen Falle von 6 Schüssen (== 100 pCt.) 4 Kurzschüsse (= 66*/# pCt.) erhalten, der mittlere Treffpunkt auf 16 m in Bezug auf das Ziel liegt«. Ich weiss sehr genau, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Lage unendlich klein ist sie erhält eine endliche Grösse erst, wenn man zwei Grenzwerthe bezeichnet, zwischen denen das Ziel liegen soll und doch ist sie die »wahr- scheinlichste« von allen. Etwas Anderes habe ich nie behauptet.

*) Ich empfehle den sich für diese Frage interessironden Herren das Studium eines in jüngster Zeit erschienenen Werkes »Vorträge aus der Artillerielehre« vom österreichischen Major Eschler (Wien, L. \V. Seidel & Sohn, 1898), insbesondere die §4} 3t! 38. Sie finden dort eine «ehr gediegene Abhandlung über den »wahr- scheinlichen Fehler«, eine in Deutschland bisher sehr wenig beachtete Grösse. Wendet man das dort Gesagte auf die vorliegende Frage an, so findet man eine voll kommene Uebereinstimmung der Resultate, gleichviel, ob man nach der von Eschler entwickelten Formel oder nach der Magnonsehen Methode rechnet. Damit dürfte denn wohl auch der Beweis erbracht sein, dass diese Methode auch auf den Fall, dass mehrere Schüsse mit gleicher Erhöhung abgegeben sind, passt. Ich werde in einem der nächsten Hefte dieser Zeitschrift dies nachweisen.

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

41i)

Oberstlieutenant Callenberg hat das Unglück, aus mehreren Stellen meiner Arbeit etwas ganz Anderes herauszulesen, als ich gesagt habe. Ich weiss nicht, ob das an meiner Ausdrucksweise liegt.. So sagt er unter Ziff. 12: »Andererseits findet er (Rohne), dass, wenn das genaue Einschiessen auf der Mitte der 50 m-Gabel weiter fortgesetzt und dabei 2 Schüsse , 4 + beobachtet wurden (Vs Kurzschüsse), was nach der bestehenden Schiessvorschrift dazu berechtigt, diese Entfernung als die zutreffende anzusehen, die Wahrscheinlichkeit u. s. w.c. An keiner Stelle meiner Studie ist davon die Rede, »dass das genaue Ein- schiessen auf der Mitte der 50 m-Gabel weiter fortgesetzt werden« soll. Nachdem ich entwickelt habe, wie gross die Wahrscheinlichkeit der Entfernung des Zieles ist, wenn auf der kurzen Gabelgrenze zu viel Kurz-, auf der weiten Gabelgrenze zu viel Weitschüsse beobachtet sind, fahre ich wörtlich, wio folgt, fort (Kriegstechnische Zeitschrift, S. 211): »Nun kann man freilich einwenden, eine Wahrscheinlichkeit von 0,408, wie man sie im Mittel bei Annahmo von 10 pCt. falscher Beobachtungen zu erwarten hat, ist nicht gross genug, um den Uebergang zum Bz.-Keuer zu rechtfertigen. Ich theile diese Ansicht nicht und werde sie weiter unten begründen. Wer aber diese Ansicht zu der seinigen macht, darf folge- richtig noch viel weniger den Uebergang zum Bz.-Feuer zugeben, wenn man auf einer Entfernung« (von der die Gabel halbirenden Entfernung ist hier also gar nicht die Rede) » '/* aller Schüsse vor dem Ziel be- obachtet, wie die Schiess Vorschrift festsetzt.« Aus dem ganzen Zusammenhang und namentlich, wenn man S. 199 des Archivs damit in Verbindung bringt, geht deutlich hervor, was gemeint war. Nach der Schiessvorschrift darf man z. B. 2300 m als die zutreffende Entfernung ansehen, wenn man auf dieser Entfernung 4 Schüsse 2 beobachtet hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Entfernung wirklich zutrifft, ist eben geringer als die, dass das Ziel auf rund 2325 m steht, wenn man anf 2300 m zu viel Kurz-, auf 2350 m zu viel Weitschüsse erhalten hat. Ich will gern zugeben, dass ich im folgenden Absatz besser gethan hätte, statt »z. B. 2325« zu sagen »z. B. 2300«. Es handelt sich hier lediglich um den Beweis, dass die Beobachtung von zu viel Kurz- bezw. Weit- schüssen auf den Grenzen der 50 m-Gabel eine höhere Sicherheit dafür gewährt, das Ziel mit der die Gabel halbirenden Entfernung nicht zu überschiessen, als die Beobachtung von 2 Kurz- und 4 Weitschüssen mit einer Erhöhung.

Oberstlieutenant Callenberg führt am Schluss seiner Arbeit Ergebnisse von Rechnungen an, die auf Grund der von mir gemachten Voraus- setzungen ausgeführt sind, und meint, diese »sehen ganz anders aus wie das Rohnesche Ergebniss und sprechen sehr zu Gunsten des bestehenden Schiess Verfahrens«. Die Resultate der Rech- nung nehme ich ohne weitere Prüfung als richtig an, nicht aber die daraus gezogenen Folgerungen. Ich theile daher die errechneten Ergebnisse nachstehend mit.

Im Fall I sind auf den beiden Grenzen der 50 m-Gabel (z. B. 2300/2350) zu viel Kurz- bezw. Weitschüsse beobachtet; im Fall II sind auf einer Entfernung (z. B. 2325) 2 Kurz- und 4 Weitschüsse beobachtet. Die Rechnung hat ergeben, dass:

a) die Wahrscheinlichkeit, dass die ermittelte Entfernung (2325) zu- trifft, im Fall I 0,458, im Fall II 0,421 beträgt;

b) die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Entfernung zu gross er-

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416 Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

mittelt ist, d. h. das Ziel näher als 2312,5 m steht, mithin überschossen wird, im Fall I 0,273, im Fall II 0,496 beträgt;

c) die Wahrscheinlichkeit, dass die kurze Gabel (2300) die zu- treffende Entfernung ist, d. h. das Ziel zwischen 2287,5 und 2312,5 m

steht, im Fall I 0,231,'_// Fall II 0,394 beträgt;

d) daraus folgt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Ziel

näher als 2287,5 m steht,*) im Fall I 0,273 0,231 = 0,042, im Fall II dagegen 0,496 0,394 = 0,102 beträgt.

Es ist mir unfasslich, wie man aus diesen Zahlen, die ja gerade das, was ich behaupte, glänzend bestätigen, die Recht- fertigung des bestehenden Schiess Verfahrens bezw. das Fehler- hafte meines Vorschlages herleiten kann. Es geht doch deutlich daraus hervor, dass die Gefahr, das Ziel zu über- schiessen, bei der Beobachtung von */* Kurzschüssen 2,43 mal so gross ist, als bei der Annahme der Gabelmitte als zu-

treffende Entfernung, wenn die Grenzentfernungen der 50 m-Gabel zu viel Kurz- bezw. Weitschüsse ergeben haben. Das Verhältniss ist 0,102 : 0,042.

Dass bei günstigeren Beobachtungs- und Streuungsverhältnissen die Zahlen sich ändern werden, ist klar; aber aus den in der Kriegs- technischen Zeitschrift mitgetheilten Rechnungsergebnissen, bei denen sowohl schusstafelmässige Streuungen als auch nur richtige Beobachtungen angenommen sind, geht hervor, dass in allen Fällen die Sicherheit, das Ziel nicht zu überschiessen, nach meinem Vorschläge grösser ist, als wenn man auf Grund der Beobachtung von */j Kurzschüssen den Ueber- gang zum Bz.-Feuer vornimmt. Ich kann Niemandem die Ueberzeugung aufzwingen, dass die von mir gebotene Sicherheit gegen das Ueber- schiessen ausreicht, aber ich behaupte, dass es unlogisch ist, die Be- stimmung, wonach man sich bei Beobachtung von '/> Kurzschüssen als eingeschossen ansehen kann, beizubehalten, wenn man meinen Vorschlag zurückweist.

Dass die Erfahrung kein anderes Ergebniss liefern wird, davon bin ich fest überzeugt. Freilich kann man mit der Statistik Alles beweisen, wenn man die Zahlen geschickt zu gruppiren versteht. Will man meinen Vorschlag, das Schiessen mit Az. auf der Mitte der 50 m-Gabel nicht weiter fortzusetzen, nachdem die beiden Gabelgrenzen als zu kurz bezw. zu weit erkannt sind, prüfen, so muss man alle Schiessen, bei denen die Entfernungszahlen mit 25 oder 75 auslaufen, solchen Schiessen gegenüberstellen, bei denen die Entfernungszahlen ganze Hunderte sind oder auf 50 m auslaufen und bei denen die Beobachtung 4 Weit- und 2 Kurzschüsse ergab. Stellt sich dann heraus, dass bei den ersterwähnten Schiessen die Zielentfernung (Mitte der Gabel) ebenso oft zu gross ermittelt, das Ziel also Uber- schossen wurde, als in dem anderen Falle (4 Weit-, 2 Kurzschüsse), so will ich mich für geschlagen erklären.

Ein geistvoller Mann sagte einmal: »Ein Bildhauer soll nicht Anatomie studiren, aber er soll Anatomie studirt haben.« Mit einer kleinen Variante kann man mit demselben Recht sagen: »Der Artillerist soll beim Schiessen

*) In diesem Fall würde man bei richtig brennenden Zündern schon bei der kürzesten Brennlänge 2350 mittlere Sprengweiten von -f- 12,6 m erhalten, also voraus- sichtlich sehr geringe oder gar keine Wirkung erhalten.

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens. 417

nicht nachdenken oder rechnen; aber er muss nachgedacht haben.* Das gilt in erster Linie für den Schiesslehrer, der seinen Platz nur ausfüllen kann, wenn er die Wissenschaft vom Schiessen völlig beherrscht und eine klare Einsicht in den inneren Zusammenhang der Dinge hat.

Es giebt keinen Gegensatz zwischen Theorie und Praxis oder, wie ich mich lieber ausdrücken möchte, zwischen Wissenschaft und Kunst. Diese beiden sollen sich nicht einander gegenüberstehen, um sich zu be- kämpfen, sondern um sich gegenseitig zu fördern. Wie sehr die Kunst der Wissenschaft bedarf, davon glaube ich im Vorstehenden überzeugende Beweise geliefert zu haben. Ohne Wissenschaft ist man ja nicht einmal im Stande, eine »Erfahrung« zu machen. W’as man als feststehende Thatsache angesehen hat, dass bei der Schiessschule auf den Entfernungen von 1600 his 3000 m im Durchschnitt 81,5 bis 91,1 pCt. aller 100 m- Gabeln richtig (18,5 bezw, 8,9 pCt. falsch) gebildet wurden, hat sich bei wissenschaftlicher Untersuchung als eine reine Unmöglichkeit heraus- gestellt. Liefert die Erfahrung (Praxis) der Wissenschaft (Theorie) in der Statistik eine feste zuverlässige Grundlage, dann wird die Wissen- schaft die Kunst wirksam unterstützen und fördern. Hat sie es bisher nicht in ausreichendem Maasse getlian, so liegt die Schuld nicht an ihr allein, sondern ebensosehr auf Seite der Kunst. Der Wunsch des Oberstlieutenants Callenberg nach einer verbesserten Statistik ist nur zu berechtigt.

Ob die vorstehenden Ausführungen dazu beitragen werden, in den- jenigen Kreisen, die sich durch meino Studien »beunruhigt« gefühlt haben, die Beunruhigung zu zerstreuen, weiss ich nicht. Ich frage auch nicht danach, da mir nur die Erforschung der Wahrheit, die an sich eine be- freiende Macht besitzt, am Herzen liegt.

Zum Schluss bitte ich die verehrliche Redaktion, ihre Blätter auch meinen Gegnern zur Verfügung stellen zu wollen (geschieht hiermit. D. Red.); denn aus dem Kampf der Geister kann nur die Wahrheit 'siegreich hervor- gehen. Wenn ich auch in der glücklichen Lage bin, kein Wort von dem, was ich in meinen beiden Studien gesagt habe, zurücknehmen zu müsseu, so gestehe ich gern zu, dass meine Ansichten durch diesen Kampf ge- läutert und vertieft worden sind.

An diejenigen Herren, die nicht mit mir einverstanden sind und meine Ansichten zu widerlegen gesonnen sind, möchte ich die dringende Bitte richten, sich genau an das zu halten, was ich gesagt habe, damit sie nicht einen Kampf gegen Windmühlen führen. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Rede sein von einem nutzbringenden Meinungs- austausch, der einem Kampf um Worte erheblich vorzuziehen ist.

Nachtrag.

Erst nachdem die vorstehende Arbeit druckfertig gestellt war, erhielt ich Kenntniss von der in No. 88 des Militär- Wochenblattes (Nochmals der Aufsatz »Zur rechten Zeit*) enthaltenen Berichtigung, dass die Zahl der bei der Schicssschule falsch gebildeten 100 m- Gabeln nicht, wie in dem Callenbergschen Buche angegeben, 20,7, sondern 27,5 pCt. betrage. Meine 8. 410 ausgesprochene Vermuthung, dass die Schiessschule etwas Anderes unter einer falsch gebildeten Gabel verstehe, wie Oberstlieutenant Callen- berg und ich, hat sich also bestätigt.

Bereits in meiner ersten Studie (Archiv S. 187/188) hatte ich darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es sei, den Begriff einer richtig ge-

Criefstechnüche Zeitschrift. 1898. 9. Heft. 27

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Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiessens.

bildeten Gabel scharf zu begrenzen, und darauf hingewiesen, dass bei anderer Auffassung die Zahl der falsch gebildeten Gabeln wesentlich kleiner ausfallen könnte. Hätte Oborstlieutenant Callenberg diesen Wink beachtet, so hätte er sehr leicht der durch meine Studie hervorgerufenen Beunruhigung entgegentreton können. Durch die Berichtigung steigt die Zahl der falsch gebildeten 100 m- Gabeln von 229 auf 305, und damit ist seiner ganzen Arbeit die Grundlage entzogen worden, es sei denn, dass man annimmt, die 76 neu hinzutretenden falsch gebildeten Gabeln seien nicht eine Folge falscher Beobachtung, sondern lediglich Folge der Geschossstreuung, was doch kaum anzunehmen ist. Trifft diese letztere Annahme nicht zu, so muss sich auch die von ihm aus der Zahl der falsch gebildeten Gabeln abgeleitete Zahl der unrichtigen Beobachtungen und damit natürlich auch wieder sein Rechnungsergebniss ändern. Eine Aufklärung hierüber ist dringend wünschenswerth.

Ich habe indess auch jetzt noch sehr begründete Zweifel an der Richtigkeit der Zahl 27,5 pCt. bezw. 306 falsch gebildeter Gabeln. Ich erinnere daran, dass nach Tabelle 2 des Callenbergschen Buches über- haupt 1111 Gabeln gebildet sind. Geht man nun von der jedenfalls günstigsten Annahme aus, dass die neu hinzutretenden 76 Gabeln lediglich infolge der Streuung falsch gebildet sind, dass also die dort angegebene Zahl von 139 infolge unrichtiger Beobachtung falsch gebildeter Gabeln keine Erhöhung erfährt, so. bleiben 167 (nämlich 306 139) oder 15,03 pCt. übrig, die lediglich infolge der Geschossstreuung falsch gebildet sind. Ans der oben (S. 410) mitgetheilten Formel des Professors Dr. Pochhammer geht aber hervor, dass das nur möglich ist, wenn die mittlere Streuung

25.4 m beträgt.*) Nach den Angaben des Callenbergschen Buches beträgt die mittlere Längenstreuung schon auf der kleinsten Entfernungsgruppe 38 m. Im Mittel beträgt sie, wenn man die Verschiedenheit der Zahl der auf den fünf Entfernungsgruppen gebildeten Gabeln berücksichtigt,

40.5 m. (Oborstlioutenant Callenberg hat sie Ziff. 25 sogar zu 45 m an- gegeben.) Nach der Pochhammerschen Formel müssen also 0,59 40,5 oder 23,9 pCt. aller Gabeln, d. h. 266 Gabeln, lediglich infolge der Streuung falsch gebildet werden. Zählt man diesen 266 die 139 lediglich infolge falscher Beobachtung falsch gebildeten Gabeln hinzu, so erhält man 405 oder 36,5 pCt. falsch gebildeter Gabeln.

Dieser Zahl steht anch die von mir errechnete Zahl von 36,9 pCt. falsch gebildeter Gabeln, die sich ergiebt, wenn man eine mittlere Streuung von 45 m und 4,93 pCt. falscher Beobachtungen annimmt, sehr nahe.

Es zeigt sich, dass der Unterschied zwischen den bei der Truppe und den bei der Schiessschule erreichten Ergebnissen gar nicht so gross ist, wie er zu sein schien. Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, dass bei der Truppe die mittlere Streuung 50 m beträgt und 10 pCt. aller Schüsse falsch beobachtet werden. In meiner Studie habe ich auf S. 174 bezw. 176 angegeben, wie ich zu diesen Annahmen gekommen bin. Ich möchte auf Grund meiner Untersuchungen glauben, dass die Annahme einer etwas grösseren Streuung und einer etwas günstigeren Beobachtung noch besser mit der Erfahrung übereinstimmende Ergebnisse erwarten lässt.

*) Nach dieser Formel war die Zahl der falsch gebildeten 100 m- Gabeln 0.59 s

Q- , wenn s die mittlere Iiingenstremmg beträgt. Da die Zahl der falsch ge- bildeten Gabeln 0,15 ist, so folgt s= =25,4.

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Ueber die rassischen Maassnahmen gegen Picwna.

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Unbedingt steht aber fest, dass im Gefecht die Streuungen ebenso wie die Unsicherheit der Beobachtung zunehmen werden, und darum ist es weise, sich darüber klar zu worden, welche Folgen das für die Zuver- lässigkeit des Einschiessens haben muss. Wird diese Einsicht gewonnen, und hat meine Studie die Veranlassung zum Nachdenken darüber ge- geben, so will ich gern den Vorwurf auf mich nehmen, »Beunruhigung« in weiten Kreisen der Artillerie hervorgerufen zu haben. Ich bin über- zeugt, dass diese Beunruhigung dann nur ein Durchgangsstadium bildet und der Waffe schliesslich zum Heile dienen wird. 11 p _

Ueber die russischen Maassnahmengegen Plewna.

(Schloss.)

Die Schuld für diese Zustände trifft hauptsächlich die russische Leitung, Sie hatte nicht für einen einheitlichen Oberbefehl über die Artillerie ge- sorgt, wodurch die Verwendung eine zusammenhanglose wurde. Die einzelnen Führor fassten die Kampfrollo der Geschütze unklar auf, es fand keine zweckmässige Feuervertheilung der Batterien statt, selbst nachdem die Angriffspunkte bekannt waren. Man beschoss fohlerhafter- weise nur die Redouten, nicht das Netz der Laufgräben, da man glaubte, dass die in letzteren verborgene Infanterie durch Geschützfeuer unverwundbar sei. Letzteres wäre aber in dom Maasse nicht der Fall gewesen, wonn man statt des reinen Frontalfeuers die Türken auch von der Flanke, also möglichst konzentrisch, beschossen hätte. Auch feuerto man auf falsche Redouten, z. B. Tschorum tabija, die man gar nicht angreifen wollte, und aus zu grossen Entfernungen, so dass selbst von der Bolagerungsbatterie eine Wirkung gegen die Wälle nicht erreicht wurde. Das Feuer wurde, statt es auf die Werke zu vereinigen, die man stürmen wollte, auf weite Räume verzettelt und ausserhalb der wirksamen Tragweite abgegeben. So beschoss man aus einer Entfernung über 6000 m das Lager der Türken, was zur natürlichen Folge hatte, dass sie ihre Reserven ausserhalb der Reichweite der rassischen Geschütze nach der nördlichen Front verlegten. Die Mehrheit der Batterien blieb zum Theil aus Furcht vor dem mörderischen türkischen Gewehrfeuer in den am 7. September meist fehlerhaft ein- genommenen, weit ausserhalb ihrer wirksamen Schussweite gelegenen Stellungen, und die befohlene allmähliche Annäherung an die feindlichen Werke fand nicht statt. Die 9 pfündigen Batterien und das schwere Geschütz standen allein in der Gefechtslinie, die 4Pfünder blieben in der Reserve, während sie, auf richtige Schussweite eingesetzt, allein schon ein Demon- tiren der türkischen Geschütze herbeiführen konnten. So wurde trotz Massenverwondung doch keine Massenwirkung erzielt, und eine Unter- stützung des Vorgehens der Infanterie fand überhaupt nicht statt. Unnütze Verluste der Artillerie infolge mangelhafter Deckung, Mangel an Munition, deren Ersatz dio raspütitza erschwerte, Beschädigungen an Geschützen und die allmähliche Erkenntniss von der Nutzlosigkeit der Beschiessung bewirkten, dass keine allmähliche Feuerverstärkung, sondern eine tägliche Abschwächung stattfand und die Artillerie das Zutrauen zu ihren Führern und ihrer eigenon Leistungsfähigkeit verlor. Die Folge war eine gänzlich unzureichende Vorbereitung des Infanteriesturms. Die Infanterie, welche sturmbegierig und vollständig gefechtsbereit vier Tage lang unnütz ihre Kräfte in der Sphäre des Goschützfeuers verbrauchte, verlor die Hoffnung

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Ueber die rassischen Maassnahmen Regen Plewna.

auf Hülfe und Unterstützung durch die Artillerie. Auch die Kavallerie unterstützte sie schlecht, denn sie klebte an der Infanterie, ohne sie durch zweckmässige Aufklärung zu unterstützen, und erlitt nur grosse Verluste.

Obgleich nun der Sturm durch die viertägige Beschiessung keineswegs genügend vorbereitet oder der Gegner erschüttert war,*) was die entscheiden- den russischen Instanzen nicht verkannten, entschied mau sich aus Gründen der Disziplin und der Moral, des äusseren Ansehens der russischen Waffen, doch für denselben. Wurde die Erstürmung doch auch auf beiden Seiten erwartet !

Sie erfolgte auf Grund einer ähnlich wie bei Düppel aufgestellten Stnrmdisposition am 11. September um 3 Uhr nachmittags gegen die östliche und südliche Front, eine im Ganzen 8 km lange Linie. Auf ersterer sollte die nordwestlich des gleichnamigen Dorfes gelegene Griwiza- Redoute von den Rumänen, auf letzterer von Theilen des 4. und 9. russischen Korps die von dieser 5 km entfernte Omar-bei-tabija-Redoute, welche zu der sogenannten Centralbefestigung von Radischewo gehörte, und ganz von Süden her durch die kombinirte Division Skobeljew die von der Omar- Redoute 3 km abliegenden Skobeljew -Rodouten der Verschanzung von Krischin gestürmt werden. Endlich hatte das Kavalleriekorps Lazarew den Auftrag, dem etwa aus Plewna ausbrechenden Gegner auf dem linken Wid-Ufcr den Weg zu verlegen eine recht trügerische Hoffnung! Der Zweck des Sturms war die Einnahme des befestigten Lagers von Plewna. Daher war es not.h wendig, die Linie der Verschanzungen in der einen oder anderen Richtung zu durchbrechen und das Lager der Hauptkräfte östlich von Plewna zu erreichen. Obwohl nach der richtigen Ansicht des Generals Sotow der Hanptangriff gegen die Plewna von Lowtscha her deckenden, den strategischen und taktischen Schlüssel**) der ganzen Stellung bildenden Verschanzungen von Krischin gerichtet werden sollte, waren nach der Truppenvertheilnng nur 22 Bataillone hierfür ansgeworfen, während 84 Bataillone gegen das minder wichtige Centrum und den rechten Flügel (Griwiza-Redonte) vorgehen sollten. Aber auch bei dieser Vertheilung wäre der Sturm wohl gelungen, hätte man eine unbedingt nothwendige Hauptreserve von etwa einem Drittel der Truppen statt der nur dafür vorgesehenen 9 Bataillone ausgeschieden, hätte man ferner die höchst ungünstig einwirkende Doppeltheilung des Oberbefehls die Rumänen führte Fürst Karl, die Russen General Sotow vermieden, ja wäre wenigstens auf den einzelnen Flügeln und im Centrum das Kommando einheitlich gewesen. Da dies nicht der Fall gewesen, konnte der Sieg nicht entschieden werden, Niemand konnte überhaupt die erreichten Erfolge richtig beobachten und beurtheilen, und so kam es, daBS der Kampf als aussichtslos eingestellt wurde, als 41 Bataillone und 100 Geschütze, fast ebenso viel an Infanterie, wie die Türken besassen, und das Eincinhalb- fache ihrer Artillerie, noch gar nicht im Gefecht gewesen waren. Die Infanterie wurde zur Deckung der Artillerie und Sicherung der rückwärtigen Verbindungen verzettelt (15 Bataillone), die Artillerie unrichtig verwendet,

*) Selbst bei besserer Vorbereitung wäre dies wohl auch nicht ganz gelungen, denn die damaligen Geschütze übten el>cn infolge ihrer Flugbahnrasanz gegen Ziele hinter Deckungen zu geringe Wirkung aus, wie wir das bereits am 18. August 1870 bei dem Angriff gegen das 2. französische Korps auf den Höhen des Point du jour erfahren haben. Erst. Schrapnel-Wurf und Sprenggranaten aus wirkungsvollerem Kaliber, als es das Feldgeschütz ist, können das vollständig leisten.

**; Hier war der Abschnitt von den liedouten bis zum Wid fast gar nicht be- festigt, hier lag die Kückzugslinie auf Sofia.

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namentlich wieder nicht einheitlich und auf zu grossen Entfernungen, auch erschwerte starker Nebel ihren Gebrauch. So war beim Sturm weder das Geschütz- noch das Gewehrfeuer der Türken abgeschwächt. Der An- griff der Rumänen gegen die Griwiza-Redoute war zwar zweckmässig angesetzt und wurde sehr energisch durchgeführt, doch gelangten sie nach viermaligem Sturm nur in den Besitz einer Schanze (der älteren Nr. 1). Wie bei derartigen Unternehmungen häufig, erfolgte das Losbrechen eines Theils der Truppen des Centrums zu früh. Dadurch kam die angeordnete Artillerie -Vorbereitung nicht zur Durchführung, und die nach und uach in den Kampf geschickten Regimenter erlitten eine völlige Niederlage. Im Süden war es den Truppen Skobeljews gelungen, die beiden wichtigen Werke des Grünen Berges bei Krischin, den Schlüssel der Stellung, unter grossen Opfern zu nehmen und gegen alle türkischen Versuche heroisch zu behaupten. So stand es 6 Uhr nachmittags. Mehr aber vermochte man nicht: den Erfolg auszunutzen, fehlten die dazu vorher abgetheilten Reserven, obwohl Kräfte, die noch nicht im Feuer gewesen, genug vor- handen waren. Die Türken hatten dagegen trotz ihrer Minderzahl noch frische Truppen zur Hand.

Osman Pascha benutzte daher am 12. September die Unthätigkeit der Truppen des russischen rechten Flügels und Centrums sehr gut, um sich mit allen seinen Truppen auf die 22 Bataillone des siegreichen russischen linken Flügels zu werfen, der schon mehr als ein Drittel seiner Stärke verloren hatte und unter des tapferen Skobeljews Leitung in einer in Front und auf beiden Flügeln dem stärksten Gewehrfeuer ausgesetzten, unhalt- baren Stellung sich befand. Am 12. abends erlag dem fünften Sturm die mittlere Redoute, weshalb Skobeljew die noch behauptete östliche aufgab und persönlich den Rückzug mit einem Regiment und einer Batterie deckte.

So war, trotzdem er dem Gelingen sehr nahe kam und unverkennbare Fortschritte gegen die beiden früheren Anläufe bewies, durch eine Reihe von Fehlern und Zusammentreffen unglücklicher Umstände auch der dritte Versuch, Plewna zu nehmen, gescheitert. Dem einzigen Gewinn, der Griwiza-Redoute, stand ein Verlust von 300 Offizieren und 13 000 Mann in der Zeit vom 7. bis 12. September gegenüber. Allo drei Stürme hatten etwa 30 000 Mann gekostet. Truppen wie Führer hatten sich taktisch nicht genügend vorgebildet gezeigt, wenn auch von Neuem die vorzüg- lichen kriegerischen Eigenschaften, besonders Tapferkeit, äusserste Aus- dauer und unbegrenzte Aufopferung, in ein glänzendes Licht getreten waren.

Obwohl seine Umgebung einen vierten gewaltsamen Angriff befür- wortete, erkannte Kaiser Alexander U., der persönlich im Hauptquartier Poradim anwesend war, dass mit den bisherigen Mitteln und der an- gewandten Methode Plewna nicht zu bezwingen war. Am 14. September berief er telegraphisch den Mann Beines Vertrauens, den berühmten Ver- theidiger von Sebastopol, General Todleben, welcher von Petersburg am 24. September vor Plewna eintraf.

Da Plewna sich nicht erstürmen lässt, so muss es eingeschlossen und ausgehungert werden, also weder Sturm noch förmliche Belagerung, sondern enge Blockade und schliessliche Gefangennahme der Armee Osman Paschas so lautete sein Urtheil nach sofort vorgenommener eingehender Erkundung der russischen und türkischen Werke. Dabei möglichste Schonung der eigenen Truppen vor Verlusten durch Unterlassen aller Sturmversuche, damit sie nach endlichem Fall des I>agers in der Verfassung seien, im freien Felde Dienste zu leisten. Da der General jedoch die Ueberzeugung hatte, dass mit den augenblicklich verfügbaren Truppen die

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Ueber die rassischen Maassnahmen gegen Plewna.

enge Einschliessnng für die auch General Sotow zunächst war nicht durchführbar sei, so sollten die Truppen in ihren bisherigen Stellungen bleiben, sie stärker befestigen und dort also über zwei Wochen lang das Eintreffen des Gardekorps abwarten. Mit eiserner Beharrlichkeit führte der General, der am 4. Oktober zum »Gehülfen« des Kommandirenden der Wcstarmee-Abtheilung ernannt war,*) seinen viel bekämpften Entschluss bis zum Gelingen durch. Sein Weg musste zum Ziele führen. Aber freilich, es fragte sich, wann? Zeitgewinn, im Kriege immer wichtig, war unter den gegebenen Verhältnissen besonders bedeutungsvoll, denn man befand sich auf dem Vormarsche gegen Konstantinopel, und England und Frankreich waren noch stets geneigt, den Weg dahin zu verlegen. Nach Kuropatkin, dem Stabschef Skobeljews und jetzigem Chef des Generalstabes der russischen Armee, kam Todleben am 2. Oktober auf Grund unrichtiger, viel zu niedrig greifender Berechnung der Stärke der Russen, auf Grund unrichtiger, viel zu hoch greifender Berechnung der Stärke der Türken, ohne hinreichend gute Nachrichten über die in Plewna vorhandenen Verpflegungsmittel zu dem Schlüsse, dass die Blockade PlewnaB einzig und allein zum Ziele führen könne. Also auf Grund falscher, durch Erkundung unschwer richtig zu stellender Annahmen wäre der zaghafteste und unvortheilhafteste Entschluss als der einzig durchführbare erklärt worden.

Hier zu entscheiden, ist sehr schwierig; das aber darf wohl gesagt werden, dass kaum zu beweisen sein dürfte, dass nur der Todlebensche Weg zum Ziele führen konnte. Ohne Uebertreibung darf man sagen, dass der dritte Angriff dem Gelingen sehr nahe war, und dass es wohl möglich gewesen wäre, aus seinen Fehlern zu lernen und sie bei einem vierten Sturm mit den noch verfügbaren 80 000 Mann zu vermeiden. Waren auch die Truppen augenblicklich zu erschüttert, so hatte sich die Stimmung bei Tod- lebens Ankunft, zwei Wochen nach dem letzten Angriff, bedeutend gehoben, und die Ansicht, die sich Fürst Karl und General Sotow unmittelbar nach dem Sturm von der Gefechtsbereitschaft gebildet hatten und der Todleben zustimmte, traf nicht mehr zu. Zehn Wochen lag man bereits vor Plewna. Ob es daher richtig war, dass eine Armee von solcher Stärke noch länger es wurden schliesslich noch zehn Wochen und drei Tage ihre Operationen unterbrach und sich vor Plewna festlegen liess, kann nicht so ohne Weiteres bejaht werden. Bis zum 24. Oktober, der Einnahme von Gornij Dubnjak, mit der die Blockirung durchgeführt war, also fast einen Monat lang, blieben dazu die Truppen völlig unthätig, während die Türken einen neuen Transport (am 8. Oktober) von Verpflegungs- und Kriegsmitteln nach Plewna brachten, ihre Werke verstärkten (so auf dem zweiten Kamm der Grünen Berge) und die Strasse nach Sofia besetzten. Das wirkte gewiss nicht günstig auf das moralische Element ein. Freilich, so klar wie heute war die Lage damals nicht und Todleben hat den Erfolg für sich. Die Vermeidung jedes Sturmes, der Osman nach eigener Aussage willkommen gewesen hoffto er doch bestimmt, ihn abzuweisen und unter dem Einfluss solchen Erfolges wegen Erschöpfung seiner Vor- räthe ungehindert den Platz zu räumen erhielt den Angreifer in materiell ungebrochener Kraft, mit der er jeden, auch den wuchtigen Durchbruchs- versuch Osmans vom 10. Dezember verhindern und sich für die Operationen im freien Felde tüchtig erhalten konnte.

*) General Sotow iilwrnahm das Kommando des 4. Armeekorps, Fürst Imeretinski wurde Chef des Stabes der Westarmee -Abtheilung.

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Ueber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

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Neben Todlebens Energie verdienen hohe Beachtung die durchdachten Anordnungen zur Durchführung seiner Absicht. Sie sind genauen Studiums werth, hier sei nur auf das Wichtigste bingewiesen. Auf Grund ein- gehender persönlicher Erkundungen wurde ein wohl überlegter Plan für die enge Einschliessung gefasst. Zunächst freilich konnte die Infanterie nur ein Drittel des Umkreises wirklich besetzen, die anderen zwei Drittel, besonders auf dem linken Wid-Ufer, mussten durch Kavallerie (3000 Pferde) beobachtet werden. Doch sofort wurde einheitliche Leitung in das Artillerie- feuer gebracht, ein systematisches Einschiessen begann, Entfernungstabellen wurden aufgcstellt u. s. w., kurz überall fühlten die Truppen die feste Hand des neuen Kommandirenden und seine persönliche Fürsorge. Ueberall wurde nach einheitlichen Grundsätzen verfahren, die alte Planlosigkeit hatte ein Ende. Als dann endlich die erwarteten Verstärkungen in Gestalt des Grenadierkorps und der 3. Garde-Division eintrafen, konnte zur engeren Einschliessung geschritten werden. Vorher nahm der Oberkommandirende der Donau-Armee folgende Neucintheilung der Truppen des westlichen Kriegsschauplatzes vor:

1. Die Blockirungsarmee von Plewna (bisherige Westarmee- Abtheilung) unter nominellem Oberkommando des Fürsten Karl und unmittel- barer Leitung des Generals Todleben;

2. die Armeeabtheilung des Generals Gurko, welche selbständig auf dem linken Wid-Ufer in südwestlicher Richtung von Plewna gegon entstehende Organisationen Mehemed Alis bei Sofia operiren sollte und ihre Befehle vom Grossfürsten selbst erhielt;

3. das Selwi-Lowtschaer Detachement unter General Karzow, ebenfalls dem Oberkommando der Donau-Armee unmittelbar unterstellt.

So traten bei Plewna zeitweilig zwei von einander unabhängige Kom- mandeure der russischen Truppen, die Generale Todleben und Gurko, auf.

Die Einschliessungsarmee war 111 000 Mann Infanterie, 10 000 Mann Artillerie mit 522 Geschützen, 1000 Mann Sappeure (2 Bataillone), sowie ein Belagerungspark von 45 Geschützen, 4 Mitrailleusen, zusammen 120 000 Mann in befestigter Stellung, stark. Dagegen besass Osman trotz Ver- stärkungen nur etwa 50 000 Mann.

Die Blockirung war vollendet, als am 27. und 28. Oktober die beiden befestigten Etappen der Strasse nach Sofia, Felisch (25 km von Plewna) und Gornji Dubnjak (l(i km), erstürmt wurden.

Die Einschliessung war zugleich Circumvallation. Gegen den Bleihagel des türkischen ungezielten Massenbogenfeuers, mit dem das Vorfeld bis auf 2 km Entfernung überschüttet wurde, wandte Todleben in ausgedehnter Weise allmählich vorgetriebene Laufgräben an, die an den wichtigsten Punkten durch Lünetten und Redouten verstärkt wurden. Sie deckten gleichzeitig die Batterien und Emplacements und lenkten das Feuer von diesen ab. Die weiteren Einschliessungs-Maassnahmen bestanden in der Vereinigung des Artilleriefeuers gegen die feindlichen Werke, in der Anlage bequemer Wege zwischen den einzelnen Posten mit Wegweisern und Zeichen, im Bau von Brücken, Herstellung von Telegraphenleitungen rings um die Einschliessungslinie, Eindämmung der Flussbetten der Griviza, Tutscheniza und des Wid zur Verhinderung des Mühlenbetriebes in Plewna n. s. w. Auch wurden Vorkehrungen getroffen, eine rasche Unterstützung der ein- zelnen Abschnitte unter einander dadurch herbeizuführen, dass an der befürchteten feindlichen Durchbruchsstelle möglichst viele Truppen schnell zusammengezogen werden konnten. Uebungsalarmirungen und Märsche, um über Kaum- und Zeitbedarf Erfahrungen zu sammeln, dienten diesem Zweck.

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Ueber die russischen Maassnahmen gegen I’lewna.

Dieser Einschliessungsgürtel, Trnpponstollungon und Verschanzungen, hatte einen inneren Umfang von 47 km, einen äusseren von rund 70 km, im Mittel also 60 km. Er war in sechs Abschnitte gegliedert, in welchen je nach deren Bedrohung verschieden, also im Ganzen höchst unregel- mässig vertheilt 8 Divisionen, 1 Schützen-, 1 Sappeur-Brigade, 2 Kavallerie- Divisionon, 8 Artillerie-Brigaden, 5 reitende Batterien an russischen Truppen, 3 rumänische Divisionen und 18 rumänische Batterien versammelt waren. Obwohl die Stellungen der Verbündeten infolge schweren Geschützes beim Gegner viel näher an die feindlichen Werke geschoben werden konnten, als dies z. B. 1870 vor Metz der Fall sein konnte, besass die Cernirungs- linie infolge der eigenthümlichenGeländeverhältnisse doch eine unverhältniss- mässig grosse Länge (bei nur 6 km grösserem Umfange des Plewnaer Lagers als die 24 km Umkreis betragenden Metzer Werke l'/j Meilen mehr als vor Metz), so dass auf den Meter zu vertheidigenden Umfang nur 1,7 Mann entfielen (ebenso viel wie beim Vertheidiger) gegen 4,5 Mann durchschnittlich bei Metz.

Von den Abschnitten waren der zweite (von der Griviza-Redonte bis zum Wege nach Pelischat) und der vierte (von der Tutscheniza-Schlucht bis zu der bei Kartushaben) fortifikatorisch wie dem Gelände nach die stärksten.

Sehr sorgfältig waren die Anordnungen Todlebens in fortiflkatorischer und artilleristischer Beziehung sowie hinsichtlich der Truppenthätigkeit. Ueberall war das Planvolle zu erkenneu. Für die fortifikatorischen Anlagen stellte er Normaltrpen auf, bei denen die türkischen Befestigungen als Muster gedient hatten. Die Werke hatten meist zwei Feuerlinien über einander zum Stockwerksfcner der Infanterie und meist 1 Bataillon, 3 Geschütze Besatzungsstärke. Bei nur einer Linie waren sie von nur 2 Kompagnien und 3 Geschützen vertheidigt. Die Batterien konnten das nächste wie das entfernte Vorgelände bestreichen. Im Ganzen wurden 43 selbständige offene oder geschlossene Werke, 52 Batterien nebst Protz- deckungen, 68 km Laufgräben hergestellt, sowie 4 Beobachtungsstationen. Konstruktiv waren die Werke allerdings schwach und boten dem Sturm keine ernsten Schwierigkeiten; ausser einem Drahtnetz und einigen Fladderminen auf den Grünen Bergen fehlten Geländcverstärkungen durch Hinderniss- mittel ganz. Auch erforderten die Besetzung und Sicherung der so aus- gedehnten Befestigungen allein 72 Bataillone, und die vielen Laufgräben hinderten das rasche Vorbringen der Batterien der Reserve. Für die Unterbringung der Truppen, welche nur zum kleinsten Theil in den Dörfern oder wie die Garde unter ihren Zelten lagern konnten, wurden in die steilen Erdhänge überdachte Erdhütten eingeschnitten. Alle Truppen waren stets marschfertig, hatten für drei Tage Verpflegung und Wasser, die der vorgeschobenen Werke, welche nur aus schwachen Wachen be- standen, für jeden Mann 500 Patronen. Im Ganzen betrug der Patronen- vorrath 6 Millionen für das Krnka-, fast 5 Millionen für das Berdan-Gewehr.

Nachdem zahlreiche schwere Geschütze herangeschafft und die beschädig- ten ausgebessert waren, standen am 8. Dezember in fünf Abschnitten 259 Ge- schütze in Stellung, 172 in Reserve, im ersten Abschnitt wahrscheinlich 78 bezw. 30 Geschütze. Reichliche Munitionsvorräthe waren herangeschafft (so 43 000 Schuss für die 9 Pfänder, 24 300 für die 4 Pfänder), die fliegenden Munitionsparks waren gefüllt. Täglich hatte der Kommandeur der Artillerie- Gefechtslinie an den Stab Todlebens über den Verlauf des Artilleriekam pf es Meldung zu erstatten. Obwohl das Salvenfeuer, das Tag und Nacht auf ganz verschiedene Ziele stets aber auf dasselbe Objekt gerichtet

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wurde, einen moralischen Eindruck hervorbrachte, musste es doch trotz richtiger Aufstellung der Geschütze auf zu grosse Entfernungen ab- gegeben werden, als dass es einen erheblichen Schaden an den gut an- gelegten Werken angerichtet hätte. Da die Küssen nicht vorgingen, wurden die wenigen Beschädigungen nachts immer wieder von den Türken ausgebessert. Jedenfalls hat das Artilleriefeuer den Fall Plewnas nicht um einen Tag beschleunigt.

Geeignete Anordnungen wurden auch für die sehr schwierige Ver- pflegung in dem ausgesogenen Lande getroffen durch Anlage von Zwisehen- magazinen und Brotbäckereien zwischen der Donau und der Stellung vor Plewna, durch Einrichtung von Fuhrparks, da nicht einmal eine Eisenbahn zur Verfügung stand, Anlage von Etappenpunkten alle 10 bis 15 km u. s. w. So wurden in Balewo und Tschirikow solche Etappen angelegt und mit je 1 Kompagnie und 15 Kasaken der Einschliessungstruppen besetzt und dadurch die Etappenlinie von der Donau bis an den Wid verlängert. Bei Nieopoli wurde ein zweiter Donau-Uebergang horgestellt. Auf diese Weise war, da auch die Ci vil Verwaltung Bulgariens mit Beitreibungen von Ver- pflegungsgegenständen vorging, dor laufende Bedarf der Truppen stets gedeckt, wenn auch im Einzelnen manche Schwierigkeiten entstanden.

Auch die sanitären Anordnungen waren zweckmässig, die Evakuirung der Kranken fand regelmässig statt, in Sgalewiza wurde ein grosses Centrallazareth angelegt, der Krankenbestand verminderte sich zusehends. Zur Zeit des Falles Plewnas war der Gesundheitszustand der Truppen so gut, dass sofort der anstrengende Wintermarsch Uber den Balkan angetreten werden konnte, nachdem die Verpflegungsfrage geregelt war.

Die Korpskommandeure hatten die Dispositionen ihrer Anordnungen einzureichen, es wurden ferner rückwärtige Stellungen erkundet, nach denen die fechtenden Truppen zurückgehen konnten, überflüssige Trains wurden zurückgeschafft. Sehr zweckmässig mit Rücksicht auf einen Durch- bruch Osmans war auch die Formation einer kleinen Hauptreserve von 6 Grenadier-Regimentern mit 8 Batterien bei Gornij Metropol, von wo aus sowohl der rechte wie der linke Flügel rasch unterstützt werden konnte, ebenso die Dispositionen, welche ermöglichten, an jedem feind- lichen Angriffspunkte schnell 40 bis ßO Bataillone bereit zu haben.

Ende November mehrten sieh die Anzeichen, dass Osinan versuchen würde, die Blockadelinie zu durchbrechen. Durch Ueberläufer erfuhr man, dass die Verpflegung zu schwinden anfange und Alles für einen Marsch in Bereitschaft gesetzt werde. Unter dem 2. Dezember gab das Ober- kommando eingehende Weisungen über das Verhalten der einzelnen Ab- schnittsbesatzungen bei etwaigem Durchbruchsversuche des Gegners. Der Zeitberechnung zur Zusammenziehung lag bei dem schwierigen Gelände die Annahme zu Grunde, dass 2 Werst in einer Stunde zurückgelegt werden, wobei die Zeit für Befehlsüberbringung u. s. w. nicht gerechnet wurde. Wenn der Feind in Kolonnen zum Angriff überginge, so sollte das gesummte Artilleriefeuer gegen seine vorgehende Infanterie gerichtet werden. Als am ß. Dezember sich infolge Missgeschicks der russischen Waffen bei Elena (südöstlich von Tirnowa) die Stimmen mehrten, dass Plewna gestürmt werden müsste, war es ein hohes Verdienst Todlebens, nicht nachgegeben und so einen opfervollen Angriff wenige Tage vor dem sicheren Erfolge vermieden zu haben.

Am 8. Dezember liess das türkische Artilleriefeuer merklich nach, am 9. Dezember schwieg cs vollständig. Durch Patrouillen wurde fest-

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Ueber die russischen Maassnahmen gegen Plewna.

gestellt, dass die Türken bei Opanetz mit dem Bau einer zweiten Brücke über den Wid beschäftigt wären und starke Truppenansammlungen auf der ganzen Länge des Flusses stattfänden. Dies deutete ziemlich sicher auf einen Durchbruchs versuch auf der Strasse nach Sofia, und als in der Nacht zum 10. die Meldung einging, die Werke von Krischin seien geräumt, da wurde diese Vermuthung fast zur Gewissheit. Am 10. Dezember standen 72 Bataillone, 329 Geschütze in der russischen Gefechtslinie, 71 Bataillone, 184 Geschütze in Reserve. Ein Ausfall Osmans musste bei dieser Stärke aussichtslos erscheinen. Dennoch war der Angriff der Türken gegen das Centrum des sechsten Abschnitts auf dem linken Flussufer so gewaltig und ungestüm, dass sie ungeachtet heftigster Gegenwehr in die russischen Schützengräben eindrangen und das Regiment Sibirien mit 2 Batterien zur Räumung zwangen, wobei 8 Geschütze in die Hände der Türken fielen. Zwar bringt das 10. Grenadier-Regiment den Rückzug des anderen znm Stehen, beide vermögen aber dem entschlossenen Vordringen nicht Halt zu gebieten. Erst einem konzentrischen Angriff der ganzen 3. Grenadier- Division und bedeutender Artillerieverstärkungen gelingt es, die Türken zum langsamen Zurückweichen gegen den Wid zu bringen. Damit war der Wendepunkt des Kampfes eingetreten. Inzwischen war auf dem rechten Ufer die fast vollständige Schutzlosigkeit der türkischen Stellung erkannt worden und der Befehl zum allgemeinen Vorgehen gegeben. Die Schanzen der Ost- und Südfront waren geräumt, die der Nordfront setzten nur einen kurzen “Widerstand entgegen. Gegen Mittag w'ar das ganze ver- schanzte Lager und die Stadt im Besitze der Verbündeten. Als diese nun auch in den Rücken Osmans drangen, bei den Türken sich Munitions- mangel geltend machte und die Lage der auf engem Raum zusammen- gedrängten tapferen Vertheidiger immer aussichtsloser wurde, da liess Osman Pascha, der selbst verwundet war, um l30 Uhr die weisse Fahne emporsteigen. Am 175. Tage nach der Besitznahme der Stellung kapitu- lirten bedingungslos 128 Stabs-, 2000 Oberoffiziere, 40 000 Mann Infanterie und Artillerie, 1200 Mann Kavallerie und 77 Geschütze. Die Russen ver- loren an diesem Tage 9 Offiziere, 409 Mann an Todten, 1 General, 50 Offiziere, 1263 Mann an Verwundeten. Man erwies Osman grosse Ehrfurcht. Der Sieger zog in Plewna ein.

So war die trotzige Kraft, die so lange rühmlichst widerstanden, ge- brochen, Todlebens Ziel, die Gefangennahme der türkischen Armee mit einem Minimum an Verlusten (3000 Mann), endlich erreicht.

Mit dieser Skizze der Hauptmomente des Angriffs auf Plewna und der kurzen Beurtheilung der wesentlichsten russischen Maassnahmen sei erneut auf das Studium eines kriegsgcschichtlichen Vorganges der neuesten Zeit hingewiesen, der, wie kaum ein zweiter, wichtige Lehren für die Zukunft enthält, der aber auch, wie kaum ein anderer, Anlass zu den verkehrtesten Schlussfolgerungen gegeben hat. Plewnas Bedeutung beruht im Wesentlichen auf russischem Ungeschick, niemals aber kann seine Befestigung als Ersatz einer ständigen Festung gelten.

W. Stavenhagen.

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Ueber den Schneeschuh und seine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken. 427

Ueber den Schneeschuh und seine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken.

Von Frhr. v. Hotberg, Lientcnant im Inf.-Iiegt. No. 182.

Mit 11 Abbildungen.

Der beispiellose Erfolg, den der grosse Polarforscher Nansen bei seiner Durchquerung Grönlands hatte, und das grosse Aufsehen, welches sein Werk »Auf Schneeschuhen durch Grönland«, allerorts erregte, lenkte die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf das Beförderungsmittel, welchem Nansen nach seiner eigenen Aussage allein das Gelingen jener Expedition verdankte: den Schneeschuh. Bald wurde denn auch an maassgebender militärischer Stelle die Frage aufgestellt, ob und wieweit derselbe auch für unsere Zwecke zu brauchen sei. Eine Beschreibung des Schneeschuhes und die Beleuchtung obiger Frage soll der Zweck dieser Zeilen sein.

Der norwegische Schneeschuh Ski (Plural: Skier, sprich: Schi, Skier) besteht aus einem langen, schmalen Brett, dessen vorderes Ende aufwärts gebogen und zugespitzt ist, so dass das Ganze einer Schlittenkufe ähnlich sieht. Die Länge schwankt zwischen 1,80 und 2,50 m lind muss sich nach der Grösse und dem Gewicht dos Benutzers richten, während die Breite 8 bis 10 cm beträgt. Von der Seite gesehen zeigt der ganze Schneeschuh eine Krümmung nach oben, die gerade so stark sein soll, dass sie beim Belasten durch das Körpergewicht auf- gehoben wird und, wie eine Feder wirkend, den Läufer vorwärts- schnellen hilft. (Ab- bild. 1.) Die Befesti- gung des Fusses auf dem Schneeschuh er- folgt ungefähr auf der Abbild. 1.

Mitte desselben durch

ein verstellbares Kiemenzeug, das aus einem Zehenriemen und einem Fersen- bügel besteht, und zwar in der Weise, dass nur der vorderste Theil des Fusses bis zum Fussballen fest auf dem Schneeschuh liegt, während der Absatz sich frei auf- und abwärts bewegen kann. (Abbild. 2.) Um das Rutschen des Fusses auf dem Schneeschuh zu verhindern und um ihn mehr vor Kälte zu schützen, ist an entsprechender Stelle als Unterlage für den Fuss eine Gummiplatte oder ein Stück Fell befestigt.*)

#) In letzter Zeit wurde in vielen Zeitschriften und Journalen eine neue Be- festigungsart empfohlen, die >den primitiven norwegischen Ski in jeder Beziehung übertreffen* soll. Sie besteht darin, dass der Fuss fest auf eine sandalenähnliche Stahlsohle geschnallt wird, welche sich in einem Charnier auf und ab bewegt. Diese Erfindung hat aber so bedeutende Nachtheile, dass ich nicht unterlassen möchte, darauf hinznweisen: 1. begünstigt die Stahlplatte wie jedes Metall das beim Laufen so lästige Ansetzen von Schnee- und Eisklumpen um den fest eingeschnürteu Fuss, welcher dadurch und durch die unmittelbare Berührung mit dem Metall, sehr unter der Kälte zu leiden hat. 2. Der Umstand, dass der ganze Schneeschuh von einer Stelle aus gelenkt werden soll, die noch vor der Fussspitze liegt, bewirkt, dass die so entstandene Hebelkraft des .Skis bei Weitem die Kraft des Fnssgelenkes über- trifft; infolgedessen aber sind Gclenkbrüohe und andere Fussverletzungen, die l>ei Benutzung des norwegischen Schneeschuhes zu grossen Seltenheiten gehören, zum Mindesten nicht unwahrscheinlich. In Anbetracht dieser schwerwiegenden Uebel* stünde ist diese Befcstigungsart nach meiner und vieler Anderer Ansicht zur Be- nutzung in schwierigem und abwechselungsreichem Gebirgsgelände nicht empfehlenswert!!.

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428 Ueber den Schneeschuh und seine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken.

w

Von diesem Grundtypus des nordischen Schneeschuhes giebt es un- zählige Abweichungen; es giebt in den verschiedenen Marken längere und kürzere, breitere und schmalere Schneeschuhe, dann solche, deren hinteres Ende auch zugespitzt und aufwärts gebogen ist, und endlich auch solche mit gewölbtem Querprofil. Aehnliche Abweichungen zeigen die finnischen und lappländischen Schneeschuhe, während die bei den nordsibirischen Völkern gebräuchlichen den europäischen bedeutend nachstehen.

Zu einem Paar Schneeschuhe gehört noch ein etwa 1,80 m langer Laufstab, der dem Anfänger als Stütze oft sehr willkommen ist, den abor auch der gewandteste Läufer im Geländo beim Lenken und Bremsen nicht entbehren kann. Der Stock, der am besten aus Bambusrohr oder gut ansgetrocknetem Haselnussholz besteht, darf ja nicht zu schwach sein, da

in schwierigem Gelände unter Umständen sehr hohe Anforde- rungen an ihn gestellt werden müssen. Eine nahe dem unteren Ende angebrachte kreisrunde

Scheibe verhindert ein zu tiefes

Einsinken in weichem Schnee und vcrgrössert die Reibung beim Bremsen. (Abbild. 3.)

Die Grundregel des Laufens

ist, dass die Schneeschuhe, ohne jemals mit der Unterseite den Schnee zu ver- lassen, in leichter, schwingender Bewe- gung stets paral- lel und dicht an- einander vorbei- geführt werden, so dass die Spuren eines Skiläufers zwei ununterbrochene parallele Linien im massig vorgebeugt.

Abbild. 2.

t

Abbild. 3.

Abbild. 4.

Schnee bilden. Der Oberkörper wird beim Fahren

(Abbild. 4.)

Der Anfänger wird zunächst einige Schwierigkeiten mit der nöthigen Beherrschung des Gleichgewichts haben; doch ist es vortheilhaft, gleich von Anfang an in der Ebene möglichst ohne Benutzung des Stockes zu fahren, um sich eben schneller an die nöthige Einhaltung und Vertheilung des Gleichgewichts zu gewöhnen.

Ebenso wie in der Ebene, nur unter mehr oder minder starker Zu- hiilfenahme des Stockes, verfährt man beim Bergauffahren, solange es die Neigung des Berges gestattet. Ist diese zu gross, so gleitet der Ski zurück und der Läufer fällt auf die Nase. Solche Neigungen überwindet man in schrägem Anstieg oder in Serpentinen. Bei sehr steilen, kurzen Strecken wird seitlich Schritt für Schritt getreten, wie auf einer Treppe (Abbild. 5). Jedenfalls wird ein gewandter Schneeschuh- läufer jede Steigung auf irgend eine Weise überwinden, ohne die Skier abzulegen. Wenn Nansen hierüber sagt: »Eine Höhe, die ein Schnee- schuhläufer nicht erklimmen könnte, ohne die Schneeschuhe abzuschnallen,

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muss wunderbar aussehen«, so erscheint dies gar nicht so unwahrschein- lich, wenn man bedenkt, mit welchem Erfolg in den letzten Jahren Schneeschuhe sogar im Hochgebirge benutzt wurden. So durchquerten im vorletzten Winter fünf meiner Freunde und Bekannten in viertägiger Fahrt das ganze Berner Oberland auf Schneeschuhen, wobei eine Höhe von annähernd 3800 m erreicht wurde; ein anderer Skiläufer gelangte kürzlich auf den 4638 m hohen Gipfel des Monte Rosa, und viele andere Alpen-Berge, wie z. B. der Sonnblick (3105 m), das Schareck (3130 m), der Hohe Burgstall (2965 m), der Johannis-Berg (3467 m) und die Hohe Riffel (4345m)*) sind schon auf Schneeschuhen erstiegen worden.

Beim Bergabfahren kommt es vor Allem darauf an, die Schuhe nahe aneinander und parallel zu halten ; vortheil- haft ist es, die Kniee leicht zu beugen und den einen Fuss etwas vorzustellen, wo- durch das Einhalten des Gleich- gewichts erleichtert wird. Der Stock wird zum Lenken und Bremsen benützt; das Körpergewicht muss dabei unbedingt nach vorn verlegt sein, da sonst die Beine sozusagen unter dem Leib durchgehen und ein Sturz unvermeidlich wäre (Abbild. 6). So gefährlich zwar ein solcher oft aussehen mag, so kommen ernstliche Verletzungen doch äusserst selten vor. Dagegen ist der am Boden liegende Läufer mit den langen Schuhen an den Füssen oft recht hülflos , und das Auf stehen ge- staltet sich häufig sehr anstren- gend und mühsam, da die Schuhe auf der geneigten Fläche immer wieder abwärts gleiten wollen.

Man hilft sich hierbei am besten, indem man die Schneeschuhe quer zum Hange stellt und sich dann mit Hülfe des auf der Bergseite eingestützten Stockes in die Höhe hantelt. Sehr unange- nehm ist es daher, wenn man beim Sturz seinen Stock verliert, und, um dies zu vermeiden, ist sprechender Höhe eine Lederschlinge anzubringen, durch welche das Hand- gelenk gesteckt wird. (Abbild. 3.)

Während das Laufen in der Ebene und massig steile Böschungen hinauf bald und leicht erlernt ist, wird das Abfahren, ohne dabei zu stürzen und ohne die Herrschaft über die Schneeschuhe zu verlieren, dem Schüler grössere Schwierigkeiten bereiten. letzteres ist aber unbedingt nothwendig, um Hindernissen, wie Bäumen, Felsblöcken oder einem plötz- lichen Steilabfall ausweichen zu können. Will man einen Bogen nach

*) Summt lieh in den Hohen Tauern.

es praktisch , an letzterem in ent-

Abbild. 6.

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links beschreiben, so kantet man den etwas vorgestellten rechten Fuss bezw. Schneeschuh nach innen, während man das linke Knie etwas mehr beugt und das Körpergewicht mehr auf diese Seite verlegt; der Stock wird dabei in der Weise gchandhabt, dass man ihn mit der rechten Hand ungefähr in Brusthöhe gegen den Körper zu hält, während die linke Hand ungefähr in Kniehöhe anfasst und den Stock vom Körper weg in den Schnee drückt; die rechte Hand hat dabei Unter-, die linke Aufgriff. Bei einer Kurve nach rechts verfährt man entsprechend. Durch diese Art uud Weise ist es dem Läufer auch möglich, die sausende Thalfahrt vor einem Hinderniss plötzlich zu hemmen, indem er einen derartigen Bogen sehr scharf und kurz beschreibt und somit schnell von der geraden Rich- tung der Abfahrt in eine seitliche umschwenkt. Man nennt diese Art des plötzlichen Bremsens den »Telemark-Schwung«;*) (Abbild. 7) gewandten Skiläufern gelingt seine Ausführung in einem Kreis von wenigen Metern Durchmesser, doch erfordert dies natürlich schon ein hohes Maass von Uebung. Um der schnellen Abfahrt vor drohenden Hindernissen ein plötzliches Ende zu bereiten,' giebt eB auch noch ein anderes, allerdings

Abbild. 7. Abbild. 8.

nicht ganz sportgerechtes Mittel, von welchem aber der Anfänger ab und zu Gebrauch machen wird: Man wirft sich einfach seitwärts in den Schnee; doch ist dies nur ein Nothbehelf. Das Abfahren, mit Allem, was dazu gehört, lernt der Schüler am besten an massig steilen Hängen, und erst, wenn er darin einige Uebung erreicht hat, kann er sich auch an steilere und unregelmässige Böschungen wagen. Wie bei Allem, so gilt vorzugsweise auch hier der Spruch: »Uebung macht den Meister.«

Eine Uebung verdient noch besonders erwähnt zu werden, die man in gebirgigem Gelände, und zwar besonders beim Beschreiben der schon oben erwähnten Serpentinen, häutig anwenden muss: das Um wenden. Es ist eines der wichtigsten Manöver und muss daher möglichst bald erlernt werden. Will man nach links umkehren, so bringt man, während man sieh auf den rechts gehaltenen Stock stützt, den linken Fuss bezw. Schnee- schuh durch einen Schwung in eine Lage, dass seine Spitze nach hinten, also beide Schneeschuho gerade in entgegengesetzte Richtung, zeigen. (Abbild. 8.) Dann vollendet man die Wendung, indem man den rechten Schneeschuh im Bogen nachhebt und neben den linken setzt. Bei einer

*) Die Bewohner der Telemarken gelten uls die besten Sehneesehuhläufcr.

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Wendling nach rechts wird natürlich entsprechend verfahren. Soll die Wendung wie es am häufigsten vorkommt an einem steilen Berg- hang ausgeführt werden, so ist zu berücksichtigen, dass stets mit dem dem Hange abgewandten Kuss angefangen werden muss; das ohnehin nicht ganz leichte Herumschwingen des Schneeschuhes würde sich sonst noch schwieriger gestalten.

Was endlich den vielgenannten Sprung mit Schneeschuhen betrifft, so ist dieser ein reines Sportstück und praktisch wohl kaum nothwendig. Daher will ich auch nicht weiter darauf eingehen. Erwähnenswerth ist nur, dass ein Sprung die höchsten Anforderungen an den Skiläufer stellt, und dass ein tüchtiger Springer daher auch in allen anderen Lagen seine Skier vollständig beherrschen wird.*)

Das Schneeschuhlaufen ist auf jeder zusammenhängenden Schnee- decke möglich, die so hoch ist, dass kleine Unebenheiten, wie Maulwurfs- hügel, Ackerschollen u. s. w., bedeckt sind, also auf jeder Schneefläche, wo man mit Schlitten fahren könnte. Dagegen ist nicht jede Schnee- decke zum Laufen gleich geeignet. Am besten läuft es sich auf einer Schneelage, die oben leicht gefroren ist; auf einer solchen gleiten die Schneeschuhe sehr gut und sinken nur wenige Centimeter ein. Aber auch in weichem, pulvrigem Schnee, in welchem der Fussgänger tief ein- brechen würde, ist die Tiefe der zurückgelassenen Spur keine allzu grosse. Unangenehm dagegen ist ganz hart gefrorener Schnee, in welchem die Schuhe zu wenig oder gar nicht einsinken, wodurch die Beherrschung derselben, besonders beim Abwärtsfahren, sehr erschwert wird. Auch thauender Schnee ist nicht vortheilhaft, da dieser sich an den Schnee- schuhen ballt und vor denselben zu hindernden Walzen zusammenschiebt. Vermindert, wenn auch nicht beseitigt, wird dieser Uebelstand, indem man die untere Fläche der Schuhe mit Fett einreibt; man nimmt am besten hierzu eine Speckschwarte, die man überall bekommen und leicht mit sich führen kann.**) Es giebt aber jedenfalls keine Schneedecke, auf welcher das Laufen unmöglich wäre.

Für die mit Schneeschuhen erzielbare Geschwindigkeit kann un- möglich ein bestimmtes Maass angegeben werden, da sie zu sehr von den Gelände- und Schneeverhältnissen abhängig ist. Nansen sagt, dass in einigermaassen günstigem Gelände und bei gutem Schnee ein tüchtiger Schneeschuhlänfer 80 100 km täglich zurücklegen könne, und er erzählt von einem Wettlauf, bei welchem 50 km in 4'/« Stunden durchfahren wurden. Bei einem anderen durchliefen zwei Lappen eine Strecke von 220 km in 21 Stunden und 22 Minuten, und von den sechs Läufern, die sich daran betheiligten, kam der letzte nur 4t> Minuten später an. So hervorragend diese Erfolge auch sind, so ist ihnen doch kein besonderer Werth beizulegen, da es Sportleistnngen sind, die noch dazu von Leuten erreicht wurden, die sozusagen mit Skiern an den Füssen aufgewachsen sind. Ebensowenig würde man es sich einfallen lassen, die von einem Rennfahrer erzielte Geschwindigkeit als maassgebend für die Beurtheilung der Leistungsfähigkeit eines Radfahrers überhaupt, besonders eines mili-

*) Der Sprung ist ein Tief Weitsprung; bei Wettspringen in Norwegen wurden schon Sprünge von 20 bis 25 in, ja sogar von 30 m Weite und von 8 bis 12 m Tiefe ausgefiihrt; letzteres entspricht ungefähr der Höhe der dritten Etage eines gewöhn- lichen Hauses.

**) Leinöl, Talg, Wachs, Stearin n. s. w. thun die gleichen Dienste, ebenso feuchtes Salz oder rin gesalzener Hiiring; immer muss das Einreiben von Zeit zu Zeit wiederholt werden.

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tärischen, zu betrachten. Von grösserem Interesse dagegen sind z. B. die bei den Wettläufen finnischer Schützen-Bataillone erzielten Leistungen, weil dabei die Leute in voller Ausrüstung liefen. So wurden z. B. 5 km durchschnittlich in 25 Minuten, 10 km in einer starken Stunde durch- laufen, während ein anderes Mal der Durchschnitt für 18 km 1 Stunde und 37 Minuten betrug. Trotzdem ich persönlich auf ähnliche Leistungen zurückblicken kann,*) gehen meine diesbezüglichen Erfahrungen, die von vielen Kennern des Schneeschuhes getheilt werden, dahin, dass ein Ski- läufer sich in der Ebene und bergauf durchschnittlich etwas schneller bewegt als ein tüchtiger Fussgänger ohne Schnee auf gutem Weg. Um aber diese Leistung der Skier nicht zu unterschätzen, ist in Betracht zu ziehen, dass es für den Schneeschuhläufer ganz gleichgültig ist, ob die Schneehöhe */a oder z. B. 3 m beträgt, und dasB dieser ebenso leicht dahinfährt, wo ein Fussgänger unfehlbar im Schnee stecken bleibt Ausserdem kann dieses Durchschnittstempo im Bedarfsfälle erheblich ge- steigert werden, genau so, wie ein Fussgänger sein Tempo beschleunigen und bis zum Laufen steigern kann. Ferner ist in Betracht zu ziehen, dass jede nennenswerthe Neigung des Geländes dem Skiläufer eiue schnelle und beinahe mühelose Abfahrt gestattet, und dass er von einer Höhe in wenigen Minuten zu Thal fährt, zu deren Ersteigung er vielleicht eine Stunde brauchte. Dies kommt natürlich der zum Zurücklegen einer gewissen Strecke nöthigen Gesammtzeit zugute.

Aber selbst wenn infolge ungünstiger Verhältnisse die erzielte Ge- schwindigkeit nur eine geringe ist, wird dadurch der Werth der Schnee- schuhe kein geringerer, im Gegentheil! Denn unter den gleichen Verhältnissen kann sich ein Fussgänger oder ein Reiter meist gar nicht oder doch nur äusserst mühsam und nur kurze Zeit vorwärts be- wegen. Ich könnte für diese Behauptung kein passenderes Beispiel an- führen als eine von mir mit zwei Freunden am 1. und 2. Januar dieses Jahres unternommene Ueberschreitung des 2050 m hohen Oberalp-Passes und des 1920 m hohen Luckmanier.**) Besonders am zweiten Tage batten wir sehr mit ungünstigen Verhältnissen zu kämpfen. Schritt für Schritt mussten wir uns mühsam durch den frischgefallenen, tiefen, weichen und klebrigen Schnee pflügen, so dass wir zu der 38 km langen Strecke von Dissentis über den Luckmanier nach Olivone den ganzen Tag gebrauchten und erst spät in der Nacht unser Ziel erreichten. Ohne Schneeschuhe dio beiden Pässe zu überschreiten, wäre ein Ding reinster Un- möglichkeit gewesen.

Aus Obigem ersieht man, dass die Bedoutung des Schneeschuhes darin liegt, dass er in langen und schneereichen Wintern ein sehr schätzens- werthes, oft das einzige Verkehrsmittel bildet. Wohl nirgends trifft dies mehr zu wie in der Heimath des Schneeschuhes, in Norwegen, wo das Skilaufen nicht nur der nationalste Sport ist, sondern auch allgemein, von Männern, Frauen und Kindern, praktisch verwerthet wird. Tief liegt der Schnee den ganzen, langen Winter vor der Thür, und wer von einem Dorf oder von einem Gehöft zum anderen will, muss sich die Schnee- schuhe anschnallen, denn sonst versinkt er bis zu den Hüften im Schnee. Ohne die Schneeschuhe wären manche Ortschaften gänzlich von

*) So durchliefen wir kürzlich die Strecke von der Schlucht, 1131) m, zum VVeissen See, 1121 m (in den Vogesen), die man zu Pnss in 3Vs Stunden zurücklegt, ohne sonderliche Anstrengung bei gutem Schnee in 2 Stunden ö Minuten.

**) Erstercr verbindet das Heuss-Thal mit dem Vorder-Rhein-Thal, letzterer dieses mit dem Thal des Ticino.

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jedem Verkehr abgeschnitten. Mit Schneeschuhen wird die Post ver- mittelt, gehen Kinder und Lehrer zur Schule, gelangt der Arzt zum Kranken, der Geistliche zum Sterbenden. Auch in einzelnen Gebirgs- gegenden Deutschlands findet man ähnliche Verhältnisse, 'so z. B. im Harz und ganz besonders im Bayerisch -Böhmischen Wald, wo der grosse Schneereichthum die Bewohner gezwungen hat, ihre Zuflucht zum Schnee- schuh zu nehmen.

Aus obigem über die vielseitige Verwerthung der Schneeschuhe An- geführten lässt sich unschwer ihr Werth für militärische Zwecke erkennen. Thatsächlich haben schon in früheren Zeiten nordische Völker den Nutzen der Schneeschuhe auch auf dem Gebiete des Kriegswesens erkannt und denselben zu verwerthen gewusst. Der Schwedenkönig Swerre soll um das Jahr 1200 zum ersten Male Skier zu Kriegszwecken verwandt haben, indem er durch Schneeschuhläufer die Stärke des Feindes auskundschaften lie6s. In der Folge hatten norwegische, schwedische, dänische und russische Heerführer häufig unter ihren Truppen eine Anzahl Schnee- schuhläufer, die bei Erkundungen, Verfolgungen, Umgehungen und dergl. oft recht gute Dienste leisteten. Im Kriege Russlands mit Schweden 1808/9 in Finnland ist z. B. der Erfolg in einem Gefecht (am 4. April 1808) nur der schnellen Vorwärtsbewegung der Russen auf Schneeschuhen zu- zuschreiben. Im nämlichen Feldzug schickte der schwedische Oberst Adlerkreuz, dessen schwache Abtheilung von den Russen hart bedrängt wurde, einen Skiläufer aus, um rasche Hülfe zu holen; die zur Unter- stützung heranrückende Abtheilung griff die Russen in zwei Kolonnen an, vor deren jeder sich eine Patrouillenkette auf Schneeschuhen bewegte; ebenso wurde die linke Flanke der Russen von einem Detachement auf Skiern umgangen und angegriffen ; die Verbindung zwischen den einzelnen Kolonnen wurde auch durch Schneeschuhläufer aufrecht erhalten. Die Russen, so unerwartet in Front und Flanke angegriffen, hatten grosse Verluste, und ihr Befehlshaber, General Bulatow, gerieth dabei mit 5 Offizieren und 450 Mann in Gefangenschaft. Ein anderes Mal wurden die Russen auf drei Seiten gleichzeitig angegriffen, was nur bei der Be- weglichkeit der mit Skiern ausgerüsteten schwedischen Jäger möglich war. Auch im Kriege zwischen Schweden und Dänemark, der mit der Ver- einigung Norwegens mit Schweden endete, sind Schneeschuhe in vielen Fällen mit grossem Vortheil verwendet worden. Die Norwegische Armee besass noch bis zum Jahre 1826 sechs Skiläufer-Kompagnien mit eigenem Reglement, welche aber dann aufgelöst wurden, weil fast jeder norwegische Soldat schon ein tüchtiger Skiläufer ist; da die nöthigen Schneeschuhe vorhanden sind, können also bei Bedarf jederzeit Ski-Kompagnien ge- bildet werden. Sicher hätten auch beim Rückzuge Napoleons von Moskau Ski-Korps, welche einen Schutz gegen die fortgesetzten Ueberraschungen und Plänkeleien des Feindes gebildet hätten, gute Dienste geleistet.

Wenn auch durch die moderne Kriegführung die Verhältnisse sich vor Allem infolge der gesteigerten Leistung der Feuerwaffen und durch die kolossalen Heeresmassen gänzlich verändert haben, so kann doch in einem Winterfeldzug die Verwendung von Schneeschuhen im Vorposten-, Aufklärungs- und Nachrichtendienst, wo der mit Schneeschuhen aus- gerüstete Mann in der Lage ist, Patrouillengänge in jedem Gelände aus- zuführen, und sich überall bewegen kann, wo der Fussgänger und Reiter völlig bewegungsunfähig ist, unter Umständen von grossem Nutzen sein. In denjenigen Armeen, in welchen man infolge des Klimas des Landes in einem Feldzug sehr leicht in die Lage kommen wird, sich der Schnee'

Kriegatechnisch« Zeitschrift. 1894. 9. Heft. 28

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schuhe zu bedienen, also vorzugsweise in der russischen und norwegischen, wird dies auch allgemein anerkannt. Dies beweisen die vielfachen dort- selbst mit diesem Verkehrsmittel abgehaltenen Uebungen.

Bei der russischen Infanterie ist das Skilaufen nur bei den sogenannten »Jagdkommandos» allgemein eingeführt; letztere bestehen bekanntlich aus ausgesucht guten Leuten und haben ihren Namen daher, dass von ihnen thatsächlich Jagdzüge unternommen werden, die insofern auch militärischen Werth haben, als durch sie die moralischen Eigenschaften neben den körperlichen gehoben werden. Von diesen »Jagdkommandos» werden auch allwinterlich Uebungen mit Schneeschuhen unternommen. Es dürfte wohl von Interesse sein, auf eine derartige Uebung näher einzugehen, welche im Januar 1897 vom »Jagdkommando» des 87. Infanterie-Regiments aus Nowgorod unternommen wurde. Das Kommando bestand aus 1 Offizier, 4 Unteroffizieren und 32 Gemeinen, ausserdem 1 Lazarethgehülfen. Die Leute trugen über wollenen Unterkleidern ihren gewöhnlichen Tuchanzng und über diesem einen Mantel mit wollenem Futter, ferner eine Pelzmütze mit Ohrenklappen, Pelzhandschuhe und Filzstiefel. Das Gepäck wurde in der Zeltbahn zu einem Bündel geschnürt und dieses, ähnlich einem Rucksack, auf dem Rücken getragen. Diese Methode soll sich sehr be- währt haben. In diesem Bündel trugen die Leute ausser dem nöthigen Putzzeug und Anderem auch eine dünne Strohmatte als Unterlage für die Nacht, einen zweiten dünnen Mantel und die zum Wechseln nöthige Wäsche. Das umgehängte Gewehr mit der nöthigen Munition, Lebens- mittelbeutel und Feldflasche vervollständigten die Ausrüstung. Ausserdem hatte jeder Mann ein Paar Schneeschuhe, auf denen der weitaus grösste Theil des Marsches zurückgelegt wurde. Der Zweck dieser Uebung war nicht nur, grosse Strecken auf Skiern zu durchlaufen, sondern die Leute bekamen auch einfache Aufträge im Feldwach- und Patrouillendienst, ferner im Ueberbringen von Nachrichten und Befehlen und hatten leichtere Geländeerkundungen vorzunehmen, hauptsächlich Aufsuchen von Wegen in waldigem Gelände, von Uebergängen über Wasserläufe und dergleichen. Auch der Bau von Schneeschanzen und ßrückenbauten mit unvorbereitetem Material wurden geübt. Trotzdem die Leute erst Anfänger waren, wurden alle Aufträge auf Schneeschuhen ausgeführt, und zwar in einem Gelände, das zahlreiche Schwierigkeiten bieten soll. Interessant ist, wie sich das Kommando im Lager einrichtete, und eine Beschreibung dieser Einrich- tungen gestattet wohl ein kleines Abweichen vom eigentlichen Thema. Auch im Lager wurden nämlich die Schneeschuhe benutzt, und zwar zum Aufschlagen von Zelten. Dies geschah in der Weise, dass mehrere Paare Skier in einem Kreise derart schräg in den Schnee gesteckt wurden, dass die oberen, umgebogeneu Enden sich berührten; diese wurden zusammen- gebunden und über dem so entstandenen Gestell die Zeltbahnen befestigt. Diese Zelte konnten sehr schnell aufgeschlagen werden und hatten den Vortheil, dass man gar keiner Zeltstöcke dabei bedurfte. Der Innenraum wurde dann, soweit es möglich war, ohne die das Ganze stützenden Schneeschuhe ihres Haltes zu berauben, sorgfältig vom Schnee gesäubert, und die übrig gebliebenen Zeltbahnen und die oben erwähnten Stroh- matten dienten als Unterlage. Mit einer anderen Art von Lagerstätten wurden auch noch Versuche gemacht, nämlich mit den bei den russischen Steppenvölkern gebräuchlichen sogenannten »Jurten«. Es sind dies zelt- oder hüttenartige Gestelle aus starken, gebogenen Baumästen, welche mit Stroh, Schilf oder Zweigen durchflochten werden; das Ganze wird dann von aussen mit Wasser begossen und, während dieses gefriert, mit einer

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Schneeschicht bedeckt. Die auf diese Art hergestellten Lagerstätten er- wiesen sich als recht warm. Die wenigen Zelte und Hütten standen kreisförmig um ein grosses Wachtfeuer, welches sowohl als Koch- wie auch als Wärmestätte diente. Die Verpflegung, welche, ebenso wie die Kochkessel und das Brennholz, auf einem Schlitten befördert wurde, be- stand meist aus Konserven, welche bei der russischen Armee noch nicht allgemein eingeführt sind und sich bei den Leuten sonderbarerweise keiner grossen Beliebtheit erfreuen sollen. Der während dieser zehntägigen Uebung zurückgelegte Marsch beträgt 155 Werst = etwa 165 km, ohne die besonderen Aufträge. In diese Zeit fallen drei Ruhetage und ein Nachtmarsch.

Derartige Uebungen werden jeden Winter von den »Jagdkommandos« abgehalten, welche überhaupt ganz besonders auf die schwierigen Verhält- nisse des russischen Winters hin geschult werden.

Aber auch vielfach in grossem Maassstab vorgenommene Winter- übungen aller Waffengattungen im Marsch-, Gefechts-, Schiess- und Lager- dienst beweisen, wie sehr man sich in Russland auf einen Winterfeldzug vorbereitet. Dabei hat man auch die Schwierigkeiten erkannt und ge- würdigt, die in der Beförderung von Geschützen und Truppenfahrzeugen aller Art auf den tief verschneiten Wegen liegen. Es wurden daher wiederholt bei Winterübungen Versuche vorgenommen, kriegsmässig be- spannte und beladene Fahrzeuge und Geschütze auf Schlittenkufen zu setzen. Dabei wurden verschiedene Systeme, deren Beschreibung aber zu weit führen würde , auf ihre Zweckmässigkeit für Marsch und Gefecht geprüft, doch man ist zu einem endgültigen Resultat hierin noch nicht gelangt. Auch die zur Begleitung der Fahrzeuge nöthigen Mannschaften waren zum Theil mit Schneeschuhen ausgerüstet. Aus Obigem ist zu ersehen, dass in der russischen Armee dem Schneeschuh als ausgezeichnetem Verkehrsmittel für den Fall eines Winterfeldzuges ein hoher Werth bei- gelegt wird.

Ebenso stehen den russischen Grenzwachen, die vollständig militärisch organisirt und ausgebildet und auch zu kriegerischer Thätigkeit zum Schutze der Grenze in den ersten Stadien der Mobilmachung bestimmt sind, Schneeschuhe zur Verfügung, mittelst derer sie ihren anstrengenden Wachtdienst versehen und die ihnen bei der Verfolgung von Schmugglern oft gute Dienste geleistet haben.

Auch in der norwegischen Armee finden häufig Winterübungen statt, bei denen der ganze Feldwach- und Patrouillendienst auf Skiern ver- richtet wird.

In Oesterreich werden seit Kurzem nicht nur Mannschaften im Schnee- schuhlaufen ausgebildet, sondern auch auf die Ausbildung von Offizieren darin wird grosser Werth gelegt, wie eine im Winter 1891/92 von 12 Offizieren und 3 Unteroffizieren des »Militär-Fecht- und Turnlehrer-Kursus« von Wiener-Neustadt über den mächtig verschneiten Semmering nach Graz unternommene Schneeschuhübung beweist. Auf andere in Oesterreich abgehaltene Uebungen mit Schneeschuhen komme, ich später noch zurück.

Die zur Bewachung der Gotthard - Befestigungen kommandirten schweizer Soldaten sind ebenfalls mit Skiern versehen, ohne die eine regelmässige Ausübung des Wachdienstes im Winter oft unmöglich wäre.

Frankreich hat wohl kaum Grund, sich für diese Frage zu interessiren, es sei denn bezüglich seiner Südost-Grenze, der Vogesen; leider ist mir darüber nichts bekannt. Jedenfalls brachte seiner Zeit die illustrirte Zeit-

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schrift » L' Illustration i einen Artikel mit guten Abbildungen von bei uns Angestellten Versuchen (siehe unten).

In Deutschland wird man zwar im Allgemeinen infolge unseres ge- mässigten Klimas nie einen so ausgiebigen Gebrauch von Schneeschuhen machen können wie z. B. in Russland; doch macht davon unsere Ost- und auch unsere Westgrenze eine Ausnahme; ausserdem könnte unB ein sehr strenger und schneereicher Winter jederzeit den russischen ähnliche Verhältnisse bringen, und -schliesslich ist es doch nicht ausgeschlossen, dass deutsche Truppen in die Lage kommen werden, in Russland Krieg zu führen. Mit der Westgrenze ist natürlich nur das Vogesen-Gebiet gemeint, welches nämlich auch in den Thälern viel schneereicher ist, als derjenige wohl zu glauben geneigt ist, der das milde Klima des übrigen Südwest-Deutschland kennt. Wie überraschend gross oft der Gegensatz zwischen den Witterungsverhältnissen in den Vogesen und den- jenigen in der Rhein-Ebene ist, hatte ich häufig Gelegenheit zu beobachten. Ein offenkundiges Beispiel lieferten mir die letzten Osterfeiertage: Während Kameraden beim herrlichsten Frühlings wetter bis abendB 9 Uhr im Kasino- garten Bitzen konnten, bin ich von 11 Uhr vormittags bis 7 Uhr abends nicht aus dem Schnee, der durchschnittlich noch die Höhe von '/s m hatte, herausgekommen. Es war dies allerdings in Höhen zwischen 800 und 1200 m. Einige stürmische Tage in der ersten Hälfte des April brachten in den Vogesen neuen Schneefall. »Es stürmt und schneit wie den ganzen Winter nicht«, meldete der Beobachter von einer der meteoro- logischen Stationen.

Aehnliche Erwägungen mögen denn auch die deutschen Militär- behörden veranlasst haben, in der Armee Versuche mit Schneeschuhen anstellen zu lassen, und zwar geschah dies zuerst bei dem in Goslar garnisonirenden II. Batl. des 82. Inf. Rgts. ; bald folgten die Jäger-Bataillone in Ortelsburg (1.), Culm (2.), Hirschberg (5.), Schlettstadt (8.) und Colmar (4., 10. u. 14.). Ueber den Erfolg dieser Versuche, die ja auch noch nicht abgeschlossen sind, bin ich leider nur theilweise unterrichtet; so ist mir nur bekannt, dass einige dieser Truppentheile , wie z. B. II./82, immer günstig über den Schneeschuh berichteten, während andere wieder ihm nur wenig militärische Bedeutung zusprachen. Die Gründe für diese sich widersprechenden Ergebnisse entziehen sich naturgemäss meiner Beurthei- lung. Wenn jedoch dieser Fall ist mir persönlich bekannt die Uebungen im Schneeschuhlaufen von einem Offizier geleitet werden, der selbst darin völlig unbewandert ist, so ist allerdings ein Misserfolg in diesem bestimmten Falle nicht übermässig räthselhaft. Ein schlechter Schütze oder ein ungewandter Turner können unter Umständen als Schiess- bezw. Turnlehrer doch ganz gute Dienste leisten, weil ihnen vielleicht ihre theoretischen Kenntnisse zu statten kommen; beim Schneeschuhlaufen dagegen kann nur die Praxis allein entscheiden.

Es sei beiläufig bemerkt, dass neuerdings auch bei den bayerischen Jäger-Bataillonen Uebungen mit Schneeschuhen abgehalten werden sollen. Für jedes Bataillon sind zunächst zwölf Paar Schuhe in Aussicht ge- nommen.

In Folgendem will ich versuchen darzulegen, unter welchen Verhält- nissen das militärisch betriebene Skilaufen von Erfolg begleitet sein kann, und werde mich dabei theils auf die auf meine diesbezüglichen Er- kundigungen erhaltenen Angaben, theils auf meine eigene geringe Er- fahrung im Schneeschuhlaufen stützen.

Was die Wahl der Garnisonen und Truppentheile betrifft, bei denen

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die Uebungen mit Erfolg abgehalten werden können, so sind solche vor- zuziehen, die infolge ihrer Lage einen genügend schneereichen "Winter zu haben pflegen; dies ist bei den östlich gelegenen Garnisonen der Fall z. B. Culm und Orteisburg und bei solchen, die an oder in der Nähe von Gebirgen liegen, wie z. B. Goslar, Hirschberg, Schlettstadt u. s. w. Wie oben schon angeführt, sind zum Vornehmen dieser Versuche haupt- sächlich Jäger-Bataillone bestimmt worden, und zwar wohl in Anbetracht des Sonderzweckes dieser Truppe. Da der Schneeschuh in letzter Zeit sich bei uns nicht nur als Sport, sondern auch in praktischer Ver- werthung so vor Allem im Forstdienst mehr und mehr einge- bürgert hat, so werden gerade die Jäger-Bataillone hin und wieder Leute haben, die im Skilaufen schon vorgebildet sind. Bei Auswahl der aus- zubildenden Leute wird dieser Umstand natürlich zu berücksichtigen sein. Im Uebrigen sind körperliche Gewandtheit und Ausdauer und in Anbetracht des Zweckes geistige Gewecktheit erforderlich. Die Stärke des zusammenzustellenden Kommandos muss gering sein, um nicht noch mehr Leute dem gewöhnlichen Dienste zu entziehen und um unnöthige Kosten zu vermeiden, die allerdings nur gering sein würden. Ausserdem kann von einer Massenverwendung von Skiläufern, wie in den Schweden- kriegen, natürlich keine Rede sein. Es genügen daher nur wenige Mann, vielleicht 2 4 von jeder Kompagnie, und eine verhältnissmässig grosse Zahl von Unteroffizieren; diese sind als Patrouillenführer und dergl. nothwendig und leisten, wenn sie mehrere Jahre an diesen Uebungen theilgenommen haben, als Hiilfslehrer gute Dienste.

Die Ausbildung der Leute und Leitung der Uebungen muss einem Offizier anvertraut werden; ist keiner vorhanden, der selbst Schneeschuh laufen kann, so muss es derjenige, der sich am meisten dazu eignet, möglichst bald lernen und sich mit Allem, was dazu gehört, vertraut machen. Die Anschaffung der nöthigen Schneeschuhe ist nicht kost- spielig, da diese nicht mehr aus Norwegen bezogen werden müssen, sondern jetzt ebenso gut und naturgemäss billiger bei uns aus einheimischen Holzarten, von denen sich am beeten die Esche eignet, angefertigt werden. So haben z. B. die Fir- men Neumayer -München und Fischer- Freiburg zufrieden- stellend an die Armee geliefert. Das einzelne Paar kommt auf 15 20 Mk. zu stehen; in grösserer Anzahl wird der Preis jedenfalls ein geringerer sein. Die Unterhaltung der Schneeschuhe kostet so viel wie nichts. Doch ist gerade ihrer Unterhaltung so einfach sie auch ist bis jetzt zu wenig Aufmerksamkeit zugewandt worden. Die Skier verziehen sich nämlich, wenn sie nach dem Gebrauch in geheizte Räume kommen, d. h. die künstlich erzeugte Wölbung und die Schweifung der Spitze gehen allmählich verloren, wenn sie nicht, wie Abbild. 9 zeigt, aufgespannt werden. Dieses Verziehen geht allerdings nicht von einem Tag auf den andern vor sich, sondern nur, wenn die Skier dauernd in dieser Beziehung vernachlässigt werden. Es wäre daher vielleicht gut, alle im Bataillon vorhandenen Skier einem der betheiligten Unteroffiziere zu unterstellen, welcher für Abbild. 9. die entsprechende Aufbewahrung und das Einfetten des Lederzeuges zu sorgen hat. Irgend ein ungeheizter Raum wird wohl überall zur Verfügung stehen.

"Was die Ausrüstung der Leute betrifft, bo verdient die FusBbekleidung

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das grösste Interesse; der gewöhnliche Infanteriestiefel ist dazu un- brauchbar, weil er mit seiner steifen Sohle nicht dem Fass die nöthige Bewegungsfreiheit lässt, wärend der Schnürschuh kaum genügend gegen Nässe und Kälte schützen dürfte. Bei II./82 in Goslar half man sich dadurch, dass die Leute über genügend weite Schnürschuhe, die das Anziehen doppelter Strümpfe gestatteten , eigens angefertigte Gummi- Überzüge anlegten. Diese Methode hat sich sehr bewährt und ist wohl die glücklichste Lösung der Fussbekleidungsfrage für den mili- tärischen Schneeschuhläufer. Sie hat ausserdem noch den Vorzug, dass der Mann, wenn er Schneeschuhe und Gummiüberzug abgelegt hat, sofort wieder einen leidlichen Marschstiefel am Fusse hat.*) Die Beine müssen durch wasserdichte Gamaschen vor Nässe geschützt werden. Die übrige Bekleidung muss einerseits der Jahreszeit entsprechen, darf aber anderer- seits nicht zu warm sein, da die Bewegung beim Fahren ohnehin sehr warm macht. Viel wichtiger ist daher die Mitnahme eines Reserve- kleidungsstückes, welches den durch das Laufen erhitzten Mann vor Er- kältungen bei Rasten und dergl. schützen soll. Gewöhnlicher Tuch- anzug — noch besser vielleicht Litewka mit mehr oder minder warmem Unterzeug, gerollter Mantel, dazu warme Fausthandschuhe bilden daher die vortheilhafteste Bekleidung zu diesem Zweck. Die übrige Aus- rüstung entspricht derjenigen unserer Radfahrer, also: Tornisterbeutel, Koppel, Patronentaschen, umgehängtes Gewehr und Mütze, und zwar ist eine Schirmmütze erforderlich, weil der Schirm die Augen wenigstens etwas vor der schädlichen Einwirkung des blendenden Schnees auf die Netzhaut schützt. Bei längeren Schneefahrten, besonders bei grellem Sonnenschein, ist sogar eine graue oder blaue Schutzbrille nothwendig. Aeusserst schmerzhafte und oft nicht ungefährliche Augenentzündungen die sogenannte Schneeblindheit sind die Folgen bei Ausserachtlassung dieser Vorsichtsmaassregel. Die Mütze ist vielleicht vortheilhaft mit einer Vorrichtung zum Festbinden und mit Ohrenklappen versehen.

Der Unterricht beginnt mit gewöhnlichen Laufübungen auf ebenen und sanft geneigten Plätzen, die der Zeitersparniss wegen möglichst nahe an der Garnison liegen Bollen und deren Auswahl Sache des betreffenden Offiziers ist. Dann geht er mit seinen Leuten in schwierigeres, d. h. steileres, unregelmässiges und bewachsenes Gelände. Bei diesen Uebungen hat der Offizier den Identen die nöthigen Anleitungen zu geben, ihnen Alles vorzumachen und sie mit all’ den Kleinigkeiten und Kniffen vertraut zu machen, die es, wie überall, auch hior giobt. Erst wenn einige Ver- trautheit und Sicherheit erlangt ist, kann durch längere, allmählich zu steigernde Märsche in möglichst wechselvollem, gebirgigem Gelände die nöthige Ausdauer erreicht werden. Diese Märsche werden dann schon mit der Lösung von einfachen militärischen Aufträgen, als da sind: Ueber- bringen von Meldungen und Nachrichten, Patrouillengänge, Gelände- erkundungen u. s. w., verbunden werden können. Solche Uebungen können bei günstiger Lage der Garnison leicht bis zu Tagemärschen ausgedehnt werden; wenn die Hauptmahlzeit auf Abends nach der Rückkehr verlegt

*) Im Uebrigen kann ieli Jedem, der das Skiläufen als Sport oder in seinem Beruf betreibt, nicht genug die Fellschuhc empfehlen, wie sie der Schuhmacher Osterwald in Freiburg i. B. anfertigt. Es sind dies Schnürschuhe aus doppeltem Hundefell, dessen nicht behaarte Seiten aneinander liegen ; kanalartige Oelfnnngen ermög- lichen das Einspritzen von Oel zwischen die beiden Felle; dies verhindert, dass die Schuhe nach dem Gebrauch eingchen und hart werden und erhöht ihre Widerstands- fähigkeit gegen Feuchtigkeit, ln diesen Schuhen bleibt der Fuss auch bei an- dauernden .Schneewanderungen absolut warm und trocken.

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Ueber den Schneeschuh und seine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken. 439

und tagsüber nur mitgenommener Mund vorrath verzehrt wird, so lassen sich derartige Uebungen ohne erhebliche Mehrkosten unternehmen, selbst wenn eine kleine Eisenbahnfahrt nothwendig ist.

Auch Anschlagübungen mit den Schneeschuhen an den Füssen können und müssen gemacht werden; stehend und knieend lässt sich ganz gut anschlagen, liegend am besten in der Weise, dass man beide Füsse bezw. Schneeschuhe nach der gleichen Seite zu liegen hat; der Körper hat zwar dadurch eine etwas verdrehte Lage, doch kann man immerhin leidlich anschlagen; auch kann man auf diese WeiBe besser und schneller auf- stehen, als wenn man wie beim gewöhnlichen Anschlag liegend beide Fussspitzen auswärts nehmen wollte. Das Hinlegen und Aufstehen muss, bis es in der erwünschten Geschwindigkeit geschieht, ziemlich geübt werden.

Hand in Hand mit den praktischen Uebungen geht der nöthige theoretische Unterricht über Orientiren, Kartenlesen und alles Andere, was jeder Patrouillenführer wissen muss. Besonders Ersteres ist wichtig, wenn hoher Schnee alle Wege und Steige und sonstigen Orientirungs- mittel bedeckt.

Haben erst die Leute sich die nöthige Sicherheit, Gewandtheit und Ausdauer angeeignet, so können, gewissermaassen als Prüfstein für ihre Leistungsfähigkeit und Brauchbarkeit, eine oder mehrere Uebungen grösseren Stils abgehalten werden. Geradezu mustergültig verdienen einige derartige, bei dem in Hermannstadt liegenden 31. österreichischen Infanterie-Regiment im Winter 1891/92 unternommene Uebungen genannt zu werden. Geleitet wurden dieselben von einem Hauptmann B., einem Manne, der sich als Sportsman, Hochtourist und Bärenjäger einen Namen gemacht hat und daher in hohem Maasse zu derartigen Unternehmungen geeignet war. Nachdem die nöthigen Elementar- und einige Vorübungen abgehalten worden waren, unternahm dieser Offizier zwei grössere, mehr- tägige Patrouillengänge nach den Kämmen der Süd-Karpathen, zu denen ihm vom Regimentskommando die entsprechenden Aufträge gestellt waren und an deren ersterem, der zwei Tage dauerte, sich ausser Hauptmann B. noch 1 Offizier und 5 Mann, am zweiten viertägigem im Ganzen 2 Offiziere, 1 Korporal und 2 Mann betheiligten. Die Ijeute waren ähnlich ausgerüstet, wie oben beschrieben wurde, und hatten den nöthigen Mund- vorrath mit, bestehend aus Brot, Speck, Konserven und Thee. Als Nacht- lager dienten zum Theil verlassene Almhütten, und einmal mussten sich die Leute sogar mit einem Lager aus abgehauenen Tannenzweigen im Schnee begnügen. Diese Patrouillen trafen alle möglichen Verhältnisse an, fuhren bei Tage und bei Nacht, bei Laternen- und Mondschein, auf gefrorenem und thauendem Schnee und bei Schneesturm, und überwanden wiederholt Höhen über 2000 m. Ueberall haben sich die Schneeschuhe bewährt, und Hauptmann B. kam zu dem Ergebniss, dass sie zum un- gehinderten Vorwärtskommen bei hohem Schnee unentbehrlich sind und dass zur Winterszeit mit Skiern ausgerüstete kleinere Abtheilungen selbst unter den ungünstigsten Witterungsverhältnissen nicht nur ebenes Gelände, sondern auch als unwegsam geltende Gebirgszüge bis über 2000 m Höhe anstandslos und sicher über- schreiten können, vorausgesetzt, dass die Theilnehmer einigermaassen im Schneeschnhlaufen geübt sind.*')

*) Zmn Befördern von Lasten, wie z. B. grösseren Proviant- oder Munitious- mengen, Brennholz, beigetriebenen Gegenständen aller Art, können sich derartige

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Um die Art der zu lösenden Aufträge darzulegen, habe ich versucht, einige ähnliche und entsprechende für unser Vogesengobiet aufzustellen, unter der Anuahme, dass infolge starken Schneefalles für Passgänger und Reiter nur die grossen Strassen passirbar sind bezw. gemacht werden können:

1. Ein Ostdetachement ist im Breusch-Thal bis östlich Schirmeck, ein anderes von Schlettstadt bis Weiler vorgegangen ; von letzterem Ort aus wird Lieutenant X. mit x Mann als Patrouille auf Schnee- schuhen über das Gebirge geschickt, um die Verbindung zwischen beiden Abtheilungen herzustellen.

2. Westlich vom Donon sollen feindliche Streitkräfte an der Grenze verweilen: von einem bei Urmatt befindlichen Detachement wird Lieutenant X mit x Mann als Patrouille auf Schneeschuhen zur Erkundung über das Gebirge gegen den Donon geschickt.

3. Unsererseits ist eine kleine Rekognoszirungsabtheilung von Thann bis in die Gegend von Wildenstein vorgegangen, aber durch den Umstand, dass feindliche Abtheilungen den Col de Ventron und den Col de Bussang überschritten haben, von seinem in Thann und Gebweiler stehenden Gros abgeschnitten; Lieutenant X. wird mit x Mann als Patrouille von Gebweiler über das Gebirge ge- schickt, um die Sachlage zu erkunden und wichtige Befehle an jene Abtheilung zu überbringen.

Wie weit die hier gedachten Lagen den Wahrscheinlichkeiten eines Ernstfalles entsprechen, weiss ich nicht; doch sollen die angeführten Bei- spiele, wie schon erwähnt, nur darlegen, welcher Art die Aufgaben sind, die derartigen Uebungen zu Grunde gelegt werden können. Auch zeigen sie, dass eine Heeresabtheilung, die über Schneeschuhläufer verfügt, einer feindlichen gegenüber, die deren keine hat, erheblich im Vortheil ist, da die letzteren den Feind, der in seinen Bewegungen im Wesentlichen an die grosse Strasse gebunden ist, nicht nur ungestört in Flanke und Rücken erkunden, sondern auch nicht unerheblich beunruhigen können.

Jedenfalls haben solche Uebungen, wenn sie richtig geleitet und durchgeführt werden, entschieden militärischen Werth, und die so aus- gebildeten Leute würden im Ernstfälle bei passender Gelegenheit sicher gute Dienste leisten. Aber auch wenn die Leute nie in die Lage kommen werden, ihre so erworbenen Fähigkeiten in einem Kriege zu verwerthen, so sind diese Uebungen körperlich und moralisch mindestens ebensoviel werth, wie manche Stunde Exerziren oder Turnen. Denn: »nichts stählt die Muskeln so sehr, nichts macht den Körper elastischer und geschmeidiger, nichts verleiht eine grössere Umsicht und Gewandtheit, nichts stärkt den Willen mehr, nichts macht den Sinn so

Kommandos kleiner, den in Norwegen gebräuchlichen »Skikjälkert ähnlicher Fahr- zeuge bedienen; es sind dies kleine, auf breiten Schienen ruhende Schlitten, welche an einem Seil gezogen, auBserdem aber noch durch eine seitlich befestigte Stange gelenkt werden, damit sie beim Abwürtsfahren den Skiläufer nicht überfahren. Solche Schlitten können im Nothfall auch mit Benutzung vorhandener Schneeschuhe her gestellt werden. Aehnliche, aber grössere Schlitten benutzte Nansen sowohl bei seiner Grönland-, als auch bei seiner Nordpol-Expedition.

Diejenigen Staaten, welche Gebirgsartillerie haben, könnten sich, wenn sie im Bedarfsfälle die Geschütze und Munition auf derartigen Schlitten befördern und die Bedienungsmannschaft auf Skier stellen, unter Umstanden grosse Vortheile verschaffen, weil dadurch der Gebirgsartillerie auch im Winter sonst unzugängliche Wege eröffnet wurden.

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frisch wie das Schneeschuhlaufen ! « sagt Nansen in seinem schon oben erwähnten Werk. Verloren ist also die damit verwandte Zeit sicher nicht.

Zum Schlüsse erübrigt es noch, einer anderen Art von Schneeschuhen zu erwähnen, des Kanadischen Schneeschuhes (Truger), dessen be- sondere Beschreibung bei nebenstehender Zeichnung (Abbild. 10) wohl überflüssig ist. Auch dieses Beförderungsmittel verdankt seine Entstehung den nordischen Völkern und deren Bestreben, dem 8chnee beim Gehen eine grössere Widerstandsfläche zu bieten als es der unbewaffnete Fuss thut. Während nun in Norwegen in Jahrhunderte langer Entwickelung*) der heutige Ski entstanden ist, hat sich diese Form von Schneeschuhen -wie schon der Name sagt bei den Indianer- stämmen Nordamerikas eingebürgert und ist dort jetzt allgemein im Gebrauch.

Der gebogene Rahmen besteht aus Hickory- oder Eschenholz, das Geflecht aus starken Thiersehnen. Die Befestigung des Fusses ist bei den echten Kanadiern etwas pri- mitiv und wird nur vermittelst eines Streifens ungegerbter Thierhaut herge- stellt. Man steckt die Fussspitze durch die Schlaufe a, legt um die Ferse die Schlinge b, die man durch die beiden Enden c anziehen oder nachlassen kann, und bindet diese selbst mehrfach um den ganzen Fuss fest. Hierdurch wird die Fussspitze am Schneeschuh festgehalten, der Absatz dagegen kann sich frei auf und ab bewegen. Beim Gehen wird daher auch nur der vordere Theil des Schneeschuhes mit dem Fuss gehoben, während das hintere, schwanzartige Ende im Schnee nachschleift.

In dieser Form hat aber der Kanadier mehrere Nachtheile: das Ge- flecht aus Sehnen erfordert eine besondere, absatz- und nagellose Fuss- bekleidung, da besonders die letzteren es in kurzer Zeit zerstören würden, und die Befestigung des Fusses ist auch keine vortheilhafte, da dieser nicht den genügenden Halt hat und daher auch beim Queren von Berg- hängen immer seitwärts zu rutschen neigt. Mit ihren Mocassins**) an den Füssen bedienen sich die Indianer Kanadas in den dortigen weiten ebenen Schneeflächen dieser Schneeschuhe mit grossem Vortheil, aber zum Ge- brauch im Gebirge sind dieselben in dieser ihrer Originalform nicht ein- wandfrei. Empfehlenswerther sind dagegen die Kanadier, wie sie Heinrich Schwaiger, der bekannte Fabrikant alpiner Ausrüstungsgegenstände in München (Rosenthal 7) verfertigt. Er ersetzte das Sehnengeflecht durch ein haltbareres aus verzinktem Eisendraht und machte für den Fuss eine sandalenartige Sohle, die sich in einem Charnier auf und ab bewegt. (Abbild. 11.) Die oben beschriebenen Uebelstände sind hierdurch auf- gehoben.

*) Die genaue Entwiekelungsgrschiehte des Ski findet man in Nansens Werk. **) Sohlen- und absazlose Schuhe ans ungegerbtcm Kennthierfell. Echte, von Indianern gemachte Mocassins nnd Kanndier wohl die einzigen in Deutschland letztere mit verbesserter und praktischer Befestigungsart, erhält man im Felzwaaren- geschäft von C. Baltzer, Strassburg, Gewerbslauben 51.

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442 Veber den Schneeschuh und «eine Brauchbarkeit zu militärischen Zwecken.

Einzelne geben nun dem Kanadier den Vorzug vor dem Norweger; so vertheidigt ihn besonders ein bayerischer Offizier, der in diesen Dingen entschieden grosse Erfahrung besitzt, in einer militärischen Zeitschrift lebhaft gegenüber dem Ski.*) Da ich beide Arten ans persönlicher Er- fahrung kenne und sie sowohl im Mittel- als auch im Hochgebirge benutzt habe, so möchte ich nicht unterlassen, darauf einzugehen. Zwei Vortheile sind dem Kanadier unbedingt einzuräumen: Erstens kann ihn Jeder ohne Vorübung benutzen und zweitens ist er bedeutend kleiner und leichter, daher auch bequemer zu transportiren. Ein nicht zu unterschätzender Vorzug ist auch, dass zur Benutzung der (verbesserten) Kanadier keine

besondere Fusshekleidung noth- wendig ist. Was dagegen die Leistungsfähigkeit betrifft, bo ist ein geübter Skiläufer einem nur mit Kanadiern ausgerüste- ten Manne wohl immer über- legen. Die einzige Ausnahme bildet vielleicht sehr hart ge- frorener (vereister) Schnee, wo der Mann mit Kanadiern, deren Geflecht nicht so leicht rutscht, auch grössere Steigungen direkt überwinden kann. Dagegen ist es schon öfters vorgekommen, dass beim Queren solcher Hänge mit Kanadiern oder beim seitlichen Treppen- treten, die dadurch entstandene Hebelkraft grösser war als die Wider- standsfähigkeit des Holzrahmens, so dass ein Bruch des letzteren die Folge war. Dass die Skier nicht nur bei guter Skibahn, sondern auch unter ungünstigen Verhältnissen gute Dienste leisten, habe ich zu beweisen versucht. Bei tiefem, weichem Schnee ziehe ich sie den Kanadiern un- bedingt vor, da das ohnehin schon anstrengende Einsinken und Wieder- heben des Fusses noch dadurch besonders mühsam wird, dass beim Ein- sinken Schnee von oben auf die Trugers nachbricht, welcher jedesmal mit herausgezogen werden muss. In ganz besonders lästiger Weise zeigte sich dieser Uebelstand bei der schon vorhin erwähnten Skifahrt über den Oberalp und Luckmanier, wo wir mit beiden Arten versehen waren und ich die Kanadier probeweise eine kurze Strecke lang benutzte; ich habe sie gern wieder abgelegt. Ein Abfahren wie mit Skiern ist mit den Trugers unmöglich, die Bewegung bleibt vielmehr auch abwärts die des gewöhnlichen Gehens. Wenn der Herr Verfasser jenes Artikels meint, dass man bei längeren Fahrten eher mit dem Ski ermüde, so bin ich in der Lage, dagegen erwähnen zu können, dass ich schon häufig die Skier 10 bis 13 Stunden am Tage an den Füssen hatte, ohne unverhältniss- mässig ermüdet gewesen zu sein. Weiter führt er zu Gunsten des Kanadiers an, dass die Skier stets sorgfältiger Pflege bedürften, während dies bei ersterem nicht der Fall sei. Auch das Lederzeug an diesem muss geölt werden, wenn es nicht zu sehr unter der Nässe leiden soll; im Uebrigen sagte ich schon oben, dass die Skier ohne nachtheilige Folgen mehrere Tage vernachlässigt werden können, wenn sie nur nachher wieder in richtige Behandlung kommen.

*} »Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine:, Jahrgang 1894, I. Band Januar-März): - Der Kanadische Schneeschuh als militärisches AusrüstungsmitteK, von Steinitzer, kgl. bayr. Pr. Lt.

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Eine neue Küeklauflaffete für Feldgeschütze.

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Trotz alledem bin ich weit entfernt, die Kanadier zn verwerten; ich möchte sie im Gegentheil als ein unter Umständen sehr schätzens- werthes Reservestück empfehlen. Bei ihrem geringen Gewicht und Umfang lassen sie sich leicht auf dem Rücken tragen, wie wir dies bei unseren zahlreichen Skifahrten im Schwarzwald, in den Vogesen und den Alpen stets gethan haben. Es ist nicht nöthig, dass jeder Betheiligte ein Paar Kanadier mitführt, sondern für mehrere Paare Skier genügt ein Paar als Reserve. An vereisten Gängen, in dichtem Unterholz oder bei einem Heissen des Lederzeuges oder gar Bruch eines Skis leisten sie dann ausgezeichnete Dienste. Natürlich hängt es eben sehr von der Uebung jedes Einzelnen ab, ob er in dem betreffenden Gelände besser und schneller mit Skiern oder mit Kanadiern vorwärts zu kommen glaubt.

Im Allgemeinen ist und bleibt jedenfalls der norwegische Schnee- schuh seinem amerikanischen Genossen weit überlegen. Ich glaube kaum, dass Nansen die Durchquerung Grönlands auf Kanadiern geglückt wäre,*) oder dass Patrouillengänge, wie die beim 31. österreichischen Infanterie- Regiment unternommenen, mit gleichem Erfolg durchgeführt worden wären. Bei weiterer militärischer Verwendung von Schneeschuhen wird man daher wohl ohne Zweifel in erster Linie zu den norwegischen greifen, wie dies ja auch bisher geschehen ist. Nennt doch auch Nansen, der beste Kenner aller einschlägigen Verhältnisse, seine Skier »das überlegenste aller auf Schneeflächen in Anwendung kommenden Beförderungsmittel«.**)

Eine neue Rücklauflaffete für Feldgeschütze.

Mit pinor Abbildung.

Die Laffeten der Schnellfeuer-Feldgeschütze sind in allen Staaten, die solche Geschütze beschafft haben oder beschaffen wollen, mit einem Sporn oder Spaten versehen, welcher sich nach dem ersten Schuss in den Boden eindrückt und so das Geschütz feststellt.

Hierdurch wird das Vorbringen des anderenfalls durch den RUckstoss znrücklaufenden Geschützes unnöthig gemacht, und die ersparte Zeit kann für das erneute Laden und Feuern nutzbar gemacht werden, wodurch man zu einem Schnellfeuer gelangt, auf das man bis dahin bei dem Feldgeschütz viel zu wenig Werth gelegt hatte.

Der Sporn oder Spaten allein erwies sich jedoch nicht als genügend, um den Rücklauf des Geschützes in dem gewünschten Maasse zu beseitigen, und auch das Festlegen der Räder mittelst eines Bremstaues entsprach nicht den Anforderungen, da das Geschütz beim Schuss Sprünge nach rechts oder links machte und dabei die Räder ungewöhnlich in Anspruch genommen wurden.

*) Nansen spricht sich selbst ungünstig darüber ans: er erzählt, wie er bei seiner Wanderung über das Inlandseis sich Splitter von seinen Trugers schnitt und daran kante, um den brennenden Durst etwas zu löschen, so dass sie ziemlich dünn woren, als die Reisenden an der Westküste anlangten. »Glücklicherweise war dies der einzige Gebranch, den wir für die Trugers hatten.*

**j Der Herr Verfasser hat in den letzten Tagen des Monat Juli d. Js. mit drei anderen Herren wieder eine mehrtägige Tour im Iierncr Oberlnnd gemocht, auf dessen auch im Sommer tief verschneiten Gletschern sie ihre Schneeschuhe mit grossem Erfolg benutzen konnten; sonst wurden sie getragen oder wie ein Schlitten gezogen. Die Verwendung von Skiern im Sommer in unseren Breiten dürfte wohl neu sein.

D. Red.

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Eine neue Kücklauflaffete für Feldgeschütze.

Eine neue Rücklauflaffete für Feldgeschütze.

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Um Abhülfe zu schaffen, mussten daher Mittel ersonnen werden, diesen Uebelstand zu beseitigen, und sie wurden zunächst darin gefunden, dass man die Laffete aus zwei übereinanderliegenden Theilen bestehen liess. Der obere Theil trug in den Pfannenlagern das Geschützrohr und glitt schlittenartig auf dem unteren Thcile zurück, welcher die Achse mit den Rädern trug. Die Anbringung von Spiral- und Belleville-Federn, Kautschukpuffern und die Anwendung komprimirter Luft oder Flüssigkeit bewirkten das selbstthätige Vorführen des Geschützes in die Schussstellung, so dass ein erneutes Richten erspart oder doch auf ein Minimum von Zeit herabgemindert werden konnte.

Dies ermöglichte wieder eine Steigerung der Feuergeschwindigkeit, welche nach den Berichten über Versuche sich auf 10 bis 20 Schuss in der Minute erhöhen liess.

Derartige Rücklauflaffeten wurden in den verschiedensten Konstruk- tionen von Krupp, Maxim-Nordenfelt, Schneider, Canet, Chatillon & Com- mentry, St. Chamond, Elswick, Hotchkiss, Nordenfeit, Bofors, Finspong u. s. w. hergestellt, ohne dass bisher eine der europäischen Feldartillerien sich zur Annahme eines der konstruirten Systeme bewogen gefunden hätte.

Es kann nur als richtig bezeichnet werden, dass sich die Privat- industrie mit dem Ersinnen der Konstruktion und der Ausführung der Versuche befasst, was die Betheiligung der militärischen Konstrukteure keineswegs ausschliesst, sondern eher noch fördert. Je grösser der Wett- bewerb darin ist, desto mehr wird geleistet und desto eher wird man zu einem einwandfreien System gelangen. Nur wird man sich von Hause aus darüber klar sein müssen, dass sich Vollkommenheit auch hierbei nicht wird erreichen lassen, denn auch die beste Rücklauflaffete wird eine von Menschenhand hergestellte Maschine sein, welche eben deshalb von grösseren oder kleineren Mängeln nicht frei sein wird. Nur Vorzüge werden sich selten bei einer Sache finden; wie Licht Schatten hervorruft, so wird man selbst bei den grössten Vortheilen Nachtheile mit in den Kauf nehmen müssen.

Mit einer neuen Rücklauflaffete ist der französische Konstrukteur Darmancier hervorgetreten, welche von der Firma Vickers, Sons and Maxim, Limited in London für ein 75 mm Feldgeschütz hergestellt worden ist. Dieses Kaliber ist übrigens von sämmtlichen I-affetenkonstruk teuren als das Normalkaliber für Schnellfeuer-Feldgeschütze angenommen worden.

Ueber die Konstruktion dieser patentirten Vickers- Darmancier- Laffete ist Folgendes zu sagen.

Am Schwanzende der Laffete ist der Spaten in der üblichen Weise angebracht, welcher in den Boden des Geschützstandes eingedrückt wird. Ueber den Spaten hinweg gleitet die Laffete in ihrer ganzen Länge schlitten- artig auf zwei Gleitschienen zurück, wobei die Räder, am Boden bleibend, die Bewegung nach rückwärts mitmachen.

Hierbei tritt nun die Bremsvorrichtung in Thätigkeit, welche in einem unterhalb der Laffete befindlichen Pufferrohr (siehe Abbild.) angebracht ist. In diesem Rohr bewegt sich ein an der Achse festgemachter Brems- kolben gegen Glycerin und Wasser, wobei eine um den Kolben gelegte Spiralfeder zusammengedrückt wird. Wenn die Kraft, welche den Rück- lauf erzeugte, zu wirken aufgehört hat, so dehnt sich die Spiralfeder wieder aus, die Laffete gleitet auf den Gleitschienen nach vorwärts, und die Räder machen diese Bewegung entsprechend mit.

Durch diese ausserordentlich einfache Anordnung wird die Kraft des RUckstosses nicht auf die Räder ausgeübt, sondern auf den Spaten. Die

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Kleine Mittbeilungen.

Wirkung auf ihn ist an sich eine minimale, da sie zum grossen Theil von dom Bremskolben mit der Spiralfeder verbraucht wird, so dass das ganze System der Laffete nur sehr geringen Erschütterungen ausgesetzt ist. Dabei beträgt der Rücklauf der LafTete nach dem Schuss nur 75 bis 80 cm. Beim Eintreten des Geschosses in die Züge findet keinerlei zur Seite Springen der Räder statt, das Geschütz bleibt vielmehr ruhig in Stellung. Nach der Rückkehr in die Schussstellung ist die Richtung nicht verändert, wovon sich Schreiber dieser Zeilen bei einem Versuchsschiessen mit dieser Laffete und einem 75 mm Feldgeschütz mehrfach zu über- zeugen Gelegenheit hatte.

In gezieltem Schnellfeuer wurden vierzehn, zuweilen fünfzehn Schuss in der Minute abgefeuert, wobei die Trefferergebnisse sehr gute waren, was vornehmlich auf das Konto der Laffete zu setzen ist. Das Geschütz wurde von vier Mann bedient; Nr. 1 öffnet und schliesst den Verschluss, Nr. 2 ladet, Nr. 3 reicht die Munition zu, Nr. 4 richtet und feuert ab.

Einige Zahlenangaben mögen gestattet sein. Das Gewicht des voll- ständigen Geschützes mit Rohr und Laffete beträgt 990 kg; Geschoss- gewicht 6,5 kg; Mündungsgeschwindigkeit 500 msec.; Gewicht der Patronen- hülse (f,78 kg; Gewicht der Ladung (Ballistit) 0,461kg.

Der gesummte RUcklauf-Bremsapparat dieser Laffete ist von genügender Widerstandskraft und in jeder Beziehung einfach und feldmässig kon- struirt. Durch Sprengstücke von einschlagenden Granaten wird er nur in den seltensten Fällen Beschädigungen unterliegen, zumal er unterhalb der Laffete in sehr geschützter Lage angebracht ist. Rollte eine ausnahms- weise Verletzung der Bremsvorrichtung stattfinden, so dass sie ausser Thätigkeit gesetzt würde, so wäre die Laffete dann immer noch ebenso gebrauchsfähig wie jede andere Feldlaffete, welche die Rücklauf-Brems- vorrichtung nicht besitzt. Wird diese durch einen Volltreffer zerstört, so wird das Geschütz allerdings meist unbrauchbar; dies ist aber auch der Fall, wenn die gewöhnliche Laffete von einem Volltreffer getroffen wird. Jedenfalls wird man nicht unterlassen dürfen, mit dieser neuen Rücklauf- Iaffete für Schnellfeuer-Feldgeschütze die eingehendsten Versuche anzu- stellen, um ihre Brauchbarkeit nach allen Richtungen anf das Genaueste zu erproben.

Kleine Mittheilungen.

Ueber die Erfindung des rauchlosen Schiesspulvers.*) Das rauchlose ►Schiesspulver ist, wenn man von der Verwendung der faserigen Schiessbitumwolle absieht, die in der österreichischen Armee am meisten in Versuch gebracht wurde, in Form von Körnern oder Blättchen von einem Deutschen, dem bekannten Uauptmann Eduard »Schul t/e von der preussischen Artillerie, erfunden worden. In seinem eng- lischen Patent Nr. 900 vom 11. April 1864 beschreibt er die Herstellung eines Schiess- pulvers aus nitrirter staubförmiger Holzccllulose, welche zu Platten gepresst und zu Blättchen von Viß Zoll englisch Dicke geschnitten wird, und welches sich besonders für gezogene kleinkalihrige Gewehre eignen soll. Dieses Pulver musste rauchlos sein.

*) Im Heft 5 der »Kriegstechnischen Zeitschrift« ist auf S. 216, Zeile 9 und 10 von unten, gesagt, dass das Pulver (gemeint ist natürlich das rauchlose) eine Nach- erfindung des französischen sei. Um unserer Armee und unserer Industrie in dieser Beziehung kein Unrecht geschehen zu lassen, geben wir dem folgenden, uns von sachverständiger Seite zugegungenen Artikel Kaum. D. Red.

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Kleine Mittheilnngen.

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Aehnliehes Pulver ist von da ab bis jetzt viel als Schultze-Pulver auf der Jagd benutzt worden. Bald brachte der Engländer Friedrich August Abel, der Vater der modernen Art, Schiessbaumwolle herzustellen, Lösungsmittel derselben in Vorschlag, um die Pulverkömer zu härten. Im deutschen Patent Nr. 4829 vom Jahre 1878 beschreibt die Dynamit -Aktiengesellschaft vorm. Alfred Nobel A Co. das Verfahren, Sprenggelatine herznstellen aus Nitroglycerin und Kollodiumwolle unter eventueller Benutzung von Lösungsmitteln dieser Stoffe. Auf diesem Verfahren beruht die Herstellung eines viel benutzten rauchlosen Schiesspulvers, welches bis auf die neueste Zeit als Würfel- oder Röhrchen- oder Fadenpulver viel Verwendung in militärischen Waffen findet. Ein grosser Theil der brisanten Sprengstoffe ist nämlich gleichzeitig als Schiesspulvcr zu verwenden, wenn man die Zündung an Stelle von starken ßetonationskapseln durch schwächere Zündhütchen oder Schlagröhren hervorruft; diese Stoffe können als Sprengstoffe und als Schiesspulver dienen, wenn nöthig natürlich unter theilweiser Modulation derselben. Im Jahre 188.7 beschreibt Max v. Förster, Fabrik für rauch- loses Pulver, im deutschen Patent Nr. 23 808 ein Verfahren, um durch Behandeln von Schiessbaumwolle mit Essigätber erstere zu- lösen, dadurch die poröse Beschaffen- heit derselben zu zerstören und eine gelatinöse Masse herzustellen, die getrocknet einen Deberzng von '/smm Dicke über die komprimirten Schiesswollstücke bildet. Wenn dieses Verfahren zunächst auch nicht zur Herstellung von Schiesspulver be- stimmt war, so beruht das Prinzip der modernen rauchlosen Blättchenpulver doch darauf, die faserförmige Struktur der Schiessbaumwolle durch Lösen vermittelst Essigäthers zu zerstören und eine nicht poröse harte Platte wie obiger Ueberzug beschaffen herzustellen. Alle diese Verfahren gemeinschaftlich mit noch vielen anderen, so besonders die Herstellung von Celluloid aufgelöste Nitrocellulose in harte Form gebracht bildeten die Grundlage für die rauchlosen Militärpulver, und haben sich Männer wie der preussische General Küster, der preussische Professor Scheibler hinreichend darum verdient gemacht und genug neue und eigenthümlichc Manipulationen in Anwendung gebracht, um im Verein mit dem ersten Erfinder und den späteren Mitarbeitern den Deutschen einen sehr hervorragenden Antheil an der Erfindung des rauchlosen Schiesspulvers zu sichern.

Wasserfllter. (Mit Abbildung.) Ein Herr Dr.

Castillo, Anhänger einer republikanischen Verfas- sung für Cuba und demgemäss Freund der Vereinig- ten Staaten, hat sich einem Zeitungsberichterstatter gegenüber ausführlich über Alles ausgesprochen, was Offizieren und Mannschaften einer auf Cuba zu landenden amerikanischen Armee zu ihrem Unter- halt nöthig sei. Er betont vor Allem, dass jeder in Cuba landende Soldat einen Taschen- Wasser- filter mit sich führen müsse. Dieser Filter könne bestehen aus einem porösen Steine oder irgend einer porös gemachten Masse als Filter, verbunden mit einem etwa einen Fuss oder etwas mehr langen Gnmmirohr, das an dem gegenüber der Verbindung befindlichen Ende ein Mundstück habe. Das Trink- wasser werde nämlich während der Regenzeit durch Vermischung mit organischen Stoffen so ver- dorben, dass es, ohne Filtrirung, innerhalb von 14 Tagen für eine ganze Armee verderbenbringend sei. Der Zeitungsberichterstatter erwiderte dem Dr. Castillo, dass die amerikanische Armee bereits mit dem in der deutschen Armee eingeführten

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Kleine Mittheilungen. Bücherschau.

Berkefeld-Armeefilter versehen sei, eines Taschenfilters also nicht bedürfe. Dieser Berkefeld-Filter, wie er in der amerikanischen Armee eingeführt ist, und dessen Ab- bildung nach dem > Army and Navy Journal« vom April d. J. hier gegeben wird, gestattet, mittelst einer mit ihm verbundenen Handpumpe, einen F.imer schnell mit ältrirtem Wasser zu füllen. Der Filter selbst besteht aus Infusorienerde (Kieselgur) aus Deutschland, welche steinähnlich und in Form einer hohen Bohre gestaltet wird. Sie ist nur an einem Ende offen, durch welches das Wasser rasch durchsickert. Solche Filter sind für Fcldlazarethe, für längere Lagerung besonders im Festungs- kriege u. s. w. sehr zu empfehlen.

-&(*■ Bücherschan.

Das kleine Buch von der Marine. Ein Handbuch alles Wissenswertheu über die deutsche Flotte nebst ver- gleichender Darstellung der Seestreit- kräfte des Auslandes von Georg Neu- deck, Kaiserlicher Marine - Schiffsbau- meister und z. Zt. kommandirt zum •Stabe des ostasiatischen Kreuzerge- schwaders, und Dr. Heinr. Schröder, Lehrer an der Kaiserlichen Deckoffizier- schule zu Kiel. Mit einer Karte und 644 Abbildungen. Kiel und Leipzig. Verlag von Lipsius A Tischer. Preis, elegant gebunden, Mk. 2, .

Bei dem erhöhten Interesse, welches augenblicklich alle KreiBe unseres Volkes für die Marine in Anspruch nimmt, will dieses kleine Marinebuch zunächst dem Izuen in knapper, allgemein verständ- licher Form Aufschluss geben über alle Verhältnisse der Marine. Im ersten Theil des Buches, der aus der Feiler des Herrn Dr. Heinr. Schröder hervorgegangen ist, giebt uns der Verfasser in kurzen Worten die Geschichte der deutschen Flotte von den Friesen und Niedersachsen bis zur Jetztzeit einschliesslich des Gesetzes vom 10. April 1898. Im Folgenden werden wir mit der Organisation, dem Personal und den Laufbahnen des sich dem Marine- dienst Widmenden bekannt gemacht. Bei dem nun folgenden Theil über die Uni- formen der Marine wäre es erwünscht und für den Leser anschaulicher gewesen, wenn die über die einzelnen Chargen der •Seeoffiziere sowie die über die Acrmel- abzeichen der Mannschaften der Marine uufgestelltcn Tabellen in Bunt ausgeführt worden wären. Im dritten Theil, das Material der Marine, welcher von Herrn Neudeck geschrieben ist, zeigt der Ver- fasser an der Hand vieler und guter Ab- bildungen die Entwickelung der Schiffs- arten vom Dreidecker-Linienschiff bis zu den Kolossen der Brandenburgklasse.

I Gleichzeitig bietet dieser Theil alles Wissenswerthe über unsere Handels- marine sowie den in den letzten Jahren an Grossartigkeit mit den englischen Cowesregattcn konkurrirenden Segel- regatten des Kaiserlichen Yachtklubs und den in Deutschland bestehenden 29 grösseren Seglervereinen, Als Schluss dieses dritten Theiles ist ein Vergleich unserer Marine im Jahre 1904 mit den Kriegsflotten der anderen Grossmächte auf gestellt. Der vierte und letzte Abschnitt des Buches beschreibt den Kaiser-Wilhelm- Kanal sowie die deutschen Marinestädte.

So sehen wir ein Büchlein vor uns, das allen jungen Deutschen, die Lust haben, dem Vaterlande in der Marine ihre Dienste zu weihen, aufklärt über das, was man bei ihrem Eintritt und nach ihrem Eintritt von ihnen verlangt, und das allen denen, die ein Interesse an der Fortentwickelung unserer Marine haben, ein willkommenes Hand- und Nachschlagebuch sein wird.

Verkehrs-, Beobachtunge- und Nach- richtenmittel in militärischer Beleuch- tung von W. Stavenhagen, Berlin, Verlag von Hermann Peters.

Eine vortreffliche Studie, welche die für die Kriegführung wichtigeren Verkehre u. s. w. Mittel in ihrer militärischen Be- deutung und Anwendung unter Hinweis auf die Kriegsgeschichte skizzirt. ln leicht fasslicher Schreibweise sind die ein- zelnen Abschnitte behandelt und Tech- nisches nur da in die Betrachtung hinein- gezogen, wo es unerlässlich erschien. Aus der Schrift wird Jeder, der sich für diese in der Kriegführung so wichtigen Hülfs- mittel interessirt, Unterhaltung und Be- '■ lelirung linden; in einer zweiten Auflage würden dann verschiedene Neuerungen, wie auf dem Gebiete der Telegraphie, des Brieftuubenwesens (Taubenpost im Feld- kriege) und der Luftschiffahrt (Wölfert, Schwarz, v. Sigsfeld) zweckmässig einzu- fiechten sein.

öedruekt in der Königlichen llufbucbdrnckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin »VV„ Kochntnun GS— 71.

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Nachdruck, auch unter Quellenangabe, ohne Erlaubniss untersagt.

Maschinen als Waffen.

Mit neun Abbildungen.

»Kriegsbrauchbar, dauerhaft, einfach, billig«, waren die Forderungen, die man, wie vor 25 Jahren gelehrt wurde, an alles Kriegsmaterial, besonders an alle Waffen, zu stellen hatte. Diese Forderungen gelten heute nicht mehr in dem Sinne, wie sie damals aufgefasst wurden, sie werden aber ewig gelten bleiben, wenn man die Begriffe eich weiter ent- wickeln und ändern lässt entsprechend dem Standpunkte, den jeweils die Technik einnimmt. Was früher nicht kriegsbrauchbar hergestellt werden konnte, kann heute vielleicht kriegsbrauchbar sein, weil man verbessertes Material und bessere Arbeitsmaschinen zur Verfügung hat; der allgemeine Stand der Bildung der Menge hat sich gegen früher so gehoben, dass heute Vieles einfach erscheinen muss, was vor Jahren für schwer zu begreifen und zu behandeln galt; was früher theuer erschien, erscheint heute billig; billig, weil das Geld im Werthe gefallen ist und immer weiter fällt; billig vor allen Dingen in Hinblick darauf, dass das Fehlen des Gegenstandes im Kriegsfälle einen viel grösseren Schaden an Menschen- blut und Geld verursacht, als die rechtzeitige Beschaffung Geld gekostet haben würde. Das muss man stets im Auge behalten, wenn man den ■Werth eines Kriegsmittels prüft; es ist heute nicht thunlich, ein Kriegs- mittel in übel angebrachtem Kleben am Alten abzuweisen mit den Worten: Zu komplizirt, zu theuer, also kriegsunbrauchbar c, indem man das Neue in Gedanken nur der Gestalt nach mit dem Alton oberflächlich vergleicht.

Es ist eine Naturnothwendigkeit, dass eine Waffe, je mehr Aufgaben sie gewachsen sein soll, um so komplizirter aufgebaut, um so vorsichtiger und sorgfältiger behandelt, um so gewissenhafter und besser bedient werden muss. Verwarf man nicht vor Jahren die gezogenen Geschütze, weil man sie nicht zu gebrauchen verstand und sie so verwenden wollte, wie vordem die glatten V Hielt man nicht lange den Zeitzünder für kriegsunbrauchbar, weil zu komplizirt? Und heute? Die letzten glatten Geschütze werden mit der Umbewaffnung der englischen Feldartillerie fallen; der Zeitzünder ist die Sehiessparole für alle Feldartillerien.

Die Infanteriegewehre! Was für Gründe hat man gegen die Mohr- ladevorriohtung vorgesucht und vorgebracht! Welcher Staat hat aher heute kein Mehrladegewehr; welcher erklärt die Mehrlade Vorrichtung für zu komplizirt, für zu theuer, für kriegsunbrauchbar? Wer traute sich nicht mehr zu, seine Leute so auszubilden, dass die siehero Handhabung und die Feuerdisziplin gewahrt bleibt?

Jede Feuerwaffe ist eine Maschine, indem sie Kraft erzeugt und in Bewegring umsetzt. Wenn man die Xutzarheit mit der Kraft und gar mit dem Gewicht der Walto vergleicht, ist die Fouerwaffe eine Maschine,

Krieget echuhche Zeitschrift, ltftti. 10. Heft. 29

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Maschinen als Waffen.

deren Ausnutzung im Verhältnis» zu anderen Arbeitsmaschinen überaus gering ist. Durch Anbringung von Federn, Hebeln, Rollen u. s. w. ist im Laufe der Jahre die Leistung der Feuerwaffen-Maschinen gesteigert, ihre Ausnutzung verbessert worden.

Man hat den Namen Maschine bisher für eine Kanone oder ein Gewehr nur nicht angewendet, weil man mit diesem Wort den Begriff eines schwer verständlichen und komplizirten Aufbaues unwillkürlich verband. Erst der allerneuesten Zeit war es Vorbehalten, wenigstens einer bestimmten Art von Feuerwaffen den Begriff Maschinenwaffen beizulegen. Wohl auch nur aus Noth that man es, indem man keinen anderen passenden NamSn zu finden vermochte. Es handelt sich um die Waffen, die den Rückttoss zum Oeffnen des Verschlusses, zum Auswerfen der gebrauchten PatrottenhUlse, zum Spannen des Verschlusses, zum Neuladen und, wenn man Will, wieder zum Abfeuern des folgenden Schusses benutzen, so dass man im Stande ist, durch eine einmalige Hebelbewegung ein fortgesetztes Schiessffn herboizuf Uhren, so lange der eingeführte Patronen vorrath reicht.

Del Begründer dieser Waffen ist Hiram Maxim, ein geborener Amerikaner, ein Maschineningenieur von Beruf.

Die Gedanken, die ihn den Muth fassen Hessen, allen Vorurtheilen zum Trotz eine solche Maschinenwaffe herzustellen und ein Vermögen dabei zunächst zuzusetzen, mögen zweierlei gewesen sein. Der erst« : »Man hat Beit Jahrhunderten sich bemüht, die Zahl der Ladegriffe beim Gewehr zu verringern; von 14 Griffen bei der alten Muskete ist man mit dem Mehrlader auf zwei gekommen: das Oeffnen und Schliessen des Ver- schlusses näeh jedem Schuss uud das Nachfüllen des Magazins nach einer Anzahl von mehreren Schüssen. Jeder ersparte Ladegriff ward als Fort- schritt der Waffentechnik gepriesen. Warum soll man jetzt stehen bleiben und nicht versuchen, den Griff dos Oeffnens und Schliessens des Ver- schlusses fortzuschaffen?« Der zweite, der nur dem Gehirn eines genialen Mannes entspringen konnte, betrifft das Wie bei der Verwirklichung des ersten. »Das unangenehme schädliche Moment beim Schuss *, dacht« er sich, »das mit der Erhöhung der ballistischen Leistung der Waffe immer unbequemer und schädlicher geworden ist, der Rückstoss, dem muss die Arbeit aufgebürdet werden, der soll dem Schützen dienstbar gemacht werden.« An der Grossartigkeit dieses Gedankens geht man heute, wenn man die Maschinenwaffen sieht, einfach vorbei wie man gewohnt ist, das Arbeiten einer Maschine überhaupt als etwas ganz Selbstverständliches anzusehen, ohne sich die unendlichen Schwierigkeiten und Mühen klar zu machen, die darin bestanden haben, die Idee in die Praxis, d. h. in Maschinentheile, in Hebel und Bolzen, in Federn, Ventile und Drücker umzusetzen, ohne sich Rechenschaft zu geben über die eiserne Konsequenz, mit der der Erfinder seine Idee verfolgen musste, um sie praktisch brauchbar zu machen. Was Alles erst misslingen musste, bis Etwas gelang, das erfährt die Welt nicht, das bleibt ganz allein auf den Nerven des Konstrukteurs hängen sowie das einfach absprechende Urtheil oder gar der Spott über den Unsinn, der nicht gelang.

Genial wie die Idee ist aber auch die praktische Verwirklichung derselben.

Wenn man den Rückstoss arbeiten lassen will, so muss man sein Wesen zuerst ergründen. Der Laie nimmt gewöhnlich an, dass der Rück- stoss eintritt in dem Augenblick, in welchem das Geschoss den Lauf verlässt. Das ist falsch. Der Vorgang im Rohr nach der Entzündung der Ladung geschieht in der Weise, dass Geschoss und Rohr sich gewisser-

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Maschinen als Waffen.

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maassen von einander abstreifen, indem das Rohr nach rückwärts, das Geschoss nach vorwärts aasweicht. Da dieses gegenseitige Ausweichen durch dieselbe Kraft, den Druck der Pulvergase, geschieht, sind die Bewegungsmengen gleich, d. h. das leichtere Geschoss geht jeweils mit entsprechend grösserer Geschwindigkeit nach vorwärts, als das schwerere Rohr nach rückwärts ausweicht. Bald nachdem das Geschoss aus der Rohrmündung entwichen ist, hört auch der Rückstoss auf, indem der innere Druck im Rohr sich mit der Atmosphäre ausgleicht. Der ganze Vorgang spielt sich bei den heutigen Feuerwaffen in einem ganz kleinen Bruchtheil von einer Sekunde ab.

Der Verschluss soll sich durch den Rückstoss vom Rohr trennen, damit eine Lücke gewonnen wird zum Ausziehen der gebrauchten Hülse und zum Einführen einer neuen Patrone. Die Trennung von Lauf und Verschluss, sagt Maxim, soll aber nicht beginnen, wenn der Rückstoss beginnt, sie soll erst beginnen, gleich nachdem das Geschoss das Rohr verlassen hat. Andernfalls würde während der Zeit, in der das Geschoss im Rohr sich vorwärts bewegt, die Patronenhülse sich mit dem Verschluss

Abbild. 2.

nach rückwärts aus dem Rohr herausziehen und in die sich bildende Lücke zwischen Rohr und Verschluss tretend hier die alleinige Abdichtung übernehmen müssen. Dazu würde eine besonders starke Hülse erforderlich werden; auch eine solche würde vielleicht noch gelegentlich reissen und zu einem Durchschlagen der Gase nach hinten führen. Jedenfalls wird es sicherer sein, den Verschluss geschlossen zu behalten, so lange das Ge- schoss noch im Rohre ist. Darum hat Maxim es für zweckmässig befunden, die Einrichtung so zu treffen, dass beim Schuss so lange, als das Geschoss im Rohr ist, Rohr und Verschluss zusammen zurückgleiten, und erst nachher der Verschluss allein weitergeht. Lässt man nun noch durch den zurückgleitenden Lauf und Verschluss eine passende Feder sich spannen, so wird diese Feder verwendet werden können, nach dem Neu- laden Verschluss und Lauf wieder in die Schusslage zurückzubringen.

Damit der Lauf sich rückwärts bewegen kann, ohne aus seiner Richtung zu kommen, ist er in einen bronzonen Laufmantel gelagert, der beim Schüsse unbeweglich stehen bleibt. Diesen Laufmantel ( l Abbild. 1 und 2), sagt Maxim, kann man auch noch einem anderen Zwecke nutzbar machen. Es ist ja vorauszusehen, dass bei anhaltend schnellem Schiessen

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Muschinen als Waffen.

der Lauf sich sehr erhitzen wird; es wird also zweckmässig sein, ihn zu kühlen oder wenigstens die Möglichkeit zu schaffen, dass er während des Schiessens kühl gehalten werden kann. Es wird der Mantel also von so grossem Durchmesser zu machen Bein, dass man in ihn eine genügende Menge Kühlwasser eingiessen kann, welches dann unmittelbar den Gewehrlauf umgiebt. So hat denn der den gewöhnlichen Gewehrlauf umgebende Laufmantel einen Durchmesser von etwa 10 cm erhalten; er giebt dem Gewehr damit das äussere Ansehen eines Geschützes (daher auch der Name Maxim-Geschütz, der statt Maxim-Gewehr oft angewendet wird). Um zu zeigen, wie der Techniker im Einzelnen Vorsorgen musste, um etwas Brauchbares zu schaffen, sollen einmal weiter die Folgerungen be- trachtet werden, die aus dem Gedanken des Wasserkühlens entspringen und in technische Anordnungen umgesetzt werden mussten. Wenn ich Wasser auf den Lauf bringe, so wird er leicht rosten. Also muss der Lauf äusserlich verkupfert werden, um dem Kosten vorzubeugen. Wenn ich Wasser eingiessen will, so muss ich es auch wieder ablassen können. Also muss der bronzene Laufmantel zwei Oeffnungen haben, die einfach mit Stopfen verschraubt werden können, eine zum Eingiessen oben, eine zum Auslassen unten (w und ic1 Abbild. 1 und 2). Das Wasser wird bei grosser Erhitzung sich tlieilweise in Dampf verwandeln; der Dampf kann den Laufmantel vielleicht zersprengen: also muss ein Dampfablass ein- gerichtet werden. Eine einfache Dampföffnung genügt dazu nicht, weil durch diese auch das Wasser ausfliessen könnte. Darum die folgende Anordnung: Oberhalb des Laufes wird im Laufmantel ein Dampfrohr ( d Abbild. 2) fest gelagert; das Dampfrohr hat am vorderen und hinteren Ende oben je eine Eintrittsöffnung für den Dampf ( o und o1). Giesst man den Laufmantel nicht ganz voll Wasser, so wird beim Schiessen mit Erhöhung der Dampf, der sich auf der oberen Wasserfläche sammelt, durch die Oeffnung o in das Dampfrohr eintreten, beim Schiessen mit Senkung durch die Oeffnung o1, welche dann über der Wasserfläche steht. Da das Dampfrohr nach der Seite des Laufmantels hin offen ist, so tritt der Dampf aus ihm von selbst ins Freie. Aber noch ein technischer Kunstgriff ist nöthig. Die Oeffnung (o oder O1). des Dampfrohres, welche jeweils am tieferen Ende ist, sich also unter Wasser befindet, muss sich selbstthätig Bchliessen. Dies geschieht durch ein Gleitrohr (jf Abbild. 2), welches über das Dampfrohr gesteckt ist und durch sein eigenes Gewicht allemal nach dem tieferen Ende rutscht und jeweils damit die tiefer liegende Oeffnung verschliesst.

Naturgemäss wird der Laufmantel noch dazu dienen können, in seiner hinteren Verlängerung einen Kasten zu tragen (K Abbild. 1), der den Versehlussmechanismus anfnimmt. Er ist auch das Bindeglied, welches zur Befestigung des Laufes auf einem Untergestell, der Laffete, dient. Denn mittlerweile hat das einfache Gewehrrohr eine so umfangreiche Gestalt angenommen, dass es nicht mehr an der Schulter des Schützen abgefouert werden kann, vielmehr auf eine Art von Laffete gesetzt werden muss.

Die Arbeiten nun, die Maxim dem Lauf aufbürdet, während er um die 2 bis 3 cm im Laufmantel nach jedem Schuss zurückgeht, sind zwei- facher Art:

Erstens soll er einen Patronenzuführer in Thätigkeit setzen, damit für den folgenden Schuss eine neue Patrone bereitgelegt wird. Auch dieser Patronenzuführer verdient seiner Eigenart wegen genauere Be- trachtung. Er ist in den Abbild. 3, 4, und 5 dargestellt. Er zeigt die-

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seihe Kühnheit des Gedankens und de» technischen Vertrauens, wie Alles, was Maxim unternahm. Zunächst erfand Maxim eine ganz neue Art des Magazins; die bekannten Magazine waren alle zu klein, um die grosse Menge von Patronen aufzunehmen, um die es sich beim Maschinengewehr mit seiner riesigen Feuergeschwindigkeit handeln musste. Das Magazin sollte ein langer Patronengurt sein (m Abbild. 4), in den Patrone neben Patrone mit der Hand oder mit einer besonders konstruirten Füllmaschine einzufüllen war. Je nach dem Zweck oder den Wünschen der Abnehmer der Waffe sind die Gurte von verschiedener Länge, so dass sie 20 bis 2000 Patronen fassen. Der Patronengurt oder mehrere solcher Gurte zu- sammen Messen sich dann einfach in einen Kasten K verpacken.

Der Patronenzuführer sollte es nun übernehmen, wenn er durch den zurückgleitenden Lauf in Thätigkeit gesetzt wurde, den Gurt nach jedem •Schuss um eine Patrone weiter durchzuziehen. Zu dem Zwecke musste der Zuführer unmittelbar hinter dem Laufmantel, oben über dem Laufe aufgesetzt werden (siebe Z in Abbild. 1), so zwar, dass er zur Revision und Reinigung leicht abgenommen werden konnte. Nachdem er fest auf-

Abbilil. :t. Abbild. 4.

gesetzt ist, zieht man das eine Ende des Patronengürtels von rechts nach link* mit der Hand soweit durch, bis die erste Patrone oben senkrecht über dem Gewehrlaufe liegt. Er würde durch sein eigenes Gewicht wieder nach rechts herausfallen, wenn er nicht durch die beiden gefederten Halte- daumen (der Durchschnitt Abbild. 5 zeigt nur einen, d) daran verhindert würde, welche sich von unten gegen die durch die zweite Patrone gebildete Ausbauchung des Gurtes anlegen (siehe Abbild, •!). Wollte man den Gurt wieder herausziehen, so müsste man die Haltedaumen erst mit der Hand aas- lösen. Denn während sie von unten fassen, fassen zwei andere Haltefinger (in Abbild. 4 u. 5 ist je einer, f, zu sehen) federnd von oben hinter die durch die erste Patrone gebildete Wulst, so dass auch von oben auf den Patronen- Abbild. 6. gurt ein federnder Druck ausgeübt wird. Nachdem ein- mal gefunden war, dass die Haltedaumen und Haltefinger im Stande sind, den Patronengurt in einer ganz genauen Lage festzuhalten, war es nicht mehr allzuschwer, ihnen durch Vermittelung de» Rückstosses das Vorschieben des Gurtes um eine Patronendicke nach jedem Schuss aufzubürden. Indem der Lauf zurückgeht, lässt Maxim ihn gegen den einen Arm eine» in dem Patronen- zuführer gelagerten doppelarmigen Hebels drücken; der andere Arm des

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Hebels ist so angebracht, dass er nach rechts seitwärts geht, wenn der erBte zurückgeht. Beim Ausweichen nach rechts zieht er die oberen Haltefinger mit nach rechts über die Wulst der nächsten Patrone. Geht dann der Lauf und mit ihm der Doppelhebel wieder in seine ursprüng- liche Lage, so nehmen die oberen Haltefinger, weil sie nicht über die Patrone wieder wegrutschen können, den ganzen Gurt um die Patronen- dicke mit, so dass also die neu erfasste Patrone nun gerade über den Lauf zu liegen kommt. Dieses Fingerspiel wiederholt sich nach jedem Schuss, kann also bis 600 Mal in der Minute geschehen. Die Waffe ist eben eine Maschine. Mancher alte Waffenkundige wird eine abweisende Miene aufsetzen und den Kopf schütteln, wenn er sich in diesen Mechanis- mus hineindenkt. Natürlich, wenn eine Maschine gut laufen soll, muss sie peinlich genau gearbeitet sein! So müssen auch hier die Patronen peinlich genau in den Gurt gesteckt sein, auch genau richtige Abmessungen haben, wenn die Maschine glatt laufen soll, das heisst, wenn das Feuer ohne Unterbrechung fortgehen soll. »Also kriegsunbrauchbar!« höre ich hinter mir rufen. »Für Sie, mein Herr, ja; Sie stammen noch aus der Zeit der glatten Kanonen, Sie haben, wenn Sie damals vielleicht die Ehre hatten, der Kommission anzugehören, die über die Einführung der ge- zogenen Geschütze befinden sollte, gewiss mit „Nein“ gestimmt. Ich werde mir aber Leute anlernen, welche den Maschinenmechanismus der 'Waffe genau kennen. Und dann werde ich die Waffe mit in den Krieg nehmen. Es mag ja einmal eine Ladehemmung Vorkommen, die wird von den sachkundigen geübten Leuten bald beseitigt sein.« »Solche Ladehemmungen kommen aber erfahrungsmässig immer in entscheidenden Augenblicken vor,« meinen Sie und verweisen auf Gravenreuth. »Nun, mein Herr, ich werde auch immer zwei Waffen nebeneinander gebrauchen. Die beiden werden doch nicht zu gleicher Zeit versagen! Damit genug! Leben Sie wohl!«

Zweitens soll der zurückgleitende Lauf eine Zugfeder y (in Abbild. 1 angedeutet) spannen, die ihn nachher wieder in seine alte Lage Vorbringen soll. Die Feder, eine Spiralfeder, liegt an der linken Seite des Schloss- kastens ausserhalb desselben. Ihr eines Ende ist vorne bei V (Abbild. 1) festgehakt, das andere endigt in eine Gliederkette, deren hinterer End- punkt an den kleinen Arm u befestigt ist; a ist fest verbunden mit einer horizontal liegenden Drehachse D, die quor durch den Schlosskasten geht. Diese Drehachse lagert in zwei Schienen (die rechte ist in Abbild. 2 als jV sichtbar), welche innerhalb des Schlosskastens an beiden Seitenwänden mit dem Laufe zurückgleiten, da sie starr mit dem Laufe verbunden sind. Mit ihnen muss also aüch die Drehachse L) zurtickgehen. Dadurch wird schon die Zugfeder g etwas gespannt (auseinandergezogen). Fest an der Drehachse 1) sind aber an der rechten Seite ausserhalb des Schlosskastens noch zwei Arme F und li (siehe Abbild. 1). Diese vermitteln in wunder- bar sinnreicher W’eise die Trennung von Lauf und Verschluss in dem richtigen Augenblick, d. h. nachdem eben das Geschoss daB Kohr verlassen hat. Wenn nämlich der Iaiuf etwa 4 mm zurückgeglitten ist (soviel gleitet er etwa zurück, während das Geschoss noch im Rohr ist), stösst der Hebelarm H, der mit der Drehachse l) ebenso wie der Lauf zurückgeht, gegen den feststehenden Stiefel C (Abbild. 1). Die hintere Begrenzung von li ist aber nicht geradlinig, sondern in einer bestimmten Kurve, deren Krümmung sieh nach der Stärke des Rückstosses richtet, gebogen. So kommt es, dass die geradlinige Rückbewegung von D jetzt in eine Drehung umgewandelt wird, indem der Arm li nach vorwärts, also l'\ welcher die

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Bewegungen der Drehachse mitmachen muss, zunächst nach aufwärts und dann weiter durch das Beharrungsvermögen nach vorwärts geschlendert wird. Die Drehbewegung der Achse findet ihr Ende, indem der Arm F auf die aussen am Schlosskasten angebrachte Feder H (Abbild. 1) auf- sehlägt und von dieser wieder zurückgeschleudert wird. Indem die Dreh- achse l) nun zugleich weiter rückwärts gleitet und die wunderbar eingeleitete Drehbewegung macht, wird die Zugfeder g viel schärfer ange- spannt, als dieses durch das Rückwärtsgleiten allein geschähe; durch den kleinen Arm a (Abbild. 1) wird ja die Endkette der Feder auf die Dreh- achse aufgewickelt. Je schärfer die Zugfeder angezogen wird, um so eher wird die Rückwärtsbewegung des Laufes zum Stehen kommen. Das ge- schieht in der That, nachdem der Lauf etwa 2 bis 3 cm zurückgelaufen ist; jetzt bringt ihn auch die scharf gespannte Feder wieder vorwärts in die Lage, wie sie vor dem Schüsse war. Wie die Drehung der Achse D weiter dafür sorgt, dass sieh der Verschluss vom Laufe trennt und die Ladelüeke zwischen beiden geschaffen wird, wird ein Blick auf den Ver- schlussmechanismus zeigen.

Wie alle Theile der Waffe ist auch der Verschluss ein Kunstwerk der technischen Anordnung. Die Abbild. 6 zeigt ihn in dem Augenblick, in welchem die zweite Patrone eben verschossen ist. Die Hülse derselben

Abbild, e.

in Gurt

liegt noch im Lauf. Ueher dem Lauf im Patronenzuführer und noch vom Patronengurte gehalten liegt, die dritte Patrone. Der Schieber D hat die zweite und dritte Hülse gefasst, indem er, an seiner vorderen Fläche mit einer Einfräsnng mit überstehenden Rändern versehen, von unten nach oben die überstehenden Ränder über den vorstehenden Rand des Patronen- bodens geschoben hat. Wenn mau diesen Schieber jetzt wieder senkrecht mich unten gleiten liesse, so würde er zunächst die oberste dritte Patrone loslasscn und dafür die erste unterste Hülse hinter ihrem Rande fassen, welche augenblicklich unter dem Laufe frei in einem Ausstossrohr liegt, aus dem sie nach vorn auf die Erde herausfallen könnte, wenn sie nicht durch die Feder R noch festgehalten würde. Der genannte Schieber D ist einer der wichtigsten und eigenartigsten Theile des Verschlusses, er regelt die Zufuhr der Patronen und die Abfuhr der verbrauchten Hülsen von Schuss zu Schuss. In der Abbild. 7 sieht man seine Stellung bei geöffnetem Ver- schlüsse; er ist mit der Patrone und der Hülse, die er vorher gefasst hatte, um so viel nach unten geglitten, dass die dritte Patrone vor dem Lauf steht, die Hülse, die beim Oeffnen des Verschlusses aus dem Laufe herausgezogen ward, vor dem Ausstossrohrc. Wird jetzt der Verschluss

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wieder nach vorn geschoben, wird er also geschlossen, so schiebt er die dritte Patrone in den Lauf, d. h. er ladet neu, und schiebt die leere zweite Hiilse in das Ausstossrohr, wobei die schon im Ausstossrolir befindliche erste Hülse nach vorwärts aus der Haltefeder K herausgedrückt wird und zur Erde fällt. Wenn man nun den Schieber D wieder senkrecht nach oben schiebt, so gleitet er von der Hülse im Ausstossrohr ab und giebt sie frei, verschiebt sich auf der geladenen Patrone so hoch, dass hinter das Zündhütchen der Patrone eine Stelle zu liegen kommt, welche von hinten nach vorne so durchbohrt ist, dass ein Schlagbolzen hindurchgreifen und die Patrone entzünden kann, wenn man am Abzug zieht. Da aber genau über dem Lauf durch den Patronengurt wieder eine neue Patrone

liegt, so wird diese von dem aufwärts steigenden Schieber auch mit er- griffen (wie das in Abbild. 8 zu ersehen ist). Abbild. 8 zeigt den Augenblick, in dem der Schlagbolzen schon die dritte Patrone entzündet hat.

Nachdem das Verfahren klar war, wie das Laden, das Herauszielien und Ausstossen der Hülse geschehen solle, war die weitere Aufgabe die, die Anordnung so zu treffen, dass die nothwendigeu Bewegungen der Yer- Bchlusstheile durch die Kraft des in Richtung der Scelonachse des Rohres wirkenden Riickstosses hcrvorgobracht werden.

Oben ist dargethan, dass zunächst Lauf und Verschluss zusammen um wenige Millimeter zurückgehen, so lange, bis das Geschoss den Lauf verlassen hat. Bis zu diesem Augenblicke darf an der Lage des Ver- schlusses nichts geändert werden. Damit bis dahin der Verschluss sich nicht etwa vorzeitig vom Laufe trennt, ist in der Ruhelage des ge-

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schlossenen Verschlusses der Hebel E Fl etwas nach oben eingeknickt, so dass der Druck des Patronenbodens ihn niemals nach unten einknicken kann (vergl. Abbild. 8). Nachdem aber der Arm II an den Stiefel C an- geschlagen ist und dadurch die drehende Bewegung der Achse D einge- leitet hat, beginnt der Verschluss sich vom Lauf zu trennen. Denn die Drehung der Achse D (siehe Abbild. 1, 2, 7, 8) bewirkt das Einknicken des Verschlusshebels, da der Theil E fest mit der Drehachse verbunden ist. Während nun der Verschluss die weitere RUckwärtsbewegung macht, gleitet der Lauf, wie oben dargethan, wieder vor und die Zugfeder wird nicht etwa entspannt, indem sie den Lauf wieder vorschiebt, sondern spannt sich weiter, indem die Endkette sich durch die Drehung der Achse D aufwickelt. Sie wird also später die Kraft haben, den Verschluss wieder zu schliessen. Das Zusaramenknicken der Hebel /< E (Abbild. 7) nach unten geschieht so, dass die Achse d des Schnabels s (Abbild. 7) in Richtung der Seelenachse sich zurückbewegt, der Schnabel * also aus seiner vorher senkrechten Lage nun in eine schräge Lage übergeht. Dadurch wird es auch möglich und nothwendig, dass der Schieberhebel (c Abbild. 7) mit dem hinteren Ende in die Höhe schlägt, während das vordere Ende,

durch die Last des Vertheilers gedrückt und mit ihm der Schieber selbst soweit nach unten sinkt, dass die neue Patrone vor den Lauf tritt, die alte Hülse vor das Ausstossrohr (vergl. die Stellung in Abbild. (5). Wie der Schieber später wieder gehoben wird, und dass dieses geschieht, wenn der Verschluss wieder völlig geschlossen ist, d. h. wenn der Schnabel wieder senkrecht Bteht, das dürfte von selbst erhellen.

Das Schliessen des Verschlusses wird selbstthätig besorgt durch die Zugfeder g (Abbild. 1), wenn nach dem Herabgleiten des Schiebers die Drehachse D sich wieder zurückdreht, wozu sie den ersten Antrieb erhält dadurch, dass die Feder II (Abbild. 1) den Arm F der Drehachse zurück - wirft. Es ist selbstverständlich, dass die Stärke der verschiedenen Federn, in der gewisserraaassen der Theil der Kraft des Rückstosses aufgespeichert wird, der für das Schliessen des Verschlusses und das Spannen der Schlag- feder gebraucht wird, genau in Einklang gebracht werden muss mit der Gewalt des Rückstosses. » Also von dieser einen Feder hängt eigentlich Alles ab!» »Ja gewiss.« Der altmodische Soldat erschrickt schon, wenn er hört, dass man hei einem Kriegsinstrument sich auf die Spannung einer stählernen Spiralfeder verlassen will. Dabei denkt er aber nicht daran, dass in dem Gewehr, welches er vielleicht im Feldzuge gebraucht hat, auch das Funktioniren von einer Feder oder mehreren Federn abhing

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(Schlagfeder, Abzugsfeder), geschweige denn glaubt er, dass die Technik heute in der Lago ist, Federn auch Spiralfedern von genauer zu bemessender Stärke als früher nnd von absoluter Zuverlässigkeit herzu- stellen. Natürlich, bestes Material und beste Arbeit, daB muss man daran wenden und verlangen! Mit billiger Marktwaare lässt sich nur Kinder- spielzeug anfertigen!

Vielleicht lohnt es sich, noch einige Worte über die Abzugsvorrichtung der Maxim -Waffe hinzuzufügen. Ihre Anordnung geht klar aus den Abbild. 8 und 9 hervor, welche den Schlagbolzen 5, den Spannhebel G, den Abzugshebel b\ die Schlagfeder J in ihrer Lage zueinander zeigt, wenn das Schloss gespannt ist (Abbild. 9), und wenn es ungespannt ist (Abbild. 8). Es ist auch ohne Weiteres klar, wie das Schloss sich spannen muss, wenn es aus der Lage in Abbild. 8 in die rückwärtige Lage der Abbild. 9 übergeht. In einem Schlitz der Abzugsstange A (Abbild. 8) ist der Abzugshebel beim Schliessen des Verschlusses vorgeglitten. Am Ende des Schlitzes ist sie gegen einen Ansatz gestossen ; dadurch ist der Abzugs- schnabel ans der Rast von G getreten, und die Schlagfeder hat den Schlag- bolzen nach vorn gegen die geladene Patrone geschnellt. So wiederholt sich auch das Spannen des Schlosses sowie das Abfeuern selbstthätig so- lange, wie die Nase der Abzugsstange an der Stelle steht, an der sie Abbild. t> zeigt. Sie wird aber an jene Stelle gerückt, indem und solange der Schütze mit dem Daumen den Hebel H (Abbild. 2) gegen die hintere Wand des Schlosskastens drückt. So hat der Schütze es in der Hand, das selbstthätige Feuer jederzeit zu unterbrechen, wenn er den Hebel // loslässt, und es ununterbrochen fortzusetzen, wenn er den Hebel an- drückt.

Wer je einen Blick in das Getriebe eines Gasmotors oder einer anderen durch aufeinanderfolgende Explosionen in Gang gesetzten Maschine gethan hat, der kann nicht im Zweifel sein, dass ein Maschinengewehr der ge- schilderten Art betriebsfähig hergestellt werden kann, dessen Gang doch auf nichts Anderem als auf den Explosionen der entzündeten Pulver- ladungcn der Patronen beruht. Das erste Modell der Dampfmaschine war auch nicht vollkommen, das erste Modell des Gasmotors ebenso wenig. Jahrelang sind Abänderungen der mannigfachsten Art nothwendig gewesen, um zur Höhe der glatten Leistungsfähigkeit zu kommen. Das sind die Kinderjahre der Maschinen gewesen, die mit Arbeit und Geld- mitteln überwunden werden mussten. Gut 15 Jahre lang ist an der Maxim-Maschinenwaffe gearbeitet und geändert worden, und so darf man ihr jetzt doch mit einigem Vertrauen entgegenkommen. Natürlich, pro- biren geht über studiren!

Aber das Probiren darf nicht hindern, das geniale Werk wenigstens zu bewundern. Klussmann, Major.

Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie- Materials 1892 bis 1897.

(ScbloM.)

Wir hatten S. 390 bis 393 unter Rohrrücklauf auf die von der Krupp- schen Fabrik zu Studienzwecken ausgeführten Konstruktionen dieser Art hingewiesen, worauf noch zurückzukommen sei. In den Anlagen zum Schiessbericht 89 findet sich eine Uebersicht der Schiessversuche mit Schnellfeuer-Feldgeschützen mit Rohrrücklauf. Es kommen hier folgende

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897. 459

Kaliber u. 8. w. vor: 5,7 cm L/30, 6,5 cm L/35, 7,5 cm L/28 und L/30, 8,4 cm L/25, 8 cm L/29 und L/30. Die Mündungsgeschwindigkeiten gehen von 450 bis 570 m, meist sind sie 500 m und mehr. Der Rohrrücklauf erfolgt meist in der Richtung der Seelenachse unter Flüssigkeitsdruck, der Vorlauf wird durch Federn oder äusseren Luftdruck bewirkt. Das Brems- mittel ist meist starrer Sporn, sonst Radreifenbremse oder Nabenbremse. Die Grösse des Rohrrücklaufs betrug beim 6,5 cm L/35 (vergl. Tafel III) 18 Kaliber. Auf ebenem Boden betrug hier der Rücklauf der Laffete bei jedem Schuss 8 cm, auch sprang die Laffete vorn 10 cm hoch und 2 cm nach links. Beim Feuern auf einer gleichzeitig nach hinten und zur Seite geneigten Fläche wurde das Verhalten recht ungünstig, uud das Geschütz musste nach jedem Schuss vorgebracht werden, wodurch sich die Zeit für 10 Schuss Schnellfeuer auf 190 Sek. erhöhte. Auch der 8 cm L, 29 hatte 18 Kaliber Rohrrücklauf; der Laffetenrücklauf betrug bei wagerechtem Boden 30 bis 37 cm, was durch die Elastizität des Bodens fast ganz wieder aufgehoben wurde. Die Laffete erhob sich fast gar nicht vom Boden. Der Rohrrücklauf bei den übrigen Geschützen betrug 1,5 bis 4 Kaliber. Bei Anwendung von Bremsen betrug der Laffetenrücklauf je nach dem Boden 3 bis 5,8 m, in einem anderen Fall 1,8 bis 2 m auf den Schuss, bei den übrigen Geschützen, die einen Sporn hatten, war der Rücklauf der Laffete unbedeutend.

Feuerhöhe.

Mit den Mitteln zur Rücklaufhemmung steht die Feuerhöhe in engem Zusammenhang. Ihr Maass ist nicht nur mitbestimmend für das Gewicht der Laffete, sondern auch für ihre mehr oder weniger grosse Beanspruchung beim Schuss, die Verminderung des Buckens und die Stabilität im Fahr- gebrauch. Die Fabrik ist bei den neueren Schnellfeuerlaffeten bis auf etwa 0,9 m hinuntergegangen, was u. A. dadurch erreicht wurde, dass die Laffetenachse durch die Laffetenwände hindurch geführt bezw. gekröpft wurde, anstatt unter den letzteren befestigt zu sein.

Versuchsweise wurde auch das Rohr in die Laffetenachse gelegt: die Räder mussten bei 0,9 m Feuerhöhe dabei 1,8 m Durchmesser erhalten, wodurch ihr Gewicht pro Stück um fast 20 kg grösser wurde als das der Räder von 1,37 m Durchmesser. Die hohen Räder sind der Fahrbarkeit besonders günstig, man muss aber darauf verzichten, für Protze und Fahr- zeuge die gleichen Räder zu verwenden. Selbst bei grossem Gewicht der Räder ist man bei einer Höhe von 1,8 m noch nicht sicher, ob sie beim Fahren über ungünstiges Gelände die nöthige Haltbarkeit besitzen, während die Räder von kleinerem Durchmesser sich stets als vollständig haltbar erwiesen haben.

Bei noch geringerer Feuerhöhe als 0,9 m wird die Bedienung erschwert, da die Haupttheile des Geschützes nicht mehr im richtigen Verhältniss zur Kürpergrösse der Bedienungsmannschaft stehen. Korn und Aufsatz müssen zu sehr verlängert werden, damit das Zielen nicht durch Uneben- heiten und Bewachsung des Bodens behindert werde. Bei zu geringer Feuerhöhe kommen Rohrmündung und die tiefsten Theilc des Laffeten- körpers dem Boden so nahe, dass sie beim Fahren leicht anstossen können.

Die Ziellinie liegt bei den Kruppschen Rohren mindestens noch zwei Seelenweiten über der Seelenachse. Die Höhe der Ziellinie über dem Erdboden beträgt alsdann etwa 1,05 m. Man kann beim Feuern noch genügend weit hinter dem deckenden Kamm von Anhöhen Zurückbleiben und doch über Aufsatz und Korn richten.

4ß0 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

Seitenrichtmaschine.

Die Seitenrichtmaschine ermöglicht es dem Richtkanonier, in gewissen Grenzen die Seitenrichtung selbst ohne Bewegung des Laffetenschwanzes zu verändern, also ohne sich mit dem diesen bedienenden Kanonier ver- ständigen zu müssen. Wesentlich wird dadurch die Bedienung vereinfacht und die Feuerbereitschaft erhöht. Eine Seitenrichtmaschine ist von der Kruppschen Fabrik zuerst im Jahre 1860 angewandt worden. Die schon bei den ersten Schnellfeuer-Feldgeschützen der Kruppschen Fabrik ausge- führte, im Schiessbericht 88 beschriebene und in einfacher Form schon an einem im Jahre 1866 hergestellten 4 Pfünder Feldgeschütz angewen- dete Seitenrichtmaschine in Verbindung mit einer das Rohr und die Höhenriehtmaschine tragenden, mehr oder weniger kleinen Oberlaffete mit Vorderpivot ist typisch für die Kruppschen Schuellfeuer-Feldlaffeten, doch ist sic keineswegs die einzige von Krupp versuchte oder angewandte Konstruktion. Entweder macht nur das Rohr oder das Rohr mit einem kleinen Theil der Laffetc (Oberlaffete) die Seitenbewegung mit, oder aber die ganze Laffete, oder doch ihr grösster Theil ist an der Bewegung be- theiligt. Bei beiden Arten kann der Drehpunkt entweder vorn oder hinten liegen. Mit beweglicher Oberlaffete und Drehpunkt vorn sind dio auf den Tafeln Ia, b und II b dargestellten Geschütze versehen. Ein Nachtheil ist allen Seitenrichtmaschinen gemeinsam, der um so grösser wird, je grösser die Rückstossarbeit ist; er besteht darin, dass bei seitlich abge- schwenktem Rohr die Rückstossrichtung ausserhalb der Mittellinie der Unterlaffete fällt. Beim Schuss hebt sich infolgedessen das Rad, nach dem die Mündung gedreht ist, mehr vom Boden als das andere, ausser- dem erhält die Laffete die Neigung, vorne nach der entgegengesetzten Seite zu springen. Die dadurch entstehende Richtungsveränderung wird um so grösser, je grösser die seitliche Rohrabschwenkung ist, und bei der Kor- rektur mittelst der Seitenrichtmaschine wird dieses Verhältnis immer un- günstiger, bo dass man früher als erwünscht an der Grenze der seitlichen Bewegbarkeit anlangt. Es hat daher keinen Zweck, den Schwenkwinkel erheblich gross zu machen. Die Kruppsche Fabrik hat bei ihren zahl- reichen Versuchen einen Gesammt-Schwenkwinkel von bis höchstens als ausreichend befunden.

Wird die Oberlaffete derart angeordnet, dass der Drehpunkt hinten, die Seitenrichtmaschine also an der Laffotenstirn liegt, so kommt die Rohrrückstossrichtung am Laffetenschwanz etwas näher an die Laffeten- mittellinie, wodurch günstigere Verhältnisse für die Seitwärtswanderung der Laffete entstehen. Andererseits setzt diese Anordnung einer hand- gerechten Anbringung des Handrades der Seitenrichtmaschine Schwierig- keiten entgegen und bringt auch noch sonstige Nachtheile.

Seitenrichtmaschinen, bei denen die ganze Laffete oder ihr grösster Theil an der Drehung theilnehmen, haben zu wenig praktischen Konstruk- tionen geführt. Nach ausgedehnten Versuchen hat die Kruppsche Fabrik das System der schwenkbaren Oberlaffete bezw. der Pivotgabel angenommen. Zur Schonung der Seitenrichtmaschine beim Fahren wird die Ober- mit der Unterlaffete durch einen Riegel verkuppelt.

Verbesserung des Laf fetenkörpers.

Es ist der Kruppschen Fabrik gelungen, die Ober- und Unterlaffete aus je einem Stück Blech zu pressen, wobei die Laffeten wände unten zu einem Ganzen verbunden sind, das so das Aussehen eines Troges be- kommt. Das untere Verbindnngsblech ersetzt die Laffetenriegel, welche

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materinls 1892 bis 1897. 46t

ebenso wie die zahlreichen Nietlöcher ganz in Fortfall kommen. Der Aufbau der Laffcte wird hierdurch erleichtert, ihre 'Widerstandsfähigkeit erhöht.

Schutzschilde.

Schutzschilde sollen einen Theil der Bedienung, namentlich den Rich- tenden, gegen Schrapnel- und Gewehrfeuer decken und ihn dadurch zu einem ruhigeren und sicheren Zielen veranlassen. Die Fabrik besitzt in ihrem Spezialstahl ein ausgezeichnetes Material zu Schilden, das schon bei 5 mm Stärke, also bei einem Gewicht von ungefähr 38 kg für den Quadratmeter der Beschiessung mit Stahlmantelgeschossen moderner klein- kalibriger Gewehre widersteht. Trotzdem hält sie Schutzschilde nicht für zweckmässig. Sie machen das Geschütz durch ihr Eigengewicht und die erforderlichen Beschläge schwerer. Will man die Schilde nicht allzu gross, also nicht schwerer als etwa 60 kg, machen, so können günstigenfalls zwei Mann von Kopf- bis Kniehöhe vollständig und zwei Mann theilweise oder zeitweise gedeckt werden, und zwar immer nur gegen Frontalfeuer. Alle übrigen Leute bleiben ungedeckt. Auch verräth der Schild leicht die Stellung des Geschützes, und die durch ihn gewollte künstliche Deckung nimmt dem Geschütz einen Theil der ihm durch die schwere Erkennbar- keit gegebenen natürlichen Deckung. Dies der auch von uns eingenommene Standpunkt der Kruppschen Fabrik, die indess von ihren Bestellern hin und wieder veranlasst wurde, trotzdem Schilde anzubringen.

Die Laffete als Theil des Geschützt ahrzeugcs.

Die Kruppschen Laffeten haben, soweit die Besteller nichts Andere» vorschreiben, eine Geleisebreite von ungefähr 1,5 m und einen Raddurch- messer von 1,35 m.

Der Aufbau der Kruppschen Räder zu Feldgeschützen ist jetzt von derselben Art, wie er früher nur bei Steilfeuergeschützen verwendet wurde. Die besonderen Eigentümlichkeiten sind: stählerne Radreifen, stählerne gerippte Naben, Felgen aus faserrecht geschnittenen, gebogenen Hölzern, Anwendung von stählernen Speichenschuhen zur Verbindung der Speichen mit den Innenflächen der Felgen. Der Ersatz der Holztheile, namentlich der Speichen, durch Metall hat sich, ohne die Auswechselbarkeit zu er- schweren oder das Gewicht zu erhöhen, noch nicht ermöglichen lassen. Die von der Fabrik dazu angestellten Versuche sind theils mit Rädern von röhrenförmigen Speichen, theils mit solchen von Drahtspeichen unternommen worden. Bei beiden Arten treten die genannten Nachtheile hervor. Die Fabrik hat daher die Verwendung hölzerner Radtheile beibehalten.

Das Streben nach Erniedrigung der Feuerhöhe führt bei den meisten Laffeten dazu, die Achse durch die Laffotenwände zu stecken, anstatt sie wie früher darunter zu befestigen. Der Schwerpunkt liegt daher bei den neueren Laffeten tiefer, also günstiger, und der ganze Aufbau gewinnt an Standfestigkeit. Unter besonderen Umständen können auch hohle Achsen mit Vorthoil Verwendung Anden. Für die Achsschenkel hat sich, ebenso wie bei den Radspeichen, ein geringer Sturz am besten bewährt.

Die Fahrbremse muss für den Fall, dass der Sporn versagt, auch als Schussbremso verwendet werden können. Sie muss daher handgerecht, also in der Nähe des Bodenstückes liegen. Die selbstthätigen Schuss- bremsen haben den Nachtheil, nur in der Rücklaufsrichtung zu bremsen, während eine gewöhnliche Fahrbremse nach beiden Richtungen wirksam ist, also auch zur Bremsung in entgegengesetzter Richtung, z. B. beim Halten auf einer in der Fahrrichtung steigenden Strasse, dienen kann.

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Die Kruppsche Fabrik verwendet vorzugsweise zweitheilige Rad- reifen-Klotzbremsen, die durch Schraubengetriebe bewegt werden. Wenn es die Einrichtung der Laffete gestattet, werden die Klötze (bei aufgeprotztem Geschütz) hinten, als der bei Fahrzeugen natürlichen Stelle, angeordnet. Bei dieser Anordnung wird der Schmutz der Rüder abgestreift und nicht auf den Bremsklötzen aufgehäuft (vergl. die Anordnung auf Tafel IVb).

Die Bewegung der Bremse erfolgt durch Handräder, die, soweit mög- lich, von den Achssitzen aus bedient werden. Die Anbringung der Bremse an der Protze ist weniger empfehlenswerth als an der Laffete.

Achssitze sind bei Geschützen der reitenden Artillerie überflüssig, bei Laffeten mit geringer Geleisebreite verbietet sich ihre Anbringung von selber. In allen anderen Fällen sind die Kruppschen Feldgeschütze den Wünschen der meisten Artillerien entsprechend mit Achssitzen ausgestattet. Das Aufsitzen eines Theils der Bedienung auf der Laffete hat den Vortheil zweckmässiger Vertheilung der Gesammtlast auf Vorder- und Hinterachse und leichterer Bedienung der Bremse beim Fahren. Führt man mehr als drei Mann auf der Protze mit, so sitzen die über diese Zahl mitgeführten Leute nach rückwärts. Der Gesammtraum in der Grundfläche wird da- durch beengt, und die rückwärts Sitzenden sind noch besonders gefährdet, weil sie beim Abstürzen von der Laffete überfahren werden.

C. Protzen und Munitionswagen.

Allgemeines.

Die zweckmässige Anordnung der Verpackung der Munition bildet die wichtigste Rücksicht bei Konstruktion der Protzen. Sie sollen zugleich ein Mittel zur Fahrbarmachung des Geschützes sein, als Beförderungs- mittel für einen Theil der Bedienung dienen und auch einen Theil des Munitionswagens bilden. Die Kruppsche Fabrik ist nicht dafür, die Protze auch als Hinterwagen des Munitionswagens zu benutzen, indem dadurch ein ungünstiges Verhältniss in der Belastung des Vorder- und Hinter- wagens entstehen würde. Die Fabrik pflegt die Belastung des Fahrzeuges so auf beiden Achsen zu vertheilen, dass bei nicht aufgesessener Bedie- nung im Allgemeinen auf die vordere etwa 45 pCt., auf die hintere 55 pCt. des Gewichts entfallen. Bei dieser Gewichtsvertheilung lässt es sich ohne Schwierigkeit erreichen, dass der Hinterwagen ungefähr das l,5fache der Munition der Protze aufnimmt.

Unter der Annahme von zwei Munitionswagen pro Goschiitz ergeben

sich bei einer der 7,5 cm Konstruktionen :

Geschützprotze 32 Schuss,

Munitionswagen-Protze 2 X 32 = . . 64 »

Munitionshinterwagen 2 X 48 = . . . 96 »

192 Schuss.

Bei Anwendung einer Doppelprotze würden sich nur 180 Schuss ergeben.

Die von mancher Seite empfohlenen ein- oder zweispännigen zwei- räderigen Munitionskarren, die auf ebenem festen Gelände und Strassen gewiss ihren Vorzug haben und sich auch sonst durch gute Ausnutzung derPferdekraft und ihre unbeschränkte Lenkbarkeit auszeichnen, haben im un- ebenen Gelände den Nachtheil, dass die Last von den Werden unvermittelt auf einmal gehoben werden muss und in weichem Boden den, dass jedes einzelne Räderpaar die Arbeit des Geleisebrechens zu besorgen hat. Ausserdem entsteht eine unverhältnissmässige Verlängerung der Marschkolonnen.

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldnrtillcrie-Materials 1892 bis 1897. 403

Fahrbarkeit.

Die Befestigung des Protzkastens ist entweder starr oder elastisch unter Verwendung von Tragefedern. Eine Nothwendigkeit zur Konstruktion federnd aufsitzender Protzkasteu ist indessen nicht erwiesen.

Bei Deichseln, Bracken, Ortscheiten ist die Kruppsche Fabrik nach und nach zur Verwendung von Stahl statt Holz übergegangen, nachdem früher eine Verbindung von Holz und Stahl versucht worden war. Be- stimmend für die Verwendung von Stahl allein war vorwiegend die Rück- sicht auf die Verschiedenheit des Klimas der Länder, in welche die Fabrik ihr Material zu liefern hat. Ortscheite und Bracken sind aus massiven Stahlstäben von flachem oder eiförmigem Querschnitt geschmiedet, so, dass die grössere Querachse des letzteren sich in der Zugrichtung befindet. Die Deichsel ist aus Stahlblech gerollt und an der unteren Seite genietet. Aus einem Stück hohl gezogene Stahldeichseln sind schwerer und sollen sich im Gebrauch nicht bewährt haben, namentlich sind sie zu steif.

Zur Erleichterung des Anzuges der Gespanne und zu ihrer Schonung beim Fahren in unebenem harten Gelände wendet die Kruppsche Fabrik neuerdings ein zwischen Protze und Gespann eingeschaltetes elastisches Zwischenmittel an.

Munitionsverpackung.

In den Kruppschen Protzen ist die Munition, gleichgültig, ob es sich um verbundene oder getrennte Munition handelt, in Munitionskästen verpackt. Bei loser Lagerung der Munition in der Protze kann letztere zwar mehr Schüsse aufnehmen, das Gewicht der mitgeführten Munition im Verhältniss zur leeren und beladenen Protze wird also günstiger; allein durch das stückweise Heranbringen der Munition an das Geschütz wird entweder die Feuergeschwindigkeit vermindert, oder es muss die Zahl der Munitionsträger erhöht werden. Das Fehlen der Munitionskästen wird sich namentlich bemerklich machen, wenn die Bedienung Verluste erlitten hat, oder wenn bei vorbereiteten Vortheidigungsstellungen die Munition in oder nahe der Batterie gedeckt untergebracht werden soll. Die Verwendung von Aluminium zu den Kasten wurde wieder aufgegeben. Die im Gebrauch befindlichen Kasten sind in verschiedenen Konstruktionen ausgeführt. Bei Verwendung von getrennter Munition kann die Verpackung entweder so erfolgen, dass Geschosse und Metallkartuschen in gleicher Zahl in einem Munitionsbehälter vereinigt sind, oder dass man für die Geschosse Geschosskasten, für die Kartuschen Kartuschtornister vorsieht. Die erstere Art ist die praktischere. Ohne die Handlichkeit zu beein- trächtigen, lassen sich dann fünf Schüsse eines leichten oder vier eines schweren Feldgeschützes vereinigen.

Bei loser Munitionsverpackung wird in allen Fällen die liegende Ver- packung gewählt, weil dadurch die Höhe des Protzkastens eine geringere wird und weil sie für die Erhaltung der Munition und die Ladesicherheit der Zünder sich besser eignet als die stehende. Die Verwendung von Aluminiumblech wurde ebenso wie bei den Munitionskästen auch bei den Protzkästen wieder aufgegeben, da dieses selbst in verhältnissmässig starken Abmessungen die Widerstandsfähigkeit von dünnerem Stahlblech nicht erreicht und unter Witterungseinflüssen sehr leidet.

Die Tabelle Seite 464 giebt eine Zusammenstellung neuerer Protzen- konstruktionen. Die Ausnutzung der Protzen, wie sie die Spalten Xa und b veranschaulichen, entspricht somit in keinem Fall den Anfor- derungen, wie sie in der Litteratur häufig gestellt werden, wo stellen- weise verlangt wird, dass die Monitionsladung 50 pCt. des Gesammt-

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404 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

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Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Matcriuls 1892 bis 1897. 465

gewichts betragen soll- Eine so hohe Verwerthung ist nur auf Kosten der Festigkeit des ganzen Systems oder der Bequemlichkeit, Kriegsmässigkeit und Sicherheit der Einrichtung erreichbar. Hält man an den bewährten Stärken und Einrichtungen fest, so sind die erreichten Ausnutzungen von 35 bis 36 pCt. schon recht beträchtliche, und es muss, um diese zu ermöglichen, mit sorgfältigster Gewichtsersparung verfahren werden.

D. Munition und ballistische Verhältnisse.

Patronen- und Kartuschhülsen.

Bei Einführung des rauchlosen Pulvers und des Schnellfeuers war es erwünscht, die Ladung der Geschütze in eine die Liderung übernehmende Metallhülse einzuschliossen. Die Verbindung des Geschosses mit der Metallhülse zu einer Metallpatrone ergab bei den ersten Versuchen eine bedeutende Schwere und Länge der letzteren. Die Patronenhülse der 6 cm Schnellfeuerkanone L/30 wog bei 3 kg Gewicht und 420 m Mündungs- geschwindigkeit des Geschosses 1,05 kg, die fertige Patrone 4,25 kg bei fast 50 cm Länge. Das Gewicht der Hülse betrug 35 pCt. des Gewichts des Geschosses und 25 pCt. desjenigen der Patrone. Durch Fortschritte in der Fabrikation der Hülsen in Verbindung mit geeigneter Auswahl der Pulversorten gelang es, die Hülsen kürzer, leichter und für den Verwen- dungszweck geeigneter zu machen. Die gleiche Patronenhülse wog späterhin nur 0,46 kg, die Patrone 3,66 kg, die gedachten Prozente verringerten sich damit auf 15,3 pCt. bezw. 12,5 pOt. Mit dem gleichen Hülsengewicht von 1,05 kg wie anfänglich bei der 6 cm Schnellfeuerkanone L/30 stellt man jetzt eine 7,5 cm Patronenhülse für 6,5 kg Geschossgewicht und 500 m Mündungsgeschwindigkeit her, die Metallkartusch hülse für letztere Leistung wiegt mit Deckel 0,62 kg.

Das Ergebniss eines Vergleichs der getrennten und verbundenen Munition ist folgendes: Handhabung und Lagerung der letzteren, also der Patronen, ist einfacher als die der Kartuschen. Die Patrone erfordert nur einen Ladegriff (gegen zwei bei Geschoss und Kartusche), Patronen sind in den Fahrzeugen einfacher unterzubringen und machen den Ansetzer entbehrlich. Der Munitionsersatz am feuernden Geschütz regelt Bich bei verbundener Munition leichter; dass gute, ladesichere Erhaltung der Munition in der Protze bei Patronen ebenso gut wie bei getrennter Munition zu erreichen ist, lehren die in den Anlagen enthaltenen Fahrversuche der Fabrik, wobei sich in nicht federnden Protzen bei fast 1000 km Weg auf den verschiedenartigsten Strassen sowie bei kriegsmässiger Verladung in Eisenbahnwagen die Verpackungsart der Patronen bewährt hat. Die Ver- bindungen von Geschoss und Hülse blieben, wie überhaupt die ganze Patrone, unversehrt, die Zünder ladesicher. Die Patrone ermöglicht eine günstigere Form der Pulverladung im Verhältnis zum vorhandenen Luft- raum, also die Anordnung eines solchen Luftpolsters, wie es zur Er- langung eines niedrigen Druckes am günstigsten ist. Wenn man der Patrone den Vorwurf macht, dass sie grösseren Kaum für die Unter- bringung in den Protzkasten beanspruche, so ist demgegenüber zu be- merken, dass das durch die Länge der Patrone bedingte Mehrgewicht des Protzkastens durch das höhere Gewicht der Einrichtungen zur Verpackung der getrennten Munition übertroffen wird. Beim Versagen des Zünd- hütchens ist man allerdings genöthigt, die ganze Patrone vorläufig un- benutzt zu lassen; die Kruppsche Fabrik hat aber möglich gemacht, durch eine besondere Konstruktion des Zündmittels diesen Vorwurf hinfällig zu

Kriegstcchniicti« Zeitschrift. 1898. 10. Heft. 30

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466 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1802 bi» 1807.

machen, indem man bei Anwendung Kruppscher Ziindschrauben nur nöthig hat, das versagende Ztindmittcl aus- und ein neues einzuschrauben.

Hinsichtlich der Trefffähigkeit ergaben die Versuche zwischen getrennter und verbundener Munition keine nachweisbaren Unterschiede. Die Feuergeschwindigkeit ist unter sonst gleichen Verhältnissen bei getrennter Munition etwa 10 pCt. geringer als bei verbundener. Hülsen aus einer leichten Alumininm-Legirung ergaben eine Gewichtsersparniss um ungefähr */*. Für eine 30 Patronen fassende Protze zur 7,5 cm Schnellfeuerkanone L/28. 30 würde die Gewichtsersparniss 22,5 kg aus- machen. Dagegen ist der Beschaffungspreis höher und die Hülsen halten eine geringere Schusszahl aus als die Messinghülsen. Bei den höheren Gasdrücken, wie sie für Feldgeschütze die Regel bilden, sind die Hülsen nicht nur nach wenigen Schüssen infolge von Ausbrennungen am vorderen Hülsenrand unbrauchbar geworden, sondern haben auch zu Ladestörungen Anlass gegeben.

Die bisherige Beutelkartusche durch eine verbrennbare aber steife Umschliessung handlicher zu machen und wenn möglich mit dem Geschoss zu einer Patrone zu verbinden, hat man von einigen Seiten angestrebt. Es ist vorwiegend Celluloid verwendet worden. Bei den Kruppschen Versuchen damit hat sich gezeigt, dass die Celluloid-Umschliessung die Gleichmässigkeit der Verbrennung des Pulvers ungünstig beeinflusst. Zu verbundener Munition ist Celluloid in den zulässigen Abmessungen nicht widerstandsfähig genug. Will man bei getrennter Munition gleichzeitig den Vortheil einer von Schuss zu Schuss sich erneuernden Liderung und die Verbindung des Znndmittels mit der Kartusche, also die Schnelllade- art, so ist wieder ein Metall-Hülsenboden mit angesetztem kurzen Rand nothwendig, und dann kann man auch einen Schritt weiter gehen und die Metallkartuscho anwenden. Auch die Vereinigung der gewöhnlichen Beutelkartusche mit einer kurzen Metall-Kartuschhülso hat die Fabrik nicht für praktisch befunden.

Die nachstehende Tabelle giebt eine Zusammenstellung der Abmessungen und Gewichte einiger Messinghülsen für Schnellfeuer-Feldkanonen.

Zusammenstellung der Abmessungen und Gewichte einiger Messinghülsen für Schnellfeuer -Feldkanonen.

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I.

ii.

III.

IV

| Iln.

lila.

IVs.

V.

a) Patronenhülsen

b) Kar tusch Isen

Nummer

Geschütz

Aeusacre

Länge

mm

Gewicht

mit

Zünd-

schraube

k*

Raum in 1ml t

cdtn

Aeussere

Länge

mit

Deckel

mm

Gewicht

mit

Zünd-

schraube

und

Deckel

k*

Raum- inhalt einschl. dc*9 Rau- mes der Deekei- hölilung cdm

Bemer-

kungen

1

6,6 cm L/31

207

0,66

0,48

107

0.37

0,32

2

7 CID L/26. 28

205

0,89

0,57

105

0,50

0,38

3

7,ö cm L/24

190

0,80

0,62

98

0,44

0,41

4

, L/28. 30

278

1,12

1,00

143

0,62

0,68

6

7,0 cm L,29

400

1,44

1,62

. 205

0,82

1,01

6

7,8 cm L/28

335

1,34

1,35

172

0.74

0,89

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Die Entwickelung de« Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897. 467

Pulver.

Die Kruppsche Fabrik verwendet zu Geschützladungen die rauchlosen Pulversorten der Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken. Es findet sowohl das aus reiner Nitrocellulose bestehende, als auch das nitroglycerin- haltige Pulver Verwendung, letzteres vorwiegend in Röhrenform. Diese Form ist vortheilhaft für eine gleichmässige Verbrennung und ermöglicht, infolge ihres geringen kubischen Gewichts, den Verbrennungsraum voll- ständig oder fast vollständig mit der Ladung auszufüllen. Es wird eine unveränderliche Form der Ladung erzielt, was für die Gleichmässigkeit in Gasdruck, Geschwindigkeit und Trefffähigkeit von Wichtigkeit ist. Das nitroglycerinhaltige Pulver verwerthet sich, auf die Gewichtseinheit be- zogen, besser als das reine Schiesswollpulver. Es wird noch angegeben, dass die Verbrennungs-Temperatur des nitroglycerinhaltigen Pulvers sich derart hat herabdrücken lassen, dass sie der des reinen Nitrocellulose- Pulvers fast gleichkommt.

Geschossarten.

Das Hauptgeschoss der Feldartillerie ist das Schrapnel, und es wird in den meisten Fällen sogar möglich sein, es als ihr alleiniges Geschoss zu verwenden.

In Ländern, die unter schwierigen Verhältnissen mit unvollkommen geschulten Truppen zu rechnen haben, kann eine Ausrüstung in geringer Zahl mit Ringgranaten oder mit Kartätschen oder mit beiden neben den Schrapnel« angezeigt sein, da diese Geschosse sich einfacher bedienen lassen und billiger sind. Auf die Kartätsche wird man sonst aus Gründen eines vereinfachten Munitionsersatzes lieber verzichten, obgleich das Schrapnel auf den nächsten Entfernungen, z. B. bis 200 m, die Wirkung der Kartätsche nicht erreicht.

Brisanzgranaten kommen in zwei Formen vor: 1) als dünn-

wandige Minengranaten mit grosser Füllung, 2) als dickwandige Sprenggranaten mit kleiner Füllung.

Die Minengranate hat die grosse Wirkung, namentlich wenn sie in geschlossenen Räumen detonirt, für sich. Diese Fälle kommen aber im Felde selten vor, und dann wird meistens die Wirkung einer mit weniger Sprengstoff gefüllten Granate oder eines Schrapnels mit Aufschlagzünder nicht nur ausreichen, sondern wegen der grösseren Splitterwirkung besser sein. Gegen die Anwendung der Minengranaten sprechen auch, wie bei Rohrkonstruktionen angedeutet, Sicherheitsgründe.

Die Kruppsche Fabrik verwendet an Stelle der sonst üblichen Pikrin- säure rauchloses Pulver in kleinen Würfeln mit einem Entzündungszusatz von Schwarzpulver, das durch seine Rauchentwickelung zugleich Beob- achtungsmittel wird. Die Sprengkraft des rauchlosen Pulvers mit Schwarz- pulver-Zusatz steht der der Pikrinsäure kaum nach. Die empfindlichen Detonatoren werden dabei überflüssig.

Die Verwendung der Sprenggranate mit einem Zeitzünder ist nach Ansicht der Fabrik nicht zweckmässig. Die Wirkung der in der Luft über dem Ziel zerspringenden Sprenggranate, die vermöge ihres grossen Kegelwinkols Ziel hinter Deckungen treffen soll, kann aus ver- schiedenen Gründen nur eine geringe sein. Sicheres Erkennen des Ziels, grosse Genauigkeit des Einschiessens, gute Regulirung der Sprenghöhen, fortgesetzt gute Beobachtung sind Bedingungen des Erfolges. Diese sind im Felde schwer zu vereinigen. Nicht einmal die Hälfte des Geschoss- gewichts kann zur Wirkung nach unten kommen, während dio übrigen

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468 Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

Splitter wirkungslos in die Luft fliegen. Splitterwehren von einzölligen Brettern geben schon Schutz, namentlich gegen schräg auftreffende Spreng- granatsplitter. Nur die grosso Breitenwirkung der in der Luft krepironden Sprenggranate kann unter Umständen von Vortheil sein.

Durch Verwendung von Sprenggranaten mit Zeitzündern aus Feld- Flachhahngeschützen kann Steilfeuer nicht entbehrlich gemacht werden. Bedarf man aber ohnehin des Steilfeuers, so kann man ihm auch die Aufgabe der Sprenggranate zuweisen und für die Flachbahnkanone auf dies Geschoss verzichten. Man soll von einer besonderen Geschossart nicht erwarten, was nur eine besondere Geschützart leisten kann.

Die Konstruktion von für den Feldkrieg geeigneten Schnelllade- Haubitzen ist von der Kruppschen Fabrik seit langer Zeit gepflegt worden. Die neueren Ansichten hierüber, die in letzten Jahren ausgeführten Kon- struktionen, die Ergebnisse der Versuche und die gesammelten Erfahrungen beabsichtigt die Fabrik in einer besonderen Druckschrift niederzulegcn.

Das Schrapnel soll in der Hauptsache als in der Luft zerspringendes Streugeschoss durch seine grosse Tiefenwirkung gegen lebende ungedeckte oder wenig gedeckte Ziele Verwendung Anden. Alle Konstruktions-Maass- nahmen, die darauf gerichtet sind, diesen Hauptzweck des Schrapnels zu fördern, müssen als richtig, alle anderen als verfehlt bezeichnet werden.

Von den drei Konstruktionen: Kopf-, Mittel- und Bodenkammer ist unter dem vorgenannten Gesichtspunkt die letztere die geeignetste, da sie die Kugeln am meisten zusammenhält, den Kugeln ausserdem einen Zuwachs an Geschwindigkeit ertheilt, der die Wirkungstiefe der einzelnen Kugeln vergrössert. Der Zuwachs an Geschwindigkeit ist nur wenig geringer, wenn die Hülle platzt, als wenn sie zusammenbleibt. Die nicht- platzende Hülle hat bei geringerer Zahl der Kugeln und der Sprengstücke einen etwas kleineren Kegelwinkel, die platzende Hülle hat bei grösserer Zahl der Kugeln und Sprengstücke einen etwas grösseren Kegelwinkel, und beide haben ungefähr gleichen Geschwindigkeitszuwachs. Die Fabrik hält es für die beste Lösung, die Vortheile beider Arten Schrapnels zu vereinigen, d. h. einerseits eine möglichst hohe Kugelzahl und Verwerthung zu erreichen, andererseits das Platzen der Hülsen durch geeignete Aus- wahl des Materials in dem Sinne zu beherrschen, dass die Hülle nicht in zu viele sehr kleine Stücke zerrissen wird, weil in diesem Falle die genannten Verhältnisse ungünstiger würden. Um dies zu erreichen, muss es gestattet sein, dass die Hülle bei einigen Schüssen zerreisst, bei anderen ganz bleibt.

Bei dem Kopfkammer-Schrapnel tritt eine Geschwindigkeits-Vermin- derung der Kugeln ein. Die wenigen Vortheile, die ihm zugeschrieben werden, sind unerheblich. Das Mittelkammer-Schrapnel ist ungeeignet, weil der Kegelwinkel zu gross ist und die Kugeln sich nur am Kegel- mantel vertheilen. Je mehr man die Sprengladung des Schrapnels ver- mehrt, etwa um die Wirkung des Schrapnels mit derjenigen der Granate zu vereinigen, um so fehlerhafter ist seine Konstruktion, da sie dem Hauptzweck des Schrapnels, der grossen Tiefenwirkung, entgegenarbeitet.

Als Material der Füllkugeln benutzt die Fabrik ausschliesslich Hart- blei von etwa 10,4 Dichte. Neben den Kugeln noch eiserne Füllstücke zu verwenden, empfiehlt sich bei der geringen Dichte und unregelmässigen Form nicht. Zur Festlegung der Kugeln hat sich Harz am besten bewährt. Ein Theil der Zwischenräume kann auch durch einen die Rauchmasse der Sprengladung mehrenden Rauchstoff ausgefüllt werden. Der beste Rauch- entwickler bleibt aber immer die Sprengladung selber.

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Die Entwickelung des Kruppschen Keldartillerie-Materials 1892 bis 1897. 469

Die Fabrik empfiehlt ein Kugelgewicht von 11g und warnt davor, er 10 g zu gehen.

Die umstehende Tabelle (S. 470) giebt eine Uebersicht über die von der ippschen Fabrik hergestellten Schrapnels, aus der das nutzbare Kugel- ieht, also die Verwerthung des Schrapnels zu erselion ist. Diese Ver- thung wird im Allgemeinen sowohl mit Zunahme der Seelenweite als Gesehossgewichts höher, die Verbesserung der Verwerthung schreitet ■r sehr viel langsamer fort als Seelenweite und Geschossgewicht und nmt innerhalb der hauptsächlich interessirenden Grenzen zwischen ind 8 cm Seelenweite und Geschosslängen von 3,1 bis 3,9 Durchmesser r wenig zum Ausdruck.

Neuere Veränderungen des Kruppschen Schrapnels beziehen sich auf:

1. Verbesserung des Stahls für die Hülle, also dünnere Wandung;

2. Erleichterung des Zünders durch Verwendung von Aluminium- Legirung anstatt Messing;

3. Wegfall der Rücksicht auf andere Geschossarten zur Erzielung gleicher Länge, gleichen Gewichts, gleicher Flugbahnverhältnisse.

Es sind dadurch Verwerthungen erreichbar, die man bis vor Kurzem it Bodenkammer- Konstruktionen für unerreichbar gehalten hatte.

Durch ausgedehnte Schiessversuche hat die Kruppsche Fabrik fest- 'tellt, dass das Schrapnel bei geeigneter Konstruktion, auch wenn auf ne möglichst ergiebige Wirkung als in der Luft springendes Streu- schoss hingearbeitet worden ist, doch für Zwecke benutzbar bleibt, die •iiher von der Granate erfüllt werden sollten.

Als Sprengladung wird gewöhnliches feinkörniges Schwarzpulver onutzt und als Uebertragungsladung in der Kammerhiilse dienen hohl- -epresste Pulvercylinder. Die Sprengladungsgewichte ergeben sich aus abeile Seite 470.

Als Zünder verwendet die Fabrik ihren der Geschossform sich an- chmiegenden Doppelzünder, dessen Brenndauer neuerdings auf 20 Sekunden, I. h. bis etwa 5700 m Entfernung, erweitert worden ist. Die Eintheilung ler Satzstücke wird im Allgemeinen nach Sekunden und Zehntelsekunden usgeführt. Die Eintheilung nach Entfernungen verbietet sich, sobald der Zünder für verschiedene Geschosse, Geschütze und Mündungsgeschwindig- iceiten verwendet werden soll. In manchen Ländern finden ausserdem so ■rhebliche Unterschiede in Höhenlage und Klima der Kriegsschauplätze statt, dass selbst bei demselben Geschütz bedeutende Verschiedenheiten in der zu einer bestimmten Schussweite gehörigen Brennlänge sich er- geben. Schliesslich hat die Eintheilung der Zünder nach Schussweiten den Nachtheil, dass, um eine Uebereinstimmung zwischen Brennlänge und Aufsatz zu erreichen, entweder an letzterem oder an don Zündern bezw. ihren automatischen StellschlÜBseln besondere Einrichtungen zur Verlegung des Nullpunktes vorgesehen werden müssen. Die Fabrik hat derartige Instrumente konstruirt, ausgedehntere Verwendung haben sie aber bis jetzt noch nicht gefunden.

In jedem Falle müssen die Zünder-Satzstücke zum Gebrauch im Schnellfeuer sich ohne nachheriges Festschrauben leicht einstellen lassen, sie dürfen indess nicht so leicht drehbar sein, dass sich ihre Stellung beim Schuss verändert. Die Kruppschen Konstruktionen tragen dieser Forderung Rechnung.

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470 Oie Entwickelung de« Kruppschen Feldartillerie-MaterialÄ 1892 bi« 1897.

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Tabelle über uuegofülirte stählerne Bodenkammer-Sohrapnele für Schnellfeuer-Feldkanonen.

Die Entwickelung des Kruppschen EoldartiUerie-Materials 1892 bis 1897. 471

Geschossgewicht und Mündungsgeschwindigkeit.

Ist man hinsichtlich der einer bestimmten Konstruktion aufzuerlegen- <leu Mündungsarbeit ins Klare gekommen, so bedarf es noch der Ueber- legung, in welchem Umfang das Geschossgewicht und in welchem die Mündungsgeschwindigkeit daran theilnehmen soll. Mit der Zunahme des Gesehossgewichts bei unveränderter Seelenweite tritt auch eine Zunahme der Geschosslänge und des Gasdrucks ein. Erstere zwingt zur Ver- grössernng des Drallwinkels, sowie in Verbindung mit letzterem zur Verstärkung der Schrapnelhüllen, also zur Verminderung des nutzbaren Raumes. Mit dem Drallwinkel steigert sich die Umdrehungsgeschwindig- keit’ des Geschosses, worunter die Regelmässigkeit des Brennens der Zünder leidet und wodurch die Kegelwinkel schliesslich grösser als erwünscht werden. Mit der Verlängerung des Geschosses werden die Pendelungen stärker; es kann damit der Luftwiderstand vermehrt und die Trefffähig- keit vermindert werden. Aus den angestellten Versuchen hat sich er- geben, dass eine Geschosslänge von 4 Durchmessern bei den üblichen Feldgeschosskonstruktionen als das Aeusserste gelten kann, dass es sich sogar empfiehlt, bei einer Länge von ungefähr 3,6 Durchmessern zu bleiben.

Von der zweckmässigen Bemessung des GeschoBsgewichtes der Feldartillerie ist schon die Rede gewesen. Es ist hervorgehoben, dass diese Bemessung der wichtigste Faktor für den ganzen Aufbau des Systems und die Rücklaufverhältnisse ist, insofern als es bei gegebener Mündungsarbeit keineswegs gleichgültig ist, ob sie durch ein hohes Ge- schossgewicht oder durch eine hohe Mündungsgeschwindigkeit erreicht wird, denn während sich an der Mündungsarbeit das Geschossgewicht nur einfach, die Mündungsgeschwindigkeit aber im quadratischen Ver- hältniss bethätigt, haben bei der Rücklaufgeschwindigkeit und der Rück- stossarbeit beide den gleichen Einfluss. Ausser dem Vortheil der geringeren Rückstossarbeit, Beanspruchung und Rücklaufgeschwindigkeit bei gegebenem Materialgewicht scheinen auf den ersten Blick noch folgende Vortheile zu Gunsten der kleinen Seelenweite zu sprechen: Schussweite und End- geschwindigkeit sind grösser, die Fallwinkel kleiner, und die durch die Wirkung zum Ausdruck kommende Schussverwerthung, auf die Gewichts- einheit bezogen, ist günstiger, wenigstens dann, wenn man die beim Einschiessen für die Wirkung verloren gehenden Geschosse mit in Rech- nung zieht. Das grössere Geschossgewicht hat scheinbar nur die grössere Einzelschusswirkung für sich, und diese kann, so sollte man meinen, durch eine grössere Zahl, aber dem Gewicht nach gleiche Menge leichterer Geschosse ausgeglichen werden. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse treten die Vortheile für das schwerere Geschoss mehr zu Tage. Zunächst ist die Ueberlegenheit des leichteren Geschosses hinsicht- lich Endgeschwindigkeit und Fallwinkel auf den grossen Entfernungen, wie sie für den Artilleriekampf vorwiegend in Frage kommen, nur sehr gering (siehe Tabelle S. 472). Dagegen sind nicht geringe Nachtheile in Kauf zu nehmen. Das Verhältniss des nutzbaren Gewichtes des Schrapnels zum todten wird ungünstiger, entweder die Pulverladung oder der Gas- druck und die Abnutzung des Rohres nehmen zu, die Patrone muss im ersteren Falle verhältnissmässig länger und schwerer werden. Die weiteren Folgen des letztgenannten Umstandes machen sich bei der Konstruktion der Munitionskasten und Fahrzeuge geltend, indem letztere weniger Munitionsgewicht aufnehmen können. Die Zahl der Schüsse, die das Geschütz und der Munitionswagen mit sich führen, ist unter Voraus-

472 I'i® Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie-Materials 1892 bis 1897.

Setzung ähnlich konstruirter Geschosse und gleicher Mündungsarbeit für das geringere Geschossgewicht ungünstiger. Die Brennlängenstreuungen worden bei dem kleinen Geschossgewicht grösser und zwar bedeutend grösser als beim schworen,

Ist daher einem schweren Geschoss im Allgemeinen der Vorzug zu geben, so ist das Geschossgewicht doch andererseits nicht mehr zu steigern, als dass es in Verbindung mit einer hinreichenden Mündungs- geschwindigkeit einen wirkungsvollen Schrapnelschuss auch auf die weitesten für die Feldschlacht in Frage kommenden Entfernungen gewährleistet. Eine Festsetzung der oberen Grenze des Geschos8g<*wichtes auf 6,5 kg mit 260

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Die Entwickelung dos Kruppschen FeUlnrtillerie-Matermls 1892 bi» 1897. 473

bis 280 Kugeln ist auch für hohe Ansprüche, wie sie die europäischen Verhältnisse bedingen, vollkommen angemessen (siehe Tabelle Seite 470). Umgekehrt wird es sich aber empfehlen, die untere Grenze möglichst nicht unter 5,5 kg zu legen. Ob man mehr nach der unteren oder oberen Grenze des Geschossgewichtes neigen wird, wird in erster Linie von dem für das aufgeprotzte Geschütz gestatteten Gewicht abhängen, das durch Verhältnisse bestimmt wird, deren Beurtheilung Sache des Taktikers ist.

Wo es auf sehr grosse Beweglichkeit des Geschützes ankommt, un- günstige Wege- und Geländeverhältnisse vorliegen, oder wenn man es mit einem weniger gut ausgerüsteten und ausgebildeten Gegner zu thun hat, kann man mit dem Geschossgewicht bis unter die genannte Grenze gehen und auch die Mündungsgeschwindigkeit von 500 m vermindern.

Eine Steigerung der MUndungsgeschwindigkeit über 500 m bringt nur geringe Vortheile für Endgeschwindigkeit und Fallwinkel. Dagegen treten erhebliche Nachtheile ein. Beanspruchung des Materials und Rticklauf- verhältnisse werden mit Zunahme der Mündungsgeschwindigkeit erheblich ungünstiger werden; um dies auszugleichen, ist eine Erschwerung des Materials, besonders des abgeprotzten Geschützes, bedingt. Sie erstreckt sich aber auch auf das aufgeprotzte Geschütz, da die Patrone und damit die beladene Protze für die grössere Mündungsgeschwindigkeit schwerer wird. Es findet dies in folgender Gegenüberstellung zahlenmässigen Aus- druck, wobei angenommen wird, dass bei beiden Geschützen die in der Protze mitzuführende Schusszahl gleich, Laffetenbeanspruchung und Rück- laufsgeschwindigkeit der Geschütze ungefähr gleich sind:

Geschossgewicht

6,35

kg

6,35 kg

Mündungsgeschwindigkeit ....

500

m

560

m

Patronengewicht

8

kg

8,4

kg

Gewicht des abgeprotzten Geschützes

880

kg

1000

kg

Gewicht des anfgeprotzten Geschützes

1680

kg

1820

kg

Ueber die ballistischen Verhältnisse der beiden in Rede stehenden 7,5 cm-Geschütze giebt die Tabelle Seite 474 Auskunft.

Feuergeschwindigkeit, Trefffähigkeit und Wirkung.

Die Schiessversnche haben ergeben, dass auch bei ungünstiger Aufstellung das einzelne Geschütz in gut gezieltem Schnellfeuer 5 bis 6 Schrapnelschiisse in der Minute abzugeben im Stande ist und dass die Feuergeschwindigkeit bei günstiger Aufstellung auf mehr als 8 Schuss und im Kartätschfeuer gar auf das Doppelte dieser Zahl zu steigern ist. Um wieviel die Trefffähigkeit unter der Feuergeschwindigkeit bei einzelnem Schiessen gelitten hat, geht aus Schiessversuchen hervor. Für die mittleren Streuungen beträgt der Unterschied zwischen langsamem Feuer und Schnell- feuer von 6 bis 7 Schuss in der Minute bei einem Versuch ungefähr 10 pCt. nach der Höhe. Die verschiedenen, im Schnellfeuer ausgeführten Trefffäh igkeits versuche haben praktisch bewiesen, was auf Grund theo- retischer Erwägungen zu erwarten war, nämlich dass eine gesteigerte Feuergeschwindigkeit im Allgemeinen eine Verminderung der Trefffähig- keit im Gefolge hat. Sie können daher als Warnung vor zu schnellem Schiessen dienen und lassen erkennen, dass es fehlerhaft ist, die in der Zeiteinheit erreichbare Schusszahl ohne Weiteres zum Vergleichsmaassstab für die Beurtheilung von Schnellfeuer-Feldgeschützen zu machen. Dass übrigens auch die im Schnellfeuer erschossenen Trefffähigkeitswerthe an sich betrachtet recht gute sind, geht aus zahlreichen Versuchen hervor.

Zahlreiche Wirkungsschiessen mit Brennzündern gegen feldmässige

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474

Die Zukunft des Motorballons.

Ballistische Verhältnisse zweier 7,5 cm -Geschütze mit gleichem Geschoss gewicht, aber verschiedenen Jlündungsgeseh windigkeiten.

Nr.

I.

H.

L in-

IV.

1

Seelenweite

mm

75

75

2

Geschoss-

gewicht kg

6,30

6,36

3

Qnerdichte g

auf 1 qcm

143

143

4

Mündnngs-

nrbeit mt

81

101

Ge-

Kallwinkel

Ge-

Berner-

6

Lntfernung

digkeit

Grad u.

Cotan-

digkeit Grad n.

Cotan-

knngen

m

m

Min.

gente

in

Min.

gente

6

0

000

|

oo

060

oo

Die Cotan-

7

1000

380

37'

35

429

17'

44

gente giebt

1

den bc-

8

2000

319

20'

13

341

42’

15

8triehenen

0

3000

282

ei

o

GO

6,8

296

18’ 1

. 7>8

Kaum für

10

4000

204

13° 24’

4,2

260

11° 56'

4,7

die Längen-

einheit an.

11

.r.000

233

19° 47’

2,8

241

17° 48'

3,1

Ziele sind von der Fabrik unter den verschiedensten Verhältnissen aus- geführt worden. Die im Schnellfeuer ausgeführten Wirkungsschiessen geben interessante Anhaltspunkte darüber, was unter Friedensverhältnissen durch gesteigerte Feuergeschwindigkeit in kurzer Zeit zu erreichen ist. Diese Betrachtung ist um so wichtiger, als es im Kriege meist nicht so sehr darauf ankommt, eine unbegrenzt grosse, als vielmehr in sehr kurzer Zeit eine genügend grosse Wirkung zu erlangen.

J. Schott, Major a. D.

Die Zukunft des Motorballons.

Phantastische Hoffnungen werden vielfach an die Weiterentwickelung der Luftschifffahrt geknüpft. Im lenkbaren Ballon sehen viele Leute im Scherz, manche auch im Ernst das Verkehrsmittel der Zukunft. Dass die Kriegführung durch lenkbare Luftschiffe eine förmliche Umwälzung erfahren werde , kann man öfters gedruckt lesen, und wie oft hört man jetzt bedauern, dass die Ballons noch nicht gelenkt werden können, um Andröe aufzusuchen und heimzuholen. Armer Lenkbarer! solche Hoffnungen setzt man auf dich, was wird das für Enttäuschungen geben, wenn du sie nicht erfüllst, und wie wird man dich schmähen! Und doch verdient diese Frage weder Nichtachtung noch Schmähung, sie verlangt nur sachliche und ruhige Behandlung und verträgt keine zu optimistischen Anhänger.

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Die Zukunft «los Motorliallons.

475

Schon der Name »lenkbarer Ballon« hat etwas Unbestimmtes an sich und verführt zu aeronautischen Phantasien. Der solide Name, der auch sach- lich richtiger ist, heisst »Motorballon«.

Das Stadium, in dem sich die Entwickelung des Motorballons zur Zeit befindet, ist durch folgende Thatsache gekennzeichnet. Es ist bisher erzielt worden, dass ein Ballon mit ein bezw. zwei Insassen und dem nöthigen Ballast von einem Motor getrieben in massiger Höhe kürzere Zeit eine Geschwindigkeit von 6 m in der Sekunde gezeigt hat. Nur an wenigen Tagen im Jahre ist es so ruhig, dass diese Geschwindigkeit genügen würde, um den Wind in einiger Höhe über der Erdoberfläche zu überwinden und mithin eine Bewegung nach allen Seiten zu gestatten. Irgend eine praktische Verwendbarkeit für einen Ballon mit so begrenzten Leistungen giebt es nicht. Die Schwierigkeiten, die sich der weiteren Vervollkommnung entgegenstcllen, sind folgende:

1. Es ist beim Ballon zum Tragen einer kleinen Last ein unverhältniss- mässig grosses Quantum Gas, also ein grosser Ballonraum, noth- wendig, der bei einer Eigenbewegung entsprechend grossen Luft- widerstand findet und zu dessen Ueberwindung eine kräftige Maschine erforderlich wird. Ein leichter Motor von grosser Kraft- entwickelung ist daher das erste Erforderniss.

2. Der mit Gas gefüllte Ballon, der im Allgemeinen keine starre Form hat, muss die Anbringung von maschinellen Einrichtungen zur Fortbewegung ermöglichen, die starre Formen haben.

3. Der Luftwiderstand wird gänzlich unberechenbar, wenn man dem Ballon, im Besonderen seinem vorderen Theile, nicht eine sich stets gleichblcibende, zum Durchschneiden der Luft geeignete Form zu geben, und wenn man ihn nicht in seiner Lage stabil zu erhalten vermag.

Zur Ueberwindung dieser Schwierigkeiten giebt es mannigfache Vor- schläge. Die verschiedensten Arten von Motoren mit einem günstigen Verhältnis zwischen Gewicht und Kraftentwickelung stehen zur Ver- fügung. Zur rationellen Anbringung des Motors am Ballon und für die Wahl und Anbringung der Fortbewegungsmittel giebt es viele Methoden, auf die, weil zu sehr in rein technisches Gebiet führend, hier nicht ein- gegangen werden mag; um dem Ballon die starre Form zu geben, hat man ebenfalls mehrere Mittel: man macht beispielsweise den ganzen Ballon, wie der verstorbene Herr Schwarz, aus Metall, oder man versieht einen Stoffballon mit inneren Versteifungen, oder man lässt das Gas durch Ueberdruck von innen den losen Stoffballon stramm anspannen u. s. f., und schliesslich auch die Stabilität kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Es ist wohl kein Zweifel, dass, sobald durch Versuche günstige Kombinationen aller dieser Vorschläge herausgefunden sind, man einen erheblichen Fortschritt in der Entwickelung des Motorballons zu verzeichnen haben wird. Bis zu ■wplcher Grenze aber überhaupt die obengenannten Schwierigkeiten mit unseren jetzigen Kenntnissen der Physik und Chemie überwunden werden können, das ist die Frage.

Ein Motorballon, der als brauchbar bezeichnet werden soll, müsste etwa 12 Stunden lang 12 m Geschwindigkeit in der Sekunde leisten. Diese Zahlen sind, wTas die Ansprüche an den Motor betrifft, recht hoch, was die Verwendungsfähigkeit betrifft, noch recht niedrig gegriffen; doch mögen sie als Grundlage dienen für die Beurtheilung der Verwendbarkeit von Motorballons. Die praktische Klärung wird leider recht lange dauern, da bekanntlich Versuche mit Motorballons sehr kostspielig sind; aber durch

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476

Die Zukunft des Motorballons.

theoretische Erwägungen und Vergleiche mit anderen Motorfahrzeugen wird man sich ein ungefähres Urtheil über die Leistungsfähigkeit der Motorballons bilden können. Zu diesem Zweck seien hier folgende vier Fragen zur Beantwortung gestellt.

Was hat man von dem Motorballon zu erwarten:

1. als Verkehrsmittel?

2. für die Wissenschaft?

3. für die Kriegführung?

4. für andere Zwecke?

1. Auf die erste Frage muss die Antwort wohl lauten: »Wenig oder nichts«, und zwar allein schon, weil der Motorballon stets ein zu kost- spieliges Verkehrsmittel sein würde. Aber auch sonst würde ein Motor- ballon fast allen Ansprüchen, die man an moderne Verkehrsmittel stellt, nur unvollkommen entsprechen. Diese Ansprüche sind hauptsächlich: Geschwindigkeit, Pünktlichkeit, Bequemlichkeit, Sicherheit und eben Billig- keit. Was die Geschwindigkeit betrifft, so kann ein Luftfahrzeug aller- dings unter Benutzung von Winden eine grössere Geschwindigkeit erlangen als irgend ein bisher gekanntes Verkehrsmittel, und es würde auch ein Motorballon im Gegensatz zum Dampfschiff den Vortheil haben, dass er keinerlei Einrichtungen bedarf, um einen ihm günstig gerichteten Wind zu benutzen. Aber die Winde sind doch zu regellos, um darauf ein Ver- kehrsiustitut in Konkurrenz zu Eisenbahnen und Dampfschiffen zu gründen. Was nun die Grenze der Eigengeschwindigkeit angeht, die ein Motor- ballon sich wird geben können, so ist es bei den geringen, so gut wie gar keinen Erfahrungen hierin, schwer, etwas Bestimmtes zu behaupten. Aber sollten auch leichte Motoren von ganz ausserordentlicher Kraft konstruirt werden, und sollten die Schwierigkeiten der Anordnung von maschinellen Theilen am Ballon, die mit dem Umfang der Maschine in höherem Maasse steigen, elegant überwunden werden, sollte ein für die Beanspruchung bei grösseren Geschwindigkeiten genügend Festigkeit be- sitzendes Ballonmaterial gefunden werden, so bleibt immer noch die Schwierigkeit der Speisung des Motors. Je schneller dieser arbeitet, desto eher hat er seine Nahrung auch aufgebraucht, und was das Mitnehmen von Lasten betrifft, so sind hierin die Bedingungen für den Ballon unver- gleichlich viel schlechter als z. B. für ein Dampfschiff, so dass dadurch eine Konkurrenz ausgeschlossen erscheint. Und diese wird aus dem gleichen Grunde, weil man überall und stets an Gewicht wird sparen müssen, auch in Bezug auf Bequemlichkeit und Komfort nicht ausgehalten werden können. Dagegen dürfte der Motorballon eins der sichersten Fort- bewegungsmittel sein. Die Gefahren, die in seiner Konstruktion liegen, sind nicht grösser als bei Eisenbahnen und Dampfschiffen, andererseits fallen alle Gefahren, die diese von aussen bedrohen, wie z. B. Stürme, Untiefen, Bahndamm- Unterspülungen, falsche Weichenstellungen u. s. w. weg. Elementare Gewalten werden den Ballon wohl verschlagen können, jedoch wird ein gewandter Führer mit einem Motorballon eine gefährliche Landung stets vermeiden können. Natürlich sind hierbei fertig durch- gebildete Motorballons gemeint und keine Versuchsobjekte. Dagegen in besonderem Maasse widerspricht die Forderung der Billigkeit dem Wesen des Ballons. Und wenn auch eine billigere Erzeugung des tragenden Gases gefunden wird, was nicht unwahrscheinlich ist, so wird doch immer ein kolossaler Apparat aufgeboten werden müssen zur Beförderung von wenigen Personen. Es ist in dieser Beziehung das Verhältniss von Aufwand zur Leistung so ungünstig, dass es mit den entsprechenden

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Die, Zukunft des Motorballons.

477

Zahlen bei unseren jetzigen Verkehrsmitteln gar nicht verglichen werden kann.

Als Verkehrsmittel also wird man den Motorballon nicht ansehen können.

2. Die Wissenschaften, denen der Motorballon dienen könnte, sind, soweit es sich bis jetzt übersehen lässt, nur die meteorologische und die geographische Forschung. Die Meteorologie wird besonders mittelbar einen grossen Vortheil davon ziehen; denn es ist anzunehmen, dass nach Ein- führung eines brauchbaren Motorballons das ganze Luftschifferwesen einen bedeutenden Aufschwung nehmen wird. Je mehr sich dann die Atmo- sphäre mit Luftfahrzeugen bevölkert, desto reicher wird das statistische Material über Drucke, Temperaturen, Feuchtigkeiten und elektrische Er- scheinungen in verschiedenen Höhen den Meteorologen zufliessen, und dies Material ist die Grundlage für die Weiterentwickelung der Meteorologie. Auch unmittelbar wird diese Wissenschaft vom Motorballon Nutzen ziehen, wenn sie sich seiner an Stelle der bisher benutzten Freiballons zur Er- forschung der Atmosphäre bedient. Denn es wird oft von Werth sein, spezielle meteorologische Feststellungen an Stellen in der Luft zu machen, die man mit Fesselballons und mit gewöhnlichen Freiballons nicht erreichen konnte oder doch nur unter grossen Schwierigkeiten und Gefahren, so z. B. über Meeren. Nach den oben gemachten Annahmen der Leistungs- fähigkeit kann ein solcher Ballon bei einer Geschwindigkeit von 12 in in der Sekunde in 12 Stunden gefahrlos rund 500 km zurücklegen, kann also von der Küste auf das Meer hinaus einen Ausflug von 250 km machen, da die Verzögerung bezw. Beschleunigung durch den Wind bei Hin- und Rückfahrt sich im Allgemeinen wohl ausgleichen wird. Diese Möglichkeit dürfte einem Meteorologen doch wohl von grossem Werthe sein. Was nun die Verwendung für geographische Forschungen betrifft, so darf man seiner Phantasie nicht zu sehr die Zügel schiessen lassen. Nach unseren bis- herigen Erfahrungen ist nicht anzunehmen, dass in absehbarer Zeit ein Motorballon entsteht, der die oben angegebenen, vielleicht schon hoch gegriffenen Anforderungen um ein Beträchtliches übersteigt. Wie steht es da mit der Aufgabe, Andröe zu suchen oder wie Andree eine Polar- expedition im Ballon zu unternehmen. Die nach Andres Plan zurück- zulegende Entfernung vom Aufstiegort zum Pol und wieder zurück bezw. weiter an einen anderen Landungsort beträgt rund 2000 km, es müsste also der Motor des Ballons das Vierfache des hier als in absehbarer Zeit erreichbar Bezeichneten leisten, und das ist ausgeschlossen, oder man muss sich eben Anschauungen über die eminenten Fähigkeiten eines Motor- ballons in Bezug auf Geschwindigkeit und Fahrtdauer hingeben, die zwar nicht als unsinnig bezeichnet werden sollen, zu denen aber die bisherige Entwickelung der Motorballonfrage nicht berechtigt.

Dass aber auch mit einer Tagesleistung von 500 km ein Motorballon für Forscher ein sehr werthvolles Handwerkszeug sein wird, unterliegt keinem Zweifel. Besonders die Kartenzeichnung bisher unvollkommen bekannter Gebiete würde mit Zuhiilfenahme der Photographie durch Ver- wendung von Motorballons viel gewinnen können. Sobald die Möglichkeit gegeben sein wird, Forschungsreisen mit dem Ballon machen zu können, bei denen man etwa 250 km nach jeder Richtung von einem Punkt ans fahren und an die Station zurückkehren kann, wird die Anlage solcher Stationen wohl als lohnend angesehen werden. Die Kosten der Ein- richtungen: Schutzhalle für den Ballon, Gasfabrik und Anderes mehr würden allerdings nicht unbedeutend sein.

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478

Die Zukunft des Motorballona.

Jedenfalls wird in der Wissenschaft der Zukunft der Motorballon eine nicht zu verachtende Rolle spielen.

3. Der Ballon, wie er jetzt besteht, findet seine weitaus meiste Be- nutzung als militärisches Hillfsmittel; so wird auch der vervollkommnet«, der lenkbare Ballon seinen grössten Werth und Wirkungskreis in der Armee finden.

Dass er jemals als Waffe selbst verwandt werden könnte, ist nicht anzunehmen. Man liest zwar hier und da von Erfindern »lenkbarer Ballons« unter der Reihe der Vorzüge ihrer Erfindung für die Kriegführung die Möglichkeit mit aufgeführt, durch Hinabwerfen von Sprengstoffen aus dem Ballon eine Festung oder feindliche Heereskörper je nach Be- lieben — vernichten zu können. Aber das dürfte nicht gut erreicht werden können. Wer einmal eine Ballonfahrt gemacht hat, weiss, wie absolut unbestimmbar schon aus geringen Höhen der Aufschlagsort eines aus dem Korbe geworfenen Gegenstandes ist; derartig unbestimmbar, dass es nur in der Noth erlaubt ist, schwere Gegenstände zur Erde zu werfen, weil es lediglich vom Zufall abhängt, ob dadurch nicht Unheil angerichtet wird. Ein Motorballon, mit Sprengstoffen beladen, würde aber kaum in geringer Höhe über den Feind hinweggehen können, sondern sich ausser- halb der Schussweite halten müssen. Beim Fall aus den dazu nöthigen Höhen ist nun schon bei massigem Winde der Ort für den Aufschlag ein Kreis von mehreren Kilometern im Durchmesser und erweitert sich mit zunehmender Windstärke. Es würde also auch hier die beabsichtigte Schädigung des Feindes nur vom Zufall abhängen. Vorschläge man kann auch diese lesen zur Mitnahme von Lancirrohren, Wurfapparaten oder gar Geschützen, die das Treffen des Ziels ermöglichen sollen, sind natürlich unausführbar allein schon in Anbetracht der festgestellten geringen Tragfähigkeit des Zukunftsballons. Ausserdem wird man es doch wahr- scheinlich stets für praktischer halten müssen, bei dem Zusammenarbeiten von Ballon und Geschütz, dieses in gewohnter Weise seine Sprenggeschosse von der Erde versenden und dem Ballon seine jetzige Aufgabe zu lassen : Aufsuchung des Ziels, Schiessbeobachtung und Meldung darüber an die feuernden Batterien zur Korrektur. Und dieses aber nur in ganz weiten Grenzen , Erkundung und Beobachtung, das sind die Felder, auf denen ein Motorballon im Kriege wird von Nutzen sein können.

Unter Zugrundelegung der vorher gemachten Annahme, dass es mög- lich sein werde, einen Motorballon mit einer Leistung von 500 km bei zwölf ständiger Arbeitszeit zu konstruiren, wird wohl zugegeben werden müssen, dass mit einem solchen Erkundungswerkzeug Nachrichten über Anmarsch, Versammlungen, Reserven des Feindes auf derartige Ent- fernungen und so frühzeitig gebracht werden können, wie es bisher nicht möglich war; vorausgesetzt, dass man aus dem Motorballon genügend beobachten kann. Es ist zu bedenken, dass nach Einführung dieser neuen Kriegshülfsmittel auch sofort Waffen zu ihrer Bekämpfung werden geschaffen werden, und dass diese den Motorballon zwingen werden, seine Beob- achtungen auf weite Entfernung und aus grossen Höhen zu machen; dadurch wird er noch mehr vom Wetter abhängig, indem ausser Nebel, Regen und Sturm auch schon eine niedrige Wolkenlage seine Thätigkeit beeinträchtigen wird. Aber auch unter günstigen Verhältnissen und bei klarem Wetter wird eine grosse Uebung des Beobachters dazu gehören, um wirklich Erfolge zu haben. Der Gebrauch des Fernglases wird wahr- scheinlich durch den Gang der Maschine erschwert werden, und für das blosse Auge sind die Beobachtungsgrenzen sehr eng gesteckt. Aber es kann

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Die Zukunft des Motorballons.

479

die Wichtigkeit einer gegluckten Erkundung in diesen weiten Grenzen so entscheidend sein, dass dafür auch viele erfolglose Fahrten in Kauf genommen werden müssen. Der Werth des Motorballons wird allerdings immer nur in der Erkundung grosser Massen auf weite Entfernungen liegen, für die Beobachtung, wie sie jetzt von den Fesselballons aus geübt wird, ist ein Motorballon im Allgemeinen wohl zu schwerfällig zu hand- haben. Die bei dem Fesselballon fortwährend vorhandene Verbindung zwischen Beobachter und Führer, die sowohl für die schleunige Abgabe der Meldungen als auch für die Instruktion des Beobachters von unten her über die wichtigsten Aufgaben werthvoll ist, fehlt beim Motorballon. Es wird daher die Hauptsache bei der Meldung, ihre Rechtzeitigkeit, in Frage kommen, und es ist vorläufig nicht abzusehen, in welcher Weise diese Verbindung vom Motorballon sich wird herstellen lassen. Es würde auch wohl nach Einführung eines Motorballons der Fesselballon in gleicher Weise weiter benutzt werden wie bisher, so z. B. zu der oben erwähnten Beobachtung beim Schiessen.

Eine Hauptforderung, die man an den Motorballon würde stellen müssen, um seine militärische Brauchbarkeit zu erhöhen, wäre, dass er sich wie unsere jetzigen Ballons in entleertem Zustande zusammenpacken und auf Fahrzeugen transportiren liesse. Dann würde er stets der Kom- mandostelle, der er zugetheilt ist, folgen können, um im Gebrauchsfalle in gleicher Weise gefüllt zu worden wie jetzt unsero Fesselballons, und besonders auch würden die ungeheuren Kosten in Fortfall kommen, welche die bei unzusammenlegbar konstruirten Motorballons unerlässlichen hafen- artigen Stationsaiilagen zur Aufnahme während des Nichtgebrauchs er- heischen. Dieser grossen Vortheile begiebt sich der, der ein starres System für den Ballon wählt, und die Forderung der Zusammenlegbarkeit ist nicht unerfüllbar.

Ausser den bisher geschilderten Verwendungsarten würde der Motor- ballon zur Verbindung belagerter Festungen über die Köpfe des Feindes hinweg mit der Aussenwelt dienen, wie es 1870 die Freiballons aus Paris thaten, nur dass der Motorballon nicht nur heraus aus der Festung, wie jene damals, sondern auch wieder hineinkann. Dass Ideen, durch Motor- ballons die belagerte Festung von aussen her verproviantireu zu wollen, nicht ernst genommen werden können, braucht wohl nach den vorherigen Ausführungen über die geringe Tragfähigkeit der Ballons nicht betont zu werden. Dass aber in den angegebenen Grenzen die Leistungen von Motorballons für die Kriegführung von höchstem Werth, ja unter Um- ständen von ausschlaggebender Bedeutung sein können, wird zugestanden werden müssen.

4. Was für Felder der Thätigkeit hat. nun der Motorballon noch mehr? Ausser Vergnügen und Sport wird sich wohl nichts Wesentliches weiter finden lassen. Auf diesem Gebiete aber hat er voraussichtlich eine grosse Zukunft. Durch Einführung der Selbstbewegungsfähigkeit und Lenkbarkeit ist die Möglichkeit gegeben, dass sich das Ballonfahren zu einem ver- breiteten Sport entwickelt, denn dadurch ist eine Konkurrenz, ein Wett- flicgen nach bestimmten Zielen, ermöglicht, und das fehlt unserem Ballon- fahren bisher. Trotzdem gewinnt der Ballonsport schon gegenwärtig überraschend an Anhängern und auch an dauernden, denn wer einmal die Schönheiten einer Freifahrt gekostet hat, der sehnt sich zurück in die Luft; wenn man dies hedenkt, so muss man annchmen, dass in Zukunft nach Einführung von Motorballons, wenn der Reiz des Ringens um den Preis dazu kommt, der Luftsport eine sehr grosse Verbreitung haben wird.

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480 Die Umgestaltung des österreichisch-ungarischen Feldartillerie- Ha teri.'il.s.

Etwas kommt dem Motorballon auf diesem Gebiete noch zu gute; hier wird man vielleicht schon, während die Konstruktion sich noch im Ver- suchsstadium befindet, und ehe die vorher bestimmte Leistungsfähigkeit erreicht ist, sich des Motorballons bemächtigen, und man wird sich für Sportzwecke auch mit geringeren Leistungen begnügen können, wird besonders die Arbeitsdauer zu Gunsten der Geschwindigkeit verringern können. Ein vornehmer Sport würde es werden, dem Segelsport wohl am ähnlichsten, und ein Sport-, der an seine Jünger, was Nerven und Geistes- gegenwart betrifft, keine geringen Anfordeningen stellen wird. Aber darum gerade wird er Anhänger finden, und das wiederum wird das Glück des Motorballons sein; denn jedes Ding, dessen sich der Sport bemächtigt hat, das wird, wie bekannt, ausgebildet bis zur äussersten Vollendung.

Doch wie fern liegt dies Zukunftsbild noch! Wieviel Enttäuschungen und Fehlversuche wird es geben, bis man etwas Brauchbares erreicht hat.' Und sollte es denn nicht möglich sein, die Sache des Motorballons etwas zu fördern? Möglich wohl, sogar leicht möglich für den, der Geld hat. Denn Geld ist dazu nöthig, viel Geld, aber nur das ist es, woran es mangelt, alles Andere ist vorhanden und muss nur noch praktisch erprobt werden. Es müssen viele Versuche ausgeführt werden, bis die Kon- struktion reif ist, und zwar kostspielige Versuche. Die Wahrscheinlichkeit aber, das in solche Versuche gesteckte Geld in absehbarer Zeit verzinst zu sehen, ist gering. Und deshalb findet sich so schwer Geld für diesen Gegenstand, für den doch sonst überall grosses Interesse vorhanden ist. Vielleicht wird es besser, wenn einer der nächsten Versuche mit Motor- ballons, die ihrer Ausführung entgegensehen, günstiger ausfällt als die letzten, die wir erlebt haben. Dieser Wunsch auf günstige Erfolge sei dem nächsten Versuche dargobracht; möge er uns die Zukunft des Motor- ballons näher bringen.

Die Umgestaltung des österreichisch-ungarischen Feldartillerie-Materials.

Hit einer Allbildung.

Während man in Deutschland ein neues Feldartillerie-Material einge- führt und auch in Frankreich, der Schweiz und anderen Staaten den gleichen Weg beschritten bezw. zu gleichem Vorgehen sich entschlossen hat, begnügen sich unsere südlichen und unsere östlichen Nachbarn zunächst damit, am vorhandenen Material Aptirungen anzubringen, durch die eine mässige Erhöhung der Leistung in Bezug auf Fouerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit erreicht wird.

Die Abänderungen an den russischen sogenannten leichten (8,7 cm-) Feldgeschützen sind schon längere Zeit bekannt; nicht so die Einzelheiten der Aptirungen des österreichisch-ungarischen Feldartillerie-Materials.

Es muss zunächst, obschon bekannt, vorausgeschickt werden, dass dasselbe vor einigen Jahren eine Vereinheitlichung und Verbesserung in dem Sinne erfahren hat, dass das frühere leichte (7,5 cm-) Feldgeschütz ausgeschieden und durch das schwere (8,7 cm-, genannt 9 cm-) Feldgeschütz ersetzt worden ist, bei dem seinerseits einige kleinere geschickte Ver- besserungen und Erleichterungen, namentlich in den Fahrzeugen, unter gleichzeitiger Annahme einer Ladung von rauchschwachem Pulver vor- genommen worden sind.

Die neuesten Aenderungen, die »den Zweck haben, die Leichtigkeit und Sicherheit der Bedienung zu erhöhen und die Leistungsfähigkeit der

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I»ie Umgestaltung des österreichisch-ungarischen FeldartUleric Materials. 481

Geschütze zu steigern«, sind nunmehr durch den kürzlich erschienenen »zweiten Nachtrag zum Artillerieunterricht für Unteroffiziere und Vormeister der Feldbatterien« bekannt geworden; sie umfassen: 1. die Verwendung einer Rücklauf-Hemmvorrichtung; 2. die Anbringung einer Zündloch sperre; 3. die Verwendung eines Liderungsringes M 96; 4. die Anbringung eines Standvisirs am Aufsatz; 5. die Einführung eines Schrapnels M/96 mit Doppelzünder M/96a; 6. die Einführung einer auto- matischen Entkappung des Schrapnels; 7. die Ausscheidung der Kartätschen; 8. die Einführung eines automatischen Zünder-Stellschlüssels; 9. die Aenderungen des Kartusch tornisters; 10. die Verwendung einer neuen Schlagröhrtasche M/96; 11. die Aenderung der Unterbringung mehrerer Zubehörstncke. Die für den aussen Stehenden interessanteste dieser Ver- änderungen ist die unter 1. und die unter 5. genannte. Erstere nicht nur deshalb, weil sie am meisten in die Augen fällt, sondern weil sie auch am meisten geeignet ist, die Feuergeschwindigkeit zu steigern, indem durch diese Hemmvorrichtung der Rücklauf des Geschützes, der bisher,

sich eine bemerkenswerthe Steigerung der Geschossleistung aus, auf die noch zurückgekommen werden soll. Die in vorstehender Abbildung wieder- gegebene Rücklauf-Hemmvorrichtung stellt sich dar als ein ausschaltbarer elastischer Laffetenschwanz-Sporn. Der um den Bolzen c drehbare einarmige Hebel a desselben steht unter dem Gegendruck von Scheibenfedern b. Das eigentliche Blatt >/ des Sporns kann um den Bolzen e nach hinten umgoklappt werden, wodurch es flach an die unteren Kanten des Laffetenschwanzes zu liegen kommt, wie in der Abbildung gestrichelt angedeutet. Zur Ausführung dieser Ausschaltbewegungen dient ein von oben her zu handhabender Riegel k.

In diese ausgeschaltete (gestrichelte) Stellung kann der Sporn gebracht werden, wenn auf grosse Entfernungen geschossen wird, langsames Feuer abgegeben werden soll, harter, felsiger Boden es nothwendig macht oder es die sonstigen Verhältnisse ermöglichen, die Schonung des Materials in Rücksicht zu ziehen. Diese Stellung des Sporns wird auch im Allgemeinen beim Fahren über tiefe Gräben und steile, dammartige Erhöhungen an- zuwenden sein, weil sonst der tief gestellte Sporn am Boden leicht an- stossen und beschädigt werden könnte.

Der Sporn mit Beschlägen wiegt 22 kg und vermehrt den hafteten- schwanzdruck am Boden um etwa 10 kg. Seine Wirkungsweise in ein- geschalteter Stellung beim Schiessen ergiebt sich ohne Weiteres aus der Abbildung.

Kri**R9techni9«hp Zeitschrift- 18HS. 10. Heft 3 ]

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482 Di*1 Umgestaltung de» österreichisch-ungarischen Feldartillerie-Matcrinl».

Bei abgeprotztem Geschütz drückt er sich in der Ruhe zunächst ein wenig in den Boden ein; erst beim Schuss dringt er vollständig ein, und es dreht sich dabei gewissermaassen der Spornhebel a (mitgenommen in c durch die rückgleitende Laffete) um die untere Spornblattschneido, indem er die Scheibenfedern zusammendrückt. Bei nachgiebigem Boden bleibt das Spornblatt natürlich nicht unverrückbar, sondern nimmt am Rücklauf Theil, so dass der Gesammtrücklaufweg immerhin bis zu 1 m beträgt. Nachdem dieser erreicht, dehnen sich die Federn wieder aus und schieben die Laffete wieder vor, so dass der bleibende Rücklauf sich doch nur auf etwa 20 cm beläuft und nur bei sehr weichem Boden ein wesentlich höheres Maass erreicht, aber auch dann noch bedeutend hinter dem Rück- lauf des in gewöhnlicher Weise gebremsten Geschützes zurückbleibt.

Bei geübter Mannschaft ist es ohne Schwierigkeit möglich, bei An- wendung des Sporns und genügend bereitgestellter Munition die Feuer- geschwindigkeit bis auf 6 gezielte Schüsse in der Minute zu steigern. Die Konstruktion des Sporns, dessen Ausschaltmechanismus trotz der vorgesehenen Schützvorrichtungen bei fortgesetztem Schiessen in lehmigem nassen Boden wohl manchmal Schwierigkeiten machen wird, erinnert in / ihrer ganzen Anordnung an verschiedene vorhandene Muster, auf die man beim Durch blättern der deutschen und ausländischen Patentschriften der letzten Jahro stösst. Doch ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob und inwieweit dieselben als Vorbild gedient haben. Die Aenderungen am Rohr umfassen die Einführung eines speziell für den Gebrauch von rauch- losem Pulver konstruirten, dem bisherigen aber ähnlichen Liderungsringes und die Anbringung einer Zündlochsperre. letztere ist eine automatisch wirkende Sicherheitsvorrichtung, die mit dem Verschluss in Verbindung steht und das Zündloch so lange zugedeckt hält, bis der Verschluss voll- ständig geschlossen ist.

Das unter 4. genannte Standvisir soll, da die Kartätschen ausscheiden, beim Schiessen Az. auf nächsten Entfernungen (innerhalb 375 m) ver- wendet werden, um eine Umstellung des Aufsatzes zu vermeiden. Es wird dabei ungefähr auf die Mitte der Entfernung zwischen der Geschütz- mündung und Ziel gerichtet. Durch eine einfache Vorrichtung kann es auch so gestellt werden, dass es zum Bz.-Schiessen auf 450m Entfernung dient.

Wie schon weiter vorne gesagt wurde, ist die neue Schrapnel- konstruktion recht bemerkenswerth, so wenig auch das neue Geschoss sich änsserlieh und im Gewicht von dem bisherigen unterscheidet. Die Verbesserung des Geschosses wird am klarsten durch folgende Gegen- überstellung zum Ausdruck gebracht werden, in die gleichzeitig das alte Schrapnel M/75 mit aufgenommen worden ist:

Lfd.

No.

Bezeichnung.

Aus-

grachiedenes

Schrapnel

M/76

Bisherige»

Schrapnel

M,9>

Neues

Schrapnel

M/06

i.

G esc hossge wicht

ksr

7.16

0,52

6,09

2.

Querdichte pro qcni

K

120.-1

109,5

112,1

3.

Gewicht einer Füllkugel (Hartblei)

K

13

10

13

4.

Zahl der Füllkugeln

166

152

250

6.

Gewicht der Füll kugeln . . . .

kg

2,15

1,52

3,2ft

6.

Yerwerthung

0.30

0,233

0,485

7.

Gewicht der Sprengladung . . .

g

85

90

120

8.

Verhältnis» der Sprengladung zum

Geschossge wicht

0,012

0,014

0,018

9.

Münduogsgeschwindigkeit . . .

in

430

430

•>

10.

(»rosste Bz.-Sehussweite . . . .

ni

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Die Umgestaltung <les österreichisch-ungarischen Fe ldartillerie- Materials- 483

Die Verwerthung des Schrapnels hat sich danach mehr als ver- doppelt und zwar bei Vermehrung der Sprengladung tun 50 pCt., wodurch also gleichzeitig eine bessere Beobachtungsfähigkeit erreicht worden ist. Die Ausnutzung des Geschossgewichtes und Kalibers ist in der That sehr gut. Andererseits ist aber wohl zu bedenken, dass die Schwierigkeiten einer hohen Verwerthung erst mit Verkleinerung des Kalibers bei zu- nehmender relativer Geschosslänge und Anfangsgeschwindigkeit und ge- steigertem Gasdruck beginnen, alles Umstände, die für das 8,7 cm- Schrapnel nicht in Betracht kommen.

Viel beachtenswerther als die hohe Verwerthung des neuen Schrapnels erscheint uns die Thatsache, dass mau das vorübergehend angenommene Fiillkugelgewieht von 10 g aufgegeben hat und wieder zu dem alten Ge- wicht von 13 g zurückgekehrt ist. Bekanntlich hatte die 10 g schwere Kugel recht viele matte Treffer ergeben. Es sei an folgende im Jahre 1894 in Oesterreich erzielte Versuchsresultate erinnert, bei denen nicht nur die durchgeschlagenen, sondern auch die stecken gebliebenen Kugeln als »scharfe« Treffer gezählt wurden:

Entfernung 1500 m 2250 » 3000 »

Mittlere Sprengweite 72 in 99 »

101 »

Matte Treffer

4,8 pCt. 18,1 » 46,2 »

»Diese Zahlen«*) es sind nur die vordersten Scheiben, bei denen das Verhältniss am günstigsten war »reden eine sehr deutliche Sprache«, und es muss dabei betont werden, dass die hohen Prozentsätze matter Treffer bei doch recht massigen Sprungweiten erreicht wurden und dass man bei Versuchen in der Schweiz zu ähnlichen Resultaten gekommen sein soll. Zur Erhöhung der Feuerbereitschaft ist für die Zünder die »automatische Entkappung« eingeführt: Um die Doppelzünder schussfertig zu machen, mussten durch besondere Griffe der Bedienung die »Ver- kappung« und der Vorstecker entfernt werden, was oft Zeitverluste im Gefolge hatte und in der Hitze des Gefechts vergessen werden konnte. Durch die neue Einrichtung der Zünder und der Geschosskasten bleiben, wenn man die Schrapnels aus den letzteren entnimmt, die Verkappung und der Vorstecker im Kasten zurück. Zum Einstellen des Brennzünders auf die befohlene Brennlänge**) ist ein »automatischer Tempirschlüssel« ein- geführt. worden. Die allgemeine Einrichtung derartiger Schlüssel darf als bekannt vorausgesetzt werden. Ihr Vortheil besteht darin, dass bei einem einmal richtig gestellten Schlüssel die Zünder schnell und sicher eingestellt werden, indem der Kanonier den Stellschlüssel und mit ihm das Satz- stück nur so lange zu drehen braucht, bis er an einem Grenzstift des Zünderkörpers anstösst. Der Nachtheil automatischer Schlüssel beruht darin, dass sie für die Brennlängen-Strenungen beim Schiessen in der Batterie eine weitere Fehlerquelle bilden, die ebenso unvermeidlich ist, wie es die Arbeitstoleranzen aller Werkzeuge sind. Der Tempirschlüssel wird in einer äusseren Tasche des Kartuschtornisters untergebracht. Die Schlagröhrtasche hat, um sie handgerechter zu machen, gleichfalls eine Aenderung erfahren. An ihrer vorderen Seite sind zehn Schlagröhren, ähnlich wie die Patronen in den bekannten Patronengürteln der Kasaken, in einzelnen Schlaufen untergebracht. Diese zehn Schlagröhren, bei denen der Reiberdraht schon aufgebogen ist, sollen nur in Augenblicken grösster

*) M. Lit. Ztg. 1894 Nr. 10 Sp. 2SIÖ.

** In «len Fahrzeugen sind die Zünder auf 400 in eingestellt.

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484 Ein neues Rollenlager und die Verwendung desselben für Kriegsfahrzeti^e.

Steigerung der Feuergeschwindigkeit benutzt und danach möglichst bald wieder ersetzt werden. Im Uebrigen enthält die Tasche ein geöffnete» und ein geschlossenes Packet Schlagröhren.

Die Schlnssbeurtheilung über die vorgenommeneu Aenderungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass Fenerbereitschaft, Geschosswirkung und Feuergeschwindigkeit zwar wesentlich gesteigert worden sind, dass aber trotzdem der neu geschaffene Zustand nur als Uebergangsstadium und die angewandten Mittel nur als Palliative betrachtet werden können, denen genau so wie seinerzeit den in einigen Staaten zu Mehrladern ohne Steigerung der ballistischen Leistung umgeänderten 1 1 mm Gewehren eine lange Zukunft nicht beschieden sein kann.

Ein neues Rollenlager und die Verwendung desselben für Kriegsfahrzeuge.

Mit fünf Abbü'langeii.

Der grosse Verlust an Kraft durch gleitende Reibung bei Lagern ist in technischen Kreisen schon lange als ein grosser Uebelstand bekannt, und die Technik ist daher bemüht gewesen, denselben zu beseitigen durch die Einlegung von Kugeln oder Rollen zwischen die Flächen, die sich sanft gleitend gegeneinander bewegen müssen. Das Prinzip, die gleitende Reibung durch eine rollende zu ersetzen, ist schon sehr alt und es sind mit der Zeit die verschiedenartigsten Konstruktionen von Kugel- und Rollenlagern entstanden. t

Die Verbesserung und Verwendung der Kugellager erhielt einen plötz- lichen Aufschwung durch das Emporblühen der Fahrradindustrie, welche Lagerung sich für diesen Zweck als sehr praktisch erwies.

Die demnächst konstruirten Kugelrollenlager fanden im Maschinenbau vielseitige Verwendung bei Stützlagern, Fuhrwerken, kleinen Schiffs- schrauben und vor allen Dingen, abgesehen vom Fahrradbau, beim Werkzeug- maschinenbau, Spindeln, Drehbankschlitten u. s. w.

Es giebt aber auch Fälle, wo die Kugellagerung sich nicht empfiehlt, und das sind solche, wo einem starken und dauernden Drucke bei grosser Geschwindigkeit Widerstand geleistet werden muss. Hierbei stellte sich der Druck zwischen Kugel- und Lagerfläche als zu gross heraus, bezw. war die Berührungsfläche zwischen Kugel- und Lagerfläche zu gering. Die Kugeln wurden deformirt oder gar zerquetscht und verursachten grosse Störungen. In diesen Fällen ging man dazu über, Walzen anstatt der Kugeln zu verwenden.

Die Walzen- oder Rollenlagerung machte besonders in Amerika und England grosse Fortschritte, und es sind die verschiedenartigsten Kon- struktionen von Rollenlagern entstanden. Trotzdem war es bis jetzt kaum gelungen, ein Rollenlager zu konstruiren, das allen Ansprüchen genügte und so als ein wirkliches Hülfsmittel zur Ersparniss von Kraft betrachtet werden konnte.

Die Firma Mossberg & Granville Mfg. Co. in Providence, ü. S. A.*) hat ein Rollenlager erfunden, das an Einfachheit, Zuverlässigkeit und Billigkeit alle bisherigen Konstruktionen weit übertrifft und berechtigt erscheint, sich im gesammton Maschinenbau und im Bau von Transport- mitteln ein grosses Feld der Anwendung zu sichern.

Sollen Rollenlager zuverlässig funktionireu, so ist unbedingt noth-

•) Vertreter dieser Firma für Deutschland ist Ingenieur C. Kilian. Berlin NW, T, Sommerstrasse 5.

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Eiu neue« Rollenlager uncl die Verwendung desselben für Kriegsfahrzeuge. 485

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■wendig, dass jedes Theilchen der Auflagerfläche der Rollo den Lagerzapfen oder die Welle gleichmässig berührt und den zu übertragenden Druck gleichmässig vertheilt. Es muss also in Bezug auf genaue Herstellung das denkbar höchste Maass, das praktisch erreichbar ist, erlangt werden bei Verwendung von bestem Material. Mossberg & Granville stellen die Rollen mit äusserster Genauigkeit her; die Grenze, bis zu der dio Fabrik bei den Arbeiten geht, ist ’/soo mm Unterschied.

Die Mossberg- Rollenlager sind in Amerika und England allgemein im Gebrauch und haben dort die günstigsten Resultate ergeben; so fand man bei Versuchen mit Wagen unter gleichen Bedingungen eine Zugkraft- Abbild. 1. («/io nab Gr.) ersparniss beim Ge-

brauch der Rollenlager bei einer Steigung von 1:20 = 23pCt., 1 : 60 = 44 pCt. und 1 : 140 = 60 pCt.

Kobe und Achse mit Rollenlager.

düng in Walzwerken abgelegt. Hier spielte einerseits die Zapfen- reibung die grösste Rolle und andererseits

die Erwärmung der Walzen und Lager. Beide Schwierigkeiten wurden durch die Rollenlagerung gehoben. Die Kraftersparniss belief sich auf 5/« in einzelnen Fällen, durchweg aber über '/■>.

Für grosse Walzwerke, wo die Walzenzapfen Pressungen, die manchmal 10 kg pro qmm überschreiten, erfahren, ist die Kraftersparniss durch Verwendung von Rollenlagern sehr erheblich und hat obige Firma auch Hunderte solcher Lager für 15 bis 30 zöllige Walzen geliefert, die sich im

Nabe und Achse ohne Rollenlager. Abbild. 2. (*/jo uat. Gr.)

Die Fabrik von Mossberg & Granville fertigt diese Lager für alle denkbaren Zwecke im Maschinenbau und Transportwesen an, so- wie für Turbinen- und Schiffschraubenwellen u. 8. w. Ihre stärkste Probe haben dieRollen- lager bei der Verwen-

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486 Kin neues Rollenlager und die Verwendung desselben für Kriegsfahrzeuge.

Gebrauch sehr gut bewähren. Ein Schiff gewann durch Verwendung von Rolleulagern an Fahrgeschwindigkeit um 15/100.

FUr Kisenbahnachsen hat man bis jetzt nur genaue Resultat« beim Strassenbahnbetrieb, die sehr beachtenswerth sind. Es liefen Rollenlager über 70 000 engl. Meilen =11 000 km ohne irgend welche Abnutzung zu

zeigen. Bei Transportwagen, die durch Hand- betrieb in Bewegung gesetzt wurden, zeigte sich, dass ein Wagen mit gewöhnlichen Gleitlagern, der von zwei Mann bedient werden musste, mit Rollenlagern ausgerüstet, bequem von einem Mann befördert werden konnte. Für Strassenfuhrwerk hat sich das Rollenlager sehr günstig erwiesen, so ist Abbild. 3. z. B. ein Zweigespann schwerer Werde be-

fähigt, das Doppelte der erfahrungsmässigen Last zu ziehen, ein Ergebniss, das für den Kriegsgebrauch der Pferde von höchstem Werth sein muss.

Die Ersparniss an Kraft ist naturgemäss grösser, je grösser die zu bewegende Last ist, und daher würde sich die Verwendung von Rollenlagern bei Fahrzeugen, die auf schlechten Wegen grosse Lasten zu bewegen haben, wie Ponton- und Bock-Hakets der Korps- und Divisions-Brückentrains, der Fahrzeuge der Telegraphenabtheilungen, der Sanitäts- und Proviant- kolonnen sowie alle sonstigen Truppenfahrzeuge ganz besonders eignen.

Abbild.

Aus den Skizzen auf Seite 485 ist die Konstruktion der bisherigen Lager der Ponton-Hakets und einer solchen mit den neuen Mossberg-Lagem ersichtlich. Abbild. 1 stellt ein altes, Abbild. 2 ein Rollen-Lager dar.

Aus diesen Abbildungen ist leicht zu ersehen, dass die Aptirnng der alten Lager von Ponton- und Bock-Hakets ohne Schwierigkeiten zu bewerk- stelligen ist. Es ist nur nöthig, die Achsschenkel auf ein cylindrisches Maass umzuarboiten uud neue Buchsen in die Naben einzusetzen.

Es würde sich empfehlen mit zwei gleich belasteten Hakets auf ein und derselben Strasse mit Gleit- und Rollenlagern Versuche zu machen, die durch Umspannen der Gespanne oder durch Versuche mit Gewichten sehr leicht zu ermitteln sind.*)

* Ein unheladenes Kocklmket wiegt 10Ö0 kg, ein desgl. I’ontonhakct 1040 kg, ein beladenes Ilockbakct - kg. ein desgl. Pontonbukct 2000 kg.

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Kleine Mitteilungen.

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Diese Versuche werden so in die Augen springende Resultate ergeben, dass der Kostenpunkt der Aptirung demgegenüber sehr gering erscheinen wird.

Das Rollenlager (siehe Abbild. 5) an und für sich besteht aus einem cylindrischen Hohlkörper aus Rothguss, der einen wenig grösseren, inneren Durchmesser als die Achse und einen wenig geringeren äusseren Durch- messer als die Buchse besitzt. Dieser Hohlkörper hat eine Anzahl Längs- bohrungen, die zur Aufnahme der Rollen dienen. Die Rollen sind je nach Erforderniss gehärtet oder nicht gehärtet und sind in Bezug auf Dicke, Rundung, Gradheit und Härtegrad absolut gleichmässig.

Die Rollen haben einen wenig grösseren Durchmesser, als die Stärke des Hohlkörpers beträgt, und sind ganz frei in demselben gelagert. Der Achsschenkel und die Buchse müssen auf das genaue Maass abgedreht und ebenfalls gehärtet sein. Der Durchmesser der Buchse ist eine Kleinigkeit grösser zu nehmen als die Summe vom Durchmesser der Achse und zwei- mal Durchmesser der Rollen, so dass sich die Buchse leicht über das auf- gelegte Rollenlager schieben lässt.

Es ist noch zu bemerken, dass, abgesehen von einer leichten Ein- fettung gegen Rost, jedes Schmiermittel entbehrlich ist.

Aus dem vorstehend Dargestellten ergiebt sich die hohe Wichtigkeit dieser neuen Rollenlager für sämintliche Fahrzeuge des Heeres vom leichten Feldgeschütz bis zum schwersten Proviautwagen, vom Faltbootwagen bis zur schweren Beleuchtungsmaschine für elektrische Vorfeldbeleuchtung, vom Munitionskarren bis zum schwersten Fahrzeuge der Fussartillerie mit Bespannung.

Es darf hierbei nicht ausser Acht gelassen werden, dass mit dem nacheinanderfolgenden Eingehen der Pferdebahnen in grösseren Städten und deren Ersatz durch elektrische Strassenbahnen die Zucht schwerer Zugpferde eine grössere Einschränkung erfahren würde wie bisher, so dass die Heeresverwaltung bei einer Mobilmachung auf mittlere und leichte Zugpferde angewiesen soin wird, welche direkt vom Pfluge zur Bespannung der Feldfahrzeuge übernommen werden müssen. Sie kommen dabei nicht nur in ein vollständig verändertes, schwereres Futter, sondern auch in eine ihnen ungewohnte Beschirrung, die ihnen anfänglich Unbequemlichkeiten, Druckschäden und sonstige Verletzungen verursachen. Durch die Rollenlager nun wird den Pferden das Anziehen in ganz hervorragendem Maasse erleichtert und dadurch ein besseres Einfahren der Pferde gewährleistet. Die dauernde Erleichterung beim Fahren der mit solchen Rollenlagern ausgestatteten Wagen wird insbesondere bei allen Gewaltmärschen vortheil- haft in die Erscheinung treten, so dass die Ausstattung mit solchen Rollen- lagern einen weiteren Schritt zur vermehrten Schlagfertigkeit des Heeres darstellen würde.

Kleine Mittheilungen.

Libellen aufs atz für Feldgeschütze. (Mit 3 Abbildungen.) Die Feuergeschwindig- keit der neuen Feldgeschütze mit Rücklauf heinnmng wird bedingt durch die Schnelligkeit, v mit weicher die Funktionen des Richtens ausgeführt werden können. Alle übrigen Funktionell sind rascher durchgeführt, wenn das Richten mit der erforderlichen Genauigkeit vorgenommen werden soll. Durch die Anbringung einer drehbaren Ober laffete oder einer anderen analogen Einrichtung wird der Richtkanonier in den Stand gesetzt, die genaue Seitenrichtung unabhängig von dem am Laffetensch weife funk tioniren den Hülfsrichtkanonier zu ertheilen, wodurch bereits ein Zeitgewinn

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Kleine Mittheilungen.

erzielt wird. Durch rationelle Einrichtung der Visirvorrichtungen, besonders des Aufsatzes, lassen sieh für die Bedienung weitere Erleichterungen sehaffen, welche zur Erhöhung der Feuergeschwindigkeit und Treffsicherheit beitragen.

Als ein entschiedener Fortschritt in dieser Richtung muss die Verwendung eine« sogenannten Libellenaufsatzes am Feldgeschütz bezeichnet werden, dessen Konstruktions- Prinzipien nachstehend erläutert werden sollen.

Die Aufsatzstange des Libellenaufsatzes ist nach einem Halbmesser entsprechend der Uinge der Visirlinie um die Kornspitze als Centrum abgebogen und wird in einer entsprechend abgebogenen Führung auf- und abgeschoben bezw. um die Kornspitze gedreht. Eine am Aufsatz in passender Weise befestigte Libelle, welche im Nullpunkt parallel zur Seelenachse steht, wird dabei um den nämlichen Winkel gedreht. Es kann der Aufsatz also wie der bisherige mit gerader Stange verwendet werden oder aber uls (Quadrant dienen. Die Ablesung bezw. Einstellung erfolgt in beiden Fällen auf der nämlichen Skala.

Um bei der letzteren Verwendung bei der Bemessung der Aufsatzstellung vom Geländewinkel unabhängig zu sein, wie dies bei den neueren (Quadranten und Richtbogen der Fall ist, muss jedoch die Libelle am Aufsatz unabhängig von der Aufsatzstellung gedreht werden können.

Diesen Anforderungen genügt in einfacher und rationeller Weise die nachstehend beschriebene und in den Abbildungen dargestellte Konstruktion, die natürlich in der allgemeinen Anordnung den betreffenden Geschütztypen unzupassen ist.

Der Aufsatzkopf a mit durch Schraube verschiebbarem Visirschieber h ist den neueren bereits im Gebrauche stehenden Aufsätzen nachgebildet. Die Aufsatzstange c ist mit einem mittleren Radius gleich der länge der Visirlinie um die Kornspitze als Centrum abgebogen. Dementsprechend ist die Aufsatzführung d nach einem Kreis- bogen ausgefraist. Die Anfsatzstnnge erhält auf der äusseren Seite eine um das nämliche Centrum abgebogene Führung für die Libelle e. Auf der hinteren Bogen- fläche fl und der hinteren Seitenfläche f ist die Aufsatzeintheilnng, auf der vorderen Seitenfläche y die Geländewinkeleintheilnng angebracht; beide in ü/oo der Visirlinien- länge getheilt. Durch Verschieben der Libelle in der Anfsatzstange kann bei jeder beliebigen Aufsatzstellung der Geländewinkel besonders eingestellt werden. Durch eine Stellschraul>e wird die Libelle in ihrer Stellung fixirt. Das Verschieben der Aufsatzstange, welche zu diesem Zwecke an der hinteren Bogenseite gezahnt ist, erfolgt durch ein Spiralget riebe h. Dasselbe besteht aus einer in die Verzahnung eingreifenden Spirale und ist so eingerichtet, dass bei grösseren Aufsatzänderungen durch gleich- zeitiges Drehen und Ziehen die Spirale ausser Eingriff gebracht und der Aufsatz alsdunn von Hand verschoben werden kann. Ein selbstthätiges Auskehren der Spirale bei einmal eingestelltem Anfsatze ist ausgeschlossen.

Die bereit« im Gebrauche stehenden Libellenaufsätze tragen die Libelle sarnmt Einstellvorrichtung und Skala am Kopfe. Dadurch wird einerseits der Aufsatzkopf schwer und komplizirt, andererseits müssen infolge des kleinen Krümmungsradius der GeUindewinkelskalu für genaue Einstellungen und Ablesungen Nonien oder Schrauben trommeln zu Hülfe genommen werden, wodurch nicht nur die Bedienung unsicher gemacht wird, da stets an zwei Orten abgelesen werden muss, sondern durch den todten Gang der Schraube eine gewisse Ungenauigkeit in das Instrument gebracht wird.

Durch die Anbringung der Libelle in einer seitlichen Führung der Aufsatzstange, ent- sprechend der vorbeschriebenen Konstruktion, werden einerseits eine günstigere Gew ielits- vcrtheilung und einfachere Formen erzielt, andererseits wird infolge des grossen Krümmungshalbmessers der Libellenführung sowie der Geländewinkelskala dieTheilung der letzteren so gross, dos« ein direktes Einstellen der Libelle oder Ablesen der betreffenden Stellung auf dieser einen Skala mit der erforderlichen Genauigkeit möglich wird. Die Bedienung wird sicherer, weil sie einfacher und leichter verständlich ist. Infolge der tieferen I^age der Libelle wird es möglich, dieselbe zu beobachten, ohne dass die für das Visiren angenommene Kopfstellung verändert zu werden braucht.

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Kleine Mittheilungen.

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Für die verschiedenen Verwendungsarten ergiebt sich die Bedienung des Libellen- anfsatzes, wie folgt: Beim direkten Richten wird, wie heim gewöhnlichen Aufsatz, nach erfolgter Einstellung desselben auf die kommandirte Aufsatzstellung wobei

der Aufsatz stets am Rohre verbleibt überVisir und Korn auf das Ziel einge* richtet.

Beim indirek- ten Richten wird zunächst der auf irgend eine Weis«* bestimmte Gelände winkel durch ent- sprechendes Ver- schieben der Libelle eliminirt. Nach er folgter Ertheilung der Seitenrichtung wird die der Entfer- nung entsprechende Aufsatzstellung ge- geben und alsdann die Libelle durch Drehen an der Hö- henrichtschraube zum Einspielen ge- bracht, dem Rohr also die erforder- liche Elevation er- t heilt.

Es ist jedoch nicht ausgeschlossen und werden bezügliche ö Versuche hierüber

Aufschluss geben, ob nach Adoptirung eines geeigneten Libellenanf satzes die Höhen- richtung beim Beschienen un- beweglicher oder nicht gut an visirbarer Ziele nicht prinzipiell immer vermittelst der Libelle gegeben werden soll. Es würde damit die Iiingcnstreuung des einzelnen Geschützes, wie der ganzen Batterie wohl erheblich eingeschränkt-, ohne dass die Feuergeschwindig- keit Eintrag erleiden würde. In diesem Falle könnte die Verschiebung der Libelle auch ohne Weiteres benutzt werden, um die Differenzen zwischen Aufsatz und Tem-

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Kleine Mittheilungen. Bücherschau.

pirung der Schrapnels zn eliminiren, indem je nach dem Vorzeichen dieser Differenz der entsprechende Betrag an der Terrain winkelskala zagezäh lt oder abgezogen würde.

Wird ferner als Regel angenommen, dass vor Beginn der Beschießung eines Zieles nach erfolgter Anvisirung desselben mit dem kommondirten Aufsatz der Gelände- winkel eliminirt (die Blase durch Verschieben der Libelle zum Einspielen gebracht) wird, so kann ohne weitere Vorbereitung zur indirekten Höbenrichtung an Hand der Libelle übergegangen werden, was bei event. Maskirung des Zieles durch Rauch sehr vorth eil haft ist.

Als ein Hauptvortheil des Libellenaufsatzes ist aber jedenfalls hervorzuheben, dass beim direkten und indirekten Schiessen zur Ertheilnng der Richtung stets das nämliche, am Geschütz verbleibende Instrument verwendet wird. Die Geschütz- bedienung und der Batteriechef werden mit demselben durchaus vertraut, so dass die dem indirekten Schiessen anhaftende Unsicherheit beseitigt wird.

Was die Verschiebung und Feststellung des Aufsatzes anbelangt, so müssen diese Funktionen im Interesse einer möglichsten Beschränkung der für das Richten erforderlichen Zeit rasch und sicher durchgeführt werden können, Dann muss das Lösen und Festklemmen von Stellschrauben bei jeder Aufsatzänderung vermieden werden. Dies wird erreicht durch ein Getriebe, wie solches bereits beschrieben wurde. Grosse Aufsatzftnderungen werden durch Verschieben des Aufsatzes von Hand bei aus- geschaltetem Getriebe, die genaue Einstellung sowie kleine AufBatzänderungen durch Drehen des Getriebes ertheilt, das beim Schüsse sich weder drehen, noch selbstthätig ausschalten kann.

Wenn nun auch dem direkten Richten aus der Verwendung eines Libellen- aufsatzes im Allgemeinen keine grossen Vortheile erwachsen, es müsste denn prinzipiell die Höhenrichtung immer vermittelst der Libelle ertheilt werden, so sind die Vortlieile für den Uebergang zum indirekten Richten und für das indirekte Richten selbst, das in Zukunft häufiger zur Anwendung gelangen wird, wohl derart, dass keine Artillerie ein Instrument missen wird, das in der vorbeschriebenen Kon- struktion gegenüber dem gewöhnlichen Aufsatze beinahe keine Komplikation bietet.

H. Konradi, Schweiz. Art. Hptm.

Bücherschau.

Taschenbuch für die Feldartillerie, llerausgegeben von Wernigk, Haupt* mann und Batteriechef im 2. Badischen Feldartillerie- Regiment Nr. 30. Berlin. E. 8. Mittler u. Sohn. Geh. Mk. 2, , in Leder gcbd. Mk. 2,50.

Das bekannte Taschenbuch ist im 16. Jahrgang erschienen. Demselben sind die »Abänderungen zu dem Entwurf der Schiessvorschrift für das Material C/98«, sowie der II. Theil des Exerzi rregl einen ts: »Ausbildung am nnbespannten Geschütz (Material C/90)« zu Grunde gelegt worden. Dementsprechend haben die Abschnitte über das Schiessen der Feldartillerie, im

Berichtigung.

Heft 9 Seite 402 Zeile 3 von unten sowie Seite 403 Zeile 20 •« zu lesen »1111«. V a

Besonderen die Schiessuufguben, der Zug- und Geschützführer, der Staffel- und Wugeuzugführer, sowie die Betrachtungen über den Zielwechsel eine vollständige Umgestaltung erfahren. Die Bchiess Vor- schrift für das Material C/73 hat natur- gemäss keine Berücksichtigung mehr ge- funden. Wer in dem Taschenbuch die Beschreibung unseres neuen Feldmateriala suchen sollte, wird sich enttäuscht finden; es bedurfte aber dessen nicht, weil cs für den Feldartilleristen bestimmt ist, der das Material zur Genüge kennt. Das Taschen- buch wird namentlich utych ejen Offizieren des Beurlaubt enstandes auf dem Schiess platz wie auf dem Mftpöf&felde grossem Nutzen sein.

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ticdruckt in der K6«i£lichen Hufbuchdrockerci von K. S. Mittler * Sohn. Berlin'

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