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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

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Inhaltsberzeichnts

Heinrich Leporini-Wien, Das Rankenornament in der österreichischen und süddeutschen Buch- malerei der Spätgotik und beginnenden Renais-

Hildegard Zimmermann- Braunschweig, Beiträge zum Werk einzelner Buchillustratoren der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts

Anton Reichel Wien, Das Gebetbuch Kaiser Maxi- milians im Spiegel seiner Nachbildungen

Max Geisberg- Münster, Heinrich Satrapitanus und Heinrich Vogtherr...............

Emil Waldmann-Bremen, Ein Flugblatt auf den König der Wiedertäufer

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Der erste Jahrgang dieses vom Deutschen Verein für Buchwesen und Schrifttum herausgegebenen Jahrbuchs wurde bei Breit- kopf & Härtel gesetzt und gedruckt, die Druckstöcke lie- ferten die Firmen F. A. Jütte, Klauß, Adolf & Co. und Müller & Söhne, das Papier Ferdinand Flinsch. Die Redaktionsgeschäfte führte im Auftrage des Vereins der Bibliothekar des Deutschen Buchmuseums Dr. Hans H. Bockwitz, sämtlich in Leipzig

Vorwort

Als Fortsetzung unsrer bisherigen Zeitschrift überreichen wir in diesem Jahre unsern Mitgliedern unter dem Titel „Buch und Schrift“ ein Jahrbuch, in dem wir eine Reihe von Aufsätzen zum Thema: „Zur Illustration der deutschen Renaissance“ zusammengefaßt haben. Wie dieses, so sollen auch die künftigen Jahrbücher stets unter einen ein- heitlichen Gesichtspunkt gestellt werden, um auf diese Weise eine Zersplitterung, wie sie oft in derartigen Publi- kationen anzutreffen ist, zu vermeiden. Unsern dies- jährigen Mitarbeitern den Dank des Vereins auch an die-

ser Stelle auszusprechen, ist uns eine angenehme Pflicht.

Leipzig, im Dezember 1927

DEUTSCHER VEREIN FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Dr. L. Volkmann

l. Vorsitzender

DAS RANKENORNAMENT IN DER ÖSTERREICHISCHEN UND SUDDEUTSCHEN BUCHMALEREI DER SPATGOTIK UND BEGINNENDEN RENAISSANCE

VON

Dr. HEINRICH LEPORINI, KUSTOS DER ALBERTINA IN WIEN

meinte Goethe bei ihrem Anblick voll Begeisterung, er würde sich geärgert haben, wenn er ohne sie zu sehen gestorben wáre, und mit jugendlichem Enthu- siasmus schrieb er in einer darüber für die Jenaische Allgemeine Literaturzeitung verfaßten Rezension:

„Wer überlegt, daß die Zeichnungen, von denen gehandelt worden, bloß Marginalverzierungen eines Andachtsbuches sind, muß zur Verehrung und Hoch- achtung gegen ein Zeitalter sich gedrungen fühlen, in welchem so viel Kunst, so viel Kunstliebe ge- herrscht, als es bedarf, solche Werke hervorzubrin- gen. Wir sind keineswegs geneigt, die Zeit, in der wir selbst leben, herabzusetzen; aber gerade von die- ser Seite möchte ihr eine Vergleichung mit jener schwerlich zum Vortheil gereichen. Ja wir würden keine Wette darauf eingehen, ob Albrecht Dürer selbst, wenn er jetzt ohne seinen großen Namen wie- der aufstehen würde, von irgend einem eleganten Bücherbesitzer so leicht ein schönes Velin-Exemplar zum Bezeichnen erhalten dürfte, auch wenn er die Arbeit umsonst thun wollte.“

„Die Aufgabe erforderte, daß das Ganze innerhalb des Charakters einer bloßen Verzierung bleiben sollte, und ohne diese vorgezeichneten, scheinbar engen Schranken zu übertreten, hat der große Meister

In der vorwiegend dekorativen Buchkunst des Mittelalters hat sich aus der Initialverzierung all- mählich der Schmuck der Randleisten in reicher Formenentfaltung zu einer hervorragenden und selb- ständigen Bedeutung entwickelt. Auch Dürers be- rühmte Randzeichnungen zum Gebetbuch Maxi- milians, das die Münchener Staatsbibliothek auf- bewahrt, schließen sich noch dieser mittelalterlichen Buchausschmückung an. Dieses unvergleichliche Werk der Buchkunst, das wohl zu den schönsten Denkmälern deutscher Kunst gehört, übertrifft durch den Reichtum schöpferischer Phantasie, durch die Innigkeit der Natur wiedergabe sowie durch die vollkommene Zweckdienlichkeit alles, was je auf dem Gebiete der Buchverzierung geleistet wurde. Be- zeichnend für die vorwiegend zeichnerische Veran- lagung der Deutschen in der Kunst, daß auch hier durch eine Arbeit schlichter, einfacher Federzeich- nungstechnik diese Höchstleistung erreicht wurde, deren Glanz aus dem inneren Feuer einer wahr- haft künstlerischen Beseelung hervorleuchtend, auch neben den farbenprächtigsten Werken künstlerischer Buchausstattung nicht verblaßt.

Als Strixner im Jahre 1808 diese Randzeichnun- gen in lithographischer Reproduktion herausgab,

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

nichtsdestoweniger einen überschwenglichen Reich- tum bedeutender Gegenstände anzubringen gewußt; ja man kann wohl sagen, er läßt die ganze Welt der Kunst vor uns vorübergehen von Figuren der Gott- heit bis zu den Kunstzügen des Schreibemeisters.“

Wenn man den Randleistenschmuck der zeitge- nóssischen und vorausgehenden Buchkunst zumVer- gleich heranzieht, во muß man tatsächlich staunen, wie neu und eigenartig und doch in gewisser Hin- sicht auch alter Tradition getreu hier die Aufgabe einer einfachen Randverzierung gelöst wurde. Die neu gestaltende Erfindungskraft des großen Meisters läßt auch auf dem Gebiete einer dekorativen Klein- kunst, die jahrhundertelang meist nur handwerks- mäßig betrieben, die Künstler mehr oder weniger zu schablonenhaft schematischer Arbeit gezwungen hat, ein lebensvoll beseeltes großes Kunstwerk erstehen. Aber wie sehr auch alle Fesseln des mittelalterlichen Stilzwanges gebrochen scheinen und die schöpferi- sche Phantasie sich zu den lichtesten Höhen freier Gestaltung erhebend, den Geist einer neuen Zeit- epoche Form werden läßt, so bleibt die Verbindung mit der vorausgehenden Entwicklung doch noch er- kennbar. Ein Hauptmoment der reizvollen Wir- kung dieser Randzeichnungen bildet vor allem auch das eigenwillig und geistvoll bewegte Spiel der Li- nien an sich, wie ja die Linienbewegung als Selbst- zweck im gotischen Buchschmuck des 15. Jahrhun- derts die Form der Zierranken beherrscht. Diese umschlingen, wenn auch in Farben ausgeführt, vor allem mit den frei bewegten, geschwungenen, ge- krümmten und gebrochenen Linien der langen dün- nen Stengel und der gerollten oder spitz und lang auslaufenden und tief eingeschnittenen Blattformen die Textkolumnen und führen den Geschmack goti- schen Linienstils in der Buchkunst, wie es in Deutsch- land auch in den andern Künsten der Fall war, in eine Zeit hinein, da in Italien und im Westen die Stilentwicklung in der Kunst einer durchaus anders gearteten Geschmacksrichtung folgt. So sind Dü- rers Randzeichnungen nicht nur bedeutungsvoller

Wendepunkt zur Renaissance, sondern auch Höhe- punkt und Abschluß der gotischen Buchkunst. So erscheint es auch nicht unbegründet auf den Weg zurückzuschauen, der zu diesem Gipfelpunkt ge- führt hat, und die Entwicklung des deutschen Rand-

` leistenschmuckes bis zu seinem Ursprung zurückzu-

verfolgen. In einer Studie über die Augsburger Miniatur-

malerei hat auch Bredt! die Frage nach der Ent- stehung des deutschen Rankenornaments berührt: „Woher das Rankenwerk die Augsburger Miniato- ren hernahmen, läßt sich vorläufig nicht feststellen, denn in verschiedener Form wurde es in jener Zeit vielerorts beliebt. Die Frage genau zu beantworten, gäbe für eine besondere Arbeit Stoff genug. Zwei- fellos haben sich aber am frühesten die böhmischen Handschriften durch ihre fein entwickelten ranken- artigen Randverzierungen ausgezeichnet.“

In der gotischen Buchmalerei Frankreichs findet man kurze Dornblattzweige, die von den Initialen auslaufen; in Italien werden im 14. Jahrhundert den Initialen Akanthusblätter alsVerzierung angehängt; dagegen hat sich das Umschlingen der Textkolum- nen mit Pflanzenranken erst in der böhmischen Mi- niaturmalerei des 14. Jahrhunderts zu einer eigenen bodenständigen Art der Buchverzierung entwickelt. Dieser Randleistenschmuck der böhmischen Hand- schriften des 14. Jahrhunderts zeigt zwar schon das System einer den Textteil frei umschließenden, nicht in rahmenartigen Leisten eingeschlossenen Ranken- form, aber es sind nicht die langstengeligen Ranken, aus Blüten und Blättern heimischer Pflanzenarten gebildet, wie sie die deutschen Handschriften des 15. Jahrhunderts aufweisen, sondern aus schweren breitlappigen Akanthusblättern, wie sie die Initialen der italienischen Handschriften zieren, ist dieses böhmische Rankenwerk zusammengesetzt. Immer- hin zeigen die mehr oder weniger zarten- und blatt- armen Stengelranken, die ein Charakteristikum der

1 Bredt: Der Handschriftenschmuck Augsburgs im 15. Jahr- hundert. S. 63.

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deutschen, besonders oberdeutschen Buchornamen- tik im 15. Jahrhundert bilden, in der Hauptsache im Prinzip der einheitlich und organisch sich ent- wickelnden, den Text umschlingenden Rankenform eine nahe Verwandtschaft mit dem böhmischen Rankenornament des 14. Jahrhunderts. Eine zu na- tionaler Differenzierung führende Stilentwicklung hat in der europäischen Kunst schon im 13. Jahr- hundert eingesetzt, und im 15. Jahrhundert er- scheint schon hinsichtlich einer nationalen Entwick- lung eine vollkommene Trennung der großen kultu- rell zusammengehörigen Gebiete des Nordens, We- stens und Südens erreicht. In der Buchkunst ist es aber gerade der Randleistenschmuck, in dem diese nationale Stilentwicklung am sinnfälligsten ihreAus- prägung gefunden hat. In Italien gelangt man zu einem architektonisch geschlossenen, rahmenartig den Text einschließenden Randleistenschmuck, in dem selbst das Rankenwerk nur friesartig wie Bild- hauerarbeit eingesetzt erscheint; und schließlich wird die architektonische Umrahmung durch Bogen, Säulen und Pilaster am meisten bevorzugt, und selbst die Pflanzenranken werden nur im Zusam- menhang mit antiken Dekorationsstücken wie Va- sen, Säulen, Medaillons u. dgl. verwendet. In den Niederlanden und in Frankreich hat man in die Randleisten natürliche Blumen und Blattzweige ein- gestreut oder bildmäßig ausgeführte Landschafts- und Genredarstellungen als Rahmenfüllung verwen- det. In Deutschland hält der gotische Linienstil an dem Spiel der stilisierten Blatt- und Blütenformen der Zierranken fest.

Wie in Böhmen aus ererbten Fähigkeiten und aus der Kenntnisnahme fremder Kunstformen eine eigenartige bodenständige Kunst erwachsen ist, hat Dvorak in seiner grundlegenden Geschichte der böh- mischen Miniaturmalerei nachgewiesen!. Er hat ge- zeigt, wie der französisch-gotische Stil in der Buch-

1 Max Dvorak: Die Illuminatoren des Johann von Neu- markt im Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhóchsten Kaiserhauses. Band XXII, Heft 2. Wien 1901.

ausschmúckung, der in den malerischen Kiinsten ebenso wie in der Baukunst eine Neugestaltung be- deutet, doch so mit italienischen Elementen verbun- den, daß sich daraus neuerlich eine Umgestaltung hatte ergeben müssen, nach Böhmen verpflanzt, nachgeahmt und endlich assimiliert und selbständig zu neuer Entfaltung gebracht wurde.

Unter der glanzvollen Herrschaft der Luxembur- ger war Böhmen das kulturell fortgeschrittenste Land des Ostens. Eine reiche Kunsttätigkeit ent- faltete sich, welche ihrem Ursprung und Wesen nach in den Anregungen wurzelte, welche von dem Hofe der mit dem französischen Herrscherhause in ver- wandtschaftlichen Beziehungen stehenden Königs- familie ausgingen. Nach Böhmen kamen nicht nur französische Sitten, französische Lebens- und Kunst- formen, sondern sie faßten auch Wurzel im Lande, das geistige und künstlerische Leben in einer Weise umgestaltend und veredelend, daß die Residenz der böhmischen Könige im dritten Viertel des 14.Jahr- hunderts als die hervorragendste Kulturstätte im deutschen Reiche erscheint.

So fiel dem auch wirtschaftlich blühenden, reichen Lande in politischer und kultureller Hinsicht in die- ser Zeit die Führerrolle innerhalb der Länder der deutschen Kaiserkrone zu.

Von der Rezeption fremder Errungenschaften schritt man in Böhmen allmählich zur selbständigen Entfaltung geistiger und künstlerischer Kräfte vor und gelangte zu einer eigenartigen und selbständi- gen künstlerischen Produktion, welche der slavi- schen Muttererde durch die Assimilation deutscher, französischer und italienischer Elemente entspros- sen war.

So wurde auch die Lust der französischen Fürsten an prächtig ausgestatteten Büchern von den Lu- xemburgern in ihre Residenz an der Moldau mitge- bracht, und es wurde da von ihnen ein Samen aus- gestreut, der einen besonders ergiebigen und frucht- baren Boden in der einheimischen Begabung fand, denn einmal Wurzel fassend, hat diese fremde Zucht

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

die herrlichsten Früchte gezeitigt und in reicher Fülle noch in einer späteren Zeit ausgestreut, als es mit der allzu kurzen Blütezeit der böhmischen Lande schon längst vorbei war.

Was die Ornamentik in der böhmischen Miniatur- malerei des 14. Jahrhunderts anbelangt, so hat Dvo- rak des näheren ausgeführt, wie an Stelle des linear- zeichnerischen Dornblattmotivs des überall ver- breiteten französisch-gotischen Stils der Buchaus- schmückung durch die Beziehungen zu Avignon, wo auch italienische Künstler tátig waren, die plastisch geformte und in Deckfarben malerisch ausgeführte Akanthusranke als Hauptmotiv der Ornamentik in die böhmische Miniaturmalerei Eingang findet. Die Ranken laufen nun aber nicht von den Initialen, die sich dem französischen Stil entsprechend in einer rahmenartigen Umfassung eingeschlossen befinden, in losen Blättern aus, wie es in italienischen Hand- schriften der Fall ist, sondern sie entwickeln sich in einer dem mittelalterlichen bzw. französisch-goti- schen Geschmack entsprechenden streng organi- schen Form. Läßt sich in den Werken des ersten Miniators der böhmischen Schule, des Kanonikus Ni- kolaus von Kremsier, der Probst bei St. Peter in Brünn war, in dem Liber Viaticus Reisebrevier und dem Brünner Missale, noch deutlich die Anleh- nung an die italienischen Vorbilder erkennen, so macht sich in den später entstandenen Arbeiten, so in dem berühmten Missale des Johann von Neu- markt in Prag (Dombibliothek) und dem Mariale des Bischofs Ernst von Pardubitz die gotisierende Umstilisierung der übernommenen italienischen Formmotive bemerkbar.” Der Reiz linearer Form wird wieder mehr in der kalligraphisch feinen Aus- führung gesucht und herausgearbeitet; Blumen und Blätter werden nicht natürlich, sondern in zeichne- risch wirksamer Form stilisiert dargestellt. Besonders charakteristisch in dieser Hinsicht ist das halbmond- förmige Einrollen der Blütenblätter. So entwickelt sich unter dem Einfluß der vorherrschenden gotischen Geschmacksrichtung ein eigener Stil der Ornamentik.

Schon in der Zeit des Kanzlers Johann von Neu- markt reicht der Einfluß der neuentstandenen Schule der Miniaturmalerei in Böhmen über die Grenzen des Landes hinaus. Vor allem sind es die österreichi- schen Länder, die ja in naher und vielfacher Berüh- rung zu Böhmen stehen.

Wenn auch der weitausblickende Gedanke Karl IV., die Donau und Moldau durch einen Kanal zu ver- binden, bis heute noch nicht verwirklicht werden konnte, so hat es doch auf wirtschaftlichem wie auf kulturellem Gebiet nie an einer regen Berührung der Donau- und Moldauländer gefehlt. Der kulturelle Aufschwung Böhmens hat auch auf die österreichi- schen Donauländer eingewirkt, sei es durch die nach- barlichen Beziehungen der Völker, sei es durch die Verwandtschaft der Fürsten oder den amtlichenVer- kehr der Beamten in den Hofkanzleien.

Man darf freilich, ohne die Bedeutung zu unter- schätzen, welche Böhmen durch die Vermittlung einer neuen Kultur und Bildung für die Nachbar- länder gewinnt, nicht vergessen, daß außer dieser wichtigen Verbindungsstraße, welche von Paris und Avignon nach Prag führt, noch zahlreiche andere Wege und Weglein vom Westen nach Osten laufen. Der Verkehr der Stifter mit dem päpstlichen Stuhl war viel reger als etwa heutzutage und wurde haupt- sächlich durch persönliche Besuche, durch Entsen- dung von Ordensmitgliedern erledigt. Dies geschah, wie wir aus der Geschichte der Benediktinerabtei Melk oder „Unserer lieben Frau“ bei den Schotten in Wien und andrer Klöster ersehen können, zur Be- stätigung der Abtwahlen, zur Schlichtung von Strei- tigkeiten, zur finanziellen Regelung von Ordens- angelegenheiten u. dgl. Hierzu kommt noch der persönliche Verkehr der Ordensmitglieder mit dem Mutterstift und der einzelnen Klöster untereinander.

Mit Rücksicht auf die österreichischen Donaulän- der dürfte für die Kulturbeziehungen zwischen dem Westen und Osten noch der Umstand in Betracht kommen, daß auch die in Ungarn 1307 zur Herr- schaft gelangte Dynastie der Anjous zur Verbreitung

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der französischen, höfischen Formen nach dem Osten mitwirkte.

Daß schon in der Zeit des Johann von Neumarkt die neue böhmische Buchkunst auch in Österreich bekannt und geschätzt worden ist, beweist die Her- stellung des berühmten Evangeliars der Wiener Na- tionalbibliothek Cod. 1186 für den Herzogshof in Wien durch Johann von Troppau, der vielleicht ein Schüler des Nikolaus von Kremsier war. Die Entstehung der Handschrift im Jahre 1368 ist in- schriftlich und urkundlich festgestellt. Auch das Stift Vorau in Steiermark besitzt ein in dieser Zeit, um 1363, in der Prager Miniatorenschule des Bi- schofs Ernst von Pardubitz entstandenes vierbän- diges Antiphonarium Cod. 259 —, das aber aus dem 1420 von den Hussiten zerstörten Kloster Wisebrad nach Wien gebracht und dort von dem Vorauer Abt Andreas von Prombeck im Jahre 1435 für das Stift angekauft wurde.

Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts wurden aber nicht nur böhmische Handschriften nach Öster- reich gebracht, sondern es werden nun auch in den österreichischen Ländern Handschriften im Stil der böhmischen Schule ausgeschmückt. So dürfte das prachtvolle 1371 entstandene Missale des nieder- österreichischen Stiftes Geras dort selbst hergestellt worden sein. Aus dem Jahre 1385 stammt die für den Herzog Albrecht III. von dem Augustiner Lese- meister Leopold hergestellte Übersetzung der Hi- storia tripartita ecclesiastica des Cassiodors, die mit den Beständen der Graf Starhembergschen Biblio- thek in den Besitz der Berliner Staatsbibliothek ge- langte Cod. 1109. Der Übersetzung hat der Ver- fasser eine lange Lobrede auf den Herzog Albrecht III. vorausgeschickt. Dieser Fürst wandte wie sein Bru- der Rudolf der Stifter dem kulturellen Aufschwung der Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit zu. Die gei- stigen Bestrebungen, die sich auch in seiner Residenz fühlbar machten, fanden durch ihn eine herzlich warme Förderung. So war seine Gesinnung, beson- ders für die Entwicklung der Wiener Universität von

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großer Bedeutung. Ihm verdankt dieselbe ihre Er- weiterung zu einem Studium Generale. Es gelang seinen Bemühungen Lehrkräfte von europäischem Ruf nach Wien zu ziehen. Zu den Handschriften didaktischen Inhaltes, die für Albrecht hergestellt wurden, gehört auch diese Übersetzung.

Die böhmische Illuminationskunst des 14. Jahr- hunderts zeigt einen vornehmen höfischen Charak- ter und dient fast ausschließlich dem Schmucke von Prachthandschriften religiösen Inhaltes, nur aus- nahmsweise werden auch Bücher profanen Inhaltes in dieser luxuriösen Art ausgestattet, wie etwa der Willehalm von Oranse im Kunsthistorischen Mu- seum in Wien. Es ist der Westen Deutschlands, die Gegend am Oberrhein, wo die profane Buchillustra- tion ihren Ausgang nimmt, die in ihrer derben und einfachen Art in einem schroffen Gegensatz zu die- ser höchst anspruchsvollen verfeinerten Buchkunst steht und meist ganz auf ornamentalen Schmuck verzichtet.

Gegen Ende des Jahrhunderts hat die böhmische Miniaturmalerei in mancher Hinsicht ihren Charak- ter geändert. Die Vorliebe für illuminierte Hand- schriften hat immer mehr an Boden gewonnen, aber der höfische vornehme Geist, der die Werke des Jo- hann von Neumarkt entstehen ließ, geht nunmehr verloren. Die künstlerische Leistung verflacht, je mehr der Bestellerkreis sich erweitert. Die ästheti- schen Anforderungen werden geringer. Jede ein- zelne der Handschriften des Johann von Neumarkt hat ihr besonderes Gepräge. Die Handschriften Kö- nig Wenzels scheinen alle in einer und derselben Werkstatt entstanden zu sein; die selbständige schöpferische Kraft erlahmt. Wenn auch die Minia- turen der Wenzelsbibel zum großen Teil neu kompo- niert sind, so zeigt doch schon die Ornamentik einen Mangel an feinem Empfinden für die Bewegung der Rankenlinien, es fehlt der überraschende kúnstleri- sche Schwung in der Gestaltung immer neuer For- men und die gründliche Durchbildung der Einzel-

heiten. Das strenge ornamentale Schema, wie es in

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Handschriften des Johann von Neumarkt den Rand- leistenschmuck bestimmt, hat sich gelockert. Band- und Blattwerk sind nicht mehr streng gesondert: Das Rankenornament besteht gewöhnlich nur aus Blatt- werk, der Blattstil, besonders herausmodelliert, hat die Führung der ornamentalen Zierlinie.

Die hófische Richtung ist mit der Verallgemeine- rung des Kunstschaffens unter dem Einflusse des wachsenden Bedarfes zur Manier geworden. Damit waren aber erst die Bedingungen für eine intensivere Weiterverbreitung des in Böhmen geschaffenen Stils gegeben. Von hier aus, nicht etwa von den Illumi- natoren des Johann von Neumarkt, hat die Verbrei- tung des böhmischen Stils ihren Ausgang genom- men. So finden wir gegen die Jahrhundertwende in Österreich, aber auch in anderen Nachbarländern, so in Bayern, Schlesien, selbst schon in Tirol Mi- niaturhandschriften unter böhmischem Einflusse entstehen, an deren Herstellung nun heimische Kräfte tätig sind. Eine Handschrift der Innsbrucker Universitätsbibliothek, 1394 nach inhaltlichen An- gaben datierbar, dü-fte in Wien vielleicht unter AL brecht III. entstanden sein. Die krausen Akanthus- ranken zeigen in Zwickeln Goldfüllung, die Figuren längliche Kopfform und die manieriert gezierte Hal- tung, wie wir sie aus den Miniaturhandschriften Wenzels kennen.

Dem gleichen Stil gehört eine Handschrift der Wiener Nationalbibliothek Cod. 1390 an, über deren Herkunft eine Eintragung auf Folio 82 be- richtet: Iste liber est monastery Scte. Dorothee cla- rissarum regularum wienne. Besonders merkwürdig wird diese Handschrift dadurch, daß sie neben den böhmischen Akanthusranken noch ein älteres Zier- motiv, das Dornblatt, auf Seite 49 sogar einen Eichenzweig als Rankenzier verwendet.

Ein Werk, das eine hervorragend sorgfältige und geschmackvolle Ausführung des Ranken- und Ini- tialschmuckes zeigt, ist ein zweibändiges Missale in Herzogenburg. Die Ornamentik dieser Handschrift zeigt nicht das überladene Blattwerk der Wenzels-

NS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

handschriften und steht am nächsten dem Prager Missale. Eine reiche Farbenskala in Rot, Gelb, Braun und Lila stand dem Illuminator zur Verfügung; die Farben sind nicht so grell wie in den Wenzelshand- schriften, sondern mehr abgetönt. Eine Inschrift nennt den Schreiber: „Johannes de Biger, qui obiit 1406.“

Der ornamentale Stil der Wenzelshandschriften findet sich auch in einer in Tirol entstandenen Hand- schrift: Dionysii de Burgo sancti sepulcri expositio et declaratio super Valerium Maximum. Die Akan- thusblätter sind in Blau, Rot und Grün in Deck- farben gemalt. In einer Eintragung im Buchdeckel nennt sich der Schreiber, vielleicht auch Miniator der Handschrift: ,,Hic liber per me antonium pro- curatus est et ad totum completus kalendis junii anno LXXXXVIIII.“ Der Codex befindet sich in der Bibliothek des Priesterseminars in Brixen (Cod. Nr. 12).

Noch unter Albrecht III. nimmt ein Hauptwerk österreichischer Miniaturmalerei seinen Anfang, das nicht nur infolge hervorragender Qualität, sondern auch als die erste selbständige Leistung ósterreichi- scher Illuminatoren Beachtung verdient: Die deut- sche Übersetzung des Rationale divinorum officio-

Durandus, des 1296 in Rom verstorbenen Bischofs von Mende, bezeichnet den Höhepunkt scholasti- scher Symbolik. Sein Verfasser war als Rechtslehrer in Bologna und Modena tätig gewesen; er hatte in seinem „Speculum Judiciale“ das praktische Recht in ein umfassendes System vereinigt. Das Rationale hat noch im 15. Jahrhundert seine große Bedeutung beibehalten; gehört es ja zu den ersten und berühm- testen Druckerzeugnissen der Mainzer Offizin. Aus demselben Boden- und Gedankenkreis, in dem auch die Auffassung der deutschen Mystiker Eckhardt, Johann Tauler, Heinrich Seuse wurzeln, ist auch dieses Handbuch hervorgegangen, das eine symbo- lische Auslegung aller rituellen Vorschriften, Zere- monien und Handlungen der Kirche versucht. Von

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Wien, Nationalbibliothek - Cod. 2765

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gottesdienstlichen Funktionen ausgehend, zieht der Verfasser in den Kreis seiner sinnbildlichen Exegese nach dem Vorbilde älterer Versuche scholastischer Schriftsteller auch die wichtigsten Kultusgeräte, die liturgischen Gewänder und selbst die einzelnen ar- chitektonischen Teile des Kirchengebäudes. Es ist bezeichnend für die Zeit, in der besonders durch die Dominikaner mystische Lehren und Anschauungen in die Laienkreise dringen, daß ein gottesdienst- liches Regelbuch für einen Laien übersetzt wird. Auch die Entstehung der prächtigsten Bibelhand- schrift, der Wenzelsbibel, verdankt dem Einflusse der volkstümlich religiösen Bewegung, die nach einer in der Laiensprache geschriebenen vollständi- gen Bibel verlangte, ihre Entstehung.

Die Übersetzung des Rationale für Albrecht III. war nicht die erste Übertragung dieses Werkes in eine Laiensprache. In Frankreich ließ Karl V. durch Jean Golein das Rationale ins Französische über- setzen, und Heinrich von Trevoux hat das in der Pariser Nationalbibliothek befindliche Manuskript in glänzender Weise illuminiert.

Nach der Vorrede der in der Nationalbibliothek in Wien Cod. 2765 befindlichen Prachthand- schrift wurde der Auftrag zur Übersetzung im Jahre 1384 von Albrecht III. erteilt. Als Übersetzer wird Chunrath der Ramppersdorffer, Rat der Stadt Wien und Amtmann von Klosterneuburg, genannt. Aber die eigentliche Leitung des Unternehmens lag wohl in der Hand des Heinrich von Langenstein. Der be- rühmte Universitätslehrer, der im Schisma mit Nachdruck für Papst Johann VI. eingetreten war, so daß er seine bisherige Wirkungsstätte an der Pa- riser Universität hatte aufgeben müssen,wurde durch Albrechts Vermittlung nach Wien an die neue theo- logische Fakultät berufen, welche 1384 mit Bewilli- gung des genannten Papstes errichtet worden war. Es liegt nahe anzunehmen, daß mit dieser Berufung die Übersetzung des Rationale in Zusammenhang steht, um so mehr als gleich auf der ersten Seite vier Medaillonbilder auf diese Neugründung der Uni-

versität Bezug nehmen. Auf dem ersten Medaillon übergibt Papst Johann VI. zwei vor ihm knienden herzoglichen Gesandten in blauer und roter Ordens- kleidung die Konzessionsurkunde. Im folgenden Me- daillon nimmt der in Purpur gekleidete Herzog die- selbe in Empfang. Heinrich von Langenstein hatte nach seiner Ankunft in Wien die eigentliche Leitung in der Ausgestaltung der Universität übernommen. Auch die räumliche Erweiterung setzte er durch. Der Herzog stiftete zu diesem Zwecke einige Ge- bäude. Das dritte Medaillon zeigt das früheste Ab- bild des Wiener Universitätsgebäudes, und zwar noch vor seiner Vollendung, denn ein Teil des Dach- werkes ist noch ungedeckt. Das letzte Medaillon zeigt einen Universitätslehrer, vor sechs Zuhörern vortragend. Das mittlere untere Medaillonbild auf Seite 42 ist einem Siegelbild Albrechts III. nachge- bildet. Der Herzog zu Pferd, das Schwert in der Rechten gezückt, den habsburgischen Pfauenstutz auf dem Helme. Auf Seite 57 erscheint in dem linken unteren Medaillon nochmals der Herzog kniend, während auf dem rechten seine zweite Gemahlin Beatrix dargestellt ist. Daß hier ein Bildnis vorliegt, wird durch die Wappen besonders durch das Abzei- chen des vom Fürsten gestifteten Schwanenordens offenbar.

Wir können also annehmen, daß die ersten vier Bücher noch zu Lebzeiten Albrechts illuminiert wur- den. Die Ausschmückung der folgenden Seiten zeigt eine geringere Sorgfalt und einfachere Verzierung. Auf Seite 274 sind in zwei Medaillons Bildnisse Herzog Wilhelms und seiner Gemahlin Johanna von Durazzo.

Die Arbeit muß also unter Albrecht III. begon- nen, einige Zeit ausgesetzt und dann unter der per- sönlichen Fürsorge Wilhelms beendet worden sein. Die Bildnisse Wilhelms und seiner Gemahlin können aber nicht vor 1403 gemalt sein; in diesem Jahre hat sich Wilhelm mit Johanna von Neapel vermählt. Da von Albrecht IV. keine Erwähnung geschieht, scheint derselbe an der Unterstützung dieses Wer-

kes keinen Anteil genommen zu haben.

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Diese erste selbständige Leistung einer Wiener Werkstätte ist an Qualität kaum wieder übertroffen worden. Wenn auch die gesamte Ausführung nicht von einer Hand herrührt, so ist doch der Plan ein- heitlich im Charakter einer und derselben Werk- stätte durchgeführt. Auch hier steht der Stil dem Prager Missale des Johann von Neumarkt näher als gleichzeitigen für König Wenzel hergestellten Minia- turhandschriften. Statt der schablonenhaften An- wendung einer beschränkten Anzahl von Motiven in der Ornamentik, wodurch diese trotz überladenen Prunkes an selbständigen Erfindungen und Einfällen immer ärmer wurde, war hier eine reiche Phantasie- begabung tätig. Die Technik, der Farbengeschmack, die ornamentalen Elemente und die Kompositionen sind ähnlich wie in böhmischen Handschriften. Wie in dem genannten Missale wird auch das Band- und Flechtwerk als selbständiges ornamentales Element verwendet, die Stengel werden rahmenförmig ge- wunden und umschließen Medaillons.

Trotz dieser Übernahme ornamentaler Motive und trotz der starken Anlehnung an einen fremden Stil, ist das Werk durchaus eigenartig und originell ausgeführt. In dem feinen Raumempfinden in der individualisierenden Behandlung der kleinen Por- träts findet das Rationale in den gleichzeitigen Wen- zelsbüchern nicht seinesgleichen. Auch die nordisch- gotische Vorliebe für minutiöse Detailbehandlung, das liebevolle Eingehen auf Einzelheiten in dem or- namentalen Schmuck wie in den Miniaturen ver- leihen diesem Werk seinen hohen Reiz. Der Stil- richtung im Missale des Johann von Neumarkt ver- wandt ist das schon erwähnte für Albrecht III. her- gestellte Evangeliar. In zahlreichen Urkunden wird ein Meister Hans Sachs als Maler des „hochgeboren Fürsten Herzog Albrechte ze österreich“ genannt. Wenn derselbe, wie vielfach angenommen wird trotzdem er niemals in Urkunden als Illuminator bezeichnet wird —, der Meister der Ausschmückung des Rationale wäre, würde die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sein, daB derselbe in das Werk des

Johann von Troppau Einsicht genommen hat. Eine solche Annahme bietet aber keine genügende Erkla- rung für die Stilherkunft des Künstlers. Das techni- sche Können weist auf eine gründliche Schulung in einer böhmischen Werkstätte hin, welche für Jo- hann von Neumarkt tätig war, vielleicht in der des Johann von Troppau in Brünn. Abweichend von der üblichen wellenförmigen Rankenform in den böhmischen und französischen Handschriften, um- gibt der Randleistenschmuck den Text in einem rechteckigen Rahmen ähnlich wie in italienischen Handschriften, welche unter französischem Einfluß in Neapel entstanden sind. Die Rahmenfüllung zeigt Gold oder einfarbigen Grund. Die Ranken sind in verschiedenen Farbenvariationen darauf gesetzt. In dem in der königlichen Werkstätte von Neapel ent- standenen Missale des Kanonikus Ricardi de Ricar- dini kann man einen Randleistenschmuck von gro- Ber Ähnlichkeit bemerken. Der Meister ist also in einer böhmischen Werkstätte geschult, außerdem aber hat er vielleicht durch persönlichen Aufenthalt in Italien Werke italienischer Miniatoren kennen gelernt.

Außer Hans Sachs, der im Jahre 1385 und 1386 samt seiner Frau Anna als Besitzer eines Hauses unter den Sattlern und von vier ,,Chranen“, Ver- kaufsständen am Liechtensteg in Wien, erscheint, erfreut sich in dieser Zeit noch ein anderer Laien- künstler, der in Urkunden oft genannte Jakob Grün, bedeutenden Ansehens. Derselbe wird 1384, 1397, 1399, 1401 und 1418 als Besitzer von zwei Häusern am Kohlmarkt genannt und ist 1416 beauftragt worden, für den Zwölfbotenaltar der Stephans- kirche eine Tafel herzustellen, wofür er eine Anzah- lung von 30 Pfund erhält. Als Hofmaler Albrechts und auch Leopolds III. geschieht in früherer Zeit eines Hans Heinrichs des Sternsehers in Urkunden Erwähnung „Pictor illustrissimi principis ducis leopoldi“ —; er ist schon 1397 nicht mehr am Leben, denn 1397 wird ein Meister Friedrich Sternseher, des Meisters Heinrich, des Seeligen, Sohn genannt. Aber

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eigentliche Miniaturmaler, Briefmaler oder Illumi- nierer werden in den Urkunden der Zeit nicht er- wühnt. Da in Österreich der Betrieb der Miniatur- malerei auch das ganze 15. Jahrhundert hindurch fast ausschließlich auf die Klöster beschränkt blieb, so dürfte man wohl annehmen, daß auch der Schmuck des Durantius in einer Klosterwerkstätte entstanden sei. In den österreichischen Donau- und Alpenländern bleiben die Klöster mehr als anderswo auch im 15. Jahrhundert noch die eigentlichen Pflegestätten geistiger und künstlerischer Kultur. In erster Linie sind es die großen Stifter, vor allem Melk und Klo- sterneuburg, und das durch den neuen Zeitgeist am Ausgang des Mittelalters in ihnen wieder mächtiger angeregte geistige Leben und Geschehen für das Kunstleben von Bedeutung. Verglichen mit dem kulturell und politisch aufstrebenden Bürgertum im deutschen Westen spielt das Bürgertum hier eine untergeordnete Rolle. In der fortwährenden Kriegs- stürmen ausgesetzten Ostmark ließ die stets kampf- gerüstete Faust der Herzoge und des hohen Adels die Zügel nie locker und dem Bürgerstand wenig Bewegungsfreiheit sich aufzurichten. Schon im Jahre 1296 machte das Albrechtinische Privileg dem Streben eines Teiles der Bürgerschaft der Stadt Wien das Privilegium einer reichsunmittelbaren Stellung zu erlangen, wie es vorher durch die Konzessionen Ottokars und Rudolfs geschehen war, und auch dauernd zu behaupten, für immer ein Ende. Mit der Reichsunmittelbarkeit und mit der Ausbildung eines selbständigen Staatswesens war es für immer vorbei, vorbei auch mit allen politischen Kämpfen, welche doch das Selbstbewußtsein des Bürgers heben und seine Kraft stählen.

Die Stadt gewöhnte sich in der Folge ganz an eine unselbständige Stellung. Was in andern Reichsstäd- ten erkämpft werden mußte, das Wahlrecht für die Oberleitung der Stadt, Bürgermeister und Rat, das wurde von den Herzogen Wilhelm, Leopold und Al- brecht IV. einfach ohne auf einen Widerstand zu

stoBen dekretiert, als der Fortschritt der Zeit und die unaufbaltsame Entwicklung diese Neuerungen notwendig werden ließ. So verfügt der Herzog als Herr der Stadt alle wichtigen Änderungen und die Bürgerschaft ist damit zufrieden. Es hat sich nicht nur eine Interessengemeinschaft zwischen den Stadt- bürgern und den Herzogen herausgebildet, aus wel- cher beide Teile Vorteil zogen und welche sie anein- ander fesselt, es ist am Ende auch die politische Aktivität der Wiener Bürger erlahmt.

Ebenso unbedeutend wie das politische bleibt auch im großen ganzen das geistige Leben des Wie- ner Bürgers. Selbst in der Zeit allgemeinen Auf- schwunges und der aufs höchste gesteigerten geisti- gen Regsamkeit im Zeitalter der geistlichen und po- litischen Reformationsbestrebungen und allgemei- ner Begeisterung für die neue wissenschaftliche und ästhetische Bildung, als Humanismus und Renais- sance siegreich vordringen, sind es am Sitze der öster- reichischen Universität, welche durch die besondere Fürsorge einzelner habsburgischer Gönner baldeinen ausgezeichneten Ruf erlangt hatte, doch zumeist Leute fremder Herkunft, welche sich als Pioniere einer neuen Kultur betätigen. Schon die verhältnis- mäßig späte Einführung der Buchdruckerkunst in Wien spricht für den Mangel geeigneter Vorbedin- gungen für eine bürgerlich volkstümliche Kunst- und Kulturentwicklung, wie sie in den bedeutenden Städten des Westens im 15. Jahrhundert gedieh. Es hat hier gerade bei den tonangebenden Kreisen an dem Verständnis für die neue Kunst gefehlt. Gerade in den ersten Zeiten des Buchdruckes steht dem volkstümlichen Interesse für die neuen billigern Er- zeugnisse der Presse, die konservative Art vorneh- mer Bücherliebhaber, welche ausschließlich mit der Hand geschriebene und illuminierte Bücher ihren Sammlungen einverleiben, schroff gegenüber. Ein solcher Bücherfreund ist etwa der Graf Werner von Zimmern, der zur Herzogin Mechtildis von Öster- reich, einer ebenso konservativen Freundin von ge- schriebenen Büchern wie von französisch-höfischer

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Romanliteratur, in freundschaftlichen Beziehungen steht. Auch sein Sohn Johann Werner, der Ältere geb. 1454, gest. 1495 teilte mit seinem Vater die gleiche Vorliebe. Gabriel Sattler oder Lindenast wurde von ihm viel beschäftigt. Aus den flüchtigen kolorierten Federzeichnungen dieses Bücherschrei- bers spricht freilich schon ein Geist, der sehr nahe verwandt ist der nur illustrativen Richtung, die in der Vervielfältigung durch den Holzschnitt ebenso Befriedigung findet, wie der wachsende Bücher- bedarf durch den Buchdruck!.

Wenn wir einzelnen Fäden der kunstgeschicht- lichen Entwicklung folgen, sie führen uns selten in bürgerliche Kreise; die höfischen und kirchlichen sind es, welche auch noch im 15. Jahrhundert fast ausschließlich das Kunstleben beherrschen; die Pflege älterer Traditionen ist in diesem Milieu selbst- verständlich, aber bemerkenswert bleibt das inten- sive Heranziehen fremder verfeinerter Kunstformen, während derberen volkstümlichen Elementen der Eingang verwehrt wird. Dies ist um so merkwürdi- ger, als der Hang zu derber Natürlichkeit im Volks- charakter wurzelt und auch im ritterlichen Leben nicht jene feinen Formen aufkommen ließ, welche sich an den westdeutschen Höfen Eingang ver- schafft hatten. Der österreichische Adel ließ nicht gern von seiner altgewohnten Art, und das Verhält- nis zum Volke, von dem man sich nicht streng abschloß, war mehr patriarchalisch. Die ,,Rheinisch- heit“, die Nachahmung eleganter schwäbischer Art, erregte nicht nur beim Volke Mißfallen, wie es be- sonders in den Spruchversen des bürgerlichen Dich- ters Teichner beredten Ausdruck fand, sondern auch der einheimische Adel sah mit Mißgunst auf die schwäbischen Herren, die aus den Vorlanden im Ge- folge der Herzoge nach Wien kamen. So hat der volkstümliche Ton, der in der Schwankdichtung durchdringt, in die bildende Kunst weniger Eingang

ı Modern: Die Zimmernschen Handschriften in der k. k. Hofbibliothek im Jahrbuch des Allerhöchsten Kaiserhauses.

Band XX.

gefunden. Die einseitige Begünstigung verfeinerter fremder Kunst- und Lebensformen durch die öster- reichischen Herzoge hat zwar viel Neues gebracht; aber die Entwicklung lokaler volkstümlicher Art nicht gefördert.

So steht im ausgehenden Mittelalter die Kultur- entwicklung in den österreichischen Ländern unter der Führung der hófischen und kirchlichen Kreise. In den letzteren findet die mittelalterlich scholasti- sche Geistesbildung ihre Pflege und auch ihr letztes Ausklingen. Der scholastische Betrieb der Wissen- schaften, der innige Bund zwischen Theologie und Philosophie, hatte in der Wiener Universität einen festen Stützpunkt, welcher dem Ansturm der neuen Ideen des Humanismus, wie man aus den Berichten des Aeneas Sylvius ersehen kann, nicht geringen Widerstand bot. Selbst die Blütezeit der Stadt Wien unter Rudolf IV. bedeutet nicht ein höheres Kultur- niveau der Bürgerschaft, sondern den Höhepunkt der landesfürstlichen Fürsorge, das segensvolle Wal- ten eines weisen Herrschers, der in seltsamer Riva- lität zu seinem Nachbarn, Karl IV., dem glanzvollen Böhmenkönig, gleichfalls zu den eigentlichen Vor- läufern der Renaissance gehört. Der Umbau der alten Stepanskirche, die Gründung der Wiener Uni- versität, es sind nicht Früchte gesteigerter Volks- kultur, sondern Taten aus dem Machtgefúbl des Herrschers entsprungen, der Wien, Prag nach- eifernd, zu gestalten suchte.

So steht in Wien am Ausgang des Mittelalters alles, was sich außer bedeutungslosen Lokalereig- nissen abspielt, in Beziehung zum Fürstenhof.

Wenn auch der rege Verkehr im österreichischen Donauland mit Anregungen mannigfacher Art auf das kulturelle Leben besonders in Wien, dem welt- lichen Mittelpunkt der Alpenländer eingewirkt hat, so ist die Aufnahmefähigkeit doch gering, denn es fehlt an der auf fester Grundlage aufgebauten Tra- dition, welche allein die Möglichkeit zu selbständiger Weiterbildung bieten kann. Zwar geht der Zusam- menhang mit der geistigen Entwicklung und der

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aufblühenden nationalen Bildung der verwandten deutschen Volksstámme nicht verloren, aber es ist nur mehr ein Mitgehen, kein selbständiges, kraft- volles Vorwärtsschreiten. Der Charakter der öster- reichischen Kulturentwicklung im 14. und 15. Jahr- bundert ist provinzial. Im 14. Jahrhundert ist der königliche Hof in Prag der Mittelpunkt osteuropái- scher Kunst und Wissenschaft, im folgenden Zeitalter wird das Bürgertum der westdeutschen Handels- städte Träger einer neuen Geistesentwicklung.

Mit der Blüte der ritterlichen Dichtung geht es im 14. Jahrhundert zu Ende. Heinrich von Neuenstadt, der als Árzt in Wien am Anfang des 14. Jahrhun- derts tätig ist und nach einer lateinischen Vorlage mit Verquickung abenteuerlicher Märchen und Ro- manelemente den Apollonius von Tyrlandt dichtet, hat damit das letzte literarische Denkmal in aus- gebildeter höfischer Kunstform auf österreichischem Boden geschaffen. In einem andern Werke des Hein- rich von Neuenstadt kündigt sich schon das Emp- finden einer neuen Zeit an. Es ist das Gedicht ,,von der Zukunft Gottes“. Das neue Verhältnis der Men- schen zu Gott, welches in den Schriften der deut- schen Mystiker immer stärker hervortritt, geht Hand in Hand mit der neuen Geistesentwicklung.

In der Folgezeit sind es hauptsächlich Werke di- daktisch-scholastischen Inhaltes, welche in Wien entstehen. Von einiger Bedeutung ist Konrad von Megenbergs „Buch der Natur“. In Lilienfeld ver- faßt der Abt Ulrich um die Mitte des Jahrhunderts die „Concordantia caritatis in Anlehnung an den Inhalt der Specula humanae salvationis und des Physiologus. Didaktischen Inhaltes sind auch die Tierfabeln des Stephan Vohpecks oder die zahllosen Spruchdichtungen des Heinrich Teichner. In allen diesen Dichtungen findet noch häufig ein gesunder Volkshumor sein Feld. Bezeichnend für den neuen Zeitgeist sind die didaktisch-moralischen Dichtungen Peter Suchenwirts, der am Hofe Albrecht II. und Albrecht III. gelebt hat. Mit der eigentlichen hö- fischen Kunstdichtung und Tradition war es vorbei.

Konnten wir im 14. Jahrhundert noch bodenstän- dige literarische Erscheinungen von einiger Bedeu- tung konstatieren, so flaut im folgenden Jahrhun- dert die heimische Produktion fast vollkommen ab. In diesem Zeitalter ist Wien merkwürdig arm an literarischen Persönlichkeiten, die aus seinem eige- nen Boden erwachsen waren. Der Dichter und Chro- nist am Hofe Friedrichs III. Michael Behaim ist ein Schwabe. Er mußte am Ende vor der Mißgunst der Wiener gegen das sich am Hofe breitmachende Schwabentum aus Österreich flüchten. Nach Schwa- ben weisen auch die nähern Beziehungen einiger habsburgischen Familienmitglieder. Die Gattin Al- brecht VI. war die literaturfreundliche Pfalzgräfin Mechtildis; „das Fräulein von Osterreich“ wird sie im Volkslied genannt. Aber von ihrem Hof im schwäbischen Rothenburg hat sich ihre Wirksam- keit ebensowenig nach Österreich erstreckt, wie die einer andern Fürstin, der Eleonore von Schott- land, der Gattin Sigismunds von Tirol, deren Namen mit der Geschichte des deutschen Romans verknüpft ist. |

Es wurde im vorausgehenden gezeigt, wie die neuen Akanthusranken der böhmischen Miniatur- malerei auch in österreichischen Handschriften Ein- gang gefunden haben. Es handelt sich dabei um eine bloße Nachahmung fremder Vorlagen oder Entleh- nung fremder Dekorationsmuster, wie es auch früher in der in den österreichischen Klöstern sehr fleißig betriebenen Handschriftenillumination stets der Fall war; diese zeigte niemals eine selbständige Weiter- bildung oder Umgestaltung der übernommenen De- korationsmotive. Es ist ganz merkwürdig zu beob- achten, wie der durchaus verschiedene Stil französi- scher und italienischer Miniaturhandschriften ganz für sich ohne gegenseitige Beeinflussung nachge- ahmt worden ist. So wurden z. B. Rechtshandschrif- ten immer nach dem Stil der bolognesischen Minia- torenschule ausgemalt; die Initialen wurden stets mit den schweren italienischen Akanthusranken verziert und das Titelblatt zeigt ebenso immer wieder den

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schreibenden Mönch oder den Verfasser, der sein Werk kniend dem Papst überreicht. Ebenso erhält sich in den typologischen Büchern, den Armen- bibeln u. dgl., die Ausführung in zierlichen, franzö- zösisch-gotischen Federzeichnungen, auch noch in späterer Zeit, als die malerische Ausführung in Deck- farben nicht nur auf liturgische Handschriften be- schränkt blieb. Dasselbe in dieser Hinsicht gilt auch von den in bayerischen Klöstern um diese Zeit ent- standenen Miniaturhandschriften. So zeigt die im Kloster Metten im Jahre 1414 entstandene Biblia pauperum München, Staatebilbliothek, Cod. 8201 eine ähnliche Ausschmückung mit zierlichen Federzeichnungen, wie die in Österreich geschriebe- nen typologischen Bücher: die Biblia pauperum der Wiener Nationalbibliothek, Cod. 1198, die beiden Specula humanae salvationis in Göttweig und St. Florian, die Concordantia caritatis des Fürsten Liechtenstein u. a. m.

Ebenso zeigen auch bayrische Handschriften aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts, wie die aus Kloster Benediktbeuern stammenden zwei Bände der Welt- chronik des Rudolf von Ems München, Staats- bibliothek, Cod. 4 und 5 und das 1406 in Regens- burg entstandene Missale München, Cod. 14055 die Verwendung der böhmischen Rankenform als Randleistenschmuck.

Von österreichischen Handschriften dieser Ver- zierungsart verdient dann noch eine sehr inter- essante, beiläufig datierbare der Wiener National- bibliothek Cod. N. S. 89 Erwähnung. Sie ent- hält eine Übersetzung der Reden des heiligen Augu- stinus und wurde für Herzog Ernst den Eisernen vor 1407 hergestellt, weil der Wappenschmuck österreichischer Bindenschild, Tirol und Steiermark noch auf die Regierungszeit des Herzogs in Tirol und Steiermark hinweist; seit 1407 verwaltet Her- zog Ernst bloß die Steiermark. Das Buch enthält nur ein Vollbild und zwei minierte Initialen; das erstere zeigt die Madonna stehend, in einer Strahlen- glorie mit einer Sternenkrone auf dem Haupte, links

kniet der gekrönte Herzog in einem langen Mantel, dessen Kragen die erwähnten Wappenbilder zieren. Das grünliche Inkarnat der Madonna und auch die Haltung der Figur und der Faltenwurf klingt bier an die Art der sienesischen Malerei an; vielleicht wurde eine ältere sienesische Vorlage benutzt. Auf- fällig erscheint aber die Bildung der Ranken, die schon längere Stengel und schwungvoll auslaufende Winden zeigen.

Kann man hier schon eine Abweichung von der üb- lichen Form der böhmischen Akanthusranken be- merken, so macht sich im Rankenschmuck aller in der Folgezeit entstandenen Handschriften eine durchaus neue Formbildung geltend. Es erscheint nun ausschließlich die eingangs erwähnte lang- stengelige Ranke, die von einem heimischen Pflan- zenformen entlehnten Blattwerk und Blütenschmuck gebildet wird. Während die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts besonders in bayerischen Hand- schriften übliche Rankenform ein reicheres, aus tief- eingeschnittenen spitzen Blättern gebildetes Blatt- werk zeigt, ist das für die erste Hälfte des Jahrhun- derts charakteristische, dürftig aus nur wenigen spitzen Blüttern gebildete Blattwerk der Ranken vor allem aus zahlreichen ósterreichischen Hand- schriften bekannt; in Österreich behalten die Ran- ken bis zum Ende des Jahrhunderts fast ohne Aus- nahme diese Form, so daß man versucht wäre, sie für eine besondere Eigenart des österreichischen Buchschmuckes zu halten und auch ihren Ursprung in Österreich zu suchen. Inwieweit dies zutrifft, soll die nachstehende Untersuchung zeigen. Da im 15. Jahrhundert in den österreichischen Klöstern eine überaus gesteigerte Produktionstätigkeit einge- setzt hat, so fehlt es nicht an Handschriften, deren Entstehungsort und -zeit sich leicht feststellen läßt, und die ein geeignetes, bisher zu wenig gewürdigtes Forschungsmaterial bilden. Vor allem gilt dies von einer Gruppe von Miniaturhandschriften, die sich, aus dem Besitze Kaiser Friedrichs IV. und Maxi- milians stammend, in der Wiener Nationalbibliothek

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erhalten haben!. Sie enthalten in ihren aus Wappen- bildern u. dgl. erkennbar gemachten Beziehungen zu österreichischen Fürsten manche historisch wert- volle Daten. So erscheint das Besitzverhältnis Fried- richs außer durch Wappenbilder und Inschriften durch die bekannte Devise A. E. I. O. U. nachgewie- sen. In seinem Gedenkbuch Cod. 2674 der Na- tionalbibliothek in Wien findet sich auch der Ver- merk: „Pei velhem pau oder auff welhem Silber- geschirr oder Eisengebaut oder andern Kleinaten der sprich und die funff puestaben a. e. i. o. u. stend, das ist mein herczog Fridreis des Jungern gebessen oder ich hab dasselbig pauen oder machen lassen.“ Diesem friderizianischen Bücherschatz gehörten auch einige der schon hier genannten Handschriften des 14. Jahrhunderts und der Wenzelsepoche an, so das Evangeliar des Johann von Troppau, das Ra- tionale des Durantius u. a. Nachstehend seien die vor allem für die vorliegende Studie in Betracht kommenden Bücher aufgezählt:

Cod.23, ein für den Prinzen Ladislaus Posthu- mus bestimmtes Lehrbuch in der Art des Donat. Aus der Innsbrucker Universitätsbibliothek zu An- fang des 19. Jahrhunderts in die Hofbibliothek ge- langt.

Cod. 326 des Johannes a Voragine, Legenda aurea mit dem Namen, Monogramm und Wappen Friedrichs III. und 1447 datiert mit der Devise A.E.J.O.U.

Cod. 1767. Gebete, Hymnen, Psalmen, Litanei. Mit der Devise A.E.J.O.U. Auf dem Titelblatt ist König Sigismund und seine Gemahlin von zahlrei- chem Hofstaat umgeben dargestellt. Erst später, als Friedrich III. sich die Handschrift aneignete, ließ er sein Wappen hineinmalen und zeichnete seine Na- mensunterschrift und Devise ein.

Cod. 1788. Psalmen, Hymnen, Gebete; zum Ge-

1 Theodor Gottlieb: Die Ambraser Handschriften. Beitrag zur Geschichte der Wiener Hofbibliothek I. Büchersammlung Maximilians I. Mit einer Einleitung über älteren Bücherbesitz

des Hauses Habsburg. Wien 1900. 21

brauche Friedrichs III., wie seine auf dem Vordeckel eingepreßte Devise A.E.J.O.U. und seine Wappen, auf dem hintern Deckel aufgemalt, zeigen.

Cod. 1846. Wahrscheinlich aus der Erbschaft Al- brechts VI. an Kaiser Friedrich III. gelangt. Über diesen Cod.: Giov. Benv. Gentilotti in seinem hand- schriftlichen Katalog unter Theol. 404: Est liber va- riarum Precum in usum Alberti ducis Austriae, Er- nesti ferrei filii, Friderici III. imperatoris fratris con- scriptus et compluribus sanctorum figuris exornatus. In principio depicta est effigies memorati Alberti se- dentis etc.

Cod. 1946. Officium S. Morandi; 1482 Fried- rich III. von Paul von Stockerau als Geschenk dar- gebracht.

Cod. 2224. Aufschrift in Gold: De Satutis et con- suetudinibus contra ecclesiasticam libertatem editis constitucio Friederici Imperatoris per papam Boni- facium confirmata (Bestätigung des Konzils von Konstanz); Jordanus, chronicon qualiter imperium Romanum translatum fuit in Germanos (Reihen- folge der Kaiser und Päpste bis Wenzel IV. und Bo- nifaz IX.). Einst Friedrich ITI. gehörig; fol. la oben (später hineingemalt) der österreichische Binden-

schild; im weißen Streifen steht mit Goldbuchsta- ben 1440 (a.e.i.o.u.); die charakteristische Paraphe ist grün. Auf derselben Seite unten Bindenschild und Wappen des deutschen Reiches zur Füllung von

Rankenwerk verwendet. Cod. 2227. Deutsches Gebetbuch für einen öster-

reichischen Herzog.

Das zuletzt genannte Gebetbuch zeigt auf einem Vollbild eine Darstellung des Meßopfers. Der Prie- ster steht vor einem Altar und erhebt die Hostie; zwei Jünglinge als Ministranten gekleidet, einer eine hohe Kerze haltend, knien auf den Altarstufen. Links vom Priester kniet außerdem ein bartloser Mann in pelzverbrämtem Wams, während hinter einem mit einem Teppich behangenen Betstuhl ein bärtiger Mann, mit Halskette geschmückt, die Hände zum Gebet gefaltet, zum Teil sichtbar ist. Der im Bet-

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stuhl kniende Mann trägt einen über die Mundwin- kel herabhängenden Schnurbart. Diese Barttracht wurde im Ausgang des Mittelalters in den östlichen Ländern mit halbslavischer Bevölkerung üblich. Wir müssen in dem Dargestellten den Herzog Albrecht V. erkennen, während wir in dem links knienden Mann vielleicht den Stifter dieses Gebetbuches, jedenfalls eine Albrecht nahestehende vertraute Persönlich- keit vermuten vielleicht Ulrich von Eitzing, der aus Bayern eingewandert, es durch die Gunst Albrechts aus ärmlichen Verhältnissen zu einer recht hohen Machtstellung und großem Reichtum gebracht hat. Die beiden Wappen weisen nämlich auf einen Her- zog aus der albertinischen Linie, denn dieser waren durch den Teilungsvertrag vom 25. September 1379, der von beiden Brüdern Albrecht und Leopold III. im Kloster Neuberg im Mürztal abgeschlossen wurde, die österreichischen Erblande zugefallen. Eine Länderteilung, die mehr als ein Jahrhundert gedauert hat. Daß es sich um Albrecht V. aus dieser Linie handelt, beweist die Übereinstimmung des Wiener Gebetbuches mit einem zweiten das sich, im gleichen Stil und von derselben Hand ausge- malt, in der Stiftsbibliothek in Melk befindet. Die schon erwähnte Darstellung des MeBopfers findet sich auch in dem Melker Exemplar in fast gleicher Weise. Aber oberhalb und unterhalb der Miniatur sind jetzt je drei Wappenbilder. Oben Ungarn, der Reichsadler und Böhmen. Unten Altösterreich, der Bindenschild und Mähren. Es war Albrecht V., der als Gemahl von Sigismunds einziger Tochter Elisabeth am 18. Dezember 1437 zum König von Böhmen gekrönt und im folgenden Jahre von den deutschen Kurfürsten zum König gewählt wurde. Auf beiden Miniaturen ist der rechtskniende Herzog mit denselben charakteristischen Porträtzügen dar- gestellt. Albrecht starb im Jahre 1439 auf einem Kriegszuge gegen die Türken in Ungarn an der Ruhr. Wir haben also für die Entstehung des Melker Ge- betbuches den Zeitraum zwischen 1438 und 1439. Das Wiener Gebetbuch dürfte aber, nach dem Stif-

ter und Herzogsporträt, nicht allzulange vor 1438 entstanden sein. Das Melker Exemplar enthält außer diesem erwähnten Titelbild nur eine Initial- miniatur Christus segnend, die Rechte erhoben, die andre Hand am Buche haltend und Rand- leistenschmuck. Das Gebetbuch in Wien ist mit 17 Vollbildern und 27 minierten Initialen ausge- stattet.

Die Möglichkeit der Datierung dieser beiden Ge- betbücher bietet einen Anhaltspunkt für die zeit- liche Einreihung einiger andrer Handschriften der erwähnten Gruppe, denn der Miniator der Gebet- bücher Albrechts hat zusammen mit zwei andern Illuminatoren an der Ausschmückung zweier Bücher gearbeitet, der Legenda Aurea Cod. 326 und des großen Gebetbuches Kaiser Sigismunds Cod. 1767. Die beiden Gebetbiicher verdienen auch da- rum vor allen andern Beachtung, weil ihr Miniator an den Stil der vorausgehenden Entwicklung an- schließt und sozusagen die Verbindung mit dieser herstellt.

Die durchsichtigen hellen Farben seiner auf dün- nen Kreidegrund gemalten Miniaturen und Rand- leisten, der feine Geschmack in der Bevorzugung und Zusammenstellung bestimmter Farbentöne, dann die zierlichen schlanken Figurentypen und die spitzbärtigen eleganten Männerköpfe: Der Zusam- menhang mit der böhmischen Miniaturmalerei wird auf den ersten Blick klar. Was die Frage nach der Heimat dieses Künstlers oder dem Entstehungsort seiner Arbeiten anbelangt, so werden wir auch im folgenden nicht über Vermutungen hinauskommen, aber da einer seiner Arbeitsgenossen, wie wir in der Folge sehen werden, für das österreichische Stift Melk tätig war und auch als Ordensmitglied diesem Stifte angehört hat, so können wir uns auch die Tätigkeit unsers Meisters nicht allzu entfernt von der seines Mitarbeiters denken. Ob er mit dem Schreiber Laurentius identisch ist, über dessen Tätigkeit in Melk in den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts eine Urkunde berichtet, dafür läßt

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sich auch kein bestimmter Anhaltspunkt finden. Eine Handschrift des Stiftes Melk G 2 —, ein mittelalterliches Formelbuch, enthält als Brief- muster ein Empfehlungsschreiben, welches der Abt Leonhardt für einen gewissen Laurentius ausstellt, welcher als scriptor kathedralis im Kloster tätig war. Die Bezeichnung kathedralis oder Stuhlschrei- ber bezeichnet einen Lohnschreiber. Man könnte vermuten, daß derselbe auch nach seiner Entlassung aus Melk in der Wiener Gegend sich aufhielt. Ein Schreiber Laurentius hat auch an der für Wenzel hergestellten Bibel, welche sich jetzt in Antwerpen befindet, gearbeitet. Die Schriftvergleichung zeigt einige Übereinstimmung; ohne aber einen voreiligen Schluß zur Identifizierung des Gebetbuchmeisters mit dem Schreiber der Antwerpener Bibel ziehen zu wollen, muß man nochmals hervorheben, wie schon die künstlerische Charakteristik unsers Meisters mit einer ursprünglich kalligraphischen Ausbildung im Einklang stehen würde. Seine Vorliebe für kalligra- phische Zierlinien, die Sauberkeit der Ausführung sind besonders charakteristisch. Sein Rankenorna- ment erscheint mehr als das Werk eines Schön- schreibers oder Zeichners als das eines Malers. Man muß aber auch die große Spanne Zeit von 20 bis 30 Jahren bedenken, welche zwischen der Entste- hung der Antwerpener Bibel und der Gebetbücher Albrechts liegt.

Von der Hand des Albrechtsminiators haben sich einige Arbeiten erhalten. So befinden sich im Schlosse Ambras zwei Bände einer ursprünglich viel- leicht vier oder fünf Bände umfassenden Bibel, deren künstlerischer Schmuck schon von Hermann unserm Meister zugewiesen wurde! (Cod. 62, 63). In Klosterneuburg befindet sich eine datierte Ar- beit: das 1433 für einen Chorherrn geschriebene „Salve Regina'* des Franz von Retz.

In der oben erwähnten Legenda Aurea rührt die Ausschmückung der Blattseiten 1, 19, 21, 22, 23,

1 Hermann, Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Tirol.

273 bis 279 vom Albrechtsminiator her, und im Ge- betbuch Sigismunds sind die Seiten 30 bis 40, 47 bis 64, 78, 138, 145 bis 151, 168, 177, 181, 187, 191, 196 bis 207, 239 und 271 von ihm mit Bild und: Randleistenschmuck ausgemalt. Im Servitenkloster Langeck in der Wachau befindet sich ein aus Melk stammendes Antiphonavium, dessen Schmuck die Hand des Gebetbuchmeisters zeigt.

Von der Hand des zweiten Miniators, der in der Legenda Aurea die Seiten 11, 13, 16, 242, 243, 264 bis 268 und im großen Gebetbuch die Seiten 25, 26 bis 29, 70 bis 77, 161 bis 163, 212, 215 und 220 aus- geschmückt hat, ist das für Ladislaus Posthumus bestimmte Lehrbuch Cod. 23 geschrieben und ausgemalt worden. Aus diesem Buch läßt sich, wie ich in meiner Studie über einige der friderizianischen Bücher des näheren ausgeführt habe, die Persönlich- keit dieses Miniators mit Sicherheit feststellen!. Seine Arbeiten unterscheiden sich durch eine ganz andre Farbenwirkung von denen des Albrechtsminiators; die Ausführung weist nicht die gleiche Sorgfalt auf. In seinen Zierranken werden die Blätter mit Hilfe dicker Schraffenlinien schattiert, die Farben haben nicht mehr die Klarheit und Leuchtkraft der ältern Arbeiten und wirken unrein: das Rot ist immer trüb bläulich, das Blau mit Grau gemischt. Die Ranken- blüten sind weniger stilisiert und zeigen auch neue | Formen. Aber in seinen Bilddarstellungen zeichnet er sich durch eine besondere Vorliebe für Land- schaftsschilderung und eine frisch lebendige Natur- beobachtung aus, wie sie vor allem bayerische Minia- turen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts zeigen, 2. В. die bekannte „Regel des heiligen Benedikt“ aus dem Kloster Metten, 1414 entstanden, in der Münchener Staatsbibliothek Cod. Clm. 8201.

Eine Initialminiatur in dem erwähnten Lehrbuch zeigt eine Kapelle mit einem offenen Fenster, das den Blick ins Freie führt. Vor dem Altar mit dem

1 Heinrich Leporini: Simon von Niederaltaich und Martin von Senging. Festschrift zum 200jährigen Jubiläum der Na- tonalbibliothek in Wien. Wien 1926.

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Wappen des Stiftes Melk zwei Schlüssel in rotem Feld kniet in einem Betstuhl ein blondgelockter Jüngling. Im Hintergrund ist ein Geistlicher sicht- bar, auf dem Haupt ein schwarzes Käppchen viel- leicht der Schreiber der Handschrift und ein Jüng- ling mit einem goldnen Schwert. Unter dem Bild in Kleeblattform vier Wappen: Böhmen, Mähren, Un- garn und Österreich, Das Akrostichon, welches in den Anfangsbuchstaben den Namen Ladislaus zeigt, enthält eine Widmung an den Prinzen und in dem Vers: „Scripsit donatum Mellici presbiter istum Si vertas nomis nomen agnoscitur eius

wird der Name des Schreibers kund. Unter den Wap- penbildern, die das Buch enthält, findet sich auch jenes der Abtei Niederaltaich in Bayern, durch das der Schreiber auf seine Herkunft aus dem bayri- schen Kloster hinweisen wollte. Nach der Kloster- reform im Jahre 1418 waren viele fremde Ordens- brüder in das Stift als Gäste gekommen, mancher unter ihnen, um für immer dort zu bleiben. Ein Si- mon erscheint auch in Niederaltaich im Jahre 1433 als Scholasticus juvenum. Da auch der Stil der Mi- niaturen nach Bayern weist, war jedenfalls Simon von Niederaltaich nicht nur der Schreiber, sondern auch der Miniator dieses als Geschenk des Stiftes für den Sohn Albrecht V. bestimmten Lehrbuches. Al- brecht V. stand ja in besonders freundschaftlichen Beziehungen zum Melker Stift; sein Sohn Ladislaus ist 1440 geboren und 1452 aus der Vormundschaft Friedrichs entlassen worden; so dürfte die Hand- schrift Ende der Vierziger Jahre hergestellt wor- den sein.

Von Simon ist auch der Cod. 2224 ganz ausgemalt und 1440 datiert; der bayrische Mónch dürfte viel- leicht Ende der Dreißiger Jahre nach Melk gekom- men sein. Daß bei der Herstellung von Miniatur- handschriften in vielfacher Hinsicht eine Arbeits- teilung stattfand, ist eine Regel, die vor allem für den Betrieb großer Werkstätten wie es auch in manchen Klöstern welche gab und besonders bei

der Ausführung langwieriger Arbeiten in ungeheu- ren Folianten Geltung hatte, aber wohl nicht so streng zu nehmen ist, wie Neuwirth es in seiner be- kannten Studie über den Betrieb der Werkstätten vertreten hat!. Die Ausnahme, daß Bücher von einer und derselben Hand geschrieben und auch illu- miniert wurden, scheint sogar sehr häufig stattge- funden zu haben. So enthält das schon besprochene Wiener Evangeliar des Johann von Troppau dieEin- tragung: „Hunc librum cum auro purissimo de penna scripsi, illuminavi atque deo cooperante com- plevi.“ Und in der Kladrauer Bibel von 1421 in der Prager Universitätsbibliothek heißt es: „MCDXXI Kdoz tyto Knihy psal tent je také illuminoval.“ (Der diese Bücher geschrieben hat, hat sie auch illu- miniert). Von Simon von Niederaltaich haben sich zahlreiche Bücher erhalten; zwei Meßbücher in Klo- sterneuburg und Graz und zahlreiche Handschrif- ten, welche mit andern von dem 1452 verstorbenen

Wiener Patrizier und Gelehrten Johann Polz-

macher, dem Abkömmling eines Münzpächters, dem

Schottenstift in Wien vermacht wurden. Von diesen seien besonders Cod. 52. A. 2; 50. A. 2; 50. A. 3 und 52. D. 11 der Stiftsbibliothek genannt. Auch andre Handschriften dieser Polzmacherstiftung dúrften aus dem Stift Melk herrúhren; ihre Ausschmückung zeigt mit den in Melk entstandenen Handschriften große Übereinstimmung. Das Polzmachersche Wap- pen drei gekreuzte Bolzen erscheint auch ähn- lich wie das Stiftswappen im untern Teil des Ran- kenwerks angebracht. Die Melker Schreibstube dürfte somit auch für den Bedarf auswärts stehender Personen, Gönner des Stiftes und Besteller gearbei- tet haben. In diesem gesteigerten Betrieb der mön- chischen Schreibstuben hat in Melk wie in andern Klöstern, so in dem bayrischen Stift Metten, die durch die Klosterreform bewirkte Neuregelung des klösterlichen Lebens ihren Ausdruck gefunden. Die

1 Neuwirth: Die Herstellungsphasen spätmittelalterlicher Bilderhandschriften. Repertorium für Kunstwissenschaft XVI

1893.

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Klosterreform gehört auch zu den ersten Anzeichen der eine Umwälzung in allen Lebenserscheinungen bewirkenden geistigen Strömungen einer neuen Zeit- epoche. Immer mehr macht sich die Steigerung gei- stiger Regsamkeit in einer erhöhten Teilnahme von Laien an kirchlichen Angelegenheiten und religiösen Fragen bemerkbar. Wie das Konstanzer Konzil hauptsächlich durch die Initiative König Sigis- munds zustande gekommen war, so ist auch dem Betreiben seines Schwiegersohnes, Albrecht V., die Durchführung der Klosterreform zuzuschreiben. Papst Martin V. entsprach dem persönlichen Wunsch dieses Fürsten, als er in Konstanz den von dem Wie- ner Theologen Nikolaus von Dinkelsbühl entworfe- nen Plan zur Reformierung der Klóster genehmigte.

Diese hat dem neuen Zeitgeist entsprechend auch an andern Orten eingesetzt und vorher schon in der Kongregation von Monte Cassino, nachher aber und, zum Teil auch von Melk beeinfluBt, in der Gründung der Bursfelder Union Ausdruck gefunden. Mit Melk hat aber die deutsche Klosterreform den Anfang ge- macht; diese war vor allem auf die Wiederherstel- lung der verlotterten klösterlichen Disziplin ge- richtet. Nicht dem Geiste der Reform, welche der künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäfti- gung der Mönche gar nicht gedachte, sondern den durch diese Neuordnung geregelten Zuständen war es zu danken, daß sich in den folgenden Jahrzehnten im Stifte Melk ebenso wie in andern österreichischen und deutschen Klöstern ein neues künstlerisches und geistiges Leben entfaltet hat.

Diese gleichsam noch im Schoße der Kirche er- folgte Reform ist ein Teil aller jener Anzeichen, wel- che der eigentlichen Reformation im 15. Jahrhun- dert vorausgehen. Der entscheidende Schritt und der eigentliche Bruch mit der mittelalterlichen Kul- tur vollzieht sich erst, als der Reformationsgeist in neue Bahnen gelenkt wurde und als das Streben nicht nur nach der Teilnahme an der religiösen Bil- dung und der der Kirche vorbehaltenen Machtmittel gerichtet war, sondern als der neue wissenschaft-

liche Geist des Humanismus die Wurzeln der alten religiösen Kultur selbst aus dem Boden riß. Im 15. Jahrhundert stehen die Schranken, welche das geistige Leben des Mittelalters von dem der Neuzeit trennen, noch aufrecht, aber das Zeitalter der Hus- sitenkriege und Kirchenkonzile hat diese Schranken allmählich erschüttert. Aus allen Erscheinungen der Zeit läßt sich der Geist der Reformation vernehmen, deren Wurzeln weit zurückreichten. Was für Italien die Renaissance bedeutet, das ist für den Norden die Reformation. Es ist die Weltanschauung des germa- nischen Nordens, hervorgegangen aus der schola- stisch mittelalterlichen Geistesentwicklung. Infolge der Nachbarschaft mit Böhmen, das im 14. Jahr- hundert, an der Spitze der geistigen Entwicklung Deutschlands vorangehend, zuerst mit aller Wucht in die Reformationsbewegung eingreift, werden auch die habsburgischen Länder oft das eigentliche Feld des Kampfes, über welches der Sturm und Drang der neuen Zeit dahinbraust.

Von dem dritten Miniator rührt in dem großen Gebetbuch das prachtvolle Titelbild, König Sigis- mund und seine Gemahlin Barbara unter einem reichverzierten gotischen Baldachin darstellend, und die Ausschmückung der Seiten 92 bis 108, 163 bis 166, 168 bis 173 und 244 bis 294, in der Legenda Aurea der Schmuck der Seiten 4 bis 7 und 26 bis 130 her Miniaturen und Rankenzier. Die Bild- darstellungen bilden aber ein eigenartiges Stilkurio- sum und muten neben denen seiner beiden andern Genossen betrachtet, überraschend fremd- und neu- artig an, denn sie weisen keinerlei Beziehung zur heimischen oder benachbarten böhmischen Kunst auf, sondern zeigen Stilformen, die dem westlichen Kunstkreis angehören und auch die elegante modi- sche Kleidung und Hoftracht der dargestellten Fi- guren ist die burgundische. So haben besonders französische Forscher die Herkunft dieses Minia- tors, der in einem von ihm allein hergestelltenBuche, einer deutschen Übersetzung der im Mittelalter viel gelesenen Geschichte der Zerstörung Trojas von

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Guido de Columna Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2773 in einer bescheidenen Inschrift „Маг- tinuso pifex seinen Namen überliefert hat, aus dem burgundischen Kunstkreis, der in Dijon seinen Mit- telpunkt hatte, vermutet. Aber so fortgeschritten der Naturalismus seiner Bilddarstellungen in man- cher Hinsicht erscheint, so hat er doch nicht alle Eigenarten der heimischen, böhmisch-österreichi- schen Kunst ganz aufgegeben; z. B. werden auch in landschaftlichen Darstellungen die Hintergründe häufig mit goldenen Federranken verziert. Ein et- was dilettantischer Charakter liegt aber in der man- gelhaften Formbildung seiner Figuren, die mit ihren winzigen Äuglein und dem kleinen spitzen Mund stets den gleichen Typus zeigen. Man wird aus alle- dem schließen, daß die Arbeiten nicht von einem eingewanderten Meister des Auslandes, sondern viel- mehr auch von einem klösterlichen Dilettanten her- rühren, der allerdings mit der Kunst des Westens in nahe Berührung gekommen ist. Dafür spricht vor allem der Umstand, daß der Miniator Martin in sei- nen Zierranken nicht den geringsten Einschlag eines fremden Stils zeigt. Es finden sich weder die franzö- sischen Wellenranken mit spitzen Blättern und Kriechblumen, noch macht sich der um 1430 bis 1440 neu auftretende Stil der Randverzierung mit ganz frei und zwanglos ausgestreuten Blumen be- merkbar. Dies ist um so auffälliger, als gerade in Wien sich dieser Stil schon in den Vierziger Jahren in einer Handschrift geltend macht, welche in der Nähe Friedrichs IV. entstanden ist; es ist die Hand- registratur des Kaisers Wien, Staatsarchiv. Ro- senzweige in naturgetreuer Wiedergabe, aber auch andre Pflanzenmotive, dienen mit zahlreichen Wap- penbildern als Schmuck dieses für persönliche Ein- tragungen des Kaisers bestimmten Handbuches. Auch das Gebetbuch Albrecht VI. Cod. 1846 bildet eine von demselben Miniator allein herge- stellte Arbeit. Dieser Herzog war in besonderem Maße ein Freund und Gönner des Stiftes Melk, das sogar in der Fehde des Herzogs mit seinem Bruder

Friedrich auf des ersteren Seite stand. Ein von sei- nem Kapellan verfaßtes und ihm gewidmetes Er- mahnungsbüchlein nennt auch einen Melker Mönch, Wolfgang von Korneuburg, der 1433 im Stift die Profeß abgelegt hat, als seinen Vertrauensmann. So wird auch die Herkunft des erwähnten Gebetbuches am ersten in Melk zu suchen sein. Es gelang mir auch, in Martin von Senging, einem vielseitig be- gabten und vielgereisten Mönch des Stiftes Melk, der sich sehr viel mit Bücherschreiben beschäftigt und auch selbst eine Anleitung zum Schönschreiben ver- faßt hat Cod. G. 16 der Stiftsbibliothek —, den Meister dieser eigenartigen stilfremden Miniatur- kunst festzustellen. Da derselbe am Baseler Konzil teilgenommen hat, fehlte es ihm nicht an Gelegen- heit, mit dem burgundischen Kunst- und Kultur- kreis in nahe Berührung zu kommen. Auch hat ja das Gebiet am Oberrhein seit jeher das Eingangstor für alle westlichen Kultur- und Kunstneuerungen gebildet und auch die Abhaltung der Kirchenkonzile in Konstanz und Basel, wo zahlreiche geistliche und weltliche Fürsten mit großem Gefolge zusammen- kamen, hat zur Weiterverbreitung neuer Stilformen der westlichen Kunst nach den östlichen Ländern beigetragen. Gelegentlich der Anwesenheit beim Ba- seler Konzil besuchte auch Kaiser Friedrich den Herzog von Burgund in Besangon und knüpfte die freundschaftlichen Beziehungen an, die später zur Heirat seines Sohnes Maximilian mit Maria geführt haben. Auch Martin von Senging dürfte somit, wie Johann von Troppau und viele andre Meister klö- sterlicher Buchkunst, nicht nur ein eifriger Bücher- schreiber und Kalligraph, sondern auch der Illumi- nator der von ihm geschriebenen Bücher ge- wesen sein.

Die Ranken des Martinus zeigen noch dunklere Farben als die des Simon und sind bläulich abgetönt. Dem figuralen Beiwerk widmet er aber mehr Auf- merksamkeit als die beiden andern Miniatoren. Wenn er auch noch im Rahmen der alten Tradition bleibt, so zeigen seine Drolerien doch eine besondere

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Wr. Neustädter Rechtsbuch - Wien, Nationalbibliothek - Cod. 2780

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Freude an lebhafter Naturschilderung. Zahllose Vö- gel sitzen in den Rankenzweigen; auf dem Titelbild balgt sich ein Mops mit einem Rattler; auf einem Zweig sitzt eine Frau, welche einem Affen, der auf ihrem Schoß liegt, das Haar auskämmt, auf einem andern musiziert ein Löwe usw.

Also vertreten die Leistungen der drei Buchmaler drei verschiedene Stilarten; der Stil des Albrechts- miniators erscheint als der altertümlichste; seine Ar- beiten, durch sorgfältige und virtuose Ausführung, eine feine Kalligraphie der Linienführung und eine höchst saubere Farbenbehandlung ausgezeichnet, machen den gefälligsten und farbenprächtigsten Eindruck. Von besonderer Zierlichkeit und Feinheit ist sein Randleistenschmuck. Man kann vor allem eine feine, oft in Gold mit der Feder gezogene Zier- ranke bemerken, welche in wellenförmiger Bewe- gung die Vollbilder umgibt und in den einzelnen Spiralen in kleinen Blümchen endet und die mit dem Pinsel ausgeführten farbigen Pflanzenranken, welche von den Initialen auslaufend in Spiralen und Wellen die Textkolumnen umschließen; die zier- lichen langen Stengel tragen nur spärliches Blatt- werk und enden wie die Federranken in den einzel- nen Spiralen in stilisierten Blütenformen. Die in der Mitte gebeulten Blättchen entspringen gleichständig von beiden Seiten der Stengel, um dann kreuzförmig geteilt in Spitzen zu verlaufen. Von Welle zu Welle variiert die Farbe der Ranken in Gelbgrün, Rosen- rot und Hellbraun. Das ornamentale Schema und der Farbengeschmack stimmen mit dem böhmischen Rankenornament überein; dennoch ist der Charak- ter ein verschiedener; wenn auch nicht ein neuer Stil, so liegt doch eine neue Stilphase der Aus- schmückung vor. Fällt die Entstehung der Gebet- bücher Sigismunds und Albrechts in die Dreißiger und Vierziger Jahre, so ist eine dem Stil des Al- brechtsminiators sehr nahekommende Handschrift der Wiener Nationalbibliothek in noch früherer Zeit hergestellt worden. Es ist eine 1423 in Wiener Neu- stadt entstandene Abschrift des Schwabenspiegels

oder Kaiserrechts; Privilegien für diese Stadt sind angeschlossen; somit eine für Wiener Neustadt be- stimmte Rechtshandschrift, die 1806 aus der erz- bischöflichen Bibliothek zu Salzburg in die National- bibliothek gelangt ist Cod. 2780 in Quartformat. Sie enthält nur zwei Miniaturen, aber 12 Initialen mit Leistenrankenschmuck. Eine auffällige Über- einstimmung ist mit dem Stil des Albrechtsminia- tors in Formbildung und Farbengeschmack zu be- merken, so in der auch von diesem beliebten Zu- sammenstellung bestimmter Farben, Lila und Blau, Hellgrün und Blau, Rosa und Braun. Dagegen zeigt die Gewandbehandlung der Figuren noch die alter- tümlichere Art wellenförmig bewegter Falten und Säume; auch die Beulung der Rankenblätter er- scheint weniger prägnant.

Von ikonographischem Interesse sind die Minia- turbilder. Sie scheinen auf ältere Illustrationstypen dieses allgemein verbreiteten deutschen Rechts- buches zurückzugeben. Auf Folio 8 wird in einem Rundbild die Schöpfung dargestellt. Inselartig, vom fließenden Wasser umgeben, erscheint das Paradies, von Tieren verschiedener Art belebt. Bäume mit kugelfórmigem Laubwerk heben sich im Hinter- grund vom blauen Himmel ab, auf dem große Gold- sterne, Sonne und Mond glänzen. Im Vordergrund sind im fließenden Wasser Enten und Fische sicht- bar. Von einer eigentlichen Landschaftsdarstellung kann in dieser mehr ornamental als naturalistisch aufgefaßten Szene keine Rede sein. Die einzelnen Objekte haben hier nur eine raumandeutende Funk- tion. In der Mitte des Bildes steht neben der nackten Gestalt Adams eine bekleidete Figur mit drei gleich- aussehenden Jünglingsköpfen, an Stelle Gott Vaters wie sonst üblich die göttliche Dreifaltigkeit. Es ent- sprach dem Geist der Mystik im 14. und 15. Jahr- hundert, die Gottheit sinnlich begreiflich abzubil- den. Dasselbe Streben, dem Mystiker wie Heinrich Seuse nachhingen, das Rätsel „der Person dreyhait in wesentlicher Ainigkeit“ zu begreifen, hat auch in der Kunst dazu geführt, die rein äußerliche symbo-

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lische Auslegung durch die Personifizierung zu er- setzen und das Unbegreifliche dieses Glaubenssatzes dem gefühlsmäßigen Verstehen näher zu bringen. Eine solche Personifizierung der Trinität hätte man in früherer Zeit kaum gewagt. Immerhin finden sich, wenn auch selten, ähnliche Darstellungen schon im frühen Mittelalter. So im Hortus deliciarum der Herrat von Landsberg von 1180. Noch früher in einer englischen Handschrift aus den Siebziger Jah- ren des 11. Jahrhunderts aus Canterbury. In den Alpenländern ist die Darstellung der Dreifaltigkeit durch drei in Alter, Typus und Kleidung einander völlig gleichgebildete Männer seit 1400 nicht selten.

Unter den datierten oder datierbaren dsterreichi- schen Handschriften zeigt das Wiener Neustädter Rechtsbuch das früheste Auftreten der Beulenblatt- ranke im österreichischen Alpenland. An einer Reihe andrer läßt sich die Weiterverbreitung verfolgen. In erster Linie seien Arbeiten genannt, welche in dem benachbarten Steiermark entstanden sind. In der in späterer Zeit zu besonderer Fruchtbarkeit und Be- deutung sich entwickelnden Schreibstube des Klo- sters Vorau erscheint die Stilweise des Albrechts- miniators schon in einer 1425 von Erhard Grutsch geschriebenen Handschrift Cod. 3. CCL ver- treten. Viel später läßt sich in Kärnten die Verbrei- tung des neuen ornamentalen Stiles nachweisen. Das hier in Betracht kommende Missale des Klagenfur- ter Landesmuseums Cod. 815 ist 1448 ent- standen. Von früh datierten Salzburger Arbeiten sei in erster Linie die bekannte Bibel der Münchener Staatsbibliothek Cod. 15701 genannt. Ihre Ausschmückung fällt zwischen 1428 und 1430 nach derInschrift: „Per Johannes Freyböck de Koenigks- bruegk. 1428“ und einem Widmungsgedicht am Schlusse der Arbeit, das 1430 datiert ist. Die Ran- kenblätter zeigen in der Salzburger Bibel schon eine kleine Variation: außer den spitz verlaufenden Blät- tern gibt es auch rundliche herzförmige. Eine zweite datierte Salzburger Handschrift dieses Verzierungs- stils ist das in der Bibliothek des Stiftes St. Peter in

Salzburg befindliche, 1432 entstandene Missale. Mit besonderer Vorliebe hat der Miniator Tierformen und Gesichtsmasken in die Initialkörper und in das Blattwerk eingesetzt. In beiden Handschriften kann man auch neben dem Rankenwerk die aus der italie- nischen Miniaturmalerei bekannten Goldkugeln als Zierat und Flächenfüllung verstreut sehen, wie wohl auch die erwähnten Fratzenköpfe und Masken an die von der italienischen Ornamentik des Quat- trocento der Antike entnommenen Motive an- klingen.

Auch in die Tiroler Buchkunst hat der neue Ver- zierungsstil schon früh Eingang gefunden. Aus dem Jahre 1432 stammt das vom Frater Valentinus Kor- ner im Auftrage des Propstes hergestellte Chorbuch für das Stift Stams. In den Dreißiger Jahren ist auch schon eine für den Brixener Bischof Ulrich von Putsch bestimmte Petrarkahandschrift entstanden, welche die neuen Zierranken aufweist.

In den prachtvollen Arbeiten der Brixener und Neustifter Schulen in den Vierziger Jahren, die wahrscheinlich für den Bischof Johann von Rottal entstanden sind, findet die Beulenblattranke eine ganz besondere, der Brixener Schule eigentümliche Ausprägung. Während das Brixener Breviarium (Cod. 111) noch Verwandtschaft mit den Gebet- büchern Albrechts zeigt, ist das Rankenornament in einigen andern Handschriften von einer noch weiter gehenden Zierlichkeit und besonders durch die Aufnahme neuer Pflanzenmotive ausgezeichnet. Das äußerst winzige Blattwerk scheint kleinen stein- brechartigen Alpenpflanzen nachgebildet. Ich er- wähne als Beispiel etwa das in Innichen befindliche Brixener Missale Cod. SN.

In Bayern finden wir die Beulenblattranke in Handschriften, welche von dem Miniator Heinrich Molitor ausgeschmückt sind. Die álteste datierte ist die „Vita Christi“ von Ludolf von Sachsen Mún- chen, Cod. 1807 —, welche aus Tegernsee stammt und 1451 beendet worden ist. Aus dem Jahre 1458 stammt das Catholikon München, Cod. 17402

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„per manus heinrici molitoris de augusta“. Durch Molitor kam wahrscheinlich das neue Ornament nach Augsburg. In unsern Kreis gehört die 1459 ent- standene Augsburger Handschrift ,, Proprium sanc- torum“ aus dem Kloster Sankt Ulrich und Afra München, Cod. 4302.

Wahrscheinlich aus Bamberg stammt die 1442 entstandene Handschrift Valerius Maximus ad Ti- berium Caesarem“ der Nürnberger Stadtbibliothek Cod. 43.

Mit dieser Aufzählung wurde das erste Auftreten und die allmähliche Verbreitung der Beulenblatt- ranke in der Buchkunst der ósterreichischen und oberdeutschen Länder festgestellt. Außer an den ge- nannten Orten wurde übrigens fast nirgends in Süd- deutschland in der ersten Hälfte des 15. Jabrhun- derts die Miniaturmalerei in Deetzfarben und in der luxuriósen Form, wie sie von der bóhmischen Hof- und Kirchenkunst ibren Ausgang genommen hat, be- trieben. Ebenso wie man die sukzessive Verbreitung dieser hófisch-kirchlichen Zierkunst nach dem Wes- ten verfolgen konnte, so ließe sich auch die all- mähliche Verbreitung einer andern neuen aus dem Westen kommenden Stil- und Kunstart der Buch- ausstattung, der eigentlichen Buchillustration, nach- weisen. Kamen hier hauptsächlich nur Handschrif- ten kirchlicher oder hófischer Bestimmung in Be- tracht, so betrifft der neue Illustrationsstil vorzugs- weise die Ausstattung von profanen Büchern, welche auch dem Bedarf bürgerlicher Kreise dienten. Diese Illustrationskunst nahm, wie man aus der Herkunft der meisten aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts stammenden, mit flott und skizzenhaft hingeworfe- nen Federzeichnungen illustrierten Bücher schließen kann, von den Rheingegenden ihren Ausgang. Es ist eine vollkommen neue Kunst, die den neuen lite- rarischen Stoffen, dem neuen regen Geistesleben und dem gesteigerten Bücherbedarf entgegenkommt. Man will dem Leser einen einfach anschaulichen Be- griff der Dinge, Ereignisse und Handlungen geben und verzichtet auf alle dekorativen Beigaben. So

scheidet sich im 15. Jahrhundert diese neue Illustra- tionskunst immer mehr von der älteren verfeinerten Miniaturmalerei. Dennoch haben sich beide Kunst- arten oft begegnet und gegenseitig beeinflußt, so daß manchmal die Grenzen verschwimmen.

Es erübrigt nun noch, nachdem die Verbreitung der Beulenblattranke in den österreichischen und süddeutschen Ländern in datierten Handschriften verfolgt wurde, auch in die Weiterbildung des Rand- leistenschmuckes der böhmischen Buchkunst in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts Einsicht zu nehmen. Es ist die Zeit, da Wenzels Regierung in Ohnmacht verfiel und der Hussitensturm das blü- hende Land zu verwüsten begann. Aber selbst die Hussiten, die aller Schmuck- und Prachtentfaltung in der Kirche feind waren, verzichteten nicht auf den Schmuck der Bibel. In der Wiener National- bibliothek Cod. 1175 befindet sich die czechi- sche Bibel des Taboritenhauptmanns Philipp von Paderov, in der Taboritenfestung Ostromec in cze- chischer Sprache in zwei Bänden hergestellt; eine Inschrift in czechischer Sprache nennt auch das Ent- stehungsjahr und den Urheber: ,,Diese Biicher sind von der Hand des Johann von Prag, Aliapars ge- nannt, mit Gottesbeistand und zur Verbreitung sei- nes heiligen Testaments im Auftrage und auf Kosten des Herrn Philipp von Paderov im Jahre 1435, Dienstag am Vortage der heiligen Apostel Petrus und Paulus, vollendet worden.“ Der Randleisten- schmuck zeigt nicht mehr die böhmische Akanthus-, sondern die Beulenblattranke. Dasselbe gilt auch von allen weiter hier aufgezählten böhmischen Handschriften. Das Missale der Jakobskirche in Brünn, das 1435 unter dem Pfarrer Johann von Prachatitz, wie die Inschrift besagt, in Olmütz ent- standen ist; die in der erzbischöflichen Bibliothek in Kremsier aufbewahrte Bibel mit der Inschrift in ezechischer Sprache: „Diese Bücher sind von der Hand des Duchek von Nissek am Tage nach dem heiligen Franziskus vollendet worden im Jahre 1433.“ Noch früher entstanden ist die schon einmal

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genannte Kladrauer Bibel von 1421 in der Prager

Universitätsbibliothek. Zu dieser Zeit kann man der Beulenblattranke

auch schon in der Buchausschmückung der nördlich und östlich der engeren Landesgrenzen gelegenen, aber doch noch im weitern Sinne zum böhmischen Kunst- und Kulturkreis gehörigen Gebiet von Sach- sen und Schlesien begegnen, wie es bei dem 1435 datierten Graduale der Stadtbibliothek in Zittau Cod. A.5 und der im selben Jahre in Breslau vollendeten sogenannten Saganer Bibel, einer Prachthandschrift der Breslauer Universitätsbiblio- thek, der Fall ist. ,,Et scriptus Wratislavie finitus- que“ heißt es in der Inschrift am Ende.

Weiter zurückgehend finden wir auch schon in der bekannten Leitmeritzer Bibel, die in der Zeit von 1411 bis 1414 hergestellt wurde und von der sich zwei Bände in der bischöflichen Bibliothek zu Leit- meritz, der dritte Band im fürstlich Schwarzenber- gischen Archiv zu Wittingau befinden, die neue Form der Zierranken. Am Ende des ersten in Leit- meritz befindlichen Bandes sagt die Eintragung: „Anno domini millesimo quadringentesimo unde- cimo finita est prima pars L'blie vulgaris in Vigilia sancte Barbare feria quinta per Mathiam scriptorem

filium Jacobi de Praga.“ | Als die wichtigste Handschrift für die vorliegende

Untersuchung muB das Missale des Erzbischofs Zbinek Zajic von Hasenburg, das sich in der Wiener Nationalbibliothek befindet Cod.1844 —, be- trachtet werden.

Es ist datiert: „Anno domini MCCCC nono finitus et scriptus per manum laurini de glatowia." In die- sem 1409 von Laurin aus Klattau und nach dem Wortlaut der Inschrift zu schließen auch ausge- schmückten Werk liegt uns die älteste datierte Handschrift vor, in welcher die neue Stilphase der Ornamentik ausgereift, die gesamte Ausschmückung bestimmt. Ohne auf Einzelheiten dieses an Qualität hervorragenden Werkes einzugehen, ist nur zu be- tonen, daß die Arbeiten des Melker Gebetbuch-

meisters und des Laurin sich in technischer und sti- listischer Hinsicht sehr nahestehen. Wie in den Ge- betbüchern Albrechts erkennt man auch hier schon aus der mit besonderer Sorgfalt mit der Feder ge- zeichnete kalligraphischen Verzierung, daß Schreiber und Maler eine Person ist. Auffällig ist auch der gleiche Farbengeschmack: Lila und Grün werden gern zusammengestellt. Die Initialfüllung in Ca- maieu ist immer bläulich gehalten, die Farben sind immer klar und durchsichtig und von wunderbarer Leuchtkraft. Aus diesen Übereinstimmungen könn- ten wir vielleicht den Schluß ziehen, daß der Gebet- buchmeister aus der Werkstatt hervorgegangen ist, in welcher für den Erzbischof Zbinko Luxushand- schriften hergestellt wurden. Unter dem Einflusse dieses prachtliebenden Kirchenfürsten scheint die böhmische Miniaturmalerei in ihrer Prager Schule eine zweite Blüte vor ihrem Niedergange erlebt zu

haben. Unter Zbinko von Hasenburg, der anfangs

HuB begünstigt hatte, aber dann gezwungen war,

gegen diesen und die Verbreitung der Lehren Wiclifs

vorzugehen, nahm der Hussitensturm in Prag seinen

Anfang. In der Not und Bedrängnis, welche die fol-

gende schwere Zeit für Böhmen bedeutet, mag man- cher Künstler mit seiner Kunst aus dem Lande fort- gezogen sein. So mußten im selben Jahre als die Kladrauer Bibel bei den Benediktinern vollendet worden war, die Ordensbrüder auch schon vor dem anrückenden Zizka das Stift verlassen und flohen nach Regensburg. So dürfte auch der Gebetbuch- meister in der Kriegs- und Revolutionszeit günsti- gere Lebensbedingungen in Österreich aufgesucht haben; denn in der Zeit, als das reiche Kunstleben in Böhmen zu Ende ging, kann man gerade in Wer- ken österreichischer Miniaturmalerei ein frisches Aufblühen beobachten.

So läßt sich an der Hand einer Reihe von datierten Handschriften die Herkunft der neuen Rankenform aus der Prager Schule der böhmi- schen Miniaturmalerei nachweisen. Es ist aber auch möglich, die allmähliche Entwicklung, die

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5. Missale des Zbinek Zajic von Hasenburg Wien, Nationalbibliothek . Cod. 1844

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zu dieser Umformung geführt hat, eingehender zu verfolgen. | Schon in den Arbeiten des späteren fortgeschritte- neren Stils, die im 14. Jahrhundert für den Kanzler Johann von Neumarkt entstanden sind, kann man den Ausgangspunkt deutlich erkennen; vor allem in dem eingangs erwähnten Prager Missale mit sei- nen zierlich geschwungenen oder eigenwillig ver- flochtenen Rankenstengeln, dem spärlicher und länglicher werdenden Blattwerk und den halbmond- förmig eingerollten Blättern der stilisierten Blüten- formen; überhaupt der stärker einsetzenden Gotisie- rung der aus Italien eingeführten Akanthusranken. Eine Weiter- und Umbildung im Sinne der sich im- mer stärker geltend machenden französisch-goti- schen Geschmacksrichtung, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts gewissermaßen in einer neuen Welle auf die Kunst der östlichen Länder einwirkt und auch die Stilbildung in der böhmischen Buch- kunst beeinflußt, ist schon in der 1402 für König Wenzel hergestellten Bibel, die sich heute im Mu- seum Plantin-Moretus in Antwerpen befindet, wahr- zunehmen. Das Blattwerk zeigt da schon eine viel mehr stilisierte Form, als es früher der Fall war. Die Blätter entspringen gegenständig und sind kreuz- förmig gespalten. Die auslaufenden Rankenstengel sind in Spiralen geschwungen. Auch der mit großer Virtuosität ausgeführte Schmuck der für Wenzel hergestellten Abschrift des Bergrechtes der Wiener Nationalbibliothek Cod. 2264 dürfte von dem Miniator der Antwerpener Bibel herrühren; ebenso die Ausschmückung eines gleichfalls dort befind- lichen Cod. 1850 —, nach den Wappen zu schließen, für das Prager Domkapitel bestimmten Missales, das auch in der Zeit des Erzbischofs Zbinko oder des Konrad von Wechta entstanden ist, in dessen Auftrag die Antwerpener Bibel hergestellt wurde. Man kann den Übergang von der älteren zur neueren Rankenform noch in einer Reihe andrer Handschriften beobachten, so schon in dem 1398 entstandenen Slovencer Missale in Wittingau, in

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einem die Wappen der Herren von Rosenberg und Krawar enthaltenden Orationale der Raudnitzer Schloßbibliothek, in dem Raudnitzer Psalterium der Bibliothek des Prager Domkapitels und einer gleichfalls dort befindlichen lateinischen Bibel Cod. A.10 —, etwas später in mährischen Hand- schriften, wie in dem Iglauer Rechtsbuch oder in dem 1414 entstandenen Antiphonarium des Klosters Neureisch. Der Umschwung scheint allmählich und in verschiedenen Werkstätten erfolgt zu sein und kann auch zu gleicher Zeit in der flämischen Rand- leistenverzierung beobachtet werden; am frühesten vielleicht in dem 1415 bis 1417 entstandenen Turiner Gebetbuch des Hubert van Eyck: An Stelle der Akanthusblätter treten stilisierte Distelblätter in Verbindung mit Nelken, Rittersporn und Erdbeer- zweigen.

Wie sich besonders in der Spätgotik die Tendenzen naturalisierender und stilisierender Formbildung häufig kreuzen, so findet auch in der Entwicklung des Rankenornamentes einerseits der Naturalismus in dem Übergang von einem bloß ornamentalen Blattwerk zu einer im botanischen Sinne rankenden Pflanzenform wie auch in der gesteigerten Natur- beobachtung seinen Ausdruck, anderseits macht sich ein strengerer Stilzwang in der ornamentalen Um- bildung der pflanzlichen Naturformen geltend. In der Auswahl derselben läßt sich eine Vorliebe für bestimmte Arten erkennen, aber nicht die Schönheit der Farben und die Gefälligkeit der Formen gibt den entscheidenden Ausschlag, sondern ihre Eignung zur gotisierenden Umbildung. Hauptsächlich ist es die in unsern Gegenden viel verbreitete Familie der Ra- nunkulazeen Hahnenfußgewächse —, welche am meisten Beachtung findet; ihr werden nicht nur die Blatt-, sondern auch die am meisten bevorzugten Blütenformen, die Akeley und das Buschwindrös- chen, welchen wir in der Antwerpener Bibel, aber auch schon in älteren Handschriften begegnen, entnommen; aber auch alle andern so beliebten Blütenformen: das blaue Leberblümchen, die weiße

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Waldanemone, die violette Küchenschelle, die weiße Nieswurz, der graue Mäuseschwanz, der blaue Eisen- hut und die weiße Blüte vom Sauerdorn und der Waldrebe. In der Folgezeit werden immer neue Mo- tive der heimischen Pflanzenwelt entnommen; jede neuentdeckte Form wird von Werkstatt zu Werk- statt weitergegeben, denn erst die in die Kunstform übertragene Naturform konnte Allgemeingut wer- den, da ja die Künstler zumeist doch nicht nach der Natur selbst, sonders nach Vorlagen arbeiteten. Die entscheidenden Anregungen dürften aber auch für die Buchmalerei von der Baukunst ausgegangen sein, die ja in der gotischen Stilentwicklung stets die Führung innehatte, wie ja dem Stilwandel in der Buchausschmückung eine analoge Entwicklung von der Hoch- zur Spätgotik in der architektonischen Ornamentik vorausgegangen war. In der ganz im Dienste der Baukunst stehenden Glasmalerei hat die ornamentale Verwendung rankender Pflanzenfor- men Rosen-, Efeu- und Weinranken schon im 14. Jahrhundert allgemeine Verbreitung gefunden; ebenso hat sich vor allem in der ornamentalen Bau- skulptur der Spätgotik die knollen- und beulen- förmige Blattbildung entwickelt. Mit Heinrich Par- ler, dem jüngeren Bruder des Peter, kam ein neuer Zug in die Entwicklung der Prager Baukunst und ein Stilwandel in der architektonischen Ornamentik des Prager Dombaues. Die Kriechblumen auf den Wimpergen der Triforiengalerie dürften die ersten Anzciehen der neubeginnenden Stilphase bilden.

Die langwährende Kriegsnot in der Hussitenzeit mußte in Böhmen die blühende Kunst der Buch- malerei in ihrer Weiterentwicklung hemmen. Erst unter Georg von Podebrad trat eine Beruhigung der Verhältnisse ein und unter der Regierung des kunst- freundlichen Wladislaw beginnt im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts auch die Miniaturmalerei einen neuen Aufschwung zu nehmen. Die prachtvollsten Werke, welche nun entstanden, waren Choral- bücher. Trotzdem nämlich die Hussiten aller kirch- lichen Prunkentfaltung ablehnend gegenüberstan-

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den, so bildeten mehr noch als die Bibeln die Ge- sangbücher der Hussitengemeinden hinsichtlich ihrer Ausschmückung den Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit. Sie wurden meist auf Bestellung und Kosten der Gemeinde hergestellt. Die Tradition einer besonderen künstlerischen Ausstattung erhielt sich auch in der Folgezeit. In dieser letzten Periode dürfte die böhmische Miniaturmalerei von der auf- blühenden süddeutschen die stärksten Anregungen erhalten haben. Dies zeigt sich auch im Ranken- ornament der Hauptwerke dieser Spätzeit; die Formbildung zeigt große Übereinstimmung mit dem Stil der süddeutschen Buchornamentik. Die Haupt- meister des beginnenden Aufschwungs sind Johann Mikus von Königgrätz, von dem das prächtige Gra- duale von Königgrätz im dortigen Museum und das Graduale von Kourim, in der Prager Universitäts- bibliothek, herrühren, und Valentin von Neuhaus,

genannt Noh, der das Kuttenberger Kantionale von

1471 der Lobkowitzbibliothek in Prag hergestellt

hat. In den Neunziger Jahren zeigt der Miniator

Mathäus, von dem das prachtvolle Kuttenberger

Graduale der Wiener Nationalbibliothek Cod.

15501 herrührt, eine nahe Stilverwandtschaft mit Furtmeyr.

Was die Weiterentwicklung des Randleisten- schmuckes in österreichischen Handschriften an- belangt, so wurde im vorausgehenden schon bei Erwähnung von Salzburger und Brixener Hand- schriften auf die Entstehung lokaler Variationen hingewiesen. Am konservativsten wurde aber an der einfachen Beulenblattranke im Stil des Albrechts- miniators in den Werkstätten der innerösterreichi- schen Klöster, besonders der Melker Werkstätte, festgehalten, die auch in der Folgezeit eine Haupt- produktionsstätte blieb und auch für den Bedarf auswärtiger Besteller und fremder Klöster arbeitete. Im großen Gebetbuch Kaiser Sigismunds und der Legenda Aurea wurden nachträglich einige wenige Seiten von einem Miniator verziert; diese enthalten auch die Devise A. E. I. O. U. und die Jahreszahl

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Titelblatt mit Ranken verzierung ·

Wien, Nationalbibliothek

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1447, welche wohl Kaiser Friedrich in die beiden Bände eintragen ließ, als sie zu diesem Zeitpunkt in seinen Besitz gekommen waren. Dieser Miniator zeigt in seinen Arbeiten die sorgfältig säuberliche Ausführung in hellen leuchtenden Farben in der Art des Albrechtsminiators, dessen Schüler oder Nach- ahmer er ist, aber er lehnt sich in seinen bildlichen, besonders in seinen landschaftlichen Darstellungen, auch an den Stil des Simon von Niederaltaich an. Er hat in der Folge eine reiche Tätigkeit entfaltet und von seiner Hand oder in seiner Werkstätte unter seiner Leitung sind zahlreiche, darunter auch sehr umfangreiche und mit aller Pracht aus- gestattete Handschriften ausgemalt worden. Im Stift Tepl in Böhmen befindet sich ein 1454 in Melk für den Prinzen Ladislaus Posthumus hergestelltes und von der Hand dieses Meisters, der sich in einer Ein- tragung Johann von Ulm nennt, verziertes Gebet- buch. Ein Johann de Ulma erscheint in der Melker ProfeBliste eingetragen und wurde im Jahre 1441 auf ein Jahr nach dem Kloster St. Afra und Ulrich in Augsburg und dann auf ein Jahr nach dem Klo- ster Ettal in Bayern entsendet. Von seinen übrigen Arbeiten sei vor allem ein für die Kaiserin Eleonore zwischen 1462 und 1467 hergestelltes Gebetbuch Cod. 1942 der Wiener Nationalbibliothek ge- nannt; dann eine Reihe von Büchern, die auf Be- stellung des Wiener Patriziers Stephan Heyner her- gestellt wurden: Ein riesiges Antiphonar und ein prachtvolles zweibändiges Meßbuch, das 1477 fertig- gestellt wurde; diese drei Bände wurden von Ste- phan Heyner für das Dominikanerkloster in Wien gestiftet, wo sie sich heute noch befinden. Ferner drei Lehrbücher, die für den jugendlichen Prinzen Maximilian bestimmt waren, eine Sammlung von Alphabeten in Zierbuchstaben, eine lateinische Grammatik Cod. 2368 und 2289 der Wiener Na- tionalbibliothek und ein im kunsthistorischen Museum in Wien befindlicher Donat. Stephan Hey- ner, dessen in zahlreichen Urkunden Erwähnung ge- schieht, stand zu gelehrten Kreisen der Wiener Uni-

versität in Beziehung. Er ist um 1512 gestorben, denn eine Urkunde nennt Leinhart Alantsee neben dem Tuchscherer Veit Aspalterer als Testaments- vollstrecker des Stephan Heyners, ,,des Meisters der sieben freien Künste“. Über seine Beziehungen zur kaiserlichen Familie ist nichts bekannt; vielleicht wurde er dem Unterricht des kaiserlichen Prinzen beigezogen.

So hat der Stil des Albrechtsminiators in der Werkstatt des Johann von Ulm bis in die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts seine Fortsetzung; «ticvdings findet im letzten Drittel des Jahrhunderts die neue von Bayern aus verbreitete Form der Zier- ranke auch in Melker Handschriften Eingang, so in dem 1467 entstandenen Codex 156, Hylarius de sancte Trinitate.

Auch das 1482 dem Kaiser Friedrich von dem Pfarrer Paul von Stockerau gewidmete Gebetbuch zeigt nicht mehr die feine hófische Verzierungsform, wie auch die Miniaturbilder in dem derben volks- tümlichen Stil der Holzschnittillustration ausge- führt sind.

Von andern ósterreichischen Klóstern mit bedeu- tender Produktionstütigkeit seien vor allem das steirische Stift Vorau, Neukloster in Wiener Neu- stadt, in dessen Werkstütte ein prachtvolles Missale und ein für den Herzog Sigismund von Tirol be- stimmtes Breviarium entstanden sind, fernerSt.Flo- | rian und Ádmont in Oberósterreich genannt. In einem in dem ehemaligen Chorherrnstift vonSt.Pöl- ten 1482 entstandenen Breviarium hat der Miniator Zubenez, wie er sich in einer Inschrift nennt, außer seinem Selbstbildnis auch die Bildnisse aller seiner Mitbrüder im Kloster in den Rankenschmuck hin- eingemalt.

Die im österreichischen Stift Admont entstande- nen Miniaturhandschriften zeigen in der naturali- stischen Belebung des Rankenschmuckes durch Menschen- und Tierfiguren den EinfluB der Salz- burger Schule. In einer Admonter Handschrift, Cod. 95 der Stiftsbibliothek, findet sich neben dem

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Rankenwerk eine naturgetreu gemalte Fliege, über das Blatt kriechend, dargestellt. Ein prachtvolles Missale ist in Kremsmünster in Oberösterreich im Jahre 1464 fertiggestellt worden.

So reich sich aber auch die Produktionstätigkeit in den österreichischen Klosterwerkstätten im Ver- lauf des 15. Jahrhunderts entfaltet hat, so läßt sich mit Ausnahme der schon genannten Variationen im ornamentalen Schmuck der Tiroler und Salzbur- ger Handschriften doch nirgends eine bedeut- same selbständige Weiterentwicklung des aus der böhmischen Miniaturmalerei übernommenen orna- mentalen Stils wahrnehmen. In Süddeutschland be- ginnt ein regerer Betrieb dieser in Deckfarben aus- geführten Miniaturmalerei verfeinerter höfischer Art erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts; bis da- hin ist hier nirgends eine traditionell betriebene Werkstatt festzustellen. Dessen ungeachtet ist aber nun gerade in Süddeutschland und, wie es scheint, in Bayern der Stilwandel erfolgt, der gewissermaßen eine neue Phase in der Entwicklung des Ranken- ornaments bedeutet; auch jetzt wohl wieder unter der Einwirkung der beiden gegensätzlichen Stilten- denzen der spätgotischen Kunstentwicklung. In der Linie Regensburg—Wien macht sich der aus den Niederlanden verbreitete Naturalismus auch in der Tafelmalerei um die Mitte des Jahrhunderts stärker als anderswo geltend, daneben auch gegen Ende des Jahrhunderts der barocke Formgeschmack derSpät- gotik, der auf gesteigerte Ausdrucksbewegung in der Formbildung gerichtet ist. In der Salzburger Minia- turmalerei, die in der Folge nahe Beziehungen zur bayrischen, besonders der Regensburger, aufweist, wirkt der niederländische Einfluß schon früh auf die Bildung der die Ranken belebenden Menschen- und Tierfiguren ein, die oft zur Darstellung von Genre- szenen zu Gruppen vereinigt werden. Einen großen Reichtum dieser naturalistischen Belebung des Ran- kenwerkes zeigen die von Ulrich Schreyer ausge- malten Handschriften, vor allem die bekannte von Erasmus Stratter geschriebene, 1469 vollendete

Bibel der Grazer Universitätsbibliothek, dann ein Gebetbuch in der Rossiana [jetzt in der vatikani- schen Bibliothek] von 1458. Schreyer hat auch an dem berühmten fünfbändigen Missale, das haupt- sächlich von Furtmeyer für den Salzburger Erz- bischof Bernhard von Rohr ausgemalt und 148] vollendet wurde, mitgearbeitet.

Eine bedeutende Komponente fúr die Weiter- entwicklung bildet in der Folge auch der Einfluß der italienischen Renaissance, der sich vor allem in Tirol und Salzburg geltend gemacht hat. Aus Italien wurde wohl das in der Folge viel verwendete Motiv des halbgeöffneten Granatapfels in die Salzburger Rankenornamentik eingeführt. Umgekehrt kann man in der oberitalienischen Miniaturmalerei Ele- menten der böhmisch-österreichischen Ornamentik begegnen, so in den von dem Lombarden Guini- fortus de Vicomerata ausgemalten Corali der Olive- taner im Museo Civico in Ferrara, welche im Rand- leistenschmuck stilisierte Formen der Akeley und andrer Blüten enthalten; desgleichen in dem vom selben Miniator 1449 ausgemalten Graduale. Eine für die Kunstbeziehungen zwischen Österreich und Oberitalien bezeichnende Tatsache.

Die frühest datierte Handschrift, in der die neue süddeutsche Zierranke erscheint, ist ein 1458 in Ebersberg entstandenes Missale der Münchener Staatsbibliothek Cod. 23014. Das Blattwerk er- scheint nun reicher und gedrängter gestaltet, die Blätter sind breitlappig, tief eingeschnitten und in langen gerollten Spitzen auslaufend. Wiewohl ihre Form dem heimischen Scharfen Hahnenfuß entnom- men ist, wird damit doch auch wieder eine Annähe- rung an die klassizistische Akanthusform gesucht, die in der Ornamentik der italienischen Renaissance eine Neubelebung gefunden hat. Die gotisierende Verschnörkelung der Stengel steigert sich und der Reichtum an Blütenformen hat sich bedeutend ver- mehrt; ein besonders beliebtes Motiv bildet der halbgeöffnete Granatapfel, der, wie oben erwähnt, schon in der Salzburger Ornamentik heimisch ge

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worden war. Ebenso werden die goldnen Füllkugeln mit Strahlenfäden und die Zwickelbohnen von Salz- burg übernommen. |

Neben den stilisierten Blüten werden auch natur- getreu gemalte Blumen und oft auch ganzeZweige in die Ranken eingesetzt, was auch schon in frühen Salzburger Handschriften vorkommt. In der von Nikolaus Rohrbach illuminierten Tegernseer Hand- schrift ,,der Streit Christi mit Belial“ in der Münche- ner Staatsbibliothek Cod. 48 wird schon nach niederländischer Art die Blattseite mit losen Distel-, Rosen- und Akeleyzweigen umrahmt.

Es würde zu weit führen, auf die lokalen Varia- tionen der Stilentwicklung in der reichen Produk- tion einzugehen, die sich nun in Bayern und den an- grenzenden Gebieten, vor allem auch in den für die entstehende Renaissancekunst so wichtigen Haupt- orten Augsburg und Nürnberg, entfaltet. Während in der ersten Hälfte des Jahrhunderts mit eintöniger Gleichförmigkeit im großen ganzen immer wieder in schematischer Weise dieselben Zierranken in den österreichischen Handschriften wiederholt werden, macht sich jetzt eine vielfältige Variation in der ornamentalen Formbildung bemerkbar; die indivi- duelle Erfindungsgabe der Miniatoren tritt immer mehr in neuen Einfällen und Erfindungen hervor. Nach der Erfindung und Verbreitung der Buch- druckerkunst wird die Miniaturmalerei in Deckfar- ben im eigentlichen Sinne erst zur repräsentativen Prunkkunst von höfisch aristokratischem Charak- ter, da sie nur auf die Ausstattung von Luxushand- schriften beschränkt bleibt. Weil diese nun mehr, als es früher der Fall war, von wirklichen Künstlern be- trieben wird, so gewinnt nun auch der ornamentale Schmuck einen immer größeren künstlerischen Wert. In der Stilbildung führt einerseits die Naturalisie- rung zu einer reicheren Mannigfaltigkeit der verwen- deten Pflanzenmotive und einer fast bildmäßigen Ausgestaltung der Figurengruppen und genreartigen Szenen in den Rankenzweigen, anderseits macht ich das vorherrschende gotische Stilempfinden in

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der Heranziehung mancher in der Bauskulptur eigenartig stilisierter Pflanzenformen geltend, so der Rollblattformen; besonders beliebt werden die in dieser Art stilisierten Distelblätter.

Im folgenden sei nur kurz auf einige bedeutende Miniaturhandschriften verschiedener Schulen hinge- wiesen. In den Sechziger Jahren erscheint die neue Rankenform in Süddeutschland schon überall ver- breitet, so finden wir die Hahnenfußranke in dem 1460 in Tegernsee entstandenen Missale Mün- chen, Cod. 19236 und ebenso auch in der in St. Nikolaus in Augsburg 1466 entstandenen Bibel München, Cod. 16001. Von Passau aus, dessen Diózesangebiet bis Wien reicht, wird die Hahnen- fußranke auch in die österreichische Miniaturmalerei eingeführt; wir begegnen ihr, um einige Beispiele zu nennen, in dem 1469 in Wien entstandenen Mino- ritenmissale der Rossiana (jetzt in der vatikanischen Bibliothek), in einem in den Sechziger Jahren in Klagenfurt hergestellten Missale der Klagenfurter Stadtbibliothek Cod. 6 und in einem für den Erzbischof Bernhard von Rohr bestimmten Salz- burger Breviarium. Zu einer höchst gefälligen, von der italienischen Renaissance stark beeinflußten Formbildung entwickelt sich das Rankenornament in der Augsburger Schule.

1481 ist das von Georg Sallwick de Güntzburg ausgemalte, in der Stuttgarter öffentlichen Biblio- thek befindliche Missale, 1495 das Psalterium für St. Ulrich und Afra von Georg Beck entstanden. In beiden werden die Hahnenfußranken häufig mit Erdbeer-, Eichen-, Rosenzweigen und Weinranken verbunden. In der letztgenannten Handschrift zeigt das Blattwerk der stilisierten Ranken breit- lappige, wulstige, dem italienischen Akanthus ver- wandte Formen. Den althergebrachten Drolerien wilde Männer, schieBende Jäger, Affen, die aller- hand Kurzweil treiben, Pfauen, Vögel gesellen sich nun zahlreiche neue, vor allem Engel und Kin- derfiguren, die an die Putten der italienischen Re- naissance erinnern; ebenso bilden die grotesken Mas-

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ken und Fratzenköpfe, die aus den Ästen und Blät- tern herauswachsen, nie fehlende Schmuckstücke.

Als eines der schönsten Werke der deutschen Mi- niaturmalerei dieser Zeit muß auch das prachtvolle Missale der Münchener Frauenkirche hier Erwäh- nung finden, das sich durch einen überaus großen Reichtum ornamentaler Zierformen auszeichnet.

Zu einem Charakteristikum der Nürnberger Schule wird die auf hier stärker einwirkenden Einfluß des niederländischen Naturalismus beruhende Vorliebe für gesteigerte Belebung des figuralen Beiwerkes der Ranken. Da sind vor allem die Arbeiten der bekann- ten Miniaturistin, der Nonne Margareta Karthäuse- rin, zu nennen, welche mit wahrer Freude in die Zierranken so viel als möglich allerlei genreartiges Beiwerk hineinzubringen sucht, indem sie sowohl die Drolerien älterer Handschriften als Vorlagen ver- wendet, als auch eigene Naturbeobachtungen zu neu erfundenen Genreszenen verarbeitet.

In ihrem Hauptwerk, dem achtbändigen Antipho- narium der Nürnberger Stadtbibliothek wimmelt es in den Zweigen von allerlei Tieren und lustigen Fi- gurengruppen und Szenen ein Fuchs, der, eine Gans im Maul, vor einem ihm nachlaufenden Jungen die Flucht ergreift; ein Schütze, der eine Gans er- legt. Musizierende Engel und Dudelsackpfeifer; Hir- sche und Rehe, Eichhörnchen und Papageien bevöl- kern das Blattwerk. Aber auch die Naturalisierung des Blatt- und Blütenwerkes macht in den Nürn- berger Handschriften einen Fortschritt. Dagegen zeigt das 1476 in Nürnberg entstandene Gebetbuch der Münchener Staatsbibliothek Cod. 127 in seinen Zierranken eine úberaus gesteigerte Bewe- gung, einen geradezu barocken Schwung der Zier- linien; vielmehr als es in Augsburger Handschriften der Fall ist, kommt hier der unruhige Charakter der spätgotischen Ornamentik zum Ausdruck. All das im vorausgehenden über Nürnberger Handschriften Gesagte gilt auch für den noch ganz der gotischen Entwicklungszeit angehörenden ersten Teil des be- rühmten Gänsebuchmissales der Nürnberger St. Lo-

renzkirche, das im Jahre 1507 von dem Hauptmei- ster der Nürnberger Buchmalerei, Jakob Elsner, fertiggestellt worden ist, und das zu gleicher Zeit von diesem Meister ausgemalte Gebetbuch Friedrich des Weisen in zwei Bänden, die sich in der Univer- sitätsbibliothek von Jena befinden.

Das Hauptwerk dieser spätgotischen Stilentwick- lung in der deutschen Miniaturmalerei bildet aber Berthold Furtmeyrs berühmtes fünfbändiges Mis- sale der Münchener Staatsbibliothek Cod. 15708 bis 15712. Dieses großartige Werk, das über Auf- trag des Salzburger Erzbischofs Bernhard Rohr ent- stand, hat Furtmeyr mit einigen Mitarbeitern, deren einer, der schon genannte Salzburger Ulrich Schreyer, den größten Teil des Schmuckes im dritten Bande besorgt hat, im Jahre 1481 vollendet. Die vielfach divergierenden Stiltendenzen der Spätgotik führen hier zur größtmöglichen Entfaltung der vielfältig- sten stilisierten und naturalistischen Zierformen das Blattwerk der Ranken zeigt einerseits einen wunderbaren Reichtum stilisierter Formbildungen oder wird auch wieder ganz durch höchst reizvolle natürliche Blumengewinde gebildet. Weniger ent- wickelt zeigt sich der Stil einer früher entstandenen Arbeit Furtmeyrs, der zweibändigen Bibel in der fürstlich Öttingen-Wallersteinschen Bibliothek zu Maihingen von 1472. Der Naturalismus der nieder- ländischen Schule hat hauptsächlich über Nürnberg den Weg nach Regensburg gefunden und sich mit der Geschmacksrichtung, der Naturliebe und Phan- tasiebegabung, welche den Künstlern des bayrisch- österreichischen Donaulandes eigen ist, vereinigt.

Was den Randleistenschmuck in den gedruckten Büchern des 15. Jahrhunderts anbelangt, so war an- fangs die noch wenig ausgebildete Technik des Holz- und Metallschnittes zur Wiedergabe der runden, vielfach geschwungenen und sich schneidenden Li- nien der deutschen Zierranken wenig geeignet. Man verzichtete darum entweder ganz auf den Rand-

leistenschmuck oder man ließ, wie in den Hand-

schriften, durch Miniatoren die Titel- und Kapitel-

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

einleitungsseiten mit farbigen Zierranken umgeben. So ist auch das in der Wiener Nationalbibliothek be- findliche Exemplar der 42zeiligen Bibel ausge- schmückt. Die Ranken zeigen die ursprüngliche einfache ósterreichische Stilform. Aber schon in den Siebziger Jahren beginnt man in Süddeutschland, vor allem in Ulm, den Ornamentschmuck in Holz- schnitt herzustellen, wobei es natürlich zu einer Ver- rohung der Formen kommt. Durch Kolorierung suchte man aber immerhin der Wirkung der minier- ten Ranken näher zu kommen. So finden sich Zier- ranken österreichischen Stils schon in einigen bei Zainer 1473 in Ulm gedruckten Büchern, so in dem „Büchlein der Ordnung der Pestilenz", in der „Tutsche Cronica“, in der Boccaccioausgabe „De Mulieribus claris** und in dem „Rationale“ des Du- rantius. Äußerst selten findet man eine dekorative Umrahmung in den Einblattdrucken des Holz- schnittes, Flugblättern, Andachtsbildern u. dgl. Statt der süddeutschen Rankenform begegnet man in Blättern norddeutscher Provenienz manchmal einer Bordüre, in welcher die ältere romanische Form des Akanthusblattes, wohl der einfacheren Form wegen rundgekappte Blätter in wellig bewegter Linie abwechselnd nach oben und unten aneinander- gereiht —, Verwendung findet; dagegen zeigen Ein- blattdrucke süddeutscher Provenienz die österrei- chischen oder bayrischen Stengelranken in verrohter Form.

Obwohl der Holz- und Metallschnitt vor allem in Deutschland seine künstlerische und technische Aus- bildung gefunden hat, so hat sich doch zuerst in Italien das Rahmenornament im Buchdruck zu einer künstlerischen Bedeutung entwickelt. Die einfache architektonische Form der Renaissance- umrahmung eignete sich auch besser für die Repro- duktion im Formschnitt als die deutschen Zierranken. Außerdem hatte der Augsburger Buchdrucker Er- hard Ratdolt, der in Venedig in den Siebziger Jahren tätig war, den glücklichen Einfall, den Weiß- schwarzdruck im Metallschnitt für den Randleisten-

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schmuck zu verwenden, in der Art, daß die Zeich- nung intarsienhaft in die Metallplatte eingeschnitten wurde und so im Druck weiß erschien; ein Verfah- ren, das einige Erleichterung in der Herausarbeitung der Formlinien gewährte. So gelangte man hier in fortschreitender Entwicklung zu einem selbständi- gen, die Farbigkeit ausschließenden Buchornament, das in der Folge besonders in der künstlerischen Schmuckgestaltung des Titelblattes seine Bedeu- tung erlangte und auch auf die Entwicklung der deutschen Titelblattornamentik eingewirkt hat. In Augsburg, wo schon in den Siebziger Jahren durch Günther Zainer die Holzschnittillustration einge- führt wurde, hat durch Burgkmair und in Nürnberg durch Dürer der graphische Schmuck im deutschen Buchdruck der Renaissance seine künstlerische Voll- endung gefunden.

Der Übergang zum Stil der Renaissance vollzieht sich auch im deutschen Buchschmuck in erster Linie durch Übernahme einzelner figuraler und ornamen- taler Elemente der italienischen Kunst. Ein haupt- sächlich beliebtes Motiv, das, wie schon erwähnt, Ende des 15. Jahrhunderts häufig verwendet wird, bilden nackte Kinderfiguren, Putten, anfangs ein- zeln und in das Astwerk der Zweige hineingesetzt, später auch in Gruppen, Fruchtschnüre haltend oder wie architektonische Skulpturen an dem Aufbau des Rankenschmuckes mit besonderen Aufgaben betei- ligt. Um einige frühe Beispiele zu nennen, sei das aus dem Kloster Medlingen in Bayern stammende Graduale Cod. 23014 der Münchener Bibliothek aus dem Jahre 1499 erwähnt; oder ein Brevia- rium des Stiftes St. Florian in Oberösterreich Cod. XI. 437.

Die Freude der Miniatoren an der gotischen Ran- kenform erhält sich aber bis weit in das 16. Jahr- hundert hinein. Allerdings ändert sich mit der Zeit unter dem Einflusse des italienischen Renaissance- geschmackes auch die Form der Rankenblätter, die sich mehr der des Akanthusblattes annähert; die früher spitz auslaufenden Blätter werden nun run-

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der und breiter geformt. Auch macht sich allmäh- lich in der Linienführung der Ranken an Stelle der freien ungeordneten Bewegung die Vorliebe für ge- setzmäßige, symmetrische Ordnung geltend; dieVer- schlingungen folgen einem bestimmten Rhythmus; es wird auf harmonische Wirkung mehr als früher Wert gelegt.

Zu gleicher Zeit wirkt aber auch der niederländi- sche Naturalismus weiter fort, und häufig begegnet man auch noch nach der Mitte des Jahrhunderts in der Ausschmückung von Handschriften einem merk- würdigen Mischstil; es sind einzelne Seiten mit goti- schen Ranken oder Streublumen verziert, während wieder der Randschmuck andrer ein lockeres Gefüge von Pflanzenranken, Sáulen, Kandelabern, Vasen und Medaillen bildet.

Als Beispiel dieses merkwürdigen Übergangsstils möchte ich den von dem Augsburger Miniator Jörg Gutknecht 1515 ausgemalten ersten Band des Te- gernseer Psalteriums nennen, in dem gotischer Ran- kenschmuck mit Streublumen- und architektoni- scher Randverzierung wechseln. In dem bekannten Strochnerschen Gebetbuch in Salzburg, auf das Tietze schon hingewiesen Бай, läßt sich an dem Randschmuck zweier Miniatoren, von denen der

jüngere Altdorfer, der ältere vielleicht der Tiroler Maler Reisinger war, der Übergang von der Gotik zur Renaissance besonders augenfällig erkennen. Der ältere Miniator, von dem auch die bekannten Zeug- bücher Maximilians in Innsbruck ausgeschmückt sind, malt schwungvolle bewegte Hahnenfußranken, während Altdorfer aus locker aneinandergefügten Elementen der Renaissancearchitektur, einzelner Fi- guren, Blumen- und Fruchtgirlanden den Schmuck

der Randleisten bildet. Auch der zweite Teil des berühmten Gänsebuch-

missales in Nürnberg, von Elsner 1510 fertiggestellt, zeigt den Übergang zu neuen, von der Ornamentik

1 Hans Tietze: Albrecht Altdorfers Anfänge. Kunstgeschicht- liches Jahrbuch der Zentralkommission für Denkmalpflege.

Wien 1908.

des ersten Bandes vielfach verschiedenen Stilfor- men. Die einheitlich organische Rankenbildung er- scheint nun schon gelockert; die Ranken sind oft aus einzelnen Zweigen gebildet, welche durch ver- zierte Ringe verknotet oder durch die Verschlingung der Zweige miteinander verbunden werden. In der Naturalisierung des figuralen Beiwerkes zeigt sich auch insofern ein Fortschritt, als dieses nun mehr selbständig und bildmäßig gestaltet wird, indem einzelne Szenen auf einen natürlichen Bodenaus- schnitt gestellt werden.

Zu den Hauptwerken der süddeutschen Miniatur- malerei der ersten Hälfte des Jahrhunderts gehören die Arbeiten der Hauptmeister der Nürnberger Mi- niatorenfamilie Glockendon. Wenn diese auch am meisten die niederländische Art, die Verwendung na- türlicher Blumen und Zweige sowie von Landschafts- und Genreszenen zum Schmuck der Randleisten, be- vorzugen, so fehlt es doch in ihren Arbeiten nicht an ganz im italienischen Stil gehaltener Ornamentik. Vielfach werden Kupferstiche und Holzschnitte, in erster Linie Arbeiten Dürers, von ihnen gern als Vor- lagen benutzt und so auch architektonische Titel- umrahmungen des Buchholzschnittes in die Buch- malerei übertragen. Von Nikolaus Glockendons Ar- beiten ist vor allem das bekannte Missale von 1524 und ein Gebetbuch für den Herzog Wilhelm IV. von Bayern in Aschaffenburg sowie eine Bibel in Wolfen- büttel zu nennen. Von Albrecht Glockendon besitzt die Nationalbibliothek in Wien ein prachtvolles für den genannten Herzog und seine Gemahlin Jakobäa bestimmtes Gebetbuch Cod. 1880. Daselbst be- findet sich auch ein für den Kardinal Albrecht von Brandenburg im Jahre 1533 von Georg Glockendon hergestelltes Gebetbuch in deutscher Sprache Cod. 1847.

Von hervorragenden Augsburger Arbeiten sei noch des von dem Monogrammisten N. R. ausgemal- ten Gebetbuches des Mathäus Schwarz im oberöster- reichischen Stift Schlägl Erwähnung getan. Dieses weist einen überaus reichen Schmuck aller in Be-

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- Cod. 4486

Wien. Nationalbibliothek

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10. Kaisheimer Missale München, Staatsbibliothek - Cod. 7901

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11. Gänsebuch Missale. II. Teil. der St. Lorenzkirche in Nürnberg

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tracht kommenden Stilarten auf; italienische Pla- ketten haben ebenso wie die Reliefs der Fugger- kapelle in St. Anna in Augsburg dem Miniator als Vorwurf gedient. Von diesem Miniator besitzt auch die Wiener Nationalbibliothek ein reich ausgestat- tetes, 1523 entstandenes Gebetbuch Cod. 4486.

Je mehr sich die einheitliche, in sich geschlossene Rankenbildung lockert, um so mehr wird es not- wendig, den aus losen Teilen oder einzelnen Gliedern bestehenden Randschmuck leistenartig zusammen- zufassen. So bilden die symmetrisch gebildeten Ran- ken in dem prachtvollen Kaisheimer Missale von 1530 München, Cod. 7901 ein auch ohne Um- fassungslinien leistenartig fest geschlossenes Orna-

ment, das rahmenartig den Text umschließt. Bei Verwendung von Streublumen konnte man aber zur Erzielung einer den Text umfassenden Umrahmung der Einfassungslinien kaum entbehren. In wunder- barer Weise werden in Dürers Randzeichnungen zu Maximilians Gebetbuch die losen Einzelteile und Glieder nur durch den einheitlichen Fluß der Linien- bewegung zu einem Ganzen verbunden und zu einer geschlossenen Rahmenbildung zusammengefaßt.Der prachtvolle Gesamteindruck, der sich aus dem Far- benspiel des Rot und Schwarz der Lettern mit dem Grün, Violett oder Rosaton der Zeichnungen ergibt, ist erst durch Giehlows Faksimileausgabe weiteren

Kreisen bekannt geworden.

BEITRÄGE ZUM WERK EINZELNER BUCHILLUSTRATOREN DER ERSTEN HÄLFTE DES SECHZEHNTEN JAHRHUNDERTS

VON

HILDEGARD ZIMMERMANN-BRAUNSCHWEIG

Die Erforschung des deutschen Einblatt-Holz- schnitts der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhun- derts geht dank der monumentalen Publikation Max Geisbergs! jetzt einem gewissen AbschluB insofern entgegen, als mit ihr das Material wohl nahezu restlos erschlossen vorliegen wird. Für die Buch- illustration aber, deren Massen nur schwer eine erschöpfende Übersichtlichkeit ermöglichen, stellen sich der Forschung immer noch jene Schwierigkeiten unzureichender Unterlagen und Hilfsmittel ent- gegen, wie sie F. Dörnhöffer gelegentlich mit Recht charakterisiert und beklagt hat?. Wohl sind die wichtigsten Gruppen herausgehoben worden, vor allem in Beiträgen zu den Werken auch im Einblatt- Holzschnitt namhafter Künstler, denen sich wie- derum manche in ihrem Stilcharakter festgestellte anonyme Hand anschließt. Doch nur eine um- fassende systematische Publikation der Buchillu-

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stration des sechzehnten Jahrhunderts, die der For- schung restlosen Überblick und weitestgehende Ver- gleichsmöglichkeiten vermitteln würde, könnte den großen Aufgaben einer Klarlegung des Umfanges des Werkes der einzelnen Künstler, einer Aufteilung des anonymen Massenguts und einer Lösung all der vielfältigen Kopienverhältnisse wirklich völlig ge- recht werden. Noch stecken aber die Vorarbeiten hierzu fast überall in den Anfängen und nur im Hand-in-Hand-Arbeiten mit der bibliographischen Forschung, die dem Ziele der Gesamtbibliographie der Reformationsdrucke zustrebt, dürfte die Ver- wirklichung der dringlichen Forderung solcher Pu- blikationen zu erreichen sein. Hier wie dort aber müssen wir uns einstweilen immer noch bescheiden, zu dem erhofften Gesamtbau lediglich einzelne Bau-

steine heranzutragen?.

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I. HANS BALDUNG Gegenüber der Reihe mit großer Sorgfalt vorbe- reiteter illustrierter Prachtausgaben des frühen sechzehnten Jahrhunderts, wie sie die Publikationen Kaiser Maximilians, Verlagswerke der Koberger,

Stilkritik hier nicht durch Qualitätsurteile sich verführen lassen darf. Wohl mag es unseren heu-

tigen künstlerischen Begriffen widersprechen, Werke höchster Blüte des Einzelholzschnittes und flüchtige Buchbilder von einer Hand ausgeführt zu denken;

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Abb. 1 . Hans Baldung

zum Teil auch Schriften der Humanisten u. a. zeigen, verraten die eigentlichen Reformationsdrucke bei allem Reichtum ihrer Ausstattung sehr häufig die vorwärtsdrängende Erregung ihrer Entstehung in Flüchtigkeiten der Ausführung und in eigentümlich zusammengewürfelter Art der Bildbeigaben. Eine Berücksichtigung dieser Umstände ergibt, daß die

doch unser Wissen, daß jeder Künstler jener Zeit zu- gleich Handwerksmeister war, dessen Arbeit nach Brot ging, deutet die verständliche Erklärung an. So ist es denn nicht angängig, Arbeiten geringerer Qualität, sobald sie Stilmerkmale der großen Künst- ler aufweisen, etwa ohne weiteres als Nachahmungen zu verdammen, sondern es gilt vielmehr auch in der

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rasch hingeworfenen Zeichnung, im schlecht aus- geführten Schnitt noch die berühmte „Klaue des Löwen“ zu erkennen. |

Wie im Falle Lukas Cranachs d. Ä., dem ein eigen ausgebildeter ,,Illustrationsstil nachzuweisen ist“, tritt auch bei Hans Baldung in Straßburg den sorg- {аніс ausgeführten Arbeiten eine Reihe skizzenhaft flüchtiger Holzschnittentwürfe zur Seite. Solche finden sich, bisher unerkannt geblieben, in einem typischen Reformationsdruck: einem Nachdruck ohne Ortsangaben des Cranachschen Passionals Christi und Antichristi®.

Die Ausstattung dieser Ausgabe besteht außer einer der Cranachschen nachgebildeten Folge, c.118: 95 mm”, aus einem großen Titelholzschnitt, mit Christus als Schmerzensmann zwischen Petrus und dem Papst mit Gefolge, 152 : 112 mm, einer Dar- stellung des Ablaßhandels auf der Straße, 117: 92 mm8, Christus als guter Hirte, 118 : 94 mm, und als Gegenstück zu diesem einem Spottbild auf den „Wolfspapst“, 118 : 94 mmi. Auffällige Un- gleichmäßigkeiten der Ausführung lassen erkennen, daß eine Reihe verschiedener Hände hier am Werke waren, selbst innerhalb der Folge. Der bei weitem größte Anteil, 13 der 30 Holzschnitte, dabei das Titelbild, die drei eingefügten Darstellungen und neun der Folge!!, fällt einem den charakteristischen „Straßburger Stil“ 12 vertretenden Meister zu.

Als eine, wenn auch flüchtige, so doch durchaus kennzeichnende Arbeit Hans Baldungs erweist sich Blatt 6 der Folge, der Fußfall des Kaisers vor dem Papst (Abb. 1). Die Anlehnung an das Cra- nachsche Vorbild ist nur ganz allgemeiner Art mit Übernahme der Anordnung der in der Diagonale hintereinander Knienden, von denen nur die Haupt- figuren beibehalten sind, während die im Hinter- grund gedrängte Menge und weitere Geistliche neben Kardinal und Bischof fehlen. Auffälligerweise ist das Motiv des Pantoffelkusses in Wegfall gekommen und lediglich ein Knien und demütiges Verneigen des Kaisers vor dem Papst gegeben. Sehr deutlich

tritt hier die Baldungs Holzschnitten eigentümliche intensive Wirkung großer heller Lichtflächen her- vor, zu denen sehr gleichmäßig, aber dennoch flott hingestrichene Schattenpartien in Kontrast stehen. Zum Vergleich ist insbesondere der 1520 im Missale dioecesis Argentinensis bei Thomas Anshelm in Ha- genau erschienene bezeichnete große Holzschnitt mit Christus am Kreuz, Schutzheiligen, Stifter und den sieben Sakramenten!? heranzuziehen. Curjel reiht ihn der Folge zu den zehn Geboten von 1516 an, als „auf der gleichen Stilstufe“ stehend; eine Datierung vor 1520 scheint mir aber nicht not- wendig anzunehmen, da die Zusammenhänge mit den Illustrationen von 1521 eng bestehen. Die Kopftypen, die im Passional-Holzschnitt in nichts etwa eine Anlehunng an Cranachs Original verraten, sind hier und dort einander aufs engste verwandt: der Kopf des vor dem Papst am weitesten zurück im Bilde knieenden Jünglings entspricht fast Zug für Zug dem des Beters links in der um das Kreuz gescharten Menge. Die in einer Spitze nach vorn gezogene Haarsträhne des Kaisers findet sich in gleicher Weise bei dem Mann mit dem Weihwasser- wedel am Sterbebett. Die in der freien Hochrich- tung ganz anders als bei Cranach zur Geltung ge- brachte würdebewußte Kardinalsfigur hat die so überaus charakteristische Beschattung des Gesichts, die bei Baldung immer wieder nachzuweisen ist. Es geht nicht an, das Blatt anders denn als eigenhän- dige Arbeit Baldungs einzureihen.

Drei weitere Blätter der Folge, das erste: Chri- stus entflieht der Königswürde, das dritte: Christi Dornenkrönung und das zwölfte: der Papst wird in der Sänfte getragen, schließen sich dem besprochenen Blatt mit dem Fußfall aufs engste an und weisen ihrerseits Merkmale Baldung- scher Art auf. Freilich ist der Schnitt noch flüch- tiger und roher als beim Fußfall und namentlich das erste Blatt erscheint völlig entstellt: nur die etwas bessere Durchführung des Baumschlags läßt es von der weiter unten zu erwähnenden Gruppe abgetrennt

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hier sich einfügen. Eindrucksvoll erscheint die Ge- stalt Christi der Dornenkrönung, die in der Anord- nung frei von Überschneidungen im eng umgeben- den Halbkreis der Kriegsknechte wohlüberlegt zur Geltung gebracht ist. Die Sänftenträger des zwölften Blattes in ihren langen Gewändern zeigen wieder die charakteristischen Lichtflächen und Schattenpartien, die Gesichter sind in gleicher Weise wie die des Papstes und des Kardinals des Fußfalls beschattet.

Eine Reihe von sechs weiteren Blättern der Folge!*, die mehr oder minder getreu sich den Cra- nachschen Originalen anschlieBen, zeigt Beziehun- gen zu der Baldung-Gruppe, doch treten hier die Merkmale bedeutend abgeschwächt auf, so daß über die Eigenhündigkeit Zweifel bestehen bleiben. Der rohe Schnitt erschwert die Beurteilung. Es er- scheint sehr wohl móglich, daB hier flüchtige Bal- dungsche Zeichnungen von anderer Hand auf den Stock übertragen wurden. Die Herstellung der Aus- stattung des Nachdrucks muß in fieberhafter Eile vor sich gegangen sein. Der verbleibende Rest der Folge ist nochmals an zwei Hände aufzuteilen!5, so daß im ganzen die Tätigkeit von mindestens vier, wahrscheinlich fünf Meistern anzunehmen ist!

Eine eigenhändige Arbeit Baldungs vermeine ich auch in dem blattgroßen Holzschnitt zu des Celtis Libri Odarum, 176:126 mm, StraBburg 151316, zu erkennen. Der Entwurf des mit mytho- logischen Gestalten und Allegorien ganz im huma- nistischen Sinne erdachten Bildes ist auf Celtis selbst zurückzuführen!?, eine erste Ausführung desselben, in Zeichnung und Schnitt ungeschickt, in der Bildzu- sammenreihung recht anspruchslos, findet sich in der Nürnberger Ausgabe der Quatuor libri amorum von 150215. Die auferordentlich geschickte Art aber, wie in der Komposition der StraBburger Neu- ausführung diese vom rein literarischen Standpunkt aus ersonnenen Einzelheiten zur Bildmäßigkeit ge- zwungen werden, verrát den geübten Künstler. Ein mit wohlbedachten Überschneidungen konstruierter

Unterbau, mit großer von Säulen flankierter Mittel. öffnung und seitlich schräg je zwei nischenartigen Feldern, gibt links Merkur und Herkules, rechts Phoebus und Bachus Raum und nimmt in der Mitte die Fons Musarum mit zwei kleinen nackten musi- zierenden Putten auf, über denen, klar vom quer- schraffierten Grunde sich abhebend, an Girlanden hängend, der Schild mit Celtis Monogramm und Spruchbänder in wirkungsvoller dekorativer Art an- geordnet sind (man vergleiche dagegen die unge- schickte frühere Fassung!). Darüber erscheint, in gewichtigem, dem oberen Mittelteil rechts einen Abschluß verleihenden Sessel, die schreibend nach halblinks gewendete Halbfigur des Celtis, über dessen aufgeschlagenem Buch sich der feste Bau des Büchergestells erhebt, rechts davon in einem Felde einem Wandbild gleich über dem Kopf des Poeten Rabe und Schwan. Seitlich oben, auf Säul- chen unter Maßwerk, links Minerva, rechts Cy- therea. Lehrreich erscheint auch hier der Vergleich mit dem frühen Holzschnitt, in dem die Figur, trotz- dem sie nahezu vollständig gegeben ist, nicht an- nähernd so zur Beherrschung des Bildes gebracht ist, wie hier die Halbfigur über bzw. hinter dem kanzelartig wirkenden Unterbau mit nachdrücklich betonter Mitte. Unbedingt auf Baldung weist die ausgezeichnete Durchführung der Dichterfigur, in der die gleiche Großzügigkeit der Auffassung wie in den großen Einzelbildnissen Baldungs sich aus- spricht, so daß es kaum noch eines Hinweises auf charakteristische Einzelheiten der Zeichnung, wie etwa der Augen und der Schattenstriche darunter, bedarf.

Auf Baldung zurückzuführen sind auch drei Titeleinfassungen des zunächst in Straßburg, später in Tübingen tätigen Druckers Ulrich Mor- hard!?, Handelte es sich hier auch um Bearbeitung fremder Vorlagen, die vermutlich einem direkten Wunsche des Auftraggebers zuzuschreiben sein dürfte, so finden sich in diesen handwerklichen Lohnarbeiten dennoch so ausgeprägte Züge Bal-

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dungscher Eigenart, daß sie nicht etwa nur auf Rech- nung eines Nachahmers zu setzen sind. Gerade die gewisse Flüchtigkeit der Zeichnung, die kursorische Art, in der die Formen rasch hingeschrieben sind, läßt auf Sicherheit und die geübte Hand schließen: Nachahmer pflegen ängstlicher und ausführlicher zu Werke zu gehen.

Die Folio-Einfassung mit dem Herkules Gallicus (unterer Teil Abb. 2)20 geht im unteren Teil frei auf den Baseler Monogrammisten Н F zurück?!, gibt aber eine sehr beachtliche Verbesserung, die einem Kopisten geringer Art kaum zuzutrauen sein dürfte: im Original des HF hält Herkules den Bogen an der Sehne(!), Baldung dagegen gibt eine Haltung, die den wirklichen Abschuß des Pfeiles denkbar sein läßt. Die Typen sind, wie im Falle der Benutzung der Cranachschen Originale, auch hier völlig ver- ändert, und sie erweisen sich als solche, die bei Baldung wiederholt begegnen. Für die seitlichen Figuren dreier nackter Göttinnen und Amors diente in gleicher Weise die Titeleinfassung Ambrosius Holbeins mit der Schilderung des Hoflebens?? zum Vorbild. Im oberen Teil sind (frei erfunden?) links Herkules, rechts Ödipus mit der Sphinx und in der Mitte als Lösung des Rätsels der Sphinx die drei Lebensalter gegeben. Baldungsche nackte Frauen, für die die kleinen, sehr seitlich, oft tief und weit- auseinander angesetzten Brüste charakteristisch er- scheinen, sind zum Vergleich in erster Linie heran- zuziehen: so entspricht z. B. die Fortuna links unten in Haltung und Gestalt überraschend beziehungs- reich dem Gemälde der Vergänglichkeit von 1529 in München?3. Die Schraffenführung an den Akt- figürchen des Holzschnitts findet sich z. B. in der 1514 verwendeten Titeleinfassung mit dem thro- nenden Maximilian?* in gleicher Weise und die großen, völlig weißen Lichtflächen wiederum sind das charakteristische Mittel Baldungs zur wirkungs- vollen Durchbildung seiner Schnitte.

Die von Koegler?’ auffälligerweise dem Urs Graf zugeschriebene Quart-Einfassung mit Huma-

nitas im Wagen, Minerva, Artemis und schildhaltendem Engelknaben?2° (Abb. 3) glaube ich entschieden hier anfügen zu müssen. Die Gruppe der Humanitas ist auf dieselbe Art von Urs Graf?? übernommen, wie bei der Folioeinfassung HF und Holbein, in den Schnitten zum Passional Christi und Antichristi Cranach benutzt wurden: Widergabe der allgemeinen Anordnung mit Gestalten des eige- nen Typenvorrats, für den im Falle der vorliegenden Einfassung vor allem die beiden Jiinglinge mit den nach vorn hängenden Haarsträhnen charakteristisch sind. Im übrigen sei für die Zuschreibung wiederum auf den weiblichen Akt und auf die Schatten- gebung besonders in den Gesichtern hingewiesen. Anregungen des Urs Graf liegen vielleicht auch dem dritten der hier in Frage kommenden Schnitte, der Quart-Einfassung mit spielenden nack- ten Knaben?s (Abb. 4) zugrunde. Wenigstens finden sich bei diesem die Motive der durch Reifen springen- den Knaben?? und der mit Schellen übereinander an- geordneten Knaben 30. Wieder ist für die Zuschrei- bung auf Behandlung von Licht und Schatten hin- zuweisen, sowie besonders auf die Augenzeichnung. Waltet in der Durchführung im einzelnen auch manche Flüchtigkeit und mag obendrein sorgloser Schnitt manches entstellt haben, so ist dem Ganzen doch mit dem lustig durcheinander bewegten Trei- ben dieser ,,Faschingsknaben“, wie Steiff sie nennt, eine geschickte Anordnung und ein flotter Zug nicht abzusprechen, und eine Gestalt wie der in Abwehr- stellung zusammengehockte Knabe vorn rechts in der unteren Bildecke kann sich sehr wohl im Kreis Baldungscher Putten und Engelknaben behaupten*!. Auch unter den Signeten Straßburger Drucker sind Arbeiten Baldungs erhalten®2. So spricht sich seine Art aufs deutlichste in Reinhart Becks Signet mit dem wilden Mann?3 aus. Im charak- teristisch scharfen Licht hebt sich die helle Gestalt von dem dunkel schraffierten Hintergrund ab; das verwitterte Gesicht, die Zeichnung der tiefliegenden Augen und die malerisch flotte Behandlung des

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bung an Baldung mit dem sehr verwandten Schwan der oben besprochenen Celtis-Illustration zu ver- gleichen. Zumindest sehr nahe steht Baldung auch das Druckerzeichen des Johann Albrechts“

wehenden Bartes und der emporgesträubten Haar- mähne verraten überdies ohne weiteres den Meister, dessen feines Werkchen hier auch in wohlgelun- genem Schnitt zu voller Wirkung kommt. Auch die

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Abb. 4 - Hans Baldung

mit den zu seiten des Baumes der Erkenntnis an- geordneten anmutigen Figürchen Adams und Evas.

II. LEONHARD BECK

Leonhard Becks Anteil an der Augsburger II- lustration dürfte noch durch manche Zuschreibung zu erweitern sein. Tüchtige handwerksmäßige Ar-

aus einer Felsspalte emporsteigende Frau des Druckerzeichens Johann Knoblauchs?* zeigt in der Durchbildung des Lichtproblems Baldungs Meisterschaft. Der mit sicherem dekorativen Ge- fühl dem kleinen Bilde eingefügte, schwungvoll ge- zeichnete große musizierende Schwan des Drucker- zeichens Jacob Fröhlichs®® ist für die Zuschrei-

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SINNSTORENDE DRUCKFEHLER

NB. Die Lesart Durantius (S. 17, 21, 37) kommt neben Durandus vor; desgleichen die Lesart Zbinko (S. 30, 31) neben Zbinek und a Voragine (S. 21) neben de Voragine. S. 29 links v. o. 7. 17 lies: Deckfarben. $. 34 rechts v. u. Z. 14 lies: 23044. S. 38 links v. u. Z. 6 lies: aus einzelnen. —— S. 49. Abb. 9. Unterschr. lies: BP nach Beham. —— S. 50 links v. o. Z. 12 lies: nb.; ib. Z. 21 lies: 73c; ib. rechts v. u. Z. 11 lies: 1524. 9. 52 links v. u. Z. 11 lies: Stöckels. —— S. 53 links v. o. Z. 1 lies: Luthers; ib. rechts v. o. Z. 6 erg.: Anm. 87. —— S. 58 rechts v. o. Z. 12 lies: Meyerpeck, ebenso S. 59 und 60; ib. links v. u. Z. 14 lies: bei Georg Rhau. —— S. 61 rechts v. o. Z. 15 streiche: Anm. 124. -— S. 78 links v. o. Z. 7 lies: Bibel283, S. 85 erg.: Anm. 149°: Röttinger a. a. O. bei Nr. 17 und: Anm. 149: Röttinger a. a. O. bei Nr. 20.

IRIFTTUM

ist vielleicht ie eines unzer- iogar mit an- in nahe. Zum 1esse heranzu-

. | Wolkenzeich-

te und finden 'cks ihre Par- en mir von je- afassungent5

lieBen sich auch gin, der Maria Anna Selbdritt

Kindern und ieinandergefügt, Besitz*?, bringt de Zeichenweise, eck in Betracht

-D BEHAM*

e Kenntnis von an Holzschnitt*?,

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beiten charakterisieren ihn, denen gegenüber Burgk- mairs vornehmer Pracht und Weiditz’ lebendiger Schilderungskunst und dekorativer Fülle freilich meist eine gewisse Nüchternheit in Auffassung und Zeichnung anhaftet. Als ein Holzschnitt dieser Art erweist sich das Bildnis des Albrecht von Eybe??, das in späteren Drucken Otmars das prächtige Bildnis desselben von Scháufelein?8 ersetzt und sich frei an dieses anlehnt, die Anordnung im ganzen übernehmend. Die enge Verwandtschaft dieses Holzschnitts mit der Beckschen Folge der österreichischen Heiligen39 spricht nachdrücklich für die Zuweisung an Beck. Die Folge zeigt neben sorgfältig ausgeführten Arbeiten auch flüchtigere, und gerade solchen steht das auch im Schnitt recht trockene Eybe-Bildnis besonders nahe. Die schlecht gezeichneten knochenlosen Hände sind ganz cha- rakteristisch, man vergleiche daraufhin die schrei- bende Hand des Gelehrten mit den Händen des Bettlers vorn links auf der Darstellung der hl. Wal- detrudis*0, der auch die hochgezogenen Brauen aufweist. Ein ähnlich plattgedrücktes, ungeschickt gezeichnetes Gesicht wie Albrecht von Eybe hier hat dort z.B. die hl. Ursula*!, Wiederholt findet sich in der Folge die schematische Strichelung an Wandflächen und Möbeln, die das Eybe-Bildnis beherrscht.

Becks Mitarbeit am Gilgengart Schónspergers*?, die von Dodgson* auf die eine Darstellung der Gregorsmesse beschränkt wird, glaube ich in grö- Berem Umfange annehmen zu müssen. Die charak- teristisch harte, trockene Schattenzeichnung bei den Titeleinfassungen scheint mir eher für Beck als für Breu zu sprechen und auch für die übrigen sonst Breu zugeschriebenen Holzschnitte bleibt zu erwägen, ob nicht doch Beck als Urheber in Betracht käme. Eine bisher kunstgeschichtlich unbeschrie- bene Titeleinfassung steht in engem Zusammenhang mit diesen Fragen: die Quart-Einfassung mit sitzende m Christus und Engeln, 168 : 122 mm. Der Zustand, in dem ich sie seit 1522 bei Silvan

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Otmar nachweisen kann** (Abb. 5), ist vielleicht nicht der ursprüngliche: die Annahme eines unzer- sägten Zustandes, möglicherweise sogar mit an- derem oberen Mittelteil, liegt immerhin nahe. Zum Vergleich ist zunächst die Gregorsmesse heranzu- ziehen: Faltenwurf, Schattengebung, Wolkenzeich- nung entsprechen sich aufs genaueste und finden auch z. B. im Teuerdank -Anteil Becks ihre Par- allelen. Die Engelkinder aber scheinen mir von je- nen der Folge der Gilgengart -Einfassungen*®

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Abb. 5 - Leonhard Beck

nicht zu trennen und sehr wohl schließen sich auch die Christuskinder der Himmelskönigin, der Maria auf der Rasenbank und der hl. Anna Selbdritt hier an.

Eine Quart-Einfassung mit Kindern und Tieren“, aus vier Stücken aneinandergefügt, 175 : 123 mm, ebenfalls Otmarscher Besitz*”, bringt die gleichen Typen und entsprechende Zeichenweise, so daß sie füglich ebenfalls für Beck in Betracht

kommt.

III. BARTHEL UND SEBALD BEHAM*

H. Róttinger verdanken wir die Kenntnis von Barthel Beha ms Tätigkeit für den Holzschnitt49,

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Daß dem erstmalig aufgestellten Werk weitere Ar- beiten in der Nürnberger Buchillustration sich an- reihen, dürfte den Beweis Röttingers für die Einheit- lichkeit und Selbständigkeit der ganzen Gruppe nachdrücklich erhärten. Es geht nicht an, sie dem Werke Sebalds anzufügen, von dem sie sich durch ganz ausgeprägte Sonderheiten sicher unterscheidet.

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Abb. 6 - Barthel Beham

Eine verschiedentlich begegnende Oktavein- fassung mit großem, von vier Engelknaben gehaltenem Schild (Abb, 6)50 schließt sich be- sonders eng der Folge zur Apokalypse! an. Der mürrische Ausdruck der recht unkindlichen Engel- knaben ist für Barthel Beham ebenso charakte- ristisch wie die enge Umzirkelung des Augenspalts, die scharfknittrige Faltenzeichnung oder gewisse Schleuderhaftigkeiten wie die verzeichnete Schulter

des Engelknaben oben links.

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Als Darstellung des Atlas mit der Weltkugel (Abb. 7), c. 150 : 104 mm, dürfte die Illustration zu einem geographischen Werk des Johann Scho- пеп Eis anzusprechen sein, die im Typus des Königs ebenso wie in den seitlich sprießenden Gräsern Sebald Beham nahesteht, indessen in der Falten- zeichnung und der Bildung der Nase deutlich die

Abb. 7. Barthel Beham

Hand Barthels verrät. Eine vergrößerte Kopie mit hinzugefügter Hintergrundslandschaft findet sich in den Ausgaben von Schoners Werken bei Berg und Neuber 1551 und 1561.

Eine typisch Behamsche Ländsknechtsdar- stellung, 83 :63 mm, ein von Troßdirne und Troß- bube begleiteter nach rechts schreitender Lands- knecht, aber mit ausgesprochenem Zeichenstil Barthels, 1522 datiert, konnte ich bereits in anderem

Zusammenhange nachweisen®?,

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Es reiht sich ferner die in kleinen BildmaBen, 79 : 10 mm, großfigurige Darstellung eines sit- zenden Liebespaares an, die sich in später Verwendung bei der Kunigund Hergotin findet53 und vermutlich identisch ist mit dem von Pauli Sebald zugewiesenen, in Einzeldrucken vorkom- menden Holzschnitt5*, Wiederum vermag ich hier

solches ist es auch in Geisbergs „Einblatt-Holz- schnitt“ vertreten56, Wohl mag es zugleich als Ex- libris gedient haben, doch findet es sich in vermut- lich ursprünglicher Bestimmung als Buchillustration verwendet in Hartmann Maurus' Schrift zur Krö- nung Karls V.57, 1523 bei Friedrich Peypus. Das Titelblatt dieser Schrift ist ein bisher unbeschrie-

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Abb. 8 - Sebald Beham

nicht Sebalds Handschrift zu erkennen, wohl aber die ausgeprägten Merkmale der Barthel-Gruppe. Charakteristisch erscheint auch hier die Augenzeich- nung, der scharf gezogene Nasenrücken des Jüng- lings und die breite etwas sorglose Art, in der das Ganze flott hingestrichen ist.

In den Nachträgen zum Verzeichnis des Sebald Beha m -Werkes führt Pauli das feine Wappen des Hartmann Maurus als Einzelblatt auf55 und als

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bener Schnitt, ohne Einf. c. 172 : 133 mm, Sebald Behams: eine breite Schriftrolle mit ornamental ausgestalteten Rändern, die den eingeschnittenen Titel enthält, darunter in außerordentlich schwung- voller dekorativer Gestaltung der kaiserliche Dop- qeladler mit Brustschild, unter ihm nochmals drei Zeilen Text58 eingeschnitten. Beide Holzschnitte werden also wohl gleichzeitig aus dem besonderen Anlaß als Buchholzschnitte entstanden sein.

Drei ebenfalls von Pauli noch nicht erwähnte

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füllt ein Wandarm mit Feuerkorb aus. Die außer- ordentlich feine, sorgfältige Durchführung, in der die Zeichenweise ebenso charakteristisch ist wie die Typen deutlich Sebald Behams Art aufweisen, reiht das kleine Blatt den künstlerisch bedeutsamsten der Buchillustrationen des Meisters an.

Für die Verbreitung Behamscher Kupferstiche um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts ver- mögen auch einige bisher im Kopienverzeichnis fehlende Holzschnitt-Buchillustrationen Zeuge zu sein. So gehen die drei großen geflügelten Evan- gelistengestalten des Monogrammisten CS in der niederdeutschen Oktavausgabe des Neuen Testa- ments 1551 in Wittenberg bei Veit Creutzer®’ gegen- seitig getreu in starker Vergrößerung auf die Stiche Sebald Behams Pauli 58—60 zurück. In der lateinischen Übersetzung von Luthers kleinem Ka- techismus in der Ausgabe Michel Lotthers in Magde- burg 155088 finden sich ebenfalls zwei Kopien nach Kupferstichen von Sebald Beham. Als Titelholz- schnitt der Tod mit der Frau nach Pauli 151 gleichseitig getreu, aber vermutlich nicht nach dem Original direkt, sondern nach der bei Pauli unter a gegebenen Kopie, da der Holzschnitt wie diese einen Schnörkel neben der Inschrift hat; die Zeilenteilung der Beischrift (im Holzschnitt: ... HOMINE VE- | NVSTATEM MORS |...) weicht indessen etwas ab. Der zweite Holzschnitt (Abb. 9) auf fol. (D”)v kopiert bedeutend freier die Caritas Pauli 133: die Frau ist anstatt stehend sitzend dargestellt und verändert geradeaus blickend, hinzugefügt ist ein Baum mit dem Nest des Pelikans im Gipfel; die beiden Kinder und der Hund sind gegenseitig ko- piert. Beide Schnitte sind dem in Magdeburg tä- tigen, der Cranach-Schule entstammenden Mono- grammisten В P9? zuzuweisen.

IV. HANS BURGKMAIR Der Gruppe von Arbeiten Burgkmairs für Erhard Ratdolt?0 reiht sich ein kleiner bisher unbeschrie- bener Holzschnitt an, ein Engel mit Wappen,

Buchillustrationen Sebald Behams®® zu Hans Sachs- schen Dialogen seien hier nur kurz angeführt: Schuhmacher, Chorherr und Köch ins, zwei Männer im Gespräch und eintretender Mann?!, Junker und Mönch “?.

Der für den „gottlosen Maler von Nürnberg“ bezeichnenden Gruppe von gegen das Papsttum gerichteten Darstellungen reiht sich der Titel- holzschnitt zur Practica auf das Jahr 153368 an (Abb. 8), 101 :123 mm. Unter den Veranschau- lichungen der angekündigten Planetenwirkungen des im Zeichen des Mars mit Saturn als Mithelfer stehenden Jahrs findet sich der Sturz des Papstes und seiner Geistlichen durch den Ansturm Saturns in einer geschickt zur Geltung gebrachten Gruppe geschildert. Typen Sebald Behams wie der lang- nasige Greis mit den tiefliegenden Augen, als der Saturn hier gegeben ist, oder der auf dem Löwen reitende Jüngling mit kurzem dichten Lockenhaar und vorspringendem runden Kinn, sind ebenso leicht zu erkennen wie seine kräftige flotte Zeichen- weise mit dem kleinkräuseligen Faltengeknitter. Nach Röttingers Beschreibung zu urteilen muß der vorliegende Schnitt das Vorbild für die wesentlich kleinere, inhaltlich völlig übereinstimmende Dar- stellung Erhard Schöns®* abgegeben haben.$5

Ein weiterer unbeschriebener Holzschnitt, in dem sich Sebald Beham so recht als der „Kleinmeister“ erweist, als der er nach seinen Stichen gekenn- zeichnet wird, findet sich in anscheinend später Ver- wendung bei Hans Guldenmund**. Die Darstellung, ein Stándchen, entspricht einem bevorzugten Ge- biet des Künstlers. Die Anordnung in dem be- schränkten Bildraum, 44 : 35 mm, ist ebenso ge- schickt wie wirkungsvoll. An einer von links schräg ins Bild hineingestellten überschnittenen Hausecke sitzt von vorn gesehen in reicher Tracht ein bärtiger Mann mit großem runden federbesetzten Hut, die Laute spielend, während in einer Fensteröffnung im Stockwerk über der unten befindlichen Tür eine Frau in Haube erscheint; die Lücke oben rechts

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ohne Einfassung etwa 58 :58 mm. Er findet sich im Freisinger Chorbrevier?! Erhard Ratdolts vom Jahre 1507. Der große Engel in langem, blusig gegürtetem Gewande, mit ausgebreiteten Flúgeln kniet nach halblinks gewendet, zwei Rundschilde haltend: links mit gekröntem Negerkopf, Reliquiar, das Wappen des Bistums Freising, rechts viergeteilt mit Löwen und Rauten das Wappen des Pfalzgrafen Philipp,

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Abb.9 - Monogr. EP und Sebald Beham

der, zunächst Administrator, 1507 Bischof der Diö- zese wurde. Sowohl der Engel wie die Wappen ent- sprechen der Darstellung unten in der Mitte des großen Holzschnitts mit den Schutzheiligen von Frei- sing??, nur fehlt die Schärpe des Engels schräg über der Brust. Daß es sich nicht um eine Kopie handelt, beweisen die freie zügige Durchbildung aller Einzel- heiten, so daß bei Übereinstimmung des Typus und der Handschrift durchaus auf Eigenhändigkeit der Wiederholung geschlossen werden muß.

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V. LUKAS CRANACH D. A. UND SEIN KREIS

Einige Beiträge (Illustrationen) zum Werk Lukas Cranachs d. A. konnte ich kürzlich bereits an an- derer Stelle besprechen”?,

Der reichen Gruppe seiner Titeleinfassungen fügt sich eine Sedez-Einfassung mit zwei fackel- haltenden Engelknaben und großen Blatt- masken an, 85 :c. 62 mm (Schriftfeld 44 : 35, Höhe unten 18, Breite rechts 14mm), mit der hebräische Ausgaben der Propheten Nahum und Jona und des Predigers Salomonis 1524 in Witten- berg bei Joseph Klug geziert sind?3, Aus dem wohlbekannten Formenvorrat ist in gefälliger Durchführung mit der unerschöpflich variierenden Erfindungsgabe eine neue Fassung gegeben. Das Schriftfeld ist als Tafel gebildet, mit Blattkonsole unten, seitlich großen nach außen gewendeten bärtigen Blattmasken und einem Blattgesims oben, auf dem zwischen Blattornamenten zwei nackte, nach außen schreitende, zur Mitte sich zurück- wendende Engelknaben mit Fackeln stehen. Der Grund ist schräg schraffiert. |

Eine Oktaveinfassung mit Blattorna- menten, Halbfigurenpaar und Schild mit Schlange am Kreuz aus vier aneinandergefügten Teilen, 123 : 89 mm (Schriftfeld 68 : 47, Höhe unten 31, Breite rechts 20 mm), die sich 1525 in Witten- berg bei Simphorian Reinhart befindet”3?, der ver- schiedentlich Cranachsche Arbeiten in der Aus- stattung seiner Drucke aufweist (es sei hier nur an die Folge zu Adam von Fuldas Andachtsbüchlein erinnert), kann wohl des weiteren als eigene Arbeit des Meisters in Anspruch genommen werden, obwohl der etwas robuste Schnitt nicht allen Feinheiten der Zeichnung gefolgt zu sein scheint. Die scharfe nervöse Beweglichkeit der Blattumrisse spricht in- dessen sicher für Cranach selbst, ebenso die ge- schickte Erfindung des Ganzen mit den rahmen- mäßig von unten her flott um das Schriftfeld herumgeführten Blattornamenten. Während der

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Männerkopf durch den Schnitt entstellt scheint, weist der Frauenkopf die wohlbekannte zierlich- rundliche Puppenbildung in gut gelungener Durch- führung auf und auch die Zeichnung des Frauenleibs läßt die im Kreise der Nachahmer stets vermißte Sicherheit der Hand, wie sie nur dem Meister selbst eignet, erkennen. Für die Plumpheit der in die Blattornamente eingefügten Trauben ist wiederum der Schnitt verantwortlich zu machen. Charak- teristisch erscheinen der oben in drei Teilen einge- rollte Schild unter der Mitte und die Kórperlichkeit des Stammkreuzes (z. B. kein T-Kreuz!) und der Schlange daran; dies Signet bezieht sich hier indessen nicht, wie bei den Einfassungen Lotthers, auf den Drucker, sondern auf Melanchthon als Verfasser der im Druck vorliegenden Schrift.

Als eine charakteristische frühe sächsische Arbeit Lukas Cranachs d. A. möchte ich das Leipziger Druckerzeichen Melchior Lotthers d.Ä., den knieenden Mann mit dem Schild, der Lotthers Monogramm enthält, 99 : 85 mm??*, in Anspruch nehmen. Im ungefúgen Schnitt steckt hier eine außerordentlich gute Zeichnung verborgen. Be- sonders der Kopf ist bei näherer Betrachtung aus- gezeichnet, die etwas hervortretenden Backen- knochen und die knollige Nase sprechen ebenso wie die Augenzeichnung und die Arbeit mit hellem Licht und tiefem Schatten im Gesicht für Cranach d.Ä. Die Großzügigkeit des Entwurfs ist nicht zu verkennen. Der befremdliche Baumschlag indessen ist sehr wohl dadurch zu erklären, daß die lockere Hakenzeichnung im verständnislosen Schnitt sche-

matisiert wurde.

Für Cranachs Mitarbeiter an der Offenbarung Johannis zu Luthers Septembertestament und an der Folge zur Erstausgabe von Luthers erstem Teil des Alten Testaments, dem mit Notnamen bezeich- neten Meister der Zackenblátter”*, wurde in- zwischen dank der in Georg Richolffs schwedischem Bibeldruck von 1540/41 neuerkannten Illustrationen

seiner Hand das Monogramm МВ gewonnen"5, Seinen in Leipzig nachgewiesenen Arbeiten, zumeist Titel- einfassungen für verschiedene Drucker, glaube ich das Wappen des Hieronymus Emser“, 101: 88 mm, anschlieDen zu sollen, dessen ungelenke „Zackige“ Art der seinen gleichkommt.

Den Leipziger Arbeiten schließt sich eine Oktav- Einfassung mit Säulen mit knienden Engel- knaben und Wappenmit trinkendem Narren an, 120:85 mm (Schriftfeld 65 :41, Höhe unten 3], Breite rechts 21 mm) (Abb. 10), die Wolfgang Stöckel in Dresden verwendet??, Mit den an Säulen hängen- den Täfelchen entnimmt sie ein Motiv aus der 1524 datierten Quart-Einfassung mit Portal und Eule Melchior Sachses in Erfurt?8, im übrigen aber scheint kein bestimmtes Vorbild nachzuweisen. Die Blatt- zeichnung ist wiederum charakteristisch und die Engel mit den in kennzeichnender Weise verdrück- ten Gesichtern sind etwa mit den nächstverwandten auf der Luftschen Oktaveinfassung mit Putten und kurfürstlich-sächsischem Wappen zu vergleichen.

Auch bei Jakob Thanner begegnet eine Ein- fassung derselben Hand, die Quart-Einfassung mit Blattieren, Aufbauten und Medaillon- kopf, 155: 114 mm (Schriftfeld 96: 67, Höhe unten 30, Breite rechts 23 mm)?8*,

Eine sehr eigenartige, in der Ausführung des Figürlichen ebenfalls den Meister der Zackenblätter verratende Oktaveinfassung mit wilden Leu- ten und Kindern im Geäst, 120 : 79 mm, ist 124 in Wittenberg verwendet?5^, Sie geht frei auf die Einfassung Hans Schäufeleins zum Bilde der hl. Veronika B. 40 zurück, gibt die dort oben be- findlichen Reiter unten gegenseitig wieder und kopiert ebenso seitlich des Schriftfeldes je einen der kletternden Knaben Schäufeleins. Oben sind, auf den Blättern der seitlichen Äste stehend, an- scheinend frei gegeben rechts ein bürtiger Mann, links ein vom Rücken gesehener bekrünzter Jüng- ling, die eine Girlande mit darauf sitzendem nackten

Knaben halten.

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Den Titelholzschnitten für Flugschriftendrucke Nikolaus Widemars in Eilenburg“ reiht sich der zum Nachdruck der Wittenbergischen Nach- tigall??, 120:100 mm, an, eine gleichseitige freie Kopie nach dem Titelholzschnitt der Original- ausgabe?!, bzw. dessen täuschender Kopie??. Die

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In einer Ausgabe ohne Ortsangaben von 152582*, findet sich ein weiteres Titelbild des Mei- sters: Mann und Frau am Tisch und Bote, 146 :106 mm. In einem überschnittenen Raum mit Fliesenboden, Balkendecke und einem Butzen- scheibenfenster in der rechten Seitenwand steht ein

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Abb. 10 - Meister der Zackenblatter

Nachtigall sitzt hier nicht wie im Original mitten im Baum, sondern auf einem nach links hervor- ragenden Zweige desselben; vor dem Gotteslamm stehen sechs Schafe. Wiederum ist es die ungefüge Art, die bei der nachgewiesenen sonstigen Tätigkeit des Meisters bei Widemar auch in dieser naturgemäß unpersönlicher erscheinenden Kopie auf die aus-

führende Hand schließen läßt.

51

langer Tisch schräg nach hinten rechts hin, hinter dem nebeneinander ein bartloser Mann in Mütze, mit redender Gebärde, und eine ihm den Kopf zu- wendende Frau in Haube sitzen; auf dem Tisch liegt eine Rolle (Geldes?), vor dem Tisch vorn rechts steht ein junger Bursche im Hut, mit einem Schildchen auf der Brust, die Rechte redend er-

hebend.

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Der reizvollste Meister des Cranach-Kreises zu Beginn der Reformationszeit, den ich nach seiner schönen Quarteinfassung bei Melchior Lotther den Meister des Engelkonzerts benanntes“, tritt nunmehr durch einige weitere Zuweisungen klarer hervor. Bestechend erscheint an jener Einfassung der Entwurf, die gefällige Anordnung, während die Durchführung der Einzelheiten bei näherer Betrachtung doch mancherlei Schwächen erkennen laßt. In gleicher Weise ist eine bisher unbeschrie- bene ebenfalls Lotthersche Quart - Einfassung mit Säulen, spielenden Engelknaben und Christkind, 184 :128 mm (Schriftfeld 132 : 87, Höhe unten 30, Breite rechts 20 mm) zu charakteri- sieren®3*, Auf blattbedeckten Basen erheben sich seitlich zweiteilige Säulen mit einem Blattkranz in der Mitte und Perlschnüren an den Kapitälen. Engelknaben klettern an ihnen herum (links u. a. einer mit Bogen, rechts u. a. zwei mit Heugabel und Harke) und oben darauf sitzt je ein musi- zierender Engelknabe. Unten spielen auf Fliesen- boden vor einer Nischenwand fünf Engelknaben, oben über dem Schriftfeld ist eine giebelfeld- artige Nische gegeben mit Halbfiguren des Christus- kindes und dreier Engelknaben. Die ansprechende Wirkung wird durch die muntere Fülle der Flügel- knäblein erreicht, die im einzelnen indessen ebenso auffällige Ungeschicklichkeiten aufweisen wie ihre Kameraden im Geäst des Engelkonzerts. Die Be- ziehung zu der von mir a.a.Q. dem Engelskonzert angeschlossenen Einfassung Köchels mit Säulen und Christkind zwischen zwei Engelknaben®*> er- gibt sich hier ebenfalls, durch die langen scharf ein- geschnittenen Blattornamente, die eine Abstam- mung von Cranachscher Ornamentik verraten, aber deren Lebendigkeit und Vielseitigkeit völlig ver- missen lassen. Blattornamente dieser Árt finden sich nun auch auf der 1518 von Lotther in Leipzig ver- wendeten Folio-Einfassung mit den Dichtern am kastalischen Quell und musizierenden Halbfiguren®‘, 267 : 175 mm (Schriftfeld c. 143:

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104, Höhe unten 86, Breite rechts 35 mm), von der desselben Druckers Quart-Einfassung glei- chen Gegenstandesssd nicht zu trennen ist. Beide hat bereits Flechsig, ohne indessen näher darauf einzugehen, mit dem Engelskonzert zu- sammengestellt und sie als Gruppe von Jugend. werken für Hans Cranach in Anspruch genom- men®3*, An der Zusammengehörigkeit scheint hier nunmehr auch kein Zweifel, aber von Flechsigs sonstigem ‚Hans-Cranach‘-Werk, das wiederum an Lukas Cranach d. A. zurückfallt9?f, bleibt die Gruppe durchaus geschieden. Wohl ist der Ein- fluB Lukas Cranach d. Ä. besonders auch in den Halbfiguren deutlich zu spüren, jedoch an Eigen- händigkeit ist keinesfalls zu denken. Daß die charakteristischen Ungeschicklichkeiten als jugend- liche Unsicherheit gedeutet werden könnten, ist wohl zu erwägen. Eine Erklärung würde aber auch das auffällige A des Engelkonzerts ver- langenss s.

Die Folioeinfassung aber scheint mir den Weg zu einer anderen Hand zu weisen: nämlich zu dem Ende der zwanziger Jahre ebenfalls in Leipzig von mir nachgespürten Meister des Emser - Epi- taphs5?^, Bei ihm finden wir von Cranach ab- hängige Blattornamentik in gleicher magerer, flächiger Behandlung und bezeichnenderweise stimmt auch die Zeichnung des Baumschlags®' überein. Wenn ich für die Typen des Meisters des Emser-Epitaphs hinweisen konnte auf „sehr flach- gedrückte Köpfe mit auffallend kleinen Gesichtern, in denen Auge, Nase und Mund sehr zierlich ge- bildet und eng zusammengerückt sind“, so paßt die Angabe auffällig für den vom sonst übernommenen Cranach-Typus abweichenden bartlosen Mann der Folioeinfassung oben rechts: er erscheint den Aposteln des Auszugs®®i aufs engste verwandt. So wird man wohl die Gruppe des Engelkonzerts als Frühwerke des Meisters des Emser-Epitaphs ansehen müssen. Daß in diesen etwa nunmehr „Hans Cranach“ zu erblicken wäre, muß freilich

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auch angesichts der Beziehungen zu Lothers Gegner durchaus fraglich bleiben.

Weiterhin verrät eine hübsche kleine K opie, der eine Spur Wirkung des Engelkonzerts: die hl. Doro- thea, etwa 50:32 mm, die als Titelholzschnitt zu einer „wunderbarlichen Zeitung“ (mit Hans Sachs’ Namen) erschien®, Es handelt sich hier um eine freie Nachbildung der Heiligen aus der erwähnten Titeleinfassung: die Heilige, vor einer Landschaft, in gleicher Tracht und mit gleichseitig ziemlich ge- treu kopiertem Kopf steht hier, während sie im Original sitzt und hält hier den im Original neben ihr stehenden Korb; das Christkind ist, links von ihr, gegenseitig getreu kopiert und greift mit der Rechten in den Korb.

Dem an Ungeschicklichkeit den Meister der Zackenblätter noch übertreffenden Meister des Paris-Urteils85, der an seiner lockeren dürftigen Zeichenweise, die mit Cranachschen dekorativen Elementen wirtschaftet, sowie an perspektivischen Verstößen und Verzeichnungen aller Art leicht kenntlich ist, waren bisher nur Titeleinfassungen in Wittenberg und Erfurt nachgewiesen. Diesen schließt sich die im Entwurf (Cranachs?) originelle, in der Ausführung bezeichnend dürftige Quart- Einfassung mit Turnier zwischen Papst und Christus, 175 :125 mm, an, die in einem Johann Grünenberg zugeschriebenen Drucke 1522 be- gegnet85s,

Ihm fällt aber auch das Wappen des Bischofs von MeiBen, Johann von Schleinitz, zu, 122:87mm, das sich 1520 in dem von Melchior Lotther ge- druckten Breviarium Misnense®® findet. Den ohne jedes architektonische Empfinden gegebenen Por- talen seiner Einfassungen reiht sich der Aufbau, in dem das Wappen steht, völlig an mit dem merk- würdigen Sockel und der fragwürdigen Nische, die zu keiner Einheit verbunden erscheinen; ähnliche aufgesetzte Schellen weist die Erfurter Einfassung auf und Figürchen gleicher Kümmerlichkeit wie die blasenden Engelknaben kehren auf fast allen seinen

Arbeiten wieder. Die in der mangelhaften Zeichnung und dem schlechten Schnitt fast grotesk wirkenden Putten der Oktav-Einfassung mit musizie- renden Engelknaben und dem Zeichen Va- lentin Schumanns, 115: 79 mm (Schriftfeld 63:44, Höhe unten 29, Breite rechts 19 mm), treten als nächste Verwandte auf und sind daher ebenfalls für den „Meister“ in Anspruch zu nehmen. Eine weitere Arbeit seiner Hand für Valentin Schumann glaube ich im Titelholzschnitt zu Huttens Nemoss, Nemo gegen Hornissen kämpfend, 161: 110 mm, zu erkennen. Eine Folge von Initialen mit Evangelistensymbolen und Aposteln in starker Anlehnung an Lukas Cranach d. A. Illustrationsstil, ihm aber charakteristisch unterlegen, begegnet in der dänischen Ausgabe des Neuen Testaments in Leipzig bei Melchior Lotther 1524 und ist diesem Mitarbeiter Cranachs zuzuschreiben. Eine Quart- Einfassung mit Säulenportal und zwei Engelknaben mit М№арреп 89 aus Wolfgang Stóckels Bestande, die im kráftigen Schnitt etwas abweichend wirkt, kónnte nach der Gestaltung der Architektur und Zeichnung ihrer Dekoration eben- falls hier in Frage kommen.

Soweit das noch nicht restlos erschlossene Leipziger Material schon einen Überblick gestattet, scheint es, daß der „Meister des Parisurteils“ zu- sammenfällt mit dem von Nagler verzeichneten®®*, aber in der Geschichte der sächsischen Illustra- tion bisher unbeachtet gebliebenen Monogram- misten IS. Die beiden bezeichneten Holzschnitte, die Nagler nur in Neudrucken des 17. Jahrhunderts kennt, Christus am Ölberg nach Lukas Cranach d. A.und das letzte Abendmahl Christi, datiert 1518, dürften Teile einer größeren Folge sein, deren ursprüngliche Verwendung aber noch nicht nach- gewiesen werden konnte. Beide finden sich um 1530 in Leipzig bei Valentin Schumann einzeln ver- wendet in Schriften des Hieronymus Dungers- heim®®°. Ein Nagler unbekannt gebliebener, mit dem gleichen Monogramm bezeichneter und 1517

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Männerkopf durch den Schnitt entstellt scheint, weist der Frauenkopf die wohlbekannte zierlich- rundliche Puppenbildung in gut gelungener Durch- führung auf und auch die Zeichnung des Frauenleibs läßt die im Kreise der Nachahmer stets vermißte Sicherheit der Hand, wie sie nur dem Meister selbst eignet, erkennen. Für die Plumpheit der in die Blattornamente eingefügten Trauben ist wiederum der Schnitt verantwortlich zu machen. Charak- teristisch erscheinen der oben in drei Teilen einge- rollte Schild unter der Mitte und die Körperlichkeit des Stammkreuzes (z.B. kein T-Kreuz!) und der Schlange daran; diesSignet bezieht sich hier indessen nicht, wie bei den Einfassungen Lotthers, auf den Drucker, sondern auf Melanchthon als Verfasser der im Druck vorliegenden Schrift.

Als eine charakteristische frühe sächsische Arbeit Lukas Cranachs d. А. möchte ich das Leipziger Druckerzeichen Melchior Lotthers d.Ä., den knieenden Mann mit dem Schild, der Lotthers Monogramm enthält, 99: 85 mm”*, in Anspruch nehmen. Im ungefügen Schnitt steckt hier eine außerordentlich gute Zeichnung verborgen. Ве- sonders der Kopf ist bei näherer Betrachtung aus- gezeichnet, die etwas hervortretenden Backen- knochen und die knollige Nase sprechen ebenso wie die Augenzeichnung und die Arbeit mit hellem Licht und tiefem Schatten im Gesicht für Cranach d. A. Die Großzügigkeit des Entwurfs ist nicht zu verkennen. Der befremdliche Baumschlag indessen ist sehr wohl dadurch zu erklären, daß die lockere Hakenzeichnung im verständnislosen Schnitt sche-

matisiert wurde.

Für Cranachs Mitarbeiter an der Offenbarung Johannis zu Luthers Septembertestament und an der Folge zur Erstausgabe von Luthers erstem Teil des Alten Testaments, dem mit Notnamen bezeich- neten Meister der Zackenblátter”*, wurde in- zwischen dank der in Georg Richolffs schwedischem Bibeldruck von 1540/41 neuerkannten Illustrationen

seiner Hand das Monogramm MB gewonnen”. Seinen in Leipzig nachgewiesenen Arbeiten, zumeist Titel- einfassungen für verschiedene Drucker, glaube ich das Wappen des Hieronymus Emser”®, 101: 88 mm, anschlieDen zu sollen, dessen ungelenke „zäckige“ Art der seinen gleichkommt.

Den Leipziger Arbeiten schließt sich eine Oktav- Einfassung mit Säulen mit knienden Engel- knaben und Wappenmit trinkendem Narren an, 120:85 mm (Schriftfeld 65 :41, Höhe unten 31, Breite rechts 21 mm) (Abb. 10), die Wolfgang Stöckel in Dresden verwendet”. Mit den an Säulen hängen- den Täfelchen entnimmt sie ein Motiv aus der 1524 datierten Quart-Einfassung mit Portal und Eule Melchior Sachses in Erfurt?5, im übrigen aber scheint kein bestimmtes Vorbild nachzuweisen. Die Blatt- zeichnung ist wiederum charakteristisch und die Engel mit den in kennzeichnender Weise verdrück- ten Gesichtern sind etwa mit den nächstverwandten auf der Luftschen Oktaveinfassung mit Putten und kurfürstlich-sächsischem Wappen zu vergleichen.

Auch bei Jakob Thanner begegnet eine Ein- fassung derselben Hand, die Quart-Einfassung mit Blattieren, Aufbauten und Medaillon- kopf, 155 :114 mm (Schriftfeld 96 :67, Höhe unten 30, Breite rechts 23 mm)?®*,

Eine sehr eigenartige, in der Ausführung des Figürlichen ebenfalls den Meister der Zackenblätter verratende Oktaveinfassung mit wilden Leu- ten und Kindern im Geäst, 120 : 79 mm, ist 124 in Wittenberg verwendet?8*, Sie geht frei auf die Einfassung Hans Schäufeleins zum Bilde der hl. Veronika B. 40 zurück, gibt die dort oben be- findlichen Reiter unten gegenseitig wieder und kopiert ebenso seitlich des Schriftfeldes je einen der kletternden Knaben Schäufeleins. Oben sind, auf den Blättern der seitlichen Äste stehend, an- scheinend frei gegeben rechts ein bärtiger Mann, links ein vom Rücken gesehener bekränzter Jüng- ling, die eine Girlande mit darauf sitzendem nackten

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Den Titelholzschnitten für Flugschriftendrucke Nikolaus Widemars in Eilenburg”? reiht sich der gum Nachdruck der Wittenbergischen Nach- tigall$o, 120: 100 mm, an, eine gleichseitige freie Kopie nach dem Titelholzschnitt der Original- ausgabe®!, bzw. dessen täuschender Kopie®2. Die

In einer Ausgabe ohne Ortsangaben von 1525822, findet sich ein weiteres Titelbild des Mei- sters: Mann und Frau am Tisch und Bote, 146 :106 mm. In einem überschnittenen Raum mit Fliesenboden, Balkendecke und einem Butzen- scheibenfenster in der rechten Seitenwand steht ein

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Abb. 10 - Meister der Zackenblätter

Nachtigall sitzt hier nicht wie im Original mitten im Baum, sondern auf einem nach links hervor- ragenden Zweige desselben; vor dem Gotteslamm stehen sechs Schafe. Wiederum ist es die ungefüge Art, die bei der nachgewiesenen sonstigen Tätigkeit des Meisters bei Widemar auch in dieser naturgemäß unpersönlicher erscheinenden Kopie auf die aus- führende Hand schließen läßt.

51

langer Tisch schräg nach hinten rechts hin, hinter dem nebeneinander ein bartloser Mann in Mütze, mit redender Gebärde, und eine ihm den Kopf zu- wendende Frau in Haube sitzen; auf dem Tisch liegt eine Rolle (Geldes?), vor dem Tisch vorn rechts steht ein junger Bursche im Hut, mit einem Schildchen auf der Brust, die Rechte redend er-

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Der reizvollste Meister des Cranach-Kreises zu Beginn der Reformationszeit, den ich nach seiner schönen Quarteinfassung bei Melchior Lotther den Meister des Engelkonzerts benannte’, tritt nunmehr durch einige weitere Zuweisungen klarer hervor. Bestechend erscheint an jener Einfassung der Entwurf, die gefällige Anordnung, während die Durchführung der Einzelheiten bei näherer Betrachtung doch mancherlei Schwächen erkennen läßt. In gleicher Weise ist eine bisher unbeschrie- bene ebenfalls Lotthersche Quart - Einfassung mit Säulen, spielenden Engelknaben und Christkind, 184 : 128 mm (Schriftfeld 132 : 87, Höhe unten 30, Breite rechts 20 mm) zu charakteri- sieren®3*, Auf blattbedeckten Basen erheben sich seitlich zweiteilige Säulen mit einem Blattkranz in der Mitte und Perlschnüren an den Kapitälen. Engelknaben klettern an ihnen herum (links u. a. einer mit Bogen, rechts u. a. zwei mit Heugabel und Harke) und oben darauf sitzt je ein musi- zierender Engelknabe. Unten spielen auf Fliesen- boden vor einer Nischenwand fünf Engelknaben, oben über dem Schriftfeld ist eine giebelfeld- artige Nische gegeben mit Halbfiguren des Christus- kindes und dreier Engelknaben. Die ansprechende Wirkung wird durch die muntere Fülle der Flügel- knäblein erreicht, die im einzelnen indessen ebenso auffällige Ungeschicklichkeiten aufweisen wie ihre Kameraden im Geäst des Engelkonzerts. Die Be- ziehung zu der von mir а.а.О. dem Engelskonzert angeschlossenen Einfassung Köchels mit Säulen und Christkind zwischen zwei Engelknaben*3 er- gibt sich hier ebenfalls, durch die langen scharf ein- geschnittenen Blattornamente, die eine Abstam- mung von Cranachscher Ornamentik verraten, aber deren Lebendigkeit und Vielseitigkeit völlig ver- missen lassen. Blattornamente dieser Art finden sich nun auch auf der 1518 von Lotther in Leipzig ver- wendeten Folio-Einfassung mit den Dichtern am kastalischen Quell und musizierenden Halbfiguren®®, 267: 175 mm (Schriftfeld с. 143:

104, Höhe unten 86, Breite rechts 35 mm), von der desselben Druckers Quart-Einfassung glei- chen Gegenstandes®?d nicht zu trennen ist. Beide hat bereits Flechsig, ohne indessen näher darauf einzugehen, mit dem Engelskonzert zu- sammengestellt und sie als Gruppe von Jugend- werken für Hans Cranach in Anspruch genom- men’, An der Zusammengehörigkeit scheint hier nunmehr auch kein Zweifel, aber von Flechsigs sonstigem ,Hans-Cranach‘-Werk, das wiederum ап Lukas Cranach d. А. zurückfallt®3f, bleibt die Gruppe durchaus geschieden. Wohl ist der Ein- fluß Lukas Cranach d. À. besonders auch in den Halbfiguren deutlich zu spüren, jedoch an Eigen- händigkeit ist keinesfalls zu denken. Daß die charakteristischen Ungeschicklichkeiten als jugend- liche Unsicherheit gedeutet werden kónnten, ist wohl zu erwügen. Eine Erklürung würde aber auch das auffülige A des Engelkonzerts ver- langen838,

Die Folioeinfassung aber scheint mir den Weg zu einer anderen Hand zu weisen: nämlich zu dem Ende der zwanziger Jahre ebenfalls in Leipzig von mir nachgespürten Meister des Emser-Epi- taphsssb. Bei ihm finden wir von Cranach ab- hángige Blattornamentik in gleicher magerer, flächiger Behandlung und bezeichnenderweise stimmt auch die Zeichnung des Baumschlags?"' überein. Wenn ich für die Typen des Meisters des Emser-Epitaphs hinweisen konnte auf „sehr flach- gedrückte Kópfe mit auffallend kleinen Gesichtern, in denen Auge, Nase und Mund sehr zierlich ge- bildet und eng zusammengerückt sind“, so paßt die Angabe auffällig für den vom sonst übernommenen Cranach-Typus abweichenden bartlosen Mann der Folioeinfassung oben rechts: er erscheint den Aposteln des Auszugsssi aufs engste verwandt. So wird man wohl die Gruppe des Engelkonzerts als Frühwerke des Meisters des Emser-Epitaphs ansehen müssen. Daß in diesen etwa nunmehr „Hans Cranach“ zu erblicken wäre, muß freilich

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auch angesichts der Beziehungen zu Lothers Gegner durchaus fraglich bleiben.

Weiterhin verrät eine hübsche kleine Kopie, der eine Spur Wirkung des Engelkonzerts: die hl. Doro- thea, etwa 50:32 mm, die als Titelholzschnitt zu einer „wunderbarlichen Zeitung‘ (mit Hans Sachs’ Namen) erschien®, Es handelt sich hier um eine freie Nachbildung der Heiligen aus der erwähnten Titeleinfassung: die Heilige, vor einer Landschaft, in gleicher Tracht und mit gleichseitig ziemlich ge- treu kopiertem Kopf steht hier, während sie im Original sitzt und hält hier den im Original neben ihr stehenden Korb; das Christkind ist, links von ihr, gegenseitig getreu kopiert und greift mit der Rechten in den Korb. |

Dem an Ungeschicklichkeit den Meister der Zackenblätter noch übertreffenden Meister des Paris-Urteils$5, der an seiner lockeren dürftigen Zeichenweise, die mit Cranachschen dekorativen Elementen wirtschaftet, sowie an perspektivischen Verstößen und Verzeichnungen aller Art leicht kenntlich ist, waren bisher nur Titeleinfassungen in Wittenberg und Erfurt nachgewiesen. Diesen schlieBt sich die im Entwurf (Cranachs?) originelle, in der Ausführung bezeichnend dürftige Quart- Einfassung mit Turnier zwischen Papst und Christus, 175 : 125 mm, an, die in einem Johann Grünenberg zugeschriebenen Drucke 1522 be- gegnet®d®,

Ihm fällt aber auch das Wappen des Bischofs vonMeißen, Johann von Schleinitz, zu, 122:87 mm, das sich 1520 in dem von Melchior Lotther ge- druckten Breviarium Misnense®® findet. Den ohne jedes architektonische Empfinden gegebenen Por- talen seiner Einfassungen reiht sich der Aufbau, in dem das Wappen steht, völlig an mit dem merk- würdigen Sockel und der fragwürdigen Nische, die zu keiner Einheit verbunden erscheinen; ähnliche aufgesetzte Schellen weist die Erfurter Einfassung auf und Figürchen gleicher Kümmerlichkeit wie die blasenden Engelknaben kehren auf fast allen seinen

Arbeiten wieder. Die in der mangelhaften Zeichnung und dem schlechten Schnitt fast grotesk wirkenden Putten der Oktav-Einfassung mit musizie- renden Engelknaben und dem Zeichen Va- lentin Schumanns, II5: 79mm (Schriftfeld 63:44, Höhe unten 29, Breite rechts 19 mm), treten als nächste Verwandte auf und sind daher ebenfalls für den „Meister“ in Anspruch zu nehmen. Eine weitere Arbeit seiner Hand für Valentin Schumann glaube ich im Titelholzschnitt zu Huttens Nemoss, Nemo gegen Hornissen kämpfend, 161: 110 mm, zu erkennen. Eine Folge von Initialen mit Evangelistensymbolen und Aposteln in starker Anlehnung an Lukas Cranach d. A. Illustrationsstil, ihm aber charakteristisch unterlegen, begegnet in der dánischen Ausgabe des Neuen Testaments in Leipzig bei Melchior Lotther 1524 und ist diesem Mitarbeiter Cranachs zuzuschreiben. Eine Quart- Einfassung mit Süulenportal und zwei Engelknaben mit Wappen se aus Wolfgang Stóckels Bestande, die im kräftigen Schnitt etwas abweichend wirkt, kónnte nach der Gestaltung der Architektur und Zeichnung ihrer Dekoration eben- falls hier in Frage kommen.

Soweit das noch nicht restlos erschlossene Leipziger Material schon einen Überblick gestattet, scheint es, daß der „Meister des Parisurteils“ zu- sammenfällt mit dem von Nagler verzeichneten®®*, aber in der Geschichte der sächsischen Illustra- tion bisher unbeachtet gebliebenen Monogram- misten I S. Die beiden bezeichneten Holzschnitte, die Nagler nur in Neudrucken des 17. Jahrhunderts kennt, Christus am Ölberg nach Lukas Cranach d. А. und das letzte Abendmahl Christi, datiert 1518, dürften Teile einer größeren Folge sein, deren ursprüngliche Verwendung aber noch nicht nach- gewiesen werden konnte. Beide finden sich um 1530 in Leipzig bei Valentin Schumann einzeln ver- wendet in Schriften des Hieronymus Dungers- heim®®>, Ein Nagler unbekannt gebliebener, mit dem gleichen Monogramm bezeichneter und 1517

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datierter Holzschnitt mit hl. Bischof und hl. Johannes Evangelista mit Bischofswappen, 108 : 87 mm, begegnet als Titelbild bei Melchior Lotther 151789. Die sehr auffällige große Jahreszahl mit charakteristischen Formen, besonders der in einem Haken nach unten ausgezogenen Einser kehrt in gleicher Weise, nur 1518 statt 1517, wieder auf einem unbezeichneten Holzschnitt mit Dar- stellung der Verleihung der Bischofswürde an Johann von Schleinitzsed, 133 : 98 mm, der auch sonst deutlich die gleiche Hand verrät. Hier nun findet sich in dem perspektivisch völlig ver- unglückten Thron, in dessen ungeschickten Blatt- ornamenten und in der dem bekrönenden Rund- giebel aufgesetzten Schelle die Beziehung, die durchaus auf den Meister des Parisurteils deutet. Ein weiterer, in übereinstimmender Form 1518 datierter Holzschnitt mit dem hl. Godehard®®, 95 : 81 mm, schließt sich an. Freilich bleibt nicht zu übersehen, daß bei dieser Verschmelzung eine „Entwicklung“ von kompakter zu lockerer Zeichen- weise anzunehmen wäre, wie sie aber immerhin bei den lediglich kopierend oder nachahmend zu Werke gehenden „Meistern“ je nach den gegebenen Ein- flüssen oder Vorlagen sehr wohl statthaben kann.

VI. WOLF HUBER

Der wichtigste Beitrag zum Werke des Wolf Huber in jüngster Zeit dürfte der schöne Fund Max Geisbergs sein, der zur Identifikation des von 1505 bis 1514 in Nürnberg nachweisbaren Druckers und des Passauer Holzschnittzeichners und Malers führte, nämlich der Kalender von 150990. Da das einzige bekannte Exemplar dieser Ausgabe leider gerade auch im Holzschnitt defekt ist, möchte ich bei der Wichtigkeit dieser seltenen Illustration meinen in vielleicht nicht allgemein zugänglicher Weise?! gemachten Hinweis auf еше späte Wieder- verwendung des Holzschnitts hier wiederholen. Sie findet sich in der bereits in Abschnitt III (vgl. Anm. 52) herangezogenen böhmischen Übersetzung

der Tragoedia nova Pammachius des Thomas Nao- georgus 1546 in Núrnberg bei Christoph Gutknecht, und zwar in einem zweiten Zustande. Der Stock ist seitlich scharf beschnitten, so daß die Breite nur mehr 80 mm gegenüber etwa 90 mm des ursprüng- lichen Zustandes mit doppelter Einfassung beträgt. Aus dem Fahnentuch des Landsknechts ist ein großes Stück herausgeschnitten. Dagegen ist die im Kalenderexemplar fehlende volle Höhe mit der doppelten Einfassung mit 102 mm erhalten. Die zunächst nicht klar zu erfassende Darstellung er- weist sich nun deutlich als eine Illustration zu einer der beliebten auf Planetenkonstellationen beru- henden Prognostiken, denn dem Skorpion in der Fahne des Landsknechts schließt sich der Widder an, auf dem er steht, und in der rechten unteren Bildecke der kleine kniende, nach halblinks ge- wendete Schütze. Bei der Verwendung als Szenen- bild für die Tragödie ist man offensichtlich bemüht

gewesen, die älteren Beziehungen zu zerstören: wie

aus der Fahne das Stück mit dem Skorpion heraus-

geschnitten wurde, so auch unten zwischen Widder und Schütze das ganze Mittelstück, das vermutlich eine weitere Figur des Tierkreises aufwies.

VI. GEORG LEMBERGER UND DER MEISTER DER JAKOBSLEITER

Ein in allerjüngster Zeit unternommener Versuch, am Werke Georg Lembergers einen Abstrich zu unternehmen, der es aufs schwerste treffen müßte, zwingt zu erneuter Untersuchung. Ich muß freilich bekennen, wenn es nicht eine so mannigfaltig Geff: lich bewährte Forscherin wie E. Tietze-Conrat wäre, die den (1522 datierten) Holzschnitt mit den НИ. Adalbert, Sigmund, Veit und Wenzel aus des Leipziger Lotther Missale Pragensis®? jetzt Grünewald geben zu müssen glaubte?3, würde mir die Führung des Nachweises, daß es sich hier in der Tat, wie Rötinger erkannte, nur um eine Arbeit eben Georg Lembergers handeln kann, vorkommen, als ob man mit Kanonen nach Spatzen schösse. So

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aber verleiht der Name der Behauptung Gewicht und methodische Fragen spielen in die Betrachtung dieser Dinge wesentlich hinein. Allein auf Grund einer ebenso anregenden als geistreichen Zerglie- derung des kompositionell - künstlerischen Gehalts der Darstellung im Vergleich mit dem gewisse (zu- nächst vielleicht verblüffende) Analogien bietenden, um etwa zwei bis drei Jahre später anzusetzenden Dombild Grünewalds mit den Hll. Erasmus und Mauritius (München) kommt Frau Tietze-Conrat zu der Folgerung, daß der Entwurf zum Holzschnitt ebenfalls nur von Grünewald herrühren könne und eine Vorstufe zu dem Gemälde darstelle. Nun soll die Bedeutung allgemein künstlerischer Werte auch in Fragen der Stilkritik hier gewiß nicht unter- schätzt werden, aber sie als alleiniges ausschlag- gebendes Beweismittel gelten zu lassen (worauf es im vorliegenden Falle hinauskommt), hieße denn doch der Willkür Tor und Tür öffnen. Auch ist das hier berührte Problem: Grünewald, der Nur-Maler als Zeichner für den Holzschnitt gewonnen, zu verantwortungsvoll, um auf Grund eines durch allgemeine Eindrücke gefaßten Urteils gelöst zu werden. Der Vorwurf, Lembergers Werk, das doch den wichtigsten Ausgangspunkt der Untersuchung zu bilden hätte, nicht zu kennen, kann Frau Tietze- Conrat leider nicht erspart bleiben. Die wenigen Abbildungen, die Röttinger in seinem von ihr heran- gezogenen Aufsatze gibt, genügen um so weniger nicht einmal zur flüchtigen Orientierung, als in ihnen, wie in Röttingers Verzeichnis, die Scheidung zwischen dem Werk des Meisters und dem eines Nachahmers noch nicht zum Ausdruck gekommen ist. Mein Versuch®, in dieser Hinsicht auf Grund umfangreichen Materials zur Klärung und damit zur scharfen Hervorhebung des bedeutenden Lem- bergerschen Originalwerks zu kommen, ist, wie ich bemerken darf, von Röttinger angenommen worden. In bequemster Zugänglichkeit ist inzwischen ein Hauptteil des Lembergerschen Holzschnittwerks, die verschiedenen Folgen von Bibelillustrationen,

in Abbildungen erschlossen®5. Aber nur mit einem flüchtigen Blick hat Frau Tietze-Conrat lediglich die Abbildungsproben aus den Wittenberger Aus- gaben bei Muther gestreift, und unglücklicherweise wird als einzig erwähnenswertes Beispiel von Lem- bergers Art just ein Holzschnitt, der nicht von Lemberger stammt, von ihr herangezogen: der sitzende Josua ist seit alters unbestritten und mit Recht im Cranach-Werke, sei es unter dem Namen Lukas d. A., Hans oder wiederum Lukas d. A. aufgeführt, was allerdings die auch hierbei vor- gebrachte Vermutung auf Grünewald gewisser- maßen gerechtfertigt und erklärlich erscheinen läßt.

Außer Frage steht die Berechtigung der hohen Einschätzung des Heiligen-Holzschnitts, die jeden- falls in der Zuweisung an Grünewald liegt. Es wäre also der Nachweis zu geben, daß Lemberger aus eigener Kraft zur Hervorbringung solcher künst- lerischen Leistung fähig war. Da sollte denn doch auch das dem gesicherten, bezeichneten Holz- schnittwerk aufs engste verbundene bedeutendste Gemälde seiner Hand, das Schmidtburg-Epitaph in Leipzig?’ herangezogen werden, in dem es an Kühn- heit und Originalität der Erfindung wahrhaftig nicht mangelt. Und neben der Fülle überraschender Wendungen in den Bibelfolgen sei vor allem auch der beiden blattgroßen Darstellungen gedacht, die in der Schwedischen Bibel von 1540/4198 sich er- halten haben, mit Josua inmitten der in geschickter Tiefenausnutzung angeordneten Männer (ein zum Vergleich von Kompositionsgedanken besonders ge- eignetes Blatt) und mit der in wohlüberlegter Bild- gliederung reich ausgestalteten Geschichte Hiobs. Den zahlreichen Beziehungen der Ornamentik des Heiligen-Holzschnitts zum gesicherten Lemberger- Werk, in dem die Blattbüschel mit quellenden Früchten, die energisch eingerollten großen Blätter und die füllhornartigen Bandgewinde in derselben kräftigen Handschrift immer wieder begegnen??, soll hier nicht einmal ausschlaggebende Bedeutung bei- gemessen werden, da sie ja als Zutat zu Grünewalds

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Entwurf angesehen werden könnten. Daß aber auch die von Frau Tietze-Conrat als Anhaltspunkte für ihre Zuweisung herangezogenen Merkmale ,,ma- lerische, auf starke Licht- und Schattenwirkung aus- gehende Sprache, die freien Effekte, zu denen gewiß auch die wie vom Windhauch verzogenen Heiligen- scheine gehören“, just auch charakteristische Merk- male Lembergerscher Kunst sind, dürfte wichtiger erscheinen. Allein schon ein Blick auf die Heiligen- scheine der zeitlich unmittelbar folgenden bezeich- neten Evangelisten und Apostel zu Lotthers Oktavausgaben des Neuen Testaments hätte eigent- lich für die Bestätigung von Röttingers Zuweisung genügen können. Wie aber trotz der , malerischen“ Gesamthaltung in echt holzschnittgemäßer Weise die Linie Trägerin des Ausdrucks ist, und wie sie eine stark persönliche, seltsam krause und erregte Sprache spricht, das ist Lembergers ureigenste Art, der Grünewald so fern steht wie nur je ein „Nur- Maler“ der Graphik. Und wer diese im Gesamtwerke des Künstlers (auch in seinen Gemälden verleugnet sie sich nicht) erfaßt hat, wird sie unschwer in dem in Frage stehenden Holzschnitt wiedererkennen, nicht wie sie einen fremden Entwurf nachbildet, sondern wie sie frei schaffend am Werke ist. Fast erübrigt es sich, auf die durchaus Lembergerschen Typen zumindest drei der Heiligen noch hinzu- weisen, wie Sigmund und Wenzel seinen Aposteln der oben erwähnten Folge aufs engste verwandt erscheinen, wie das Jünglingsgesicht Veits, auch in der Beschattung, dem mit den Ältesten am Thron Gottvaters knienden Johannes der Offenbarung entspricht; daß aber auch der bildnismäßig an- mutende Charakterkopf des hl. Adalbert Lemberger wohl zuzutrauen ist, dürfte wiederum durch die Fülle der charakteristischen Köpfe auf dem Schmidt- burg-Epitaph erwiesen sein.

Wie frei Lemberger schafft, selbst wo ihn der Auftrag an ein fremdes Vorbild bindet, hat seine Bearbeitung von Cranachs Apokalypse gezeigt und erweist sich wiederum in der Oktav-Einfassung

mit Flötenbläser und Dudelsackspieler auf Säulen 100, 105: 78 mm (Schriftfeld 67: 41 mm, Höhe unten 24, Breite rechts 19 mm). Georg Rhau, der als Wittenberger Drucker der Erstausgaben von Luthers großem Katechismus vermutlich mit

'regem Interesse die Ausstattung der andernorts

folgenden Drucke zur Kenntnis genommen haben wird, dürfte, selbst mit künstlerischer Empfänglich- keit begabt, Gefallen gefunden haben an der in der Nürnberger Ausgabe Hieronymus Formschneiders 1531101 verwendeten Titeleinfassung des Meisters der Birgittenoffenbarung!02, die hier in einem zweiten Zustande mit einem Einschiebsel Erhard Schöns auftritt103, Denn schon seine Ausgabe des folgenden Jahres 104 bringt die freie Nachbildung derselben, die in ebenso interessanter wie lehrreicher Wandlung der Vorlage die Merkmale Lemberger- scher Kunst aufweist. Die zierlichen Säulchen sind durch die kräftigen bauchigen, von eingerollten Blattornamenten umfaßten bekannten Säulenfor- men Lembergers ersetzt, sie stehen auf Sockel- platten, die von je zwei der derben nackten Buben getragen werden, wie sie sich auf fast allen Ein- fassungen Lembergers so munter tummeln: daß dabei der eine links nach einem der säulentragenden Knäblein des Birgittenmeisters kopiert ist, spricht sich in der völlig veränderten Handschrift kaum noch aus. Ebenso sind die Musikanten auf den Säulen weitaus derber gestaltet. Die, wie das übrige gegenseitig, ziemlich getreu kopierte Halbfigur Er- hard Schöns ist hier ohne Flügel gegeben.

Der Überschuß an urwüchsiger Kraft, der in jener robusten Formgebung sich auslebt, die Lemberger so wesentlich von dem aufs Zierliche gerichteten Meister der Jakobsleiter unterscheidet, zeigt sich wiederum in einer bisher unbeschriebenen Oktav- Einfassung mit drei Knaben mit frucht- gefüllten Blattornamenten (Abb. 11), 114: 81 mm (Schriftfeld 84 : 56, Höhe unten 19, Breite rechts 12 mm), die sich in Leipzig bei Nicolaus Faber (= Nickel Schmidt) findet105, Der von Kör-

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per zu Blatt um das Schriftfeld herum durchge- leitete Schwung, die (unbekümmert um Verzeich- nungen!) energiegeladene kleine Koboldgestalt des Knaben unter dem Schriftfeld, die großen Formen der Blätter, die kraftgeschwellten Schraffen, alles drückt der kleinen Gelegenheitsarbeit den Stempel

von Lembergers eigenster Art auf.

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Tätigkeit um die Mitte der dreißiger Jahre sich auf Magdeburg konzentriert, dürfte die Magdeburger Einfassung wohl in erster Linie als Original in Frage kommen. In dem Druck von 153510, in dem sie verwendet ist, scheint sie oben verschnitten zu sein und mißt so 89 : 66 mm, während die in Wittenberg 1538 bei Hans Lufft (erstmalig 7) 107 verwendete Ein-

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Abb. 11 - Georg Lemberger

Eine weitere Oktav-Einfassung mit Portal mit Girlanden und Blattfúllhórnern, die, ebenfalls in der kräftigen eigenhändigen Weise aus- geführt, die bekannten vegetabilen Ornamente und Architekturteile zu wirkungsvoller Dekoration ver- einigt, begegnet in zwei Stöcken in Magdeburg und Wittenberg, bisher mir freilich leider nur in schlech- ten Abdrücken, die die Beurteilung von Original und Kopie erschweren, bekannt. Da Lembergers

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fassung 94 :68 mm mißt. Vor Wandpilastern mit vielfach profilierten Gebälkvorsprüngen stehen Säulen mit Blattwerkkapitellen. Aus der runden Öffnung eines auf den Pilastern ruhenden Bogens hängt an einer kleinen Blattgirlande eine Schelle herab, dahinter treffen sich zwei große von den oberen Bildecken herabhängende, von Bändern um- wundene Blattwerk- und Fruchtgirlanden. Unten vor dem Sockel stehen gegeneinander zwei füllhorn-

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artige Blattornamente, denen runde Früchte ent- quellen. Die Magdeburger Einfassung hat rechts neben den Basen der linken Seite ein Stück einer weißen Sockelplatte, das der Wittenberger fehlt und große Haken als Schraffen auf den Säulen, während die Wittenberger auf den Säulen zwei Parallelreihen von kleinen Haken gibt.

Ein Holzschnitt mit dem SchlickschenWappen, 66 : 70 mm, der 1529 in Leipzig bei Valentin Schu- mann begegnet!07* verrät in den beiden stämmigen nackten Knaben, die den sich einrollenden Schild

halten, deutlich Lembergers Hand. Das üppig

quellende Fleisch ist mit kräftigen Parallelschraffen, die die Freude an der Energie der Linie bekunden, modelliert, die Augen sind, wie so oft bei Lem- bergers skizzenhafter Art, pupillenlos. Die kleine Darstellung verleugnet nicht die auf große Form

strebende Art des Meisters.

Den neu zugewiesenen Titeleinfassungen Lem- bergers stehen wiederum fast zu gleicher Zeit, am gleichen Ort solche des Meisters der Jakobsleiter gegenüber, die ebenso von Lembergers Ideenvorrat wie von seiner Ornamentik zehren, aber die charak- teristische Übersetzung in das bis zum Manierismus Gezierte zeigen, mit etwas ängstlich-kleinlicher, aber nicht ungefälliger Handschrift hingeschrieben. So erscheint seit 1529 bis Georg Rhau mit dessen Ini- tialen (mit den beigesetzten К.) im Schild eine Sedez-Einfassung mit Blattfiguren und Säulenaufbauten, 82:62 mm (Schriftfeld 53:46, Höhe unten 17, Breite rechts 8 mm)!98, іп den dreißiger Jahren bei Nickel Faber-Schmidt mit dessen Marke und Initialen eine Oktav-Einfas- sung mit Blattornamenten, Halbfiguren und Engelkópfen,115:83 mm (Schriftfeld 83 : 58, Höhe unten 20, Breite rechte 12 mm) 105.

Ebenso erscheinen gleichzeitig mit der Wappen- darstellung Lembergers bei Valentin Schumann zwei Wappen des Meisters der Jakobsleiter. Das Pflugsche Wappen, 70 : 70 mm), das durch

seine spitzig-zierlichen Blattornament-Helmdecken besonders charakteristisch ist, und ein Wappen mit Mondsichel und zwei Sternen, 90: 86 0210109, datiert 1529, das in etwas kräftigerer Art Lemberger nahesteht.

Vier zu einer Quart-Einfassung sich vereinigende Leisten mit Säulen, Blattdelphinen und zwei nackten Knaben mit Vase und Blatt- ornamenten (Abb. 12), die seitlichen 109 : 21, die Querstücke 24 :118 mm, begegnen in Drucken Gabriel Kantz’ in Altenburg, späterhin bei Wolfgang Meyerspeck in Zwickau. Sie zeigen die charak- teristische Dürftigkeit des Meisters der Jakobsleiter gegenüber Lemberger, sobald dem größeren Format entsprechend große Formen angestrebt werden (es ist bezeichnend, daß gegenüber der Fülle von nach- weisbaren Oktav-Einfassungen des Meisters der Ja- kobsleiter nur wenige in Quart, ganz vereinzelte in Folio stehen) und eine Weichlichkeit, die, sowohl in der energielosen Durchführung der Bewegung in den nackten Körpern wie in dem lappigen Blatt- werk, so ganz abweichend von dem Vorbild Lem- bergers die persönliche Weise des Nachahmers zur Geltung bringt. Gleichseitige getreue, aber im ganzen vergröbernde Kopien dieser Leisten finden sich in Augsburg bei Philipp Ulhart. Ein anderer „Satz“ Leisten mit Blattornamenten, Füll- hórnern, Schilden und Putten auf schwar- zem Grund, die seitlichen 129 :31, das obere Querstück 30:58, die untere Querleiste 40: 129 mm110, Gabriel Kantz’ läßt nur nach den Typen der Engelknaben auf die Urheberschaft des Mei- sters der Jakobsleiter schließen, der ja für Kantz weitgehend tätig war. Der Charakter wird durch fremde Vorbilder bestimmt, deren Herkunft (mit Abhängigkeiten von italienischer Ornamentik) noch nachzugehen bleibt111,

Eine Oktav-Einfassung mitSündenfallund Erlösung, 124 :82 mm (Schriftfeld 51 :40, Höhe unten 54, Breite rechts 20 mm), in der der Meister der Jakobsleiter das wichtige Thema der Cranach-

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Schule (vgl. Abschnitt X) aufnimmt, findet sich ebenfalls bei Gabriel Kantz111*, und vielleicht schon aus seinem Besitze mag die für den Meister gleicher- weise sehr bezeichnende vierteilige Quart-Ein- fassung mit Jesuskind seines Nachfolgers Wolf-

Maule tragenden Blattdelphinen das nackte seg- nende Jesuskind, das mit dem ganzen Oberkörper die obere Einfassungslinie überragt und so der Ein- fassung ein ganz eigenartiges Gepräge verleiht.

Den bekannten Initialen des Meisters bei

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Abb. 12. Meister der Jakobsleiter

unteren Teil c. 27 : 124 mm, sind in beerengefüllten Blattornamenten zwei außen gewendete sitzende Halbfiguren gegeben; in den Seitenteilen, 99 : 18 mm, übereinander je zwei große Engel mit Marterwerkzeugen (die links mit Kreuz mit Dornen- krone und Säule, die rechts mit Schwammrohr und Lanze); in der oberen Querleiste, 27 : 124 mm, zwischen nach außen gewendeten, große Kugeln im

nach

in einer Ausgabe von 1528 an!llc: ein aus Blatt- ornamenten gebildetes E mit einem stehenden und einem sitzenden nackten Knaben und ein spiegel- bildlich verkehrt gezeichnetes N, das aus Säulchen mit Kugeln darauf zusammengesetzt ist und von einem großen bekleideten Engelknaben um-

schlungen wird. Das Verzeichnis der IIlustrationen des Meisters

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der Jakobsleiter!!2 dürfte unschwer noch zu er- weitern sein, er scheint zu den fruchtbarsten Zeich- nern seiner Zeit zu gehören, in gleicher Weise für katholische und für lutherische Kreise tätig. So konnten ihm in Leipzig selbst einige Lutherspott- bilder nachgewiesen werden!!3,

Ein Druck ohne Ortsangaben von 1527113» bringt von ihm als Titelschnitt einen Türkenkampf, 87 :123, der den Ansturm zweier Reiterheere schildert. Darstellungen von zwei Planeten- gottheiten, Mars und Merkur, 113 : 50 mm, die vielleicht zu einer vollständigen Folge ge- hören könnten, finden sich 1530 wiederum in Leipzig!!4. Der bärtige Kriegsgott in Kettenhemd und Harnisch steht breitbeinig halb vom Rücken gesehen nach links gewendet, ihm zur Seite sind Widder und Skorpion gegeben; der lockenhaarige Merkur, mit Flügelhut, in kurzem blusig gegürtetem Gewande mit Schlangenstab und Flöte steht nach links gewendet, neben ihm sind Jungfrau, Zwillinge und ein Hahn gegeben. Immer wieder sind es die gleichen Merkmale, die für die Zuschreibung geltend gemacht werden können: die eigentümliche ver- zogene Wolkenzeichnung, die manierierte verschwom- mene Faltenzeichnung der flatternden Gewänder, die gezierte Bildung der kleinen Köpfe. Die Tier- kreisfigürchen des Merkurbildes sind aufs engste denen zu Carions Schrift von 1527116 verwandt,

Im gleichen Jahr hat Michel Blum ferner die auch kulturgeschichtlich nicht uninteressante Darstellung eines Zahnarztes, 66:65 mm, der in seiner Stube einen Patienten behandelt!15s,

Bei Wolfgang Stóckel in Dresden!!6 begegnet ein Holzschnitt vom Meister der Jakobsleiter, der zwei Münzmeister bei der Arbeit in einem schlichten Zimmer darstellt, 95 : 103 mm, eine wohlgelungene, anschaulich-sachliche Schilderung.

In Zwickau bei Wolf Meyerpeck!!? ist ein Küfer im Keller vorhanden, der nicht nur in der Gestalt des Mannes, sondern auch in einer über ihm hän- genden reichen Traubengirlande deutlich die gleiche

ausführende Hand verrät. Eng zugehörig erscheinen die wie Gegenstücke anmutenden, ebenfalls von Wolf Meyerpech herausgebrachten Darstellungen, 97:76 mm, einer Frau im Laboratorium!!?* und einer Küche, in der ein bärtiger Koch und eine

knieende Aufwäscherin bantieren!!?*,

VII. ERHARD SCHON

Auch das Werk Erhard Schöns, der um 1530 die Nürnberger Buchillustration beherrscht!!8, erfährt noch ständigen Zuwachs. Eine höchst eigenartige Satire als Titelillustration einer Flugschrift, die Mönchsteufel am Rhein, 120 : 121 mm, findet sich zu einem Druck ohne Ortsangaben!!?. Dar- gestellt ist eine Flußlandschaft mit einer Stadt im Hintergrunde links, Mündung eines Nebenflusses in der Mitte und Uferstücken hinten rechts und in der rechten unteren Bildecke; in einen von links heran- gefahrenen Kahn, in dem Mönche mit großen Nasen sitzen, steigt ein Mönch mit ebensolcher Nase, kleinen Hörnern und Tierfuß ein, rechts hinter ihm steht noch ein zweiter solcher Mönch ; darüber fährt ein ebenso besetzter Kahn nach links, ein dritter, leerer, landet über diesem im Hintergrunde rechts, um dort wartende Mönche aufzunehmen. Schöns Typen sind unschwer zu erkennen. Sehr ausge- sprochen zeigen sie sich auch auf dem Titelholz- schnitt zu einer volkstümlichen Ausgabe Gulden- munds 120, Albertus Magnus mit des Königs Tochter durch die Lüfte fliegend, 47:68 mm. Den in seinem Werk häufigen Planetendarstellungen reiht sich die hübsche kleine Figur der Venus an, mit langem Pfeil und einem Herz auf der Hand, als Nürnberger Bürgermädchen vor Stier und Wage stehend, 61:47 mm, die in anscheinend später Verwendung bei der Hergotin sich findet 11.

Bei der Hergotin findet sich auch die Darstellung einer Szene aus Terenz’ Comödie Ecyra, 78:75 mm, zu der Ausgabe Joh. Muschlers!21*.

Den Illustrationen aus dem täglichen Leben, in denen Schön besonders glücklich ist, ist die Dar-

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stellung zweier Lehrer mit elf Schülern, 143 : 124 mm, anzufügen, die eine für Böhmen be- stimmte Donat-Ausgabe bei Hans Guldenmund!?!> ziert. In einem überschnittenen Raum mit Fliesen- boden sitzt links erhöht an einem Pult ein bärtiger Lehrer mit schwarzem Hut, in der Rechten eine Rute geschultert haltend, die Linke dozierend zur Seite gestreckt; auf drei niedrigen Bänken um das Pult herum sitzen mit aufgeschlagenen Büchern sechs Knaben, die vorn vom Rücken gesehen, ein siebenter Knabe halb überschnitten links am Bildrande. Ein zweiter bartloser Lehrer, ebenfalls mit schwarzem Hut, sitzt rechts unter einem Tor- bogen des Raums, mit der Linken auf dem Schoß die Rute haltend, die Rechte weisend vorgestreckt, zu jeder Seite von ihm steht ein Schüler mit auf- geschlagenem Buch; zwei weitere Schüler sitzen im Hintergrunde an der Wand, ebenfalls mit Büchern, über ihnen hängt eine Notentafel. Das Bild gehört zu denen, die mit aller Deutlichkeit Erhard Schön als den „Pseudo-Beham“ erweisen und in der schlichten lebendigen Schilderung zeigt es gerade dieses Illustrators kulturgeschichtliche Bedeutung aufs neue.

Zu den besten Arbeiten Erhard Schöns auf dem Gebiete der Buchausstattung dürfte die bisher un- beschriebene sehr originelle Quart-Einfassung mit Christus am Kreuz, Gruppen unterm Kreuz, David, Propheten und Соїїуаїег!21‹, 166:132 mm (Schriftfeld 69 :81, Höhe unten 76, Breite rechts 22 mm), gehören. Bemerkenswert ist besonders die gute freie Anordnung der Gruppen, im Mittelgrund die Angehörigen Christi, vorn links der Hauptmann mit Soldaten, rechts die sehr lebendige Gruppe der Würfler. Seitlich sind die Wolken ge- schickt hinaufgeführt zur Anfügung der knieenden Figuren Davids und eines Propheten oben.

Vielleicht nicht als eigenhändig, sondern als Kopie oder Nachahmung anzusprechen ist die Darstellung des Traums Lucians von der Handwerkerin und Pedia, 90 : 77 mm, zu Johann Muschlers Aus-

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gabe bei Georg Wachter!22. Die Schrift wirft inter- essante Streiflichter auf die Einschätzung der Kunst und ihres Verhältnisses zum Handwerk!?3, Der Holzschnitt, der den träumenden Jüngling im Bett zeigt, an das Handwerk und freie Kunst als Frauen- gestalten herantreten, erscheint demgegenüber auf- fallend nüchtern in der Auffassung, die über die »Wohlgekleidetheit" hinaus der Kunst kaum einen Reiz der Erscheinung zuerteilt. Lucian und Pedia zeigen auch wenig ausgeprägten Stil, nur die Hand- werkerin mit der langen Nase, den etwas hervor- quellenden Augen und der spitz vortretenden Kinn- bildung verrät deutlich den Typus Erhard Schóns. Das Bett trägt vorn in der Mitte am Fußende ein Schildchen mit dem Zeichen +, 124,

Dasselbe Zeichen findet sich in einem Titelschnitt mit Christus als Lehrer 1529 bei Wachter ebenfalls zu einer Ausgabe Johann Muschlers wieder!24, doch hat diese Arbeit zu Erhard Schön keinerlei Be-

ziehung!25,

IX. WOLF TRAUT

An der sehr charakteristischen Baumzeichnung mit den übereinandergehäuften, nach unten ge- bogenen Schraffen, die ein dichtes wirres Laubwerk bilden um dünne Stämmchen und wenige Äste herum, ist Wolf Traut leicht kenntlich. Diese Baum- zeichnung findet sich in ausgesprochener Weise auf einem in verschiedenen Flugschriften um 1512 bis 1514125 als Titelbild verwendeten Holzschnitt mit einer Belagerungsszene, 124 :97 mm. Ein an- steigendes Gelände mit Stadt, Feldlager, Dorf, Wirtschaftshof und Burg ist mit liebevollem Ein- gehen auf allerhand Einzelheiten geschildert, in einer Zusammendrängung freilich, die keiner Wirk- lichkeit entspricht, aber ein anschauliches Gesamt- bild vermittelt, ebenso wie die paar Trupps von wenigen Landsknechten recht wohl eine lebendige Vorstellung von kriegerischem Treiben anregen. Schwächen der Zeichnung, die Traut vielfach an- haften, kommen hier weniger zur Geltung, die flott

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heruntergestrichenen Parallelschraffen, die Dodgson besonders als Merkmal Trauts verzeichnet!36, geben hier merkwürdig viel Farbe und Bewegung. Das anspruchslose Bildchen erfüllt seine Aufgabe als an- reizende Empfehlung der mit ihm geschmückten Flugschriften trefflich und kann im Werke Trauts sehr wohl einen guten Platz einnehmen.

Eine anspruchslose, volkstümlich erzählende Dar- stellung, die Geschichte des Königssohns und der schönen Eugenia, 119 : 94 mm, findet sich 1515 in Nürnberg bei Jobst Gutknecht!27 und verrüt sich ebenfalls durch die Zeichnung des Ge- büsches als eine Arbeit Trauts. Der Holzschnitt ist in vier Felder eingeteilt, um möglichst allen Haupt- vorgüngen der Geschichte gerecht zu werden, doch ist jede Szene auf wenige Personen beschränkt und die Durchführung im einzelnen völlig primitiv.

X. HANS WEIDITZ UND HEINRICH SATRAPITANUS

Gegenüber den neuerlichen Versuchen!?8, dem „Petrarcameister“ der so glücklich durch Н. Röt- tinger!2° gewonnenen Namen des Hans Weiditz mitsamt dem Straßburger Werk wiederum abzu- sprechen, möchte ich hier (unter Hinweis auf H. Koeglers nachdrückliche Verwahrung und Beweis- führung dagegen!30 und Max J. Friedländers über- zeugende Charakteristik des einheitlichen Werkes des Meisters131) mich ausdrücklich zum Festhalten an der Identität des in Augsburg tätigen Künstlers mit dem Straßburger Illustrator bekennen. Bei- spiele einer Tätigkeit von Zeichnern an verschie- denen Orten nacheinander sind in der Buchillu- stration nicht eben selten nachzuweisen, und ein Überblick über das Gesamtgebiet, besonders auch bei Sichtung der anonymen Hände, führt immer mehr zu der Erkenntnis, daß der Kreis der Zeichner überhaupt nicht allzugroß ist, das Werk jedes Ein- zelnen aber fast durchweg umfassend und viel- gestaltig sich erweist. Zu berücksichtigen bleiben, wie vor allem im Falle des Weiditz, Modifizierungen

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durch lokal ausgebildete Eigentümlichkeiten im Schnitt.

Auffällig erscheint, wie sehr Hans Weiditz, der glänzende Erzähler und Schilderer, doch außerhalb der eigentlichen Reformationsflugschriften-Ausstat- tung steht, so sehr z. B. seine besondere Begabung auch für prägnante Einzelgestaltung dahin hätte drängen können. Es scheint, daß Aufgaben dieser Art vorzugsweise dem lebhaft an den religiösen Fragen beteiligten Heinrich Satrapitanus zugefallen

Abb. 13 - Hans Weiditz

sind (vgl. unten), Nur zwei bemerkenswerte Titel- schnitte vermag ich bisher dem Werke des Weiditz aus der Fülle Augsburger Flugschriftendrucke (ab- gesehen natürlich von den Titeleinfassungs -Ver- wendungen) noch einzufügen.

Eine Ausgabe des von A. Götze Martin Butzer zugeschriebenen Dialogs zwischen Pfarrer und SchultheiB132 weist innerhalb der von Róttinger Weiditz zugeschriebenen Quart-Einfassung mit zwei mit Windmühlen turnierenden nackten Engel- knaben133 eine Darstellung der beiden das Ge- spräch haltenden Männer mitsamt dem von ihnen zugezogenen Knaben auf (Abb. 13)13, 84 : 76 mm.

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Die zwanglose Gruppe und die lebendig eindring- liche Erfassung der Situation zeigen in vollem Maße Weiditz’ Geschicklichkeit in derartigen Anord- nungen. Die gefälligen Typen sind aus seinen Bil- derfolgen hinlänglich bekannt, so daß es des Hin- weises auf die ausgesprochene Art seiner Zeichnung für die Zuschreibung kaum noch bedarf. Eine freie Nachbildung dieses Schnittes, 85 : 66 mm, findet sich in der von Götze dem Valentin Curio in Basel zugeschriebenen Ausgabe!35: der Pfarrer in langem Talar, ohne Buch, der Schultheiß in der Haltung ungefähr gegenseitig nachgebildet, aber bartlos, der Knabe in direkter Kopie. Die beiden in Augs- burg Melchior Ramminger zuzuschreibenden Aus- gaben136 weisen dagegen ein unabhängig anders ge- artetes Titelbild, 120 :103 mm, auf (mit einer StraDenszenerie)!??, das deutlich die stilistischen Merkmale des leicht kenntlichen Heinrich Satra- pitanus zeigt, und das kopiert ist in der Hieronymus Höltzel in Nürnberg zugewiesenen Ausgabe 138), sowie vermutlich vom Meister der Zackenblätter in zwei Ausgaben des Eilenburger Widemar!?9, Ebenso stammt der Titelschnitt zu der erweiterten, gleichfalls Ramminger zugewiesenen Ausgabe140 mit den Bauern vorm Wirtshaus und den Disputieren- den dabei!*!, 138: 130 mm, wiederum von Heinrich Satrapitanus, eine vergröbernde Kopie bringt der von Götze Fellenfürst in Coburg zugeschriebene Druck!42,

Innerhalb der gleichen Titeleinfassung wie Wei- ditz’ Gruppe von Pfarrer und Schultheiß mit dem Knaben erscheint auch der andere Titelschnitt mit Narr mit Katze, der eine ebenfalls viel ver- breitete Flugschrift auszeichnet. Die hier vor- liegende Ausgabe wird von Weller!#3 als Druck Gastels in Zwickau angesehen, bei dem die Titel- einfassung 1523 und 1524 (also nach ihrer Ver- wendung bei Schönsperger) nachgewiesen ist. Der Umstand, daß der Holzschnitt sich als Arbeit Wei- ditz’ erweist, läßt aber die Annahme, daß hier noch ein Druck Schönspergers vorliegt, wahrscheinlicher

erscheinen, denn neue, nur einem Einzelfall die- nende Titelillustrationen stammen nicht wie so manches beliebig zu verwendende Ausstattungs- material aus Augsburg, sondern von näher zu er- reichenden Meistern, wie z. B. dem Meister der Zackenblätter (vgl. Abschnitt V). Ganz ohne Ein- fassung, etwa 96 : 74 mm messend, ist in außer- ordentlich geschickter Anordnung und geistvoller Durchbildung ein nach rechts gewendeter knieender Narr gegeben, hinter einer Katze mit hocher- hobenem Schwanz, der er ein Schellenhalsband um- hängt. In den kleinen Ausmaßen ist eine erstaun- liche Monumentalität erreicht, die das Bildchen als wohlgelungenes Beispiel Weiditzscher Kunst der Reihe der Tierbilder und Narrendarstelllungen (bzw. Karikaturen) in den Einblattholzschnitten zugesellt144,

Den Augsburger Signeten des Weiditz reiht sich ein Holzschnitt an, 88 : 78 mm (ohne seitliche und obere Einfassungen), mit zwei prächtigen aufrechten Lówen, die zwischen sich übereinander zwei Wap- penschilde halten, das untere mit Dreiberg und zwei Sternen, das obere das Augsburgs. Die krause Zeichnung der Lówenkópfe und die zierlichen be- wegten Blattornamentründer der Schilder zeigen seine Árt aufs deutlichste!45,

Zu den Arbeiten Weiditz’ für Ulrich Morhard in Tiibingen!46 kommt noch die Oktavein- fassung mit den vier Evangelisten!“ hinzu, 124 : 79 mm (Schriftfeld 75 : 51, Höhe unten 29, Breite rechts 14 mm). Sie erscheint im Aufbau wesentlich einfacher als die beiden anderen Oktav- einfassungen bei Morhard und auch die etwas kleinlich-flüchtige Ausführung bleibt hinter diesen zurück. Seitlich erheben sich aus mehreren Teilen zusammengesetzte Säulen, die in der oberen Hälfte von Spruchbändern umschlungen werden; unten in der Mitte sitzen an einem Doppelpult Matthäus und Lukas einander gegenüber, oben in einem nischenförmigen Giebelfeld sitzen Markus und Johannes. Über dem Pult unten steht die Jahres-

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zahl.1.5. 22.,amGebälkoben ANNO. M. DXXIIII. doch scheint der Grund dieser Unstimmigkeit lediglich im Platzmangel zu liegen, der ein Anfügen des zweiten Striches oben verhinderte.

Dem Straßburger Werk des Meisters fügt sich eine Oktav-Einfassung mit Christus als Welt- richter, Elia, Enoch und der großen Hure der Apokalypse an, die ebenso selten zu sein scheint wie die beiden Schriften, in denen sie bisher nachgewiesen wurde!4?, Ein Vergleich, insbeson- dere der Prophetengestalten mit der von Röttinger beschriebenen Quart-Einfassung mit Elia und den Baalspriestern!4®* zeigt aufs deutlichste die Zu- sammengehörigkeit an eine Hand. Nächste Ver- wandtschaft verraten auch die bärtigen Halb- figuren in den Zwickeln einer als Weiditz’ unbe- schriebenen Oktav-Einfassung mit Rahmen- bau mit kletternden Knaben und weiblicher Blatthalbfigur (Abb. 14), 129 : 83 mm (Schrift- feld 67 :46, Höhe unten 33, Breite rechts 19 mm), die sich schon früher in Straßburg bei Johann Knoblauch findet!48*, Die Bezeichnung HERMAN auf dem Spruchbande oben links bezieht sich auf den bereits in Straßburg nachgewiesenen Holz- schneider Holbeins, Hans Herman!4?. Die Blatt- frau erweist sowohl im Figürlichen, wie in den For- men und der charakteristisch nervösen Zeichnung des Blattwerks den engsten Zusammenhang mit dem Augsburger Werk des Weiditz. Man vergleiche daraufhin nur einmal die Halbfiguren auf der Quart- Einfassung mit den gefesselten Faunen!49* und die Frau der Quart-Einfassung mit den von Kindern umtanzten Sáulen!19, Mit den nackten Knaben der letzteren stimmen auch die kletternden Knaben nicht nur im Typus, sondern selbst in der modellierenden Schraffenführung bezeichnenderweise überein.

Es sei hier noch einer unbeschriebenen Titelein- fassung, die Weiditz zumindest sehr nahesteht, ge- dacht: der Quart-Einfassung mit Säulenbau und von Krieger und nacktem Mann ge- haltenem Kranz mit Schild (Abb. 15), 167:

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117 mm, die in verschiedenen Verwendungen be- gegnet150, Der Aufbau entspricht durchaus seiner Art, die Engelknaben sind die nächsten Verwandten jener munteren Bürschchen, die von so vielen Ein- fassungen und Illustrationen her wohlbekannt sind, das lebendig bewegte spitzige Blattornament deutet geradezu auf Eigenhändigkeit. Lediglich die Körper- zeichnung kann zu Bedenken gegen solche Anlaß geben. Indessen möchte ich hier das Befremd- liche auf Rechnung des Schnittes setzen und doch an Weiditz als Urheber der Zeichnung glauben. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß Max Geisberg die Einfassung als Arbeit des Heinrich Satrapitanus anspricht. Eine gegenseitige Kopie derselben findet sich 1524 in Konigesberg!5", 168 : 114 mm. Statt des antiken Kriegers ist ein Greif gegeben, auf der Fahne des nackten Mannes sind Kugeln hinzugefügt, im Kranz hängt ein Wappen; die unten gegebenen Initialen P und 5 deuten wohl auf Paulus Speratus, zu dessen Schrift die Einfassung verwendet ist. Eine freiere Be- nutzung liegt in einer Einfassung des Meisters der Jakobsleiter vor 150°, deren Abhängigkeit bisher unerkannt blieb. Statt des nackten Mannes ist hier ein Jüngling ebenfalls in antikischer Tracht und mit Lorbeerkranz gegeben, im Kranz hängt ein Wappen, die Engelknaben oben halten Schilder und das Schriftblatt hängt an einer dreiteiligen Girlande.

In engstem Zusammenhang mit Weiditz tritt in Augsburg der zuvor in Leipzig nachgewiesene Mono- grammist HS mit dem Kreuz!51, Heinrich Satra- pitanus, auf. Dieser auBerordentlich betriebsame Arbeiter, der sich auf geschickte Benutzung von vielerlei Vorlagen und Anregungen verstand, über- nimmt fast die gesamten dekorativen Elemente des Künstlers, dessen überragende Bedeutung für den Augsburger Buchschmuck er ebenso erkannt wie anerkannt haben dürfte. Die reizvolle nervöse Leichtigkeit der Zeichnung und die liebenswürdige Anmut des Vorbildes erstarren freilich in seiner

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charakteristisch trockenen Weise, wie sie von seinen Leipziger Werken her bekannt ist. Ihn aber lediglich als Kopisten anzusehen, scheint mir nicht angängig: in dem umfangreichen Werk, das von ihm vorliegt, zeigen auch seine Bearbeitungen frem- der Vorbilder selbständige Gewandtheit und bleibt für eine große Reihe von Illustrationen keinerlei Abhängigkeit nachzuweisen. So ist ihm sehr wohl die Fähigkeit des Sicheinlebens in einen fremden Stil zuzutrauen und Schlüsse auf verlorene Vorlagen des Weiditz sind hier nicht immer unbedingt zu ziehen.

Einige der von Dodgson dem Werke des Weiditz im Anschluß an Röttinger hinzugefügten Titelein- fassungen glaube ich auf Grund ihrer Zeichenweise unter solchen Erwägungen dem Satrapitanus über- weisen zu müssen. Die Quart-Einfassung mit säugenden Sphinxenl52 zeigt im Ornament eine Hürte der Umrisse, für die nicht ungefüger Schnitt, sondern sicher die Zeichnung verantwort- lich gemacht werden muß, und außerdem in den Engelknaben ganz charakteristische Typen des Satrapitanus mit den runden Köpfen, geraden Nasen, starren Augen und dem als Masse hoch- gerundet gegebenen Haar: man vergleiche nur ein- mal den Flügelknaben auf dem Rücken der Sphinx rechts mit dem Sebastian der bezeichneten Leip- ziger Quart-Einfassung mit Heligenhalbfiguren!53, Es schließen sich an die Quart-Einfassung mit Blattornamenten mit Masken und Muscheln auf schräg schraffiertem Стип9154, die Quart-Ein- fassung mit drei Figuren und zwei Masken auf schwarzem Grund!55 und die Quart-Ein- fassung mit Ornamentranken auf schwarzem Grund156, Eine weitere zugehörige Quart-Ein- fassung mit Säulen, nackten Knaben und Blattmann ist bereits von Röttinger dem Mono- grammisten HS mit Kreuz zugewiesen worden!?”, eine Quart-Einfassung mit Blattranken und drei Halbfiguren (Abb. 16), 160 : 112 mm, scheint in diesen Zusammenhängen noch nicht erwähnt zu seini58, zeigt aber aufs deutlichste die Umbildung

65

der Weiditzschen Ornamentik und die Typen des Satrapitanus. Nach der starren Zeichenweise und Typenbildung glaube ich außerhalb der Weiditz- Gruppe für Satrapitanus in Anspruch nehmen zu sollen die aus vier Teilen zusammengesetzte, in Drucken Silvan Otmars begegnende Quart-Ein- fassung mit Halbfiguren von Petrus, Pau- lus, Kirchenvätern und Evangelistensym- bolen15%, die getreu auf die Folio-Einfassung des Urs Graf160 zurückgeht und selbst wiederum ver- schiedentlich kopiert wurdel®l, sowie eine vermut- lich von Melchior Ramminger verwendete Quart- Einfassung mit Schriftblatt und Engel- knaben vor Säulennischel®, die sich als After, kopie nach Holbein erweist163,

Die von Max Geisberg aufs glücklichste ge- wonnene Identifizierung des Monogrammisten H S mit Kreuz mit dem durch seine schriftstellerische Tätigkeit in Augsburg bekannten Heinrich Sa- trapitanus pictor (vgl. den Artikel in diesem Jahrbuch) läßt das Interesse für den seiner künst- lerischen Qualität nach wenig reizvollen Meister von der zeitgeschichtlichen Bedeutung her sich wesent- lich lebhafter gestalten. Ist es schon von vorn- herein das Wahrscheinliche, daß die drei unter sei- nem Namen ausgegangenen Flugschriften!®* mit eigenen Schnitten ausgestattet seien, so bestätigt die stilistische Untersuchung dies ohne weiteres. Das „fruchtbar buchlin“ hat die oben erwähnte Quart-Einfassung mit Ornamentranken auf schwar- zem Grund, das ‚christlich buchlin“ den Apostel Bartholomäus aus der kleinen in Anm. 141 er- wähnten Folge. Die ,,christliche anred vnnd er- manung“ hat in jeweils zwei täuschend gleichen Stöcken Hochleisten, 95 : 28 mm, mit gefessel- ten Faunen, Querleisten, 36:127 mm, mit Blatt- delphinen und Randverschlingungen, die aufs deut- lichste die Art seiner Weiditz-Nachahmungen zeigen.

Nach dem ganzen Befund der Dinge dürfte wohl anzunehmen sein, daß Heinrich Satrapitanus den Schriften, für die er in den ereignisschweren Augs-

5

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burger Jahren beziehungsreiche Titelschnitte lie- ferte, auch eine innere Anteilnahme entgegen- brachte und mit allem Vorbehalt wäre vielleicht die Frage aufzuwerfen, ob nicht auch unter den solcherart ausgestatteten anonymen und mit Deck- namen erschienenen Schriften weitere Erzeugnisse seiner eigenen schriftstellerischen Tätigkeit zu suchen seien. Höchst auffällig erscheinen nach dieser Richtung die Flugschriften des bisher seiner Persönlichkeit nach noch nicht erfaßten „Heinrich Spelt“ mit dem bemerkenswerten „Ego non Ego“ am Schluß. Der große Titelschnitt (Abb. 17), 140: 123 mm, zu dessen „Ainfeltig glaub''165 trägt deutlich die Stilmerkmale des Heinrich Satra- pitanus: die schematische Baumzeichnung mit den festen kleinbogigen Umrissen und den an die par- allelen Stammlinien angesetzten Bogenschraffen ist bereits aus der Leipziger Folge zu Markus Waidas Spiegel der Bruderschaft des Rosenkranzes!®® wohl- bekannt, ebenso wie der Christustyp mit der pe- dantisch-starren Gesichtszeichnung und die trocken- schwärzliche Gesamthaltung charakteristisch er- scheinen. Die Zusammenstoppelung von vielerlei Szenen im Bilde, die symbolisch-allegorische Auf- machung, dazu die Beischrift am Tempel rückt die Darstellung auf eine Linie mit Schnitten von der Art des bezeichneten „Typus Ecclesiae" der Leipziger Zeit167, Es ist zu beachten, daß derselbe Schnitt, vom gleichen Stock, auch in der Oktavausgabe der- selben Schrift168 verwendet ist, hier aber in einem zweiten Zustande, dem kleinen Format angepaßt, in wesentlicher Verschneidung, 107 : 77 mm. Die linke Randlinie ist beibehalten (nb. über Christi Kreuz 11 mm, darunter 85 mm), rechts ist die linke Kontur des Tempels als Randlinie mit verwendet, im übrigen sind Randlinien angefügt. Diese Oktav- ausgabe verwendet ferner einen zweiten Holz- schnitt des Satrapitanus, den Beter vor Gott, aus der Folge zu Luthers Betbüchlein!®®,

Die „Declaration“ Spelts des vorhergehenden Jahres 1523170 verwendet freilich eine anscheinend

beziehungslose Titeleinfassung, eine Kopie nach Hans Springinklee!?!, die, getreu dem Original, keine persönlichen Züge der nachahmenden Hand aufkommen läßt. Dagegen hat der Neujahrs- wunsch auf 1526172 wiederum einen sehr charakte- ristischen Titelschnitt von Satrapitanus’ Hand: Das Jesuskind in der Wiege, 69 : 98 mm.

Die Titelillustrationen des Satrapitanus zu Augs- burger Flugschriften [um die wichtigsten der mir bisher bekannt gewordenen zusammen aufzu- führen, sind im folgenden auch einzelne verstreut angegebene Zuschreibungen Röttingers mit ein- bezogen, vgl. die Anmerkungen] zeigen einen ziem- lich gleichfórmigen nüchternen Charakter. Bevor- zugt ist ein annähernd quadratisches Format. Meist handelt es sich um Gruppen von wenigen großen Figuren, die in einen schlichten, oft nur durch ein paar Wände angedeuteten Raum oder in eine Land- schaft gestellt sind, die aus einigen Hügellinien auf- gebaut und durch den charakteristischen schema- tischen Baumschlag „belebt“ ist; gelegentlich ist die Ausstattung etwas reicher, stets aber mit pedanti- scher Sachlichkeit behandelt. Mitunter, besonders wenn es sich um Nachdrucke auswärts erschienener Flugschriften handelt, sind fremde Vorlagen be- nutzt.

Für das bedeutendste Blatt dieser Art, die (be- zeichnete) Predigt des Johannes Capistranus, 120 : 118 mm1”3, glaubt Róttinger ein unbekanntes Vorbild des Weiditz annehmen zu sollen, doch läßt die groBe Reihe anscheinend auch selbstündiger Darstellungen dieser Art vielleicht auch hier auf eigenen Entwurf schließen. Sehr nahe steht diesem Schnitt die ebenfalls sehr reiche Darstellung des Ablaßhandels in der Kirche, 119 :97 mm, zu der Beclagung aines ley⸗ ens genant Hanns ſchwalb . .174, auch die Göttliche Mühle, 141: 117 mm, zu der Flugschrift Das hond ¿wen CH wenger bauren gemadt...!75, schließt sich an, geht aber im Ganzen getreu auf den Titelschnitt der Züricher Urausgabe!?6 zurück. Freie Wieder-

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

holung eines Baseler Originals in einer mit Judas Nazarei bezeichneten, Vadian zugeschriebenen Schrift ist die Darstellung mit der hl. Dreifaltig- keit, Papstteufel und Geistlichen, 120: 105 mm!”?. Das Titelbild der Straßburger Uraus- gabe ist kopiert in der Darstellung Karsthansens mit Studens, Murner und Mercurius!”8, wobei die Typenveränderung des Jünglings mit glattem statt des lockigen Haars sehr charakteristisch er- scheint.

Auf die Darstellung des Traumgesichtes Kaiser Sigmunds von Satrapitanus konnte ich bereits an anderer Stelle hinweisen!?9. Inhaltlich besonders bedeutsam erscheint die ihm ebenfalls zu- zuweisende Darstellung Luther vor de m Reichs- tag in Worms, 97:126 mm!180, sowie die von Röttinger nur im zweiten Zustande beschriebene Darstellung des Papstes mit Luzifer, bzw. Luther, bzw. Paulus, 117:59, bzw. 54 mm!?!,

Zu frühen Augsburger Gelegenheitsarbeiten schei- nen auch zu gehören ein Titelbild zu dem von Weller Fröschel von Laidnitz zugeschriebenem Spruch: Von S. Johäs trig ||. .182 mit S. Johannes und S. Nikolaus vor Gottvater, 80 :89 mm, und eine bäuerliche Streitszene, 120 : 111 mm, als Titelbild zu: Von Mayr Degen || ond aud von feiner Megen |183, denen beiden Orts- und Jahres- angaben fehlen. Als satirische Darstellung fügt sich der Pfaffennarr, 107: 103 mm, an!®%,

Mit der Darstellung des Bauern und des Reiters im Gespräch, 119:100 mm, zu Eras- mus Ammans Bauer von Worms!®5 tritt wieder das Interesse an den Ereignissen des Glaubensstreites hervor. Schriften zu aktuellen Fragen, durch diesen ausgelöst, dienen die Titelbilder Eheschließung, 106 :108 mm, zu Lutherschriften bei Grimm und Wirsung 186, Eheschließungen Geistlicher, 121 : 121 mm, zu Eberlins Verteidigung der Prie- sterehe!8? und predigender Geistlicher, 93: 104 mm, ebenfalls für Eberlin!$8. 1522 treten mit der Hochflut der beliebten Dialoge Gesprächsdar-

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stellungen auf, denen auch die Disputation der Bischöfe, 113 : 103 mm!89, zuzurechnen sein dürfte; da stehen Predigermönch, Bürger und Narr im Gespräch beisammen in einem schlichten Raum, 105 : 100 mm1?0, Wald bruder und Jüng- ling werden von dem im Gebüsch verborgenen Landsknecht (als den sich der Verfasser ausgibt) belauscht, 122 : 103 mm!9!; der Waldbruder, 115 :95 mm, erscheint auch allein, mit Spruch- bändern versehen!??, Der vielverwendete bekannte Bauer!%, der in verschiedenen Zuständen, mit Rosenkranz, mit Dreschflegel, vorkommt und ebenso häufig kopiert ist, sei hier nur kurz erwähnt.

Sendbriefausgaben werden durch die Darstellung eines Türkenzuges, 104: 121 mm, illustriert!9, verwandt erscheint die Schilderung eines Juden- heers in der Wüste, 110 : 110 mm!?5, Zwei Aus- gaben von Flugschriften der Jahre, 1523 und 1524196 werden durch das Bild eines Beters mit dem Pfeile versendenden Gottvater charak- terisiert. In das Jahr 1523 fállt auch die mir unbe- kannte, von Röttinger dem H $ zugewiesene Dar- stellung von Bileams Eselin zu Mathis Wurms Flugschrift!?7,

1524 bringt die beziehungsreiche Darstellung von Petrus und Paulus mit zerrissener Kette, 108:104 mm, zu der Schrift eines noch unerkannten Autors, für den „Heinrich Scharpf“ wohl nur ein Deckname ist!??, und die Abbildung des die Gemüter erregenden Bruder Hans Jetzer (Maße 7) 199, sowie wiederum eine Reihe Gesprüchsbilder: Zwei Mönche im Gespräch, 121:96 mm?99, Zusam- mentreffen zweier Wanderer, 117:114 mm?01, HandwerkerundbewaffneterBauer(Maße?)202, BauermitAxtundBauermitStrohschneide- maschine, 114: 114 mm?9?, und ein in seiner Steif- heit für Satrapitanus bezeichnendes Tierbild, Fuchs und Wolf, 89:108 mm??*, Auch die höchst eigen- artige Halbfigur eines Ritters mit Strahlen- nimbus, 45:34 mm, zu Schriften Locher-Rotts in Zwickau bei Jörg Gastel205 verrät die Hand des

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Satrapitanus und damit möglicherweise wiederum Beziehungen in der Entwicklung der Stellungnahme in den religiösen Wirren.

Im Zeichen der Bauernaufstände des folgenden Jahres steht der Titelschnitt zu Handlung / Artickel / оппо Inſtruction /.. der Pauren / . .206, ein be- waffneter Bauernhaufen, 127:109 mm, und die Darstellung einer Kanone, 110 : 70 mm?0”, bei der sich die ausführende Hand durch die Schraffen- führung und die schwärzliche Gesamthaltung ver- rät. Auch die Verbrennung des Heinrich von Zutfeld, 95:114 mm, ist von Satrapitanus als Titelschnitt dargestellt worden 207), Das Gesprächs- motiv wird durch die Darstellung von Hofmann und Вацег?08 fortgeführt.

Ein Bild, das den eigensten, mystisch-symboli- schen Vorstellungen des Satrapitanus entspricht, ist die Darstellung des gekreuzigten Christus am Baume der Erkenntnis?0%, Als schlichtes Trostbild dagegen ist eine Darstellung Christus am Krankenbett, 83: 65 mm?10, gegeben. Ein hoffartiger fendebrieff .. mit Hiſtorien des lebens vnd gefchichten || Renfer Friderichs Barbaroſſa . . .211 hat als Titelbild den durch den Fluß reitenden Kaiser Barbarossa, 108: 100 mm. Zu den beziehungslosen Darstellungen aus dem täglichen Leben gehört das kräutersammelnde Bauern- paar (Maße ?)212, zwei Ärzte (Maße 7) 218, die unter dem Einfluß von Dürers Marienleben ste- hende Wochenstube, 119 : 110 mm?H, ein Labo- ratorium, 100: 110 1215, Zu den spätesten zeitlich festzulegenden Illustrationen dürften die jedenfalls 1529 als Titelbild entstandene Darstellung von Planetenwirkungen im Zeichen von Ve- nus und Mars, 134: 114 mmäië sowie eine Dar- stellung des Türkenkampfes bei Wien, 132: 114 mm?19*, gehören.

Den bekannten Leipziger Illustrationen?!” und Titeleinfassungen?!® des Satrapitanus?!? reihen sich weitere Arbeiten an, von denen die meisten unbe- zeichneten ihm auf Grund der Stilkritik zuge-

schrieben werden können. Kaum eine Hand ist leichter zu erkennen als die seine, kaum ein Künstler zeigt so wenig Entwicklung und Wandlungsfähig- keit als er. Ein Eingehen auf Einzelheiten erübrigt sich daher, einige wichtigere Werke seien nur ge- nannt. Einhl. Georg, 86 : 72 mm, findet sich 1515 bei Valentin Schumann?20, jm gleichen Jahr der hl. Benedikt mit der hl.Scholastica, 135: 110 mm??!, Ein heiliger Hieronymus, 125: 80 mm, der sich um 1530 bei Valentin Schumann wieder verwendet findet 2214, dürfte auch dieser frühen Zeit angehóren. Eine Folge von 65 Illu- strationen zum Hortulus animae, etwa 48: 33 mm, findet sich 1516 in der niederdeutschen Ausgabe Konrad Kachelofens?22 und dürfte zumeist auf Baldungs Originale zurückgehen.

Das Deutſch Martal .. Melchior Lotthers von 1516223 bringt eine Folge von 12 Illustrationen, 103—108 : 65—68 mm, die vermutlich (zum Teil?) mit der von Nagler angeführten Folge zum Marien- leben aus einem unbekannten Buch identisch sein mag. Auf eine Schutzmantelmadonna folgen drei Teilkopien aus Dürers Marienleben, die Be- gegnung von Joachim und Anna, die Geburt der Maria, Mariä Tempelgang, dann eine Ver- kündigung an Maria, die Dürers Holz- schnitt B19 aus der kleinen Passion benutzt hat, und wiederum nach dem Marienleben die Heim- suchung, Christi Darstellung im Tempel, der Tod Mariens; ferner eine Madonna auf der Mondsichel, die wie die bekannte Einzelillustra- tion Dürers Kupferstich B 30 gleichseitig getreu kopiert hat, ebenfalls mit Hinzufügung von Flam- men in der Strahlenglorie und Wolken in den vier Bildecken, und unten in der Mitte mit dem spiegel- bildlich verkehrten Monogramm bezeichnet ist; die Kreuzabnah me, die gegenseitig frei auf В 14 in Dürers Kupferstich-Passion zurückgeht, Christus und Maria als Fürbitter und Christus als Schmerzensmann, eine gegenseitige Kopie nach Dürers Kupferstich B 20, mit Fortlassung einiger

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Marterwerkzeuge und Hinzufügung eines Strahlen- nimbus und von Gesträuch im Hintergrunde, sowie querschraffiertem Hintergrund mit Spruchband.

Lotther bringt ferner ebenfalls 1516 in seiner lateinischen Psalterausgabe??* 7 Initialen, etwa 60 : 60 mm, dicke ganz ausgefüllte Buchstaben mit bildlichen Darstellungen im Innern, auf Grund mit gotischen Ranken und Laubwerk: B mit Beter vor Gott, C mit Sängergruppe, D mit Krönung Davids, D mit knieendem König, D mit Anbetung eines Götzenbildes, E mit drei Musikanten vor Gott, S mit König im Flusse, sowie ein großes P, 67 : 57 mm, mit harfespielendem David. Im gleichen Jahr findet sich bei Wolfgang Stöckel zur Practica deutſch Simon Eyssenmanns??5 eine Darstellung der herrschenden Planeten Luna und Merkur, 127:106 mm. Der in zahlreichen Lutherdrucken bei Stöckel seit 1518 verwendete Christus am Kreuz, 75: 48 mm??6 scheint mir ebenfalls Satra- pitanus anzugehéren, desgleichen Johannes der Täufer, 88:65 mm, bei Valentin Schumann227. Zu Michael Koßwicks Compendtaria Nlufice ||. .228 lieferte der Meister Stöckel eine Darstellung des Pythagoras in reicher Landschaft, 89 : 120 mm; zu einer bei Schumann erschienenen Musikschrift229 die Darstellung von Jüngling und Jungfrau mit Notentafel, 52 : с. 118 mm.

Das bedeutendste Blatt indessen ist wiederum eine Madonna auf der Mondsichel, 158 : 111 mm, für die nun zum dritten Male Dürers Kupferstich B30 benutzt 181230, doch ist statt der reinen Strah- lenglorie des Originals hier eine Glorie von Strahlen, Stacheln und Flammen gegeben, und um den Strahlennimbus der Madonna herum ist ein Kreis von Sternen hinzugefügt. In den vier Bildecken sind in Wolkenóffnungen nackte musizierende Engel- knaben hinzugefügt, die den anderen Kopien fehlen und die mit ihren runden Kópfen und geraden Nasen sich als typische Geschópfe des Satrapitanus ausweisen. In der Mitte auf dem unteren Bildrand

hat er sein Monogramm gegeben.

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FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

XI. DER AUGSBURGER

MONOGRAMMIST DS. Campbell Dodgson hat zuerst die Aufmerksam-

keit auf diesen Meister gelenkt??!, der seine Ini- tialen??? in die Schrifttafel eines Seitenstücks zu einer vierteiligen Titeleinfassung gesetzt hat?33, Gegenüber der freien leichten Anordnung des Orna- ments und der grofzügigen Formengebung wie sie durch Burgkmair und Weiditz als Charakteristi- kum der Augsburger Kunst erscheint, macht sich hier eine merkwürdige enge Zusammenstoppelung kleiner, oft bizarrer Formen geltend, für die auch Anleihen bei fremder Kunst zu vermuten sind. Aus mannigfaltigen scharf gegeneinander abgesetzten Feldern, die als Sockelstücke, Wandnischen, Ge- bälk oder Giebel in simplen Architekturformen gebildet sind, bauen sich die Einfassungen zu- sammen. In den Füllungen ist der Raum bis zum letzten ausgenutzt, so daß der Gesamteindruck durch eine gewisse starre Schwere beherrscht wird.

Als kennzeichnende Arbeit dieser Hand erscheint die bisher anscheinend unbeschriebene Quart- einfassung mit Moses, König David, Peli- Кап und Löwen (Abb. 18)234, die in ähnlicher Weise wie die bisher bekannten Stücke des DS sich aus vier Teilen zusammensetzt (158 bzw. 160 :26, 45 : 61 bzw. 62 mm), die überdies ent- sprechend in eine Reihe von Einzelfeldern innerhalb eines architektonischen Gesamtaufbaus zerlegt sind. Im einzelnen ist z. B. auf die außerordentlich kom- pakten Formen der Blattdelphine auf den Giebel- schrägen hinzuweisen, die ebenso (auch die Schwänze aus kleinen Blattschuppen sind zu be- achten) auf dem Sockelstück mit Frauenmedail- lons225 sich finden. Eine Vorliebe für symbolische Tiere, sowie für die Anbringung von Medaillon- köpfen scheint sich zu ergeben. Die Art, wie Pelikan und Löwe geschickt dem Giebelfeld und der runden Nische eingefügt sind, stimmt mit dem erwähnten Prinzip möglichster Raumfüllung überein. Wichtig ist, daß wir durch diese Einfassung in den Gestalten

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des Moses und Königs David auch mit der eigent- lichen Figurenzeichnung dieser Hand bekannt wer- den. Vielleicht führen die in ihrer steifen Würde

ein wenig langweiligen Gestalten dazu, auch in

Buchillustrationen weitere Werke des Meisters DS zu erkennen.

Einstweilen vermag ich nur zwei weitere Seiten- stücke, mit großen blasenden Engeln, etwa 81: 26 mm, anzuschließen. Die gekrönten Engel, in langen, unter der Brust gegürteten Gewändern, mit tubenartigen Blasinstrumenten, stehen eben- falls ein wenig steif in engen Nischen, die von Säulen eingefaßt werden; an den Säulenbasen sind kleine Figürchen gegeben. Die Verwandtschaft mit den Figuren der Titeleinfassung ist offenkundig.

XII. DER MONOGRAMMIST М. 5.

Trotz des stattlichen charakteristischen Werkes, mit dem der erste Illustrator von Luthers Gesamt- bibel23” 1534 auftritt, ist seine Persönlichkeit von der neueren kunstgeschichtlichen Forschung lange fast unbeachtet geblieben. Erst kürzlich finden sich Versuche ihr näherzukommen und das Werk zu er- weitern*8,

Der hinter den Initialen MS verborgene Name, der jedenfalls auf den Zeichner zu beziehen sein dürfte, wird von Engelbert Baumeister mit dem des Martin Schaffner identifiziert. Es sieht fast aus, als ob lediglich von der verlockenden Übereinstimmung der Anfangsbuchstaben ausgegangen der Aufbau dieser Hypothese gewagt wurde, von der leider bei näherer Betrachtung auch nicht viel anderes übrig bleibt als eben diese zufällige Buchstabengleichheit. Vergleicht man die einmal vorkommende ver- schlungene Monogrammform des Bibelillustrators mit der des Schaffner, z. B. auf dem von Bau- meister herangezogenen Bilde des Eitel Besserer, so finden sich schon solch wesentliche Abweichungen des steilen gegenüber dem geschwungenen Duktus,

daß eine Gleichstellung nicht so ohne weiteres an- zunehmen sein dürfte. Die Vorliebe für Anbringung

70

des Monogramms bzw. der nebeneinandergestellten Initialen auf Architekturteilen, die Baumeister als gemeinsames Kennzeichen hervorhebt, wird auch von anderen Künstlern geteilt. Was die gewagte Auflösung der zwischen ,,undeutlichen Zeichen“ stehenden Initialen auf dem Bathsebabilde der Bibelfolge anbelangt, in die auch formell sehr an- fechtbare Form „Maler Martin Schaffner Ulmen- sis“, so wird sie ohne weiteres hinfällig, da auf schar- fen frühen Abdrücken jene Zeichen sich ganz deut- lich als Ornamente, und zwar Haken in der Art der Friesornamente am Palast des gleichen Bildes, zu erkennen geben.

Der stilkritische „Beweis“ Baumeisters für die Identitát der beiden Meister beschrünkt sich auf Heranziehung ganz allgemeiner Gesichtspunkte, die ihre Erklärung hinlänglich im Zeitstil finden und durchaus nicht speziell nur Schaffner und dem Bibelillustrator eignen. Die ebenfalls herange- zogene Eigentümlichkeit der Vereinigung zeitlich aufeinander folgender Vorgänge auf einer Dar- stellung muß als besonderes Charakteristikum des Bibelillustrators fortfallen, er schließt sich hier durchaus dem üblichen Gebrauch von Luthers Illu- stratoren, bzw. früheren Bibelillustrationen an. Geht man dabingegen auf den Vergleich von Einzel- heiten ein, die sich weit eher als beweiskräftig er- weisen könnten, so kann man unschwer erkennen, daß diese nun allerdings ganz gegen die aufgestellte Hypothese sprechen. Statt der übermäßig lang- gestreckten Gestalten Schaffners haben wir beim Bibelillustrator normale, oft sogar ziemlich ge drungene Proportionen. Statt der gerade in spáterer Zeit vorzugsweise ovalen Köpfe Schaffners mit sehr langen Nasen begegnen kleine runde Köpfe mit teils sehr kleinen stumpfen Nasen, teils solchen von sehr scharfen und knolligen Formen. Mit den sehr charakteristischen hochgezogenen Augenbrauen, den weinerlichen Mündern und den zierlich gedrehten Lockenhaaren steht Schaffner ganz für sich da, dem Bibelillustrator gegenüber, für den der ganz ab-

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weichende schlichte Haar- und Bartfall geradezu bezeichnend ist.

Nirgends findet sich auch nur eine engere Ver- wandtschaft in den Architekturteilen: die bei Schaffner so ausgesprochenen Einflüsse der Augs- burger Renaissance fehlen beim Bibelillustrator gänzlich, ebensowenig begegnet man bei ihm spät- gotischen Anklängen, wie sie Schaffner auf dem jüngeren Wettenhausener Altar anbringt. Der Monogrammist MS arbeitet vielmehr (soweit er nicht Ausschnitte ganz schlichter Wirklichkeit aus Dorf und Kleinstadt gibt) mit Kulissen, Aufbauten, Prospekten von weit phantastischerer zusammen- gestoppelter Art, wobei der Kuppelreichtum darauf deutet, daß entschieden, den biblischen Vorwürfen entsprechend, orientalisierende Eindrücke ange- strebt werden. Soll gerade für Verwandtschaft in der Architekturgestaltung ein Name herangezogen werden, so wäre der des Jörg Pencz zu nennen. Ähnliche Abweichungen gelten betreffs des Orna- ments, das Baumeister trotz dessen hervorragender Wichtigkeit weiter nicht heranzieht, obgleich er dem Bibelillustrator mit Recht die großen Initialen der Lufft-Bibel zuschreibt: derartige mit schöpfe- rischer Freiheit gestaltete reizvolle Erfindungen sind im Werke Schaffners, der sich mit treulicher Wiedergabe der neuen „modischen“ Formen be- gnügt, fremd.

Spricht somit der ganze Befund des Werkes gegen die Urheberschaft Schaffners für die Bibelillustra- tionen, so fällt überdies auch die Tatsache, daß er 1535 den doch wohl nur während einer Anwesenheit in Süddeutschland denkbaren Auftrag des Epithaphs des Sebastian Willing ausführte, entscheidend ins Gewicht gegen die Möglichkeit eines Aufenthalts in Wittenberg, wie er für die Arbeit an den Bibel- illustrationen durchaus anzunehmen wäre. Wir wissen, welch reges Interesse Luther dem Bilder- schmuck der Bücher und insbesondere seiner Bibel entgegenbrachte, wissen, in welch enger Beziehung er zu der auf diesem Gebiete so überaus regen

Cranach-Werkstatt stand. Diese bei der Erteilung eines solchen gewichtigen Auftrags zu übergehen, kann weder ihm noch Hans Lufft eingefallen sein, und es ist als sicher anzusehen, daß der Bibel- illustrator zu ihr in nahem Verhältnis gestanden haben muß, was auch aus weiteren ihm zuzuschrei- benden Werken ersichtlich wird. Mag er auch von außerhalb zugezogen sein, so muß er doch fester in Wittenberg Wurzel gefaßt haben, als dies je für Schaffner anzunehmen wäre, da sich keine weitere Spur einer Tätigkeit, etwa auch in Gemälden, dort findet, die diesem zuzuweisen wäre: an Aufträgen dürfte es ihm doch bei seinem Namen und Fähig- keiten trotz der Cranach-Konkurrenz keineswegs gefehlt haben, wenn er sich wirklich nach Witten-

| berg gewendet hätte. Der Bibelillustrator aber ist

auch 1535 und später noch mit Arbeiten in Witten- berg nachzuweisen. Einer Lösung der Namens- frage dürfte also wohl nur auf Grund archivalischer Forschungen in Wittenberg vielleicht näher zu kommen sein, wenn anders die Hypothesen nicht gefährlich und verwirrend wirken sollen.

Vor allem aber gilt es auch, das Werk des Bibel- illustrators selbst zum Ausgangspunkt zu nehmen, um ein weiteres Bild seiner künstlerischen Persön- lichkeit und Tätigkeit zu gewinnen. In dieser Hin- sicht ist gegenüber dem als verfehlt abzulehnenden Versuch Baumeisters der von Röttinger gegebene Beitrag außerordentlich zu begrüßen. Einer fein- sinnigen Würdigung der Bibelillustrationen und wertvollen Zusammenstellung über Verwendungen derselben??? folgt der Nachweis von sieben dem Meister neu zuzuweisenden Holzschnitten (zum Teil Einzelblätter), von denen Röttinger vier als Früh- werke, unter Nürnberger Einfluß entstanden, an- sehen zu können glaubte, während er für die Ge- samthaltung der Bibelillustrationen Eindrücke von Weiditz’ Petrarca-Illustrationen als bestimmend annimmt. Indessen lassen sich auch von hier aus sichere Schlüsse auf Herkunft und Entwicklung des Zeichners nicht gewinnen. Röttinger nimmt an,

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daß er Sachse sei, da er seine Schulung jedenfalls nicht in Nürnberg empfangen habe. Dagegen wäre geltend zu machen, daß er aber keinesfalls nach Stil, Darstellungsweise und Ornamentformen direkt aus der Cranach-Werkstatt herausgewachsen erscheint, noch viel weniger sich Spuren von stilistischen Zu- sammenhängen mit den übrigen in Sachsen und Mitteldeutschland tätigen Meistern, vor allem Lem- berger und Brosamer, sich zeigen. So müssen seine Anfänge doch wohl in Süddeutschland gesucht wer- den, wohin die empfangenen nachgewiesenen An- regungen deuten. Sein ruhiges Temperament, seine schlichte Erzähler- und Beobachtergabe führten zu einer gleichmäßig entwickelten Eigenart, die ihn dann fest und sicher auf sich selbst gestellt sein läßt. In der sächsischen Illustration hat er, wie eine Reihe nunmehr weiterhin zu gebender Zuschrei- bungen bekräftigt, eine bedeutende und (neben Cranach d. J.) führende Rolle gespielt. Seine Bilder geben weiträumige Anlagen mit gut verteilten und sicher hingestellten Figuren, liebevoller, sauberer Durchführung der Landschaften und Architekturen. Die Gesamthaltung erscheint durch Dichtigkeit der Schraffenlagen und Schattenpartien auffallend schwärzlich, nur die fernsten Hintergrundsaus- blicke der Landschaften sind in hellem Licht ge- geben. Die Linienführung ist durchweg kräftig und fest, stellenweise etwas trocken, die Faltenzeich- nung charakterisieren lange, mit gleichmäßig kurzen Schraffen besetzte Linien, kurze knittrige Häk- chenlinien und sehr tiefe dunkle rundliche Falten- täler. Sehr dicht und rundlich ist die Zeichnung des Baumschlags, sehr fest die der Wolken, die in Schichten und dicken Ballen übereinander gelagert erscheinen, die untersten sehr schwärzlich, die obersten bis zum lichten Weiß hin abgestuft, mit kräftig betonten Konturen, die bis zu dekorativer Stilisierung wechselvoll gebildet sind. |

Sehr ausgeprägt zeigen diese Merkmale neben den Bibelillustrationen zwei Quart-Einfassungen

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mit Gegenüberstellung von altem und neuem Bund, Sündenfall und Erlösung, die ich bereits kurz als Arbeiten des М $ anführen konnte, für deren Zuschreibung ich aber den Beweis noch schulde. Außer der schwärzlichen Gesamt- haltung mit dem Durchblick in die helle Ferne, dem mit den Bibelholzschnitten völlig übereinstimmenden Baumschlag (siehe besonders Jakobs Traum, Sim- son mit den Türen von Gaza, Absaloms Ende) ver- gleiche man den Mosestypus hier mit dem eng- verwandten auf den Darstellungen des Durchzugs durch das Rote Meer und der Mannahlese, Christi Nimbus mit demGottvaters aufderBibel-Einfassung, dessen auffällige Form bei keinem anderen Künst- ler des sächsisch-mitteldeutschen Illustrations- kreises nachzuweisen ist. Die Darstellungen geben jede für sich unabhängig voneinander und zum Teil auch mit inhaltlichen Abweichungen ein Thema wieder, das für die protestantisch-theologische Kunst, wie sie sich in Wittenberg entwickelte, höchst charakteristisch ist und dessen vielfache Ausgestaltung jedenfalls in engem Zusammenhang mit der Cranach-Werkstätte und deren persön- licher Fühlung zu Luthers Kreisen steht. Diesen muß sich demnach auch, vermutlich von ihnen selbst herangezogen, der neu hinzutretende Mit- arbeiter aufs engste zugesellt haben: nicht nur die natürliche Lage der Dinge, auf die schon oben hin- gewiesen wurde und die inhaltlichen Beziehungen beweisen das, auch Spuren künstlerischer Zu- sammenhänge finden sich, die dies deutlich be- kunden.

Den beiden erwähnten Einfassungen, die sich erst nach den Bibelillustrationen 1537 und 1538 zuerst nachweisen lassen, geht eine andere Quart- Einfassung voraus (zuerst 1533), die, bald als Arbeit des ülteren, bald des jüngeren Cranach, bald als die eines anonymen Künstlers genannt, am festesten doch dem Werke des MS sich einfügt: die mit dem guten Hirtenund Reformatoren-

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strationen fremde schwärzliche Haltung gleicht völlig der der Bibelillustrationen; der schlichte, mit etwas nüchterner Sachlichkeit wiedergegebene Christustyp entspricht dem Temperament des MS; für die Gewandbehandlung und die Zeichnung der Hände erweist ein Vergleich mit dem Gottvater des großen Schöpfungsblattes die enge Verwandt- schaft; die Art der Landschaft im Ganzen kehrt gleichmäßig wieder auf den Darstellungen von Jakob bei Laban (oben links) und von Simsons Löwenkampf (Hintergrund rechts); die durch die hartschwärzliche Zeichnung wie glasig erscheinen- den Fels- und Berggeschiebe finden sich auf den Darstellungen von Simsons Philisterkampf, der Sal- bung Sauls und des Feuerregens der Apokalypse. Die kleinen Ornamentkrünze, deren Formen sehr merklich von der üblichen Wittenberger Orna- mentik, den losen Rankengefügen Cranachscher Art oder den schwellenden Blättern und Früchten Lembergers, abweichen, geben eng mit der Deko- ration der großen Bibelinitialen zusammen. In interessanter Weise zeigen dahingegen die sie ver- bindenden Blattornamente Formen, die nur von Lukas Cranach übernommen sein können, aber eine von dessen genial-flüchtiger, lockerer Zeichenweise völlig abweichende Durchführung verraten: nämlich ihre Übersetzung in den vielkompakterenStildesMS.

Ähnlich verhält es sich mit einer Oktav-Ein- fassung, die anscheinend zuerst seit 1531 bei Hans Lufft nachweisbar ist und von ihm vorzugsweise für Luthers Psalterausgaben verwendet wurde?4?, mit Davids Flucht vor Saul (112 :82 mm, Schrift- feld 53 :48, Höhe unten 35, Breite rechts 18 mm) und den Symbolen Luthers und Melanchthons in Blattranken, die denen auf der Titeleinfassung mit dem guten Hirten in Formen und Zeichenweise völlig entsprechen. Der sehr originelle, vom Schriftfeld überschnittene Aufbau des Hauses, aus dessen seitlich gelegenen Fenster die Flucht von- statten geht, verrät den geschickten Illustrator: daß wir in ihm den Monogrammisten MS zu er-

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kennen haben, zeigen die Wolkengeschiebe, die zierlichen Figürchen, die denen der Hintergründe auf den Bibelillustrationen entsprechen (vgl. z. B. die Gruppe Geharnischter auf der Darstellung des Zuges durch den Jordan) und die glasig-harte Zeichnung der Lutherrose?®.

Die Zuweisung dieser Titeleinfassung, deren erste Verwendung anscheinend die in Luffts Psalter- ausgabe von 1531 ist, rückt das Auftreten des Monogrammisten MS in Wittenberg, für das bis- lang die Daten 1532 auf den Bibelholzschnitten den frühesten Termin angaben, wiederum ein Jahr früher. Aber auch schon für 1530 läßt sich dasselbe bezeugen. Der durch etwas größeres Höhenmaß*** in der Folge der Bibelillustrationen auffallende Holz- schnitt mit der Vision des Daniel?45 findet sich nämlich, was bisher noch nicht beachtet wurde, bereits 1530 bei Nickel Schirlentz zweimal in Luthers Heerpredigt wider den Türken?49. Es könnten an- gesichts dieser Tatsache Zweifel über die Zuge- hörigkeit zur Folge überhaupt auftauchen, doch liegt der Fall hier anscheinend ganz besonders. Eine übereinstimmende Darstellung findet sich im gleichen Jahr zuerst in Luthers Ausgabe des Propheten Daniel bei Hans Lufft?*? und zwar han- delt es sich hier um den gleichen Holzschnitt, den Röttinger a. а. O. in Anm. 1 auf S. 72 durch spätere Verwendung irregeführt, als Kopie Lukas Cranach d.J.nach MS anspricht, der aber nach seinem stilistischen Befund dem ersten Wittenberger Illu- strator von Luthers Kirchenpostille, dem Mono- grammisten А W, zuzuweisen 181248. Da nun die erste Auflage von Luthers Heerpredigt wider den Türken des vorhergehenden Jahres bei Schirlentz219 den betreffenden Holzschnitt noch nicht aufweist, 80 ist anzunehmen, daß erst die Prophetenillustra- tion die Einschaltung desselben angeregt und ihr auch als Vorlage gedient habe. Gewisse Verein- fachungen und Starrheiten der Umrißlinie der Erd- teile des Schirlentzschen gegenüber dem Lufft- schen Holzschnitt sprechen gleichfalls dafür, ihn

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als Kopie anzusehen, ebenso die Zeichnung des Flusses, dessen Entspringen aus den Hügeln vor dem Bären hier ganz unklar bleibt, im anderen Falle aber deutlich gemacht ist, dessen Lauf hier erstarrt, dort ausdrucksvoll gewunden erscheint. Als wich- tigste Veränderung stellt sich auf dem Schirlentz- schen Holzschnitt die Hinzufügung eines doppelten Flügelpaares des Parders dar: bei dem ständigen Streben nach wortgetreuer Wiedergabe auch der anschaulich am schwersten faßbaren Bibeltexte ist hier auch durchaus damit zu rechnen, daß die voll- ständigere Darstellung die zweite Fassung ist, denn eine Kopie würde solch wichtigen Bestandteil wohl keineswegs weggelassen haben. Trotz der engen Anlehnung an ein (letzten Endes wohl auch nicht künstlerisch frei erfundenes, sondern auf theo- logische Anweisungen zurückgehendes) Original, ist die bisher innerhalb der Folge der Bibelillustrationen nirgends beanstandete Kopie doch wohl dem Mono- grammisten M $ zu belassen: die im einzelnen nichts ängstlich wiederholende Zeichenweise stimmt zu den Bibelillustrationen, die fast völlige Durchfüh- rung der Schraffen des Meeres verstärkt ganz in seiner Art den schwärzlichen Gesamteindruck. Der Umstand, daß der betreffende Holzschnitt von 1534 an in allen jenen Ausgaben, welche die Bibel- illustrationen als Gesamtfolge bringen, dieser Folge fest eingefügt erscheint (auch in der Folge täuschen- der Kopie vom Monogrammisten G E ist er kopiert), spricht bestimmend mit für seine Zugehörigkeit an den Monogrammisten М 5750; hätte hier von an- derer Seite ein einzelner Holzschnitt eingeschoben werden sollen, so würde nichts näher gelegen haben, als daß Lufft auf den in seiner eigenen Ausgabe be- reits verwendeten Stock des A W zurückgegriffen hätte. Das ist aber nicht der Fall: erst später, als die Folge des M S auseinandergerissen und mit an- deren Folgen untermischt erscheint, wird auch der ältere Holzschnitt als Lückenbüßer mit heran-

gezogen. Der Holzschnitt mit der Vision des Daniel be-

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deutet übrigens nicht die einzige Anleihe bei frem- den Vorlagen in der Folge der Bibelillustrationen*!, Rücksichtnahme auf theologische Angaben er- forderte auch bei den Darstellungen der jüdischen Kultgeräte Heranziehung früherer Fassungen. Für rege Erwägungen der jeweils genehmsten spricht die Berücksichtigung verschiedener Folgen für die einzelnen Blätter, ebenso wohl für enge Fühlung- nahme der Künstler untereinander, für die hier die nachgewiesene Kenntnis der noch unveröffentlichten Arbeiten Brosamers durch M S252 einen besonders interessanten Beleg bildet. Auch die übrigen Ein- zelholzschnitte der ersten Prophetenausgaben, die 1532 in der Gesamtausgabe Luffts®5* vereinigt er- scheinen, machen ihre Einwirkung geltend. Für die Holzschnitte zur Apokalypse ist inhalt- lich immer noch die von Cranach in Anlehnung an Dürer geschaffene Grundlage maßgebend, ihre Erweiterung auf 26 statt 21 Darstellungen schließt sich der 1530 zuerst gegebenen Ergänzung der Folge durch den Monogrammisten А W an25%, mit der auch die Bildung der posaunenblasenden Engel als Knaben übereinstimmt. Daß die Cranachfolge dem MS trotz des zeitlichen Abstandes ihrer Ent- stehungszeit von seinem Auftreten in Wittenberg noch wohl vertraut wurde, beweist die auf diese zu- rückgehende Ballung der Wolken zu phantasti- schen Köpfen auf der Darstellung des das Buch ver- schlingenden Johannes, der in den dazwischen lie- genden Folgen sich bereits verwischt hatte. Im übrigen ist die Bildgestaltung in ganz verändertem Format völlig frei in Anpassung an den persönlichen Stil des MS gegeben, wie auch die Durchführung aller Einzelheiten neu und ihm gemäß erscheint. Eine dem gewaltigen Stoff freilich sehr wenig ent-

sprechende Ruhe charakt risiert auch diese Blätter;

wo irgend möglich, ist der landschaftliche Teil reich ausgestattet mit weiter Tiefenerstreckung. Auch ein Streben nach einer Wohlabgewogenheit der Komposition macht sich geltend, das stark renaissancemäßig abgeklärt wirkt gegenüber solch

) un JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM Gage gotisch-barocken Auslösungen, wie sie seinerzeit | schaft mit Architekturwiedergaben des Pencz, che Per Lembergers Stil in dessen Umgestaltung der Cra- | wie wir sie vor allem auf den Planetendarstellungen ' nach-Folge gezeitigt hatte. Man beachte nur darauf- | finden.

gen der jidiy hin einmal eine solche Darstellung wie die der wind- Den größeren Einfassungen schließt sich nun eine "am wehrenden Engel, die auf einem schön über weite | ganze Reihe im Werke des Meisters noch unbe- LT. Landschaft geschwungenen Halbkreis angeordnet | schriebener Oktaveinfassungen an, die zum er Folgen E. erscheinen, der durch zwei der Windköpfe und den | reizvollsten Schmuck der deutschen Buchkunst ir enge Hia mit dem Kreuz herabschwebenden Engel oben fest des 16. Jahrhunderts gehören. Es scheint, daß sie *, für die bin} geschlossen erscheint, und dem über den Wolken | von ihren Besitzern entsprechend gewürdigt wur- туйш: gebenenen Thron Gottvaters als bedeutungsvoller | den, denn sie finden sich so viel verwendet, daß einen Беше Unterbau dient. Ebenso weisen die Stellungen der | leider die Abdrücke durch die Spuren überreich- lie лра Engel zueinander (wie auch immer sie paarweise be- | lichen Gebrauchs der Stöcke vielfach beeinträchtigt айбы. trachtet werden mögen) wohl berechnete kontra- | sind. Es mag kein Zufall sein, daß der feinsinnige тен, postische Feinheiten auf. Auch die Blickführung | Georg Rhau bei weitem die meisten dieser Titel- geltend teils in die Tiefe, teils aus ihr heraus durch Gegen- | einfassungen hat und daß gerade des kunstfreund- pie ist ai einanderwirken des versiegelnden und des herab- | lichen Melanchthon Schriften es sind, die vorzugs- Aueh: schwebenden Engels, sowie der knienden Menge | weise damit geziert erscheinen. Zür die Beliebt- geben £ der Knechte Gottes, belebt die Bildgestaltung und | heit sprechen ferner verschiedene Kopien. Neben ngen 82 findet ihr Gegengewicht in der beruhigend durch das | den rein architektonischen Aufbauten treten solche ing ris ganze Bild Jagernden Wolkenschicht, der strengen | auf, in denen mehr rahmenmäßig Blattornamente, 4 Er Frontalstellung des Thrones Gottes und der gleich- | Delphine, Vasen, Kandelaberteile und dergleichen en Eri mäßig seitlich gescharten Menge der Lobpreisenden. | zusammengefügt sind. Zu den bald nackten, bald rani In ähnlicher Weise zeichnet sich besonders die Dar- | phantastisch herausgeputzten Flügelknäbchen ge- dmi stellung der die Schalen des göttlichen Zorns ent- | sellen sich allerlei sonstige Figuren, auch Fabel- Witte leerenden Engel aus; auch auf anderen Blättern | wesen, Tiere und häufig haben sie ein Amt als T machen sich, soweit der spróde Stoff das nur irgend | Wappenhalter zu versehen. Der Grund ist fast dati zuläßt, Ansätze dazu geltend. durchweg weiß gehalten, während feine Schraffen dn Völlig abweichend von aller bisherigen Witten- | der Darstellung wieder jenen charakteristisch hab berger Art ist die dekorative Ausgestaltung der | schwärzlichen Gesamtton verleihen. Die delikate 1. großen Initialen der Bibel, die von einem munteren Ausführung hat leider den Nachteil, daß nur wenige Tm Kindervolk umspielt werden, wie es sich auch auf | Exemplare in voller Frische und wohlgelungenem Ak der großen Titeleinfassung zur Bibel und auf der | Abdruck die ganzen Reize des Schnitts zur Geltung

jr von Róttinger dem Meister erstmalig zugewiesenen | bringen. " Quart-Einfassung mit Triumphzug255 tummelt. Auch Vor 1533 scheint keine dieser Titeleinfassungen a der Aufbau dieser Titeleinfassung bringt ein ganz | nachweislich zu sein. In diesem Jahr findet sich bei - neues Element in die Wittenberger Buchkunst. | Georg Rhau in mehrfacher Verwendung eine Ein- td Die vielteilig gegliederten Kulissen, die einen statt- | fassung mjt Wappen mit Schlange am Kreuz lichen Bau um das Schriftfeld herum vortäuschen, | zwischen Einhorn und Elch, 129 : 82 mm, й erinnern an die eingehend geschilderten Architek- | (Abb. 19)256, die gelegentlich auch in Drucken T turen, Paläste u. dgl., auf die Bibeldarstellungen und | Nickel Schirlentz! begegnet und durch beson- j verleugnen wiederum nicht eine gewisse Verwandt- | dere Zierlichkeit des Aufbaus, die gut gezeich-

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neten Tiere und eine gewisse Eleganz der schmieg- samen Blattornamentik auffällt. Eine gleichseitige getreue, aber völlig verflachte Kopie mit quer- schraffiertem statt des weißen Grundes findet sich in Magdeburg bei Hans Walther?57. Im gleichen Jahre und in gleicher Verwendung zur Jesus- Sirachausgabe hat Georg Rhau eine Einfassung mit Bau mit zwei alten Männern und sieben Engelknaben, 125 : 90 mm?58, die sich weiterhin bei Joseph Klug findet259,

Eine sehr eigenartige Darstellung bringt die Einfassung mit Bau und von Faunen ange- griffener Frau, 121 :83 mm, die zunächst bei Georg Rhau?90, später auch bei Peter Seitz be- верпеї261, Das Schriftfeld ist in ähnlicher Weise wie bei der zuletzt erwühnten Einfassung mit einem von Figuren belebten Bau umschlossen, dessen seit- liche Sockelteile vorspringen. Dazwischen kniet in der Mitte eine halbnackte Frau in ergebener Hal- tung, von jeder Seite tritt ein Faun mit ausgeris- senem Baumstamm gegen sie heran, dem Tempera- ment des MS entsprechend befremdlich ruhig für die unzweifelhaft in der Situation gegebene Angriffs- lust. Auch diese Einfassung findet sich bei Hans Walther in Magdeburg?9? kopiert, 120 : 80 mm, gleichseitig, mit Hinzufügung von schellenartigen Kugeln auf den Giebelschrägen.

Wenn auch die Kindergestalten des Monogram- misten M S im Typus sehr gleichförmig sind, so ver- raten sie doch seine sehr glückliche Beobachtungs- gabe in der Mannigfaltigkeit und Ungezwungenheit ihrer Bewegung. In munterer Menge beleben sie die Einfassung mit Bau und Kindern mit Musikinstrumenten, 129 : 89 mm, die wiederum 1534 bei Georg Rhau sich findet?63, und geben der ebenda gleichzeitig verwendeten? Einfassung mit bogenschieBenden Engelknaben, 123: 83 mm das fröhliche Gepräge.

Desselben Druckers Musiklehre ziert 1535265 eine wieder besonders sorgfältig ausgeführte originelle Einfassung mit Arion auf dem Delphin und

Kandelaberaufbauten, 124 : 81 mm*, auf der der Vordergrund durch ein Wellengewoge ausge- füllt ist, in dem der riesige Delphin schwimmt, den in modischer geschlitzter Tracht auf seinem Rücken hingestreckten Meister der Töne tragend. Aus dem feuchten Element erheben sich seitlich festgefügt Kandelaberaufbauten mit musizierenden Fabelwesen über den Sockeln, von schildhaltenden Knaben bekrönt, während ein Medaillonkopf im Kranz und Blattdelphine den oberen Abschluß über dem Schriftfeld bilden.

Das Motiv der Ausgestaltung des Schriftfeldes als eines großen, sich leicht einrollenden Papier- blattes nimmt die Einfassung mit Wildenpaar und Pelikan, 127 : 78 mm, wieder auf, die eben- falls Georg Rhau eignet?97 und Schilder mit dem Gotteslamm und der Lutherrose aufweist. Die deko- rative Rahmung wird hier durch Pflanzenorna- ment und Blattdelphine in gewandter Anordnung vollzogen. Eine sowohl in Zeichnung und Schnitt rohe und ungeschickte Kopie, 125 : 80 mm, findet sich in Magdeburg bei Christian Ródinger?*, gleich- seitig getreu bis auf die Wappen. Links ist hier eine Rose gegeben, die der Lutherrose ähnlich ist, aber weder Herz noch Kreuz erkennen läßt, rechts statt des Lammes mit der Kreuzfahne das Stadtwappen von Magdeburg.

Eine Einfassung mit Rahmenaufbau, Wap- pen und Hunden, 125 : 81 mm?99, bei Georg Rhau??0 gibt neben der Lutherrose Melanchthons Schlange am Kreuz und das große sächsische Wappen von dahinter gelagerten wildem Mann und zottigem Fabeltier gehalten; auf den Giebelstücken ducken sich angriffsbereit zwei gut beobachtete Hunde; Zeichnung und Schnitt erscheinen hier derber als in den übrigen Einfassungen. Eine Kopie, 123: 80 mm, auf der statt des wilden Mannes und des Fabeltieres zwei nackte Knaben in gleicher Weise das etwas veränderte sächsische Wappen halten, findet sich in Wittenberg bei Veit Creutzer?”. Eine Kopie, 105 : 74 mm, auf querschraffiertem

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Abb. 20. Monogrammist MS

Monogrammist MS

Abb. 19 -

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Grunde, in der unten statt der Wappenhalter und des sächsischen Wappens des Originals eine Füllung mit Blattornamenten zwischen zwei nach außen gewendeten Blattdelphinen gegeben ist, hat in Wittenberg Nickel Schirlentz 272.

Noch zwei weitere Oktav-Einfassungen des Mono- grammisten MS finden sich bei Georg Rhau: die Einfassung mit Portalbau und wilden Män- nern als Wappenhaltern, 129 : 89 mm?7?, und die Einfassungmit Portalbau, Engelknaben, Affen und von Löwen und Greif gehaltenem sächsischen Wappen, 128 : 81 mm??4, Der ers- teren sind wiederum Schilde mit Lutherrose und Melanchthonschlange beigegeben, die wie das große sächsische Wappen unten in der Mitte von wilden Männern gehalten werden. Trefflich charakteri- siert sind die possierlichen Affen. Eine unermüd- liche Erfindungsgabe und liebevoll alle Einzelheiten berücksichtigende Durcharbeit schaffen hier immer neue reizvolle Variationen sowohl der Aufbauten wie ihrer Belebung mit Figuren und ihrer Ausstat- tung mit Schmuckformen.

Auch Joseph Klug hat einige der Oktav-Ein- fassungen des Monogrammisten M S und zwar über- nimmt er zunächst von Peter Seitz275 die Ein- fassung mit Einhorn, Elch und Pelikan, 124 : 83 mm?”®, die einzige, in der Motive geradezu wiederholt erscheinen, die aber doch, da nirgends direkt kopiert ist, eigenhändig sein dürfte. Auf- fällig ist allerdings, daß die seitlichen Aufbauten, aus schlanken Henkelvasen hervorgehende Blatt- ornamente, sich nicht in gewohnter Weise dem Schriftfeld rahmenmäßig anschmiegen. Die Über- nahme einer ursprünglich bei Georg Rhau auftreten- den Einfassung ist bereits oben vermerkt (vgl. Anm. 259). Die Einfassung mit Bau mit zwei Engelknaben und von Löwen und Greif ge- haltenem sächsischen Wappen, 125 : 82mm??? kommt zunächst (bis mindestens 1540) mit vollen Einfassungslinien vor, später sind die seitlichen Einfassungslinien nur etwa bis zur Höhe des Schrift-

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feldes unten erhalten, die obere Einfassungslinie fehlt ganz. Der großen Einfassung zur Bibel von 1534 entspricht in der Einfügung des Schriftfeldes als eines dem Bau angehefteten Vorhangs die Ein- fassung mit Portal mit Engelknaben und Löwen im Giebelfeld, 121 : 87 mm (Abb. 20). Gotteslamm und Lutherrose kehren wieder in der Einfassung mit Portalbau mit zwei Schild- haltern, 123: 82 mm?78, hier aber Schilden zwi- schen Ranken eingestellt, während die beiden statt- lichen Schildhalter lediglich Zierschilde halten.

Außerhalb Wittenbergs habe ich solche Oktav- Einfassungen des MS bisher nur in Leipzig bei dem anscheinend sehr betriebsamen Nickel Schmidt (Faber) gefunden. 1536279 verwendet er еше Ein- fassung mit Bau mit zwei Engelknaben und Waffenstücken, 114 : 82 mm, die eine große Frische aufweist und wiederum ganz neue Motive bringt. 1538280 hat er eine Einfassung mit Blatt- ornamentrahmen mit zwei nackten Knaben auf Steckenpferden, 115 : 83 mm, die durch die rahmenmäßig dem Schriftfeld angefügten Blattorna- mentewiederum besonderscharakteristisch erscheint.

Im Anschluß an die Oktav-Einfassungen des MS bleibt eine Einfassung zu erwähnen, die entweder eine freie Nachahmung seiner Art oder die Kopie eines noch unbekannten Originals darstellt, da sie einen Rahmenaufbau der bekannten Art gibt: die Einfassung mit zwei gelagerten schildhaltenden Figuren, 113 : 83 mm. Ich kann sie bisher nur in einem späten Druck ohne Ortsangaben nach- weisen?81, doch dürften sich die Initialen im Schilde wohl auf Melchior Sachse in Erfurt beziehen. Sie sind jedenfalls nicht für unseren Zeichner in An- spruch zu nehmen?82, denn gewisse Züge deuten entschieden auf einen anderen Zeichner, nämlich den just auch verschiedentlich für Melchior Sachse tätigen Monogrammisten AW. Seiner Art ent- sprechen die durch kleine Kästchen verzierten Voluten über dem Schriftfeld und der Medaillon- kopf zwischen ihnen.

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Auffälligerweise hat eine schöne charakteristische Arbeit des Monogrammisten M S bisher noch keiner- lei Beachtung gefunden, nämlich die Folio-Ein- fassung mit den Evangelistensymbolen, Moses, Opfer Abrahams, eherner Schlange und Geburt Christi, 250 : 161 mm, die zuerst 1548 in Luffts Bibel?282 auftritt, in der Titelauflage von 1549284 beibehalten ist und dann nur noch ein- mal 1551285 wiederkehrt. Ihrer ganzen Art nach steht sie den beiden Quart-Einfassungen mit Sün- denfall und Erlósung sehr nahe, der etwas zer- streuenden Wirkung der kleinfigurigen Szenen wird durch die kräftig dekorative Betonung der vier Bildecken mit den Evangelistensymbolen günstig entgegengearbeitet.

Zur Übersicht bleibt nur noch auf einige Zu- schreibungen hinzuweisen, die ich inzwischen be- reits an anderer Stelle an den Monogrammisten MS machen konnte und die seine Tätigkeit auch

noch für die vierziger Jahre belegen: die Spottbilder auf das Papsttum2®®; drei Kardinäle reinigen mit Fuchsschwänzen die Kirche?287; Kurfürst Johann der Beständige und Luther neben Christus am Kreuz?*'; Medaillonbildnisse des Kurfürsten Johann Friedrich, Johann Huß’, Luthers, Melanchthons und des 54- jährigen Georg Rhau?5?; Arion auf dem Delphin®%; Venus und Ámor*90,

Max Geisberg hat inzwischen die Reihe der Einblattholzschnitte aufs glücklichste vermehrt durch das Spottwappen des Papstes??l, die Er- scheinung der hl. Dreieinigkeit vor den Sóhnen des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen???, die wunderbare Sonnenerscheinung über Witten- berg 1551293, Hinzukommen das Papsttum als Antichristentum2% und die Darstellung des Feld- lagers Karls V. in Wittenberg, auch die Dar stellung des Traumes Melanchthons dürfte sich

anschließen.

ANMERKUNGEN

1 Max Geisberg, Der deutsche Einblatt-Holzschnitt in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, München 1923 fl., Hugo Schmidt Verlag.

2 Kunstgeschichtl. Anzeigen, Jg. 1904, S. 51 ff.

2 Za der Fülle der noch ihrer Lösung harrenden Aufgaben der Bibliographie vgl. z. B. P. Hohenemser im Vorwort zu „Flugschriftensammlung Gustav Freytag“, Frankfurt 1925. NB. auch W. Menn im Zentralbl. f. Bibliothekswesen, 42, Jg.

1925). | 4 m dazu meine Ausführungen in meinen „Beiträgen zur Bibelillustration des sechzehnten Jahrhunderts..." in Stud. z. d. Kgsch. Heft 226, Straßburg 1924.

* Vgl. die Verzeichnisse von H. Curjel „Hans Baldung Grien“, München 1923.

* Es existieren zwei Ausgaben dieses Nachdruckes: vgl. G.Kawerau in „Deutsche Drucke älterer Zeit in Nachbildungen" III, S. XXVI El und 2; Luthers Werke (Weimar 1883ff.) Bd. 9, S. 691 C, S. 693 D. Das jetzt in München, Staatsbibl., befindliche Exemplar (H. Eccl. 870 g) dürfte das in der Lite- ratur angeführte aus Katalog Rosenthal X X XVIII sein. Die eine (häufiger anzutreffende) Ausgabe hat bei den Signaturen arabische Ziffern, die andere deutsche Buchstaben zur Zählung. Beide Ausgaben haben ein fingiertes Impressum (NB. die zweite mit Druckfehler ,gerudt” statt „getruckt“, während

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die erste in den voranstehenden Verszeilen den Druckfehler „Chiſten“ statt „Chriſten“ hat!): Ex arga Noe, das zu der Annahme, es handle sich hier um einen Druck des Erfurter Melchior Sachse, irreführte. Die bildliche Ausstattung erweist den Nachdruck zweifellos als Straßburger Druck. Schon Knaake und Pietsch vermuteten aus sprachlichen Gründen Straßburger Herkunft und Herrn Dr. Schottenloher verdanke ich die freundliche Mitteilung seiner Bestimmung auf Strab- burg nach den Typen.

? Schuchardt II, S. 245 V bei 104. Es liegt hier die zweite (deutsche) Ausgabe des Cranachschen Originals sugrunde, Luthers Werke a. a. O. S. 690B, da in der Folge der Nachdrucke ebenfalls die (in dieser das ursprüngliche Blatt mit Christus auf der Wanderschaft ersetzende) Kreuztragung sich findet.

Die Darstellung der Geburt Christi fehlt der Folge der Nachdrucke, da hier aus altem Bestande ein (wesentlich kleinerer) Stock mit der gleichen Darstellung, eine Straßburger Arbeit mit Ausklängen Schongauerschen Einflusses, Verwen- dung fand: 110 : 84 mm, vor einer Ruinenmauer kniet in Bild- mitte Maria nach halblinks gewendet, das auf ihrem Mantel- zipfel liegende Kind anbetend, links dahinter Ochs und Esel, rechts Joseph mit einer Kerze, über der Gruppe drei schwebende Engel mit großem Notenblatt und hinten links in einer Lücke der Mauer zwei hereinschauende Hirten.

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

8 Vor einem Kirchenportal steht rechts der Papst, vor ihm ein großer Sack, daran: limb gelt || ein fad || vol ablaß ||; links davon kniet in der Mitte des Vordergrunds ein Knabe nach links, der eine Gans hält und hinter dem nach links ein Schwein hervorsieht; links kommen aus einer Straße vom Hintergrund vier Geistliche heran, denen ein Knabe mit zwei Glocken voranschreitet. Der Holzschnitt findet sich wieder- verwendet in: Ermanüg да den Queftíonte=||ren abzüftellen überliflüffigen koſten. о. О. 1522; 8 BIL in 40; Panzer II Nr. 1480, ein Exemplar in Wernigerode (Hc 1035).

* Im Vordergrunde rechts von einer vom oberen Bildrande überschnittenen Tanne steht Christus mit Kreuzstrahlen- nimbus von vorn gesehen, das Lamm, das er über der Schulter trägt, mit beiden Händen an den Füßen haltend; links davon steht Petrus im Profil nach rechts mit betend ausgestreckten Händen, zu seinen Füßen stehen zwei Lämmer, hinter ihm steht dichtgedrängt die Schar der übrigen Jünger; im Hinter- grunde links auf Felsen eine Burg. Der Holzschnitt findet sich wieder verwendet in: Ghriftelide || verätwortig M. Mat||thes Zell. . , Straßburg, Wolf Köpfel, 1523. Ein Exemplar in Wolfenbüttel (194. 4 Th. 40). Kuczynski Nr. 2861.

10 In einem überschnittenen Raum, mit Ausblick in Hof oder Straße links, steht ein großer Tisch, auf dem (von einem vorn rechts sitzenden Mönch gehalten) ein Mann auf dem Bauche liegt und Geld speit; links steht als Hirte der Papst mit Wolfs- kopf, mit der (!) Linken segnend, mit der Rechten den Schäfer- stab haltend, vor ihm rechts geht ein Lamm; hinter dem Tisch sitzen drei Geistliche, die jeder einen Knochen und Blattquaste halten; links an der Wand hängt ein Fell. Eine Nachbildung dieses Holzschnitts aus einem Druck von 1576 findet sich ab- gebildet in Katalog XLVII von J. Halle, München.

п Bll. 2 der Papst wehrt dem Kaiser mit Heeresgewalt, 15—18 der Papst kommandiert eine Armee, Christi Einzug in Jerusalem, der Papst im Staat zur Hölle reitend, Christus ge- bietet seinen Jüngern Armut, 20 Christus verwirft die äußer- lichen Geberden vom Reich Gottes, 21 der Papst segnet Mönche und Nonnen, 23 der Papst verkauft Ablaßbriefe, 25 der Höllensturz des Papstes. Teils gleich-, teils gegenseitige Ko- pien nach Lukas Cranach d. Á.

12 Dessen Kenntnis wir vor allem P. Kristeller verdanken. Vgl. „Die Straßburger Bücherillustration im XV. und im An- fange des XVI. Jahrhunderts“, Leipzig 1888.

9 H. Curjel а. a. O. ,,Buchillustrationen" XVI und Abb. S. 87.

14 ВП. 4 die Krönung des Papstes mit der Tiara, 7 Christus läßt Petrus den Zoll aus dem Maul des Fisches bezahlen, 9 Christus inmitten der Krüppel und Aussätzigen, 10 der Papst beim Turnier, 13 Christus predigt dem Volke, 14 der Papst und seine Geistlichen beim Gelage.

18 Drei Blätter der Folge geben ganz getreue, aber sehr rohe gegenseitige Kopien nach Lukas Cranach d. Ä.: 5 Christus wäscht Petrus die Füße, 8 der Papst belegt Steuereinziehung von Geistlichen mit dem Bann, 11 die Kreuztragung Christi.

Drei Blätter (19 der Papst verleiht mächtige Bischofssitze, 22 Christus treibt die Händler und Wechsler aus, 24 Christi Himmelfahrt), die Lukas Cranach d.Ä. gleichseitig kopieren mit einer innerhalb der sonstigen Straßburger starren Art auf-

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fälligen Auflockerung der Zeichnung und des Schnittes, könnten möglicherweise von derselben Hand herrühren, wie der von E. W. Braun (Zeitschr. f. bild. Kunst М. Е. IX, 1897/98) Baldung zugewiesene, von Curjel mit Recht ver- worfene Schnitt aus der Folge zu Geilers ,,Emeis", Straßburg, Joh. Grüninger, 1516, dem sich andere anreihen.

1* Kristeller a. a. O. Nr. 537. Nr. 105 in Katalog XLV von J. Halle, München, mit verkleinerter Abbildung des in Frage stehenden Holzschnitts auf S. 27. [Erst nach Drucklegung dieser Arbeit sehe ich, daß der Holzschnitt bereits einmal als Arbeit Baldungs angeführt ist, von Е. Dörnhöffer in der Wick- hoff-Festschrift S. 126 Anm. 4.)

17 Vgl. A. Ruland „Die Entwürfe zu den Holzschnitten der Werke des Celtis" im Arcbiv f. d. zeichn. Künste II (1856).

з Von Н. Röttinger in „Dürers Doppelgänger“, Straßburg 1926, Peter Vischer d. J. zugeschrieben.

19 Vgl. K. Steiff „Der erste Buchdruck in Tübingen‘, Tü- bingen 1881.

20 Maße 238 : 171, Schriftfeld 125 :106, Höhe unten 72, Breite rechts 32 mm. K. Steiff a. a. O. S. 29, 1), mit Nachweis der Vorbilder; siehe dort auch die Verwendungen. Zu Steiff Druck Nr. 128, der diese Titeleinfassung auch bat, ist zu be- merken, daß in dem Exemplar der Universitätsbibliothek Münster (K“ 7036, hiernach auch die Abbildung) eine von Steiff unbeschriebene Variante a vorliegt mit abweichender vorletzter Zeile. Die Angabe des Jahres statt der Strafe für den Nach- druck (in Variante b: . . / bef peen zehen mard golds. ||) be- stütigt Steiffs Annahme (vgl. bei seiner Nr. 130), daB das Pri- vilegium beim Druck noch gar nicht im Wortlaut vorlag; beim Druck von a war also auch noch nicht einmal die fest- gesetzte Strafe bekannt. |

21 Н. A. Schmid im Jahrb. d. Preuß. Kstslg. XIX (1898), S. 74, 7. Heitz- Bernoulli, „Die Basler Büchermarken . .* S. 63 VIII (96).

22 Y. Heß „Ambrosius Holbein“, Straßburg 1911, Nr. 14, Tafel XI.

22 Abbildung bei Curjel a. a. O. Tafel 71.

4 Curjel, Buchillustr. XII, Abb. S. 66.

5 Anzeiger f. schweiz. Altertumskunde N. F. Bd. IX (1907), S. 142, Nr. 373.

26 Maße 133 : 94, Schriftfeld 70 : 48, Höhe unten 36, Breite rechts 24 mm. K. Steiff a. a. O. S. 31, 8), siehe dort und bei Koegler die Verwendungen. A. Götze, „Die hochdeutschen Drucker der Reformationszeit“, Straßburg 1905, Titeleinfas- sung Nr. 36. Im zweiten Zustand zerschnitten und mit an- deren Leisten zusammen verwendet, so auch nach dem unge- deuteten Monogramm (Morharts) als Arbeit eines unbekannten Baseler Formschneiders oder Druckers von Nagler angeführt, Monogr. IV, Nr. 2203.

27 E. His in Zahns Jahrb. VI, 1873, Nr. 314.

28 Maße 162:117, Schriftfeld 89 : 70, Höhe unten 47, Breite rechts 23 mm. K. Steiff a. a. O. S. 30,4), siehe dort auch die Verwendungen.

* Hochleiste His Nr. 327 besonders c, abgebildet bei E. Major, Urs Graf, Straßburg 1907; Titeleinfassung His Nr.319, Umschlag; Silbergravierung abgebildet beiE.Major а. а. O. Tafel XIV, 1. Vermutlich doch direkt auf die Hoch-

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leiste Grafs (und auf dessen Querleiste Koegler a. a. O. S. 214, Nr. 379a) geht die Leipziger Oktav-Einfassung zurück, die ich in meinen „Beiträgen zur Bibelillustration des sechs zehnten Jahrhunderts“, Straßburg 1924, S. 131 bei Verzeich- nis A Nr.(23) anführte; der obere Teil kopiert, was ich seiner- zeit nicht erkannte, die Einfassung des Ambrosius Holbein,

W. Heß а. а. О. 3, Abb. S. (I). 2 Hochleiste His Nr. 327 b, abgebildet bei E. Major a. a. O.

Vorrede.

31 Es sei hier vermerkt, daß die Quart-Einfassung mit zwei wilden Männern und zwei Knaben in Bäumen, Wappen und Spruchband, Curjel, Buchillust. IX, sich bereits 1510 in einem, von Kristeller a. a. O. nicht angeführten, bezeichneten Druck Johann Schotts befindet: Refugfü Ad uocatoru . ||. ., Panzer VI, S. 49, Nr. 192: ein Exemplar in Wolfenbüttel (36. 14 Jur. 4°). Eine gegenseitige Kopie dieser Einfassung im zweiten Zustande mit leerem Spruchbande, mit dem Druckerzeichen statt des Doppeladlers findet sich in deutschen und schwedischen Drucken Georg Richolffs, vgl. A. Sjögren in Svensk Exlibris Tidskrift V (1915), J. Collijn in Svend Dahls Biblioteksbandbok, Upsala 1924 und Sveriges Bibliografi Bd. II, Upsala 1927, S. 53. Die Quart-Einfas- sung aus vier Teilen mit Girlanden, Trophäen und vier Knaben, Curjel, Buchillustr. XXI, findet sich nach der Abbildung 11 bei H. Wolff „Die Buchornamentik im XV. und XVI. Jahrhundert“ (Deutschland I), Leipzig 1912, bereits 1511 bei Johann Schott mit Überdruckplatte; es scheint danach, als sei der erste Zustand dieser Einfassung unzerschnitten, der zweite in vier Teilen.

3! Die von Mela Escherich Baldung zugewiesene Quart- Einfassung mit wappenhaltendem Wildenpaar, Auf- bauten mit Narren und Kindern (vgl. das „Verzeichnis von Baldungs Holzschnittwerken“ in „Hans Baldung-Grien Biblio- graphie“, Straßburg 1916, Nr. 14; Heitz- Barack „Elsässische Büchermarken . .", Taf. VII 2), die im ersten Zustande die Marke des Matthias Hupfuff trägt, ist mit Curjel (a. a. O. S.163) als Arbeit Baldungs zu verwerfen. Das Signet des Hage- nauer Thomas Anshelm (Heitz-Barack a.a. O. Taf.L XII 2), das Mela Escherich a. a. O. Nr. 22 ebenfalls Baldung zuweist, wird von Curjel a. a. O. S. 163 wenig glücklich als ,, Werkstatt- arbeit“ angesprochen; daß es sich einer selbständigen Gruppe von Arbeiten einfügt, erweist Н. Róttingers Zuschreibung an Hans Vischer(,,Dúrers Doppelganger“, Straßburg 1926, 5.168).

33 Heitz-Barack а. a. О. Taf. XIV 3. A. Meiner „Das deut-

sche Signet“, Leipzig 1922, Abb. 40. м Heitz-Barack а. а. О. Taf. IX 2. Abb. 33. 35 Heitz-Barack a. a. O. Taf. XXV 1. 26 Heitz-Barack а. а. О. Taf. XXV 2. 37 Abb. 304 in Diederichs , Deutsches Leben der Vergangen- heit...“ I; Abb. S. 151 zu Nr. 471 in Katalog LXVII von J. Rosenthal, München (, Illustrierte Bücher des 15.—19. Jahr-

A. Meiner a.a. O.

hunderts“, Teil II). 38 Dodgson „Catalogue of Early German and Flemish

woodcuts .. in the British Museum" II, 5.6, bei Nr. 2. Abbil- dungen a. a. O. wie das andere Bildnis Abb. 300, Abb. S. 152

zu Nr. 472.

29 Vgl. Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerh. Kaiser. hauses, Bd. V, 1887. Zum Vergleich heranzuziehen ist auch die Darstellung des jüdischen Gelehrten mit kabbalistischem Emblem (Dodgson, Catalogue II S. 123 bei Nr. 2). Die Neu- zuweisung dieses Holzschnittes, sowie des Eybe-Bildnisses an Hans Weiditz durch Th. Musper in „Die Holzschnitte des Petrarca-Meisters" (München 1927) halte ich für völlig ver- fehlt.

* A. a. O. Abb. 112.

41 A. а. O. Abb. 107. 42 Vgl. die Faksimileausgabe herausg. von O. Clemen in

„Zwickauer Faksimiledrucke'* Nr. 16, Zwickau 1913.

в A. a. O. S. 127, bei Nr. 7.

14 Und zwar durchweg in Schriften des Johannes Pinicianus; 1545 noch bei Valentin Otmar. Vgl. dazu F. Cohrs in Monu- menta germ. paed. Bd. 22 bei XXXI; die Vermutung, daf die „Kiefer?“ im Schilde eine Anspielung auf den Verfasser- namen darstelle, ist hinfällig, da es sich hier um das Augr burger Wappen handelt, wohl aber könnten die mächtigen Kiefern der Seitenteile so gedeutet werden.

„Kopien von Teilen solcher finden sich in Augsburg bei Jörg Nadler, vgl. Pflugk-Harttung „Rahmen deutscher Buch- titel im 16. Jahrhundert" Taf. 43 und 63. Eine mit Anleihen aus fünf Einfassungen der Folge zusammengestoppelte Quart- Einfassung begegnet in Erfurt bei Joh. Loersfeld, späterhin zerschnitten bei Valentin Schumann in Leipzig; J. Luther, Die Titeleinfassungen der Reformationszeit, Taf. 72.

4 A, Götze, „Die hochdeutschen Drucker der Reformations- zeit". Titeleinfassung 173.

‘7 Eine täuschende Kopie findet sich in München bei Hans Schobser: vgl. К. Schottenloher, „Der Münchner Buchdrucker Hans Schobser“, München 1925, S. 15, 7. und Abb. Taf. XXV.

Pie von Max Geisberg in seinem „Einblatt-Holzschnitt“ wieder aufgenommene Deutung des H in Behams Monogramm auf die zweite Silbe des Hausnamens (nach Analogie der Deu- tung von Aldegrevers Monogramm) und somit der Fortfall des Doppelrufnamens, verdient wohl allgemeine Aufnahme!

4 „Die Holzschnitte Barthel Behams“, in Studien z. d. Kunstgesch. Heft 218, Straßburg 1921. Für Hinweise, die beiden ersten der folgends besprochenen Holzschnitte betref- fend, bin ich Herrn Hofrat Röttinger zu Dank verpflichtet.

9^ In Drucken Hans Hergots, der Hergotin und Georg Wachters.

s1 Vgl. Röttinger a. a. O., Verzeichnis Nr. 1, Abb. Taf. Iu I.

м» IOANNIS SCHO-||NERI CAROLOSTADII OPVSCV| LVM GEOGRAPHICVM EX DIVERSORVM LII bris ac cartis summa cura & diligentia colle-||ctum, accomodatum ad recenter ela-|boratum ab eodem globum de-|!scriptionis ter- renae. ||... 4°, 21 ungez. + 1 leeres Bl. (Nürnberg, Job. Stüchs, datiert nach dem Widmungsbrief November 1533]; Exemplare in Berlin (Po 5240) und Wolfenbüttel (171.76 Qu.)

n Der Holzschnitt findet sich 1546 wiederverwendet in Nürnberg bei Christoph Gutknecht in dessen böhmischer Über- setzung von Th. Naogeorgus; $ Ragedy Nowa Bamadpus . - 4°, über deren in typischer Weise für die Mitte des 16. Jahr- hunderts vielfältig zusammengestoppelte Ausstattung mein Be- richt in einer tschechischen Zeitschrift zum Abdruck kommen

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

wird. Eine Verwendung um 1530 findet sich bei Georg Wachter in Jörg Graff: Ein newes Liede, von || dem Lantzknecht auff der fteígé, .. 8°, vgl. „Zwickauer Faksimiledrucke“ Nr. 12 (Zwickau 1912) herausg. von A. Götze. In der ebenfalls in den dreißiger Jahren anzusetzenden Ausgabe der Kunigund Her- gotin: Eyn new lied von dem || Santfnedt auff der ftelsen . . (Berlin, Staatsbibl. Yd 7821, aus Slg. Meusebach) findet sich der gleiche Holzschnitt ohne die Jahreszahl (1546 ist die Jahreszahl vorhanden!), aber nach dem Vergleich mit dem Faksimiledruck anscheinend doch vom Originalstock, also ver- mutlich mit Abdeckung der Jahreszahl; es müßte sich sonst um eine völlig täuschende Kopie ohne die Jahreszahl handeln.

53 Ein hubſch еде / Das || Mapdlenn zu dem prunnen gieng. || Ein anders / Es wolt ein mayd⸗ / (ерп waſſer holen /.. . 8°, o. J. Berlin, Staatsbibliothek, Yd 7821 aus Sig. Meusebach.

м С. Pauli „Hans Sebald Beham, ein kritisches Verzeich- nis..", Straßburg 1901, Nr. 1231. Dodgson, Catalogue 1, S. 476, Nr. 140.

ss „Nachträge. ., Straßburg 1911, Nr. 1354 а.

м Liefg. XIX, 14.

#7 Coronatio Inuictissimi Caroli Hispaniarum Regis ||. . 4°, Panzer VII, S. 464, Nr. 175; ein Exemplar mit besonders guten, wohlerhaltenen Drucken der Schnitte in Wolfenbüttel (201. 1 Qu. 4°).

5! Rerum certa salus: terrarum gloria Caesar || Lege si uisum fuerit lector reperies || aliqua uulgo minus cognita ||

5% Neue Nachträge zu Paulis Verzeichnis, die vermutlich diese und weitere Buchillustrationen enthalten werden, von H. Röttinger, sollen binnen kurzem erscheinen.

% In drei Ausgaben (der Disputation . .) Georg Erlingers in Bamberg, vgl. über diese K. Schottenloher „Die Buch- druckertätigkeit Georg Erlingers . .", Leipzig 1907, Nr. 32a (fehlt bei E. Goetze „Hans Sachs“ Bd. 24, Tübingen 1910), b = Goetze 7b, с = Goetze 7a; ebd. Abb. 10, ferner Abb. auf S. 147 bei G. Könnecke „Bilderatlas z. Gesch, d. d. Nat. Lit." 2. Aufl., Marburg 1912. Die Ausgabe Goetze c bringt eine táuschende, aber vergröbernde K o pie (der Haken des Originals auf dem Kinn der Köchin fehlt hier). Der Nachdruck Nikolaus Widemars in Eilenburg, Goetze d, hat eine in Einzelheiten freie, in der Anlage des Ganzen und der Haltung der Figuren aber getreue Kopie vom Meister der Zackenblätter, vgl. meine obenangeführten „Beiträge zur Bibelillustration . .'' S.16. Die Holzschnitte der übrigen Ausgaben kenne ich nicht.

*! Zum Gespräch eines Evangelischen Christen mit einem Lutherischen, in der Ausgabe Goetze f und zum Dialogus und Argument der Romanisten in den Ausgaben Goetze 9c und d.

Zum Dialog der Römischen in der Ausgabe Goetze 9a, die von K. Schottenloher (in „Beiträge.. Paul Schwenke gewidmet‘, Berlin 1913) als Druck Hieronymus Höltzels nach- gewiesen wurde. Abb. S. (105) bei R.'Zoozmann „Hans Sachs und die Reformation“, Dresden 1904; Abb. in Katalog XLVI von J. Halle, München.

* Practica auff diß || M. D. пн. Jar / vnd ein trewe warnung an alle || Stende wider de angezünten zorn Gottes. Der getrew Eckhart... . 4°, 8 ungez. BIL, o. О. u. J.; Exemplar in Berlin (Diez 1856).

81

e H. Röttinger, Erhard Schön .. (Straßburg 1925), Nr. 306.

65 Ein inhaltlich ebenfalls völlig übereinstimmender, in der Durchführung aber ganz beziehungsloser Holzschnitt, 72: 104 mm, findet sich auf dem Titel zu Paracelsus: Duns derbarer vnnd || mercklicher Geſchichten / . In Zwickau (XXII. IX. 47) und vermutlich dieselbe Ausgabe in der Flug- schriftensammlung G. Freytag, nach Hohenemser Nr. 63, danach = Sudhoff, Bibliographia Paracelsica 8, 6.

% 3wep пеше Lieder / Das Erft / Wol auff wir wile || lens wecken. Das ander / Die alte Trumpel / ... 8°, ungez. Bll., o. J.; Exemplar in Berlin (aus Sammlung Me usebach Yd 7321 35).

в Vgl. in meinen „Beiträgen.. Verzeichnis A Nr. 69, S.156, wo die Abhängigkeit noch nicht erkannt ist. Vermut- lich ist der Kopist identisch mit dem bei Nagler Monogr. II Nr. 672 aufgeführten Kopisten von Einzelblättern.

es Luthers Werke, Weimar 1883ff., Bd. 30', S. 704, Nr. 3.

Vgl. Geisberg, „Einblatt- Holzschnitt. Liefg. X 33, XI 26, XIV 15, XXII 33; dazu Archiv f. Reformationsgesch. XXIII. Jg. (1926), S. 106—107.

12 Vgl. Н. Rupé „Beiträge zum Werke Hans Burgkmairs d. A.“, (Dissertation) Borna-Leipzig 1912.

11 Von К. Schottenloher „Die liturgischen Druckwerke Erh. Ratdolts . .'* (Mainz 1922) im Verzeichnis angeführt, aber nicht abgebildet. Ein (defektes) Exemplar in Münster, Lan- desmuseum.

72 Rupé а. а. О. S. 3, 3. Abb. bei К. Schottenloher a. a. O.

зз „Einige Titelholzschnitte Lukas Cranach d. А. und ihre Druckausgaben'' im Zentralbl. f. Bibliothekswesen Jg.44 (1927). Ein Aufsatz über eine zweite Folge Wittenberger Heiligtümer wird demnächst im Jahrb. d. Preuß. Kunstsammlungen er- scheinen.

7338 Exemplare in Zwickau (XVII. XII. 45).

135 Philips Me⸗ lanchthons Anwyſyn⸗ge рп de Hillige Gitlide || ſchrifft dorch Geor⸗gium Spala||tinum || vordidet. || . . 89, Exemplar in Wolfenbüttel (161. 7 Qu. H.).

73e A. Meiner „Das deutsche Signet.“ (Leipzig 1922). Die Abbildung kommt nicht an die Wirkung des Originals heran. Erst die Kenntnis des ausgezeichneten Druckes im Gothaer Exemplar von Plautinum рое| та cui Truculento || nomen eft. || (Leipzig, M. Lotther 1512; ? ob Panzer VII 179 Nr. 409) ließ mich die Bestimmung treffen.

74 Vgl. über ihn meine „Beiträge.. S. 11ff.

15 Vgl. meinen Aufsatz „Die Illustrationen in Gustaf Vasas Bibel von 1540/41 und ihre Meister" in Nordisk Tidskrift för Bok- och Biblioteksväsen XIV (1927). In der Reihe dieser Illustrationen findet sich auch die ursprünglich bei Hans Lufft und Hans WeiD auftretende und in deren erhaltenen Exem- plaren nur schwer zu beurteilende Folge zur Offenbarung Johannis wieder, die ich glaubte dem Meister der Jakobsleiter zuweisen zu müssen („Beiträge . .'* S. 32), die sich aber jetzt ebenfalls als eine Arbeit des Meisters der Zackenblätter heraus- gestellt hat.

* Als Titelholzschnitt vielfach verwendet, vgl. Druck- schriften Emsers bei Martin Landsberg in Leipzig. Es existiert davon eine nur wenig kleinere täuschende Kopie, 96 : 86 mm, bei der zwei Blätter der Helmdecken den unteren Bildrand be-

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

rühren, am Helm statt der Punkte des Originals kleine Kreise gegeben sind und die Verzierungen fehlen.

77 [n Joh. Cochläus: An die Her⸗ renn, &dul-[[tbet8 vnnd Хар! zu Bern / . 4°(!), 1528. M. Spahn „Johann Cochläus“ Nr. 53. A. Götze „Die hochd. Drucker d. Reformationszeit“. Titeleinfassung 8.

в J. Luther, „Die Titeleinfassungen der Reformationszeit“ Taf. 76, wohl dem Monogrammisten A W zuzuschreiben.

782 1521 in: Julij Ruffi⸗niant de Figuris Lex⸗ eos et Dianoſas Li⸗ bell“. 4°; Panzer УП S. 218, Nr. 801 (Exemplar

in Weimar, Inc. 304). 78b In Joh. Agricola: DE CA || PITIBVS ECCLESIA ||

STICAE DOCTRINAE ||..8°; Panzer IX S.84 Nr. 163. Der Druck wird Nickel Schirlentz zugeschrieben, ebenso wie ein weiterer von 1526, der die gleiche Einfassung aufweist, nämlich Jud. Nazarei (Joachim Vadian): Vom Alten || ond пешеп Gott / ../ E. Kück in Neudrucken deutscher Literatur- werke des 16. u. 17. Jhs. Nr. 142—143 (Halle 1896) S. VIII 10. Beide in Münster, Univ.-Bibl. (Collect. Erh.590 und 614). Der Beschreibung nach scheint es sich aber auch in einem Joseph Klug zugewiesenen Drucke von 1523 um die gleiche Einfassung zu handeln, nämlich in Matth. Aurigallus: COM-|| PENDIVM || HEBREAE | GRAMMA-|TICES.., vgl. G. Bauch im Zentralbl. f. Bibliothekswesen 12. Jg. (1895) S. 400 Nr. 80.

» Vgl. а. a. О. S. 16. Über den Nachweis von Behams Vor- bild für den einen dieser Schnitte vgl.Anm.60. Auch dem ebenda angeführten Titelschnitt Jórg Gastels in Zwickau, Christus und Paulus im Weingarten, liegt ebenfalls ein Vorbild Behams zugrunde, von dem Röttinger eine Augsburger Kopie nach- weist, vgl. Katalog Kósel und Pustet „Das XVI. Jahrhun- dert“ Sektion B Nr. 176; das Original findet sich in der Aus- gabe von Georg Erlinger in Bamberg, Schottenloher Nr. 25.

89 Goetze Мг. бе.

s1 [Bamberg Georg Erlinger] = Goetze бс, vgl. zu dieser Zuschreibung K. Schottenloher im Zentralbl. f. Bibliotheks- wesen 28. Jg. (1911), S. 62 und in,, Beiträge.. Paul Schwenke. gewidmet", Berlin 1913, S. 236.

82 In Goetze 6a und b. 83a Eynn fren fprud: wie niemandes das ander dringen

folt / zu ſeynem vorſtand / auff das enntradt fryd / glaub / (еб / bleyb im land etc. || (Exemplar in Wolfenbüttel, 82. 1 Th. 4°).

83 In meinen „Beiträgen.. in Anm. 18.

вза Vorhanden in der Sammlung von Titeleinfassungen des deutschen Museums für Buch u. Schrift, Leipzig, als Aus- schnitt aus einem Drucke Melchior Lotthers von 1521; PVB. ТЕКЕМ || ТП COMICORVM LONGE ELE-|| GANTISSIMI COMOEDIAE, || METRO NVMERISQVE || RESTITVTAE. ||

83b J, Luther Taf. 105. ssc Angeführt von А. v. Dommer „Lutherdrucke a.d.

Hamburger Stadtbibl.“ bei Ornamente b Nr. 89. 83d J. Luther Taf. 19. A. v. Dommer a. a. O. Nr. 89.

83e „Cranachstudien‘ (Leipzig 1900) S. 221. взг Vgl. meine „Beiträge. S. 5 ff., woselbst ich auch auf

Flechsigs Abkehr von seiner Hypothese hinweisen konnte. 838 Ähnlich bezeichnete Arbeiten in Wittenberg, sowie in Erfurt, kommen für dieselbe Hand wohl nicht in Frage.

ssh „Beiträge .. bei Verzeichnis A Nr. 34.

83: Vgl. die a. а. O. Taf. VII als 14. Abb. gegebene Dar- stellung des Apostelauszugs.

м Vgl. die Abbildung des Titelblattes in P. Hohenemser »Flugschriftensammlung Gustav Freytag“, Frankfurt a. M., 1925, S. (305) und Nr. 4698.

85 Vgl. in meinen „Beiträgen. S. 86 in Anm. 18.

85а VErhor vn Acta vor bem Byſchoff von Menffzen ..; H. Barge in ,,Flugschriften a.d.ersten Jahren d. Reform.“ hrsg. von O. Clemen I 2. Ней Nr. 1, mit Abb. des Titelblatts.

86 Vgl. Katalog 65 von J. Halle, München, Nr. 74, mit Ab- bildung des Holzschnitts auf S. 33; Panzer VII S. 214 Nr. 753. (Ein Exemplar in Leipzig, Stadtbibl) Gleichzeitig ver- wendet in: Veſpere et vigilie de functorü fecundum Rubricam. | Jngenue пеп. Ecclefie. || .. gr. 49. Meißen р. p. Melchior Lotther 1520. (Leipzig, Stadtbibl.).

8? Dodgson, Catalogue .. П S. 413 Nr. 8. Abb. Bibliothek Knaake, Leipzig 1908, III S. 53; Katalog der Bibliothek Berg, München, 1922, S. 65.

88 E, Bócking, Ulrichs von Hutten Schriften 1. Bd. XV 3.

в J. Luther „Die Titeleinfassungen der Reformationszeit Tafel 107.

8% Monogrammisten V Nr. 35. 8% Christus am Ölberg in: Bekentnis des glauben Doct |

Mart. Luthers. .., in: Wyder den Sermon des Lu-||ther$ . .; in: Improbatío .. Eraminatto .. Das Abendmahl in: Multiloquus de cócitata er dictis Lu theri .. / in: Fur / vnd wider den vntterricht des Luthers ..; ferner 1534 in Georg Witzel: Von der heiligen] Euchariſty odder Meſs /.. (Katalog Knaake III Nr. 1104).

89% In: Breutarfus furta vera Rubrica || ingenue ecclefie

Mifneñ . . , ein (unvollständiges) Exemplar in Leipzig, Stadt- bibl. 894 In Joh.Tuberinus: AD REVE || RENDVM IN CHRIS- TO PATREM, AC DO-||MINVM, D. IOANNEM SCHLEI- NICE N- sem. Panegyri-||cus gratulatori' . .; Panzer XI S. 439, Nr. 671b. Ein Exemplar in Weimar (Autogr. T).

8% In: Dita beatiffimt patris Gode⸗ hardt Hildeneſhemen⸗ #8 .., 4% Panzer XI S. 439 Nr. 654 (vermutlich = VII S. 203 Nr. 654 und S. 206 Nr. 683). Ein Exemplar in Wolfenbüttel (39. 3 Qu.£).

* „Der deutsche Einblatt-Holzschnitt . .'* Liefg. Ш 28.

эз Nämlich in tschechischer Übersetzung.

es H. Röttinger in Mitteil. d. Ges. f. vervielfalt. Kunst 1906, bei Nr. 2.

s In Mitteil. d. Ges. f. vervielfält. Kunst 1927.

* Vgl. in meinen „Beiträgen .“ S. 26ff. Durch ein mir jetzt doppelt bedauerliches Versehen fehlt in der Aufzählung in Anm. 59 leider just der in Frage stehende Holzschnitt.

*5 Schramm-Gerber „Luther und die Bibel“, Leipzig 1925.

м Schuchardt II, S. 193,3. Dodgson, Catalogue . . lb S. 331, Nr. 25. Meine „Beiträge . .“ in Anm. 19, $. 87. |

*' Vgl. außer Röttinger a. а. О. E. Flechsig, „Sächsische Bildnerei und Malerei . .“, Liefg. I Abb. 38—40.

% Vgl. meinen zu Abschnitt V angeführten Aufsatz über

deren Illustrationen. Р * Vel. z.B. die Folio- Einfassung mit Portal un

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Engelknaben, die für die Erkenntnis desStiles Lembergers im Vergleich mit der Kopie des Meisters der Jakobsleiter besonders bedeutsam ist (,, Beiträge.. S. 27), und das Wappen des Kardinals Albrecht von Mainz (,, Beiträge. S. 28), dessen Zuschreibung an Lemberger jetzt noch durch den Nach- weis seines Vorkommens in einem Druck des Leipziger Lotther, nàmlich dem lateinischen Psalter für Halle 1527, bestütigt werden kann (vgl. P. Redlich „Cardinal Albrecht von Branden- burg und das Neue Stift zu Halle", Mainz 1900, S. 215,216).

19 Angeführt in Mitteil. d. Ges. f. vervielfült. Kunst 1927, S. 71 bei Nr. 62.

101 Luthers Werke, Weimar 1883ff., Bd. 301 S. 502 D*.

13 H. Röttinger „Dürers Doppelgänger“, Straßburg 1926, S. 20.

108 Mitteil. 4. Ges. f. vervielfält. Kunst 1927, $. 71 bei Nr. 62.

104 Luthers Werke a. a. O. ©*.

105 1534 z. B. in Gnaphäus: ACOLA-||STVS. || .., J. Bolte in Latein. Literaturdenkmäler des XV. und XVI. Jhs. Heft 1 (1891) 11.

106 Seelen ars || ftebpe / vor de geſun⸗ den vnde trangen tho || deffen varliken tiden / || onde (n dodes по: || ben / Dord || Vrbanum Rhegíum. || M. D. XXXV. ||; fol. (Ke): .. inn ewicheit / || Amen. || Gedrüdet tho Magde⸗borch. M. D. ere, || kl. 8°; fehlt bei Scheller, Bücherkunde der Sassisch-Niederd. Sprache (Braunschweig 1826) und desgleichen bei F. Hülße, „Beiträge zur Gesch. d. Buchdruckerkunst in Magdeburg“ in Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeb. 16. Ig. Ein Exemplar in Wolfenbüttel (Litt. Nied., Mischbd. 113).

17 Luther: Ein || Setbudlin / .., Luthers Werke (Weimar 1883 ff.). Bd. 10 n, S. 360 c.

107a Titelschnitt zu Magnus Hundt: Eyn Nuglihes || Res giment {атре dem bericht der ertzney wider etzliche trádbett.. 8°; O. Clemen in Archiv f. Gesch. d. Medizin 15. Bd. (1923) S. 87, 8. Ein Exemplar auch in Leipzig, Stadtbibl.

108 Melanchthon: Ein Buchlein || fur die kinder [. . 1529; Cohrs in Mon. Germ. Paed. XX, XIII 2 A und XXI, XX B, Suppl. Melanchth. 5. Abt. I, S. CXXX (2)* .. Bugenhagen: Von der heym lichen Beicht / || vnterricht. ..; fehlt bei Geisenhof, Bibliographie . . Bugenhagen; Cohrs in Mon. Germ. Paed. XXIII, XXXVII G.

102 Z. B. 1536 in Gnaphäus: ACOLA-||STVS . ||. ., J. Bolte in Latein. Literaturdenkm. des XV. u. XVI. Ihs. Heft 1 (1891) 16, und 1538 desgleichen ACO- LAST VS. ||. . a. a. О. 18.

10% Titelschnitt zu Magnus Hundt: Eyn Kurtzes vnd febr || Nutzbarlichs Regiment wi⸗ der dye .. kranckheit der Peſti⸗ leng.. 80; O. Clemen in Archiv f. Gesch. d. Medizin 15. Bd. (1923) $. 88,9. Der Holzschnitt auf fol. (D”)v mit den Würg- engeln stammt aus der Schumannschen Folge zur Apoka- lypse vom Meister der Jakobsleiter (vgl. meine „Beiträge . .“ S. 30 ff.)

19% Fol. (213)v und fol. (Os) v in Phil. Novenian: Eyn (done verordnung op || ben / der Peſtilentz /.. O. Clemen a. a. O. wie Anm. 107a S. 89,12. Als Titelschnitt ist hier das Lem- berger kopierende Wappen des Kardinalerzbischofs AI- brecht von Brandenburg vom Meister der Jakobsleiter (vgl. meine, Beiträge.. Anm. 64a) verwendet, das ich bisher nur erst 1532 bei Nickel Schmidt nachweisen konnte. Es

findet sich bei Nickel Schmidt aber auch schon 1531 ebenfalls in Michael Vehe: Bon dem Geſatz der || npefjung des heiligen hochwir⸗ digen Sacraments / in ерпег || geftalt. || ..; W. von Maltzahn „Deutscher Bücherschatz" Nr. 327 (Exemplar in Erfurt, Stadtbibl. Te 3415). 1534 ist es bei Michael Blum verwendet als Titelschnitt zu Caspar Schatzger: HABITA DOMI-| NICAE PRAECIS, QVOD PATER | NOSTER DI- CITVR,..; 4? (Leipzig, Univ.-Bibl.).

110 Das obere Querstück und die Seitenleisten scheinen die bei Dodgson, Catalogue . . IT, S. 358—359 bei Nr. 8 beschrie- benen zu sein.

111 Übereinstimmungen der Seitenleisten mit der Quart- Einfassung mit Ornamentaufbauten, Engelknaben und sitzen- dem Narr vom Monogrammisten H (vgl. „Beiträge . . S. 68) und der unteren Querleiste mit einer der Einfassungen zur Halberstädter Bibel des Monogrammisten MK (vgl. Zeitschr. f. vaterländ. Gesch. u. Altertumskunde Bd. 82, Münster 1924, S. 261%.) dürften auf keine direkte Abhängigkeit, sondern nur auf gleiche Vorbilder zurückzuführen sein.

In Luther: Ausle- gung der Cuangel|lfen .. 1528, Luthers Werke, Weimar 1883 fl., 10. Bd. 1 (2. Halfte) S. XXII.

1115 In Melanchthon -Spalatin: Ein febr Chriftlide || furge aus legung vber den || neuntzehenden Pfalm / .. 1531. Exemplar in Leipzig. Univ.-Bibl. (Kirchengesch. 929).

Mic In: Doctoris Joannis За: BRI, ADVERSVS DOC- TOREM BALTHASA- RVM PACIMONTANVM,.. kl. 20; Panzer VII S. 223, Nr. 844. Exemplar in Erfurt, Stadt- bücherei.

13 Daß die Wittenberger Folge zur Apokalypse (,, Bei- träge.. S. 32) aus seinem Werk zu streichen und dem Meister der Zackenblätter zu geben ist, wurde bereits oben angemerkt, vgl. Abschnitt V.

13 Vgl. meinen demnächst erscheinenden Aufsatz „Leip- ziger Lutherspottbilder‘ in „Blätter f. Christl. Archäologie und Kunst“ (vereinigt mit „Christliches Kunstblatt'*).

18a Newe gezentunge von Rom / wpe || des Keyſers vold die ftat Rom / || am ot, tag May bat enngeno||men pm Jare. M. D. XX vij. 40. Exemplar in Zwickau (XXIV. VIII. 2312),

14 Bractica Deudſch Magiliftrt Johannis Capiſtoris von Töllen || auff das far nach Chrifti vnſers Her ren geburt M. CCCCC. XXXI. ||..; fol. Bijv: .. Gedruckt zu Leypſigk durch Michael Blum ||, 4°, ein Exemplar in Wernigerode (Jo 22).

115 Vgl. „Beiträge . . S. 35.

116 In: Artzney Buch⸗ lein / wider allerlei kran⸗ckeyten vnd gebrechen der geen / ./ 8%, O. Clemen in Archiv f. Gesch. d. Medizin Bd. 15 (1923) S. 86, 1.

116 Gemeyne ſtimmen von der Mung / ., 1530, 4. Des Thurfürſten][ vnd hertzog Georgen || zu Sachſen etc. Mung Ordenung. || . . о. O. u. Dr. [1534], 40.

117 Vgl. Nr. 77 in Katalog 65 von J. Halle, München, mit Abbildung des Titelblattes: Ein Schönes bu⸗ſchlein / von bereytung der wein vnd bier / .., 8°, o. J. Gleichfalls in einer anderen, 1530 datierten Ausgabe derselben Schrift mit etwas abweichender Zeilenteilung und Schreibweise: Ein Schoͤns buch lein / .. 80 (in Zwickau II. VI. 32°). Wieder verwendet 1541 in: Ein vermanung an || alle fromme Deudſchen / dafs || fie wollen abſtehn von dem || graufamen laſter der || Trundens

6*

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

bent. ||.. (in Zwickau XXIV. VIII. 141%). Vgl. O. Clemen in „Alt-Zwickau“ Jg. 1924 Nr. 8.

lila In: Von allen gebranten waſ⸗ ſern / pnn welcher mas man die nutzen vnd || gebrauchen fol.. 89; in Zwickau (II. VI. 32).

17b In: Kuchen meiſterey. Ein ſchön nutzlich buchlein von bereytung der ſpeis / . 8%; in Zwickau (II. VI. 32).

118 Vgl. Н. Röttinger „Erhard Schön . ., Straßburg 1925; dazu Mitteil. d. Ges. f. vervielfält. Kunst 1926.

112 Ein new wunderbarlich mönds|fhiffung / fo zu Speier / .. . am Rein geſchehen / . . 1531, 4%; Weller, Wörterbuch der Pseudonymen ! 5. 175, 35.94, Ein Exemplar in Wolfenbüttel (257. 11 Th.).

139 Albertus Magnus mit des Königs Tochter auf || Frands rend, ... 8°, ein Exemplar in Berlin, Staatsbibl. ( Yd 7822, aus Sammlung Meusebach).

11 Ein hübſch new Lied || 3d armes mapdlein flag mich feer, || Ein ander Liede / Brinnende (feb |... 8°, ein Exemplar in Berlin, Staatsbibl. (Yd 782116, aus Sammlung Meusebach).

la Dfe ſechſte оп legte || Comedia Terenttf / Ecyra ge nant / .. 80; in Zwickau (XXX, V 188).

115 Donati Elementa: ad со[=||[аНопет Heinrici Olareant: опа || cum traditione Bohemica et Germanica. || 49. (Exemplar in Gotha S. a. 40 12).

131c 1536 in Paul Staffelsteiner: MW Warhafftig widerle⸗ gung / der groſſen verfelſchung der Judiſchen || Serer / des 22. {ат / .. 4°, Nürnberg Hans Guldenmund; Kuczynski Nr. 2550. Ein Exemplar in Weimar (Autogr. S).

182 Enn ſchoͤner warhafftiger [Trawm Luciani des Kriechen verteudtſcht / wider || den groſſen mißprauch Teudtſcher Nation / in wel⸗cher wolgelerte knaben von gútten fünften auff die hantwerck vnd andere bantferung gezogen werden / ... 23 ungez. + 1 leeres Bl. in 8°, 1530; ein Exemplar in Wernigerode (He 1042).

мз NB. fol. Ән: . . || Entlih hab ſchs nit für vnnütz an= gefebe || folden traum züerzelen / domit wir die ſug⸗ (ent zu beſſern ſachen герб / das fie den диг ten vnd {тереп fünften nachtrachtete /

14 DE SCHOLIS || et praeceptoribus de || ligendis, con- silium || Joannis Musleri. || 8°; Panzer УП S. 476, Nr. 266. In Zwickau (II. VII. 22*). Der Holzschnitt ist mit einer Titel- einfassung, Sáulenportal, 102 : 83 mm, kombiniert.

135 Zu Erhard Schóns Darstellung der vier Erben Herzog Johanns von Burgund (vgl. Mitteil. d. Ges. f. vervielfält. Kunst 1926, S. 74, Nr. 81t) ist zu bemerken, daD dieselbe sich auch in einem anscheinend unbeschriebenen, bezeichneten

Druck Wachters findet. Der Titel stimmt mit der a. a. O. angeführten Ausgabe, ohne Druckangaben, Weller 4090, überein bis auf die letzten Zeilen:... zeyt be=||rürendt 2с. || Hertzog Philips Hertzog Karol Küntg Philips Kayſer Karol ||, fol. (214): .. vor onferm letſten ende / || A MEN. || 4 Gedruckt zu Nuͤrmberg bep || Georg Wachter. 1530 ||, 4 ungez. ВИ. in 40; ein Exemplar in Wernigerode (Jo 22).

13 Hlernach volget das ernſtlich оппо || geweltig erobern . . | Der .. ftat || Breffa /. ., 1512, Weller 697 Die ſchlacht vd dem || Runtg von Poln..., 1514; Weller 851. Wie der

84

Sturm zum || Tham.., 1514; Weller 873. Zuweisung aller drei Drucke an Hieronymus Höltzel durch K. Schottenloher in „Flugblatt und Zeitung‘ (Berlin 1922) S. 488: ebenda Ab-

bildung des Holzschnitts 20.

136 Catalogue . . I, S. 501.

127 Titelholzschnitt zu: Eyn faft ſenliche vnb || erpermlide mitleydente hyſtoria ... 4%; Weller Nr. 8961. Ein Exemplar auch in Zwickau (XXIV. VIII. 217).

128 F. Е. Leitschuh in „Studien und Quellen zur deutsch. Kunstgesch. des XV.—XVI. Jhs.“ (Freiburg, Schweiz, 1912). E. Buchner in der Festschrift für Heinrich Wölfflin (Mün- chen 1924); dazu Entgegnung Röttingers in Mitteil. d. Ges. £ vf. Kunst 1925. Th. Musper, ungedruckte Münchener Disser- tation von 1922 und „Die Holzschnitte des Petrarcameisters", München 1927. Bezeichnenderweise gehen alle drei Neuauf- lösungen völlig verschiedene Wege!

129 „Hans Weiditz der Petrarcameister“, Straßburg 1904.

130 „Die Überlieferung vom Namen des Hans Weiditz“ in „Oberrheinische Kunst“ Jg. 1 (1925/26), $. 78ff.

131 „Holzschnitte von Hans Weiditz“, herausg. i. А. des Deutsch. Vereins f. Kunstwiss., Berlin 1922.

132 A, Götze, „Martin Butzers Erstlingsschrift" im Archiv f. Reformationsgesch. IV (1906/7). Die hier in Frage stehenden Ausgabe: Ain ſchöner Dialllogus. Bit gefpred) zwiſchen aim Pfarrer || ол atm Schulthaiß / ... vgl. dort S. 4 F. Vermutlich Druck von Hans Schönsperger in Augsburg.

133 Rottinger a. a. O. bei Nr. 42 und in den Mitt. d. österr. Vereins f. Bibliothekswesen X (1906). J. Luther in Zeitschrift f. Bücherfr. VI (1902/03), mit Abb. O. Clemen in Flugschriften a. d. ersten Jahren d. Reform. II. 1. Heft, S. 6, woselbst die Verwendung bei Schónsperger nachgewiesen wird.

134 Abb. zu Nr. 119 in Katalog 65 von J. Halle, München.

135 A. a. O. S. 5 L.

136 A. a. O. S. ЗА, S. 4 B. Eine dritte, bei Götze fehlende Ausgabe Rammingers scheint die von P. Hohenemser unter Nr. 3900 verzeichnete der Flugschriftensammlung G. Frey- tag zu sein.

137 Abb. auf $. 33 zu Nr. 107a in Katalog XLVII von J. Halle, München „Zur Geschichte der Reformation“.

138 Götze a. а. O. S. 4C. Ein Exemplar der Ausgabe in Weimar hat Zeile 4 des Titels den Druckfehler weltlideu. Die Kopie, 121: 103 mm, ist täuschend. An der rechten Hand des Bauern berührt hier der vierte den dritten, der fünfte den vierten Finger, im Original berühren sich die Finger nicht. Unter dem Munde des Knaben ist eine die Kinnrundung an- deutende kurze Linie hinzugefügt, die im Original fehlt.

139 Cótze a. а. О. S. 5 С, vorhanden in Göttingen, Weimar, Leipzig U. B. In Zwickau, das Gótze unter den Fundorten seiner Ausgabe С anführt, findet sich (XX. VIII. 18) eine etwas abweichende Ausgabe, die als eine zweite Widemars an- zusprechen sein dürfte. Zeile 1 und 2 des Titels stimmen überein, Zeile 3 hat vbel statt übel, Gnd statt Vnnd, Zeile 4 stimmt wieder überein: am Schluß: zechfrey gebaltten 2. statt gehalten. 2c.

140 Götze a. a. O. S. 6 N.

141 Abb. S. 507 zu Nr. 486 in Katalog III von Martin Bres- lauer, Berlin, „Das deutsche Lied“. Verkl. Abb. bei K. Kaul-

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

fuß-Diesch, „Das Buch der Reformation (Leipzig 1917) S. 187. Auch der in der gleichen Ausgabe verwendete Holzschnitt mit dem Apostel Paulus, 49:38 mm (A. von Dommer „Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek... Orna- mente a) Nr. 48b) ist dem Werke des Satrapitanus einzufügen, Zusammen mit dem Apostel Petrus (von Dommer a. a. O. Nr. 48а), dem hl. Johannes d. Täufer (in Luthers Sermon am Johannestag, 1522, vgl. Luthers Werke, Weimar 1883ff.» 10. Band III, S. CX XII, -E) und dem Apostel Bartholo- mäus (vgl. unten) in gleichen Maßen gehört er zu einer Folge von Kopien nach dem Meister der Birgittenoffenbarung („Salus-Folge“).

142 Götze a. a. O. S. 5 К. Die Gruppe der ,,Fellenfúrst*- Drucke wurde von K. Schottenloher Georg Erlinger in Bam- berg zugewiesen, vgl. Zentralbl. f. Bibliothekswesen, 28. Jg. (1911), S. 57ff.

143 Repert. typogr. Nr. 2477. Das Weimarer Exemplar hat Zeile 1: Ich kan nit vilne weg [so!] erdende |

144 Vgl. Max Geisberg „Der deutsche Einblatt-Holzschnitt ..., Liefg. XIV, XVIII, XXI und Н. Röttinger in Mitteil. d. Ges. f. vervielf. Kunst 1911.

145 In Caspar Güttel: Eyn Chriſtlich⸗ er / pm wort Gottes ges||grundter auſszug / etz⸗ licher Predig / ., 49, 1523; (in Wolfenbüttel, 147. 5 Th.).

146 Bildnis des Johann Stöffler, von Röttinger in „Peter Flettners Holzschnitte“ (Straßburg 1916) S. 23—24 Weiditz zugeschrieben. Oktav-Einfassung mit Kinder- schlacht, Röttinger „Hans Weiditz ..“ bei Nr. 62. Oktav- Einfassung mit Petrus, Paulus, Bekehrung Sauli und Auszug der Apostel, Dodgson „Catalogue. II S. 183, Nr. 143.

147 К. Steiff „Der erste Buchdruck in Tübingen“ (Tübingen 1881) S. 30, 6.

148 Melchior Hoffmann: Aufilegüg || der heimliche Of⸗ fen⸗ barung .., und: Prophetiſche ge=||fiht... Straßburg, Balthasar Beck 1530, nachgewiesen von K. Schottenloher in Zeitschr. f. Bücherfr. N. F. VIII (1916/17), ebd. zwei (ich nehme an originalgroße) Abb. der Einfassung.

1482 A. а, O. bei Nr. 72, Abb. Tafel 24.

1485 A. Götze „Die hochd. Drucker d. Reformationszeit“, Titeleinf. 27.

149 Vgl. Н.А. Schmid im Jahrb. d. Preuß. Kunstsammlungen Bd. XX (1899).

150 In: Des Edlen Rö⸗ mers Laurenttj Ballen||{is Clagrede / .. 40 о. O. u. J.; Weller Nr. 1155 (Exemplare in Wolfenbüttel 151. 13 Theol. 4^, Halle U. B. Ib. 4295). Von allen Speiſen vnd || Gerichten 2c. .. 40 Straßburg Christian Egenolph 1530, fol. (iiij) v; (in Zwickau XXIV. XII. 1916). ALCHE-|MIAE . . 40 Bern Matth. Apiarius für Joh. Petreius Nürnberg 1545; (in Zwickau XXV. V. 112).

150a In Paulus Speratus: Von dem hohen || gelübd der Tauff / . . 1524; Weller Nr. 3172 (in Weimar, Autogr. S).

150b J, Luther Taf. 51. Vgl. meine „Beiträge zur Bibel- illustration des 16. Jhs.“ Anm. 60, S. 95.

151 Vgl. Dodgson, Catalogue . . II S. 193. 152 Dodgson, Catalogue . . II S. 153 bei Nr. 34. Pflugk- Harttung „Rahmen deutscher Buchtitel im 16. Jahrh." Taf.23.

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A. von Dommer ,,Lutherdrucke a. d. Hamburger Stadtbibl.“ Ornamente b) 128. A. Götze „Die hochd. Drucker d. Refor- mationszeit" Titeleinfass. 144.

153 J. Luther Taf. 15. A. v. Dommer a. a. O. 88, Götze a. а. O. 179 (beide geben irrtümlich an „Matthäus“ statt Rochus). Vgl. auch Anm. 218.

154 Dodgson, Catalogue . . II S. 153 bei Nr. 39. Die Ein- fassung findet sich auch verwendet in: Ain Criſtenlich gell ſprech Buͤchlin vonn 3wapen || Wenbern / .. (1523 o. O.), Kuczynski Nr. 918.

155 Dodgson, Catalogue . . II S. 154 bei Nr. 44.

156 Dodgson, Catalogue .. II S. 153 bei Nr. 33; hier sind das Original und eine Kopie desselben nicht auseinander- gehalten. Das Original findet sich in Augsburger Drucken (Melchior Rammingers nach Zuschreibung von K. Schotten- loher im Zentralbl. f. Bibliothekswesen 29. Jg. (1912), S. 409); erwähnt von A. v. Dommer a. a. O. bei Nr. 160. Die Kopie ist nach Ausweis der Schattenangaben auf den Blättern unten gegenseitig; statt der Querschraffen des Originals in dem von den großen Blättern über und unter dem Schriftfeld einge- schlossenen Grund ist hier wie im übrigen völlig schwarzer Grund gegeben. Abb. bei К. Schottenloher „Das alte Buch“ A. v. Dommer a. a. O. Nr. 160. Sie findet sich seit 1522 in Regensburg bei Paul Kohl, vgl. K. Schottenloher im Zentralbl. f. Bibliothekswesen 29. Jg. (1912) S. 409, Nr. 1.

157 165:118 mm (Schriftfeld 90 : 63, Hóhe unten 37, Breite rechts 25 mm). Röttinger in Mitteil. d. Österr. Vereins f. Bibliothekswesen X. Jg. (1906) zu Druck 8 in Bd. 49 des Landesarchivs Linz. 1527 wieder verwendet zu dem Simprecht Sorg in Nikolsburg zugeschriebenen Druck von Luther: Ob man vor || dem Gterbii || fliehen тиде || .., Luthers Werke, Weimar 1883 ff., 23. Bd., S. 326 C.

158 Verwendet in Luther: Euangelium. || Bon den geben || auſzſezigen ... 4% o O. u. J.: Luthers Werke, Weimar 1883 ff., 8. Bd., S. 338 G.

159 A. Götze a. a. O. Nr. 169. A. v. Dommer a. a. O. Nr. 103.

160 Pass. 142.

161 Eine Kopie in Erfurt bei Michel Buchfürer, mit Gott- vater und Christus als Schmerzensmann statt Petrus und Paulus ist dem Monogrammisten H zuzuschreiben. Eine gleichseitige rohe Kopie auf derb querschraffiertem Grund bei Jörg Nadler in Augsburg. Eine gleichseitige Kopie auf schwarzem, weißgestrichelten Grund bei Jörg Gastel in Zwickau. Eine Einfassung gleicher Art, aber gegenseitig und ohne trennende Randlinien der einzelnen Stücke begegnet 1533 in Leipzig bei Nikolaus Faber in dem von Cochläus herausgegebenen Pfaltertü || Beati Brunonis || .. (Spahn, Cochläus Nr. 84), dürfte aber auch aus der ersten Hälfte der zwanziger Jahre stammen, da anscheinend auf sie die sehr viel weniger gut gezeichnete Einfassung bei J. Klug in Wittenberg (z. B. in Luther-Spalatin: 3wo predigt auff || bte Cptftel S. Bauli . ., Luthers Werke, Weimar 1983ff., 17. Bd., S. XXXIV A) zurückgeht; möglicherweise ist hier nicht die Einfassung des Satrapitanus, sondern das Original Urs Grafs das direkte Vorbild. Die Oktav-Einfassung bei Loers- feld in Erfurt, die A. v. Dommer a. a. O. im gleichen Zusam-

menhange aufführt, hat weder zu Urs Graf noch zu Satra-

85

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

pitanus Beziehungen, sie ist eine Georg Lemberger kopierende Arbeit des Monogrammisten H (vgl. meine „Beiträge zur Bibel- illustration d. 16. Jhs.“, Straßburg 1924, S. 69 und Anm. 63 auf S. 99) und findet sich wiederum kopiert in der von Dommer ebenfalls erwähnten Oktav-Einfassung bei J. Richolff in Hamburg.

162 A, Götze „Die hochd. Drucker d. Reformationszeit'' (Titeleinf. 190). Sie kopiert die bei Joh. Weyssenburger be- gegnendeKopie nach Holbein; zu dieser und dem Original vgl. Dodgson, Catalogue . . II, S. 269; verkl. Abbildungen bei- der bei H. Wolff , Die Buchornamentik im XV. und XVI. Jabrh.", Deutschland II. Die Kopie des Satrapitanus nach der Holbeinkopie ist gleichseitig, getreu bis auf die Wappen: statt des Originals mit der Helmzier ist ein Knabe mit schlich- tem Schild mit Doppeladler gegeben, rechts im Schilde statt der drei Eisenhúte ein Lanzenfáhnchen.

163 Zu erwähnen ist eine unbeschriebene Quart-Einfas- sung mit Portal mit den drei Kreuzen, die gleichseitig getreu die bekannte Einfassung des Meisters der Jakobsleiter (vgl. meine „Beiträge . . S. 95 in Anm. 60, J. Luther, Taf. 29) kopiert, aber im Rund linke statt der Lutherrose einen münn- lichen bartlosen Kopf mit Lorbeerkranz hat, im Schild rechts statt des Lammes HS in der bekannten Monogrammform des Satrapitanus. Dennoch verrüt die Kopie keinerlei stilistische Merkmale dieses Meisters! Sie findet sich 1527 in dem ohne Druckortangaben erschienenen Nachdruck von Luthers Pre- digten über das erste Buch Mose, Luthers Werke, Weimar

1883ff., 24. Bd. S. XIX B. 164 Vgl. O. Clemen in Beiträge zur bayr. Kirchengesch. VI

(1899).

1643 Da nach O. Clemen a. a. O. (vgl. Anm. 164) die gleichen Leisten sich in Weller, Nr. 2919 (Michel Hug: Ain kurtzer aber Chriſtlich er vund faft nutzlicher Sermon ..) finden, so handelt es sich hier um die bereits von Röttinger in Mitteil. d. Osterr. Vereins f. Bibliothekswesen X. Jg. (1906) nach Druck 27 des Linzer Sammelbands 50 dem HS zugeschrie- benen Leisten; für die Querleisten weist Röttinger Weiditz’ Original nach.

165 Der Ainſeltig glaub [Holzschnitt] || Haynricus Spellt Ain gemapnet Brüder in Chrifto aller Glawbigẽ [M. D. XX. || fol. (O94): Ego Non Ego || о. O. u. Dr.; Panzer II Nr. 2467, Kuczynski Nr. 2527. In Wolfenbüttel (151. 35 Th. ), Zwickau (XVI. XI. 105) u. a.

166 Panzer I, Nr. 811; Muther Bücherillustr. Nr. 943. Abb. in Katalog 65 von J. Halle, München. Ein schönes Exemplar (jedoch mit kolorierten Holzschnitten) in Gotha (1515. 4°, 19).

167 Nagler Monogr. III, 3 und 4 bei Nr. 1449, vgl. dazu А. v. Dommer ,,Lutherdrucke a. d. Hamburger Stadtbiblio- thek“, Ornamente a) Nr. 32, woselbst die frühesten Verwen- dungen 1514 und 1517 nachgewiesen sind. Abb. in Katalog 65 von J. Halle, München, S. 15 zu Nr. 35. Um 1530 findet sich der Holzschnitt bei Valentin Schumann vielfach benutzt und zwar zunächst mit noch erhaltener oberer Einfassungs- linie in 1530 datierten Schriften Dungersheims: Abſchlack des anſchlages Martint || Luthers .. Bekenntnis des glauben Doct. || Mart. Luthers . .; Wore widerlegung .. Dadelung des obgefagten bekentnus / ., ferner ebenso in Schriften Dungers-

heims o. O. u. J.: Erzeigung der falſcheit des vnchriſtſlichen Lutheriſchen coments . Wider MartinumLuther famt ¡| den widerdeuffern / . Dialogus ad Martinü Lutherum || . .; Aliquot Cptftole ../ Theoriſmata duodecim contra £us|'theri . .; sowie in: Articuli fiue libelli triginta / be Dís||uersis materijs, ... In einer Reihe von Ausgaben Dungersheims, fehlt dem Holzschnitt die rechte Ecke der oberen Randlinie: in einer Ausgabe Valentin Schumanns mit Impressum und Jahres- angabe 1531 Bon worhett des fegfeurs / / ferner wiederum in Ausgaben о. О. u. J. Examinatio libelli Lutherani de bol nis operibus . .; Smprobatfo difpendiofe atq fal⸗ lacis prefacionis £utbert in || Nouü Testamentu ..;, Etliche buchlin . Wyder den Sermon des Lu⸗thers .., Etliche fprude / aus den der Lu⸗ ther .. Für / vnd wider den vntterricht des Luthers /.. Ganz ohne obere Randlinie findet sich der Holzschnitt 1531 in Dungersheim: Aliqua opuſcula . . und Multiloquus de cöcitata er dictis Zuljtheri seditioe, ..; 1532 in Dungersheim .. an den verleuckenden Prieſter ..; sowie 1531 mit einer hinzu- gefügten Randlinie in Caspar Meckenlör: Ab auch alle ſchri⸗ ft lerne Ehriftü alleyn erfen|[nen . .

168 Der ainfeltig Glaub || [Holzschnitt] ||; fol. (9°): .. | Haynricus Spelt / ain gemayner || brüder inn Chrifto aller glaubige, || Ego Non Ego. || 1. 5. 24. || 8°, о. O. u. Dr; Panzer II Nr. 2468. In Zwickau (XVII. XII. 32).

169 Nur ein Teil der Folge (A. v. Dommer ,,Lutherdrucke a. d. Hamburger Stadtbibl.“ Ornamente a) 51) rührt von Satrapitanus her, den Hauptanteil hat Hans Weiditz; vgl. Röttinger „Hans Weiditz . .'* bei Nr. 28 und S. 73 Anm. In Luthers Werke, Weimar 1883ff., 10. Bd. п bei М auf 5.357 ist die Deutung des Beters auf Friedrich d. Weisen gegeben.

Der Holzschnitt ist 1526 nochmals verwendet in: Ain бай ſchoͤne vnbermeps||fung / auß der hatligenn geſchrifft .., 4^ o. O. u. Dr., Weller Nr. 4014. Ebenda findet sich aus der gleichen Folge Christus als guter Hirte und ein ebenfalls Satrapitanus zuzuweisender Holzschnitt als Titelbild, Chri- stus am Baum des Lebens, 90:71 mm, mit großen

Spruchbändern.

170 Panzer II Nr. 1975.

171 J. Luther Taf. 116b. Dodgson, Catalogue . . I S. 415, Nr. 84 a.

172 Ain Newes güte$ / ſeliges Jare / Das || newgeborn Kindlein Jeſus /.., fol. Gtíjv; .. / Amen. || Ego Mon Ego. | 4°, o. O. u, Dr.: Panzer II Nr. 2898, Weller Nr. 3975.

173 Nagler Monogr. III, 8 bei Nr. 1449. Röttinger „Hans Weiditz .. S. 74 Anm. Dodgson, Catalogue . . П S. 193 bei Nr. 1, S. 194 1. Abb. S. 43 zu Nr. 87 in Katalog 65 voD J. Halle, München. |

174 [Augsburg, Melchior Ramminger 1521] „Flugschriften a. d. ersten Jahren d. Reformation“ I 9. Heft. Abb. auch bei К. Kaulfuß-Diesch „Das Buch der Reformation“ (Leipzig 1917) S. 135. |

175 Panzer II Nr. 1211 und Weller Nr. 1741. Verkleinerte Abb. 358 in Diederichs „Deutsches Leben der Vergangenheit . . Bd. I. Abb. zu Nr. 489 in Katalog III von Martin Breslauer,

Berlin („Das deutsche Lied“). ' 176 Vgl. die Abb. zu Nr. 488 in Katalog III von Martin

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWES EN UND SCHRIFTTUM

177 Vgl. Neudrucke deutscher Literaturwerke des XVI. u. XVII. Jhdts. Nr. 142—143 (Halle 1896), S. VI, 1. die Original- ausgabe, 2 der Nachdruck mit dem in Frage stehenden, von mir Satrapitanus zugeschriebenen Schnitt: der Druck dürfte demnach kaum für Wien in Anspruch zu nehmen, sondern Augsburgisch sein.

178 Vgl. „Flugschriften a. d. ersten Jahren d. Reformation“ IV 1. Heft. A und B die Originalausgaben, deren Holzschnitt abgebildet ist in „Das XVI. Jahrh." Sektion B, München, Kösel u. Pustet, C der (erste) Augsburger Nachdruck, dessen Holzschnitt abgebildet ist bei K. Schottenloher „Flugblatt und Zeitung", Abb. 8. Kopie und Afterkopie nach Satra- pitanus müssen nach Burckhardts Angaben a. a. O., die Titel- schnitte der Ausgaben [Rammingers] und [Ruffs] sein. Zur Frage des Verfassers vgl. jetzt K. Schottenloher in „Der Münchner Buchdrucker Н. Schobser . ." (München 1925).

179 Zentralbl. f. Bibliothekswesen 44. Jg. (1927) S. 157, Anm. 1.

180 A. v. Dommer „Lutherdrucke auf d. Hamburger Stadt- bibl.“, Ornamente a) Nr. 47. К. Schottenloher „Denkwürdige Reformationsdrucke mit dem Bilde Luthers“ in Zeitschr. f. Bücherfr. N. F. IV, mit verkl. Abb.

181 Röttinger „Hans Weiditz . .'" S. 73, Anm. 1. К. Schot- tenloher a. a. O., wie Anm. 180, mit verkl. Abb.

182 Weller Nr. 1390. Ein Exemplar auch in Zwickau (XVI. XI. 413),

183 Weller Suppl. I, Nr. 2. In Zwickau (XXIV. X. 15%); alle Seiten mit Hochleisten von Weiditz, bzw. in seiner Art, mit Blattornamenten auf weißem, schwarzem oder schraf- fiertem Grunde.

184 Weller Nr. 1924. Der Holzschnitt ist abgebildet auf S.163 in Katalog 65 von J. Halle, München, zu Nr. 452, die dort verzeichnete Ausgabe ist aber nicht, wie angegeben, Weller Nr. 1925 (Straßburg, Prüß), sondern Nr. 1924.

185 In zwei Ausgaben ohne Ortsangaben von 1521, Weller Nr. 1690 und S. 456, sowie in Weller Nr. 1949; Ain ftraffred vnd ain onderridt ||.. In letzterer Ausgabe, die Weller irr- tümlich Adam Petri in Basel zuweist, finden sich auch die Apostel Petrus und Paulus der oben erwähnten kleinen Folge (vgl. Anm. 141) wiederverwendet, so daß es sich hier wohl ebenfalls um einen Druck Melchior Rammingers handeln dürfte. Abb. des Holzschnitts mit Bauer und Reiter in Diede- richs Monogr. z. deutschen Kulturgesch. Bd. VI, Abb. 94, bei K. Kaulfuß-Diesch „Das Buch der Reformation (Leipzig 1917) S. 350 und in Katalog 111 von Martin Breslauer, Berlin, „Das deutsche Lied".

186 Walche perfon verpoten || find gi eelihen .., Luthers Werke, Weimar 1883ff., 10. Band u S. 264D. Uon dem Eelihen || Leben .., а. а. O. S. 270 L (das Querstück mit dem tafelhaltenden Knaben, 30: 55 mm, auf fol. (Di) ist ebenfalls von Satrapitanus). Abb. Tafel 12 in ,,Das XVI. Jahrhundert", Sektion B, Kósel und Pustet, München (dort Zuschreibung an Jörg Breu) Als Kopie nach Weiditz in später Wieder- verwendung nachgewiesen von Röttinger „Hans Weiditz . .'' S. 13.

187 Röttinger „Hans Weiditz . . S. 73, Anm. 1. In den beiden Ausgaben von 1522, Panzer II Nr. 1462 und 1463, an-

87

scheinend im ersten Zustande mit der Jahreszahl 1522. In der Ausgabe von 1523, Panzer Nr. 1860, die ich bisher allein einsehen konnte, scheint in der Jahreszahl 1523 die 3 aus einer 2 umgebildet zu sein. Vgl. auch Enders, Joh. Eberlin . . Bd. II u. Ш.

188 Zu: Ain fraintlich troſt liche vermanung ., o. O. (1522), Panzer П Nr. 1464: Enders, Joh. Eberlin . . Bd. II, S. (137), Bd. III, S. XVI (die Angabe, daß Nickel Schirlentz der Drucker sei, kann nicht zutreffen). Es existiert von dieser Ausgabe eine unbeschriebene Variante, der bei gleichem Satz auf dem Titel die Initialen fehlen (in Wolfenbüttel 104. 6 Th. 4°, ebenda die beschriebene Ausgabe 149. 13 Th. 4°). Abb. des Holzschnitts S. 149 in Katalog 65 von J. Halle, München.

189 Н. Röttinger in Mitteil. 4. Österr. Vereins f. Bibliotheks- wesen X. Jg. (1906). „Die Sammelbände. . zu Linz“, 49, 2. In: Des Newen Biſch⸗ofs zu der Lochaw Ddifputation ||.. o. O. (1522): H. Barge in „Flugschriften a. d. ersten Jahren d. Reformation“ I 2. Heft, Nr. 3.

190 H. Röttinger a. a. O., wie Anm. 189, 97, 16. In Weller Nr. 2020. Abb. S. 506 in Katalog III von Martin Breslauer, Berlin „Das deutsche Lied“. Abb. 9 in К. Schottenloher „Flugblatt und Zeitung“. Eine derbe Kopie findet sich in der Ausgabe Weller, Suppl. I Nr. 209.

191 In: Ein Chriſtenlich Ge⸗ ſprech / von aínem Wald⸗ brüder / vnd afnem wayſen .., 40 о. О. (1522); Weller Nr. 2307. Wiederverwendet in: Ain hüpſche frag von ainem füngling || an ainen altten Cartheüſer / .., 4% o. O. (1524); Panzer II Nr. 2487. Tafel 2 in „Das XVI. Jahrhundert“, Sektion B, Kösel und Pustet, München. Abb. S. 214 in Katalog 65 von J. Halle, München.

192 In: Von aínem Waldbrü⸗der wie er vnderricht gibt Bapſt Katlifer Künig vnd allen ſtaͤnden ..., 4% o. O. (1522); Panzer II Nr. 1586 (Exemplar in Wolfenbüttel, 118. 4 Qu. 4°),

193 Röttinger in Mitteil. d. Gesellschaft f. vervielfältig. Kunst 1906, S. 2 bei Nr. 4 und Anm. 2. Abb. bei K. Schotten- loher „Der Münchner Buchdrucker Hans Schobser (München 1925), im Anhang S. 125. Abb. S. 193 in Katalog 65 von J. Halle, München.

194 Ain Sendbrief. So der || Cangler Von Rodig . geſchriben hat / . ., o. О. (1522); Weller Nr. 2264. Vermutlich auch in der zweiten Ausgabe dieser Schrift des gleichen Druckers (Weller nimmt S. Otmar an) Weller Nr. 2265. Ferner in: Ain Sendbrief Wie || (pd der Turckiſch fapfer So graufamltd für || die ftat Rodis belegert .., 4% о. O. (1523); Panzer II Nr. 2081 (Exemplar in Wolfenbüttel 104. 16 Qu.). Abb. bei Hans Fehr „Massenkunst im 16. Jahrhundert" (Berlin 1924) Bild 64.

195 In: Von aíner groffe meng || оппо gewalt der Juden Vetzunder auß gebroden.., o. О. (1523); Weller Nr. 2616. Es existieren zwei Drucke dieser Ausgabe: die eine, wie Weller angibt, mit „zum tayl“ in der vorletzten Titelzeile und am Schluß „. . 50 woffen || thin. ||“ (Exemplar in Wolfenbüttel 131. 1 Th, 4°); die andere mit ,,3ú tayl“ in der vorletzten Titel- zeile und am Schluß „.. зи wnf-||fen thon. || (in Wolfenbüttel 196. 14 Hist.; Abb. des Titelblatts bei P. Hohenemser ,,Flug- schriftensammlung Gustav Freytag).

196 Hans Glentzer: Ein Hüpſche flag zit || onferm herren ..,

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

o. O. (1523); Weller Nr. 2439. Fünff vnb vpertíg wee. /., o. O. (1524); Panzer II Nr. 2451 (Exemplar in Heidelberg,

Sal. 93, 1). 197 Mitteil. d. Vereins f. Österr. Bibliothekswesen X. Jg.

(1906) „Die Sammelbände . . zu Linz“ 49, 2.

198 Ain grome / groffe || fetten / darzuͤ die bert gefánds nuß / über die kinder Gottes auffgeriht / fepnb 30 trymer gangen vil zerryſſen [.., 4? o. О. (1524): Panzer II Nr. 2353 (in Wolfenbüttel 116. 10 Th. 4°). Abb. S. (103) in Katalog 65 von J. Halle, München.

199 In: Dpalogus. ||. ., o. O. (1524); Panzer II Nr. 2563. Abb. S. 25 bei K. KaulfuB - Diesch „Das Buch der Refor- mation". Abb. $. 54 in Katalog 65 von J. Halle, München.

200 In: Ain Chriſtenliches luſtigs geſprech / das || beffer / Gotgefelliger / vnd des menſchen fel haylſamer fepe / || aufi ben Klöftern zuͤkommen /.., o. O. (1524); Panzer II Nr. 2582 (in Zwickau XVII. XII. 320),

201 In der Urb. Rhegius zugeschriebenen Schrift: Ain hüpſch Geſprech bíedlin / von атет Pfaffen vn || atnem Weber / . ., 4? o. O. (1524): Weller Nr. 3122.

202 Abb. 231 bei Diederichs „Deutsches Leben der Ver- gangenheit in Bildern", Bd. I. In welcher Ausgabe?

203 In: Ain news geſprech von Zwayen gefellen || Die an fr arbayt gangen fein / . ., o. O. (1524); Panzer II Nr. 2566 (in Zwickau XVII. XII. 324). Abb. 230 bei Diederichs a. a. O. wie Anm. 202. Vgl. auch unten Anm. 206.

204 In der unter dem Pseudonym Hans Bechler erschienenen Flugschrift: Ein Geſprech aines Fuchs vnd Wolfs .., о. О. (1524); Weller Nr. 2781. Von P. Kalkoff „Die Reformation in der Reichsstadt Nürnberg... (Halle 1926) Spengler zu- gewiesen: ebd. S. 53 Anm. Mitteilung von K. Schottenlohers Druckerbestimmung auf Melchior Ramminger. Eine gleich- zeitige derbe Kopie, 87:104 mm, in der Ausgabe Panzer II Nr. 2561: Ein Geſprech eyneß Fuchs vnb Wolffs / .., о. O.

205 Vgl. K. Schottenloher im Anhang zu „Der Münchner Buchdrucker Hans Schobser“ (München 1925), mit Abb. auf S. 121.

206 [Augsburg Melchior Ramminger 1525], Panzer II Nr. 2700. Abb. des Titelblatts bei K. Schottenloher ,,Flug- blatt und Zeitung” (Berlin 1922), ebd. die Druckerzuweisung. Auf Fol. (b*) ist hier der oben erwähnte Holzschnitt mit Bauer mit Axt und Bauer mit Strohschneidemaschine wiederholt.

207 In: Die fharpff Metz wider Die (die fih Ewangeliſch nennen) . . o. O. u. J. W. Lucke in „f Flugschriften aus d. ersten Jahren d. Reformation“ I, 3. Heft, Ausgabe 1 und eben- falls in Ausgabe 2. Die Annahme Luckes, der gegenüber andern Meinungen Augsburg als Druckort für wahrschein- lich hält, dürfte durch die Zuschreibung des Holzschnitts an Satrapitanus bestätigt werden.

2072 In: Ain erſchrockliche geſchicht wie etliche Ditmarſchen den Chriſtlichen prediger Haynrich von Zutfeld new. lich fo ſemerlich vmbgebracht haben / .., 4% o. О. (1525); Weller Nr. 3415.

208 In: Ain Nützliches Ge⸗ſprech vnd vnderwelſung / notturfft der befiimertté || menſchen .., o. O.; M. Sondheim in Zentralbl. f. Bibliothekswesen 1. Jg. (1884) S. 251. Abb. S. 82 zu Nr. 201 in Katalog 65 von J. Halle, München.

209 Im ersten Zustande mit der Jahreszahl -M- G XXIII.

zu Seiten des Stammes als Titelbild zu der anonymen (viel- leicht auch in einem Zusammenhang mit Satrapitanus stehenden?) Flugschrift: Merck ain ſchöne vnderweyſung auf der hallige] geſchrifft. ., Kuczynski Nr. 2667 (in Weimar, Autogr. anon. 60); in Schriftafeln hier in Typendruck Er klärungen der Symbole. Im zweiten Zustande ohne Jahres- zahl in Caspar Schatzger: {пе warhafftige || Erflerüg wie fi Sathanas ||... er⸗zaygt . . о. O. [1526], Panzer II Nr. 3142 (in Tübingen, Universitütsbibl. Sf 515); die Schrifttafeln sind hier leer.

210 In Michael Keller: Troſtlicher vnnderricht in Haimſü⸗ chung der Kranden .., 4% о. O. 1531: Kuczynski Nr. 1165.

211 Weller Nr. 3168.

212 Abb. S. 94 in Katalog LX VII von J. Rosenthal, München „Illustr. Bücher des 15.—19. Jhs.“ Teil II; aber jedenfalls nicht, wie dort bei Nr. 266 angegeben, in einer Wittenberger Ausgabe Rhaus verwendet!

213 Abb. S. 10 in Katalog LXVI von J. Rosenthal, München „Illustr. Bücher des 15.—19. Jhs.“ Teil I, zu Nr. 24, Albertus Magnus, Hebammenbuch [Augsburg] 1531.

214 Als Titelbild zu Eucharius Rößlin: OEr Schwangeren frawé vnd Hebam men Rofengarte. || Augsburg, Heinrich Steiner 1529; Е. W. E. Roth im Zentralbl. f. Bibliothekswesen XIII (1896) S. 298 Nr. 8. Ein Exemplar auch in Zwickau (XXXV. V. 222). Vermutlich handelt es sich um den gleichen Holzschnitt, den Róttinger in später Verwendung beschreibt, „Hans Weiditz ..“ S. 78.

215 Zweimal verwendet in Barthol. Vogtherr: Wie man alle gebreften vnd || frandheiten . árgnepen vnd vertreyben foll / Augsburg, Heinrich Steiner 1533 (in Berlin, Staatsbibl., Jd 3174).

216 In: Practica Teutſch Auff das || M. D. оппо XXX. Jare Durch Jeremíam Arthothomũ Aftrophebum Emptipolitani || dem gemapnen menſchen за git auffgeridt. || 4% o. O. (in Zwickau XXIT. IX. 1511),

216 Titelschnitt zu: Ain gründtlicher vnd war⸗ haffter be richt: Was fih onder der belege⸗ rung der Stadt Wien / begeben .., о. О. (in Berlin, Flugschriften 1529, 11).

217 (1513 in Erfurt) 1514 in Leipzig Madonna auf der Mondsichel nach Dürers Kupferstich B. 30, A. v. Dommer „Lutherdrucke a. d. Hamburger Stadtbibl.“, Ornamente a) Nr. 32 (nb. ist nicht, wie dort angegeben, identisch mit Nagler Monogr. III Nr. 1449 1.) Abb. in „Das XVI. Jahrhundert“, Sektion B, Taf. 8, Kösel u. Pustet, München. 1514 Die Kirche Christi, ihre Verteidiger und Angreifer, vgl Anm. 167. 1514 Christus als Schmerzensmann und die sieben Sakramente, A. v. Dommer a. a. O. 3l. 1514 Delphi und Parnaf, Nagler a. a. O. 10, Dodgson Catalogue . . II S. 412 Nr. 3 1515 bei Melchior Lotther die Folge von Illustrationen zu Markus Waidas Spiegel der Bruderschaft des Rosenkranzes, Muther Bücher- illustr. Nr. 943. 1518 für Thanners Ausgabe von Eyssen- manns Kalender die Geburt Christi und Anbetung der Könige (nach dem Birgittenmeister), Dodgson Catalogue . - I S. 349 bei Nr. 2 und Nr. 2b. 1518 Christus als Schmer- zensmann, nach Dürers Titelblatt zur kleinen Passion, A. v. Dommer a. a. O. 27; die ebenda angeführte Kopie des-

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selben Dürerschnitts mit Bogeneinfassung, die 1520 ebenfalls bei Schumann begegnet, halte ich für eine eigenhändige Wieder- holung des Satrapitanus. Eine freie gleichseitige Kopie des Schmerzensmannes von 1518 vom Monogrammisten H findet sich in Erfurt bei Melchior Sachse 1528 in Luthers Betbüch- lein (Luthers Werke, Weimar 1883ff., 10. Bd. II, S. 359 Y).

218 Drei zusammengehörige Quart-Einfassungen mit Heiligenhalbfiguren, Säulenaufbauten und Figuren. Nämlich 1. mit den НИ. Mauritius, Martin und Stephanus; an- geführt von A. v. Dommer a. a. O. bei Ornamente b Nr. 88. 2. mit den НИ. Rochus, Sebastian und Martin; А. у. Dommer a. а. O. Nr. 88 (nennt den Heiligen l. aber irrtümlich Matthäus)» J. Luther Taf. 15. 3. mit Madonna, den Hll. Thomas und Nikolaus; angeführt von A. v. Dommer a. a. O. (nennt den Bischof Augustin), J. Luther Taf. 18. 1. und 2. sind jeden- falls zusammen eigens für die lateinische und die deutsche Aus- gabe von Heinrich Stromers von Aurbach Pestregiment,1516 bei Schumann und bei Lotther (Panzer VII, S. 195, Nr. 569; Weller Nr. 1030), hergestellt worden: 1. hat (der Einfassung von Säulen flankiert eingefügt, so daß nur oben eine Schrifttafel verbleibt) das große Wappen des Kardinal-Erzbischofs Al- brecht von Brandenburg-Mainz, dem die Ausgabe gewidmet ist; 2. hat in gleicher Weise in einem a. a. О. unbeschriebenen ersten Zustande ebenfalls ein groBes Wappen, das auf die Widmung der Ausgabe an die Markgräfin Elisabeth von Brandenburg, eine geborene Prinzessin von Dänemark, Be- zug nimmt. Es wird von Pfeilern flankiert, die im zweiten Zustande (vgl. die Tafel bei J. Luther) stehen geblieben sind: 3. die mit den Heiligen enge Beziehungen zu Leipzig betont» findet sich 1517 für die zweite deutsche Ausgabe des Pest” regiments (Panzer I Nr. 883) angewendet. Die Anordnung der Heiligenhalbfiguren in kastenartigen Nischen zwischen Säulenornamenten geht entschieden auf die von Dommer zum Vergleich herangezogene Titeleinfassung Schürers mit alt- und neutestamentlichen Gestalten und Kirchenvätern (geschnitten und bezeichnet von Herman, vgl. oben und Anm. 149) zurück; es gibt von dieser eine gleichseitige getreue Kopie (jedoch ohne das Gebälk, das im Original die Nischen oben abschließt), die vielleicht nach Leipzig ge- hören und von Satrapitanus herstammen könnte. Der obere Querteil von 2 ist als Kopie nachgewiesen von H. Röttinger in „Dürers Doppelgänger“ (Straßburg 1926), S. 173—174 Anm. (Es scheint sich bei der von Röttinger als Vorlage angeführten Leiste um die gleiche zu handeln, die (zusammen mit anderen als den bei Röttinger angegebenen) 1516 in Straßburg bei Matthias Schürer in Erasmus von Rotterdams .. Lucu- brationes, . . sich findet.) Für 1 und 3 ist eine 1515 in Straß- burg bei Beck nachgewiesene Quart-Einfassung aus vier Teilen mit Kandelaberaufbauten und Ranken mit Figuren ausgiebig benutzt worden, für 2 scheint sie immerhin Anregungen ge- geben zu haben.

219 Die frühesten Arbeiten des Satrapitanus, die den nach- gewiesenen Leipziger Illustrationen (und wahrscheinlich über- haupt dem Leipziger Aufenthalt) noch vorangeben, sind die großen bezeichneten und datierten Einblatt-Holzschnitte: 1510 Urteil des Salomo (Veste Coburg); 1510 Das jüngste Gericht (Nürnberg Germ. Mus.; den Hinweis auf dieses Blatt

89

verdanke ich der Freundlichkeit Prof. Geisbergs): 1510 S. Christoph, Nagler III Nr. 1499 6); 1511 das Urteil des Paris nach Lukas Cranach d. Ä., Dodgson Catalogue . . II $. 289. Es schließt sich an die Zuschreibung Geisbergs (., Der deutsche Einblatt- Holzschnitt. XV 20) Burg Hohen- krähen im Hegau von 1512.

220 In: Duo electiffimt Ci⸗ ceronis Epiftolaru libri: 4°, Panzer VII S. 189 Nr. 516; (Leipzig, Stadtbibl.). Ver- mutlich identisch mit dem in Katalog LXIX von J. Rosen- thal, München (,,IllustrierteBúcher des 15.—19. Jhs., Teil IV) bei Nr. 842 angeführten Schnitt und danach schon 1514 verwendet.

221 De laudibus fancte Scolaſtice. .. 4°, in Leipzig, Stadt- bibl. mit verschnittenem Titelblatt, vermutlich Panzer VII S. 188, Nr. 502.

3318 In Dungersheim: Wyder den Sermon des Lus||ther8 .. (vgl. Anm. 167).

222 Oꝛtulus || anime to || dude :-: ||.. 8% angeführt von Heller, Lucas Cranach? S. 203,25) Scheller: ,,Sassische Bücher- kunde“ Nr. 571. In Wolfenbüttel, 1222. 26 Th, 8°.

223 Weller Nr. 985, nach Bechsteins Auktion Nr. 1886. In Wolfenbüttel, 917. 41 Th. 8°.

224 In Wolfenbüttel, 524 Th.

225 Ein ausgelöstes Titelblatt in Zwickau.

226 A. v. Dommer a. a. O. Ornamente a) Nr. 29.

227 In Luther: Dorclerung ||. . 1520, Luthers Werke, Weimar 1883 ff., 6. Bd., S. 77 D.

228 1518 in Zwickau XXIV. VII. 12; 1520 in Weimar (Inc. 390).

229 Muſice Actiue || Micrologus Andree $Ornt-|[toparcbi Ostro- franci Meyningensis, .. 4°; in Weimar (Inc. 390).

230 Vermutlich ist dies die von Nagler III Nr. 1449 als 1 be- schriebene Darstellung, obwohl die Maße hier auch nicht ganz genau stimmen (vgl. Anm. 217). !Sie findet sich in vier Schriften des Hieronymus Dungersheim, von denen die erste ein Impressum Valentin Schumanns von 1530 hat. Dadelung des obgeſatzten be=||fentnug / . / Etliche ſpruche / aug den der Lu⸗ ther .. Improbatio difpendiofe atqz fal- lacis prefacionis Lutheri.. und: Examinatio libelli Lutherani de bo nis ope- ribus, ..

231 Catalogue . . II S. 192.

232 Freilich bleibt Deutung und Wertung dieser Signierung immerhin zweifelhaft; da indessen die zu der so gekennzeich- neten Leiste gehörigen übrigen Teile zusammen mit weiteren Arbeiten sich zu einer festen, ganz für sich stehenden Gruppe zusammenschließen, ist einstweilen die Aufstellung eines Meisters DS als Ordnungsbegriff wohl gerechtfertigt.

233 Seitenstück mit einem Aufbau auf einem Löwen, 81: 27 mm.

234 Sie findet sich 1524 in Drucken ohne Ortsangaben von Melanchthon - Bugenhagen: Ain warhafftigs vrelltayl /... || Ain ſchoͤne offenbarung des Endchriſts / .., Geisenhof „Biblio- graphie . . Bugenhagen“ Nr. 28, und von Matth. Kretz: Von der Meſz / vnnd wer der recht prieſter fen / .., Panzer II Nr. 2360, Kuczynski Nr. 1214 (in Weimar, Autogr. K).

Die Seitenleisten mit Moses und David kehren 1531 auch in Cicero: OFFICIA . . bei Steiner wieder.

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

235 Dodgson a. a. O. bei Nr. 2. 235 In einem Druck o. O. u. J. von Heinr. Zupfan: Etlich

puncten ой nam⸗ hafftige artidel / den Gelaubenn || ond alles Chriſtenlich gelen || betreffend / , 4°, Kuczynski Nr. 2876

(in Weimar, Autogr. Z). 237 Luthers Werke, Weimar 1883ff., Deutsche Bibeln

Ва. 2, S. 545 *50].

238 H. Röttinger „Beiträge z. Geschichte d. sächs. Holz- schnitts“, Stud. z. d. Kgsch. 213. Heft, Straßburg 1921, S. 66ff. Engelbert Baumeister „Martin Schaffner als Zeich- ner für den Holzschnitt in Mitteil. d. Ges. f. vervielfält. Kunst, 1921.

239 Auf Ergänzungen hierzu kann hier nicht eingegangen werden und bleibt einer späteren geplanten Zusammenstellung

vorbehalten. 240 J, Luther Taf. 52 und 53. Vgl. Mitteil. d. Ges. f. vervielf.

Kunst, 1927, S. 72 bei Nr. 77. 241 J. Luther Taf. 38. Dodgson, Catalogue. . II S. 415 Nr. 5

als anonyme Arbeit. 242 Abb. 236 bei A. Schramm „Luther und die Bibel“

(Leipzig 1923).

243 Auf diese Einfassung des MS geht eine gleichseitige, ziemlich getreue Kopie Erhard Schöns zurück, Röttinger „Erhard Schön.. bei Nr. 67 (woselbst die Szene gedeutet ist: Rahab läßt einen der beiden Kundschafter herab, Jos. 2), sowie eine später bei Lufft anscheinend das Original ersetzende Kopie, die nach der Zeichnung der Ornamentblätter dem Monogrammisten A W zuzuweisen sein dürfte. Diese ist ebenfalls gleichseitig, im ganzen getreu, aber kräftiger und etwas vergrößernd (131:90 mm, Schriftfeld 68:56, Höhe unten 41, Breite rechts 17 mm); Davids Kopf ist nach rechts anstatt nach halblinks gewendet, er ist modischer gekleidet und rechts vom Haus ist Gebüsch hinzugefügt.

244 118:152 mm statt ca. 109: 148 mm.

245 Abb. 315 bei Schramm a. a. O. Das rechte A in der Bei- schrift Afrika hat in dieser Reproduktion einen Querstrich, der vermutlich von einer Retusche herrührt; das Original des MS hat keinen solchen Querstrich.

246 Fol. (A!)v und fol. (Ac) in der Ausgabe В S. 151 in Luthers Werke, Weimar 1883ff., 30. Bd. U.

247 Luthers Werke, Weimar 1883 ff., Deutsche Bibeln Bd. 2,

S. 484 *50]. 248 Vgl. in meinen „Beiträgen zur Bibelillustr. d. 16. Jahr-

hunderts (Straßburg 1924), S. 55. 249 A. a. O. (wie Anm. 246) A. 250 Die Sachlage ist auch von Interesse für die Frage nach

dem Besitzverhältnisse der Stöcke: es scheint hier eine Wah- rung des Eigentumsrechts des Künstlers vorzuliegen, der den für den einen Drucker hergestellten Stock seiner Folge für einen anderen Drucker einfügen konnte.

251 Die ikonographischen Zusammenhänge der Lutherischen Bibelillustration insgesamt mit Illustrationen des fünfzehnten Jahrhunderts bedürfen noch eingehender systematischer Un- tersuchungen.

253 Vgl. meine „Beiträge. Anm. 132.

253 A. a. O. (wie Anm. 247) S. 512 *38].

354 Vgl. in meinen „Beiträgen.. S. 40f.

255 A. a. O. S. 78, Nr. 7. J. Luther, Taf. 46.

2568 Abb. 240 und 401 bei A. Schramm a. a. O.

257 Zum Beispiel 1537 in Corvinus' niederdeutscher Evan- gelienpostille de sanctis; Geisenhof, Bibliotheca Corviniana Nr. 35. 1543 in: Geyſtlike leder vn Pfalmen / .. Luthers Werke, Weimar 1883ff., 35. Bd. S. 393 Hh (die zweite hier ver. wendete Einfassung mit Jakobsleiter und eherner Schlange ist von Hans Brosamer, vgl. meine Beiträge.. S. 75).

258 Abb. 239 bei A. Schramm a. a. O.

259 Zum Beispiel Luther: TESSA- || RADECAS CONSOLA. | TORIA . ., Luthers Werke, Weimar 1883ff., 6. Bd. S. 101 F. Hotten: ARMINI || VS DIALOGVS ||. ., Böcking XLVIII 2. Bugenhagen; INSTRV- || CTIO VISITATIONIS / Saxonicae, Geisenhof, Bibliographie. Bugenhagen Nr. 298.

260 1534 in Wolfg. Ruß: Der Wei⸗ ber Haus⸗ haltung. (mit Luthers Auslegung des 127. Psalms), Luthers Werke, Weimar 1883ff. 15. Bd. S. 353 O. 1539 in Huberinus: Vom Zorn vnd der || gûte Gottes ., mit Vorrede Luthers, a. a. O.,

38. Ва. $. 319 E. 261 Zum Beispiel 1538 in Luther: Eccleſtaſ- tes /. ., a. а. 0.

20. Bd. S. 4b.

262 In Ausgaben ohne Jahr. Luther: Der Pro!jphet Mas, leachſ. . . a. a. O. Deutsche Bibeln Bd. 2, S. 693 237]. Brens: De Кепе || Catedt(smus ||.., W. Köhler, Bibliographia Bren-

tiana Nr. 647. 263 In Johann Albrecht: Reden=||büchlein auff der || linten /.

(in Zwickau, II. VIII. 91).

264 In Petr. Artopoeus: LATINAE || PHRASIS || ELE- GANTIE .. (in Zwickau II. VII. 91). Des öfteren auch in Drucken des zu Georg Rhau in engen Beziehungen stehenden Peter Seitz verwendet; z. B. 1536, 1538 und 1541 in Melanch- thon: LOCI || COMMVNES . . und in J. Jonas’ Übersetzung 1537, 1539. Verschiedentlich auch in Corvinus-Schriften be- gegnend, vgl. Geisenhof a. a. O., mit Abb. 2.

265 ENCHIRI-||DION || MVSICAE || MENSV-||RALIS. |. . Im gleichen Jahr und später auch in Schriften des Corvinus angewendet, vgl. Geisenhof, Bibliotheca Corviniana Nr. 7 (Teil I) u. a.

266 Abb. 1 bei Geisenhof a. a. O. 267 1535 in Corvinus' hochdeutscher Evangelienpostille de

tempore, Geisenhof a. a. O. Nr. 7 (Teil II): vgl. а. a. O. auch weitere Verwendungen. 1539 auch in Martin Agricola: RVDI- MENTA || МУЅІСЕЅ,.. (in Zwickau XXIX. II. 287) und Joh. Spangenberg: EVANGELIA || DOMINICA- || LIA . . (in Zwickau XVI. VII. 172).

268 1545 in: Gapfentía. || De Wyſsheit || Salomonis /. - F. Hülße „Beiträge zur Gesch. d. Buchdruckerkunst in Magde- burg“ (Geschichtsbl. f. Stadt u. Land, Magdeburg, 17. Js.) Nr. 247. Die Einfassung hat hier roten Überdruck über den Flammen, Ranken, Rose und der Mauer des Stadtwappens. Ferner in Bugenhagen: Hiſtoria || des Lidendes .. o. J’: Geisenhof „Bibliographie . . Bugenhagen“ Nr. 111.

269 Abb. 413 bei A. Schramm a. a. O.

270 1537 in Corvinus' Epistelpostille de tempore, Geisenbof „Bibliotheca Corviniana'* Nr. 44; zwei Ausgaben sind hier zu unterscheiden, die Geisenhof aber nicht trennt, vgl. dasu Luthers Werke, Weimar 1883ff., 50. Bd., S. 106 A, S. 107 B,

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

doch haben beide dieselben Einfassungen: die hier in Frage stehende in Teil I, und in Teil II die oben erwähnte des MS mit Arion auf dem Delphin. Nach weiteren Verwendungen bei Rhau, 1540 auch bei Peter Seitz.

271 1545 in Luther: Die Heubtar⸗ tikel des Chriſtlichen Glaubens / .., Luthers Werke, Weimar 1883 ff., 50. Bd., $. 184 H, S. 260 I.

272 Zum Beispiel 1542 in Huberinus: Vom Zorn vnd der gûte Gottes. .. a. a. O., wie Anm. 260, S. 319 F.

273 Zum Beispiel [1538] in Carion: Chronica .. (in Wernige- rode Qc 13). 1542 in Melanchthon: CONFESSIO | FIDEI..

274 Abb. 545 bei A. Schramm a. a. O. 1538 in Huberinus: Vom Zorn vnd der || güte Gottes... a. a. O., wie Anm. 260, S. 319 D. Auch bei Peter Seitz, 1540 in Melanchthon: COM- || MENTARIVS || DE ANI-|MA. ||..

275 1534 in Melanchthon: SCHO-|LIA IN EPISTO- || lam Pauli ad Colossenses ||...

276 Zum Beispiel 1535 in Luther: Summa: rien vber die Pſalmen /., Luthers Werke, Weimar 1883 ff., 38. Bd. S. 4 F.

277 Viel verwendet. Zum Beispiel 1535 in Melanchthon: LOCI || COMMVNES . .; 1538 in Urb. Rhegius: САТЕ. || CHISMVS MINOR || PVERORVM,..; 1539 und 1540 in Melanchthon: DE ОЕ- || FICIO PRINCIPVM, |

378 In Bugenhagen: A IN ПП. || PRIORA CAPITA || Euangelij secundum || Mattheum. ||.., Geisenhof „Biblio- graphie . . Bugenhagen'* Nr. 327, danach 1543. Eine frühere Verwendung, die wahrscheinlich sein dürfte, kann ich zur Zeit nicht nachweisen.

279 [n Melanchthon: DE DIA-| LECTICA LIBRI | Quatuor recogniti. || ..

. 8

280 In Melanchthon: < SEN- > || TENTIAE SALO-| monis, ..

281 Joh. Agricola: Hiſtory vnb || Warhafftige Ge⸗ſchicht / Wie das Heilig Euan⸗gelion mit Johañ Huſſen / tm Concilio || zu Coſtnitz / .. ver⸗dampt Ш / .. (in Wolfenbüttel, 1164. 57 Th. 8°).

282 Ebenfalls um eine Einfassung Melchior Sachses handelt es sich bei der irrtümlichen Zuschreibung Wiechmann-Kadows (vgl. dazu Röttinger a. a. O. S.75 Anm. 2), nämlich um die vom Meister der Jakobsleiter herrührende Oktav- Einfassung mit Christi Austreibung der Händler und Wechsler, die später an Georg Rhau übergeht (vgl. meine „Beiträge . .“ bei Ver- zeichnis A Nr. 31). Die Initialen Sachses begegnen noch häufiger.

283 Panzer „Entwurf einer vollständigen Geschichte der deutschen Bibelübersetzung. . S. 408 Nr. 3.

284 Panzer а. a. O. S. 411 Nr. 4.

285 Panzer а. a. O. S. 431 Nr. 9.

286 Mitteil. d. Ges. f. vervielfält. Kunst 1925, S. 65—67.

287 A. a. О. S. 67.

288 Zeitschr. f. Bücherfreunde N. Е. XVII (1925) S. 134, Anm. 30, und Archiv f. Buchbinderei XXVI (1926) S. 31, Anm. 5.

289 Zeitschr. f. Buchkunde II (1925) S. 105 u. S. 106.

290 A. a. O. wie Anm. 289, Anm. 56.

291 „Der deutsche Einblatt-Holzschnitt in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts“ (München 1923ff.) Liefg. VI 26.

292 A. a. O. Liefg. III 23. Als besonders wichtig ist hier die Zusammenarbeit mit Lukas Cranach d. J. zu verzeichnen.

293 А. a. O. Liefg. XXII 34, vgl. dazu auch XIV 13.

294 Vgl. Archiv f. Reformationsgesch. XXIII (1926), S. 106.

DAS GEBETBUCH KAISER MAXIMILIANS IM SPIEGEL SEINER NACHBILDUNGEN

VON Rec.-Rat Dr. ANTON REICHEL (WIEN)

Die Bayerische Staatsbibliothek in München verwahrt ein Druckwerk, das durch die Rand- zeichnungen Albrecht Dürers und anderer be- deutender deutscher Künstler des XVI. Jahr- hunderts ein einzigartiges Buchdenkmal darstellt: es ist das sogenannte Gebetbuch Kaiser Maxi- milians. Man hat sich gewóhnt das Buch so zu be- zeichnen seit J. Heller als erster die Meinung aus- gesprochen hatte, daß Kaiser Maximilian I. nicht nur der Besteller, sondern auch der Verfasser des

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Gebetbuches ist. Der Münchner Band umfaßt je- doch nicht das ganze ursprüngliche Buch. Die rest- lichen Bogen desselben befinden sich heute in der Stadtbibliothek von Besangon, wohin sie im Laufe der Zeiten durch verschiedene Umstände ver- schlagen wurden. Die hier angestellten Betrach- tungen sind lediglich von dem Münchner Kodex angeregt worden. Ihre Verallgemeinerung dürfte jedoch nicht schwer fallen.

Der Text, der von Johannes Schönsperger in

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Augsburg gedruckt wurde, trägt das Datum vom 30. Dezember 1513. Die Randzeichnungen ent- standen im folgenden und nächstfolgenden Jahre, denn im November 1515, als der Kaiser durch Augs- burg kam, ward die Arbeit eingestellt. Unmittelbar nach dem Tode des Kaisers 12. Jänner 1519 scheint das Buch verschollen, und als es etwa in den dreißiger Jahren des XVI. Jahrhunderts wieder auf-

tauchte, war dessen Zusammenhang mit dem

Kaiser in Vergessenheit geraten. Die Öffentlichkeit wurde auf das Buch erst wieder

aufmerksam, als N. Strixner im Jahre 1808 die Randzeichnungen A.Dürers in lithographischer Manier vervielfältigte!. In Unkenntnis der wahren Bestimmung des Buches nannte er sie „Christlich- mythologische Handzeichnungen“, und auch Goethe der die Folge enthusiastisch gepriesen hat, hielt an dieser Bezeichnung fest. Das Verdienst Strixners ist so offensichtlich, und kam den Ansprüchen seiner Zeit so entgegen, daf) es keiner Entschul- digung bedarf, wenn wir darauf hinweisen, daB man heute Strixners Zeichnungen zwar als Inkunabeln der Lithographie die Anerkennung nicht wird ver- sagen können: als Reproduktion der Randzeich- nungen Dürers können sie aber ernstlich nicht mehr gelten, denn sie tragen allzusehr die Merkmale ihrer Zeit. Gerade das Lob Goethes mahnt zur Vorsicht. Strixners Unternehmen lag sicher am Wege der neuen romantischen Gesinnung. Eine der bezeichnendsten literarischen Erscheinungen „Des Knaben Wunderhorn“ von Achim von Arnim und Clemens Brentano kam 1806—1808 heraus; der da- mals 24jährige Strixner nahte sich dem Genius Dürer im Banne dieser neuen Einstellung. Aber Goethe war nahe an die Sechzig. Dürfen wir da sein begeistertes Lob so ganz als Anerkennung dessen gelten lassen, was das Wesen der Kunst Dürers aus-

1 N. Strixner: A. Dürers christlich- mythologische Hand- zeichnungen nebst Titel, Vorrede und A. Dürers Bildnis, zusammen 23 Blätter, in lithographischer Manier gearbeitet

von... 1808.

macht? Gilt das Lob nicht vielleicht mehr dem Lithographen, der Dürers Liniengerinsel in „artige Risse'* zeitgerecht umzudichten verstand natür- lich, in der Überzeugung den „ganzen“ Dürer zu vermitteln? Gerade Goethes Hinweis auf den Pilaster der vatikanischen Loggien mit den Parzen Raphaels Strixner, Tafel 9 möchte unsere Be- denken bestärken. Goethe hat das Original des Ge- betbuches nie gesehen. Es scheint mir nun mehr als zweifelhaft, daß er vor dem Pergamentkodex, dessen künstlerische Faktur nur aus gotischem Empfinden heraus verstanden werden kann, in dasselbe Ent- zücken ausgebrochen wäre. Es will mir vielmehr scheinen, daß seine, und seiner Generation Be- geisterung nur jener Komponente des Gesamt- werkes galt, die im Falle des „Gebetbuches“ eine nur untergeordnete Rolle spielt: Dürers ,,klassische” Schulung durch die italienische Kunst. Oder wie wären Goethes Worte „Das Erhabene ist in der neueren Kunst eine gar zu seltene Erscheinung, als daß man dasselbe auch von Albrecht Dürer billiger- weise sollte fordern dürfen“ sonst zu verstehen? Aber auch Strixner ist viel zu wenig führender Geist und allzusehr abhängig von seiner künstlerischen Schulung, als daß ernicht seine Aufgabe , classisch” auffaßte. So wurde die Ausgabe von Dürers Rand- zeichnungen unter seiner Hand eine Art von Bilder- buch. Die graphischen Phantasien Dürers scheinen losgelöst aus dem Organismus des Buches. Wie sehr er damit den Geschmack seiner Zeit traf ganz ab- gesehen von Goethe wird genugsam deutlich, wenn wir uns erinnern, daß Strixners Veröffent- lichung der Gebetbuchzeichnungen den Anstoß zu modernen ,,Randzeichnungen“ gaben, wie sie später dann z. B. besonders von E. Neureuther gepflegt wurden!. Das Mißverstehen der Dürerschen Orna- mente bekundet sich aber am klarsten darin, daß Strixner das freie gotische Rankenwerk

1 Eugen Neureuther: Randzeichnungen zu den Dichtungen der deutschen Klassiker. 1832.

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Dürers in eine Umrahmung spannte, als ob es klas- sische Ornamente wären. |

Fast genau hundert Jahre nach dem Erscheinen von Strixners Lithographien kam eine neue Ver- öffentlichung des Gebetbuches heraus, die mit dem technischen Rüstzeuge photomechanischer Repro- duktionsverfahren es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Münchner Urstück in völliger Treue wie- derzugeben. Überdies wurde eine, die bisherigen Forschungsergebnisse zusammenfassende und er- weiternde, abschließende kritische Würdigung des Werkes angestrebt. Es ist dasmonumentale Werk Karl Giehlows! (Abb. 1).

Obwohl erst zwanzig Jahre seit dem Erscheinen dieses ganz außerordentlichen Werkes verflossen sind, so kann sich schon heute der unvorein- genommene Beurteiler der Erkenntnis nicht ent- ziehen, daß auch dieses bereits deutlich den Stempel seiner Zeit erkennen läßt. Am deutlichsten wird das, wenn wir unbefangen das Münchner Original betrachten (Abb. 2). Vom Studium Giehlows kom- mend befällt uns vorerst das Gefühl merkwürdiger Enttäuschung, wenn wir das Original aufschlagen: ein schmächtiger Band, der mit dem mächtigen Folian- ten Giehlows arg kontrastiert. Sehen wir näher, ent- decken wir fast auf jeder Seite als Initialen einge- malte Miniaturen, die deutlich das Gepräge späterer Jahre zeigen. Dieser Umstand muß uns stutzig machen, denn Giehlows Faksimileausgabe weist ge- druckte Initialen auf, und der Autor rühmt sich

1 K. Giehlow: Kaiser Maximilian I. Gebetbuch mit Zeich- nungen von Albrecht Dürer und anderen Künstlern. Wien 1907. Die zuerst bei Dresely in München ohne Text, dann 1850 bei Franz in München erschienene Ausgabe unter dem Titel: „Albrecht Dürers Randzeichnungen aus dem Gebet- buche des Kaisers Maximilian I.“ fußt im wesentlichen auf Strixners Platten. Sie kann füglich, wie auch die Neuausgabe der Strixner-Platten bei Stägmayer 1883, und die in demselben Jahre bei Hirth in München farbig erschienenen photomecha- nischen Vervielfältigungen, denen jedoch der Text fehlt, für unsere Untersuchung ausscheiden. Vgl. auch: К. Giehlow: „Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaiser Maximilian I.“ Kunsthistor. Jahrbuch, Wien 1899 (Bd. XX), S. 32,

93

dieser willkürlichen Veränderung: „Aber wie leicht war es, die Miniaturen durch die großen Buchstaben der inzwischen aufgefundenen Drucke zu ersetzen!“ 1 Giehlow, der nicht Mittel und Mühe gescheut hatte und seine ganze profunde Gelehrsamkeit an die ge- stellte Aufgabe verschwendete, zahlt seiner Epoche den gebührenden Zoll: Unter dem Zwange einer historisierenden Anschauungsform gibt er ein Fak- simile des Gebetbuches im Zustande, wie es etwa zu Dürers Zeit ausgesehen hatte, nicht wie es heute wirklich aussieht. Das jeweilige zeitgebundene Verhältnis zwischen Kunstwerk und Reproduktion findet in dieser eben selbst dann ihren Niederschlag, wenn die Reproduktion ihrem Schöpfer als getreue Nachbildung erschien. Es wird sich in der Folge zeigen, daß noch andere, viel verhängnisvollere Mißverständnisse vorliegen.

Indessen wenden wir uns einer dritten Ver- öffentlichung des Münchner Originales zu, die erst kürzlich von G. Leidinger veranstaltet wurde?. Wie der Autor selbst im Vorwort ausführt, war die Erkenntnis, daß die fortgeschrittene Reproduktions- technik eine weit größere Annäherung an das Ori- ginal ermögliche, als es in der älteren Ausgabe noch denkbar war, der Grund, das viel bewunderte Buch neu zu veröffentlichen. Giehlow rekonstruierte das ganze Buch, indem er auch jene Teile, die sich heute in der Stadtbibliothek von Bensancon be- finden, mit einbezieht. Leidinger beschränkt sich dagegen weise auf das Urstück, wie es heute sich in der Bayerischen Staatsbibliothek befindet. Seine Lichtdrucktafeln kommen den zarten, blassen Tönen des Originals viel näher, als die Photolitho- graphien Giehlows des Wiener Lithographen Berger Verdienst sei deshalb nicht geschmälert. Diese konnten nicht einer umfassenden Retusche entbehren, um die Schärfe des Striches zu wahren, die im Original unser Entzücken erregt. Die Licht-

1 Giehlow a. a. O.: Textband, S. 5. Georg Leidinger: A. Dürers und L. Cranachs Randzeich- nungen zum Gebetbuche Kaiser Maximilians I. München 1922.

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

drucke Leidingers bleiben hinwiederum diese Schärfe schuldig, treffen aber den Ton des Vorbildes besser.

Im entscheidenden Punkte kommen sich aber beide Veröffentlichungen Giehlow und Leidinger gleich: Sie geben dem Betrachter ein völlig un- richtiges Bild von der künstlerischen Absicht Dürers; denn die historische Anschauung des Ob- jektes verdrängt die künstlerische Einstellung zum Objekt.

Schlägt man das Münchner Original gleich- gültig wo auf, umfängt uns der wunderbare Elfen- beinton des Pergaments, und, die ganze Seite be- herrschend, zieht die festgeschlossene Form des Satzspiegels den Blick auf sich. Wir spüren: Hier haben wir es in erster Linie mit einem gedruckten Buch zu tun. Der Typograph hatte das erste und letzte Wort zu sprechen. Der Satzspiegel, auf die linke und rechte Seite verteilt, aber, am Bund- steg nahe aneinandergerückt, zu einer künstle- rischen Einheit verbunden, bildet das Rückgrat der Komposition. Oberhalb, unterhalb und seitlich des Satzspiegels ist der freie Raum der Seite wohl ab- gewogen und mit dem Satzspiegel in ein Verhältnis gesetzt. Wie die Wirkung eines gotischen Domes erst durch die Folie eines knapp bemessenen Platzes verdichtet wird, so gewinnt die geschlossene Phalanx der Theurdanktype erst durch die Art und Weise, wie sie in den Raum gestellt ist, ihre Monumen- talität. Die künstlerische Erfahrung jahrhundert- langer Übung in den mittelalterlichen Schreib- stuben fand da ihre Nutzanwendung in der Offizin der neuen „Schwarzen Kunst.“ Erst nachdem sich das Auge an diesem primären Eindruck gesättigt hat, gewahrt es die, das Satzbild zart umrankenden Gebilde, die Dürer und seine Genossen im freien Spiele der Phantasie über die vom Drucke frei- gebliebenen Ränder ausbreiteten. Ganz zarte Töne. Ein blasses Rot, ein helles Violett und ein blasses aber warmes Grün ist vorzüglich verwendet. Die Farben mögen im Laufe der Jahrhunderte heller geworden sein, vielleicht; vielleicht aber

auch nicht, denn die Alten hatten Farbrezepte, die sich von Generation zu Generation weiter erbten und verfügten über Malstoffe, die die Erzeugnisse unserer Farbenindustrie, was ihre Qualität betrifft, weit hinter sich lassen!. Der ganze Duktus des Lineamentes der Randzeichnungen, die Wahl der hellen und nicht deckenden Farben, die spielerische Freiheit und Leichtigkeit der Strichführung, alles läßt unzweideutig erkennen, daß der Künstler hier ganz bewußt zu dem festgefügten, geschlossenen, dunkel auf hellem Grunde stehenden Typensatz eine Folie schaffen wollte. Und die Hauptsache: Dies Randzeichnungen, die schon im Ton so zurück- treten und sich dem Lokalton des Pergamentes zu nähern scheinen, diese Randzeichnungen reichen wirklich bis knapp an den Rand der Seite! Sie sind Bestandteil des Hintergrundes, von dem sich der Typensatz abhebt.

Weder Giehlow noch Leidinger haben diesem Um- stande in ihren Veröffentlichungen Rechnung ge- tragen. Nicht das „Buch“, sondern die einzelne „Seite“ erscheint reproduziert. In dieser Hinsicht sind sie nicht über Strixners Lithographien hinaus gegangen. Es ist noch die Einstellung Goethes, der ja auch die Randzeichnungen Dürers als etwas durchaus für sich Bestehendes betrachtet hat, ohne Bezug auf das Buch als Kunstwerk. In ganz gleicher Weise scheint aber auch das Verhältnis zwischen Satzspiegel und Randzeichnung gefälscht, das Wölfflin in unübertrefflicher Sprache aufzeigt:

„Man muß den Text mit den Zeichnungen zu- sammensehen. Nicht wegen der inhaltlichen Be- ziehung . . ., sondern weil die Randdekorationen ihren künstlerischen Sinn erst durch den Kontrast zu dem Letternfelde der Mitte erhalten, wo eng zu- sammengerückt die starken gotischen Typen stehen

1 В. Forrer: Die Kunst des Zeugdruckes. 1898. 5. 15.

? Leidingers Ausgabe möchte man fast als ein Zurück- greifen auf eine von Giehlow bereits überwundene Stufe bezeichnen, denn er bildet jede Seite des Originals auf einer

eigenen Tafel ab. Die künstlerische Einheit von linker und rechter Seite geht dadurch vollständig verloren.

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

in glänzender Schwärze. Diesen starren stachligen Satz umfassen und umgaukeln die leicht beschwing- ten farbigen Zeichnungen, dem Gebundenen den Gegensatz des Gelösten und dem Gedrängten den Gegensatz des Gelockerten an die Seite setzend. Man durchschneidet den Nerv der Wirkung, wenn man den Text herausnimmt und die Ranken sich selbst überláBt!* Man durchschneidet aber auch den Nerv der Wirkung, wenn man den Rand oben, unten und seitlich um einen fast hand- breiten Streifen verbreitert, der trotz der durch den blassen Tondruck angedeuteten Größe des Pergamentblattes des Originals, unwillkürlich auf Die Größenverhält- nisse werden gestört, finden notgedrungen eine falsche Wertung. Das freie Federspiel des Zeich- ners scheint in der Luft zu hängen, während im Original es in den Rahmen der Buchseite fest verankert ist.

Wolfflin hat die künstlerischen Beziehungen zwischen Text und Dekor klar erkannt; trotzdem

den Beschauer zurückwirkt.

beugte er sich wenn auch mit Widerwillen der überzeugungskräftigen Dialektik Giehlows und an- erkennt dessen Meinung, daß die Zeichnungen Dürers zur Übertragung auf den Holzstock be- stimmt waren. Leidinger gebührt das Verdienst die Unhaltbarkeit dieser Anschauung angedeutet zu haben. Die Randzeichnungen zeigen nicht den Duktus einer Vorzeichnung; auch wäre es ver- wunderlich, daß Dürer sie auf kostbarem Pergament ausgeführt hätte. Als Schwarzdruck wären die Ranken künstlerisch sinnlos. Bliebe also lediglich die Annahme, daß sie in Farben gedruckt würden. Nun ist Dürers Stellung zum Farbholzschnitt be- kannt: er, als Vollender der Schwarzweißkunst, mußte diese neue von den Augsburgern geübte Technik ablehnen*, Die Tatsache, daß Dürer am Gebetbuch mitarbeitete, dokumentiert also für sich allein schon, daß hier ganz andere künstlerische

1H. Wölfflin: Die Kunst A. Dürers. München 1918. S. 243. 2 A. Reichel: Die Clair-obscur-Schnitte. Wien 1926. 8. 23.

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Pläne verwirklicht werden sollten. Als Vorbild schwebten dem kaiserlichen Auftraggeber wohl kostbare Handschriften in der Art der livres d’heures vor. Etwas diesen Prachtwerken Analoges, aber „Modernes“ sollte geschaffen werden. Die neue Kunst des Buchdruckes konnte da nicht umgangen werden und auch der handgezeichnete Dekor mußte neue Wege einschlagen. Gewisse Äußerlichkeiten, wie die rote Liniatur gemahnt an die älteren Vor- bilder. Sie konnte beibehalten werden, da sie eine organische Verbindung zwischen Satzspiegel und Randzeichnung herstellt. Diese roten Linien wur- den, wie eine genaue Untersuchung des Originals er- gab erst gezogen, als sowohl der Druck als auch die Randverzierungen fertig waren 1. Auch diese Linien wären sinnlos in einer Vorzeichnung, werden aber sogleich verständlich, sobald wir in dem Buche eben eine kostbare Originalarbeit erkennen wollen. Als einzige sehr bezeichnende Konzession an die Zeit könnte nur der gedruckte Text angesehen werden; aber gerade dieser kommt unserer An- schauung entgegen, denn diese kunstvoll-verschnör- kelte Schrift sucht den Eindruck der „Туре“ zu verschleiern. Das gelang ihr so gut, daß lange Zeit hindurch der Text des Theurdanks, der die zur klei- neren Type veränderte Form der Schrift des Gebet- buches aufweist, für einen Holztafeldruck gelten konnte.

Es ist, wie sich gezeigt hat charakteristisch für die Einstellung der Gegenwart, daß sie in dem Ge- betbuch des Kaiser Maximilian I. im Gegensatz zu der aus einer Art von romantischer Gesinnung her- vorgewachsenen Anschauungsweise Strixners und der Epoche des alternden Goethe, aber auch in deut- lich fühlbarer Ablehnung einer rein historisch- kri-

tischen Anschauungsweise, wie sie am reinsten durch

1 Die roten Linien überschneiden und verwischen die schwarzen Typen: S. 46, rechts, 6. Zeile von oben; S. 25, rechts, 1. Zeile von unten. Die roten Typen werden über- schnitten: S. 53, rechts, 1. Zeile von unten; S. 56, links, 6. Zeile von oben. Die Randzeichnungen werden z. B. über- schnitten: S. 30, links.

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Giehlows Werk sich offenbarte, das Kunstwerk um seiner selbst willen in den Vordergrund stellt. Das Buch als Kunstschöpfung von höchster Quali- tät der Arbeit ist, was uns interessiert. Und wir schmeicheln uns, daß wir damit uns dem am stärk-

HEINRICH SATRAPITANUS

sten nähern, was Dürer und seinen Auftraggeber bewegte. Leidinger sucht in seinem Texte dieser modernen, künstlerischen Einstellung gerecht zu werden. Die „moderne“ Reproduktion des Mün- chener Kodex steht jedoch noch aus.

UND HEINRICH VOGTHERR

VON

PROFESSOR Dr. MAX GEISBERG (MÜNSTER)

Die Fälle, in denen es gelingt, zu einem Künstler- monogramm des 16. Jahrhunderts den bürgerlichen Namen des Meisters zweifellos nachzuweisen, sind verhältnismäßig selten. Ich glaube im folgenden einen solchen beibringen zu können, aber es knüp- fen sich an diese Identifizierung noch eine Menge Fragen, die eines gewissen allgemeinen Interesses

nicht entbehren. Ich meine den Formzeichner, der seine Arbeiten

mit einem aus einem H, einem S und einem Kreuz gebildeten Monogramm versieht. Seine frühesten Arbeiten sind einige Einzelholzschnitte, die zwar bezeichnet und datiert sind, aber jedes Hinweises auf den Ort ihrer Entstehung entbehren. So ein Urteil Salomos von 1510 (138 >< 343), ein Jüngstes Gericht vom selben Jahre (343 >< 238), ein S. Chri- stoph (P. Ш. 293, 3), ein Paris-Urteil nach Cra- nach von 1511 (230 >< 330, Dodgson, Catalogue II, 289), eine unbezeichnete und undatierte Anbetung der Kónige (B. VII. 247, 10, Wien), ein bezeichneter aber undatierter Christus am Kreuze (278 >< 245, unveröffentlichter Derschaustock F 37; 190) und anderes.

Erst seit 1514 vermógen wir den Zeichner zu lokalisieren. Eine Titelumrahmung mit der Dar- stellung des Parnaß findet sich 1514 im Verlage Melchior Lotthers in Leipzig, wo auch das mit zwölf Illustrationen seiner Hand versehene Büch- lein von Weida, der Spiegel hochlöblicher Bruder-

schaft des Rosenkranzes Mariae, 10. März 1515, erschien. Eine Titeleinfassung mit Darstellung der Heiligen Rochus, Sebastian, Martin (Joh. Luther, Titeleinfassungen der Reformationszeit Nr. 15, seit 1516 bei Lotther), eine ähnliche mit der Madonna, Thomas und Nikolaus (Joh. Luther, Nr. 18, seit 1517 bei Lotther), eine dritte mit Mauritius, Mar- tinus, Stephanus (das alte Buch, die Quelle XIII, Tafel 48) bei Schumann in Leipzig 1516. Eine be- zeichnete Madonna nach Dürer in der Forma recta penitendi, Erfurt, Maler, 1515. Das sind nur ganz wenige Beispiele seiner Tütigkeit in Sachsen und Thüringen. |

Schon 1517 finden wir den Formschneider in Augsburg, wo er die 198 Illustrationen des Heili- genlebens, alles täuschende Nachschnitte nach den Vorlagen Schäufeleins, für den 24. November 1517 datierten Sommerteil und den 3. April 1518 datier- ten Winterteil im Verlage Johann Millers liefert. Bei demselben erscheint 1518 ein Hortulus animae mit 56 Schnitten seiner Hand, 1522 bei Ramminger Meisterlins Chronik, 8. Januar 1519 bei Miller das Leben des hl. Johannes Capistran mit dem bekannten signierten Titelschnitt, 1524 bei Othmar die unbe- zeichneten Cranach-Kopien des Alten Testamentes, 1523 die Initialen, Kopien der Lembergerschen, in Schónspergers Neuem Testament, und dann zahllose weitere Titelschnitte der Quartflugschriften, von denen jeder Auktionskatalog Beispiele bietet. Es

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

liegt mir fern, hier eine auf Vollzähligkeit Anspruch erhebende Liste zusammenzustellen, sondern ich nenne nur des Beispiels wegen aus Dietrich, Deut- sches Leben der Vergangenheit, die Nr.230, 231, 358, 847, aus den Katalogen des Verlages Josef Kösel und Friedrich Pustet die Tafeln 2, 8, 12 oder aus dem Katalog 65 des Antiquariats J. Halle in Mün- ster Nr. 35, 87, 120, 201, 259, 563, 565, 615. Wenn man mit 600 Schnitten seiner Hand rechnet, über- schätzt man meines Ermessens seine Produktion sicher nicht. Fast alle diese Schnitte verraten eine starke Abhängigkeit von Hans Weiditz, wie Röt- tinger in seiner Monographie über diesen Meister bereits S, 73, Anm. 1 ausgeführt hat. Eine Reihe von Weiditz-Kopien sind dort aufgezählt. Auch zwei sehr charakteristische Merkmale der Zeichen- weise unsers Monogrammisten, die Doppellinien am Nasenrücken und die Horizontallagen zu seiten eines Mittelstammes bei der Wiedergabe der Bäume, sind hier bereits treffend hervorgehoben.

Schwierigkeiten machte aber ein künstlerisch über die Masse dieser Formschnitte sich erheben- des Blättchen, das angebliche Signet Heinrich Steiners, das Butsch in seiner Bücherornamentik Bd. I, S.51 abbildet. Während es den älteren Autoren erst in einer Verwendung von 1540 be- kannt war, hat Dodgson nachgewiesen, daß es bereits 6. April 1531 im Liber Emblematum aus dem Verlag von Heinrich Steiners sich vorfindet. Dargestellt ist ein junges Mädchen, das auf einem Delphin stehend nach rechts über die Wellen fährt. Mit der Rechten hält sie eine Stange, an der ein großes Segel sich bläht, mit der Linken hält sie einen Schild, auf dem groß und deutlich das aus H, S und dem Kreuz gebildete Monogramm unsres Formschneiders zu erkennen ist. Die Verwendung des Monogrammes an dieser Stelle hat seit Nagler die Forschung dazu bestimmt, dieses Monogramm wegen eben dieser unbestreitbaren Verwendung als Marke Heinrich Steiners anzusprechen und somit diesen selbst für den Formschneider HS zu halten.

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Aber sofort ergaben sich neue Schwierigkeiten. Steiner, der zuerst 1522 in den Augsburger Steuer- büchern erscheint, druckt dort von 1523 bis 1548. Warum erscheinen noch nach 1523 bei andern Offizinen Schnitte unsers Monogrammisten ? War- um ist dieser im letzten Drittel der zwanziger Jahre nicht mehr als Holzschnittzeichner nachzuweisen? Ist es überhaupt wahrscheinlich, daß der Leiter eines 80 rührigen Verlages, wie es der Steinersche war, seine Arbeitsstunden mit Formschneiden aus- gefüllt hätte? Würde er nicht wohl einmal Ge- legenheit genommen haben, einen seiner Schnitte mit seinem vollen Namen zu versehen? Es ist nach alledem begreiflich, wenn die Identifizierung der beiden nicht als endgültige Lösung gelten konnte, wenngleich es nicht möglich war, zunächst etwas Besseres an ihre Stelle zu setzen.

Nun hatte 1904 Röttinger festgestellt, daß das oben erwähnte Signet tatsächlich von unserm Form- schneider herrühre, was meines Erachtens auch durchaus zutrifft. Dodgson, dem bekannt war, daß dieser später in Augsburg tätige Zeichner vorher in Leipzig und Erfurt nachweisbar ist, äußert sich zu- rückhaltender. Er erkennt an, daß das Monogramm als jenes Steiners zu deuten ist, meint aber, es bleibe gerade darum zweifelhaft, ob der Schnitt überhaupt etwas mit jenem Monogrammisten zu tun habe, der eine gleiche Hausmarke zur Bezeichnung seiner Arbeiten verwendet habe. Er nimmt also die zu- fällige Übereinstimmung der Hausmarken zweier verschiedener Personen an, noch dazu in derselben Stadt und in verwandten Gewerben.

Einen wesentlichen Schritt vorwärts kam die Frage, als ich Oktober 1924 in der Kartenabtei- lung der Berliner Bibliothek einen großen Augs- burger Holzschnitt, den Stammbaum des Glaubens von 1524, auffand, der bisher der Forschung ent- gangen war. Ich habe dies bedeutende Blatt in- zwischen in der X. Lieferung meiner Veröffent- lichung des deutschen Einblattholzschnittes ori- ginalgroß wiedergegeben. Dargestellt ist ein Baum,

7

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

um dessen Wurzeln sich Spruchbänder schlingen. Etwas höher schiebt sich ein großes Herz in den Stamm, über diesem ein großer Kopf, aus dessem Munde die Zweige des Baumes hervorwachsen. An ihnen hängt oben der Kruzifixus mit der hl. Taube und der Halbfigur Gott Vaters, während die Zweige rechts und links mit vielen runden Scheiben be- deckt sind, deren jede einen Bibelspruch aufweist. Andre füllen den Hintergrund. Links vom Stamme steht der hl. Paulus, eine Schaufel in der Rechten, mit der Linken aus einem Kruge das Erdreich be- gießend, rechts Petrus, grabend. Unten in der gan- zen Breite des Bildes eine Schrifttafel mit theolo- gischem Texte. Verschiedene Leisten von Weiditz, Originale oder Kopien, umrahmen das Ganze. Der Schnitt mißt 526 x 357 mm. Für unsern Zweck sind die Unterschriften auf der Schrifttafel das Wesentliche. Hier steht: „Heinricus Satrapitanus Pictor“ und „Getruckt zu Augspurg Durch Hain-

richen Steyner 1524“.

Wir wissen jetzt: der Holzschnittzeichner HS und Heinrich Steiner sind nicht ein und dieselbe Per- son, sondern zwei verschiedene Menschen, deren Namen zufällig mit Hund S anfangen. Der erstere bezeichnet sich als Maler. Daß dieser Heinrich Sa- trapitanus mit unserm Holzschnittzeichner HS identisch ist, daran läßt die Formensprache des Schnittes, die Köpfe Gott Vaters, Christi und Petri ebensowenig Zweifel wie der Faltenwurf und die Weiditz entlehnten Motive der Umrahmung der Schrifttafel.

Wer ist Heinrich Satrapitanus? In den Augs- burger Malerlisten kommt sein Name, wie ich von der dortigen Archivverwaltung erfuhr, nicht vor. Wohl aber war er unschwer als Verfasser einiger religiöser Flugschriften festzustellen. Henricus Sa- trapitanus Pictor nennt sich auf dem Titelblatt von: »Ain Fruchtbar Büchlin, wie ein Christen mensch in Got widerumb neuw geporen und in die innerlich erkantnus got gefurt in got eingeleibt und ver- gottet werd“ (1523). Ferner ebenso: ,,Ain christ-

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lich buchlin, wie man sich inn guten werken halten und wem man sy zuschreiben sol, ein nutzlich ma- nung.“ Ferner 1524: „Ain Cristliche anred vnnd ermanung, sich vor den großen Lutherischen schrey- егп vnd Cantzel schendern zu verhüten“!. In allen diesen Schriften spricht sich die starke Neigung des Verfassers zu theologischen Streitfragen und Pro- blemen aus, die uns schon in dem „Baum des Glau- bens“ begegnet ist. Die Titelumrahmungen dieser Flugschriften sind alle unzweifelhafte und cha- rakteristische Arbeiten des Monogrammisten HS mit dem Kreuze. Die Typen sind vermutlich jene Steiners.

Satrapa ist der Stellvertreter des Herrn, der Vogt, Satrapitanus also Vogtherr oder Vogter, wie der Name vielfach geschrieben wurde. Daß der Schrift- steller Henricus Satrapitanus mit dem bekannten Maler und Holzschnittzeichner Heinrich Vogtherr dem Älteren identisch sei, finde ich mit aller Be- stimmtheit bereits von O. Clemen in einer Berich- tigung am Ende des 7. Bandes (S. 139) der Beiträge der bayerischen Kirchengeschichte ausgesprochen. Das klingt gewiß zunächst sehr glaubhaft, wenn wir hören, daß auch dieser Heinrich Vogtherr, Maler zu Wimpfen, 1524 „Ain Neuw Ewangelisch lied auß der schrifft gezogen“ verfaßt und zum Druck ge- bracht hat. Also bei gleicher künstlerischer Betä- tigung die gleiche theologische Einstellung!

Und noch eine andre Feststellung scheint mir von Wichtigkeit. Der Titelholzschnitt einer Flug- schrift des Bartholomaeus Vogter, Augenarztes ZU Dillingen, den Friedrich Vogtherr zu S. 44 abbildet, ist eine Kopie nach Weiditz und mit aller Bestimmt- heit als Arbeit des Satrapitanus zu erweisen. Bar” tholomaeus Vogtherr aber ist der Bruder Heinricbs.

Über die Mitglieder der Familie Vogtherr gibt zur Zeit wohl die von Dr. Friedrich Vogtherr ver- faßte, 1908 in zweiter Auflage erschienene Ge- schichte der Familie Vogtherr (Ansbach 1908) die

- 1 Vgl. Otto Clemen in den Beiträgen der bayrischen

Kirchengeschichte. Bd. VI, S. 274.

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

beste Auskunft. Nach den zahlreichen älteren Stammbüumen im Besitze verschiedener Mitglie- der der Familie, denen gewiß eine große Glaub- würdigkeit innewohnt, wenn auch nicht alle ihre Angaben urkundlich zu belegen sein werden, war Heinrich Vogtherr der Ältere, der sich auf dem be- kannten Titelschnitt des Kunstbüchleins 1537 als im 47. Jahre stehend bezeichnet, der Sohn eines Augenarztes Konrad Vogtherr in Schwübisch-Hall.

Sein Geburtsjahr, 1490, würde sehr wohl für unsern

Heinrich Satrapitanus, dessen älteste bekannte Schnitte 1510 datiert sind, passen. Seit 1522 soll Heinrich Vogtherr nach den Stammbäumen in Wimpfen gelebt haben. Im Katalog Sternberg II, Nr. 692 ist ein Holzschnitt mit der Unterschrift „Hainricus Vogther, Maler zu Wimpffen“ aufge- führt, den auch Passavant III. 345,2 erwähnt, aber leider ist gerade dieses Blatt verschollen. Die Überschrift lautete: „Der vergottet Mensch“. Damit vergleiche man den Titel der oben ange- führten Flugschrift von 1523. Am 17. Mai 1526 erwirbt Vogtherr in Straßburg das Bürgerrecht: „Heinrich Vogtherr der maler von Wimpffen hat das Bürgerrecht kauft.“ Seine späteren Schick- sale kommen für unsre Frage nicht mehr in Be- tracht.

Gegen die Identifizierung spricht vorläufig nur die Angabe der Stammbäume, daß Vogtherr be- reits 1522 nach Wimpfen gezogen sei, also gerade in dem Jahr, in dem Steiner seine Buchdrucker- tätigkeit aufnahm. Nach dem, was wir von Satra- pitanus wissen, könnte es nicht vor 1525 oder höch- stens 1524 gewesen sein. Sein Sohn Heinrich der Jüngere ist 1513 geboren. Danach ist es nicht an- gängig, den Aufenthalt in Sachsen 1517 etwa mit seinen Wanderjahren zu erklären.

Das Rätsel jenes Signetes ist jetzt wohl unschwer zu lösen: es ist nicht nur eine Arbeit des Satra- pitanus, sondern seine Marke, die sich vielleicht noch einmal am Ende einer seiner Flugschriften finden mag, oder sein Exlibris. Der Stock verblieb,

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als er Augsburg verließ, wie so viele andre seiner Arbeiten in den Händen Steiners, der nach Verlauf einiger Jahre bei der Gleichheit der Initialen ihrer Namen unbefangen das hübsche Bildchen hier und da als Signet verwendete.

In der Staatlichen Kupferstichsammlung in Ber- lin befindet sich ein andrer Einblattholzschnitt mit der Überschrift: Eyn Gleychnus der versuchung des teuffels wider die Klaynmüttigen. Dargestellt ist ein langbärtiger Mann, der mit aller Kraftan- strengung an einem Nagel rüttelt, der in den Eck- pfosten eines Hauses eingeschlagen ist, während hinter ihm ein Teufel in der Luft flattert und ihm zuredet; 215 >< 266 mm. Unten ein langes deut- sches Gedicht mit der Unterschrift ,,Hainrich Vogt- herr, Maler“, die ihn vielleicht nicht nur als Zeich- ner, sondern auch als Dichter der Verse kennzeich- nen soll. Der Schnitt ist bei Passavant III. 346, 4 als Vogtherr beschrieben! und auch von Koegler in seinem neuen Verzeichnisse der Schnitte Heinrich Vogtherrs? anstandslos aufgeführt. Gerade Koegler weist aber dabei nach, daB der entsprechende Schnitt in Schwarzenbergs Deutsch Cicero, Augs- burg, Steiner, 1534, fol. 121b nicht, wie man früher annahm, eine Kopie, sondern ein zweiter, verschnit- tener Zustand des Originalholzstocks ist. Also die- ser Stock, den ein Kenner wie Koegler unbedenklich als Frühwerk des seit 1526 in Straßburg ansässigen Vogtherr anerkennt, befindet sich 1534 in Augs- burg, ein neuer Beleg für die Identität des letztern mit dem Satrapitanus, auf den die Weiditzsche Um- rahmung auch in diesem Bilde, der Kopf des Alten, den man mit dem Paulus unter dem Baume des Glaubens vergleichen mag, und die Landschaft hin- weisen. Selbst in den beiden großen anatomischen Figuren des männlichen und des weiblichen Kör-

1 Vgl. die originalgroBe Wiedergabe in meiner Veröffent- lichung des Deutschen Einblatt-Holzschnitts. Lieferung XX, Tafel 34.

2 Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. Bd. XXII. S. 61.

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

pers’, die an das Ende der dreißiger Jahre ge- hören, glaube ich noch die Hand des Satrapitanus wiedererkennen zu dürfen, so besonders in der Haarzeichnung des Mannes, die man mit jener auf dem „Baum des Gaubens“ vergleichen möge.

Die obigen Bemerkungen berechtigen wohl die Meinung, in unserm Heinrich Satrapitanus den jun-

1 Das männliche Modell habe ich im Einblatt-Holzschnitt Lieferung XII, Tafel 38 nach dem Exemplare der Berliner Staatsbibliothek wiedergegeben. Es ist 1539 datiert. Die täuschende Kopie des weiblichen Körpers nach dem Exemplar der Albertina, mit der Adresse Jost de Negkers, ist 1538 datiert. Vgl. Röttinger, Flettner S. 20, Anm. 2. Die hier angegebene Zahl 1532 ist ein Druckfehler für 1538.

gen Heinrich Vogtherr zu erkennen, der seit seiner Übersiedlung nach Wimpfen der deutschen Form seines Namens den Vorzug gibt und in gleicher Weise seit 1527 auch ein andres Monogramm ver- wendet. Zu zeigen, wie stilistisch seine Wandlung von den Augsburger Weiditz-Kopien zu den klein- figurigen bezeichneten Bildern zu Beringers Neuen Testament von 1526 sich vollzieht, ist eine andre Aufgabe, die ich mir vesparen möchte, bis Róttin- gers Arbeit über die Vogtherrs vorliegt, die meines Wissens unmittelbar vor dem Erscheinen steht. Auch liegt sie, streng genommen, bereits außerhalb

meines heutigen Themas.

EIN FLUGBLATT AUF DEN KONIG DER WIEDERTAUFER

VON

DR E. WALDMANN DIREKTOR DER KUNSTHALLE BREMEN

Am 21. Januar des Jahres 1536 ward der König der Wiedertüufer, Johann von Leyden, durch den Bischof von Münster hingerichtet und sein Leich- nam ward hoch oben in einem Käfig am Lamberti- turm aufgehängt.

Die merkwürdige Figur dieses Menschen und sei- nes Wirkens hat die Phantasie der Zeit mit Leiden- schaft beschäftigt. Ein Flugblatt, das wahrschein- lich bald nach der Hinrichtung dieses Anarchisten herausgegeben wurde, erzählt noch einmal in kur- zem die ganze Begebenheit. Wenn auch dieser populärhistorischen Darstellung eine gewisse Glaub- würdigkeit zukommt und sie mit dem, was wir sonst aus den Quellen wissen, übereinstimmt der Titel: „Warhaffte Abbildung“ führt irre. Denn so wie auf diesem Holzschnitt sah Johann von Leyden nicht aus. Wir kennen sein Bildnis aus dem Kupferstich von Heinrich Aldegrever und nach den Aldegreverschen Porträt versteht man, daß

100

ihn die Zeitgenossen als einen schönen Mann hin- stellten.

Der Herausgeber des Flugblattes, der aktuellen Bedürfnissen entgegenkommen wollte und den Ab- satz durch Beigabe eines Porträts zu steigern hoffte, half sich mit einem kleinen Plagiat. Er ließ eine Bibelillustration Ehrhardt Altdorfers getreu ko- pieren, den Josua von dem Titelblatt des zweiten Teiles im Alten Testament der Bugenhagenschen Bibel, die Ludowich Dietz im Jahre 1533 in Lübeck hatte erscheinen lassen. Für Leute, die den falschen König weder im Leben gekannt, noch jemals eine Abbildung gesehen hatten, mochte dieser wüste Geselle, dieser Josua, herhalten als „wahrhaftige Abbildung“.

Wann und wo das Flugblatt erschienen ist, läßt sich nicht feststellen. Ein Druckort und ein Jahr ist nicht angegeben. Wahrscheinlich hat man die Ent- stehung des Blattes in das Jahr 1536 zu setzen, also

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

bald nach der Hinrichtung. Später wäre die Ak- tualität des Interesses nicht mehr vorhanden ge- wesen. Als Ort des Erscheinens wird keinesfalls Münster oder Westfalen in Frage kommen. Dort

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kannte man wohl die Erscheinung dieses berühmten Mannes und außerdem hätten sich die Westfalen die Schreibung des Familiennamens Bockhold statt Bockelsohn oder Beuckelssen nicht gefallen lassen.

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NAMEN- UND SACHREGISTER

Seite Akanthus ranken 10, 19, 20 Albrecht III 14 Albrechtsminia toe 23 Baldung, Han gskasss a 40 Beck; Leonhard . . ........ —— 44 Beham, Barthel 45 Beham, Sebald . . . : : . m m nr rn 080888 45 Beulenblattranke . . .............. 28 Buchillustration im 16. Jahrhundert. 39 Buchkunst, tiroler 28 Buchmalerei, französische . . . . . . .. ..... 10 Buchmalerei, österreichische und süddeutsche . . . . 9 Burgkmair, Hans . . ............. .... 48 Cranach, Lucas, d. А. . 49 Dornblattzweige . . - . . . ............ 10 Diirer, Randleisten zum Gebetbuch Maximilians . . 9, 91 | Furtmeyr, Berthold . ............... 36 Gebetbuch Maximilians 9, 9 Giehlow, Кай................... 93 Glöckendon.. 2... wéi 2 5 38 Goethe über Dürer 9, 92 Granatapfelmotiv . . . 2: еее ee eee 34 Grün, Jako 16 Gutknecht, Jörg 38 Hahnenfußranke. . . . . . . .. ..... s... 35 Huber, Wolf .............-.-.-.-.-.. 54 Johann von Ley den. 100 Johann von Neumarkt. rtr 11 Johann von Ulm ................. 33 Leidinger, Georg . .... lens 93 Lemberger, Georg... gg 54 Margareta Karthäuseri!è nn 36

Martinus (Minia tor 26

Seite Meister des Emser Epitaphs . . . ...... +... 52 Meister des Engelkonzerts . . . . 2»: 220000. 52 Meister des Paris- Urteils. 53 Meister der Jakobsleiter . . . . . . . . . + sees 54 Meister der Zackenblátter . . . . . +... +... +. . 50 Miniaturmalerei, augsburger . . . . . . . +. +. + 10, 38 Miniaturmalerei, böhmische . . . . .. . +... +. +. 11 Miniaturmalerei, österreichische. en 14 Miniaturmalerei, salzburger 33 Molitor, Heinrich. enn 28 Monogrammist eee 48 Monogrammist [cdsss. 48 Monogrammist dss. 69 Monogrammist H ft. 43 Monogrammist 88s. 65 Monogrammist ils 53 Monogrammist iris 70 Monogrammist Nuk 38 Nachbildungen des Gebetbuchs Maximilians 91 Randleisten in Holzschnitt. 36 Rankenornament . nt: © o Y Sachs, H... 16 Satrapitanus, Heinrich. en 62, 96 Schoen, Erhard . . . . .............. 60 Simon von Niederaltaich. .........2.... 23 C/ ͤ OE OO BR DL IE уй, D D A Шш 9, 92 Traut; oak has 61 Urs Graf usmod Eod. SEE ee 43 Vogtherr, Heinrich . egen 96 Weiditz, Нав................... 62 Wenzelshandschriften . . . . ........... 14 Wiedertäufer, König dern 100 Wölfflin, Heinri cn 94

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OTTO HARRASSOWITZ

LEIPZIG

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Herausgegeben von R. Hoecker und J. Vorstius 1927; Jahrgang XIII (1925). 8°. 407 Seiten. RM 22.—

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Bearbeitet von G. Hebbeler 1927: Jahrgang XX (1925). 8*. XIII, 371 Seiten, RM 16.—

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und anderer wichtiger bibliotheks- und sprachwissenschaftlicher Werke

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П. JAHRGANG 1928 „Schrift als Ornament«

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BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM ZU LEIPZIG

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Buch und Schrift

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM П. JAHRGANG 1928

„Schrift als Ornament

VERLAG DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM ZU LEIPZIG

INHALTSVERZEICHNIS

» SCHRIFT ALS ОВМАМЕ N T «

Dipl.-Ing. Dr. Otto HURM-Wien, Die Schrift als Ausdrucksform

Abteilungsdirektor Dr. Karl SCHOTTENLOHER-München, Der Holzschnitt-Titel im Buch der Frühdruckzeit (mit 5 Abb.).....

Dr. Kurt PFISTER-München, Schmuckwerte der Ornamentik und Schrift in mittelalterlichen Handschriften.

Professor Dr. Gustav NECKEL-Berlin, Runische Schmuckformen

Professor Dr. Helmut DE BOOR-Leipzig, Der Codex Árgenteus und

seine neueste Áusgabe (Antike Schriftornamentik in germanischer

Dr. Julius RODENBERG-Leipzig, Die arabische Schrift als Ornament

Professor Dr. Julius ZEITLER-Leipzig, Über das Dekorative in den klassischen Schriften... оао агава вано

Professor Dr. ROEDER-Hildesheim, Der Schmuckwert der ägypti- schen Hieroglyphen ......oooooooooooooo ооо еее ное

Professor Dr. Eckhard UNGER-Berlin, Die Keilschrift und ihre

Beziehung zur Ornamentik .............................

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Der zweite Jahrgang des vom Deutschen Verein für Buchwesen und Schrifttum herausgegebenen Jahr- buchs wurde bei Breitkopf & Härtel gesetzt und gedruckt; das Papier lieferten die Firmen Ferdinand Flinsch und Sieler & Vogel; die Druckstöcke stammen von den Firmen Е.А. Jütte, M. Müller & Söhne, Adolf Klauß & Comp. und Louis Gerstner, sämtlich in Leipzig, und von der Bruckmann A.-G. in München; Buchbinderarbeiten ausgeführt von der Fritzsche-Hager A.-G. in Leipzig

Die Redaktion führte im Auftrage des Vereins der Bibliothekar des Deutschen Buchmuseums Dr. Hans Н. Bockwitz in Leipzig

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VORWORT

Der zweite Jahrgang unseres Jahrbuchs“ vereinigt eine Reihe wissenschaftlicher Aufsätze zum Thema: »Schrift als Ornament«. Da es nicht möglich war, in dem be- grenzten Rahmen eines Jahrbuchs auch nur alle wich- tigeren Schriftkulturen der Vergangenheit und Gegen- wart behandeln zu lassen, beabsichtigen wir, zu gegebener Zeit wieder ein ähnliches Thema zu stellen und werden dann die hier nicht vertretenen Schriftkulturen zu Wort kommen lassen. Immerhin konnten wir bereits im vor- liegenden Jahrgang Chinesisch, ägyptische Bilderschrift, Keilschrift, Arabisch, Runen, Gotisch, Griechisch-Rö- misch, mittelalterliche Handschrift, frühen Druck und moderne Schrift zusammenfassen und hoffen damit die Schriftforschung nicht unwesentlich gefördert zu haben. Den diesjährigen Mitarbeitern spricht der Verein für ihre

Mitarbeit auch an dieser Stelle seinen besten Dank aus. Leipzig, im Dezember 1928

DEUTSCHER VEREIN FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Dr. L. Volkmann

I. Vorsitzender

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DIE SCHRIFT ALS AUS DRUCK SFORM

VON DIPL.- ING. DR. OTTO HURM-WIEN

J edes Gebiet bildender und darstellender Kunst erstreckt sich zwischen den beiden Polen künst- lerischen Gestaltens, dem realistischen, bei dem das erregende Erlebnis gewissermaßen als Sonderfall mit den Mitteln und Formen der Natur, einer vermeint- lichen Wirklichkeit gegeben wird, und dem symbo- listischen, das jenes Erlebnis weitgehend umformt und es aus dem Besondern ins Typische steigert. Die Schöpfungen erstrecken sich also von der reinen Wiedergabe des Naturdings über seine stilisierte Umbildung bis zur undinglichen Abstraktion, zum Zeichen, zum Symbol. Von allen Zweigen bildender Kunst zeigt die Schrift diese Wandlungsmöglichkeit am ausgeprägtesten. Es ist ja klar, daß Graphik, Malerei und Plastik immerhin eher zur mehr oder minder direkten Wiedergabe des Naturbildes neigen wird als die Architektur mit ihren bedingenden, stil- fordernden Gesetzen. Die Schrift aber, die der Archi- tektur innerlich näher verwandt ist als der Malerei, die auch noch dazu das Übergangsgebiet darstellt zwischen bildender und Dichtkunst, sofern man sie als sinnlichen Ausdruck eines Gedankenbildes auffaßt, die Schrift ist in diesem Streben nach Natur- ferne, nach gesteigertem Ausdruck am weitesten

gegangen. Aus der Bilderschrift, der zeichnerischen Darstellung des gemeinten Gegenstandes, erwuchs durch vereinfachte Darstellung das Zeichen, das keine unmittelbare Beziehung zum Ding selbst mehr besaß. Unendlich langsam wandelten sich so die Zeichen, wurden geklärt, gereinigt, umgeschmolzen, verworfen und wieder aufgenommen, bis sie zu jenen Sinnbildern wurden, auf denen unser ganzes geistiges Leben aufgebaut ist, den Buchstaben.

Diese Zeichen sind also Träger einer Idee, sind mehr als bloße Form und das unterscheidet sie streng vom Ornament. Ornament ist Schmuckwerk, heiteres Spiel von Formen ohne eigentliche Bedeu- tung. Schrift dagegen ist sinnfälliger Ausdruck des Gedachten, das nur auf solche Weise gefaßt, fest- gehalten, bewahrt werden kann. Das Unfaßbare ist Gestalt geworden, das Flüchtige hat hier Dauer gewonnen. Kein Wunder, daß einst die Schrift und das Schreiben Geheimnis war, heilig und das ge- hütete Vorrecht der Priester.

Daß die Schriftzeichen Träger eines tieferen Sinnes waren, gab ihnen Weihe und Würde. An ihrer Form hielt man fest als an etwas Ehrwürdigem. Es ist erstaunlich, wie wenig sich im Grunde die

OTTO HURM-WIEN - DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

die sie Nützlichkeitsdrang gezwungen hat; wir ver stehen, daß sie, die demütige Dienerin, besseres zu geben vermag als die Zweckerfüllung des Alltags, daB sie Schónheitswerte einschlieDt, die uns armen, ernüchterten Tatsachenmenschen Gefühle der Freude und des Glücks geben kónnen.

In der Zeit des größten Tiefstandes, der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn des unseren, ist man den Schmuckwerten der Schrift ja recht blind gegenüber gestanden. Aber schon ein paar Jahrzehnte haben Leistungen gebracht, die ein neues Aufblühen dieser uralten Kunstübung zeigen.

Man hat solchen Erneuerungsbestrebungen oft entgegengehalten, daß es falsch, romantisch sei, heute,da wir ja drucken können, Schrift zu schreiben. Solche Einwürfe, so häufig sie auch gemacht werden, erweisen eine sehr oberflächliche Beurteilung der Sache. Auch Druckbuchstaben müssen einmal ge- schrieben werden, auch sie bedürfen des lebendigen Zusammenhanges mit der naturgemäßen Ent- stehungsweise von Buchstabenformen, wie sie das Schriftschreiben gibt. Schriftzeichnen, also das Nachschaffen von Buchstaben auf unorganische Weise, durch Umfahren des Umrisses statt durch Wiedergabe des Schriftzuges, ist nur ein elender Not- behelf, der zu jener Verarmung führte, die wir noch lange nicht werden überstehen können. Lebendig bleiben kann Schrift nur dann, wenn sie geschrieben wird. Sie ist der Nährboden für alle Schaffenszweige, die Schrift im übertragenen Sinn anzuwenden haben. Solcher Anwendungsmöglichkeiten gibt es sehr viele. Dabei spielt das Material eine entscheidende Rolle, es drückt der Schrift seine Besonderheit auf und

laßt sie seine Sprache reden. Schrift in Holz ge- schnitten, in Stein gegraben, in Metall gegossen zeigt immer die Merkmale des Werkstoffs oder sollte sie zeigen, wenn das Wesen dieser Materialsprachen

abendländischen Buchstaben in der Spanne von zweitausend Jahren verändert haben, trotzdem sie, schon ihres Gebrauchswertes wegen, oft wiederholt wurden. Die römische Kapitalschrift ist nahezu un- verändert geblieben, lebendig und unverbraucht, bis auf den heutigen Tag. So stark war aber die Gestaltungskraft jener Zeit, da Schrift noch durch- aus geschrieben wurde, daß sie so eigenartige For- men entwickeln konnte, wie die Unziale und die Gotik, die sich in der Folge als zweite große Schrift- familie der Antiqua gegenüberstellte. Als dann die

PROFESSOR RUDOLF VON LARISCH . EXLIBRIB

Buchdruckerei aufkam, als Schreiben Gemeingut aller Gebildeten wurde, bekam aber die Schrift be- zeichnenderweise keine neuen Impulse. Sie wurde mancherart abgewandelt, aber die Kraft, neue Blüten zu treiben, war versiegt. Und so stehen wir Heutigen mit den Schätzen der Vergangenheit in Händen und tasten in die Zukunft. Aber so groß sind diese Schätze, daß wir auch heute eine wunder- volle Formenwelt, eine Welt des Rhythmus und des Wohlklangs von Linien und Massen durch sie er- stehen lassen können, wenn wir mit zarter, behut- samer Hand diesen Garten pflegen.

Denn die Schrift ist nicht ein Gebiet, das im Sturm erobert, beherrscht werden kann. Sie erfordert liebe- volle Hingabe, Hinhorchen, Verstehen; wir müssen um sie dienen, wie wir um jede Schönheit dienen

müssen. Dann erlösen wir sie aus der harten Fron, in

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Abb. 1.

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Hertha Ramsauer: Faust 1. u. 2. Teil, Pergament.

Abb.2. Hertha Ramsauer: Pergament, handgebunden, mit Handstempelvergoldung.

OTTOHURM-WIEN -

DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

richtig erfaßt ist. Diese Werkstoffe verleihen dem Buchstaben seine Eigenart, ja geben ihm durch die Wesensart der Technik Schmuck und Zier, unge- sucht und darum reizvoll und selbstverständlich.

Man hat ja zu allen Zeiten versucht, die einfachen, schlichten Buchstabenformen zu verzieren. Solchen Versuchen gegenüber müssen wir, die wir ja nicht kühle Betrachter, sondern selbst Gestalter sind, in bewußter Subjektivität ablehnend gegenüber- stehen. Die Anhängsel und Schnörkel verzieren wahrlich nicht den Buchstaben, sie umgeben ihn als etwas Überflüssiges, Störendes, das den charakteri- stischen Buchstabenumriß verwischt oder ihn gar auffrißt. Und wenn Schriftformen aufgelöst werden in Blümchen, Rosetten und Strichelchen, so scheint es uns als Spielerei und nicht als Steigerung der Fest- lichkeit und Kraft. So gefestigt erscheinen uns die überlieferten Schriftformen, die uns durch eine lange, lange Kette von Händen gereicht wurden, daß sie keine willkürliche Veränderung vertragen. Jahrhunderte haben an ihnen gefeilt und wir kön- nen nichts Besseres tun, als diese Formen zu hegen, zu klären und zu veredeln in ununterbrochener Arbeit, sie förmlich von selbst wachsen zu lassen ohne sie zu vergewaltigen. Nur so wird sich die Schrift lebendig erhalten, wird sich leise wandeln, wie es die Zeit und ihr Formwille verlangt. Haben doch auch die Versuche starker Künstler, wie sie die Sezession besaß, am Buchstabengerüst zu rühren und neue Buchstabengestalten zu erfinden, nur kurzlebige Formen geschaffen, die nur als Experi- ment zu werten sind.

Nein, die Buchstaben an sich sind Zeichen; sie sind Elemente, sind Bausteine, mit denen ein Schrift- gefüge errichtet wird. Deshalb steht die Schrift der Architektur nahe, weil auch in ihr die gleichen Ge- setze herrschend sind. Unsre abendländische Schrift

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ist durchaus auf dem Prinzip von Stütze und Last aufgebaut; es gibt tragende Glieder und getragene, es gibt Bogen, die sich wölben, die eingespannt sind oder frei ausschwingen; es gibt Schriften, die stehen, solche, die sich neigen, und ist diese Neigung zu stark, so haben wir das Gefühl, der Buchstabe falle um. Diese Glieder und Teile haben also ihr Gewicht, ihren Schwerpunkt, ihre Gebundenheit an unten. Darum sind die Senkrechten schwerer gehalten und die Wagrechten, die von ihnen ausragen, leichter; es kommt nicht vor, wie bei der hebräischen Schrift,

EAX LIBRIS | PROFR | RUDOLF

| VON | A bers Cr

PROFESSOR RUDOLF VON LARISCH .

EXLIBRIS

daß die Senkrechten dünn und die Wagrechten breit sind. Es gibt kein schwereloses Kreisen im Raum, kein säulenartiges Aufschießen in die Höhe; breit legt sich Zeile auf Zeile, schichtenweise wie die Scharen von Mauersteinen.

So ist das Gestalten von Schrift ein Bauen. Und wie der Baustoff dem Gebäude seine Wesensart auf- prägt, so wirkt sich auch die Besonderheit der Schrift in einer solchen Komposition aus. Schwere schwarze Streifen türmen sich geschlossen auf, leichte, dünne Formen überspinnen wie ein Gerüst oder ein Netzwerk die Fläche; alles hängt von der Atmosphäre ab, die jeden Buchstaben umgibt, vom Erzielen eines Gleichklangs oder einer Gegensätz- lichkeit. Alle Teile müssen zu einem Ganzen zu- sammenwirken, dem sich jede Einzelheit unter-

ordnet.

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OTTOHURM-WIEN-

DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

Darum ist der Einzelbuchstabe an sich nicht das

Ausschlaggebende; wichtig ist, daB sie sich günstig

aneinanderreihen, so daß ein Wellenschlag diese Schriftbildungen durchpulst. Helle und dunkle Massen, Schriftfeld und Blattrand stehen gegenein- ander, wirken aufeinander ein und erfüllen die Fläche mit prickelndem Leben.

So ist also die Schrift nicht nur Ausdruck eines Gedankeninhaltes, sie wird auf diese Weise zur selb- ständigen formalen Schöpfung. Auch wenn wir nicht nach Inhalt und Bedeutung fragen, wenn wir nur

PROFESSOR RUDOLF VON LARISCH . EXLIBRIS

die Formen auf ihren Wohlklang hin betrachten, wenn wir nicht lesen, sondern schauen, muß uns ein solches Schriftblatt etwas zu sagen haben. Die Schrift ist zum Träger von Schónheitswerten ge- worden. Schrift ist hier Ornament geworden, aber keines der meist kurzlebigen Formspiele, sondern ein sinn- und bedeutungsvolles, das auf eine lange Ahnenreihe zurücksieht und bei dem die Gestalt sich aus dem Inhalt entwickelt. Sie schmückt nicht allein, sondern sie besagt auch etwas, ergötzt nicht allein die Augen, sie gibt dieser Freude auch innere Berechtigung.

Stellt man nun dieses sinnbegabte Ornament mit irgendeinem andern reinen Schmuckwerk zusammen, so wird die Kluft, die beide Arten Ornament scheidet, deutlich offenbar. Man gibt sich meistens nicht Rechenschaft darüber, warum das Ornament

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abfällt, obgleich es in derselben Technik, mit dem- selben Werkzeug vielleicht wie die Schrift aus- geführt wurde. Gut hingegen wirken heraldische oder symbolische Darstellungen, kurz Zeichen, die vielleicht nicht so sehr mit der Art als dem Maß an künstlerischer Übersetzung übereinstimmen. Interessant ist, daß, unabhängig von der Schrift, ganz allgemein eine Abkehr vom Ornament, gerade- zu eine Ablehnung eingesetzt hat. Wir empfinden es heute als das Unnötige, Überflüssige", was man auf eine klare Fläche aufsetzen oder ebensogut oder besser weglassen könne. Gerade in der Architektur wir sehen hier wieder die Verwandtschaft mit der Schrift hat das Streben nach Sachlichkeit,nachVer- meidung falschen, unangebrachten Schmuckes, den entschiedensten Ausdruck gefunden. Auch hier soll das Wesentliche gegeben werden unter bewußtem Verzicht auf das Überflüssige und Belanglose. . Auch die Schrift ist Ornament; sie ist aber mehr als nur Ornament und darum vermag sie im Zu- sammenhang mit der Architektur, dort, wo sie not- wendig, unerläßlich ist, tatsächlich zu schmücken. Sie kann bereichern, Wichtiges betonen, Hinweise geben; sie ist ein Teil der künstlerischen Konzeption. Dort aber, wo Schrift für sich allein besteht, wird diese Überlegenheit allem Zierat gegenüber ganz offensichtlich, eben, weil sie das Wesentliche, das sogenannte Schmuckwerk aber das Unwesentliche ist. Daran kranken ja unsere üblichen Diplome, Ehrenadressen, Bucheignerzeichen und ähnliche Blätter, die eine Mitteilung zu geben haben und diesen wichtigsten Teil umgeben von einem Ge- ranke nichtssagenden Schnörkelwerks, süßlicher Allegorien, abgebrauchter Sinnbilder, die die Schrift beeinträchtigen, überwuchern, ersticken. Wenn man sich nur vor Augen hält, wie eine figurale Darstellung der Schrift gegenüber einen falschen Maßstab angibt,

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JHYMNVS

nn die Sonne nebeldunítumfiolfen

vin die Flammenflut des Weftens finkt Und die Erde olutenübe rooffen Feuer г jus dem Kelch des Himmels trinkt

ucken fiebernd ihre Bergeslehnen Ne m umlohten Firmament entgegen - Mas uralt titanenhafte Sehnen

Ш in ihrem Felfenleib fich regen

Wi m P wwe von himmlifchen Gewalten

¥ ebt fich rings das braune Heideland

Es zerbricht der Mörtel in den Spalten

Des Gebirges der die Dellen band.

Sant umbuhlt die zahme See die Kite, о die Woge (оп am Deiche wühlt /

Moch voll Inbrunft (chwellen ihre Brüfte.

КАгаиЕ der Elackertanz der Flamme fpielt.

іе von Menſchenhand emporgezimmert

art der Wald im glanzerfüllten Raum.

elbe Glut und Purpurlohe fchimmert Im der Zweige dunkelfcharfen Saum. Hin magnetilch feſſelndes Verlangen Nas entlodernd durch die Rifpen fahrt VYált den Nerv mit zauberbann gefangen- ‘Aedes Blatt der Sonne zugekehrt.

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Y Weit gebannt von hau lernd wilder Wonne Bici 1 di г Wallerfall am Felfen kleben Noch im Sturz das Abendbild der Sonne us kriftallner Flut zurückzubeben Nis drängt der Allgei(t durch die Poren es Planeten- feinen Sitz zu Fliehn. enn aus Flammen ward die Welt geboren d in Flammen wird fie einft zerfprühn

iedend hieft ein ringendes Begehren Durch das Herz’ daß fich der Bulen hebt- рг die (Chwache Urne zu zerftören

ie gefangne Sonnenfeele [trebt. Aus den Augen will der Funke fpringen. Dien die ferne Glut darin entfacht. In das Feuermeer fich aufzufchwingerv Meibt ihn eine ftürmend jahe Macht..

Auchzend möcht ich in Atome ftauben!

efer (inkt der Ball im goldnen С Gilcht. Und der Funke muß gefelfelt bleiben Während fern der Horizont erlifcht.- Ant der Staubbach Brandung ſchãumt entkettet Pfeifend bricht der Oftwind in den Hain

ief im Felfenbufen eingebettet Schläft der Weltgeift ſeufzend wieder ein

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Abb. 3. Herlha Ramsauer: Purpurpergament mit Reliefgold und -platin.

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Abb. 4. Fini-Skarica-Ehrendorfer: Hugo Wolffs Michelangelo-Lieder.

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ОТТО HURM-WIEN-

DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

wie körperliche Darstellungen überhaupt mit der Flachenwirkung der Schrift in Widerspruch stehen, wie die Buntheit der „Umrahmung“ von der edlen Schlichtheit des Schriftfeldes gesprochenen, heraldischen Farben absticht, so

mit seinen aus-

wird man eine solche Art Verzierung wirklich mit Widerwillen ablehnen.

Nein, die Schrift hat so viele Schmuckwerte in sich, daß sie auf eine solche, von außen her zuge- führte „Verzierung“ verzichten kann. Ist sie schön, dann ist sie am schönsten allein. Hier aber berühren wir die Kehrseite dieser Frage. Die Schrift muß gut» qualitätvoll sein. Ist sie es nicht, dann sinkt die Leistung zum Dilettantenwerk herab, das unbefrie- digt läßt und verstimmt. Wer Puritaner sein will, muß ein Könner sein, ohne Gestaltungskraft wird er armselig und dürftig.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Buch- schmuck. Er soll nicht etwas Zufälliges, Angefügtes sein, wie es die Illustrationen der Bücher oft sind. Durch Bilder, die sich bemühen, das anschaulich zu machen, was der Dichter eben als sagbar, nicht als schaubar empfunden hat, wird der Wert des Buches als solches nicht erhöht. Das ist nicht der Sinn der Buchkunst, wie sie angestrebt und ach so selten erreicht wird. Es klingt fast banal, wenn man für ein Werk der Buchkunst Einheitlichkeit fordert, ein Zusammenklingen von Inhalt, Type, Satz, Schmuck, Ausstattung und Einband. Es ist klar, daß der literarische Inhalt, die Art, die Stimmung des Dichtwerks, den Grundton angibt, auf den alle andern Ausdrucksmittel abgestimmt sein müssen. Type und Satz, Papier, Art und Farbe der Auszierung müssen wohl abgewogen sein. Ja auch der bildliche Schmuck wird sich einfügen, aber er muß sich ein- fügen und Rücksicht auf die Gesamterscheinung des Werkes nehmen; man darf nicht glauben, daß

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mit ihm erst die Buchkunst anfängt. Dabei muß er auf die Schwarz-Weiß-Wirkung des Satzspiegels sorg- fáltig Bedacht nehmen und sich in der Technik dem Schriftbild anpassen. Wie selbstverständlich auch große Künstler sich dieser Notwendigkeit gefügt haben, beweisen die vielen Holzschnittwerke, be- weisen etwa die Dürerschen Zeichnungen zum Maxi- miliansgebetbuch oder die Bilder zum Theuerdank. Diese freiwillige Unterordnung unter die Gesamt- leistung, diese künstlerische Demut gibt jenen oft

HERTHA RAMSAUER . EXLIBRIS namenlosen Meistern dennoch die Krone des Künst- lertums. Und selbst dort, wo sie künstlerisch nicht auf der Höhe sind, sind sie es doch menschlich. Und diese Wahrheit und Innigkeit macht solche Schöpfungen bedeutungsvoll.

Der Holzschnitt eignet sich aber auch in hervor- ragendem Maße zur Buchillustration. Er ist im Wesen der Type verwandt und fügt sich dem Satz- bild am glücklichsten ein. Je mehr sich die Dar- stellung von der kräftigen Flächenwirkung entfernt und mit modellierenden Halbtönen räumliche Wir- kungen anstrebt, um so größeres Feingefühl er- fordert die Anpassung an das Textbild. Am wenig- sten eignet sich dazu die Radierung.

Es ist ja nicht zu leugnen, daß Bild und Schrift

in Gegensatz zueinander stehen, daß sie einander

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OTTO HURM-WIEN-

DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

Konkurrenz macben. Diese Konkurrenz sollte man an und für sich eher zu vermeiden trachten, sie kann aber dort verhängnisvoll werden, wo das Unwesent- liche, die „Bebilderung“, auf Kosten des Wesent-

lichen, des Schrifttextes, geht.

Es ist überhaupt eine Frage für sich, wie weit die Buchillustration noch Berechtigung hat. Wir brau- chen die Bilder nicht mehr, wie einst, für die Armen, Analphabeten zur Unterstützung des Gelesenen. Sie sind nicht mehr geistreiche Paraphrasen, sollen nicht mehr bloße Schildereien sein. Solche Bilder legen Menschen, Charaktere, Erscheinungen, Situ- ationen fest, behindern die Phantasie, berauben den Leser des Dufts der eigenen ausdeutenden Emp- findung. Es soll kein Wiederkäuen des Stofflichen mit andern Mitteln sein, sondern Ausdeutung, Übersetzung in andern Ausdrucksmöglichkeiten.

Die edelste Form der Buchkunst ist ohne Zweifel das persönliche, handgeschriebene Buch, das aus der besonderen Wertschätzung eines literarischen Werkes geboren ist. Natürlich wendet sich eine solche Arbeit nur an den einzelnen, für den es be- stimmt und auf dessen Wesen alles eingestellt ist. So erhält alles Beziehung, Bedeutung, was bei einem in größerer Anzahl hergestelltem Buch natürlich nicht der Fall sein kann. Eine solche Arbeit er- fordert viel Liebe und Hingebung, sie erfordert hohes Können, handwerkliche Gewandtheit, sie er- fordert seelisches Einfühlen und Verstehen, sie erfordert nicht nur einen Künstler, sondern vor allem einen Menschen. Deshalb werden und müssen solche Bücher selten sein und deshalb wird sie der wahre Bücherfreund besonders schätzen, da sie nicht erkauft, sondern vielmehr verdient sein wollen.

Die Ausstattung selbst, das äußere Kleid also, sei, dem wertvollen Inhalt entsprechend, würdig. Nicht unbedingt kostbar und prunkvoll, nicht im Sinn der

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einstigen protzigen „Prachtwerke“, sondern hand- werklich einwandfrei und aus gediegenem Material. Mag die Ausstattung, die man an ein Werk der Buchkunst wendet, einfacher oder reicher sein, immer sei sie ehrlich und sachgemäß ausgeführt. Der Buchtitel samt der Rückenschrift gebe wieder das Wesentliche, die Bezeichnung des Werkes ohne stórendes Beiwerk, vor allem ohne aufgeklebte Bilder, aber auch ohne nichtssagendes Ornament.

„Ornament ist Verbrechen“ formulierte ein- mal ein temperamentvoller Vertreter der unsenti- mentalen Sachlichkeit seine Anschauung. Wir sagen lieber: „Ornament ist unnütz, wir brauchen es nicht. Auch nicht bei der Schrift, denn sie ist unser schönstes Ornament, wenn sie, getragen von hoher, edler Durchbildung, nicht nur schmückt, sondern auch kündet.“

Die hier angedeuteten Gedanken geben die Ge- sinnungsrichtung wieder, wie sie die „Larisch- Pflegestütte für Schrift- und Buchgestaltung" in Wien kennzeichnet. Freude an der Betätigung mit Schrift hat diesen Kreis vollkommen zwanglos ge- schaffen. Einige ihrer Arbeiten mögen die dargeleg- ten Anschauungen begleiten.

Hertha Ramsauers Pergamentfoliant Faust 1. und

2. Teil zeigt die festliche Wirkung, die durch das gestaltende Ordnen des Textes, verbunden mit hoher Schriftqualität erreicht werden kann. Der Sonnen- hymnus, von der gleichen Hand, ist auf purpur- gefärbtem Pergament in Reliefvergoldung, die Zeilenanfänge, die wie eine Randleiste das Satzbild begleiten, in Platin ausgeführt. Ein Buchseitenbild aus Hugo Wolfs Michelangelo-Liedern von Fini Skarica-Ehrendorfer gibt das Durchklingen des Musikalischen wieder. Der Plakatentwurf für das Theaterfest der Stadt Wien wirkt durch die bewußte

Zurückhaltung und die Beschränkung auf das

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Abb. 5.

Hertha Ramsauer: Plakat.

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Abb. 6. Erika Giovanna Klien: Komposition.

OTTO HURM-WIEN-

DIE SCHRIFT ALS AUSDRUCKSFORM

Wicbtigste. Die Exlibris von Professor Larisch und Hertha Ramsauer wollen nichts anderes sein als schlichte Besitzmarken. Erika Giovanna Kliens Komposition sucht den Stimmungsgehalt durch die Schrift auszudrücken, ebenso der stark bewegte Auf- bau von Otto Hurms Baumbüchlein. In beiden Fällen ist der Buchstabengestalt kein Zwang angetan worden. Als Beispiele von Materialsprachen diene ein holzgeschnitztes Wandgehánge von Emilie Niedenführ, die Durchbruchstickerei von Fini Skarica-Ehrendorfer und die mit Schrift geschmück- ten Gläser von Professor Larisch.

Heute, da sich in allen Zweigen künstlerischer Betätigung ein Abgehen vom Naturalismus bemerk- bar macht, stehen wir den inhaltsreichen Ornament- formen, den Zeichen und Symbolen, mit erneutem Interesse gegenüber. Und wir sehen, daß das Auf- gehen in der Wirklichkeitsnachbildung uns entfernt hat von der Fähigkeit, Symbole zu empfinden, und mehr noch, Symbole zu schaffen. Die alten Sinn- bilder sind abgebraucht, sind uns beinahe nur toter Ballast. Wir wollen neue schöne, beziehungsreiche Bilder aufrichten und müssen mit ganzer Innigkeit

sie zu erringen trachten. Dies scheint der Sinn der

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heutigen Krise der Kunst, und zwar der gesamten, zu sein, die alten, leer gewordenen Formen zu über- winden und mit Hilfe eines neuen Lebensgefühles neue, blutvolle Sinnbilder zu errichten. Selbst- besinnung, Streben nach Wahrheit und Echtheit sind der Beginn dieses Weges, der uns zur Schlicht- heit und Sachlichkeit führt und darüber hinaus in eine reichere Zukunft weist.

Es ist also kein Zufall, daß gerade jetzt die be- scheidene, viel mißhandelte Schrift neu aufzublühen beginnt. Die neue Wertschätzung, die man ihr ent- gegenbringt, liegt durchaus im Sinne der neuen Kunsteinstellung. Freilich, gestern und heute stand die Schriftverwendung zum überwiegenden Teil im Dienst des Handels und den häufigsten Gebrauch fand die ornamentale Schrift in der Reklame. Auf- zufallen, schreien und anzupreisen war ihr Zweck und schien ihr allein Daseinsberechtigung zu geben. Wie soll man da Wahrheit, Würde und Schönheit erwarten? Wir aber glauben an die hohe Sendung der Schrift. Unsere Hoffnung steht auf den wenigen, die Schrift nicht nur als Mittel zum Gelderwerb ansehen, sondern sie um ihrer selbst willen lieben

und schätzen.

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Abb 9. Fini Skarica-Ehrendorfer: Durchbruchstickerei.

Prof. Rudolf von Larisch: Schrift auf Glàsern.

DER HOLZSCHNITT-TITEL IM BUCH DER FRÜHDRUCKZEIT

VON OBERBIBLIOTHEKRAT DR. KARL SCHOTTENLOHER-MÜNCHEN

ABTEILUNGSDIREETOR DER BAYERISCHEN STAATSBIBLIOTHEK

Die Entwicklung des Titelblatts ist ein besonders reizvoller Abschnitt in der Geschichte der äußeren Buchgestaltung. Es hat merkwürdig lange gedauert, bis der uns heute so geläufige Buchtitel bleibendes Heimatrecht im Buche gefunden hat. Weder die Handschrift noch der älteste Buchdruck kennen das Titelblatt. Erst seit ungefähr dem Jahre 1475 beginnt die von unternehmenden Druckern ein- geführte Einrichtung allmählich zu einem festen Bestandteile des Buches zu werden. Vielgestaltig wie all dies Tasten und Versuchen des alten Buch- drucks ist das Titelblatt der frühesten Entwicklung. Oft ist es nur ein Wort, etwa Biblia, das das Buch eröffnet. Dann wird allmählich der Titel beredter, indem sich etwa der Verfasser nennt oder die Auf- schrift mehr Worte nimmt. Ganz selten ist, daß einmal der Druckort oder der Druckername genannt wird. Möglichste Kürze ist die Forderung des älte- sten Titelblatts. Eine erschöpfende Schilderung des Wiegendrucks müßte gerade der Entwicklung des Titels eine eingehende Betrachtung widmen; die folgenden Zeilen wollen nur auf eine besondere Form des Titels, den Holzschnitt-Titel, hinweisen.

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Schon die Buchbinder des ausgehenden Mittel- alters hatten gelegentlich versucht, den Inhalt des Buches, das sie banden, mit eingepreßten Auf- schriften zu kennzeichnen. Vielleicht ist sogar von hier aus der Titel in das Buch eingedrungen. Die Aufschriften der Einbände mußten, sollten sie wirk- sam sein, große Buchstaben führen, die stempel- artig hergestellt und eingepreßt wurden. Obwohl im Buche die Sichtbarkeit des Titels wesentlich be- schränkt war, mußte auch hier auf wirksame Hervor- hebung der Aufschrift Bedacht genommen werden. Mit kleinen Typen kam man hier nicht zurecht, besonders wenn es sich um Bücher von beträchtlicher Größe handelte. Da genügten selbst Auszeichnungs- schriften nicht. Dagegen bot sich im Holzschnitt die unbegrenzte Möglichkeit, den Titel des Buches so vielformig und wirksam als möglich zu gestalten. Hier hatte die Hand, hatte der Schönschreiber ein weites und freies Feld ornamentaler Schriftbezwin- gung. Wenn es auch damals noch keine Schau- fenster gab, so kannte man doch schon den Wert wirksamer Augenfälligkeit und legte die Bücher in

den Gewölben der Verkaufsmesse oder in den

DER HOLZSCHNITT.TITEL IM BUCH DER FRÜHDRUCKZEIT

Druckerstuben zum Besehen für die Käufer bereit. Ein eindrucksvolles Titelblatt hatte dabei eine be- deutsame Aufgabe zu erfüllen, hatte die Ausrufung

des Buches zu vollziehen. In seiner frühesten An-

wendung übersetzte der Holzschnitt einfach die

handschriftliche Auszeichnungsschrift in die verviel- fältigende Holzblockform. Mit einer Initiale, zwei Wortzeilen und einigen Schnörkeln war die Sache im Anfang abgetan. Der Aufdruck geschah in der Mitte des Titelblatts. So las man in verschnörkelten go- tischen Formen „Martirologium der heiligen // nach dem kalender“ (Straßburg, Johann Prüß 1484) oder „Formulare vnd // Teitsch rhetorica“ (1488), wieder ein anderes Mal „Ein hübsche histori von // der kuniglichen stat // troy, wie sie Zerstürett wartt“ (StraBburg, Martin Schott 1489), oder „Moralia San// cti Gregorii** ( Basel, Nicolaus Kesler 1496) oder in hübscher Kanzleischrift (Abbildung 1): „Valerius Maximus: Die geschicht der römer“ (Augsburg, Anton Sorg 1489). Damit begnügte sich aber der Drucker nicht immer. Er wußte, daß ihm der Holz- schnitt auch zur bildlichen Ausschmückung des Titels zur Verfügung stand, und er suchte diese Hilfe wirksam zu nutzen. So rahmte der Freiburger Drucker Friedrich Riederer den Holzschnitt-Titel seines »Spiegels der wahren Rhetoric“ vom Jahre

! Vgl. die Abbildung bei Willi Kurth, Albrecht Dürer. Sümt- liche Holzschnitte. München 1927, Tafel 83, wo „die elastisch schwingende Schreibschrift« des Titelblatts gerühmt wird.

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beiden Drucker Meinard Ungut und Stanislaus

Polonus in Sevilla das Titelblatt zu ihrem „Regi-

miento de los Principes“ von Aegidius de Columna im Jahre 1494 aus: den Mittelpunkt des Blattes bildet hier nicht mehr der Titel des Buches, sondern das Bild des Fürsten, der mit Szepter und Reichsapfel thront (Abbildung 3). Rein schrift künstlerisch ist die Aufgabe des Titelblattes angepackt in Hartmann Schedels berühmter Weltchronik, wo uns sowohl in der lateinischen wie in der deutschen Ausgabe des Jahres 1493 der Titel zum vorangehenden Re- gister (Abbildung) in ungewöhnlich großen Schrift. formen gotischen Gepräges entgegentritt: »Re- gister des buchs der Croniken vnd geschichten mit figuren vnd Pildnussen von anbeginn der welt bis auf dise vnsere Zeit.“ Es begegnet uns solch gotische Schriftfúhrung monumentaler Art auch in italienischen Druckwerken, so in dem schónen Holzschnittbuch „De claris selectisque plurimis mulieribus“ von Jacobus Philippus Bergomensis (Ferrara, Lorenzo Rossi 1497) oder in des gleichen Druckers Hieronymus-Briefen desselben Jahres, wo der Holzschnitt-Titel ebenfalls die ganze Seite des großen Papierformats einnimmt. Ja die italienischen Drucker gebrauchten mit Vorliebe stark verschnör- kelte gotische Holzschnitt-Titel1. Gerade die weiten Flächen der Folianten gaben dem Schriftkünstler die Möglichkeit großzügiger Titelgestaltung. Das berühmteste Beispiel eines künstlerischen Hols- schnitt-Titels ist Albrecht Dürers Titelblatt zur Apokalypse des Jahres 1511: oben mit reich verschnörkelten Buchstaben die kräftig wirkende Überschrift »Apocalipsis cum Figuris“, darunter

schreibend der Evangelist Johannes, wie ihm die

' Vel. Johannes de Monteregio, Epitoma in Almagestum Prolomei. Venedig, Johann Hamman 1496 und Julius Fir- micus, De nativitatibus. Venedig, Simon Bivilaqua 1497.

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ABBILDUNG 1: TITELBLATT DES AUGSBURGER DRUCKERS ANTON SORG 1489

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ABBILDUNG 2: TITELBLATT DES DEUCKERS MICHAEL PORTIER IN BASEL 1408

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ABBILDUNG 3: TITELBLATT DES DRUCKERS UNGUT IN SEVILLA 1494

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DER HOLZ S CHNITT- TITEL IM BUCH DER FRUH DRUCK ZE II

Mutter Gottes mit dem Kinde erscheint. Rein schrift- mäßig wirkt wieder der stark verschnörkelte Titel in der Teuerdankausgabe des Jahres 1517 mit der Aufschrift: „Die geuerlichkeiten vnd einsteils der geschichten des loblichen streyt // paren vnd hochberumbten // helds vnd Ritters herrn Tewer- dannckhs.“ Ähnlich ist noch ein anderes berühmtes Buch jener Zeit, Luthers Neues Testament vom Jahre 1522, ausgestattet; es steht, in Holz ge- schnitten der kurze Titel darauf,, Das Меме Testa- // ment deutzsch". Anderswo sind wieder Schrift und Bild zu wirksamem Gesamteindruck verbunden, eine Buchausstattung, wie sie uns in zahlreichen Druckwerken des 16. Jahrhunderts begegnet. Die amtlichen Rechtsbücher, die der Münchner Drucker Hans Schobser für die bayerischen Herzöge in den Jahren 1516 und 1520 hergestellt hat, sind beson- ders gute Beispiele dafür, weil hier die kräftig ge- zeichneten Holzschnitt-Titel in Rotdruck erscheinen und sich wirksam von den schwarzen Holzschnitt- bildern darunter abheben. Aus der Werkstätte des Sohnes Schobsers ist dann im Jahre 1531 auch ein hübscher alleiniger Schönschrift-Titel zu „Herzog Wilhelms und Ludwigs Ausschreiben der Artikel von Erhaltung christlicher Religion“ hervor- gegangen (Abbildung 5).

In der weiteren Entwicklung des Titelblattes verband sich häufig die Überschrift in Holzschnitt mit einem folgenden Ergänzungsaufdruck in Typen, eine Erscheinung, die im Verlaufe des 16. Jahrhun-

derts zu einer gerne geübten Formung des Titel-

blattes wurde. Da ist in der Regel die erste, manch- mal auch die zweite Zeile, rot in Holzschnitt, der übrige Teil des Titels schwarz in Typen gedruckt; die Holzschnittzeile zeichnet sich dabei immer durch größere und reichere Formengebung aus. Ge- legentlich wird der ganze Titel von Schmuckleisten umrahmt; Peter Schöffer in Worms hat im Jahre 1527 zu seiner deutschen Prophetenausgabe Metall- schnitt-Leisten verwandt. Immer mußten tüchtige Schriftkünstler und kunstfertige Holzschneider zur Verfügung stehen, wenn wirksame Titelblätter dieser Art zustande kommen sollten. Eine der eigenartig- sten Schöpfungen hat der Astronom Petrus Apianus für sein „Astronomicum Caesareum des Jahres 1540 hervorgebracht, das in ungewöhnlicher Größe erschien und außer einer höchst wirksamen Schrift- tafel mit dem Titel ein astronomisches Holzschnitt- bild und zwei Reihen Verse in Typen enthielt.

Als der Holzschnitt seit dem Ende des 16. Jahr- hunderts vom Kupferstich verdrängt wurde, über- nahm die neue Buchkunst auch die Ausgestaltung desTitelblattes, doch vermochte sie mit ihren feinen Linien nie die kräftigen Züge des Holzschnitts zu er- setzen. Wo sie Bild und Titel miteinander verband, sah sich der Drucker häufig zur Einfügung eines zweiten Titelblattes in Typen veranlaßt, zu einerEin- richtung, die sich vor allem in Frankreich festsetzte und von hier aus auch die Bücher der übrigen Kulturländer eroberte. So wirksame Titelblätter wie der Holzschnitt hat der Kupferstich freilich nirgends geschaffen.

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Evangeliar von Kells.

(Aus: Kurt Pfister, „Irische Buchmalerei“, Berlin 1927.)

Monogrammseite (Ausschnitt).

Abb. 2.

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E Aus: Kurt Pfister, „Irische Buchmalerei“, Berlin 1927.)

Symbole der 4 Evangelisten.

Abb. 1.

SCHMUCKWERTE DER ORNAMENTIK UND SCHRIFT IN MITTELALTERLICHEN HANDSCHRIFTEN

VON DR. KURT PFISTER-MÜNCHEN

Von den Schmuckwerten des Ornamentes und der Schrift in der mittelalterlichen Buchmalerei kann naturgemäß hier nur in andeutenden Umrissen ge- sprochen werden: Die weitschichtige Aufgabe, das vielumstrittene, außerordentlich schwierige Pro- blem der Entstehung und der organischen Entwick- lungsphasen des Ornamentes darzustellen, kann naturgemäß nicht im Rahmen eines knappen Auf- satzes gelöst oder auch nur versucht werden. Der Verfasser muß sich darauf beschränken, einen auf den Ergebnissen seiner Arbeiten „Die mittelalter- liche Buchmalerei des Abendlandes“ (München 1922) und „Irische Buchmalerei“ (Berlin 1927) erstellten Umriß des Komplexes zu bieten, der, ohne den An- spruch auf lückenlose Schilderung des historischen Ablaufes zu erheben, einige entscheidende Typen herausgreift und sie als ästhetische und stilpsycho- logische Phänomene zu deuten unternimmt.

Die Entwicklung führt von den irischen Minia- turen über die Buchmalerei der Karolinger und Ottonen zur frühen Gotik. Sie umfaßt Werden, Reife und Anfänge der Auflösung jener Civitas Dei, deren Gehäuse die mittelalterliche Welt umschließt. Die vorbereitenden Stufen der frühchristlichen Buchmalerei und der spätgotische Ausklang stehen

jenseits des Kreises der Betrachtung.

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In den irischen Buchmalereien ist zum erstenmal Form und Geist der mittelalterlichen Ornamentik verwirklicht.

Es mag befremdend erscheinen, daß die südeuro- päische christliche Kunst der ersten Jahrhunderte in weitem Ausmaß sich der von der Spätantike und vom Osten dargebotenen Formeln bediente und später noch im vierten, fünften und sechsten Jahrhundert bei wachsender Selbständigkeit sie nicht etwa ausschied, sondern mit dem eigenen Stilideal verschmolz. Gerade in den spärlichen Resten frühchristlicher Buchmalerei, die uns er- halten sind, wird die malerisch illusionistische Aus- drucksform des Hellenismus, in der spätrömische, griechische und orientalische Ströme zusammen- fließen, deutlich sichtbar.

Die Erklärung für die an sich überraschende Tat- sache, daß ein so beispiellos tiefgreifender Antrieb geistiger und menschlicher Erneuerung, wie er vom Urchristentum ausging, zunächst keinen eindeutig und unmittelbar sichtbaren Umschwung der Kunst- formen schuf, mag einmal in der gewaltigen, durch jahrhundertalte Entwicklungen gestützten Tradi- tion der Antike liegen, dann aber in dem Umstande, daß die ersten Christen die eigentlich künstlerischen Probleme den menschlichen, sozialen und religiösen

SCHMUCKWERTE DER ORNAMENTIK UND SCHRIFT IN MITTELALTERLICHEN HANDSCHRIFTEN

hintanstellten. Das Mittel einer internationalen Verständigung, wie es die kulturellen und zivili- satorischen Formen der hellenistischen Welt dar- boten, konnte ihnen zur Vorbereitung ihrer geistigen Ideen nur willkommen sein. Und da im Süden das Werden der christlichen Kunst auch in den späten Jahrhunderten unter dem Zeichen einer Auseinandersetzung mit der antiken Hinterlassen- schaft geschah, liegt in den irischen Handschriften die früheste Urkunde einer weittragenden geistes- geschichtlichen Umwälzung eindeutig vor uns: Sie geben Zeugnis von der Art, wie die christliche Weltanschauung mit der geistigen Wesenheit des Nordens verwuchs.

Gewisse ornamentale Elemente, die die irischen Miniaturen aufweisen, wie Geflecht und Spirale, mögen zum allgemeinen Formenschatz des primi- tiven Menschen gehören, da sie auch schon in den Denkmälern von Mykene vorkommen. Andere, wie das häufig wiederkehrende Trompetenmuster, hat man (wie wir trotz gegenteiliger Meinungen glauben möchten, mit Recht) auf das römische Urbild der Palmette, das wohl durch England vermittelt worden ist, zurückgeführt. Die Kenntnis byzan- tinischer, koptischer, syrischer, armenischer Deko- rationsformen Treppenmuster, Flechtband, Tier- ornament die syrische Kaufleute mit Stoffen, Elfenbein- und Emailarbeiten verbreitet haben mögen, ist wahrscheinlich. Die mebrfach mit Nachdruck behauptete Herkunft des irischen Stiles aus dem asiatischen Orient wird freilich auch dann, wenn, was bis heute durchaus nicht eindeutig ge- lungen ist, die fehlenden schlüssigen Zwischen- glieder nachgewiesen sind, nicht glaubhaft gemacht werden können. Die Umformung der einzelnen möglicherweise übernommenen Motive ist zu radi- kal, als daß von einer ursächlichen Ableitung

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gesprochen werden könnte. Auch die Zusammen- hänge mit den einheimischen Schmuckformen auf Metall-, Stein- und Holzwerken wir erinnern an die Holzkreuze von Bewcastle, Ruthwell und Hex- ham, an den Fund des Osebergschiffes haben nicht eigentlich deutenden, sondern nur umschrei- benden Wert, da die Beziehungen eben nur allge- meiner und paralleler, nicht ursächlicher Natur sind.

Buchstabe und Zeichnung sind mit sehr dauer- hafter Tinte auf dicke Pergamentblätter aufge- zeichnet. Als Schrift ist sowohl die runde wie die mehr eckige Minuskel im Gebrauch. Bei den An- fangsworten der Kapitel stehen schon in den frühesten Handschriften große, hakenartige, recht- winklig gebrochene Buchstaben. Die Anfangs- buchstaben werden bunt ausgemalt und die Linienzüge mit roten Tupfen umgeben. Buntes Pergament, Gold- und Silbertinte wurden nicht ver- wendet. Die Farbenskala ist im allgemeinen denk- bar einfach: Rot, Blau, Grün, Gelb, der Grund schwarz, die Ränder weiß. Die Ausschmückung beschränkt sich fast durchweg auf die Bilder der Evangelisten, ihrer Symbole und auf Initialseiten, gewöhnlich zu Beginn jedes Evangeliums. In ein- zelnen Fällen gehen Canonestafeln voraus. Manche besonder reich ausgestattete Codices, wie die Bücher von Kells, Durrow, St.Gallen (Nr.51) bringen außerdem auf vielen Seiten noch kleinere Orna- mente und Initialen.

Nur bedingt kann man von einer formalen Ent- wicklung dieser Ornamentik reden. Ihre Eigenart ist schon in den frühest entstandenen Büchern voll- kommen ausgereift. Vielleicht sind Handschriften, die von vorbereitenden Stufen Kenntnis geben könnten, verlorengegangen.

Unzweifelhaft geht die Tendenz auf streng zwei räumige Darstellung und auf ungebrochene einheit-

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liche Farbigkeit. Tries ist der Weg von dem Evgn- geliar in Kells zu dem von Durrow und weiter zu dem St. Gallener Codex (Nr. 51). Was an Plastizi- tät der malerischen Erscheinung in jenem ersten Werk noch vorhanden war etwa in der Wölbung

einer Gewandfalte, wird schrittweise in radikale Zweidimensionalität übersetzt. Die reiche leuch-

tende Tonskala des Buches von Kells, die etwa durch Übermalungen ein sehr differenziertes Vio- lett erreicht, wird auf die nebeneinander gelegte Farbenfolge, Grün, Gelb, Rot, Blau, vereinfacht. Auch der lineare Rhythmus ist in der St. Gallener Handschrift gestillter, einfacher geworden. Diese Entwicklung zum strengen Lineament führte in den folgenden Jahrhunderten zu einem Stil, der wie eine karikierende Übersteigerung dieser Tendenzen er- scheint. So ist in dem Cambridger Psalter aus der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts die raumleugnende Kraft zum leeren Schema erstarrt.

Diese Ornamente, die in oft seitengroßer Aus- dehnung einen einzigen Buchstaben bilden, haben nichts mit raumfüllender, flächenschmückender Absicht gemein. Die in Kreisen, Spiralen, Bändern, kristallinischen Brechungen schwingende Linie ist ohne Anfang und ohne Ende. Die geometrische Formel, in der sie sich bindet, ist nur die Fassung, die den ins Grenzenlose strahlenden Kräftestrom, die hymnische Rhythmik dieser unendlichen Melo- die zusammenhält. Das gewaltige Geäst eines rie- sigen ornamentalen Stammes breitet sich aus. Geflochtene Bänder, Spirallinien, ineinander ver- woben und an den Enden wieder zu neuen Spiralen sich verschlingend, Ornamente linearer und geo- metrischer Figuren, die wundersame Mosaikfelder bilden, Gitterungen, deren Spitze wieder zur Wurzel strebt und in diese sich ergießt; und aus dem Ge- flecht auftauchend die gewundenen Tierleiber, die

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Köpfe phantastischer Ungeheuer und ineinander verkrampfte Körper.

Die von Irland angeregten Schulen im nördlichen und südlichen England und auf dem Kontinent wir erinnern an das Evangeliar von Lindisfarne, an das Gebetbuch des Bischofs Ethelried, an die be- kannten Handschriften in Lichfield, Echterbach, Trier, Wien haben im Anschluß an die natur- nähere spätantike und frühchristliche Tradition mit ihrer mehr malerischen und plastischen Form die karolingische Buchmalerei vorbereitet. Karl dem Großen ist die Vereinheitlichung der kirchlichen Organisation zu danken. Er vollendete auch hier das Werk Pipins. Die gallikanische Liturgie, ihre Texte und Melodien wurden abgeschafft und die römische Gottesdienstordnung eingeführt. DieWelt- kirche trat dem universalen Imperium zur Seite.

Die Texte der Evangelienbücher, Psalterien, Sakramentarien, Missalien wurden unter der per- sönlichen Anteilnahme Karls, der sich von griechi- schen und syrischen Klerikern beraten ließ, sorglich überprüft. Im Gegensatz zu den vielen Schrift- wandlungen der vorhergehenden Zeit wurde die große Unziale mit ihrem getragenen und feierlichen Rhythmus Ausdruck des neuen Geistes.

Die mannigfachen Elemente der vorhergehenden Epochen verschmelzen in den Handschriften der karolingischen Malschulen zu einer durchaus neu- artigen Klassizität. Im Ornament leben die Motive der Antike Palmette, Mäander, Akanthusblatt, Guirlande, Herzblatt und die geometrischen Bildungen der Iren wieder auf. Die Initiale ent- wickelt sich unter irisch-angelsächsischem Einfluß zum ganzseitigen Zierblatt. Der Osten, vor allem Syrien, gibt einen Beitrag mit den Canonesbögen; die heidnische Antike Dekorationsformen wie die

SCHMUCKWERTE DER ORNAMENTIK UND SCHRIFT IN MITTELALTERLICHEN HANDSCHRIFTEN

umrahmenden Bordüren, Vögel und Pflanzen in den Zwickeln der Bögen und Architekturstücke. Vor allem erweckte die Erinnerung an die frühchrist- liche Buch- und Wandmalerei einen neuen male- rischen Stil, der insbesondere in den Handschriften der sogenannten Palastschule sichtbar wird, wäh- rend in den niederrheinischen Arbeiten die Ein- flüsse Irlands stärker nachwirken und die mehr flächige und lineare Ornamentik der sogenannten Adagruppe schon die kommende Epoche der Ot- tonen vorbereitet.

Man hat mit einigem Recht von einer karolingi- schen Renaissance gesprochen, da es sich hier um eine Auseinandersetzung mit den Formproblemen der Antike, insbesondere auch mit dem Raumproblem handelt. Gegenüber den auf abstrakte Stilisierung und auf die zweidimensionale Flächigkeit gerich- teten Tendenzen überwiegt doch das Streben nach räumlicher Illusion, klassischer Symmetrie, wirk- lichkeitsnaher Farbe und Form.

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Der Stil der frühromanischen Ornamentik, der in den Buchmalereien der Reichenau seine schónste Entfaltung fand, ist bewußt zweidimensional ; nicht in dem Maß planimetrisch, wie die irischen Hand- schriften, aber doch sehr viel flächenhafter, linearer und stärker von abstrakter Stilisierung beherrscht als die karolingischen Arbeiten je waren. Auf die illusionistischen Mittel der Perspektive uud Atmo- sphäre, der malerischen Modellierung wird ver- zichtet. Der linearen Form und dem flächenhaften Raum entspricht das kühle abgestufte Kolorit, der ornamentale Rhythmus, das wirklichkeitsabge- wandte Umrißschema.

Bezeichnend für die Ornamentik der Reichenau sind die großen ganzseitigen Zierblätter auf tief- violettem Grund, das in Gold gearbeitete, mit

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grünen und blauen Flächen gefüllte Rankeninitial, das in heftigem Rhythmus in Blätter und Pfeil- spitzen ausläuft. Umrahmt ist die Seite oft von einem Banderviereck, das mit Blattwerk oder Mäandern gefüllt ist. Gerade der Motivschatz der Ornamentik bewahrt die meisten antiken, früh- christlichen und karolingischen Erinnerungen in dem architektonischen Giebelgerüst der Canones- tafeln mit den symmetrisch sich gegenüberstehenden Tieren, den Drachenköpfen, den Masken, den Bild- nismedaillons, die auf die von den römischen Cå- sarenmünzen hergeleiteten Kaisermünzen zurück- gehen, in der Bildung von Säulen und Kapitälen, in der häufigen Verwendung des Mäandermusters und des Akanthusblattes.

Bei grundsätzlich unveränderten Formelementen ergibt sich doch eine stufenartige Ausgestaltung von den frühen bis zu den reifen Handschriften der Schule.

Die frühen Handschriften zeigen eckige, in Gold ausgeführte mennigrot umrandete Bandornamente mit wenig Blattwerk und laufen oft in Schlangen- köpfe aus. Noch der Gerokodex zeigt ein zartes, vielfach verzweigtes, rhythmisch über die Fläche gespanntes Rankenwerk, das Akanthusblätter und perspektivisch getiefte Mäander bevorzugt. Für etwas spätere Handschriften wie den Egbertspalter ist ein viel verschlungener, unentwirrbarer Initial- körper kennzeichnend, der sich in eine Fülle von blätterbesetzten Ranken verästelt und in ornamen- tale Blätter und Pfeilspitzen ausläuft. Man hat übrigens für die Wahl der Schmuckornamente mit Recht auf die Analogien der Metall- und Textil- arbeiten hingewiesen.

Alle diese Formen erscheinen in den reifen Wer- ken der Schule in klaren und freien rhythmischen Bildungen. Charakteristische Grundform ist freilich

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auch hier der ungestüm nach auswärts stoßende (nicht in sich zurückfließende) Zug der Ranken, deren Bewegtheit durch die ruckweise, häufig fast rechtwinklige Brechung und die pfeilartige Zu- spitzung noch verstärkt wird.

Ein wahrhaftes Begreifen reichenauischer Buch- malerei und ihrer Ornamentik hat ein Vergessen jeder Erinnerung an die Bilder und das organische Gefüge der Natur zur Voraussetzung. Das Dogma der Naturtreue als Gestaltungsideal, das von einer die griechische Antike oder die Renaissance als Höhepunkt des künstlerischen Schaffens werten- den Generation verkündet wurde, ist, wenn man von der irischen Buchmalerei absieht, im Abend- land nie so radikal und schöpferisch geleugnet wor- den als um die Wende des ersten Jahrtausends. Töricht die Vorstellung, diese Mönche hätten nicht naturgetreu gearbeitet, weil sie es nicht vermochten. Vor ihrem Auge standen die Zeugnisse der Antike und der auf ihren Schultern ruhenden frühchrist- lichen und karolingischen Kunst und sie schieden trotzdem Stück für Stück aus diesem natur- erfüllten Organismus aus, um zur Verwirklichung ihrer eigenen Idee zu kommen. Jede schöpferische Generation schafft die Form, die ihrem Wollen ge- mäß ist.

Aus dem Beieinander der Menschen und Dinge, aus dem räumlichen und farbigen Bau wird Form. Und das Wesen dieser Form liegt in der Umprä- gung des von der Antike überkommenen Stils der impressionistischen oder doch malerischen Realität in einen Stil der monumentalen Fläche. Der Umriß, die Farbe, die Fläche schaffen, nicht durch ihre Be- ziehung zur gegenständlichen Wirklichkeit, sondern kraft ihrer eigengesetzlichen und aufeinander be- zogenen Rhythmik ein Bildgefüge, das Ausdruck

geistiger Ideen wird.

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Der Zusammenhang der Farben auf goldenem und purpurnem Grund, eine Skala, die auf zartem Rot, Himmelblau, Grün und Gelb ruht, schafft eine dekorative Harmonie, eine Stimmung hoher Festlichkeit.

Von einer Betrachtung der spátromanischen Or- namentik, die, teilweise unter byzantinischem Ein- fluß eine mehr dekorative als innere Steigerung dieser Ausdrucksmittel verwirklicht, kann in diesem Zusammenhang abgesehen werden. Ein Hinweis auf die gotische Miniatur läßt erkennen, daß deren Ornamentik nach anfänglichen Stilisierungsten- denzen bald in einem nach der Wiedergabe des Naturvorbildes strebenden Stil ausmündet. In den „Drölerien“ des Rankenwerks spiegelt sich das all- tägliche Leben der Umwelt, wirkt eine Phantasie, die sich nicht genug an grotesken und überraschen- den Erfindungen tun kann. Der Duktus der Schrift, der in den romanischen Handschriften den Charak- ter feierlicher Ruhe und monumentaler Gelassenheit hat, erhält nun eine geschmeidig individuelle, graziös schwingende Prägung. Wenn die Schrift- seite eines romanischen Evangeliars an eine mit erzgegossenen Zeichen bedeckte Tafel gemahnt, erweckt das gotische Schriftbild die Erinnerung an eine musikalische Phantasie. Pflanzen und Archi- tekturstücke werden getreu nach der Wirklichkeit kopiert, das Kolorit gleicht sich dem atmosphäri- schen Eindruck der Natur an. Der Raum, das Erb- teil der Antike, welches das Mittelalter bewußt Schritt für Schritt aufgegeben und in den abstrak- ten zweidimensionalen Flächen der irischen und frühromanischen Handschriften gänzlich geleugnet hatte, wird neu umkämpft. Die Spiegelung der Wirklichkeit, die illusionistische Auffassung des Naturbildes wird wiederum Ziel und Aufgabe.

RUNISCHE SCHMUCKFORMEN

VON PROFESSOR DR. GUSTAV NECKEL-BERLIN

De Lieblingsgesichtspunkt der Runologen ist heutzutage der magische; die Zauberbedeutung der Inschriften zieht ihr Hauptinteresse auf sich. Diese Betrachtungsweise ist an sich nicht willkürlich zu nennen. Bekanntlich berichtet schon Tacitus von der Zukunfterkundung des germanischen Haus- vaters mittels mit Zeichen beritzter Stabchen, deren Auffassung als Runenstäbe naheliegend und eigentlich selbstverständlich, wenn auch in den letzten Menschenaltern unbewiesenen Entlehnungs- hypothesen zu Liebe meist aufgegeben worden ist. Aber auch die nordischen Quellen und Funde be- zeugen Runenzauber. In dem Eddaliede von der Erweckung der Walkyrje, das viel darüber meldet, ist unter anderm von Siegrunen die Rede, die man auf die verschiedenen Teile der Hiebwaffe ritzen muß, während man zweimal den Namen des Tyr aus- spricht. Skirnir, der Bote des Freyr, droht der spröden Riesenmaid, ihr einen Thurs (ein |>) und drei andre Stäbe zu ritzen, die schlimme Verhexung über sie bringen. Der Skalde Egil heilt auf seiner Schwedenreise die kranke Tochter eines wärm- ländischen Bauern dadurch, daß er mit Runen be- ritzte Fischkiemen aus ihrer Lagerstatt entfernt; die hatte ein junger Nachbar dort eingeschmuggelt, der

in das Mädchen verliebt, aber nicht genügend runen-

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kundig war, um die runische Fiebermagie von der Liebesmagie sicher zu unterscheiden. Mehrere In- schriften enthalten Runengruppen, die magische Be- deutung mehr oder weniger klar zur Schau tragen, indem dasselbe Zeichen sich dreimal oder öfter wiederholt oder das geheimnisvolle Wort alu (,, ich zeuge“ 7) auftritt; so das sehr alte Beinchen von Lindholm in Schonen, welches auf die Mitteilung des Ritzers „ich heiße Erilas der Kunstfertige“ acht a, drei R, zwei n, schließlich drei t und alu folgen läßt. Einige Inschriften waren ursprünglich im Innern von Grabkammern angebracht, so daß sie schwerlich für sterbliche Augen bestimmt ge- wesen sein können, sondern wohl eine zauberische Wirkung auf den Toten oder zu dessen Gunsten hervorbringen sollten, so die 1917 gefundene große Runenplatte von Eggjum bei Bergen.

Die große Mehrzahl der erhaltenen Runen jedoch hat mit Magie nichts irgendwie Erkennbares zu tun. Die Versuche, bei einer ganzen Anzahl von In- schriften aus den Zahlenverhältnissen von Wörtern und Zeichen magische Absichten zu erschließen, scheitern an ihrer eigenen Unlogik, weil sie niemals der Gegenprobe standhalten, und die Hinweise auf antiken Alphabetzauber können nicht davon über-

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GUSTAVNECKEL-BERLIN

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KFORMEN

zeugen, daß der Brakteat von Vadstena, die Spange von Charnay und die andern Futharke mit Zauber ge-

laden seien. Zaubern ist heute hohe Mode, und daß der Geist der alten Zeiten mythisch oder magisch ge- wesen sei, ist eine alte, romantische Vorstellung. Wer aber mit den altgermanischen Lebenszeugnissen ver- traut ist, weiß, daß den heidnischen und frisch- getauften Germanen kein besonderer Hang zum Übersinnlichen, geschweige magisierende Raffiniert- heiten nachgesagt werden dürfen. Der klare und offene Sinn für die Wirklichkeiten und Reize des Diesseits überwog im alten Norden ähnlich ent- schieden wie in Griechenland und Rom zu ihren guten Tagen. Dazu gehört auch die Freude an Bildnerei und Schmuck.

Bekanntlich ist die altgermanische Bildkunst fast restlos ornamental. Das gilt schon vom Neolithikum und der Bronzezeit; es gilt vollends von der Tier- ornamentik und den verschiedenen Stilen der soge- nannten Völkerwanderung, der Merowinger- und der Wikingzeit, ja noch von der ältesten christlichen Kunst Skandinaviens. Figurendarstellungen sind selten und dienen auch ihrerseits meist dem Schmuck der Fläche, in der Regel ornamental stilisiert, oft so stark, daß Figur etwa Tierkörper und Ornament ununterscheidbar ineinander übergehen. Freie Fi- gurenbildnerei ist ganz spärlich belegt, z. B. durch eine rohe Holzarbeit aus Jütland und dem An- fang unserer Zeitrechnung, die einen männlichen Gott darzustellen scheint. Auch die Götterbilder, von denen Adam von Bremen und altnordische Quellen berichten, erscheinen als sehr unvoll- kommene Werke. Die prächtigen Tierköpfe aus dem Schiff der Königin Asa, das man in ihrem Hügel, dem Oseberg, bloßgelegt hat, sind Gebrauchsgegenstände, mit animalischer Phantastik reich und fein ge-

ziert, aber keine Figurendarstellungen.

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Der weite Abstand der nordeuropäischen Bild- kunst von der griechischen Plastik und von den genialen Bison- und Mammutzeichnungen in den ur- alten Höhlen des Südwestens springt in die Augen und ist kein Zufall; auch in späterer Kunstge schichte fällt die naturalistische Wiedergabe von Mensch und Tier den Germanen schwerer als ihren südlichen Lehrmeistern, und bis heute ist ihnen kein Myron und kein Michelangelo erstanden, während ihre Ornamentik wohl zu allen Zeiten die reichere und lebensvollere ist. Ein ähnlicher Unterschied zwischen Nord und Süd zeigt sich in der Dicht- kunst. Die Phantasierichtung des Stabreimpoeten ist eine andre als die Homers. Was jene erfüllt", sagt Andreas Heusler!), „ist weit weniger die äußere Erscheinung, das sinnliche Bild, weit mehr das seelische Ereignis, das Aufflammen des Charakters. Dieser offenbart sich nirgends so wie in der Rede. Die Eddadichtung steht hierin auf dem gleichen Boden wie die der Deutschen und Engländer. Mag man ihre ‚grelle Sinnlichkeit‘ hervorheben: diese ordnet sich dem Anstaunen der Heldengröße oder der Begeisterung für die tragische Leidenschaft überall unter. Der eddische Dichter, der die stärkste sinnliche Anschauung besitzt, der Sänger von Helgis Tod und Wiederkehr, formt zugleich die glühendste Leidenschaft in Zorn, Schmerz und Liebe. Der erhöhte Wärmegrad des lyrischen Emp- findens hat die Sehschärfe gesteigert. Aber das

Auge ist nicht das Organ, womit sich diese Dichter

die Welt aneignen. Und auch wo sie deutlich

schauen, wird ihnen das Schauen nicht zum Schön- heitsgenuß. Homer vermag in einem Augenblick äußerster Spannung und momentansten Geschehens, Шав 22, 314ff., nicht nur die Erscheinung seines

1 Zeitschrift für deutsches Altertum 46,5.220 (in der Abhandlung über den Dialog in der altgermanischen erzäblenden Dichtung.

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Stein von Reislad auf Hitter-ö, Vest-Agder

Abb. 1.

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Norwegen (aus: N

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Helden liebevoll zu beschreiben, sondern an dem odxog xadóv, den ¿Jerga voie an dem

sich

01005 х@АМмотос, dem уофс хаАбс und den reuyn хада innerhalb von zehn Versen zu erlaben. Schönheit um jeden Preis!“ Ähnlich wie die Edda und die Nibelungen zur Ilias verhält sich Wolfram von Eschenbach zu Dante, und auch in die neueren Literaturen hinein ließe sich die Proportion mannig- fach erweitern. Das Gemeinsame mit dem Verhält- nis in den Raumkünsten liegt auf der nordischen Seite zunächst in dem Negativen, daß die Germanen keine Augenmenschen sind. Aber auch von innerer Verwandtschaft zwischen dem Hang, sich in der ornamentalen Linie frei auszuleben, und dem schwungvollen Mitgehen mit nachempfundener Innerlichkeit darf die Rede sein. Der nordische Künstler gestaltet mehr von innen heraus, dem Aus- druckswesen des nordischen Menschen gemäß. Der südliche, erwachsen unter hellem Himmel und an- gesichts scharfer Konturen und reicher, satter Far- ben, spiegelt mehr die Außenwelt, südlichem Ein- druckswesen gemäß.

So begreift es sich auch, daß das Denkmal für den Ruhm des Toten an den Nordmeeren anders ge- staltet ist als am Mittelmeer. Gemeinsam ist der Ge- danke, ein hohes Steinmal zu errichten; er erscheint nackt in der ägyptischen Pyramide und dem nor- dischen Bautastein. Aber die griechische Pietät kündet von dem Verstorbenen durch den lebenstreu gemeiBelten Kopf oder das Relief, das auch Gestalt und Haltung ergreifend vor Augen führt, und noch den modernen Campo santo kennzeichnet reiche Porträtplastik. Im Norden dagegen greift man zum Wort, zur Inschrift. Alle Runeninschriften auf in freier Luft errichteten Steinen aus heidnischer Zeit dienen dem Andenken dessen, „nach“ dem sie

„Stehen“, und noch unsre Epitaphien pflegen sich

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RUNISCHESCHMUCKFORMEN

mit unplastischen Goldbuchstaben zu begnügen. Ist es nicht derselbe Gegensatz wie zwischen den bilder- losen Kirchenwänden der Protestanten und den Gotteshausmuseen des Katholizismus? Es hat tiefe Gründe, daß die bekenntnisgewaltige, bilderfremde Reformation im Norden entstand und sich siegreich ausbreitete, während südlich der alten Grenze Ger- maniens am deutschen Mittelgebirgsgürtel das geistliche Römertum die Oberhand behielt.

Der schlichten Inschrift auf dem Stein bemächtigt sich nun aber der Schmucktrieb, zunächst sich be- tätigend als Ordnungstrieb; auch Ordnung bedeutet Schönheit. Bereits die ältesten Steine norwegische veranschaulichen, daß Stelle und Richtung der Inschrift der Form des Steines angepaßt worden sind. So steht auf dem Stein von Elgesem das Wort alu wohl abgemessen in der senkrechten Mittellinie, nahe dem halbkreisförmigen oberen Rande!. Der Stein von Reistad auf Hidra (West-Agder) zeigt drei Inschriftzeilen, deren oberste von links nach rechts aufwärts zieht, der steilen Schrägheit des oberen Randes gleichsam nachstrebend, während die untere wagerecht verläuft, parallel mit der Grundlinie, und die mittlere vermittelt (Abbildung 1). Sehr alt ist die Form des „Runenstabes“, ursprünglich ein Holz- stäbchen, dessen Runen senkrecht zu seinen Rän- dern stehen, so daß diese ihre Reihe einrahmen. Ebenso sehen Runensteine aus, die wie Balken auf- recht stehen und an deren schmaler Vorderseite eine Runenreihe aufwärts läuft; z.B. das schlanke Lundagärd-Denkmal, das auf dem schattigen Runen- steinhügel im alten Lund die Blicke auf sich zieht, übrigens dem Beginn des 11. Jahrhunderts ent- stammt. Auf Steinen mit breiterer Fläche hat man die Runen durch Linien eingerahmt und so auch

! Abgebildet bei Bugge, Norges Indskrifter med de eldre Runer 1, 161.

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RUNISCHE SCHMUCKFORMEN

zwei und mehr senkrechte Runenstreifen neben- einander gelegt. Dieser Typus findet sich besonders auf dänischen Steinen der Wikingzeit, das heißt des 9. bis 11. Jahrhunderts, welche die Hauptmasse der dänischen Runeninschriften enthalten. Sie sind nach guten Zeichnungen von Eilif Petersen abgebildet in dem vierbündigen Prachtwerk von L. Wimmer, De danske Runemindesmerker, und verkleinert in der einbändigen, verkürzten Ausgabe desselben von Lis Jacobsen (Haandudgave, Kopenhagen und Kri-

stiania 1914, siehe dort Seite 14). Die ältesten zeigen |

nur Trennungslinien zwischen Runenreihen. Später wird es das Üblichere, jede Reihe beiderseitig für sich einzurahmen, mit Zwischenräumen zwischen den Reihen. Das Hauptbeispiel für die ältere Art stellen die breite Vorder- und Rückseite des Steins von Rök in Östergötland dar, der von allen bisher gefundenen Runendenkmälern die bei weitem längste Inschrift und zugleich eine der allerrätsel. haftesten trägt. Er kann in ausgezeichneten Photo- graphien studiert werden in der Festschrift Rök- stenen von Otto von Friesen (Stockholm 1920). Die jüngere Art findet sich u. a. auf den beiden Steinen von Jellinge bei Vejle in Jütland, dem kleineren, welchen Gorm der Álte zwischen 935 und 940 seiner Gemahlin Tyra Danebod errichtete, und dem gró- Beren, welchen Harald Blauzahn um 980 seinen Eltern Gorm und Tyra und seiner eigenen Herr- schaft als Denkmal setzte. Der größere Jellinger Stein läßt seine Inschrift auf breiter Fläche quer laufen: das ist ungleich seltener als der vertikale Reihenlauf.

Der Eindruck dieser meist peinlich geradlinigen Inschriften ist nüchtern und ernst, oft streng oder steif. Dabei wirken auch die Formen der Runen selber mit, die im Gegensatz zu ihren griechischen

und lateinischen Verwandten, in teilweiser Über-

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einstimmung jedoch mit ihren näheren Verwandten, den nordetruskischen Alphabeten, die Gerade und den spitzen Winkel stark hervortreten lassen auf Kosten aller Rundungen. Der Stilcharakter der Runen harmoniert mit der Reibenform ihrer älte- sten Anordnung. Aus beiden spricht der harte, willensstarke, geradeaus wuchtende, klare Geist des germanischen Bauerntums. Nichts Mystisches um- wittert diese hageren Stäbe und ihre sauber aus- gerichteten Glieder. Doch scheint in den bequem auseinandergelegten Bändern zuweilen Behagen, ja Heiterkeit aufzuleuchten, wie die feinen humoristi- schen Lichter über dem strengen Ernst der Saga- prosa. Hinzugefügte Ornamentik, wie auf dem gro- Ben Jellinger Stein, tut festliche Wirkung, und schon die Form des Steines kann das, wenn sie schlank aufwärts strebt, sei es stabförmig wie der Lunda- gärd-Pilaster, sei es in eleganter, unsymmetrischer Verjüngung, wie der Hauptstein der großen Stein- setzungsanlage von Tryggevelde auf Seeland, um 900 von der Witwe Ragnhild ihrem Manne Gunnulf, dem Sohne des Nerwe, geweiht, mit Versen, die be- sagen, daß selten ein Besserer werde geboren wer- den, als diese waren (abgebildet bei Lis Jacobsen, Seite 105).

Das Element der lösenden Leichtigkeit macht sich stärker geltend in dem zweiten Typus der In- schriftanordnung, den Randbündern, deren aus- geprägte Form dem Osten der skandinavischen Halbinsel eigen ist, zuerst gegen Ende des 10. Jahr- hunderts in Schonen sich zeigt. An die Stelle der abstandparallelen Bänder tritt hier der Parallelis- mus mit dem Umriß des nach oben verjüngten, oben zugespitzten oder gerundeten Steins, spüter in Schweden die zuweilen gedoppelte, der Steinform gegenüber wieder mehr verselbständigte Rundbogen-

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GUSTAV NECKEL- BERLIN RUNISCHE SCHMUCKFORMEN

ähnelt. Doch wird es mit der Zeit immer üblicher, die Enden des Bandes unten verflattern zu lassen in einwärts gebogenen Rundungen oder Schleifen, deren Enden als Tierkopf und -schwanz stilisiert werden: die Runenschlange (Abbildung 2). Der Eindruck des Hängens und Flatterns, den diese Formen vielfach machen, hat den dänischen Archäo-

ABBILDUNG 2 STEIN VON LINSUNDA, UPPLAND, SOHWEDEN AUS: A. BUGGE, VERTERLANDENER JUDFLYDELSE

logen Sophus Múller an Nachbildung von Perga- mentrollen denken lassen. Aber das ist schon aus chronologischen Gründen unglaubhaft und ist von andern nordischen Gelehrten wie dem Nor- weger Alexander Bugge und dem Schweden Otto v. Friesen mit Recht abgelehnt worden. Müller war nicht frei von dem um die Jahrhundertwende weit verbreiteten Vorurteil romanischer Herkunft,

daß germanische Dinge, die irgendwie ein Ansehen

haben und nach Schönheit oder Kultur schmecken, ihren Ursprung in der Antike oder der christlichen Kirche haben müßten. Bei unbefangener Unter- suchung ergibt sich vielmehr: Rücksicht auf die Steinkontur bei Lagerung der Inschrift ist so alt wie die ältesten bekannten Runensteine siehe oben —; dasselbe gilt von dem halbkreis- oder segmentförmigen, also scheinbar „romanischen“ Oberende, das die schönen gotländischen Bildsteine zwar mit dortigen Kirchentüren gemein haben, aber auch mit dem alten norwegischen Zauberstein von Elgesem; Bänder und Schnüre sind im Norden älter als die Bronzezeit; die Schlange, der ,, Wurm“, ist den altnordischen Dichtern eine ebenso geläufige Vorstellung wie den altdeutschen und den alt- englischen, trotz der Schlangenarmut Germaniens; in einem Eddaliede ist die Rede von einer Natter, die auf einer (damaszierten?) Klinge „den Schwanz wirft" wie so viele Runennattern namentlich auf den uppländischen, öländischen und sonstigen schwedischen Steinen. Daß in dem weit sich öffnen- den und vollends in dem flott geschwungenen Runenband ein andres Formgefühl lebt als in den eng parallelen Runenlinealen oder -zollstäben und als in dem Runennetz, das gestreift die ganze Fläche füllt, das ist freilich sicher. Auch in den Eddaliedern lebt ein andres Formgefühl, über- haupt eine andre Stimmung als in der Saga; jene sind gelöster, beschwingter, pathetischer, wie es die Runenbänder von etwa dem Jahre 1000 an immer mehr werden. Die Eddalieder verdanken ihren Geist der Fürstenhalle, die Sagas den ihrigen dem Bauernhof. Schon der festliche Stein von Jellinge, der unter den dänischen so hervorragt, ist ein Königswerk, und daß für die schwedischen mit ver- wandtem Ethos ebenfalls kriegerisches Herrentum und Siegesráusche etwas bedeutet haben, das geht

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GUSTAVNECKEL-BERLIN

aus mehrerem hervor, so aus dem Jnhalt mancher Inschriften. Die merkwürdigsten unter diesen sind wohl die Ingvarsteine aus den 1040er Jahren, die in einer Zahl von mehr als 20 die Gegenden um den Mälar zieren. Sie melden von dem Zuge des Königs- sprosses Ingvar und seiner Gefolgsleute nach Ruß- land und dem Sarazenenland und von ihrem Fall in der Fremde. Nach den geistreichen Forschungen von Friedrich Braun in Leipzig war Ingvar der letzte Heide aus der uralten Königssippe der Yng- linger, der den Glauben der Väter vor der siegenden Kirche übers Meer flüchten mußte!.

Auch unter den dänischen Steinen melden meh- rere von kühner Wikingtat und Heldentod in der Ferne, und die meisten von diesen zeigen das Rand- band und dazu besondern Schmuck. Einzelne, deren Inschrift dem nüchternen Zeilenparallelismus hul- digt, ornamentieren doch den Kopf ihrer Fläche, sei es durch eine Bandschnecke (so Kolind, Jacobsen Nr. 35), sei es durch ein Schiffsprofil (Sander Kirkeby, Nr. 88). Besonders stattliche Vertreter der Mehrheit sind der zweite und fünfte Stein von Aarhus. Beide zeigen eine innen gefüllte, groß und sorgsam gehauene Randform mit Schnecken und Bandverschlingungen als festlichem Zierat, der auf dem zweiten Stein in dem hierneben (Abbildung 3) wiedergegebenen kraftvoll-phantastischen Kopfe gipfelt. Im einen Falle ist der geehrte Tote „ostwärts gefallen, als Könige sich schlugen“ (was Wimmer auf das Seetreffen bei Svolder ums Jahr 1000 be- zieht), im andern heißt er Azur der Sachse (das ist: der Niederdeutsche), Schiffsgenosse des Arne, ein wackerer Bursch, und fiel „als der entschiedenste Unneiding", das heißt als Held ohne Furcht und

1 Vgl. Verf, Altgermanische Kultur, Leipzig 1925, S. 94. Zwei der Ingvarsteine sind abgebildet bei von Friesen, Upplands runstenar, Uppsala 1913, wo man auch andre schwedische Steine findet.

RUNISCHE SCHMUCKFORME

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Tadel. Immerhin ist die sonderbare Ansicht 4. Kopenhagener Geschichtsschreibers Erik Aaru) wonach die friedliche Landmannsnatur der Däne auch durch die Inschriften der Wikingzeit bezeu; wird, nicht ohne einen gewissen Wahrheitsker Denn das kriegerische Hochgefühl der schwedische Wikingsteine atmen die dänischen zwar in di sprachlichen Formulierung, aber nicht im Ornamer talen, so daß man den Geist ihrer schmückende Teile immerhin bäuerlich oder bäuerlich-nüchter

ABBILDUNGS KOPF AUF EINEM RUNENSTEIN VON AARHUS, JÜTLAN AUS: B. MÜLLER, NORDISCHE ALTERTUMSEUNDE

nennen kann nicht bäuerlich-friedlich, denn kri gerisch ist auch dieses germanische Bauerntum gi wesen, so gut wie das altisländische und jed: andre. Der Unterschied zwischen Dänen un Schweden, der in jenen Jahrhunderten spürb: wird, läuft also hinaus auf dieselbe Differen welche die beiden Brudervölker auch in der Ne zeit zwischen sich wahrzunehmen glauben: di Dane ist schlichter, anspruchsloser, nüchterner ш hat weniger Sinn für Form; der Schwede ist inne lich gehobener, dem großen Augenblick und d großen Geste zugetan und neigt zu Prachten faltung und stolzer Haltung.

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Abb. 5. Stein von Drävle, Uppland, Schweden (aus: Upplands Fornminnesförenings Tidskrift XXXIX).

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GUSTAV NECKEL- BERLIN -

RUNISCHESCHMUCKFORMEN

Die rund 2000 schwedischen Steine mit jüngeren Runen, die meist dem 11. und 12. Jahrhundert an- gehören, zeigen eine ungemeine Mannigfaltigkeit in der immer festlich gestimmten Lagerung des Runen- bandes. Man kann hier eine Menge Typen unter- scheiden, im Anschluß an die schon aufgestellten zwei oder als Unterabteilungen des zweiten. Der Kunsthistoriker Friedrich Plutzar, ein Schüler Strzygowskis, hat in einer eingehenden und viel- fach feinsinnigen leider zugleich flüchtigen und oft unklaren Arbeit hierüber Rechenschaft gegeben!. Er geht nicht bloß den Band- (oder

ABBILDUNG 4 BANDVERSCHLINGUNG VOM ALSKOGSTEIN, SCHWEDEN AUS: A. BUGGE, VERTERLANDENER JUDFLYDELSE

Rahmen-) formen nach, sondern auch denen der Schleife, welche, um die hinaufgeschwungenen un- teren Bandenden gelegt, diese in verschiedenen Gestalten zusammenhält und gewöhnlich „irische Koppel“ heißt, da man sie seit Sophus Müller

aus Irland ableitet; andre glauben an orientalische Herkunft. Diese Koppel bildet mit dem Runen-

bande eine „Bandverschlingung‘‘ oder Band- verflechtung*. Sie tritt nicht selten doppelt auf, so daß nicht bloß unten, sondern auch oben die Bänder verkoppelt sind. Auch manche andre For- men der Bandverschlingung kommen vor. Abbil- dung 4 zeigt ein besonders entwickeltes Stück dieses

Ornamente, das sich auf dem schwedischen Stein

* Kuagliga Vitterhets-, Historie- och Antikvitets-Akademiens Handlingar 34, 6; Stockholm 1924.

von Alskog findet, aber nicht ohne gleichwertige Gegenstücke anderswo ist, z. B. am Holzwerk der kunstgeschichtlich berühmten Kirche von Urnes am Sognefjord (um 1100)’. Als einen von hunderten bringt Abbildung 5 den upplündischen Stein von Drävle mit seiner reich geschmückten Fläche, die in ihrer Mitte ein verziertes Ringkreuz enthält das ist eine der Formen, in denen das christliche Kreuz auf den Runensteinen auftritt, und die viel mannigfaltiger sind als die südlichen Kreuze (Haken- flecht-, Palmetten-, Radkreuz). Ähnlich mannigfach sind die Tierformen, zu- nüchst die des Kopfes und Schwanzes am Runen- drachen: da gibt es den von oben gesehenen Spitz- kopf, den von der Seite gesehenen Kopf mit Blätter- schopf oder mit einem Nackenzopf, der die irische Koppel ersetzen kann; es gibt auch Vogelköpfe; bei dem Runenkünstler Öbber man kennt eine ganze Reihe schwedischer Ritzer streckt sich der Kopf, und der Schopf legt sich nach hinten, wie bei rasen- dem Lauf, am ehesten: bei schneidigem Drauflos- gehen. Diese Varianten kehren wieder beim frei- stehenden Schmucktier, wie es zuerst auf dem gro- Den Jellinger Stein erscheint daher das Tier der Jellinger Rasse genannt —, am schönsten aber wohl auf einem nordischen Runenstein des 11. Jahrhun- derts, der sich auf dem Kirchhof von St. Paul in London gefunden hat (Abbildung 6). Den unwirk- lichen Kopf dieses Fabelwesens hat man „Ringe- rikekopf“ genannt, weil sein Typ in den Arbeiten aus Ringeriker Sandstein wiederkehrt, die in der ge- nannten norwegischen Landschaft und ihren Nach- bargebieten vorkommen!. Der energische Stilisie-

rungsdrang germanischer Kunst offenbart sich hier

1 Siehe die Darstellung des vortrefflichen Kenners Haakon Schetelig im 3. Bande des Prachtwerkes Osebergfundet, Kristiania 1920, S. 316 ff.

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GUSTAV NECKEL-BERLIN .-

ähnlich eindrucksvoll wie in den Holzschnitzereien von Oseberg, eindrucksvoller als in den tierornamen- talen Metallarbeiten.

Auch schwach stilisierte und geradezu porträt- oder genrehaft wirkende Gestalten sucht man auf Runensteinen nicht ganz vergebens. Sie sind wirk- lich Ausnahmen, welche die Regel bestätigen, da ihr deutlicher Naturalismus die Stilisiertheit der Nor- malfiguren überzeugend beleuchtet. Von den acht Steinen, die einst das große ohne Gegenbeispiel größte Monument von Hunnestad in Schonen bildeten, trug der eine, jetzt teilweise geborstene, im Innern seines doppelten Runenrahmens das sicher und richtig gezeichnete Profilbild eines Kriegers mit der aufwärts gekehrten Streitaxt über der Schulter; nach Wimmer ein Porträt des Vaters der Brüder, die einander das Denkmal errichtet haben, des Gunnar Hand. Der große Stein von Böksta süd- westlich von Upsala zeigt als Füllung des hier annähernd kreisfürmigen Runenbandes eine roh ge- zeichnete Jagd: ein speertragender Reiter und ein bogentragender Skiläufer jagen mit Hunden und

RUNISCHESCHMUCKFORMEN

Falken einen Elch (Abbildung 7; der Stein ist stark beschädigt). Anderswo sind Sagenszenen darge- stellt, so nach v. Friesen auf dem uppländi- schen Stein von Altuna unter anderm Tors Fischzug und auf dem Drävle-Stein und am Ramsundsberge Sigurds Drachensieg und Handel mit dem Zwerge Regin. In den beiden letztgenannten ebenfalls uppländischen Fällen stellt das Runenband den Drachen Fafnir dar. Der Stein von Drävle zeigt oben Jung Sigurd in der Grube auf Gnitaheide sitzend und den Wurm von unten mit dem Schwerte durch- stoßend. Die Ramsunder Zeichnung führt uns außer- dem das Roß Grane vor, an den Baum gebunden, auf dessen Zweigen die weissagenden Meisen sitzen, das Braten des Drachenherzens, den enthaupteten Leib Regins und andres aus dem Inhalt der Edda- lieder Reginsmal und Fäfnismäl, die somit als die Einheit, welche sie sagenmäßig darstellen, auch in Schweden umgegangen sein müssen. So wirft die runische Schmuckkunst auch Licht auf Sitten- geschichtliches und auf umstrittene Fragen der Sagen- und Literaturkunde.

ABBILDUNG 6 STEIN VOM ВТ. PAULS-KIRCHHOF IN LONDON AUS: A BUGGE, VERTERLANDENER JUDFLYDELSE

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Uppland, Schweden

(aus: O. v. Friesen, Vår första skidlöparbild).

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Abb. 7.

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

(ANTIKE SCHRIFTORNAMENTIK IN GERMANISCHER PFLEGE)

VON PROFESSOR DR. HELMUT DE BOOR-LEIPZIG

In Jahre 1927 feierte die Universität Upsala den Jahrestag ihres 450 jährigen Bestehens. Bei der gro- Ben Festsitzung in der Aula der Universität wurde dem König von Schweden das erste Exemplar einer neuen Reproduktion des sogenannten Codex Argen- teus, der bekannten Prachthandschrift der gotischen Bibel, überreicht, die in Schweden mit allen Mitteln neuzeitlicher Technik ausgeführt worden war. Das große Werk ist allen bedeutenden Bibliotheken der Welt als kostbares Jubiläumsgeschenk übersandt worden. Auch Leipzig ist auf diese Weise im Besitz von 3 Exemplaren. Im Buchhandel ist es dagegen nicht erhältlich. Dem Text ist eine überaus inhalt- reiche und für die paläographische und historische Kenntnis des Werkes höchst förderliche Einleitung beigegeben, die aus der Zusammenarbeit des schwe- dischen Runologen Otto v. Friesen und des jetzigen Direktors der Universitätsbibliothek zu Upsala, Anders Grape, hervorgegangen ist. Sie ist in ihrem paläographisch-historischen Teil lateinisch geschrie- ben; der technische Teil, der über die Reproduk-

. onsverfahren Rechenschaft ablegt, mußte dagegen

englisch abgefaßt werden. Der Foliant enthält außerdem als Beigabe Schrifttabellen, Abbildungen

des silbernen Einbandes, den die Handschrift im

17. Jahrhundert erhalten hat, und der Schenkungs- urkunde an die Universitát Upsala, endlich eine

Reihe von Reproduktionen aus nahestehenden go- tischen und lateinischen Handschriften.

Neben diesem, wie gesagt, im Buchhandel nicht erhältlichen Monumentalwerk gibt es eine zweite Publikation der wichtigen Einleitung in schwedi- scher Sprache, begleitet von einigen ausgewählten Blättern der Textreproduktion und der Beigaben in verkleinertem Maßstab. Diese spätere und in Einzel- heiten leicht veränderte schwedische Ausgabe er- schien unter dem Titel: Om Codex Argenteus, dess Tid, Hem och Öden av Otto v. Friesen och Anders Grape. Med ett Appendix av Hugo Andersson. Upp- sala 1928, als Nr.27 der Veröffentlichungen der Schwedischen Literaturgesellschaft.

Beide Publikationen des Codex bzw. seiner wissenschaftlichen Einleitung sind durch Art, Ort und Sprache ihres Erscheinens nicht geeignet, schnell und gründlich durchzuschlagen und die all- gemeine Beachtung zu finden, die sie verdienen. Erst langsam wird mit den Neuauflagen unsrer gotischen

Handbücher ihre volle wissenschaftliche Verwertung

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

beginnen können, und auch dann wird die paläo- graphisch-schrifttechnische Seite naturgemäß mehr im Hintergrund bleiben. Es scheint mir darum an- gebracht, an einer Stelle, die diesen Fragen ihr besonderes Interesse zuwendet, die wichtigsten Er- gebnisse der neuen schwedischen Forschungen all- gemeiner bekannt zu machen und bei dieser Ge- legenheit ein kurzes, aber umfassendes Bild des Codex Argenteus als Buch, seiner schriftmäßigen Kunstbestrebungen und seiner Schriftgeschichte zu geben und eine knappe Beschreibung der verwen- deten photographischen Methoden anzuschließen, Die Friesen-Grapesche Einleitung ist dabei durch- gehends der Grund, auf dem meine Darstellung ruht; denn mir ist es hier nicht um eine Weiter- führung der Forschung, sondern um einen Über- blick über das Gewonnene nach seiner schriftkund- lichen Seite hin zu tun.

Die Handschrift der Bibliotheca Carolina in Up- sala, die wir Codex Argenteus zu nennen pflegen, verdient die höchste Aufmerksamkeit nicht nur von seiten der Sprachforschung und Literaturgeschichte, sondern auch von seiten der Buch- und Schrift- kunde, zu deren größten Schätzen sie gehört. Sie ist, abgesehen von ein paar kurzen gotischen und südskandinavischen Runeninschriften das früheste Schriftwerk in germanischer Sprache überhaupt, und sie ist jedenfalls das bei weitem älteste ger- manische Buch, das wir besitzen. Mögen Teile der alten isländischen Literatur, namentlich der Edda, stofflich in ein ähnlich hohes Alter hinaufreichen, wie unser Codex des beginnenden 6. Jahrhunderts, mögen‘ sie als Zeugnisse vorchristlichen germani- schen Geisteslebens inhaltlich altertümlicher und wichtiger sein als diese Teile einer gotischen Bibel- übersetzung, so sind sie als Buch jedenfalls unver- gleichlich jünger. Hunderte von Jahren vor den

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ältesten angelsächsischen und deutschen Hand- schriften in heimischer Sprache steht jenes gotische Werk in fast völliger Vereinzelung da! und wird so der erste wesentliche Zeuge dafür, daB sich Germanen die Hilfsmittel der antiken Kultur, Pergament, Feder und Schreibfarbe angeeignet haben, um sich die Güter schriftlicher Bildung zuzuführen, und es wird damit zu dem frühesten Symbol der Ein- schmelzung christlich-antiken Bildungsgutes in das aufnahmefähige germanische Volkstum, jenes Pro- zesses also, der hinfort die weitere Entwicklung der germanischen Kulturwelt zeichnet und bestimmt. Der Name unsrer Prachthandschrift „Codex Ar- genteus begegnet zuerst bei dem gelehrten Hol- länder Bonaventura Vulcanius in seinem Werk: De literis et lingua Getarum sive Gothorum, Leiden 1597. Er bezieht sich auf die Silberfarbe, die zur Herstellung der Schrift verwendet worden ist. Ver- mutlich wird der Klang dieses Namens die Veran- lassung gewesen sein, daß der Codex einen silbernen Einband erhielt, als sein wahrer Wert in Schweden erkannt worden war. Es ist ein reich verzierter Band der späten Renaissance- oder frühen Barockzeit, die man in Schweden noch weniger als anderswo schei- den kann. Er ist das Werk des schwedischen Hof- goldschmiedes Hans Bengdtsson Sellingh, der es nach dem Entwurf des berühmten, die schwedische

2 Außer dem Codex Argenteus besitzen wir nur spärliche Reste des gotischen Schrifttums, die alle dem gleichen Kreis kirchlicher Literatur der Übersetzung und Auslegung der Bibel angehören. Es sind Bruchstücke und Blätter zum Teil Palimpseste die den Bibliotheken in Mailand, Turin, Wolfenbüttel und Gießen angehören, und die in den ge- läufigen gotischen Handbüchern aufgezählt sind. Sie stehen dem Codex Argenteus zeitlich und schrifttechnisch nahe, wenn sie auch zum Teil einen etwas älteren Typus dar- stellen. Aber keine dieser Handschriften bietet von unserm Standpunkt der künstlerischen Buchform aus etwas Be- merkenswertes.

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Abb. 1. Codex argenteus Seite 51 (Joh. VI, 60 66), (Fiuoreszenzmethode).

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Bildunst des späteren 17. Jahrhunderts beherr- schenden Malers David Klócker (spüter geadelt als Ehrenstrahl) in getriebener Arbeit ausführte. Die Vorderseite, die wie ein allegorisches Blatt wirkt, zeigt im Vordergrund den geflügelten Genius der Zeit, der eine Grabplatte aufhebt, um die nackte Ge- stalt der Wahrheit emporsteigen zu lassen. Sie hält in der einen Hand den Codex Argenteus, mit der andern weist sie rückwärts, wo an einem Schreibpult Ulfilas in bischöflichem Ornat an seiner Über. setzung arbeitet. In der linken oberen Ecke tragen Amoretten ein Medaillon mit der Inschrift: ,,Ulphila redivivus et patriae restitutus cura М. С. Dela Gar- die R. S. Cancellarij Anno 1669. Die Rückseite zeigt das prächtig ausgeführte gräflich de la Gardie- sche Wappen.

Mit diesem Einband und seinem Stifter Magnus Gabriel de la Gardie dem Kanzler und Günstling Kristinas von Schweden sind wir bei dem letzten und ruhigsten Teil der Geschichte unsres Codex an- gekommen. Seit 1669 ruht er im Verwahr der Bibliothek zu Upsala; 1702 entging er mit den übrigen unbezahlbaren Handschriftenschätzen der Bibliothek mit genauer Not dem großen Brande der Stadt. Im 19. Jahrhundert wurden zehn Blätter durch einen ungetreuen Beamten entwendet, nach 25 Jahren aber in seinem Besitz wieder aufgespürt. Sonst hat er nur zu wissenschaftlichen Zwecken die Bibliothek verlassen. Die Schicksale der Hand- schrift vor 1669 können wir nur etwa ein Jahrhun- dert lang zurückverfolgen. Ihr schwedischer Teil be- ginnt damit, daß General Wrangel sie 1648 mit der Kriegsbeute von Prag nach Schweden bringen ließ, die letzte große Ladung jenes etwas primitiven Kulturimports, den das bildungshungrige Schweden Gustav Adolfs und Kristinas in Gang gesetzt hatte und auf dem es in eifriger geistiger Arbeit eine

tiefergehende und großzügige Renaissancekultur aufbaute. Zwischen 1648 und 1669 verließ der Codex Argenteus Schweden noch einmal auf eine sehr charakteristische Weise. Königin Kristina von Schweden, ein äußerst bezeichnender Typ der ge- lehrten Frau in der Renaissancezeit, ungewöhnlich begabt, ungemein durstig nach allen Wissens- quellen der Zeit, erfüllt von der rücksichtslosen Lebenshast ihrer Zeit, aber gebrochen in dem mora- lischen und gefühlsmäßigen Gleichgewicht des Da- seins, hatte das Bild italienischer Renaissancehöfe vor Augen ein gleiches Zentrum höchster Zeit- bildung um ihre Person versammeln wollen und teils aus Mangel an heimischen Kräften, teils aus dem bezeichnenden Gefühl der Universalität der Bildung, glänzende Repräsentanten der inter- nationalen Wissenschaft zu sich gerufen. Unter ihnen mögen Samuel Pufendorf und Cartesius hier genannt sein. Auch die beiden gelehrten Holländer,

. Nicolaus Heinsius und Isaac Vossius, damals noch

jung und am Anfang ihrer ruhmvollen Bahn, waren als Vertreter humanistischer Gelehrsamkeit nach Stockholm gekommen und hatten hier insbesondere die königliche Bibliothek zu verwalten. Als Kristinas Übergang zum Katholizismus, ihr daraus folgender Thronverzicht und ihre Ubersiedlung nach Rom zugleich auch das künstliche Gebilde ihres Renais- sancehofes schnell und gründlich zerstörte, verließ auch Vossius und mit ihm der Codex Argenteus Stockholm und Schweden. In dem langen Streit über Vossius’ Verhalten in diesem Falle ist die neuere

schwedische Forschung! entschieden geneigt, ibn

1 Harald Wieselgren, Drottning Kristinas Bibliothek och Bibliothekarier före hennes bosättning i Rom. Kgl. Vitter- hets-Historie- och Antikvitetsakademiens Handlingar 33, 1901. A.Grape, De la Gardie, Vossius och Codex Argen- teus. Symbola Litteraria, Hyllningsskrift till Uppsala Uni- versitet vid Jubelfesten 1927, S. 133f.

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

von dem Verdacht unrechtmäßiger Aneignung zu reinigen, und in der Reihe von Manuskripten, die er von Schweden mitnahm, den berechtigten Ersatz für unbezahlte Arbeitsleistung im Dienst der Köni- gin zu sehen. Weder die kónigliche Schuldnerin, noch der gelehrte Gläubiger kannten damals den Wert der Handschrift. In Holland war es denn auch, daß der Codex zuerst der Forschung voll zugänglich ge- macht wurde; Vossius’ gelehrter Oheim, Franciscus Junius der Jüngere, war der erste, der eine tiefere Einsicht in den Wert der Handschrift hatte. Die freilich zum Teil unrichtige Ordnung der verwahr- losten Blätter, die Abschrift des Textes und schlieB- lich die erste Ausgabe von 1665 sind die Früchte seiner Arbeit, philologisch wie typographisch eine hervorragende Leistung. Die zahlreichen Rand- glossen im Codex (vergleiche Tafel 2) stammen von Junius' Hand. Indessen war der Codex Argen- teus, noch ehe diese Ausgabe ans Licht trat, wieder nach Schweden zurückgekehrt. Nach recht spannen-. den geschäftlichen Verhandlungen zwischen Vossius und dem Beauftragten des Grafen M.G.dela Gardie, die bei einem Kaufpreis von 500 Reichstalern endeten, und nachdem die Handschrift bei einem Schiffbruch noch einmal ernsthaft in Gefahr geraten war, kam sie im Herbst 1662 wieder in Stockholm an patriae restitutus, wie der Einband berichtet. Über die schwedische Zeit kommen wir nicht weit zurück. Es ist allgemein bekannt, daß der Codex aus dem Benediktinerkloster Werden an der Ruhr stammt. Dagegen ist die geläufige Vorstellung un- richtig, daß seine Überführung nach Prag eine Sicherheitsmaßnahme in den Gefahren des beginnen- den Dreißigjährigen Krieges gewesen sei. Denn be- reits vor 1600 befand sich die Handschrift im Besitz Kaiser Rudolfs II., und es ist anzunehmen, daß sie ein Geschenk des Klosters an den Kaiser gebildet

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hat, von dessen starkem Sammlerinteresse jeder- mann wußte. Doch ist die Handschrift bereits vor ihrer Übersiedlung nach Prag beachtet worden; seit der Mitte des 16. Jahrhunderts tauchen in der philo- logischen Fachliteratur Angaben und kurze Text- proben aus dem Codex Argenteus auf, deren Einzel- heiten uns hier nicht interessieren. Hinter diesen hundert Jahren aber, von etwa 1560 bis 1660, liegt die tausendjährige Geschichte der Handschrift im Dunklen, und nur ungefähre Vermutungen lassen sich über den Weg aufstellen, den sie von ihrer norditalischen Heimat in das westfälische Kloster gewandert ist.

Wer sich im Ausstellungssaal der Universitäts- bibliothek von Upsala zum erstenmal dem dort ausgelegten Blatt des Codex Argenteus gegenüber- sieht, wird sich eines Gefühls der Enttäuschung nicht erwehren können. Der suggestive Name der Handschrift, ihre einzigartige Seltenheit und nicht zuletzt die Beschreibungen und wohlgemeintem Bildtafeln in populären Werken, die die Pracht- wirkung wieder hervorzaubern wollen, auf die unsre Handschrift sichtlich einst berechnet war, haben die Erwartung hoch gespannt. Statt dessen stehn wir nun vor einem Blatt, das schon in seinem kleinen Quartformat enttäuscht, und das erloschene und halb zerstörte oder schwärzliche Schriftzüge auf schmutzig grau-rosa Grunde zeigt. Es gehört viel Phantasie dazu, um die überdeutlichen Spuren hohen Alters und jahrhundertelanger Vernach- lässigung aus dem Bilde fortzudenken und sich eine Vorstellung von dem Aussehen der Handschrift zu machen, wie sie frisch die Schreibstube verließ. In- dessen war sie sicherlich zu ihrer Zeit eine hervor- ragende Leistung auf dem Gebiet der Buchkunst, wenn auch in der etwas aufdringlichen Pracht

ihrer Ausstattung eine gewisse Barbarisierung des

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DER CODEX ARGENTEUS UNDSEINE NEUESTE AUSGABE

Geschmacks unverkennbar ist. Die Handschrift war um ein paar sachliche Bemerkungen vorwegzu- nehmen keine ganze Bibel, sondern ein Evan- geliarium; sie enthielt nur die vier Evangelien in der sonderbaren Reihenfolge Matthäus, Johannes, Lu- kas, Markus, das heißt sie stellte die beiden einem Jünger Jesu zugeschriebenen Evangelien voran. Diese Anordnung ist für die Bestimmung von Zeit und Ort der Handschrift bedeutsam. Wenn man die Handschrift als Wulfilas Bibel bezeichnet, so gilt dies nur in dem Sinne, daß der Text von dem Goten- bischof stammt. Seine Übersetzertätigkeit fällt in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts, in die lange Zeit (341 —383), da er als Bischof unter seinen West- goten wirkte. Unsre Handschrift dagegen ist ost- gotischer Herkunft und in der Zeit Theoderichs des Großen in einer Schreibstube Norditaliens, viel- leicht in Ravenna, entstanden, stammt also aus der Wende des 5. und 6. Jahrhunderts.

Wulfila war jedoch nicht nur der Übersetzer des Textes, sondern zugleich auch der Schöpfer der gotischen Schrift, die im Codex Argenteus und den übrigen gotischen Bibelhandschriften verwendet wird. Es war eine bedeutsame Leistung auf dem Gebiet der Schrifttechnik, die gleich viel Kenntnis der antiken Tradition wie der phonetischen Sonder- bedürfnisse der gotischen Sprache verrät. Der Ent- wicklungsgang der gotischen Schrift ist nach v. Frie- sens heute vorherrschender Meinung! der, daß Wulfila die vorhandene gotische Runenschrift zum Gebrauch als Handschrifts-Unziale unter starker Benutzung griechischer Muster und Vorlagen um- gebildet hat. Dies war um so leichter möglich, als auch die Runenschrift selbst eine gotische Erfindung

ist, die sich in erster Linie auf die cursiven Formen

* Vgl. v. Friesen, Götische Schrift in Hoops Reallexikon der germanischen Altertumskunde.

des griechischen und für einzelne Zeichen auch des lateinischen Alphabetes stützt und die im zweiten nachchristlichen Jahrhundert in den Gegenden des Schwarzen Meeres zustandegekommen ist!. Ohne hier auf jüngst erhobene Einwände gegen v. Friesens Runentheorie einzugehen, gebe ich jetzt nur das wieder, was für die gotische Schrift wesentlich ist. Sie muß als eine besondere Entwicklungsform der griechischen betrachtet werden, die sich als Runen- schrift von der griechischen Cursive abzweigte und nun als Buchschrift der griechischen Unziale erneut angeglichen wurde. Die geringen Veränderungen, die das gotische Alphabet in der Zeit zwischen Wulfilas erster Übersetzung und dem Codex Argenteus wahr- scheinlich durchgemacht hat, können dabei unbe- rücksichtigt bleiben.

Der Codex Argenteus stellt sich als Handschriften- typ ohne weiteres in die Gruppe der sauber und gleichmäßig geschriebenen Unzialen, die nament- lich aus den paläographischen Veröffentlichungen biblischer Handschriften bekannt sind. Er zeichnet sich wie jene durch gutes Augenmaß für die Größen- verbältnisse und ein geschmackvolles Abwägen der Beziehungen von Höhe, Breite und Dicke aus. Wie wir später in der Anordnung des gesamten Schrift- bildes einen ausgesprochenen Sinn für harmonische Verhältnisse feststellen werden, so kann man das gleiche auch für den einzelnen Buchstaben be- haupten. Die Piktur ist so gleichmäßig und sorg- fältig, daß ein hervorragender schwedischer For- scher, der berühmte Rechtshistoriker und Sprach- forscher Johannes Ihre (1707 —1780)2, auf den Ge- danken verfallen konnte, die Schrift sei nicht mit

ı Vgl. v. Friesen, Artikel Runen in Hoops Reallexikon der germanischen Altertumskunde.

* Ihre hat sich auch um die Lesung, Deutung und Veröffent- lichung des Codex Argenteus die größten Verdienste erworben.

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

dem Schreibrohr geschrieben, sondern mit heißen Stempeln aufgepreBt, also ungefáhr in der Technik der Goldtitel auf unsern Bucheinbünden herge- stellt. Diese Ansicht hat lange Zeit einen gewissen Anklang gefunden, und es bedarf in der Tat einer recht eingehenden Einzelbetrachtung der Buch- stabenformen, um sich klarzumachen, daß keine mechanische, sondern eine handschriftliche Her- stellung vorliegen muß. Die Schrift bleibt die ganze Handschrift hindurch überaus gleichmäßig. Man hat darum bisher den Codex Argenteus stets für das Werk eines einzigen Schreibers gehalten, und erst die eingehende Spezialuntersuchung durch Anders Grape hat die Arbeit zweier Hände an ihm fest- gestellt. Dem ersten Schreiber gehören die beiden ersten Evangelien, Matthäus und Johannes, dem zweiten Lukas und Markus an.

Abgesehen von dieser Sauberkeit der Piktur ist in die Schriftform als solche kein Ziergedanke verlegt. Insbesondere fehlt alles, was wir als Initiale bezeich- nen könnten, oder vielmehr, es bleibt in den aller- bescheidensten Anfängen stecken. Und auch diese haben ihre Aufgabe allein in der einteilenden Ver- deutlichung des Schriftbildes; sie bedeuten keinen Ansatz zu arabeskenmäßiger Verzierung, und noch viel weniger heben sie die Initiale zu einer geson- derten künstlerischen Behandlung aus dem ge- samten Schriftbild heraus. Es handelt sich lediglich um eine geringe Vergrößerung normaler Buch- staben und eventuell deren Heraustreten aus dem Schriftspiegel auf den Rand an solchen Stellen, die von besonderer Bedeutung für die Einteilung sind (vergleiche Tafel 2). Am häufigsten und nur dort regelmäßig ist solche Vergrößerung der Buch- staben am Anfang einer neuen Sektion, wenn mit ihr zugleich eine neue Zeile beginnt. Nur dann näm- lich bleibt ihnen genügende Bewegungsfreiheit, weil

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sie aus dem starren Liniensystem des normalen Schriftbildes heraustreten kónnen. Da der Eingang jeder Sektion mit goldener Schrift geschrieben ist, so kommen diese vergrößerten Buchstaben nur in Gold vor. Auch wo innerhalb der oft sehr umfäng- lichen Sektionen ein Sinnes- oder Satzabschnitt mit dem Zeilenende zusammenfällt, kann der ein- leitende Buchstabe des neuen Komplexes gelegent- lich vergrößert werden. In diesem Fall ist er natür- lich silbern. Ein besonderes Interesse haben einige seltene, aber regional zusammengedrängte Fälle andrer Art, weil sie geeignet sind, die Schriftge- schichte des Codex Argenteus aufzuklären. Das ist einınal eine Gruppe von vier Fällen im Anfang des Lukasevangeliums, wo der erste Buchstabe einer neuen Seite unabhängig von der Einteilung ver- größert ist, eine Gewohnheit, die sich in lateinischen Handschriften des 4. und 5. Jahrhunderts wieder- findet und die vielleicht auf die Vorlage des Codex Argenteus zurückgeführt werden kann. Zweitens ist es die gelegentlich in den Anfangskapiteln des Matthäus auftretende Erscheinung, daß ein Sek- tionseineatz auch innerhalb einer Zeile mit einer vergrößerten Type ausgezeichnet wird. v. Friesen glaubt hier die Einflüsse eines etwas jüngeren Schreibgebrauches feststellen zu können, der dem Schreiber bereits geläufig war, während seine Vor- lage, die er kopierte, noch konservativer an der Einschränkung der vergrößerten Buchstaben auf den Zeilenanfang festhielt. Unzweifelhaft liegt in der vollendeten Gleichförmigkeit der Buchstaben, die durch ein pedantisch genaues Liniensystem er- zwungen wird, ein bewußter künstlerischer Zug, und es bezeichnet einen erzogenen Geschmack, daß man auch die geringe Auflockerung des strengen Schrift- bildes durch vergrößerte Buchstaben im Innern der Zeile für die Prachthandschrift nicht zuließ.

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2. Codex argenteus Seite 65 (Joh. VII, 52; VIII. 12-17), (Fluoreszenzmethode).

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Auch sonst fehlen alle Ansätze zu einer ornamen- talen Auswertung des eigentlichen Schriftbildes. Seine besondere Schönheit und sein eigner Reiz liegt vielmehr in der wohlabgemessenen archi- tektonischen Aufbauform. Die Seiten sind äußerst sorgfältig liniiert, und zwar ehe die Blätter ge- knifft und lagenweise zusammengefaßt worden sind. Das Liniensystem wurde mit einem scharfen In- strament in das Pergament eingeritzt, во daB es auf der einen Seite vertieft, auf der andern erhaben er- scheint; auf der Reproduktion ist der Unterschied deutlich zu beobachten. Es besteht aus Randum- rahmung und Zeilenlinien. Die Randumrahmung umschließt ein Rechteck von 1321 cm. Die Zeilen- linien bilden zwei Systeme, ein oberes mit 40 Linien von 4 mm Abstand für den eigentlichen Text und ein unteres mit 11 Linien von 3 mm Abstand für die Parallelkolumnen. Für die Schrift stehen zwi- schen den 40 Linien also 39 Räume von je 4 mm Hóhe zur Verfügung, die abwechselnd als Schrift- zeile und Spatium verwendet werden. So erhalten wir 20 Schriftzeilen von 4 mm Buchstabenhóhe, die durch 19 Spatien von genau der gleichen Hóhe ge- trennt sind. Dieser starre Wechsel genau gleicher Schrift- und Spatienräume führt indessen nicht zu einer Isolierung der einzelnen Zeile. Vielmehr greifen fortgesetzt über oder unter die Zeile ragende Buch- staben in die Leere der Spatien em und verbinden die Zeilen miteinander, so daß die ganze Einteilung zu einem wohl strengen und einfachen, aber in seiner Starrheit gemilderten Rhythmus führt. Die gesamte, von den vier Randgrenzen umschlossene Schrift- fläche aber ist mit bewußter harmonischer Archi- tektonik fast haarscharf nach dem Goldenen Schnitt aufgebaut und verrät darin am stärksten die künst- lerische Überlegung, die an das Schriftbild gewendet ist. Die mit dem Codex Argenteus nächst ver-

wandten und sicher nach seinem Vorbild geschaffe- nen lateinischen Bibelhandschriften Codex Brixia- nus (vergleiche Tafel 4) und Rhedigerianus lassen dieses feine Empfinden für architektonischen Auf- bau vermissen. Der Vergleich mit ihnen zeigt erst richtig die künstlerische Reife des gotischen Schrift- werkes, und in der Tat: verbindet man diese Ein- sicht in den harmonischen Aufbau von Seite und Zeile mit den oben charakterisierten klaren, sorg- fältigen, wirklich wie mit Stempeln gereihten Buch- staben, so kann man sich dem Eindruck einer wür- digen Buchkunst von klassischer Einfachheit nicht entziehen.

Die Schmuckformen sind dagegen aus dem Schriftbild herausgedrüngt und der Umrandung vorbehalten. Auch hier freilich suchen wir ver- gebens nach einer ornamentalen oder auch nur quantitativen Ausnutzung der Über- und Unter- schriften. Wir haben zu scheiden zwischen Kolum- nenrubriken und Evangelien-Überschriften. Ko- lumnenrubriken sind nicht auf allen Seiten ange- bracht, sondern nach einem gewissen System ver- teilt. Auf der linken Seite steht mitten über der Schriftkolumne in etwas kleineren Buchstaben das Wort bach (= durch), auf der rechten der Name des Evangelisten in Abkürzung. Diese Art der Rubri- zierung entspricht griechischem Schreibgebrauch, die Kolumnenüberschriften vom Typ Ката M9900 entsprechend über dem Text anbringt. Die Rubri- zierung erfolgt in gewöhnlicher Schrift; kein Ansatz zu einer künstlerischen Umformung der Wörter oder einer arabeskenmäßigen Umrahmung ist gegeben.

Die Evangelien-Überschriften, von denen die zu Lukas und Markus bewahrt sind, zeigen dieselbe lakonische Einfachheit und künstlerische Ein- silbigkeit. Sie stehen dort, wo sonst die Kolumnen-

rubriken zu stehen pflegen, und geben in derselben,

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

ein wenig kleineren Schrift an, daß ein neues Evan- gelium beginnt (aivaggelio pairh lukan anastodeip). Das einzige, was als Ornament angesprochen werden kann, sind zwei kleine, pfeilähnliche Abschluß- figuren, die die Überschrift am Anfang und Ende einrahmen. Und dann setzt der Text sofort am Rande ein und ist mit seiner Goldschrift und dem etwas über den Rand hinausgezogenen und ver- größerten Einsatzbuchstaben in nichts von jedem andern Sektionsanfang verschieden. Die entspre- chenden Schlüsse der Evangelien sind uns leider nicht erhalten, so daß wir über die Art der Schluß- bezeichnung und der Subscriptio nichts Bestimmtes aussagen kónnen. Ihr Aussehen in andern gotischen Bibelhandschriften und im Codex Brixianus (ver- gleiche Tafel 4) läßt aber vermuten, daß sie viel- leicht auch im Codex Argenteus durch vergrößerte Buchstaben und geräumigere Schrift ausgezeichnet gewesen sind.

Wesentlich für die ornamentale Wirkung des Co- dex Argenteus ist vielmehr erstens die Ausstattung des seitlichen und unteren Randes und zweitens das Material, das zur Herstellung der Handschrift ver- wendet worden ist.

Die Behandlung des Randes lenkt unsre Aufmerk- samkeit auf zwei verschiedene Erscheinungen: die Sektionsziffern, die stets am linken Seitenrand ste- hen, mag er nun innerer oder äußerer Rand sein, und das Verzeichnis der Parallelstellen, das unter dem Text angebracht ist. Die Sektionsnummer wird mit den gotischen Zahlzeichen wiedergegeben, das heißt mit Buchstabenzeichen, die genau dem griechischen Brauch entsprechend als Zahlzeichen verwendet werden. Sie erhalten eine ornamentale Einrahmung einerseits durch je einen einfachen, oft zu einem kleinen Schnörkel ausgezogenen Punkt vor und hin-

ter der Ziffer und dann durch eine Reihe von par-

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allelen Horizontalstrichen über und unter der Zahl, die, in der Größe gleichmäßig abnehmend, zwei mit der Basis gegeneinander gewendete Pyramiden bil- den und an den Spitzen mit einem S-förmigen oder zickzackförmigen Schnörkel abschließen (vergleiche Tafel 1). Zuweilen können die Strichpyramiden mit oder ohne Raumnot unentwickelt bleiben (ver- gleiche Tafel 1, Ziffer 1 u. 2 von oben); auch formen die beiden Schreiber sie ein klein wenig verschieden. Aber im ganzen ist diese einfache und doch elegante Randornamentik sehr gleichmäßig durchgeführt. Den Hauptschmuck bilden indessen die unter dem Text geschriebenen Parallelstellen-Verzeichnisse. Sie nehmen das untere, engere System von elf Linien in Anspruch, das wir weiter oben Seite 17 be- schrieben haben. Hier erheben sich, nicht mitein- ander verbunden, vier von einem Säulenpaar ge- tragene Rundbögen als rein ornamentale Umrah- mung der Zifferntabellen. Auf einem doppelten Fuß ruht ein schlanker Säulenschaft, der wieder ein reich verziertes korinthisches Kapitäl mit einer ebenfalls verzierten Schlußplatte trägt. Von hier aus wölbt sich ein ziemlich flacher Rundbogen zu der Ge- schwistersäule hinüber. Neben diesem geschlossenen inneren Bogen sitzen auf den Schlußplatten die Ansätze nach außen leitender Bögen auf, die aber unter der Höhe der inneren Rundbögen abbrechen und als hornartige gebogene Auswüchse erscheinen, die den Nachbaransatz weder erreichen, noch in ihrer Kurvenführung darauf berechnet sind, wie der Teil einer Bogenbrücke zum benachbarten Säulensystem zu wirken. Vielmehr würden diese Außenbögen, wenn sie weiter fortgesetzt würden, einander in einem Winkel schneiden. Die schon mehrfach genannten lateinischen Schwesterhand- schriften des Codex Argenteus, Brixianus und Rhe- digerianus haben die Ansätze in der Tat bis zur

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Verbindung durchgezogen, sind aber charakteri- stischerweise nicht zu einer bogenfórmigen, sondern zu einer giebelfórmigen Verbindung der einzelnen Säulensysteme gelangt (vergleiche Tafel 4).

Die Paralleltafeln sind wie die Schrift selbst mit größter Genauigkeit ausgeführt und nähern sich schablonenmäßiger Gleichheit. Sie verdanken ihre Exaktheit der wohlberechneten Einpassung in das Liniensystem, auf das sie aufgetragen sind. Jedes Teilchen hat ein für alle Male seinen bestimmten Platz auf den Linien. Die Rundbogen z. B. setzen genau zwischen der dritten und vierten Linie von oben ein und berühren gerade die oberste Linie. Die hornartigen Seitenbögen reichen dagegen nur bis zur zweiten Linie usw. In dieser Säulenumrahmung stehen die Namen der vier Evangelisten mit dekora- tiven Namensmonogrammen in Goldschrift. Am weitesten links steht jeweils der Name des Evange- listen, dem der betreffende Text zugehört, darauf folgen die drei andern in der Reihenfolge der Hand- schrift. Unter den Monogrammen sind in Silber- schrift die in Betracht kommenden Sektionszahlen eingetragen, so daß die erste Tafel zugleich ein In- haltsverzeichnis des darüber stehenden Textes bil- det, während die drei andern einen synoptischen Überblick über das Vorkommen derselben Erzäh- lung in den andern Evangelien gewähren.

Die ganze Anordnung stimmt mit dem eigent- lichen Schriftbild gut überein. Jede Tafel bildet eine geschlossene Einheit für sich und bleibt ohne direkte Verbindung mit den Nachbarn. Dennoch aber öffnen die äußeren Bogenansätze eine Perspektive nach beiden Seiten und lassen die einzelne Tafel als ein ideelles Glied einer fortlaufenden Kette erschei- nen. Wie bei der Anordnung der Zeilen ist die strenge Einzelgliederung nicht aufgehoben, aber doch in glücklicher Weise von dem Gefühl völliger Isolierung

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der einzelnen Teile entlastet. Endlich ist jedes ein- zelne Bogensystem gleich dem gesamten Schrift- bild der Seite annähernd nach dem Goldenen Schnitt aufgebaut und wiederholt so im kleinen die Pro- portionen, die der Seite als Ganzem eignen. Soviel ornamentaler also dieser untere Teil der Seite auch ausgestattet ist wie das Schriftbild selbst, so gliedert es sich doch in die architektonisch betonten Ab- sichten des Gesamtbildes ein und fördert sie, anstatt sie, wie es leicht kommen könnte, zu stören.

Zu den bisher geschilderten, im eigentlichen Sinne schriftmäßigen Ausdrücken einer künstlerischen Freude am Buch, die wir als architektonisch und harmonisch erkannten, tritt als weiterer Schmuck das reiche und sorgfältig behandelte Material. Das Pergament offenbar ausgesuchte Stücke ist mit einem Purpur eingefärbt, der ursprünglich in Nuancen zwischen dunklem Rot und Rotviolett ge- spielt haben dürfte, wenn auch heute von der ur- sprünglichen Kraft der Farbe nur noch wenig zu merken ist und sie einer graubleichen Mißtönung Platz gemacht hat, die die Seiten wie ausgewässert erscheinen läßt. Die beiden farbigen Tafeln, die dem neuen Reproduktionswerk vorangestellt sind, geben noch immer eine sehr vorteilhafte Vorstel- lung von dem heutigen Zustand des Codex. Wie sorgfältig die Behandlung des Pergaments gewesen ist, geht aus der Beachtung der feinen Unterschiede hervor, die sowohl in der Struktur selbst als auch in der Empfänglichkeit für den Farbstoff und damit in der Nuancierung der Farbwirkung zwischen den beiden Seiten des verarbeiteten Kalbfelles, zwischen Innen- oder Fleischseite und Außen- oder Haar- seite bestehen. Die einzelnen Blätter sind so auf- einandergelegt, daß sich stets zwei Seiten gleicher Struktur berühren, also Fleischseite auf Fleischseite,

Haarseite auf Haarseite, so daß beim Aufschlagen

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

des Buches stets zwei Seiten gleicher Struktur und möglichst geringer Farbabweichung vor dem Be- schauer liegen.

Auf diesem leuchtend farbigen Grund ist der Text mit Gold- oder Silberschrift eingetragen. Auch hier ist namentlich in den Hauptpartien, die mit Silber geschrieben sind, von der alten Pracht nicht mehr viel übrig. Die Metallfarbe haftete weniger fest als andre Tinte und ist partienweise ganz abgesplittert, so daß die Buchstaben dort heute nur noch an den Eindrücken im Pergament oder an andern indirek- ten Spuren kenntlich sind. Wo die Schrift selbst er- halten geblieben ist, hat die Silbertinte durch Oxy- dation ihre alte Schönheit verloren und ist schwarz geworden, während die Goldschrift ihre matte Leuchtkraft weit besser bewahrt hat. Silber und Gold verteilen sich im Schriftbild so, daß für den normalen, fortlaufenden Text Silber verwendet ist. Die gleiche Farbe zeigen die Sektionsziffern am Rande samt ihrer ornamentalen Umrahmung, die Ziffern in den Paralleltafeln, die Kolumnenrubriken und die Überschriften der Evangelien. Die Gold- schrift dagegen wird für die Anfangsworte jeder Sektion verwendet und steht damit im Dienst der Texteinteilung. Ferner sind die Evangelistenmono- gramme der Paralleltabellen golden. Der Umfang des Goldtextes wechselt nach den Zufällen des Sektionseinsatzes. Er beginnt mit dem ersten Wort der neuen Sektion und endet mit dem Schluß der betreffenden Zeile, erfüllt sie also ganz nur in den Fällen, wo Sektionsbeginn und Zeilenbeginn ein- mal zusammentreffen und nimmt sonst nach den Zufällen des Textverlaufs immer wechselnde Stücke in Anspruch. Nur wenn der Anfang einer Sektion so ungünstig liegt, daß er mit dem Ende einer Zeile zusammenfällt und also für den Goldtext ein gar zu unbedeutendes Stück verbliebe, wird auch noch die

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ganze nächste Zeile in goldener Schrift geschrieben. Endlich wird der Anfang eines neuen Evangeliums dadurch hervorgehoben, daß die ersten drei Reihen in goldener Schrift geschrieben werden.

Man sieht aus dieser ganzen, hier geschilderten Verteilung der beiden Schriftfarben, daß für ihre Auswahl keine künstlerischen Gesichtspunkte maß- gebend gewesen sind, es sei denn, daß man die Ab- wechslung in dem kostbaren Material und die damit erzielte Steigerung der Pracht schon als eine, frei- lich recht primitive, künstlerische Absicht betrach- ten will. Der Farbwechsel ist jedenfalls in erster Linie Einteilungsprinzip. Denn wenn eine stufende und gliedernde Wirkung vom künstlerischen Stand- punkt aus erstrebt gewesen wäre, so wäre die seltenere Goldfarbe in erster Linie für die ornamen- tal oder schreibtechnisch herausgehobenen Teile ver- wendet worden. Ich denke dabei besonders an Über- schrift und Kolumnenrubriken. Statt dessen nimmt aber gerade der eigentliche Text mit seinem ehernen Zeilengleichlauf die Goldpartien in sich auf, ohne daß er sie zu seiner eigenen inneren Gliederung ver- wendet. Rein mechanisch bestimmen Sektions- anfang und Zeilenende Beginn und Schluß des gol- denen Textes, der sich also unsymmetrisch, nach sachlichen, nicht nach künstlerischen Gesichts- punkten über den Schriftraum verteilt. Insbeson- dere zeigt das Übergreifen der Goldschrift auf die zweite Zeile einer Sektion, wenn ihr Anteil an der ersten allzu unbedeutend gewesen ist, daß die Auf- gabe der goldenen Schrift Verdeutlichung und nicht Schmuck gewesen ist. Und auch die drei goldenen Zeilen am Anfang jedes Evangeliums bedeuten nicht mehr als die quantitative Auszeichnung einer oberen Rubrik vor denin ihr enthaltenen kleineren. Dagegen kann die Goldausführung der ornamental wirkenden Evangelistenmonogramme in den Paralleltafeln als

EE E Е.

ее. =

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

ein wirklich schmuckhaftes Element angesprochen werden, womit die stärker ornamental betonte Eigenart der unteren Blatthälfte abermals unter- strichen wird. Und mindestens Gefühlswert hat es, wenn die Eingangsworte des Vaterunsers ebenfalls golden geschrieben sind.

Wir haben den Codex Argenteus bis hierher rein deskriptiv als das Einzelerzeugnis eines Kunst- geschmackes betrachtet, der sehr verschiedene Züge höchst eigenartig in sich vereinigt. In dem verwen- deten Material drückt sich eine für unser Empfin- den recht weit getriebene Freude an greifbarer und kräftiger Prachtentfaltung aus, die wir als Barbari- sierung des Geschmackes in der griechisch-römisch- germanischen Mischwelt des italischen Ostgoten- reiches auffassen möchten. Daneben aber steht die feine Zurückhaltung in der Verwendung der Schrift selbst zu ornamentaler Wirkung und in dem Vor- wiegen monumentaler Züge, der starken und klaren Unzialformen, der lapidaren Gleichförmigkeit der Zeichen und Zeilen, der harmonischen Anordnung nach dem Goldenen Schnitt. Diese Zurückhaltung verdient um so mehr Beachtung, als sie auf ger- manischem Gebiet keineswegs als normal und üblich bezeichnet werden kann. Wir können vielmehr in vielen andern Fällen beobachten, wie die germanische Phantasie, wo sie es mit übernommenen antiken Formen zu tun hat, alsbald an eine Auflösung der sinnbetonten oder naturalistischen Formen heran- geht, und nicht eher ruht, als bis sie sie in ein Ara- beskenwerk von großer künstlerischer Schönheit oder fast verwirrendem und die Naturformen bis zur Unkenntlichkeit verwandelndem Reichtum um- geformt hat. Ich denke hier vor allem an die ger- manische Metallornamentik, die antike Tier- und Pflanzenornamente übernimmt, aus dem Tier- oder

Blattkörper aber die wunderbarsten Spielformen

hervorruft, indem eie statt der harmonischen Durch- bildung des Gesamtkörpers jedes einzelne Glied ge- waltsam isoliert und zum Ornament mit eigenem Sinn ausgestaltet, so daß zuletzt nur die genaueste typologische Spezialvergleichung die Ursprungs- formen noch nachweisen kann. Oder auf einem spe- zielleren Gebiet verweise ich auf die germanischen Nachbildungen römischer Kaisermünzen zu Schmuck oder Amulettzwecken, die wir Brakteaten nennen. Hier können wir Schritt für Schritt die Barbari- sierung und endliche ornamentale Auflösung so- wohl des Porträtkopfes wie der Umschrift des anti- ken Vorbildes verfolgen. Wir müssen uns solche Parallelen vorhalten, damit uns recht klar wird, wie anders es sich hier mit dem Codex Argenteus ver- hält. Er muß trotz der germanischen Sprache und der gotischen eigenen Schriftzeichen völlig als Er- zeugnis der antiken Schriftkultur behandelt werden, an dem die eigenen künstlerischen Bedürfnisse der germanischen Erzeuger noch keinen tieferen Anteil haben. Paläographisch heißt das aber, daß sich der Codex Argenteus in die zeitgenössische Hand- schriftentradition einordnen bzw. umgekehrt aus seinen paläographischen Eigenheiten zeitlich und örtlich festlegen lassen muß. Es ist sicherlich der mühseligste, aber auch ergebnisreichste Teil der Untersuchungen von Grape und v. Friesen, daß sie diese Einordnung in Angriff genommen und glück- lich gefördert haben. Ohne ihnen auf dem Wege ihrer Einzelstudien folgen zu können, möchten wir hier doch einige ihrer Hauptergebnisse mitteilen. Die gotische Bibelübersetzung ist zu einer Zeit entstanden, in der die Goten mit der spätgriechi- schen Kultur engste Fühlung hatten. Die Runen- schrift, die ihre Erfindung ist, war zum größten Teil auf dem griechischen Alphabet aufgebaut, und

die Umformung der Runenzeichen zum buchmäßigen

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Schriftgebrauch durch Wulfila geschah abermals auf Grund griechischer Vorbilder zu einer Zeit, da die Goten noch ganz in der griechischen Kultur- sphäre lebten. Man wird also zunächst griechische Handschriften zu Rate ziehen, wenn man buch- und schrifttechnische Parallelen sucht. Aber der Codex Argenteus ist ein zweifellos ostgotisch-ober- italienisches Produkt, und so muß man darauf ge- faBt sein, auch Eigenheiten der lateinischen Schrift- technik wiederzufinden. Daher sind auch lateinische Handschriften vergleichend einzubeziehen. Das schriftgeschichtliche Problem kompliziert sich aber dadurch, daß fortgesetzte Kulturverbindungen der griechisch-byzantinischen Welt mit Italien über- haupt und wegen der politischen und kommerziellen Verbindungen ganz besonders mit Norditalien und der Kultur von Ravenna bestanden, so daß auch auf dem Gebiet der Schrift immer wieder Einflüsse von den griechischen Gewohnheiten auf die latei- nischen ausgehen, und daß natürlich erst recht die noch jungen gotischen Schreibtraditionen dauernd weiter unter griechischem Einfluß gestanden haben können. Endlich aber darf man nicht vergessen, daß auch die gotischen Schriftwerke, die immerhin das Erzeugnis der politisch herrschenden, wenn auch kulturell unterlegenen Schicht sind, auf die gleich- zeitige lateinische Schreibgewohnheit Einfluß geübt haben können. Ein sicheres Zeugnis dafür sind die schon mehrfach genannten Handschriften Brixianus und Rhedigerianus, lateinische Bibelhandschriften, die nachweislich Nachahmungen des Codex Argen- teus sind.

Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen be- eprechen wir einige lehrreiche Einzelerscheinungen. Die Auszeichnung von Anfängen neuer Abschnitte durch vergrößerte Buchstaben, wie wir sie im Codex

Argenteus kennen lernten, reicht nicht in die wul-

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filanische Periode zurück. Erst griechische Hand- schriften des 5. Jahrhunderts beginnen mit diesem Brauch, erst das 6. Jahrhundert scheint ihn all- gemeiner zu kennen. Der Vergrößerung wird genau wie in unserer Handschrift durch Hinausschieben des betreffenden Buchstaben auf den Rand Raum gegeben. Darum wird der erste Buchstabe des neuen Abschnitts nur dann vergrößert, wenn er mit dem Zeilenanfang zusammenfällt; auch diese Eigentüm- lichkeit lernten wir schon im Codex Argenteus kennen. Andernfalls wird ohne Rücksicht auf die Bedeutung für Sinn und Satz derjenige Buchstabe des neuen Abschnittes vergrößert, der im nächsten Zeilenanfang steht. Es ist ein Verfahren, das rein der Einteilung dient und dem Auge das Aufsuchen der Absätze erleichtern soll. Die Goten können es sicherlich erst in Italien kennengelernt und aufge- nommen haben. Der Codex Argenteus befolgt es aber nicht sklavisch, sondern mit Auswahl. Da er in seiner zweifarbigen Schrift ein augenfälliges Mittel hat, einen neuen Abschnitt zu bezeichnen, übernimmt er nur den organischen Brauch, den ersten Buchstaben einer neuen Sektion zu ver- größern, wenn er zufällig am Rande zu stehen kommt, verzichtet dagegen auf die an sich sinnlose Vergrößerung eines beliebigen Buchstaben im Ab- schnittsinneren. Diese griechische Gewohnheit mag sie nun griechischen Handschriften direkt nach- gebildet sein oder auf dem Umweg über lateinische kommen lagert aber mindestens für den zweiten Schreiber auf einer älteren Schreibform lateinischer Herkunft auf, die nur noch spurenweise zutage tritt. Wir haben schon auf die Fälle hingewiesen, wo der Anfang einer neuen Seite durch vergrößerten Buchstaben ausgezeichnet wird (vergleiche Seite 16). Dieser Gebrauch, der nicht einteilungsmäßige, son- dern zierhafte Bedeutung haben dürfte, findet sich

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

in lateinischen Handschriften des 5. Jahrhunderts

mit Ausläufern ins 6. und konzentriert sich stark

auf Norditalien, Verona und Bobbio. Und wir haben

ebenfalls bereits erwähnt, daß man aus jenen Fällen

im Lukasevangelium auf eine gotische Vorlage

schließen kann, die mit der eben besprochenen latei-

nischen Schreibgewohnheit gearbeitet hat, während Plan und Ausführung des Codex Argenteus die mo- dernere griechische Art einführte. Ebenso haben wir die ein paarmal im Johannesevangelium auftretende Eigenheit, die Sektionsanfänge auch im Zeilen- inneren mit vergrößertem Buchstaben auszuzeich- nen, schon früher erwähnt und sie als eine jüngere lateinische Gewohnheit gekennzeichnet. Sie beginnt sich erst in lateinischen Handschriften des 6. Jahr- hunderts auszubreiten. Dem Schreiber des Evange- liums muß sie jedenfalls schon bekannt gewesen sein; aber sie ging nicht in den Plan des Codex ein und ist daher bei fortschreitender Einarbeitung kon- sequent vermieden worden. Dagegen hat sie der etwas jüngere Codex Brixianus bereits durch- geführt.

Gewinnen wir so einen intimen Einblick in die wechselnden kulturellen Einflüsse, unter denen die bildungshungrigen Goten gestanden und auch ihre Schreibgewohnheit ausgebildet haben, so ergänzt sich der Eindruck bei der Betrachtung andrer Schriftelemente. Überschrift und Unterschrift der Evangelien letztere nicht in unserm Codex, aber in nahverwandten gotischen Handschriften über- liefert, zeigen in ihrer Anordnung einen griechischen Einfluß, den wir bis auf Wulfilas Zeit zurückführen dürfen. Die Unterschrift erscheint am Schluß des einen Evangeliums (vergleiche den Codex Brixianus, Tafel 4), die Überschrift auf der nächsten Seite über dem neuen Evangelientext. Lateinische Schreib-

gewohnheit dagegen vereinigt sie zu einem einzigen

Textstück auf der Schlußseite eines Evangeliums in der Formel: „euangelium secundum matheum ex- plicit, incipit euangelium secundum iohannem“. Ist die Anordnung des Codex Argenteus also altes grie- chisches Erbgut, so ist die Textgestaltung wieder lateinischer Vorlage nachgebildet. Die griechischen Handschriften begnügen sich mit der einfachen Titelangabe, während die gotischen das lateinische „explicit“ und „incipit“ übernehmen und mit „ustauh“ und „anastodeip‘‘ wiedergeben. Auch hier also eine Verschmelzung griechischer und lateini- scher Eigentümlichkeiten.

Von den dekorativen Teilen des Schriftbildes haben die Ziffernumrahmungen am Seitenrand und die Paralleltafeln am unteren Rand ihr besonderes Interesse. Die Ziffernumrahmung, die der Codex Argenteus mit andern gotischen Handschriften teilt, begegnet in einer großen Reihe lateinischer Handschriften vom 6. Jahrhundert an und wird als Schreibgewohnheit im ganzen 7. und 8. Jahrhun- dert beibehalten. Auch hier ist die überwiegende Mehrzahl der von v. Friesen untersuchten Hand- schriften auf Norditalien konzentriert, und wieder gehören die nahe verwandten Codices Brixianus und Rhedigerianus in diese Gruppe. Der Codex Argen- teus scheint also eine verhältnismäßig moderne Aus- stattung der Ziffernangaben aus seiner lateinischen Umgebung übernommen zu haben. Das Ornament der gegeneinander gewendeten Pyramiden aus Strichen als solches ist aber wieder eine ältere grie- chische Erfindung und erscheint in griechischen Handschriften als ornamentale Weiterbildung des Schlußschnörkels, wofür v. Friesen auf Tafel 10 seiner Beigaben überzeugende Beispiele bietet. Die gotischen Handschriften stehen in diesem Punkt also unter lateinischem Einfluß, aber die latei- nische Schreibgewohnheit ist eine Weiterbildung

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Schriftgebrauch durch Wulfila geschah abermals auf Grund griechischer Vorbilder zu einer Zeit, da die Goten noch ganz in der griechischen Kultur- sphäre lebten. Man wird also zunächst griechische Handschriften zu Rate ziehen, wenn man buch- und schrifttechnische Parallelen sucht. Aber der Codex Argenteus ist ein zweifellos ostgotisch-ober- italienisches Produkt, und so muß man darauf ge- faBt sein, auch Eigenheiten der lateinischen Schrift- technik wiederzufinden. Daher sind auch lateinische Handschriften vergleichend einzubeziehen. Das schriftgeschichtliche Problem kompliziert sich aber dadurch, daß fortgesetzte Kulturverbindungen der griechisch-byzantinischen Welt mit Italien über- haupt und wegen der politischen und kommerziellen Verbindungen ganz besonders mit Norditalien und der Kultur von Ravenna bestanden, so daß auch auf dem Gebiet der Schrift immer wieder Einflüsse von den griechischen Gewohnheiten auf die latei- nischen ausgehen, und daß natürlich erst recht die noch jungen gotischen Schreibtraditionen dauernd weiter unter griechischem Einfluß gestanden haben können. Endlich aber darf man nicht vergessen, daß auch die gotischen Schriftwerke, die immerhin das Erzeugnis der politisch herrschenden, wenn auch kulturell unterlegenen Schicht sind, auf die gleich- zeitige lateinische Schreibgewohnheit Einfluß geübt haben können. Ein sicheres Zeugnis dafür sind die schon mehrfach genannten Handschriften Brixianus und Rhedigerianus, lateinische Bibelhandschriften, die nachweislich Nachahmungen des Codex Argen- teus sind.

Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen be- sprechen wir einige lehrreiche Einzelerscheinungen. Die Auszeichnung von Anfängen neuer Abschnitte durch vergrößerte Buchstaben, wie wir sie im Codex

Argenteus kennen lernten, reicht nicht in die wul-

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filanische Periode zurück. Erst griechische Hand- schriften des 5. Jahrhunderts beginnen mit diesem Brauch, erst das 6. Jahrhundert scheint ihn all- gemeiner zu kennen. Der Vergrößerung wird genau wie in unserer Handschrift durch Hinausschieben des betreffenden Buchstaben auf den Rand Raum gegeben. Darum wird der erste Buchstabe des neuen Abschnitts nur dann vergrößert, wenn er mit dem Zeilenanfang zusammenfällt; auch diese Eigentüm- lichkeit lernten wir schon im Codex Argenteus kennen. Andernfalls wird ohne Rücksicht auf die Bedeutung für Sinn und Satz derjenige Buchstabe des neuen Abschnittes vergrößert, der im nächsten Zeilenanfang steht. Es ist ein Verfahren, das rein der Einteilung dient und dem Auge das Aufsuchen der Absätze erleichtern soll. Die Goten können es sicherlich erst in Italien kennengelernt und aufge- nommen haben. Der Codex Argenteus befolgt es aber nicht sklavisch, sondern mit Auswahl. Da er in seiner zweifarbigen Schrift ein augenfälliges Mittel hat, einen neuen Abschnitt zu bezeichnen, übernimmt er nur den organischen Brauch, den ersten Buchstaben einer neuen Sektion zu ver- größern, wenn er zufällig am Rande zu stehen kommt, verzichtet dagegen auf die an sich sinnlose Vergrößerung eines beliebigen Buchstaben im Ab- schnittsinneren. Diese griechische Gewohnheit mag sie nun griechischen Handschriften direkt nach- gebildet sein oder auf dem Umweg über lateinische kommen lagert aber mindestens für den zweiten Schreiber auf einer älteren Schreibform lateinischer Herkunft auf, die nur noch spurenweise zutage tritt. Wir haben schon auf die Fälle hingewiesen, wo der Anfang einer neuen Seite durch vergrößerten Buchstaben ausgezeichnet wird (vergleiche Seite 16). Dieser Gebrauch, der nicht einteilungsmäßige, son- dern zierhafte Bedeutung haben dürfte, findet sich

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

in lateinischen Handschriften des 5. Jahrhunderts mit Ausläufern ins 6. und konzentriert sich stark auf Norditalien, Verona und Bobbio. Und wir haben ebenfalls bereits erwähnt, daß man aus jenen Fällen im Lukasevangelium auf eine gotische Vorlage schließen kann, die mit der eben besprochenen latei- nischen Schreibgewohnheit gearbeitet hat, während Plan und Ausführung des Codex Argenteus die mo- dernere griechische Art einführte. Ebenso haben wir die ein paarmal im Johannesevangelium auftretende Eigenheit, die Sektionsanfänge auch im Zeilen- inneren mit vergrößertem Buchstaben auszuzeich- nen, schon früher erwähnt und sie als eine jüngere lateinische Gewohnheit gekennzeichnet. Sie beginnt sich erst in lateinischen Handschriften des 6. Jahr- hunderts auszubreiten. Dem Schreiber des Evange- liums muß sie jedenfalls schon bekannt gewesen sein; aber sie ging nicht in den Plan des Codex ein und ist daher bei fortschreitender Einarbeitung kon- sequent vermieden worden. Dagegen hat sie der etwas jüngere Codex Brixianus bereits durch- geführt,

Gewinnen wir so einen intimen Einblick in die wechselnden kulturellen Einflüsse, unter denen die bildungshungrigen Goten gestanden und auch ihre Schreibgewohnheit ausgebildet haben, so ergänzt sich der Eindruck bei der Betrachtung andrer Schriftelemente. Überschrift und Unterschrift der Evangelien letztere nicht in unserm Codex, aber in nahverwandten gotischen Handschriften über- liefert, zeigen in ihrer Anordnung einen griechischen Einfluß, den wir bis auf Wulfilas Zeit zurückführen dürfen. Die Unterschrift erscheint am Schluß des einen Evangeliums (vergleiche den Codex Brixianus, Tafel 4), die Überschrift auf der nächsten Seite über dem neuen Evangelientext. Lateinische Schreib-

gewohnheit dagegen vereinigt sie zu einem einzigen

Textstück auf der Schlußseite eines Evangeliums in der Formel: „euangelium secundum matheum ex- plicit, incipit euangelium secundum iohannem". Ist die Anordnung des Codex Argenteus also altes grie- chisches Erbgut, so ist die Textgestaltung wieder lateinischer Vorlage nachgebildet. Die griechischen Handschriften begnügen sich mit der einfachen Titelangabe, während die gotischen das lateinische „explicit“ und „incipit“ übernehmen und mit “und „anastodeip‘ wiedergeben. Auch hier also eine Verschmelzung griechischer und lateini- scher Eigentümlichkeiten.

Von den dekorativen Teilen des Schriftbildes haben die Ziffernumrahmungen am Seitenrand und die Paralleltafeln am unteren Rand ihr besonderes Interesse. Die Ziffernumrahmung, die der Codex

„usta

Argenteus mit andern gotischen Handschriften teilt, begegnet in einer großen Reihe lateinischer Handschriften vom 6. Jahrhundert an und wird als Schreibgewohnheit im ganzen 7. und 8. Jahrhun- dert beibehalten. Auch hier ist die überwiegende Mehrzahl der von v. Friesen untersuchten Hand- schriften auf Norditalien konzentriert, und wieder gehören die nahe verwandten Codices Brixianus und Rhedigerianus in diese Gruppe. Der Codex Argen- teus scheint also eine verhältnismäßig moderne Aus- stattung der Ziffernangaben aus seiner lateinischen Umgebung übernommen zu haben. Das Ornament der gegeneinander gewendeten Pyramiden aus Strichen als solches ist aber wieder eine ältere grie- chische Erfindung und erscheint in griechischen Handschriften als ornamentale Weiterbildung des Schlußschnörkels, wofür v. Friesen auf Tafel 10 seiner Beigaben überzeugende Beispiele bietet. Die gotischen Handschriften stehen in diesem Punkt also unter lateinischem Einfluß, aber die latei- nische Schreibgewohnheit ist eine Weiterbildung

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DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

von Anstößen, die aus Griechenland kommen. Und diese scheint gerade dort erfolgt zu sein, wo wir die Entstehung der gotischen Handschriften am liebsten suchen, in Norditalien.

Am wichtigsten und wesentlichsten für die künst- lerische Wirkung des Blattes wie für Zeit- und Hei- matbestimmung sind indessen die Synopsentabellen. Wie die Seitenziffern sind auch die Synopsentabellen die praktische Verwertung der Einteilung in Sek- tionen oder Canones, die der große Kirchenvater Eusebius von Caesarea eingeführt hat und die nach ihm Eusebianische Canones heißen. Es handelt sich dabei nicht um eine Einteilung in Lektionen oder Perikopen zu Zwecken der Lektüre oder Pre- digt, sondern um eine Einteilung nach synoptischen Gesichtspunkten zu Zwecken des wissenschaft- lichen Studiums. Eine Textgliederung der ersten Art würde den Text in annühernd gleiche Stücke zerlegen. Der synoptische Gesichtspunkt aber be- dingt große Ungleichmäßigkeit, denn er sondert im Evangelientext solche Stücke ab, die allen vier Evangelien gemeinsam sind; demnächst solche, die nur drei oder zwei Evangelien angehören, und es verbleiben endlich die Partien, die Sondergut der einzelnen Evangelientexte sind. Daher kommt es, daß sich bald Sektionsziffern auf einem Blatt häu- fen, bald mehrere Blätter lang ganz fehlen können. Die Eusebianischen Canones wurden in übersicht- lichen Synopsentafeln zusammengefaßt und so dem Evangelientext vorangestellt. Zuerst kam die Tafel der Stellen, die in allen vier Evangelien zu finden sind, dann die Tafeln für die Stellen, die drei Evan- gelien angehören und so weiter bis zu den Tafeln mit dem Sondergut der einzelnen Evangelientexte. So war es möglich, sich verhältnismäßig schnell dar- über zu orientieren, ob eine Erzählung in mehreren

Texten überliefert ist und wo man sie findet. Die

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Anordnung des Codex Argenteus bedeutet einen weiteren buchtechnischen Fortschritt, indem hier nicht mehr auf die vorangestellten großen Canones- tabellen zurückgegriffen zu werden braucht, sondern auf jeder Seite unmittelbar zu ersehen ist, ob und welche Partien in andern Evangelien wiederkehren und wo sie zu finden sind.

Die Canonestafeln gehörten zu der üblichen Aus- stattung eines Evangeliars. Der Codex Argenteus ist im Anfang lückenhaft; wir können also nur ver- muten, daß auch er sie gehabt hat und können diese Vermutung durch den Hinweis auf den buchtech- nisch so nah verwandten Codex Brixianus stützen, der sie tatsächlich besitzt. Für diese Canonestafeln wurde zuerst die architektonisch-ornamentale Um- rahmung mit dem Säulenbogen erfunden, die im Codex Argenteus für die Synopsentafeln unter dem Text verwendet ist. Es ist also nicht der fort- laufende Bogengang, sondern das einzelne Säulen- portal, das am Anfang der Entwicklung steht. Bei der Übertragung der ornamentalen Idee auf die nebeneinander aufgereihten Paralleltafeln unter dem Evangelientext stellte sich der Gedanke der Reihung von selber auch für die ornamentale Aus- stattung ein. Der Codex Argenteus behält die ur- sprüngliche Isolierung der einzelnen Tafeln noch bei, deutet aber ihre Eingliederung in eine Reihe durch die äußeren Bogenansätze an. Die Codices Brixianus und Rhedigerianus ziehen die weitere Konsequenz und verbinden die einzelnen Rundbogentafeln durch giebelförmige Zwischenstücke zu wirklichen Reihen (vergleiche Tafel 4). Sie verraten auch hierin wie in vielen andern Einzelheiten, daß sie eine jüngere Nachahmung unsrer gotischen Handschrift sind.

Stammt also die ornamentale Idee von den weit- verbreiteten Eusebianischen Canonestafeln her, so ist die wissenschaftliche Idee als solche, die Mitteilung

BE

DERCODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

der Parallelstellen unter jeder Seite, ebenfalls von besonderem Interesse. Sie muß als eine syrische Erfindung gelten und tritt zuerst in Handschriften der jüngeren syrischen Bibelübersetzung, der so- genannten Peschittä, auf. Sie kann dort kaum vor dem Jahre 400 erfunden worden sein, muß aber im 5. Jahrhundert bereits üblich gewesen sein. Wie sind nun die Goten zur Kenntnis dieser wissen- schaftlichen Verbesserung gekommen? Eine direkte Bekanntschaft mit syrischen Eigenheiten wäre Wulfila an sich zuzutrauen. Aber die oben ge- gebenen zeitlichen Bestimmungen lassen es un- möglich erscheinen, daß er die Ausstattung der Bibelhandschriften mit dem wissenschaftlich-syn- optischen Apparat nach syrischem Muster noch er- lebt und übernommen haben kann, und für die nach-wulfilanische Zeit ist eine Kenntnis syrischer Eigentümlichkeiten bei den Goten schwer vor- stellbar. Auch widersprechen die übrigen gotischen Bruchstücke, die keine Synopsentafeln unter dem Text haben, der Annahme einer alten gotischen Tra- dition. Wir werden uns auch für diese Eigenheit auf die griechisch-lateinische Verbindungsbrücke verlassen müssen, so schmal und unsicher sie auch in diesem Falle ist. Für die Verwendung der Syn- opsentafeln unter dem Text in der griechischen Bibeltradition des 6. Jahrhunderts sprechen nur sehr spärliche Zeugnisse, die zudem nach Ägypten, also weit aus dem gotischen Gesichtskreis hinaus- weisen. Eine größere Verbreitung des Brauches be- ginnt in der griechischen Bibel erst mit dem 8. Jahr- hundert. Und auf dem lateinischen Gebiet sind wir auf die beiden Codices Brixianus und Rhedigerianus beschränkt, deren Abhängigkeit von unsrer Pracht- handschrift wir schon oft betont haben. So werden wir gerade in dem ornamentalen Hauptschmuck des

Codex Argenteus zugleich auch seine selbständigste

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buchkünstlerische Leistung sehen dürfen. Er griff den noch wenig bekannten, aber vom Standpunkt leichter Übersicht ungeheuer praktischen Anord- nungsplan der syrischen Bibel auf und verband ihn mit der geläufigen ornamentalen Anordnung der üblichen Synopsentabellen, der Eusebianischen Ca- nonestafeln. Indem er die vier Paralleltafeln an das Fußende jeder Seite stellte, brachte er zugleich den Gedanken des gereihten Säulen- und Bogenfrieses hinein, der ein dankbares Motiv frühchristlicher Darstellung gerade auch in der Kunst von Ravenna war.

Damit war nicht nur wissenschaftlich, sondern auch künstlerisch ein neuer Typus der Buchaus- stattung geschaffen. Daß er anschlug, zeigen jene beiden oft genannten lateinischen Bibelhand- schriften, die als Nachahmung des Codex Argen- teus entstanden sind. Sie haben freilich die archi- tektonische Schönheit der gotischen Handschrift zerstört, indem sie die harmonische Anordnung nach dem Goldenen Schnitt aufgegeben haben, und sie haben den Reihungsgedanken durch wirkliche, nicht nur ideelle Verbindung der Paralleltafeln durchgeführt, sei es zu einem wirklichen Vierer- fries, wie der Brixianus (vergleiche Tafel 4), sei es zu zwei Paaren, wie entsprechend seiner zweispal- tigen Schriftanordnung der Rhedigerianus. Aber auch hierbei ist die ungepflegte und primitive Aus- führung der Zeichnung ein deutlicher Abstieg. Ist uns so der Codex Argenteus ein unschätzbares Zeugnis für das heiße Bemühen, mit dem die Ostgoten des Theoderich an der Erwerbung klassischer Kultur und klassischen Geschmackes arbeiteten, so sind die beiden lateinischen Nachbildungen ein Symbol für den leitenden Gedanken der inneren Politik des großen Königs, der Verschmelzung oder wenigstens

Versöhnung der lateinischen und der germanischen

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Elemente seines römisch-germanischen Reiches. Die Geschichte hat freilich nur allzubald gezeigt, daß diese Politik etwas damals Unmögliches er- strebte, an dem das wertvolle Volkstum der Ost- goten zugrunde gegangen ist. Einer der Gründe lag bekanntlich gerade auf religiósem Gebiet, in der Zu- gehörigkeit der Goten zu der unterliegenden aria- nischen Richtung. Daß Theoderich diese Barriere nicht in ihrer ganzen Bedeutung erkannt hat, hängt sicherlich mit der religiösen Weitherzigkeit und Verträglichkeit des frühen Germanentums zusam- men, für das Religion in weitem Maße Privatsache gewesen ist, und für das es ein fanatisches Fest- legen auf eine dogmatische Einheit nicht gab. Das Nebeneinander der gotischen und der beiden latei- nischen Prachthandschriften, die ganz nach dem gleichen Muster geschrieben sind, ist uns ein kost- bares und fast rührendes Symbol für den patheti- schen Irrtum des großen Gotenkönigs. Mit seinem Tode fiel sein Werk nur allzu schnell zusammen, und mit ihm brach auch die Entwicklung einer eigenen gotischen Literatur- und Schrifttradition ab. Um so glücklicher dürfen wir sein, wenigstens diese wert- vollen Reste davon noch zu besitzen.

Ausgangspunkt und Anlaß zu meinen Zeilen über den Codex Argenteus und seine paläographische und kulturelle Bedeutung war das neue schwedische Re- produktionswerk, das als Jubiläumsgabe der Uni- versität Upsala hergestellt worden war. Da es nicht nur die vollkommenste, sondern überhaupt die erste durchgeführte Lösung der technisch überaus schwie- rigen Aufgabe ist, so werden ein paar Zeilen über die Art des Zustandekommens und der verwendeten Methoden nicht ungerechtfertigt erscheinen.

Der Gedanke einer Faksimile-Wiedergabe des wichtigsten gotischen Literaturwerkes ist natürlich

nicht neu. Seit im Jahre 1737 in Schweden zum

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ersten Male der Vorschlag gemacht worden war, eine Faksimileausgabe in Holzschnitt herzustellen, sind ähnliche Erwägungen oft angestellt worden. Aber immer wieder ergab sich für Holzschnitt wie Kupferstich die Unmöglichkeit eines Verfahrens, das auf die Geschicklichkeit einer menschlichen Hand angewiesen war, bei einem Objekt, das zu großen Teilen schwer oder gar nicht erkennbar und deutbar war, und bei dem daher die Phantasie des dar- stellenden Künstlers in unheilvoller und den wissen- schaftlichen Wert aufhebender Weise eingreifen mußte, wenn überhaupt eine Abbildung zustande kommen sollte. Erst die Erfindung der Photo- graphie brachte die rein mechanische Methode der Reproduktion, die das subjektive Wirken eines ein- zelnen ausschaltete und die objektive Richtigkeit des gewonnenen Bildes zu gewährleisten schien. Allein die ersten Versuche ergaben wohl ein photo- graphisches Bild der Probeblätter, aber ein solches, das für die Wissenschaft ohne Wert war. Der erste Vorschlag und Versuch zu einer photographischen Wiedergabe ging von dem deutschen Shakespeare- forscher Friedrich August Leo aus, der über ge- nügende private Mittel verfügte, um eine so kost- spielige Sache vorzubereiten, dem aber wissen- schaftliche Qualitäten und technische Einsicht in die Schwierigkeiten fehlten. Das Unternehmen ge- dieh bis zur Anfertigung von einigen 60 Aufnabmen der günstigsten Blätter, die 1856 der preußischen Akademie der Wissenschaften vorgeführt wurden und bis zu einer Subskriptionsaufforderung für ein geplantes Reproduktionswerk. Doch kam es wegen Mangel an Subskribenten nicht zustande. Leos Platten sollen der Königlichen Bibliothek zu Berlin zur Aufbewahrung übergeben worden sein; bei v. Friesens Nachforschungen dortselbst waren sie in-

dessen nicht aufzufinden.

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

Noch weniger weit gedieh fast 30 Jahre später (1884) ein Versuch, der von dem Stockholmer Buch- händler C. R. Blaedel ausging, und der nichts Gerin- geres bezweckte, als eine vollkommene farbige Re- produktion der gesamten Handschrift. Doch stellten sich die technischen Schwierigkeiten sehr bald als für die damalige Zeit unlósbar heraus. Es beleuchtet die Schwierigkeiten der technischen Aufgabe, daß eine führende Münchener Reproduktionsanstalt nach Prüfung der Originalphotographien das Ver- langen stellte, daB zu einer brauchbaren Reproduk- tion jeder einzelne Buchstabe auf den Kopien von einem Schriftexperten nachgezogen werden müßte. So tauchte also dieselbe Klippe wieder auf, an der die Erwägungen früherer Zeiten zuletzt immer ge- scheitert waren: die subjektive Arbeit eines ein- zelnen Auges und einer einzelnen Hand. Der Wissen- schaft war damit natürlich nicht gedient; die photo- graphische Technik erklärte ihren Bankrott vor den Ansprüchen der alten Handschrift.

Es dauerte abermals 30 Jahre, ehe der Plan von neuem aufgenommen und von der Universitäts- bibliothek Upsala in Gemeinschaft mit der führen- den deutschen Reproduktionsanstalt Albert Frisch in Berlin besprochen und experimentell in Angriff genommen wurde. Ehe aber aus den Vorarbeiten greifbare Resultate entsprungen waren, machte der Ausbruch des Weltkrieges allen Fortsetzungen ein Ende. So besaßen wir faktisch bis zur Upsalaer Jubiläumsausgabe weder von dem Gesamtcodex dieses wichtigsten altgermanischen Schriftwerkes, noch von ausgewählten Blättern wirklich brauch- bare und zuverlässige Faksimile-Reproduktionen.

Die nun vorliegende Ausgabe ist eine rein schwe- dische Leistung, auf die das jetzige Heimatland des Codex Argenteus stolz sein kann. Schwedische Ge- lehrte sind es, denen die philologisch-sprachwissen-

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schaftliche Verantwortung für die Aufgabe anver- traut war und auf deren Darstellung auch unser Überblick beruht. Schwedische Chemiker, der Up- salaer Professor The Svedberg und der 1918 jung verstorbene fil. lic. Ivar Nordlund haben die experi- mentelle Feststellung und Ausarbeitung der geeig- netsten Methoden vorgenommen; von schwedischen Photographen und Reproduktionsanstalten ist die technische Ausführung geleistet worden. Ich re- feriere hier die Methoden nach den Mitteilungen, die der verantwortliche photographische Fachmann,

‚Hugo Andersson, in der Einleitung gibt.

Die Experimente Svedbergs und Nordlunds gehen in das Jahr 1917 zurück und sind im Jahrgang 1918 des Jahrbuchs der Universität Upsala referiert (Uppsala universitets ärsskrift 1918, Matematik och naturvetenskap Мо. 1). Folgende vier hauptsäch- lichsten Methoden wurden durchgeprüft:

1. Photographie mit reflektiertem einfarbigem Licht von verschiedener Wellenlänge von Ultrarot bis Quarz-Ultraviolett.

2. Photographie mit Röntgen- und Radium- strahlen, teils in Durchleuchtung der Handschrift, teils mit Sekundärstrahlung von dem Metall der Schriftzüge.

3. Fluoreszenzphotographie, das heißt Beleuch- tung der Handschrift mit ultraviolettem Licht und photographischer Verwendung des dabei erzeugten sichtbaren Fluoreszenzlichtes.

4. Photographie bei oszillatorischen Entladungen.

Das Ergebnis der Experimente war, daß keine Methode allein für sich das Schriftbild mit wün- schenswerter Deutlichkeit in allen seinen Teilen herausholt, daß aber zwei Verfahren allen andern vorzuziehen seien und sich gegenseitig zu größt- möglicher Deutlichkeit ergänzen. Diese beiden Methoden waren einmal die Photographie mit

DER CODEX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

ultraviolettem Licht von der Wellenlänge 366 ии, und dann die Fluoreszenzmethode bei ultraviolettem Licht von gleicher Wellenlänge. Auf diesen Ergeb- nissen beruht die Eigentümlichkeit des Reproduk- tionswerkes, daß von jeder Seite zwei Reproduk- tionen eben nach den beiden genannten Methoden geboten werden. Schlägt man das Buch auf, so hat man stets die beiden Reproduktionen derselben Seite vor sich. Das linke Blatt gibt die Seite nach der Fluoreszenzmethode wieder. Die Schrift erscheint dunkel auf hellem Grunde (vergleiche Tafel 1 u. 2), weil das fluoreszierende Licht von dem Pergament- grunde ausgeht. Es erzielt meistens das klarste und lesbarste Schriftbild, weil alle Unebenheiten und Störungen des Untergrundes verschwinden und die oft geringen und verwischten Abstufungen zwischen Schrift und Pergament durch die Photographie zu deutlichen Kontrasten gehoben werden. Aber die Reproduktion besagt nichts über das Pergament selbst, dessen Feinstruktur in der gleichmäßigen Helle des Grundes verschwindet, und die Deutlich- keit der Schrift leidet überall da, wo die Schrift- zeichen der Rückseite stärker durchgeschlagen sind, weil auch diese ungeschwächt dunkel auf dem hellen Grunde erscheinen. Das ist um so störender, als sich die Schriftzeilen beider Seiten eines Blattes bei der früher beschriebenen Methode der Liniierung völlig decken.

Diese Mängel hilft das rechte, nach der ultra- violetten Strahlungsmethode hergestellte Blatt be- seitigen. Auf ihm erscheint das Pergament dunkel mit helleren Schriftzügen. Zwar ist der Farbabstand zwischen Schrift und Grund hier wesentlich ge- ringer, die Lesbarkeit darum oft gegenüber der linken Seite stark herabgesetzt. Aber der Gesamt- eindruck ist weit natürlicher und konkreter, indem

hier auch das Pergament mit seiner ganzen Fein-

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struktur, mit all seinen Flecken, Unebenheiten und Ungleichmäßigkeiten zur Geltung kommt und so das Verhältnis von Schrift und Grund richtig be- urteilen läßt. Namentlich tritt dabei auch die Lini- ierung weit besser hervor (vergleiche Tafel 3). Auch stechen die durchgeschlagenen Schriftzüge von den normalen deutlich ab und sind ohne weiteres davon zu scheiden, so daß in solchen Fällen das rechte Blatt in der Lesbarkeit überlegen ist.

Beide Methoden haben indessen einen gemein- samen Mangel. Sie sind auf den Haupttext mit Sil- berschrift berechnet und für die Goldschrift zwar nicht unbrauchbar, aber doch sichtlich weniger ge- eignet, wie eine Betrachtung unsrer Probetafeln so- fort zeigt. Da aber die für das Gold günstigsten Wellenlängen (577 bis 579 ии und 313 ии) die silbernen Hauptpartien weniger gut wiedergaben, mußte der seltenere Goldtext natürlich zurückstehen. Um diesem Mangel abzuhelfen und auch sonst beson- ders schwer lesbaren Blättern womöglich noch mehr abzulocken, sind endlich eine ganze Reihe von Seiten noch ein drittes Mal reproduziert und in ver- kleinertem Maßstab anhangsweise mitgeteilt worden. Dabei sind drei verschiedene Methoden zur Anwen- dung gekommen, die auf den Tafeln durch ein vor- gesetztes F, O und R angedeutet sind. Dabei be- deutet:

F die Photographie mit Gelbfilter, durch die eine klare Herausarbeitung des Goldtextes erreicht wird, während der Silbertext undeutlicher wird.

O die Photographie bei schief einfallendem Licht. Sie ist nur selten verwendet und kommt nur da in Frage, wo das Metall der Schrift auf längere Partien ganz abgeblättert und die Schrift nur noch als schwach eingedrückte Spur im Pergament sicht- bar ist. Dann geben die Reflexverhältnisse des schiefen Lichtes deutlichere Bilder. Störend bei

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Abb. 4. Codex Brixianus (6. Jh.), Schluß des Lukasevangeliums

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DER COD EX ARGENTEUS UND SEINE NEUESTE AUSGABE

dieser Methode ist der Umstand, daß die Blätter nicht gegen eine Glasplatte glattgepreßt werden können, wodurch das Pergament uneben bleibt und die Bilder leicht unscharf werden.

R die Photographie mit sekundärer Röntgen- strahlung nach einem von Svedberg und Nordlund ausgearbeiteten Verfahren. Es holt die Schrift- zeichen aus Edelmetall äußerst klar und schön als belle Bilder auf dunklem Grunde heraus und wäre die geeignetste Reproduktionsmethode überhaupt gewesen, wenn nicht auch hierbei die Goldpartien den Silberpartien überlegen wären, was ihrer tat- sächlichen Bedeutung für die Handschrift wider- spricht.

Die große neue Faksimileausgabe von Upsala stellt somit eine hervorragende Leistung dar, die aus engster Zusammenarbeit von philologisch-paläo- graphischer und chemischer Forschung mit den besten Praktikern der photographischen Technik hervorgegangen ist. Vom philologischen Stand- punkt aus kann man sagen, daß sie für die For- schung die Originalhandschrift nicht nur ersetzt, sondern durch das Nebeneinander verschiedener Reproduktionsverfahren mit verschiedenen Effek- ten das Studium günstiger gestaltet, als wenn man allein auf das Blatt des Originals angewiesen ist, das zudem sorgfältig gehütet und geschont wer- den muß. Und für Zwecke der Forschung ist sie vor allem berechnet. Was auch sie nicht verwirk- licht, ist die farbige Reproduktion, die gewiß man-

cher erwartete, der von der vorbereiteten Jubiläums-

ausgabe gehört hat. Ich persönlich zweifle daran, ob damit etwas gewonnen worden wäre. Für die wissen- schaftliche Lesung bedeutet die Schwarz-Weiß- Reproduktion zweifellos eine Erleichterung. Und für den Buchliebhaber wäre das wahre Aussehen des be- rühmten und mit soviel Gefühlswerten umwobenen Codex sicherlich vielfach eine Enttäuschung ge- wesen.

Die Universität Upsala hat sich als eine würdige Verwalterin des kostbaren Gutes erwiesen, das ihr anvertraut ist. Es ist töricht, heutzutage ver- tuschen zu wollen, daß der Erwerb der Handschrift nach den Gepflogenheiten des Dreißigjährigen Krie- ges, das heißt als Kriegsbeute vor sich ging, wie es erstaunlicherweise in der führenden schwedischen Literaturgeschichte von H.Schück geschieht. Im Zusammenhang mit dem Rückkauf des Codex Ar- genteus heißt es dort (3. Auflage, Band 2, Seite 241): „Der Codex Argenteus ist also keine Kriegsbeute, sondern eine ehrlich gekaufte Handschrift.“ Nie- mand wird heute einem Volk noch einen Vorwurf aus einer Handlungsweise machen, die zu ihrer Zeit so allgemein und selbstverständlich war. Im Gegenteil, man wird sagen können, daß die Hand- schrift vielleicht längst verloren wäre, wenn sie nicht in den verhältnismäßig ruhigen und von den Hän- deln der Welt unberührten Verwahr der fernen nor- dischen Universität gelangt wäre. Und Schweden hat seitdem das Seine getan, um zu erwerben, was es in der Handschrift besitzt. Die große Jubiläumsausgabe

ist ein neues, nicht zu verachtendes Zeugnis dafür.

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SCHRIFT UND ORNAMENT IN CHINA

VON PROFESSOR DR. RICHARD WILHELM-FRANKFURT А. M.

D. chinesische Schrift ist aus einer ursprüng- lichen Bilderschrift entstanden und hat das Prinzip des Bildhaften bis auf die Gegenwart festgehalten. Sie hat insofetn eine andre Entwicklung durch- gemacht als das europäische Schriftsystem, das ebenfalls aus hieroglyphischen Anfängen entstam- mend sich mit der Zeit der graphischen Darstellung der Laute der gesprochenen Sprache zugewandt hat. Während also die europäische Schrift nur in Ver- bindung mit der Sprache ihren Sinn hat, und ihre Zeichen daher mit der Sprache sich fortwährend ändern, so daß heute ein Text aus dem Mittelalter nur noch dem Fachmann verständlich ist, hat die chinesische Schrift unabhängig von der Änderung der gesprochenen Sprache ein eigenes Leben ge- führt, und bis in die neue Zeit herunter sind die alten Klassiker in ihren Bildzeichen jedem verständlich geblieben, der die Schrift zu lernen sich die Mühe gab. Dadurch bekam dann die chinesische Schrift einen besonderen Charakter, der sie der Malerei nahe rückte, indem die geschriebenen Zeichen dem Auge beziehungsvolle Formen darboten, diein ihrer gegen- seitigen Wirkung weit mehr zum Ausdruck bringen als der bloße Laut es vermochte. In China hat aller- dings vieles zwischen den Zeilen gestanden, das sich

der gesprochenen Sprache entzog.

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Die ältesten Zeichen wurden mit einem Stilus auf Bambustafeln eingeritzt; seit den Jahrhunderten der christlichen Ära ist an die Stelle von Stilus und Bam- bus Pinsel und Papier getreten, während die Tusche als Schreibflüssigkeit verwendet wurde. Der Um- stand, daß dieselben Instrumente zum Schreiben wie zum Malen dienten, war ein weiterer Grund, war- um Schrift und Bildkunst in China näher aneinander gerückt sind als irgendwo in Europa. Ja man schätzt in China die Schrift tatsächlich als eine Art künst- lerischer Betätigung. Die größten Maler waren auch die größten Schriftkünstler. Und wie wir im Westen etwa die Handzeichnungen großer Meister als un- mittelbaren Ausdruck ihrer psychischen Dynamik nicht geringer achten als die ausgeführten, aber da- bei auch objektiver, „äAußerlicher‘‘ gewordenen Werke ihres Pinsels, so wird auch in China die Hand- schrift eines großen Malers als unmittelbarer Aus- druck seines Wesens oft fast mehr geschätzt als

seine Gemälde.

Literatur heißt auf chinesisch Wen. Dieses Wort bedeutet ursprünglich den sinnvoll ausdruckgeben- den Linienzug, das Ornament. So ist von Anfang an in China Schrift und Ornament aufs innigste ver- wachsen. Und zwar nicht nur in dem übertragenen

Sinn, daß ein Schriftzeichen etwas ornamental gefaßt

RICHARD WILHELM

werden kann, sondern in dem Unmittelbaren, daß jedes Schriftzeichen als solches schon Ornament ist. Hierbei kommt natürlich alles darauf an, was wir in China unter Ornament bzw. Wen zu verstehen haben.

Es ist kein Zufall, daß die chinesische Schrift ur- sprünglich auf ein hartes Material eingeritzt wurde, ganz ebenso wie die ältesten Zeichnungen. Das hat der chinesischen Kunst für alle Zeiten einen mehr linearen, zeichnerischen Charakter gegeben. Und wenn auch durch die Erfindung des Pinsels diese Linien das Exakt-Starre immer mehr verloren und ein freier malerischer Fluß sie belebte: linear ist diese Kunst durch alle Jahrhunderte hindurch ge- blieben. Nicht die statische Fläche, sondern die dy- namische Linie ist ihr eigentliches Element.

Diese dynamisch bewegten Linien waren von An- fang an bedeutungsvoll. Sie waren nicht nur Sym- bole von durch sie dargestellten Naturkräften. Sie waren diese Naturkräfte selber. Ihnen wohnte die Magie inne, die unmittelbar auf die Gestaltung der Wirklichkeit Einfluß hatte. So ist es kein Wunder, daß die alten Sakralgefäße mit Linienornamenten bedeckt sind. Diese Linienzüge sind Auswirkungen der Magie des Göttlichen. Im Mäander lebt die Ma- gie des rollenden Donners, in der Spirale wirkte sich die regenspendende Wolke aus, während wieder andern Ornamenten andre Naturkräfte innewohn- ten. Indem man diese Linien in die Sakralgefäße eingrub, war man Herr über die Naturgewalten; denn durch richtige Abbildung der Dynamik, die in ihnen lebte, waren sie gebannt und dem Menschen zur Verfügung.

Genau so waren aber auch die Schriftzeichen hei- lige Bilder, denen magische Kräfte innewohnten; denn sie waren ja ursprünglich die Bilder der Dinge oder vielmehr der den Dingen zugrunde liegenden

e ЗСНВТЕТ UND ORNAMENTIN CHINA

Urbilder, der Ideen. Diese Welt der Ideen fand so- zusagen einen doppelten Ausdruck in der Wirklich- keit: einmal in den Dingen, in denen diese Ideen sich darstellten, und dann in den Zeichen, die die Bilder der Ideen waren. Ja dic Zeichen standen den Ideen wohl näher und waren daher unter Umständen mächtiger als die Dinge. Durch einen wirksamen Schriftzauber konnte man die Dinge magisch um- gestalten, ja unter Umständen selbst neu schaffen. So ist es denn kein Wunder, daß diese geheimnis- vollen Schriftzeichen etwas Heiliges in sich hatten und noch bis in unsere Tage hinein war es unrecht, beschriebenes Papier wegzuwerfen oder zu zerreiDen. Die Ehrfurcht vor den Zeichen verbot das, und man fand wohl an den Straßenecken Kasten angebracht, die zur Aufnahme von überflüssig gewordenem Pa- pier dienten, das dann von Zeit zu Zeit entleert und feierlich verbrannt wurde.

Diese magische Dynamik, die den Schriftzeichen innewohnte, führte dann aber auch zu einer liebe- vollen Beschäftigung mit ihrer Darstellung. Die Schriftzeichen waren ja nicht bloß schlechte und rechte Mittel zum Zweck, sondern sie besaßen in ihrer Erscheinung einen Selbstzweck. So war es ver- ständlich, wenn man von früh an bestrebt war, die Zeichen nicht nur deutlich, sondern auch schön zu schreiben. Schön aber waren sie, wenn nicht nur der innere Sinn des Zeichens und seine Dynamik in seinen Linien ihren Ausdruck fand, sondern wenn außerdem die Psyche des Künstlers durch die Linien- züge hindurchschimmerte. Noch mehr als wir in Europa in der Pinselführung der großen Maler ihre geistige Handschrift genießen, war das in China der Fall, wo ein nobler Charakter sich unter allen Um- ständen in der starken und freien Form der Zeichen ausdrückte. Wie geübt das chinesische Auge für solche Zusammenhänge ist, ergibt sich daraus, daß

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Chinesisches Blockbuch. Moderne Form des

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Abb. 4. Zauberzeichen des Hauptes

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RICHARD WILHELM.

SCHRIFT UND ORNAMENT INCHINA

es in China Handschriftenleser gibt, die sich nur einen Strich mit dem Pinsel aufzeichnen lassen, um daraus mit verbliffender Sicherheit den ganzen Charakter des Schreibenden abzulesen.

Aber zu diesen wesentlichen Zusamme en zwischen Schrift und Ornament kommt ein anderes. Die Form der chinesischen Schriftzeichen hat sich im Lauf der Geschichte verschiedene Male geändert. Auf die bis auf einen gewissen Grad willkürliche Form der archaischen Schrift, die für denselben Ge- danken oft mehrere parallele Zeichenbildungen hatte, folgte die strenger systematisierte Periode der sogenannten kleinen Siegelcharaktere, die den alten Zeichen gegenüber eine Verfeinerung bedeu- tete. Und mit dem Gebrauch des Pinsels kommt dann eine noch mehr vereinfachte und der Natur des Pinsels angepaßte Schriftform, die sogenannte Kai Schu auf. Wohl zugleich damit entwickelte sich die sogenannte Grasschrift (Tsau Schu), deren Zei- chen noch fließender und dynamischer gestaltet sind, so daß ihre Lesbarkeit oft ihrer Kühnheit nicht gleichkommt.

Ein gewisser Spieltrieb brachte es mit sich, daß man die Zeichen, wenn sie nicht der schriftlichen Mitteilung dienten, sondern als Aufschriften, Siegel- schriften, Denksprüche usw. zugleich als eigne Er- scheinung hervortraten, besonders gestaltete. So war es Sitte, daß die Zeichen auf den Stempeln stets in archaischer Schrift (daher Siegelschrift) graviert wurden. Auch das rein Ornamentale trat mit dem ornamentalen Zweck in solchen Schriften hervor. So bildete man Zeichen aus Fischen oder aus Vögeln,

man schrieb ein Zeichen so, daß es die Form eines

Menschen hatte und was dergleichen Spielereien mehr sind. So war es 2.B. ein beliebter Geburts- tagswunsch, das Zeichen Schou = langes Leben in hundert verschiedenen Formen zu schreiben, die in reicher ornamentaler Gestaltung die Fläche harmo- nisch füllen sollten. Auch die Magie spielte hier herein. So schrieb der Taoistenpapst etwa magische Schriftzeichen in so charakteristischen Formen, daß man das Spukhafte schon aus ihrer Erscheinung er- kennen konnte.

In der Gestaltung der Schriftzeichen kam ein Trieb zur Entfaltung, den die europäische Kunst in der Periode des Expressionismus erlebt hat. Dabei hatten die chinesischen Schriftzeichen aber den Vor- zug, daß die Expression nicht in der Luft schwebte, sondern in der Bedeutung des Zeichens ihre feste Verankerung hatte.

Wenn man bedenkt, welche ungeheure künstleri- sche Energie sich der ornamentalen Gestaltung der Schriftzeichen zugewandt hat, so wird man ver- stehen, wie das schöne Schriftbild nun auch seiner- seits ornamental verwandt wird, nicht nur in der Straße als Reklameschild, sondern auch zum Schmuck der Wände, ja auch zur Belebung der Na- tur, soweit sie im Garten feste Formen gefunden. Die vielen Inschriften, die in der Rokoko- und Auf- klärungszeit in Garten und Räumen üblich waren, sind unter direktem chinesischem Einfluß ent- standen. Aber die chinesische Schrift ist der euro- päischen in diesem Stück wohl noch überlegen, denn sie enthält nicht nur in ihrer Formung, sondern ihrem Ursprung nach wesentlich in sich die orna- mentale Linie.

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DIE ARABISCHE SCHRIFT ALS ORNAMENT

VON DR. JULIUS RODENBERG-LEIPZIG

D. Aufgabe der Schrift als Trágerin des Gedankens hat selten eine glänzendere Illustration gefunden als auf dem Eroberungszuge des Islam in den ersten Jahr- hunderten nach der Hedschra. Als äußeres Gewand einer Sprache, in deren überreichem Wortschatz eine Fülle sachlicher Beobachtung gehäuft ist, in deren außerordentlich fein schattierter Syntax die starken logischen Fähigkeiten des Arabers und seine Freude an den mannigfachen Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks hervortreten, mußte die arabische Schrift früh geschätzt und sorgfältig gepflegt werden; und wie stieg ihre Bedeutung bei einem von leidenschaft- lichem Glaubenseifer ergriffenen Volk, als in ihr die Worte des Propheten Dauer gewannen, und die junge ungebrochene Kraft der muhammedanischen Glaubenslehren aus ihren Zeichen hervorzuleuchten begann ! Welch eine Rolle mußte der Schrift in einer Religion zufallen, in der das Wort der Träger der Offenbarung war, in der die Fülle der inneren Ge- sichte hinter der geheimnisvoll wirkenden Kraft der abstrakten Formel zurücktrat!

Diese enge Beziehung zum Inhalt läßt es erstaun- lich erscheinen, daß die arabische Schrift außer die- ser sinndeutenden Aufgabe noch eine zweite, künst- lerische hat: Indem sie in die Ornamentik, jene

eigenartigste und selbständigste Schöpfung der

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islamischen Kunst selten in enger, öfter in loser Be- ziehung zum Gegenstand eindrang, wurde sie zu einem wesentlichen Faktor dieser dekorativen Kunst, in der sich überquellender Reichtum der Erfindung mit einem äußersten Maß von Abstraktion, grenzen- loses Expansionsbedürfnis mit strenger geometri- scher Begrenzung verbindet. Zwischen künstlich ver- schlungenem Bandwerk, zwischen Arabesken und Polygonen erscheinen die Zeichen der arabischen Schrift, oft durch band- und schildförmige Einrah- mung hervorgehoben, oft auch eingebettet in das Linienspiel der kunstreichen Wildnis und erst für das scharf beobachtende Auge wieder hervortretend. Sie tragen in eine Kunst, die sich zum großen Teil der Darstellung des Figürlichen bewußt enthält und so- mit der höchsten Ausdrucksmöglichkeiten beraubt, trotz der formelhaften Erstarrung, in der sie vielfach auftreten, einen Strom geistigen Lebens hinein; und inmitten einer ewigen, wenn auch unendlich reich modifizierten Wiederkehr aller Motive sind sie etwas Einmaliges, Individuelles, ein fast aufreizendes Ele- ment auch dort, wo sie fast ganz zu einem form- bildenden Faktor, zu einem rein ornamentalen Be- standteil geworden sind. Für diese rein formale künstlerische Funktion eignet sich die arabische Schrift in besonderer Weise. Ihr klarer, ganz auf

JULIUS RODEN BERG DIEARABISCHE SCHRIFT ALS ORNAMENT

lineare Wirkung gestellter Duktus, ihre Buchstaben, die keine schweren abgeschlossenen Gebilde sind, sondern durch einfache, aberscharfcharakteristische Linienführung gleichsam vor unseren Augen entste- hen, der reizvolle Gegensatz zwischen Wellenbewe- gung und vertikaler Tendenz, befähigt sie, sich in das islamische Ornament in glücklichster Weise einzu- fügen, ihm verwandt in der strengen Reinheit der Form, die fast nie durch Willkür verändert oder durch Schnörkel entstellt wird, ihm überlegen durch ihre Elastizität und die Möglichkeit individueller Ausprägung unter einer schöpferischen Hand. Am wenigsten kommt die geschilderte Eigenart der arabischen Schrift in der eckigen kufischen Schrift zum Ausdruck, von der man früher glaubte, daß sich aus ihr die runde arabische Schrift ent- wickelt habe, die aber nach B.Moritz! neben der runden als eine hauptsächlich für Stein- und Münz- inschriften sowie für Korane gebrauchte Schrift be- standen hat. Der Eindruck der kufischen Schrift ist monumental, schwer, wúrdevoll; die Linien sind breit, wie mit dem Pinsel gezogen, die Oberlängen, die sich in scharfer Brechung an die Horizontale schließen, sind häufig überhöht und fallen stark ins Auge, während die Unterlängen weniger ausgebildet sind. Der ornamentale Charakter der Schrift, der noch durch die kreisförmigen, an Schneckengehäuse erinnernden Schleifen gewisser kleiner Buchstaben verstärkt wird, ist offenbar; doch fehlt ihr die Leich- tigkeit, sie widerstrebt der vorwärtsdrängenden Hand und eignet sich mehr für Meißel und Pinsel, als für das leichte Schreibrohr. Was ihr fehlt, besitzt die runde Naskhi-Schrift, die nicht jünger als sie, als Bücherschrift ausgebreitete Verwendung fand und sich vor allem in Ägypten und Syrien erhalten hat; nach ihr sind die meisten der heutigen Druckschriften

1 Ensyklop. d. Islam I, S. 403—410.

geschnitten. In der Naskhi tritt der charakteri- stische Duktus der arabischen Schrift vollkommen hervor: der streng horizontale Zug, das zarte und stolze Pfeilerwerk der im Gegensatz zum Kufi sich nach unten verjüngenden Alifs und Lams, die aus dem gedrüngten Zug der kleinen Buchstaben auf- ragend den Eindruck von Festigkeit und Anmut her- vorrufen ; die bald flachen, bald runderen Bogen der Endformen, die, unter der Zeile schwingend, der Schrift einen stark bewegten, aber doch maßvollen Rbythmus verleihen; die diakritischen Punkte, die die gleichen Buchstabenformen in geistreicher Weise unterscheiden und das Schriftbild zugleich lockern und charakteristisch gestalten. Einen von der Naskhi wesentlich verschiedenen Eindruck ruft die in Persien gebräuchliche Ta’likschrift hervor, und zwar liegt der Unterschied weniger in der Form, als im Rhythmus. Der streng horizontale Zug derSchrift tritt zurück; eine starke, von rechts oben nach links unten gerichtete Bewegung macht sich geltend, hebt die Anfangsbuchstaben und klingt in den starken Druck der Endformen aus. Der schräge Duktus ver- wischt einzelne Buchstabenformen, 2. B. die des MW, das háufig zu einem schwach gebogenen Strich wird; die ganze Schrift bekommt einen eleganten, ein wenig launenhaften Zug, etwas leicht Preziöses, das noch durch die Neigung verstärkt wird, die Anfangs- striche der Kafs (5) stark zu übertreiben, so daß sie wie vom Wind gestraffte Fahnen aus dem eilenden Zuge hervorragen.

Diese beiden großen Schriftgruppen, das Naskhi und Talik, besitzen bei aller Verschiedenheit beide schon an sich die Fähigkeit, sich in das islamische Ornament einzufügen und zu einem sofort mitwir- kenden lebendigen ornamentalen Faktor zu werden. Noch mehr eignen sich die eigentlichen Zierschriften dazu, die, ohne die reine Form der Buchstaben zu

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JULIUS RODENBERG.DIEARABISCHE SCHRIFT А15 ORNAMENT

verändern, doch in höchst kunstvoller Weise, oft in doppelter Linienführung und ansehnlicher Schrift- größe die feinsten Nuancen der Zeichnung heraus- bringen, so die in Prachtwerken verwendete Tumar- schrift oder die Sulus-Zierschrift, bei der durch Über- einanderschieben der Buchstaben die offenen Flächen zwischen den Oberlängen ausgefüllt werden und so der Eindruck eines breiten, prachtvoll ornamentier- ten Bandes erzielt wird.

Wie nun die arabische Schrift ornamental verwen- det wird, mögen einige besonders charakteristische Beispiele aus dem weiten Gebiet der islamischen Kunst erläutern. In der Architektur erscheint sie an den Innenwänden der Moscheen, und indem sie hier die Worte Allahs in herrlich geformten und ver- schlungenen Zeichen erstrahlen läßt, erfüllt sie in vollkommenster Weise ihre schon oben angedeutete Funktion, die bildliche Darstellung zu ersetzen, den in Worte gefaßten innersten Sinn des Glaubens in das Bereich des sinnlich Erkennbaren zu ziehen. Zugleich fließen ihre Zeichen zu gemäldeähnlichen Figuren, zu Kreisen und Ovalen zusammen; ja die Buchstaben selbst können sich zu Kreisen und Ster- nen ordnen, wie in der Suleimanmoschee zu Kon- stantinopel. Während diese Wandsprüche ein fast selbständiges künstlerisches Gebilde und nur durch den Zweck des Gebäudes ihm verbunden erscheinen, tritt die Schrift an anderen Stellen deutlich in den Dienst der Architektur, der sie vor allem als deko- ratives Element dient; so bei den mit Schriftzügen bedeckten Bändern, wie sie um die mächtigen Pfeiler der Sultan-Achmed-Moschee in Konstantinopel lau- fen und mehr noch bei den zahlreichen Türumrah- mungen in Moscheen und Palästen. Ein besonders schönes Beispiel bietet der Torbau Ala-eddisn II. zu Delhi aus dem Jahre 1310, bei dessen überaus reicher Tür- und Bogeneinfassung Schrift- und Ornament-

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bänder abwechseln; ihr Zusammenspiel mit den dekorierten Innenflächen wirkt besonders reizvoll. Immer wieder drängt sich die Empfindung auf, als erhielten diese reichen, komplizierten, zauberhaft wirkenden Werke arabischer Verzierungskunst ihr eigentliches Leben erst durch die kunstvoll hinein- gesetzten redenden Zeichen, fast unabhängig von deren Bedeutung, nur durch das vage Hineinspielen eines lebendigen Mediums. Herrliche Türumrahmun- gen haben auch die Prachtsäle der Alhambra, wo die Schrift auch sonst reiche ornamentale Verwendung findet, z. B. in Nischen, an den Kapitellen der Säu- len und am Rande des berühmten Lówenbrunnens. Bemerkenswert für die Inschriften der Alhambra ist ihre enge, in der islamischen Kunst sonst nicht übli- che Beziehung zum Gegenstand: sie reden den Be- schauer an und weisen ihn auf die Schönheiten der Dinge hin. Selbst die Außenseite der Kuppeln der Moschee erhält Schriftverzierung; so wird die mit Arabesken und geometrischen Motiven überspannte Kuppel der Grabmoschee Käit-Bäi in Kairo am unteren Rande von einem in breiter Zierschrift aus- geführten Bande umschlungen.

Die dekorative Kunst der Araber, als deren be- deutsames Element wir die Schrift erkannt haben, fand außer in der Baukunst ein weites Feld auf dem Gebiet des Kunstgewerbes, während die Plastik und Malerei sei es infolge des Bilderverbots, sei es in- folge einer tiefen, auf Begabungsmangel beruhenden Abneigung ganz zurücktraten. Nur die Miniatur- malerei gelangte in den schiitischen persischen Pro- vinzen, die sich um das Bilderverbot nicht kümmer- ten, zu hoher Blüte, und mit ihr die Buchkunst, die in der Ausschaltung der figürlichen Darstellungen auch im Westen, vor allem in Ägypten, hervor-

ragende Werke geschaffen hat. Hier finden wir die

Schrift, von deren kühnem Vordringen in die ihr |

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JULIUS RODEN BERG. DIE ARABISCHE SCHRIFT ALS ORNAMENT

ursprünglich fremde Architektur wir gesprochen ha- ben, auf ihrem eigentlichen Boden, auf den Blättern, auf denen kunstreiche Hände immer wieder in neu tastenden Versuchen, in immerwährendem Streben nach Vollendung ihre Formen bildeten, ihre Linien im bunt verschlungenen Spiel über die Seite leiteten. In den Schriftproben der Kalligraphen, kleinen voll- endeten Kunstwerken des Schreibrohrs, sehen wir die Schriftzüge, die bald gerade, bald schräg, bald im Zickzack laufen, als wollten sie ihre Kraft und Schönheit in den seltsamsten Stellungen zeigen, häu- fig von zart geschwungenen Linien umrahmt, die das ganze Schriftbild in geringem Abstand flüchtig um- reißend, wolkenförmige, helle Schilder bilden, von denen siclı die Schrift wirkungsvoller als von dem dekorierten Grunde abhebt. Häufig aber ist die Schrift auch absichtlich in den reich verzierten Grund bineinkomponiert, und die Kunst des Schreibers, die Buchstaben aus dem Gewirr der Arabesken und Ranken klar und zugleich unaufdringlich hervor- treten zu lassen, feiert hier ihre höchsten Triumphe. Auf den Titelseiten der Prunkwerke, vor allem der

prachtvollen Korane, deren fein erwogene Gliederung in Kopf- und FuBleisten, Umrahmungen, Medaillons zu immer neuen überraschenden Kompositionen führt, sind die Künstler unerschöpflich in der mannigfachen Verwendung der Schrift, die bald hell von dunklem, bald dunkel von hellem Grunde sich abhebt, die sich in die enge Umgrenzung der Zierleisten fügt und wieder frei auf dem breiten Mittelstück dahinfließt, und die oft auf derselben Seite die eckig feierlichen Züge des Kufi, die pom- pösen Formen der Tumarschrift oder die zierlich bewegten Linien des Ta lik annimmt. Nicht in so üppiger Fülle, doch in ausgesprochen ornamentaler Verwendung erscheinen die arabischen Buchstaben auf den islamischen Einbanddecken, wo sie häufig das Mittelschild und die ihm entsprechenden Neben- schilder füllen und deutlich als rein dekoratives Motiv auftreten. Auch in den Werken der orienta- lischen Teppichkunst begegnen uns Schriftbilder, und hier ist häufig ihr Inhalt ganz leer und gleich- gültig, ihre ornamentale Funktion ganz zur Haupt-

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UBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

VON PROFESSOR DR. JULIUS ZEITLER

Wi verehren die klassischen Schriften als Höhe- punkte der Entwicklung in ästhetischer Hinsicht, es sind die Urformen unserer abendländischen Schrift- charaktere, von denen eine ununterbrochene Linie bis in unsere Tage hereingeht. In den großen paläogra- phischen und epigraphischen Ergebnissen ist aller- dings das Künstlerische zumeist etwas zu kurz ge- kommen. Es dürfte von Interesse sein, dieses einmal ganz in den Vordergrund zu stellen. Für unsern Zweck braucht nicht wesentlich in die Schriftgeschichte zu- rückgegangen zu werden, es genügt sich zu vergegen- wärtigen, daß die Griechen ihre Schrift von den Se- miten, den Phöniziern erhalten haben, und zwar im 10. Jahrhundert vor Christi Geburt. Die einheitliche Urform, in der die vielen Lokalalphabete von Klein- asien bis Sizilien übereinstimmen, ist entlehnt und löst unvollkommene Formen des ägäischen Kultur- kreises ab. Es liegt ein tiefer Sinn in der Sage, wo- nach Kadmos, der „Morgenländer“, die Schrift nach Griechenland gebracht haben soll. Die ältesten grie- chischen Inschriften besitzen noch dieselben Buch- stabenformen wie die altsemitische Schrift, die Griechen erweisen sich aber sogleich als schöpferisch, indem sie in das phónizische Alphabet die Vokale

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einfügen, wozu sie die Zeichen für gewisse entbehr- liche semitische Konsonanten benutzen. Ebenso sind jene Inschriften noch bustrophedon geschrie- ben, d.h. sie laufen von rechts und links, furchen- artig, so wie der Pflüger mit den Ochsen den Acker beschreitet. Es gibt in dieser Schrift keinerlei Wort- trennung, keine Interpunktion, keine Abteilung am Zeilenende. Man setzt heute die älteste attische In- schrift, die diesen Charakter zeigt, in das Ende des 8. oder in den Anfang des 7. Jahrhunderts. Um dieselbe Zeit, seit 776 vor Christus, beginnen auch die Siegerlisten von Olympia. Mit der griechischen Kolonisation verbreitete sich diese Schrift nicht viel später in Sizilien und in Italien. Seit etwa 500 vor Christus gewinnt die griechische Schrift ihren ganz selbständigen Charakter: Die Schrift wird rechts- läufig, es wird stets von links nach rechts geschrie- ben, sie wird regelmäßiger und befolgt die Zeilen- richtung, indem die Zeichen zugleich senkrecht zur Schriftlinie gestellt werden. Die klassische Zeit des 5. Jahrhunderts und der Epoche Alexanders kennt nur große Buchstaben in steiler Form ohne jegliche Verzierung. Jedes Buchstabenzeichen füllt ungefähr ein Quadrat. Es spricht sich in der Schrift der archi-

ÜBERDASDEKORATIVEINDEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

tektonische Sinn des Griechen aus. Nach Alexander dem Großen kommt eine Interpunktion in Auf- nahme, und es werden die Wörter am Zeilenende nach bestimmten Gesetzen abgeteilt. Für den bild- haften Charakter der Inschriften ist wesentlich, daß in einer bestimmten genau abgegrenzten Phase die- ser Epoche die Buchstaben verschiedener Zeilen genau untereinanderstehen, als ob sie präzis Feldern eines Schachbrettes eingeordnet wären. Vorher herrscht Unregelmäßigkeit, nachher befreit man sich wieder von diesem Gesetz, zugunsten einer mehr or- ganisierenden Schriftanordnung. Kleine Buchsta- ben formt erst der Hellenismus. Für feierliche, sakrale, öffentliche Zwecke bediente man sich des Steines, der Bronze, des Bleies, die Kundgebungen dieser Art sollten dauerhaft, witterungsbeständig gemacht werden.

Schon der Grieche Dionys von h.-likarnaB, der um Christi Geburt lebte, wußte und bezeugte es, daß das altitalische und das altgriechische Alphabet das- selbe sind. Von den altitalischen Schriftformen ken- nen wir heute vor allem die etruskische, die umbri- sche, die faliscische, die oskische, die lateinische Schrift. Alle diese Schriftformen sind von Griechen- land her befruchtet, und zwar sind es die chalki- disch-dorischen Kolonien in Süditalien wie Cumae, Neapolis, Rhegium, zu denen sich die griechische Schrift zuerst verpflanzte, von hier wurde sie sodann von dem ältesten Kulturvolk Italiens, den Etrus- kern, aufgenommen. Dies muß seit dem Ende des 8. Jahrhunderts geschehen sein, da Cumae etwa 750 vor Christus gegründet ist. Die ältesten altitali- schen Schriftdenkmäler werden ins 6. Jahrhundert zu setzen sein. Alle italienischen Lokalalphabete gehen schließlich im Lateinischen auf. Als älteste römische Inschrift kennen wir den Lapis niger, den

Schwarzen Stein, auch Stein des Romulus genannt,

der etwa um 500 vor Christus, in das Ende der Königs- zeit, zu setzen ist. Er ist bustrophedon geschrieben und leider stark verstümmelt. Die Scipionen- Inschrift des 3. Jahrhunderts zeigt den Weg zur aus- gebildeten Lapidarschrift, wie sie sich für die lapi- des entwickelte. Bis ins 4. Jahrhundert hinein war die Schrift linksläufig, seit etwa 350 ist sie rechts- läufig. Die römische Kapitalschrift gestaltet sich zur Schrift des römischen Weltreiches, zum Aus- druck der Macht des Imperiums. Ein formenklares, strenges, selbstbewußtes Leben gibt sich in ihr kund. Ihre höchste Vollkommenheit erreicht die Monu- mentalschrift in der augusteischen, in der Kaiserzeit. In harmonischer Würde, in ruhiger Gemessenheit stehen die Buchstaben da. Sie sind durchaus der Größe der römischen Architektur entsprechend. Man kann überhaupt ein römisches Schriftbild archi- tektonisch nennen. In ihrer klaren rationalen Weise nimmt die Schrift immer Bezug auf die Architektur, sie berücksichtigt den Rahmen, dem sie sich einpaßt, die Buchstaben richten sich auf, stehen gerade. Die Elemente dieser Schrift können geometrische ge- nannt werden: die senkrechte, die wagrechte, die schräge Linie und der Kreisbogen. Die Wagrechten werden kurz gebildet, in den Schräglinien und Run- dungen dagegen breitet sich der Buchstabe aus. Man hat die griechische Schrift eine „Schnur- schrift", die römische eine ,,Bandschrift" genannt. Es ist damit auf die Bedingnisse der Herstellung hingewiesen. Es ist jedoch ein Problem, ob die Ent- wicklung der Lapidarschrift nicht ihre eigenen selb- ständigen Gesetze hat, gegenüber der Entwicklung der Scriptura, von der man jene gern abhängig macht, indem man sie als monumentalisierte Hand- schrift deutet. Es wäre demgegenüber zu erörtern, wie weit die Quadratarii, die Schriftmeißler, nicht doch ein selbständiges Schriftempfinden und Schrift-

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ÜBERDASDEKORATIVEINDEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

können besaßen. Auch in stilphilosophischer Hin- sicht begegnet man Widersprüchen. Ludwig Coellen behandelt die römische Capitalis als ein Ergebnis des Organizismus, nach dem Muster des menschlichen Leibes. Der Organismus (wir kommen hier in die Nähe der Worringerschen „Einfühlung‘) ist nach ihm die bestimmende Norm des Gestaitens. Jede Form, jeder Buchstabe gilt als abgeschlossenes, auf sich beruhendes organisches Individuum. Jeder Buchstabe hat organische Individualität, alle seine einzelnen Teile bilden miteinander ein System von Kräftefunktionen. Der Stilcharakter der Monumen- talechrift ist organischer Gliedzusammenhang, auf dem Grund des Ganzen, als neutraler Gesamtfläche. Hieraus resultiert die gleiche Höhe, die Einheits- wirkung der Zeile, überhaupt das Ganze organizi- stisch bestimmte Formenwesen. Jeder Einzelbuch- stabe erhält sich in seinem höchsten individuellen Wert. Von den Capitalen hebt Coellen die Unzialen und Halbunzialen ab, indem er sie als Ergebnisse des Kubismus bezeichnet. Ihre Buchstaben haben nur den Wert kollektiver oder kommunistischer In- dividuen, die im Ganzen der Form aufgehen, in ihrem Reihenkollektivismus ist der besondere Individual- wert aufgehoben. „Kubistische Gestaltung hat die organizistische abgelöst, statisch bewegungs- und verbindungslose die dynamisch fließende.“ So wer- den hier die Polaritäten des statischen (frühchrist- lichen) und des dynamischen (antiken) Stils heraus- entwickelt. Anderseits aber sieht man in der Litera- tur die Capitalis häufig als statisch bezeichnet, in Be- tonung der Ausgeglichenheit der Kräfte, die sie auf- weist. Es werden eben die Begriffe statisch und dynamisch noch durchaus nicht eindeutig gebraucht, sie lassen sich z. B. auch anwenden, um innerhalb eines Schriftsystems Kennzeichnungen sowohl für die Capitalis wie für die Scriptura zu finden, ohne

/ daB gleich damit an eine Gegensützlichkeit von Epo-

chen gedacht wird. Ebenso dürfte es mit einer rein philosophischen Schriftbehandlung nicht harmonie- ren, wenn man die römische Monumentalis als tekto- nisch bezeichnet findet. Mit den obigen Thesen stimmt es dagegen überein, wenn Dr. Konrad F. Bauer die römische Schrift als durchaus anthropo- morph bezeichnet, worin er sich freilich im wesent- lichen auf eine Physiologie des Schreibens bezieht. Einen kräftigen dynamischen Einschlag schreibt er auch gerade der Herkunft aus der Kalligraphie zu.

Es wird zur Beantwortung solcher Fragen auch das Handwerkszeug zur Herstellung solcher Stein- schriften mit herangezogen werden müssen. Vor allem müssen die römischen Inschriftmeißler eben solche Meister in ihrem Fache gewesen sein wie die Kalligraphen, ein Verhältnis, wie es auch das Kunst- handwerk des Mittelalters und der Renaissance cha- rakterisiert. Der Handwerker lebte eben in alten Zeiten ganz anders mit der Schrift als er es heute tut. Heute braucht er in den allermeisten Fällen die Vorzeichnung des Schreibmeisters; früher war er ebenso sein eigener Schriftentwerfer. Es wäre zu mechanisch gedacht, wenn man meinte, der rö- mische Steinmetz habe sich in allen Fällen seine Inschrift vorzeichnen lassen und er habe sie danach gemeißelt. Gewiß verfolgte er die Fortschritte in der Scriptura, und in zahlreichen Elementen wird er sich auch von ihr abhängig gemacht haben, wird er sie übernommen haben. Man möchte aber doch eher eine gleichläufige Bewegung des Schriftkönnens beim Librarius und beim Quadratarius annehmen als eine gänzlich einseitige Abhängigkeit. Die Mei- Belschrift kann nicht ausschließlich von der Farb- schrift, der Stilusschrift abstammen. In den über- wiegenden Fällen wird sich der Steinmetz seinen Ent-

wurf selbst gemacht haben, und zwar entsprechend

ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

den Gegebcnheiten des Werkzeugs, und dieses Werk- zeug, der dreikantige Meißel, ermöglichte gerade die meisterhafte Monumentalisierung der Schrift, wie er auch verhinderte, daB die Steinschrift über einen ge- wissen Grad hinaus sich zur Kursive abwandelte und beugte. Über alle technischen Mittel hinaus ist es auch immer die Vorstellung von der Schönheit einer gewollten Schriftform gewesen, die die Schriftgestal- tung bewirkte, und jegliches Werkzeug, jegliches Material ist ihr gegenüber immer nur dienend ge- wesen. Es lassen sich also drei Fälle ins Auge fas- sen: im ersten erhält der Steinmetz die Schriftvor- lage in der Größe oder in den Proportionen der In- schrift vom Schreibmeister geliefert, es kann dabei dieser selbst die Vorlage auf der Fläche mit einem Farbstift oder einer Feder einzeichnen, oder der Steinmetz verfährt so nach der Vorlage; im zweiten Fall entwirft der Steinmetz auf der Fläche seine In- schrift selbst; im dritten Fall skizziert er die In- schrift höchstens und meißelt sie, auf sein Können vertrauend, ohne weiteres ein. Daß nicht immer Vor- lagen zur Verfügung gestanden haben können, wird dadurch bewiesen, daß es zahlreiche Inschriften gibt, bei denen die Ausgänge der Zeilen immer gedrängter verlaufen, bei denen dazu gegen das Ende der Zeilen die Ligaturen sich häufen, um mit dem Raum aus- zukommen. Bei einer genauen proportionierten Vor- zeichnung wäre das undenkbar. Ausschlaggebend sind für die Monumentalis die Möglichkeiten und die Richtungen des Meißelschlags, dadurch wurde die würdige und feierliche Haltung der Schrift unter- stützt, und nur im Sinne des feierlichen, ja festlichen Charakters, wie er z. B. für die Inschriften auf den Triumphbögen immer erforderlich ist, bleibt sich diese Schriftform durch fast vier Jahrhunderte der römischen Geschichte gleich. Es ist der Anlaß, der in allen diesen Generationen die Monumentalität der

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Schrift hervorruft. Wir haben ja auch nicht allein die kursive Vulgärschrift der Wachstafeln, der Graf- fiti, als Gegensatz, sondern dazwischen stehen in ma- terialem Sinn ebenso noch die Erzinschriften, die mit dem Stichel oder einem sonstigen spitzen Instru- ment ins Metall eingeritzt, eingraviert wurden, wie die Beschriftung der acta diurna, auf den seit 59 vor Christus aufgestellten weißen Holztafeln, den alba, die jedenfalls unsern Plakatschriften als analog auf- zufassen sind, schließlich noch die scriptura actuaria, in der Monumentalschriften größeren Umfangs in kleinerem Schriftgrad hergestellt wurden.

Die Lapidarschrift des 2. und des 1. Jahrhunderts vor Christus besteht gewissermaßen aus gleichstar- ken Balkenzügen, bei denen die Hauptstriche durch senkrecht zu ihrer Richtung gelegte Meißelschläge, also schräg gerichtete, ihren Abschluß erhalten ha- ben. Diese Endigungen, „Sporen“ genannt, stam- men auch von den Griechen her und bürgern sich seit dem 3. Jahrhundert ein. Der an sich vorzügliche Buchstabe erhält durch ihn eine kräftige, üstheti- sche, mit seinem Organismus sich verschmelzende Steigerung. Schon hier ist dank dem bauenden tek- tonischen Sinn des Römers die einfache Grundform zur schönen Form erhöht. Die klare Struktur dieser Buchstaben bevorzugt stets.die optische Mitte, so- fern zweistöckige in Frage kommen, was das innere Spannungsverhältnis unübertrefflich macht. Unddie römischen Steinmetzen handhabten dieses ästhe- tische Gesetz, obwohl sie nie bei einem Rudolf von Larisch in dieSchule gegangen sind. Die augusteische Zeit bringt den Wechsel von starken und schwa- chen, von anschwellenden und abschwellenden Li- nien im Buchstaben, er reckt sich steil und gerade wie die römische Säule, die Abschlußstriche werden entweder senkrecht oder wagrecht eingeschlagen; man findet diesen Charakter am vollendetsten auf

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Abb. 3. Kenotaph des Centurionen Marcus Caelius, gefallen in der үй Schlacht im Teutoburger Walde.

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ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

der Inschrift des Titusbogens oder der Trajansäule verkörpert. Ligaturen treten jetzt mannigfach auf, auch finden sich Buchstaben in kleinerem Grad, die man Enklaven nennen kann, zwischen die großen eingefügt. Der Querschlag des Meißels an den Endi- gungen der Buchstaben verursachte, daB kleine Teil- chen ausbrachen, in sorgfältiger Rundung entstan- den hier die sogenannten Schraffierungen oder Schraffen. Die Kapitalschrift, die capitalis quadrata, ist das hóchste Ergebnis dieser Entwicklung; in den Versalien der Antiquaschrift haben sich diese Ver- salien bis auf uns verpflanzt. Man wird aber nicht nur die einzelnen Buchstaben in ihrer Schónheit zu würdigen haben, sondern, im Gegensatz zu ihrer blo- Ben Reihung, wie es einem frühen Buchstaben ent- spricht, auch die Entstehung von Wortbildern durch das Áuftreten kaum merklicher Wortlücken zu be- obachten haben, ebenso das Abteilen der Sátze durch Interpunktion. Der Entstehung des vertikalen Rhythmus, in der Aufeinanderfolge der Zeilen im Schriftfeld, kam der architektonische Sinn der Rö- mer zugute, der horizontale Rhythmus geht wesent- lich von der Gesamtwirkung des Wortbildes aus, auch hier haben wir erst wieder durch Larisch gelehrt erhalten, welche Bedeutung den Zwischenräumen beim Aneinanderreihen der Buchstaben innewohnt, und wie sehr diese Abstände abgewogen werden müs- sen. Den römischen quadratarii war dies natürlich. Es ist nicht nur der Einfluß der Verkehrsschrift, der Cursive gewesen, der die capitalis rustica auf In- schriften in ihrer Form bestimmte, sondern vor allem die Schnelligkeit der Herstellung, die flüch- tigere, schwungvollere Formen ohne Schlußlinien be- wirkte. Die Rustica ist enger, gedrängter, ihre Senk- rechten sind dünn, ihre Wagrechten sind dick. Der Meißel ist kein Calamus und auch kein Stilus, aber in der schnellen, eiligen Handhabung schlug er auf

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dem bequemsten Wege die Linien ein, wie ja auch die Gravierung in Bronze stets flüssiger ist. Das 3. Jahrhundert nach Christus bringt die Schrift als ebenmäßige Bedeckung von Flächen und Feldern, es meldet sich ein Flächencharakter mit einheitlicher

Gliederung im Gesamteindruck an, zugleich mit ver-

breiterten Proportionen der dazu prädestinierten Buchstaben. Auf diese Entwicklung setzt dann die der Unziale, der Zwölftelfußschrift wie sie Hierony- mus nannte, ein, mit dem Emporkommen des Chri- stentums. Es ist charakteristisch, daß man sich die Unziale nicht mehr gemeißelt denken kann. Hinzu- weisen wäre noch auf Einzelformen, wie das A mit der nach unten gebrochenen Haste, wie es im 4. Jahr- hundert, nach dem konstantinischen Edikt, auftritt; gleichfalls als eine Spätform, wahrscheinlich vom Orient her beeinflußt, ist die Einführung verzierter Sporen zu bezeichnen, im 4. Jahrhundert, oder die Spaltung, das Fischschwanzartige bei Endigungen, ein ornamentales Motiv, wie es in der Scriptura Da- masiana, der Schrift des Geheimschreibers Philo- calus, und in einer römischen Inschrift vom Jahr

391 zu beobachten ist.

II.

Um dem Werden der ásthetischen Schónheit von Inschriften auf die Spur zu kommen, wird man fest- halten müssen, daß der Skulptor, auch wenn er mit der Handschrift voll vertraut war, doch stets Rück- sicht nahm auf die eigentümliche Wirkungsweise seines Werkzeugs; er fügte sich den Gesetzen dessel- ben und auf diesem Wege entsteht eben das spezi- fische der Steininschriften, deren Schriftvorbildlich- keit man aus diesem Grunde auch eine eigene Ent- wicklung zusprechen muß. Eine Vase des Dipylon- stils des 8. Jahrhunderts vor Christus bewahrt uns die älteste griechische eingeritzte Vasenaufschrift i.

ÜBER DAS РЕКОВАТТУЕ IN РЕМ KLASSISCHEN SCHRIFTEN

Der Steinschrift näher kommt schon die Aufschrift einer korinthischen Lekythos?; hier ringen die Buch- staben um ihre Form, sie sind aber noch ganz un- regelmäßig gestellt. In beiden Fällen läuft die Schrift von rechts nach links. Die gleiche Unregel- mäßigkeit zeigen die Inschriften auf dem Lemnischen Stein? aus dem 6. Jahrhundert vor Christus (Athen, Nationalmuseum). Die noch ziemlich rohen Schrift- züge, von rechts nach links, werden thrakisch ge- deutet. Die ältesten melischen Inschriften, aus dem Beginn des 5. Jahrhunderts, haben sich schon eine schöne Gleichmäßigkeit erworben*. Sie bezeugen in ihrer geometrischen Form den mathematischen Sinn der Griechen. Die Schrift ist aber hier noch ebenso wenig mit Auszeichnungsstrichen, Sporen, versehen wie auf dem Stadtrecht von Gortyn, der berühmten ausführlichen kretischen Inschrift aus dem 5. Jahr- hundert’. In gleichmäßiger Reihung überziehen die Zeilen dekorativ den Stein. Eine senkrechte Regu- larität scheint sich hier und da nur durch Zufall her- zustellen. Ebensowenig kann von einer solchen auf der Inschrift eines thessalischen Weihgeschenks die Rede sein, einer Erzplatte®. Hierher gehört auch die rechtsläufige Inschrift, die Hiero I. von Syrakus nach der Schlacht bei Cumae 474 vor Christus auf einem etruskischen Bronzebelm anbringen ließ (Hiero, Sohn des Deinomenes, und die Syrakusaner weihen dem Zeus diesen etruskischen Helm nach derSchlacht bei Cumae)?. Hier schmiegen sich die Buchstaben- formen der Helmrundung an. Zu den ältesten joni- schen Inschriften zählen die Eingrabungen, die jo- nische Griechen als Söldner im Heere Psammetichsl. oder II. (etwa 660 bis 590 vor Christus) in Abu Simbul an den Kolossalstatuen eines Felsentempels an- brachten (z. B.: Als König Psammetich nach Ele- phantine kam, schrieben die Leute des Psammetich, des Sohnes des Theokles, dieses. Sie segelten und ge-

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langten bis oberhalb Kerkis, soweit der Fluß es ge- stattete. Die Fremden führte Potasimto, die Ägyp- ter Amasis. Der Schreiber war Archon, der Sohn des Amoibichos, und Pelagos, der Sohn des Eudamos)®, Diese naturgemäß rohen Inschriften sind für die Entwicklung der jonischen Schrift sehr wichtig. Das Original der Hermesstatue des Alkamenes® aus dem 5. Jahrhundert wird natürlich auch die Schrift der Zeit getragen haben. Die Schrift auf der Kopie, die bei den deutschen Ausgrabungen in Pergamon ge- funden wurde, ist aber schon hellenistisch, die Ko- pisten verwandten die Schrift ihrer Zeit. Unverzierte Inschriften weisen auch eine Reihe Grabsteine aus dem 4. Jahrhundert auf, es ist dabei für keine Regu- larisierung Sorge getragen 10. Diese scheint vor allem und zuerst auf feierlichen Inschriften aufgetreten zu sein, wie auf der attischen Marmorstele aus dem 5. Jahrhundert 11. Hier und auf einer ringsum stark lädierten Schriftplatte12 aus pentelischem Marmor aus dem Jahr 424 vor Christus stehen die Buch- staben genau senkrecht übereinander, der Möglich- keit der Gestaltung von Wortbildern ist also zu- gunsten des reinen geometrischen Eindrucks nicht der leiseste Raum gelassen. Dazu gesellt sich die voll- kommene Unverziertheit der Zeichen. In gleich- mäßigem Rhythmus überziehen die Buchstaben die Fläche. Ihre höchste Schönheit erreicht diese Phase in der Inschrift einer Marmortafel von der Akropolis von 408/7 vor Christus. Während sich auf den vori- gen Schriftdenkmälern noch die Meißelhiebe ziem- lich robust kenntlich machen, ist hier die Schrift un- gemein klar und schön, ohne Werkzeugspuren in einer edlen Einfachheit 13. Diese Methode, die Buchstaben wie in einem Gitter zu geometrisieren und die Fläche wie mit einem Muster streng zu überspinnen, hält sich kaum wesentlich länger als ein halbes Jahr- hundert; schon auf einer Inschrift einer attischen

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Abb. 4. Triumphbogen des Titus (81 п. Chr.) Rom.

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Abb. 5. Weihinschrift aus dem Anfang des 2. Jahrh.

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ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

Basis!* aus dem Jahr 365 vor Christus lösen sich die Buchstaben leicht aus diesem strengen Zusammen- hang, ebenso ist dies der Fall bei der kerkyräischen Stele aus dem Jahr 365 vor Christus, auf der üb- rigens die Inschrift interessant gedrängt und hoch- gestellt ist. Eine Privilegierungsinschrift aus Delphi in schöner Reihung!5 gehört der Phase unmittelbar nach der vollkommenen Geometrisierung an, sie hat den eben geschilderten gelockerten Charakter. Die Inschrift hat den Text: ,,Die Delphier haben dem Pankrates aus Thuria in Messenien, dem Sohne des Pasiteles, für ihn selbst und seine Nachkommen öffentliche Gastfreundschaft, Vorrecht bei der Be- fragung des Orakels, Vorsitz bei Beratungen, Schieds- richteramt, Unverletzbarkeit und günzliche Freiheit von Abgaben verliehen unter dem Archon Diokles und den Buleuten Damon, Orestes und Charixenes.“ Zierstriche sind hier noch nicht zu konstatieren, ebenso noch nicht auf dem leider recht zerstórten, bekannten ,,Akropolisstein'*19, der eine Anleitung zu einer Tachygraphie enthält, wobei die Schrift keines- wegs hervorragend genannt werden kann; der Stein ist auf ungeführ 350 vor Christus zu datieren. Hin- zuweisen wäre auch etwa auf die Inschrift des Steins, auf dem Philombrotos und Aphthonetes, die sich in Seegefahr befanden, zu Beginn des 5. Jahrhunderts,

ihre Zöpfe dem Poseidon weihen!? (Britisches Mu-

seum). Ebenso sei der Weihegabe-Inschrift des augenkranken Eukrates an die Demeter von Eleusis gedacht, auf einem Votivstein, der für jede Hygiene- ausstellung verwendbar wäre und manchen Ge- brauchsgraphiker inspirieren könnte!®. Daß im 5. Jahrhundert vor Christus auf Inschriften schon Ligaturen großen und kleinen Charakters angewandt werden, lehren die Inschriften von Delos 19, 402 vor Christus, und von Athen20, etwa 405/04 vor Christus; besonders der letztere Stein, mit den Relieffiguren

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der Juno und der Minerva, mußte auf diese Weise einen sehr umfangreichen Text bewältigen. Noch stärker prägt sich dies auf einer samischen Inschrift vom Jahre 364 vor Christus aus?!, Zierstriche und dekorative Verdickungen an den Enden der Buch- staben melden sich auf einer gut gegliederten In- schrift vom Minervatempel zu Priene mit einer Wid- mung Alexanders des Großen aus dem Jahr 334 vor Christus??, Die Columella der Lais mit ihren nicht sehr sorgfáltig gestellten und ziemlich obenhin ge- meißelten Buchstaben, wahrscheinlich aus der Mitte des 4. Jahrhunderts vor Christus, hat wagrechte und senkrechte Zierstriche. Hier begegnet einem auch das für griechische Herkunft charakteristische À mit dem nach unten gebrochenen Querbalken bzw. Mit- telhaste (A)23. Mit schönen klaren Zügen ist die per- gamenische Inschrift?* aus der Kaiserzeit entwickelt mit Bedacht gemeifelt besitzt sie die Zierstriche der augusteischen Zeit, in einem Typus, der deutlich von dem der trajanischen geschieden werden muß. Eine pergamenische Herme aus dem 2. Jahrhundert nach Christus weist deutlich eine Ornamentalisierung der Schrift auf25, Ähnliches ist von der athenischen In- schrift aus der gleichen Zeit zu bemerken; bei ihr treten außerdem die gespaltenen Ziersporen auf. Im gleichen Jahrhundert machen sich Einwirkungen spezifisch römischer Schrifterrungenschaften auf den Hellenismus geltend, so zeigt eine griechische Stein- inschrift aus dem Jahr 134 nach Christus merkwür- dige Vermengungen des originalen griechischen Duk- tus mit römischen und kalligraphischen Charakteren, teilweise könnte man hier sogar von Kursiveinfluß sprechen ??. Die Grabstele des Schreibers Timokra- tes28 gehört nach dem Charakter ihrer Inschrift in den Hellenismus des 1. Jahrhunderts nach Christus hinein. Die Anpassung der Schrift an die architek- tonischen Flächen bei Sarkophagen und Altären ist

*

ÜBERDASDEKORATIVEINDEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

im römischen Stil vollendeter zu beobachten als im griechischen. Hinzuweisen wäre bezüglich derSchrift- einfügung auf den durch Volutenhörner ausgezeich- neten Altar der Demeter in Pergamon, den Dörp- feld ausgegraben hat und der von Philetairos und Eumenes für ihre Mutter Boa der Göttin gestiftet wurde??, Eine aus hadrianischer Zeit stammende Steininschrift der Akropolis30, von der Wiederher- stellung von Heiligtümern handelnd, mit den ge- flossenen Zügen, scheint in Beziehung zum Charak- ter einer Inschrift aus Thera?! zu stehen, mit Liga- turen; sie mag ein Ausklingen griechischer Schrift- schönheit bedeuten. Die allgemeine Bildform dieser Inschrift, die sich einer symmetrischen Zentrierung nach der Mittelachse nur nähert, gibt zu erwägen, daß eine solche Anordnung überhaupt nicht im Sinn der griechischen Inschriftkunst zu liegen scheint ; im Bildhaften wird eher Ausgeglichenheit als symme- trische Harmonie angestrebt. Zuletzt möge noch der in Kappadozien zu Anisa gefundenen Erztafel Er- wähnung geschehen; mit dem Griffel oder Stichel sind in der Fläche Zeichen eingraviert, die sich den Merkmalen der Schreibschrift bedeutsam nähern; die Tafel stammt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. "M $

Das älteste bekannte römische Schriftdenkmal ist der Stein des Romulus??, der Lapis niger (Schwarze Stein), auf einer Stele von Tuffstein, der 1899 bei Ausgrabungen auf dem Forum Romanum in der Nähe des Triumphbogens des Septimius Se- verus inmitten von Resten alter Bauten gefunden wurde. Die Stele scheint früher etwa mannshoch und pyramidenförmig gewesen zu sein, jetzt ist nur mehr der untere Rumpf in der Höhe von ungefähr 60 Zentimeter erhalten. Die Inschrift wird im all- gemeinen um das Jahr 600 datiert, es wird geglaubt,

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sie sei noch in die Zeit der Könige zu setzen, die begründetere Ansicht geht dahin, daß sie aus den ersten Zeiten der Republik stammt. Der Inhalt der Inschrift betraf die Heiligkeit des Ortes; der Fluch war über denjenigen ausgesprochen, der es wagen sollte, das Heiligtum zu entweihen; vielleicht han- delte es sich um den Schutz und die Unverletzlich- keit der Rednerbühne, an das Grab des Romulus wird schwerlich zu denken sein. Die Inschrift er- streckt sich über alle vier Seiten der aufrecht stehen- den Stele; wer sie also lesen wollte, mußte um die Stele herumgehen. Die Zeilen waren offenbar in horizontaler Richtung in den Stein eingehauen wor- den, ehe dieser aufgestellt wurde. Jetzt stehen sie vertikal und laufen bustrophedon; einige Zeilen sind umgekehrt gestellt, offenbar ein Fehler des Stein- metzen. Die Schrift, die noch keinen künstlerischen

Wert hat, ist die der griechisch-chalkidischen Kolo-

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nie in Süditalien, die von den Römern adoptiert wor- den war. Als zweitälteste Inschrift wird die soge- nannte Duenos-Inschrift der Drechselschen Vase angenommen, die Inschrift, die sich um die Vase herumzieht, ist linksläufig und stammt wohl aus dem 4. Jahrhundert. Eine faliscische Inschrift®® aus dem 3. Jahrhundert, mit dem Stichel in eine Erz- tafel eingegraben, ist schon von weitgehender Re- gularität. Die spezielle Form der Schriftzeichen dieser Zeit findet man bei Day. Einen weiteren Fortschritt konstatiert man in der Inschrift des Sarkophags des L. Cornelius Scipio Barbatus*. Man fand den Sarkophag in dem großen Familien- grab der Scipionen an der Via Appia, deren Denk- mäler im Vatikanischen Museum zu Rom stehen. Die Namen sind mit roter Mennigfarbe hervorge- hoben. Scipio Barbatus war Konsul des Jahres 298 vor Christus. Sein Elogium in saturnischem Vers- maß lautet: „Sohn des Gajus, ein tapferer und

Abb. 6.

Inschrift von einem Caesonius mit dem Cursus honorum. Lateran. Mus. Rom.

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kluger Mann, dessen Äußeres seiner Tüchtigkeit entsprach. Er war Konsul, Zensor, Ädil, eroberte Taurasia, Cisauna in Samnium, unterwarf ganz Lu- kanien und führte Geiseln fort." Deutlich prägen sich in der Inschrift die Wortbilder aus. Das gleiche ist natürlich der Fall auf einer Erztafel, die einen Senatsbeschlu8 de bacchanalibus aus dem Jahr 186 vor Christus enthält. Man wird für die weitere Ent- wicklung im Auge zu behalten haben, ob die Sporen schräg ansetzen oder horizontal, besonders ob die Scheitelsporen bei spitzwinklig zusammenstoßenden Hasten vorhanden sind oder nicht. Es wurde schon betont, daß die in Erz gravierte Schrift stets die Be- ziehung zum Kalligraphischen hat. Ferner dürfte für die Folge wichtig sein, die Entwicklung in der Urbs und die in den Provinzen einigermaßen auseinander zu halten. In die Provinzen gelangen die Stilwellen der Inschriftkunst etwas später als sie in Rom ent- standen, manchmal hinkt dort die Entwicklung um ein Jahrhundert nach, wenn nicht ein in Rom ge- bildeter und daher gebürtiger Steinmetz oder Ent- werfer vorhanden war. Außerdem sind die Stufen der Feierlichkeit oder der Bedeutsamkeit zu beach- ten, die einer Inschrift innewohnen mußte; demge- mäß stufen sich auch die Arten der Ausführung von Inschriften ab. Je feierlicher, desto monumentaler, desto tektonischer. Nur in größeren Grenzen sind daher Inschriften einer Zeit, aber in verschiedener Ausführung, miteinander verwandt. Eine Inschrift aus dem 2. Jahrhundert35 zeigt noch erheblich schräge Sporen, eine Grabschrift aus der Zeit Sullas 36 gibt sich überwiegend mit horizontalen Schlußstri- chen. Bei einem Cippus Romanus aus dem Jahr 55 vor Christus 37” sind die oben erwähnten Scheitel- sporen schon nicht mehr zu beobachten. Die fest- lichen Inschriften der augusteischen Zeit haben sie in der Regel nicht mehr, doch scheint die Inschrift

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der Fasti Praenestini aus den Jahren 4 bis 10 nach Christus eine Ausnahme zu machen. Da sich im Pan- theon?? in der Vorhalle der ursprüngliche Bau der Agrippa erhalten hat, könnte vermutet werden, daß die Inschrift: „Marcus Agrippa Lucii Filius Consul Tertium Fecit“, d.h. „Markus Agrippa, Sohn des Lucius, hat dies in seinem dritten Konsulat erbaut“, aus der ursprünglichen Zeit stammt. Aber die Zei- chen werden schon in der hadrianischen Zeit er- neuert worden sein, ebenso noch später. Aus den nächsten Jahrzehnten bis zur Titusbogen-Inschrift von 81 nach Christus sei die Inschrift Acta fratrum Arvalium?? aus dem Jahr 59 nach Christus hervor- gehoben, die Ansätze zu zierlichen Schwüngen mit Scheitelsporen vereinigt; die Tafel ist in ihrem Text gut gegliedert; ihr möge sich eine Bauinschrift 40 auf dem Isistempel in Pompeji anschließen. In schon etwas geglätteter Form gibt sie bekannt: „Numerius Popidius, Sohn des Numerius, Celsius, hat den Isis- tempel, der beim Erdbeben eingestürzt war, von Grund auf mit eigenen Mitteln neu erbaut, ihn nah- men die Stadträte wegen seiner Freigebigkeit, ob- wohl er erst sechs Jahre alt war, in ihr Kollegium gebührenfrei auf.“ Eine zeitliche Grenze für die Stif- tung und den Stifter gibt hier die Verschüttung durch die Aschenmassen des Vesuv. Aus Wandan- schlägen in Pompeji sind uns auch Beispiele der scriptura actuariat! erhalten, so ein Plakat, auf dem sämtliche Obsthändler für die Wahl des Marcus Ho- norius Priscus zum Duumvirn Propaganda machen, eine Inschrift, die einer flüchtigeren Steinschrift näher steht als der capitalis quadrata. Hier wäre auch des Caeliussteinst2 zu gedenken, denn zeitlich muß seine Entstehung innerhalb der beiden auf die Varusschlacht folgenden Jahrzehnte angenommen werden. Der Stein wurde 1633 bei Xanten gefunden

und befindet sich jetzt in Bonn. Er ist dem Manius

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Caelius, Legat der 18. Legion, der 53 Jahre alt in der Varusschlacht fiel (cecidit bello Variano), errichtet ; der Gefallene und Vermißte zeigt sich im Relief mit allen seinen Orden und Würdenzeichen. Die oft dis- kutierten Worte ossa inferre licebit kónnen darauf gedeutet werden, daß das leere Grab bei Gelegenheit als wirkliche Grabstütte benutzt werden dürfe, so- fern der Bruder die Hoffnung aufgegeben hat, die Gebeine des Zenturionen aus dem Teutoburger Walde, oder wo sie bleichten, heimholen zu kónnen. Die Inschrift ist gut und entspricht in ihren Buch- stabenformen ganz der zeitgenössischen urbanen Übung. Sie kónnte ein Beispiel dafür sein, daB unter den Kolonialsoldaten der germanischen Provinz da- mals sowohl Schreibmeister wie begabte Steinmetzen sich befanden. Wenn eine Inschrift auf einer ent- sprechenden Tafel sich ausbreiten kann, so dient dies der Regularität, es liegt kein Anlaß vor, Liga- turen oder Enklaven zu machen; der beschrünkte Raum des Schriftfeldes beim Caeliusstein bedingte Ligaturen wie die Einspannung des I und des E in das L, die Verkleinerung des sonst ganz vollen O gegen das Ende der Zeile, sobald der Steinmetz merkt, daß er mit dem Platz nicht mehr recht aus- kommt; ähnliches läßt sich auch bei einem Mainzer Grabstein*3 des 1. Jahrhunderts nach Christus sehen, der noch gedrángter ist. Beim Titusbogen** tragen die mächtigen Pfeiler des Porticus triumphierend die Schriftplatte, wie sie bei jedem Triumphbogen das grandiose Kernstück des Monumentes ist. Kaiser Domitian ließ den Titusbogen zum Gedächtnis des -Sieges über die Juden errichten, er wurde 81 nach Christus geweiht. Die Inschrift lautet: ,,Der Senat und das Volk der Römer dem göttlichen Titus, Sohn des Vespasian unter der Regierung eines Kaisers aus der Familie der Vespasiane." Die Inschrift, domi- niert von dem groDartigen Wort Senatus, ist streng

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symmetrisch gruppiert, die Schriftzeichen, hóchst monumental wirkend, gehóren schon dem Typus ohne Scheitelsporen an. Man sieht Grund- und Haar- striche in der Ausbildung, aber doch überwiegt noch der Eindruck der Kraft des Schriftcharakters. Einen ähnlichen kräftigen Duktus besitzt eine römische Brunneninschrift 45, bei Mainz gefunden, dabei schon aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. In diese Gat- tung gehören auch Inschriftenbruchstücke mit sehr klaren Zeichen, aus dem lateranischen Museum (An- derson, 24 246). Es mag hier noch auf den Triumph- bogen des Kaisers Oktavianus Augustus zu Susa“ und zu Rimini*? hingewiesen sein; mit nicht sehr ausgesprochener Árt und Verteilung der Schrift. Beim Triumphbogen in Rimini ist die Schrift nur zur Hälfte erhalten. Hier wäre der Ort, des Monu- mentum Ancyranum4® zu gedenken, das sich in An- gora erhalten hat. Wir wissen, daß dem Testament des Kaisers Augustus drei Urkunden beigegeben wa- ren, von denen die dritte eine Übersicht über seine hervorragendsten Unternehmungen vom ersten Er- scheinen in der Öffentlichkeit an bis zu seinem Tode gibt, d.h. über Gesetze und Verordnungen, emp- fangene Würden und Auszeichnungen, gemachte Schenkungen und Stiftungen, Eroberungen und Ge- bietserweiterungen, ausgeführte Bauwerke und Schaustellungen. Das Original der Inschrift, bei sei- nem Grabmal aufgestellt, war in Bronze, es ist ver- lorengegangen, es ist nicht notwendig, daß die Schrift des Ancyranum eine genaue Kopie darstellte, nach ihrem erheblichen Rustikacharakter scheint sie aus etwas späterer Zeit zu stammen. Die Tabula ali- mentaria Ligurum Baebianorum+? aus dem Jahr 101 nach Christus, eine Erztafel mit Einritzungen, die bei Benevent gefunden wurde, reproduziert geradezu die pompejianische Kursive. Die in Erz gravierte In- schrift der Lex Julia municipalis50 arbeitet mit sehr

Abb. 7.

Titulus des Papstes Damasius (t 384).

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kleinen und flüchtigen Buchstaben. Die nächste Stufe nach der Titusinschrift stellt die Trajan- inschrift 51 auf der Trajanssäule vom Jahr 114 nach Christus dar. Dazwischen liegen ein paar wichtige Militärdiplome aus der domitianischen und trajani- schen Zeit; das Diplom mit der Aufzeichnung eines Erlasses des Kaisers Domitian aus dem Jahr 93 nach Christus war am Tempel des Augustus in Rom angebracht, es war darin den Veteranen von drei Alen und neun Kohorten ehrenvoller Abschied ge- währt und civitas und connubium verliehen worden. Vorliegend ist die Kopie, die auf der vierten Seite von sieben Zeugen beglaubigt ist. Die beiden bron- zenen Platten, aus denen das Militärdiplom besteht, wurden bei Widdin aufgefunden und werden im Na- tionalmuseum in Sofia aufbewahrt. Militärdiplome dieser Art bilden ein Diptychon mit zwei Innen- und zwei Außenseiten. Auf den beiden Innenseiten be- findet sich die Haupturkunde, die äußeren Seiten geben zum Lesen den Inhalt der Urkunde wieder. Die inneren Seiten sind daher auch, wie stets, flüch- tiger, kursivmäßiger, während wenigstens die erste Seite hier eine regelrechte Eingravierung hat. Ein zweites hier erwähnenswertes Militärdiplom befin- det sich im Antiquarium in München, vom Jahr 108 nach Christus, es wurde in Weißenburg am Sand ge- funden, stammt also von der Limesbesatzung. Die bisher in der Schriftgeschichte zu größtem Ruhm gelangte Inschrift befindet sich auf der Basis der Trajansäule (Anderson 278), die auf 114 nach Chri- stus zu datieren ist. Die Inschrift, in ihrem unteren Teil durch einen früheren Dacheinbau über der Türe nicht unerheblich verletzt, zeigt einen ausgeprägteren Wechsel von Grund- und Haarstrich, und ist mit der höchsten Feinheit und Sorgfalt, ohne alle Schei- telsporen, ausgeführt. Nur in den unteren Zeilen be- kommen die Zeichen manchmal etwas Gedrücktes,

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als ob der Schriftmeißler nicht recht mit dem Raum ausgekommen wäre. Es könnte eine Andeutung sein, daß selbst bei diesem Monumentalwerk keine ganz genaue Vorzeichnung vorlag, oder daß die Vorzeich- nung nicht völlig präzis auf die Fläche übertragen war. Wie dem auch sei, dem Schriftmeißler scheint Raum gegeben gewesen zu sein, sich auf seine Im- provisation zu verlassen. Dabei sind die einzelnen Schriftzeichen doch maßvoll, die Rundungen dehnen sich nicht ungebührlich aus. Es böte sich Veranlas- sung, gerade bei der Trajaninschrift von den Werk- zeugen zu reden, die den römischen Schriftstein- metzen zur Verfügung gestanden haben. Es müssen mehrere gewesen sein und darunter sehr feine. Stein- metzen lassen häufig ihre Werkzeuge auf ihr Grab- mal setzen, darunter Spitzmeißel, Schlegel, Breit- meißel. Die Grabschrift des Nepos 52, bei Bari gefun- den, aus Byzanz, mit schöner Platte, hat dazu auch Stemmeisen, Keile usw. Frühere Schriften erschei- nen einfach wie ausgehöhlt, hier ist aufs sorgfältigste die Linie in einem scharfen Dreieck vertieft, die Rän- der sind glatt und treffen sich genau in der Furche. Die Schrift ist absolut steingemäß, nicht der gering- sten Beziehung zur Kalligraphie zu zeihen. Auch wenn man sie nicht mehr ganz so hoch stellt wie bisher, so gehört sie doch zu den schönsten Leistun- gen der römischen Schriftkunst. In der Nachbar- schaft der Trajanssäule, aber doch nicht so hoch zu bewerten wie sie, steht die Inschrift auf dem Triumphbogen Trajans, Sohnes des Nerva, in Bene- vent53, die gleichfalls ins Jahr 114 nach Christus ge- setzt wird; sie steht vortrefflich gegliedert auf der Fläche der Attika. Auf dem Trajansbogen in An- cona erscheint die Schrift zu dicht, zu klein. Ver- wandt mit den trajanischen Schriften ist die Weih- inschrift54 auf Marmor, die im ersten Viertel des

2. Jahrhunderts nach Christus ein Ärzteverein, der

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sich Collegium salutare nennt, vielleicht der Klub der Leibärzte des kaiserlichen Hauses oder eines Distrikts der römischen Ortskrankenkasse, dem Nu- men desselben weihte. In mehreren Stücken wurde die Inschrift 1885 in der Nähe des Monte Testaccio in Rom gefunden. Aus dem Charakter der Schrift und aus anderen Gründen darf geschlossen werden, daß die Inschrift aus der Zeit Hadrians (117—138) stammt. Die feierliche Widmung oben ist sorgfältig behandelt. Die Arzteliste steht in fünf Reihen neben- einander, die Schriftzeichen nehmen hier die Form einer bequemen Rustika an, die Endbuchstaben der Namen der Mediziner sind der Harmonie wegen stets an das Ende der Kolumnen gesetzt. Von Abkür- zungen ist des gesamten Tafeleindrucks halber reich- lich Gebrauch gemacht; auch einige Ligaturen kom- men vor. Die Worte sind durch Punkte getrennt; die Leserlichkeit der Wortbilder ist dadurch ge- steigert. Eine Grabschrift für einen Freigelassenen Hadrians bekommt schon leise ornamentalisierende Züge (Anderson 14 234), die Sporen nehmen fast et- was Schwungvolles an. Auf der Inschrift auf dem Sockel der Mark-Aurel-Säule55 (180 nach Christus) breiten sich die Zeichen sehr in der Fläche aus (ein später Abkómmling dieser Inschrift scheint die auf dem Sockel des Obelisken im Hippodrom zu Kon- stantinopel zu sein); in guter Weise gegliedert ist die Inschrift auf dem Triumphbogen des Septimius Severus 56 aus dem Jahr 203 nach Christus; die In- schrift erstreckt sich über die ganze Breite der At- tika. Hierher gehórt auch eine stattliche Inschrift zu Ehren des Kaisers Septimius Severus, die im late- ranischen Museum bewahrt wird (Anderson 24 231). Die Schrift nähert sich bei aller Monumentalität schon einem verzierten Typus. Nur in den Haupt- zeilen hatte der Skulptor Raum, die Balken sind hier nicht von gleichmäßiger Dicke, sondern ab- und an-

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schwellend. In den Zeilen, in denen mit kleinerem Majuskelgrad mehr Text unterzubringen war, sieht sich der Schriftmeißler gegen den rechten Rand hin fast stets in Verlegenheit, er greift zu Ligaturen und klemmt einen Buchstaben gerade noch ein, wieder ein Beweis, welche erhebliche Selbständigkeit ihm doch in seiner Arbeit gelassen war. Weniger ge- drängt, schöner, ist die Grabschrift des Gnäus Sta- tilius Crescens, meisterlich geformt, aber schließlich doch von derselben Kalamität zeugend (Anderson 24 249, lateranisches Museum). Und es möge hier sogleich die Inschrift auf dem Triumphbogen des Konstantin5? angeschlossen sein, die aus der Zeit nach 315 nach Christus stammt ; trotz des feierlichen Anlasses hatdie Schrift schon sehr ihr Festliches und Elegantes verloren, es wird in dieser Zeit alles rusti- kaler. Eine Weihinschrift, in Solnhofener Stein ge- meißelt, in Regensburg gefunden, wird im ober- pfälzischen Kreismuseum zu St. Ulrich zu Regens- burg aufbewahrt; sie stammt aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts nach Christus; sie zeigt einige interessante Ligaturen in gutem Rhythmus, scheint aber von Erosionen mitgenommen zu sein. Der Zeit um 300 gehört eine römische Weihinschrift 5 in Mainz an, die sich ganz ins einheitlich flächenmäßige ausdehnt. Von einem Hervortreten einzelner Wort- bilder kann hier hinwiederum nicht mehr gesprochen werden. Eher noch ist dies der Fall auf der Basis Asterii5® aus dem Jahr 340 nach Christus. Der Schriftcharakter ist hier noch ein ganz angemessener. Die Basis Auxenti Drauci® bringt die Schrift in einer Zwischenstellung zwischen Rustika und Kur- sive, durch die Schrägrichtung der Kapitalbuchsta- ben. Das Nationalmuseum in Athen bewahrt eine Inschrift, die 1889 in den Ruinen einer byzantini- schen Kirche in Platää in Griechenland gefunden wurde, halb ausgetreten. Sie enthält die Einleitung

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Wl VS HI ARJOSORORN : Abb. 8. Römischer Grabstein aus

Mainz. 1. Jahrh. n. Chr. (Aus: Bauer, Mainzer Epigraphik).

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Abb. 9. Römische Brunnen-Inschrift, bei Mainz gefunden.

2. Jahrh. n. Chr. (Aus: Bauer, Mainzer Epigraphik?.

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des Edikts des Kaisers Diokletian, worin Preise für Lebensmittel und Erzeugnisse des GewerbefleiBes, für Arbeitslöhne und Honorare stehen, die Inschrift ist ein Gemisch von Rustika, Kursiv und Uncialis; das Schriftkönnen in monumentalem Sinne neigt sich, offenbar verstand zudem der Steinmetz die Schrift seiner Vorlage nicht (De pretiis rerum ve- nalium vom Jahre 301)61. In einer Grabschrift aus derselben Zeit9? sehen wir den Übergang aus der äl- teren römischen Kursive sich in die jüngere voll- ziehen. Inschriften, die sich vom Monumentalen er- heblich entfernen, sind eine pränestinische (Ander- son 24 251, lateranisches Museum), ein Elogium eines Caesonius mit Aufzählung seiner Ehren und Würden, vollkommen im Rustikatypus, und die Grabschrift einer Elpidia, in einer unverhehlten Kur- sive(Anderson 24 251 und 24 242, beide im Lateran), Breitströmend, ungegliedert, in einförmiger Reihung ohne Worthervortretung, erstreckt sich das Carmen des Papstes Damasis 63 (gestorben 384) in der Kirche San Agnete an der Via Nomentana; zum Flächen- charakter gehört die Ausbildung der Zierformen und der gespaltenen Sporen. Den gleichen frühchrist- lichen Kollektivismus haben die 13 m breiten Buch- stabenreihen in Santa Sabina auf dem Aventin, die auf den Papst Coelestin 64, gestorben 432, Bezug haben. Hier haben wir den Ausklang der römischen monumentalen Schriftkunst.

Es sei schließlich noch eine Reihe profaner und sakraler Schriftdenkmäler erörtert, die zu Gruppen zusammengefaßt werden können. Da wären im profanen und kunstgewerblichen Sinne sogleich die Legionsstempel, die für die Datierung der Lager so aufschlußreich sind . Es gab auch Brennstempel. Ein Meilenstein ss mit einem Elogium auf Caracalla aus dem Jahr 201 nach Christus wurde zwischen

Kempten und Bregenz gefunden. Grenzsteine sind

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zumeist kursiv. Töpferstempel ®” von Sigillatagefäßen (Saalburg) gehen häufig recht willkürlich mit der Schrift um. Dem 2. Jahrhundert nach Christus ge- hört noch das Denkmal an, das sich der Hofbäcker und Brotfabrikant Eurysaces® in Rom hat errichten lassen und das er zum Ruhm seiner Salzstangen seiner Dampfbäckerei mit einer Inschrift in zeit- gemäßen Zeichen versehen ließ: („Нос est monu- mentum Eurysacis pistoris et redemptoris appare- torum'*). Diehls Inscriptiones latinae enthalten eine reiche Fülle an Tituli sacri, Tituli imperatorum, Tituli militares, Tituli liberatorum usw., und man muß daraus den Eindruck gewinnen, daß die Schrift- eingrabung ein spezifisches Gewerbe, ein blühendes Kunstgewerbe war*?. Im allgemeinen sei von diesen Inschriften aus der Kaiserzeit und der Spätantike nur gesagt, daß sie einen ausgezeichneten Rhyth- mus in der Verteilung der Schrift über die ver- schiedenen Zeilen je nach dem Grade ihrer Her- stellung zeigen, in den weitaus meisten Fällen ist die Mittelachsenstellung je nach der Begrenzung der Fläche durch den Rahmen gut gewahrt. Bedeut- sam sind ferner die Inschriften auf Altären, wie sie sich auf dem Merkuraltar und dem Mithrasaltar in Heddernheim, auf dem Nymphenaltar der Saal- burg, auf dem Altar, den Venatius Florus I. O. M. lubens, laetus stiftete, an dem in den Thermen von Badenweiler, Dianae abnobae gewidmet, finden 70. Den Göttern, dem Genius, dem Matronenkult werden Denkmäler mit Inschriften geweiht?!. So hat auch ein Schiffer der an der Scheldemündung gelegenen Insel Walcheren der germanischen lokalen Schiff- fahrtsgöttin Nehalennia?? einen Altar geweiht: „Der Göttin Nehalennia hat Januarinus Ambothius für sich und die Seinigen diesen Altar als Gelübde gern verdientermaßen (votum rite libens merito)

dargebracht." Stets ist dabei der rechte Balken

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ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

des N zum I erhöht; die Inschrift, die wohl aus dem 3. Jahrhundert stammt, zeugt von Sorgsam- keit der Herstellung.

Der Grabdenkmäler und Grabsteine mit schönen Inschriften gibt es eine Legion. Die meisten der- jenigen, auf die hier hingewiesen werden soll, stam- men aus dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus, in dieser Zeit haben sie, auch in der germanischen Provinz, noch eine gute Form, Es ist überraschend, wieviel Freiheiten man sich dabei infolge des be- schränkten Feldes hinsichtlich der Buchstabenzu- sammenordnung gestattete. Rührend ist ein Stein, der den loculus verschloB, der die Asche eines na- menlosen Sueben enthielt: Suebus Germanus hic situs est?3 (jetzt im Museo Kircheriano, Rom), ge- funden in der Nähe der Porta maggiore. Römische Grabsteine illustrieren gerne sowohl Germanen un- terliegend, so in dem des Romanius?* (Mainzer Mu- seum), wie in dem des Andes”5 (ebenda). (Die Grab- steine aus Wiesbaden und Mainz sind aufs ein- gebendste von Dr. Konrad F. Bauer erforscht worden.) Zu nennen wäre noch der des Legio- nars Valerius 76, des Faltonius??, des Janus?8, des Togitio??, des Adbogius® (von wesentlich späterem Typus), des Adlerträgers Mutius®!, des Legionars Florus 82, des Reiters Dolaus 83, des Silius 84, des Atemptus im Louvre, ihre Inschriften sind zu einem guten Teil charaktervoll, Erhöhungen und Einklammerungen von T, L, I müssen häufig zu Verkürzungen dienen. Die Grabsteine des Ehepaars Albinus Asper im Trierer Provinzialmuseum®5 und des Antistius Sarculo und der Antistia Plutia im Britischen Museum®® haben eine glattere, konven- tionellere Art. Der Römer Andes ist durch die Bucina als Trompeter gekennzeichnet, wie auch der Mannheimer Sibbacus 87. Dem Kriegsgerichterat Ta- cilius®® (Avignon, Musée Calvet) hat man die sella

curulis castrensis unter die treffliche Inschrift ge- meiBelt. Kamm und Haarnadel schmücken den schlichten Grabstein, den der trauernde Polydeukes der wohlverdienten Haarkünstlerin Cyparenis*? (Ornatrici) mit anständiger Beschriftung errichtete, Die Grabplatte eines Barbiers in der Calixt- katakombe hat zu schlechter Orthographie die zeit- üblichen Zeichen. Sehr hübsch ist die Grabschrift für den Schiffszimmermann Lampidienus®! in Ra- venna, „ad opus properat“, er geht eilig ans Werk. Das Grabmal der Secundinier in Igel?? enthält eine gedrängte, nicht leicht mehr entzifferbare Inschrift. Solid, aber provinziell ist die Inschrift auf dem Grabstein des Schiffers Blussus??, im Mainzer Mu- seum. Blussus, dem Namen und der Tracht nach ein Kelte, noch am Rhein sitzend, als nauta bezeichnet, eigentlich ein Großspediteur, sicher von Weinladun- gen, erhält von seinem Sohne den Gedenkstein ge- setzt. Die Rückseite kann als eine Art Plakat oder Firmenschild gedeutet werden. Es sei noch der Grabstein der Maurus % aus dem 4. Jahrhundert an- geführt, in Mainz: „Crispinus errichtete den Grab- stein seiner süßesten Gattin Maura, die den Be- schluß der Schöpfung erfüllte, daß unsere Ehe nur 12 Monate und 27 Tage dauerte. Sie lebte 17 Jahre, 9 Monate und 20 Tage. Diesen Grabstein errichtete Crispinus seiner Gattin Maura in Christo Jesu." Die Inschrift, in der Hilfslinien für die Zeilenführung noch vorhanden scheinen, ist recht unbekümmert und handwerklich. Das Christentum mißachtete den Leib, auch der Leib der Schrift findet sich immer weniger geschützt, ihr Weg ist von nun an der der Vergeistigung. Aber auch den neuen geistigen For- men gegenüber behauptet die klassische Schrift ihre ewige Klarheit.

Ein rundes Jahrtausend der klassischen Monu- mentalschrift zieht in diesen Dokumenten am Be-

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Abb. 10. Römische Weihinschrift aus Mainz 213—317 n. Chr. (Aus: Bauer, Mainzer Epigraphik).

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Abb. 11. Grabstein der Maura. 4. Jahrh. n. Chr.

ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

trachter vorüber, stete blieben die Grundformen der Kapitalbuchstaben und ihre künstlerische Behand- lung und Zusammensetzung im Mittelpunkt der Er- örterung. Paläographie und Epigraphik können sicherlich noch mehr Beispiele für diese Probleme hinzutragen. Die Hauptstationen dieser Entwick-

ANMERKUNGEN

1 Lamer, Tafel 82a * Wetzig, Seite VI AES 82b 22 Schramm, Tafel 34 3 Kern | 2% Tamer, Tafel 20 E M » 4 mer ass » 83 9 а er -. 31 Kern 46 * x » 10 32 Steffens 1; 7 Jensen, Seite 160 Diehl de d * ж » 161 Be us Sa. s * Lamer, Tafel 51 wll 4 "€ L » 82 35 Day 2 п Kern » 14 зе Diehl 6 . 15 са 8 To оё » 18 35 Seeck, Seite 87 = » 24 # Diehl 25 | 18 Weise, Seite 95 4 Lamer 77 ! Kern, Tafel 26 Mit" 7 - 17 Lamer 21 42 Steinhausen, wo w 21 Tafel 47; Kern » 16,19 Blümlein, Seite 68 SE 19, 20 43 Bauer, Seite 4 ET » 26, 21 44 Weise 100 "UU dh » 31 5 Bauer 5 з Ehmcke, Seite 6 4 Weise 166 * Kern, Tafel 38 472 166 Е" 46 4 Stübe, Tafel 18 * 46 Diehl a 127

81

lung wären aber für sie sicherlich dieselben gewesen.

Es kam auch nicht auf die Erweiterung der paläo-

graphischen Kenntnisse im engeren Sinne an,sondern auf die Herausarbeitung des künstlerischen Faktors in den antiken Monumentalschriften, auf die Betonung der in ihnen sich offenbarenden hohen Schriftkunst.

50 Schramm, Tafel 31

51 Coellen 1

52 Brandt, Seite 102

5 Diehl, Tafel 26

5 Steffens 7; Ehmcke, Seite 9

55 Koepp »„ 56

56 Winter, Tafel 186

5 Diehl » 26; Winter 192

58 Bauer, Seite 5

5 Diehl, Tafel 29

© „, » 29

el Steffens 11

63 2 T 12

¢ Diehl » 36

= ow » 36

6 Koepp » 69; Blümlein 47, 92; Lamer „, 87

* Luckenbach, Seite 80

7 Blümlein, Seite 75

¢ Winter » 63

** Diehl, Tafel 12—24

10 Luckenbach, Seite 80; Blümlein, Seite 110

71 Blümlein, S.

12 Weise 5 3 Heyck 74 5 e

Koepp 76 5 н © Blümlein 77 es -" 76 T 3 79 D z ез y 99 1 Koepp 82 TN E 83

114, 115 101 35 55; 73 153 51 51 55 70 103 123 124 126 127

85 Lamer, Tafel 91

se 57

92

87 Blümlein, Seite 69 88 Lamer, Tafel 57

89 » zg

13

*? Brandt, Seite 102

91

= 99 99 % Koepp „,

Brandt * Blümlein

114 118 76, 77; 108 116

ÜBER DAS DEKORATIVE IN DEN KLASSISCHEN SCHRIFTEN

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DER SCHMUCKWERT DER AGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

VON PROFESSOR DR. ROEDER-HILDESHEIM

Die Ägypter haben ihre Hieroglyphen um das Jahr 3000 v. Chr. herum erfunden. Allmählich ent- stand damals eine Bilderschrift aus der Wiedergabe von Gegenständen, die man schon viel früher ge- zeichnet hatte, um nicht nur selbst Freude an ihrer Darstellung zu haben, sondern die Bilder den Mit- menschen, vielleicht auch schon einem bestimmten von ihnen, mitzuteilen. In dieser alten Bilderschrift, die im Laufe der Zeit immer weiter vervollständigt und ausgestaltet wurde, tritt uns die ganze sicht- bare Welt entgegen, die den Ägypter umgab. Zuerst die Menschen und die Götter, die er sich nach menschlichem Vorbilde dachte, um übernatür- liches Beiwerk und Symbole bereichert. Dann der Himmel mit der Sonne und den Sternen, auch mit den heute so seltenen Wolken und ihrem Regen. Die Erde mit ihren Bergen und dem das Land be- herrschenden Fluß, dazu den Pflanzen und Tieren. Endlich Haus und Hof mit Küche und Schreibstube, der Weberei und allen Handwerksgeräten, mit der Hackarbeit auf dem Acker, den Weide- und Zug- tieren usw. Alles dieses spiegelt sich in der ägypti- schen Schrift wider, und man kann den Hieroglyphen eine ganze Kulturgeschichte in Bildern entnehmen.

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Es ist hier nicht meine Aufgabe, die Probleme zu verfolgen, die sich ergeben mußten, sobald man schreiben wollte, was sich nicht gut darstellen ließ: Abstraktes, Empfindungen und Beurteilungen. Ich begnüge mich mit dem Hinweis, daß man diese Wörter schrieb, indem man sich an ihren Klang an- lehnte und Bilder von Gegenständen zu Hilfe nahm, deren Bezeichnung einen ähnlichen Klang hatte. Der Endpunkt dieser Entwicklung ist die Schaffung eines Alphabets, das heißt einer Lautschrift, mit der sich auch grammatische Endungen wiedergeben ließen. Freilich sind die ursprünglichen Bilder durch alle Zeiten beibehalten worden, und der ägyptischen Hieroglyphenschrift haftet auch in ihrer höchsten Entfaltung noch die Schale des Samenkorns an, aus

dem sie sich entwickelt hat.

Ich habe an dieser Stelle von den künstlerischen Werten zu sprechen, die in der Verwendung der Hieroglyphen durch die Ägypter zum Ausdruck kommen. Greifen wir ein paar Beispiele aus dem reichen Schatze unsrer Sammlung heraus und lassen wir das Denkmal selbst auf uns wirken, um an ihm

zu erkennen, was für unsre Frage von Bedeutung

DER SCHMUCKWERT DER AGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

ist. Wir treten zunächst vor die Mastaba des Uhem- ka (Altes Reich, Mitte 3. Jahrtausend v. Chr.) und haben in einer Fläche von gelbbraunen, grob zu- gehauenen Blöcken eine Türumrahmung aus fein- stem weißen Kalkstein vor uns (Abbildung 1). Die Pfosten sind glatt und betonen die schlichte Gliede- rung des Eingangs. Nachdem die architektonischen Mittel der Wirkung erschöpft waren, griff der Bau- meister zur Anwendung der Schrift als der letzten Steigerung. Was den Türsturz in flachem Hoch- relief bedeckt und wie eine Folge von Bildern an- mutet, ist in Wirklichkeit eine hieroglyphische In- schrift. Die Zeichen blicken nach rechts zum Anfang hin, die wagerechte Zeile ist in kleine senkrechte Gruppen aufgelöst. Der Inhalt läßt sich auch vom Nichtkenner der ägyptischen Sprache leicht heraus-

lesen, wenn man nur ein paar Bilder richtig deutet.

с Die Formel X rechts am Anfang der Inschrift

ist der übliche Beginn der Gebete, die für Ver- storbene gesprochen worden sind: das Gebet um „Eine Opfergabe (Matte mit Brot darauf: unten), die nach einer Vorstellung der vorgeschichtlichen Zeit in erster Linie „der König (Schilfpflanze: oben rechts) veranlassen oder genehmigen (Kegel: oben links) möge“. Der dann folgende liegende Hund Эъ, das heilige Tier des Totengottes, ist sein Symbol, und der heilige Hund ist als Name des Gottes Anubis zu

lesen. Etwas weiter hin am unteren Rande der Zeile

steht ein Sarg mm als Schlußzeichen des Wortes

für „einsargen‘‘ oder „bestatten“ und links neben ihm das Gebirge“ ъол mit drei Bergen, die sich über dem großen Flachland (durch ein Band mit Querstrichen angedeutet) erheben; dort, im west- lichen Felsengebirge, liegt das Grab, in dem Uhemka beigesetzt werden möchte. So ergibt sich uns aus

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diesen beiden Zeichen heraus schon der Inhalt die- ses Satzes des Gebetes: „Anubis möge ihm gewähren, daß er in dem westlichen Wüstengebirge eingesargt werde“. Am Schluß der Zeile, also am linken Ende, läuft das Gebet in die Nennung des Namens des Grabherrn aus. Dort steht in der vorletzten senk- rechten Gruppe sein Titel „Schreiber des Hauses der

Urkunden“ D geschrieben mit den drei Zei- => chen: des Schreibgerätes (Palette mit Napf für

schwarze und rote Farbe, Töpfchen mit Wasser und Dose für Schreibbinsen), des Hauses (Grundriß einer einzimmerigen Hüttc) und der Urkunde (zusammen- gerollter Papyrus mit Bändern und Siegel). Den Schluß bildet am äußersten linken Ende der Name

,„, Uhemka“ | $ , geschrieben mit dem Vorderbein LJ

eines Rindes für das Wort Uhem, ergänzt durch die Wachtel (einem Küken ähnlich) als U und die er-

hobenen menschlichen Arme für ka. Nun ist der Inhalt dieses Gebetes klar, das einen prachtvollen dekorativen Abschluß über dieser monumcntalen Tür bildet. Durch die Türöffnung sehen wir in das Innere hinein, das mit Bildern des Grabherrn and

seiner Angehörigen geschmückt ist.

Es ist ein seltener Vorzug unsrer Mastaba des Uhemka, daß sie uns die Grabreliefs vollständig in ihrer ursprünglichen Anordnung vorführt. Sonst sieht man in den Museen meist nur einzelne heraus- gerissene Blöcke, bei denen nur der Kenner sich den Zusammenhang wiederherzustellen vermag, für den sie gearbeitet worden sind. An der Hand der Tür- dekoration des Uhemka ist es allerdings leicht, den Block, der in Abbildung 2 wiedergegeben ist, an seine ursprüngliche Stelle zu setzen: er ist dor Tür- sturz, der über der Türöffnung gesessen hat und auch

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Mastaba des Uhemka: Eingang und Blick

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Abb. 3. Opferplatte von der Außenwand der Mastaba des Prinzen Onu

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DER SCHMUCKWERT DER ÄGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

hier eine rechts beginnende wagerechte Inschrift als Schmuck erhalten hat. Jetzt soll der Block in uns- rem Museum durch sich selbst wirken, und das kann er wohl auch! Seine wagerechte Inschrift ist durch eine Trennungslinie in 2 Zeilen gegliedert. Der In- halt ist der gleiche wie bei Uhemka. Der Leser wird am Anfang sogleich die bekannte Schriftgruppe er- kennen, in der der König und der liegende Hund, das heißt der Totengott Anubis, eine Opfergabe gewähren sollen. In der Mitte der Zeile erscheint am oberen Rande auch wieder der Sarg (nicht so breit und ohne Innenzeichnung) und links von ihm hinter der Eule die drei Berge der Felsenwüste. Wir haben also das gleiche Gebet vor uns, das dem Grabherrn eine Bestattung in dem Wüstengebirge wünscht; die zweite Zeile erbittet für ihn die Darbringung von Totenopfern an den großen Festtagen und endet mit

seinem Namen Ptah-en-imat.

Nun folgt aber eine überraschende Wendung. Der Ägypter tut jetzt einen Schritt, der künstlerisch ganz und gar im Sinne seiner Bilderschrift liegt, den aber formal keine andre Kunst in der gleichen Weise zur Geltung bringen könnte, die nicht über eine aus Bildern zusammengesetzte Schrift verfügt. Die beiden Figuren des nebeneinander auf einer Bank mit Rinderfüßen sitzenden Ehepaares sind nämlich keine Schrift mehr, so nahe verwandt sie auch den Bildern der Schriftzeichen erscheinen, sondern eine reine Darstellung. Der Zeichner hat die Bildnisse des Grabherrn und seiner Gattin an das Ende der Schriftzeilen gesetzt, um ein Porträt der Personen vorzuführen, für deren Totendienst die Opfer- kammer bestimmt ist. Die senkrechte Zeile links von dem Bilde des Ehepaares enthält den Namen der dargestellten Frau Ant-kas, ist also wieder reine Schrift. Hier begegnet uns zum erstenmal das In-

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einanderfügen von Bild und Schrift mit einer inneren Beziehung zueinander und das Zufügen des Namens

zu einer dargestellten Person.

Der hier in einer noch verhültnismüBig schwachen Andeutung unternommene Versuch ist auf der, zeit- lich übrigens etwas ülteren, Opferplatte des Prinzen Onu (Abbildung 3) in starker Weise zum Ausdruck gebracht. Die Aufgabe war bei dieser, eine recht- eckige Fläche mit Bild und Schrift zu füllen und stellte dafür folgende Themen:

l. ein schmausender Mann am Tisch mit Opfer- gaben,

2. seine Titel und sein Name,

J. ausführliche Wiedergabe der Speisen und sonstigen Totenopfer.

Die Lósung fand der entwerfende Zeichner in folgender Weise:

l. Ungeführ in die Mitte der von einem glatten, erhabenen und gelb bemalten Rande umgebenen Bildflüche stellte er den Opfertisch mit den auf ihm aufgerichtet angedeuteten Broten, die sümtlich in der Mitte durchgeschnitten sind, und darüber den beiden wichtigsten Fleischspeisen: gebratene Gans und Kalbskeule; links davon das Waschgerät. Am Gabentisch sitzt links die große Figur des Prinzen Onu, die ganze Fläche beherrschend, wenn auch an den Rand des Bildes gerückt.

2. Die Titel und der Name des Prinzen sind als wagerechtes Schriftband an den oberen Rand der Bildfläche gerückt. Sie geben dort eine prächtige Raumfüllung ab, besonders durch die überaus pein- liche Gestaltung jedes einzelnen Schriftzeichens, dessen Reliefwirkung durch lebhafte Farben be- deutend gesteigert wird.

3. Für die Andeutung der Opfergaben wandte der Zeichner wieder gleichzeitig Bild und Schrift an.

DERSCHMUCKWERT DER ÄGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

Wir fanden oben schon Brote und Fleisch auf dem Tisch dargestellt. Über ihnen sowie zu beiden Seiten des Tischfußes erscheint hieroglyphische Schrift. Es sind oben die Wörter: „Weihrauch, Öl, Feigen, Wein“, und unten: „1000 Kleider, 1000 Binden, 1000 Brote, 1000 Bierkrüge, 1000 Rinder, 1000 An- tilopen“ 1. Hier ist also іп Wörtern ausgedrückt und durch Schrift wiedergegeben, was durch Bilder nicht gesagt werden konnte oder sollte. Bei den Schrift- zeichen für Rind und Antilope ist nach ägyptischer Sitte nur der Kopf als Andeutung für das voll- ständige Tier gezeichnet.

Den Rest der anzudeutenden Opfergaben brachte der Zeichner auf der rechten Bildhälfte in einer Ta- belle unter, die über ein Drittel des ganzen zur Ver- fügung stehenden Raumes einnimmt. Unten bilden fünf Getreidehaufen, mit dem Namen der Kornart beschrieben, einen schweren Sockel, über dem sich in leichterer Auflösung Tabellen erheben. Gemeint sind Leinenarten von einer Sorte, die mit dem Fal- ken, dem Tiersymbol des Pharao, geschrieben ist und die wir „Königsleinen‘‘ zu nennen pflegen. Von jeder Art sollen tausend? Stück geliefert werden, und jede ist in einem Gewebe hergestellt, das durch Zahlen: ,,hundert®, neun, acht, sieben, sechs“ an- gedeutet ist. Soweit die oberste Gruppe der Tabelle. Die mittlere Gruppe bezieht sich auf eine Gewebeart, deren Name mit einem gewissenhaft gezeichneten Pfeil (rechts die breite Schneide, links das Ende mit den Federn) geschrieben ist; die unterste Gruppe wieder auf eine dritte Stoffart. Auch hier sind die

1 Das Zeichen für 1000 ist eine Lotospflanze mit einem

Blatt an langem Stengel.

* Lotospflanze.

* Aufgerollter Strick.

‘Durch wagerechte Striche in der genannten Anzahl ange- gedeutet.

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einzelnen Sorten wieder durch Zahlzeichen ange- deutet, ohne daß man im einzelnen versteht, wie

diese Gewebe angefertigt worden sind.

Die Ausführung dieses vielseitig zusammenge- setzten Entwurfes ist in Hochrelief auf ausgehobe- nem Grunde geschehen. Wieder helfen Farben zur Steigerung der Wirkung mit, und zwar in so hohem Grade, daß man bei senkrecht auffallendem Licht die Reliefschatten völlig übersieht und schon durch die Wirkung der Farben einen starken Eindruck des Bildes gewinnt. Hierin erkennen wir, daß es keinen grundsätzlichen Unterschied des Reliefs gibt gegenüber der reinen Malerei, die ihre Farben auf einen völlig ebenen Grund setzt. Mit dieser Technik der Wiedergabe als bemaltes Hochrelief für die Dar- stellung und die Inschriften haben wir die Arbeits- weise vor uns, die stets in den Epochen künst- lerischen Hochstandes in Ägypten angewandt wor- den ist. Freilich hat man sich nicht immer Zeit genommen und auch nicht immer die technische Geschicklichkeit besessen oder anwenden wollen, um so zeitraubend und kostspielig zu arbeiten. Alle Epochen von schwächerer künstlerischer Ausdrucks- fähigkeit und alle billigeren Ausführungen einer künstlerischen Idee haben gern zu einer flüchtigeren Form des Reliefs gegriffen, die uns auf dem Denk- stein des Offiziers Mose (Neues Reich, Abbildung 4) entgegentritt. Auf diesem sind die Figuren der Personen in einem flachen Hochrelief gearbeitet, das sich zunächst kaum von der Technik in den soeben besprochenen drei Denkmälern des Alten Reichs unterscheidet. Genaueres Betrachten des Denk- steines, der unter der Regierung von Ramses II. (Dyn. 19, 13. Jahrhundert v. Chr.) gearbeitet ist, zeigt dann freilich einen wesentlichen Unterschied. Zunächst ist der Grund der Bildfläche nicht aus-

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DER SCHMUCKWERT DER ÄGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

gehoben, sondern so hoch stehen gelassen, wie er vor Beginn der Bildhauerarbeit vorhanden war. Das geschilderte flache Hochrelief ist also in den Grund hineingesenkt, statt sich auf ihm zu er- heben. Ferner wird dem aufmerksamen Betrachter nicht entgehen, daß einzelne Teile des Bildes, dabei auch alle Schriftzeichen, überhaupt nicht als Relief ausgeführt, sondern nur als Silhouette in den Grund eingetieft sind. Bei dieser letztern Technik handelt es sich um den gleichen Erfolg, als ob die Schrift- zeichen etwa mit schwarzer Farbe auf einen weißen Grund gemalt wären: zur Geltung kommt nur der Umriß, keine Innenzeichnung.

Die Komposition unseres Denksteines des Mose gliedert sich in zwei Streifen, die beide mit Bildern versehen sind. In dem oberen Streifen stehen vier große Figuren in zwei Bildern, die nicht vonein- ander getrennt sind, obwohl sie auf gänzlich ver- schiedenem Schauplatz spielen. Links opfert ohne Angabe eines szenischen Hintergrundes König Ram- ses II. im Kriegshelm vor dem mumiengestaltigen Gotte Ptah von Memphis. Rechts steht Ramses II. in seinem Palast, mit dem linken Arm auf ein Kissen auf der Brüstung gestützt und wirft durch das „Fenster des Erscheinens“ goldene Halskragen und anderen kostbaren Schmuck dem Offizier Mose her- unter, der im Hof steht und die wertvollen Aus- zeichnungen wie königliche Orden in Empfang nimmt. In dem unteren Streifen steht König Ramses II. im Kriegshelm neben dem mächtigen Sitzbild eines Pharao, also offenbar im Vorhof eines Tempels, und wirft die gleichen Schmuckstücke wie

oben dem Mose hinunter. Hinter dem glücklichen Empfänger stehen, mit flüchtigen Strichen silhouet-

tenhaft angedeutet, seine Leute und erheben die Arme, um auch einen Anteil an dem ausgeschütteten Segen zu erhalten.

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Der Denkstein ist reichlich mit Schrift versehen. Die Beischriften laufen in senkrechten Zeilen, sind nur flüchtig im Umriß ausgehoben, aber durch senkrechte Trennungslinien in eine geschlossene und streng zusammen- gefaßte Gruppe gebracht. Über dem König stehen jedesmal seine beiden Namen, durch den „Königsring“ ein- gerahmt; auch der Gott Ptah hat eine Beischrift mit seinem Namen erhalten. Derlängere Text oben rechts gibt eine Beischrift zur Handlung: „Der König selbst schenkt Geld und alle schönen Dinge des Königshauses an Mose, weil er zufrieden ist über die Aussprüche sei- nes Mundes". Der Schriftblock im unteren Streifen gibt im linken Teil Worte des Königs an das Heer, in denen er die Soldaten ermuntert, es dem Mose gleich zu tun; rechts preist das Heer den König: „Du bist der Sonnengott Re, du bist ganz wie er! Wenn du aufgehst, leben wir von deinem Anblick!“ Ein Punkt ist in bezug auf die Schrift noch von Interesse und für die ägyptische Art bezeichnend: an drei Stellen sind Wörter, darunter auch der Name des Mose, abgemeißelt. Man schließt daraus auf eine nachträgliche Verfolgung des Mannes, der durch den Denkstein geehrt worden war, und wir stehen damit vor einem Beispiel des gleichen Ver- fahrene, das die Könige gegeneinander geübt haben, wenn sie sich verfolgten und den Namen des Gegners

für alle Zeiten austilgen wollten.

Den Schluß unserer Beispiele bildet ein Granit- block aus einem Tempel, den ein ptolemäischer König, einer der Nachfolger Alexanders des Großen, im Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. hat errichten lassen. Die Ptolemäer setzten die Überlieferung der Pharaonen fort und traten ganz und gar als ihre Nachfolger auf. Auch die Wandbilder der Tempel

DER SCHMUCKWERT DER ÄGYPTISCHEN HIEROGLYPHEN

sind nach Form und Inhalt fast die gleichen wie im Neuen Reich, das um ein Jahrtausend früher liegt. Unser Block (Abbildung 5) enthält zwei Bilder; in jedem opfert Ptolemaios II. vor Isis, rechts zwei Beutel mit Schminke, links zwei Krüge mit Öl. Beide stehen auf einer Standlinie, oben fehlt der Himmel, und die Fläche zwischen beiden ist mit Bild und Schrift in versenktem Relief gefüllt, zum Teil (dabei auch die Schrift) in der einfacheren Tech- nik der ausgehobenen Silhouette. Die Schriftzeilen laufen senkrecht oder wagerecht, immer aber in der gleichen Richtung wie die darge- stellten Personen, also teils nach a ЩИ rechts, teils nach links blickend.

Ihr Inhalt ist oben vor dem König sein Name,

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Elke

wieder jedesmal in zwei Königsringen; links davon der Name der Isis und ein paar Worte, die sie zum König spricht. Unten vor Isis steht ebenfalls eine Anrede an den König: „Ich verleihe dir, daß die Herzen der Götter dir geneigt sind und du ewiglich jung bist! Die wagerechte Zeile vor dem König gibt eine Beischrift zur Handlung, also rechts: ,,Dar- bringen von Schminke an seine Mutter'* und links: »Darbringen des Üles an seine Mutter“, das heißt an Isis, die als Göttin seine Mutter genannt wird.

Die oben besprochenen Beispiele für die Ver- wendung der Schrift auf ägyptischen Denkmälern sind aus der Geschichte der ägyptischen Kunst her- ausgegriffen und zwar aus über zwei Jahrtausenden. Rückwärts und vorwärts könnte die Grenze noch bis auf über drei Jahrtausende erweitert werden, ohne daß das Bild sich grundsätzlich änderte. Immer sind die Hieroglyphen ein wesentlicher Bestandteil

in Relief und Malerei. Sie spielen auch bei der Deko- ration von Statuen eine Rolle, besonders an den Sockeln und Rückenpfeilern, weniger auf den Ge- wändern, die man, im Gegensatz zu der Anbringung der Keilschrift auf mesopotamischen Denkmälern, meist frei läßt. In den Bildern sind Hieroglyphen - zeilen ebenso sehr erforderlich zur Umrahmung und Gliederung einer Fläche, wie zur Füllung eines Raumes, der sonst leer bleiben würde. Zur Würdi- gung der Bedeutung der Hieroglyphen in den Bil- dern vergesse man nie, daB der geheimnisvolle Sinn der Darstellungen gesteigert worden ist durch die geheime Schrift, die dem Laien fast immer un- lesbar blieb. Ihre Kenntnis war das Eigentum der Priester, und auch diesen werden die Hieroglyphen oft nicht mehr bekannt gewesen sein, als etwa das Lateinische dem heutigen italienischen Priester, das heift, in vielen Füllen nur unzulünglich. Die Schrift des täglichen Lebens waren nicht die Hiero- glyphen, sondern eine abgekürzte und mit der Binse geschriebene Form von ihnen, die sich schnell schreiben und bei größerer Steigerung der Ge- schwindigkeit auch erheblich weiter vereinfachen ließ. Das Ergebnis dieser Entwicklung war eine Kur- sive, in der die Bilder der Gegenstände nicht mehr zu erkennen waren, wie es bei den hieroglyphischen Schriftzeichen durch alle Zeiten der Fall geblieben ist. Trotzdem sind gut geschriebene Bücher und Ur- kunden auf Papyrus oft doch kalligraphische Do- kumente. Religiöse Bücher, besonders das „Toten- buch“, sind häufig mit Bildern geschmückt worden, die sich auf die daneben geschriebenen Sprüche be- zogen, also eine Illustrierung zu dem Textbuch dar- stellten; hier ist schon der Typus unseres heutigen Bilderbuches mit Text geschaffen worden.

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Abb. 5.

Granitrelief aus einem Tempel: Ptolemaios II. opfert vor Isis.

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SIEGEL DES PRINZEN SIN-ULMASCH VON AKKAD

INSAMMLUNG FRIEDRICH SARRE, BERLIN

DIE KEILSCHRIFT UND IHRE BEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

VON PROFESSOR DR. ECKHARD UNGER-BERLIN

1. VERBREITUNG DER KEILSCHRIFT

Die Keilschrift, wie wir die mit keilfórmigen Ele- menten geschriebene Schrift seit 200 Jahren be- zeichnen, ist in Vorderasien für die Dauer von drei- einhalb Jahrtausenden in Gebrauch gewesen. Das klassische Altertum nannte diese Schrift abweichend die „nagelförmige Schrift“. Es hat im ganzen acht verschiedene Abarten der Keilschrift gegeben, die sich mehr oder weniger eng an die älteste, grund- legende Schriftart anlehnen, die Schrift der Sumerer, die auch alle Abarten überlebt hat und rund 3500 Jahre lang geschrieben worden ist. Ihr gehóren auch die zahlreichsten Denkmäler der Keilschrift an. Die sumerische Keilschrift ist daher die wichtigste Schrift, eine einheitlich entstandene und originale Schrift, während die übrigen aus ihr abgeleitet sind und zum Teil auch künstliche Veränderungen er- fahren haben. Die Entstehung der sumerischen Keil- schrift ist ferner am klarsten erkennbar. Die ältesten um 3300 v. Chr, datierbaren Inschriften zeigen trotz ihres schon regelmäßigen Charakters noch zahlreiche

Bildformen, aus denen die Schrift entstanden ist.

89

Die Erfindung der Keilschrift als Bilderschrift ist ungefähr um 3500 v. Chr. anzusetzen. Die Erfindung oder besser gesagt, die fertige Ausbildung der su- merischen Keilschrift fand in Mesopotamien statt, höchstwahrscheinlich im südlichen Teile von Unter- mesopotamien, wo das Zentrum der Kultur in der Stadt Ur mit dem Mondgotte Nannar als Stadtgott und mit den Stieren als Wappentieren der Stadt kürzlich ausgegraben worden ist.

Über die Entwicklung und Ausbreitung der su- merischen Keilschrift und ihrer Abarten möge die beifolgende Tabelle Auskunft geben. Zu ihrer Er- klärung sei folgendes gesagt:

Den Grundstock bildet die sumerische Schrift mit etwa 560 Zeichen, um 3500 entstanden. Um 3300 lassen sich zwei Abarten nachweisen, die in einigen Zeichenformen ein wenig voneinander differieren. Die eine Abart besteht, soviel sich erkennen läßt, im Süden des Landes mit dem politischen Zentrum in Ur. Sie allein erhält sich für die Dauer und ent-

DIE KEILSCHRIFT UND IHRE

wickelt sich rasch zur Kursiven durch den ständigen Gebrauch der Schrift für Handel und Gewerbe. Man unterscheidet die spätere neusumerische, die altbabylonische, die kassitische, die mittelbabylo- nische und neubabylonische Schrift und Periode. Die neubabylonische Schrift wurde bis um Christi Geburt geschrieben, wo sie, vermutlich durch Unter- drückung in parthischer Zeit, verschwunden ist.

DIEVERBREITUNG

3500 v. Chr.

Sumer-Süd (Ur)

3300 ,,

2800 ,,

2600

2200

2000

1500 ,,

1400, n ess.’ 1200

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99

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1 Die Zahlen hinter den Namen bedeuten die Ansahl der Keilschriftseichen in den verschiedenen Abarten; T bedeutet, daB die betreffende Abart zu jener Zeit ausgestorben ist.

90

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BEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

Um 2200 v. Chr. sondert sich, wohl aus der neu- sumerischen Schrift entwickelt, die assyrische Schrift ab, die sich durch regelmäßigere Zeichen- formen von der gleichzeitigen babylonischen unter- scheidet. Um 2000 schrieb man im Herzen von Kleinasien bei Kaissarije (Kül-Tepe) die assyrische Keilschrift, die um 1800 hier wieder verschwand. Mit dem Untergange des assyrischen Reiches und

DER KEILSCHRIFT'

Sumer (560) Sumer-Nord (Kis)

Akkad »-—————» „Protoelamisch‘“ Altelamisch

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DIE KEILSCHRIFT UNDIHREBEZIEHUNGZURORNAMENTIK

der Vernichtung der assyrischen Kultur stirbt die Keilschrift um 600 v. Chr. in Assyrien aus. Im 9. Jahrhundert entlehnte das chaldische Reich in Urarthu (Armenien) von Assyrien die Keilschrift zur Schreibung der eigenen Urkunden. Die Umände- rung der Zeichenformen zeigt sich vor allem darin, daß die Armenier die Überkreuzung der Keilstriche vermeiden. Kurz nach dem Untergange des assy- rischen Reiches, um 600 v. Chr., hórt auch die chal- dische Keilschrift auf.

In der kassitischen Periode hat sich die Keilschrift in fast unveründerter Gestalt auch in Kleinasien im Reiche der Hettiter, als hettitische Keilschrift ein- gebürgert, wo sie bis zum 13. Jahrhundert geschrie- ben wurde, allerdings, wie es scheint, nur am könig- lichen Hofe, im Staatsarchiv. Damals in der so- genannten Tell Amarna-Zeit schrieb bekanntlich der gesamte vordere Orient seine diplomatische Korre- spondenz in der babylonischen Keilschrift, Klein- asien, Palästina, Syrien, Zypern und Ägypten.

Die jüngste Schöpfung einer Keilschrift erfolgte in altpersischer Zeit, vielleicht auch schon um 600 v. Chr. in medischer Zeit, wie E. Herzfeld vermutete, die Schaffung der sogenannten altpersischen Schrift aus nur 41 Zeichen, die künstlich aus wenigen ein- fachen Keilelementen zusammengestellt wurden, wobei jede Überschneidung der Keilstriche aus- geschaltet wurde.

Um 3300 v. Chr. läßt sich neben der sumerischen Schrift im Süden von Untermesopotamien eine Ab- art der Keilschrift feststellen, die in einigen Zeichen- formen abweichend gestaltet ist und, wie es scheint, vornehmlich im Norden des Landes, wo Kis das Zentrum der politischen Macht war, gepflegt wurde. Der Einfluß erstreckte sich bis nach Adab und Suruppak nach Süden. Die Dynastie von Akkad hat

diese Abart aufgenommen und sie erlischt auch mit

dem Untergange dieses Reiches im 27. Jahrhundert у. Chr.

Zur Zeit der akkadischen Herrschaft ist die Keil- schrift auch nach Elam im Osten gewandert, wo sie sich zur „protoelamischen‘ Schrift entwickelte. Diese Schrift entfernte sich mehr und mehr von der su- merischen Keilschrift, da Elam meist in scharfem Gegensatz zu Babylonien stand, und es entwickelte sich die neuelamische Keilschrift, die nur rund 113 Schriftzeichen umfaßte und bis zum Ende des

altpersischen Reiches geschrieben wurde.

In Elam gab es in akkadischer Zeit aber auch eine Art Hieroglyphenschrift von einfacherer Form, die selbständig entstanden zu sein scheint, oder doch nur in ganz entfernter Anlehnung an die sume- rische Keilschrift. Diese sogenannte altelamische“ Schrift ist, soviel bekannt ist, in der nachakkadi- schen Zeit schon ausgestorben. Eine achte noch nicht bestimmbare Keilschriftart ist jüngst auf ei- nigen Tontafeln festgestellt worden. Das Material ist noch zu gering, um sagen zu können, ob es sich um die kursive Schreibung einer der schon bekann- ten Keilschriftarten handelt, oder ob eine neue Ab- art vorliegt.

Die verschiedenen Keilschriftarten wurden in der Monumentalschrift, mit dem Meißel in Stein oder Metall, und in der Kursivschrift, mit dem Rohr- griffel auf Tontafeln verfaßt. Seit der kassitischen Zeit trat die archaistische Schrift hinzu, das beißt eine Schriftform, die sich bewußt an die älteren Vor- bilder der altbabylonischen Schrift der Hammurapi- Zeit (um 2000 v. Chr.) anlehnte.

Die durch die Tabelle veranschaulichte Entwick- lung der Keilschrift gibt gleichzeitig ein vorzüg- liches Abbild der politischen Entwicklung der Länder der Keilschriftkultur.

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ОВМАМЕМТ!К

2. BEARBEITUNG DES PALAOGRAPHISCHEN MATERIALS

Die Kenntnis der Keilschrift ist um Christi Ge- burt verloren gegangen und über 1800 Jahre lang unbekannt geblieben. Erst im Jahre 1802 hat der deutsche Oberlehrer Georg Friedrich Grotefend die Grundlage zur Entzifferung der Keilschrift gelegt, die bei der jüngsten, einfachsten und künstlich ge- schaffenen altpersischen Keilschrift begann. Die Entrifferung ist heute bei fast allen Keilschrift- arten nahezu vollendet und seit 50 Jahren ist man

daran gegangen, auch das Problem der Entstehung der sumerischen Keilschrift, als der Grundlage aller andern Keilschriftgattungen, zu lösen. Mit besonde- rer Berücksichtigung der archäologischen Gesichts- punkte habe ich selbst in den letzten Jahren an der Lösung dieses Problems gearbeitet und bin zu be- stimmten Resultaten gekommen, durch die das System der Keilschrift, namentlich ihre systema- tische Erfindung klargestellt ist.

3. ENTWICKLUNG DER SUMERISCHEN KEILSCHRIFT

Die Entwicklung der Keilschrift laßt eine sprach- liche und eine technische Entwicklung erkennen. Über die sprachliche Entwicklung läßt sich folgendes feststellen:

Die sumerische Keilschrift war ursprünglich eine reine Bilderschrift. Ein Zeichen für sich allein hatte zunächst nur eine ihm eigene Bedeutung und Le- sung, Z.B. das Zeichen SIR = „Heuschrecke“ (Nr. 52). Durch hinzufügen einer ähnlichen, ver- wandten oder übertragenen Bedeutung wurde die Lesung und Bedeutung des Zeichens erweitert. So erhielt das Zeichen für „Heuschrecke“, die als Sym- bol der Vernichtung galt, die übertragene Bedeu- tung „Nichtsein, Vernichtung, Nein“ mit der Le- sung NU. Diese Lesungen verwendete man nun auch als Silbenwerte zur phonetischen Schreibung, wobei die Bedeutung des Wortes keine Rolle mehr spielte, sondern nur noch die Lesung. Damit waren die Schriftzeichen aber zur Schreibung jeder beliebigen Worte, Eigennamen und auch fremder Sprachen

geeignet. Die semitischen Akkader übernahmen um 9800 v. Chr. die sumerische Keilschrift und schrieben

die sumerische Sprache. Phonetisch geschriebene

92

Eigennamen und andre Worte aber lassen erkennen, daß die akkadischen Inschriften zum Teil auch se- mitisch zu lesen sind. Die Akkader schrieben also die sumerische Schrift, lasen sie jedoch mit den semi- tischen Worten. Die Akkader übernahmen dabei die Bedeutung und die Lesung der Zeichen. Der Bildwert aber wurde bald ganz außer acht gelassen, zumal auch die Bildform schon fast unkenntlich geworden war. Die Entwicklung ging jetzt schnell weiter. Wenn ein sumerisches Zeichen eine sumeri- sche Lesung besaß, die einem semitischen Worte ähnlich war, so wurde dieses semitische Wort dem betreffenden Zeichen als neue Bedeutung binzu- gefügt. So batte ein Zeichen nicht nur die älteren sumerischen Werte, sondern auch noch neue semi- tische, die künstlich und willkürlich dem sumeri- schen Zeichen, ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Bildform, zugeeignet wurden. So erklürt sich die überraschende Mannigfaltigkeit der Bedeutungen. die ein einzelnes Zeichen in späterer Zeit gehabt hat. Das Studium der Keilschrift war mithin schon im Altertum äußerst schwierig und nur mit Hilfe von Worterlisten, sogenannten Syllabaren, durchzu-

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DIE KEILSCHRIFT UNDIHREBEZIEHUNGZURORNAMENTIK

führen, die auch in größter Anzahl aus dem Alter- tume erhalten sind und ganz wesentlich zur Ent- zifferung der Keilschrift in neuerer Zeit beigetragen haben.

Die technische Entwicklung der Schrift beruht zu- nüchst auf dem Material, dem Schreibstoff. Der weiche Ton, zu einer Tontafel geformt, war das häu- figste Schreibmaterial und für die Umbildung der Schrift von ausschlaggebender Bedeutung. Der zähe Ton gestattet keine runden Linien, sondern nur ge- rade Linien. Zu Beginn einer Linie wurde durch den stärkeren Eindruck des Keilschriftgriffels ein breite- rer keilfórmiger Kopf erzeugt, der zunächst unab- sichtlich entstanden war, aber bald absichtlich sorg- faltig eingeritzt wurde und damit der Schrift das besondere Gepräge als ,,Nagelschrift" oder ,,Keil- schrift" gegeben hat. Der Griffel war entweder aus Holz, wie ein bestimmtes Schriftzeichen (Nr. 111) zu erweisen scheint, oder aus Rohr, gemäß einem zweiten Schriftzeichen (Nr. 39). Diese keilfórmige Schrift findet sich auf den ältesten Tontafeln noch nicht. Vielmehr ist sie hier der strichmäßigen, durch den Meißel auf Stein oder Metall erzeugten Schrift noch vollkommen gleichartig. Erst um 3100 (Entemena von Lagaš) wird die Schrift auf den Ton- tafeln stets und bewußt keilförmig gestaltet. Die Monumentalschrift auf Stein erhielt sich bis um 2700, in der zweiten Hälfte der akkadischen Periode, wo Ansätze einer Übertragung der keilförmigen Schrift auf Ton auch auf die Monumentalschrift zu finden sind. Systematisch wird diese keilfórmige Schrift seit 2600 v. Chr. (Ur-Ba-u von Lagaš) bei den Steininschriften verwendet.

Fúr die Entwicklung der Keilschrift ist endlich von bestimmendem Einflusse die Schriftrichtung, die sich im Laufe der Zeit verändert hat. Zu Anfang schrieb man die Keilschrift in senkrechten Spalten

93

von oben nach unten und ordnete diese Spalten von rechts nach links an, so daß sie eine linksläufige horizontale Reihe bildeten. In jeder Spalte hatte stets nur ein Name oder ein abgeschlossener Begriff Platz und die senkrechten Striche dienten somit als Worttrenner. Die Keilschrift ist also von rechts nach links geschrieben worden. Mitunter aber sind die Beischriften zu Figuren, wenn sie linkshin blik- ken, von links nach rechts in senkrechten Spalten abgefaßt, so daß sie auf die Gesichter der Figuren zu- laufen, die, wie es bei den Bilderschriften üblich ist, entgegengesetzt zur Schriftrichtung blicken. In die- sem Falle aber sind die Schriftzeichen nicht, wie es bei der hettitischen Hieroglypbenschrift gebräuchlich ist, umgestellt, sondern bebalten die ursprüngliche primäre Blickrichtung nach rechts bei. Die links- läufige, senkrechte Schriftrichtung ist bis zum Ende der Hammurapidynastie, um 1850 v. Chr., bei den monumentalen Inschriften, Statuen, Reliefs in Stein und Metall im Gebrauch geblieben.

Bei den Inschriften auf Ton jedoch erfolgte schon um 2700 v. Chr. eine Umänderung der Schrift- richtung, indem man die vorher senkrecht stehenden Zeichen nach linkshin um 90° umlegte, sie in der- selben Weise wie früher zeichnete, aber nunmehr von links nach rechts. Es ist die Zeit der semitisch-akka- dischen Oberherrschaft in Mesopotamien, als sich Neuerungen auch in der sprachlichen und tech- nischen Entwicklung der Keilschrift z.B. die Übertragung der Keilform auf die Monumental- inschriften geltend gemacht haben. Veranlassung zur Umänderung der Schriftrichtung gaben wohl verschiedene Umstände, die jedoch noch nicht ge- nügend geklärt werden können. Die rechts fertig- gestellte Schrift, die, wie man wohl voraussetzen darf, mit der rechten Hand geschrieben wurde, war beim Weiterschreiben dem Verwischen durch die

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIKEK

Hand ausgesetzt. Ferner läßt sich beobachten, daß bei der üblichen Schreibung von oben nach unten auf dem Ton mindestens ein bestimmter Keilstrich für den Schreiber unbequem sein mußte. Während die Striche im allgemeinen auf den Schreiber zu- laufen, oder von rechts nach links gezeichnet werden, enthält mindestens ein Viertel aller Keilschrift- zeichen einen Keilstrich, der vom Schreiber nach links schräg oben, also von ihm weg, ausgeführt werden mußte. Dieser Strich konnte nicht mit der gleichen Kraft, wie die andern, gezogen werden, sondern erforderte eine große Übung und Geschick- lichkeit. Diese und wohl noch andre unbekannte Umstände haben die Umänderung der senkrechten Schrift in eine horizontale rechtsläufige um 2700 v. Chr. mit sich gebracht. Die Umlegung der Zeichen wurde erleichtert durch die Art der Urkunden, die drehbaren Tontafeln, die man nach alter und neuer Schreibmanier lesen konnte, je nachdem man eben die Tafel hielt.

Der Zeitpunkt der Änderung der Schriftrichtung laßt sich aus folgenden Gründen für die Zeit um 2700 v. Chr. einigermaßen genau festlegen. Der keil- fórmige Eindruck des Rohrgriffels steht in den beiden ersten der 5 Perioden, die Leopold Messer- schmidt (Or. Lit. Ztg. IX [1906], S. 306) unter- schieden hat, senkrecht, eine Folge davon, daB der Schreiber, der senkrecht auf sich zu schrieb, den Griffel in der Faust mit dem oberen Ende nach sich zugeneigt halten mußte, um die Stelle des Griffel- eindrucks gut zu übersehen. Schrieb der Schreiber

4, AUFBAU DER

Die Entwicklung der sumerischen Keilschrift ist außerordentlich schnell und gründlich gewesen. Die äußeren Ursachen dafür sind in der zentralen Lage

94

aber wagerecht von links nach rechts, so mußte er aus demselben Grunde den Griffel schräg nach rechts geneigt halten; so entstand der schräge Querschnitt des Keilkopfes, der die drei folgenden Perioden kennzeichnet. Die Übergangszeit wird repräsentiert durch die sogenannten protoelamischen Tafeln aus der akkadischen Zeit, auf denen sich beide Formen finden ( Mém. Délég. en Perse II, 130; VI, S. 59£. Taf. 23 bis 24). Für die ältere Zeit ist die senkrechte Schreibweise auch dadurch noch ausdrücklich be- zeugt, daß sich Gelegenheitszeichnungen auf Ton- tafeln finden, wie z. B. auf Tafeln aus Suruppak (Fara) um 3000 v. Chr. in Berlin, Darstellungen, die im Sinne der senkrechten Richtung eingezeichnet sind. Außerdem kann man beobachten, daß bei den älteren Tafeln mit senkrechter Schriftrichtung die senkrechten Linien der Spalten teilweise nach links ausweichend abgelenkt sind, während beihorizontaler Schriftrichtung diese Linien nach rechts, bzw. nach oben hin, ausweichen, dem natürlichen Zuge der schreibenden rechten Hand folgend.

Die Umünderung der Schriftrichtung, eine be- sondere Eigenart der Keilschrift, war, neben der technischen Einwirkung des Schreibstoffes, von allergrößtem Einfluß auf die Entwicklung der Schrift. Nachdem die Bilder durch die skizzenhafte, mehr geometrische Zeichnung auf dem zähen Ton- material schon sehr undeutlich geworden waren, 80 war, nach vollzogener Anderung der Schriftrichtung ein Erkennen des Bildes zur völligen Unmöglich- keit gemacht, da die Bilder nun auf der Seite lagen.

KEILSCHRIFT

von Mesopotamien zu suchen, wohin die verschieden- sten Völkerschaften immer wieder von neuem ström-

ten und wo sich ein umfangreicher Handel im Lande

AMEN

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DIE KEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNGZURORNAMENTIK

selbst und mit den Nachbargebieten entwickelt hat, wie die überaus zahlreichen Geschäftsurkunden auf Tontafeln zeigen, die von der Zeit des Entemena an, seit etwa 3100, in großer Fülle vorliegen. Die schnelle Umwandlung der Schrift erschwert natürlich eine Erklärung der Hieroglyphen und ihrer Bilder. Man ist dafür in erster Linie auf die ältesten Inschriften angewiesen und bei diesen vorwiegend wieder auf die monumentalen Inschriften, bei denen sich die Bildformen am längsten erhalten konnten. Trotzdem aber sind auch die Inschriften auf Ton nicht un- wichtig, weil man aus ihnen oft allein nur die tech- nische Durchbildung bzw. die Ausführung der Zeichenformen erkennen kann. Der Keilkopf be- stimmt nämlich den Anfang der Linie genau, so daB man sehen kann, in welcher Weise das Zeichen ge- schrieben wurde, während auf den Monumental- inschriften, die mit dem Meißel eingegraben sind, derartige Beobachtungen sehr erschwert sind. Es lassen sich aus der Schrift auf Ton folgende beiden Regeln gewinnen: Gebogene Linien sind bei der Tontafelschrift zwar eckig gebrochen, aber in der- selben Richtung weiter geschrieben. Wenn die End- striche zweier Keile aufeinander in spitzem Winkel zulaufen, so war auch der Gegenstand hier spitz. Diese Regeln ermöglichen oft auch eine Wieder- herstellung der runden Bildformen, auch wenn sie schon abgeschliffen und in eckige Formen verändert worden sind.

Die Grundregeln für den Aufbau der Keilschrift sind abhängig von den Regeln des Kunststils, da die Schrift als Bilderschrift ein inniger Bestandteil der bildenden Kunst ist, ein Niederschlag des sumeri- schen Kunstwollens. Der sumerische Künstler ar- beitete nicht, wie der heutige, nach Modellen oder nach der Natur, sondern er schuf nach dem Erinne-

rungsbilde, das sich dem Gedächtnis leicht ein-

95

prägte. Er wählte von jedem Gegenstande die charak- teristische, klare und deutliche Ansicht, Profil, Vorderansicht, oder auch die Aufsicht, und vermied jede durch den Schein der Perspektive hervor- gerufene Schrägansicht. Auch die Einzelteile eines Objektes, z. B. das Auge, sah der Sumerer nur in der charakteristischen Ansicht, und komponierte durch mechanisches Aneinanderfügen ein Ganzes.

Die Komposition aus einzelnen Teilen, tut sich z. B. bei der Darstellung des menschlichen Körpers recht augenfällig in der Proportionslosigkeit des Körpers kund, zumal der Künstler die wichtigsten Teile, Kopf, Auge, Nase und Hände durch Ver- größerung betont. Diese Zerlegung in Einzelteile ist für die Entstehung der Bilderschrift außerordentlich wichtig, weil sich der Schrifterfinder bemühte, mög- lichst kurz, mit wenigen Strichen ein charakteri- stisches Bild von einem Begriff, einem Gegenstande, zu entwerfen. Der Erfinder ist bestrebt, sich vielfach einen besonders charakteristischen Teil, z. B. den Kopf (Nr. 54) als Vorstellungsbild zu wählen. Der Schreiber skizziert oft das Bild, indem er z. B. beim Kopf (Nr. 67, 75) Stirn, Hakennase und Kinn in eine Linie zusammenzieht. Daneben aber verwendet er als Abkürzung auch abstrakte Zeichen, ins- besondere Striche nach einem ganz bestimmten System, und man kann wohl sagen, daß der su- merische Schrifterfinder nicht nur aus praktischen Erwägungen heraus, die wohl vom Handels- und Gewerbegeiste geleitet wurden, diese Abstrakta ge- schaffen hat, sondern es ist sehr wahrscheinlich, daß schon von Anfang an das zähe Material des Tones die Strichform der Abstrakta veranlaßt hat. Letz- teres dürfte ein wertvolles Argument sein, daß die Keilschrift in dem Lande entstanden ist, wo der Lehm oder Ton das typische Element ist, in Meso-

potamien.

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

Die Bilder sind teils in Vorderansicht gezeichnet, teils im Profil nach rechts, der Schriftrichtung ent- gegengesetzt, wie es bei allen Bilderschriften der Fall ist. Die Bilder sind ferner nach zwei grund- verschiedenen Gesichtspunkten gezeichnet, die

nebeneinander verwendet werden. Die Bilder sind im Umriß abgebildet, oder aber strichförmig in ihrer Struktur, gleich einer von fern gesehenen Silhouette. Beide Arten werden auch miteinander

verschmolzen zu einem Bilde.

5. REGELN DES KEILSCHRIFTSYSTEMS

Das System der sumerischen Keilschrift läßt im einzelnen fünf verschiedene Formen der Zeichen er- kennen:

A. Individuelle Grundzeichen,

B. Typisierte Grundzeichen,

C. Typisierte Bestandteile von Grundzeichen,

D. Beizeichen,

E. Komposition mehrerer Zeichen.

А.1. Die individuellen Grundzeichen sind voll- ständige Bilder. Sie sind in Vorderansicht wieder- gegeben.

A. 2. Sie sind im Profil gegeben, rechtshin. Die Teile eines Tieres z. B. ein Schwanz, dementsprechend,

A.3. Abstrakta, in Strichform.

B. Typisierte Grundzeichen sind Bilder, die nicht selbständig vorkommen, sondern nur in Verbin- dung mit andern Elementen.

C. 1. Typisierte Bestandteile der Grundzeichen sind zunächst ein senkrechter Zusatzstrich, der mit dem Zeichen selbst nichts zu tun hat und, soviel sich erkennen läßt, nur eine Art Unterscheidungs- merkmal von ähnlichen, einfachen Zeichen sein dürfte.

C.2. Zwei am Fußpunkte des Zeichens in spitzem Winkel zueinander, von obenher gezeichnete, selbständige Keile zeigen an, daß der Gegenstand mit einem Pflock zum Feststellen oder auch zum

Drehen den Boden berührt = „Stehzapfen“. 96

D. 1. Beistriche, wodurch ein besonderer Teil eines Zeichens eine besondere Note erhält, gleichsam „angestrichen‘“ wird, und wodurch darauf hinge- wiesen wird, daB speziell der „angestrichene“ Teil gemeint ist.

D. 2. Ein senkrechter kurzer Strich oben mitten auf einem Zeichen bedeutet vermutlich eine Öffnung.

D. 3. Mehrere senkrechte Striche (drei oder mehr) oben zeigen an, daB der Inhalt oben sichtbar ist, bzw. herausragt.

D. 4. Durch einen horizontalen Strich werden hohle Gegenstünde als voll angedeutet. Durch diesen einen „Füllstrich‘‘ soll angedeutet werden, daß der Inhalt durchsichtig ist.

D.5. Durch drei oder mehr horizontale „Füll-

striche“ wird der Gegenstand ebenfalls als voll angedeutet, und zwar so, daß der Inhalt un-

durchsichtig ist.

D.6. Durch drei oder mehr senkrechte „Füll-

striche‘‘ wird gleichfalls angedeutet, daß der Gegenstand gefüllt ist. Diese Striche werden bei niedrigen; aber breiten Gegenständen an-

gewendet.

E. 1. Durch Komposition mehrerer Zeichen werden

neue Zeichen gebildet, die als Ganzes für sich auf- treten. Die neuen Zeichen werden selbständig bei-

gesetzt.

E. 2. Desgleichen; jedoch wird das modifizierende

Zeichen dem Hauptzeichen eingeschrieben.

S a д e ——— pU —— ڪڪ‎ УУ —————— ——¼᷑.

DIE KEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

Als weitere allgemeine Regeln sind noch folgende | der sumerischen Sprache üblich ist. Drei gleiche zu beachten: ein Strich und zwei Striche werden | Zeichen jedoch bedeuten ein neues Gebilde (Nr. 1, immer streng auseinandergehalten; dagegen ist die | 2, 3, 10, 11).

Anzahl von drei Strichen ab unbegrenzt (Nr. 89a, In der folgenden Liste der Keilschriftzeichen sind 133, 182). die Regeln mit den oben angeführten Buchstaben Ein Zeichen bedeutet einen Gegenstand. Zwei | und Zahlen bei den einzelnen Schriftzeichen an-

gleiche Zeichen aber bedeuten den Plural, wie es in | gemerkt worden.

6. ZWEIGSYSTEME DER KEILSCHRIFT

Trotz des verhältnismäßig spärlichen Materials, aus einer Grundschule, vermutlich im Süden, eine das aus ältester Zeit überliefert worden ist, lassen | Zweigschule im Norden, in Kis und Akkad, heraus- sich doch schon jetzt bei einigen Zeichen gering- | gebildet hat. In einigen Fällen läßt sich schon fest- fügige Abweichungen voneinander feststellen, die | stellen, daß die südlichen Formen herrschend ge- im Süden des Landes, mit dem Zentrum in Ur, und | blieben sind, während die nördlichen Formen ver- im Norden des Landes, wahrscheinlich mit dem | schwinden. Die beiden Schulen sind in der folgenden Zentrum in Kiš, verschieden sind. Sie treten paral- | Liste ши Kis (Norden) bzw. mit Ur (Süden) provi- lel nebeneinander auf. Die Abweichungen sind aber | sorisch bezeichnet worden. Abschließendes kann

derartig gering, daß man annehmen muß, daß sich | noch auf keinen Fall darüber gesagt werden.

1. LISTE DER KEILSCHRIFTZEICHEN

Die folgende Liste der Keilschriftzeichen ist in | (Leipzig, Harrassowitz, deutsch, lateinisch und acht Abschnitte geteilt worden, und zwar je nach | englisch), dessen Nummern der Schriftzeichen den Entlehnungen: I. Himmel, II. Landschaft, | (1—561) ich zitiert habe. Ferner habe ich auf die III. Baukunst, IV. Flora, V. Fauna, VI. Werkzeuge, | von mir veröffentlichten Schriftlisten Bezug ge- VII. Gefäße, VIII. Abstrakta. Die Richtung der | nommen, und zwar 1. Babylonisches Schrifttum, alten Schriftzeichen ist in der Liste stets die älteste, | Leipzig 1921, Liste = BS, Nr.. .; 2. Artikel „Keil- senkrechte Richtung. Die Assyriologen sind aber im | schrift“ in M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte allgemeinen gewöhnt, auch die ältesten Zeichen in Band VI, Tafel 76 bis 80, speziell Tafel 80, Nr. 1 ihrer späteren horizontalen Richtung zu sehen und | bis 47 = RLV, 80; 3. Assyrische und Babylonische zu lesen, weil die Entzifferung der Keilschrift bei | Kunst, 1927, Abbildung 90, Nr. 1 bis 42 = ABK, den spätesten Inschriften begonnen hat, wo diese | 90. Am Schluß habe ich eine Konkordanz der sekundäre Schriftrichtung üblich war. Für die Be- | Zeichen der Liste mit den Keilschriftzeichen deutung der Zeichen verweise ich auf das handliche | nach der üblichen assyriologischen Anordnung

Kompendium von С. Howardy, Clavis Cuneorum | gegeben.

97

L HIMMEL

Stern, linear, achtstrahlig

2 Zwei Sterne 3 Drei Sterne, achtstrablig BS, Nr. 26 4 Stern (= Gott, Nr. 1) unterm Berg (Höhle, Nr. 10) 5 Blitz Zickzack 6 Sonne, weiB Sonne

Tag

Monat

Jahr (s. Nr. 118)

Sonne, darin Weg (Nr. 20) E, 2

Sonnen- Sonne unterm Berg (Höhle, Nr. 10) E, 1

untergang

unten schwach

umgekehrte Sonne (7) A, 1 (Gegensatz: Nr. 53)

П. LANDSCHAFT

Berg, bzw. Höhle

Drei Berge BS, Nr. 74 ABK, 90,

Nr. 41

RLV „Sonnen- schirm“ $ 1 (Unger)

(vgl. Nr. 201)

98

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ПЕ

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Nr. Alte Form Bedeutung Erklärung

Erde, Ort | Hügel, mit senkrechten Füllstrichen Hügel bzw. runde Erde Wohnung

Sand, Staub | Hügel bzw. runde Erde; unten Hori- Staubwolke | zontalstrich = Boden, 4 aufsteigende Striche (=Sand)

Land Viereck mit abgeteilten Feldern

Wind (s. Nr. 107) Wasser Zwei Wellenlinien, linear

Sumpf Viereck, ursprünglich Kreis mit Wasser darin Blitz (s. Nr. 5)

Waschen Vier von oben nach links unten reinigen | fließende (ausgegossene) Wasserwellen Diener

Weg Straße als Linie, wovon sich links und nach unten eine Straße abzweigt

Straße, Weg Zwei sich kreuzende Straßen Zweiheit

Verschiedene] в. Nr. 22, 23, 35, 53, 62, 121, 123, 145 Ortsnamen

empel,Haus| Turm auf einem Hügel. Vorderansicht

Turm auf Hügel, im Hügel vier senkrechte Füllstriche

Fischhaus | Turm auf Hügel, darin Fisch (Nr. 45)

Turm mit Mauerstück

Stück einer Terrasse mit zwei Rillen dreiteilig, Vorderansicht

Portalturm eines Tempels mit senk- rechten Rillen, dreiteilig, oben Quer- streifen: Oberstock ; in Vorderansicht

99

BS, Nr. 3

BS, Nr. 33

BS, Nr. 25

BS, Nr. 38

BS, Nr. 28

BS, Nr. 9

BS, Nr. 52

BS, Nr. 64

Howardy | Späte Form

Pforte Wie Nr. 26 mit eingeschriebenem Weg (Nr. 20)

Lehmziegelkonstruktion, schräg gestellt, zwei Ecken, Aufsicht

30 Pflanze

Zweimal je vier abgeschnittene Nahrung

gekreuzte Halme

Spalten | Stammwurze] mit abwärtsstrebenden ВГУ, 80, 43 N ebenwurzeln, durchgespalten

44

bzw. angespalten

32 Getreide Ähre, linear BS, Nr. 75 RLY, 80,6 ABK, 90,6

33 Park Zwei Ähren, darunter Bassin BS, Nr. 31

Pflanzung bzw. Wasser RLY, Tf, 78, 79 34 Öffnen, Tiefe Stamm mit zwei Wurzeln (vgl. Nr. 31) Ende

35 Fürst, groß (Palm-)Baum, Stamm mit Zweigen

(Ort) Eridu (oben), 2 Wurzeln, bzw. Bodenlinie un

ten

36 Baumstamm Zwei Bäume mit drei Ästen BS, Nr. 65 37 Wald Zwei Bäume, darüber Ähre BS, Nr. 76 38 Zwiebeln Zwei umgetretene aus ; Ausgewachsene B8, Nr. 32 niedertreten Zwiebelgewächse geben(Opfer) 39 Rohr, Zepter Rohrhalm mit Blättern und Blüte BS, Nr. 15 Griffel oder Frucht RLY „Keil- schriftgriffel 100

——

` A . GE,

Nr.

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

Rohr ши Blättern und Frucht (Blüte) BS, Nr, 66

Pflanze (?) | drei kurze Striche auf derBlütenöffnug

Seele erheben

Wie Nr. 39, aber mit bewegten Blättern

gelb, grün | Blüte mit vier senkrechten Strichen braun (?) Blättern (?)

Dattelpalme | Vier Stengel von rechts nach links unten hängend, daran zwei Dattel- rispen (?)

RLV, 80,2 ABK, 90,3

Drei Palmwedel nebeneinander horizontale Striche, unten zwei Zweige der Dattelrispen

Haar, Wipfel

V. FAUNA

Fisch Fisch, Seitenansicht rechtshin BS, Nr. 96 556 RLV, 80,1 Schwanger | Fisch, mit vier senkrechten Füll- 325 Glo sein, sich strichen mehren Vogel Ruhender Vogel (Ente) rechtshin ABK, 90,29 81 > |<] ВГУ, 80,21

Ei

Desgl. mit senkrechten Füllstrichen RLV, 80,22 | 128 A

ABK, 90,30

BS, Nr.14 | 86 1%

Vogel rechtshin, davor Schoß (Nr. 83)

Vogel mit Ähre über dem Kopfe

Paspasu- Vogel

352 | "ch

Schwalbe Schicksal

Nachbildung einer Schwalbe Seitenansicht

BS, Nr. 12 82 N RLV, 80, 38

ABK, 90,2 Heuschrecke Aufrechtstehende Heuschrecke Archiv 69 > пет senkrechter Leib, Springbeine, Kopf für Orient- auf Fühlern, rechtshin forschung IV 5/6, $. 211 \ / (Unger) Fliegenkopf (?) (vgl. Nr. 9) 419 d aufwärts gerichtet

101 (

Stierkopf (eines Wisents) mit zwei

Stier Hörnern von vorn gesehen

Ochse

Stierkopf in Vorderansicht mit ein-

Wildstier geschriebenem Gebirge (Nr. 11)

Hundskopf mit Hals, Seitenansicht rechtshin

Weib (Nr.100) und Hundskopf (Nr. 58)

BS, Nr. 92

kopf mit verschiedentlichen zusätz- RLV, 80,40 lichen Strichen (Hörner, Bart usw.) ABK, 90,13 Desgl. BS, Nr.87,88 RLV, 80, 42

Desgl. BS, Nr. 84

Desgl.

Desgl. nebst zwei weiteren Zeichen: „Eingespannter“ Esel

Wie Nr. 60

BS, Nr. 17 RLV, 80,41 ABK, 90,14

Desgl.

BS, Nr. 21 RLV, 80,17 ABK, 90,25

Kopf mit Augenstrich und Hals rechtshin, Seitenansicht

Kopf unterm Berg (Höhle, Nr. 10)

102

69

70

71

12

13

14

19

16

11

18

19

80

81

Reden Kopf mit Strich (Auge) und Hals BS, Nr. 6 Mund,Nase | Der Kopf ist am Kinn (Nase) an- RLV, 80,18 gestrichen ABK, 90,26 Beten Kopf mit Augenstrich und Hals BS, Nr. 7 Segnen Dieser ist angestrichen und Hand davor gezeichnet Essen Kopf mit Augenstrich und Hals, der untere Teil des Kopfes ist angestrichen Brot (Nr. 155) vor dem Halse Zunge Desgl. und Zunge (Nr. 81) Sprache №. Trinken Desgl. und Wasser (Nr. 16) Tragen | Kopf mit Augenstrich und Hals, Seiten- BS, Nr. 62 ansicht, rechtshin; erhobener rechter ВГУ, 80,20 Arm. Auf dem KopfTragkissen, darauf Korb mit Fiillstrich, oben drei kurze Striche an der Öffnung, Inhalt sichtbar Mensch | Kopf mit Augenstrich und Brust mit BS, Nr. 67 Querstrichen, Rückenlinie vertikal ABK, 90,39 U Ki (Ur). Desgl. aber Brust gefäßartig ВГУ т’. MS mit Füllstrichen (Kiš) (als Gefäß) „Gründungs- un urkunde“ $ 2 (Unger) Herr, König] Desgl. mit Federkrone (Nr. 134) BS, Nr. 67 RLV, 76—77 ABK, 90,40 Un кі ES Horn Horn rechtshin, Seitenansicht BS, Nr. 20 mi oll sein, bunt Desgl. mit senkrechten Füllstrichen dunkelfarbig rötlich DA Ohr Zwei Tierohren, Vorderansicht BS, Nr. 79 Verstand unten Zusatzstrich ВГУ, 80,31

ABK, 90,16

BS, Nr. 89 ВГУ, 80,30 ABK, 90,15

BS, Nr. 91 ВГУ, 80,32 ABK, 90,17

Tierauge, Vorderansicht, unten Zusatzstrich

Zunge, Seitenansicht, linear, unten Zusatzstrich

Flügel Zwei Flügel, zwei senkrechte Striche Zepter nach außenhin je ein kurzer Strich Sekretär in der Mitte ansetzend

103

EM =

BS, Nr. 81 ВГУ, 80,27 АВК, 90,37

В$, Мг. 17 RLV, 80,28 ABK, 90,38

Schoß, gut Schoß, Vorderansicht

Mutterleib Schoß mit Füllstrich

Nach- Desgl. zweimal RLV, 80,29 kommen- schaft Bauch Bauch mit Inhalt BS, Nr. 82 Eingeweide

Schulter | Die beiden Schulterblätter von hinten gesehen mit Nacken und Hals, in jedem Schulterblatt je drei wagerechteStriche

Leibesmitte | Bauch und dieOberschenkel, der Bauch ist mit vier Strichen angestrichen

BS, Nr. 69

BS, Nr. 43

Rückseite Bauch und Beine, Seitenansicht rechtshin, drei Striche am Kreuz

Hinterteil | Hinterbacken von Mensch oder Tier After mit Spalt

Schwanz |Schwanz eines Esels, der rechtshin geht BS, Nr. 11

ВГУ, 80,7

Bein Stierhinterfuß, Seitenansicht, rechtshin

BS, Nr. 41

Wildstier Desgl und Weg (vgl. Nr. 20) galoppieren

BS, Nr. 40

Huf, Rad |Desgl. Huf angestrichen, oben Flügel

BS, Nr. 16 Lastwagen (vgl. Nr. 62) Hand Rechte Hand von außen, linear BS, Nr. 72

RLV, 80,11 ABK, 90,9

BS, Nr. 70 RLY, 80,12 ABK, 90,10

Arm, rechts | Rechte Hand mit armartigem Glied (vgl. Nr. 98)

Seite, Kraft | Desgl. im Glied: im Winkel gebogene Striche (= ?)

RE E E pesa My => SD

104

Nr. 97 Linker Arm Gegensatz zu Nr. 95 RLV, 80,13 ABK, 90,11 98 Mann Phallus in Erektion, armartiges Glied BS, Nr. 5,47 Phallus mit Füllstrich und Strich oben RLV, 80,9 Beischlaf 99 Knecht | Desgl. mit eingeschriebenem Gebirge (Nr. 11) = Mann des Gebirges 100 V Vulva, Vorderansicht BS, Nr. 93 ВГУ, 80,8 V ABK, 90,34 101 | NA Magd Desgl. mit beigeschriebenem Gebirge ABK, 90,35 = Weib des Gebirges А 102 Herrin Desgl mit beigeschriebenem Kleid ABK, 90,36 (Nr. 133) = bekleidetes Weib 103 Fuß, Seitenansicht, rechtshin BS, Nr. 42 RLV, 80,14 ABK, 90,7 104 Fuß, Wurzel | Bein mit angestrichenem, vorderenFuß BS, Nr. 39 Grundstein RLV, 80,15 ABK, 90,8 A 105 Dolch Dolchscheide mit Griff, durchsichtig | 0,4 BS, Nr. 2 10 =] innen Längsstrich und Querstrich RLV „Schwert“ gefüllt D$ 1 (Unger) 106 NY Schlüssel Schlüsselhaken A, 2 BS, Nr. 78 361 NI 107 Wind Linkshin geblähtes Segel (?) А, 1 384 SH Blähung 108 > Bogen Ungespannter Bogen, Seitenansicht A, 2 BS, Nr. 86 426 Y »— 109 Pflock Nagel, Vorderansicht A, 1 BS, Nr. 50 238 * Beem RLV, 80,35 ABK, 90,31 RLV „Grün- dungsurkunde 81 (Unger) з 110 Fessel Pflock mit Stricken A,1 RL. 80,37 24 > ABK, 90,33

105

Alte Form Bedeutung Erklärung Regel Literatur

Holzstab BS, Nr. 54 Ebenholz Desgl. mit Füllstrich; > stark, fest Var.: unten abgerundet Herr Gespann Zwei Deichseln zum Einspannen Fessel, Preis für ein Tier, Aufsicht Messen Desgl. mit Ähre (Getreide) kaufen, Maß Messen Desgl. mit Feuer (Nr. 127) = lieben, Besit Joch (EBEL) Deichsel mit zwei Jocharmen für zwei Tiere Pfeil, Same | Pfeil als Standarte, unten „Stehzapfen“ Nach- kommen- schaft Name, Jahr | Standarte mit „Stehzapfen“ (unten) und Weg (Nr. 20) Helfer Desgl. zweimal verdoppeln Spindel Stange mit spitzem Stehzapfen BS, Nr. 1 oben Triangel ABK, 90,20 Mond (Gott)| Standarte, Mondsichel (zunehmend) BS, Nr. 68 Ort (Ur) | an Stange auf Stehzapfen, rechtshin RLV, 80,24 ABK, 90,21 Land, Volk Standarte, Netz (Nr. 141) BS, Nr. 63 Untertanen auf Standarte mit Stehzapfen (Stadt) Adab Sonnenstandarte Pfosten mitStehzapfen, an dem Pfosten BS, Nr. 13 Türflügel mit Markierung der Balken- ВГУ, 80,23 fügung, oben Angelband ABK, 90,19

106

272

296

195

200

206

70

14

59

190

307

298

363

84

Späte Form

125

126

127

128

129

130

131

132

133

134

135

136

137

138

> Me e E dE Н IMA $ xe E> О

Schiff

Zu Schiff fahren

Feuer

Neu, Fülle

Schiff in Seitenansicht, rechtshin, mit Markierung des Vorderstevens durch Verzierung (Tierkopf)

Schiff auf Wasser

Feuerkandelaber mit Füllstrich und drei Flammen oben

Desgl. und Weg (Nr. 20)

Silber, Geld | Gebogener Barren mit Querstrichen

glänzend Beil Sekel (Geld- bzw.

Gewichts- einheit)

Wägen

Kleid

Groß

Krone

Tontafel Siegel

Tontafel Siegel

Siegel- bewahrer Omen

Rechtshin mit der Schneide aufgestellte Tüllenaxt

Desgl. (kupferne) Axt angestrichen

Wage (ungleicharmig)

Senkrecht gestreiftes Kleid (wie drei Zotten des sumerischen Rockes)

Federkrone mit Zusatzstrich

Hoher senkrecht gestreifter Hut oben Querstreifen und Federn

Tontafel mit Querstrichen (Zeilen) und Griffel (Nr. 111)

Desgl. am Griffel Querstrich (vgl. Nr. 112)

Tontafel, darüber ein Auge (Nr. 80)

107

Literatur |Howardy| Späte Form

BS, Nr. 22

BS, Nr. 23

BS, Nr. 35 RLV „Nusku“8 3 (Unger)

BS, Nr. 90

Forschungen und Fortschritte Ш, 9, 336 (Unger)

Desgl.

ВГУ, 80, 46 ABK, 90, 42

ABK, 90,18

RLV „Mummen- schans“ 8 3 (Unger)

BS, Nr. 58

BS, Nr. 29

| зве [мне] mm || mr ons mern

| | Netz zum | Horizontal gespanntes Netz, rechts- А, 1 ВГУ, 80,3 Fischfang hin offen, vier Stricke und zwei

Querstricke

Netz Vier Stricke, oben vier Querstricke, | A, 1 BS, Nr. 18 unten offen

Netz Vier vertikale Stricke, unten А, 1 BS, Nr. 53 geschlossen, oben vier Querstricke

р Tragen Rückentraggestell, oben Brett A, 2 == halten i

- oder Kasten, unten Bodenstrich (?) Ur Kis erheben rechtshin haben

Ernte,ernten| Desgl. und senkrechte Striche oben D, 3 m

suchen | | Tragkorb | Desgl. mit und ohne Bodenstrich E, 1 == к Ттаде oben als Inhalt: Schmales hohes Gefäß mit Füllstrich (Nr. 172) (Ort) Tilmun Trage mit Ölkrug (Nr. 159) E, 1

ölbringendes Land Ur Kis d)

Überfluß Zwei Tragen (Traggestell) С, 1 = Fülle darauf gefüllter Krug (Bier, Nr. 163)

ч Weinkrug | Zwei Tragen, darauf gefüllter Krug | C, 1 =

und Berg (Höhle, Nr. 10)

Bild Zwei Tragen auf Stehza pfen С, 1 В$, М а » Nr. 73 Denkmal darauf zwei Stierköpfe "i r. 54) ВГУ, 80,26 ABK, 90,23

108

BY

Zweibeiniges Gestell auf Stehzapfen, darüber Giebel mit Verzierung, je vier kurzeStriche auf denGiebelseiten

Desgl. darüber Vogel (Nr. 47)

Regel

Literatur |Howardy| Späte Form

BS, Nr. 85 ВГУ, 80,25 ABK, 90, 22

Ea КЬ < K <= < 4 <S

Zypresse

Pillu- Pflanze

Brot

Bier, leben

Wein

Sila (qa) (ein Hohl- maß)

Öl

Äußere Erschei- nung, Form, Ge- stalt; was?; in aus, von (Präp.)

Honig, süß

Striche oben an der Öffnung

Desgl. mit Bodenstrich

Topf mit Pflanze, unten Bodenstrich

seitlich der Pflanze je zwei kurze

Striche auf dem Topfrande: bis über den Rand gefüllt

Topf mit zwei Gewächsen, Vorder- ansicht, Füllstrich im Topfe

Korb (Schüssel) mit rundem Boden, Füllstrich

Spitzer Napf, oberer Rand spitz ausgeschnitten

Desgl. oben Holz mit Strich (Nr.112) zum Pressen (?) oder Vase, Hals mit Füllstrich (?)

Spitzer Becher mi Bodenstrich (vgl. Nr. 171)

Desgl. mit Fúllstrich

Gefäß mit Bodenstrich

Gefäß mit eingeschriebenem Schoß (Nr. 83 = gut); Bodenstrich

109

E, 2

BS, Nr. 71

BS, Nr. 10 RLV, 80,39

BS, Nr. 30

BS, Nr. 97 ABK, 90,12

BS, Nr. 46

RLV „Маб“ E, $ 7,8 Rev. d’Assyr. IX 163 (Langdon) BS, Nr. 51 RLV, 80,36 ABK, 90,32

BS, Nr. 19

326

330

173

558

455

223

60

239

162

124

1

ME NN | as ao m

162

163

164

165

166

167

168

169

170

171

172

173

174

175

"AA vy

Krug

Bier

Kraut

Bierbrot

Obst, Frucht des Gebirges

Mutter- bzw. Esels-Milch Brust

Knoblauch Orakel

Tribut, Hals

Tribut Talent (Geld- Gewichts- einheit) Tonne(Hohl- maßeinheit СОК) = 180 sila (Nr.158)

Gefäß, Krug

Kasten, Lade Haus

Mächtig,weit Mutter

Pferch Balken, Dach

Kloster Haus der Reinigung

Gefäß mit Hals und Ausguß, auch mit Füllstrich in Hals und Bauch

Gefäß mit und ohne AusguB, im Bauch ein Füllstrich, im Hals zwei Füll- striche, undurchsichtiger Inhalt

Vase mit mehreren Füllstrichen, Hals mit Querstrichen, Bodenstrich

Gefäß mit mehreren Füllstrichen im Hals, im Bauch Brot (Nr. 155)

Gefäß mit Füllstrich im Hals und Bauch, darin Gebirge (Nr. 11)

Breites Gefäß, senkrechter Strich im Hals (geteilt?), Füllstriche in Hals und Bauch, Inhalt undurcbeichtig Desgl. darüber Weg (Nr. 20)

Vase mit Füllstrich im Bauch

Desgl. und eingeschriebener Weg (Nr. 20)

Faß oder hoher Bottich

Hohes Gefäß mit Füllstrich

Desgl. mit Gott (Nr. 1)

Desgl. mit zwei Bäumen (Nr. 36)

Desgl. mit Rohr (Nr. 40)

110

D, 4

D, 5

RLV „Maß“

BS, Nr. 56 ABK, 90,24

BS, Nr. 48 RLV, 80,33

BS, Nr. 49

BS, Nr. 57 RLV, 80,34

BS, Nr. 61

Е, § 7, 8 (Unger)

ex

Jn .

Nr. Alte Form Bedeutung Erklürung Regel Literatur

Speicher Desgl. mit Áhre (Getreide) E, 2

Harem, Liebe Desgl. mit Weib (Nr. 100) E, 2

Opfer, Gebet Gefäß, unten spitz A, 1 Tierjunges oben ausgeschnitten (vgl. Nr. 156)

Opfer Desgl. mit Ahre (Nr. 32) E, 2 [RLY „Opfer“ B,§ 2 (Unger)

Desgl. oben hartes Holz (Nr. 112) Е, 1 BS, Nr. 36 mit Querstrich (Mörserkeule)

Zermalmen Desgl. mit Ähre (Nr. 32) darin 2% BS, Nr. 37

morden

Niedriger Kasten mit senkrechten D, 6 Füllstrichen

VILABSTRAKTA

183 | 1; einzig Senkrechter Strich 1 > 184 | | 2; Zwilling Zwei senkrechte Striche BS, Nr. 24 145 hinzufügen | | (vgl. Nr. 20) 185 | 4 Vier kurze, senkrechte Striche 146 e 186 1 | 5 Fünf desgl. 164 = 187 $ 10 Runder Eindruck des Griffels 394 d

111

Horizontalstrich

10 x 60

Schoß (Nr. 83)

SEM

Senkrechter Strich, vom wagerechten durchstrichen; Vertikalkreuz

7

Andern Feind

Ausstreichen durch Diagonalkreuz

Umschließen Viereck, ursprünglich Kreis

Desgl. zweimal

Desgl. darin Gott (Stern, Nr. 1)

Stall, Hürde | Desgl. darin zwei Stierköpfe (Nr. 54)

Backofen Desgl. darin Wind (Nr. 107)

Desgl. darin Höhle (Nr. 10)

Desgl. darin Wasser (Nr. 16)

Backofen

Desgl. darin Brot (Nr. 155)

VORA Ох +

III ШШ

Finsternis betrübt sein fürchten

Desgl. zwei Reihen von Strichen (dunkel, vgl. Nr. 12)

Erhabenheit Ruhm Herrlichkeit

Pentagramm (magisches Zeichen)

X

112

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

Die vorstehende „Liste der Keilschriftzeichen“ umfaßt eine Anzahl von insgesamt 208 Zeichen, wie aus der Konkordanz (am Schluß) hervorgeht, 111 Zeichen mehr, als ich 1921 in meinem „Baby- lonischen Schrifttum“ gegeben habe. Die Liste gibt aber nur 202 Nummern, von denen einige doppelt gebucht sind, weil die betreffenden Zeichen mehre- ren Rubriken angehören. Diese doppelte Anführ- ung der Zeichen habe ich nur in wenigen Fällen gemacht, wo es besonders wichtig erschien, da es die Liste zu sehr erweitert hätte. Einige Zeichen, die in ältester Zeit streng auseinander gehalten werden (z. B. Nr. 89a, 133, 182), sind später zu einem Zeichen verschmolzen, oder aber es sind auch aus einem einzigen alten Zeichen zwei neue Zeichen in

später Zeit entstanden. Daher erklärt sich die Abwei-

chung der Anzahl der Zeichen.Bei den zusammen- gesetzten Zeichen läßt sich mit Hilfe der acht Unter- abteilungen das hinzugefügte Zeichen leicht auf- finden. Bei den Erklärungen der Zeichen habe ich mich ebenfalls möglichst kurz gefaßt und verweise auf die in Kapitel 5 mitgeteilten Regeln für den Aufbau des Keilschriftsystems. Im folgenden habe ich nur einige wichtigere Hinweise gegeben, die von weiterem Interesse für die Entstehung der Keilschrift sind.

Für die Erklärung der Zeichen ist es notwendig, daß man nicht nur hinsichtlich der äußeren Form im großen und ganzen im klaren ist, sondern jeder einzelne Strich, den der Schreiber gezeichnet hat, muß seine Erklärung finden, eine Forderung, die bei diesen 208 Zeichen im allgemeinen restlos hat erfüllt

werden können.

8. DIE KEILSCHRIFT ALS ORNAMENT UND ERGEBNISSE

Die Keilschrift hat sich, wie oben gesagt ist, ver- hältnismäßig früh und schnell weiter entwickelt, zu einer Kursiven, die sich zur Verwendung als Orna- ment sehr wenig eignet und daher auch nur selten in diesem Sinne von den antiken Schreibern an- gewendet worden ist.

Um überhaupt einen Überblick erhalten zu kön- nen, welche Beziehungen die sumerische Keilschrift zur Ornamentik besitzt, war es vorher notwendig, den systematischen Aufbau der Keilschrift so voll- ständig wie möglich darzulegen, da dies bisher noch nicht hinreichend geschehen konnte. Nachdem man sich von mindestens 208 Zeichenformen ein klares Bild machen kann, ist es auch möglich, über die Formen selbst und ihre Beziehungen zur Orna- mentik ein Urteil zu gewinnen.

Die Keilschrift hat sich, wie gezeigt wurde,

außerordentlich früh und sehr rasch weiter ent-

wickelt, zu einer Kursiven, doch tragen wenigstens die älteren Bildformen, die hier vorgeführt sind, noch mehr ornamentalen Charakter.

Der Sumerer liebt zunächst die Reihung, die Paa- rung von zwei gleichen Elementen zu einem einheit- lichen Schriftbilde (Nr. 2).

Reihung ist wohl aus dem sumerischen Sprachemp-

Diese ornamentale

finden entsprungen, das den Plural durch zwei- malige Nennung desselben Wortes auszudrücken pflegte.

Die ornamentale Reihung findet sich aber auch bei einigen Zeichen, in denen eine Form, wie z.B. bei Nr. 142 (, Trage“) zur Zusammensetzung fürneue Zeichen angewendet ist, Nr. 146—150.

Daneben kennt der Sumerer aber auch die zentra- lisierte Form, die Pyramidalform, indem er unter zwei gepaarte Zeichen ein gleiches drittes mitten

darunter setzt, so daß eine umgekehrte Pyramidal-

113

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

form entsteht (Nr. 3, 11). Diese Form hat auch eine selbständige neue Bedeutung. Vgl. a. Nr. 186.

Wenn aber zu einer Paarung von zwei Zeichen ein andersartiges Element hinzugesetzt wird, so ge- schieht dies oberhalb der zwei Zeichen, so daß eine pyramidale Form, mit der Spitze nach oben, ge- bildet wird (Nr. 37). Das modifizierende neue Ele- ment ist dadurch sichtbarer gestellt. Die Reihung ist jedenfalls das Primäre, die Zentralisierung das spätere.

Eine ornamentale Verwendung der Schriftzeichen gibt es in archaischer Zeit und zwar in einer Epoche, die schon einen gewissen Grad der Entwicklung der Schrift zeigt und absolute Vertrautheit des Schreibers mit sämtlichen Schriftformen erkennen läßt, in der Zeit um 3000 v. Chr. Hier wird nämlich aus Schönheitsgründen die Schrift so angeordnet, daß ein zierliches Zeichen oberhalb eines massiveren Zeichens geschrieben wird, z. B. „Gebirge“ (Nr. 11) über das Zeichen für „Tempel“ (Nr. 26), mit der Le- sung Kur-e, das heißt willkürlich und künstlich, denn die wirkliche natürliche Lesung und Stellung dieser beiden Zeichen ist E-kur. Ein anderes häu- figes Beispiel ist die Schreibung Sar-e, anstatt E-sar (Nr. 33) in den archaischen Inschriften der Stadt Adab. Aus diesen und andern Umstellungen ist die gewollte ornamentale Verwendung der Keil- schrift deutlich zu erkennen.

Ein Rest ornamentaler Anordnung der Schrift ist auch noch in späten assyrischen Inschriften nachweisbar, und zwar in der Art, daß in der Schlußzeile der Inschrift die letzten Worte in die

rechte Ecke gerückt sind, oder wenn vielleicht nur

noch zwei Worte zu schreiben sind, das eine am

Anfang, das zweite aber am Schluß der Zeile ange- ordnet wird, vergleiche die Inschrift des Königs

Schamschi-Adad V. (824—810 v.Chr.) von der

114

Stele im Britischen Museum (1 Rawlinson, Tafel 31), oder in der Inschrift seines Nachfolgers Adad- nirari ПІ. (805—782 v.Chr.) aus Saba'a, 2.33 (E. Unger Reliefstele Adadniraris III. aus Saba'a und Semiramis: Publ. Kais. Osm. Museen II (1916), S. 7, Annı. 1, Tafel II und VI).

Eine ornamentale Verwendung der Keilschrift im allgemeinen ist ferner die seit 1400 in Babylonien und Assyrien nachweisliche bewußte Heranziehung der älteren archaischen Schrift aus der Zeit der ersten babylonischen Dynastie (um 2000 v. Chr.) als archaistische Schrift. Man tat dies nicht nur aus traditionellen Gründen, aus Ehrfurcht vor der alten Kultur, oder aus Gründen politischer Natur, wenn z.B. ein assyrischer König, wie Schamschi- Adad V., als Oberherr von Babylon, plötzlich, nach 400jähriger Pause, die archaistische babylonische Schrift wieder schreibt (E. Unger, Assyr. und Babylon. Kunst 1927, S. 33), sondern es spielen hier auch Schönheitsgrundsätze mit, die an der regelmäßigeren und ornamentalen alten Schrift Gefallen gefunden haben. Diese archaistische Schrift wird nicht nur auf monumentalen Denk- mälern in Stein, sondern auch auf Tontafeln ge: schrieben. Die größte Verbreitung hatte die ar- chaistischeSchrift in der spätesten, der neubabyloni- schen Zeit (625—539 v. Chr.), die überhaupt von dem Ruhme der alten Zeit zehrte (E. Unger a.a.0.,5.67f.).

Sonst ist aber die Beziehung der Keilschrift zur Ornamentik nicht groß zu nennen. Ich erwähne hier nur die Verwertung der eingerahmten Schrift als Mittelpunkt bei den Siegelbildern, was in alt- sumerischer und akkadischer Zeit (Titelbild) üblich war. Hierbei ist die bildliche Darstellung rechts und links der Inschrift im Gegensinne wiederholt (vgl. meinen Artikel „Glyptik“ in M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte IV; E. Unger, Sumerische und Akka-

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DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNGZURORNAMENTIK

dische Kunst, Abbildung 29 bis 32, 39 bis 41. Bei Fayencen (siehe RLV „Fayence“ D) kommt dann noch die ornamentale Verwendung der Schrift vor in assyrischer Zeit (9. Jahrhundert v. Chr.) bei den emaillierten viereckigen Kacheln an den Wänden der Paläste. Dort, wo der „Zigatu“ oder Nagel im Mittelpunkt heraustritt, ist die Schrift konzentrisch um den Ansatzpunkt des Nagels herumgeführt. Sonst aber ist eine ornamentale Benutzung der Keil- schrift wenig gebräuchlicl gewesen, abgesehen, daß etwa die Form der „Keile“ besonders fein gestaltet und ausgearbeitet worden wäre.

Das ganze System der Keilschrift läßt erkennen, daß der Erfinder es von Anfang an darauf schon ab- gesehen hatte, die Schrift möglichst einfach zu gestalten, entsprechend dem praktischen Bedürfnis einer Schrift, die für Handelszwecke gebraucht wurde.

Es gibt eine ganze Reihe von selbständigen For- men, die die Objekte in der charakteristischen und kürzesten Ausdrucksform wiedergeben; außer den in der Liste namhaft gemachten Zeichen dieser Art, enthält die Keilschrift noch eine ganze Anzahl andrer Zeichen, die jedoch die präzise Erklärung, die man fordern muß, noch nicht erhalten können, meist aus dem Grunde, weil die ureigentliche Grund- bedeutung des Zeichens noch nicht mit voller Sicher- heit ermittelt ist.

Von größter Wichtigkeit ist die Tatsache, daß der Schrifterfinder von Anfang un abstrakte Beizeichen eingeführt hat, durch die er die Bedeutung eines Zeichens modifizieren kann. Auch dies verein- fachende Mittel trägt sehr dazu bei, die Anzahl der Grundzeichen stark zu beschränken.

Die Einteilung der Zeichen habe ich nach ver- schiedenen Kategorien vorgenommen, die am hervorstechendsten sind: Zeichen, deren Objekt,

ihrer Form und Bedeutung nach, am Himmel, in der

Landschaft, Baukunst, Flora, Fauna, als Geräte (Werkzeuge usw.), Gefäße und Abstrakta gefunden worden sind. Fauna und Geräte haben dabei wohl den größten Anteil gestellt. Zu letzteren sind auch noch die Gefäße zu stellen, die ich aber gesondert behandelt habe. Ich tat dies mit Anlehnung an eine Vermutung von W. Bloßfeldt, daß in Mesopotamien der Gefäßkult und die antike Anschauung herrsche, daß der Mensch ein Gefäß sei. Im Hinblick auf die zahlreiche Verwendung der Gefäße erscheint mir das nicht ausgeschlossen. Die Nebenform der Zeichen für „Mensch“ (Nr. 75) und „Herr“ (Nr. 76), die im Norden (Kis) vorkommt, und die einem gefüllten Gefäß gleicht, dürfte die Ansicht von Bloßfeldt bestärken. Es ist auch ferner höchst auffallend, daß der Begriff der „Gestalt, Form, äußere Erscheinung“ (Nr. 160) geradezu durch ein Gefäß ausgedrückt wird. Dieses Zeichen wäre überhaupt ohne die Er- klärung von Bloßfeldt nicht zu deuten, für die es den speziellen Beweis erbringen dürfte.

Die Heimat, das Ursprungsland der sumerischen Keilschrift, ist, wie ich schon in meinem Aufsatz Die Kultur der Keilschrifterfinder‘‘ angedeutet habe, das Tiefland Mesopotamien selbst. Den Nordost- wind (vergleiche Forschungen und Fortschritte IV, Nr. 33, Unger) bezeichnen die Sumerer mit „Ge- birgswind“, die „Sklaven“ und „Mägde“ erhalten sie vom Gebirge (Nr. 99, 101), „Obst“ ist die »Gebirgsfrucht (Nr. 166). Danach saßen die Schrifterfinder in der Ebene, deren Flora, z. B. die Dattelpalmen, das Rohr, mehrfach für Schrift- zeichen herangezogen wurde (Nr. 39 bis 41, 43 bis 44). Der Wagen war damals noch nicht erfunden, da die Teile des Wagens, namentlich der wichtigste, das Rad, nur in übertragener Bedeutung z. B. vom „Huf“ (Nr.93) vorkommen (vergleiche meinen Ar- tikel „Wagen“ C $1 in M. Ebert, Reallexikon der

115

DIEKEILSCHRIFTUNDIHREBEZIEHUNG ZUR ORNAMENTIK

Vorgeschichte XIV). Joch und Gespann ist auch beim Pfluge schon vorher vorhanden gewesen (Nr. 113, 116). Vielleicht ist es aber auch schon möglich, den Ort zu bestimmen, wo die Schrift- erfindung vor sich ging. Es ist auffallend, daß der Stier bei den Zeichen eine große Rolle spielt. Als Haustier würde dies nichts bedeuten, aber wenn er als Kultobjekt vorkommt, wie bei dem Zeichen für „Denkmal, Bild“ (Nr. 148) mit zwei Stierköpfen, so kann dies auf den speziellen Kult hinweisen, den der Stier als Stadtwappentier (siehe a. a. O. „Wap- реп“ C $ 2, Unger) in der Stadt Ur besitzt. Zwei Stiernachbildungen aus Holz waren auf den Leichen des Gefolges im kóniglichen Grabe in Ur aufgestellt, ein weiblicher, mit Kupferkopf, über den Leichen von neun im Grabe getöteten Frauen des königlichen Gefolges stehend, und ein männlicher Stier, mit Gold- kopf und blauem Lapislazulibart, über männlichen und weiblichen toten Gefolgsleuten aufgerichtet, nach den Ausgrabungen von Woolley (Illustrated London News Nr. 4653, vom 23. Juni 1928). Die

sumerische Sitte des blutigen Grabzeremoniels der despotischen Könige ist in Zentralasien za Hanse und von hier nach China, Indien, Südrußland (noch im 7. Jahrh. v. Chr. durch die iranischen Skythen) gewandert. Sie bestätigt, daß auch die Sumerer aus Zentralasien gekommen sind, was man nach dem Aufbau ihrer Sprache, die den ural-altaischen Idio- men nahesteht, schon lange vermutet hat. Als drittes Argument kommt hinzu, даВ durch das Schriftzeichen „Land“ (Nr. 11) auch „Gebirge“ bezeichnet wird, so daß man schließen muß, daß die Heimat der Sumerer einst das Gebirge Zentralasiens gewesen ist. Die Erklärung der Bilderzeichen der sumerischen Keilschrift bietet nicht nur sehr wertvolleAufschlüsse für die Geschichte der Schrift, sondern auch hoch- interessante Einblicke in das antike sumerische Kul- turleben, in die Technik, den Kultus und die Kunst des ältesten Volkes mit einer Hochkultur, das, wie wir jetzt aus dem bunten Mosaik von Ur (RLV Band XIV, Tafel 54B) wissen, einer weißen Rasse angehört und das Maultier (Nr. 64a) gekannt hat.

9, LITERATUR (ın HISTORISCHER FOLGE)

1878: HOUGHTON, On the hieroglyphic or picture origin of the characters of the assyrian syllabary. Transactions of the Society of Biblical Archaeology VI, S. 454.

1897: F. HOMMEL, Der hieroglyphische Ursprung der Keil- schriftzeichen. OrientalistenkongreB, Paris.

F. DELITZSCH, Entstehung des ältesten Schriftsystems.

1898: THUREAU-DANGIN, Recherches sur l'origine de Гесті- ture cuneiforme, Paris.

1904: C. FOSSEY, Manuel d'Assyriologie I, Paris.

L. MESSERSCHMIDT, Die Entzifferung der Keilschrift : Alter Orient V, Heft 2.

1906: L. MESSERSCHMIDT, Zur Technik des Tontafelschrei- bens: Orientalistische Literaturzeitung IX, S. 185f., 304 f., 372 f.

1912: TH. DANZEL, Die Anfänge der Schrift: Beiträge zur

Kultur- und Universalgeschichte XXI.

G. A. BARTON, Origin and Developement of Babylonian

Writing: Beiträge zur Assyriologie IX.

1916: J. H. BREASTED, The physical process of writing in the early Orient: American Journal of semitic languages

XXXII, S. 230f.

1913:

116

1921: E. UNGER: Babylonisches Schrifttum, Leipzig.

1922: A. DEIMEL, Liste der Archaischen Keilschriftzeichen von Fara :WissenschaftlicheVeröffentlichung der Deutschen Orientgesellschaft XL.

E. UNGER, Das Alter der Keilinschriften von Fara: Zeit- schrift für Assyriologie XXXIV, S. 198f. E. UNGER, Die Entstehung der Keilschrift.

1923: E. UNGER, Dis Entstehung der Keilschrift: Deutscher Stenographenkalender S. 62f.

1925: B. MEISSNER, Babylonien und Assyrien 11, S. 324ff. E. UNGER, Keilschrift: M. EBERT, Reallexikon der Vorgeschichte VI, Tafel 76—80.

E. UNGER, Keilschrifigriffel: Ebenda.

1926: C. FOSSEY, Manuel d. Assyriologie II, Evolution des cu- néiformes.

1927: E. UNGER, Assyrische und Babylonische Kunst, S. 51ff. (Schrift und Kunst, Abb. 90.)

E. UNGER, Querschnitte zur Geschichte der Keilschrift: Forschungen und Fortschritte III, S. 201. E. UNGER, Die Kultur der Keilschrifterfinder : Ebenda

S. 226.

|

N 10. KONKORDANZ DER ÜBLICHEN REIHENFOLGE DER KEILSCHRIFT- ZEICHEN (HOWARDY) MIT DER „LISTE DER KEILSCHRIFTZEICHEN“

Howardy Typ Liste Nr. Nr.

191 193 194 195 200

Howardy Typ

203 204 206 211 214 215 216 218

128 (Var.) 129

138 220

221 221 (Var) | »

144

222 223 224 225

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men E] n

248 Nach 248 Nach 248

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DES

Em

202 162

136

167

Howardy Nr.

384 386 388 394

394 (Var.)

395 401 404 407

410 412 418 419

187

Howardy Nr. 455 457 459 473 474 476 477 478 483 487 488 493 494

Nach 496 498 500 503 504 504 507 514 515 520 521 523 526 528 53] 538 539 542 546 546 (Уаг.) 549 556 558

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CA AES mos mẹ * Y

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189 193 195 57, 196 197 198 198 17, 199 200 194 81 139 89а, 133 182

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NAMEN- UND SACHREGISTER

Seite Akropolsstein (Abguß im Deutschen Buchmuseum)...... 73 Ala-eddin II. (ТогЬай)............................... 65 Aeon Т КТ Г 37 Apokalypse: Ill 8 18 Araber (dekorative Kunst) ........................... 65 Ell ee Reis 63 ff Arabisch (Ms. der Klemm-Slg.) ................. 64 (Tafel) Arabisch (Schrift ornamental verwendet)............... 65 Arabisch (Schriftspielerei, modern, Vorlage im Deutschen Buchmuseum) .............................. 66 (Tafel) Arvalenbrüder .....u sun. 15 Bambustafeln (СЫпа)............................... 59 Bilderschrift (chinesisch)............................. 59 Bildkunst (altgermanische) ........................... 23 Blockbuch (chinesisch, modern)................. 60 (Tafel) ВбКЕзїа-бїеїп.................................. 38 (Tafel) Buchmalerei (їпїзсһе)................................ 25 Buchmalerei (karolingische) .......................... 27 Buchtitel (Holzschnitt)................. Н 17 Caelius-Kenotaph (Abguß і. Deutsch. Buchmus.) 70 (Tafel) 76 Caesonius-Inschrift ..... rr 74 (Tafel) Cambridge-Psalter .................................. 21 Canonesbögen (syrisch . q . 27 Canonestafeln (Eusebianischeꝶ:ꝶ . . 52 Codex argenteuans q 40, 44, 48 (Tafeln) Codex argenteus (Einband). e 40 Codex argenteus (Faksimile-Jubiläumsausgabe) ........ 39 Codex argenteus (Schicksale) ......................... 41 Codex argenteus (Schmuck) .......................... 45 Codex Brixianuhn . 53, 56 (Tafel) Codex Nchedigerianuun nn . 53 Collegium salutare (Inschrift)......................... 78 Damasius (Papst) ............................. 76 (Tafel) Dionys von Halikarnass ............................. 68 Dravle-Steiꝶnꝶ nn 36 (Tafel), 38 DEA Sensis ³ↄ 0 eens 29

Seite Dürer, Albrecht.... nn 18 Ehrenstrahl s. КЇ1бсКег............................... 41 Eurysaces-Monument (Abguß im Deutschen Buch- CCC WEE 79 Evangeliar von Kells.......................... 25 (Tafel) Evangeliar aus Kloster Lüneburg a.d.H.......... 26 (Tafel) Evangeliar von Lirndisfarne. 4 27 Evangeliar Otto ЇЇЇ............................ 26 (Tafel) Evangelium des Matthäus und Markus (Ada-Handschriften- gruppé) аа ³ĩðè k 28 (Tafel) Fluoreszenzphotographhůuii kk 3 55 Fortet, Mieses раРе 18 Gardie, Magnus Gabriel de laͥa aa. 41 Gebetbuch Ethelried ................................ 27 Serbe 28 Handschristen (Schmuck m. -a. H.Zꝶ )))) . 25 Hieroglyphen (ägyptische, Schmuck wert) 83 Hieroglyphen (dekorative Verwendung) ............... 88 Holzschnitt-Titel (Frühzeit) .......................... 17 Нои 0 SCE 16 (Tafel) n, ее оваа A ia 36 Inschriften (melische) ............................... 12 Isistempel (Pompeji) ................................ 75 Kadmos nase ⁰⁰ 88 67 Ка Bài (Grabmoschee, Kairo) ....................... 65 Kalligraphen (arabischeoeeoe·ꝶᷣꝛꝛꝛꝛ i . 66 Fp u. da 71 Keilschrift (Aufbauhł ii nnn 94 Keilschrift (Beziehung zur Ornamentik)................ 89 Keilschrift (Entwicklung) ............................ 89 Keilschrift (Entwicklung, technisch). .................. 93 Keilschrift (Schriftrichtung) .......................... 93 Keilschrift (Zweigsysteme) ........................... 97 Keilschriftsystem (Regeln) ........................... 96 Keilschriftzeichen (Liste)........................... 97 ff.

Kesler, Nicolaus ............... EUER UND 8 18

Scite

Киеп, Reeg adas 14 (Tafel) r nee 41 Konstantin-Triumphbogen........................... 18 Koran -Titel (Kalligraph Mohammed ben Ahmed von A en 63 (Tafel) Kreuz (christliches, auf Runensteinen) ................. 37 eee, . 68 Larisch; RFC ion esi pies eee а 11,12 Ligaturen (bei Inschriften) ..................... 73, 16, 78 Löwenbrunnen der Alhambra......................... 65 Londagbrd.-Denkos), eere 33 Luther; Martin u... en 24 Marc-Aurel-Stele............. leen 18 Mastaba des Prinzen Onu ................... 84 (Tafel), 85 Mastaba des Оћет[ка.......................... 84 (Tafel) Militärdiplome (r6mische)............................ 77 Miniaturen (gotischeoe:eã⸗æeͤoeꝰ nn q 29 Miniaturmalerei (arabischeꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛ ne 65 Мове-Репкеќеів........................... 87, 88 (Tafel) Nepos-Grabschrif᷑QqGei .. 77 Niedenfuhr,; .. 16 (Tafel) Oktavianus Augustus (Triumphbogen in Susa).......... 76 Ornamentik (frûhromanische)......................... 28 Ornamentik (der Reichenauhunůůꝰ j . 28 Ornamentik (spãtromanische)......................... 29 Photographie (bei oszillatorischen Entladungen) 55 Photographie (mit reflektiertem Licht) ................ 59 Photographie (mit Röntgen- und Radiumstrahlen....... 55 РГ; Johann... eu 18 Ptah-en-imat (Türsturzs)........................ 84 (Tafel) Ptolemaeus II. (Relief)......................... 86 (Tafel) Ramsauer, Hertha ................... 10, 12, 14 (Tafeln), 13 Randbänder (runische) .............................. 34 Кеїзїай-бїеїп................................. 32 (Tafel) Riederer, Friedrich.......................... iate us 18 Ringerikeköpf..., uud 37 Röckstein (Abguß im Deutschen Buchmuseum) ......... 34 Romulus-Stein (Abguß im Deutschen Buchmus eum) 74 Rossi, Тогепто....................................._ 18 Rudolf II. (Каївет).................................. 42 Runen (Schmuckformenʒꝛꝛꝛ 31 Runen (Zauberbedeutang)............................ 31 Runen Inschriften . qͥꝝ•S 33 Ann dd ð 8 33 Runensteine v. Aarhus 36 o ое ·àA2ʃ—̃̃ x ata dau 78, 19 Schedel, Нагипапп.................................. 18 , . 24 Schoeffer, Peter (Worms ꝶv::i i 24 Schott, Martin nu. AS 18 Schrift (als Ausdrucksform) .......................... 9

Seite Schrift (als Ornamentꝭiu ) 12 Schrift (Schmuckwerte) ................. . 10 Schrift (arabische, als Ornament . ꝗͥ 63 Schrift (arabische, ornamentale Verwendung.. 65 Schrift (arabische, Verhältnis zum Inhalt).............. 63 Schrift (arabische, Verhältnis zur Ornamentik).......... 63 Schrift (arabische, Verwendung an Baudenkmälern) ..... 65 Schrift (älteste chinesische)....................- 59 (Tafel) Schrift (chinesische, archatsch).................. 59 (Tafel) Schrift (chinesische, Charakterr . 60 Schrift (chinesische, als Ornament) ))) 59 Schrift (gotische) EE 42 Schrift (griechische) ............ een n 6 61 Schrift (islamische, als Ornament 63 ff. Schrift (islamische, als Trägerin des Gedankens) 63 Schrift (Кайвсһе)...................... ... 64 Schrift (lateimische).............ooooooooomommoomn..o” 61 Schrift (N askhi) о 64 Schrift (sumerische ꝛꝛʒꝛʒꝛ .. 89,91 Schriftcharakter (islamischer, Kufisch )).. 64 Schriftcharakter (islamischer, Naskhi) )))) 64 Schriften (altklassische)........... nnn mmn 61 Schriftkunst (chinesische) ............ nn nn ее 59 Schriftornamentik (antike, in germanischer Pflege). . - 39 Scipio Barbatus (Sarkophaginschrift . 14 Scriptura асшапа.................... 66е .. 15 Sellingh, Н. В..................... .. 40 Septimius Severus. ........ . .. 68 (Tafel), 78 Siegelschrift (chinesische) ....... Via f v Т bed 61 Skarika-Ehrendorfer, Fini............. e 12 (Tafel) Sorg, Anton. 18 Stabreimpoeten recent ent 32 Stein v. Jellingneeee 35 Steininschrift (chinesische, archaisch). 60 (Tafel) Steinschrift........ еее нов ве nn nt ® 69 Sultan-Achmed Moschee .................- "UR 65 Sulus-Zierschrift iii 65 Syntax (arabischen. 63 Ta'lik-Schrift............... неона tttm! 64 Teuerdank von 1517.......... n nn mnt өө 24 Timokrates-Stele (Abguß im Deutschen Buchmuseum) ... 73 Titelblatt (peraisches . . 63 (Tafel) Titusbogeem n.. . 72 (Tafel), 16 Trajanss aul... N NN q 77 Trajan- Triumphbogen. tt 77 Tumar-Schriffp tet... 65 Ungut, Meinard............ enn tttm! 18 Weib-Inschrift (zweites Jahrhundert) . . 72 (Tafel) Werden, Ruhr (Benediktinerkloster . "'*' 42 blu ОК ООУ 8 43 Zauberzeichen (chinesische). .F. 60 (Tafel)

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ANHANG

Die Federreform.

„Die Federreform zu einem glücklichen Ende geführt zu haben, ift das Derdienft der Stablfederfabrik von Heintze & Blanckertz, Berlin. Die Ronftruktion ihrer Schreibfedern baftert auf dem gründlichen Studium der früheren Schreibkunft und ihres handwerkszeuges“, ſagt Studienrat Franz Ceberedt in feinem Werk: „Hundert Fahre deutſche Handſchrift“!

Dieſes gründliche Studium früherer Schreibkunft an der hand einer ausgewählten Sammlung von Schriften und Schreibgeräten aller Dolker und Zeiten, wie fie Rudolf Blanckertz in langer Forſcher⸗ arbeit geſchaffen hat, führte zur herſtellung eigengearteter Schreib⸗ geräte, die in den bekannten Redis⸗ Federn, den Cy- und To-Federn ihren neuzeitlichen Ausdruck fanden. Der längſt erſehnten Reform unſeres niedergegangenen Schriftweſens mußte die Reform des Schreibwerkzeuges als zwingende Notwendigkeit vorangehen. Das Werkzeug mußte handgerecht, die Schrift wieder federgemäß werden, wie es zu Zeiten der Rielfeder ſelbſtverſtändlich war, wenn eine Beſſerung unferer Schreiberei gelingen ſollte. Erſt Redis, бу und To lieferten dem Rünftler und Pädagogen die richtig konſtruierten Werk- zeuge und damit die Dorausfegung für die Reform des neuzeitlichen Schreibunterrichts.

Im Anfang des Unterrichts wird mit Redis geübt. Die Scheiben⸗ ſpitze der Redisfeder gibt gleichmäßig ſtarke Schreibſpuren, die den ern der Schrift, das Weſentliche, das Skelett, das Gerippe der Buchſtaben dem Auge des Anfängers unverhüllt und eindeutig vorführen, wie es Ludwig Sütterlin in feinem neuen Leitfaden verlangt. Später folgen die Übungen in бу und To. Das gleichmäßig verlaufende Bild der Anfangsſchrift bekommt Ausdruck undCharakter. Das neue Werk: zeug fett fid) durch und erzwingt durch die Eigenart feines Spigen- ſchnittes in müheloſer handgeredter Führung, im Wechſel zwiſchen Giht und Schatten, eine lebensvolle Gebrauchsſchrift.

Ludwig Sütterlin ſagt im Fahre 1907 in der „Werkkunſt“ über die Cy-Federn: „Es ift ein freudig зи begrüßender Fortfchritt, wenn die Induftrie die RonftruRtion der alten Корт: und Rielfedern in Stahl Го getreu nachbildet, als die Überfegung in das neue Material dies geftattet. Dies ſcheint mir vorzüglich gelungen zu fein bei der von Rudolf Blanckertz konſtruierten Gy-Feder, deren Verbreitung vom

äſthetiſchen Seſundungsprozeſſe in unſerm Schreibwefen gute Dienfte `

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JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM Ш. JAHRGANG 1929

»Das Titelblatt im Wandel der 5tít«

VERLAG DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM ZU LEIPZIG

INHALTSVERZEICHNIS

‚DAS TITELBLATT IM WANDEL DER ZEIT«

Dr. Gerhard KIESSLING-Leipzig, Die Anfänge des Titelblattes in der Blütezeit des deutschen Holzschnitts (1470—1530) ......

Dr. Hedwig GOLLOB-Wien, Der Wiener Buchtitel aus der deut-

schen Kleinmeister zeit.

Prof essor Dr. Erich von RAT H- Bonn, Zur Entwicklung des Kupfer-

Sentier A Wa CE QU AE

Direktor Dr. Friedrich SCHULZE: Leipzig, Das lithographische IEN ctas, lisa rr aca Ed

Dr. Johannes SCHUBERT- Leipzig, Die Gestaltung des chinesischen

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Dr. С. А. Е. BOGENG-Bad Harzburg, Über die Entstehung und die Fortbildungen des Titelblattes ........................

47

57

59

Der dritte Jahrgang des vom Deutschen Verein für Buchwesen und Schrifttum herausgegebenen Jahrbuchs wurde bei Breitkopf & Härtel gesetzt und gedruckt; das Papier lieferten die Firmen Sieler & Vogel und Franz Dahlinger; die Druckstócke stammen von den Firmen Sinsel & Co. und

F. A. Jütte; Buchbinderarbeiten ausgeführt von der Fritzsche-Hager A.-G.; sämtlich in Leipzig

Die Redaktion führte im Auftrage des Vereins der Bibliothekar des Deutschen Buchmuseums Dr. Hans H. Bockwitz in Leipzig

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VORWORT

Die im dritten Jahrgang unseres Jahrbuchs zusammen- gefaßten Aufsätze befassen sich mit dem Titelblatt im Wandel der Zeit. Sie gehen seinen Wandlungen nach von der Frühzeit des gedruckten Buches an bis zur Gegenwart und zeigen seine mannigfaltigen Gestaltungen in graphischer, typographischer und textlicher Hinsicht. Von den Buchkulturen außereuropäischer Länder ist die chinesische vertreten; hier weist das Titelblatt so wesentliche Besonderheiten auf,daß sicheineausführliche Behandlung des Gegenstandes rechtfertigte, um so mehr, als eine zusammenfassende Darstellung des chinesischen Buchwesens in seiner geschichtlichen Entwicklung zur Zeit noch fehlt. Den diesjährigen Mitarbeitern den Dank des Vereins auch an dieser Stelle auszusprechen, ist uns

eine angenehme Pflicht.

Leipzig, im Dezember 1929

DEUTSCHER VEREIN FÜR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM

Dr. L. Volkmann

I. Vorsitzender

DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

IN DER BLÜTEZEIT DES DEUTSCHEN HOLZSCHNITTS (1470-1530)

VON GERHARD KIESSLING-LEIPZIG

IA typographische und künstlerische Ausgestal- tung des Titelblattes stellt an den Schriftzeichner, den Setzer und den Illustrator ganz andere Anforde- rungen als die gewöhnliche Buchseite, denn das Ti- telblatt hat die verschiedensten Aufgaben zu erfül- len: Es muß den Leser über Autor, Inhalt, Verleger usw. unterrichten, es muß das Buch als solches re- präsentieren (wie in ähnlicher Weise jede Fassade das ganze Gebäude repräsentiert), und es soll schlieB- lich eine gewisse Reklamewirkung haben, d. h. An- reiz zum Kauf geben. Beim modernen Buch liegt das Schwergewicht nicht auf dem Titelblatt selbst, sondern auf dem Broschurenumschlag, der Vorder- seite des Einbandes oder dem Schutzumschlag. Das Problem ist jedoch das gleiche. Es hat Epochen ge- geben, in denen man das Titelblatt fúr weiter nichts als ein Mittel zur möglichst schnellen Orientierung über Autor und Buchinhalt ansah, und andere, in denen man es zum Träger reichen bildlichen und or- namentalen Schmuckes machte.

Die sprachliche Formulierung des Buchtitels kann hier nur gestreift werden, obwohl ihre Geschichte einer eigenen Abhandlung wert wäre. Im folgenden

wird also nur die Frage behandelt, wie sich das Titel- blatt entwickelt hat. Die Untersuchung beschränkt sich auf die erste Blütezeit des Holzschnitts (von etwa 1470 bis 1530) und geographisch auf Deutsch- land als das zu dieser Zeit buchgewerblich führende Land. Der Verfasser ist sich bewußt, daß er nur eine allgemeine Zusammenfassung geben kann, daß aber die Lösung vieler, insbesondere künstlergeschicht- licher Probleme späteren Spezialuntersuchungen vorbehalten bleiben muß.

Die Anmerkungen sind ihres Umfangs wegen an den Schluß gesetzt und fortlaufend numeriert. Bei dem sich daran anschließenden Register von Arbei- ten bekannter Künstler ist keine Vollständigkeit er- strebt. Es handelte sich nur darum, die Literatur- und Quellenangaben über Holzschnitte, die im Text oft zu wiederholten Malen genannt sind, übersicht- lich anzuordnen. Bei jedem Holzschnitt ist der älte- ste mir bekannt gewordene Abdruck angegeben. Selbstverständlich bedeutet dies nur einen »terminus ante«. Bei der Beschreibung ist »rechts« und »linke« vom Beschauer aus zu verstehen. Die MaBe sind in

Millimetern angegeben, und zwar Hóhe mal Breite.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

1. BUCHANFANG UND TITEL ІМ MITTELALTER

Das Buch des Mittelalters besaß überhaupt kein Titelblatt. Die Gründe dafür sind für den modernen Menschen nur schwer begreiflich, da sie auf ganz an- deren kulturellen Voraussetzungen beruhen. Zu- nüchst ist die heute kaum noch verstündliche Tat- sache hervorzuheben, daß es viele Autoren gar nicht für notwendig hielten, ihrem Werke einen Titel zu geben. Die großen Epen eines Wolfram v. Eschen- bach, Gottfried v. Straßburg, Hartmann v. Aue u.a. wurden vom Dichter zwar unter seinem Namen, je- doch ohne Titel der Öffentlichkeit übergeben, und erst allmählich bürgerten sich dafür genau präzisierte Titel ein!.

Aber der Verzicht auf den Buchtitel ist nicht all- gemeiner Brauch. Manche Autoren sind durchaus darauf bedacht, für ihr Werk eine prägnante Benen- nung zu finden, so Eike v. Repkow in der Vorrede zu seinem Sachsenspiegel?. Andere geben in der Ein- leitung wenigstens das Thema an, über das ihr Werk handeln solls. Dies letztere scheint das am meisten Übliche gewesen zu sein. Jedenfalls hat der Buch- titel des Mittelalters nur äußerst selten jenen klaren, schlagwortartigen Charakter, der den modernen Ti- tel im allgemeinen auszeichnet.

Ferner sind die ganz andersartigen buchgewerb- lichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Auflagen im modernen Sinne, d. h. eine große Anzahl überein- stimmender Exemplare desselben Werkes, für die auch ein gleichlautender Titel als Identifikations- mittel notwendig ist, gab es nicht. Die Tätigkeit, die beim Buchdruck der Setzer auszuführen hat, lag bei der handschriftlichen Vervielfältigung in den Hän- den mehrerer Personen, insbesondere wurden Kapi- telüberschriften meist nicht vom Schreiber selbst, sondern vom »Rubricator« hinzugefügt und dem vorher schon vom »Miniator« ausgeführten Buch- schmuck angepaßt oder untergeordnet‘, So waren die an sich schon ungenauen Titelangaben vielfach

noch von dem Belieben des Herstellers oder den Wünschen des Auftraggebers abhängig. Es fehlte al-

10

so jede Voraussetzung für die Anlage eines beson- deren Titelblattes. Wollte man ein Buch zitieren, so mußte man den Textbeginn angeben. (Dieser Brauch hat sich ja bis heute bei den päpstlichen Bullen er- halten.)

Hinzukommt, daß man durch das ganze Mittel- alter an der antiken Überlieferung festhielt, Anga- ben über Autor und Buchinhalt an das Ende des Werkes zu setzen®. Bei der Papyrusrolle nämlich kam der Schluß in das Innere, war also besser vor Zerstörunggeschützt. Diese Bevorzugung der Schlub- stellung für den Titel blieb auch nach dem Aufkom- men des Kodex bestehen. Noch im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts sind die Angaben in der Schluß- schrift mitunter ausführlicher als die auf dem Titel- blatt. Erst etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts verschwindet die »Subscriptio« (auch » Explicit« oder »Kolophon« genannt) vollständig.

Neben dem ausführlichen Titel am Schluß hatte aber auch schon die antike Buchrolle eine kürzere Überschrift am Anfang. Ebenso übernahm dies der Kodex des Mittelalters. Der Textbeginn wird gerade- zu formelhaft : »Incipit liber de . . oder » Hie fahet an das buch von . . Man bezeichnete dieses 80- genannte »Incipit« auch selbst als »Titulus«*.

Da dem Textbeginn häufig noch eine oder mehrere Vorreden und Zueignungen vorangestellt wurden, waren auch diese für die Identifizierung eines Wer- kes wichtig. Die enge Zusammengehörigkeit von Vor- reden und Textbeginn, die also auf mehreren Blät- tern Ersatz für ein einziges Titelblatt bilden, ist auch bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts insbesondere durch den ornamentalen Buchschmuck betont wor- den. Vor allem sind die von Humanisten herausge- gebenen Werke mit Vorreden des Autors, des Her- ausgebers, des Verlegers usw. geradezu überladen. Es sei noch auf eine eigenartige Gepflogenheit Jo- hann Frobens in Basel hingewiesen: Er druckte viel- fach den Titel seiner Verlagswerke in Form einer

Epistel an den Leser”.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Man legte also durchaus noch nicht immer Wert darauf, den Titel auch durch seine drucktechnische Anordnung dem Leser in die Augen springen zu las- sen. Bei den meisten Buchtiteln der zu behandeln- den Zeit besteht nicht die Möglichkeit, sich mit einem Blick über Verfasser und Buchinhalt zu orientieren. Ich werde auf diese Frage bei der Betrachtung des Titelsatzes noch zurückkommen.

Verhältnismäßig selten findet sich in handschrift- lichen Büchern ein Register. Da wo es vorhanden war, wurde es stets in Form einer kurzen Inhalts- übersicht oder Kapitelangabe vor den Text gesetzt. Die Erfindung des Letterndruckes ermöglichte dann die häufigere und ausführlichere Anwendung dieses Hilfsmittels für den Leser. Ja man druckte sogar Register für handschriftliche Werke8.

Als sich dann im letzten Jahrzehnt des 15. Jahr- hunderts ein festes Titelblatt einbürgerte, ließ man dieses mitunter sich nicht auf das Buch als Ganzes, sondern nur auf das Register beziehen. So lautet der Titel von Schedels » Weltchronik« (Nürnberg 1493, Anton Koberger, H. 14508), der in großen Missal- buchstaben aus einem Stück in Holz geschnitten ist und die ganze erste Seite bedeckt (Künstler-Reg. 105): »Registrum huius operis libri cronicarum cu

figuris et ymagıbus ab inicio mundi«, und in der deutschen Ausgabe (H. 14510): » Register Des buchs der croniken vnd geschichten mit figure vnd pild- nussen von anbegin der welt bis auf diese vnsere zeit.« In ähnlicher Weise hat die Schönspergersche Ausgabe der »Reformation von Nürnberg«, Augs- burg 1498, erst einen Registertitel und dann noch einen eigentlichen Buchtitel?.

Bei Büchern des frühen 16. Jahrhunderts kommt es sogar vor, daß sie zwar ein Titelblatt, aber keinen Titel haben: Sammelbände, die entweder verschie- dene Werke eines Autors 10 oder einzelne Werke verschiedener Autoren!! vereinigen, haben meist statt eines Sammeltitels ein Inhaltsverzeichnis auf dem Titelblatt.

Die Andersartigkeit des modernen Buchtitels er- hellt vielleicht am besten daraus, daß er stets noch dem Einband aufgeprägt ist. Er führt also in seiner sprachlichen Formulierung wie in seiner buchge- werblichen Erscheinungsform eine vom Text isolierte Eigenexistenz, Der Titel des 15. Jahrhunderts da- gegen bewahrt in den meisten Fällen den Charakter einer Überschrift, die sich auf das Register oder die Vorrede oder den Textbeginn bezieht und nicht iso- lierbar ist.

2. DASRANDORNAMENT DER ERSTEN BUCHSEITEN

Die mit einer Überschrift versehene und durch ornamentale oder bildliche Beigaben geschmückte erste Textseite ist also als Vorläufer des Titelblattes anzusehen. Seit dem frühen Mittelalter hatte sich allmählich hierfür ein feststehender Typus ausgebil- det. Der Textbeginn wird durch eine prachtvolle In- itiale geziert, die entweder rein dekoratives Gepräge hat oder mit einer bildlichen Darstellung versehen ist. Über der Initiale, die nach oben meist in gleicher Höhe mit der ersten Textzeile abschließt, während sie nach unten mehrere Zeilen durchbricht, steht in kleiner, oft roter Schrift das »Incipit«. Von der In- itiale aus rankt sich ein Ornament an der linken und

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oberen Seite des Schriftspiegels entlang, das sich häu- fig auch um die ganze Seite herumzieht und biswei- len den Charakter eines festen Rahmens hat. Die Entwicklung der spátmittelalterlichen Buchorna- mentik, die besonders in Frankreich, im burgundi- schen Niederland und in Italien eine hohe Blüte erlebte, hat leider bisher noch keine Gesamtdarstel- lung gefunden.

Statt der Initiale ist zwischen »Incipit« und Text- beginn auch mitunter noch eine andere kleine bild- liche Darstellung eingeschoben.

Die Bildinitiale kann man in gewisser Hinsicht als den Vorläufer des späteren Titelholzschnittes be-

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trachten ; denn in ihr werden dieselben Themata dar- gestellt, die später beim Titelholzschnitt besonders beliebt sind: Widmungs- oder Magisterszenen, Dar- stellungen des schreibenden Autors, Wappen des Autors oder » Protektors«, oder eine Szene, die auf den Textbeginn oder Buchinhalt Bezug hat 12.

Der enge buchgewerbliche Anschluß der Früh- drucke an das Vorbild der spätmittelalterlichen Hand- schrift ist in bezug auf die Ausstattung der ersten Textseite besonders deutlich. Alle schmückenden Beigaben überließ man im gedruckten Buche der ersten beiden Jahrzehnte nach Erfindung der neuen Kunst zunächst noch dem Rubrikator und Miniator. Der Raum für Überschriften und Initialen blieb frei zur handschriftlichen Ergänzung, indem höchstens auf den Platz für die Initiale ein kleiner Buchstabe vorgedruckt wurde. Die große Zahl von Inkunabeln, die sich in dieser Weise erhalten haben, beweisen,daß man die Bücher ohne Schmuck in den Handel brachte und es dem Käufer überließ, sie dann nach eige- nem Geschmack ausmalen zu lassen. Im letzten Drit- tel des 15. Jahrhunderts war es keine Seltenheit, daß man in gedruckte Bücher auch Randornamente hin- einmalen lie813, und sogar im späteren 16. Jahr- hundert ließen sich manche Bücherliebhaber ihre Druckwerke noch so ausschmiúcken1t,

Das Bestreben, die handschriftlichen Zutaten auch durch mechanische Vervielfältigung zu ersetzen, be- ginnt jedoch schon sehr früh. Bereits in Gutenbergs 42 zeiliger Bibel (H. 3031, Lpz. Kl. II, I) sind die Ka- pitelüberschriften teilweise in Rot gedruckt. Das Mainzer Psalterium Fust & Schöffers von 1457 (H. 13479) ist mit prachtvollen Metallschnitt-Initialen in Blau- und Rotdruck geziert!5. Dies blieb aller- dings ein vereinzelter Versuch, die Initialen mecha- nisch wiederzugeben. Erst etwa seit 1472 verwendet dann Günther Zainer in Augsburg Holzschnitt - In- itialen stándig als Buchschmuck. Gleichzeitig wird auch das Randornament erstmalig durch Holzschnitt übertragen. Am häufigsten werden diese zweischenk- ligen Ranken in Einblattkalendern angewendet, aber zur selben Zeit finden sie auch Eingang in dae ge-

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druckte Buch. Und hier tritt uns gleich еше greif. bare, wenn auch leider nicht dem Namen nach be- kannte Künstlerpersönlichkeit entgegen: der »Mei- ster des Ulmer Boccaccio«!®.

Wie Ernst Weil zuerst erkannt hat, stammt die erste von Günther Zainer in Augsburg in seinem Hei- ligenleben vom 27. IV. 1472 (Schr. 4298, Bilderschm. II, 13) angewendete Holzschnittranke von diesem dann seit 1472/73 in Ulm tätigen Meister (Abb. 1). In zierlichen Spiralen rollt sich ein Pflanzenstengel mit stilisierten Blüttern und Blumenknospen, von der Initiale ausgehend, an der linken Seite des Schriftspiegels auf. Die geringen Schraffierungen deu- ten an, daf er wohl noch zur Kolorierung bestimmt War.

Nach dem Weggange des Boccaccio-Meisters sind in Augsburg nur noch einige Ornamente von gerin- ger Bedeutung geschnitten worden: Johann Bamler verwendet 1473 für seinen Belial (Schr. 4280) und für den Alexander (Schr. 3132) ein in Rot gedruck- tes, filigranartiges, zweischenkliges Ornament, das durch eine gerade Linie gegen den Typensatz abge- grenzt ist, sich aber nach außen frei entwickelt (Abb. Bilderschm. III, 5 u. 25). Auf der ersten Textseite seines Heiligenlebens von 1475 (Schr. 4300) stellt Bamler in wenig geschmackvoller Weise mehrere Or- namentstücke zusammen, deren Motive zum Teil auf den Boccaccio-Meister zurückgehen (Bilderschm. III, 230).

Die besten Ornamentleistungen der 1470er Jahre hat nun Ulm durch seinen v Boccaccio-Meister« auf- zuweisen. Von einer Schöpfung zur andren tritt ein eminenter Fortschritt zutage: die vegetabilen For- men werden naturalistischer; prachtvoll gezeichnete Akelei- und Windenblüten wachsen aus dem Blät- terwerk heraus!?; in geschickter Weise fügt er die Wappen des Druckers und Druckortes in die Ranken ein18, Den in seiner ersten Augsburger Arbeit ent- standenen Bruch bei der Ansatzstelle der Ranke an die Initiale sucht er zunächst dadurch zu umgehen, daß er das Ornament überhaupt von der Initiale löst. Das immer noch Unbefriedigende dieser Dar-

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1 Setůtſchende das búchlin Johannis боссаср von

den hürpchen erlůchten wpben ¿Die von den alten

j Cronikſchribern / om ir fanderlich begiñenan dwige

H gedechenüß ſynd geſeczt! Doch vngelych! wañ etlich

durch ire hürpche gûte werk on geſchichten ! darum

it dy тори geſchlecht / den ſelbẽ nachfolgigiipn vost

le. £lich durch ir ſchantlich miſſztůn gefecyet voerbé:

it & ire geraten ze ſchůhen. Als ich aber / in mir felbs vor

betrachtet het / diles bücblin an bpne gen ad zekeren;

jes damit ı es by mir nit verlage Sunder mit bif gůnſt⸗

liches gelaites fich erer in die welt wandeln vnd ge

mainer ſyn möchte [pd gue ding (als Anftoriles

! fehröbr)ie gemainer ie beller werden/ ich 3ch fand

1 das weder fuͤrſten noch herren! ſonde es allain v5

| fro wen fagtıniner erkantlichẽ aller facheni gorfärch

tigt gerechré richterin zeſendẽ ſyn! hab ich dich duich

D lácbrigifte Farftin of gemaind romain (се chen

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Abb. 3 Meister des Ulmer Boccaccio (Ulm 1473)

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Abb. 2 Meister des Ulmer Boccaccio (Ulm 1473)

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Titelrahmen aus

einem Druck des Thomas Anshelm, Hagenau 1520

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stellung beseitigt er dann bei seinen nächsten beiden Arbeiten!? 20 dadurch, daß er an der Bruchstelle eine kniende menschliche Gestalt einfügt, die nun einen prachtvollen Übergang von der oberen zur linksseitigen Ranke bildet*. Der Höhepunkt wird dann erreicht in den beiden Ornamentleisten von Boccaccios Buch über die berühmten Frauen von 1473, nach dem wir den Meister benennen?!. Er kehrt wieder dazu zurück, die Ranke mit der Initiale zu verbinden, löst aber dieses Problem nun in einer so genialen Weise, wie es wohl in der Buchornamen- tik aller Zeiten einzigartig dasteht, indem er zugleich das Ornament zum Schauplatz einer den Text illu- strierenden Handlung macht. Bei dem ersten Kapi- tel, das von Eva handelt, hat die Initiale S zugleich die Funktion der Schlange aus dem Paradiese (Abb. 2). Ihr Hals schlingt sich um die Spitze des links neben dem Text stehenden Baumes. Sie endigt in einem gekrónten weiblichen KöpfchenmiteinemApfel im Munde, nach dem die etwas tiefer stehende Eva greift. Diese reicht mit der anderen Hand dem ganz unten auf einer Ranke stehenden Adam einen zweiten Apfel. Nach oben endet der Schlangenkórper in eine Pflanzenranke, aus der die Biisten der sieben personifizierten Todsünden gleichsam wie Giftblumen herausblühen.

Während bei diesem Ornament die Verbindung von der seitlichen zur oberen Leiste durch die Spiral- windung der Schlangeninitiale vollzogen wird, er- reicht er den Übergang bei dem anderen Ornament, das die Widmungsvorrede des Steinhöwels an die Herzogin Eleonore von Österreich schmückt, durch eine beinahe geometrische Konstruktion (Abb. 3). Links oben befindet sich die Initiale D mit einem Engel und dem Wappen von Reutlingen im Innern, der Vaterstadt des Übersetzers und Druckers. Die aus dem Schriftspiegel ausgesparte Ecke füllt die

* Die beiden Ranken Nr. 19 und 20 sind zwar erst für Drucke verwendet, die nach dem Boccaccio erschienen sind, sind aber m. E. entwicklungsgeschichtlich vor diesem einzu- reihen, oder zum mindesten gleichzeitig mit den Illustra- tionen des B. entstanden.

13

Halbfigur eines auf dem Kopf stehenden Engels aus, der mit beiden Händen die Initiale von rechts unten stützt. Seine Flügel bilden einen zu der Aussparung des Druckspiegels parallel verlaufenden rechten Win- kel. Zieht man zu diesem rechten Winkel die Dia- gonale, so trifft man senkrecht auf eine andre Diagonale, die durch zwei weitere Engelhalbfiguren bestimmt wird. Der eine stützt mit der rechten Hand die Initiale von rechts oben. Er bildet den Übergang zu der oberen Leiste, indem er mit der Linken in das Ornament hineingreift und dort den österreichischen Bindenschild hält. Der andre stützt mit der linken Hand die Initiale von links unten und bildet den Übergang zur Seitenleiste, indem er mit der rechten nach dem im Rankenwerk befindlichen österreichi- schen Lerchenwappen greift. Man muß das Blatt im Kreis herumdrehen, um sich über die funktionelle Bedeutung der drei Engel vollkommen klar zu werden. Nach beiden Seiten endigt die Ranke in áhnliches Blatt- und Blumenwerk wie die bisher besproche- nen auch.

Das Ulmer und Augsburger Ornament der 1470er Jahre hat nicht die Bedeutung einer den Text fest umgrenzenden Rahmenleiste wie das gleichzeitige italienische Buchornament. Bei aller Stilisierung ist es ein den geschlossenen Typensatz ganz frei um- spielendes Gebilde, das sich von einem festen Angel- punkte aus in scheinbar regellosen Windungen wei- ter entwickelt. In der Einzelform seiner Blätter zeigt es eine deutliche Verwandtschaft mit den Elementen der gleichzeitigen gotischen Bauornamentik, den Krabben und Kreuzblumen.

Der erste Drucker, der die Anfangsseiten seiner Bücher vollständig mit Bordüren umrahmte, ist Heinrich Knoblochtzer in StraBburg??. Durch das Auf- geben der Verbindung mit der Initiale, das ja haupt- sächlich auch aus rein praktischen Gründen erfolgte, bekommt das Ornament einen gänzlich anderen Cha- rakter (Abb. 4). Statt des allmählichen Abschwel- lens von einem verstärkten Knotenpunkte aus ent- steht jetzt eine in ihrem äußeren Umriß vollkommen gleichmäßige, rechteckige Umrahmung des Satzspie-

GERHARD K IESSLING.LEIPZIG. DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

gels, bei der es weder Anfang noch Ende gibt. Wenn auch die Umrahmungslinien selbst noch fehlen, so sind doch die äußeren Blätter und die eingefügten Tiere so angeordnet, daßsie gewissermaßen die Funk-

seit 1482 zwei verschiedene Foliobordüren, die aus je vier Leisten bestehen 24 25 und schließlich noch

schön ausgeführt, zum Teil stark stilisiert, zum Teil noch deutlich in ihrer N aturform als Kornblume,

sich kleine Vögel, der Windungen des Orna Blumenkelchen вре

in der Leiste 24 ist rechts unten ein Knab

und zierlicher, oft bis zur Dünne einer Haarlinie, Das Blattwerk, in dem Vögel sitzen und kleine Kifer krabbeln, hat die Form ganz fein ausgezahnten Di. stelgestrüpps; die großen Blumen fehlen.

Von dieser Art des Ornamentes ist es nur ein Schritt bis zu der von Randlinien fest begrenzten Or. nament-Leiste. Als Abschluß beim Kupferstich und Einzelholzschnitt kannte man sie schon länger; als Umrandung eines Druckschriftspiegels tritt sie su. erst in der Kölner Bibel auf (um 1478), und zwar zu Beginn der Vorrede, der Genesis, des Matthäw- Evangeliums und der Apokalypse 20. Die linke und die obere Leiste bestehen aus einem Stück. Vielleicht gedachte man sie in ähnlicher Weise zu verwenden wie die früher üblichen zweischenkligen Ranken. Für die rechte und untere Seite sind je zwei verschiedene Leisten in doppelter Breite abwechselnd verwendet. DasGrundgerüst desOrnamentes bildet wiebeidenbis her betrachteten Arbeiten eine spiralfórmige Ranke, die hier entsprechend der großen Dimension den Charakter eines Baumastes hat. Die übrige ш

ist von Blattwerk ausgefüllt, in dem sich zahlreiche Figurengruppen genrehaften Charakters tummeln: oben wird ein Hase von Hund und Jäger verfolgt, links steigt ein Bauer mit einer Gans im Tragkorb aufwärts, rechts tanzt ein bärtiger Gaukler nach der Musik eines vor ihm sitzenden Dudelsackpfeifers usw. Unbekümmert um den Inhalt des zu oo kenden Buches hat der Künstler seine Phantasie spielen lassen. Es kommt hier dieselbe Vorliebe des nordischen Menschen für die Dinge des täglichen Le- bens zum Ausdruck, die an den Chorstühlen, den äußeren Bekrönungen der Kirchenwände, an den Türmen und Strebepfeilern allerhand profane und Sogar obszöne Dinge plastisch darstellte. Einzig und allein in der einen unteren Leiste wird die Beziehung

zu dem religiösen Inhalt ausgesprochen: In der Mitte sitzt Maria mit dem Kinde vor einem Stallgemäuer,

genlande mit ihrem Gefolge zur Anbetung. Als seit- licher Abschluß dient je ein Schildhalter, der rechte mit dem Wappen von Köln.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG: DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Es ist hier zum ersten Male eine in Holz geschnit- tene Bildszene als Textumrahmung im gedruckten Buche verwendet und damit der erste Vorläufer der im frühen 16. Jahrhundert so beliebten Szenenrah- men der Titelblätter gegeben. Ebenso wie die Holz- schnitte der Kölner Bibel?9 verrät auch ihr Orna- ment deutlich seine Herkunft aus dem niederlän- disch-franzósischen Kunstkreis. Ein direktes Vorbild dafür ist zwar bis jetzt noch nicht nachgewiesen, aber man braucht bloß die Umrahmungen des 1488 in Paris von Pierre le Rouge gedruckten Werkes »La mer des histoires?4« zum Vergleich heranzuzie- hen, um denselben Schulzusammenhang zu erkennen.

Der französische Einfluß in der Buchornamentik macht sich auch noch an einem anderen Orte Deutsch- lands geltend, nämlich in Basel. Johann von Amer- bach hatte Anfang der 1470er Jahre in Paris stu- diert?? und brachte von dort eine Vorliebe für pracht- vollgeschmückte kleine Gebetbücher mit heim, deren Herstellung ja in Frankreich und Burgund seit dem 14. Jahrhundert in hoher Blüte stand. Zwar gab es zur Zeit von Amerbachs Pariser Aufenthalt noch keine gedruckten »Livres d’heures«, aber es ist an- zunehmen, daß er auch von Basel aus noch in Be- ziehungen zu Paris gestanden hat.

Seit etwa 1485 geben die Pariser Drucker Antoine Verard, Philippe Pichouchet, Jean du Pré, Pierre le Rouge und andre zahlreiche Gebetbücher heraus, deren Seiten mit zierlichen Holz- oder Metallschnitt- leisten eingerahmt sind. Nach ihrem Vorbild druckte nun Johann von Amerbach um 1489 das »Horolo- gium« des Bertoldus (Schr. 3442). Sowohl die Holz- schnitte, wie die Textseiten sind mit Bordüren ein-

gefaßt, die von innen und außen durch Linien um- randet sind. Blatt- und Rankenwerk, belebt durch Tiere und Jagddarstellungen, durch musizierende Engel und heilige Vorgänge füllt diesen eingezäun- ten Raum vollständig aus, ohne den Rand zu über- steigen. In dem erwähnten Pariser Druck von 1488, »La mer des histoires«, sind in Band II fol. LXX ff. die kleinen Holzschnitte zum Leben Jesu mit zier- lichen Leisten umgeben, die Pierre le Rouge dann

auch für seine Livres d'heures verwendete??. Sie scheinen die direkte Vorlage für die Baseler Leisten zu sein.

An die Ausgaben Amerbachs schließen sich dann alle weiteren in Deutschland gedruckten Gebetbü- cher dieser Art mit ihren Textumrahmungen an, die als eine der Vorstufen zu den Titelbordüren des 16. Jahrhunderts anzusehen sind.

Außer diesen Textumrahmungen entwickelt sich in Deutschland noch eine besondere Art des Orna- mentes als seitlicher und oberer Abschluß von Holz- schnitten, dessen direkte Weiterwirkung bis in das 16. Jahrhundert besonders deutlich ist.

Der Einleitungsholzschnitt von Bernhard v. Brey- denbachs »Reise nach Jerusalem«, Mainz 1486 (Reg. 77), der ebenso wie die übrigen Illustrationen dieses Buches von dem Utrechter Erhard Reuwich gezeich- net ist, wird beiderseits durch eine schlanke gotische Säule abgeschlossen (Abb. 5). Um diese schlingen sich spiralfórmige Dornenranken, die sich oben von der Sáule lósen und nach der Mitte zu in ein dichtes Dornengestrüpp verästeln, das also gewissermaßen eine lebende Pflanzenarkade bildet. In diesem Ast- gewirr tummeln sich nackte Kindergestalten, die nach den Rosen und Früchten haschen oder sich in den kühnsten Stellungen auf den Zweigen schaukeln.

Siehaben innerhalb des Ornamentes die gleiche Funk- tion wie die Vögel und Käfer der Drölerien, sind aber in ihrer anatomisch richtigen Wiedergabe und plasti- schen Körpermodellierung doch ohne italienische Eindrücke undenkbar. Trotz der reinnordischen Um- gebung ist ihre Verwandtschaft mit den Putten des Südens, die der Künstler ja bei seinem Aufenthalt in Venedig kennengelernt haben muß, deutlich zu spüren.

Diese Astwerkumrahmung kopierte Wolgemut in etwas vergröberter Form auf seinem Einleitungs- holzschnitt zu Schedels Weltchronik, dessen 1490 da- tierte Vorzeichnung erhalten ist (Reg. 105). Eine ähnliche Einfassung hat auch der Einleitungsholz- schnitt zu Friedrich Riederers »Spiegel der Rheto- rik«34, Freiburg i. Br. 1493, nur befinden sich statt

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

der italienischen Putti hier nordische »wilde Män- ner« im Geäst.

Im Geiste der neuen Zeit verändert, wird dies Mo- tiv dann von Dürer wieder aufgenommen. Das Wid- mungsbild der »Quatuor libri amorum« des Conrad Celtis, N ürnberg 1502, ist oval mit Pflanzenornament eingerahmt. Von einem Wappen unten in der Mitte wachsen nach beiden Seiten von Bändern umschlun- gene Rebstöcke empor, aus denen oben je drei Baum- äste hervorkommen, die sich dann wieder nach der Mitte zu verschlingen. Diese obere Hälfte ist zweifel- los in Erinnerung an die vorher besprochenen Arbeiten entstanden, jedoch ist an Stelle des unent- wirrbaren Gestrüpps ein klares, durchsichtiges Git- ter getreten, in dem zwei geflügelte Putti stehen.

Hier knüpft dann zehn Jahre später Hans Bal- dung mit seinen Titelumrahmungen an. An Stelle

- des Holzschnittbildes ist das Schriftfeld für den Titel

getreten, die Umrahmung selbst wird durch Rand- linien innen und außen klar abgegrenzt. Den älteren Werken am verwandtesten ist die erste Tiergarten- bordüre von 1511 (Reg. 5) und die Umrahmung mit den von Putten geneckten wilden Mánnern von 1513 (Reg. 1). Die Umrißlinien sind weiter vereinfacht: Beiderseits ein mächtiger Baumstamm mit nur weni- gen großen Ästen. Oben wird die Verbindung durch eine Astgabel hergestellt, unten sind bei der einen Bordüre eine Menge Tiere zusammengepfercht (als Versinnbildlichung derOffizin Becks im Hause »Zum Tiergarten), bei der andren befindet sich in der Mitte das kaiserliche Wappen und ein verschlungnes Spruch- band mit der Inschrift „Cum privilegio imperiale a.

Im Sinne renaissancemäßiger Struktur noch fort- geschrittner sind die beiden schon 1510 vorkommen-

Celtis Widmungsbild vorhanden.

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Die andere Umrahmung (Reg. 3) hat auf jeder Seite zwei Baumstämme aus denen auf der linken Seite Hopfen, auf der rechten Weintrauben hervor. sprieBen (Abb. 6). Die beiden inneren Baumstämme sind unten perspektivisch etwas zurückgesetzt, oben werden sie jedoch bei der gegenseitigen Verschlin- gung wieder in eine Ebene mit den äußeren gerückt. Die beiden nach den Früchten pickenden Vögel kommen in ähnlicher Weise schon in den Ornamen- ten Knoblochtzers vor. Oben verwendet Baldung zur Füllung des von den Bäumen gebildeten Bogens ein italienisches Motiv: ein Feston mit Granatüpfeln, auf dem eine Eule sitzt.

Das spütgotische Astwerk ist also zu einem ge setzmäßigen, tektonischen Gebilde geworden, das durch den oberen Rundbogenabschluß einen beinahe portalartigen Charakter bekommen hat. Es sei hier darauf hingewiesen, daß auf einigen Blättern von Dürers Marienleben (B. 79, 82, 86) die Portale mit ähnlichen Einfassungen versehen sind (zwei parallel laufende Rundstäbe mit verschlungenem Geäst da- zwischen). Und sogar in der Bauornamentik selbst tritt dieses Motiv auf: Die nördliche Tür der Chem- nitzer Schloßkirche (1525) hat ein solches rundbogig abgeschlossenes Gerüst von parallel laufenden rohen Stämmen als Wanddekoration (Abb. 7).

Den letzten Schritt zur » Architektonisierung« die- ser Art der Titelumrahmung tat Baldung dann durch Einführung wirklicher Säulen an Stelle der Bäume auf einem, so viel ich sehe, bisher noch nirgends er- wähnten Blatte (Reg. 4, Abb. 8). Über dem halb- rund geschlossenen Schriftfeld, das unten auf den Säulenwulsten zu stehen scheint, ist in der Mitte ein Feston befestigt, dessen herunterhängende Enden von zwei auf den Säulen knienden nackten Knaben gehalten werden. Unten hocken zwischen den Säulen zwei ebensolche Putten, die mit einem Bären spielen.

Zu einer grundsätzlich andren Lösung, trotz des gleichen Ausgangspunktes, kommt Baldung bei sei- nen beiden Tiergartenbordüren von 1514 und 1523. Die eine (Reg. 6, Abb. 9) hat das gleiche Grundge- rüst wie die Umrahmung (Reg. 3) von 1510. Aus den

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SS) Abb. 9 Hans Baldung: Zweile Tiergarten- Abb. 10 Hans Baldung: Dritte Tiergarlen- bordüre. R. Beck, Straßburg 1514. bordüre. Joh. Schott,%.Straßburg (1523)

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und

Abb. 11 Wolgemut-Werkslalt: Xylogra- | | | | pu phischer Registertitel zu Schedels Well- Abb. 12 Xylographische Titel aus der Offizin chronik, Nürnberg 1493. Anton Koberger. von Rorssi, Ferrara. 1497

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Abb. 13 Titelblatt aus der Offizin von Friedrich Riederer, Freiburg i. B. 1493. (Dürer zugeschrieben)

Abb. 11 Erhard Altdorfer: Xylographischer Titel aus der Niederdeulschen Bibel, l.übeck 1533

Abb. 15 Titelholzschnitt aus der Offizin von Georg Stuchs, Nürnberg 1508

Abb. 16 Hans Burkmair:

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Titetholzschnitt für die Offizin von Johann Miller, Augsburg 1515

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

vier Baumstämmen sind Pfosten einer offenen Laube geworden, die mit einem Stabgitter überdeckt ist, und an deren Rückwand sich das Schriftfeld für den Titel befindet. Es ist eine perspektivische Wir- kung erstrebt, die Fläche vollkommen überwunden. An Stelle der rahmenden Baumstämme ist eine wirk- liche Landschaft getreten. In dem ansteigenden Vor- dergrund liegen zwischen den Pfosten der Laube Hir- sche, Hasen, Bären, Löwen usw., und zu den beiden Seiten des Schriftfeldes blickt man hinaus in einen Wald.

Noch weit bildmäßiger ist die Wirkung der Bor- düre von 1523 (Reg. 7, Abb. 10). Während er bei der zehn Jahre älteren Arbeit die zahlreichen Tiere auf einem ansteigenden Gelände verteilte, hat er sie jetzt

in einer Ebene vor der dunklen Folie des Waldes in kühnen Überschneidungen dicht zusammenge- drängt. Die ganze Komposition wird begrenzt von zwei kahlen Baumstämmen, die bis an die oberen Einfassungslinien hinanreichen. Ihre Aste sind durch ein Blätterfeston verbunden, an dem die auf ihrer Oberleiste mit zwei kleinen Seedrachen und einer Kugel verzierte Schrifttafel hängt. Der Fortschritt in der Wiedergabe ruhender und bewegter Tierleiber von der ersten primitiven Tiergartenbordüre von 1511 bis zu dieser letzten von 1523 ist ganz erstaun- lich. Das Thema findet dann seine vollendetste Aus- prägung in Baldungs bekannten drei Einzelholz- schnitten der » Pferde im Walde« von 1534 (B. 56, 91, 58).

3. DER EINLEITUNGS- UND TITELHOLZSCHNITT

Nach diesem Vorausblick in das 16. Jahrhundert ist es notwendig, noch einmal an den Beginn der Entwicklung zurückzukehren; denn die Randorna- mentik ist nicht der einzige Vorläufer des Titelblat- tes. Neben den dekorativen Schmuck des Buchan- fanges tritt noch der illustrative. Da die Bücher des 15. Jahrhunderts meist ungebunden in den Handel gebracht wurden, pflegten die Drucker das erste Blatt vollständig leer zu lassen, um den Textbeginn vor Beschädigung zu schützen. (In der heutigen buch- gewerblichen Sprache bezeichnet man dies mit dem sehr zutreffenden Namen »Schmutztitel«.)

Es war ein glücklicher und für die folgende Ent- wicklung fruchtbarer Gedanke, die Rückseite dieses leeren Blattes mit einem ganzseitigen Einleitungs- holzschnitt zu versehen. Beim Aufschlagen des ersten Blattes eines solchen Buches hat man also vor sich links eine bildliche Darstellung, die ent- weder auf das erste Kapitel oder auf den gesamten Buchinhalt Bezug nimmt, rechts das »Incipit« und den Textbeginn, eventuell mit Initiale und Rand- ornament.

Schon das erste illustrierte Druckwerk úberhaupt,

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das von Albrecht Pfister in Bamberg um 1460 ge- druckte Streitgesprách des »Ackermanns aus Böh- men« mit dem Tode weist einen solchen Einleitungs- holzschnitt auf?5, In einem Saal thront in der Mitte der Tod, rechts liegt die tote Frau im Sarg, links steht der Witwer, der die Linke beschwörend erhebt und mit der Rechten auf sein verwaistes Söhnchen zeigt. Es ist eine einfache Umrißzeichnung, die Ge- sichter und Gliedmaßen sind plump und ungeschickt, die Perspektive ist falsch, und doch ist dieses Blatt vielleicht gerade durch seine Primitivität eine voll- endete Leistung im Sinne wahrer Illustration. Das Auge wird durch kein überflüssiges Beiwerk abge- lenkt; der Inhalt dieses gewaltigsten deutschen Prosa- werkes des ausgehenden Mittelalters wird durch wenige Striche und eine klare Komposition wieder- gegeben. Von den Titelbildern der zahlreichen spä- teren Ausgaben dieses Buches hat keins diese Aus- druckskraft wieder erreicht.

Zehn Jahre lang blieb das Vorbild Pfisters, ge- druckte Bücher mit Holzschnitten zu schmücken, ohne Nachahmung. Dann tritt um 1470 in Augsburg Günther Zainer auf den Plan, und ihm folgen die

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG:-DIE ANFÄNGE DES TITELBDATTES

andren Augsburger Drucker Johann Bämler, Anton Sorg, Hans Schönsperger usw. Von diesen wurde der Einleitungsholzschnitt besonders gepflegt. Haupt- sächlich die für das ungelehrte Volk bestimmten Druckwerke in deutscher Sprache (der Schwaben- spiegel, deutsche Plenarien, Niders Goldene Harfen, die Historie vom großen Alexander, die sieben wei- sen Meister, die Geschichte von Trojas Zerstörung, die Kaiserchronik, das Volksbuch von Melusineu. a.) sind mit solchen, die Kauflust anreizenden Titelbil- dern geschmückt. Für die stilistische Entwicklung des deutschen Holzschnittes ist die Augsburger Pro- duktion von geringer Bedeutung, aber in der Ge- schichte des Buches spielt sie eine ganz besondere Rolle. Unter teilweiser Anlehnung an die Hand- schriftenillustration und unter Angleichung an inhaltlich oder formal verwandte Schemata der kirch- lichen Kunst wird für einzelne Bücher und Bücher- gruppen ein feststehender Bildtypus des Einleitungs- oder Titelholzschnittes ausgebildet, der bis in das 16. Jahrhundert hinein seine Geltung behält. Es sei hier nur auf das »Kaiser- und Kurfürstenbild« von Günther Zainers »Schwabenspiegel«?* hingewiesen, das nicht nur als Vorbild für die Titelblätter vieler Rechtsbücher der folgenden Zeit diente, sondern auch das Schema für zahlreiche Buchwidmungsbil- der abgab.

Bei den mit einem Register beginnenden Büchern folgt der Einleitungsholzschnitt stets hinter diesem, auf dem Blatte, das sich dem Textanfang gegenüber befindet. Besteht ein Buch aus mehreren Haupttei- len, so pflegt man jedem einzelnen einen besonderen Einleitungsholzschnitt zu geben. So hat z. B. Conrad v. Megenbergs »Buch der Natur«?? und der »Seelen- trost« (Auslegung der 10 Gebote)?? zu Anfang jedes Kapitels einen ganzseitigen Einleitungsholzschnitt.

Während die illustrierten Bücher der Augsburger Pressen fast sämtlich mit einem Einleitungsholz- schnitt beginnen, fand diese Sitte in Ulm keine Nach- ahmung. Als einziges Buch der 1470er Jahre hat Johann Zainers » Авор‹ 39 ein solches Titelbild auf der Rückseite des ersten Blattes: der Fabeldichter selbst

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in ganzer Figur, umgeben von den Emblemen seiner Fabeln. Dieses Blatt wurde dann in fast allen späte- ren Ausgaben nicht nur Deutschlands, sondern auch des Auslandes kopiert.

Im nächsten Jahrzehnt wird in Ulm durch Johann v. Arnsheim* der ganzseitige Buchholzschnitt ein- geführt, jedoch beschränkt sich dieser nicht auf die Buch- und Kapitelanfänge wie in Augsburg.

Der bedeutendste deutsche Einleitungsholzschnitt der 1480er Jahre ist die schon erwähnte, von Erhard Reuwich gezeichnete Wappenhalterin mit ornamen- taler Umrahmung in Breydenbachs »Reise nach Jerusalem«, Mainz 1486 (s. o. S. 15 u. Reg. 77).

Einige Jahre vorber schon hatte in Nürnberg Wol- gemuts Tätigkeit begonnen. Der Einleitungsholz- schnitt zur » Reformation von Nürnberg« , 1484 (Reg. 104) mit den Stadtheiligen und Wappen ist seine erste nachweisbare Arbeit. Sein nächstes großes Werk für den Titelschmuck ist der thronende Salvator, der sich in Schedels Weltchronik hinter dem Register zu Beginn des ersten, über die Weltschöpfung handeln- den Kapitels befindet (s. o. S. 15 u. Reg. 105).

Auf die Bedeutung dieser Blätter innerhalb der stilistischen Entwicklung des deutschen Holzschnit- tes kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da das über den Rahmen dieser Arbeit hinausführen würde. Ich muß mich damit begnügen, auf die Spezialliteratur zu verweisen (s. Register unter » Wol- gemut«). Hier sollten nur die wichtigsten Einleitungs- holzschnitte als buchgewerbliche Vorstufe des Titel- blattes erwähnt werden.

Den Titel der meisten Bücher des 15. Jahrhun- derts kann man, wie oben ausgeführt, erst nach eini- gem Suchen in einer der Vorreden oder hinter dem Register beim Textbeginn oder im Kolophon finden. Die immer mehr zunehmende Bücherproduktion ver- langte aber nach einer neuen praktischeren Lösung. Deshalb ging man in den 1490er Jahren allmählich dazu über, auf die ja meist leer gelassene Vorderseite des ersten Blattes einen kurzen typographischen Ti- tel zu setzen. Gleichzeitig folgt auch der Holzschnitt an diese Stelle. Man setzt das Signet darunter oder

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG: DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

einen Magisterholzschnitt, oder man wiederholt einen Holzschnitt der Textillustration auf dem Titelblatt. In vielen Fällen bildet auch der Titelholzschnitt den einzigen Schinuck des ganzen Buches. In dem Be- streben, den Buchanfang möglichst reich und pracht- voll auszugestalten, behielt man jedoch auch noch im 16. Jahrhundert den Einleitungsholzschnitt auf Bl. 1b oder Bl. 2a oder hinter dem Register bei.

In manchen Fällen befindet sich aber auch auf der Vorderseite des ersten Blattes ein Holzschnitt ohne Hinzufügung des Titels. So ist in der »Vita des hl. Bruno iI, Basel um 1499 auf Bl. la der Karthäuser- baum abgebildet, auf Bl. 1b befindet sich ein Holz- schnitt mit neun Szenen aus dem Leben des Heiligen. Der Titel selbst hat noch seinen alten Überschrift- charakter und steht als »Incipit« beim Textbeginn.

4 DER TITELSATZ

Die Einführung eines isolierten Buchtitels stellte nun auch an den Typographen neue Anforderungen. Es ist einfacher, das geschlossene Typenbild einer ganzen Seite zu setzen, als wenige Druckzeilen so auf der weißen Fläche zu verteilen, daß ein ästhe- tisch wirkendes Verhältnis der schwarzen und weißen Werte entsteht. Zunächst spielt schon die Wahl der Typen selbst eine Rolle. Man kann den Titel eines Foliowerkes nicht in denselben kleinen Buchstaben drucken wie den Text. Da der Typenvorrat der Druk- ker an größeren Buchstaben für solche besonderen Fälle oft nicht ausreichte, pflegte man mitunter den ganzen Titel aus einem Stück in Holz schneiden zu lassen. Diese »xylographischen« Titel bilden natur- gemäß einen geschlossenen, meist rechteckigen Buch- stabenblock in gotischer Bruchschrift, der häufig noch von einem verschlungenen Liniengewirr um- spielt wird. Das bekannteste Beispiel hierfür aus der Inkunabelzeit ist der Registertitel von SchedelsWelt- chronik (Reg. 105).

Auch in Italien verwendete man solche xylogra- phische Titel mit den gleichen gebrochenen Buch- staben, die man durchaus als nordisch empfand und mit »lettera francese« bezeichnete‘?. Aber doch hat ein derartiges italienisches Blatt einen ganz andren Charakter wie ein deutsches. Man vergleiche etwa den Titel von Jacobus Philippus Bergomensis, De claris mulieribus (s, Ferrara 1497, mit dem von Sche- dels Weltchronik (Abb. 11 u. 12). Im äußeren Umriß statt des Rechteckblockes die nicht so kompakte

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Rhombusform. Die Initialen sind weniger durch ihre Größe, als vielmehr durch eine filigranartige Binnen- zeichnung betont, so daß sie wie feine Intarsien- arbeiten wirken. Bei dem deutschen Blatt dagegen schwellen die Balken der Initialen nach außen und wachsen zu einem freien Spiel von Schnörkeln aus, bei dem es weder Anfang noch Ende zu gebenscheint.

Die Frage nach dem Zeichner eines xylographi- schen Titels läßt sich nur in den seltensten Fällen mit einiger Sicherheit beantworten. Bei dem von Schedels Weltchronik liegt es auf der Hand, daß er derWolgemut-Werkstatt entstammt wie die Illustra- tionen dieses Werkes. Die Haken und Schleifen der Initialen und ebenso das untere Zierstück verraten das gleiche Formgefühl, das in den unentwirrbaren Spruchbändern und in dem Geäst des Einleitungs- holzschnittes zum Ausdruck kommt.

Einen ganz andren Geist atmet der Titel und das ebenso in Holz geschnittene Incipit von »Versehug leib sel er vnnd gutt«**, Nürnberg 1489. Die Buch- staben sind schlanker, die verzierenden Linien nicht so wild ausschwellend, sondern klar und übersicht- lich verflochten. Die Schrift ist durchaus dem Stil des von dem »Kalenberg-Meister« gezeichneten Ein- leitungsholzschnittes angeglichen.

Eine kaum übertreffbare Harmonie zwischen Schrift und Holzschnitt ist bei dem Titelblatt von Friedrich Riederers Spiegel der Rhetorik?*, Freiburg i. Br. 1493, erreicht (Abb. 13). Der zehnzeilige Titel ist in Kursivschrift gezeichnet und von geraden

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Linien umrandet. Zu beiden Seiten befinden sich schmale Holzschnitte mit je einem Engel als Wap- penhalter. Die untere Mitte wird von einem größeren Holzschnitt eingenommen mit einer weiblichen Figur in einer Landschaft, die das Signet des Friedrich Riederer hält. Die künstlerische Individualität kommt naturgemäß in der Kursiv stärker zum Aus- druck als bei kalligraphischen Großbuchstaben, und insofern ist die Wahl dieser Schriftform für einen Holzschnitt-Titel besonders glücklich. Der Wechsel zwischen den dicken Grund- und den feinen Haar- strichen der Schrift korrespondiert mit dem Unter- schied der derben Randlinien und der zarteren Schraffen in der Zeichnung, die spitzwinklig umge- brochenen kleinen Buchstaben mit den eckigen Ha- kenfalten der Gewänder. Die »Ohrenfalte« in dem Kleide des linken Engels erscheint in dem y der vor- letzten Zeile auf ihr lineares Grundgerüst reduziert. Es sei nicht unerwähnt gelassen, daß man ver- sucht hat, dieses vortreffliche Blatt dem jungen Dürer zuzuschreiben““.

Es ist ein selten glücklicher Fall, wenn sich ein xylographischer Titel durch ein beigefügtes Mono- gramm als sicheres Werk eines bekannten Meisters erweist. Erhard Altdorfer, der ın Norddeutschland tätige Bruder des berühmten Donaukünstlers, hat bei der Lübecker Bibel von 1533 außer den Illu- strationen auch den Buchstabentitel zu den Prophe- ten gezeichnet (»De Prophetenn alle Dudesch«) und in das Bandwerk, das sich an den letzten Buchsta- ben anschließt, seine Signatur eingefügt (Abb. 14). Damit ist der Beweis erbracht, daß es auch nam- hafte Künstler (Erhard Altdorfer war Hofmaler des Herzogs von Mecklenburg) nicht für unwürdig hiel- ten, einen Buchstabentitel zu zeichnen.

Die gotischen Formen hielten sich noch lange in den Schónschriften der Kanzleien. Wie man sie dort für Urkunden und Diplome sorgsam mit der Hand zeichnete, so verwendete man sie auch weiterhin im Holzschnitt für Titelblätter. Nur allmählich wird die beigefügte Ornamentik im Laufe des 16. Jahrhun- derts schmiegsamer und feingliedriger, die Initialen

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werden auf einen mauresken, teppichartigen Grund gesetzt. Aus der zahllosen Fülle von Beispielen sei nur als einziges, Karls V. Gerichtsordnung, Frank- furt a. М. 1563, genannt“.

Da der Buchtitel im Laufe des 16. Jahrhunderts textlich immer umfangreicher und schwülstiger wurde, schnitt man ihn nicht mehr ganz aus Holz, sondern beschrünkte sich auf die erste oder die ersten beiden Zeilen. Hauptsächlich ist dies der Fall bei den antiken Klassikern, die Heinrich Steiner zu Augs- burg in den 1530er und 1540er Jahren deutsch her- ausgabe. Die erste Zeile ist hier stets in großen Buchstaben xylographisch gedruckt, darunter der weitere Titeltext in Typendruck und als unterer Ab- schluß ein Holzschnitt, der meist irgendeinem frühe- ren, von Burgkmair oder Weiditz illustrierten Werke entstammt. Ähnlich ist der Titelschmuck zahlreicher Werke des späten 16. Jahrhunderts, die bei Ege- nolff, Feyerabend in Frankfurt und andren Ver- legern erschienen.

Noch in dem 1743 bei C. F. Gessner in Leipzig er- schienenen Lehrbuch der » Anfangsgründe der Buch- druckerkunst« wird empfohlen, die Hauptzeile des Titels in Holz schneiden zu lassen, »weil solche der Holtz- und Formen-Schneider fetter, länger und sehr dichte aneinander schneiden kan, welches in gegosse- nen sich nicht thun làst«*?.

Bei dem rein typographischen Titel stellt die Ver- teilung der Buchstaben auf der Fläche in gleicher Weise gewisse künstlerische Aufgaben, die nur hier nicht durch einen Zeichner, sondern durch den Set- zer gelóst werden. Man unterscheidet zwei Grund- möglichkeiten: den »geschlossenen« und den »auf- gelósten« Titelsatz*?. Schon in den Handschriften des Mittelalters pflegte man an besonders ausge- gezeichneten Stellen oder dort, wo der Text zur Fül- lung einer Seite nicht ausreichte, die Schrift in geo- metrischen Figuren anzuordnen*®, Die Anwendung dieses Prinzips auf den Titel geht von Italien aus, und zwar ist die beliebteste Form die der Spitz" kolumne, d. h. des auf der Spitze stehenden Dreie

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Abb. 22 Einleitungsholzschnitt aus Jac. 3 Phil. Bergomensis „De claris mulieribus", Abb. 23 Urs Graf: IIumanitastitel. Basel 1513 Ferrara 1497 (Umrahmung daliert von 1493)

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

tomachia Poliphili« Venedig 1499 bei Aldus Manu- tius*® gesetzt, der in Deutschland zahlreiche Nach- ahmungen fand. Man druckte entweder den ganzen Titel in gleichgroßen Buchstaben, oder man betonte die erste Zeile durch Fettdruck und ließ die Zeilen nach unten zu allmählich niedriger werden. Die ästhetische Form der Zeilenanordnung wird meist dem Sinn des Titeltextes übergeordnet. Man reißt nicht nur Worte, sondern auch Silben in vollkommen sinnwidriger Weise auseinander, um ein geschlosse- nes Typenbild zu erreichen. Es wird zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch kein Wert darauf gelegt, die dem Inhalte nach wesentlichen Worte im Titel zu betonen.

Die Einführung der Antiqua in Deutschland*?, die Abwandlung und Weiterbildung der alten Bruch- schrift (es sei nur an die prachtvolle »Theuerdank- type« erinnert) boten die Möglichkeit, das Schrift- bild des Buchtitels in der verschiedensten Weise zu variieren. Kleine unscheinbare Verzierungen wie Sternchen, Kleeblüttcben, angefügte Schnórkel u. a. dienten dazu, den gleichmäßigen Zeilenrhythmus zu beleben oder die Lückenim Satz auszufüllen. GróBere Initialen wurden selten verwendet, und dann stets in einer Weise, daB sie das geschlossene Bild nicht stórten, indem man sie in der Höhe sämtlicher Zeilen des Titels davorsetzte.

Zweifellos haben auch mitunter antike Inschriften, denen man ja in dieser Zeit großes Interesse ent- gegenbrachte, und die man durch besondere Drucke verdffentlichte®°, als Vorbilder für den Titelsatz ge- dient. Dies scheint mir z. B. der Fall zu sein bei der von Johann Schóffer in Mainz gedruckten lateini- schen Liviusausgabe5! von 1518.

Sehr bald verwendete man auch schon den Far- bendruck zur wirkungsvolleren Ausgestaltung des Titels. Man druckte, ohne Rücksicht auf den Sinn, einzelne Zeilen, Worte oder sogar Buchstaben in rhythmischem Wechsel von Schwarz und Rot. Sil- van Othmar in Augsburg erreichte einen eindrucks- vollen Gegensatz dadurch, daB er zum Teil seine Titel ganz in Rot druckte und diese dann mit den

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schwarz grundierten Ornamentleisten Daniel Hop- fers umrahmte, so z. B. bei dem »Sassenspegel« von 1516 (Reg. 72) und bei Luthers deutscher Theologie von 1518 (Reg. 74). Bei einem Straßburger Druck des Johann Schott von 1511 »Joh. Lupus, De liber- tate ecclesiastica« besteht der Titel aus zwölf Zeilen. Davon ist die erste, fünfte und achte in Rot ge- druckt und durch doppelte Größe der Buchstaben betont, und außerdem ist die umrahmende Bordüre Hans Baldungs (Reg. 8) mit einer roten Tonplatte überdruckt.

Im allgemeinen sind die meisten Drucker bestrebt, sowohl in der Farben- wie in der Flächenwirkung eine möglichste Harmonie zwischen Typenbild und Holzschnitt zu erreichen. Als Beispiel sei noch ein Straßburger Druck des Joh. Schott von 1510 ge- nannt: »Lectura aurea domini Abbatis antiqui super quinque libris Decretalium«, der mit einer Umrah- mung Hans Baldungs (Reg. 3) geschmückt ist. Wenn man in der Bordüre aufjeder Seite die unteren Enden der beiden perspektivisch hintereinander stehenden Bäume verbindet, so fällt der Schnittpunkt dieser beiden Linien genau mit der unteren Dreiecksspitze des Titelsatzes zusammen (Abb. 6). |

Daß Dürer ein lebhaftes Interesse für Schrift- formen besaß, ist bekannt5?. Daher ist es nicht ver- wunderlich, daß er bestrebt war, für die Titelblätter

. seiner großen Holzschnittwerke, die er 1511 neu her-

ausgab, eine dem Geiste dieser Werke entsprechende Type zu wählen. Für die von nordischer Leiden- schaft durchglühte Apokalypse konnte ihm keine der Buchstabenformen, wie man sie zum beweglichen Druck verwendet, genügen. So zeichnete er die Let- tern selbst auf den Stock in einer knorrigen, bizarren Form, die von dem gleichen Sturm zerspellt scheint, der die apokalyptischen Reiter durch die Wolken treibt.

Keinen größeren Gegensatz kann es geben als zwi- schen diesem Titel und dem des Marienlebens. Dem heiteren, freien Geiste der Bildkompositionen ent- spricht auch die Type des Titelblattes: Die Antiqua-

majuskel. Die Zeilen sind in der »klassischen« Form

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

des gleichschenkligen Dreiecks angeordnet. Der dar- unter befindliche Holzschnitt mit der auf einem Kis- sen sitzenden »Madonna del latte« steht mit seiner,

beinahe etwas kalt wirkenden Formenglattheit im gleichen Gegensatz zu dem nordisch herben Titel- holzschnitt der Apokalypse wie die beiden verschie-

denen Schriftgattungen.

Die Gewohnheit, das Typenbild des Titels in einer

geschlossenen tektonischen Form aufzubauen, ver- schwindet seit dem 3. Jahrzehnt des 16. Jahrhun- derts, zur selben Zeit, als in der Malerei die klassi- sche Form endgültig durch den Manierismus über- wunden wird. Man löst jetzt den geschlossenen Satz durch wechselnde Zeilenlänge auf und betont das dem Inhalte nach Wesentliche durch Anwendung der verschiedensten Schriftgrade.

5. DIE VERSCHMELZUNG VON SCHRIFTFELD UND TITELHOLZSCHNITT

Die einfachste und von etwa 1490 bis 1510 auch am häufigsten ausgeführte Art des Titelschmuckes bestand darin, daß man, wie bereits oben dargelegt, einen Holzschnitt einfach unter den typographischen Titel setzte. Bald macht man aber auch schon den Versuch, beides miteinander zu verschmelzen, das Schriftfeld innerhalb des Titelholzschnittes anzu- bringen.

Bei der o. O. u. J. erschienenen » Anatomia Mun- dini« 53 ist der dreizeilige Titel in die linke obere Ecke des Holzschnitts gesetzt.

Auf dem Burgkmairschen Titelholzschnitt von »Joh. Stamler, Dialogus de diversarum gencium sec- tis et mundi religionibus« Augsburg 1508 (Reg. 11) sind die Titelzeilen oben zu beiden Seiten des Zeltes der »Sancta mater ecclesia« angeordnet.

Bei manchen Titelholzschnitten ist das Schriftfeld in Gestalt einer ausgespannten Schriftrolle der Bild- komposition eingefügt, so bei dem ersten Straßbur- ger Nachdruck von Brants Narrenschiff, 14945% und bei dem Magisterholzschnitt, den Joh. Schönsperger in Augsburg seit 1499 für seine Lehrbücher verwen- dete,

Bei andren ist es in Form eines ornamentierten Schildchens angebracht, so auf dem Titelholzschnitt zu Huttens »Nemo« (1518) von Hans Weiditz und bei Luthers Auslegung des Propheten Jona, Witten- berg 1526%*,

Beieinem Nürnberger Druck des Georg Stuchs von 1508 »Newe vnbekanthe landte« 57 befindet sich in der

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Mitte des Titelholzschnittes die Weltkugel, um die sich ein fliegendes Band schlingt, das die ganze übrige Fläche ausfüllt und den Titel enthält (Abb. 15).

Aus dem Bestreben, dem Schriftfeld eine funk- tionelle Bedeutung innerhalb der Darstellung des Holzschnittes zu geben, entstehen mitunter Titelbil- der, die in ihrer malerischen Auffassung weit über den Zweck und Sinn eines Titelblattes hinausgehen.

Für den Titel von »Jornandes, De rebus Gotho- rum u. Paulus Diaconus, de gestis Langobardorum, Augsburg 1516 hat Hans Burgkmair (Reg. 12) die beiden Hauptpersonen Albuin und Athanasius ge- zeichnet (Abb. 16). Sie sitzen, mit zeitgenössischen Ritterrüstungen des 16. Jahrhunderts bekleidet, in der Ecke eines Innenraumes, dessen Wünde mit Vor- hàngen drapiert sind. Zwar ist die Perspektive bei der oberen Hälfte der rechten Seitenwand nicht rich- tig, jedoch wird durch die Überschneidung der bei- den oberen Rundbogenfenster und durch das Aus- schnitthafte der ganzen Komposition eine durchaus illusionistische Wirkung erzielt. Von der nicht sicht- baren Decke hängt ein geschweifter Schild herab, der als Schriftfeld für den Titel dient.

Nachdem man einmal dazu übergegangen war, die Zeichnung eines Titelblattes gewissermaßen als ma- lerisches Problem aufzufassen, liegt es nahe, daß man die Motive dafür nun auch direkt aus der Tafel- malerei übernahm. Es handelte sich dann nur darum, das Schriftfeld in irgendeiner Weise mit dem Bilde zu verschmelzen. Neben der bei dem besprochenen

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Burgkmairschen Blatt angewendeten Art, es in Form eines Schildes anzubringen, besteht noch die andre Möglichkeit, aus der Bildkomposition einfach ein Stück für den Titel auszuschneiden.

Aus dem Kreise Cranachs in Wittenberg ging unter offensichtlichem Einflusse Luthers ein neues Bildthema hervor, das sowohl in malerischer und plastischer Ausführung, als auch im Holzschnitt auf zahlreichen Titelblättern zur Anwendung kam: die Gegenüberstellung von Sündenfall und Erlösung, von Gesetz und Gnade als Versinnbildlichung der prote- stantischen Lehre58. Auf zwei Tafelbildern von 1529, das eine jetzt im Gothaer Landesmuseum (Abb. 17), das andre im Rudolfinum zu Prag befindlich5?, ist dieses Thema zum ersten Male dargestellt. Sie sind beide mit der geflügelten Schlange signiert; das Prager Bild gilt im allgemeinen als eigenhändiges Werk Lukas Cranachs des Älteren, bei dem Gothaer sind die landschaftlichen Zutaten und die miniatur- haft wirkenden Gruppen des Hintergrundes sicher von andrer Hand. (Flechsig schreibt dieses Werk seinem »Hans Cranach« zu.)

Die ganze Komposition wird in der Mitte durch einen Baum in zwei Hälften geteilt, dessen links- seitige Äste dürr, die rechtsseitigen belaubt sind. Auf der linken Hälfte befinden sich verschiedene Szenen des Alten Testamentes (Adam und Eva un- term Paradiesbaum, die Aufrichtung der ehernen Schlange, Moses auf dem Sinai), auf der rechten die zum Teil typologisch entsprechenden Darstellungen aus dem Neuen Testament (Verkündigung an die Hir- ten, Kreuzigung und Auferstehung Christi). Vornam Baumstamm wird auf dem Gothaer Bilde links der

verstockte Sünder von Tod und Teufel in das Höl- lenfeuer getrieben, während ihm der von einigen Pro- pheten umgebene Moses die Gesetzestafeln entgegen- hält. Rechts steht der reuige Sünder, von Johannes Baptista auf den Kruzifixus hingewiesen, ausdessen Seitenwunde das erlösende Blut auf ihn herabspritzt. Bei dem Prager Bild ist die in zwei Teile ausein- anderfallende Komposition dadurch etwas geschlos- sener gestaltet, daß der sündige Mensch nur einmal

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG: DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

am Fuße des Baumes dargestellt ist. Er streckt die betend verkrampften Hände dem bärtigen Moses entgegen und wendet das angstvolle Gesicht nach der andren Seite zu Johannes, der ihn tröstend auf den gekreuzigten Erlöser hinweist. Statt des Höllen- pfuhles befindet sich links ein Grab mit einem Toten.

In ihrer künstlerischen Wirkung sind diese Werke mit der Anhäufung von Allegorien ohne Rücksicht auf die Einheit von Raum und Zeit, mit der nach- drücklichen Betonung des Inhaltes zu ungunsten der Forın, durchaus unbefriedigend. Sie sind jedoch insofern kulturgeschichtlich interessant, als dieses Thema an allen für die Reformation wichtigen Orten auf den verschiedensten Gegenständen dargestellt wurde: auf Altären, Kanzeln, Truhen, kirchlichen Geräten, Bucheinbänden; unter andrem auch in der ältesten Matrikel der Universität Kónigsberg**. Be- sonders fand diese Szene häufig für Bibeltitelblätter Verwendung 80-72. Dazu mußte man die Kompost, tion vom Breitformat des Gemäldes für das Hoch- format des Buches abändern. Das Schriftfeld ist ent- weder in Form einer Tafel an dem Baum angebracht oder einfach aus der Mitte des Holzstockes heraus- geschnitten, so daß von dem Baume nur die untere Hälfte des Stammes und die Krone sichtbar bleibt. Die erste mir bekannte Titelblatt-Darstellung findet sich in sehr roher handwerksmäßiger Ausführung, unter Anlehnung an das Prager Bild, in einem Ok- tavbändchen von 1532, den Propheten in Luthers Übersetzung, erschienen in Erfurt bei Melchior Sachse%0. Im nächsten Jahre folgt dann ein pracht- voller Folioholzschnitt von Erhard Altdorfer als Ti- telblatt der Lübecker Bibel61, die, von Bugenhagen ins Niederdeutsche übersetzt, noch vor Luthers Ge- samtausgabe erschien (Abb. 18).

Erhard Altdorfer hat nachweisbar in Beziehungen zu Cranach gestanden. 1512 kam er zum ersten Male in Begleitung seines Herrn nach Wittenberg, als beide zur Hochzeit der Herzogin Katharina von Mecklenburg mit Herzog Heinrich von Sachsen nach Freiberg reisten?3, Dieser selben Herzogin widmete Cranach eine Federskizze, die möglicherweise den

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

ersten Entwurf für das Gothaer Bild darstellt?*. Alt- dorfer zeichnete seinen Holzschnitt nun zwar nach dem » Prager Typus, aber es ist wohl anzunehmen, daß ihm der befreundete Wittenberger Meister einen Entwurf übersandt hatte, oder daß er das vier Jahre vorher entstandene Gemälde vielleicht gar aus eige- ner Anschauung kannte. Die Übertragung in das Hochformat hat er in der glücklichsten Weise gelöst. Hinter dem Baume öffnet sich der Ausblick in ein weites Tal, in dem man links die »eherne Schlange«, rechts die »Verkündigung an die Hirten« sieht. Zu beiden Seiten erheben sich Hügel, auf denen einer- seits der Paradieebaum, andererseits das Kreuz Chri- sti stehen. Die bei dem Tafelbild auf fernen Bergen erscheinenden Szenen Gottvaters mit Moses auf dem Sinai und der Empfängnis Mariä hat er in die Wol- ken gerückt, und so wenigstens die Einheit des Rau- mes gewahrt. Die hinter der Baumkrone nach beiden Seiten hin radiant hervorbrechenden Lichtstrahlen schlieBen die Komposition oben in wirkungsvoller Weise zusammen, und unten werden die beiden Bild- hälften durch die Kette der Gesten (von der rechten Hand des Moses über den gebeugten Arm des Sün- ders zu der erhobenen Linken des Johannes) zusam- mengehalten. Von keinem der thematisch gleichen, späteren Titelbilder ist dieser Holzschnitt an Quali- tät wieder erreicht worden. Michael Lotter in Magde- burg läßt das Altdorfersche Blatt durch Hans Bro- samer kopieren®?. In Wittenberg werden seit 1537 und 1538 zwei Titelschnitte in Quart verwendet, die sich dem Gothaer Bilde anschließen®® 64. Ebenso weisen die drei von Lucas Cranach dem Jüngern für Hans Lufft in Wittenberg und Nicolaus Wolrab in Leipzig gezeichneten Blätter 65—67 diesen zweiten Ty- pus auf (Abb. 19). Zeichnung und Schnitt sind sehr sorgfältig ausgeführt, jedoch fehlt der Komposition die Einheitlichkeit; die einzelnen Vorgänge sind zu- sammenhanglos übereinander gesetzt, ohne daß eine Bildtiefe erreicht wird. Die um Moses versammelte Gruppe der Propheten, die sich eng an das Gothaer Bild anlehnt, kommt in ähnlicher Weise schon auf dem von Georg Lemberger gezeichneten Einleitungs-

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holzschnitt des Dresdner Emser-Testamentes von 1527 (Reg. 76) vor. Wir haben also hier die Wande- rung einer Figurenkomposition von einem Titelblatt zu einem Tafelbild und von da wieder zu einemTitel- holzschnitt.

Diese Rolle des Vermittlers und Anregers fúr die Malerei (und sei es auch nur in thematischer Bezie- hung) hat das Titelblatt noch öfters gespielt. Die erste moderne Darstellung der dann im 17. Jahrhun- dert so beliebten Anatomieszenen findet sich auf dem Titelblatt des 1543 bei Joh. Oporin in Basel erschie- nenen Werkes des berühmten Paduaner Anatomen Andreas Vesalius, »De humani corporis fabrica Libri septem« 75, Sie ist gezeichnet von einem unter Tizians EinfluB zum Italiener gewordenen Deutschen: Joh. Stefan у. Calcar?®. In einem Kuppelraum, an dessen Gesims das Schriftfeld für den Titel in Form einer Kartusche angebracht ist, liegt auf einem senkrecht in die Tiefe gerichteten Tisch ein weiblicher Leich- nam mit geöffneter Bauchpartie. Links daneben steht der Professor, der mit einem Stäbchen in der Rechten demonstrierend auf die Eingeweide weist, während er das Gesicht dem Beschauer zuwendet. Von drei Seiten drängen sich seine Schüler heran. Die beiden Zuschauerreihen im Hintergrunde bilden gewissermaßen die Folie für die pyramidal auf- gebaute Mittelgruppe, die durch die prachtvoll drapierte Rückenfigur vorn links eingeleitet wird, in dem hinter der Leiche stehenden Totengerippe gip- felt und dann nach vorn rechts in der Figur des bär- tigen Alten wieder abschwillt. Aus den alten schema- tischen Magisterszenen und den auf Einleitungsholr- schnitten so häufig dargestellten Versammlungen berühmter Ärzte ist ein bewegtesGruppenbild gewor- den. Während bei den älteren Anatomiedarstellun- gen der Leichnam, unter Anlehnung an Martyrien- szenen, stets parallel zur Bildfläche liegt (vgl. das Titel- blatt der oben erwähnten »Anatomia Mundini«*?), ist er hier schräg in die Tiefe gerichtet, ein Problem, um das die italienischen Maler des ausgehenden 15. Jahrhunderts lange gerungen hatten. In der Gruppe des vor dem schräg gelegten Körper doxie-

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

renden Vesal mit den vier hinter ihm stehenden Schülern, von denen zwei aufmerksam seiner demon- strierenden Geste folgen, während sich die beiden andren untereinander beschäftigen, scheint mir schon ein Keim von Rembrandts berühmter » Anatomie des Dr. Tulp« zu liegen.

Die Einbeziehung des Titelfeldes in eine Bildkom- position ist dann im 17. Jahrhundert im Kupfer- stich, entsprechend der neuen Bildauffassung, noch weiter entwickelt worden. Als Beispiel sei nur das

Titelblatt von Balthasar Corderius, Expositio pa- trum Graecorum in psalmos, Antwerpen 1643 ange- führt, das aus der Rubenswerkstatt hervorgegangen 18177. In einem Tempelinnenraum kniet David mit der Harfe. Der Titel des Buches steht auf einem schräghängenden Vorhang, der das Allerheiligste ab- schließt. Die Fläche ist vollkommen überwunden, das Titelblatt ist zum Träger einer barocken Bild- komposition geworden und damit seinem eigentli- chen Zweck entfremdet.

6 DIE TITELUMRAHMUNG

Die bildmäßige Verschmelzung von Schriftfeld und Holzschnitt erreichte man auch noch auf einem an- dren Wege: von der Titelbordüre ausgehend.

Die an eine Initiale angeschlossene, seitliche Orna- mentranke, die sich, wie wir oben geseben haben, unter Beibehaltung ihres gotischen Charakters zu einer festbegrenzten Umrahmung der ersten Text- seite entwickelt hatte, war seit Einführung eines wirklichen Titelblattes vollkommen zurückgetreten, Im letzten Jahrzehnt des 15. und im ersten des 16. Jahrhunderts ist das Vorherrschende ein rein typographischer Titel ohne jeglichen Schmuck (even- tuell mit einem Einleitungsholzschnitt auf der Rück- seite), oder ein xylographischer Titel, oder eins von beiden in Verbindung mit einem Holzschnitt. Erst seit etwa 1510 tritt der ornamentale Schmuck wie- der in den Vordergrund. Ein direkter Anschluß an spätgotische Vorlagen ist nur in seltenen Fällennach- zuweisen, wie z. B. bei den oben besprochenen Ar- beiten Hans Baldungs. Zwar ist auch bei vielen der neuen Titelumrahmungen die Herkunft aus der nor- dischen Formenwelt noch deutlich spürbar, die mit Figuren belebte Pflanzenranke spielt auch jetztnoch eine große Rolle (vgl. die beiden ersten Arbeiten »Hans Cranachs« (Reg. 20/21), die an die bespro- chenen Baseler Gebetbuchbordüren erinnern) aber im allgemeinen bekommt das Ornament jetzt durch Eindringen italienischer oder italienisierender For-

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men einen ganz andren Charakter, den man mit »deutsche Renaissance« bezeichnet. Es muß betont werden, daß die deutsche Ornamentik durch die süd- lichen Elemente zwar befruchtet, aber nicht aus- schließlich bestimmt wird,

In Italien war die erste Verwendung von Rand- leisten in Holzschnitt durch einen deutschen Drucker geschehen: Erhard Ratdolt aus Augsburg, der von 1476 bis 1486 in Venedig arbeitete. Und auch der Zeichner war wohl ein Deutscher: » Bernhard maler von Augsburg«. Aus Ratdolts Offizin ging über- haupt das erste mit einem Titelblatt versehene Buch hervor: Der Kalender des Joh. Regiomontanus, den er 1476 lateinisch und italienisch, 1478 deutsch her- ausgab??. Auf dem ersten Blatt befindet sich ein Empfehlungsgedicht, das über Verfasser und Inhalt Aufschluß gibt; darunter steht das Impressum mit Ort und Jahr. Also ein im modernen Sinne vollstän- diger Buchtitel. Zu beiden Seiten desselben steigt aus je einer Vase ein in Federzeichnungsmanier zier- lich stilisiertes Ornament auf (Abb. 20). Diesem Bu- che ließ Ratdolt noch zahlreiche andre Drucke mit Randleisten folgen, die sich in ihrer Form durchaus an die italienische Handschriftenornamentik und an Intarsienarbeiten dieser Zeit anschließen.

Venedig blieb auch in den nächsten Jahrzehnten noch der Hauptproduktionsort Italiens für Buchor-

namentik?", Die Randleisten haben stets einen festen

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Rahmencharakter, die Binnenzeichnung hebt sich in scharfen Umrissen ohne jede Schraffierung wie eine F ederzeichnung vom weißen Grunde, oder sie ist in den Holzstock eingeritzt, so daß sie nach Art des »Sgraffito« weiß auf schwarzem Grunde er- scheint. In jedem Falle hat sie einen rein flächen- haften Charakter. An Stelle des regellosen Gerankes naturalistischer Pflanzen treten hier nur dünne, stili- sierte Gewinde oder Blattformen auf, bei denen das Aufsteigen oder Herabhängen immer klar ausgespro- chen ist. Figürliche Szenen sind selten eingefügt und dann stets in Form von Medaillons an den Ecken oder in der Mittelachse der Seitenleisten, so daß der tektonische Rahmencharakter gewahrt bleibt.

Als Erhard Ratdolt 1486 nach Augsburg zurück- kehrte, ließ er seine Holzstöcke (abgesehen von den Initialen) im Süden. Wenigstens ist kein in Deutsch- land entstandener Druck Ratdolts bekannt, der mit seinen venezianischen Randleisten geschmückt wäre. Er war sich wohl von vornherein darüber im klaren, daß er bei seinen Landsleuten kein Verständnis für die südlichen Zierformen finden würde. Es bedurfte erst noch fast zweier Jahrzehnte des Austauschs von Künstlern, Druckern und Kaufleuten und des Im- ports italienischer Bücher und Graphik, ehe sich in Deutschland der Geschmack soweit gewandelt hatte.

Eine der ersten deutschen Titelumrahmungen, deren Ornament in gewissem Sinne von italienischen Formgesetzen beeinflußt scheint, ist die von Michael Lochmayers » Parochiale Curatorum«, Basel 150081, Der blockförmig gedruckte, sechszeilige Titel ist von drei Seiten durch eine Bordüre begrenzt, während als unterer Abschluß ein Holzschnitt mit einer Pre- digt- und einer Beichtszene dient. Das seitliche Ornament steigt akroterienartig auf mit betonter Mittelachse. Auch die oben befindliche Blattranke entwickelt sich von der Mitte ausgehend symmetrisch nach beiden Seiten (Abb. 21). Die Verwandtschaft mit dem ersten venezianischen Titelblatt Ratdolts ist augenfällig.

Innerhalb der deutschen Entwicklung steht dieses

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Blatt ganz vereinzelt da. Verwandte Arbeiten treten erst zehn Jahre später auf.

In Basel ist es zuerst Urs Graf, der seine Motive direkt aus Italien holt. Teilweise kopierte er gleich- zeitige italienische Umrahmungen mit schülerhafter Genauigkeit, so ein von Giacomo Mazocchio in Rom verwendetes Titelblatt (Reg. 39) und einen venezia- nischen Delphinrahmen (Reg. 40), der sogar in der Größe genau mit dem Original übereinstimmt und fast nur durch das beigefügte Monogramm unter- scheidbar ist. Wenn es sich um ältere Vorlagen im reinen Linienstil handelte, gab er den Formen ein plastisches Aussehen durch feine Schattenlagen, so bei seinen grotesken Kopf- und Querleisten?? und bei dem »Humanitas-Titel« (Reg. 42), wo er nur das seltsame architektonische Gerüst übernahm, wäh- rend die figürlichen Beigaben (Triumphwagen der Humanitas, Statuen des Kairos und der Nemesis), die wohl auf Bestellung des Druckers Froben bzw. unter Anleitung seines gelehrten Lektors Beatus Rhenanus entstanden®®, eigene Erfindungen sind (Abb. 22 und 23).

Gleichzeitig, also zu Anfang des zweiten Jahr- zehnts dringen auch in den übrigen süddeutschen Druckorten: Augsburg, Nürnberg, Straßburg die Renaissanceformen ein. Aber es handelt sich sonst keineswegs um sklavische Nachabmungen, sondern die italienischen Einzelformen werden von den ver- schiedenen deutschen Künstlern in ganz individueller Weise zu neuartigen Gebilden zusammengestellt. Neben Dekorationsstücken der Frührenaissance werden gleichzeitig die phantastischen »Grotesken«* übernommen.

In Augsburg fertigte von 1514 bis 1518 der von der Metallätzung ausgehende Daniel Hopfer verschie- dene Bordüren für die Offizinen von Miller und Oth- mar (Reg. 69 bis 74). Das Grundgerüst seiner Kom- positionen ist durchaus nordisch, ein in ununter- brechlicher Linie sich weiterschlingendes Geranke; die Einzelformen jedoch stammen aus Italien: Füll- hörner, Fruchtkörbe, Masken, phantastische Fabel- wesen, Putten usw., weiß auf schwarzem Grunde,

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jedoch nicht rein flächenhaft wie in Venedig, son- dern mit feinen Strichlagen modelliert.

Von ähnlicher Phantastik erfüllt sind die von Joh. Grüninger in Straßburg seit 1512 verwendeten Orna- mentrahmen, die wohl Arbeiten Johann Wechtlins sind (Reg. 82 und 83). Der Grund ist hier weiß ge- lassen; besonders charakteristisch sind die aus Kon- solen herauswachsenden Halbfiguren und Putten, die federgeschmückten Helme und die nach Baldung kopierten Blätterfestons (Abb. 24).

Der bedeutendste Straßburger Meister dieser Zeit, Hans Baldung, zeichnete neben seinen Astwerkum- rahmungen auch einige Bordüren mit Renaissance- motiven (Reg. 8 bis 10). Im Gegensatz zu Wechtlin verzichtet er hier auf das naturalistische Ranken- werk und baut auf dunkelschraffiertem Grunde die einzelnen Ornamentstücke, die Waffen, Gefäße mit herabhängenden Ketten, Tierköpfe, stilisierte Del- phine usw. in einer Achse übereinander auf (Abb.25).

Dieses Prinzip wendet auch Hans Weiditz in Augs- burg bei seinen ersten Arbeiten (1518) an (Reg. 86 und 87), jedoch hält er sich noch enger an die italie- nische Frührenaissance. Seine beiden ersten Bordüren scheinen direkt nach Pilasterfüllungen des Quattro- cento kopiert. Verschiedentlich gibt er seinen Titel- rahmen ein architektonisches Gerüst in der Art der plastischen Fenster oder Türeinfassungen der Frührenaissance: das Schriftfeld erscheint zwischen ornamentierten Pfeilern, die oben durch einen Spitz- oder Rundgiebel verbunden sind (Abb. 26). Das Ganze wird dann noch mit Festons behangen, mit Fruchtschalen, spielenden Putten und ähnlichem auf den Pfeilervorsprüngen und Bekrönungen belebt (Reg. 88 und 89). Mitunter setzt er auch nur zwei Säulen in die Seitenleisten und füllt die Zwischen- räume mit Satyrn, Fabelwesen und Ornamenten (Reg. 90 und 91).

Zwei Jahre vor dem Auftreten des Hans Weiditz in Augsburg erscheint der junge Hans Holbein in Basel. Bei ihm ist das Gefühl für das Konstruktive der Architektur noch stärker ausgeprägt. Von Ok- tober 1516 bis Dezember 1517 zeichnet er eine ganze

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Reihe Quarteinfassungen für die Offizin von Froben. Seine Pilaster und Säulen sind schlanker als die des Weiditz. Entweder setzt er das Schriftfeld in einen portalartigen Aufbau, der am Sockel mit einer Fi- gurenszene geschmückt, oben mit Blatt- und Blu- mengewinden behangen und von Putten umspielt ist und in einem Kranz oder Schild das Signet Fro- bens enthält (Reg.51 und 53), oder er gibt ihm die Form einer Steintafel mit verziertem Sockel und Ge- sims und läßt die Ornamente zu beiden Seiten aus Vasen aufsteigen (Reg. 55 und 56).

Die Anregungen zu seiner Ornamentik stammen aus Venedig; eine Umrahmung hat er sogar direkt kopiert (Reg. 55), nur modelliert er die Formen noch durch feine Schraffierungen. Das dekorativ Figür- liche setzt er mitunter zu wirklicher Handlung um, indem er in die unterste Leiste eine Bildszene zeich- net, aus der dann ziemlich unvermittelt das Orna- ment der Seitenleisten aufsteigt (Reg. 52 und 54). In seiner zweiten Baseler Periode (seit Ende 1519) entwirft Holbein das Grundgerüst seiner Titelbor- düren vielfach nach Art der an Hausfassaden ge- malten architektonischen Prospekte: das Schrift- feld gleicht einem von Architekturteilen gerahmten Fenster, neben dem in den Seitenleisten die Figuren hinter Balustraden, Säulen oder Pilastern erscheinen (Reg. 61 und 64, Abb. 27). Oder er baut das ganze Titelblatt in drei Stockwerken auf, die mit einer ge- meinsamen architektonischen Rahmung versehen sind (Reg. 68), oder er gibt Durchblicke durch einen reichverzierten, tonnengewölbten Innenraum (Reg. 65). Alle Möglichkeiten der Kombination sind eigent- lich von Holbein erschöpft worden. Für die auch sonst sehr beliebte Gegenüberstellung zweier ganzer Figuren in den Seitenleisten ist seine » Apostelbor- düre« (Reg. 62) das klassische Beispiel. Bei dem »Dionysos-Cleopatra-Rahmen« (Reg. 66) steht der Titel auf einem großen Steinpostament, das seitlich mit Statuen geschmückt ist. Diese Kompositions- form wurde 100 Jahre später auf den Titelblättern der Rubens -Werkstatt besonders häufig angewendet, natürlich mit ganz andren, barock bewegten Figu-

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ren??. Auf Holbeins berühmte »Cebestafel« komme ich an späterer Stelle noch zu sprechen.

Eine ganz eigene Stellung nimmt ein in Witten- berg seit 1518 tätiger Künstler ein, den man allge- mein mit dem Decknamen »Hans Cranach« (Reg. 20 bis 35) bezeichnet. Seine anmutigen Ornament- rahmen gehören mit zu den besten Leistungen dieser Zeit. In zierlicher Federzeichnungsmanier kompo- niert er um das Schriftfeld herum teils naturalisti- sche, teils phantastisch umgebildete Pflanzen- und Tierformen. Meist bringt er in der Mitte der oberen und unteren Leiste eine Vase, ein Maskaron oder ein Wappen an und läßt von hier menschliche Halb- figuren, Delphine oder Füllhörner ausgehen, die sich dann in Form von Pflanzenranken oder phantasti- schen Schlangenleibern in die Seitenleisten fort- setzen (Abb. 28). Beiderseits fügt er häufig in das Blattwerk je eine menschliche Figur in einer humori- stischen Situation ein: bärtige, alte Männer mit geflickten Hosen, dicke Mönche, die aus großen Krügen trinken, einen Wolf in Mönchstracht, einen nackten Waldmenschen mit IndianergürtelundBocks- hörnern usw. (Reg. 24 bis 30). Die Modellierung be- steht aus kurzen, feinen Strichelchen; der Grund ist meist weiß gelassen, nur bei zwei Bordüren ist er schwarz. 1521 findet er in der »Lóweneinfassung« (Reg. 31) eine ganz prachtvolle Lösung der Ver- schmelzung von Schriftfeld und Ornament (Abb.29). Die Mitte nimmt ein großes, herzförmiges, gelapptes Blatt ein, auf dem der Buchtitel steht. Oben, zu bei- den Seiten und in der Mitte ist es zu Voluten um- gerollt, von denen sich Pflanzenstengel nach den Seiten ranken. Unten in den Ecken ruhen zwei Lö- wen, deren Schwänze um die Spitze des Blattes ge- schlungen sind. Der Grund ist horizontal schraffiert. In seinen späteren Arbeiten seit 1523 (Reg. 32 bis 35), die er hauptsächlich für den Verlag von Cranach & Döring anfertigte, bevorzugt er, unter offenbar süddeutschem Einfluß, architektonische Kompo- sitionen.

Italienische Formen sind ihm wohl bei seinen ersten Arbeiten schon bekannt gewesen, wenn viel-

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leicht auch nur in deutschen Umarbeitungen. So erinnern seine Delphine mitihren gelappten, blattför- migen Flossen an die von Urs Graf aus Venedig im- portierten. Seine Blättermaskarons haben ihr Vor- bild auf Baldungs »Maximilians-Bordiire« (Reg. 10). Trotz solcher geringfügigen Entlehnungen oder An- gleichungen bleibt dieser Künstler aber eine durch- aus selbständige Natur und ist insbesondere durch seine Vorliebe für das Genrehafte eine rein deutsche Erscheinung. In diesem Punkte berührt er sich mit Dürer, an dessen Randzeichnungen zu Maximilians Gebetbuch man in gewisser Hinsicht bei den ersten Arbeiten dieses Wittenberger Meisters (bis 1521) er- innert wird.

Dürer selbst hat bedauerlicherweise keine Titel- bordüren gezeichnet. Die ihm früher zugeschriebe- nen Arbeiten haben sich als Werke seiner Schüler, insbesondere Springinklees, erwiesen, die jedoch aufs engste mit der Dürerschen Formenwelt verknüpft sind. Das bekannteste, aus der Dürer-Werkstatt bervorgegangene Titelblatt ist die sogenannte» Pirk- heymer-Bordüre« (Reg. 78). Während bei den bis- her besprochenen Ornamentrahmen in der Haupt- sache das Prinzip der Flüchendekoration mage bend blieb, ist hier mit ornamentalen Elementen eine illusionistische Bildwirkung erzielt (Abb. 30). Das Schriftfeld, in Form einer rechteckigen Tafel mit zwei seitlichen Ösen, ist etwas nach der linken oberen Ecke zu gerückt. Für den ganzen Aufbau bestimmend ist eine große, kandelaberartige Säule auf der rechten Seite, die ähnlich einzelnen der sie- ben Leuchter in der Apokalypse (B. 62) mit Schup- pen, Schlangen, stilisiertem Blattwerk, Perlschnü- ren usw. bedeckt ist. Hinter ihr befindet sich ein Steinsockel, auf dem eine kleine, glatte Säule mit einem Faun als Bekrönung steht (das Motiv ist Man- tegna entlehnt und kehrt in verschiedenen Werken Dürers wieder®*). Links vom Schriftfeld setzt sich der Sockel in gleicher Höhe fort und trägt noch einen kleinen Treppenaufbau mit einem Korbe, hin- ter dem wieder eine kleine Säule erscheint mit einem auf einer Kugel stehenden Kranich, der nach den

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aus den oberen Festons herabhängenden Weintrau- ben pickt. Unten vor dem Sockel wird das Pirkhey- mersche Wappen von zwei Engelchen gehalten, wäh- rend hinter ihnen zwei andre Tuba blasen. Das Ganze ist schwarz grundiert, aber diese dunkle Folie setzt nicht direkt hinter den Zierformen ein, sondern ist in ziemlicher Tiefe zu denken, die durch die per- spektivische Verkürzung der einzelnen Glieder er- reicht wird. Man muß das Blatt weit ab vom Auge halten, um sich das Hintereinander der einzelnen Bildschichten klar zu machen: im »Vordergrund«

‚stehen die wappenhaltenden Engel, etwas tiefer die

tubablasenden und die große Kandelabersäule, im »Mittelgrund« der Steinsockel mit dem Treppchen links und der Faunsäule rechts, und ganz in der Tiefe die Säule mit dem Kranich, deren Basis man nicht einmal mehr sieht.

In ähnlicher Weise ist ein andres Titelblatt Spring- inklees komponiert, das zwar erst aus einem Buche von 1526 bekannt, aber sicher wohl schon im 2. J ahr- zehnt entstanden ist (Reg. 81 und Abb. 31). Die un- tere Leiste mit den schildhaltenden Putten ist von dem übrigen Bilde getrennt. Das Schriftfeld nimmt genau die Mitte ein. Hinter ihm ist eine Landschaft zu denken, von der zu beiden Seiten einige Bäume im Hintergrunde sichtbar sind. Davor steht links ein kathederartiges Postament, auf dem ein lautespie- lender Engel sitzt. Rechts ist vor dem Waldhinter- grund ein Stufenaufbau, und ganz vorn eine große bauchige Säule mit einem Gemsbock als Bekrönung. Oben in der linken Ecke fliegen zwei Vögel, und auf dem von Rundstäben gerahmten Schriftfeld ist ohne Rücksicht auf die statische Möglichkeit nochmal ein Stück Erdboden mit einem schalmeiblasenden Faun zwischen zwei Blumenvasen angesetzt.

Noch einen Schritt weiter geht die 1517 von Spring- inklee für den Verlag der Koberger gezeichnete Bor- düre mit der Taufe Christi (Reg. 80). Die völlig ge- trennten Leisten ein jetzt häufig angewandtes Mit- tel zur drucktechnischen Vereinfachung enthalten selbständige Bildszenen. Die obere und untere Leiste sind nochmal dreigeteilt, so daß im ganzen acht Fel-

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der entstehen, von denen die vier kleinsten auf den Ecken liegen. In diesen befmden sich oben zwei apo- kalyptische Darstellungen, unten zwei Engel mitden Marterwerkzeugen Christi, die nach Dürers Radie- rung B. 26 von 1516 kopiert sind. In der Mitte der oberen Leiste ist » Johannes auf Patmos« mit der Madonna dargestellt, unten die Taufe Christi in einer anmutigen Flußlandschaft. Die beiden Seitenleisten bilden eine zusammenhängende Szene mit dem Tri- umph des Todes. Links steht das Gerippe mit Sense und Sanduhr auf einem Postament (zwei ähnliche Darstellungen wurden von Dürer in das Gebetbuch Maximilians gezeichnet) von Kranken und Lahmen um Erlösung angefleht, rechts fliehen Mann, Frau und Kinder vor dem Tode, während einige andre Menschen bereits niedergeschmettert sind. Die Ver- wendung kleiner Bildszenen als Umrahmung eines Schriftspiegels ist nicht neu. So ist z. B. der Aderlaß- kalender des Michael Greyf, Reutlingen 1495 (Schr. 3235) auf der linken Seite und oben von 13 kleinen, gleichgroßen Holzschnitten mit Darstellungen aus der Schöpfungsgeschichte und aus dem Leben Chri- sti eingefaßt. Die in der Kölner Bibel als Rahmung verwendete Bildszene mit der Anbetung der Könige wurde schon früher erwähnt. Die besondere Flächen- teilung jedoch mit Absonderung der vier Ecken scheint durch venezianische Einflüsse bewirkt zu

sein. Dort pflegte man seit Ende des 15. Jahrhun-

derts in die vier Ecken oder in die Mitte der Leisten Medaillons mit figürlichen Darstellungen einzuset- zen, die jedoch stets rein dekorativen Charakter haben.

Diese Bordüre Springinklees fand nun zahlreiche Nachahmungen in Deutschland. Anton Woensam in Köln, der sie selbst kopierte, schuf 1524 vier Leisten mit zwölf Szenen aus dem Leben des Herkules (Reg. 108), die durch kleine Säulchen mit schneckenförmi- gen Ornamenten voneinander getrennt sind. Einige Jahre vorher hatte er für den Mainzer Drucker Jobann Schóffer die Illustrationen zu einer Neuaus- gabe des deutschen Livius gezeichnet. Neben einigen ganzseitigen Bildern bestehen diese hauptsächlich

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aus kleinen quer- und hochrechteckigen Holzschnit- ten mit Landsknechtsszenen ohne Umrahmungs- linien, die dann in wechselnden Zusammenstellungen abgedruckt und auch auf den vier Titelblättern die- ses Buches als Szenenrahmen verwendet sind (Reg. 107). Das Schriftfeld steht zwischen zwei gleich- großen Holzschnitten in Hochformat, oben und un- ten schließt sich je ein Holzschnitt im Querformat an, die die ganze Breite einnehmen (Abb. 32). Da diese vier Holzstöcke untereinander nicht abgegrenzt sind, das ganze Blatt aber durch eine äußere Rah- mungslinie umschlossen ist, wird der Eindruck er- weckt, als seien alle vier Szenen von einem einzigen Stock abgedruckt. Es sind prachtvolle Landschafts- und Kampfdarstellungen mit Burgen, Feldlagern, Reitern und Fußvolk. Von der Horizontlinie der un- teren Szene wird das Auge unmerklich über die Bo- denerhebungen der Seitenleisten nach der Land- schaft in der oberen Leiste geführt.

Schon vor der Mitte des zweiten Jahrzehnts hatte Hans Baldung in seiner zweiten Tiergartenbordüre (s.0.S.16/17 und Reg.6) versucht, die vier Leisten eines Titelrahmens zu einer einheitlichen Bildsphäre zu verschmelzen. Das gleiche Problem suchte er bei der »Johannesbordüre« von 1513 (Reg. 9) zu lösen. Durch Verkleinerung des Schriftfeldes und seine Ver- schiebung nach der rechten oberen Ecke ist die linke und untere Leiste stark verbreitert. Unten sitzt der Evangelist Johannes schreibend vor einem Baume, der in die linke Seitenleiste aufwächst und diese fast ganz ausfüllt. Rechts erscheint die Madonna mit dem Kinde auf der Mondsichel. Sie ist etwas in den Hintergrund gesetzt und ragt mit ihrem Oberkörper noch in die rechte Seitenleiste. Statt aber nun die Bildillusion über ihrdurch Wolken oder Landschafts- andeutungen fortzusetzen, fügt er hier Grotesken- ornamente zur Füllung desleerbleibenden Raumes ein.

Ein ähnlicher Kompromiß ist auch auf einer Wit- tenberger Bordüre von 1526 (Reg. 15) zwischen bild- mäßiger Tiefenwirkung und Flächendekoration ge- schlossen: unten befinden sich mehrere durchaus naturalistisch aufgefaßte Hirsche in einer Land-

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schaft, die noch das untere Stück der Seitenleisten füllt, während die obere Hälfte der Seiten- und die Querleiste oben mit ornamentalen Fabelwesen ge- schmückt sind. Verwandte Kompositionen sind in dieser Zeit in Wittenberg noch mehrfach entstan- den: bei den Bordüren mit dem Parisurteil (Reg.13), einem in der Cranach-Schule auch für Tafelbilder sehr beliebten Thema, mit Pyramus und Thisbe (Reg. 16) und mit David und Goliath (Reg. 18) ist in der un- teren Leiste eine Bildszene dargestellt, die sich in den Seitenleisten fortsetzt. Unkonsequenterweise dient dann als oberer Abschluß eine ornamentale oder architektonische Bekrönung des Schriftfeldes. Die »Lust zum Fabulieren«, die Freude am Illu- strativen hat bei den Menschen des Nordens von jeher das Gefühl für das rein Dekorative überwogen. Eine kurze Spanne Zeit werden die Sinne der deut- schen Künstler von dem Formenreichtum des Sü- dens geblendet; sie suchen das, was sie als Über- legenheit betrachten, auch für sich zu erringen, aber ihre eigene künstlerische Kraft bewahrt sie zum größten Teil davor, dem Fremden sklavisch zu un- terliegen. Nachdem einmal die Zierformen der Re- naissance zum Allgemeingut geworden sind, bleibt ihre Wiedergabe nicht Selbstzweck, sondern das Or- namentale wird dem Illustrativen untergeordnet. Das beste Beispiel hierfür ist der Entwicklungsgang des Hans Weiditz. Während sämtliche Titeleinfas- sungen seiner Augsburger Zeit rein dekorativen Cha- rakter tragen, hat er nach seiner Übersiedlung nach Straßburg fast nur noch »erzählende Titelblätter« geschaffen. Möglich, daß hierbei auch die andre Um- gebung und die anders gerichteten Wünsche der Auftraggeber eine gewisse Rolle gespielt haben. Auch Holbein hatte sich, wie wir gesehen haben, allmählich von seinen venezianischen Vorbildern im- mer weiter entfernt. Die Wiedergabe einer fortlau- fenden Handlung in einer Titelbordüre, wie es auf Holbeins »Cebestafel« (Reg. 57 bis 60) der Fall ist, wäre eine für Italien undenkbare Vorstellung. Die vier Leisten sind als einheitliches Bildfeld behandelt. Dargestellt ist der Weg des Menschen zur wahren

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Glückseligkeit nach einer dem antiken Philosophen Cebes zugeschriebenen Schilderung. Unten an der Mauerpforte vom »Genius« empfangen, schreitet er an den Mächten der Verführung »Suadela«, »Opi- niones« und »Fortuna« vorbei durch ein zweites Tor in das Reich der » Luxuria«, » Avaritia« und »Incon- tinentia«. Von hier geht's auf einem steinigen Pfad über » Tristitiac und »Dolor« zur » Penitentia«.»Falsa Disciplina« läßt er hinter sich, schreitet weiter berg- auf und wird von »Audacia« und »Fortitudo« über Felsblócke emporgezogen. »Veritas«, » Persuasio« und »Vera Disciplina« empfangen den gelüuterten Menschen am Eingang zum letzten Lebenskreis, und schlieBlich wird er in der Mitte oben von der »Feli- citas« gekrönt. Es existieren vier Fassungen dieses Titelblattes, deren Entstehungsfolge von Vögelin klargestellt worden ist. Zwei mit verhältnismäßig schinalen, getrennten Leisten sind in Metallschnitt ausgeführt, wührend die beiden andren aus einem ganzen Stock in Holz geschnitten sind. Am vollen- detsten ist die letzte Fassung: das Schriftfeld ist stark verkleinert, wodurch die Geschlossenheit der Komposition sehr gewinnt. Die Eingangspforte un- ten und die »Arx verae felicitatis« oben liegen in einer Achse; der auf dem ansteigenden Gelände der Seitenleisten sich emporschlängelnde Serpentinpfad stellt die Verbindung zwischen beiden her. Perspek- tivische Verkürzung ist im Interesse besserer Ver- deutlichung des komplizierten Inhaltes fast nicht an- gewendet. Die Figuren oben haben annähernd die gleiche Größe wie die unten.

Diese letzte Konsequenz ist in einigen Titelbor- düren des Hans Weiditz durchgeführt, so z. B. schon in seiner ersten Straßburger Arbeit von 1523, der Umrahmung mit der Bergpredigt Christi (Reg. 93): die Seitenleisten bilden Terrainerhöhungen, die vom Vordergrund der unteren Leiste zum Hintergrund in der oberen Leiste überleiten. Bei einer Bordüre von 1528 mit dem Kampf zwischen Amalek und Josua (Reg. 103) hat er den in die Seitenleisten auf- ragenden Lanzenwald der kämpfenden Heere in sehr geschickter Weise als Mittel zur Überbrückung des

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Oben und Unten benutzt. Dahinter türmen sich mächtige Felsen auf, hinter denen links die kleinen Fähnchen eines noch heranziehenden Heeres sicht- bar werden, während oben auf dem höchsten Gipfel (über dem Schriftfeld) Moses mit Hur und Aaron sitzt.

Dem erstgenannten Titelrahmen des H. Weiditz ähnelt im Aufbau eine Wittenberger Arbeit von 1525 (Reg. 14 und Abb. 33). In einer hochhorizontigen » Reiselandschaft« mit Bäumen, Felsen und Burgen befinden sich mehrere Gruppen von Pilgern, dievorn an einer Quelle trinken, von hier aus in die Ferne ziehen und winkend voneinander Abschied nehmen. O. Clemen hat zuerst erkannt, daß es sich um einen Auszug der Apostel handelt, der in verwandter Weise auch in der Tafelmalerei dargestellt ist, so auf einem Bild der Wolgemut-Werkstatt in der alten Pinakothek zu München (Abb. 34) und auf der Rück- seite eines Altarflügels von Hans Baldung in »St. Maria auf dem Kapitol« zu Köln. Besonders deut- lich ist der ikonographische und kompositionelle Zu- sammenhang zwischen dem Holzschnitt und dem Münchener Bilde, auf dem die Namen der einzelnen Apostel und ihre Reiseziele in die Heiligenscheine eingeschrieben sind. Der aus großen Felsblöcken be- stehende Brunnen unten rechts mit dem davor hockenden Johannes und der mit zurückgebeugtem Kopf aus seiner Flasche trinkende Petrus lassen zum mindesten auf eine gemeinsame Vorlage für Bild und Holzschnitt schließen. Die etwas andersartige Figu- renverteilung ist ja auch durch das in der Mitte befindliche Titelfeld bedingt. Die Bildwirkung wird je- doch durch diesen Ausschnitt keineswegs beeintrüch- tigt. Durch Überschneidung von Bäumen und Hügel- linien, die man sich hinter dem Schriftfeld weiter- gehend denkt, und durch das Kleinerwerden der Figuren im Hintergrunde bleibt die Illusion gewahrt.

So ist bei der Titelumrahmung, genau wie beim Titelholzschnitt, die Bedeutung des Schriftfeldes im- mer mehr hinter der bildlichen Ausschmückung zu- rückgetreten und ihr untergeordnet. Man hat an- scheinend vergessen, daß ja der eigentliche Zweck

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des Blattes der ist, einen Buchtitel wiederzugeben, daß man eine Fläche und keinen Bildraum künstle- risch zu gestalten hat. Während der Italiener einen ausgesprochenen Sinn für Zweidimensionalität be- sitzt, dies zeigt sich ebenso in seiner Fassadenge- staltung wie in seiner Ornamentik, sucht der Deut- sche stets die Fläche zu überwinden, er denkt immer dreidimensional. Wie weit man sich von dem eigent- lichen Zweck des Titelblattes entfernt hatte, be- weist auch die Tatsache, daß man die bildlichen Um- rahmungen für ganz beliebige Bücher ohne Rück- sicht auf eine Beziehung zwischen Bild und Buch- inhalt verwendete.

Seit dem Beginn des vierten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts läßt die Zierlust im deutschen Buche sehr nach. In Basel sind schon seit 1525 keine neuen Titelumrahmungen mehr angefertigt worden, in

Straßburg hört es etwa um 1530 auf. Man verwendet zwar die alten Bordüren zum Teil weiter, hie und da erscheinen auch mitunter noch neue Arbeiten, deren Zahl aber gegenüber der ungeheuren Produktion des zweiten und dritten Jahrzehnts verschwindend gering ist. Man bevorzugt jetzt den einfachen typo- graphischen Titel, der höchstens mit dem Signet oder einem andren kleinen Holzschnitt geschmückt ist. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts er- lebt der Holzschnitt noch einmal еше Spätbläte, namentlich durch Virgil Solis, Jost Amman und Tobias Stimmer, und dann wird das Titelblatt auch noch einmal zum Träger ornamentaler, figürlicher und szenischer Darstellungen. Die Rollwerk- und Kartuschendekoration dieser Spätzeit ist keine Wei- terbildung der Tendenzen von 1530, sondern beruht auf ganz andren stilistischen Voraussetzungen.

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Abb. 32 Anton Woensam: Titelumrahmung für P. Schöffer. Mainz 1521

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lichen / vnd der cera kirchen oro» nung / Auch von vid andern (then ein kurger guter vnterticht.

Abb. 33 Cranach-Schule: Titelholzschnitt mit Darstellung des Auszugs der Apostel Wittenberg 1525. Georg Rhaw

Abb. 34 Auszug der Apostel. Tafelbild der Wolgemut-Werkstatt in der Alten Pinakothek zu München

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Weimar = Landesbibliothek in Weimar.

Weisbach, W., Die Baseler Buchillustration. Straßburg 1896.

Wolff, H., Die Buchornamentik im 15. und 16. Jahrhundert in Deutschland. 2 Hefte. Leipzig 1912/13.

Woltmann, A., Hans Holbein und seine Zeit. 2 Bände. II. Aufl. 1874 und 1876.

ANMERKUNGEN

! Vgl. Münchener Archiv für Philologie des Mittelalters und der Renaissance, 8, II: Friedrich Wilhelm, zur Geschichte des Schrifttums in Deutschland bis zum Ausgang des 13. Jahr- hunderts. Der Urheber und sein Werk in der Öffentlichkeit S. 106 ff.

3 Vgl. Sachsenspiegel, У. 175ff.:

»Weme lib, weme leyt, sal diz bûch sin genant,

vrome unde sâlîcheyt, wem Sachsenrecht ist hie an bekannt ist hîr angewachsen. als in eyme spîgele die vrowen Spiegel der Sachsen sich beginnen schowen. «

* Vgl. den Beginn von Thomas Lirers Schwabenchronik (verf. im 12. Jahrhundert); gedruckt Ulm 1486, Conr. Dinckmuth (H. 10117):

»In Gottes namen Amen. In diser Cronick würdet durch verdrießlich vermeiden langer geschrifft zu lesen vn lieplich die kürtze zu hören begriffen gar vil mengerley schöner alter geschichten so vor mer dann tausend iaren geschehen zu den zeiten do die schwäbischen land vnd andere land Haiden ge-

wesen sind vnd durch wen sie zu cristenlichen glauben genot- drengt vnd gebracht seind worden.

Item des ersten wie ain kayser zu Rom ist gewesen der hat Kurio gehaissen . .

“Vgl. R. Kautzsch, Einleitende Erörterungen zu einer Ge- schichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter. Straßburg 1894, S. 74.

5 Vgl. W. Schubart, Das Buch bei den Griechen und Rómern. Berlin und Leipzig 1921, S. 98 ff. und S. 139.

6 Bei dem o. О. und J. erschienenen Druck »Albertus Magnus, De secretis mulierum et virorum« (Straßburg, etwa 1483, Heinrich Knoblochtzer, H. 558) ist Blatt 1 leer. Blatt 2a beginnt mit der Vorrede, die bis Blatt 2b Zeile 20 reicht. Zeile 21 ff. lautet:

Titulus. Incipiunt secreta mulierum et viror. ab Alberto Magno composita.

33

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG: DIE ANFANGE DES TITELBLATTES

Textus. D Ilecto sibi in cristo socio et... etc.

? Vgl. Folio-Druck von Joh. Froben, Basel 1522 (Leipzig U. B.)

Blatt 1a [mit Metallschnittumrahmung der Cebes-Tafel von Hans Holbein (Künstler-Register 59)].

Jo. Frobenius

Lectori S. D. En habes optime lector absolutissimi doctoris Aurelij Au- gustini opus absolutissimum de Ciuitate dei ... etc.

Blatt 1b: D. Erasmus Roterodamus Lectori S. D.

Blatt 2a: (Umrahmt von 4 Ornamentleisten Holbeins) Sere- nissimo Henrico, Huius N ominis octavo, Angliae, Fran- ciaeque regi, & Hiberniae domino Joannes Lodouicus Viues S.

Blatt 3a—6a: Joannis Lodovici vivis Valentini in suos Com- mentarios ad libros de ciuitate dei D. Aurelii Augustini praefatio.

Blatt 6b—10b: De veteribus interpretibus huius operis.

Blatt 11a: D. Aurelii Augustini in libros de Civitate Dei ex ipsius autoris retractionum lib. II argumentum.

Blatt 11b: Elenchus Capitulum Primi lib. de Civitate Dei ad Marcellinum.

Blatt12a: [Umrahmt von vier Leisten des Urs Graf (Butsch I, Tafel 39)]. D. Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi ad Marcellinum de civitate dei, contra Paganos, Liber primus.

* Im Deutschen Museum für Buch- und Schriftwesen in Leip- der Stadtrechte von Nürn-

ccce L xxIx fürgenommen.«

(Das ganze Werk erschien erst 1484 bei Anton Koberger im Druck.)

? Reformation der Stadt Nürnberg. Augsburg 1498, Joh. Schön- sperger. H. 13718, Schr. 5053. Gotha. Leipzig.

Blatt la: »Dis ist das re

formacion der stat N

der Darstellung in Blatt C). Dieses Blat

Blatt 1b: leer. Blatt Za 154. Register. Blatt 15b: leer.

Blatt 16a: Haupttitel ;

wischen die Wappen.

(Kopie nach Holzschnitt in der

dem Wolgemutschen

34

Kobergerschen Ausgabe von 1484 (Künstler-Register 104). Seitlich und unten 4 Ornamentleisten mit schwarzem Grund.

10 Vgl. Druck von Joh. Schóffer, Mainz 1519 (Leipzig Kl. II 74). Blatt 1a: Hoc in volumine haec continentur Virichi Hutteni equ. Super interfectione propinqui sui Joannis Hutteni Equ. Deploratio.

Ad Ludouichum Huttenum super interemptio ne filii consolatoria.

In Vlrichum Vuirtenpergensem orationes V. In eundem Dialogus, cui titulus Phalarismus. Apologia pro Phalarismo, & aliquot ad amicos epistolae.

Ad Franciscum Galliarum regem epistola ne causam Vuirtenpergen. tueatur exhortatoria.

Ad lectorem. Res est noua, res est atrox, & horrenda, dispeream nisi legisse uoles. Vale.

*! Vgl. Druck von Joh. Froben, Basel 1515 (Leipzig U. B.) Blatt 1a: Umrahmt von der Bordüre mit Narr und Satyr de Urs Graf (His 317. Butsch I, 38): In hoc opere contenta. Ludus L. Annaei Senecae, De morte Claudii Caesaris, nuper in Germania repertus cum scholiis Beati Rhenani.

Synesius Cyrenesis de laudibus Caluitii Joanne Phrea Britanno interprete, cum scholiis Beati Rhenani.

Erasmi Roterodami Могае Encomium cum commen: tariis Gerardi Listrii, trium linguarum periti. Apud Inclytam Germaniae Basileam.

12 Tnitiale P mit schreibendem Autor in Albertus Magnus, Seat ta mulierum und im Donatus (Schr. 3058) Straßburg, Hein- rich Knoblochtzer (facs. Schorb. & Spirg. Tefel 32 und à Magisterinitialen vgl. Schreiber & Heitz Anhang Nr. = Als eine der schönsten sei die große Initiale P des Blockbu : Donats Conr. Dinckmuts in Ulm erwähnt (Pr. 10, Bilder- schm. VI, 1).

Widmungsinitiale N im Ptolemaeus des Leonh. Holl, Ulm 1482 (Schr. 5031, Bilderschm. УП, 1.). d Initialen, die auf den Inhalt Bezug nehmen: Vgl. die B Günther Zainers (Schr. 3456): Die Vorrede des hl. Sege mus beginnt mit Initiale B, mit einer Darstellung des L Hieronymus und Paulus. Die Genesis beginnt mit Initiale mit einer Darstellung der Weltschöpfung. Die Ge Evangelien haben Initialen mit dem betreffenden Evang sten usw. (Abb. Bilderschm. II, 610ff.). Vgl. auch das Verzeichnis »Initiales remarquables in Schrei ber, Manuel Bd. V, S. 314.

13 Tn dem Exemplar des Sensenschmidt'schen Ba von 1475 (Schr. 4299), das sich im Leipziger Backen dem befindet (K1. II. 743) ist auf der ersten Textseite (hinter

№.

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES O DD IN

Register) an die kolorierte Holzschnittinitiale S seitlich und oben eine handgemalte Ranke angeschlossen. Das in Wei- mar befindliche Exemplar von Schedels Weltchronik hat auf dem ersten Blatt des Registers und bei der Vorrede eine handgemalte Ranke. Es sei darauf hingewiesen, daß sol- che Zutaten mitunter auch aus moderner Zeit stammen, jedoch zeigen die beiden angeführten Werke durchaus den Stil und das Kolorit des späten 15. Jahrhunderts. Für handgemalte Initialen in Druckwerken vgl. Burger, Monu- menta Tafel 122, 139, 184, 231, 278, 279, 294.

14 Vgl. das in der Landesbibliothek Weimar befindliche Ex- emplar, der von Hans Lufft in Wittenberg 1547 gedruckten Kurfürsten-Bibel:

Blatt 1a: Umrahmung mit den 14 kursächsichen Wappen. Die Wappen sind koloriert auf weiBem Grund. Das Schrift- feld (mit Titel in Schwarz- und Rotdruck) ist gelb grun- diert. Außen herum ist noch eine Blattranke gemalt, und unten in der Mitte ein Schild mit einer Art Hausmarke (vielleicht der Werkstatt des Miniators?), wovon jedoch nur noch schwache Spuren vorhanden.

Blatt 1b: Handgemaltes groBes kursüchsisches Wappen.

Eingeklebtes Blatt: GroBes handgemaltes Wappen mit ei- nem Schwan (Exlibris der Familie von Schwarzenberg?) im Stil der Mitte des 16. Jahrhunderts.

Blatt 2a: Holzschnitt mit Bildnis des Kurfürsten Joh. Friedrich, mit Deckfarben koloriert. Ringsherum eine Bordüre gemalt, ähnlich der obigen. Sämtliche übrigen Holzschnitte sind mit Deckfarben koloriert.

15 Facs. Voullieme, Die deutschen Drucker des 15. Jahrhunderts II. Auflage, Tafel V, S. 128/9.

16 Vgl. E. Weil, Der Ulmer Holzschnitt im 15. Jahrhundert. Berlin 1923. S. 24 ff.

17—31 Ornamente vom » Meister des Ulmer Boccaccio a.

17 »Albertus-Magnus-Ranke«. Zweischenklige Ranke mit Win- den- und Akeleiblüten ohne sonstigen Schmuck. Abb. Bil- derschm. V, 4. Angewendet in: Albertus Magnus, De myste- rio missae. Ulm 29. V. 1473. Joh. Zainer. H. 449 (fehlt bei Schr.) Leipzig U.B. Ferner in den Drucken H. 456 und 429.

18 „Griseldis- Ranke.« Zweischenklige Ranke mit dem Wappen von Ulm (oben) und Wappen Johann Zainers (links), Abb. Bilderschmuck V, 3 und 5. Angewendet in: Petrarca, Grisel- dis. Ulm 1473 Joh. Zainer. H. 12814. Fehlt bei Schr. Berlin Pr. St. B. Ferner in folgenden Drucken: H. 15054, Proct. 2514, Cop. 4715. (Schr. 4914.)

» Narrenrankes (für Folio). Zweischenklige Ornamentranke mit Winden- und Akeleiblüten, die durch einen knienden Narren zusammengehalten wird. Abb. Bilderschm. V, 99. Angewendet in: Durandus, Rationale. Ulm 3. XII. 1473, Zainer. Blatt 3a (hinter dem Register beim Textbeginn). H. 6474. Fehlt bei Schr. Leipzig Kl. II 697 (Kolor.) Ferner in folgenden Drucken: H. 2794, 891, 6475, 16133.

°°» Gelehrtenranke.« Ähnlich der vorigen, statt des Narren ein kniender Gelehrter. Abb. Bilderschm. V, 100. Angewendet in: Deutscher Almanach für 1474, Ulm, Zainer H. 3149. Schr. 9727. Desgl. für 1475 (fehlt bei H. und Schr.) Berlin,

35

Pr. St. В. Ferner in folgenden Drucken: H. 8063/64, Cop. 5387.

11 Boccaccio, Von etlichen frowen. Ulm o. J. Zainer. H. 3333,

Schr. 3506, Leipzig Kl. II. 698.

Blatt 1a—5b Register.

Blatt 6a—8b Widmungsvorrede Steinhöwels an die Herzogin Eleonore von Österreich, beginnend mit Initiale D und Randornament. Abb. Bilderschm. V, 97.

Blatt 9a Beginn des ersten Kapitels über Eva mit Initiale S

als Schlange und Bordüre mit Adam und Eva. Abb. Bilder- schm. V, 15. Die letztere Bordüre ist wiederholt in der anderen deut- schen Ausgabe o. J. H. 3334, Schr. 3507. Berlin K. K. und in der lateinischen, 1473 datierten Ausgabe »De mulieribus claris« Н. 3329, Schr. 3510, Leipzig U. B.

22 Vgl. К. Schorbach und M. Spirgatis, Heinrich Knoblochtzer. Straßburg 1888.

23_86 Ornamente Knoblochtsers.

23 Zweischenklige Ranke mit Blumen und Vögeln für Folio facs. Schorb. & Spirg. Tafel 15. Angewendet in: Jacobus de Theramo, Belial (II. Auflage) Blatt la, 1478. Schr. 4283. Ferner in folgenden Drucken: Schr. 4915, 4286, 4274, 3017, 4629, 4632, 3182.

24 Vier Ornamentleisten mit Blumen und Vögeln. Unten rechts ein Jüngling in Grütschstellung. facs. Schorb. & Spirg. Tafel 25. Angewendet in: Petrarca, Griseldis (II. Auflage). Blatt la, 1482. Schr. 4917. Ferner im Äsop Blatt 1b, Schr. 3021.— 1485 bis 1489 im Besitze Ludwigsvon Renchen in Köln. Angewendet in den Drucken Schr. 4321 (Teil 1), Schr. 4983. Abb. Bilderschm. VIII, 544, 692, 694. Seit 1489 bei Joh. Koelhoff d. A. in Köln. Angewendet in Schr. 3039 und 5228. Abb. Bilderschm. VIII, 101.

25 Vier Ornamentleisten. facs. Schorb. & Spirg. Tafel 45. Ange- wendet in Schr. 4958, 3307, 3308, 3021. Seit 1485 bei Ludw. von Renchen in Köln (Schr. 4321, Teil II. Bilderschm. VIII, 620).

26 Vier Ornamentleisten für Quart. facs. Schorb. & Spirg. Tafel 56, СЯ. 1917/947, Voullieme, Drucker S. 151. Angewendet in Schr. 5179, Schr. 4418.

27 Drei Ornamentleisten (eine Längs- und zwei Querleisten, von diesen eine in doppelter Breite). facs. Gft. 1922/1312. Bur- ger Tafel97. Angewendet in: Plenarium. Urach 1481, Conr. Fyner. Schr. 4953. Berlin Pr. St. B. Blatt Ila. Ferner in: Schr. 4304 und H. 7652.

28 Zwei Ornamentleisten. facs. Gft. 1922/1299. Angewendet in: Büchlein der Erwühlung Maximilians. Stuttgart 1486 o. Dr. H. 10929 Schr. 4597. Blatt 2a.

29 Schr. 3465/66. Leipzig Kl. II. 342. Abb. Bilderschm. VIII, 357, 358, 464, 473 und Burger Tafel 246 (bei Burger die im Bilderschmuck fehlende zweite untere Leiste mit zwei Wald- menschen als Wappenhalter). Die Ornamentleisten sind teil- weise wieder verwendet in den Drucken Schr. 3386, 5342,

3812.

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Vgl. R. Kautzsch, Die Holzschnitte der Kölner Bibel von

1479. Straßburg 1896.

21 Cop. 3991. Pr. 8092. Leipzig St. B. Abb. Claudin, Histoire de

l'imprimerie en France I, S. 460 ff.

22 Vgl. Voulliéme, Die deutschen Drucker des 15. Jahrhunderts.

II. Auflage. Berlin 1922. S. 95. 33 Abb. Claudin I, S. 466/7.

* Friedrich Riederer, Spiegel der Rhetorik. Freiburg i/Br. 1493. H. 13914. Schr. 5096. Leipzig EL III, 315.

dem Signet Riederers. Vielleicht vom jungen Dürer gezeich-

net. Vgl. E. Baumeister, in Monatsh. f. Kunstwiss, VII, 1914. H. 9. mit Abb.

Blatt 1b: Ganzseitiger Holzschnitt 207 : 146. Vor einem thronenden Konig steht die Rhetorik mit einem strahlen- den Spiegel, umgeben von mehreren Männern. Oben Ast- werk-Arkade. Von anderer Hand wie das Titelblatt. Sign.

36 H. 73. Schr. 3001. Abb. Bilderschm. I, 2. 3 H. 9868. Schr. 4465. Abb. Bilderschm. IT, 233.

Augsburg 1475, Joh. Bümler. H. 4041. Schr. 3778. Abb, Bilderschm. III, 453 ff.

38 Augsburg 1478 Anton Sorg. H. 14582. Schr. 5225. Abb. Bilderschm. IV 389—398.

im Gesamtkatalog der Wiegendrucke der Preuß. Kommission, Band 1, Leipzig 1925.

*? Vgl. Weil, Der Ulmer Holzschnitt Kap. II. *! H. 4010. Schr. 3638. Leipzig К]. II, 980. 48 Vgl. Palatino, Libro nel qual s'ins

Abbildungsprobe bej P. Jessen, Berlin 1923, $. 72.

“3 Jacobus Philippus Bergomensis, De claris mulieribus, Fer. rara 1497. Rossi. H. 2813. Leipzig U. B.

egna a scrivere. Rom 1548. Meister der Schreibkunst.

die MCCCCLXXX XIII bezeichnet ist,

“N ürnberg, Peter Wagner. КІ. II, 762,

45 Erfurt, Stadtbibliothek.

46 Thucidides 1533, Herodo

t 1535, Ciceros Rhetorik 1535, Ci. ceros Paradoxa 1538, X

enophon 1540, Demosthenes 1543 *? Vgl. R. Bammes, Der Titelsatz. II. Auflage.

18 Vgl. P. Lehmann, Figurale Schriftflächen. Zei kunde 1. 1924. H. 2

кы Leipzig К]. II, 655.

Leipzig 1918. tschr. f. Buch.

etustatis fragmenta in Au-

gusta vindelicorum et eius diocesi. « Augsburg 1508. Erhard

Ratdolt (Leipzig U, B.).

36

»Inscriptiones vetustae Roman. et earum Fragmenta in Augusta vindelicorum et eius diocesi. Cura et diligencia Chuonradi Peutinger Augustani iurisconsulti antea impressae nunc denuo revisae, castigatae simul et auctae. « Mainz 1520, Joh. Schöffer, Leipzig U. B.

Petrus Apanius, Inscriptiones sacrosanctae vetustatis, In- golstadt 1534. (Erfurt St. B.)

51 Leipzig Kl. II, 72. Weimar.

53 Vgl. Dehio, Zur Geschichte der Buchstabenreform in der Renaissance. Керегі, f. Kunstwiss. Band IV. 1880.

53 Leipzig etwa 1495. M. Landsberg. H. 11633. Schr. 4814. Leipzig U. B.

H. 3743. Schr. 5562. Weimar.

55 Schreiber & Heitz, Die deutschen Accipies-Holzschnitte Nr. 58 mit Abb.

56 Abb. Lutherfestschrift 183.

57 VerfaBt von Aloysius von Cadamosto, deutsch von Jobst Ruchamer. Leipzig U. B.

** Vgl. К. E. Meier, Fortleben der religiös-dogmatischen Kom- Positionen Cranachs in der Kunst des Protestantismus. Re- pert. f. Kunstwiss. Band 32, 1909, S. 415.

R. Foerster, Die Bildnisse von Joh. Heß und Cranachs Ce- setz und Gnade«. Schlesiens Vorzeit, Band V. 1909.

59 Abb. Foerster a. а. O., S. 126 und 127.

89—73 Titelholsschnitte mit »Sündenfall und Erlósung«.

°° Prager Typus. Oktay. 124 : 85. Schriftf. 68 : 54. Angewen- det zu: Die Propheten alle deudsch D. Mar. Lut. (Erfurt) 1532, Melchior Sachse. Pietsch, S. 515, Nr. 158.

en Prager Typus. Folio 275 : 197. Schriftf. 99 : 70. к Altdorfer. Pass. ТУ. 46. Dodgson II. 553. Abb. Schal et, Tafel 62. Angewendet zu: De Biblie vth der ee Doctoris Martini Luthers (ins Niederdeutsche on von Joh. Bugenhagen). Lübeck 1533. L. Dietz. Leipzig. KI. I. 892. Weimar. Berlin K. K. (Wiederholt als Titelblatt sum Neuen Testament.)

*? Kopie nach Erhard Altdorfer von Hans Brosamer. Prager Typus. Folio. 250 : 168. Schriftf. 99 : 70. Angewendet ы (Luther-Bugenhagen) Biblia dat ys de gantze hillige nn Magdeburg 1536. Michael Lotter. Leipzig U. B. Seit 1 bei Joh. Gymnicus in Köln: Georg Wicelius, Homiliae ortho- doxae, Postill- oder Predigtbuch. Leipzig Kl. II, 377.

** Gothaer Typus. Quart. 156 : 107. Schriftf. 87 : 66. Dodgson 11,415,6 Abb. Luther Tafel 52. Angewendet zu: Melanchthon, Loci communes, das ist die fürnemesten Artikel christlier Lehre. (Witt. 1536) Georg Rhaw. Ferner: mn Prophetam Commentarium Johannis Bugenhagii, Witten berg 1546 P. Seitz. Leipzig U. B.

** Gothaer Typus. Quart. 158 :111. Schriftf. 80 : 60. we Luther Tafel 53, Angewendet zu: Der Spruch S. Pauli G i (Christus hat sich selbs für vnser Sünde geben, das er = errettetvondieser gegenwärtigen argenWelt). Allen pons vnd engstigen gewissen heilsam vnd tróstlich durch D. M B Luther ausgelegt. Wittenberg 1538 H. Weiß. Leipzig U. B-

66 Gothaer Typus. Folio von Lukas Cranach dem Jüngeren.

300:206. Schriftf. 155: 116. Abb. Lutherfestschrift 502. An- gewendet zu: Bibel (hochdeutsche Ausgabe) Wittenberg 1541. Hans Lufft. (Als Haupttitel und zu den Propheten.) Pietsch S. 637 Nr. 69. Weimar

Bibel. Witt. 1544. H. Lufft. Pietsch, S. 675, Nr. 79. Leipzig U. B.

Bibel. Witt. 1556. Н. Lufft. Leipzig КІ. III, 1166.

66 Desgl. Größe 250 : 157. Schriftf. 121 : 77. Angewendet zu: Bibel (Niederdeutsche Ausgabe) Witt. 1541. H. Lufft. Leipzig Kl. III, 1156.

Bibel (hochdeutsch) Witt. 1543. H. Lufft. Pietsch, S. 657. Nr. 74.

Album civium Academiae Regiomontanae anno Christi ho- minis MDXLIIII primum institutum. (Älteste Matrikel der Universität Königsberg.)

67 Desgl. Größe 270 : 155. Schriftf. 149 : 78. Angewendet zu: Bibel. Leipzig 1541/42 Nic. Wolrab. Pietsch, 643, 215 (als Titelblatt der Propheten). Leipzig U. B.

Bibel. Leipzig 1543. Wolrab. Pietsch 664 Nr. 225 (Wolfen- büttel).

Sacrae Scripturae et divinarum Litterarum Byblia Vniversa. (Titelbl. des N. T.) Leipzig 1543/44. Wolrab (Wolfenbüttel).

68 Prager Typus. Oktav. Kopie nach 60. Angewendet zu: Luther, Das Newe Testament. Leipzig 1542. Nic. Wolrab. Pietsch, S. 655. Nr. 219.

89 Gothaer Typus. Verkleinerte Kopie nach 65. Größe 122 : 83. Schriftf. 64 : 41. Abb. Lutherfestschr. 547. Angewendet zu: l. Loci Theologici recens recogniti. Autore Philip. Melan- chthone(!). Witt. 1543/44 P. Seitz. Berlin Pr. St. B. 2. Das newe Testament auffs new zugericht. Witt. 1544. Hans Lufft.

70 Prager Typus. Folio. 250 : 160, Schriftf. 118 : 72. (Kopie nach 60.) Angewendet zu: Auslegung der Episteln und Evangelien durchs gantze jar D. Mart. Luthers Auffs new corrigiert. Leipzig 1544. Wolrab. (Berlin Pr. St. B.)

71 Prager Typus. Kopie nach 61. Vier Leisten 243 : 158, Schriftf. 120:77. Angewendet zu: De Bibel in duyts voortijts by Jacob Liesveldt wtgegaen 1569. (Gotha, Landesbibl.)

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

78 Gothaer Typus. 177 : 144. Schriftf. 66 breit, oben rund. An- gewendet zu: Biblia Toi est ksie gi starego y nowego przy- mierza z nowu ziezyka Ebreyskiego Grecskiego y Lacinstiego na Polski przelone (übersetzt durch Simon Budni). Saslow (Littauen) 1572. (Gotha.)

73 Vgl. Lisch im Jahrb. f. Mecklenb. Gesch. und Altertumskunde XXI, 1856, S. 298.

74 Jetzt im Kupferstichkabinett in Dresden. Abb. K. Woer- mann, Handzeichnungen alter Meister im K. K. Dresden. München 1896. Mappe II, 20.

75 Abb. Butsch II, Tafel 81.

76 Vgl. Paul Kristeller in den Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst (Beilage zu den »Graphischen Kün- stena) 1908.

77 Abb. Titels en Portretten gesneden naar P. P. Rubens hrsg. v. M. Rooses. Antwerpen 1877.

78 Vgl. L. Baer, Bernhard Maler von Augsburg und die Bücher- ornamentik der italienischen Frührenaissance. Monatshefte f. Kunstwiss. II. 1909. 5. 46.

79 Joh. Regiomontanus, Calendarium lat. Venedig 1476. E. Ratdolt, Н. 13776. Leipzig Kl. 1902/5. Dasselbe italienisch 1476. H. 13789. Abb. des Titelblattes EBling I, S. 241. Dasselbe deutsch 1478. H. 13786. Schr. 4370. Berlin K. G. M. Abb. des Titelbl. Gft. 1913/565 und Voulliéme, Drucker. II. Auflage. S. 565.

80 Vgl. Prince d'Essling, Les livres à figures vénitiens. 3 Bünde. Florenz 1907—1909.

81 Michael Furter. Schr. 4522. München B. St. B.

82 Butsch 1/39 und 40. Vorlage: EBling II, 1, S. 421.

83 Vgl. Vögelin im Repert. f. Kunstwiss. X, 1887 (Holbein-Auf- satz).

84 Vgl. Schmarsow, Das Eindringen der Grotesken in die De- koration der italienischen Frührenaissance. Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen II. 1881.

85 Vgl. V. Scherer, Die Ornamentik bei A. Dürer. StraBburg 1902.

REGISTER DER IM TEXT ERWAHNTEN TITELBLATTER VON BEKANNTEN KÜNSTLERN

Altdorfer, Erhard. Vgl. Text, 5. 20 und 23ff. und Anmerkung 61.

Baldung, Hans.

Literatur: Eisenmann in Meyers Künstlerlexikon Band II, 1878. Rosenberg, Skizzenbuch Baldungs. 1889. Curjel, Hans Baldung Grien. München 1923.

Vorbemerkung:

31

Die unter Nr. 1 bis 3 angeführten Titeleinfassungen gehen seit Passavant auch heute noch in der buchgewerblichen Literatur fälschlicherweise unter dem Namen Wechtlin. Schon Kristeller wies in seiner »Straßburger Bücherillustration« 1888 auf die enge Beziehung zu Baldung hin. Röttinger bezeichnete sie in seinem Wechtlin-Aufsatz 1907 »als sichere Werke Baldungs«, und neuerdings hat sie Curjel endgültig in das Oeuvre Baldungs

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

gibt Röttinger die erste Zweifel unterliegen, stammt wie die Bordüre 1. Seltsamerweise führt aber Röt-

Kompositionsschema auf die Bordüre 3 zurück. Die Modellierung der vier Pfosten, die Strichführung bei der Zeichnung der Tiere und Putten stimmt vollkommen mit den übrigen Arbeiten Baldungs überein. Die letzte Tiergartenbordüre, die etwa 7—10 Jahre nach der zweiten entstanden und in der Zeichnung entsprechend fort- geschrittener ist, verrät ebenso deutlich die Hand Baldungs

und ist wohl geradezu eine Vorstudie seiner » Pferde im Walde« von 1534 (B. 56—58) zu nennen

Für verschiedene Umrahmungen kann ich noch frühere Ab- drucke nachweisen wie Curjel.

1 Astwerkrahmen. Ein Stock. 137 : 96. Schrf. 71 : 46. Beider- seits je ein Baum mit zwei wilden Männern und zwei Putti.

* Astwerkrahmen. Ein Stock. 244 : 182. Schrf. oben rund.

Beiderseits je ein Baum, die sich oben v

erschlingen, mit Weinlaub, Putten und Affen. Curjel IV, Abb. Butsch I, 70. tini historiae convivales dis- criptivae. Strafburg 11. II. 1510, Joh. Knoblouch (Weimar).

Répertoire IV,

* Astwerkrahmen. Ein Stock. 228 : 142. Schrftf. oben rund. Beiderseits je zwei Baumstämme, die sich oben verschlingen.

Curjel VIII. Abb. Butsch I, 67. Angewendet in: Lectura aurea domini Abbatis antiqui sup i

lium, Straßburg 1510. Joh. Scho Drucken: Schmidt ТУ, Х, 6; IT, 66 u. a.

$ Säulenumrahmung, 213 : 145. Schriftf. 90 breit, oben rund.

Bären spielend. Bish Fulgentii opera, II. Teil Dei Theologi Antiqui. Hagenau 1520 Koberger (Leipzig U. B.) 5 Tiergartenbordüre I. Ein Stock. 139 : 1

derseits je ein Baum, die sich oben verschlingen. Unten Tier- garten. Abb. Heitz-Barac

x Tiergartenbordüre II. Ein Stock. 168 : 116. Schriftf. 15 : 58. In einer Waldlandschaft eine offene Laube, an deren Rück.

38

mJ ornandes,

wand sich das Schriftfeld befindet. Zwischen den vier Pfosten lagern zahlreiche Tiere. Unten Signet R. Becks. Abb. Heits. Barack XIV, 1 und Pflugk-Harttung Tafel 51 (falschlich als Wittenberger Druck). Angewendet in: Vocabularius gemma gemmarum, Straßburg, R. Beck Titel 1515, Kolophon 1514 (Leipzig U. B.).

* Tiergartenbordüre III. Ein Stock. 170 : 118. Schrf. 80 : 68, Vor einem Waldhintergrund zahlreiche Tiere, seitlich be grenzt durch zwei kahle Baumstämme, die oben durch ein Feston verbunden sind. Daran hängt das Schriftfeld. Unten Signet Joh. Schott. Dommer 150. Abb. Heitz-Bar. Y, 10 Angewendet in: XIII. Predig D. Martin Luthers. Newlich vszgegange Anno XXIII. o. O. u. Dr. (Hamburg). Hans v. Gersdorff, Feldbuch der Wundartzney Bl. 6b. Straßburg 1526, Joh. Schott (Gotha).

* Vier Leisten mit horizontal schraffiertem Grund. 137 : 9. 1. Feston. 2. Vier nackte Knaben, von denen sich die beiden mittleren balgen. 3. und 4. Trophäengehänge. Curjel XXL Abb. Wolff, Bücherornamentik I, S. 21 und Pflugk-Hart tung 80. Angewendet in: Joh. Lupus, De libertate ecclesi» astica. Straßburg 3. II. 1511. Joh. Schott. Bl. la Leiste 1-4 mit roter Tonplatte überdruckt (Erfart, Inc. 248).

Die Leisten kommen zusammen und getrennt noch in vielen Drucken Schotts vor.

? Johannes- Bordüre. 167 : 114. Schrf. 75 : 63. Ein Stock. Car- jel XIV. Abb. Butsch I, 71. Schriftfeld etwas in die obere rechte Ecke gerückt. Links sitzt der Evangelist Johannes schreibend, rechts erscheint die Madonne auf der Mondsichel. Die rechte obere Ecke ist durch Grotesken ausgefüllt. An- gewendet in: P. Terentius Poeta Comicus in sua metra restitutus. Straßburg, 14. III. 1513. Joh. Knoblouch und öfter. Schlechte gegenseitige Kopie Erfurt 1518 Matthes Maler. Abb. Luther Tafel 81. Pflugk-Harttung Tafel 32.

10 Maximilians- Bordüre. Vier Stöcke. 238 : 167. Schr. 132 : 6 Pass. 81. Curjel XII. Abb. Curjel, S. 66. Unten Maximilian in einem Säulenhof thronend. Seitlich und oben een ornamente. Angewendet in: Joh. Gerson, Opera. Teil Ш. Straßburg 1514. Knoblouch und öfter.

Burgkmair, Hans, der Ältere. 11 Dyalogus Johannis Stamler de diversarum gencium sectis

Та ndi religionibus. Augsburg 1508 Oeglin & Nadler. Titelholzschnitt 272: 176. Abb. Butsch I, 19. Vor geg Zelt sitzt die Ecclesia. Neben ihr knien Kaiser und Papst E einem Treppenabsatz. Etwas tiefer sitzen beiderseits je zwei Vertreterinnen der nichtchristlichen Religionen mit zer brochenen Fahnen. Ander Vorderseite des a fließt der »Fons vere sapienciex. Davor sitzt »Doctor uerius a, im Halbkreis umgeben von 5 »Disputatores«.

De rebus Gothorum & Paulus Diaconus, " gestis Langobardorum, Augsburg 1515. Joh. Miller. к КІ. П. 569.) Titelholzschnitt 252 : 166. Abb. Betsch I, : In einer Zimmerecke sitzen »Albuinus rex« und erer Cus rex «. Von der Decke hängt ein geschweifter Schild herab, der als Schriftfeld für den Titel dient.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Cranach-Schule.

13 Umrahmung ти Parisurteil. Witt. seit 1524 J. Klug. Ein Stock. 170 : 120. Schrf. 78 : 59. Pass. 117. Luth. Tafel 44. Links ein Brunnen, davor der schlafende Paris. Rechts davor der bärtige Merkur und die drei nackten Göttinnen. Auf demSchriftfeld ein Achitrav mit Tonnenbogen. Darin Simson mit dem Löwen. Angewendet in: Luther, Eyn Schrecklich geschicht vnd gericht Gotes vber Thomas Müntzer. o. O. und J. (Leipzig U. B.).

М Auszug der Apostel in einer Gebirgslandschaft. 167: 125 Schriftfeld, in der Mitte herausgeschnitten. 76: 60. Dodgson II, S. 331 Nr. 28 (als Hans Cranach) Vgl. O. Clemen in Zeit- schr. f. Bücherfr. N. F. XIII, 1921, S. 67. Abb. Luther Tafel 27. Angewendet zu: Luther, Das Benedictus odder weyBagung des heyligen Zacharie. Witt. 1525. С. Rhaw. (Leipzig U. B.) und öfter.

15 Hirschbordüre. Ein Stock. 171 : 120. Schrf. 77 : 59. Dodg- son II, 325, 9. Abb. Luther Tafel 17, Butsch I, 93. Unten drei stehende Hirsche und ein Maultier in einer Landschaft. In den oberen Ecken eine männliche und eine weibliche Halbfigur mit je zwei Drachenleibern. Angewendet in: Luther, Eyn Sermon von stercke vnd zunemen des glaubens vnd der liebe. Aus der Epistel S. Pauli zun Ephesern. Witt. 1526 (M. Lother).

16 Umrahmung mit Pyramus und Thisbe. Witt. seit 1526 Georg Rhaw. Abb. Luther Tafel 28. Weite Landschaft, in die das Schriftfeld in Form einer großen Tafel mit Ornamentbekrö- nung mitten hinein gestellt ist. Vorn liegt Pyramus, daneben stürzt sich Thisbe ins Schwert. Im Hintergrund der Löwe, rechts erscheint Thisbe noch einmal.

17 Umrahmung mit Enthauptung des Johannes. Witt. seit 1530 N. Schirlentz. Vier Leisten 160 : 117. Schriftf. 88 : 68. Schu- chardt II, 5. 294, 144. Pass. IV, 24, 121. Dodgson II, 415,4. Abb. Luther Tafel 25. Pflugk-Harttung 98. Links Salome mit demHaupt des Johannes, rechts der Henker mit demLeichnam. Oben Gastmahl des Herodes, unten promenierende Paare. Angewendet zu: Luther, Verantwortung der auffgelegten Aufruhr. Witt. 1533 (Leipzig U. B.).

Umrahmung mit David und Goliath. Witt. seit 1532, G. Rhaw.

Ein Stock. 160 : 110. Schr. 70: 62. Dodgson II, 343,14. Abb. Luther Tafel 30. Einheitliche Landschaft. Vorn steht David auf dem toten Goliath. Im Mittelgrund heraufziehende Krie- ger. Links ein Felsen mit Burg, rechts eine Stadt. Schrift- feld mit einem Giebeldreieck bekrönt. Angewendet zu: Der Vier vnd dreißigst Psalm ausgelegt durch Casparn Ade- ler. Witt. 1533. G. Rhaw.

!* Umrahmung mit dem guten Hirten. Ein Stock. 162 : 115. Schrf. 61 : 47. Dodgson 415,5. Abb. Luther Tafel 38. An den vier Ecken des nach oben gerückten Schriftfeldes die Wap- pen der vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Justus Jonas und Joh. Bugenhagen. Dazwischen Ornamente. Unten inmitten einer bergigen Landschaft das Wappen des Caspar Cruciger. Zwischen diesem und dem unteren Rand des Schriftfeldes die Halbfigur Christi mit einem Lamm auf den Schultern. Angewendet in: Eine Predigt Vom verloren Schaf. Luce XV. D. Mart. Luther. Witt. 1533. H. Lufft (Weimar).

Cranach, Hans. Literatur:

E. Flechsig, Cranachstudien I. Leipzig 1900.

O. Clemen, Zu Hans Cranach, Zeitschr. f. Buchkunde I. 1924, S. 36.

Vorbemerkung:

E. Flechsig hat in seinen »Cranachstudien« den Nachweis zu erbringen gesucht, daß der Meister, der im folgenden aufge- führten Wittenberger Titeleinfassungen Cranachs jüngster Sohn Hans sei. Sein Hauptargument ist dies, daB zwei Arbeiten dieses Meisters (Holzschnittportrüts Christians II.) mit der geflügelten Schlange signiert sind. Die Anbringung dieses Werk- stattzeichens beweist jedoch nichts. Von verschiedenen Seiten ist deshalb auch die Hypothese Flechsigs angegriffen worden, zuletzt von O. Clemen. Trotzdem soll hier für diesen unbekann- ten Wittenberger Künstler in Ermangelung der Kenntnis seines wirklichen Namens »Hans Cranach « als Deckname beibehalten werden, wie es auch in Dodgsons »Catalogue« geschehen ist.

?9 Umrahmung mit der kastalischen Quelle. Ein Stock. WeiBer Grund. 180 : 125. Flechsig, S. 221. Dommer 89. Dodgs. 327,2. Abb. Luther Tafel 19, Pfl.-H. 36. Unten Landschaft mit einer Quelle und bekrünzten Personen. Seitlich und oben Astwerk mit musizierenden Halbfiguren in Blumenkelchen. Angewendet in: Luther, Eyn Sermon von dem sacrament der puß. Leipzig 1519 Melchior Lotter (Hamburg) und öfter.

22 Umrahmung mit musizierenden Engeln und hl. Familie. Ein Stock. Weißer Grund. 183 :127. Schr. 125 : 88. Flechsig, S. 221. Dommer 90. Dodgs. 327,1. Abb. Butsch 1,88, Luther Tafel 16, Pflugk-Harttung 40. Unten Mitte fünf musizierende Engel, links heilige Familie, rechts hl. Elisabeth mit dem kleinen Johannes. Seitlich und oben in Ästen und Ranken kleine Engel. Angewendet: Oratio Joannis Langii Lembergii. Leipzig 27. VII. 1519. Lotter. Von der freyheyt eynes Christenmenschen. Martinus Luther Czu Vuittenberg. Im XX. iar. 0. O. u. Dr. (Witt. M. Lotter d. J.) Hamburg.

22 Umrahmung mit musizierenden Engeln auf Blumenranken. Ein Stock in vier Leisten zerschnitten. WeißerGrund.158:117. Schrf. 114: 75. Flechsig 8. Dommer 69 A. Dodgs. II, 325, 7. Abb. Luther Tafel 4. Oben kursächsisches, unten Witten- berger Wappen. Angewendet in: Auszlegung der hundert vnd neundten psalmen. ... Doctoris Martini Luther. Witt. 1520, Joh. Grunenberg (Hamburg).

23 Umrahmung mit Buchpresse und verschiedenen emblemati- schen Tierszenen. Ein Stock. Weißer Grund. 163 : 122. Schrf. 84 : 61. Flechsig 10. Dommer 71. Dodgson 324, 1. Abb. Luther Tafel 5, Butsch 1,89. Angewendet in: Biblia noua Aluedesis. Witt. 1520, Joh. Grunenberg (Leipzig U. B.) und öfter.

24 Umrahmung mit Einsiedler und Trinker. Ein Stock in vier Leisten zerschnitten. Weißer Grund. Schrf. 115: 72. Flechsig 5, Dommer 70A. Dodgson 325,5. Abb. Luther Tafel 3. Pflugk-Harttung 48. Angewendet in: Von der Freyheyt eynisz Christenmenschen. Martinus Luther. Vuittenbergae. Anno Domini 1520 o. Dr. (Joh. Grunenberg) Dresden, Lan- desbibliothek.

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÁNGE DES TITELBLATTES

25 Ornamentrahmen. Ein Stock. Weißer Grund. Schrf. 120 : 80. Flechsig 3. Dommer 91. Dodgs. 328,5. Abb. Luther Tafel 20. Pflugk-Harttung 47. Angewendet in: Sermo Martini Lutheri de praeparatione ad moriendum. Leipzig 1520. Melchior Lot-

ter. (Hamburg).

*5 Umrahmung mit Klausner und Nonne. Ein Stock. WeiBer Grund. 169 : 117. Schrf. 71 breit, oben rund. Flechsig 1. Dommer 77. Dodgs. 327,3. Abb. Luther Tafel10, Butsch 1,90, Pflugk-Harttung 58. Angewendet in: Appellatio D. Martini Lutheri ad Concilium a Leone Decimo, denuo repetita et innouata. Witt. o. Dr. u. J. (1520, Melchior Lotter).

2? Ornamentrahmen mit Wittenberger Wappen und Signet Lotters. Ein Stock. Schwarzer Grund. 174 : 121. Flechsig 6. Dommer 15А. Dodgs. 328,7. Abb. Luther Tafel 11. Pflugk-Harttung 49. Angewendet in: De captivitate Babylonica ecclesiae Prae- ludium Martini Lutheri (Urdruck) o. O. п. J. (Wittenberg 1520, M. Lotter) Leipzig St. B. An den Christlichenn Adel deutscher Nation: von des Christlichen standes besserung: D. Martinus Luther. Durch yhn selbs gemehret vnd corrigirt. Vuittenberg. o. Dr. u. J. (1520 Melchior Lotter). (2. Original- ausgabe. Die erste Ausgabe erschien im selben Jahr ohne Titeleinfassung.)

*8 Umrahmung mis Schalmeibläser, Trinker und Betrunkenem. Ein Stock. Schwarzer Grund. 179 : 122. Schrf. 109 : 69. Flechsig 7. Dommer 76. Abb. Luther Tafe] 12, Butsch I, 92, Pflugk-Harttung 76. Angewendetin: Vonden gutenWercken.

D. M. L. Vuittenberg. (Originalausgabe.) Melchior Lotter 1520 (Leipzig U. B.).

Hamburg. Umrahmung mit Flötenspieler und Wolf in Mönchstracht. Ein Stock. Weißer Grund. 170 : 125. Luther. Wittemberg

MDXXII. o. Dr. (Joh. Grunenberg.) (Leipzig U. B.) Hu Löweneinfassung. Schriftfeld in Form

Vuittemberg 1523 (Melchior und Michael Lotter, K . Koloph fälschlich 1521.) (Leipzig U. B.) m

Nachschnitte: Erfurt 1 523 Melchior Sachse,

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?? Offene Halle, von der nur Vordersäulen und Dochgebälk sick bar sind. Davor Schriftfeld in Form eines gelappten Vei blattes. Flechsig 12. Dommer 72. Dodg. II, 329,13. Abb. Luther Tafel 6. Angewendet in: Passional Christi vnd Anti

christi (Originalausgabe). o. O, u. J. (Wittenberg 1521, Joh. Grunenberg.) (Leipzig U. B.)

33 Architektonische Umrahmung. Schriftfeld zwischen zwei vor springenden, reich ornamentierten Pfeilern. Darüber dri Engelchen mit leeren Schilden. 165 : 125. Schrf. 67 : 51. Flechsig 11. Dommer80. Dodgs. 329, 12. Abb. Luther Tafel 58. Angewendet in: Widder die Uerkerer vnd felscher Key. serlichs mandats. Martinus Luther. Wittemberg. MDXXIII. 0. Dr. (Cranach & Dórung.) (Leipzig U. B.)

34 Schriftfeld auf einem Postamens, umrahmt von zwei Frucht behängen, die von zwei Putten oben gehalten werden, va einem dritten unten zusammengeknotet werden. Unten wii liegende Hirsche. 172 : 121. Schrf. 79 : 60. Flechsig 16. Dom- mer 81. Dodgs. 325,6. Abb. Luther Tafel 43. Angewendet in: De instituendis Ministris ecclesiae ac Clarissimum Senatum Pragensem Bohemiae, Martinus Luther. Vuittemberge. o. J. u. Dr. (Cranach & Döring 1523.) (Leipzig U. B.)

35 Offene, tonnengewólbte Renaissancehalle, an deren Rückwand das Schriftfeld. Vorn halten zwei kleine Engel die Lutherrose. 164 : 127. Schriftf. 60 : 57. Flechs. 17. Dodgs. 325,8. Abb. Luther Tafel 42. Angewendet in: An die Radherrn aller stedte deutsches lands: das sie Christliche schulen auffrichten vnd hallten sollen. Martinus Luther. Wittemberg. MDXXIIII 0. Dr. (Cranach & Döring.) (Leipzig U. B.)

Cranach, Lucas d. J. Vgl. Anmerkung 65—67. Dürer. Vgl. Seite 16, 20, 21, 28 und Anmerkung 34.

Urs Graf. Literatur:

E. His, Beschreibendes Verzeichnis des Werkes von Urs Graf, in: von Zahns Jahrbüchern £. Kunstwiss. VI. 1873. B. Major, Urs Graf. Straßburg 1907.

** Lombardus- Bordiire. 168: 126. His 312. In der unteren Leiste liegt Petrus Lombardus, aus dessen Brust ein Baum wächst, der sich in die beiden Seitenleisten verzweigt. Auf jeder Seite 5 Halbfiguren von Mönchen und Bischöfen. Oben das Baseler Wappen. Angewendet in: Questiones magistrales in divina subtillissimi Scoti volumina. Basel 1510, Adam Petr

°" Imperator- Titel. His 324. Vier Leisten. 224 : 144. Schrift 146 : 116. Obere Leiste (57 : 143) mit ornamentiertem Boge. Feston und männl. und weibl. Imperatoren-Medaillon. eg lich und unten schmale Ornamentleisten. Angewendet 12: Geiler v. Kaisersberg, Christenlich Pilgerschaft. Straßburg 1510. (Leipzig U. B.) und öfter.

35 Maximilians-Bordiire. 261 :175. His 313. Oben Maximilian thronend mit zwei stehenden Königen als Wappenbaltern. Darunter das große habsburgische Wappen. Seitlich Seen mit je 10 Wappenschilden und je ein nackter gE einer Trophäe auf einer Stange. Angewendet in: Divini

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES eS EE

gorii Nyssae Episcopi ... libri octo de homine. Straßburg Mai 1512, M. Schürer. (Berlin K. K.) Ottonis Frisingensis ... Rerum ab origine mundi... gestarum libri octo. Straßburg, März 1515, М. Schürer. (Gotha, Weimar, Leipzig B. V.)

39 Masochius- Titel. 191 : 118. Schrf. 78 :52. His. 326. Abb. Ma- jor, Tafel VI, 1. Kaminartiger Aufbau mit zwei durch einen ornamentierten Architrav verbundenen Säulen. Oben ein akroterienartiges Ornament. Zu beiden Seiten hängt je eine Guirlande herab. Am Sockel das kaiserliche Wappen. [Kopie nach einem Titelrahmen, den Jac. Mazocchio in Rom häufig verwendete, so für: »Odissea Homeri per Raphaelem Vola- terranum in Latinum conversa.« Leipzig W. Sig. 45.] An- gewendet zu: Conr. Celtis, Libri Odarum quattuor. Straßburg 1513. M. Schürer für L. Alantse in Wien. (Leipzig U. B., Gotha.) Derselbe Holzschnitt ohne dieBekrönung (Gr.160:120) kommt in folgenden Drucken Schürers vor: Schmidt, Repertoire VIII, 153, 188, 190, 192, 201. Kopie in Nürnberg bei Fr. Peypus 1515, Abb. Luther, Tafel 11.

4% Delphinrahmen. Fehlt bei His. Schriftf. 178:113. Vier Lei- sten. Der rechteckige Schriftspiegel ist geradlinig begrenzt. Außen herum sind in konvexer Schwingung vier stilisierte Delphinpaare gelegt, die in der Mitte mit den rüsselartig verlängerten Oberkiefern und an den Ecken mit ihren Schwänzen aneinander geknotet sind. Der Zwischenraum ist dunkel schraffiert. Angewendet in: Ritter von Turn, 2. A. Basel 1513, M. Furter. Gotha (Berlin K. K., hier fehlt dieser Titel). Genaue Kopie nach einer häufig in Venedig ver- wendeten Bordüre. Vgl. Vitruv Venedig 1511, Joh. Tacunio. (Gotha.)

Maria - Titel. His. 323. Abb. Pflugk - Harttung 4. Größe 170:122. Schrf.88:82. Vier Leisten. Delphinrahmen, ähnlich dem vorigen. Oben Schildchen mit Inschrift: »Maria«. An- gewendet für: Daniel Agricola, Directorium in dominice passionis articulos Decastichon. Basel 1513, A. Petri. (Gotha.)

“® Humanitas- Titel. His 314. Abb. Schneeli, Renaiss. in der Schweiz 1896. Tafel VIT. 272 :176. Schrf. 126 :70. Architek- tonische Umrahmung in Form eines Postamentes für einen Thronsessel nach einem italienischen Vorbild. Vgl. Anmer- kung 43. Oben Triumphwagen der Humanitas, von Virgil und Cicero geschoben, von Demosthenes und Homer gezogen. Links Figur des Kairós, rechts der Nemesis auf kleinen Säul- chen. Angewendet für: Paulus Cortesius in sententias qui in hoc opere eloquentiam cum theologia coniunxit (heraus- gegeben von Beatus Rhenanus) Basel 1513. Froben (Leipzig U. B.) und öfter.

Das thronartige Gehäuse wurde 1515 von Jörg Guotknecht in einer Miniatur eines handschriftlichen Augsburger Psal- teriums kopiert (München cod. lat. 19201, Bl. 7b. Abb. Jacobi, Die deutsche Buchmalerei, 5. 87) und 1516 von Hans Springinklee für einen Titelholzschnitt (79).

** Klassikertisel. 271:190. His 321. Foliorahmen mit Halb- bildern von antiken Philosophen und Schriftstellern. Ange- wendet fúr: Erasmus, Proverbiorum Chiliades. Basel o. J., Froben. (Vorrede des Erasmus 1513. Nachwort Frobens 1515.)

41

44 Bordiire mis Narr und Satyr. His 317. Abb. Butsch 1, 38. 168:107. Kopie nach der Pirkheymer- Bordüre (78). An- gewendet in: Ludus L. Annaei Senecae, De morte Claudii Caesaris etc. Basel 1515. Froben.

45 Vier Leisten mit nacktem Mann und Weib auf Postamenten. His 315. Abb. Major Tafel VI, 2. 222:168. Schrf. 145 :112. Angewendetin:D. Ambrosiiomnia opera. Basel 1516, A. Petri.

46 Bordüre mit Adam und Eva. His 316. Abb. Heitz-Bern. 63. Vier Leisten. 177:126. Angewendet in: Н. Glareani de ra- tione syllabarum brevis isagoge. Basel 1516, A. Petri.

7 Bordüre mit Zauberer Virgil, Parisurteil, Pyramus und Thisbe. His. 318. Abb. Butsch I, 99. Angewendet in Dictionarium Graecum. Paris 1521, J. Badius.

28 Bäreneinfassung, fehlt bei His. 250 :165. Schrf. 155 :94. Vier Leisten mit spielenden und kämpfenden Bären. Unten die beiden Wappen Berns und die des Reiches. Angewendet in: Historie von Olvier und Arto, aus dem Franz. übersetzt von Wilhelm Ziely aus Bern. Basel 14. II. 1521, A. Petri. (Berlin St. B.)

Holbein, Ambrosius.

49 Bordüre mit Varusschlacht und Verleumdung des Apelles. . Ein Stock. 209 :143. Schrf. 126 :9. Pass. 1. Woltm. 7. Butsch I, 46. Oben die Varusschlacht (nach Tacitus). Rechts ein Postament mit Inschrift: »Tandem vipera sibilare desiste. 1517 AH.« Links Temperantia und Justitia, rechts Caritas und Fortitudo. Unten Verleumdung des Apelles (nach Lu- cian) Angewendet in: Novum Testamentum omne multo quam antehac diligentius ab Erasmo Roterodamo recogni- tum. (2. Ausg. d. griech. Testam.) Basel o. J., Joh. Froben. (Vorrede der ersten Ausgabe von 1516, am Schluß des Textes Jahreszahl 1518, Druckfehlerverzeichnis vom März 1519.) Blatt 1b als Umrahmung zum Breve des Papstes Leo an Erasmus. (Leipzig U. B.)

59 Bordüre mit der »Imago vitae aulicae«. Ein Stock. 287 :173. Schrf. 130:109. Pass. 3. (Hans Holb.) Woltm. 8. (Ambros. Holb.) Abb. Butsch I, 48, Pflugk-Harttung 28. Oben links Merkur und Apollo, rechts Apoll und Daphne. Seitlich links Cupido und Adulacio, rechts Venus und Cupido. Unten das Hofleben nach der Beschreibung Lucians. Angewendet in: Maximi Tyrii Philosophi Platonici sermones e Greco in lat. ling. versi, Cosmo Pacio . . . interprete. (Herausgegeben von Beatus Rhenanus) Basel 1519, Froben. Blatt 3a als Um- rahmung zur Vorrede. (Leipzig St. B.)

Holbein d. J., Hans

Literatur: A. Woltmann, Hans Holbein und seine Zeit. 2 Bünde 2. A.. 1874/6. S. Vógelin, Ergänzungen und Nachweisungen zum Holz- schnittwerk Hans Holbeins d. J. (Cebes-Tafel) Repert. f. Kunstwiss. V, 1882. S. Vogelin, Wer hat Holbein die Kenntnis des klass. Alter- tums vermittelt? Repert. f. Kunstwiss. X, 1887. H. A. Schmidt, Holbeins Tätigkeit für Baseler Verleger. Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen. X X, 1899.

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

I. Periode Oktober 1516 bis Dezember 1517.

52 Portalsitel mit spielenden Putten und Tritonenkampf am Sockel. Ein Stock. 180 :119. Woltm. 234. Abb. ButschI, 41. An- gewendet in folgenden Drucken Frobens von 1516: Th. Morus, Utopia. H. Glareanus, Isagoge in Musiceen. M. Dor- pius, Oratio in praelectionem epistolarum divi Pauli. Th. Gaza, Grammaticae institutio. AuBerdem noch in vielen späteren Drucken. Kopiert in Landshut, Mainz, Straßburg. Nach Dodgson im Jahrb. der preuß. Kunsthandlungen XIX 1898, S. 160 angebliche Kopie nach einem N ürnberger Holz- schnitt. Der betreffende Druck ist jedoch nicht datiert (nur die Vorrede 1511, was gar nichts besagt). Da das Blatt durch- aus Holbeinschen Charakter trägt, ist das Verhältnis sicher umgekehrt. Hinzukommt, daß die angeblich Nürnberger Einfassung das Landshuter Wappen enthält. Der Drucker Joh. Weißenburger siedelte 1515 nach Landshut über. Das betreffende Buch ist sicher nicht vor 1517 erschienen.

5? Mutius-Scaevola- Titel. Ein Stock. 182:117. Schrf. 94:61. Woltm. 223. Abb. Butsch L, 45. Unten Szene mit Scaevola vor Porsenna. Seitlich Ornamente. Oben spielende Putten. Angewendet in: Aeneae Platonici Christiani de immortalitate animae. (Herausgeg. von Beatus Rhenanus.) Basel 1516, Froben (Leipzig U. B.) und öfter.

63 Portaltitel mis Enthauptung Johannis d. T. als Sockelszene. Ein Stock. 178 :114. Schrf. 60 breit, oben rund. Woltm. (Ambr. Holb.) Nr. 1. Abb. Butsch I, 44, Pflugk-Harttung 18, Angewendet in: Scipionis Carteromachi Pistoriensis, Oratio de Laudibus Literarum Graecarum. Basel März 1517, Froben (Gotha) und öfter. Kopiert von A. Woensam (Merlo 425).

quinius. Angewendet in: Des. Erasmi Rot. in genere conso- latorio de morte declamatio, enthalten in dem Sammelband: Querela pacis undique gentium eiectae profligataeque auc- tore Erasmo Roterodamo. Basel Dez. 1517, Froben.

56 Puttentitel, Woltm. (Ambr. Holb.) 9. Pass. 107. Abb. Pflugk-Harttung 107. Unten Tri Putten in einer Landschaft. Seitlich klettern

(als Nachahmung). Septimii Florentinis Tertulliani . num e tenibris eruta. BL 15a. Als beginnes. Basel, Juli 1521, Joh. Frob das Inhaltliche vgl. »Cebetis Tab

42

pictura graece« ed. Schweighäuser, Straßburg 1806 und М. Schaber, Über das Gemälde des Cebes. Konstanz 1862.

58 Cebes- Tafel II. Ein Stock (Holzschnitt von Hans Herman nach Holbeins Zeichnung). Pass. Imitation a. Woltm. Kopie a. VögelinB. Angewendetin: Perotto, Cornucopiaesive Linguae Latinae commentarii. Basel, Sept. 1521, A. Cratander.

59 Cebes- Tafel III. Vier Metallschnittleisten, Kopie nach I 249 :168. Schrf. 137:102. Pass. Imitation B. Woltm. Kopie b. Vögelin C. Angewendet in: Augustinus, De civitate Dei. Basel, Sept. 1522, Froben. (Leipzig U. B.)

60 Cebes- Tafel IV. Ein Stock. Pass. 90. Woltm. 227 (als Origi- nal) Vögelin D. Abb. Butsch I, 54. Pflugk-Harttung 84. Nach Vögelin zuerst 1532 verwendet. Jedoch wurde diese Umrah mung bereits 1525 in Venedig kopiert (Dictionarium Graecun, gedruckt von Melchior Sessa €: Petrus de Rauanis). Ein dent- scher Originalabdruck ist mir nicht zu Gesicht gekommen.

81 Crassus-Titel. Ein Stock. 187 :123. Woltm. 225. Pass. 9. Abb. Pflugk-Harttung 100, Heitz-Bernoulli 112, XI. Portal aufbau. Unten wird dem Crassus von einigen Kriegern ind kochende Flüssigkeit in den Mund gegossen. Angewendet in: Luciani Samostatensis Dialogi. Basel 1522, Curio. (Leipzig St. B.)

62 A postelbordiire. (Holzschnitt von H. Lützelburger.) Ein Stock. 245:177. Woltm. 215. Pass. 73. Abb. Butsch I, dr Pflugk-Harttung 81. Heitz-Bernoulli 64, III. Angewendetin: (Luther) Das New Testament, yetzund recht grüntlich teutscht. Basel, Dez. 1522, A. Petri.

°° Scaevola- Titel II. (Metallschnitt von C. V.) Nicht bei Wolt- mann. Abb. Jahrb. d. pr. Kunstsammlung. XX, 1899, S. 245. Angewendet in: Vergilii opera. Basel 1523, Bebel.

% Orpheus-Herkules- Titel. Woltm. 221. Pass. 78. Abb. Betsch 1,56. Pflugk-Harttung 68.Heitz-Bernoulli 65,IV. Saulenportul mit dem Flöte blasenden Orpheus im Tympanon. Links: e kules erwürgt den nemeischen Löwen, rechts den Hon Kerberus. Ange wendet in: Luther, Vom Anbeten des heiligen Sakraments des Leichnams Christi. Basel 1523, A. Petri.

° Curtius- Titel. (Metallschnitt von C. V.) Ein Stock. 128:87. Schrf. 60: 43. Woltm. 224. Pass. 120. Abb. Butsch I, 55. Das Schriftfeld in einer tonnengewölbten Renaissancehalle. Vom stürzt sich M. Curtius zu Pferde in eine dampfende КІ uft Angewendet: In Joannis Evangelium Commentarii Philippi Melanc. Basel o. Dr., Sept. 1523. (Leipzig U. B.)

Dionysos-Kleopatra- Titel. Woltm. 226. Pass. 96. Abb. See I, 53. Schriftfeld als Vorderseite eines Postamentes. Seitli der Tempelraub des Dionysos. Am Sockel die liegende Kleo- patra. Angewendet in: Divi Hilarii Pictavorum episcopi lucubrationes per Erasmum Roterodamum emendatae. Basel 1523,F roben. VonA. Woensam viermal kopiert(Merlo 448-51)

°? Klassikerrahmen. (Metallschnitt von I. F.) Vier Leisten. 278 :190. Schrf. 160:93. Seitlich und oben Halbfiguren an- tiker Schriftsteller, unten Dichterkrönung Homers durch Kalliope und die andern Musen. Angewendet in: Strabonis graphicorum Commentarii. Basel, Mürz 1523, Curio.

*5 Bordüre mit Auszug der Apostel (Metallschnitt von I. 2 Vier Leisten 228:168, Schrf. 112299. Abb. Botsch I, 58.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG-DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Oben Christus vor Gottvater. Seitlich die Evangelisten- symbole. Unten Auszug der Apostel. Das Ganze in archi- tektonischer Umrahmung. Angewendet in: Theophylacti archiepiscopi Bulgariae in quatuor Euangelia enarrationes Jo. Oecolampadio interprete. Basel 1525, A. Cratander.

Hopfer, Dantel. Literatur: E. Eyssen, Daniel Hopfer. Diss. Heidelberg 1904.

69 Joh. Eck, Chrysopassus. Augsburg 1514, Joh. Miller. Titel- holsschnitt 253 :173. Abb. Botsch I, 20 u. Pflugk-Harttung 3. Oben ornamentierter Bogen mit der Inschrift »Chryso- passus «. In den Eckzwickeln Putten. Unten Jacob und Esau.

70 Chronicon Abbatis Vrspergen a Nino rege Assyriorum usque ad Fridericum II. Augsburg 1515, Joh. Miller. (Weimar, Berlin K. K.) Umrahmung aus einem Stück 250 :165. Schrf. 165:100. Tiefschnitt. Grotesken auf schwarzem Grund. Innerhalb des Schriftfeldes ein Titelholzschnitt in Hoch- schnitt mit den Figuren des Ninus und Friedrichs II. Abb. Butsch I, 21 und Pflugk-Harttung 11.

11 Umrahmung aus einem Stück. 248 :168. Tiefschnitt. Grotes- ken auf schwarzem Grund. Abb. Butsch I, 24 und Pflugk- Harttung 15. Angewendetin: Joh. Pinicianus, Promptuarium vocabulorum. Augsburg 1516, Joh. Otmar und ófter.

_ 78 Ornamentrahmen aus einem Stück. 248:168. Tiefschnitt‘

Grotesken auf schwarzem Grund. Eyssen 4. Abb. Butsch I, 23. Angewendet in: Sassenspegel (niederdeutsch). Augsburg 1516, S. Othmar und öfter.

13 Ornamentrahmen aus einem Stück. 151:104. Schrf. 79:47. Tiefschnitt. Grotesken auf schwarzem Grund. Eyssen 6. Abb. Botsch I, 26. Angewendet in: Isocrates, Von dem Reich. Augsburg 1517, S. Othmar. Luther, Ain Sermon von dem Sacrament der puß. o. O. u. J. (Leipzig U. B.)

74 Vier Ornamentleisten. 174:121. Schrf. 91:72. Tiefschnitt. Grotesken auf schwarzem Grund. Eyssen 7. Abb. Butsch I, 30 und Pflugk-Harttung 25. Angewendet in: (Luther) Theo- logia deutsch. Augsburg 23. IX. 1518, S. Othmar. (Leipzig U. B.) und öfter.

Lemberger, Georg. Literatur:

Röttinger in den Mitteilungen d. Ges. f. vervielf. Kunst (Bei- lage der Graph. Künste ) 1906.

15 Architekturrahmen. 255: 161. Röttinger 2. Abb. Lutherfest- schr. 36. Beiderseits Pfeiler mit vorgelegten Säulen und reich verkröpftem Gesims, oben verbunden durch eine Tonne mit runder Öffnung in der Laibung. Auf der Wölbung acht spielende Engel. Unten vor dem tief eingeschnittenen Sockel Christus am Kreuz, von neun klagenden Engeln umgeben. Angewendet zu: 1. Missale secundum ritum ecclesiae Pragen- sis. Leipzig 1522, Melchior Lotter d. Ä., 2. Das Allte Testa- ment deutsch. M. Luther. Vvittemberg. o. J. u. Dr. (1. Ausg.) (Melchior Lotter d. J. 1523.)

76 Das neue Testament deutsch von Hieronymus Emser. Dres- den 1527, W. Stóckel. (Leipzig U. B., Kl. II. 200.)

Bl. la. Titelholzschnitt 227:140. Links und rechts vom Schriftfeld die vier Evangelisten, darüber vier Engelchen in einer Wolke, darunter Halbfigur Gottvaters und die Taube des Heiligen Geistes. Unten Aussendung der Apostel.

Bl. 1b. Leer.

Bl. 2a—4a. Vorrede des Herzogs Georg von Sachsen.

Bl. 4b. Einleitungsholsschnitt 208 : 140. Links Madonna mit

Kind. Rechts Moses und die Propheten unter einem knorrigen Baum.

(Bl. 1—4 sind nachtrüglich vorgeheftet.)

Bl. 5a. Xylogr. Titel.

Bl. 5b. Register.

Bl. 6a. Vorrede des hl. Hieronymus.

Bl. 6b. Wiederholung des Einleitungsholzschnittes.

Bl. 7a. Beginn des Mattháus-Evangeliums.

Reuwich, Erhard.

77 Bernhardus de Breydenbach, Peregrinationes. Mains o. Dr. Lat. Ausgabe 11. 11. 1486. H. 3956. Schr. 3628. Leipzig KL II, 42. Deutsche Ausgabe 21. VI. 1486. H. 3959. Schr. 3630. Leipzig Kl. II, 43.

BL 1a. Leer.

Bl. 1b Holzschnitt 270 :192.

Auf einem polygonalen Sockel eine weibliche Figur in reicher burgundischer Tracht. Zu ihrer Rechten das Wappen des Bernhard von Breydenbach, zur Linken das seines Reise- begleiters Joh. von Solms, mit prüchtiger Helmzier. Unten am Sockel das Wappen des Philipp von Bicken. Oben eine Astwerkarkade mit Putten. Abb. Schramm, Inkunabelkata- log des Buchmuseums, S. 1.

Springinklee, Hans.

78 Pirckheimer- Bordüre. Ein Stock. Schwarzer Grund. 195 :125. Schrf. 130:79. Heller 1936. Pass. 205. Dodgs. I, 379, 1. Abb. Pflugk-Harttung 2. Kl. d. K. IV. 3. A. 274. Angewendet in: Plutarchi de his qui tarde a numine corripiuntur libellus. (Übersetzt von Pirkheimer.) Nürnberg 30. VI. 1513, Fr. Peypus und ófter.

79 Baptista- Rahmen. Ein Stock. 271:182. Abb. Butsch I, 36. Architektonischer Aufbau, kopiert nach Urs Graf (42). In der Mitte Johannes Baptista. Angewendet in: Biblia latina com concord. ex Josepho excerpt. p. Joh. de Gradibus. Lyon- Nürnberg 17. XII. 1516, J. Sacon f. A. Koberger d. J. (Leip- zig U. B.)

80 Foliorahmen mit Taufe Christi. Vier Leisten. Heller 1934. В. 30. Pass. 203. Dodgs. I, 353,11. Abb. Butsch I, 34. Oben Johannes die Apokalypse schreibend. Seitlich Triumph des Todes. Unten Taufe Christi. Hach Heller zuerst für ein o. J. ersch. Gedicht auf Johannes den Evangelisten verwendet. Ferner: Index consummatissimus in Augustini undecim partes omnium contentorum. Bl. 1 a. Nürnberg 1517. F. Peypus f. Joh. Koberger (Leipzig U. B.) Ferner in folgenden Kobergerschen Verlagswerken: Hase 279, 280, 282, 262. Ko- piert von Anton Woensam 1521 (Merlo 426).

81 Umrahmung mit lautespielendem Engel. Ein Stock. 166 : 126. Schrf. 95:68. Abb. Schottenloher, Das alte Buch. 1. Aufl. S. 127. Angewendet in: Anzaygung etlicher Irriger mengel so

GERHARD KIESSLING-LEIPZIG- DIEANFÄNGE DES TITELBLATTES

Caspar Schatzgeyer Barfußer in seinem buchleyn wider An- dream Osiander gesetzt hat. 1526. o. O. u. Dr. (Würzburg, Balth. Müller.) (München B. St. B.)

Wechtlin, Hans.

Literatur:

Н. Röttinger, Hans Wechtlin. Jahrb. d. Kunsthist. Samm- lungen des allerhöchsten Kaiserhauses. Band 27. Wien 1907.

Vorbemerkung:

Hans Wechtlins Entwicklungsgang liegt trotz Röttingers gro- Ber Arbeit noch sehr im Dunklen. R.s Zuschreibungen haben zum größten Teil keine allgemeine Anerkennung gefunden. Jedoch wurde von ihm bereits darauf hingewiesen, daß eine ganze Reihe Titeleinfassungen, die in der buchgewerblichen Literatur unter Wechtlins Namen gehen, Arbeiten Baldungs sind. Wechtlin hat im Gegensatz zu Baldung eine sehr harte, eckige Strichführung, vor allem in der Modellierung, die auch bei seinen signierten Hell-Dunkel-Schnitten durchaus spürbar ist und nur durch die farbige Tónung abgemildert wird. Ich glaube in zwei Bordüren Joh. Grüningers von 1512 die Hand Wechtlins zu erkennen. Die Modellierung der figürlichen Ele- mente mit dem harten Nebeneinander von dunkel schraffierten und ganz weißen Flächen stimmt durchaus mit den Illustra- tionen des Gersdorffschen Feldbuches überein, die ja als sichere Werke Wechtlins beglaubigt sind. Hinzu kommt, daß in diesen

82 Ornamentbordiire. Ein Stock 218:245. Schrf. 122 :68. Abb. Kristeller, Straßburger Bücherillustration, Abb. 22. Auf weißem Grunde stilisierte Ranken und Grotesken. An der linken unteren Ecke des Schriftfeldes zwei gekreuzte Stübe im Ornament. Angewendet in: Ambrosius Calepinus Bergomates Dictionarium. Straßburg 11. III. 1512, Joh. Grüninger.

Ferner in folgenden Drucken: Schmidt, Repert. I 144, 154, .

157, 158.

88 Ornamentbordiire, Ein Stock. Quart, Abb. Pflugk-Harttung

nach Baldung kopiert). Unten zwei

und rechts in der Mitte j

Ornamentes. Angewendet in: Margarita Philosophia noua. Straßburg 31. V. 1512, Grüninger. Ferner in folgenden Drucken: Schmidt, Repert. I 142, 161, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 185, 194, 196, 200.

84 Hans v. Gersdorff, Fe 1517. Joh. Schott (E Árzte mit Glásern.

85 Dasselbe. 2. A. 1526

Idbuch der wundartzney. StraBburg rfurt). Titelholzschnitt. 200 : 126. Zwei

(Gotha). Titelholzschnitt, 153 :115. Ein beit. Im Hintergrund eine brennende

Weiditz, Hans. Literatur:

H. Röttinger: Ha

ns Weiditz, der Petrarca- burg 1904.

Meister, Straß.

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M. J. Friedländer, Hans Weiditz’ Holzschnitte. Мас, gen nach den Originalen im Berliner К. К. Berlin 1922.

I. Periode (Augsburg).

°° Ornamentrahmen. Ein Stock. 177 :130. Schr. 120 :85. Schwar zer Grund. Rött. 8. Abb. Botsch I, 28. Angewendet in: Imp. Henrici quarti Caes. Aug. ducis vero Boiorum septimi vita. Augsburg 1518, Grimm & Wirsung.

i 59:110. 87 Ornamentrahmen. Ein Stock. Schwarzer Grund. 1 Schrf. 100:58. Rott. 15. Abb. Botsch I, 21, Pflugk-Harttung 27. Angewendet in: In hymnum aviae Christi Annae dictum ab Erasmo Roterodamo Scholia Jacobi Spiegel. Augsburg 1519, Grimm & Wirsung.

°8 Architektonischer Ornamentrahmen mit Rundgiebel. 177 132 Rött. 9. Abb. Pflugk-Harttung 14. Angewendet in: Vina de Hutten Equitis Germani Aula Dialogus. August 1518, Grimm « Wirsung.

59 Architektonischer Ornamentrahmen mit Spitsgiebel, bez. 1518. Ein Stock. 176:137. Schrf. 95:76. Rott. 12. Abb. Pflugk- Harttung 26. Angewendet in: Vlr. de Hutten eq. ad Ба Maximil. vt bellum in Venetos coeptum prosequatur tatorium. Augsburg 1519, Joh. Miller.

°° Ornamentrahmen mit gefesselten Satyrn zwischen swei a Ein Stock. 178 :133. Schrf. 101:58. Rott. 17,3. э; 5. 4 und Pflugk-Harttung 24. Angewendet in: ҮШ т Hutten equitis Germani Aula Dialogus. Augsburg 1515, Grimm & Wirsung. |

°1 Architekt. Ornamentrahmen mit Faun und Faunin auf = len. Ein Stock. 141:93. Rott. 35. Abb. Dodgs. II, S. s Angewendet in: Ain Hipsche Tragedia von T habenden mentschen ainem Ritter Calixtus vn ара : junckfrawen Melibia genaunt. Augsburg 1520, Grimm Wirsung. (Berlin K. K.)

?? Ornamentrahmen mit Waffen und Trophäengehängen. г Stock. 249 :162. Schrf. 156 :93. Rött. 21. Abb. Weer S. 25. Butsch I, 29, Pflugk-Harttung 42. Angewendet Repertorium librorum trium Joannis Boemi de omnium gentium ritibus, Augsburg 1520, Grimm & Wirsung.

II. Periode (Straßburg).

73 Szenenrahmen mis dem predigenden Christus. es 137:197. Schrf. 79:54. Rott. 57. Abb. 55 og Bücherill., S. 68. Angewendet in: XXVII. Predig DC Luthers newlich vBgangen Anno XXIII. o. O. (Straßburg, Joh. Schott.) (Leipzig U. B.)

94 Szenenrahmen mit Sündenfall. 210 :162, Schrf. 91 NS 59. Abb. Friedländer, S. 32. Angewendet in: Conco 19 des Newen Testaments zu teutsch. Straßburg 1524, Schott. (Berlin K. K.)

°° Tlias- Rahmen. 126:82. Schrf. 64:39. Rott. 65. Abb. = Tafel 22 und Heitz-Bar. XVI, 3. Oben Hekuba, Se Deiphobus und Alexander. Links: Homer und chriftfeld Rechts: Achill schleift die Leiche Hektors (dem S endet zugekehrt). Unten Kampf Achills mit Hektor. ген fel. in; Homer, Ilias (griechisch). StraBburg 1525, W.

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96 Odyssee- Rahmen. Ein Stock, in vier Leisten zerschnitten. 127:83. Schrf. 64:38. Rött. 66. Oben Jupiter und Juno thronend, Merkur und Apoll Links Venus und Mars beim Ehebruch, Neptun und Vulkan. Rechts Homer mit Harfe, Odysseus und Asinous beim Mahle, Demotocus mit Harfe. Unten Odysseus auf dem Meere vor Itaka. Die Qua- len des Tantalus. Angewendet in: Homer, Odysseia (grie- chisch). Straßburg 1525, W. Köpfel. (Leipzig U. B.)

97 Rómischer Titel. Vier Leisten. 134:92. Schrf. 90:59. Rott. 17. Oben rómischer Triumphzug, unten eine Schlacht, seit- lich je ein römischer Standartentrüger. Angewendet in: Johann Huttichius, Imperatorum romanorum libellus. (1. Ausg.) Straßburg 1525, W. Köpfel. (Leipzig Kl. II, 292.)

98 Bacchus- Rahmen. Vier Leisten. 128 :85. Schrf. 84:52. Rott. 61. Abb. Reitz-Bar. XVIII, 11 und Wolff, Bücherorn. I, S. 41. Angewendet zu: Joh. Huttichius, Imperatorum Ro- manorum libellus. 2. A. Straßburg 1526. W.Köpfel. (Leipzig U. B.)

99 Elias- Titel. 165:115. Rött. 72. Abb. Rott. Tafel 24. Dar- stellung nach dem ersten Buch der Könige, Kap. 18. An- gewendet zu: Jacob Other, Christlich Leben und Sterben.

100 Dioscorides- Titel. Ein Stock. Weißer Grund. 250 :163. Schrf. 126:89. Rott. 75. Abb. Rott. Tafel 26. Verschiedene Tiere, Menschen und Heilkräuter. Angewendet in: P. Dioscoridae Pharmacorum Simplicium reique Medicae libri VIII. Jo. Rvellio interprete. Straßburg 1529, Schott. (Leipzig St. B.)

101 Hesperiden- Bordüre. Bez. 1529. Vier Leisten, 246 :153. Schrf. 120:89. Rott. 77. Abb. Rott. Tafel 77. Unten Herkules er- schlägt die lernäische Schlange vor dem Eingang zum Gar- ten der Hesperiden. Oben Venus und der trunkene Silen. Links auf einem Sockel Dioscorides, rechts Apollo. Ange- wendet zu: Otto Brunfels, Herbarum vivae aicones. Straß- burg 1530, Joh. Schott. (Leipzig U. B.)

192 Klassikerrahmen. 165:116. Schrf. 79:63. Rott. 80. Oben vier, seitlich je drei berühmte antike Árzte und Naturfor- scher, jeder mit einem Schüler. Unten Galienus und Hippo- krates mit 8 Schülern. Angewendet in: Catalogus illustrium Medicorum siue de primis Medicinae scriptoribus per Ot. Brunnfelsium. Straßburg 1530, Schott. (Leipzig U. B.)

103 Josua- Rahmen. Bez. 1528. Ein Stock. 235:155. Schrf. 142:76. Rött. 74. Abb. Heitz-Bar. ХХ, 16 und Rött. Tafel 25. Kampf des Josua gegen Amalek (Exodus 17). Angewendet in: Die gantz Bibel Alt vnnd Neuw Testament Verteutscht durch Doctor M. L. Straßburg 1530, W. Köpfel. (Leipzig U. B.)

Wolgemut, Michael. Literatur:

I. F. Stadler, Michael Wolgemut und der Nürnberger Holz- schnitt im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. Straßburg 1913.

104 Reformation der Stadt Nürnberg. fol. Nürnberg 1484. A. Koberger. H. 13716. Schr. 5051. Leipzig Kl. II, 729. BL la. Leer.

Bl. 1b. Holsschnist. 256:177.

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GERHARD KIESSLING-LEIPZIG: DIE ANFÄNGE DES TITELBLATTES

Unter einem gotischen Kielbogen links St. Sebald, rechts St. Lorenz auf Sockeln. Dazwischen das kaiserliche Wappen und die beiden Stadtwappen von Nürnberg. Abb. Stadler, Tafel 17. Zahlreich kopiert. Vgl. Schr. 3714, 4184, 5052, 5053.

105 Hartmann Schedel, Buch der Chroniken. Nürnberg 23. XII. 1493, A. Koberger. Groß- Folio. Н. 14510. Schr. 5205. (Leipzig Kl. П. 734.)

Bl. la. Xylogr. Registertitel. Facs. Burger, Tafel 21.

Bl. 1b. Leer.

Bl. 2a bis 10b. Register.

Bl. 11a. »Ein kurtze beschreybung des wercks der sechs tag von dem geschöpff дег werlt die vorrede. .

Bl. 11b. Ganzseitiger Einleitungsholzschnitt (378 :242). Abb. Stadler, Tafel 9. Der thronende Salvator in reicher ornamen- taler Umrahmung. Über die Vorzeichnung dazu vgl. Sidney Colvin im Jahrbuch der pr. Kunstsammlung. VII, 1886, S. 98.

Bl. 12a. Textbeginn mit der Schöpfungsgeschichte.

Woensam, Anton. Literatur:

J. J. Merlo, Kölnische Künstler in alter und neuer Zeit. 2. A. von Firmenich-Richartz. 1895. Sp. 971ff.

106 Einhard, Vita et gesta Karoli Magni, herausgeg. v. Herm. von Neuenahr, gewidmet Karl V. Köln 1521, Johann Soter. Titelholzschnitt. 185 :122. Karl d. Gr. und Karl V. in ganzer Figur nebeneinander stehend. Umrahmt von einer Bordüre mit 6 Wappen. Merlo (Nachtrag) 407 c. Abb. Schoeller, Tafel 83.

19? Livius, deutsch, 3. A. Mainz 1523, Joh. Schöffer. (Leipzig Kl. II, 86.) Auf dem Haupttitel, ferner auf dem Titelblatt zum zweiten und dritten Teil und zum Register je vier rahmende Holzschnitte mit Landsknechtszenen.

Blatt 2a. Widmungsvorrede mit Umrahmung.

Einzelne Holzstöcke wurden schon vorher als Titelrahmen verwendet für: Wormser Landfrieden Karls V. Mainz 1521, P. Schöffer. (Pass. IV, 51. Merlo 460.)

198 Herkulesrahmen. Vier Leisten für Folio mit 13 Szenen aus dem Leben des Herkules. Merlo 433. Abb. Butsch I, 84. Pflugk-Harttung 87. Angewendet in: Flavii Josephi He- braei Historiographi clariss. opera interprete Ruffino pres- bytero. Köln 1524, Euch. Cervi-Cornus.

199 Foliorahmen mit Erzbischof Albrecht. Ein Stock. 279:174. Merlo. 457. Oben thront der Erzbischof unter einem Bal- dachin, umgeben von seinen 4 Hofmarscbällen. Seitlich und unten die Wappen der zu Mainz gehörenden Bistümer. An- gewendet in: Friedrich Nauseae ... Tres Euangelicae veritatis Homiliarum Centuriae. (Gewidmet dem Erzbischof Albrecht.) Köln 1530, P. Quentell. (Leipzig U. B.)

110 Foliorahmen mit Erzbischof Hermann von Wied. Merlo 456. Oben der thronende Erzbischof mit 4 Würdentrügern. Seit- lich und unten die Wappen der Diözese Köln. Angewendet zu: Canones concilii prouinciales Coloniensis. Kóln 1538, P. Quentell.

DER WIENER BUCHTITEL AUS DER DEUTSCHEN KLEINMEISTERZEIT

VON HEDWIG GOLLOB-WIEN

Wie mit einem Zauberschlage verändert sich das Bild der Wiener Buchausschmückung gegenüber der vorangegangenen Zeit, wenn wir das Material der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts betrachten. Es scheint, als ob alle künstlerischen Ideen, die noch kurz vorher gewirkt hatten, plötzlich abgebrochen wären, um einem neuen märchenhaften Ornament- spiele das Feld zu räumen. Überaus zarte Figürchen, förmlich in das Papier gestochen, stehen in ebenso miniaturhaft durchgeführten Landschaftsveduten. Doch welcher Widerspruch in der ganzen Bildauf- fassung macht sich hierbei bemerkbar; denn trotz aller Kleinheit haben wir Ansichten tief gesehener Räume und Naturausschnitte vor uns. Wie gewaltige Riesen erheben sich hohe Nadelbäume im Vorder- grunde, und ebenso hühnenhaft wirken die schlanken Personen, deren Glieder oft so abstrakt schematisch konstruiert sind, als hätte man gezeichnete Holz- puppen vor sich. Und doch ist der Stil jener Ar- beiten weder rein zeichnerisch noch rein ornamental. In einer gewissen Hinsicht können wir auch von einem echt wienerischen Lichtstile sprechen, wo-

durch sich die damalige Wiener Kunst wieder

47

von dem Nürnberger Kleinmeisterstile jener Zeit ziemlich stark unterscheidet. Dort ordnet das Licht förmlich plastisch die Massen aneinander und hilft zum kubischen Aufbaue fördernd mit. Beiden Wiener Bildchen gestaltetes meistens, ohne Rücksicht aufden Aufbau, die Form in ihrer sich lösenden, fast äthe- rischen Steigerung, ja es kann sogar ganze Gruppen zusammenfassen. Es ist nun aber das Aussehen des gesamten Bildermateriales zu einem neuen Grundtone gestimmt, der aus allen diesen Voraussetzungen resul- tiert, so daß ein wesentlich andrer Eindruck zustande kommt, als wie ihn der Kleinmeisterstil im übrigen Deutschland zur Geltung brachte. Schon die For- mengestaltung durch das Licht erzielt einen mehr transzendentalen Charakter, der durch das tiefe Zu- rücklegen des Hintergrundes und der Bodenszenerie noch überirdischer wird. Die vornehme Hagerkeit der Personen in der damaligen steifen Tracht gibt ihnen etwas Übermenschlich-Göttliches. Man wird unwillkürlich an den Geist des spanischen Weltrei- ches gemahnt mit seiner Willenskraft und seiner starren, unkörperlichen Monumentalität. Der hohe ideale Sinn dieser geistigen Selbstzucht vereinigt sich

DER WIENER BUCHTITEL AUS DER DEUTSCHEN KLEINMEISTERZEIT

aber in jener Stätte süddeutscher Kunst mit der ein- geborenen reichen Phantasie zu einem wundervollen Ornamentspiele, den wir als einen echt wienerischen Kleinmeisterstil bezeichnen müssen. Sein so anschei- nend unvermitteltes Auftreten ist ebenso wie bei den Nürnberger Künstlern doch wohl erklärbar, ja sogar nur eine ganz selbstverständliche Folgerung unmittelbar vorausgehender Ereignisse, die aber im ersten Momente nur deshalb so einschneidend ver- ändernd wirken, weil sie nicht die allgemeine For- menbehandlung oder bloße Wandlungen innerhalb der Bildkomposition betrafen, sondern diesmal auf die äußere Bildform, bedingt durch eine neue Wer- tung des Bildes selbst, übergegriffen hatten. Die vorangehende künstlerische Entwicklung hat es sich als eine ihrer Hauptaufgaben gestellt, die rationelle Erklärbarkeit eines jeden Einzelkörpers und auch dessen Details möglichst zu ergründen, wodurcheine immer stärkere Verselbständigung und Isolierung der einzelnen Kompartimente resultierte, so daß der universelle Zusammenhang immer stärker ausein- anderfiel. Wie bei allen übrigen künstlerischen Dar- stellungsstoffen mußte sich dieser Wille vor allem in der Bildform selbst äußern. Das Bild wurde nur mehr ein Teil andrer gleichwertig gesehener Darstel- lungsgebilde. Es verliert seine Stellung als Domi- nante und wird nur ein füllendes Glied innerhalb

einer großen körperlich empfundenen Ordnung.

Es ist ganz selbstverständlich, daß der Schmuck des Buches sich diesem neuen Prinzip anpassen

mußte. Aber nicht nur die Ausstattung, auch das

Buchformat veränderte sich dementsprechend und

reduzierte sich zu einer kleinen oft quadratischen

Gestalt, wofür etwa das »Betbúchlein für Königin Anna« (Wien 1545, Denis 428) ein sehr schönes Bei-

spiel darstellt, Besonders verschiedene Veröffent-

48

lichungen Nauseas zeigen hierin ein recht nettes Schönheitsempfinden. Auch die kleine in Brevier- format eingestellte Ausgabe des ungarischen Neuen Testamentes (Denis 396) ordnet sich schon diesem Willen unter. Das Titelblatt (Abb. 1) zeigt bereits vollständig das feine Kleinmeisterornament; zwar ist seine Formenauffassung noch ziemlich weich und lebendig, aber sonst verrät nur mehr weniges einen Zusammenhang mit den Darstellungsmitteln des un- mittelbar vorangegangenen Buchschmuckes. Vid- leicht, daß noch gewisse Tendenzen zur Lösung der Gestalt im Sinne des Lebendig-beweglichen einen Übergang bezeichnet (Abb. 2). Das schönste Stück aber dürfte wohl die Titelleiste (Abb. 3) zu Nauseas zwei Predigten sein (Wien 1535), die bei geschlosse- ner ornamentaler Bildung vielleicht die zarteste und reichste Ornamentierung bietet, die wir überhaupt kennen. Trotz aller Kleinheit ist sie doch so voll der reizenden Details an Szenerie und Schmuck, daß si sogar die feinen Schönheiten der daneben schema- tisch erscheinenden Ausstattungen der französischen Livres d’heures des 15. Jahrhunderts um ein ziem- liches übertrifft. Zu dieser Leiste gehören eine grobe Reihe von ganz kleinen Bildchen (Abb. 4) stilistisch dazu, die in verschiedenen Werken verwendet wer den. Vergleichen wir ihre manchmal schon sehr ab- strakten Bildungen mit denen der erstgenannten Leiste, so sehen wir die langsame Veränderung im Sinne der zeichnerischen Erstarrung vor sich gehen, ebenso wie eine Zusammenstellung von Details der Leiste des ungarischen Neuen Testamentes mit einem Leistenteile aus der unmittelbar dem Wiener Klein: meisterstile vorangehenden Zeit eine gewisse Ent- wicklung und Überleitung doch nachweisen läßt (vgl. Abb. 2). Als dann allerdings die zeichnerische “© nier zu jener abstrakten Form gelangte, wie sie e ikonographisch nach Holbein kopierte aber stili-

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ABBILDUNG 2

Drei Wiener Teilleisten im Kleinmeisterstile

ABBILDUNG 3

Titelleiste aus Friedrich Nausea: Zwuo sonderliche Predigen. Wien, 1535

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ABBILDUNG 4

Weihnachtsszene aus dem Betbüchlein fúr Kónigin Anna. Wien, 1545

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ABBILDUNG 5

Judith-Leiste als Titelblatt zu Friedrich Nausea: Oratio in sacrosanctam Jesu Christi nativitatem.

Wien 1536

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ungarischen Neuen Testamentes vom Jahre 1536

DER WIENER BUCHTITEL AUS DER DEUTSCHEN KLEINMEISTERZEIT

stisch vollkommen neu und anders durchgeführte Judithleiste bringt (Abb. 5), tritt ein ganz von allem Vorangehenden abweichendes künstlerisches Sta- dium ein. Zu diesem wunderschönen Titelblatte ge- hört ebenfalls eine sehr elegante Initialserie mit lau- fenden Putten und allerhand Ornamenten hinzu (Abb. 6). Wie allgemein und beliebt diese Buchaus- stattung war, mag wohl auch die Tatsache beweisen, daß diese Kleinmeistermanier nicht nur für den nor- malen Buchdruck verwendet wurde. Auch bereits

bei solchen Schriften wie sie die Kammergerichts-

49

ordnungen (s. a.) bieten, behauptet sich, trotz des üblichen großen Formates solcher Veröffentlichun- gen, diese Leistenform in ihrer eleganten Schönheit. So erscheint hier in Wien durch das Zusammen- treffen verschiedener Momente eine spezielle Form des Donaustiles im Buchschmucke, welche durch ihre hohe Qualität einen starken Anreiz gibt, nach andren künstlerischen Materialien zu suchen, bei welchem er ebenfalls zu Geltung kommen konnte. Dem Buchschmucke allerdings gebührt das Ver- dienst ihn aufgezeigt zu haben.

vi

ZUR ENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITELS

VON ERICH VON RATH-BONN

Кы in einer verhältnismäßig späten Zeit der Buchentwicklung, im siebzehnten Jahrhundert, ist es vornehmlich in den Niederlanden und in Frank- reich üblich geworden, fast jedem Buch, ob es nun illustriert wurde oder unillustriert blieb, als Schmuck ein in Kupfer gestochenes Titelblatt voranzustellen. Kaum eine der zahlreichen Klassikerausgaben, der Elzevire oder Blaeu, denen bildliche Beigaben in der Regel fehlen, entbehrt dieses Schmuckes, während in den vorangehenden Jahrhunderten ein Kupfer- stichtitel in der Regel nur dann gewählt wurde, wenn das Buch auch gestochene Illustrationen auf- wies. Infolgedessen ist eine Schilderung der Ent- wicklung des Kupferstichtitels nur im engen An- schluß an die Kupferstichillustration möglich und wird im wesentlichen von dem gleichen Material ausgehen mússen!.

Die wenigen Fälle, in denen man im fünfzehnten Jahrhundert den Kupferstich zur Illustration und zum Schmuck der Bücher herangezogen hat, ge- hören fast durchweg den Jahrzehnten an, die den

Brauch eines besonderen Titelblattes noch nicht

! Vgl. dazu meine Aufsätze »Die Kupferstichillustration des Wiegendruckzeitalters« in der Festschrift der Stadtbiblio- thek zu Leipzig (Leipzig, K. W. Hiersemann, 1927) und »Die Entwicklung der Kupferstichillustration im sechzehnten Jahrhunderte im Archiv für Buchgewerbe (1927, S. 1#.).

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kannten. Nur einem einzigen Buch, das dieser Epo- che noch angehört, ist ein Kupferstich in der Art eines Titels vorangestellt worden. Die beiden Aus- gaben von Savonarolas Compendio di revelazione, die Francesco Buonaccorsi am 18. August und 3. Ok- tober 1495 in Florenz herstellte, enthalten ein in Kupfer gestochenes Bild der Krone der Jungfrau Maria auf einem besonderen Blatt abgedruckt, das dem Buch vorgeheftet wurde. Durch dieses Ver- fahren hat man die damals noch sehr lebhaft emp- fundenen Schwierigkeiten des Eindruckens eines Kupferstiches in den Text vermieden und gleich- zeitig eine Art Titel-Kupfer für das Buch hergestellt. Da dieser Stich in den späteren Drucken durch einen Holzschnitt ersetzt worden ist, handelt es sich hier wie bei der Kupferstichillustration des fünfzehnten Jahrhunderts überhaupt um einen Ausnahmefall, der sobald keine Wiederholung fand !.

Die Umgestaltung des Buchäußern, die sich um die Jahrhundertwende anbahnte, ließ auch verschie- dene Formen des Titels entstehen, bei dem vielfach der Holzschnitt, aber fast niemals der Kupfer- 1 Der Stich ist beschrieben bei Hind, Catalogue of early

Italian Engravings, London 1910, S. 132 Nr. 12. In den

meisten Exemplaren fehlt er, doch konnte ich ein voll-

stándiges Exemplar aus Stuttgart, Landesbibliothek, ein- sehen.

ERICH VON RATH‘ZUR ENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITELS

stich Verwendung fand. Zwar nahm die Kupfer- stichkunst im ersten Viertel des sechzehnten Jahr- hunderts durch Meister wie Albrecht Dürer und Lukas van Leiden einen bedeutenden Aufschwung, doch wurden damals in der Hauptsache nur Einzel- blätter geschaffen, während man das weite Feld der Buchillustration dem Holzschnitt als der geeigne- teren Technik überließ. Wenn das Wittenberger Heiligtumbuch von 1509 neben den in Holzschnitten von Lucas Cranach dargestellten Reliquien der Stifts- kirche Allerheiligen das gleichfalls von Cranach in Kupfer gestochene Doppelporträt Friedrichs des Weisen und Johannes des Beständigen als Schmuck des Titels enthält, so ist das eine Abweichung von der Regel, die vielleicht durch den Wunsch, diese Porträts der Stifter und Mehrer des Reliquien- schatzes besonders hervorzuheben, zu erklären ist. Für diese Deutung würde sprechen, daß auch das Haller Heiligtumbuch von 1520 das von Dürer ge- stochene Porträt des Kurfürsten Albrecht von Mainz bringt. Nur ist es in diesem zweiten Falle auf der Rückseite des Titels abgedruckt, ein Beweis da- für, daß diese Bücher für die Entwicklung des Kup- ferstichtitels keine wesentliche Rolle spielen.

Anders liegen die Verhältnisse in Italien. Das früheste Beispiel eines italienischen Kupferstich- titels des sechzehnten Jahrhunderts bildet der 1517 bei Gabriel da Bologna in Rom erschienene Dialo- gus des Amadeo Berruti. Die lebendig und schön ge- staltete Dialogszene, der Autor im Gespräch mit allegorischen Figuren (siehe Abb. 1), ist eine Arbeit des Marcantonio Raimondi, die wahrscheinlich schon mehrere Jahre vor dem Erscheinen des Buches ent- standen sein muD, da Berruti noch nicht in Bischofs- tracht dargestellt ist, obgleich er schon seit 1515 den Bischofssitz von Aosta inne hatte. Neben seiner

Verwendung im Buch ist der Stich auch als Einzel-

92

blatt verbreitet worden, und es ist zweifelhaft, ob er von vornherein für diese Schrift bestimmt wır, da die erläuternden Beischriften in früheren Zv- stánden des Blattes fehlen. Obgleich dieser Titel für fast dreißig Jahre der einzige seiner Art blieb, it er doch durch seinen Ursprungsort und durch den Meister, der ihn schuf, von besonderer Bedeutung’. Seit 1510 weilt Marcantonio Raimondi in Ron und hat hier die stárksten Eindrücke von der Kunst Raffaels und von den Denkmälern der Antike ешр. fangen. Im Bestreben, die künstlerische Wirkung dieser Werke im Kupferstich wiederzugeben, bildet er einen neuen Stil aus, der im Gegensatz zu der mehr zeichnerischen Art seiner Vorgänger plastische Formen und Raumwirkungen herausarbeitet. Er wird so zum Schöpfer des Reproduktionsstiches, der eine der wichtigsten Voraussetzungen der Kupfer stichillustration darstellt . Seine und seiner Schüler Stiche nach Denkmälern der Antike sind von Ал fang an stark begehrt gewesen und wurden zu gan- zen Folgen zusammengestellt, die die Romreisenden mit in ihre Heimat nahmen. Die kriegerischen Er eignisse des Jahres 1527, die zur Eroberung Roms führten, haben auch die Werkstatt Marcantons ver- nichtet, doch sind die Platten der Stiche gerettet worden und finden sich später in den Händen unter- nehmender Verleger, zu denen vor allem die Ge- brüder Tramezzino, Antonio Salamanca und Anto nio Lafreri gehóren. Neue Kúnstler, wie Aenea Vico und Nicolas Beatrizet, stellten sich ein und schufen sowohl in Rom wie in Oberitalien die ersten Kupfer- stichbücher. Bevor ich mich ihnen zuwende, mu ich aber ein Kupferstichwerk kurz besprechen, das

1 Н. Delaborde, Marcantoine Raimondi, Paris o. J., S. 234

Nr. 211, und А. W. Pollard, Fine Books, London 1912, S. 274 mit Abbildungen.

3 P. Kristeller, Kupferstich und Holzschnitt, 4. Auflage Berlin 1922, S. 268.

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ERICH VON RATH:ZUR ENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITELS

auf ganz anderem Boden, nämlich in England, ent- standen ist.

Thomas Geminus, ein flämischer Wundarzt und Kupferstecher, der seit den zwanziger Jahren in England lebte, bearbeitete die 1543 erschienene Ana- tomie des Andreas Vesalius und gab diese Arbeit unter dem Titel: »Compendiosa totius anatomiae delineatio« 1545 in London, ohne den Namen des Vesalius zu nennen, als eigenesWerk heraus. Die groß- artigen Holzschnitte des Johann Stephan van Cal- car, die Vesalius seiner Anatomie beigegeben hatte, wurden von Geminus in ziemlich mäßigen Kupfer- stichen kopiert. Anders steht es aber mit dem Titel- blatt, dessen hervorragende Qualität auf einen be- deutenden Künstler schließen läßt. Der ganz in Kupfer gestochene Titel (siehe Abb. 2) zeigt in einer reich verzierten architektonischen Umrahmung das englische Wappen und wird von Sidney Colvin! dem flämischen Maler Pieter Coecke (Cock) van Aelst zu- geschrieben. Unzweifelhaft ist dieses Titelblatt ohne stark italienische Beeinflussung nicht denkbar. Wir wissen ja auch, daß Pieter Cock sich vorher in Rom aufgehalten und als Ergebnis seiner Reise Serlios Architekturwerk die Regule generali 1542 in flämi- scher Übersetzung in Antwerpen herausgab. Wenn auch nur indirekt, so steht also auch dieses Titel- blatt mit Italien in nahem Zusammenhange, ob- gleich es überraschenderweise in London entstanden ist. Soweit mir bekannt, ist dieser Titel zu der Ana- tomie des Geminus der erste vollständige Kupfer- stichtitel, der einem Buch beigegeben wurde.

Wenig später folgen auch in Italien die ersten Kupferstichbücher, denen in der Regel ein Kupfer- stichtitel vorangestellt ist. Zu den frühesten und bekanntesten gehören die Sammlungen der Bilder

1 Early Engravings and Engravers in England, London 1905, S. 15. Über Geminus vgl. Thieme-Becker XIII, S. 376.

53

der römischen Kaiser und Kaiserinnen, die Aenea Vico nach Münzen und Medaillen der Antike von 1548 an in verschiedenen Ausgaben veröffentlicht hat. Ihnen allen ist die künstlerische Ausstattung des Titelblattes gemeinsam, die mit Mitteln der Re- naissance - Architektur und -Plastik eine großartige Eingangspforte aufbaut. Diese Art der Titelumrah- mung war im Holzschnitt seit langem úblich. Sie begegnet uns schon um 1490 als Verzierung nicht des Titels, aber des Textanfanges in Holzschnitt- büchern Venedigs, geht dann auf den Titel selbst über und wird auch in deutschen Druckstätten, vor- nehmlich in Basel, zur Zeit Holbeins vielfach ver- wendet!. Mit besonderer Vorliebe haben dann Ver- leger, wie Gabriel Giolito und Vincenzo Valgrisi in Venedig, ihre zahlreichen Ausgaben italienischer Klassiker mit Titelblättern dieser Art versehen und so unmittelbare Vorlagen für den Kupferstichtitel geschaffen. Die Technik des Kupferstiches, seine besondere Fähigkeit, plastische Formen wiederzu- geben, hat aber die künstlerische Wirkung dieser Umrahmung unendlich gesteigert. Als Beispiel ver- weise ich nur auf das prachtvolle Titelblatt, mit dem Aenea Vico die zweite Ausgabe der Bilder der Kai- serinnen ausgestattet hat (siehe Abb. 3).

Nicht alle Kupferstichbücher dieser Epoche haben auch einen Kupfertitel erhalten, dem emblemati- schen Werk des Achille Bocchi, das zuerst 1555 mit guten Stichen von Giulio Bonasone in Bologna ver- öffentlicht wurde, sowie dem Tratato di Scientia d’Arme von Camillo Agrippa (Roma: Antonio Blado 1553), einem der frühesten und schönsten der römischen Kupferstichbücher, fehlen sie noch. Doch findet sich schon 1558 in den Schriften der so kurz-

lebigen Academia Veneta eine in Kupfer gestochene

1 A. F. Johnson, The Italian sixteenth Century, London 1926, S. 22.

ERICH VON RATH-ZUR ENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITEG

Darstellung der Fama gleich einer Druckermarke dem Titel eingefügt. Im Ganzen setzt sich seit dem Beginn der sechziger Jahre der Gebrauch in Kupfer gestochener architektonischer Titelumrahmungen für das italienische Kupferstichbuch immer mehr durch und nimmt allmählich eine typische Form an. Das Titelblatt, das Antonio Lafreri 1566 den Bildern berühmter Rechtsgelehrter beigab, kann als Bei- spiel dieser typischen Form dienen (siehe Abb. 4), die in der Folgezeit trotz aller Variation in Einzel- heiten in ihren Grundzügen immer wiederkehrt. Unter den Ländern des Nordens haben besonders die Niederlande die italienischen Anregungen bereit- willig aufgegriffen und wetteifern in der Pflege der Kupferstichillustration bald mit dem Ursprungs- land. Die Antwerpener Firma des Malers und Kup- ferstichhändlers Hieronymus Cock »Aux quatre vents« bildet in den fünfziger Jahren den Mittel- punkt dieser Bestrebungen und geht vom Verlag reiner Kupferstichfolgen sehr bald auch zur Förde- rung des Kupferstichbuches über. Neben Hierony- mus Cock erwies sich die Tätigkeit des Malers Hubert Goltzius, der in verwandtschaftlicher Be- ziehung zu dem bereits erwähnten Pieter Coecke van Aelst stand, als besonders wirksam. Der vielseitig interessierte Künstler, der sich auch als Schriftsteller und Gelehrter auszeichnete, gab von 1563 an eine Reihe von Werken heraus, in denen er die römische Geschichte auf Grund umfangreicher Reisen erworbener Sammlungen antike Medaillen behandelte. Diese Werke seinem Wohnort Brügge in eigenerDruc reichen gestochenen Münzabbildungen nen Titelblättern von der Hand des weit meine Kenntnis reicht

» auf seinen r Münzen und erschienen in kerei mit zahl- und gestoche- Künstlers. So- ‚ist das Titelblatt zum

(siehe Abb, 5) eines der frúhesten, wenn nicht das früheste,

C. Julius Cäsar von 1563

gestochene

54

Titelblatt in den Niederlanden. Es läßt in seiner or. namentalen Gestaltung, die von dem herkömmliche Schema vollständig abweicht, deutlich erkenne, | wie stark Goltzius von der Antike inspiriert war, |

Wenig spater als Goltzius wandte sich auch der groBe Buchdrucker Christoph Plantin dem Kupfer. stich zu, um ihn zunächst in der Anatomie des Val-

“verde zu verwenden, die er 1566 in lateinischer und 1568 in flämischer Sprache erscheinen ließ, Als Vor bild diente die 1556 und 1560 in Rom mit Kupfer- stichen des Nicolas Beatrizet veröffentlichte Aus gabe des gleichen Werkes. Das prächtige Titelblatt der zweiten Plantin-Ausgabe (siehe Abb. 6) weit unverkennbar starke Beeinflussung durch römische Vorlagen auf. Plantins Tätigkeit, besonders in den siebziger und achtziger Jahren ist für die weitere Ausdehnung der Kupferstichillustration von ent scheidender Bedeutung. Er gewann eine ganze Reihe sehr geschickter Künstler, wie die Gebrüder Wierix:, die Sadeler, Abraham de Bruyn, Philipp Galle u. а

die in einer glatten und sauberen Technik den stei

genden Bedarf an Illustrationen und Titelblätten leicht befriedigten!. Einenneuen Aufschwangnins!

diese Produktion durch Peter Paul Rubens. e 1608 lebte der Künstler in Antwerpen und trat ш nahe Beziehungen sowohl zu dem Plantinschen lag als auch zu den zahlreichen Kupferstechern, die für ihn arbeiteten. Rubens, der den Kupferstich als ein wirksames Mittel zur Popularisation seiner künstlerischen Schöpfungen erkannte, hat für d e tin eine ganze Reihe bedeutender Entwürfe für Titel-

blätter geschaffen, die er durch trefflich EH

Künstler, wie Cornelius Galle und Pieter de Jode, in Kupfer stechen ließ. Sie heben sich aus der Menge

; Vi gleichgültiger Blätter der Zeit durch ihre Quali

jur e А Funck, 1 M. Roses, Christophe Plantin, 2. éd. Anvers v Le livre Belge à gravures, Paris 1925, S. 171ff.

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ERICHVONRATH-ZURENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITELS

und durch die leicht erkennbare Hand des Künstlers stark heraus (siehe Abb. 7)1.

Die Steigerung der Kupferstichillustration in den Niederlanden blieb nicht ohne Folgewirkungen für die angrenzenden deutschen Gebiete. Vereinzelt hat- ten seit der Mitte des Jahrhunderts deutsche Meister, wie Augustin Hirschvogel, Virgil Solis und Jost Amman, von Kupferstich und Radierung zur Illu- strierung von Büchern Gebrauch gemacht, doch bleibt die Verwendung des Kupferstichs besonders bei den beiden zuletzt genannten Künstlern die Aus- nahme. Der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Lei- stung liegt in den Holzschnitten, mit denen sie die zahlreichen Bibelausgaben, Chroniken und emble- matischen Bücher FrankfurterVerleger schmückten. Die entscheidende Wendung zur Kupferstichillu- stration tritt in Deutschland erst mit dem Auf- treten niederlündischer Künstler ein, die aus reli- giósen Gründen ihre Heimat verlieDen, um sich in Deutschland ein neues Betütigungsfeld zu suchen. Franz Hogenberg aus Mecheln?, der vorübergehend auch in England gearbeitet hatte, siedelte um 1570 nach Köln über und gab dort mit Georg Braun und Simon Novellanus (van den Noevel) die »Beschrei- bung und Contra-Factur der vornembster Staet der Welt« von 1572 an heraus. Diese großartige Samm- lung von Städteansichten gehört zu dem besten, was jemals auf diesem Gebiet geleistet worden ist und hat bei zahlreichen Werken ähnlicher Art als Muster gedient. Die einzelnen Teile des Werks sind mit gestochenen Titelblüttern in den typischen For- men architektonischer Umrahmung versehen und haben sicherlich dazu beigetragen, diese Art des

Titelschmucks, die man noch bei Merian und seinen

! Funck, Le livre Belge à gravures, S. 231 ff.

- ® Merlo, Kölnische Künstler, herausgegeben von Firmenich- Richartz, Düsseldorf 1895, Spalte 367 ff.

55

Zeitgenossen wiederfindet, auch in Deutschland Ъе- kannt zu machen.

Fast gleichzeitig hatte sich die Stecherfamilie de Bry! in Frankfurt niedergelassen. Bald nach 1570 begründete Theodor de Bry aus Lüttich eine Buch- und Kupferstichhandlung in Frankfurt, gab eine Reihe sehr fein gestochener Ornamentstichfolgen als Vorlagen für kunstgewerbliche und Goldschmied- arbeiten heraus und ging in den achtziger Jahren auch zur Kupferstichillustration über. Weder in seinem großen Reisewerk, den »Collectiones pere- grinationum in Indiam orientalem et Indiam occi- dentalem«, noch in den verschiedenen emblemati- schen Büchern von Boissard und anderen finden sich originellere Lösungen in der Gestaltung des Titel- blatts. Im Gegenteil, de Brys Kupferstichtitel bieten zunächst nichts anderes als gut gestochene Wieder- holungen der üblichen architektonischen Umrah- mungen. Erst in der Mitte der neunziger Jahre bildet sich eine neue Form des Kupfertitels aus, die wahr- scheinlich einem der Söhne Theodors, Johann Theodor oder Johann Israel, zugeschrieben wer- den muß. In dem »Theatrum vitae humanae«, das Boissard mit de Bryschen Kupfern 1596 in Metz er- scheinen läßt, erwähnt er im Vorwort ausdrücklich die Mitarbeit der beiden Söhne, »patri ingenio et arte paribus«, und gerade dieses Werk ist das erste, das ein Titelblatt ganz abweichender Gestaltung zeigt (siehe Abb. 8). Johann Theodor de Bry ist von den beiden Söhnen zweifellos der begabtere gewesen. Seine Arbeiten übertreffen vielfach sogar die des Vaters, so daß alles dafür spricht, daß er der Schöpfer dieses und einer Reihe ähnlicher gestochener Titelblätter gewesen ist. Die architektonische Form der Um-

rahmung ist hier zugunsten einer freieren Gestaltung

1 Thieme-Becker, V, S. 162f.

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ERICH VON RATH-ZUR ENTWICKLUNG DES KUPFERSTICHTITELS

völlig aufgegeben, die vier kleine Bilder um den von schmaler Leiste eingefaBten Titel gruppiert. Der Inhalt der vier Bilder, die sich aus einem von Grotes- ken und Ornamenten belebten schwarz schraffiertem Grund herausheben, zeigt das menschliche Leben von der Wiege bis zum Grabe unter der ständigen Bedrohung des Todes und entspricht der pessimi- stischen Grundstimmung des Buches, in dem Bois- sard »humanae vitae miserabilem cursum« schildern will. Diese Tendenz, schon im Bilderschmuck des Titels auf den Inhalt hinzuweisen, wiederholt sich noch in einem im gleichen Jahr erschienenen Werke Boissards, den »Vitae et Icones Sultanorum Turci- corum«, deren Titel Herrscherfiguren und Schlach- tendarstellungen in ähnlicher Anordnung wie beim »Theatrum vitae humanae« zeigt. Auch Boissards berühmtes Portrátwerk, die Icones virorum illu- strium doctrina et eruditione praestantium«, das die

de Brys in Frankfurt von 1597—1599 in vier Teilen

veröffentlichten, bietet Beispiele der neuen Titel-

gestaltung. Der Titel des ersten Teiles führt die

Beschäftigung gelehrter Männer wiederum in vier

Bildern vor, die kunstvoll in einen durch Blumen, Früchte und Grotesken verzierten Ornamentrahmen eingefügt sind, während der des zweiten eine glün- zend gestochene gegenseitige Kopie des Dürer-Holz-

schnittes »Der heilige Hieronymus in der Zelle« (Bartsch 114) aufweist. Es ist also kein Zweifel, daß

hier, an der Schwelle des siebzehnten Jahrhundert, Anfünge einer neuen hóchst wirksamen Gestaltung des Kupfertitels vorliegen, in der das illustrative Element, für das die starre architektonische Un- rahmung wenig Raum bot, mehr in den Vorder- grund tritt.

Mit Dominicus Custos aus Antwerpen, der sich um 1584 in Augsburg niederließ, faßt die Kupfer- stichillustration in Süddeutschland Fuß und breitet sich nun schnell in ganz Deutschland aus. Ak Johannes Jacobus Luckius 1620 in Straßburg eine Sammlung von Münzen und Medaillen deutscher Kaiser und Fürsten veranstaltete, wählte er zu ihrer Wiedergabe ganz selbstverständlich den Kupfer- stich, obgleich gerade Straßburg bis dahin eine Do- mäne der Holzschnittillustration gebildet hatte. Das wirkungsvoll gestochene Titelblatt (siehe Abb. 9) seiner »Sylloge Numismatum« ist von einem Meister Е. B. gestochen, der vielleicht mit Friedrich Bren- tell, einem Straßburger Kupferstecher der Zeit, identisch ist. Dieses Titelblatt, mit dem ich diese Übersicht abschließe, zeigt im Gegensatz zu den späteren Arbeiten der de Brys noch einmal die archi- tektonische Form, die ihre erste Ausbildung in Italien gefunden hatte und sich nun auch in Deutschland mehr und mehr durchsetzt.

1 Vgl. Andresen, Der deutsche Peintre-Graveur, IV, Leipsig 1874, S. 185f.

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Titel-Lithographie von Erich Gruner

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DAS LITHOGRAPHISCHE TITELBLATT

VON FRIEDRICH SCHULZE-LEIPZIG

Wer auf Büchertitel überhaupt zu achten pflegt, den nimmt es nicht wunder, daß in verschiedenen Sprachen das Wort » Frontispiz« die Gebäudeansicht wie den Büchertitel bezeichnet. Denn durch lange Zeiträume hat der Titel enge Beziehung zu den Architekturformen gehabt. Dem lithographischen Titelblatt fehlt solche Beziehung; es ist so architek- turfern wie möglich, aber die flüssige, geschmeidige Technik des Steindrucks nähert es oft bis zum Ver- wechseln der Schreibkunst, von deren schon aka- demisch-herbstlich gefärbter Nachblüte es Nutzen zieht. |

Es ist deshalb auch nicht allzu schwer, die frühen lithographischen Titelblätter zu charakterisieren. Sie haben die Zierfreude kalligraphischen Ur- sprungs, umspinnen die Worte der Aufschrift in einem fein gestuften System von Schnörkeln und Schwüngen, sie kennen keine Titelnormen im land- läufigen Sinne, wie auch ihre gezeichnete Schrift sich in der Mischung der Schriftarten, die man im Gegenteil schön findet, nicht den geringsten Zwang antut. In der Tat wird so in den besten Fällen Abrundung und Geschlossenheit erreicht, in den minder guten tritt jene anspruchsvolle Dürre des Diploms in Erscheinung, in der diese Art litho-

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graphischen Kunstwerks schließlich vielfach er- starrt ist.

Es liegt in der Vignettenlosigkeit der klassizi- stischen Zeit in der Technik selbst ist es nicht unbedingt begründet —, daß die frühen lithogra- phischen Titel meist bildlos sind. Der Versuch, diese klassizistische Gewohnheit zu durchbrechen, scheint zuerst von volkstümlichen Werken gemacht zu sein, begünstigte doch gerade die Lithographie das Aufkommen des wohlfeilen illustrierten Lie- ferungswerkes. In »Sachsens Volkssagen« von Widar Ziehnert, von dem ein Titelblatt wiedergegeben ist, sind alle diese Züge vereinigt.

Näher liegt es aber, mit den Mitteln der Kalli- graphie Tonigkeit und dekorative Abwechslung zu erstreben; näher liegt es auch, zur Zweifarbigkeit überzugehen oder Tonunterdruck zu wählen. Mit mehr als zweifarbigem Druck wird freilich im all- gemeinen nicht der Titel, sondern der Umschlag bedacht, der dann manchmal, um ihn dauernd zu erhalten, auf den kartonierten Band aufgeklebt wird. Namentlichdie Jugendschriften unsererKind- heit, die Märchenbücher und die Naturgeschichten, waren 80 ausgestattet und boten dem kindlichen

Auge wenigstens einen großen Anreiz, Diese Ent-

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FRIEDRICH SCHULZE-LEIPZIC. DAS LITHOGRAPHISCHE TITELBLATT

wicklung, die neben Phantasievollem und gut Ge-

zeichnetem auch Grelles und völlig Unmögliches auf den Markt brachte, gehört aber zu einem guten Teil der Geschichte wirksamer Buchreklame an und entfernt sich damit von der eigentlichen Titel- gestaltung.

Im Gefolge der buchgewerblichen Bewegung kam die Lithographie, die eben aus vielen ihrer Gebiete durch technische Neuerungen verdrängt "worden war, in neuer Verwendung wieder. Sie war jetzt nicht mehr Reproduktionsmittel, sondern unmittel- barer Ausdruck des Künstlerwillens. Sie kam als Originallithographie. Auf dem Umweg der Buch- illustration erobert sie sich unter Umständen auch das Titelblatt wieder. Es kann ja durch einen der Buchillustration verwandten Titel die Einheitlich- keit des Buches stärker betont werden, die Vignette kann eine Art Auftakt sein. Ihre Verwendung ent- springt somit dem gleichen Gefähl, aus dem Buche ein geschlossenes Kunstwerk zu machen, wie es die Renaissance gehabt und mit den Holzschnitt durch-

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geführt, wie esimzierlichen Rokokobuch die Radier. nadel zuwege gebracht hat. Dabei braucht es sich nicht um eine gegenständliche Vignette zu handeln, die eine Szene, eine F igur von besonders bezeich. nendem Charakter heraushebt, wie es etwa in Pree. torius »Taugenichts« (Hans v. Weber) oder Walzen »Prinzen von Hamburg« (Cassirer) geschieht, auch das dekorativ Stimmungsvolle ist möglich: so würde ich das Titelblatt der von Erich Gruner geschmick- ten Bibliophilen-Ausgabe der »Träumereien an französischen Kaminen« auff assen. Hier ist einfach „Träumerei das Leitmotiv, ohne daB viel weitere Anspielung an den Inhalt des Buches erstrebt wird.

Dies sind etwa die F ormen, die aus der reichlich hundertjährigen Entwicklung des lithographischen Titelblattes hervorgegangen sind. Es zeigt sich da- bei überdies, daß wichtige technische Mittel durch neue Erfindungen nicht zum Absterben gebracht werden können, sondern durch sie eher nur einen

differenzierteren Sinn erhalten.

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DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

VON JOHANNES SCHUBERT-LEIPZIG

Wi. die Eigenart des chinesischen Wesens über- haupt das Interesse fremder Völker erweckt, so reizt auch in buchkundlicher Hinsicht die eigentüm- liche Form des chinesischen Buches im besonderen zur Betrachtung. Ein Land wie China mit einer so reichen Kultur besitzt natürlich auch eine Menge von Schriften. Allerdings steckt die Erschließung dieser Bücherschätze wenigstens soweit sie in euro- päischen Bibliotheken angesammelt sind noch im Anfang. Eine entsprechende Katalogisierung hat noch nicht allzu lange begonnen und ist noch lange nicht durchgeführt. Über das Schrift- und Buch- wesen, sowie die Buchdruckerkunst in China ist zwar schon manches geschrieben worden, aber spe- zielle, buchtechnische Monographien fehlen noch. Dem ganzen Inhalte dieses Jahrganges von »Buch und Schrift« gemäß soll hier einmal das chinesische Titelblatt etwas ausführlicher behandelt werden. Die folgenden Zeilen stellen aber weder eine historische Abhandlung dar, noch erschöpfen sie den Stoff völ- lig, sondern haben das Ziel, dem Bibliothekar, Biblio- philen usw. einen tieferen Einblick in die Gestaltung des chinesischen Titelblattes zu gewähren (1).

Für das richtige Verständnis ist nötig, zunächst etwas über die Form des chinesischen Buches (2) zu

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sagen. Das chinesische Buch im weitesten Sinne hat ebenso wie das europáische eine Wandlung von vie- len, vielen Jahren durchgemacht. Von den, an einem Ende mittels Leder- oder Seidenfaden zusammen- gebiindelten und von oben nach unten beschriebe- nen Bambusstreifen (chines. 1854) (3) über die Rol- lenform (chines. djüan*) (4) und das Faltbuch (5) (Leporelloformat) gelangte man schließlich zu der bekanntesten und heute üblichen Form des chine- sischen Buches, welche den Chinesen unter dem Namen »Schmetterlingsbuch« (6) bekannt sein soll, weil die Blätter des aufgeschlagenen Buches da der harte Buchdeckel fehlt (7) mit einem fliegenden Schmetterling verglichen werden können (8). Da- neben gibt es jetzt auch sehr viele nach europäischer Art gebundene Bücher (9). In bezug auf die Ein- bände bzw. Buchhüllen der einheimischen, chinesi- schen Bücher läßt sich etwa folgendes feststellen: den Bambusstreifenbüchern fehlt, wie 2. В. vielen indischen Palmblattbüchern, jeglicher Einband; die Rolle wird in mitunter sehr kostbaren Seidenhül- len (10) aufbewahrt; das Faltbuch besteht entweder aus so festem Material, daß es eines weitern Schutzes nicht eigentlich bedarf oder es besitzt soweit es aus gewöhnlichem, chinesischen Papier hergestellt

JOHANNES SCHUBERT .

ist, zum Schutze zwei Holzdeckel, die an der un- beschriebenen ersten und letzten Seite befestigt sind (11); das Schmetterlingsbuch entbehrt als ein- zelnes, selbständiges Heft (chines. bën?) und oft auch als mehrbändiges Werk jeder festeren Schutz- decke (12). Im letzten Falle wird aber meist seit der Sung-Dynastie [960 bis 1276] (12 a) eine Schutz- hülle (chines. han?) (13) gebraucht, die entweder aus zwei, durch Bänder miteinander verbundene Holz- bretter (chines. djia! ban?) (14) oder aus mit Tuch überzogener Pappe (chines. tau!) (15) besteht.

In gleicher Weise wie die Form des Buches hat sich natürlich auch die Darstellung des chinesischen Titels (chines. schu! ming*) entsprechend gewandelt und der jeweiligen Form angepaßt. Die chinesischen Werke haben, wie bereits an andrer Stelle und von

andrer Seite ausgeführt worden ist (16), gewöhnlich |

mehrere Titelformen, nämlich die ausführlichste oder auch eine stark gekürzte auf dem Titelblatt, eine ausführliche am Anfang der einzelnen Bücher und eine kurze am äußeren Blattrande. Die Lage der zu- letzt genannten zwei Titelarten ist aus dem Schema auf Tafel II, В, Па zu ersehen [der Randtitel in schmaler, der Anfangstitel in starker schwarzer Blockierung angedeutet]. Schließlich tritt noch eine Art Außentitel [der sich auf dem Umschlag des ein- zelnen Heftes (bën?) und meist auch auf der Um- hüllung befindet] dazu. Diese vier Arten des Titels treten nun nicht immer zusammen auf, sondern man wird nur die beiden Titelformen, am Anfang der ein- zelnen Hefte und am äußeren Blattrande wenig- stens seit dem Aufkommen des Schmetterlingsbuches fast immer antreffen, während Außentitel und eigentliches Titelblatt häufig fehlen. Im allgemeinen scheidet der Chinese, also auch wie wir, zwischen AuBentitel (chines. feng! mian‘ ti? kuan?) und Innen- titel (chines. piän! tou? ti? kuan?) (17).

60

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

Der Außentitel tritt wenn man von den Ban- busstreifenbüchern und der Rolle einmal absieht - bei jeder späteren Form des chinesischen Buches, d. h. vom Faltbuch an, auf. Er zeigt sich als eigent- licher Umschlagtitel, Buchschnitt-Titel und Rücken- titel. Der Umschlagtitel, der seiner Form nach meist einspaltig, und zwar, dem Charakter der chinesi- schen Schrift entsprechend, von oben nach unten laufend erscheint, befindet sich hinsichtlich seiner Lage entweder auf der linken Seite oder in der Mitte des Buchumschlages bzw. der Buchhülle. Auf Tafel II, A, I bis IV ist die Lage des Titels schematisch dargestellt. Der Titel ist mitunter direkt (17a) auf dem Umschlag bzw. der Buchhülle mit schwarzer oder roter Farbe aufgemalt, soweit der Umschlag aus Papier oder was bei den Hüllen der Fall ist - aus Pappe, die mit verschiedenfarbigem Tuch über- zogen ist (18), oder aus Holzdeckel besteht. Im letz- ten Falle kann der Titel auch auf dem obern Deckel eingebrannt und zur Erhöhung der Sichtbarkeit mit schwarzer, roter, grüner, weißer Farbe usw. ausge malt sein. Ebenso kann er in allen Fällen eine Um- randung erhalten (das sollen die punktierten Linien auf Tafel II, A, I und II darstellen) (19). Er ist aber auch wohl ebensooft indirekt auf einem beson- deren, andersfarbigen Streifen, der auf den Um- schlag bzw. die Buchhülle geklebt ist (Tafel II, A, III und IV. Ein Originaltitel dieser Art befindet sich auf Tafel III, a) angebracht. Der Streifen ist meist

weiD, gelb, rot oder schwarz. Ist er von schwarzer Farbe, so ist die Schrift gewöhnlich weiß ausgespart; ist er rot, so herrscht die schwarze Aufschrift vor; ist er gelb oder weiß, so wendet man schwarze oder rote Aufschrift an. Besteht ein Werk aus mehreren Hef- ten, so ist der Umschlagtitel auf jedem einzelnen Hefte und meist auch auf der, das ganze Werk einschließen- den Hülle zu finden. Außentitel, wie sie auf einzelnen

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Umschlagtitel einer Ausgabe der ehe-

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ch Umschlagtitel einer Ausgabe (а. 4. J. 1917) Umschlagtitel eines Schullehrbuches á der ehemaligen chinesischen Schulfibel für den Geschichtsunterricht (s. S. 64) (s. S. 62) (1924/25)

JOHANNES SCHUBERT -

Heften vorkommen, bringt die Tafel 111, Seite 61. Die zweite Form des Außentitels, dieich Buchschnitt- Titel genannt habe, ist auf dem unteren Schnitt des Buches durch Druck oder Handschrift häufig mit schwarzer Tusche angebracht und ersetzt, da die chinesischen Bücher nicht wie bei uns vertikal aufgestellt, sondern horizontal gelegt werden, den Rückentitel des europäischen Buches. Nur diejeni- gen chinesischen Bücher, die nach europäischem Vor- bild angefertigt sind, zeigen naturgemäß auch einen, oft mit schönem Golddruck versehenen, wirklichen Rückentitel, also die dritte Form, in der ein Außen- titel erscheinen kann. Fragen wir nach dem Inhalt des Außentitels, so beschränkt sich dieser im allgemeinen nur auf den eigentlichen Namen des Buches in ausführlicher oder kurzer Form. So stellt z. B. Tafel III, a einen Außen- titel (nach dem Schema der Tafel II, Nr. IV) in aus- führlicher Form dar. Der Titel lautet (20): »djing! djin! tjüan? fe! dji* lüà*« = Kurzer Bericht über die Boxer in Peking und Tientsin. Das ganze Werk be- steht aus einem einzigen Heft. Vorhanden sind An- fangs- und Randtitel. Ein Titelblatt fehlt ganz; des- gleichen Verfassername, Druckvermerk usw. Hier und da, jedoch nicht so häufig, findet sich eine An- gabe über Auflage, Verlag, Illustration und derglei- chen auf dem Umschlag- und Rückentitel, nie aber auf dem Buchschnitt-Titel. Die einspaltige Form des eigentlichen Buchtitels wird dann durchbrochen, in- dem diese Angaben in kleinerer Schrift noch in wei- teren vertikalen Spalten unten hinzugefügt bzw. oben vorangestellt sind (21). Als Beispiel hierzu wähle ich zwei verschiedene Ausgaben der ehemali- gen chinesischen Schulfibel (die sogar ins Mandschu- rische und Mongolische übersetzt ist), des »San-ds1- djing« [= Drei-Zeichen-Kanon; so genannt, weil der Text in Reimen zu je drei Zeichen abgefaßt ist] (22).

62

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

Tafel ПІ, b laßt folgenden Außentitel erkennen: »hui* tu? li? echt? san! del! djing! du? bén*: = ill. striertes, geschichtliches»Drei-Zeichen-Kanon:-Lese- buch. Darunter findet sich Angabe des Verlags- ortes und Verlegers: »schang? hai? hai? dso? schu! djü* yin‘ hang% = [Verlag:] Hai-dso-schu-djú-ym: hang in Schanghai. Gleichzeitig zeigt der Außentitel eine zum Text des Buches gehórige Illustration. Die Schrift in der Mitte auf dem Bilde lautet: »djiau' dsi? i! djing! tuè% = Abbildung [zu den Versen 375 bis 376:] »ich lehre die Kinder [nur] einen Kanon. Das ganze Werk besteht aus einem Heft ohne wei‘ teres Titelblatt. Von Innentiteln sind Randtitel und Anfangstitel vorhanden. Der Name des Verfassers, Angabe des Erscheinungsjahres fehlt. Ein anderes Exemplar dieses Buches (Tafel III, с) trägt den Außentitel: „hui“ tu? mëng? hsüä® san! dsl“ djing’ = illustrierter, der Belehrung der Jugend (dienender der) Drei-Zeichen-Kanon. Darunter steht die An- gabe der Druckerei: »dschu* dji“ djü? schi* yin“. Dieser Name der Druckerei befindet sich nochmals am Schlusse des Heftes, wo man auch die Orts- angabe »Schanghai« erfährt. Das ganze Werk besteht ebenfalls nur aus einem Heft und besitzt kein be- sonderes Titelblatt. Der Name des Verfassers fehlt auch hier wieder (23). Von den vorhandenen beiden Innentiteln, Randtitel und Anfangstitel, ist der let tere deshalb bemerkenswert, weil man aus ihm die für eine bibliographische Aufnahme wichtige Notiz entnehmen kann: »ding! dji nian“ schl“ i! yaa‘ два ban*« = Neudruck vom 11. Monat des Jahres ding: dji [— 1917].

Diese Angaben auf dem Umschlagtitel können, besonders bei neueren Drucken, aber nicht allzu om fangreichen Werken, auch so ausführlich auftreten,

daß der Außentitel ganz den Charakter eines Titel

blattes erhält, wie er es denn in vielen Fällen über-

TAFEL IV

(1/2 natürliche Größe)

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Titelblatt einer Sammlung der vier Titelblatt eines Werkes über klassischen Bücher (s. S. 66) den Buchdruck in China 1906 (в. S. 66—68) 1916

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Titelblatt zum Werke »Dau-dö-djing (=Taoteking)< des Lau-dsi (=Laotse) (s. S. 68)

JOHANNES SCHUBERT -

haupt ersetzen muß. Ein Schulbuch für den Ge- schichtsunterricht dient als Vorlage. Tafel III, d zeigt den Text dieses Umschlagtitels. Wir lesen auf der obersten Reihe (24): »djiau! yü* bu*schén? ding*« = vom Unterrichtsministerium festgesetzt. Der wei- tere Inhalt besagt (25): »gau! dëng? hsiau? hsüä? hsiau*. tschun! dji* echt? уйќ = für obere Elemen- tarschulen. Oster-Anfangskurs. »Di* i! 186%, hsüä? schöng! yung“ = erstes Heft. Zum Gebrauch für Schüler. Es folgt ein Serientitel (bestehend aus den sechs Zeichen oben in der mittleren Spalte): »gung* ho? guo? djiau! ko! schul« = Lehrbücher der Repu- blik. Anschließend steht der eigentliche Titel des Buches: »hsin! lit sch1%« = Neue Geschichte, d.h. neues Lehrbuch für den Geschichtsunterricht. Den Schluß bildet die linke Spalte mit dem Druckver- merk: »schang! wu‘ yin‘ schu! guan* fa! hang*« =

Commercial Press (26). Das ganze Werk besteht aus

sechs einzelnen Heften. Jedes Heft trägt bis auf die

Heftzählung den aufgeführten Titel. Ein Titelblatt

ist in keinem der Hefte vorhanden. Die Namen der

beiden Herausgeber finden sich auf einer auf der

letzten Innenseite des Umschlages stehenden, sehr

ausführlichen Anzeige des Buches, die in neueren

Werken neben einem sonst vorhandenen Titelblatt

zu einem integrierenden Bestandteil zu werden

scheint (27). Aus ihr ist auch Preisangabe und Er-

scheinungsjahr (28) zu ersehen.

Von der eben betrachteten Form des Außentitels wenden wir uns zu der hauptsächlichsten, noch be- sonders zu besprechenden Gestaltung des Innentitels, dem eigentlichen Titelblatt.

Das chinesische Titelblatt kann seiner Lage nach, allgemein, wie bei uns, als die erste bedruckte Seite des Buches bezeichnet werden, die sich entweder direkt auf der Rückseite des oberen Umschlagblattes selbst (rechtsliegend, Tafel II, B, Ila) oder auf der

64

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

dem Umschlagblatt folgenden Seite (linksliegend, Tafel II, B, I) befinden kann. Die letztere Lage ist die häufigere. Das Titelblatt besteht dann aus dem gleichen Papier, auf dem der Text des Buches ge- druckt bzw. geschrieben ist, wird also auch fast їш- mer die Farbe dieses Papieres haben. Für die andere Art des Titelblattes wird meist einseitig-farbiges Pa: pier gebraucht, wobei als Farben gewöhnlich Weiß, Gelb, Grau und Rot auftreten. Die Schrift ist dabei von entsprechender Farbe. So findet sich auf weißen -Titelblättern schwarze oder rote Schrift; auf gelben und roten Titelblättern schwarze Schrift (vergleiche die Tafel V und VIII); auf grauem Grunde zeigt sich die Schrift in schwarz, rot oder ist weiß ausgespart. Das Papier des einseitig gefärbten Titelblattes ist gewöhnlich von ungefähr der gleichen Stärke wie der Umschlag des Heftes. Das Titelblatt ist mit diesem Umschlag oder einem dazwischenliegenden, leeren Blatte in der Weise verbunden, daß der äußere, um- geschlagene Kleberand des Titelblattes an der Rück- seite des Umschlages bzw. des dazwischenliegenden leeren Blattes festgeklebt ist (Tafel II, В, ПЬ zeigt diese Lage. Der umgeschlagene Kleberand des Titel- Mattes ist hier vom [schraffierten] Umschlag losgelöst dargestellt).

Das besondere Titelblatt fällt durch seine, gegen- über den sonstigen Blättern andersgeartete Umran- dung und eine breitere Spalteneinteilung auf (ver- gleiche Schema auf Tafel II, В, I und Па) (29). Von der sehr mannigfaltigen Spaltenteilung der chinesi- schen Titelblätter kann ich fünf Arten als besonders häufig auftretend, hervorheben. Diese fünf Arten zeigt die Tafel II, C, I bis V im Schema. Dabei kann Nr. II (ohne Spaltenteilung!) durch entsprechenden Schriftsatz jede Form annehmen.

Die Umrandung, durch welche die Spalten abge- grenzt sind, ist durch starke Linien gekennzeichnet.

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TAFEL V (Originalgröße)

Titelblatt einer chinesischen Lokalchronik (s. S. 66) 1889 (Der Untergrund ist von greller karmoisinroter Farbe)

JOHANNES SCHUBERT -

Die Linien selbst können in sich wieder verschieden zusammengesetzt sein. So habe ich bei der Durch- sicht des Materials Umrandungen von einfachen Linien, Doppellinien (z. B. zwei gleichmäßig starke Linien ; eine starke und eine schwache Linie; eine ein- fache gerade Linie und eine nebenherlaufende Kette), Wellenlinien und sogenannten »Wolkenmustern« (30) gefunden. Buddhistische Werke tragen mitunter ganz besonders verzierte Titelblätter, deren Darstel- lung einer besonderen Behandlung bedarf.

Auf Tafel IV und V habe ich nun eine Gruppe der charakteristischsten Titelblätter zusammengestellt. Ihnen allen liegt das Schema der Dreiteilung zu- grunde (31). Die Erfordernisse für diese Art von Titel sind, der Zahl der Spalten entsprechend, gleich- falls von dreierlei Art: Angabe des Erscheinungs- jahres (in der verwickelten chinesischen Zyklen- rechnung) im oberen Teil der rechten Spalte, der eigentliche Titel gewöhnlich in besonderer, fetter Schrift in der mittleren, breiten Spalte und der Name des Verlages bzw. der Druckerei im unteren Teil der linken Spalte. Tafel IV, a zeigt das Titelblatt (Schema: Tafel II, C, I) einer Sammlung der berühmten »vier klassischen Bücher« der Chine- sen in kommentierter Ausgabe. Der Titel in fetter Schrift in der Mitte lautet also: set? schu? dji? dschu*« = die vier [klassischen] Bücher mit gesammelten Kommentaren. Die vier klassischen Bücher umfas- sen das Lun‘-yii? = Gespräche [des Konfuzius, 551 bis 478 v. Chr.], das Da*-hsüá? = die große Lehre, das Dschung!-yung* = das Innehalten der [rechten] Mitte und »Méng* dsi*« = [Das Buch des Philoso- phen] Menzius [bedeutendster Jünger des Konfuzius, 372 bis 289 v. Chr.]. Die zuletzt genannte Schrift nimmt in der Ausgabe, welcher das Titelblatt ent- nommen ist, drei Hefte in Ánspruch und beginnt mit dem auf das Titelblatt folgendem Blatte. Die

66

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

einzelnen Titel der vier Bücher sind auf dem uns vorliegenden Titelblatte nicht genannt. Wir ersehen nur noch aus der oberen Hälfte der rechten Spalte das Erscheinungsjahr: »bing? niu*dschung' dung = mittlerer Wintermonat des Jahres bing-niu [— 1906] und aus der unteren Hälfte der linken Spalte den Verlag: »schang! wu‘ yin‘ schu! guan’ tsang? ban“ Commercial Press [in Schanghai].

In gleicher Weise setzt sich das Titelblatt auf Tafel V zusammen, das den Typus der Tafel II, C, I und B, lla und b zeigt. Es handelt sich dabei um die Lokalchronik eines Bezirkes in der Provinz Schantung mit farbigem Titelblatt. Der Titel in der mittleren Spalte lautet: »yü? tai? hsidn‘ dschi = [Lokal-] Chronik des Bezirkes Yü-tai. In der oberen Hälfte der rechten Spalte steht das Erscheinungs- jahr: »guang! hsü* scht? wu? nian! hsin! hsiuk = Neubearbeitung vom 15. Jahre [der Periode] guang- hsü [= 1889]. Bezeichnungen der Neuauflage, Neu- bearbeitung usw. finden sich vielfach bei der An- gabe des Erscheinungsjahres [vergleiche dazu oben S. 62b, Zeile 30/32]. Schließlich ist in der unteren Hälfte der linken Spalte der Verlag [ohne Ortsangabe] bezeichnet: »b&n? ya? tsang* ban*«. Das ganze Werk besteht aus vier Heften (bën?) in einem Pappum- schlag (tau*). Die Hülle und jedes einzelne Heft trägt einen Außentitel (nach dem Schema А, IV der Ta- fel II). Das Titelblatt findet sich nur im ersten Heft.

Diese Dreiteilung des Titelblattes haben auch mo- derne Drucke beibehalten; jedoch die in der oberen Hälfte der rechten Spalte zu erwartende Angabe des Erscheinungsjahres ist hier durch den Namen des Autors oder eines Kommentators ersetzt. So verhältes sich z. B. mit dem Titelblatt auf Tafel IV, b. Es ist der Titel eines Heftes aus der ersten Reihe eines in zwei Reihen erschienenen Sammelwerkes. Der Titel der Sammlung steht in der mittleren Spalte oben (32):

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TAFEL VI

(/ natürliche Größe)

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Titelblatt eines philosophischen Werkes Titelblatt eines Missions-Schulbuches Feler (s. S. 68) 1893 für Rechenunterricht (s. S. 68) 1901

TAFEL VII

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e Titelblatt eines chinesischen Romanes Titelblatt der kommentierten Ausgabe | (в. 5. 68) eines alten Wörterbuches (в. S. 70)

JOHANNES SCHUBERT = DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

»wén? i‘ teung! ko! i! dji*« etwa = zweite Reihe [wört- liche Sammlung] der Sammlung [zur Fórderung der] Bildung. Dann folgt der Tite] des betreffenden Hef- tes (33): »dschung! guo? diau? ban? yüan? Ни? kau*« = Untersuchung über die Herkunft des Buchdruckes in China. In der obersten Hälfte der rechten Spalte ist der Verfasser genannt: »liu? an! biän! dsuan*« = von Liu An verfaßt. Die linke Spalte bringt in ihrer unteren Hälfte die Verlagsangabe: »schang! wu‘ yin‘ schul guan? fa! hang*« = Commercial Press [in Schanghai]. Erscheinungsjahr und Auflage usw. ist nur aus der Anzeige auf der Innenseite des unteren Umschlagblattes ersichtlich: »dschung! hua? min? guo? echt? wu? шап? wu? yüät wu? ban% = 5. Auf- lage [vergleiche S. 66b, Zeile 19ff.] vom 5.Monat des 15. Jahres der chinesischen Republik [— 1916]. Das vollständige Werk besteht aus einem Heft.

Das noch übrige Titelblatt dieser Gruppe, Tafel IV, c, ist inhaltlich ebenso aufgebaut wie das vorher- gehende. Es ist äußerlich aber dadurch unterschie- den, daß die Spaltenteilung durch Linien aufgehoben und durch entsprechenden Titelsatz ersetzt ist. Die mittlere Spalte enthält wieder den Titel (34) : »dséng! pi? lau? det? dau‘ dö? djing!« = Lau-del’s [kanoni- sches] Buch vom Sinn und Leben, mit Erläuterungen versehen. Lau-dsi (geboren 604 v. Chr.) ist der Be- gründer des sogenannten Taoismus (von dem im Texte stehenden Wort dau‘ = Sinn, Weg). Sein Buch ist ein metaphysisch-ethischer Traktat in Ver- sen. Die Spalte rechts auf dem Titelblatt besagt: »wang® bit dechu*« = von Wang Bi erläutert. Wir haben also hier den Namen des Kommentators, weil der Verfassername bereits mit im eigentlichen Titel enthalten ist. Wang Bi ist der berühmte Kommen- tator, der von 226 bis 249 n. Chr. gelebt hat. Die rechte Spalte in ihrer unteren Hälfte gibt, wie üblich, den Verlag an, dem hier wieder eine Ortsbezeichnung

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beigefügt ist: »schang? hai? tschau? dji* dschuang! yin‘ hang*« = Schanghai, [Verlag:] Tschau-dji- dschuang-yin-hang. Das Erscheinungsjahr ist nicht angegeben. Das ganze Werk besteht aus einem Heft.

Eine neue Gruppe der dreiteiligen Titelblätter bringt Tafel VI. Das dreispaltige Blatt ist nur in einer, und zwar der mittleren Spalte, mit einem Titel text versehen. Der Druckvermerk findet sich hier, wie auch bei den Blättern nach Art der Tafel VII, auf der Rückseite des Titelblattes. Derartige Druck- vermerke sind auf Tafel IX dargestellt und an der entsprechenden Stelle behandelt. Die beiden Bei- spiele auf Tafel VI tragen also nur die einfachen Titel (Tafel VI, a): »han? fe! dsr*« = Han Fe-dil (Staatsmann und Philosoph des 3. Jahrhundert: v. Chr.; das Werk behandelt politische und ethische Gegenstände. Es ist ein Druck aus dem Jahre 1893) und (Tafel VI, b): »schu* heüä? went dat: = Arith- metik in Frage und Antwort (es ist ein Unterrichts- buch für katholische Missionsschulen und stammt aus dem Jahre 1901).

Tafel VII stellt Titelblätter nach dem Schema (, III und IV der Tafel II dar. Ihnen liegt eine Zwei- teilung zugrunde. Der Inhalt beschränkt sich auf den Titel des betreffenden Heftes bzw. noch einen Serientitel. Der Druckvermerk und ähnliches findet sich hier, wie bei den Titelblättern der Tafel VI, auf der Rückseite des betreffenden Blattes (vergleiche Tafel IX). Deshalb ersehen wir aus Tafel VII, a nur den Titel: »dséng! hsiang“ tjüan? tu? feng schön? yün? i*« = vollständig mit Illustrationen versehene Erzählung über Erhebungen in den Götterstand. Es handelt sich hier um das Titelblatt eines Romans (»Göttermetamorphosen«) mythologischen Inhalts; die Erzählung spielt im 12. Jahrhundert v. Chr. Das Werk besteht aus zwölf Heften (bën?) in einer Papp- húlle (tau). Die Hülle sowie jedes einzelne Heft

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TAFEL VIII (Originalgröße)

Titelblatt einer Ausgabe der »kleinen Lehre«, einer älteren, nichtkanonischen Schrift (s. S. 70) (Der Untergrund ist von lichter ockergelber Farbe)

JOHANNES SCHUBERT -

tragen einen Außentitel nach Schema A, IV der Tafel 11. Das Titelblatt befindet sich nur im ersten Heft. Tafel VII, b, auf der wieder ein Sammelwerk- Titelblatt aufgenommen ist, bringt in der rechten, den weitaus gróften Raum einnehmenden Spalte, den Titel des betreffenden einzelnen Werkes aus der ganzen Sammlung: »schuo! wën? hsi* tschuan? tung! вс = Schuo-wén [das ist der Name eines alten, berühmten Wörterbuches; verfaßt etwa um 100 n. Chr.] mit Kommentar. Gründlich erläutert. Der Serientitel ist in der schmalen linken Spalte auf- genommen: »s1* bu‘ tsung? kan! djing! bu“ = Schriften [aus] der Sammlung der vier Klassen [das sind die vier, unter der Tang- Dynastie fest- gesetzten Hauptgruppen der chinesischen Literatur]. Unterabteilung »kanon. Bücher«.

Was das Titelblatt auf Tafel V für die Gruppe der Titelblätter vom Typus I (das heißt Schema C, I der Tafel IT) ist, das ist für die Gruppe der zweispaltigen Titelblätter das auf Tafel VIII ausgewählte Bei- spiel. Dieses Blatt hat das Schema С, Ш der Tafel II und in bezug auf die Lage, das Schema В, Па der Tafel II. Der auf dem Blatte stehende Text lautet: »wu* bën? tang? hsin! djiün! hsiau? hsüä? dji? dschu‘« die »kleine Lehre« mit gesammeltem Kommentar. Neuausgabe der Wu-ben-tang. Andere bibliogra- phische Angaben finden sich im Buche kaum. Es besteht aus zwei Heften. In dem zweiten Heft finden sich noch zwei andere kleine, berühmte Schriften, das »Hsiau* djing!« [das Buch von der Kindespflicht] und das »Dschung! djing!« (das Buch von der Loyali- tät] abgedruckt. Für diese beiden Werke besteht trotzdem kein besonderes Titelblatt. Daß sie im zweiten Heft mit enthalten sind, geht nur aus dem AuBentitel (der das Schema Tafel II, A, II hat) des zweiten Heftes hervor.

Auf Tafel VI hatten wir Formen des Titels kennen-

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

gelernt, dessen Inhalt sich gewissermaßen teilt, in- dem die Vorderseite des Titelblattes nur den reinen Titel bringt, während die Rückseite den Druckver- merk aufnimmt. Die Druckvermerke sind in solchen Fällen formell nach dem Muster der Titelblätter an- gelegt, nur mit dem Unterschiede, daß von ihnen nicht der größte Teil des Blattes eingenommen wird, sondern daß sie mehr auf den kleineren, mittleren Teil des Blattes verteilt sind. Tafel II, D, I bis IV gibt ein Schema mehrerer vorkommender For- men (36). Das IV. Schema der Reihe D von Tafel II kann auch, wie das entsprechende Titelblattschema (Tafel II, C, II), mehrere Spalten aufweisen, die nur nicht durch äußerlich sichtbare Linien, sondern durch entsprechenden Schriftsatz gekennzeichnet werden. Als Beispiel sollen drei Druckvermerke genügen.

Die Abbildung auf Tafel IX, a stellt den Druck- vermerk zum Titel der Tafel VI, a dar. Er lautet: »guang! hsü* gue? dji? nián? hung? dschi* schu? djú* djü* wu? schl“ ying? sung“ tjiän* dau‘ det? kid (36a) yin*« [Faksimileausgabe] (?) vom Jahre gue-dji [der Regierungsperiode] guang-hsü [das ist 1893] [im Verlage] Hung-dschü-schu-djü mit Genehmigung der [Verleger]familie Wu. Nach einem Hefte [das heißt einer Ausgabe] (?) des Jahres tjiän® dau* der Sung [-Dynastie] [— 1165]. Ein anderer Druckvermerk ist auf Tafel IX,b ersichtlich. Er gehórt zum Titelblatt auf Tafel VI,b. Der Inhalt ist folgender: »guang! hsü* órl* schl“ tji! nian’ sui‘ 1814 hsin! tschou? dschung* hsia* һәй? [djia!] we‘ yin‘ schu! guan? yin‘ dschün! fa! schó*« = 27. Jahr [der Regierungsperiode] guang-hsú [= 1901] oder mittlerer Sommermonat [der Periode] hsin-tschou [= 1901]. In der [Missions-]Druckerei von Siccawei [Zi-ka-wei; Sitz der rómisch-katholischen Mission, 5 Kilometer südwestlich von Schanghai] verkäuf-

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TAFEL IX

(Originalgröße)

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Druckvermerk zum Titel Druckvermerk zum Titel der Tafel VI, а (s. S. 70) der Tafel VI, b (s. S. 70)

Druckvermerk zum Titel der Tafel VII,a (s. S. 72)

JOHANNES SCHUBERT : DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

lich. Der letzte mitzuteilende Druckvermerk [ohne Jahresangabe!] steht auf Tafel IX, c und gehört zu dem Titelblatt auf Tafel VII, a. Die mittlere Reihe enthält die Bezeichnung des Verlagsortes und des Verlages: »schang? hai? dschang! tu? schu! djü? scht? yin% = [Verlag] Dschang-tu-schu-djü-schi-yin in Schanghai. Die rechte Spalte enthält die Adresse des Verlages: »fa! hang? so? ying! djia‘ tji? pan? djiä!« = Verlag[sort]: englischer Bezirk, Tji-pan - Straße. Die linke Spalte nimmt die Adresse der Druckerei auf: »yint schua! so? fa? djia* bai? örl® luk = Druk- kerei: französischer Bezirk, Bai-drl-Weg.

Die behandelten Formen des chinesischen Titel- blattes, wie ich sie aus der Fülle des Materials zu- sammengestellt habe, begegnen einem auf Schritt und Tritt. Sie schienen mir deshalb geeignet, die Ge- staltung dieses Titelblattes in charakteristischer Weise zum Ausdruck zu bringen.

Zum Schluß möchte ich noch etwas über Schrift- formen berichten, da, abgesehen von der äußeren Einteilung, bei den verschiedenen Titelblättern auch die Kalligraphie auf die der Chinese überhaupt großes Gewicht legt ein wesentlicher Faktor ist. Alle Schriftarten von der ältesten Zeit an werden in verschiedenster Weise zumindestens zur Wieder- gabe des eigentlichen Titels für Büchertitel ver- wendet. Im allgemeinen gibt es sechs große charak- teristische Gruppen von Schriften, die jedoch auch

einzelne Unterarten gezeitigt haben. Daß man aber auch jetzt unter europäischem Einfluß bemüht ist, zum Zwecke des Bücherschmuckes usw. neue Schriftformen zu gestalten, soll die Tafel X zeigen, auf der vier Kataloge der Commercial Press in Schanghai wiedergegeben sind, die die eigenartig- sten Formen in den Typen des Titelsatzes erkennen lassen (37). Tafel X, a bringt den Titel eines Kata- loges für Kinderbücher und hat den Wortlaut: »schang* wu‘ yin‘ schu? guan? tschu! ban? / acht tung? yung* schu! mu‘ lu“ / fut schau? nian! yung* schu: = Commercial Press: Katalog [über] Schriften zum Gebrauch der Kinder mit einem Anhang über Ju- gendschriften. Tafel X,b gibt den Katalogtitel: »dschung! hai! det? dian? ts1? schu? mu‘ lu‘ / schang' wu“ yin‘ schu? guan*« = Katalog über chinesische und europäische Wörterbücher und Sprachlehr- bücher: Commercial Press. Der Text auf Tafel X, с heißt: »schangt wu‘ yin‘ schu? guan? / dschd! hs? dsungi djiau! schu? mu“ = Commercial Press: Ver- zeichnis über Bücher zur Philosophie und Religion. Auf Tafel X, d lesen wir noch: »yü? tu? mu! lu! / schang* wu“ yin‘ schu! guan? tschu! ban? = Katalog über Landkarten: Commercial Press (38). Schließ - lich sei noch erwähnt, daß ganz moderne chinesische Werke nicht nur in der Form der Schrift des Titel- satzes europäisiert sind, sondern auch überhaupt den ganzen Text in europäischer Reihenfolge und chine-

sischen Zeichen aufweisen.

ANMERKUNGEN

]. Die chinesischen Zeichen sind in dem Aufsatze der Ein- fachheit halber nach der nordchinesischen Aussprache an Hand des Wörterbuches von Werner Rüdenberg transkri- biert [beigefügte Zahlen bezeichnen Tóne].

2. Ein äußerst reichhaltiges Anschauungsmaterial zu sämt- lichen Formen des chinesischen Buches besitzt das „Deutsche Buchmuseum« in Leipzig.

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3. Vergleiche die schematische (11) Zeichnung auf der Tafel 1,1. Originale befinden sich im »Deutschen Buch- museuma.

4. Siehe Tafel I, IIa.

5. Siehe Tafel I, III. Entsprechend den indischen Palmblattbüchern kamen kurz nach dem Erscheinen des Faltbuches auch Bücher in Form einzelner Blätter, die

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Umschlagtitel von Bücherkatalogen der Commercial Press in Schanghai in modernen Schriftformen (a, b, d von grünlicher, c von bräunlicher Farbe)

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JOHANNES SCHUBERT -

9. 10. 11. 12.

einfach aufeinandergelegt wurden, auf. Uber ihren Ein- band ist wenig bekannt. Es finden sich z. B. derartige Bücher mit Sanskrittexten usw., die in ein »taut« (siehe Tafel I, VI, b) gehüllt sind. Ob rein chinesische Texte auf solchen einzelnen Blättern vorkommen, weiß ich nicht zu sagen.

Siehe Tafel I, IV. Kunstbücher, Albums usw. erscheinen

in derselben Form, nur häufig im Querformat.

. Das einzelne Heft des »Schmetterlingsbuches« ist im all-

gemeinen nur mit Umschlagblättern aus etwas stärkerem und der Farbe nach dunklerem Papier, als es die sonstigen Blätter des Buches zeigen, versehen.

. Т.К. Koo: The evolution of the chinese book [р. 5] =

Libraries in China. Peping: Library Association of China 1929.

Siehe Tafel I, VII.

Siehe Tafel I, IIb.

Siehe Tafel I, III.

Vergleiche Anmerkung 7.

12а. Libraries in China, $. 4, Absatz 4.

13. 14.

15. 16.

17.

Siehe Tafel I, Vb und VIb.

Siehe Tafel I, Vb. Djia! ban3 ist genauer die Be- zeichnung des in solche Bretter eingeschlossenen Buches (Tafel I, Va!).

Siehe Tafel I, VIa [und b].

Hülle, Hermann: Die Erschließung der chinesischen Bü- cherschätze der deutschen Bibliotheken [= Ostasiatische Zeitschrift, 8. Jahrgang 1919/20, S. 199 bis 219], S. 215 bis 216.

Der letzte Ausdruck bezeichnet eigentlich nur den Anfangs- titel (stark schwarz blockiert im Schema auf Tafel II, В, Па).

17a. Siehe Tafel II, A, I und II.

18.

19.

20.

Die Farben, die ich hauptsächlich gesehen habe, waren Blau, Gelb, Braun oder es bildete gemustertes Tuch den Überzug.

Ich habe z.B. auch einzelne Hefte (bën?) gesehen, bei denen auf blauem Grunde Titel und Umrandung in Silber aufgemalt waren.

Die chinesischen Zeichen sind von oben nach unten zu lesen.

Das kommt für Ausdrücke wie »illustriert«, »kommen-

tiert« und ähnliches in Frage.

. Als Verfasser gilt allgemein Wang? Ying*-lin? (1223/1296). . Es ist wohl zu beachten, daß der Name des Verfassers in

chinesischen Büchern sehr selten meist sind es dann europäische Werke neueren Datums im Titeltext ver- zeichnet ist, wenn man von den Fällen absieht, in denen das Buch einfach nach dem Namen dessen, der die im Buche niedergelegte Lehre begründet oder vertreten hat, genannt ist; das wird in der Regel auf die alten Philo- sophen zutreffen.

DIE GESTALTUNG DES CHINESISCHEN TITELBLATTES

Ist der Verfasser im Titel nicht genannt, so kann er, wenn überhaupt, eventuell aus der Vorrede oder sonst nur mit großen Schwierigkeiten ermittelt werden.

. 24. Von rechts nach links zu lesen. 25. Dieser ist nun in vertikalen Spalten von oben nach unten zu lesen. Zu beginnen ist mit der rechten Spalte oben. 26. Das ist der bekannteste und wohl größte Verlag in Schang- hai. 27. In Japan ist das bereits der Fall. 28. 1924/25.

29. Tafel II, В, Па stellt das Schema des aufgeschlagenen Buches mit rechtsliegendem Titelblatt dar. Ihm folgt, links von der gestrichelten Linie (die die Mitte des aufgeschla- genen Buches andeuten soll) die erste Seite des Textes. Man beachte, daß diese Textseite 614 Spalten [die Zahl ist in den einzelnen Büchern verschieden], das Titelblatt nur 3, aber breitere Spalten aufweist. Diese durch senk- rechte Linien gekennzeichneten Spalten gehen auf die ur- sprüngliche Form des chinesischen Buches, die Bambus- streifen [vergleiche Tafel I, I] zurück. Die mit Spalten versehene Seite des chinesischen Buches stellt also ge- wissermaßen eine Anzahl von nebeneinandergelegten Bam- busstreifen dar, die sich von rechts nach links folgen. Diese nebeneinandergelegten Streifen versuchte man spä- ter auch in Faltbüchern deutlich darzustellen. Bei meh- reren, im Deutschen Buchmuseum befindlichen wertvollen Handschriften in Faltbuchform sind die auf einzelne, weiße Papierstreifen geschriebenen Texte zwischen die auf den einzelnen, aus stärkerem Material hergestellten Blät- tern von dunkler, bräunlicher Farbe gezeichneten Linien aufgeklebt.

30. Vergleiche Tafel IIIb, wo der Hintergrund des Bildes in

einen durch Wolkenmuster verzierten Rahmen geschlos- sen ist.

31. Die Spalten sind von rechts nach links zu zählen.

32. Von rechts nach links zu lesen.

33. Von oben nach unten zu lesen.

34. Die oberen zwei Zeichen sind von rechts nach links zu lesen.

35. Man vergleiche damit die andern beiden bereits behandel- ten Serientitel auf Tafel IV, a und b.

36. Die punktierten Linien bezeichnen den äußeren Blattrand. Auf der Tafel IX sind nur die aus der ganzen Blattfläche herausgehobenen Druckvermerke wiedergegeben.

36a.So in Couvreur’s Wörterbuch.

37. Man beachte vor allem auch den entsprechenden Bild- schmuck. Die auf Tafel X befindlichen Titel sind durch- weg von rechts nach links zu lesen.

38. Der Wechsel der Verlagsangabe hinsichtlich ihrer Stellung vor bzw. nach dem Titel darf nicht unbeachtet bleiben.

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UBER DIE ENTSTEHUNG UND DIE FORTBILDUNGEN DES TITELBLATTES

VON G.A.E.BOGENG-BAD HARZBURG

Ba; Betrachtungen der Buchdruckentwicklung pflegt man die Einflüsse der immateriellen Kräfte gern zu überschätzen und die Einwirkungen der materiellen, ökonomisch-technischen Rücksichten und Schwierigkeiten leicht zu unterschätzen. Europa ist weder an damaligen Verkehrs- und Wirtschafts- verhältnissen gemessen von der gutenbergischen Letternkunst im raschesten Siegeslauf unterworfen worden noch hat sie schnell das »mittelalterliche« in das »neuzeitliche« Buchwesen und Schrifttum um- gestaltet. Das Frühdruckwerk, großenteils auch das Buch der späten Wiegendruckzeit, in der Druck und Handschrift im Gebrauch noch immer nebenein- ander bergingen, blieben graphisch und literarisch mehr mittelalterlich im Gegensatz zu jener Moderne, die wir als die Renaissance zu bezeichnen pflegen. Die Buchdruckerfindungen haben keine plötzlichen universalen Veränderungen der inneren und äußeren Buchform hervorgerufen, für die die ersten Presse- erzeugnisse nicht den Anfang völlig neuer Entwick- lungsreihen bezeichneten. Im allgemeinen blieb das Aussehen und die Einrichtung der Bücher auch nach dem Ersatz der manuellen durch die mechanische

Reproduktion fast ein Halbjahrhundert hindurch so,

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wie es vorher gewesen war. Allmählich nur begann es aus den Bedürfnissen eines Massen- und Schnell- Vervielfältigungs-Verfahrens, zumal aus denen einer exakten Rationaltechnik der Typographie und denen einer öffentlichen literarischen Produktion, die eigenen Eigenschaften eines Buchdruckwerkes mit den F ortbildungen zur Verselbstándigung des neuen Ver- vielfältigungs-Verfahrens anzunehmen, deren Ab- schluß in manchen Beziehungen durch die Ausbil- dung des Titelblattes gekennzeichnet wird. Ein bequemes, chronologisch-historisch periodisiertes Schema sucht die »Entwicklung« als den andauern- den Fortschritt zum Zweckmäßigeren zu generali- sieren, wobei die Einordnung der Vor- und Rück- bildungen in den Entwicklungsgang bisweilen etwas gewaltsam geschieht. Das gilt auch für die Auf- fassung einer einheitlichen Entstehung und Ent- wicklung des Titelblattes aus seinen primitiven Vorstufen in der Handschriftenzeit. Der Buchdruck- werktitel hat indessen keineswegs überall die Mano skripttraditionen weitergeführt. Die Einführungen des Titelblattes haben sich im 16. Jahrhundert aus verschiedenartigen modernen Motiven und von ver-

schiedenen neuzeitlichen Richtungen her vollzogen,

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ÜBER DIE ENTSTEHUNG UND DIE FORTBILDUNGEN DES TITELBLATTES

nachdem bereits seine mannigfachen graphisch und literarisch noch mittelalterlichen an anderen Buch- stellen befindlichen Bestandteile von der Inkunabel- typographie seit langen Jahren übernommen waren und vereinzelt als Vorblatt seit der »Bulla cru- ciata« (Mainz, Fust und Schöffer, 1463) schon in der Wiegendruckzeit zusammengefaßt worden sind. Die Anwendung eines Haupt- (Kopf-, Sach-, Über- schrift-, Werk-) Titels ist bereits in der »Ermahnung der Christenheit wider die Türken (1454) zu finden, ein durchgebildeter xylographisch ausgezierter Titel- satz in den Ratdoltschen Regimontanus-Kalendern (Venedig, 1476) und ein korrekter moderner Titel- blattext (Verfassernamen, Werktitel, Druckernamen, Verlegernamen, Erscheinungsvermerk) im »Exer- citium super omnes tractatus parvorum logicalium Petri Hispani« (Leipzig, um 1500, Stoeckel für Haller in Krakau).

Alles das bezeichnet noch nicht die innere Form- gebung des Titelblattes, mag es auch seine äußere

Formgestaltung vollendet zeigen. Viel wesentlicher

. ist, daß dem Titelblatte im 16. Jahrhundert neue

Inhaltswerte zuwuchsen, die ihm eigene, ihm bis- her fehlende Funktionen im Buchmechanismus gaben. Diese »Erfindung« des Titelblattes hat sich mehr durch die notwendig gewordene Verbindung bestimmter literarischer Elemente zu einer Gesamt- titelei, deren hervorragendster Träger die Anfangs- buchseite wurde, auch bibliotechnisch vollzogen denn durch Nachahmungen einiger fertiger formaler Gebrauchsmuster. Hauptsächlich maßgebend waren hierbei eine ganze Reihe dem Buchhandel und dem Buchgebrauch zwingend gewordener Gründe, jeden Abzug einer Auflage mit allgemeinen übereinstim- menden Angaben zu versehen, welche sich auf den Band als ein Druckerzeugnis bezogen. Mag man

nicht unzutreffend sagen, das Titelblatt sei aus den

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früheren Anfangsüberschriften (Sachtitel) und Schlußunterschriften (Erscheinungsvermerk) so ent- standen, daß diese jetzt auf einem besonderen ersten Blatte mit leerer Rückseite vereint wurden, so er- gibt sich doch, daß sich dabei auch die Bedeutung einander bisher fremder Buchteile und nicht nur ihr Platz geändert hatte.

Der abendländische Bücherschreiber des Mittel- alters fertigte seine Handschrift lagenweise und heftete sie nach und nach zusammen; um die Ab- nutzung oder Beschmutzung derersten beschriebenen Blattseite zu vermeiden, erschien es ihm jedenfalls vorteilhaft, noch ein meist nur vorläufiges Schutz- blatt, eine Schutzlage, vorzuheften, das der Buch- binder oft entfernte, weil man soviel wie möglich Papier oder Pergament zu sparen suchte, ein Um- stand, der sich in der Durchschnitts-Handschriften- herstellung mannigfach auswirkte, auch darin, daß man die Beschreibstoffverschwendung durch leer- bleibende unausgenutzte Seiten vermied. Deshalb hätte man indessen kaum das Titelblatt eingespart, wenn es gebräuchlich gewesen sein würde. Warum haben die gelehrten und geschickten Buchschreiber nicht das anscheinend auch ihnen naheliegende Titel- blatt benutzt, auf das sie ja technisch das Vorsatz- blatt hätte hinführen sollen, weshalb haben sie es nicht als eine fast zwangsläufige Zweckform für den Band des Blätterbuches aufgefunden? Man könnte die Beantwortung dieser Fragestellung mit einer psychologisch tiefgründigen Untersuchung beginnen, weshalb der Anfang unserer Bandbücher die rechte und nicht die linke Seite ist (und das auf die natür- liche menschliche Rechtsseitigkeit zurückführen), einfacher ist es jedenfalls, zu prüfen, ob damals das Titelblatt graphisch-technisch oder literarisch-tech- nisch überhaupt eine Zweckform gewesen sein kann.

Der Autor oder der Kopist, die ein Buch schrieben,

ÜBER DIE ENTSTEHUNG UND DIE FORTBILDUNGEN DES TITELBLATTES

begannen mit der Bezeichnung des Buchanfanges und hörten mit der des Buchendes auf. Dafür hatten sich feststehende Formeln herangebildet, der Anruf an Gott, die Arbeit zu segnen, der Dank an Gott, daß sie beendet sei. Es widerstrebte der religiösen Tra- dition, die auch die des Lesers war, dem Eingangs- gebet etwas Profanes voranzustellen, vor dem Amen machte man noch wohl ein paar Angaben, wann, von wem, wo die vorliegende Handschrift hergestellt worden sei. Hierbei unterschied man keineswegs regelmäßig und streng zwischen Abschreiber und Verfasser. Die Arbeit einer Buchhandschrift-Anfer- tigung blieb überwiegend die eines einzigen, er war, wenn nicht Autor so doch Kalligraph und Kritiker zugleich. Denn auch der Kopist war, bevor sich das Buchschreibereigewerbe verbürgerlichte, sein eige- ner Korrektor, den die graphischen und literarischen Manuskripttraditionen leiteten, zu denen es gehörte, den Text ununterbrochen fortzuschreiben, ihn nicht durch Zwischenschaltung von Blättern mit wenigen Zeilen zu zerlegen. . Das hatte eine durchaus prak- tische Tendenz, der Makulierung des Manuskriptes wurde derart am besten entgegengewirkt, jeder be- liebige Benutzer einer einzigartigen Handschrift konnte sich bequem überzeugen, ob er einen voll- ständigen Text vor sich habe. Die Buchgliederung war nicht dynamisch-individualistisch, sie war kol- lektivistisch-statisch, konventionell. Ein graphisch- literarischer Buchblock, eine kompakte Textmasse widerstrebte der Ausgestaltung des besonderen Titelblattes. Auch wenn die literarische Persönlich- keit in den Buchverkörperungen mittelalterlicher schriftstellerischer Schöpfungen schärfer hervor- getreten sein würde als das tatsächlich der Fall ge- wesen ist, hätten die Autoren selbst aus Utilitäts- prinzipien auf ein besonderes Titelblatt verzichten

wollen, das ihren Namen und die Überschrift ihres

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Werkes auf einem Ehrenplatz isolierte, der als sol- cher häufig zudem dem Besteller oder dem Emp- fänger der Handschrift vorbehalten bleiben sollte. Es ergab sich also für das Unikum des Auto- oder Apographen von vornherein, daß auch eine Gesamt- überschrift am besten unmittelbar mit dem Text- beginn verbunden wurde. Dessen Anfangsseite war eine geschützte Buchstelle, sie war nicht so sehr der Gefahr ausgesetzt, böswillig entfernt zu werden wie ein kurz überschriebenes Vorblatt.

Die unmittelbare Text- und Titelverknüpfung schützte dazu gegen die literarischen Verfälschungen, schon deshalb, weil man der ersten repräsentativen Textseite eine sie auszeichnende Verzierung zu geben pflegte. Ästhetisch empfand der mittelalter- liche Buchschreiber, entsprechend den gotischen Schriftformen, überwiegend noch die geschlossene malerische Seitenwirkung stärker als die der Buch- stabeneinzelformen, ihm fehlte das Gefühl für den epigraphischen Stil, den erst das Humanistenmanu- skript Italiens im 15. Jahrhundert weckte. Die Ab- schnitte eines Buches mußten je nach seinem Um- fange durch Kapitel und sonstige Teilungen im Texte selbst unterschieden werden, damit der Leser sich zurechtfand. Man brauchte mnemotechnische Anhaltspunkte für die Durchgliederungen eines fort- laufend ganz geschlossenen Seitenbildes. Deshalb wurden Überschriftzeilen rot hervorgehoben, nach diesen Rubriken Unterteilungen so vorgenommen, daß Abschnitts-Anfangsbuchstaben durch ihre Farbe oder Form hervortraten usw. Als Anfänge des Buch- titels dürfen ebenso die Ausstattungsgewohnheiten der ersten Buchseite wie die Einteilungsweisen des Textes gelten. Ein Kodex war, gleichviel ob Kopie oder Originalmanuskript, ein Einzelstück, Ab- schriften auch des gleichen Werkes stimmten auBer- lich nicht überein. Solange man auf die manuelle

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ÜBER DIE ENTSTEHUNG UND DIE FORTBILDUNGEN DES TITELBLATTES

Reproduktion angewiesen blieb, konnte man eine bibliographische Bucheinheit nicht nach ihrer Foli- ierung oder Paginierung zitieren, die ausschließlich Kollationsbehelfe für eine Einzelhandschrift waren. Man mußte dafür Sorge tragen, daB derem Benutzer die Buchüber- und -unterteilungen sich graphisch hinreichend verdeutlichten, um sich literarisch als eine Zitiermethode nach Anfangsworten, Zahlen- angaben usw. der Textabschnitte auszuwirken. Man hatte daher insbesondere bei oft anzuführenden Werken sehr viel mehr mit dem Text unmittelbar ver- bundene »Titel« nótig als heutzutage, eben jene Ein- schnitte, die graphisch als Hauptüberschriftzeilen oder ähnliche in allen Handschriften des gleichen Werkes leicht auffindbare Stellen charakterisiert wurden, so daß etwa die Bedeutung des titulus für die im Mittelalter gebrauchten Rechtsbücher nahezu der der modernen Paragraphen entspricht. Aus- reichend bibliographisch war eine Buchhandschrift nur durch Verfassernamen und Werküberschrift nicht zu kennzeichnen, das wurde überhaupt erst möglich, seitdem konforme Abzüge eines in ihnen völlig übereinstimmenden Auflagendruckes vor- handen waren, erst seitdem konnte der Titel diese praktische Bedeutung gewinnen, daß, wenn man einen bestimmten Abdruck bezeichnete und dessen Blatt- oder Seitenzahl hinzufügte, danach jeder Benutzer des gleichen Druckes in ihm eine beliebige Stelle ohne weiteres aufzuschlagen imstande war. Ein wesentliches bibliotechnisches Moment für die Anwendung eines Gesamttitelblattes fehlte hiermit der Buchhandschriftenzeit, es fehlte ihr jedoch meist auch noch das wichtige literarische Motiv, der Sinn für die programmatische Synthese eines um- fassenden Werkinhaltes durch knappe Sachtitel- fassungen, die Absicht, alle Werkinhaltswerte in

einer Formel auszudrücken. Der individuelle Titel

als Hauptüberschrift war ungebräuchlich, man kannte wohl Kollektivtitel, Catholicon und ähnliche, die man indessen stereotyp für die verschiedensten Werke anwendete. Man begnügte sich sonst da- mit, die Anfangszeilen des Textes in der Art einer Einleitung oder Vorrede zu halten: Hiernächst wird dieser oder jener Stoff behandelt, man begnügte sich oft auch lediglich mit Kennzeichnungen des nächst- folgenden Abschnittes. Allenfalls rekapitulierte man in der Schlußschrift titelartig den Inhalt und nannte nach Gelegenheit auch den Verfasser. Die Inkunabel- typographen, die die Manuskripte vervielfältigten, wären, sofern sie sogleich Titelblätter hätten her- stellen sollen, in Verlegenheit geraten, weil ihre Vor- lagen ohne gemeingebräuchliche literarische Sach- titel waren. Selbst sehr berühmte Buchtitel ver- breiteter Werke Biblia, Corpus iuris civilis, Divina commedia sind erst durch das Druckwerk später eingeführt worden, das literarisch und technisch Nebentitel ohne Haupttitel vorfand, die es zunächst in Anpassung dieser Konstruktionsteile der Buch- handschriftausführung an die Druckwerkherstellung typisierte. Allerdings darf man die moderne biblio- graphische Terminologie einer Titelaufnahme nicht ohne weiteres auch für die Bezeichnung von Primi- tivtitelformen nach deren technisch-historischer Entwicklung halten. Wenn der Kolumnentitel, der Seitentitel, späterhin die Kustoden ersetzte und als Kopftitel über die Seite gesetzt wurde, um als laufender, lebender Titel den Seiteninhalt anzu- geben oder als toter Titel nur die Paginierung anzu- merken, wenn noch später der abgekürzte Werk- titel in die Norm aufgenommen wurde, so sind das keine Überbleibsel von Buchschreibergewohnheiten gewesen, sondern neue Verzweigungen aus dem Druckwerktitelblatt, das den Titelgebrauch der

Handschriften umstellte, indem es kommerziell den

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ÜBER DIE ENTSTEHUNG UND DIE FORTBILDUNGEN DES TITELBLATTES

mittelalterlichen Individualtitel des Ursprungsver- merkes in den neuzeitlichen Kollektivtitel wan- delte, literarisch den mittelalterlichen Kollektiv- titel der Werküberschrift in den neuzeitlichen Individualtitel. Bestimmend für die Ausbildung des Druckwerkes wurde der Handel mit der neuen Buchware, merkantile Interessen verwiesen zuerst auf den Titelblattdruck. Die Frühdruckzeit war aus technischen Gründen eine Nachahmungs- und Nach- druckzeit. Die begehrtesten und meistgebrauchten Texte, von den Kirchendienstbüchern bis zu den üblichsten Werken des praktischen Wissenschafts- betriebes mußten für die Verlagswerkstätten ein erster Gegenstand ihrer Bemühungen werden. Die alten Meister fanden nun gerade diese Bücher in fest- gewordenen Formen vor, sie mußten sie aus Ver- triebsrücksichten genau, d. h. als Manuskripte imi- tieren. Hierbei mochten im Anfange die Prototypo- graphen auch noch davon haben profitieren wollen, daß sie den Unterschied zwischen Druck und Hand- schrift verwischten, um mit geringeren Gestehungs- kosten das neue Buch noch zum Preise des alten in den Handel zu bringen. Aber die eigentlichen Buch- verbilligungen traten doch erst mit dem raschen und regelmäßigen Absatz von Massenauflagen umfang- reicher Werke ein, auch die Manuskriptfabrikation arbeitete bereits billig, der halbe Buchpreis, der Papierpreis, war für Druck und Handschrift noch der gleiche. Der Buchdruck mußte ebenso wie die Buchschreiberei lange noch mit nur lokalen und regionalen Absatzgebieten rechnen und deshalb mit den besonderen Wünschen der Einzelkäufer. Eher aus ökonomischen als aus technischen Rücksichten blieb in der Frühdruckzeit der Rubrikator in Tätig- keit, der in alter Art mit den üblichen Auszeich- nungen Band nach Band fertigzumachen und

mit der Unterschrift zu versehen hatte. Das war

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eine unmittelbare Weiteranwendung der Manu- skripttechnik in der Typographie bei den Betite- lungen, die plötzlichen Reformen des Buch- geschmackes durch einen universalen Titelgebrauch so lange widerstrebte, wie Druck und Handschrift in gleicher Schätzung standen. Erst die Industriali sierung der Typographie befreite, etwa seit den 1480er Jahren, von den Bindungen an die Hand- schriftvorlage. Der Antiquastil ermöglichte jetzt einen reinen Satz, die Internationalisierung der gotischen Letternkunst machte auch ihr neutrali- siertes Typenmaterial vielseitig brauchbar. Allmäh- lich begannen sich so die Ausformungen des Buch- druckwerkes am Drucken und nicht mehr am Schrei- ben zu orientieren, an den sich verallgemeinernden Bewertungen der typographischen Leistung. Ableitungen des modernen Titelblattes aus Ex- plicit und Incipit der Manuskripte hatten zuerst nur bei Kolophon und Signet der Wiegendrucke be- gonnen und, um 1500, dahin geführt, daß einzelne Angaben der Schlußvermerke auf das ursprünglich weiße Schmutztitelblatt vorrückten, das auch den sich erweiternden Kolumnentitel der ersten Text- seite mit xylographischem Buch(bild)schmuck auf- nahm. Das war zunächst fast ausschließlich nur aus buchhändlerischen Beweggründen geschehen. Im allgemeinen kannte die Inkunabelperiode kein Titel- blatt, die Angaben über Herkunft und Herstellung eines Buchdruckwerkes machte das Kolophon noch in Anlehnung an den Schlußschriftvermerk der be- nutzten Handschriftvorlage mit den nötigen Ver- änderungen, d. h. der Buchdrucker, der meist auch der Verleger war, nannte sich an Stelle des Schrei- bers. Daß die ältesten Druckereierzeugnisse noch die Urhebernamen verschwiegen, ist aus der Gleich- stellung des alten und des neuen Vervielfáltigung*

verfahrens zu verstehen, weiterhin bei Kleindrucken

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mancher Offizinen, weil der Absatz für sie und den wandernden Buchführer größer wurde, wenn Her- stellungsort und Herstellungszeit nicht angegeben wurden, so daB sich die Buchware frischer hielt, oder auch weil sie im fremden Auftrage druckten. Der Buchdrucker hat jedenfalls als solcher nur wenig den Anspruch geltend gemacht, als Urheber des neuen Buches qualifiziert zu werden, er nannte sich eher in seiner Eigenschaft als Verleger. Denn sobald erst einmal der Unterschied zwischen dem Schreiben und dem künstlichen Schreiben gemacht wurde, mußte es den großen Verlagswerkstátten darauf ankommen, zu betonen, daß ihre Firma leistungs- fähig wäre, daß sie die sorgfältige, tadelfreie buch- druckerische und wissenschaftliche Arbeit dem Käu- fer verbürge. Demgemäß brachten die Drucker im Wettbewerbe mit den Schreibern gern zum Aus- druck, daß die Typographie die moderne Qualitats- technik für die gute Vervielfältigung von richtigen Texten sei. Diese kaufmännisch werbende Betonung ausschließlicher Buchdruckwerte verdichtete sich weiterhin zu einer Empfehlung der Originaledition nicht ohne einige Abwehr der Konkurrenztypogra- phie und ihrer minderwertigen Nachdrucke. Schon der geschäftstüchtige Peter Schöffer ist bald dazu übergegangen, mit dem Kolophon eine derartige Reklame zu verbinden und sie durch den Gebrauch der Handelsmarke, des Signets, zu unterstützen. Die Anwendung des Druckerzeichens ist indessen eine verhältnismäßig eingeschränkte geblieben. Allein, das Druckerzeichen besagte nicht viel, sofern es nur auf den Hersteller bezogen wurde, es erhielt seinen eigentlichen Sinn erst als buchhändlerisches Firmen- und Warenzeichen. (Wenn wir auch die Drucker- und Verlegerzeichen des 15. Jahrhunderts unter- scheiden, so ist eine solche Unterscheidung doch

mehr bibliographisch-theoretischer Art, die der

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Druckereiverlage von den reinen Verlagen.) Die Arbeitsteilungen zwischen Buchdruckereiund Buch- handel hatten dahin geführt, daß überall außen- geschäftlich, im Verkehr mit den Bücherkäufern, der Verlag vorherrschend wurde, daß er als der eigent- liche Produzent erschien, der er auch kapitalistisch wurde, zuerst in den Großdruckorten Venedig und Paris. Die Abhängigkeit der Druckerei vom Handel hatte jene in die Lohndruckerei hineingezogen, die Verlegerwünsche leiteten auch die Betriebe, die Her- stellung und Vertrieb vereinten. Wo das nicht ge- schah, kamen dem Buchdruckerkolophon und -signet das Buchhändlerkolophon und -signet hinzu, um so mehr, je mehr die Personalunionen der frühen Ver- lagswerkstätte aus dem buchgewerblichen Geschäfts- leben verschwanden. Der Unternehmer, der ein Buch veröffentlichte, verschwieg die Firma der Offizin, die es gedruckt hatte und gab nur die seine an, die er schließlich (um 1500) auf das Titelblatt setzte. Ebenso wie das Hausschild dem Käufer den Weg in den Laden wies, ebenso zeigte die auf der ersten Blattseite angebrachte buchhändlerische Firma und wohl auch ihre Handelsmarke, daß der Kunde die richtige Ware vor sich habe. In den am Anfange des 16. Jahrhunderts aufkommenden Titelblättern war, als ein Erscheinungsvermerk nach Handels- gebrauch, nicht als ein Herstellungsvermerk, die Verlagsangabe vorwaltend geworden, die nicht die Einzelanfertigung bezeichnete, sondern die Zugehö- rigkeit des Abzuges zu einer Auflagenveröffent- lichung im buchhändlerischen Sinne, zu einer in diesem Sinne vechten« Ausgabe. Die Adressenangabe und die Datierung schlossen sich mit Sachtitel und Verfassernamen zu einem Gesamttitel zusammen, der als solcher bestimmte innere Buchwerte ver- bürgen sollte. Diese Bedeutung des modernen Titel- blattes gründete sich von drei Richtungen her,

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welche am Anfange des 16. Jahrhunderts in einer neuartigen Begriffsbildung, der der Originaledition, zusammentrafen. Die Autorität ihres Titels und mit ihr die ihres Titelblattes beruhte auf der vom Ver- fasser anerkannten und dem Verleger berechtigten Ausgabe, die dazu dem Verleger amtlich erlaubt und auch geschützt war. In diesen drei Beziehungen dokumentierte fortan das Titelblatt das Buchdruck- werk.

Auch bei der industrialisierten Manuskriptfabri- kation hatte man sich bemüht, für korrekte Texte Sorge zu tragen, soweit das überhaupt bei einer eiligen handschriftlichen Herstellung möglich war. Ein Kurrentstil mit vielen Abbreviaturen und Liga- turen sollte diese billige, deshalb schnelle und spar- same Buchschreiberei unterstützen, die sich vielfach mit Auszügen der hauptsächlichen Teile eines Wer- kes begnügte, woher es kam, daß man oft nur die Kapiteltitel einsetzte und sich nicht allzuviel um die ursprüngliche Vollständigkeit eines Werkes bekümmerte. Es gab kein bibliographisch - lite- rarisches Gewissen, kein geistiges Urheberrecht. Getreulich folgte vielleicht der Schreiber seiner je- weiligen Vorlage. Aber eine schriftstellerische Schöp- fung empfand er nicht als den selbständigen unver- änderlichen Werkwert eines durch den Verfasser geregelten Wortlautes. Auf einigen Gebieten hatte man immerhin schon die authentische Textrepro- duktion zu beachten begonnen, bei den kanonischen Büchern der Kirche, bei der Lectio vulgata der römischen Gesetzbücher mit der Glosse und sonst bei der autoritativen praktisch-wissenschaftlichen Literatur. Das amtliche beaufsichtigte Buchgewerbe der großen Universitäten war auch in dieser Be- ziehung organisiert, ев durften nur die von ihnen anerkannten richtigen Texte der Hand- und Lehr-

bücher vervielfältigt oder weitergegeben werden. Die

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italienischen Humanisten mühten sich, die echten Texte antiker Autoren wiederherzustellen. Bedürf- nisse eines richtigen Textes bringen zunächst die Anerkennung innerer Buchwerte hervor, aus der Einschätzung des wahren Werktextes steigert sich die der Autorindividualität. Wo derartige Bedürf- nisse sich zeigten, erwiesen sie einen gewaltigen Vorzug des neuen Buchvervielfältigungs-Verfahrens, da es einen korrekten Text durch eine korrekteTypo- graphie für den ganzenAuflagendruck gewährleistete. Hier verbanden sich die literarischen Wertungen mit den typographischen, um sich gegenseitig zu verstärken. Das Bedürfnis des richtigen Textes ¡st für dieBuchdruckerfindungen ein nachhaltigesTrieb- mittel gewesen, am intensivsten ist die Bücher- erzeugung von dem neuen Vervielfältigungsverfah- ren da verwirtschaftlicht worden, wo es den geistigen und den gewerblichen Kraftaufwand für die gleiche Arbeitsleistung gleichzeitig verminderte, da, wo es nicht allein den beschleunigten Auflagendruck um- fangreicher Werke gestattete, sondern auch noch deren geistigenHerstellungsaufwand verbesserte und verbilligte. Die einmalige Arbeit des gelehrten Kastigators, der die Korrekturen las, die Druck- legung leitete, verbürgte für alle Abzüge der Auf- lage den richtigen Text. Wenn der angesehene Autor oder der Editor selbst diese approbierte, bot das eine ganz andere Sicherheit, als sie eine so nicht über- prüfte Abschrift gewähren konnte. Gehalt und Ge- stalt der Werktitelfassungen mußten von hierher sich neuartige Qualitäten zueignen, deren Kenn- zeichnung schließlich aus kaufmännischen Rück- sichten zwingend wurde. Denn wenn man um den echten Text besorgt ist, wird man zu allererst den richtigen Titel vergleichen wollen, der nicht mehr oder minder zufällig dem Buche angepaßt ist, son- dern ganz bestimmte Aussagen über den Buchinhalt

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macht. Da mit dem Fortfallen der früheren ausführ- lichen chronologischen Schlußvermerke, die sich auf die Drucklegung bezogen hatten, die Verlagsangabe nicht ale die Verlegung des Kolophons von der letzten auf die erste Buchseite, nunmehr die des ent- stehenden Titelblattes, erschien, mußte sie als eine neuartige Einrichtung auf die alten Buchteile zu- rückwirken. Man hatte sich meist noch im 15. Jahr- hundert mit den ungefähren und ungefügen Kopf- titeln zufrieden gegeben, wenn man sie vorwegnahm. Immerbin bedingte ein allein auf das Anfangsblatt gesetzter Sachtitel durch diese seine isolierte Stel- lung eine bestimmtere und straffere Fassung. Es mußte in dem sich vermehrenden Bücherumlaufe aus händlerischen Rücksichten wichtig werden, auch den Werktitel zu individualisieren, ihm lite- rarisch, nicht bloß typographisch auszuzeichnen, eine Bewertung des Buchinhaltes durch den Titel auszudrücken. Der buchhändlerische Auskunftstitel verstärkte sich somit als Werbeblatt auch in den verlegerischen Werktitelfassungen. Die Ausschmük- kungen des einfachen Sachtiteltextes durch lobende Verweisungen auf den Inhaltsreichtum und die Ver- fasservorzüge begannen, sie begegneten sich dabei mit den Aktivierungen des Titels, die vom Autor ausgingen, mit den nun überwiegend von diesem bestimmten literarischen Stilisierungen des Titel- blattes, die auf die typographischen zurückwirkten.

Das Ansehen des Autors und Editors als das einer literarischen Persönlichkeit war durch den Huma- nismus befestigt und sogar übersteigert worden. Da- mit hatte sich auch das Buch von einer graphischen Reproduktion zu einer literarischen Repräsentation individualisiert, der Band, der ein Schriftwerk ver- körperte, vertrat dessen Urheber selbst beim Leser. Hiermit interessierte es den Bücherkäufer viel

weniger, über die Druckherstellung unterrichtet zu

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werden, als über den, der die literarische Verant- wortung für die technisch-typographische Ausfüh- rung trug. Der Editor war im 15. Jahrhundert als Kastigator, als kontrollierender Textkritiker und als Korrektor noch ein erster Gehilfe der Werkstätte gewesen und als solchen hatte ihn das Kolophon angeführt. Die alten Drucker-Verleger wie Amer- bach in Basel, Aldo Manuzio in Venedig waren vielfach noch selbst Gelehrte, die für die Hand- schriftenbeschaffung und die Manuskriptrezensionen | Sorge trugen, doch um 1500 begannen die buch- gewerbliche und die wissenschaftliche Arbeit durch Arbeitsteilungen sich bereits vielfach schärfer zu trennen. Die Druckerei hatte nur noch die ihr vom Verleger übergebene Druckvorlage richtig wiederzu- geben und ihre Gehilfen, Faktoren und Korrektoren hatten lediglich für einen richtigen Satz dieser vom Herausgeber oder Verfasser zu verantwortendenVor- lage zu sorgen. Der Herausgeber oder Verfasser be- teiligte sich an der Drucklegung oder er gestattete sie wenigstens, er widersprach, wofern Falsches unter seinem Namen veröffentlicht wurde. Der von ihm approbierte Titel wurde die Flagge, die literarisch die Buchware deckte und demgemäß trat er in seiner Eigenbedeutung auf dem Titelblatt hervor. Ein eigener Gelehrten- und Schriftstellerstand war vom Humanismus gezeitigt worden. Dem Verfasser lag, ähnlich wie dem Verleger, an der Verbreitung seines Werkes, ebenso aus ideellen wie aus materiellen Gründen. Die Wechselbeziehungen zwischen der lite- rarischen Produktion und Rezeption, zwischen Autor und Publikum befestigten sich im Begriffe einer lite- rarischen Originalität, die sich auf die Titelgebung erstreckte. Der alten und neuen internationalen lateinischen Literatur waren die Nationalliteraturen mit den Nationaltypographien noch im 15. Jahr- hundert hinzugekommen. Deren Volksbücher hatten

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indessen meist unpersönliche, der Dichtung und Sage entlehnte Stoffe gefaßt und sich deshalb mit allgemein gehaltenen Sachtiteln begnügt. Eine aus- geprägtere literarische Motivierung des Titels mußte zu einer Folge der literarisch-originalen Produktion werden. Um 1500 verdeutlichte sich ein Richtungs- wechsel der schriftstellerischen Tätigkeit, die lite- rarische Technik wurde durch die typographische bedingt. Allmählich hatte man begonnen, Bücher ausschließlich für den Druck zu verfassen, welche also nicht lediglich die Niederschrift eines Werkes für dessen mögliche weitere vervielfältigende Wieder- gabe im Verhältnis des Autographen zum Apogra- phen waren, sondern von vornherein nur als Druck- vorlage berechnete Manuskripte, die bestimmte Rücksichten auf die Druckausführung zu nehmen hatten, die zu einer ganz genau geregelten Buch- gliederung zwangen und aus ihr auch dazu, einen umgrenzten Werkinhalt seinem Hauptthema unter- zuordnen, das der Titel angab, der in dieser seiner literarisch-technischen Ausbildung von der humani- stischen und von der Reformationstypographie weitergefiihrt worden ist.

Die Umfassung der Einheit Verfasser-Werk, welche die humanistischen Titelgebungen zeigten, hatten einem abgewogenen, ruhigen, statischen Stil zuge- strebt, sie waren, ohne daß sie sich einer allzu großen sachlichen Strenge befleißigten, beispielgebend für die grammatikalische Konstruktion von Titeltexten, für die Titellogik geworden. Dagegen bedeutete die populäre Publizistik der Reformationstypographie einen Rücklauf, indem sie die Dynamik der Titel- fassung über die notwendige Titelstrenge hinaus er- weiterte. Die Psychologie des Titels mußte für eine Tendenzliteratur ausschlaggebend werden. Belebung des Titels, der nicht mehr aristokratisch-zurückhal- tend blieb, wurde erstrebt. Und die nervösen Titel-

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gebungen nahmen nun vielfach die vollen Buch. wirkungen vorweg. Das bewegte Tempo der Büch- lein übertrug sich auf ihr Leitmotiv und lief) sie mit schlagwortkrüftigen Titeln schreien. Luther, seine Genossen und Gegner bekundeten sich als Rufer im Streite, als Tagesschriftsteller; ihre eiligen Flug. schriften sollten als Predigten und Reden, als ge- sprochene Zeitungen wirken. Man fingierte Frage- stellungen, um sie zu lósen, dialogisierte ein Thema, eine These, einen Titel, um ihn durch Für- und Widerrede zum Gegenstand der öffentlichen Mei- nung zu machen. Titel wiederholten sich in Gegen- titeln. Damit erreichte das Titelblatt literarische Originalitát. Die Polemiker wollten selbst vor ihre Ansichten treten, ihre eigene Autorität sollte be- achtet, ihre eigene Stimme sollte vernommen, ihr Wort sollte anerkannt werden. Die Akzentuierung des Verfassernamens auf dem Titelblatte verstärkte sich durch solches Begehren. Bezeichnend dafür, daß die stärksten Antriebe für die volle Besitzergreifung des Titelblattes durch den Verfasser von der Refor- mationstypographie ausgegangen sind, ist, daß in ihr zum erstenmal das Pseudonym, wie das des Karst- hans, nach den abstrakten humanistischen Namens- spielereien Fleisch und Blut gewann, daß in ihr zum erstenmal das Anonym, das im Mittelalter noch unbeachtete Fehlen des Verfassernamens, auffällig wurde. Der von der akademischen und humanisti- schen Typographie geschaffene Begriff des korrekten Textes als eines Buchdruckwertes und derder Authen- tizität der buchhändlerischen Originaledition ver- band sich zwar noch nicht mit dem von literarischen Eigentums- und Urheberrechten weiten Ausmaßes. Wohlabermußte, je mehr die alten Arbeitsverbunden- heiten zwischen Herausgebern Verfassern und Werk- státten sich auflósten, je mehr die literarisch-moderne Produktion sich steigerte und mit ihr der N achdruck

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aus literarischen Motiven, je fehlerhafter desto stärker und flüchtiger die Pressenschnelleistungen wurden, der Anspruch des Verfassers sich betonen, daß nur die von ihm approbierte Originaledition gelten solle. Auch das kam in den Titelfassungen zum Ausdruck, positiv in besonderen Hinweisen, die freilich nicht viel nützten, da der Nachdruck zum Titelnachdruck wurde, negativ in dem Bemühen der Bücherkäufer, sich die richtige Ausgabe zu verschaffen und diese nach ihrem Titelblatt zu beurteilen. Auf den Bücher- mürkten und -messen erhielten die Neuerschei- nungen noch im 16. Jahrhundert das Übergewicht, ihr literarischer Charakter zeichnete sich nicht mehr schlechthin in allgemeinen Sachtiteln ab, sondern im bestimmten Aussehen und im bestimmten Wortlaut des Titelblattes. Als die aldinischen Kleinformate und ihr Kursivstil um 1500 eine überall verlangte Buchware wurden, haben die Contrefacons, so die des Giuntakonsortiums, die Betitelungen der Ori- ginalfirma vorgetäuscht, weil man bereits nach diesen die Drucke bibliographisch identifizierte; ein Vierteljahrhundert spüter warnte Luther vor der Benutzung seiner Schriften in einer nicht von ihm anerkannten Ausgabe. Die im Begriff der Original- edition sich von überallher verdichtenden literari- schen und merkantilen Interessen verliehen so im 16. Jahrhundert dem Titelblatt Inhaltswerte, die sich in der Behauptung eines ausschließlichen Rech- tes auf den Originaltitel zusammenfaßten. Um 1500 begannen festere Formen eines für das Preßgewerbe geltenden Preßrechtes sich zu gestalten und die Behörden überwachten die Verantwortlichkeit für eine Buchdruckwerk-Veröffentlichung. Sie verlang- ten, daß die von ihnen erforderten Angaben Drucker-Verleger und Verfassernamen an sicht- barster Stelle vermerkt wurden. Damit bekam der

Titelinhalt auch eine gesetzliche Bedeutung. Die

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Einwirkungen der Preßgesetzgebung auf den Titel sind sehr verschiedenartig gewesen, sie führten schließlich zu einem Titelschutz, zu Verboten fal- scher oder täuschender Titelangaben, sie gaben dem Titel einen rechtlichen Urkundenwert. Da man an- fangs den Nachdruckschutz nur in der Form von Privilegien gewährte, lag es im eigenen Interesse des Verlegers, im Buche selbst auf die ihm erteilten Rechte zu verweisen. Vielfach war das in früheren Jahrhunderten nur durch den vollständigen Ab- druck der amtlichen Dokumente möglich. Ebenso mußte das Imprimatur der Zensurbehörden im ge- nauen Wortlaut angeführt werden. Alles das konnte man nicht mehr auf einer einzigen Titelseite unter- bringen, die sich deshalb zu einer Titelei in die Vor- (und Nach-) Stücke erweiterte. Auch die Verfasser verlangten danach, durch Vorreden und Widmungen ihr Buch einzuführen, man brauchte Buchschlüssel, Inhaltsübersichten. Die Beigaben, die dem Buch- text hinzuzufügen waren, vereinheitlichten sich nach Buchdrucker- und Buchhändlergewohnheiten im

- Titelwerk. Es ergab sich immer mehr als das zweck-

mäßigste, in einem besonderen Titelbogen diejenigen Buchteile zusammenzufassen, die sich vom Texte trennten und diesen Titelbogen mit eigener Seiten- zählung zuletzt auszudrucken. Erst wenn der Werk- druck fertiggestellt war, konnte man ein Register herstellen, Verbesserungen nachtragen, das, wasVer- fasser oder Verleger noch zu sagen hatten, im Vor- wort zusammenfassen. Dazu lag es nahe, die Titelei in Schriften zu setzen, die sie vom Textdruck unter- schieden. Das Titelblatt war nun ein Teil des Titel- bogens geworden, ein Umstand, der nicht unwichtig ist, weil einerseits seine literarische Ausgestaltung mit der der weiteren Titelei in ständiger Wechsel- wirkung blieb, andrerseits die selbständige typogra- phische Entwicklung der Titelei den Titelblattdruck

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und den Textdruck auseinanderbrachte. Die Ergän- zung des Haupttitelblattes durch ein Schmutztitel- blatt, allgemeiner seit dem 18. Jahrhundert, ist

wahrscheinlich dadurch hervorgerufen worden, daß

die typographische Praxis es vorzog, das Titelblatt für sich allein in Viertelbogen zu drucken, wofür mancherlei Gründe maßgebend wurden. Dabei hatte man dann leere Blätter zu verwerten und der ab- gekürzte Vortitel ist also keineswegs das Überbleib- sel des alten Kopftitels.Dergleichen technisch-typo- graphische Zweckmäßigkeiten sind für die Aus- gestaltungen des Einzeltitelblattes immer bestim- mend geblieben. Im 15. Jahrhundert hatte man noch nicht viel auf einem Titelblatte auszusagen. Man begann und beginnt heute noch ein Werk mit den Anfangszeilen seines Textes abzusetzen, ob es nun fortlaufend oder gleichzeitig in Setzerabschnitten hergestellt wird, um dann diesen Satz auszudrucken, damit die Schrift für den weiteren frei wird. An- gaben über das Endergebnis einer Gesamtherstellung im Kolophon zu machen, war so lange sinngemäß, solange man keinen ausführlichen Titel brauchte. Es verbot sich, bereits mit dem ersten Bogen den Titel zu drucken, es wäre aber andrerseits buchbinderisch und buchhändlerisch ungeschickt gewesen, für um- fangreiche Bände das Titelblatt als Einzelblatt zu drucken. Die Beibehaltung des Kolophons erübrigte sich zuerst bei den rasch fertiggestellten Klein- drucken, bei ihnen konnte man den Titel auch mit seinen zeitlich bedingten Schlußangaben auf den ersten Bogen setzen. Umfangreiche Vorstücke größerer Werke druckte man schon im 15. Jahr- hundert zuletzt, sobald in ihnen abschließende An- gaben zu machen waren. Und der sich verallgemei- nernde Titelblattgebrauch vereinheitlichte sich für die Druckerpraxis zu einer Einteilung des oder der

Titeleibogen, die für Verfasser und Verleger zur end-

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gültigen, selbständigen Druckbeendigung wurde. Dabei war fortan die Abhängigkeit der typogra- phischen von der literarischen Titelform im hohen Maße mitbedingt von den Beziehungen der Titelei- telle zueinander. Bestimmend wurde zunächst dasjenige, was aus kaufmännischen oder schriftstelle- rischen Rücksichten an erster Stelle, auf dem Titel- blatte selbst, Platz finden sollte. Bestimmend blie- ben weiter die sonstigen Zwangsangaben, die in Beziehungen zum Titel standen und von Vor- oder Nachstücken gegeben wurden. Die hier einander durchkreuzenden Entwicklungsrichtungen sind - ganz im groben dahin zu kennzeichnen, daß die ausführliche Titelei vom 16. bis zum 18. Jahrhundert sich in Ergänzungen des Titelblattes gestaltete, auf die der Titel ausdrücklich oder stillschweigend ver- wies, wobei dann in der Titelei Fehlendes in die inhaltlichen Ausformungen des Titels übernommen wurde und daß erst später, seit dem 19. Jahrhundert, mit dem Entfallen früher unentbehrlicher oder für unentbehrlich gehaltener Vorstücke der Titel deren noch nötige sachliche Angaben, so die der formel- haft kurz vorgeschriebenen Rechtsschutzvermerke, an sich zog. Empfehlende Ehrenworte sind schon in den Vorstücken der Wiegendrucke zahlreich. Alte Gebräuche der Handschriftenzeit und neue Gewohn- heiten der Humanisten trafen bei der Anwendung derartiger Bucheinführungen zusammen, und zwar in einer Art, die, unabhängig vom Kolophon, eine Entwicklung der Vorrede aus der Widmung herbei- führte und in die moderne Betitelung hinúbergriff. Die Ausformungen der Buchwidmung folgten zu- nächst den Schreiber- und Schriftstellerregeln. Die biirgerlichen Buchmacher des spáten Mittelalters arbeiteten meist auf Bestellung und nicht auf Vor- rat, wenn sie eine Prachthandschrift ausführten. Auch die Luxusmanuskriptindustrie des15.J abrhun-

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derts berücksichtigte noch die besonderen Wünsche der Bücherkäufer. Das war z.B. bei den Gebet- büchern nötig, die man, selbst wenn man sie auf Lager hielt, endgültig erst für den jeweiligen Käufer fertigmachte, insbesondere in den Schluß- und Vor- stücken. Die ikonographischen Manuskripttradi- tionen, die für die Miniaturen des späten Mittel- alters galten, hatten sich zu einem konventionellen Stil der Dedikationen verfestigt. Besteller der welt- lichen Prachthandschriften waren fürstliche oder sonst vornehme Buchfreunde, und so paßte sich auch die Buchkunst feiner höfischer Sitte an, Hand- schrifthersteller, Herausgeber, Verfasser huldigten dem Buchgönner in einem üblicherweise voran- gestellten Widmungsbilde, das stereotyp zeigt, wie die Buchgabe dem hohen Herren von dem knienden Kalligraphen oder Autor dargebracht wird. Das Widmungsbild das sich noch in der Buchbildkunst des 16. Jahrhunderts erhielt und eine der Urformen des Titelbildes wurde, die ebenso in der Barock- wie in der Rokokoillustration wiederzufinden ist gab Gelegenheit, die Beteiligten zu porträtieren. Die mittelalterlich-kollektivistisch empfindenden Werk- leute hatten nur bescheiden an versteckten Stellen ihre Bildnisse angebracht, als dann die Buchdruck- kunst zu einem Druckereigewerbe geworden war, traten die handwerkenden Typographen völlig zu- rück. Dagegen hatte der Individualismus der Re- naissance dem Verfasser den Vorrang verliehen. Bei den meist im Holzschnitt und nur ausnahmsweise im Kupferstich wiedergegebenen Widmungsbildern des 16. Jahrhunderts ist der das Buch Überreichende stets der Verfasser, in seinem Umstand konnte man allenfalls den Druckereiherren und den Verleger ab- bilden. Daneben wagte sich das selbständige Autor- porträt bereits im 15. Jahrhundert hervor. Es hat

dann meist in einer Frontispizestellung, seit der

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ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Kupferstich, den Modeeinwirkungen sich anpassend, diesen be- vorzugten Platz vor dem Titel bewahrt und ist, begünstigt von dem psychologischen Interesse des 20. Jahrhunderts als werbender Ansager des eigenen Buches auf den Schutzumschlag vorgerückt. All- gemein wich jedoch die ikonographische Orien- tierung der Widmung seit der Renaissance der lite- rarischen. Der Humanismus liebte die Prunkrede, deren glänzende Huldigungen überschwänglichen Wortpompes indessen noch einen nüchternen Kern hatten, sie heischten klingenden Lohn, Ämter und Würden, dazu baten sie um Schutzgewährung für das Buch. Dergleichen mehr praktische Tendenzen bestimmten vor allem die Ausdehnung der Wid- mungsstücke, ihre graphischen und literarischen Stilisierungen. Ein auszeichnender Satz wurde be- nutzt, in den Schriftkästen suchte man das reichste Typenmaterial zusammen. Daraus ergaben sich An- schlüsse an den, Beispiele für den Titeldruck. Doch auch Rücksichten auf die Selbständigkeit der Wid- mungsblätter, denn schon im 16. Jahrhundert haben vorsichtige Verfasser und Verleger alte durch neue Widmungen ersezt, sei es, weil der. zuerst angerufene Buchgönner versagte, sei es, weil irgendwelche Än- derungen der Verhältnisse zu einer Widmungsände- rung zwangen. Neben solchen Zueignungen traten frühzeitig die von Freunden des Verfassers auf ihn und sein Werk geschriebenen Anpreisungen hervor, ein Werklob, das man nach humanistischem Brauch voranschickte, im 17. Jahrhundert in ganzen Samm- lungen verschiedensprachiger Lobgedichte. Wenn nun allerdings auch den Humanisten das Titelblatt nicht ausreichte, um diese literarische Reklame voll zur Wirkung zu bringen, so ergab es sich doch leicht, daß aus der Fülle der in den Widmungen zur Aus-

wahl gebotenen schmückenden Beiworte einzelne

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besonders einprägsame sich in die Titeltexte hin- überrankten. Es blieb nur eine Frage des geltenden Geschmackes, ob jemand sich auf dem Titelblatte die mannigfachsten Vorzüge zuschrieb oder ob er sich darauf beschränkte, seinen Namen mit der Auf- zählung von Ehren und Würden zu verbrämen oder ob er sich mit einer einfachen Namensnennung be- gnügte. Bisweilen wandelten sich die literarischen Moden in diesem Punkte schnell, auch in der naiven Auffassung der Populartypographie, die in Verzwei- gungen des hohen Stils einen niederen pflegte, indem sie in aller Ausführlichkeit die Vorzüge des Ver- fassers oder seines Werkes auf dem Titelblatte aus- einandersetzte. Manches, das früher an besonderer Stelle die Widmungen betonten, verlor sich in den Vorreden, und die Verbindungen derlauten Reklame mit dem Titel hörte seit dem 18./19. Jahrhundert auf, nicht zum wenigsten deshalb, weil man für die Buchwerbung jetzt andre Mittler zur Hilfe nahm. Doch auch späterhin den eigentlichen Titelinhalt bereichernde Hinweise machten sich schon in den Widmungsbriefen des 15. Jahrhunderts bemerkbar mit den sachlichen Beschreibungen der Besonder- heiten einer Druckherstellung, etwa der ihrer neuen Schriften. Dergleichen Bemerkungen sind Über- gänge in die seit dem 16. Jahrhundert sich verall- gemeinernden, Text und Titelei verbindenden Vor- reden, die einen Eigenwert für die Titelei, zu der sie typographisch gehörten, gewannen und den

Haupttitel bald beschwerten, bald entlasteten, je

nachdem, ob sie Angaben in sich aufnahmen, die

man sonst auf diesen hätte setzen müssen oder

nicht. Die Abtrennung der Vorstücke vom Werk-

druck hatte es ermöglicht, daß Verfasser und Ver-

leger in ihren Vorworten alles zusammentrugen, was

sie über die von ihnen beabsichtigten Buchzwecke

zu sagen hatten, von den Mitteilungen über die An-

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lage des Werkes und den Berichtigungen der Im tümer bis zu weit über das Werk hinaus ausholenden polemischen oder programmatischen Erklärungen. Das Explizit der alten Buchschreiber war ein »Gott sei Dank« gewesen, daß die Arbeit beendet sei, die Vorreden wurden zu einem öffentlichen Sprechsaal, in dem alle Buchverwandten das Wort nahmen. Man begrüßte den hochwillkommenen Leser, um ihn dar- über zu unterrichten, wie er seine Lektüre einm- richten habe. Man gab dem Buchbinder Anweisungen für die Kollation usw. Allmählich befleißigte man sich dann, in das Durcheinander einige Ordnung durch straffere Buchgliederungen zu bringen, nach- dem die Ausdehnung der Titelei in die Vorstücke und in die ihnen oft gleichzustellenden Nachstücke im 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die Umgrenzungen des Vorwortes behielten es mehr und mehr dem Verfasser vor, Angaben über die Druckausführung brachte man anderswo unter, in- dem man sie sachlich streng beschränkte, auch auf dem Titelblatt. Indessen ist heute noch der Vor- redengebrauch keineswegs normalisiert. Es ist üb- lich geworden, im Vorwort allen denen zu danken, die eine Buchausführung gefördert haben und dabei wird dann nicht selten der Offizinen, der Reproduk- tionsanstalten usw. gedacht, es werden also Angaben gemacht, die die eines Druckvermerkes sind, wie man ihn jetzt häufig auf die Rückseite des Titel- blattes setzt. Die Ausdehnung der Titelinhalte seit dem 16. Jahrhundert steht in manchen Beziehungen zur Entwicklung der Registertechnik. Die Früh- drucker hatten, insbesondere der Verschiedenheit der Lagenbildung wegen Vorkehrungen treffen müs- sen, daß die ausgedruckten Bogen eines Buches richtig zusammengefalzt und zusammengesetzt wur- den. Dazu dienten im 15. Jahrhundert Registrum, Signaturen, Foliierung, Kustoden, deren Gebrauch

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sich im folgenden Jahrhundert durch die Praxis der Werkdruckerei vereinheitlichte. Das Registrum ist nur in der deutschen Wiegendruckerei identisch mit der Inhaltsangabe (Index, Tabula) gewesen, in der romanischen Inkunabeltypographie bezeichnete es eine Übersicht über die Lagen und Bogen. Da Buchdruckwerk und Buchhandschrift noch lange nebenhergingen, ist man erst im 16. Jahrhundert da- zu gelangt, aus der Verbindung von Paginierung und alphabetischem Register ein Buchnutzungsver- fahren zu schaffen, das eine schnelle Orientierung über den Inhalt gestattete. Die Blattzählung hatte nur als ein Behelf für die Kollationierung gegolten, an die bequemere und bessere Seitenzählung hatte man nicht gedacht. Aldo Manuzio brauchte (1499) als einer der ersten die Paginierung und verband sie mit einer gedruckten Zeilenzählung, so daß seine Ausgabe der »Cornucopiae« des Perottus die beiden Möglichkeiten erschöpfte, durch Bezifferungen eine Buchseite so zu kennzeichnen, daß eine in einem Bande aufgesuchte Stelle ohne weiteres aufzu- schlagen war, wenn der Registerschlüssel gut funk- tionierte. Die alphabetischen Inhaltsverzeichnisse des späteren 16. und des 17. Jahrhunderts sind vielfach vortrefflich gearbeitet worden. Das bedeutete eine sachliche Entlastung des Titelinhaltes, der Bücher- käufer konnte sich über den Stoff eines voluminösen Werkes im Register orientieren. Man pflegt jetzt einem Buche eine Inhaltsübersicht voranzustellen, die den systematischen Aufbau des Werkes, seine Gliederung nach Hauptabschnitten zeigen soll. So- lange solche Inhaltsübersichten fehlten, gab man sie gern, besonders in wissenschaftlichen Büchern, auf dem Titelblatte durch einen den Hauptwerktitel er- gänzenden Untertitel, derin verkürzter Form die Ein- teilung des Werkes erkennbar machte, ein noch im

18. Jahrhundert nicht ganz verschwundener Brauch.

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Über die Psychologie des Titels ist viel geschrie- ben worden. Die Frage nach dem richtigen Titel ist immer die nach dem auf den Bücherkäufer wirkungs- kräftigsten geblieben, seitdem das Titelblatt zum Aushängeschild der Buchware wurde. Aus den man- nigfachsten Gründen hatten Verfasser und Verleger eine Titelpolitik zu treiben, weil die Gesamthaltung und die Richtung einer Veröffentlichung vom Titel- blatt bekundet wurde. Die Abwandlungen der Titel- fassungen aus ihren frühesten kommerziellen, lite- rarischen und typographischen Ursprungsformen sollen im einzelnen hier nicht verfolgt werden. Sie verliefen so, daß bald mehr, bald weniger eine der beiden Hauptformen hervortrat, die die humani- stische und die Reformationstypographie zeigten. Allgemein sind diese beiden Hauptformen in einer modernen Parallelisierung die des (nur sachlichen) Werktitels und die des Zeitungstitels, der sich nicht allein mit der Bezeichnung eines Inhaltes begnügt, sondern ihn auch noch irgendwie von vornherein wertet. Man braucht dabei keineswegs an die irre- führenden oder marktschreierischen Titel zu denken. Gerade die feinere literarische Individualisierung der Titelgebung verlegte die Stellungnahme des Ver- fassers zu seinem Stoff in den Titel. Der Bedeutungs- wandel der Titelsprache ist hierbei nicht zu über- sehen, das Auffinden eines lebensnahen, zeitgemäßen Titels wird immer von den vorherrschenden Ge- schmacksrichtungen stark beeinflußt werden, wes- halb von den herrschend gewordenen und hiermit nicht mehr allerneuesten Titelmoden ständige Ein- wirkungen auf das Schrifttum ausgehen. Beliebt gewordene und bewährte Titel werden wiederholt, Einstellungen auf auch für den Werkinhalt weg- weisende Titelrichtungen, die, meist von den höheren in die tieferen literarischen Schichten absinkende

unmittelbare Rückwirkungen vom Titel auf die

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literarische Produktion ergeben. Die Geschichte des Titels aus literaturwissenschaftlichen Gesichtspunk- ten ist bisher nicht geschrieben worden. Wohl haben die alten Polyhistoren auch diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zugewandt, sie haben sich jedoch lieber mit den Titelkuriositäten vergnügt, mit den besonders merkwürdigen Titeln, die ihre erstaun- lichen Virtuosen gehabt haben, den ihren Verfassern fatalen Titeln und ähnlichem. Eine moderne biblio- graphische Morphologie des Titelblattes ist von den Katalogisierungsordnungen versucht worden, die ungefähre Systeme der meist üblich gewesenen Titel- fassungen aufstellen. Da bibliographisch-kritische Untersuchungen ihren Ausgangspunkt beim Titel- blatte und der Titelei nehmen müssen, so sind für sie die echten und falschen Titel, die Maskentitel, die Titelausgaben und sonstigen Titelveränderungen, die Verlagsteilungen, die Vordatierungen und andre Eigenheiten des früheren und jetzigen Titelge- brauches wichtig, die das Gemeinsame haben, daß sie der vorausgesetzten Titeltreue widersprechen. Dieser häufige Widerspruch mit der hauptsächlichen Zweckbestimmung des Titels, richtige Angaben über das von ihm gedeckte Buch zu machen, ist auffällig genug. Doch vom Anfange seiner selbständigen Ent- wicklung an ist das Titelblatt immer ein mobiler, nie völlig neutralisierter Buchteil gewesen, weil es, im Gegensatz zum Kolophon, sich mehr als auf die Werkherstellung auf den Werkinhalt bezieht. Die Abwehr buchhändlerischer und sonstiger Titelwill- kür hat seit dem 16. Jahrhundert nicht aufgehört. Eine theoretische Forderung: »Titel der Bücher sollen nichts anderes sein als kurze, deutliche und ganz der Wahrheit gemäße Anzeigen, von dem, wozu sich der Verfasser und Buchhändler verpflichten, dem Käufer leisten zu wollen« (Bensen und Palm, Neues

Archiv für Gelehrte, Buchhándler und Antiquare,

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Erlangen 1795), kann sich praktisch kaum ver- wirklichen; das Titelblatt wird nicht aufhören, die Ausgleichungen unter sich sehr verschiedenartiger Bedeutungswerte des Buchdruckwerkes zu suchen. Eher dürften Bestrebungen erfolgreich sein, die for- male Normungen des Titelblattes erstreben, durch Klassifikation der notwendigen Titelangaben, durch deren regelmäßige Verteilung auf Vorder- und Rück- seite des Titelblattes. Ähnlich den anderen Vor- stücken zeigt das Titelblatt die Wandlungen des literarischen Anstandes, der feinen schriftstelle- rischen Sitte, dazu die der üblichen verlegerischen Betriebsverfahren einer Buchherstellung und -ver- öffentlichung. Da diese und andere konventionellen Elemente immer in ihm vorhanden sind, hat es nie seine eigenen Kunstformen ganz unabhängig ent- wickeln können, es sei denn, daß es auf ihm unent- behrlich gewordene Bestandteile verzichtete. Dem entspricht, daß die historische und moderne Ästhe- tik des Titelblattes reich an Kompromissen ist. Alle Buchgeschmackswandlungen zeigten sich am auffälligsten beim Titelblatt. Die ästhetischen, lite- rarischen, merkantilen Moden sind zuerst von den Titelblättern typisiert worden eine Erscheinung, die unschwer zu erklären und auch heutzutage über- allhin zu verfolgen ist. Die Aufsehen erregende, die besonders gut verkäufliche Buchware konnte am raschesten durch Titelblattkopieren nachgemacht werden, auch da, wo sich nicht der Wunsch be- tätigte, das Original durch betrügerische Titelblätter vorzutäuschen. Ausschlaggebend blieb der Buchver- braucher, nach ihm richtete sich die Psychologie des Titelblattes, gleichviel, ob sie bezweckte, für einen geistigen Güterumsatz oder für einen gesteigerten Handelsverkehr zu werben. Als der beweglichste Buchteil machte das Titelblatt Altes äußerlich neu, der Drucker, der Kaufmann, der Schriftsteller

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mußten sich wenigstens darin der Zeit anpassen, daß sie sich befleißigten, ein modernes Gesicht durch Titelfassungen und Titelformungen zu wahren. Das Titelblatt befreit sich stets zuerst von den Bin- dungen der Tradition, wie es ja selbst aus der stärk- sten Bruchstelle der Druckwerk- mit der Hand- schriftzeit hervorgegangen ist. Deshalb erscheint es in diesen Zusammenhängen wohlberechtigt, wenn die bezeichnendsten Beispiele der Buchdruckkunst- geschichte an den markanten Stilwandlungen des Titelblattes orientiert werden. Beweisend bleibt allerdings immer nur das Buchganze, doch man kann am ehesten auch typographisch für dessen Synthese das Titelblatt nehmen, weil es derjenige Buchteil ist, in dem sich der Schmuck- und Schriftgebrauch am freiesten entfalten durfte, der am wenigsten vom Druckspiegelzwang und den andern regulären Werk- druckgewohnheiten eingeengt wurde, der es am meisten gestattete, die üblichen Bild- und Buch- schmuck-Vervielfältigungsverfahren voll auszunut- zen. Das Titelblatt ist der fortschrittlichste Buch- teil, technische Neuerungen wurden zuerst oft vom Titelblatt aufgefangen und ausgeprobt, die Bewe- gungen der Kunst in Buchdrucktendenzen, die Eigenwilligkeiten der Nationaltypographien und die der Meistertypographen sind am deutlichsten an den repräsentativen Titelblättern zu vergleichen. Immer wieder faßte in seiner Gesamterscheinung das Titel- blatt die individualistischen und die kollektivisti- schen Züge des buchdruckerischen Kunstwillens zu- sammen, da die graphischen Akzentuierungen einer Buchgestaltung sich am schärfsten beim Titel be- tonen mußten. Auch da noch, wo diese Betonungen fehlten, wo sie unbewußt vernachlässigt wurden, wo Mängel den Stil des Titelblattes dokumentierten. Aber es ist trotzdem zweifelhaft, ob man allein mit dem bequemen chronologisch-historischen Schema

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auskommt, wenn man eine Kunstgeschichte des Titelblattes schreiben will. Einteilungen nach Re- naissance-, Barock-, Rokoko-, Empireepochen sind, der mannigfachen Übergangsformen wegen, allzu ungenau. Ausführungs- und Ausstattungsunter- schiede sind vorhanden und werden ökonomisch be- dingt. Die Renaissance ist die Blütezeit des xylo- graphischen Ziertitels, den der chalkographische im Barock und Rokoko verdrängt, während das Empire und seine Vorbildungen die Wendung zum reinen Titel- satz bringen. Bei nüherer Betrachtung erweist es sich jedoch, daB, auch abgesehen von den Durchschnitts- herstellungen, die man für die eigentlich kenn- zeichnenden halten müßte, diese Entwicklungsreihe gar keinen ununterbrochenen Verlauf zeigt. Vollendete Muster reinen Titelsatzes hat die Renaissancetypo- graphie aufzuweisen. Dekorative und illustrative Holzschnittitel sind vom 15. bis zum 19. Jahrhun- dert ständig verwertet worden. Kupferstichtitel sind im 17. und 18. Jahrhundert nicht die aus- schlieBliche Regel, sondern quantitativ die Aus- nahme und überwiegend Doppeltitel, die dem eigentlichen Titelblatt vorangehen. Geht man, wie es noch oft geschieht, bei den Einteilungen der Titelblattstile von den Buchschmuckgewohnheiten aus, darf man nicht übersehen, daß alte Stöcke und Platten jahrzehntelang besonders von den kleinen und mittleren Offizinen als Klischee- material aufgebraucht worden sind, nachdem längst andere Zierformen und Zierverfahren herrschend ge- worden waren. Und daß nicht allein die Abgüsse und Nachschnitte von Holzstöcken im Buchgewerbe viel gehandelt worden sind, daß auch die Drucker seit dem Aufkommen dergewerbsmäßigen Schriftgießerei von dieser mit eigenem typographischen Ziermate- rial versehen wurden, das für gesetzte Titeleinfas- sungen (seit dem 17. Jahrhundert) und sonstige Titel-

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ausschmückungen benutzt wurde. Kurz, es hat manches Bedenkliche, die Stilgeschichte des Titel- blattes in Ableitungen von den bildenden Künsten aufzufassen und nicht von der Buchdruckkunst selbst sowie ihren literarischen Voraussetzungen, welche die typographischen Ausprägungen der Titelblatt- gestaltungen bestimmten.

Bauten und Bücher sind oft verglichen worden. Die Architektur eines Buchdruckwerkes ist an seinen konstruktiven Elementen ersichtlich zu machen, am Ausbau der inneren Werkform, die die Bandgliederung hervorbringt, an der technischen Tektonik der Typographie. Die literarische Fassung des Titelblattes bedingt seine typographische For- mung und diese ist wiederum bedingt durch das herr- schende Schriftgefühl. Hier wird der Vergleich von Bau und Buch am zutreffendsten, denn das Kunst- und Raumempfinden einer Zeit, ihr Stil, oder wie man jetzt wohl auch sagt, ihr Rhythmus, ihr Tempo, wird am schärfsten von den architektonischen Syn- thesen ausgeprägt, sie sind die gleichen, die sich in den vom Schriftsatz zusammenfaßten graphischen Synthesen der Buchstabenformungen für die Laut- wiedergabe aussprechen. Wenn man das Titelblatt die Buchfassade oder das Buchportal nennen will, um seine ästhetische Bedeutung mit einer architek- tonischen Parallele zu charakterisieren, so ist dabei daran zu denken, daß es die monumentale Wirkung seines Schriftsatzes sucht. Mag man, mit Hermann Glockner, drei ästhetische Entwicklungsrichtungen unterscheiden, die der konstruktiven, dekorativen, illustrativen Formung, je nachdem die eine von ihnen beherrschend hervortritt und überwiegt, so ergibt sich doch von vornherein, daß ein Bild- oder Schmucktitelblatt ohne Schrift aufhört, ein Titel zu bleiben, es wird ein Bildtitel oder ein Titelbild. Aus- reichende Beschriftung ist notwendiger Bestandteil

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und Mittelpunkt auch des Ziertitels. Dessen simt- liche Stilisierungen, auch wenn sie noch so sehr den dekorativen oder illustrativen Ausschmückungen zu- neigten, konnten nie auf die ihnen gegebene gra: phisch-konstruktive Überschrifturform verzichten. Damit ist das Verhältnis der Bild- und Schmuck- formen des Titels zu seinen Schriftformen bestimmt, jene sind um den architektonischen Vergleich zu beenden immer nur Buchtürfüllungen oder Buch- türrahmungen geblieben, nie die Buchtür selbst ge- worden. Die ästhetische Geschichte des Titelblattes ist die der Druckschriftanwendung für eine beson- dere Aufgabe, deren Lösungen nebenbei auch Bild- und Buchschmuck mit verwerteten. Auszeichnungt- verfahren und Auszeichnungsschriften der Inkuna- beltypographie dürfen als Vorläufer des Titelsatses und der Titelschriften gelten. Recht eigentlich waren die Rubriken ja Titeldrucke im Text. Die Anfangs- zeilen, den Sachtitel der ersten Seite, löste man oft schon im 15. Jahrhundert vom Textbeginn. Jenson in Venedig, der Schöpfer des klassischen Antiqua- stils, indem er die Uberschriftzeile in Majuskeln setzte, um eine besondere Auszeichnungsschrift zu sparen. Die gotische Letternkunst konnte ihre Grob- buchstaben so nur schwer verwenden, sie konnte auf die Auszeichnungsschrift nicht verzichten. Deshalb rückte sie den Textbeginn tiefer unter die Über- schrift und brachte diese, auch mit ausgeschmäck- ten und größeren Buchstaben zu einer ornamentalen Eigenwirkung. Beide Satzweisen sind für das Titel- blatt der folgenden Jahrhunderte verwertet worden, jene mehr in den Formen des gelösten, diese mehr in den Formen des geschlossenen Satzes. Denn der Antiquatypograph hatte es leichter, geschlossene gleichmäßige Satzgruppen auf voller Breite zustande zu bringen als der Deutschschriftdrucker. Dieser ver- suchte eher, eine Gesamtwirkung durch geometrisch-

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konstruktive Aufteilungen des Satzes zu erreichen. Mannigfache Manieren des Titelsatzes wechselten in den typographischen Moden vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, seit diesem begann sich auch die Theorie mit der ästhetischen Problematik des Titel- satzes zu befassen, die seit dem 19. Jahrhundert dadurch eine gewichtige Sonderbedeutung gewann, daß sich die Akzidenztypographie aus dem Titel- satz verzweigte. Die Abwandlungen des Schriften- geschmackes und der Schriftenverwendung be- stimmten seit dem 16. Jahrhundert das Entstehen eigener Titelschriften. Wenn es in der Wiegendruck- zeit noch gemeingebräuchlich gewesen war, für Aus- zeichnungen besondere Buchstabenformen zu wäh- len, ging man im 16. Jahrhundert allgemach dazu über, die Auszeichnungen auch durch Kontraste der Typen zu bewirken (Antiqua-Kursive; Fraktur- Schwabacher), durch Rotdruck auf den Titeln,durch Sperren, das in späteren Jahrhunderten zeitweise bei der Auflichtung des Titels eine Rolle spielte. Regelmäßige Abstufungen innerhalb einer Schrift (Grade) sind bis zum 18. Jahrhundert nur ausnahms- weise benutzt worden. Der Mischsatz, die Schriften- verwilderung seit der zweiten Hälfte des 16. Jahr- hunderts ist auch im 19. Jahrhundert noch vielfach vorhanden gewesen,indem mandurchfette undhalb- fette Schriften die Schattierungen eines Titelinhaltes zu verstärken versuchte. Neben dem Durcheinander verschiedenartiger Schriftformen und Schriftgrößen war der Hauptmangel des alten Titeldruckes, daß er willkürlich die sinngemäße Anordnung und die Worttrennungen vormahm. Das gilt insbesondere für den deutschen Titelsatz. Dem Antiquastil fielen die Aufteilungen der Zeilen durch eine epigraphische Methode leichter als dem Frakturstil, der letzten Endes beim Titelsatz bis zum 18. Jahrhundert der

malerischen Gesamtwirkung des Druckbildes zu-

strebte. Die belebten Titelblätter des 16. Jahrhun- derts nahmen, abgesehen von der Anwendung ver- schiedenartiger Schriftgrößen und Schriftstärken, nur ganz geringe Rücksichten auf die sinngemäße Textwiedergabe. Diese sachliche Einstellung des Titelsatzes erhielt man erst im 18. Jahrhundert, als mit den Verkürzungen der Titelfassungen sich die Notwendigkeit ergab, genauer mit dem literarischen den typographischen Stil des Titels in Überein- stimmung zu bringen. Der sachliche und schöne Titelsatz wurde nun deshalb schwierig und in dieser seiner Schwierigkeit auch erkannt, weil der Wert der Worte so fein abzuwägen war, daß die unwich- tigeren Angaben hinter die wichtigeren zurück- traten und zwar in einer Anordnung weniger Zeilen, die mit weißen weiten Zwischenräumen auszu- gleichen sind und die verschiedenartigen Textteile des Titels trotzdem übersichtlich zusammenhalten sollen. Achtsame Meister nahmen wohl die Hilfe des Formen- oder Holzschneiders in Anspruch, wenn ihr Schriftkasten nicht ausreichte, um hauptsächliche Wörter oder Zeilen richtig zu setzen. Ähnlich hat bereits im 15. Jahrhundert mancher Buchdrucker Überschriftzeilenxylographischergänzt, ähnlich wer- den noch im 20. Jahrhundert aus buchhändlerischen Gründen ganze Titelseiten nach Zeichnungen in Holz geschnitten oder klischiert. Die harmonische Komposition des reinen Titelsatzes gilt heute mehr denn je als ein Kunst-im-Buchdruck-Meisterstück. Nicht die auffällige Auszierung des Bucheingangs, seine sinngemäße Zweckformgestaltung, die allein durch Gliederung und Raumverteilung,durchRhyth- mik des Titelsatzes wirkt, bedingt nun die Aufgabe, völlig die literarischen Werte des Titels durch die typographischen auszudrücken. Bodoni, der Klas- siker des monumentalen Titelstils experimentierte

monatelang mit wenigen Zeilen, für die er sich eigene

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Zwischengrade schnitt und goß. Der moderne Typo- graph ist zu einer ästhetischen Normung des Titel- satzes gelangt, die diesen als eine regelmäßige Voll- endung des Textsatzes auffaßt. Dazu gehört (nach Friedrich Bauer und Reinhold Bammes), daß jeder Buchtitel nur aus einer Schriftart und zwar der- jenigen der Textschrift des Buches gesetzt wird, daß er so wenig wie möglich verschiedene Schriftgrößen aufweist, daß die Größe der Titelkolumne mit der der Textkolumne übereinstimmt, daß der Wortlaut seinem Sinne nach in möglichst wenige Zeilen- gruppen zusammengefaßt wird, wobei jeder Zeilen- fall zulässig erscheint. Der Sinn des Wortlautes soll klar und knapp hervortreten und mag auch eine wohlabgewogene Sperrung das Herausarbeiten des Gesamttitelsinnes unterstützen, so ist doch jeden- falls das Beiwerk des Titels zu beschränken wie Farbendruck und überflüssiger Zierat. Die Erfah- rungen, die man im 20. Jahrhundert über die Werbe- drucksache gesammelt hat, kommen in solchen For- derungen zum Ausdruck. Das Tempo des Titels ist beschleunigt durch eine Beschränkung auf den wesentlichen Titelinhalt. Überall wird die Psycho- logie des Lesers vorangestellt, der die Hauptzeilen lesen soll, ohne daß ihn daran die Nebenzeilen hindern. Der Bild- und Schmucktitel wollte den Beschauer vor dem Lesen fesseln. Als man begonnen hatte, Buchdruckwerke zu illustrieren, wurde es vielfach zu kostspielig, umfassende Vollbildreihen auszuführen. Man wählte dann den am augenfällig- sten Platz für das beste Bild und machte möglichst die erste Seite zur Großbildseite. Noch im 15. Jahr- hundert ist so der Bildblattitel aus dem Titelbild entstanden, um 1500 ergab die Übernahme eines Vollbildes auf dem Titelblatt in Verbindung mit den schon vorhandenen Seitenumrahmungen die An- passungen des Schriftsatzes an den Ziertitel. Von

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der Luther-Presse und ihren Zeitungen sind die nen: deutsche Druckschrift, die Fraktur, und die neu- deutsche Schriftsprache volkstümlich gemacht wor- den. Damit war für das germanische Druckgebiet großenteils die gotische Inkunabeltype verdrängt worden, indessen der Antiquagebrauch sich in den romanischen Ländern durchsetzte. Auch die Sprach- verschiedenheiten bedingten weitere Wechselbe- ziehungen zwischen den graphischen Elementen der Titelformen und den literarischen. Die Antiqua drängte zu einem klaren Aufbau der Stilisierungen des Titelblattes, der Fraktur war dessen Ausmalung mit Wortbildgruppen gemäßer. Man muß sich dieser einschneidenden Gegensätze der graphischen Aus- bildung der Beschriftung des Titelblattes bewußt bleiben. Denn es ist selbstverständlich, daß sie auch eine universale Ausgestaltung der Schmucktitel- formen be- und verhinderten. Das wird gerade da hervortreten, wo Anlehnungen und Nachahmungen sich zeigten, wo Fremdartiges übernommen und angepaßt wurde. Also vielleicht gerade da, wo man am meisten geneigt ist, übereinstimmende Entwick- lungsrichtungen der Stilwandlungen des Titelblatt- druckes zu bestimmen, beim Holzschnitt- und Kupferstichtitel.

Weil der Textdruck auch für das dekorative oder illustrative Titelblatt wesentlich ist, hat es nur zwei Hauptformen: die der Umrahmung des Textes mit Bild- oder Zierstücken und umgekehrt die der Umrahmung der Bild- oder Zierstücke mit Text. (Man wird den letzteren Fall in Anbetracht der Größenverhältnisse und auch des Herstellungsver- fahrens meist als das Einsetzen einer Dekoration oder Illustration in den Text bezeichnen, für dessen Komposition werden indessen jene zum Mittel- punkt.) Die eine Form ist die der Titelbordüre, die andere ist die der Titelvignette, aufeine dieser beiden

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Hauptformen sind alle Schmucktitel zurückzufüh- ren, mag es auch bisweilen scheinen so etwa bei den großen allegorischen Titelblättern des 17. und den ornamentierten Titelblättern des 18. Jahrhun- derts als ob lediglich die zufällig leeren Stellen dieser Vollbilder den Text aufgenommen haben. Die Buchschmuckrandleiste der ersten Textseite (und auch noch ersten Buchseite) ist von der Dekorations- xylographie der Inkunabelperiode den Manuskripten nachgeahmt worden, in reichster künstlerischer Ausgestaltung von der Renaissancetypographie als dekorative oder illustrative Titelseitenumrandung verwertet worden. An und für sich war sie eine für die Fassung des Druckspiegels wohlgeeignete Titelblattverzierung, aber sie hatte auch manche Nachteile. Nicht allein nur, wenn sie von der Deko- ration in die Illustration hmübergriff, mußte sie mit dem Inhalte des von ihr ausgezierten Bandes über- einstimmen, sie mußte auch mit dessen Formate übereinstimmen. Bei einer auf einen bestimmten Werkinhalt bezogenen und als Ganzes geschnittenen Randleiste brauchte man oft für ein neues Buch einen neuen Stock und unter diesen Umständen war es fast gleichgültig, ob man das Titelblatt voll- ständig im Holzschnitt wiedergab oder ob man sich auf einen Holzstock mit Aussparungen beschränkte, um Textsatz einzufügen. Man wollte aber die Buchschmuckrandleiste als Klischeematerial aus- nutzen und dafür war es zweckmäßiger, sie aus Einzelteilen zusammenzusetzen. Auch wenn man Rahmenschnitte brauchte, sollten diese möglichst vielseitig anwendbar werden und wurden deshalb inhaltlich verallgemeinert. Der rasche ästhetische und technische Verfall des Holzschnitt-Rahmentitels ist nicht zum wenigsten auf derartige Rücksichten zurückzuführen. Oder vielleicht richtiger, er hat nie eine völlig freie künstlerische Entwicklung gehabt,

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weil er sich immer wieder sogleich der Klischier- methode anpaßte, sei es durch wahllose Ausnutzung eines Holzstockes, sei es durch Nachguß-Vervielfäl- tigungen oder grobe Nachschnitte. Da das chalko- graphische Verfahren einen Sonderdruck verlangte, wurde seit dem Ende des 16. Jahrhunderts der Kup- ferstichtitel vielfach als Doppeltitel angewendet, einem gedruckten Titelblatt vorgeheftet. Die Be- liebtheit des Titelbildes blieb davon dem Buche des Rokoko zurück, der klassizistische typographische Stil des 18. Jahrhunderts verdrängte viel weniger das Bildtitelblatt, als daß er, nachdem schon der barocke Titelsatz im 18. Jahrhundert von seinen Überwucherungen befreit worden war, den reinen Titelsatz veredelte, indem er ihn noch mehr ver- einfachte. Anfänge der Titelvignette könnte man bereits in den Titelbildholzschnitten mit Überschrift der Wiegendruckzeit finden. Dekorative und illu- strative Titelvignetten sind im 16. Jahrhundert schon mannigfach verwertet worden und man kann bei manchem Preßerzeugnis der Reforma- tionsepoche beobachten, wie die Illustration, in der knappen Vignette konzentriert, die Schlagkraft der Titelwirkung steigert —, chalkographische begannen seit dem 17. Jahrhundert die xylographischen Titel- vignetten zu ersetzen, verdrängten sie jedoch nicht, weil die Drucker ein Klischeematerial typographi- scher Vignetten Leisten usw. weiter gebrauch- ten, das seine eigene Entwicklung nahm, auch in der Blütezeit des Pariser Rokokobuches eigenartige und eigenwertige Hochdruckformen für den Titel- schmuck hervorgebracht hat, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich in Ableitungen von der Akzidenztypographie für eine dekorative Titelsatz- mode ausgestaltete und auch den Büchern des 20. Jahrhunderts in den Verlegerzeichen, Zier-

strichen usw. noch zurückgeblieben ist. Die Ver-

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kleinerungen der Vignette brachten vollbildartige Wirkungen auf die eines Zierstückes. Die Vignette erhielt auch einen technischen Wert, man benutzte sie als Regulator des textlich eingeschränkten Titel- satzes, als bequemes Füllstück des Zwischenraumes zwischen der Doppelgliederung der beiden Haupt- teile des Titels, der Werküberschrift und dem Ver- lagsvermerk, die sie sinngemäß teilte. Die ästhe- tische Reform des Titelblattes durch die Buchkunst der Gegenwart (seit etwa 1900), die mit den Ver- wilderungen des Titelsatzes aufräumen wollte, zer- legte, ähnlich wie in der Wiegendruckzeit den Titel völlig in diese beiden Hauptteile, beschränkte das Titelblatt auf die literarische Überschrift, auf die Verfasser- und Werkangabe, die solcherart sich eng und ohne fremdartigen Unterbrechungen mit dem Texte zusammenschloß und setzte Druckerunter- schrift sowie Verlagsvermerke an das Buchende. Mag dabei auch einige Pressenromantik mitgespielt haben, die Ausnahmeerscheinung eines Meister- und Musterdruckes rechtfertigte diese alt-neue Satz- weise. Für das Gebrauchsbuch der Gegenwart gibt sie keine gültige Lösung. Denn dieses muß auch noch insofern zweckmäßig eingerichtet sein, als es an einer einzigen Buchstelle sämtliche Angaben ver- einigt, die dem Benutzer eines Buches jeweilig wichtig sind, um sich über die ihm vorliegende Aus- gabe zu unterrichten. Möglicherweise werden in Zukunft die Bemühungen um die ästhetische und bibliographische Normung des Titelblattes in der Gewohnheit zusammentreffen, dem Verfassernamen und der Werküberschrift, der Verlags- und der Ver- lagsortbezeichnung die Vorderseite des Titelblattes einzuräumen, während alle anderen noch nötigen Angaben auf dessen Rückseite gemacht werden. Der bedruckte Buchumschlag eine Verlängerung und Wiederholung der Titelei ist so erst seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts (etwa seit den 1820er

Jahren) verwendet worden. Bedruckte Buchun- schläge sind allerdings in Verzweigungen der Deko- rations- und IIlustrationsxylographie schon im 15. Jahrhundert vorhanden gewesen, aber sie blie- ben vereinzelte Ausnahmen. Im 18. Jahrhundert broschierte man die Bücher, indem man sie, gefalst und leicht geheftet, mit einem einfarbigen oder ge- musterten Schutzumschlage versah. Am Ende dieses Jahrhunderts wurde es üblicher, ein bedrucktes Rücktitelschildchen den broschierten Exemplaren aufzukleben, das auch die maschinengefertigten Ver- lagsleinenbände (um 1830) übernahmen, die weiter- hin die maschinelle Plattenpressung- und Vergol- dungsverfahren für den Titeldruck anwendeten. Vereinzelt ist auch der bedruckte Schmuck- und Bildumschlag seit dem Ende des 18. Jahrhundert: verwertet worden. Die Vermehrung der Bilddruck- verfahren im 19. Jahrhundert Erneuerung der Holzschnittkunst, Steindruck, photomechanische Reproduktionstechniken und die unter den Ein- wirkungen der Akzidenztypographie hervortretenden buchdruckerischen Zierweisen, dazu die Ausgestal- tungen der Stereotypie brachten in dienun allgemein werdende Benutzung der bedruckten Buchum- schläge eine große Mannigfaltigkeit rasch wechseln- der Ausstattungsmoden, die mehr oder minder von denen des Titelblattes beeinflußt worden sind. Der bedruckte Buchumschlag wurde zum Hauptträger der Buchwerbung und nahm hiermit eine Sonder- entwicklung, die das Titelblatt von seinen alten Anhängseln aus den Zeiten befreite, in denen es allein auch für die nur einstweiligen buchhändie- rischen Mitteilungen verfügbar war. Als es dann 20. Jahrhundert üblich wurde, ganze Auflagen nur gebunden in den Handel zu bringen, machte man den Einbandschutzumschlag zum Buchplakat und Reklametitel. Er ist der letzte Ausläufer einer halb- tausendjährigen Entwicklung des Titelblattes.

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NAMEN- UND SACHREGISTER

Seite Ackermann aus Böhmee n 17 ое 83 Altdorfer, ЕгтһҺага................................ 20, 23 Amerbach, Johann von 15,81 Anatomieszene im Titelblatt......................... 24 Apokalypse (Юйгег)................................. 21 Arnsheim, Johann уоп.............................. 18 Außentitel beim chinesischen Buch................... 60 Bämler, }оһапп..................................... 12 Baldung, Hang 16, 27, 30 Bambusstreifen ..................................... 59 Beatrizet, ЇМїсоЇав................................ 52, 54 Beschreibung und Contra-Faktur der vornembster Staat der Welt 1512 aa 55 Berruti, A. Dialogus, 1517........................... 52 Bibel; !.! ĩðVüd lb sana es 14 Bildinitiale als Titelblattvorlàufer................. 11, 12 Bildszene als Textumrahmung ....................... 15 P Ae im ͤ 2d mr.. 8 51 Boccaccio-Meister. . 12 A A: dd оова ER 14 lop ri TT 56 Brentel, Friedrich .................................. 56 Breydenbach, Reiss 15 Bry, Theodor де................................ 55, 56 Buchanfang, im Mittelalter.......................... 10 Buchform, chinesische. o... 59 Buchornament, italienisches 13 Buchornamentik, französischer Einfluß ............... 15 Buchrolle, chinesische. ek. 59 Buchtitel, sprachliche Formalierung.................. 9 Buchtitel, Wiener, der Kleinmeister zeit 47 Behne, 94 Buonaccorsi, P UIUU iii.... nenn 51 Burekmair... ͥͥͥͥͥͥͥ‚» ̃ ³ ⁰mſ cr DE DES 22 Calcar, J. Stephan vaei⁊ nnn 53 Chinesisches Titelblatt᷑ꝶ ee .. 59

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Seite Coecke, Pieter, van Aelet. i rne 53 Cock, Hieronymus......... ER 54 Cranach, Hans 28 Cranach, Lucas, d. А............................. 23, 52 Cranach, Lucas, d. J.. .............................. 24 Custos, Бошепїсїз.................................. 56 Druckvermerk, chinesischer 70 Волта ß аа RE MESS 16, 21, 28, 52 Einleitungsholzschnitt............. ................. 17 EM ³ AA ⁵ĩ¾.Aͥa x e ET A URS 51 Faltbuch, chinesischen 59 Farbendruck im Titeoõů lll. 21 For A ĩð EN RH SE 57 Fust und Scho ffe REI ERA 12 Fyner, Conrad .... ³ð A ec tung 14 Gessner, С. ))! mek aida 20 Gabriel da Bologna ................................ 52 Geminus, Thoma 53 E sooo atat e v bam esa ee ioe LEES ТТ 83 Goltzius; Hubert ec VERD ER ee ent 54 Grab, UH odore ⅛*—-5»u- p ß Е 26 Grüninger, : 27 eee, e rin 12 Gollob; Hd.... as 47 Handschrift, mittelalterliche......................... 75 Heiligtumbuch, Wittenberger, 1509 .................. 52 Hogenberg, Fan 55 Holbein, Hanns 27, 30 Нор т, Daniel ici pines eee fk łkmÄ«â˙ w 26 Hypnerotomachia Polifili........................... 20 Inhalts verzeichnisse 87 Initiale als Textbeginn 11 Inkunabel- ãee . eg 77 Innentitel beim chinesischen Buch................... 60 Kalligraphie im lithographischen Titel. Я 57 KieDling, Gerhard ................................. 9 Kleinmeister, Wienern 47

Seite Knoblochtzer, Heinrich............................ 13 Künstler-Lithographie .............................. 58 Kupferstichtitel, Entwicklung ....................... 51 Lafreri, Antoni 54 Lithographie als Reproduktionsmittel ............... 58 Lochmayer, Michael. PETE Ee 26 Luckius, A 56 Lukas von Leiden.. 52 Luther, Martin 23 Manutius, Aldu ss . 81, 87 Marienleben Dürer )))))j)j))ꝛꝛ o 21 Mazocchio, Giacomo oo 26 Meister, Е. RB... 56 PF) Ew 48 Oporin, Johann n. . 24 Pfister, Albrecgihnũů e 17 Picouchet, Philipp . 15 Plantin, Christompꝶꝶ gn . 54 Pré, Jean dn... . 15 Raimondi, Магсапіопіо........ e er 52 Randornament der ersten Buchseiten 11 Ratdolt, Erhard. A 25, 26 Regiomontanus ................... а... 25 Reuwich, Erhard .................. 15 Riederer, Friedrich une 19 A 15 Rubens, Peter Pall... 54 Savonarola, Compendiv di revelazione 1495........... 51 Schedels Weltchronik . 19 Schmetterlingsbuch (China) 59 Schriftbild und Titelholzschnitt ii... 22 Schriftformen, chinesische, im Titelblatt... 72 Schriftrolle im Titelholzschnitt ....................., 22 Schubert, Johannes. 59 E 57

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Seite Springinklee .................................... 28, 29 Steiner, Heinrich . 20 Stuchs, Georr ggg 22 Theuerdanktype . 21 Titel, literarische Fassung........................... 90 Titel, im Mittelalter ................................ 10 Titel, Psychologie des Т............................. 87 Titelblatt, Амййпде............................... 9,74 Titelblatt, chinesisches.............................. 59 Titelblatt, chinesisches, Dreiteilung... . 66 Titelblatt, chinesisches, Zweiteilung ................ 68 ff. Titelblatt, Entstehung und Fortbildungen............. 14 Titelblatt, Gestaltung... 9 Titelblatt in Lithographie .. 51 Titelblatt, in Kupfer gestochen 5] Titelblatt, Reform (seit 1900)........................ 94 Titelblatt, typographische Gestaltung.. 19 Titelblatt, Vorläufer . 11 Titelholzschnitůů ii ns 17 Titelholzschnitt und Schriftbild. . 22 /H! РЕР ОККО ЛС. 19 KE 91 Titelumrahmunn ggg . 25 Umschlagtitel, chinesischer .............. nnn 62 Valverde, Anatomie . . 54 Verard, Antoine . . 15 Vesalius, Апйгеав............................... 24,53 Med 52, 53 Wechtlin, Johannͤnnn . . 27 Weiditz, Hane nnn 22, 27, 30, 31 JO era 12 Wolgemut, Miche!ll . ͥ 15, 18 Xylographische "Titel... : : Zainer, Güntherr̊rrrrrr е d : Zainer, Johann...

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CCC

Sub und Schrift

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM IV. JAHRGANG 1930

Scriftprobleme«

VERLAG DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM ZU LEIPZIG

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Buch und Schrift JAHRBUCH DES DEUTSCHEN VEREINS

FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM IV. JAHRGANG 1930

„Schrittprobleme

Schriftleitung: Dr. Hans H. Bockwitz VERLAC DES DEUTSCHEN VEREINS FUR BUCHWESEN UND SCHRIFTTUM ZU LEIPZIG

INHALTSVERZEICHNIS

‚SCHRIFTPROBLEME«

Geheimrat Dr. Ludwig VOLKMANN-Leipzig, Bild und Schrift, das Programm eines ungeschriebenen Buches ..................

Professor Dr. Hubert GRIMME-Münster, Die südsemitische Schrift. Ihr Wesen und ihre Entwicklung .........................

Professor Dr. Konrad WEICHBERGER-Ottersberg, Die minoischen Schriftzeichen 4.222999 vr p EO da

Professor Dr. Ernst KÜHNEL-Berlin, Das Schriftornament in der

islamischen Kunss Dr. phil. Johannes SCHUBERT-Leipzig, Tibetische Schriftprobleme

Professor Dr. K. LÖFFLER-Stuttgart, Die Hirsauer Buchmalerei,

ein Problem der Initialornamentik .......................

Bibliotheksrat Dr. Ernst CROUS-Berlin, Der Elefantenrüssel in den spätmittelalterlichen Schriften Böhmens ...................

Dr. Karl SCHOTTENLOHER, Abteilungsdirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, München, Der Farbenschmuck der Wiegendrucke

Museumsdirektor Dr. Friedrich SCHULZE -Leipzig, Kirchliche Wandsprüche der Barockzeit und ihre Schriftgestaltung .......

Professor F. H. EHMCKE-München, Wandlung des Schriftgefühls

Professor Dr. Wilhelm NIEMEYER-Hamburg, Sprachklang, Rede- kunst und Schriftforů nnn...

Glossen und Register

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VORWORT

Der vierte Jahrgang unseres Jahrbuches vereinigt unter dem Titel „Schriftprobleme“ Aufsätze aus verschiedenen Gebieten: zeitlich gehen sie weit in die vorchristlichen Jahrhunderte zurück, räumlich erstrecken sie sich vom Abendland bis zum fernen Orient. Wiederum haben wir auch bei diesem Jahrgang den Ausfall einiger vorgesehener und uns bereits zugesagter Beiträge zu beklagen, so daß Schriftprobleme, die man gern in diesem Jahrgang be- handelt gesehen hätte, leider wegbleiben mußten. Nichts- destoweniger gelang es, mit zehn Beiträgen bekannter Fachleute wenigstens einen Teil des unerschöpflichen Gebieteszu behandeln, und wirmöchten nicht versäumen, allen Mitarbeitern auch an dieser Stelle den Dank des Vereins und der Schriftleitung für die geleistete Mit-

arbeit zum Ausdruck zu bringen.

Leipzig, im Dezember 1930

Schriftleitung des Jahrbuchs Deutscher Verein für Buch- des Deutschen Vereins für wesen und Schrifttum E. V. Buchwesen und Schrifttum Der stellvertr. Vorsitzende:

Dr. Hans H. Bockwitz Univ.-Prof. Dr. W. Goetz

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1

BILD UND SCHRIFT

DAS PROGRAMM EINES UNGESCHRIEBENEN BUCHES

VON LUDWIG VOLKMANN-LEIPZIG

Im Anfang war das Wort.« In diesem kraft- vollen Spruch (Ev. Joh. 1, 1) liegt die ganze Bedeu- tung der Sprache für uns Menschen begriffen, indem *das Wort: als Beginn alles Seins gedacht und mit jeder vernünftig-ordnenden Tätigkeit überhaupt gleichgesetzt wird. Abyos 4 bedeutet ја nicht nur das Wort, sondern auch den Geist, und so heißt es denn weiter: »Und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.« Mystischen, göttlichen Ur- sprung und magische Wirkung hat man dem Wort zu allen Zeiten und bei allen Völkern beigelegt; und nicht nur dem gesprochenen Wort, sondern auch seinem sichtbaren Niederschlag, der Schrift.

Damit kommen wir sogleich auf die zweierlei Mög- lichkeiten, geistige Dinge Erfahrungen, Erkennt- nisse, Gedanken, Willensakte für Andere kennt- lich zu machen, sie auf sinnlichem Wege mitzuteilen, wodurch allein ja ein geordnetes Zusammenleben in höherem Sinne entstehen kann. Es ist dies die Mit- teilung durch das Gehör und durch das Gesicht, durch das Ohr und durch das Auge. Wenigstens für die im Vollbesitz ihrer Sinne befindlichen Menschen kommen nur diese beiden Arten in Frage, während für die, denen das Augenlicht fehlt, ergänzend noch

das Gefühl, der Tastsinn herbeigezogen wird, der die Grundlage der Blindenschrift bildet und gleich- falls eine ziemlich vollkommene Verständigung er- möglicht. Andrerseits ist der Taubstumme auf die Vermittlung durch das Gesicht allein angewiesen, da das gesprochene Wort nicht zu ihm dringt.

Aber nicht nur für diesen besteht eine begrenzte Wirksamkeit und Geltung der akustischen Über- mittlung, vielmehr sind dem gesprochenen Wort an sich gewisse Wesensgrenzen gesetzt, die in seiner zeitlichen und räumlichen Beschränkung liegen. Worte sind Schall und Rauch t, sie verklingen und haben keine Dauer; erst der Technik unserer Zeit ist es gelungen, sie einzufangen und im Sprech- apparat wiedererklingen zu lassen, ohne daß diesem Verfahren doch vorerst größere praktische Bedeu- tung für die Gedankenübermittlung und Bewahrung zukäme. Und ebenso ist die Reichweite des ge- sprochenen Wortes begrenzt, wenngleich auch hier die moderne Technik im Fernsprecher und Funk- spruch einen gewissen Ausgleich innerhalb be- stimmter Gebiete geschaffen hat. Zur bedingungs- losen und restlosen Überwindung von Raum und

Zeit ist jedenfalls das gesprochene Wort auch heute

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LUDWIG VOLKMANN-

nicht genügend, und die akustische Mitteilung be- darf zu diesem doppelten Zwecke von jeher und noch jetzt der wichtigen Ergänzung durch die op- tische, durch den Gesichtssinn, wie sie sich für uns vornehmlich in der Schrift verkörpert.

Hier aber ergiebt sich alsbald eine weitere wichtige Scheidung, die in den verschiedenen M. itteln, welche den beiden Mitteilungsarten zur Verfügung stehen, naturgemäß begründet ist. Sprache sowohl wie Schrift nämlich bedienen sich bestimmter Zeichen, um Begriffe damit auszudrücken Zeichen, über welche eine Übereinkunft bestehen muß, sollen sie Anderen verständlich sein. Es liegt nun auf der Hand, daß der Klang des Wortes, das akustische Zeichen, sich nicht ohne weiteres in ein sichtbares Zeichen umsetzen läßt; es gehört daher schon eine weit fortgeschrittene geistige Entwicklung dazu, um solche Zeichen auf rein abstraktem Wege zu er- finden, auszubilden und zu vereinbaren. Und dies ist nun die Stelle, an welcher die andere, oder viel- mehr die erste und ursprüngliche Art der Vermitt- lung von Begriffen, derjenige durch den Gesichts- sinn in den Kreis unserer Erörterung eintritt: die bildliche Darstellung, das Bild.

Wir müssen uns dabei zunächst einmal freimachen von dem uns geläufigen und selbstverständlichen Zustand einer hochentwickelten Sprache,

einer ebenso hochentwickelten,

die in allen Regungen schmiegsam folgenden Lautschrift ihren voll sprechenden Niederschlag findet

jedoch auch hier

ent- ; wir dürfen uns schon kurz daran erinnern, daß gerade diese hochentwickelte Sprache zu feinsten Wendungen und Verdeutlichungen sich gern des sprachlichen Bildes,

des Gleichnisses oder Tropus be- dient und gerade

dadurch oft die größte »Anschau- lichkeit «im eigentlichsten Sinne des Wortes erreicht.

Wir müssen uns vielmehr zurückversetzen in den

10

BILD UND SCHRIFT

Zustand primitiver Menschen, die erst eine enge Begriffswelt mit kargem Wortschatz klanglich zu bezeichnen wußten und die nun für diese gleichen Begriffe dauerhafte, sichtbare Zeichen suchten. Und da liegt es denn ohne weiteres auf der Hand, daß hierfür vorerst nichts anderes in Frage kommen konnte, als die gegenstündliche Darstellung der Dinge oder Handlungen, die aufbewahrt oder an Andere mitgeteilt werden sollten, also das Bild, natürlich in seiner einfachsten und primitivsten Form, wie sie vielleicht schon lüngst neben den Anfüngen der Sprache bestand. Es sei hier vorläufig nur ange- deutet, daB auch die Kunst des Bildes, wie die der Rede, auf mythischen, ja göttlichen Ursprung zu- rückgeführt zu werden pflegte, und daß man, wie dem Wort und der Schrift, so auch dem Bild magi- sche Kraft und Wirkung beimaß. GewiB wäre es müfig, zu fragen, welche von beiden Ausdrucke weisen die frühere ist. Jedenfalls aber gilt es das eine festzuhalten: Schrift ist zum Bild gewordener Begriff, in übertragenem Sinne also auch zum Bild gewordenes Wort, und so können wir für die Ent- stehung der Schrift mit gutem Recht die Bibelstelle, mit der wir begannen, abwandeln und sagen: In Anfang war das Bild!

Dieser einfache und selbstverständliche Ent- stehungsprozeß ist nun freilich in unseren modernen Schriften ganz oder fast ganz verwischt, aber er zieht sich nicht nur wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte und Entwicklung der Schrift aller Zeiten und Völker hindurch, sondern er doku- mentiert sich auch heute noch in mannigfaltigen Erscheinungen, die es nur in dieser Verbindung zu betrachten gilt, um sie recht zu begreifen. Und es ergeben sich hieraus so mannigfaltige Beziehungen: Wechselwirkungen und Aufschlüsse, daD es Jeden, der mit Buch- und Schriftwesen einerselts,

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L UD WIG V О Т, К М А М N

BILD UND S CH RIFT

mit künstlerischem Ausdruck andrerseits zu tun hat, überaus wichtig, ja unerläßlich erscheint, auch diesen *Schriftproblemen« grundsätzliche Beach- tung zu schenken, soll ihm nicht Vieles, das ihm täglich begegnet, unverständlich bleiben. Wir be- geben uns damit freilich in Grenzgebiete, die Sprache und Literatur, Kultur- und Kunstgeschichte, ja Ethnographie und Religion gleichermaßen berühren, deren volle Ausschöpfung innerhalb der einzelnen Disziplinen selbstverstándlich dem Spezialforscher überlassen bleiben muß und einem Einzelnen über- haupt nicht möglich ist. Aber man sollte es wohl unternehmen, diese so ungemein wichtigen und reiz- vollen Beziehungen zwischen Bild und Schrift einmal im Zusammenhang zu verfolgen und darzustellen. Es würde dies wiederum, bezeichnender Weise, »in Wort und Bild« zu geschehen haben, und als Leit- spruch kónnte dabei ein Wort Goethe's aus »Kunst und Altertum vom Jahre 1823 dienen, wo es heißt: »Wort und Bild sind Korrelate, die sich immerfort suchen, wie wir an Tropen und Gleichnissen genug- sam gewahr werden. So von jeher, was dem Ohr nach innen gesagt oder gesungen war, sollte dem Auge gleichfalls entgegenkommen. Und so sehen wir in kindlicher Zeit in Gesetzbuch und Heilsordnung, in Bibel und Fibel sich Wort und Bild immerfort balancieren. Wenn man aussprach, was sich nicht bilden, bildete, was sich nicht aussprechen ließ, so war das ganz recht; aber man vergriff sich gar oft und sprach, statt zu bilden, und daraus entstanden die doppelt bósen symbolisch-mystischen Unge- heuer.«

Es kommt damit schon zum Ausdruck, daB man es hier auch mit allerlei Seltsamkeiten und Abwegen zu tun haben würde, die gleichwohl zum Ganzen ge- hören. Und der Standpunkt, von dem aus wir dieses

Ganze zu betrachten hätten, wäre wiederum ein

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zwiefacher, nämlich einmal ein logisch - genetischer, und andrerseits ein ästhetischer ; man könnte diesen Dua- lismus kurz zwischen die beiden Gegenpole: Bild- schrift und Schriftbild einspannen, deren einer das Bild zum Gedankenausdruck macht, während der andre der Schrift selbständige künstlerische Wir- kung zugesteht zwischen beiden aber liegt das weite Gebiet der gegenseitigen Berührung, Verbin- dung und Durchdringung von Bild und Schrift in geistiger und formaler Beziehung.

Die nähere Beschäftigung mit verschiedenen hier- her gehörigen Einzelthemen! hat mich immer wie- der auf den Zusammenschluß aller dieser Probleme zu einem einheitlichen Gedankenkreis geführt, und so wage ich es denn, diesen hier als solchen wenig- stens einmal anzudeuten, ohne ihn erschöpfen zu wollen, in der Überzeugung, daß die klare, syste- matische Fragestellung fürs Erste vielleicht wich- tiger und anregender sein kann, als die Beantwor- tung und Ausführung im Einzelnen.

* * *

Wenn ich soeben von einem Gedanken-Kreis sprach, so war dies ganz wörtlich gemeint, in dem Sinne einer in sich selbst zurücklaufenden Linie, die eigentlich keinen Anfangs- und keinen Endpunkt besitzt, und wir mögen uns dies schematisch etwa

an der nachstehenden Figur vergegenwärtigen.

1 L. Volkmann, Bilderschriften der Renaissance, Hierogly- phik und Emblematik in ihren Bezeichnungen und Fortwir- kungen, Leipzig 1923. Hieroglyphik und Emblematik bei Giorgio Vasari, in Festschrift für Karl W. Hiersemann, Leipzig 1924. Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel, Zeitschrift für Bücherfreunde 1926, Heft 4/5. Die Hiero- glyphen der deutschen Romantiker, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 1926, Heft 2/3. Ars memorativa, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Neue Folge, 3. Jahrgang, Wien 1930. С.Е. Hartlaub, Giorgiones Geheimnis, München 1925, hat den Einfluß dieser Bestre- bungen auf die Malerei der Renaissance untersucht.

LUDWIG VOLK M ANN

BILD U ND SCHRIFT

POL: AUSDRUCK Bildschrift

Mnemonik

Illustration Allegorie Symbol

POL: FORM. Bild Dekoratives Bild Ornament

Figuren aus Schrift

Schrift aus Figuren

Gegenstandsschrift Rebus Silbenschrift

Lautschrift Schrift. POL: INHALT

Kalligraphie

Abzeichen

Inschrift

Dekorative Schrift

Schriftbild

POL: SCHMUCK

Bei der Besprechung im besonderen dürfen wir

aber mit gutem Recht auf den Satz »Im Anfang war das Bild« zurückgreifen, und somit, unser Schema gewohnter Weise von links nach rechts lesend, mit dem Bilde beginnen. Das entspricht wiederum einem begrifflichen Pol, dem der Form, während der Gegenpol, der Inhalt, durch die Schrift verkörpert wird; und die wechselseitige Verbindung und Verknüpfung dieser beiden Pole wird nun gleichfalls auf zwei polar entgegengesetzten Wegen hergestellt, auf dem des Ausdrucks, als dessen Schei- telpunkt wir schon vorhin die »Bildschrift« er- kannten, und dem des Schmuckes, der über das Schriftbild führt.

Fassen wir also das »Bild« zunächst ganz abstrakt, gewissermaßen in Reinkultur auf, als künstlerische Form um ihrer selbst willen, und suchen wir zu erkennen, wie eine immer stärkere Beimischung von Ausdruckswerten allmälig von hier zur Bildschrift leitet, aus der dann wieder in allmälig fortschrei- tender Abstraktion die reine »Schrift « erwächst, die

völlig im Inhalt aufgeht.

Die erste Stufe stellt das Symbol dar, insofern dem Bild als solchem symbolische Bedeutung oder reli- giöse, kultische, magische Kraft beigelegt wird, oder auch symbolische Elemente darin zur Darstellung gelangen, die schon ganz offen inhaltlicher Natur sind, wenn auch in mehr gefühlsbetontem Sinne. Das Bild wird hier ohne weiteres zum Zeichen. Es ist ja allgemein bekannt, wie wichtig gerade dieser Vorgang schon für die Anfänge menschlicher Kunstübung war, und wie man in ihm vielfach ge- radezu die Wurzeln der Kunst zu suchen geneigt ist. Es ist auch über dieses Thema schon sehr viel Gutes geschrieben worden, das nur unter unserem spe- ziellen Gesichtspunkt zusammenzufassen wäre!.

Das gleiche gilt von der nächsten Stufe, der Alle- gorie, die schon stärker in verstandesmäßiger Rich- tung inhaltlich durchsetzt ist und ganz direkt »sinn- bildliche« Wirkung erstrebt, wenn sich auch der Inhaltnochnichtunmittelbar ablesen «läßt, vielmehr gerade häufig in versteckter und gekünstelter Weise

! Eine breit angelegte Geschichte des Symbols hat Max Schlesinger versucht, Berlin 1912.

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BILD U N D SCHRIFT

zum Ausdruck gebracht wird und nur dem »Ge- bildeten « verständlich ist. Die »Attribute« der my- thologischen und heiligen Gestalten dienen wesent- lich zur Erklärung.

Noch einen Schritt weiter bedeutet sodann die Illustration, worunter wir hier alle erzählenden oder sachlich-belehrenden Darstellungen überhaupt ver- stehen dürfen. Dabei treten nun zahlreichere und kompliziertere Probleme auf, wie die mittelalter- liche Auffassung des Bildes als »Laienschrift« (Gregor von Tours, Walafried Strabo u. a.), die es mit sich bringt, daß man unbedenklich den Figuren Spruchbänder zur Erläuterung beigab oder ganze Gemäldezyklen durch ausführliche, meist in Vers- form gehaltene Beischriften, die sogenannten Tituli, erklärte. Die gesamte mittelalterliche Handschrif- ten-Illustration ist unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen, wobei auch die deutende oder symbo- lische Gebärde eine große Rolle spielt. Ungemein be- zeichnend für die Gleichsetzung von Schrift und Bild ist die Stelle bei Dante, Purgatorio XXXIII, Vers 75 ff,, wo Beatrice will, daß er ihr Wort »wenn nicht geschrieben, so doch gemalt« (se non scritto, almen dipinto) in sich tragen solle. Dieser Stufe gehören ferner die volkstümlichen Holzschnittwerke an, wie die Biblia pauperum, die Árs moriendi, das Speculum humanae salvationis u. a. m., wo überall das Bild vor allem als »Lehrbild« wirken soll und gewirkt hat. Die ungeheure Bedeutung, die das Lehr- und Anschauungsbild in neuerer und neuester Zeit gewonnen hat, kann hier nur angedeutet wer- den man denke etwa an die Bildwirkung der Plakate, an die amtlichen Anschläge zur Unfallver- hütung, die sich zu größerer Eindringlichkeit gern des Bildes an Stelle der Schrift bedienen, oder an den sehr bezeichnenden Umstand, daß unsere Zeit mit ihrem »Tempo « immer mehr Bücher und Zeitschrif- ten hervorbringt, die weit mehr durch die Abbil- dungen als durch den Text Beachtung finden wol-

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len. Natürlich gehört hierher besonders auch die Illustration im engeren Sinne, die Begleitung und künstlerische Auslegung eines Schriftwerkes durch bildliche Darstellungen, und dabei treten alsbald die wichtigen ästhetischen Fragen des rechten formalen Zusammengehens von Bild und Schrift einerseits, der inhaltlichen Harmonie von Text und Bild andrerseits auf den Plan, deren jede eine geson- derte und ausführliche Behandlung verdiente: fügt sich die Illustration der Textseite wirklich restlos ein, wird die Phantasie des Lesers durch die bild- liche Darstellung angeregt oder etwa im Gegenteil nur eingezwängt? Im letzten Grunde könnte man ja die gesamte Historien- und Genremalerei schon als eine Art von »Illustration « betrachten, und viele Er- zeugnisse desselben sind in der Tat fast ebenso sehr literarischer wie künstlerischer Natur. Auch die auf eine witzige inhaltliche Pointe eingestellten Kunst- werke sind hier wenigstens zu streifen, die erst durch den schriftlich beigefügten Titel ganz verständlich sind hat doch selbst Wilh. Trübner einmal »Cäsar am Rubikon« in Gestalt einer Dogge gemalt, und in gleicher Weise erinnere ich mich, »Hektors Ab- schied + dargestellt gesehen zu haben . . .! Von hier ist es nicht weit zum Witzblatt, wo wiederum oft die Komik auf dem Zusammen- oder Entgegen- wirken von Bild und Schrifttext beruht.

Das Lehrbild wiederum führt unmittelbar zum Gedächtnisbild, zur Mnemonik, soweit diese auf bildlichen Mitteln beruht; ich habe diesen Stoff in meiner oben genannten Abhandlung ziemlich er- schöpfend ausgeführt und darf hier darauf ver- weisen. Nur kurz sei angedeutet, daß diese »augen- sinnliche« Gedächtniskunst vom Altertum bis ins 18. Jahrhundert eine weit größere Rolle gespielt hat, als man gemeinhin weiß, und daß die Entwicklung dabei allerdings immer mehr vom rein Anschau- lichen fort- und zum nur Intellektuellen hingeführt

hat, woraus sich so manche überaus spielerische und

L U D WIG V О LK M A NN

BILD U ND SCHRIFT

bizarre Erscheinungen ergaben, die gleichwohl für den jeweiligen Zeitgeist höchst aufschlußreich sind. Insofern hier vielfach das Bild ohne weiteres für den Begriff gesetzt wird, sind wir damit bereits an der Schwelle der Bildschrift angelangt; andrerseits weist die häufige Anwendung von Wortähnlichkeiten und dergleichen schon über diese hinaus und leitet zum Rebus oder Bilderrätsel über. Im 15., 16. und 17. Jahrhundert hat man sich in allen europäischen Kulturländern dieser bildlichen Gedächtnishülfen in einem überraschenden Maße bedient, namentlich für das mechanische Einprägen der Kapitel und Para- graphen der Bibel, der Rechtsbücher und der Gram- matik und Logik, weshalb auch die Zeichen für Zahlbegriffe besondere Ausbildung erfuhren. Sogar die Form des Kartenspiels wurde dafür verwendet (Thomas Murner u. a.).

Die eigentliche Bildschrift oder Bilderschrift (Pictogramm) endlich, die gleich der Mnemonik bei primitiven Völkern Amerikas, Asiens und Afri- kas auch heute noch verbreitet ist, giebt nicht nur, wie jene, allgemeine Anhaltspunkte fiir einen an sich bekannten Inhalt, sondern sie will bestimmte Nachrichten oder Mitteilungen úber Raum und Zeit hinaus genau an Andere úbermitteln oder úberliefern, wodurch erst die Tatsache einer wirklichen Schrift erfüllt ist. In ihrem einfachsten und zugleich rein- sten Zustand decken sich Bild und darzustellender Begriff vollständig (Ideogramm), d. h. also für einen Baum ist eben ein Baum gezeichnet, für Haus ein Haus, für Tätigkeitsworte eine Figur in der ent- sprechenden Handlung. Dieses Prinzip reicht natür- lich nur für die einfachsten Begriffe und Handlungen aus, und schon für Eigenschaftswörter, mehr noch für kompliziertere geistige Vorgänge mußten andere, zum Teil auf Assoziation beruhende Ausdrucks- mittel, besondere Deutzeichen und dergleichen herangeholt werden, was hier um so weniger im

einzelnen ausgeführt zu werden braucht, als diese

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Dinge den Lesern unseres Jahrbuches im allge- meinen vertraut sein dürften. Es mag dafür wie für das folgende auf die umfangreiche Literatur ver- wiesen sein!, Die reine Bilderschrift, die aus lauter Ideogrammen besteht, ist nun naturgemäß von der Sprache ganz unabhängig, da ein Jeder sie eben in seiner eigenen Sprache liest; das Zeichen eines Ber- ges bedeutet für uns dann Berg, für den Franzosen mont, und für den Engländer mountain. Nur so ist es z. B. möglich, daß Chinesen und Japaner dieselbe Schrift für die gleiche Bedeutung, aber mit ganz ver- schiedener Lautbezeichnung gebrauchen konnten, Es ist daher kürzlich sogar allen Ernstes der Vor- schlag gemacht worden, diese Bildschrift als inter- nationale Weltschrift anzuwenden, was freilich wohl aussichtslos sein dürfte, Wir streifen damit wenig- stens kurz das alte Problem einer Sinnschrift, die von jedem Volke in seiner Sprache gelesen werden kann, einer sogenannten Pasigraphie. Schon Rai- mundus Lullus im 14. und der Abt Johannes Trit- heim im 15. Jahrhundert haben sich damit beschäf- tigt, später Athanasius Kircher, Leibniz, Solbrig und andere; neuerdings hat sich Wilh.Ostwald der Frage wieder angenommen. In einer Broschüre: Die Los- lösung des Denkens von der Sprache durch Begriffs- schrift, Stuttgart 1930, hat Karl Haag das Problem von einer anderen Seite aus angefaßt und den Ent- wurf einer Zeichenschrift gegeben, die dem reinen Denken besser als die Kultursprachen unmittel- baren und restlosen Ausdruck verleihen solle. Der Bilderschrift bedienten sich gern auch alle Arten von Geheimschriften, die Alchymisten, Rosen-

2 Zur Einführung nenne ich etwa Karl Weules treffliches Büchlein »Vom Kerbstock zum Alphabet<, das aus Anlaß unserer »Bugra« erschien; ferner Th. W. Dansel, Die An- fänge der Schrift, Leipzig 1912; R. Stübe, Beiträge zur Ent- wicklungsgeschichte der Schrift, Heft 1/2, Leipzig 1912 und 13; Hans Jensen, Geschichte der Schrift, Hannover 1925. So manches Einzelne findet sich in der Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum.

! Friedr. Rob. Gilbert, Die Bilderschrift von China und Japan als internationale Weltschrift. Leipzig und Berlin 1924.

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L U DW IG V О L K M ANN

BILD U N D SC H RI F T

kreuzer und Freimaurer, und die Astrologen lasen in den Gestirnen eine himmlische Bilderschrift, wo- durch unter anderem wieder die Planetenzeichen besondere Bedeutung gewannen.

Neben die graphische Bilderschrift tritt als be- sondere Abart die Gegenstandsschrift, in welcher ein übermittelter Gegenstand eine bestimmte, ihm inne- wohnende Bedeutung zum Zwecke einer Mitteilung oder Áufforderung verkórpert. Besonders bei den Chinesen wurde hiervon Gebrauch gemacht, doch spielen hier auch schon allerlei Assoziationen, Wort- anklänge u. dgl. herein, wodurch eine Annäherung an das Rebus erfolgt. Auf solcher Homonymie beruhte es z.B., wenn einemVerbannten als Aufforderung zur Rückkehr (chin. huan) ein Ring (huan) übersandt wurde, oder wenn um 1100 v. Chr. am Altar der Erde Kastanien (lih) gepflanzt wurden, um demVolke ehr- würdige Scheu (lih) einzuflößen. Mit Recht hat man hierfür geradezu den Begriff Sinnrebus bzw. Laut- rebus geprägt. -Zu den Gegenstandsschriften möchten wır auch die Blumen- und die Teppichsprache des Orients sowie die sogenannten Manehs oder Salams rechnen, ohne hier näher darauf einzugehen.

Die nächste Sondergruppe, das Rebus oder Bilder- rätsel!, beruht nun wie bereits angedeutet zu einem wesentlichen Teil eben auf Lautgleichheiten oder Ähnlichkeiten, es stellt also keineswegs mehr eine reine Bilderschrift dar. Werden doch darin unbe- denklich nicht nur solche Wortanklänge reichlich verwendet, sondern auch die einzelnen Silben durch verschiedene Gegenstände ähnlich klingenden Na- mens bezeichnet, ja sogar einzelne Buchstaben, Zahlen oder Musiknoten eingeschaltet. In meinem oben genannten Aufsatz »Von der Bilderschrift zum Bilderrätsel« habe ich diese Fragen ausführlicher

behandelt und besonders gezeigt, wie gerade durch

Vergleiche Hoffmann, Geschichte des Bilderrätsels, Berlin 1863; Octave Delepierre, Essai historique et bibliographique sur les rébus, London 1870; Joh. Oehmann. Zur Kenntnis des Rebus, Programm Oppeln 1861.

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das Eindringen der homonymischen Spielerei das Bilderrätsel aus der eigentlichen Bilderschrift ent- standen ist. Und in Verbindung damit ist hier der Ort, jener merkwürdigen Bilderschriften der Renais- sance zu gedenken, die aus mißverstandenen Nach- richten über die ägyptischen Hieroglyphen hervor- gingen und dann in freiem Schöpferdrange zu einem eigenen wunderlichen System entwickelt wurden, das auf die besten Geister der Zeit einen uns heute kaum verständlichen tiefen Eindruck gemacht hat ich nenne nur Leon Battista Alberti und Andrea Mantegna, Fr. Poggio und Angelo Poliziano, Fran- cesco Filelfo und Pietro Bembo, Erasmus von Rot- terdam und Joh. Reuchlin, Albrecht Dürer und Wilibald Pirkheimer, Francois Rabelais und Joh. Fischart. Es war das Verdienst Karl Giehlows, auf diese völlig vergessenen Dinge die etwa in Fr. Colonna’s Hypnerotomachia Poliphili und in Dürers Triumphbogen für Maximilian I. gipfeln wieder hingewiesen zu haben, und ich selbst habe seine unvollendete Arbeit später ergänzt und weiter- geführt, bis zu den merkwürdigen Parallel-Erschei- nungen bei den deutschen Romantikern. Aus der Renaissance-Hieroglyphik ist dann die Emblematik hervorgewachsen und hat bis ins 18. Jahrhundert hinein eine wahre Flut von oft wenig genießbaren Erzeugnissen hervorgebracht, die alle noch indirekt als Bilderschrift bezeichnet werden dürfen. Die Ver- leger-Signete bilden eine besonders reizvolle Abart derselben, und die Devisen und Embleme gehen als Schmuck von Haus und Gerät gleichwertig neben den Familienwappen her, die im übrigen als »redende« Wappen oft genug selbst еше Art von Bildschrift darstellen, ohne daß wir freilich mit Guido v. List und Bernh. Koerner darin »eine arische Hieroglyphik«, eine Bilderschrift aus Runen er- blicken möchten!. Auch heute greifen übrigens

1 Vergleiche die köstlichen Abfertigungen dieses Unsinns

durch Otto Hupp, München 1918—23.

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LUDWIG VOL K M A NN

BILD UND SCHRIFT

schriftbesitzende Völker noch gelegentlich zu Bilder- schriften, ja bei uns selbst kónnen wir mancherlei Spuren davon entdecken, etwa in den Verkehrs- zeichen der Landstraßen (Lokomotive, Bahn- schranke, Kurve, oder das Rad mit einer 4 darauf für die Vierradbremse am Auto), in den bildlichen Darstellungen von Kellner, Zimmermädchen und Hausdiener neben der Klingel in manchen Hotels, mit 1, 2 bzw. 3 Punkten daneben, als internationale Bekanntmachung, wie oft für die Betreffenden zu klingeln ist, und dergleichen mehr. Auch die ab- kürzenden Bildzeichen in unseren Nachschlagewer- ken kann man hierzu rechnen, etwa eine Krone für den Historiker, Palette für den Maler, Retorte für den Chemiker usw. Ein interessanter geschlossener Überrest hat sich in den sogenannten Gaunerzinken erhalten, und eine unmißverständliche Bilderschrift war es auch, wenn man in unseren politisch bewegten Zeiten wohl mit Kreide einen Galgen an die Wand geschmiert fand, an dem ein Hakenkreuz hing! Es folgt nun der wichtigste weitere Schritt in der Entwicklung der Schrift, nämlich derjenige zur Sil- benschrift und zur echten Lautschrift, eine Entwick- Jung, die sich bei den alten Kulturvölkern der Chi- nesen, Babylonier, Assyrer, Phönizier, Hettiter, Kreter und vor allem auch der Ägypter vollzogen hat und im einzelnen genau nachweisen läßt. Dieses »Phonetischwerden der Bilderschrift« hätte also in kurzer Zusammenfassung der wertvollen Ergebnisse der neueren Spezialforschung hier seine Schilderung zu finden, wobei selbstverständlich auch die ameri- kanischen Kulturen, die Azteken und Maya usw. zu berücksichtigen wären. Dabei zeigt sich grund- sätzlich überall der gleiche Vorgang, daß eben das Begriffsbild, das reine Ideogramm, nicht mehr aus- reicht, und daß sich allmälich besondere Deut- zeichen beigesellen oder aber phonetische Elemente, sei es zunächst für die Silben, sei es sodann für die

einzelnen Laute bzw. Buchstaben entwickeln, wor-

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aus die eigentlichen Alphabete entstehen. Hand in Hand damit geht eine immer fortschreitende Ver- allgemeinerung und Abschleifung bzw. Typisierung der ursprünglichen Bilder in der Richtung zum ab- strakten Liniengebilde oder Zeichen, dem man zu- letzt seine Herkunft vom Bilde oft kaum mehr an- sieht, ein Vorgang, der ja namentlich für die chine sische Schrift, für die ägyptischen Hieroglyphen und für die Keilschrift in übersichtlich tabellarischer Form dargestellt zu werden pflegt und insbesondere in unserem Museum für Buch und Schrift auf Grund des schönen Anschauungsmaterials von der »Bugra 19144 trefflich zu verfolgen ist!.

Wir haben hiermit den Pol »Inhalt« erreicht, an dem die Schrift gleichsam in Reinkultur als fertiges und dem Gedankenausdruck schmiegsam zur Ver- fügung stehendes Gebilde vor uns steht; und wenn wir nun versuchen wollen, von hier aus auf dem anderen zu Beginn angedeuteten Wege, also über den Pol »Schmuck«, wieder zum Ausgangspunkt der Form oder des Bildes zurückzuleiten, so muß noch- mals ausdrücklich betont werden, daß es sich dabei keineswegs etwa durchweg um eine historisch oder genetisch begründete, bestimmte Reihenfolge han- delt, sondern die schematische Herausstellung geisti- ger Zusammenhänge, die sich in Wirklichkeit oft genug in anderer Stufenfolge vollziehen, unter Sprüngen und mancherlei Umwegen, und die des- halb wohl auch in umgekehrter Anordnung gelesen werden können und müssen. Um der Einheitlichkeit der Darstellung willen sei aber das Schema unseres zu grunde gelegten Gedankenkreises in der gleichen Richtung weiter verfolgt.

Die Schrift, als bloße Vermittlung eines Inhaltes betrachtet, ist natürlich in formaler Hinsicht ge- wissermaßen neutral, eignet sich aber um so mehr zu geistiger Ausdeutung, weshalb auch sie magischen

1 Vgl. Н. Jensen a. a. O.; Eckhard Unger, Babylon. Schrifttum, Leipzig 1921; derselbe, Die Keilschrift, ebenda 1929 u. а. m.

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LUDWIG V ОТ К M ANN

BILD UND SCH RIF T

Zwecken dienstbar wird. Alsbald jedoch tritt auch das üsthetische Element neben das rein inhaltliche, und es eröffnet sich etwa das große Problem der rechten Harmonie zwischen Schrift und Inhalt, der Wahl einer adäquaten Schrift für jeden Stoff, ein Problem, das freilich erst in moderner Zeit als sol- ches erkannt und als Forderung aufgestellt worden ist, während es von früheren Zeiten oft genug aus natürlichem Kunstempfinden heraus instinktiv ge- löst wurde. In ähnlicher Weise besteht beim einzel- nen Individuum ein innerer Zusammenhang zwi- schen Handschrift und Charakter. Die ästhetische Betrachtung der Schrift führte sodann zur Kalli- graphie, in der schon die Richtung zum Pol »Schmuck« unverkennbar ist. Hier sind nicht nur die abendländischen Leistungen heranzuziehen, son- dern vor allem auch die hochentwickelte Schrift- kunst Ostasiens, wo Schreiber und Maler oft eine Person sind und Bild und Schrift in unübertroffener Weise ineinander übergehen. Nähern sich doch die bekannten verschiedenen Gattungen der chinesi- schen Zeichnung in mancher Hinsicht geradezu an Schriftzüge an. Als eine Art schinückender Schrift kann auch die Tätowierung bei primitiven Völkern betrachtet werden, und wir gelangen von hier aus zum Abzeichen, das ja gleichfalls eine Verbindung von Mitteilung und Schmuck darstellt, ob es sich nun um die sehr ausgebildete Stufenleiter indiani- schen Kopfschmuckes handelt oder um europäische Uniformen und Ehrenzeichen! Natürlich sind in solchen Abzeichen auch Elemente der Gegenstands- schrift und somit eigentlich einer bloßen »Vorstufe der Schrift« enthalten, aber wegen des schmücken- den Charakters mochten sie an dieser Stelle einge- schaltet werden. Eine Zwischenstufe bilden auch die Marken und Eigentumszeichen, die gleichfalls teils der Mitteilung, teils dem Schmucke dienen können. Alle diese Fragen sind noch weniger genau untersucht als diejenigen, die auf dem Wege über den Ausdrucks-

Pol liegen, und ich selbst muß bekennen, sie noch nicht völlig genügend durchgedacht zu haben; man- cherlei Einzelthemen sind wohl vortrefflich behan- delt, aber für den Zusammenhang im Ganzen bleibt

noch viel zu tun, wozu hiermit angeregt sei.

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Zu monumentaler und zugleich schmückender Auffassung veranlaßt die Inschrift, und diese führt unmittelbar zu dem Begriff der eigentlichen dekora- tiven Schrift. Damit gelangen wir endlich zum Schriftbild, bei dem der Gesichtspunkt des Schmuk- kes und der ästhetischen Betrachtung maßgebend ist; es bedeutet dies die Stufe, auf welcher der un- vergeßliche Peter Jessen den alten Meisterdruckern das Wort in den Mund legen konnte: »Meine Schrift ist selbst ein Ornament; ich brauche kein Orna- ment!« Unser Jahrbuch von 1928 hat sich ja ein- gehend gerade mit diesem Problem beschäftigt (Schrift als Ornament) und ich darf daher be- sonders auf dasselbe verweisen. Auch der vorlie- gende Band enthält weitere Beiträge dazu.

Eine spezielle Frage bildet dabei noch der stili- stische Unterschied zwischen Handschriftund Druck- type, die Entstehung der einen aus der anderen, und das ästhetische Gesetz einer jeden auf Grund von Material und Technik; auch diese Seite des »Schriftbildes« ist neuerdings mehrfach erörtert worden. Und daß Bild und Schrift in den ver- schiedenen Perioden menschlicher Kunstäußerung auffallende Analogien ihres »Zeitstiles« aufweisen, bedarf kaum mehr der besonderen Betonung.

Seltsame Sondergruppen stellen dann solche Er- zeugnisse dar, worin aus Schrift oder Drucktypen durch bildmäßige Anordnung recht eigentliche »Schriftbilder« hergestellt wurden. Es sind dies Künstlerlaunen, die manchmal bizarr erscheinen mögen, aber gleichwohl als charakteristisch für den Zusammenhang nicht übergangen werden dürfen. Schon das frühe Mittelalter kannte solche Erzeug- nisse, ich nenne nur das merkwürdige Bildergedicht

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des Hrabanus Maurus »Liber de laudibus sanctae crucis« um 815, das aus Akrostichen besteht, deren Figuren immer ein Kreuz ergeben, und das später häufig abgeschrieben und im 16. und 17. Jahrhun- dert auch gedruckt wurde (Handschriften in der Vaticana und in der Wiener Nationalbibliothek, letztere von J. v. Schlosser publiciert). Auch der Kelch kommt in dieser Weise vor, und aus neuester Zeit sei etwa an Christian Morgensterns Trichter. erinnert. Auch menschliche Gesichter und ganze Figuren wurden aus Schrifttypen gebildet, was schon mehr in das Gebiet der Spielerei schlägt; aber durchaus ernst zu nehmen sind die aus Figuren konstruierten Alphabete, die von dem Mittelalter bis in die Renaissance häufig sind und mit denen sich Adolph Goldschmidt näher beschäftigt hat; den ein- zelnen Buchstaben wurde geradezu ein innewohnen- des Leben zugeschrieben, das die betreffende Figur verkörperte. Auch neuere Künstler haben, halb im Scherz, öfters dergleichen gezeichnet, so Schadow und Menzel. Umgekehrt wurden gern Figuren aus Schriftzügen und ähnlichen Schnörkeln gebildet, wo- für nur etwa an Albr. Dürer und Hans Thoma (Federspiele!) erinnert zu werden braucht. Auch hier zeigt es sich eben wieder, wie nahe verwandt die Handschrift mit der Zeichnung ist; heißt doch yedpeıw ursprünglich sowohl Schreiben als Zeich- nen! Der frühere Leipziger Akademiedirektor Max Seliger hatte höchst instruktive Gegenüberstellun- gen von Schrift und Zeichnung bekannter Künstler gesammelt, wovon einige Proben in den Mitteilun- gen der Akademie 1915, Heft 1/2 veröffentlicht sind, weitere Beispiele in Buchform bei E. A. See- mann in Leipzig 1924. Auch für den modernen Zeichenunterricht hat man diesen Umstand nutz- bar zu machen versucht, so insbesondere Fritz Kuhl-

mann, München, in seinem Werk »Schreiben in

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BILD UND SCHRIFT

neuem Geiste«, III. Teil, »Bildschreiben «, wozu ein anregendes, aus 400 Bildern bestehendes Schülerheft gehórt, mit dem Titel: »Wie Kinder Bilder schreiben lernen, so schnell und sicher wie Buchstaben о. Ich führe dies nur um der inneren Zusammenhänge willen an, ohne damit zu der pädagogischen Seite dieses Systems Stellung nehmen zu wollen. Von solchen Schriftfiguren und bildartigen Schnörkeln ist nur noch ein Schritt zum Ornament, das ja seiner- seits selbst stark von mehr oder weniger stilisierten Naturvorbildern durchsetzt ist, und endlich leitet von hier das Dekorative Bild unmittelbar zum »Bild an sich« zurück, das die reine Form verkörpert. -

Damit hat sich unser Gedankenkreis, der Bild und Schrift auf doppeltem Wege verbindet, geschlossen, und es erübrigt mir nur noch, zu wiederholen, daß ich mit meinen Ausführungen keinerlei fertige Resul- tate geben wollte, sondern wirklich nur ein Pro- gramm, ein allgemeines Gerüst, das in vielen seiner Fächer noch sehr der Ausfüllung bedarf. Es ist durchaus nicht zufällig, sondern bewußt geschehen, daß diejenigen Abschnitte, über die ich auf Grund fremder und eigener Arbeiten und einer umfang- reichen literarischen wie bildlichen Materialsamm- lung genauer unterrichtet bin, ausführlicher be- handelt wurden als solche, wo Vorarbeiten noch fast ganz fehlen und reiche Felder der Bearbei- tung harren. Meine Absicht war lediglich, zu der hier geübten grundsätzlichen Betrachtungsweise wichtiger Schriftprobleme weiterhin anzuregen und auf ihren Zusammenhang hinzuweisen. Vielleicht wird das künftige »Institut für Buch- und Schrift- kunde«, das in der Bücherstadt Leipzig ja doch ein- mal kommen muß, in Verbindung mit einem уйг digen Museum für Buch und Schrift zu glücklichen Lösungen führen. An Aufgaben würde es ihm jeden- falls nicht fehlen.

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DIE SUDSEMITISCHE SCHRIFT

IHR WESEN UND IHRE ENTWICKLUNG

VON HUBERT GRIMME-MÜNSTER

Sudsemitisch ist ein für die Epigraphik geschaffe- ner Begriff, der auf alle semitischen Schriftarten abzielt, die südlich von der nordsemitischen, d. h. phönizisch-aramäisch-hebräischen Schriftzone in Gebrauch waren. Längere Zeit machte die Wissen- schaft keinen Unterschied zwischen Südsemitisch und Südarabisch, solange eben nur das glückliche Arabien Inschriften lieferte und die Idee von Nord- arabien als einem kulturlosen Lande und von den Beduinen als primitiven Menschen ein fester Begriff in der altorientalischen Geschichte war. Aber fast gleichzeitig damit, daß Hugo Winckler mit intuiti- vem Scharfsinn diese Annahme widerlegte, begann der Higaz reiche Inschriftenschätze zu offenbaren, und mit diesen Funden wetteiferten bald andre aus den Bergketten des unteren Negd sowie aus dem arabisch-syrischen Grenzgebiete. Da die nordara- bische Epigraphik sich von der südarabischen nach Form und Inhalt in vieler Hinsicht unterscheidet, so erwarb sie sich bald das Recht, neben jener als Sondergebiet genommen zu werden, wodurch das Südsemitisch neben seiner Abgrenzung gegenüber dem Nordsemitischen nun auch innere Scheidelinien

bekam, die zu erklären ein Problem für sich wurde.

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Zu dem Reichtum an Stoff und an Problemen, den die südsemitische Epigraphik heute aufweist, steht in schroffem Mifverhültnis die geringe Beachtung, die die Orientalistik ihr zuwendet. Während diese an jeder Bereicherung des nordsemitischen Inschrif- tenschatzes reges Interesse nimmt, überläßt sie die Behandlung des dauernd sich mehrenden Vorrates an südsemitischen Inschriften einigen wenigen Spezia- listen, ohne von deren Forschungen sich zur Mitarbeit anregen zu lassen. Man steht eben unter dem Vor- urteile, als ob die Erkenntnis, die aus altarabischen Inschriften käme, nicht von Belang sei und ohne Beziehung zu dem aus Ägypten, Babylonien und Kleinasien gespeisten altorientalischen „Kultur- strom“ stände. Mit dieser Anschauung muß endlich gebrochen werden. Man muß sich klarmachen, daß die fast nur aus den südarabischen Inschriften er- kennbare Geschichte Altarabiens in enger Verbin- dung mit derjenigen Vorderasiens steht, und daß für die Erkenntnis der altsemitischen Religion die bis- her so geringgeschätzten Felsgraffiti Nordarabiens Quellen ersten Ranges sind, weil sie sie uns vorfüh- ren wie sie war, bevor ein Tempelkult vieles von ihr

zu Mysterien werden ließ, und weil sie sie uns frei

HUBERT GRIMME.:

DIE SUDSEMITISCHE

SCHRIFT

von unsemitischen Beimischungen zeigen, die in den Religionen Phöniziens, Mesopotamiens und Baby- loniens das Semitische überwuchert haben. So ist zu erwarten, daß auch das größte Problem der altorien- talischen Religionsgeschichte, die Entstehung der mosaischen Religion, einer gleichfalls echt semiti- schen Schöpfung, mit Hilfe der altarabischen Epi- graphik einmal einer befriedigenden Lösung ent- gegengeführt werde. Sollen sich solche Hoffnungen verwirklichen, dann müssen sich viele jetzt noch brachliegenden Kräfte in den Dienst der epigraphi- schen Erforschung Altarabiens stellen; dann muß die Kenntnis der südsemitischen Epigraphik zu einem Grundpfeiler der Orientalistik werden.

Diese Kenntnis hat zweierlei zu umfassen: einmal das Wissen von der Eigenart der einzelnen südsemi- tischen Schriftarten, sodann einen Einblick in ihr Verhältnis zueinander und zum Ganzen der semi- tischen Epigraphik. Für das Verständnis der ein- zelnen Arten der südsemitischen Schrift sind bereits durchaus solide Grundlagen geschaffen, so daß die Lesung guterhaltener Inschriften bzw. sorgfältiger Kopien von solchen keine große Mühe mehr macht. Dagegen liegt die Entwicklungsgeschichte der süd- semitischen Schrift noch sehr im argen; was darüber vorgebracht ist, gehört fast ausschließlich in das Gebiet der Vermutungen und stammt zudem aus einer wichtigen Neufunden voraufliegenden Zeit. Im Bestreben, mich auch mit diesen auseinanderzu- setzen, bin ich zu Anschauungen gekommen, die von denen meiner Vorgänger weit abweichen; nachdem ich schon in meinen Büchern „Die Lösung des Sinai- schriftproblems: Die altthamudische Schrift“ (1926) und „Die altsinaitischen Buchstabeninschriften“ (1929) auf sie vielfach Bezug genommen habe, gebe ich im folgenden zum ersten Male eine Gesamt-

darstellung von ihnen.

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Wir kennen heute fünf südsemitische Haupt- schriftarten, um welche sich noch verschiedene charakteristische Abarten entwickelt haben. Unter geographischem Gesichtspunkt in süd-nördlicher Richtung angeordnet sind erstere:

1. die altäthiopische Schrift,

2. die südarabische Schrift,

3. die lihjanische Schrift,

4. die thamudische Schrift,

5. die safatenische Schrift.

In dieser Reihenfolge sollen sie nunmehr einzeln

besprochen werden.

1. Die altäthiopische Schrift.

Als sich in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. auf nordostafrikanischem Boden ein semiti- scher Staat, der in Aksum seinen Mittelpunkt hatte, sich so entwickelte, daß er von Südarabien bis Meroe und Napata reichte, da erwachte in ihm das Bedürf- nis nach einer nationalen Schrift, nachdem man sich vorher mit dem Gebrauche fremder Schriften, vor allem der südarabischen und der griechischen be- holfen hatte. Ihr Schöpfer dürfte König Ezana ge- wesen sein; wenigstens tritt sie uns in Inschriften von ihm zuerst in monumentalem Gebrauch ent- gegen, und zwar in doppelter Entwicklung: einmal als Konsonantschrift, sodann als eine solche mit Vokalbezeichnung.

Die altäthiopische Konsonantschrift bezeichnet mit je einem Zeichen 24 Konsonantlaute, die sich mit denen der klassisch-arabischen Sprache decken, abgesehen davon, daß d (Dal), t (Ta), z (Za) und (Gain) fehlen. Diese Zeichen werden in rechtsläufi- ger Richtung geschrieben. Zu Schluß eines jeden Wortes steht ein vertikaler Trennungsstrich. Die alt- äthiopischen Konsonanten sind in der dem Äthiopi- schen eigenen alphabetischen Anordnung auf Tafel |

unter A zusammengestellt.

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HUBERT GRIMME.

Diese reine Konsonantschrift scheint nicht lange in Gebrauch gewesen zu sein; wenigstens geht schon eine Inschrift Ezanas úber sie hinaus mit einer Schrift, die neben den Konsonanten auch Vokale bezeichnet. Die Zeichen für die Konsonanten sind die eben erwähnten; an ihnen sind durch Strichlein, Ringe, Verkürzungen und Verlängerungen von Kon- Fehlen eines Vokals) ausgedrückt. Wo ein Konso- nant in seiner ursprünglichen Form auftritt, da wird er mit folgendem a gesprochen. Sodann ist durch kleine Veränderungen an den Zeichen für g, k, k und h kenntlich gemacht, wann sie g, К", К" und h” ge- sprochen werden sollen. Durch diese vielen Zutaten hat diese Schrift die Eignung zur Steinschrift im wesentlichen verloren, und es entspricht ihrem Cha- rakter, wenn sie in der Folgezeit vor allem als Buch- schrift auftritt, worin sich auch noch zwei neue Zei- chen, eines für emphatisches, ein weiteres für ge- wöhnliches p, einstellen. An dieser Buchschrift hat sich vom 4. Jahrhundert n. Chr. bis heutigentags im Duktus fast nichts geändert. Von ihr aus, die im 17. Jahrhundert in Europa näher bekannt wurde, konnte die Entzifferung ihrer vokallosen Vorgängerin leicht vor sich gehen. Die Zusammenstellung der alt-

äthiopischen Buchschriftzeichen gibt Tafell unterB.

2. Die südarabische Schrift.

Südarabische Schriftdenkmäler sind seit dem ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts vor allem durch die Bemühungen des Arabienreisenden J. Ha- levy und E.Glaser in überaus großer Zahl zutage getreten, am zahlreichsten an den Ruinenplätzen Marib und Sirwah, den Hauptstädten des altsabä- ischen Staates, in Karnau und latil, den alten mi- näischen Kapitalen, in San a, dem Sitze der Sabäer- könige während der letzten Jahrhunderte vor dem

DIE SÜDSEMITISCHE

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SCHRIFT

Islam, im katabanischen Timna und in der nord- arabischen Kolonie der Minäer Musran oder Dedan. In nur wenig unterbrochener Folge ziehen mit die- sen Inschriften 17 Jahrhunderte südarabischer Ge- schichte, Kultur und Religion an uns vorüber, be- ginnend um 1200 v. Chr., endend um die Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. Während dieser langen Zeit ist das Wesen der südarabischen Schrift sich stets gleichgeblieben. Sie ist eine reine Konsonantschrift, in welcher 29 Konsonantlaute (nämlich die 28 des Klassisch-Arabischen vermehrt durch einen dem hebräischen Sin entsprechenden S-Laut) bezeichnet werden. Die Zeilenrichtung ist im allgemeinen links- läufig; nur in der ältesten Schicht der sabäischen Inschriften wechselt Linksläufigkeit mit Rechts- läufigkeit von Zeile zu Zeile. Jedes Wort wird durch einen senkrechten Strich vom folgenden getrennt. Bei der südarabischen Schrift fällt eine starke Vor- liebe für symmetrische Buchstabenformung auf, die für 17 Zeichen bestimmend geworden ist, weiter senkrechter Buchstabenaufbau unter Bevorzugung rechtwinkliger Formen und das Prinzip gleicher Höhe für alle Zeichen, Eigenschaften, die diese Schrift als die monumentalste Arabiens, ja des gan- zen alten Orients erscheinen lassen. Die Verände- rungen, die die Zeit an ihr vornahm, beschränkten sich darauf, daß die ältere Periode besonders der minäischen und sabäischen Epigraphik die Buch- staben stark gedrungen bildete, eine spätere aber schlankere Formung bevorzugte, wobei auch früher winklig gebildete Zeichen gefälligere Abrundung ein- zelner ihrer Teile bekamen. Seit etwa 300 v. Chr. zeigen einzelne besonders sorgfältig ausgeführte In- schriften eine in versenktem Relief ausgearbeitete Schrift, dieinspätsabäischer Zeit fast zur Regel wurde; dabei ließ man alle Buchstaben (außer Waw und

Ajin) oben und unten in die zeilentrennenden Linien

HUBERT GRIMME-DIE SUDSEMITISCHE

einmünden, was zwar malerisch wirkt, aber die Les- barkeit der Texte beeinträchtigt. Die stilistischen Eigenheiten der verschiedenen Perioden und Ge- biete der südarabischen Schrift würden reichen Stoff zu einer vergleichenden südarabischen Schriftlehre geben, die auch für eine kritische Behandlung ınan- cher Texte von Nutzen wäre.

Die Entzifferung der südarabischen Schrift geht auf W. Gesenius und E. Rödiger zurück, die 24 Buch- stabenzeichen richtig bestimmt haben; an der Be- stimmung des Restes des Alphabetes beteiligten sich Fresnel, Osiander, Prätorius, Halevy, Mordtmann und Hommel,

Tabelle C auf Tafel 2 gibt eine kleine Aus- wahl von älteren und jüngeren südarabischen Buch- stabenformen in der Reihenfolge des nordsemiti- schen Alphabets, wobei sieben diesem fehlendeBuch-

staben an das Ende gesetzt sind.

3. Die lihjanische Schrift.

Der Boden des nordarabischen Städtchens el-Öla lieferte den Arabienreisenden Ch. Huber und J. Eu- ting im Jahre 1889 nicht nur die eben erwähnten südarabischen (minäischen) Inschriften, sondern auch weitere verwandter Form, die О.Н. Müller nach ihrem Inhalte als solche des Staates Lihjan bestimmt hat, Nachdem inzwischen weitere Texte in der Gegend zwischen el-Öla und el-Hegr von den P.P. Jaussen und Savignac aufgefunden sind, läßt sich ziemlich sicher für die lihjanische Beherrschung dieser Gegend die Zeit zwischen 400 und 200 v. Chr. ansetzen; das oftmalige Vorkommen des versenkten Schriftreliefs in den lihjanischen Inschriften bestä- tigt diese aus der Interpretation der Texte gewon- nene Annahme.

Daslihjanische Alphabet enthält 27 Konsonanten,

das heißt so viele wie das des Klassisch-Arabischen

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SCHRIFT

nach Abstrich des z (Za). Die Schriftrichtung ist link läufig. Das Wortende wird durch einen senkrechten Strich oder zwei Punkte bezeichnet. Die lihjanische Schrift steht unter ähnlichen Stilgesetzen wie die stidarabische; doch bevorzugt sie im Buchstabenbau weniger die Rechtwinkligkeit, als die Spitzwink- ligkeit, wodurch die Zeichen zwar geschlossener, aber auch plumper erscheinen.

Von den eigentlichen libjanischen Inschriften sind verschiedene in und bei el-Öla gefundenen von swar verwandtem, aber offenbar älterem Duktus zu schei- den. Da in einer von ihnen (Jaussen-Savignac 138) ein „König von Dedan“ vorkommt, so nehme ich sie für Zeugnisse eines Stadtkónigtums von Dedan (= el-Öla). Sie werden zwischen 500 und 400 v. Chr. entstanden sein, da vor dieser Zeit nach der Bibel (Jeremias 25, 23) Dedan nicht von Königen regiert wurde. Diese Schrift ist weniger künstlerisch stili- siert als die lihjanische, kennt in der Zeilenschrei- bung neben der linksläufigen Richtung auch die rechtsläufige und tritt nie im versenkten Relief auf.

Auf Tafel 2 sind unter D das dedanitische und das lihjanische Alphabet wegen ihrer großen Ähn-

lichkeit in Nebeneinanderstellung gegeben.

4. Die thamudische Schrift.

Mit dem Namen Thamudisch bezeichnet man nach dem Vorgang von Ch. Huber und J. Euting eine Art von Inschriften oder Graffiti, die sich in großer Zahl an meist abgelegenen Felswänden des Higaz und des unteren Negd finden. Da aber die dieser Be- nennung zugrunde liegende Annahme, es handele sich bei ihnen um Schriftdenkmäler des nordarabi- schen Volkes Thamud, durch ihren Inhalt in keiner Weise bestätigt wird, so wäre es besser, sie mit Halévy einfach als protoarabisch zu bezeichnen. Die besonders von E. Littmann und M. Lidzbarski vcr:

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HUBERT GRIMME

tretene Meinung vom Memorialcharakter dieser In- schriftenart kann ich nicht teilen; ich sehe in ihnen Bezeugungen religiöser Gesinnung, angebracht an Stellen, die den alten Arabern als Stätten der Ema- nation von Göttern heilig waren. Ihr meist formel- hafter Inhalt bietet nur wenige Anhaltspunkte zu ihrer Datierung; man geht aber wohl nicht fehl, wenn man viele von ihnen (besonders solche des Higaz) für mindestens gleichalterig mit den dedani- tischen und lihjanischen Inschriften nimmt, ob auch andre jünger sind und eine (Euting 772) sogar dem 3. Jahrhundert n. Chr. entstammt.

Das Alphabet der thamudischen Inschriften ent- hält gleich dem lihjanischen 27 Konsonanten. Für mehrere von ihnen sind doppelte Zeichen im Ge- brauch. Wie dieses, so mutet uns seltsam an, daß die Schriftrichtung der thamudischen Texte nicht nur horizontal-linksläufig und horizontal-rechtsläu- fig sein kann, sondern oft auch vertikal von oben nach unten läuft; auch eine zwischen beiden die Mitte haltende bogige kommt vor. Ein Worttrenner ist nicht vorhanden; in seltenen Fällen bezeichnet ein Punkt das Ende eines größeren Satzteiles. Aus all diesem darf aber nicht auf Nachlässigkeit in der Textausführung geschlossen werden; vielmehr ist die Schreibung wohlgeregelt und keineswegs ganz kunstlos.

Die Entzifferung der thamudischen Schrift leitete, gestützt auf seine Lesung der safatenischen Buch- staben, J. Halévy ein; Verbesserungen und Ergän- zungen seines Alphabets lieferten E. Littmann und J. J. Hess, welch letzterer zuerst auf die Verschie- denheit mehrerer Buchstaben je nach ihrem Ge- brauchinhorizontalen und vertikalen Zeilen aufmerk- sam gemacht hat. Gewisse eigenartige Buchstaben- formen in Texten des Higaz, die die P.P. Jaussen und Savignac im Jahr 1909 bis 1910 kopiert haben,

: DIE SUDSEMITIS CHE

SCHRIFT

wurden für mich Veranlassung, zwischen zwei tha- mudischen Alphabeten zu unterscheiden, einem älteren, das sich nur im Higaz findet, und einem jüngeren, das außer im Higaz auch im Negd ge- schrieben worden ist. Tafel 3 bringt unter E beide Alphabete in Nebeneinanderstellung.

5. Die safatenische Schrift.

Die safatenische (oder safaltische) Schrift ist be- nannt nach der östlich vom Haurangebirge gelege- nen Safa, einer Gruppe von ausgebrannten Kratern, um welche herum die mit Lavablöcken übersäte Harra mit der fruchtbaren Ruhba in ihrer Mitte sich erstreckt. Auf den Blöcken dieser Harra und jenen der südlich vom Hauran gelegenen Harra er-Ragil stehen Tausende von Graffiti in der eigenartigen safatenischen Schrift. Die ältesten reichen in die letzte Zeit der Nabatäer (2. Jahrhundert n. Chr.) zurück; die jüngsten paaren sich schon mit kufi- schen, was die Nähe des Islams anzeigt. Das safa- tenische Alphabet enthält die 28 Konsonanten des klassisch-arabischen. Der safatenische Schreiber schrieb je nach Belieben linksläufig, rechtsläufig, in vertikaler, bogiger oder spiraliger Richtung ohne Verwendung von Worttrennern. Die Ent- zifferung der safatenischen Schriftzeichen ist beson- ders dasVerdienst J. Halévys, dessen Resultate durch Fr. Prátorius und E. Littmann Verbesserungen und Ergänzungen erfuhren. Bei genauerem Studium der Schrift ergab sich mir die Unterscheidung zwischen einem älteren, vielfach an das Neuthamudische er- innernden Alphabet, das gedrungene Buchstaben- formen zeigt, und einem jüngeren mit langschafti- gen, eng aneinandergedrängten Buchstaben. Man darf die safatenische Schriftführung wohl als kunst- los, nicht aber als stillos bezeichnen.

Auf Tafel 3 sind unter F die thamudisch-safate-

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HUBERT GRIMME.:

DIESÜDSEMITISCHE SCHRIFT

nische und die spătersafatenische Schrift vereinigt. Bis hierhin haben wir das Wesen der einzelnen südsemitischen Schriftarten betrachtet. Jetzt stehen wir vor der Frage nach dem Verhältnis dieser unter- einander und zu der nordsemitischen Schrift. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, was Lidzbarski, Pra- torius, Dussaud und andre an Antworten darauf ge- geben haben; denn diese erfolgten vor dem Eintritt einer epigraphischen Entdeckung, die eine Wendung in den Anschauungen vom Werdegange der semiti- schen Schrift brachte, nämlich der der altsinaitischen Buchstabenschrift, deren Denkmäler Flinders Petrie auf dem Sinai-Plateau Serabit el-Hadem 1904/05 gefunden, deren Wesen aber Alan H. Gardiner 1916 erschlossen hat. Nachdem auf Gardiners Spur K.Sethe, R. Eisler und schließlich auch der Schreiber dieser Zeilen die Bestimmung der Sinaischriftzeichen fortgesetzt haben, und durch die neuesten Funde einer von den Universitäten Harvard und Washing- ton ausgerüsteten und 1930 ausgeführten Sinai-Ex- pedition alle meine Feststellungen über ihre Zahl und ihre Lautwerte glänzend bestätigt sind, kann keine Untersuchung über die Entstehungsgeschichte der semitischen Schrift mehr an der Sinaischrift vor- übergehen. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, daß sie, wie die nordsemitische Schrift, 22 Konsonant- laute ausdrückt, sondern auch, daß dieses durch 26 Zeichen geschieht und somit mit vier doppelt be- zeichneten Lauten zu rechnen ist, weiter, daß in star- kem Gegensatz zur nordsemitischen Schreibgewohn- heit die sinaitische Schreibrichtunglinks- und rechts- läufig horizontal, vertikal und sogar bogig sein kann. Ohne klaren Überblick über diese Eigentümlichkei- ten der Sinaischrift hatte K. Sethe 1917 sie als das „missing link“ zwischen der Hieroglyphenschrift und dem phönizischen Alphabet bezeichnet, von dem die südsemitische Schrift einen Ableger darstelle. Letz-

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tere Meinung ist nun schon dadurch hinfällig gewor- den, daß М. Lidzbarski, von dem sie eigentlich stammt, sie 1924 in aller Form zurückgenommen hatl; gegen die erstere habe ich in meinem Buche „Die altsinaitischen Buchstabeninschriften“ (5.22) eingewandt, daß bei genauerer Buchstabenver- gleichung nur etwa 13 phönizische Buchstaben Ver- wandtschaft mit sinaitischen zeigen und es deshalb unabweislich sei, an die Mitwirkung einer uns noch dunkeln vorderorientalischen Schrift bei der Bildung der phönizischen zu denken?.

Beleuchtet der Sinaifund nur Einzelheiten der Entstehung der nordsemitischen Schrift, so fällt von ihm aus helles Licht auf eine der oben skizzierten südsemitischen Schriftarten, nämlich auf das Alt thamudische. In meiner Schrift „Die Lösung des Sinaischriftproblems: Die altthamudische Schrift“ glaube ich den Beweis erbracht zu haben für eine so enge Abhängigkeit dieser Schrift in allen ihren wesentlichen Einzelheiten von der Sinaischrift, daB man annehmen muß, letztere sei sehr früh mit kleinen Veränderungen zur Schrift Midians gewor- den, und diese oder ein Kind dieser läge uns in der altthamudischen vor. Ein Blick auf G von Tafel 4 kann hiervon überzeugen.

In dieser Tabelle fehlen sechs Zeichen der alt- thamudischen Schrift, die zur Wiedergabe der Laute & (баш), d (Dal), t (Та), h (На), d (Dad) und é (Sin) dienen. In dem Sinaialphabet sind direkte Vorbil-

der für sie nicht vorhanden; nichtsdestoweniger ste-

hen sie in Verbindung mit ihm. Das vermutlich ara- bische Idiom Midians, auf welches die Sinaischrift

angewendet wurde, enthielt mehr Konsonantlaute,

1 Vgl. Nachrichten der Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Phil. hist. Kl. 1924, S. 47.

з Inzwischen sind durch Inschriftenfunde in und bei Gebal zwei bisher unbekannte alte Buchstabenschriften ans Licht getreten.

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Tafel 3.

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Tafel 4.

HUBERT GRIMM E:

als das Hebräische der Sinaitexte besaß, oder viel- leicht als der Schöpfer der Sinaischrift schriftlich wiederzugeben für angebracht hielt. Diese noch un- bezeichnet gebliebenen Laute zu bezeichnen, hielt man in Midian für nötig, wollte dabei aber nicht die Fühlung mit dem Sinaialphabet verlieren. Das führte nun dazu, fünf dieser Laute (g, d, t, h, d) durch Doppelschreibung und einen (8) durch Hal- bierung von Sinaibuchstaben auszudrücken. Dieses geschah auf Grund einer durchaus einleuchtenden Überlegung bezüglich der zu bezeichnenden Laute. Man erkannte in g, d, t nächste Verwandte von g, d und t, die sich von diesen vor allem durch längere Dauer, wie sie Reibelauten gegenüber Explosivlau- ten eigen ist, unterschieden; dasselbe wird man bei d gegenüber s konstatiert haben, indem altes d wohl spirantisch in der Art von klassisch-arabisch z, altes s aber als Affrikata ts ausgesprochen wurde. Was lag nun näher, als g, d, t, d durch doppeltes g, d, t, s auszudrücken? In h erkannte man einen Verwand- ten von h, dem aber größere Tonfülle eigen war: ein Grund, h mit doppeltem h zu schreiben. Umgekehrt verfuhr man bei Schaffung eines Zeichens für 8: in- dem man in $ einen schallärmeren Verwandten von 8 (sch), sah, drückte man es in der Schrift durch das halbierte 5-Zeichen aus. Solchen Ursprung geben die Zeichen für g, d, t, h, d und s in der altthamudischen Schrift noch deutlich zu erkennen, besonders wenn man mit dem erwáhnten Begriff der Doppelschrei- bung den der Verschmelzung zu einem Zeichen ver- bindet; vgl. H auf Tafel 4.

Nimmt man zu dieser weitgehenden Ähnlichkeit der altthamudischen Buchstabenformen mit den sinaitischen noch hinzu, daß auch alle Freiheiten der sinaitischen Schreibrichtung sich im Altthamudi- schen wiederfinden, so wird man die nahe Zusam-

mengehörigkeit der altthamudischen Schrift mit der

25

DIE SÚDSEMITISCHE SCHRIFT

sinaitischen kaum mehr bezweifeln kónnen. Nur könnte der Einwand gemacht werden, daß eine zeit- liche Berührung des Altthamudischen mit dem Sinaitischen oder dessen hypothetisch anzusetzenden midianitischen Übergangsform, die man etwa in das 13. Jahrhundert v. Chr. zu setzen hätte, schwer denkbar wäre. Hiergegen habe ich schon in meiner Schrift „Lösung des Sinaischriftproblems usw.“ (Seite 22 bis 24) Stellung genommen. Von meinen Gründen für ein bis vor 1000 v. Chr. reichendes alt- thamudisches Schrifttum will ich nur einen wieder- holen. Das Altthamudische ist überreich an religiö- sen Formeln: bis diese sich entwickelt haben und so fest geworden sind, daß sie an allen Inschriftenstät- ten fast stereotyp wiederkehren, muß eine lange Schreibübung vorhergegangen sein, die aus den beim altsemitischen Kultus üblichen Redewendungen das für einen schriftlichen Verkehr mit den Göttern Pas- sende für sich auswählte.

Besonderes Gewicht messeich aber jetzt folgender Erwägung bei. Die ältesten südarabischen Inschrif- ten reichen wie oben schon bemerkt ist etwa bis ins 12. Jahrhundert v. Chr.; zu ihnen gehören solche aus der minäischen Handelskolonie Musran-Dedan mit der Erwähnung der Könige Wahab’il Wakih und Abikarib Iati. Die Schrift dieser und weiter aller späteren südarabischen Inschriften ist zweifellos mit der altthamudischen nahe verwandt. Die bisher un- gelöste Frage, welche von beiden für die ältere zu nehmen ist, läßt sich mit Hilfe der sechs Zusatzbuch- staben! mit Sicherheit beantworten. Diese knüpfen in ihren altthamudischen Formen unmittelbar an sinaitische Buchstaben an; ihre ältesten süd- arabischen Formen aber erklären sich nicht aus sinai-

tischen, sondern aus altthamudischen durch Weiter-

1 Ein siebenter ($), den das Thamudische nicht kennt, hat sich das Südarabische wohl von seinem g aus gebildet.

HUBERT G RIM ME. DIE

SU DS EM ITIS CHE SCHRIFT

entwicklung oder Umstilisierung. Somit muß die südarabische Schrift ihre eigentümliche Prägung er- halten haben, als es schon eine altthamudische gab. Weiter muß das dort geschehen sein, wo letztere ver- breitet war, also im Higaz. Was liegt nun näher, als Musran-Dedan, das heutige el-Öla, für den Platz zu halten, von wo aus Südaraber den Anstoß zur Formung einer verschönten und in der Schreibrichtung verein- fachten thamudischen Schrift bekamen? Aber ebenso- gut könnten es die Leute von Dedan selbst gewesen sein, die für ihren eigenen Gebrauch den siidarabischen Schrifttypus geschaffen hätten. Dafür spricht der Umstand, daß „südarabische“ Inschriften auch in Kowait an der Nordwestecke des Persischen Meerbu- sens, weiter in den südbabylonischen Städten Ur und Erech aufgefunden sind. Die Sprache dieser Inschrif- ten enthält nordarabische Elemente, so das Wort wagr „(Grab-) Steinhaufen“, und Eigennamen, wie sie sonst in südarabischen Inschriften nicht vorkom- men. Da von Handelsbeziehungen der Südaraber nach Nordostarabien und Südbabylonien nichts be- kannt ist, wenn sie aber dorthin gekommen wären, solches nur von Nordarabien aus hätte geschehen können, so muß nach einem bedeutenden nordara- bischen Platze gesucht werden, von wo auf dem Wege des Handels die „südarabische“ Schrift nach den erwähnten Gegenden gebracht sein könnte, und zu einem solchen würde sich nun Dedan besonders eignen. Was zwingt ferner, die Hunderte von ,,süd- arabischen“ Felsgraffiti bei el-Ola (= Dedan) aus- schließlich Südarabern zuzuschreiben, da doch in ihnen Sippennamen wie Ammirata und Jafan vorkommen, die auch noch in lihjanischen In- schriften auftreten?

Nehmen wir an, der südarabische Schrifttypus habe sich aus dem Altthamudischen in Мивгап-

Dedan entwickelt einerlei, ob unter dedanitischen

26

oder minäischen Händen —, so brauchen wir die Schöpfer der lihjanischen Schrift und ihrer dedani- tischen Vorstufe nicht als im Banne von Südarabien stehend zu nehmen, sondern als solche, die eine lokale Schrifttradition im Geiste einer neueren Zeit umgemodelt hätten. Da die neuen Stadtherren von außen eingewanderte Araber waren, werden sie in Fühlung mit der thamudischen Schrift gestanden haben; als sie gegen diese die Stadtschrift eintausch- ten, gaben sie dieser in gewissen Buchstabenformen thamudische Färbung, und auch ihre gelegentliche Anwendung von rechtsläufiger Schreibrichtung mag vom Thamudischen aus beeinflußt worden sein. Das Vordringen der Nabatäer in den Higaz brachte die lihjanische Herrschaft in Dedan zu Falle; schon vor- her aber wird die lihjanische Schrift der nabatii- schen, aus nordsemitischer Wurzel erwachsenen er- legen sein, da der vielleicht letzte lihjanische König Mas'ud gemäß den Inschriften Jaussen-Savignac Nr. 334, 335, 337 sich schon der altnabatüischen Schrift bedient hat.

Wie die thamudische Schrift sich im Higaz neben der südarabischen, dedanitischen und lihjanischen erhielt, so blühte sie auch weiter neben der naba- täischen und gelangte außerdem noch in modernerer Form als Neuthamudisch zu großer Verbreitung im unteren Negd. Ob sie bis zum oberen Negd vor: gedrungen ist, entzieht sich noch unserer Kenntnis; dagegen wissen wir von ihrem Vordringen von Hajil durch das Wadi Sirhan bis zum Haurangebirge, in dessen südlichen und östlichen Randgebieten aus ihr sich allmählich die safatenische Schrift entwickelte, die schließlich ebenfalls von der nabatäischen Schrift in ihrer kufischen Abzweigung abgelöst wurde.

Die Wirkung des Thamudischen auf die südsemi- tische Schriftentwicklung hat sich aber nicht nur auf die arabische Halbinsel beschränkt, sondern machte

HUBERT GRIMME.

sich auch in Abessinien bemerkbar. Wirtschaftliche und religiöse Einflüsse, die das Sabäerreich auf die- ses Land schon längere Zeit vor dem Beginn unserer Zeitrechnung ausgeübt hat, hatten das Auftreten von südarabischer Schrift in einzelnen Gegenden Abessiniens zur Folge. Da nun auch die aksumiti-

schen Königsinschriften zum Teil in dieser Schrift

geschrieben sind, so war man bisher der Meinung, die altäthiopische Schrift, die unter König Ezana die südarabische in Abessinien verdrängte, sei unter Zu- grundelegung von dieser entstanden. Man hielt es für rein zufälliges, daß dabei die Zeichen für m, s, d und t aus stehenden zu liegenden geworden wären, daß man das für h auf den Kopf gestellt, das für f aus einem Rhombus zu einem offenen Winkel mit Innenspeiche gemacht, das für t unten geöffnet hätte. Für die Rechtsläufigkeit der neuen Schrift nahm man griechische Vorbilder an. Eine viel natür- lichere Erklärung dieser starken Abweichungen von der sabäischen Schrift ergibt sich aber, wenn man beachtet, daß außer dieser auch die thamudische Schrift den Weg nach Abessinien gefunden hatte, und zwar wohl über Oberägypten, wo sich wie im Wadi Gudami thamudische Inschriften! und weiter wie im Wadi Hammamät äthiopische in sabüischer Schrift? nachweisen lassen.Denkmälertha- mudischer, nicht abersabäischer Schrift sind nun auch die von E. Littmann im abessinischen Dorfe Toconda

kopierten Nrn.36 und 383, deren letztere (s.Tafel4 Г)

* Vgl. F. W. Green, Notes on some inscriptions in the Etbai District 11 (Proc. of the Soc. of Bibl. Archaeol., Bd. 31, Tafel LI, 1.11).

2 Vgl.Golenischeff, Wadi Hammamat (Schriften der Orient. Abteilg. d. Archäol. Ges. Petersburg, Bd. 2, Tafel I).

3 In „Deutsche Aksum-Expedition“, Bd. IV, S. 63 f.

DIE SU DSE MITISCHE SCHRIFT

bei neuthamudischer Schrift äthiopische Sprach- form! aufweist. In dieser thamudischen Schrift ist nun alles Wesentliche zu Hause, was die altáthiopische Schrift von der sabüischen unter- scheidet, abgesehen vom Worttrenner; so scheint mir die Schriftreform König Ezanas darin bestan- den zu haben, auf Grundlage des vorher nur zu flüchtigen Graffiti in Abessinien verwandten Thamu- disch eine für Königsinschriften passende Monumen- talschrift zu schaffen. Von welcher Seite die später damit verbundene Vokalschreibung stammt, bleibt ein Rätsel.

Das Ergebnis der vorstehenden Ausführungen über den Werdegang der südsemitischen Schrift fasse ich kurz dahin zueammen, daß die sinaitische, vom Ägyptischen abgeleitete Buchstabenschrift das Urbild der südsemitischen Schrift ist. Im Bereich dieser stellt das Altthamudische ihr treuestes Abbild dar. Vom Altthamudischen aus haben sich unter Bei- behaltung seiner wesentlichen Züge durch kleinere Umstilisierungen das Neuthamudische und das Safa- tenische entwickelt; aber auch im Südarabischen lebt das Thamudische nach, allerdings in künstle- rischer Formveredlung, die auf dem Boden von Dedan vorgenommen sein wird. Als eine Art Rückbildung von ihm zum Thamudischen kann das Lihjanische gelten. Endlich erwuchs dem Neuthamudischen in der altäthiopischen Schrift ein später Seiten- trieb, dem die Anwendung eines aus äthiopi- schem Geist geborenen Kunstempfindens ein neues Gesicht gab.

1 Zu lesen: Ihwt hlw bt bdj rws ‚Für Hwt. Er verweilte, übernachtete hier

DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

VON KONRAD WEICHBERGER-OTTERSBERG B. BREMEN

Bei dem Rieseneinfluß, den die griechische Kultur auf unsere genommen hat, ist es von besonderer Bedeutung, sich über die Grundlagen jener klar zu werden, falls uns daran liegt, unser eigenes Wesen zu erfassen.

Da die Griechen selbst als die Wurzeln ihres völ- kischen Seins, als das, was sie erst zu Griechen machte, die Strebungen der Heroen- und Olympier- zeit, insbesondere das Wirken eines Zeus, wer er immer gewesen sein mag, eines Herakles, Jason, Minos Rhadamanthys, Theseus empfanden, dürfte man erwarten, daß die Inschriften dieser ganz frühen Zeit, vereinzelte aus Troja seit Schliemann, massenhaft gefundene aus Kreta seit Evans und Halbherr, sofort im Brennpunkt der klassischen Studien gestanden hätten.

Daß dies nicht eintrat, koınmt teils auf Rech- nung einer gewissen Verlegenheit, die immer bei unvermuteten Konfrontierungen mit dem großen Unbekannten entsteht, da man nie weiß, ob er nicht allerhand auch unerwünschte Überraschun- gen bringt, teils ist es Schuld der Veröffentlicher der Funde, die, wie mir scheint, die Auswahl so

trafen, daß für die Entzifferung der Schrift nicht

allzuviel damit anzufangen war. Viel zu wenig Ma- terial erschien, zum Beispiel in den Scripta Minoa 1 von Evans, durch viel zu viel Betrachtungen über- wuchert.

Hätten wir fünfmal so viel Texte, darunter sehr viele von derselben Hand, besonders ein paar ganze

zusammengehörige Serien von Tafeln im linearen

Stil vorliegen, so wäre die kretisch-minoische Li-

nearschrift seit 30 Jahren entziffert.

So steht man bei jedem neuen Blättchen vor einer neuen Schreiberindividualität, in die sich zu vertiefen die Kürze des Textes nicht Stoff bietet.

Das Problem zu lösen suchten Sundwall (1920 und folgende Jahre), Burrage (Harvard Studies of classical philology 1921; Journal of Hellenic Stu- dies 14 und 17), Stawell (American Journal of Archeology 1924), Blaufuß Kaphthor, Nürnberg 1928), Axel W. Persson (Schrift und Sprache in Alt- Kreta, Uppsala 1930), jeder mit guten Ansätzen; das elementare Gefühl, »das muß stimmen«, hat man indes nur selten; das Gefühl, ses könnte auch ebensogut anders heißen«, wird man nicht los; die Erwartung, die kenntlichen Namen Minos, Rhada- manthys Talos, Daidalos, Labyrinthos zu verneh-

WE IC HB E RG ER DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

men, die uns bekannten Beziehungen kretischer Heroen und Heroinen zueinander herausklingen zu hören, wird zu selten erfüllt; so bei Blaufuß, der seine Untersuchungen in nicht gerechtfertigter Weise vorwiegend auf semitische Sprache einstellt und von den berühmten kretischen Namen kaum einen einzigen in seinen vielen Entzifferungen bie- tet, so bei Persson, der zwar über die kleinasia- tischen Zusammenhänge der kretischen Sprache wesentliches beachtet, aber zu wenig Inschriften deutet, so daß man seine Lesungen nicht an ge- nügendem Material kontrollieren kann; und wenn er die bekannte kreisförmige Becher-Inschrift wie- dergibt als »kotipu | kuse | talati pau | naxeve veuna paa kupo kome« | und feststellt, daß er das Wort Wein und das Wort Becher bringt, so ist, wenn die sonst unverständliche Sprache seines Satzes eteo- kretisch sein soll, zu entgegnen, daß Wein eteo- kretisch ibena und nicht veuna hieß; und Schale nicht Киро, sondern agdys.

Immerhin scheinen mir diese redlichen Bemü- hungen, zunächst den Wert der einzelnen kretischen Zeichen einmal festzustellen, sachdienlicher, als daß man etwa, wie Wirth, aus der Ähnlichkeit einzelner Zeichen, die man nicht versteht, mit Zeichen aus den Alphabeten anderer Völker alle möglichen Schlüsse zieht.

Das wesentliche Handwerkszeug des Entzifferers kretischer Inschriften sind:

1. Die drei eteo-kretischen Inschriften in grie- chischen Lettern (Annual of the britisch school of Athens Band 8, 132; 125; Band 10, 115).

2. Die gesammelten Reden der kretischen He- roen. Ich habe sie aus der ganzen antiken Literatur zusammengestellt und glaube, daß ihre Herausgabe die Tatsache zeigen wird, daß hier Jahrhunderte

vor dem offiziellen Beginn unserer griechischen

30

Literaturgeschichten authentische Äußerungen der Helden vorliegen, von einer Größe des Gedanken und einer Großartigkeit der Form, an die die Ала. kreons, Pindare und wie sie heißen, auch nicht von ferne heranreichen. Die Stammbäume.

3. Die erhaltenen Worte der altkretischen Spra- chen aus Suidas, Hesychios, den Fragmenten des Aischylos, den Hieroglyphen, dem Ziegenzauber, dem Gortyner Stadtrecht; Strabon, Stephanos, Eu- ripides, Kuretenhymnos.

4. Eine Sammlung aller Eigennamen kretischer Personen und Orte aus Pape-Benselers Wörterbuch griechischer Eigennamen und neueren Quellen.

5. Genaueste Kenntnis der altlykischen und karischen Inschriften und Vokabulare, da die enge Verwandtschaft der Kreter mit den lykischen Fürsten von so gut unterrichteten Forschern wie Herodotos und Diodoros bestimmt versichert wird.

6. Die kyprischen, semitischen, lykischen, sume- rischen, skythischen, ägyptischen Schriftzeichen.

Eine gut gearbeitete Stammtafel gibt Diodoros. (Siehe nächste Seite.)

Ich lasse jetzt das von mir zusammengestellte kretische Vokabular, mit dem wenigen, was von dem festländisch-kleinasiatischen Wortschatz der Bedeutung nach einigermaßen sichergestellt ist, folgen. Die sehr eingehenden lexikalischen Ver- gleichungen, die ich seit 20 Jahren betreibe, weisen fast durchweg nach dem Nordosten, besonders zu den Avaren des Kaukasos, den antiken Iberern.

Da in Kreta die Dichter Ibrioi hießen, sind diese Beziehungen besonders beachtenswert, ebenso die zu dem heutigen Kaukasosstamm Karata, in dem ich die von Asterios Diktaios, Sohn Minos IL, beim Indienzuge des Dionysos nach dem Kaukasos ge- führte kretische Kolonie sehe, über die Nonnos berichtet. Ich gebe die Kaukasos-Worte nach

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Deukalion II. Molos Katreus

heiratet Theseus

Kydon

Ariadne (Aridela) Akakallis Androgeos Aktios Phaidra | Oinopion

führt kretische Kolonie zum Kaukasos

(Asterios Minotauros) Asterios Diktaios

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31

R. v. Erckert, Sprachen des kaukasischen Stam- mes, Wien 1895; Schiefner, Awarische Studien,

Mémoires de Academie Pétersbourg 1872;

v. Klaproth, Kaukasische Sprachen, Halle 1814, dieser ist besonders wichtig, weil er noch un- verwittertere Wortformen hörte.

Meine Zusammenstellungen der altkreti- schen Worte mit denen anderer Sprachen wollen zunächst nur auf Anklänge hinweisen, nicht stets Zusammengehörigkeit behaupten.

Die Reichhaltigkeit des nun folgenden »Sprachführers« wird wohl die verbreitete An- nahme zerstreuen, als ob wir vom Kretischen

minoischer Zeit nur dürftige Reste hätten.

200 WORTE ALTKRETISCH

I. Personen. pyrgitai, Kreter kartemnides, Gortyner iettas, Väter? tatarisch, kaukasisch usw. atta agelastoys, junge Männer 5 apagelos, junge Männer unter 17 Jahren kaukasisch rekleto skythisch abakes, Mann balikiotes, junger Genosse kleinon, geraubter Lieblingsknabe marna, Jungfrau altpreußisch merga malkenis, Jungfrau ı0 kottäna, Jungfrau jakutisch chotuna, Frau tatarisch chatun, Frau ungarisch hajaden, Jungfrau kereysis, Witwenschaft karata gurulaj

WEICHBERGER- DIE MINOISC HE N SCHRIFTZEICHEN

kadestas, Verwandter aphamiotai, Bauern bolize, Sklavin 15 mnoltes, Sklave mnola, Sklavenstand kaukasisch mona karten, Sklave II. Staat. aithaleus, Regent kosmoi, kasmioi Magistrate; preigistos, Ältester avarisch rosjo, eravtschi, Greis ha neotas, politische Körperschaft, aus der die Richter (hoi hepta kat agoran) genommen wurden s andria, Männerspeisehaus archillas, Oberhirt ergatones, Grabwächter III. Recht. mnamon, Gesetzkenner hoi hepta kat agoran, Richterkollegium dikastas, Richter maityr, Zeuge 5 anpansis, Adoption andexamenos, bürgend moikion, ehebrechend apaton, Betrug avarisch mats tima, Wert 10 amergon, ausgelost adamian, unrecht, töten oiotans, schuldend praddeththai, es werde einkassiert autoregmon, für sich arbeitend 15 apatos, bußelos proththa me endikon (früheres, nicht mehr rechtskräftig), Einführungsformel des Gor- tyner Gesetzes

32

sydyk, gerecht (semitisch)

eleytheros, dolos, woiketas, die drei Stände bei Strafbemessung

Baum, Hund, Schafbock, Gans, die Eidesformel des Rhadamanthys

20 pedion aletheias, Richtplatz

IV. Kampf. startos, Heer aithaleustartos, Fürstenheer dromeys, kriegsmündig dromos, Ringschule, waffenfähige Mannschaft lykisch tern, Heer 5 helepoleis, Kriegswerkzeuge kadmos, Speer, Schild, Helm (Wappen?) ryston, Speer, Holz karata roscha söndros, Bogenschütz? talaidites, Wettkampf 10 balion, schnell esthnisch walus avarisch usw. pelka tityron | == Schwert, Espada? psakon V. Götter.

Zeus, Talaios, Welchanos, Epistaterios, Hetaireios, Hekatombaios, Elaphros, Epirnytios, Dan Tan, Splagnotomos, Idaios, Koyros

Aphrodite, Aphordita, Antheia, Skotia, Kypris

Artemis, Britomartis, Diktynna, Laphria, Kydo- nias, Toxia, Rhokkeia, Limnas

Apollon, Terraios, Delphinios

Dionysos, Theodaisios, Zagreus

VI. Kult.

labrys, Beil (karisch) avarisch tlabi, schlagen kaukasisch, tatarisch tavar, Beil

labyr-inthos, Beilburg

ONAAERIEMETETIMITS ФА AOPlIA PALA O PAIS OINA! ?E£TNMTOP£APAO PEA NO CAT ГЕ E £ LAMY N ANIMESTETALYNTYTAT

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Die „eteokretifchen“ Infchriften.

Tafel ı.

Monumenta Minoa 1-5. (4a Topfhenkel aus Mykenai; die fünf andern Stücke Siegel von Kreta.)

Tafel 2.

geng: * Y ap ® e soria | L. U PR COR |

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Tafel 3.

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Tafel 5.

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Kyprische Stlhenschrift

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Kyprische Silbenschrift und Iykische sowie „hunnisch-skythische Buchstabenschrift.

Tafel 7.

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WEICH B ERG ER. DI E MIN O ISC H EN SCHRIFTZEICHEN A e UU A о ee N

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iakchos, Vorsteher der Mysterien

mystes, Priester

naeu, Tempel

alinon, dunkel, verborgen

thyka, Zufall

bakon, Fall, Spielbrett

proklopos, Kobold

aski kataski aisia liks traks tetraks, Zauberworte zum Ziegenhüten

sande kebuwaija mandragora, Trinkzauber gegen

Krankheite um 1400 v. Chr.

(= ozovónv exo. Mivutaveos?)

»asiatische

psylloi, Schlangenbeschwörer? VII. Licht. talos (— Sonne?), Wüchter des Minos samojedisch tiel; germanisch sagil albanisch diel littauisch schaule abelion, Sonne kaukasisch malch; spartisch bela pasiphae(-ssa), allen einleuchtend enauro, morgens diandes, vorlüngst hamera, Tag nytti, Nacht lappa, Lampe? melagchimos, schwarz seipha, dunkel avarisch betcab kaukasisch sav (1), schwarz miltoprepos, rot? Dromeios, Monat Xanthikos, 3. Monat Thesmophorion, Oktober Theodaisios, April Rhabinthios, Juni

Thermodaios Heraios, Monat

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ellotia, Fest der Europa avarisch halte-edschab —- Fest 'inacheia, Fest »der weißen Göttin« avarisch anchur, itniqu, Mondtag khan, hell VIII. Hof. pastas, Besitzer atabyrion, Pferch, Zaun avarisch tschapar boonia, (Hof-)Tür avarisch kono lateinisch ianua kamtschatkisch onnotsch stega Dach, Haus avarisch thoch agelai, Knabenhäuser IX. Flur. Kreta Kuretis Aeria Chthonia Idaia Telchinia Doliche Aithalia (Grundform ’thölijchan?) othryn, pl. aterea, Berg kaukasisch schur oia, Höhe oaksos, steile Uferfelsen kremnia, steinern (ist auch skyth.) = gortyn, hart sochos, Staub kaman, Acker kaukasisch gvana iobas, Schilf donaka, Rohr, Schilf avarisch nutsi achnyla, Nüsse esthnisch päkkla thrinia, Weinrebe bela, ibena, Wein ungarisch bor karai, Feigenbaum

ialion, Kichererbse

WEICHBERGER: DIEMINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

ıs anthryska, Anis akakallis, Narzisse aörsan, Tau

garsana, Reisig, ungarisch rosze, roszenia

kydon, Quitte X. Tier.

pok, Wolle iettas, Wildbock, Widder? karano, Ziege, skythisch tarandos, polnisch ssarnjina, Reh arkela, Stachelschwein 5 marin, Schwein karten, Kuh kaukasisch kari, bhartsch, Kalb brahui charas, Kuh! | klagos, Milch tschuktsch.-korjük. liuchai thoia, Zügel des Maultieres tscherkessisch schu’e kékenas, Hasen finnisch jänis, avarisch hankh, tatarisch ckujän 10 harpeton, Geier kaukasisch schavardeni usw., Falke kombe, Krähe, karata gondha enorgeias, Brüten, Hecken thapta, Fliege kaukasisch thath, bodze usw. hyron, Bienenschwarm brahui: hilt kaukasisch ari, pera, varu 15 breykos, Heuschrecke kyprisch broykos karorys, Schlange (Hydra) kaukasisch gveri, bikori

avarisch boroch

34

laias, Schlangen kaukasisch lahi, lechji, ghylagh! delphin, Delphin diban, Schlange XI. Speise. dampon, gedämpft ipnodoman, Rösterin thryptakon, Brot backen erikas, Kuchen 5 gastrion (ostrimas?), Gebäck kaukasisch kaz, Brot allátharon, salzig agla-phore, hungere kaukasisch ghabla agdys, Napf; tscherkessisch aps prokoon, Kanne 10 attaryma, Getränk XII. Leib. kyphe, kypheron, Kopf avarisch biker, kaukasisch mikir dola, Ohren; avarisch hadálisa kerans, Hünde akara, Knochen, Schenkel kaukasisch kharab zigeunerisch kokálos ungarisch szar 5 balios, lahm doos, lebend deos, verstümmelt amnesia, enatíe, Kindesnóte? (Eileithyia) XIII. Kleid. kleida, Schuh thettalis, Schuhsohle amyrton, Kleid kaukasisch bor dza, Hemd andromeon, Hemd

s ampbenotas, Hemd

WEICH BE RG ER DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

ел

=

л

oo nA 7

phellonas, Kleider

rhakios, Fetzen

aphratias, eng avarisch goaridab kaukasisch viterad

ellotis, Kranz der Europa beim Festzug, 20 Ellen lang

XIV. Kunst. dáktylos, daidalos, Künstler

finnisch taiteilija!

kauchoi, Kupfer kaukasisch pach usw.

Daidaliden: Skyllis, Dipoinos

Korybanten, Telchinen, Daktylen (schwer von- einander zu trennende Reihen): Sokos; Pry- mneus, Mimas, Akmon, Damneus, Okythoos, Idaios, Melisseus; Spalaxos, Palaxos Skelmis, Lykos, Damnameneus, Atabyrios, Si- mon, Nikon, Mylas; Halia

Skelmion ergon, altes Meisterwerk

akmon, Steinambos

myle, Mühlstein

ibrios, ibikter, Waffentanz- und Kriegslieder- sänger

ametoras, Kitharaspieler

koyretikos, kretischer VersfuD oder ~ -

koyretika, kretischer Schwerttanz

ialia, Stimme

Pyrrhichos (= ibrios?), kretischer Dichter

Thaletas (Thales), kretischer Dichter

Pyrrhichios, Versfuß - -

XV. Empfindung. droion, schön kaukasisch tschihorob kydon, stattlich

35

5

л

brity, süß altnordisch fridhr kaukasisch vertsi, marzi amyklis, süß iarigmon, Freude agkethes, unschädlich askhelion, rauh, hart ungarisch szilai finnisch jülhä kaynos, schlecht bellion, unglücklich esthnisch wilets

ungarisch bal

XVI. Zahl.

ioi, ens, mian, einem, eines, eine hamakis, einmal tungusisch ummukon = 1 dyon, zweier diplei, zweimal hemina, Hälfte trees, trins, 3 dyodeka wetia, 12 Jahre wikati, 20 ellotis, 20 Ellen weksekonta, 60 tyi so, avarisch idschih

topazein, gleichen

plion, mehr amitra, klein kaukasisch patrajs dorkana, genau; finnisch tarkka! darkna, Drachme kronos, Zeit ХИП. Tun.

agkyrittei, ihn gereut

asbesthe, vernichtet

WEICHBERGER-DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN eee ÉL

ananesal, abstellen aropesai, laufen

kaukasisch garbenai, rhena

5 lagasai, freigeben, loslassen

kreththai, tun krekomen, wir tun lei, will

emen, sein

10 oipei, er beschläft

apophlasai, schnarchen elachia, wurde geschunden amelon, ungeschmeichelt

akey-, behüten

15 weip-, sagen

ts ч”

л

epeythey, hergehen lichaxai, werfen; kaukasisch likvane ansaton, anfassen, haften dittamenon, verneinend kaukasisch desch, adisch usw. nein! avarisch hedscha antallagen, aufhören finnisch lakata

XVIII. Partikeln usw. tre, dich win, sich won, seinen hope, wo? avarisch khib keruei, dort chidai, gegen itton, in ademan, wenn; arabisch zaman

lyktos, leicht, hoch oben

XIX. Meer. ? ? ?

% KONG UJVOEL тїз Уатта

36

| L | і 3

50 WORTE LYKISCH mit Karisch, Pamphylisch, Kappadokisch, Mysisch | (Kleinasiatisch) Die mit * bezeichneten Übersetzungen und alle kaukasischen Gleichungen stammen von mir; zu hrppi erklärte sich Kalinka ausdrücklich, zu den

meisten andern bedingt, zustimmend.

Lykisch. Avarisch. kupa, Grab chob inta, Haus qed (Wand) prnnawa, Haus armi, Stall lada, Frau thladı 5 tideimi, Kind thlímer wasaza, Sohn* waßaß (um 1800 von v. Lap tadi, legt roth noch so gehört) tern, Heer rechen kzz-base, Schildhandhabe* ghedsch + batschä, (Inschrift 25) Hand + Schild 19 arnna, Dorf armi, Stall patara, Schüssel ghadaro

(auch arabisch) pinara, pinale, Knáuel gulla sidyma, Apfel hylamoi, Früchte is gla, Alb* cheélo; lesbisch Gélo hrppi, Harpyia*, Todesengel hyarab, sterben

merehi-cudala | Rossezügler* kulthl, Zügel, Leine kudalije-murk

(Inschrift 43; 72) wedris, huwedris, Gott* bether

20 ada, Buße? punam, Strafe* se, und ebenne, dies kbide, König?

mindis, Gemeinde?

LENS

WEICH B ER GER DIE MINOIS CHEN SCHRIFTZEICHEN

Lykisch. Karisch Avarisch. Kretisch. 25 trmmili, lykisch banda, Sieg alad-ahali, wegen der Hälfte* ala, Stute alá Erethymios, Apollo suan, Grabmal zani Erethymia, Fest gelan, König (phrygisch ballen) kragos, Krach gissa, Stein hetso зо girbis, sirmis, gelbrot (S) (semi- | 40 kos, Vieh botschi tisch) labrys, Axt tlabi, schlagen 1 oineianda (sein Haus)“ kybda, ein Gewicht 2 boybon; cba; cbi = der 2.* toyssylos, Zwerg —? daktylos 3 balboyra* tymnia, Stab 4 kibyra (lithauisch ketur A usw.)* Pamphylisch. 45 abelien, Sonnenumlauf abelios Aedon, Athene Baber, Ares

kibdelos, krank, blaß, schwach unthla

mydos, stumm

м e

phennion, Weg

nuh

Kappodokisch (modern).

lingir, 6

tutli, 7

mutli, 8

danjar, tsankar, 9

Mysisch.

55 sykalobos, Hirtenstab

mysos, Buche

Man wird nicht leugnen können, daß dies von mir nach Stoffgebieten aufgestellte kretische Voka- bular uns in gewisser Weise im minoischen Kreta der Zeit etwa 1500 v. Chr. heimisch macht. Das ist die wichtigste Grundbedingung für eine erfolg- reiche Deutungsarbeit an den Schriftzeichen.

Für eine als so verschollen geltende Sprache ist die Sammlung überraschend reichhaltig; mehr als drei Worte für »Schlange« brauchen wir im Deut-

schen auch nicht.

37

Daß das Gortyner Stadtrecht, dessen Aufzeich- nung, wie sie uns vorliegt, man erst in viel spätere Zeit (um 500 v. Chr.) setzt, mit Recht von mir mit herangezogen wurde, ergibt sich aus folgender

Überlegung:

1. Wir kennen zwei kretische große Gesetzgeber ohne Gesetzgebung: Minos und Rhadamanthys.

2. Wir kennen eine kretische große Gesetzgebung

ohne Gesetzgeber: die von Gortyn.

WEICHBERGER-DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN А.

3. Rbadamanthys heißt in älterer Form Brada- manthys.

4. »Der Gortyner« heißt in älterer Form Kar- temnides.

5. Das ist dieselbe Konsonantenfolge:

Q.r.d.-m.n.th.s,

6. Die geflissentlich mehrfach wiederholte Ein- führungsformel des Gesetzes: »Früheres außer Kraft« Proththa-me-endikon.

1. Das ist dieselbe Konsonantenfolge: Q-r-d-m.n.d.h.n.

Diese enge Verknüpftheit des Gortyner Rechts mit der Person des grofien Richters Rhadamanthys zeigt sich auch in einer sachlichen Einzelheit. Die Eigentümlichkeit, da8 die Geschwister des Erb- lassers vor seinen eigenen Ur-ur-enkeln erben, hat das Gortyner Recht gemeinsam mit dem der in- dischen Sapindafamilie (vgl. Zitelmann, Rh. Mus. 1885, Suppl. S. 136 in der Ausg. des Gort. Rechts).

Nun wäre diese Beziehung Indiens ausgerechnet zu Gortyn sehr unverständlich, wenn nicht Diodoros glaubwürdig erzählte, daß Rhadamanthys, durch Minos aus Kreta vertrieben, nach Indien ausgewan- dert ist. Durch diese Notiz erscheint auf einmal der merkwürdige Zusammenhang ganz natürlich, und da sich diese rechtliche Regelung sonst nicht findet, wird sie das Werk des Rhadamanthys sein, diktiert von dem Wunsche, das Reich seines (Halb-)Bruders

Minos selbst zu erben.

So dürfen wir annehmen, daß das Griechisch

dieser Gesetzeammlung, das Griechisch des Er-

oberers Tektaphos, mit Worten der Ureinwohner

der Insel gemischt, diejenige Sprache ist, die in der minoischen Zeit der Tontafeln tatsächlich da gesprochen wurde und die infolgedessen allen Ent-

zifferungsversuchen zugrunde liegen muß.

38

Treten wir mit dieser Vorstellung eines schon in Kreta mykenischerZeit bestehenden stark eigenent- wickelten Griechisch an die drei »eteokretischen. Inschriften, die berühmt-berüchtigten, die nie- mand deuten kann. (Annual of the British School of Athens 8, 125; 132; 10, 115.) Sie stammen etwa aus dem 5. Jahrh. v. Chr.

Ich mache zunüchst darauf aufmerksam, dab bei allen dreien in 1. Zeile die Silbe MIT vor- kommt, ebenso ОМА, FONNY, Ф.М in I. Zeile.

Dies MIT steht bei der 2. Inschrift in einem Worte KAL MIT, das ist der berühmte altkretische Telchin Kelmis, dessen Arbeit als Skelmion ergon sprichwörtlich blieb (vgl. Vokabular CC XIV 5). Tatsächlich finden wir in der Inschrift 2 die Worte: KAAMITKEOZ BAPZE rel, Feoyoce oder rehuidos Fepyov?

Die drei Inschriften haben weiter gemeinsam einen Begriff ІАРАЛА, APKPKOKAE, IPOYKAE; da zu dem mythischen Herakles keine Beziehung zu sehen, ist wohl an archilla, Oberhirt (ССП 6)

zu denken.

Danach ist zu erwarten, daß auch das gleichfalls dreimal wiederholte MIT ein ähnlicher Begriff ist eine öffentliche Person darstellt. Das kann nur mystes sein; so nennt sich in Euripides’ Kretern (Fragment 475) der Zeus- und Dionysospriester

minoischer Zeit.

Der Name des Waffenschmiedes kal-mit würde also heißen: »der Todesgöttin Vertrauter (vgl. Г 15; CC VI 4). In Inschrift 1 wiederholt sich noch ZANO »Zeus« (vgl. CC V 1) und AC, das wohl »und« heißt (CC XVI tyi; L 21), so wie der

Name des Fundortes, Praisos auf Kreta. Ich lese:

=

-..._.:. -——

Ti.

Im ess aden SE ) viste. (ler the Bre:

Nie states

WEICHBERGER-DIE MINOIS CHEN SCHRIFTZFICHEN

ОМА ДЕ XIEMETEP(!I MITEOA ДОФ IAPAAA OPAIZOIINAI EZ TNMTOP = AP AO ZANO ZATOIZ ZTEHEZ JAMYN ANIMEZ ТЕ ПАЛУМГУ TAT ZAN OMOZE ЛО OPAIZONA TZAA AO® TEN....

IPE IPEPEIET......... NTIPANO lAEKEX

. 9 o% е „% ò ©

Kavvog te Anunrgı Mvorns

te xat Apyiddas Посгсіоу al

es Anuntga te Hoav te хо Zava: »ÛLÛOLTE OTEPOS бшу

aveuovs TE ‹радаууг dore

Zava wuooe Ааос IIgatouov: а Zu TE xat Затато ten Копту)

Tveavvo

qaoyavo? . 2...

Kohen Demeter-Priester

so Oberhirt (Jarl) der Praisier

an Demeter und Hera so Zeus: »gäbet ihr den Kranz uns

Stürme auch der Schlachtreihe gebt! zu Zeus schwor das Volk der Praisier, auf Leben und Tod für das heilige Kreta

э Кө өө о о 9 оо W о o а

den Tyrannen

mit Schwertern? ......

Der Name Phalanx ist nicht erst von Alexander dem Großen erfunden; so hieß der Bruder der Arachne, Erfinder der Waffen. Das ganze Stück erinnert sehr an den kretischen Kuretenhymnos.

Die 2. Tafel ist rechts abgebrochen; die Zeilen

laufen

39

HL. asegunanait

"TE Kelmis Werk dies...... * .... wirke den Söhnen des Oberhirten ...

es den Schwertern ...

afo und setímeum ist lykisch L 22 und L 5; das

letzte Wort pacyavors.

Die 3. eteokretische Steintafel ist zu trümmer-

haft erhalten; immerhin lese ich

=? ONNY MIT K) PHAHZ AEA ENT EIPAPI

^F) EIPEPPINZAAN

... MAMAEAIKAPK Р IP AIPAPI® ...1М NEIKAP = ... T АРДОН!

Die Tafel hat starken semitischen Einschlag; der babylonische Begriff nérosgehórt der Himmels- beobachtung an und hat

tatsächlich mitderZahl60

zu tun. Die Genetivform |

von Minotauros auf -k ist

lykisch.

Kavvos Mvorns honts Oea TE ха леа!

hapuomdov Mwwrtavgov

о астра пой veixao 60

. э e ò è è ۾‎

Kretas Göttin und Versuch

Labyrinthos

des Minotauros Sterne versuchen .. . Neros? 60 ... Kreta

WEICHBERGER:DIE

Zur eigentlichen Entzifferung der massenhaft ge- fundenen nicht in griechischen Schriftzeichen gehal- tenen Tontafeln wenden wir uns an die bekannten Nachbarschriften: die kyprische Silbenschrift, die Persson fast ausschließlich heranzieht, die lykische, die durch Seltsamkeit einiger ihrer Zeichen verrät, daß hier höchst eigene nationale Charaktere mit griechischen gemischt sind; und schließlich scheint es mir der Mühe wert, außer auf Hieroglyphen und semitische Zeichen auch auf die von unserer For- schung vornehm ignorierten »skytisch-hunnisch- magyarischen« Schriftzeichen einen Blick zu werfen, die Geßner veröffentlichte und Faulmann (Ge- schichte der Schrift S.504) bei voller Kenntnis ihrer geringen Beliebtheit höchst ernsthaft würdigte.

MONUMENTA MINOA 1.

Evans bezeichnet drei Siegel (scripta minoa I, 272) als »das Siegel des Priesterkönigs und sein und seines Sohnes Bildnis«.

Da das Siegel des minoischen Priesterkönigs sich nicht wohl auf einen andern als Minos beziehen wird, gehört nur der Mut der Banalität dazu, die Inschrift tatsächlich als Minos zu lesen. Da ihn bis- her niemand hatte haben wir diesen Mut!

Das X = m; das ist lykisch M, kyprisch Ma, Me, Mu, skythisch Ba.

Die Tür wohl J oder Wi, Ji.

Das Knie = In(o); es ist griechisch N.

Die drei Knospen s; das ist kyprisch se,

griechisch psi, kelt-iberisch-turdetanisch se, sky- thisch czs.

Also die Siegelinschrift:

Me-ji-jno-s oder Me-ji-jno-wos.

MONUMENTA MINOA 2. Dieselbe Inschrift erscheint auf einem andern

knossischen Siegel mit anderem Anfang, statt des X

40

MINOISCHENSCHRIFTZEICHEN

ein M (Fluß?) als Umrahmung eines Tieres, das einer Katze am ähnlichsten sieht. Das Gewundene ist griechisch M; majım, das Wasser. Also auch hier, die Umschrift, Mi-i-jno-s. Aber die Katze?

Nun, unser Wort Miez erscheint noch um 1850, in dem bekannten Struwwelpeter, als »Mienz und Maunz, die Katzen«!

Und französisch heute noch: minette und minon wallonisch minou = Katze.

Und von einem, der alles leicht faßt, sagt man: il entend chat, sans qu’on dise minon.

Ist es griechisch vivos der Mäusefänger? Und dies ganze schlanke Oval mit der alerten Gespannt- heit des Tieres, das die Ohren so mächtig steif bält, paßt so recht zu dem Sprichwort einerseits und der Gestalt des Seekönigs anderseits, der Kreta

zur ersten Seemacht des Mittelmeeres erhoben hatte.

MONUMENTA MINOA 3. (Scripta Minoa S. 158.)

Durch Verkennen des X als m hat sich Blaufuß eine sonst richtige Lesung im letzten Augenblick noch verdorben. Er hat vorzüglich bemerkt, dab das Siegel das einzige in kretischen und griechischen Schriftzeichen ist; also glänzend geeignet zum Aus- gangspunkt der Entzifferung, liest aber leider das X als Taw, wodurch tawini herauskommt, etwas

Belangloses, während ich lese:

A | М | V my 1 und die zweite Inschrift desselben Ovals X Auge(hain) V m hajin u Der Speer inmitten ist kretisch Kadmos (CC IV 6, П 2), zugleich Kasmios, der Stadtkommandant, 80 daß das ganze in doppelter griechischer und pe lasgischer Schrift heißt

p un

WEICHBERGER-DIEMINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN а.

Mivwtov Kaouıog, Kommandant von Minoa, oder, wie es Plinius nennt,

Minoum, einer Stadt der kretischen NW. Küste.

MONUMENTA MINOA 4. (Scripta Minoa S. 153.)

Ein Siegel. Der Buchstabe J mit einem Stachel-

schwein, kretisch arkela (CC X 4) archillai, Ober- hirten, der uns aus den drei Steintafeln genügend bekannte hohe kretische Titel (CC II 6).

MONUMENTA MINOA 4a. (Scripta Minoa S. 5.)

Henkel von Steintopf aus Mykenai Ich lese:

l. Die sitzende Katze my griechisch M.

2. O griechisch, hunnisch o, lykisch o oder u.

3. Das Lindenblatt ga; der Name dieses Zei- chens entstammt den Kaukasussprachen: Blatt, tschetschenzisch gga, inguschaisch ggä.

4. Е = kyprisch na.

Die ganze Inschrift: My-u-ka-na.

MONUMENTA MINOA 5.

Siegel von Mochlos bei Kreta. R. v. Lichtenberg, Aegaeische Kult.

Ein Seefahrer, der einen Baum (Eiche?) im Schiff hat. Ich lese:

1. Die Gittertür = J.

2. Die beiden Augen = 0005.

J. waw o.

4. Griechisch ksi, lykisch n.

Ein Seefahrer, der mit J beginnt, mit ks oder n endigt, einen Baum im Schiffe hat. J-osse-o-n.

Jason hatte in der Argo einen weissagenden Balken oder Ast der heiligen Eiche von Dodona.

Auf der Rückfahrt von Kolchis kamen die Argo-

nauten nach Kreta, wo sie Talos, den ehernen

41

Wüchter des Minos, der sie mit Steinen bewarf, besiegten. Er fährt dem J szu nahe«, J-a000v!

MONUMENTA MINOA 6. (Tinteninschrift in Becher, Kreta. Scripta Minoa S. 29.) Das Mittelzeichen lykisch e, vielleicht älter ai oder wai, kyprisch wo, links davon das Knie, n. Die innere Kreisinschrift beginnt, wie Persson richtig sieht, links, bei dem von mir als wai be- zeichneten. Darunter skythisch gy, dann folgt die J skythisch p, dann der von M. M. 1 und 2 be- kannte Dreizack s, dann i, dann semitisch- griechisch che == e oder a. Also: Ai-gy-p-s-i-cha. Dasselbe Wort noch einmal außen mit anderem ai; davor H3 che-p. Der ägyptische Gott cheb, Keb, wird gewöhnlich mit Nut oder Neit zusammen genannt. Ich lese also: N-ai-th ai-gy-p-ti-i-a | th-e-wo-os Ke-p ai-gy-p-ti-i-e the-o das vorletzte Zeichen ist kyprisch te! Persson liest: kotipu, kuse talati pau, naxeve

veuna paukupo kome; was wenig sagt.

MONUMENTA MINOA 7. (Scripta Minoa S. 47) Kreta.

Evans hält die Kreise rechts für Wagenräder, was besonders bei dem oberen wenig für sich hat.

Das erste Wort!

Wir kennen von M. M. 6 das erste und letzte Zeichen als te bzw. ta (ohne diakritischen Punkt); das mittlere von M. M. 6 und 1, 2 als s oder th. Es handelt sich also darum. einen Namen von der Form te-?-se-?-ta zu finden.

Das ist der lykische Mánnername Te-mu-se-mu-ta (Kalinka Tituli lyciae 70).

а eee

WEICHBERGER-DI

EMINOIS CHEN SCHRIFTZEICHE

N TEEN

Dann beginnt die dritte Zeile: Os-wo-gy, Mu.... Nun war Osogö der Gott von Mylasa in Karien. Wir haben also: Os-o-gu, Mu-y-la-sa. Setzen wir das Ge- fundene in die Überschrift oben rechts ein, so er-

halten wir Mu-y-la(i); die Pünktchen bedeuten die Mehrzahl: Миди, Mühlsteine!

Die ganze Mühlsteintafel heit also:

Te-mu-se-mu-ta Mu-y-lai

Tel?-mu-s-on? О Th-yose-ra? О The-l-phoy?-s С) Os-wo-gy Mu-y-la-sa O P?-wo-ko-pe?-sa A?.le?.ta O

Da Temusemuta ein Lykier ist, kann die Stadt *-mu-s-? wohl nur Telmessos (Orakel) sein; das darunter Te-l-?-s wohl Delphoys, das von Kreta gegründet sein soll.

Das dritte Zeichen zwei- ter Zeile betrachte ich als kyprisch ru, das erste

und vierte der letzten

als kyprisch ро und pe. Ayvaro(v) a O «тпс ist der untere Ма меш,

Muds Teuooeuora TeAunocor O Ovateoa O Ieiyovs O Ocoyov Mviaca О

Auf Kreta war uralter Mählenbetrieb; ein kre- tischer Gigant heißt Mylinos (vgl. Pape-Beuseler, Wörterbuch griechischer Eigennamen), ein kre- tischer Telchine Mylas (vgl. CC XIV 4).

Mühlsteine können nur mit besonders harten Meißeln hergestellt werden,

zu deren Anfertigung Kreta mit

seiner hervorra

genden Schmiedezunft der gegebene Ort war.

Die Tafel ist eine Buchung über Export beson- ders nach Kleinasien (Lykien,

Thyatera in Lydien, Mylasa in Karien).

42

MONUMENTA MINOA 8. Tonamphora von Mykenai. Die »Tür« setzte ich eben versuchsweise als won, kretisch boonia Tür (CC VIII 2). Das Zeichen rechts IX kyprisch mu, Das A oder N = kyprisch ka.

Die ganze mykenische Inschrift also, von rechts

her: MU-KA-ON Muxave MONUMENTA MINOA 9. Drei Seiten eines Siegels aus Olunt, Kreta. (Scripta Minoa S. 334.)

a) Von rechts her: oa-skapho-ia = ITooipoc.

skypho-

b) ein Hohlmaß, gefüllt und ausgegossen; es ist hebráisch bath = epha, wahrscheinlich bath als Form, epha als Inhalt. Also |

bath-epha-bath = Пас̧-гро- fac.

с) лоис-ило-лода = Пос-иро- f coca.

Das Siegel der Frau des Minos, Pasiphae oder Pasiphaessa. |

Zu dem griechisch-phrygischen Wort fili Kónig, ist wohl ein Femininum «ЎА voraus: zusetzen; das ist folovvr-, wo das Petschaft ge-

funden wurde, »Residenz der Königin«.

MONUMENTA MINOA 10. | Abguß im Museum für Buch und Schrift, Гера. Itylos (Nachtigall), Sohn

a) wi-os-ylo wi-os-as

ai · tha- n · der Аё don (N achtigall). the-a-tho-ra im Theater the-a-sa-won-po-i? Sonnenaufgang ab; y-bor-a-i u-l-o-i Sänger alle!

b) hy?-po Ba-ba-kcho- bei Babakchos’ yne-woi...... Tempel

lyrai 6; kitha- rai 17; Harfen- zithern 4

lu-ya-ra 6, ki-tha- rai 7, ba-r-bito- na-a-b?-lon?-s 4

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WEICHBERGER-DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

Zeichen: a) Zeile 3, vorletztes == kyprisch so

letztes = » TA

» 4, drittes == » se vorletztes = po

5, zweites = = re

Y = u

b) Zeile 1, Nr. 1 = » е 3,4 = ма?

5 == » ko

ж. uw we = » пе » 3 Wo

m 3 = » lu 99 2 = - ya

4, drittletztes = T u vorletztes e ra

» 5, №. 2 а

Inhalt: a) Zeile 1:

: ein Theater ist in Knossos freigelegt

yiosos = Sohn, lykisch; vgl. L 6

worden.

: tesan, Morgenróte, ein etruskisches Wort. : (Вог = Sänger (CC XIV 8). : Bapaxxos = Ваххос.

MONUMENTA MINOA 11. Te-a-chj-t-a-y-i-s

O ba-le-n ke-le-y-

ei ma-t-a-ra arj-chi-la-

wi-o arj-ai-la t-ai-da-

m-mi pa-no-la tha-r?-se-

in wo-la-os-s

(Hei)-s-s po-ly-08-8 (a)-s-tt-ra p-ei-ra-s-(ei) Tektamos

Kretas König befiehl-

t daß die Mutter des Oberhir- ten, Oberhirten Kind-

43

er in dem Ganzen Zutraun ha- ben gánzlich.

Einer, stark wie ein Heer, mag seinen Stern versuchen.

Tektaphos der Dorer, Eroberer von Kreta, an die Familie des von ihm zurückgedrängten Königs Kretheus, besonders dessen Tochter Krete, mit der sich Tektaphos dann verheiratete.

teidami, Kind, ist lykisch. Die letzte Zeile kommt auch gegen Schluß der 3. eteokretischen Steintafel vor.

MONUMENTA MINOA 12. (Memnon, herausgegeben von R. v. Lichtenberg. III. Jahrg., Heft 3, Tafel 4.)

In Zeile 7 rechts springt uns das Wort т.с ent- gegen, gleich darunter beginnen zwei Zeilen mit dem Zeichen, das wir als po kennen.

Das sieht an dieser Stelle sehr bedrohlich aus:

romoen.... TOLVAY .. боб .....

So, mit »punam« lauten gewöhnlich auch die Strafandrohungen der lykischen Inschriften. Be- sonders die Staffelung 4, 3, 2, 1 in den zwei letzten Zeilen sieht polizeilich aus.

Das Gortyner Stadtrecht hat hier regelmäßig die Abstufung eleutheros, dolos, woiketas (Frei, Sklave, Häusler).

Daraus und aus den schon bekannten Zeichen

ergibt sich alles übrige:

MONUMENTA MINOA 12. with-wo-me-ne-e-e-wo-8 an-wer wa-e-si-e-le-wo-i: p-8-e-wi-e-d-duw ky-wi-b-da-i

WEICH BERGER DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

k-ai-i li-i-tr-e-i Gewichte

tha-la-tt-i-e-de und MaaBe

d-y-nai, qy-ai-i : ti-i-s | ins Meer

po-0-0i-i-ei-t-dvor werfen; wenn wer

po-o-wi-na-m? sie macht,

do-sei Коз-8-те-во-1-8 4 Strafe

e-(leutheros) 3, d(olos) 2, w(oiketas) 1 gibt, wenn Offizier geworden, 4, Idomeneus’ Freier, 3, Sklave, 2, Haussklave, 1 (1}?)« des Herrn Königs: Das karische Gewicht kybda findet sich in L, »Falsche die kretischen kasmioi in CC.

MONUMENTA MINOA 13. British museum, greek Vase Rooms. Kopie Weichberger. La-jy-wo-e-si-s ek di-pa-wo avno ergoe (woe): ba-ba-ku-ai-ti Kälber, Gänse (Krankheit) aus Hühnermilben: Arzt gibt 4 ky-ba- -de Kopf, Wasch-Le-m-i-phawy

Se-irion? ex scha-ma-sch-wo: Arzt Bedachung «vr: (se-)la-8 ex scha-ma-sch-i-we ...

Schlangenvergiftung aus Schlange: Mann mit Schlangenstab gibt Betrunkenheit (Bakcheu-sie) Kälber,Gänse (Krankheit) aus Húhnermilben : Arzt gibt 4 Gewichte Hühnerkopf (ins) Wasch- Wasser (lympha) Sonnenstich aus Sonne: Arzt gibt Beschirmung gegen den Glanz aus der Sonne.

laia = diba, Schlange, vgl. CC. Schlangenvergiftung muß laiósis geheißen haben. schamasch für Sonne semitisch.

Mittel 1 und 3 sind durchaus zweckentsprechend.

MONUMENTA MINOA 14. Nach Pausanias 8. 53. 5. war Rhadamanthys, der (Scripte Minoa 5. 32.) sonst als Sohn des Lykastos oder Zeus angegeben ei-ko-n Bra-da- wird, Sohn des Hephaistos. ma-n-th-so-a-8 yisasa, lykisch, wasaza, Sohn, avarisch wassass. yi-sa-s E-wos-toy sebe-pasba, formelhaftes lykisches Attribut zu se-be pa-s-ba Fürstennamen = dsororng? tha-1-hwa-thi-ha-dyo Bild Rhada- MONUMENTA MINOA 15. manthys' Trankopfertisch aus der Dikte-Grotte.

des Sohnes des Hephaistos (Seripta Minoa 5. 15.)

des Despoten, :nwviMiwvwn?

ins Meer (werfen!) Zan-iM-i- n-os

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WEICH BERGER DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

Vor- und rückwärts zu lesen: „Minos dem Zeus. Grabschrift des Minos (nach Pape-Benseler, Wör- terbuch griechischer Eigennamen): Mivwos ro)

2:05 tapos. Damit ist wohl diese gemeint.

MONUMENTA MINOA 16. Inschrift in kleinem Wein-Becher. Evans Palace of Minos I 615. Dej-da-ha-la-k po-ley-th-tej-ro Ley-d-t-dej-woj ZAatdaAog ғАєу9є00с Avsec f we Daidalos der befreite dem Lyseios-Lyaios (Bakchos).

Modell für einen Becher, den der Künstler, wahr- scheinlich in Gold ausgeführt, dem Bakchos weihen wird, wenn es ihm gelingt, sich mit seiner Hilfe (durch Betrunkenmachen der Wächter) zu befreien?

MONUMENTA MINOA 17. (Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte 7, Tafel 76/77.)

О?-п Sistra Ai?-gy-p- Delta, Bu-to 7

Si-st-ra-e 50 =| j lamed (= 50)

=U 1 =J 4 Delta Sais?

Ke?-wo =) 21? Bu3? Le- to-poli nnz

Ti-m-ha (Wert)).

Die Flügelwesen mit unten rundem Leib sind unverkennbar die lykischen Harpyien. Gemeint ist die Harpyie dellê; das ist kretisch balion schnell (CC IV, 10); die Sendung war Eilsendung.

MONUMENTA MINOA 18. Die Frauennamen. Scripta Minoa 5. 48,

l misa lappa

2 ta-na-r-i-a o-mu-irj-ia ?-i-w?-a ai.

3 ph?-e-m-i-a la-pha koj?-y-y-a bar-ba-(ra) 4 gy-t-ai-a po-ly-te-lej-a ?-na-s.a ро-?.... 5 a-l-i-a !!'' 'le-na = “lappa 4

6 na-wa 27 le-na 5

7 ba-la-r-j-a hippa Ко-Ко]?-у-а di-kai-(a) 8 ko-tta-na pha-ei-n-j-a w-orr-ai-i-a ba... 9 be-ko-p-t-a po-o-or-n?-e da-n-na-w-a u-ai.. 10 ko-tta-ne-a ^ ua-po-a mi-e-ny-a ua-yu-a ll ..wo..a ko-tta-ne-a koj-na wa-r?-m-a

12 'l-ai-i-a wa-irio-a-i-a me-gy-la-a sa-n?-s..

13 gy-na-a "le... ba-koj-a le-na ne-le-ei-a

14 ...na 4 ty-ra?-n-n-a

], 2, 3, 2, 5, 3 Lappa, Stadt in Kreta 2, 2 kretisch marna = Mädchen 5, 1 alia, aA: sieben ohne besondere Merkmale 7,1 Валара, boiotisch = Frau; 4 door 8, 1 = 10,1 = 11, 2 xortava, kretisch = Mädchen 8, 2 gaelvn, 8, 3 Вбоосих 9, 2 sıöpvn, Dirne, 9, 3 Javan 11, 3 voam, allgemeine, 11, 4 Zoo, Stütze 12, 1 Acca, links, 12, 2 = feain? 12, 3 ueydin 13, 1 yuri, 13, 4 vnAco, zänkisch 14, 2 vvocvyn

Die eindeutigsten der behandelten kretischen Zeichen sind in bezug auf sprachliche Dinge das Blatt, das ich als ka, und das Rad mit 4 Speichen, das ich als tha lese.

Ist diese Lesung richtig, so wird auch hier die starke Beziehung derkretischenSchriftundSprache zu den Kaukasussprachen dargetan.

Rad heißt toph im Avarischen, Udischen, Cachu- rischen, Kürinischen, Ingiloi (bei v. Erckert S. 115).

WEICHBERGER-DIE MINOISCHEN SCHRIFTZEICHEN

Blatt heiBt gga im Tschetschenischen, ggà im Ingu- schaischen (bei v. Klapproth).

Die kretische Kultur weist stark nach Norden; so erwähnt auch Reinh. v. Lichtenberg (Aigaiische Kultur), daß sich ein den kretischen Kultus-Beilen sehr ähnliches auf der Kurischen Nehrung gefun- den hat.

Dazu finde ich die merkwürdige Tatsache, daß die wichtigsten kretischen Ortsnamen um Gortyn herum, ein ganzes Nest, sich in annähernd gleicher Lage zueinander und entsprechenden, etwa um A oder 4 verminderten Entfernungen, in Posen bei Birnbaum an der Warthe wiederfinden.

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In jener Gegend, die in Vogels Karte des Deut- schen Reiches übersichtlich dargestellt ist, kommt auffallend viel Ton vor, der bekannte Posener Flammton (vgl.Schild, Zwischen Warthe und Obra, Meseritz 1906), wie ja auch die ganze kretische Schreibtätigkeit auf Ton beruht. Bei Bythin hat man auch ein dem kretischen sehr ähnliches töner- nes Stieridol gefunden (vgl. Brockhaus, Konversa- tionslexikon, Tafel Urgeschichte).

Da nun die kretische Anlage etwa doppelte Ab- messnngen hat, Kolonien aber meist großzügigere Anlage zeigen als die heimische Siedelung, scheint die nordische die frühere.

46

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DAS SCHRIFTORNAMENT IN DER ISLAMISCHEN KUNST

VON ERNST KÜHNEL-BERLIN

Die Schrift war von Anfang an das wichtigste Ele- ment im islamischen Dekor, und vielfach gingen von ihr die weiteren ornamentalen Bildungen aus. Sie war das einigende Band, das alle islamischen Länder verknüpfte und über nationale Gegensätze hinweg eine gewisse Einheitlichkeit im Kunstschaffen ge- währleistete. Im Rahmen keiner anderen Zivilisation hat sie eine dermaßen diktatorische Rolle auszuüben vermocht wie im Islam, und zwar gleicherweise in Perioden schöpferischer Blüte wie stagnierenden Niedergangs, an religiösen Orten wie in profaner Umgebung.

Die Erklärung für diese Machtstellung der Schrift wird man in verschiedenen Ursachen suchen müssen. Einmal, weil Koranzitate und fromme Sprüche das Tagewerk des Mohammedaners begleiten und seinen Umgangsformen einen besonderen Stempel verlei- hen; er mußte also auch Wert darauf legen, seine Wohnung und sein Gerät in diesem Sinne zu zieren und gewissermaßen zur Sprache zu bringen. Dann die hervorragende Eignung der arabischen Buch- staben für die verschiedensten Arten schmückender Gestaltung, und schließlich die Tatsache, daß infolge des mehr oder weniger streng gehandhabten Bilder-

verbots im wesentlichen eben nur die Epigraphik als belebendes und ordnendes Element innerhalb einer immer üppiger ausgebildeten vegetabilen Ornamen-

tik in Frage kommen konnte. Selbst die nie ganz zu

unterdrückenden Bestrebungen zu figürlicher Ge-

staltung flüchteten sich, wie wir sehen werden, häu- fig in den Schoß der frommen Koranschrift und hatten so Anspruch auf mildere Beurteilung von sei- ten fanatischer Ikonoklasten.

Unter solchen Voraussetzungen kann es nicht wundernehmen, daß in der islamischen Kunst die Kalligraphie stets an erster Stelle stand, daß in ihr mit Vorliebe auch Fürsten und Prinzen sich hervor- taten und daß sie der einzige islamische Kunstzweig ist, dessen Entwicklung wir an den Namen seiner Hauptvertreter, Reformatoren und Neugestalter verfolgen können, gestützt auf zuverlässige orienta- lische Quellen. Auf die konsequente, von feinem ästhetischen Empfinden diktierte Durchbildung'der Hauptdukten folgte die Erfindung zahlreicher, teils geistreicher, teils rein spielerischer Variationen, und bis ins 19. Jahrhundert hinein sind bemerkenswerte kalligraphische Leistungen zu verzeichnen. Be- kannte Meister der Schrift lieferten die Vorlagen für

K UHNEL SCHRIFTORNAMENTIN DER ISLAMISCHEN KUNST

Bauinschriften, Epitaphien und einzelnes Mobiliar, und dabei kam es oft vor, daß sie über den Text hinaus auch den ornamentalen Rahmen entwarfen, in dem er erscheinen sollte.

In der ersten Epoche des lapidaren, wuchtigen Kufi waren die Schriftzüge selbst noch das im Dekor Entscheidende, alles Ornament tritt als Beiwerk auf, ohne organische Verbindung mit den Texten. Dieser strenge Duktus ist in architektonischem Rahmen später noch lange erhalten geblieben, vor allem in der Backsteinmusterung seldschukischer Grabbau- ten und dann in Persien und Westturkestan in der reizvollen Belebung von Minaren und Moscheekup- peln durch geometrische Schriftmuster in glasierten Ziegeln oder Fayencemosaik. In den Manuskripten selbst wird etwa im 11. Jahrhundert diese Steil- schrift stärker differenziert, die Schwingungen neh- men ornamentale Formen an, und der Grund wird mit einem Gewinde von Arabesken- und Palmett- formen überzogen, die zunächst mit der Schrift noch organisch verbunden bleiben, bald aber sich von ihr soweit emanzipieren, daß sie ihr nicht mehr zuge- hören, sondern die Texte nur noch einbetten (Abb. 1). Die Stuckdekorationen der Alhambra ziehen in die- ser Richtung die letzte Konsequenz, aber gerade bei ihnen finden wir auch Beispiele, wie das Zierkufi so verwendet wird, daß es selbst Bogen- und Rosett- formen hervorruft. In den Zinnenmedaillons des Myrtenhofes tritt das besonders deutlich zutage (Abb. 2). Hier werden die verschlungenen Buchsta- benschäfte zu Zackenbogen zusammengeschlossen, die sich in der oberen Zeile als unterbrechende, mit eigenem Text gefüllte Rosetten fortsetzen und dar- über erst ihre Endigungen finden. Andre wieder ziehen breitere Bogen, die in Arabesken auslaufen und sich zum Teil noch oben weiter verknoten. Bei

solchen Mustern kommt natürlich in die ganze Orna-

48

mentik ein kalligraphischer Zug: die Führung der Konturen zeigt, daß für die Meister die Schulung durch die Schrift maßgebend blieb auch da, wo diese lediglich zum Vorwand diente, üppiges Zierwerk sich auswuchern zu lassen.

Die Rundschrift (Nashi) dringt seit dem 12. Jahr- hundert, zuerst wohl in Persien, auch in die Epigra- phik ein und verleitet nun zu andern Experimenten. Die für die Seldschukenzeit bezeichnende Vorliebe für figürliche Motive führt zunächst zur Belebung der Texte in der Weise, daß man die Schäfte in Men- schenkörper, Vogelköpfe und dergleichen auslaufen läßt und so die „redende“ Inschrift einführt, deren Wortlaut im allgemeinen aus Segenswünschen für den regierenden Fürsten oder für den Besitzer des Geräts bestand und also sich zu so eloquenter Be- tonung besonders darbot. Das Rankenwerk dagegen bleibt hier ohne Verbindung mit der Schrift. Beson- ders auf tauschierten Bronzen des 12. Jahrhunderts (Abb. 3) sind solche Zierfriese beliebt gewesen, und vielfach verhalfen überhaupt erst sie der belebten Darstellung zur Geburt, die schließlich ihre eigenen Wege gehen sollte.

Im Prinzip mußte der Kalligraph als strenggläu- biger und gebildeter Moslem jede Verirrung in das Figürliche sorgfältig meiden, aber wo der Darstel- lungsdrang beim Künstler stärker war als alle reli- giösen Skrupeln, fand er originelle Auswege, sich zu betätigen. So begegnen uns seit dem Ausgang des Mittelalters im ganzen islamischen Bereich, in Ma- rokko sowohl wie in Ägypten, Persien und der Tür- kei, haussegenartige Schrifttafeln, die durch raffi- nierte Auswertung der ornamentalen Möglichkeiten des Duktus bestimmte Gegenstände oder Lebewesen wiedergeben, Schiffe, Vögel, Kamele, Löwen, Pferde usw. (Abb. 4, 5). Es ist nicht immer leicht, den Text

aus diesen komplizierten Spielereien zu rekonstruie-

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Abb. 1. Seite aus einem Koran in Zicr-Kufi. Perfien. 12. Jahrhundert.

Abb. 2. Schriftmedaillon aus dem Myrtenhof der Alhambra.

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Abb. 3.

„Redende“ Inschrift auf einem tauschierten Bronzekessel von 1163 (in Leningrad).

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Abb. 4. Die Arche Noah. Islamische Schrifttafel des 15.—16. Jahrhunderts.

(Museum of Fine Arts, Boston.)

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(Sammlung Fr. Sarre, Berlin.)

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KUHNEL-SCHRIFTORNAMENT IN DER ISLAMISCHEN KUNST

ren, wesentlich bleibt aber immer, daß alle Einzel- heiten des Motivs zum Text gehören. Und ebenso sind es regelmäßig fromme Sprüche, Lobpreisungen Gottes vor allem, die der Kalligraph zum Vorwand nimmt, seine Erfindungsgabe zu zeigen, und die ihm so eine nachsichtige Beurteilung eines immerhin vor- liegenden Verstoßes gegen das Bilderverbot sichern.

Ihre reizvollste ornamentale Gestaltung fand die arabische Schrift wohl im Rahmen des türkischen Kanzleistils (Diwäni) in den Tughren (Handfesten) der osmanischen Sultane, die am Kopf jedes kaiser- lichen Erlasses oder Dekretes (Firmän) standen und zumal Ernennungsurkunden und wichtigen Staats- akten ein festliches Gepräge gaben. Sie werden ge- bildet aus dem komplizierten Namenszug des Sul- tans in einer bestimmten, traditionellen Haltung,

| und die bei Hofe beschäftigten Kalligraphen wett-

eiferten in der Erfindung immer neuer dekorativer Abwandlungen. Hier ist alles Beiwerk, Blumen- gewinde, Rankenornament, Arabeskenzier, lediglich berufen, das majestätische Signum selbst feierlich zu betonen (Abb. 6), und eine solche Tughra in größerer Ausführung war die gegebene Ziertafel, die in Läden, Werkstätten und Wohnungen das Kaiserbildnis er- setzte und die loyale Gesinnung des Besitzers bekun- dete. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden kalli- graphisch hervorragende Tughren geschaffen, und die Dekadenz zeigt sich erst in der Überhandnahme landschaftlichen und andern fremden Beiwerks, das mit dem Namenszug des Herrschers nicht mehr in Verbindung stand und naturgemäß zu geschinack- loser Überfüllung führen mußte.

TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

VON JOHANNES SCHUBERT-LEIPZIG

In einem Buche, welches Schriftprobleme behan- delt, wird man mit ganz besonderem Rechte auch über das Tibetische etwas suchen, weil dieses in seiner Schrift Probleme zeigt, die ihre Lösung bis heute noch nicht endgültig gefunden haben. Frei- lich läßt der Ausdruck »Schriftprobleme« eine sehr verschiedene Deutung und Ausdehnung zu. Um allem einigermaßen gerecht zu werden, sowie mit Rücksicht darauf, daß gerade von der tibetischen Schrift gemeinhin wenig bekannt ist, soll hier von der weitesten Fassung des Ausdruckes ausgehend, vom tibetischen Schriftersatz, von der Erfindung des tibetischen Alphabetes und seinen Vorbildern, von den verschiedenen tibetischen Schriftarten, ihrer Entwicklung und Anwendung sowie vom Ge- brauch der tibetischen Schrift bei anderen Völkern geschrieben werden, und schließlich sollen auch die eigentlichen Probleme, soweit es hier in »Buch

und Schrift« möglich ist, beleuchtet werden.

DER SCHRIFTERSATZ

Vor dem Aufkommen der heute bekannten tibe- tischen Schrift (im 7. Jahrhundert n. Chr.) sollen

die Tibeter, wie aus den zuverlässigeren chine-

51

sischen?, nicht aber tibetischen? und mongolischen? Quellen zur Geschichte Tibets zu ersehen ist, nur die Methode der Quippu (Knotenschnüre) und Kerb- hölzer gekannt haben. Über die Art und Weise der Handhabung ist jedoch gar nichts überliefert. Aller- dings beziehen sich die bisher ermittelten Angaben darüber mehr auf die Stámme im tibetisch-chine- sischen Grenzgebiet; doch liegt nach Laufer* kein Grund vor, an der Verwendung solcher Dinge im eigentlichen Tibet zu zweifeln. Terrien de Lacou- perie versucht in seiner Arbeit? eine schürfere Trennung des Gebrauches von Schriftersatz zwi- schen den eigentlichen Tibetern und den tibetisch- chinesischen Grenzstámmen, bei denen dann (nach Bekanntwerden der Schrift) auch Hieroglyphen (z. B. bei den Moso*) vorkommen. Für die ersteren, d. h. die eigentlichen Tibeter, setzt er an’ (nach den chinesischen Annalen) 1. einfachen Gebrauch von Gegenständen (z. B.: goldene Pfeile als Zei- chen, daB Krieger gesammelt werden sollen; ein goldener Pfeil in einer Lünge von sieben Zoll? als Zeichen des Ámtes; ein Wanderfalk? auf der Brust getragen zum Zeichen, daB der Krieg nótig ist; mehrere Wanderfalken in gleicher Weise getragen

JOHANNES SCHUBERT: TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

als Zeichen, daß der Krieg dringend nötig ist), 2. Knotenschnüre und 3. Kerbhölzer. Eine Notiz in einer tibetischen Quelle, dem sogenannten Rgyal-rabs von La-dvags (d. h. der Chronik von Ladakh in Westtibet)!, daß fünf Gelehrte den ersten König von Tibet (Goen. khri · btsan - po, der aus Nordindien gekommen sein soll und zu dessen Zeit die tibetische Schrift noch nicht erfunden war) in Urkunden von Gold und Türkisen verherrlichten, wird von Schlagintweit wohl mit Recht auf indische Bücher und Schrift gedeutet so sind z.B. ver- schiedenfarbige Tinten, besonders goldene und türkisenblaue zum Schreiben, bei den Tibetern heute noch in Gebrauch!! —, während Lacouperie eventuell eine Anspielung auf Verwendung von zusammengehäuften Gold- und Türkisenkörnchen sehen will.

DIE ERFINDUNG DES TIBETISCHEN ALPHABETES UND SEINE VORBILDER

Die Veranlassung zur Schöpfung einer natio- nalen Schrift hängt mit der Ausbreitung des Bud- dhismus zusammen. Zum Zwecke buddhistischer Propaganda, die besonders unter der Regierung des Königs Эгой · btsan · sgam - po (um 634 n. Chr.) blühte, sollten auch Übersetzungen von Sanskrit- büchern, d.h. heiligen Büchern der Buddhisten, ins Tibetische angefertigt werden. So ist es denn auch dieser tibetische, dem Buddhismus sehr zu- gotane König, der energisch für diese Forderung eintritt. Die tibetischen, mongolischen und chine- sischen Berichte darüber gehen sehr auseinander 12. Was allgemein erzählt wird, ist etwa folgendes: Der König sendet seinen Minister Thon mi, Sohn der A nu, später immer mit dem von seinen in- dischen Lehrern empfangenen Beinamen Sam. bho.

ta (d. i. der gute Tibeter) bezeichnet, mit 16 Ge-

52

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führten ins nördliche Indien (Aryadesa), damit er dort die Schrift, Grammatik und die heiligen Schriften studieren solle. Als sein Lehrer in der Schrift wird ein Brahmane Li-byin (Skr. = Lipi- дача) und in der Grammatik ein Pandita Lha:rig- pai-sen-ge (Skr. = Devavid Simha) genannt. Thon: mi Sam -bho-ta studiert eifrig und schafft nach seiner Rückkehr aus Indien von den übrigen 16 Gefährten wird nichts weiter berichtet am königlichen Hofe das tibetische Alphabet in ver- schiedenen Formen einer sagen wir einmal - Buchschrift (auch Druckschrift), tibetisch genannt Dbu · can (= mit Kopf) oder Gehar, die gemäß der tibetischen Überlieferung der indischen Lanca- Schrift nachgebildet sein soll (obwohl feststeht, daB die Lanca-Schrift selbst erst viel später ent- standen ist), und einer Kursive, tibetisch genannt Dbu-med (= ohne Kopf) oder Gzab, der nach de tibetischen Überlieferung, die indische Wartula, eine Abart der Läücä, als Muster gedient haben soll. Hinsichtlich dertatsächlichen Vorbilder dieser neugeschaffenen tibetischen Alphabete denkt man einmal an die (Nägari-)Schrift von Kaschmir (Nord- west-Indien), zum anderen an die Schrift von Magadha (Nordost-Indien). Entsprechende Nachfor- schungen und Vergleiche?’ haben ergeben, daß von den nórdlichen Alphabeten Indiens am meisten der Gupta-Typus (4. bis 5. Jahrhundert), wie er z. B.in der Inschrift auf der Säule von Allahabad und be sonders in der Inschrift von Gayä erhalten ist, als Muster der tibetischen Schrift gelten kann. І. J. Schmidt hat erstmalig 1829 die Ähnlichkeit der tibetischen Charaktere mit denen der Gaya- Inschrift festgestellt und auf einer Tafel veröffent- licht“. Diese Tafel gibt unsere Abbildung! wieder" Diejenigen tibetischen Geschichtsschreiber, die in ihren Werken die Nagari-Schrift von Kaschmir als

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JOHANNES SCHUBERT-:.TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

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Vorbild des tibetischen Alphabetes erwühnen!$, hatten wohl eine Schrift im Auge, wie sie unsere Abbildung 2 zeigt. Die Abbildung entstammt einem tibetischen Manuskript, welches Schriftformen von Tibet und Nepal enthält und von B. H. Hodgson bereits im Jahre 1825!" veröffentlicht wurde. Bei der Deutung der für die beiden von Thon. mi Sam. bho-ta erfundenen Schriftformen oben genannten Ausdrücke Gzab und Gshar ist wenigstens für die letztere Form nicht ganz klar, ob der Name mit dem Wort »gshar.ba = to move one after another as soldiers« (Chandra Das: Dictionary) in Beziehung steht oder etwa gar auf den Sarada-Typus der nördlichen Alphabete Indiens anspielt. Die erstere Form, Gzab, was »elegant« bedeutet, bezieht sich eigentlich nur auf eine bestimmte Art der Kur- sive, nümlich auf die Kanzleischrift (vergleiche die Abbildung 4).

DIE TIBETISCHEN SCHRIFTARTEN

Die beiden gewöhnlichen tibetischen Grund- alphabete (Dbu-can und Dbu- med) haben selbst- verständlich eine Reihe von verschiedenen, aller- dings nur wenig voneinander abweichenden For- men durchlaufen. Varianten beider Schriftarten sind von A.H. Francke auf 7 Tafeln in 3 Gruppen (nämlich 1. für das 8. und 9. Jahrhundert nach Aurel SteinsManuskripten aus Turkestanund Stein- denkmälern aus Lhasa [Osttibet], 2. für das 11.und 12. Jahrhundert nach Dokumenten aus Lahoul und Spiti [Westtibet], 3. für das 15. und 16. Jahrhun- dert nach Steininschriften aus Spiti) zum Vergleich mit den modernen Zeichen (als 4. Gruppe) zusam- mengestellt worden??,

Wohl im Anschluß an Hodgsons Arbeit!? hat der in der Tibetanistik bekannte Inder Sarat Chandra

Das in seiner Abhandlung »The sacred and orna-

mental characters of Tibet“ eine Menge tibetischer Schriftarten vermutlich zum Teil nach einem ähn- lichen Manuskript, wie es Hodgson vorgelegen hat— dreißig an Zahl (!) beschrieben und durch Proben auf 9 Tafeln illustriert. Im folgenden will ich eine andere Gruppierung bzw. allgemeinere Zusammen- fassung der Schriftarten versuchen.

Unternimmt man, die bisher bekanntgewordenen tibetischen Schriftarten einzuteilen, so ergeben sich etwa 4 bzw. 5 große Hauptgruppen von Schriften, die von den Tibetern zur Darstellung ihrer eigenen Sprache gebraucht werden:

I. Dbu -can-Schriften.

П. Dbu- med - Schriften.

III. Kunstschrift[en].

IV. Indische Schriften.

[V. Durch indische Vorbilder stark beeinflußte Schriften bzw. Modifikationen indischer Al- phabete.]

Die unter I genannten Charaktere haben gegen- über denen der Gruppe 11 am oberen Rande zum großen Teil eine Art Leiste, die wie in der jetzt üblichen indischen Nagari-Schrift der ganzen Zeile den Duktuseiner Linie gibt, an der dieübrigen Buchstabenteile zu hängen scheinen.Manvergleiche einmal von diesem Gesichtspunkte aus die Abbil- dungen 3 und 4. Um eine Schriftart als Dbu- can oder Dbu. med bestimmen zu können, erscheinen mir Buchstaben wie n, d, t, c, ch, ts, tsh und vor allem r als die jeweils charakteristischsten Merk- male, weil hier sehr klar und deutlich zu erkennen

ist, ob die obere Randleiste fehlt oder nicht.

Hauptgruppe I: Dbu.can- Schriften (Vergleiche Abbildungen 3 und 9a)

Die Dbu-can-Schriften möchte ich in verschie-

dene Unterabteilungen gliedern (und würde von

53

JOHANNES SCHUBERT. TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

den Dasschen Tafeln zu dieser Art rechnen II: a, b; У: a, с, e, f, h; VI: 1, 2; УП: 1, 3, 5), nämlich

1. die gewöhnliche, auch von den Tibetern nur als

3. Eine Zierschrift, genannt Khon - sen. Chandra Das, a.a. O. übersetzt dies mit »lions heart characters« oder »lion-hearted« und sagt, die

Dbu-can bezeichnete Schrift, wie sie unsere Abbildung 3a und b darstellt. Sie besteht aus 30 Konsonanten und 4 Vokalzeichen und wird nach Chandra Das beim Druck auf Papier und Seide (heilige Schriften, Amulette, Gebets- fahnen usw.) oder für Steininschriften (vergl. Abbildung 8a, oberste Reihe) gebraucht. Essind die Dbu · can-Zeichen im Sinne Thon. mi Sam. bho-tas (vergleiche Abbildung 1, die jeweils erste Zeile; Chandra Das, a.a. O., Tafel П, a und p. 47 unten; Hodgson, a. a. O., Tafel nach Seite 418). Die Abbildung 3 gibt zwei Proben dieser Charaktere nach tibetischen Originalen: Unter a) еше Dbu · can- Handschrift () für Bü- cher in bestem Duktus; es ist die Vorderseite des 4. Blattes eines bisher nicht übersetzten, noch veröffentlichten Werkes mit dem Titel »Rgyal - po · chen · po · rnam-thos-sras-la-mchod - gtor -abul · bai . rim · ра. dios‘ grub · kyi · ban - mdzod - ces · bya. ba. bzhugs · soc, d. h. es be- handelt einen Opferritus für den Reichtums- gott Kubera; die Handschrift befindet sich in der Universitats- Bibliothek Leipzig. Unter b) eine Dbu · can-Schrift im Holzblockdruck; es stellt die erste Seite einer ebenfalls noch nicht edierten und unübersetzten Chronik der westtibetischen Ortschaften bzw. Klostersied- lungen Gnas chen und От! · bu ri dar; das Original befindet sich gleichfalls in der Uni- versitäts- Bibliothek Leipzig.

Eine Dbu. can-Schrift ohne besondere Bezeich- nung, vom gleichen Duktus wie die vorher- gehende, nur etwas zarter gestaltet (siehe

Chandra Das, a. a. O., Tafel II: b).

54

Buchstaben seien »so called on account of their inside being very narrow« (Chandra Das, a. a. O. p. 45). Die 4. Spalte unserer Abbildung 9a zeigt einige dieser Charaktere (siehe auch Hodgson, а.а. О., Tafel III, Spalte 2, Reihe 2, und Char- dra Das, a.a. O., Tafel V: b). Sie hat bereits den Duktus der noch zu nennenden Siegel-

schriften.

. Eine weitere Ornamentalschrift, namens Sha-

chen. Chandra Das, a.a. O., übersetzt »corpu- lent or fleshy characters«. Die Schrift zeigt sehr starke Anklänge an die indischen Schriftarten (siehe Chandra Das, a.a. O., Tafel V: c und p.45).

. Eine besonders wichtige Schrift, die die Be-

zeichnung Shin · tu · jod · pa trägt. Chandra Das, а. а. О., übersetzt »finished or well described characters«. Ihre Bedeutung liegt darin, dab sie auch als Siegelschrift ausgiebigste Verwen- dung findet. Unsere Abbildung 9a, Spalte 5 zeigt die Schrift, ebenso Chandra Das, a. a. O., Tafel V: e und p. 45. Sie soll nach Chandra Das von einem der ersten Sa-skya-Hierarchen eingeführt worden sein. Tibetische Siegel finden sich auf unseren Abbildungen 5b und 9b. Abbildung 5b enthält das Amtssiegel des Gouvernements von Lhasa (vergleiche dazu Schriftarten Gruppe I Nr.5) und Abbildung 9b das offizielle Siegel des Dalai Lama. Über diesesSiegel siehe Seite bl. Ausführliches über tibetische Siegel überbanp! mit vielen Abbildungen gibt E. H. Walsh seinem Aufsatz »Examples of Tibetan Sealse in »Journal of the Royal Asiatic Society“ 1915, p. 1-15.

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JOHANNES SCHUBERT: TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

6. Eine Schrift, der man die indische Nagari-Form

3

auf den ersten Blick ansieht und die als die heiligste in ganz Tibet angesehen wird, ist die sogenannte Ran · byun -snan - ba oder Skr. Svayambhu. Chandra Das, a. a. O., übersetzt »self-existing«. Abbildungen bei Chandra Das, a. a. O., Tafel V: h und p. 44; dort auch die Le- gende des heiligen Baumes von Sku-'abum (sprich Kumbum), dessen Blätter Svayambhu- Charaktere aufweisen sollen und nach dem infolgedessen auch Kloster und Siedlung den Namen (Kumbum = die hunderttausend Bilder) bekommen haben sollen?“.

Eine Schrift ohne weitere Bezeichnung, nach Chandra Das, а.а. O., Tafel V: f und p. 46, eine Modifikation der Länca-Charaktere. Die den Dbu-can-Charakter zeigende Linie ist bei dieser Schrift nur insofern nicht zu erkennen, als die Kópfe (Dbu) der einzelnen Buchstaben stark von links oben nach rechts unten geneigt sind. Nach Chandra Das, a. a. O., p. 46, von den An- hängern der Bka-rgyud und Dge · lug · pa-Sekte herrührend (vergleiche Schriftarten-Gruppe II. Nr. 10).

. Die Mkhä agro (sprich Khando)- Charaktere.

Chandra Das, a.a. O., übersetzt »letters of fai- ries«. Auch ihnen sieht man den Charakter der Sanskritschrift sofort an (siehe Chandra Das, а. a. O., Tafel VI: 2 und p. 47). Sie soll nach Chandra Das in Werken der alten Кпуір. та.

pa-Sekte gebraucht worden sein.

9. Eine Schrift derselben Art wie Nr. 8 in etwas

10.

einfacherer Gestalt (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel VI: 3 und p. 47).

Die von einem tibetischen Gelehrten und be- rühmten Geschichtsschreiber Agos · loſ · tsa - ba]

erfundene neue Schrift (siehe Hodgson, a. a. O.,

55

Tafel VII, Gruppe 2, und Chandra Das, a. a. O., Tafel VII: 3 und p. 47).

11. Die №. mthsar · yig - gear (Chandra Das, über- setzt a. a. O. »new curious letters c) genannten Charaktere (s. Chandra Das, a. a. O., Tafel VII: 5 und p. 47).

Hauptgruppe II: Dbu · med - Schriften Vergleiche Abbildungen 4 und 5)

Die zweite große Hauptgruppe der tibetischen Schriftarten, die Dbu - med - Charaktere, sind als Kursive überall im Lande in Gebrauch und zwar von einer flüchtigen, sehr schwer zu lesenden Form an über die bessere, klare, auch in handschrift- lichen Büchern anzutreffende Gestalt bis zur vor- nehmsten, zierlichsten und elegantesten Kanzlei- schrift. Man kann sie in folgende Unterabteilungen gliedern (unter den von Chandra Das gegebenen Beispielen rechne ich hierzu die Tafeln II: c, d; Ш: а-е; IV: b; V: a, g und VII: 2, 4, 6):

1. Die von Chandra Das, a. a. O., als Tshugs - rin (9. Ъ. längliche bzw. hohe Form) bezeichnete Schrift (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel П: с und p.48), dort auch Ka. dpe oder Khugs - yig - rkan-rin genannt, das heißt also eine Schrift mit langen Schäften, wie sie für Fibeln, Abc- Bücher usw. geeignet ist. Chandra Das, a. a. O. übersetzt »long-legged letters«. Hierher gehört die prächtige Kanzleischrift, wie sie auf un- serer Abbildung 4 dargestellt ist. Es ist die erste Seite eines auf der lithographischen Missionspresse in Kye-lan vervielfältigten Be- richtes des Herrnhuter Missionars H. A. Jäschke über seine Reise von Tibet nach Europa (Bod - nas - phyi · glin · du - ‘agro - bai · Io · rgyus - nic), wie der Titel (das heißt die erste Zeile unter der Zahl 1) besagt.

JOHANNES SCHUBERT: -TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME a

2. Eine Schrift vom gleichen Duktus, nur in kür-

Q2

zerer, niedrigerer Gestalt, daher als Tshugs - thun oder Оре. yig · rkañ · thuñ (Chandra Das übersetzt a.a. O. »short-legged letters«) bezeich- net, wobei der Ausdruck Dpe [.сЪа] darauf deutet, daß sie in Manuskripten Verwendung findet (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel II: d und p. 48).

. Eine Schrift derselben Art in etwas gedrunge-

nerer Form, genannt Tshugs. ша ( niedrige Form?) Auf unserer Abbildung 5a sind die ersten vier Zeilen in dieser Schrift geschrieben. Es ist die Vorderseite von Blatt 5 eines nur fragmentarisch vorhandenen Werkes, dessen Titel ich z. Z. noch nicht ermittelt habe. Das Fragment befindet sich in der Universitäts- Bibliothek Leipzig. Siehe auch Chandra Das, a. a. O., Tafel III: a und p. 48, wo diese Form mit der hier folgenden (Nr. 4) zusammen als Padma (sprich Pema) thsug . chun bezeichnet ist. Chandra Das, a. a. O. übersetzt »small roundish letters«. Der Name ist aber nach der auf der Tafel III: b bei Chandra Das, a. a. O.,

stehenden tibetischen Bezeichnung:

Padma "akhyug-chun. Vergleiche Chandra Das,

а.а. O., p. 48 [IL 1]!

. Die sehr flüchtige Schrift, die unter der Be-

zeichnung 'Akhyug. yig (Chandra Das übersetzt »running hand«) bekannt ist. Sie ist abgebildet bei Chandra Das, a.a. O., Tafel III: c und p. 48 sowie bei Csoma de Körös i Anhang, P. 2, Nr.4. Eine immerhin noch leidlich zu lesende Form dieser Schrift zeigt unsere Abbildung 5a in der letzten Zeile und der tibetische Paß auf Ab- bildung 5b. Der für einen Inder namens Puren- giri Gosain vom Gouvernement von Lhasa be-

willigte PaB aus dem Holz-Schlangenjahre des

96

13. Zyklus ist abgedruckt in Chandra Das’ tibe- tischer Grammatik, aber nicht übersetzt. Über das dabeistehende Siegel siehe oben unter Nr.5 der Gruppe I.

6. Die Abru - thsa [g(?)]-Charaktere. Chandra Das, a.a. O., schreibt Abru -thsag (Tafel Ш: d, e und р. 48), Csoma, a. a. O., aber Abru · thsa. Wenn es richtig ist, daB diese Charaktere in Büchern der alten, antibuddhistischen Bon-Sekte inTibet am meisten vorkommen (Chandra Das, a. a. O, р. 48), so wäre der Name mit Bru-thsa bzw. Bru.zha in Beziehung zu bringen; das beseich- net nach Chandra Das’ Dictionary ein Land im Nordwesten Tibets (wohl aber richtiger = Gu · ge im Südwesten) und einen tibetischen Stamm (dessenGlieder wohl Anhänger der Bon-Religion waren?). Über die Bru -zha-Sprache von Zhai zhuñ (das ist Gu-ge in Stidwest-Tibet) ver- gleiche Laufer”, p. 591. Die ’Abru thsa [g(?)]- Schrift wird sowohl in Handschrift (Chandra Das, a.a. O., Tafel IV: d und p. 48) als auch

7. im Druck inetwas veränderter Gestalt gebraucht (Chandra Das, a. a. O., Tafel III: e und p. 48).

8. Die Yan. yig-Charaktere. Der Name ist wohl als »Doppelbuchstaben« oder »noch einmal ge- schriebene Buchstaben« zu übersetzen, weil viele der Buchstaben eine gewisse, doppelt- geschriebene Form zeigen (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel IV: b). Chandra Das gibt, im Gegensatz zu anderen Schriften, hiervon keine Beschreibung, sondern nur die Abbildung.

9. Eine Schrift mit Buchstaben in quadratischer Form, deren Ursprung dem berühmten 5а. skya Pandita zugeschrieben wird (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel V: a und p.46). Vergleiche S. 60.

10. Eine Modifikation der gewöhnlichen tibetischen

Zeichen mit abgerundeten Ecken. Nach Chandra

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Die tibetischen Schriftzeichen, „jeweils 1. Reihe) verglichen mit den indischen Schriftzeihen vom Guyta-Typus

der Inschrift von Gaya (jeweils 2. Reihe) und den neueren Devanagari-Charakteren (jeweils 3. Reihe).

Abbildung 1.

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Tibetische Kanzleischrift: Dbu-med-Charaktere in Tsughs- rin-For

Abbildung 4.

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JOHANNES SCHUBERT. TIBETISC HE SCHRIFTPROBLEME

Das, a. a. O., p. 46 von den Anhängern der Bka - rgyud und Dee · lug‘ pa-Sekte herrühend (siehe Chandra Das, a.a. O., Tafel V: g). Vergleiche die Schriftartengruppe I, Nr. 7.

Eine Chag · loi - yig - gsar genannte Schrift., New letters invented by Chhag Lochava« übersetzt Chandra Das (siehe Hodgson, a. а. O., Tafel VI. Spalte 4 und Chandra Das, a. a. O., Tafel VII: 2 und p. 47).

. Die neuere kursive Schrift, genannt Skyogs - loi-yig-gsar, weil sie von einem Lo · tsa · ba (das ist Gelehrter, Übersetzer) namens Skyogs erfunden worden sein soll (siehe Hodgson, а.а. O., Tafel V, oben und Chandra Das, a. a. O., Tafel VII: 4 und p. 47).

13. Eine neuere kursive, im Kloster Rdo rje · gdan

entstandene oder gebrauchte Schriftform, die

deshalb »Rdor (für rdo. rje).gdan -yig-gsar«

heißt (siehe Chandra Das, a. a. O., Tafel VII:

6 und p. 47).

14. Hierher gehört auch die bei Csoma, а.а. O., Anhang, р. [31]-[35] gut abgebildete Schrift > Abam.yig«. Er sagt dazu: »these large char- acters are used in teaching to write the u-met (das ist Dbu- med) or small characters«. Diese Bemerkung soll wohl die Quintessenz aus den nicht übersetzten Zeilen darstellen, die Csoma am Ende der Beispiele ір ”Abam. yig - Schrift, gleichfalls in 'Abam - yig- Charakteren, abge- druckt hat: »Rjes-mi-stan (!!)-ciü-sdeb -legs - yid (!!) - gzhuñs . dban- gis - thsig - dag - la - snag - shog - smyu - gui - bar. du - gtsan - spras - Idan- yig: mkhan · mkhas - pa · byed · па. dgos · pa -yin - abam.yig.go« das heißt „wenn ein geübter Klosterschreiber (jemand) vermittels Tinte, Papier und Schreiberohr zum Schreiben von

Wörtern (thsig · dag · Ia) mit dem Zwecke schnel-

57

ler und formschöner Auffassung іп Kursiv- schrift (7, rjes · mi - stan - cin) anleitet, dann sind Abam · yig-Charaktere erforderliche. Chandra Das, а. а. O., nennt diese Schriftart nicht. Es ist die Schrift wie Gruppe II, Nr. 1 (siehe S. 55 und unsere Abbildung 4) in ausgeprägtester Form, wie sie wohl nur für Übungszwecke ver-

wendet wird.

Hauptgruppe III: Kunstschrift[en] Vergleiche Abbildung 6

In das Hauptschema der Dbu. can- oder Dbu - med-Charaktere nicht einzuordnen ist eine gekün- stelte Form tibetischer Charaktere, die nach Chan- dra Das, a.a. O., р. 46, für geheime Staatskorre- spondenz gebraucht wird und nach ihrem Erfinder Rin. chen Pun. pa den Namen Rin. pun · yi · ge be- kommen hat. Der Kuriosität halber ist die von Chandra Das, a. a. O., Tafel IV: a, gegebene Probe hier abgedruckt (unsere Abbildung 6). Texte in dieser Schrift habe ich noch nicht gesehen.

Hauptgruppe IV: Indische Schriften Vergleiche Abbildung 7 und 8a, untere Zeile

Im Laufe der Zeit haben die Tibeter auch in- dische Charaktere zur Darstellung ihrer Schrift benutzt. Zwei Typen spielen hier eine wichtige Rolle: Lanca und Wartula. Diese Schriften haben solches Ansehen erlangt, daß die Tibeter in ihren Geschichtswerken wie wir gesehen haben die Grundtypen ihrer Schriften Dbu.can und Dbu - med als aus den genannten Arten hervorgegangen erklären.

1. Die Lancä-Schrift, auch den mongolischen Buddhisten bekannt und vor allem von den Buddhisten in Nepal gebraucht, wo ihr Name aber Ran-thsa lautet, ist nach Isaac Jacob Schmidt?“ „wohl eine ältere Gattung oder nur

JOHANNES SCHUBERT. TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME ———

N

eine Fraktur der jetzt gebräuchlichen Deva- nägari«. Sie kann auf zweierlei Art geschrieben werden, horizontal und vertikal. Horizontale Schreibung findet sich sehr häufig. Abbildungen der einzelnen Buchstaben finden sich bei Hodg- son, a.a. O., Tafel I, П, Ш, Chandra Das, a. a. O., Tafel VIII, IX und Csoma, а. а. O., Anhang, p. [38]-[40]. Die zweimal nebeneinandergesetzte Formel Om · mani · padme - hum (das ist: Om, du Kleinod im Lotus, hum!) zeigt unsere Abbil- dung 8a, zweite Zeile. Die obere Zeile ist tibe- tische Dbu - can-Schrift, die untere, horizontale Lanca. Es ist eine Inschrift an einem Chaitya (das ist ein großer, steinerner Opferbehälter bzw. ein kleiner Tempel), 15 Meilen von Kat- mandu, der Hauptstadt Nepals entfernt. Die vertikale Schreibung der Läücä- Charaktere führt zur Bildung von sogenannten Monogram- men. Man findet solche auf tibetischen Wand- bildern, als Schrankfüllungen, auf Gebetsmüh- len und dergleichen. Die hier auf Abbildung 7 gegebene Probe zeigt ein derartiges tibetisches Wandgemälde (das Bild findet sich als Figur 13 bei van Meurs?). Das Monogramm enthält gleichfalls die Formel Om. mani - padme - hum. Wer aufmerksam die Abbildung 8a (2. Zeile) mit dem Monogramm auf Abbildung 7 ver- gleicht,wird eine annähernde Übereinstimmung

der Buchstaben nicht allzuschwer erkennen.

‚Die Wartula-Schrift (das heißt Rundschrift;

vergleiche die Bezeichnung Vatteluttu Rund- schrift für die südliche und westliche Abart des Tamil), nach Chandra Das, a.a.O., p.41, die Charaktere von Magadha in Nordost-Indien, sind nur eine Modifikation der Lähcä-Schrift. Wartula -Schrift zeigt die Tafel I bei Chandra

Das, a.a. O.

Hauptgruppe V: Durch indische Vorbilder stark beeinflußte Schriften bzw. Modifikationen indischer Alphabete

Man könnte außer den genannten vier Gruppen, noch eine andre Gruppe tibetischer Charaktere aufstellen, nämlich Schriften, die sofort als Nach- bildungen späterer indischer Alphabete zu erken- nen sind. Diese Schriften habe ich jedoch unter die vier Hauptgruppen einzureihen versucht und mußte sie sämtlich der Gruppe I zuweisen; es sind dort die Nr. 4, 6, 8, 9.

ÜBER DEN TIBETISCHEN TYPENDRUCK AUSSERHALB TIBETS

Bevor ich vom Gebrauch der tibetischen Schrift- zeichen für andere Sprachen schreibe, sind im Anschluß an die Aufzählung der tibetischen Schrift- arten noch einige Bemerkungen über die Druck- typen erforderlich. Unseren Typendruck verwendet man in Tibet heute noch nicht; wenigstens ist mir bisher davon noch nichts bekannt geworden. Die Tibeter selbst drucken noch so, wie sie es von den Chinesen, ihren Lehrmeistern in der »schwarzen Kunst« gelernt haben (nach A. H. Francke auf Grund der Turfan-Funde vielleicht schon im 10. Jahrhundert п. Chr.), nämlich mit Holzblöcken, die jeweils eine ganze Seite des betreffenden Buches enthalten. Da das verwendete Papier so schauder- haft ungleichmäßig gearbeitet ist, sind diese gan- seitigen Xylographa oft sehr schlecht zu lesen (vergleiche die Abbildung 3b), so daß man gern die weit bessere Handschrift (bei Büchern zumeist in Dhu -can-Charakteren geschrieben) vorzieht (ver- gleiche die Abbildung 3a). Druckereien sind den größeren Buddhisten-Klóstern des Landes ange schlossen. Die bedeutendsten Pressen befinden

sich in Bde-dge (sprich Derge) und Snar. than

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JOHANNES SC HUBERT TIBETISC HE SC HRIFT PRO BLE M E

(sprich Narthang) bei Віта shis . hun · po (sprich Tashihlumpo). Tibetischen Typendruck gibt es nur außerhalb Tibets, in den indischen und chinesisch- tibetischen Grenzgebieten, in denen zum Teil auch christliche Missionen stationiert sind, wie Slel (sprich Leh), Куе · lan (dort eine lithographische Presse der Herrnhuter Brüder -Mission), Rdo · ge. glin (sprich Darjeeling), ferner in Indien in Cal- cutta und in China in Tatsienlu in der Provinz Szechuan (wo außer anderen auch die sogenannte deutsche Advent-Missionsgesellschaft eine Mis- sionspresse— auf der auch andere tibetische Schrif- ten gedruckt werden [?] aufgestellt hat). Gute tibetische Holzblockdrucke werden in großer Zahl in Peping (ehemals Peking) hergestellt. Auch Amerika und Europa haben guten, tibetischen Typendruck, allerdings nur Dbu- can-Charaktere, jedoch in verschiedenen Formen und Graden. So wurden schon im Jahre 1738, einundeinhalb Jahr- zehnt nach Bekanntwerden der tibetischen Sprache

und Schrift in Europa, in Rom von dem Stempel-

schneider Antonius Fantautius unter Anleitung

des Kapuzinermissionars Orazio della Penna, der lange in Tibet geweilt hatte, tibetische Dbu · can- Typen geschnitten?, welche später (1762) die Congregatio de propaganda fide bei Drucklegung von A.A.Georgis 820 Seiten umfassenden Alpha- betum Tibetanum« benutzte. Wohl Ende der zwan- ziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden tibetische Schriften auf Vorschlag Isaac Jacob Schmidts und im Auftrag der Akademie St. Petersburg angefer- tigt?. Deutschland besitzt zwei bzw. drei Arten дег Dbu-can-Typen, darunter die schönsten, die meiner Ansicht nach existieren, nämlich die jetzt von der Berthold AG., Berlin, hergestellten, von der ehemaligen Gießerei Ferdinand Theinhardt,

Berlin, stammenden Typen, deren Vorlagen auf

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Zeichnungen des Sprachmeisters und in der Tibe- tanistik rühmlichst bekannten Herrnhuter Missio- nars H. A. Jäschke zurückgehen. Diese 20 Punkt (= Corps 20) Tibetisch, die auch in dem vortreff- lichen Jäschkeschen Tibetan- English -Dictionary (London 1881) sowie in der ebenfalls bei Gebrüder Unger (Th. Grimm), Berlin, gedruckten Ausgabe der Evangelien (in Jäschkes Übersetzung) ver- wendet ist, weist einschließlich der Akzente, die getrenntgeliefertwerden,155 verschiedene Figuren auf. Eine von der D.Stempel AG., Frankfurt a.M., zu beziehende Cicero-Tibetisch, sowie eine Tertia- Tibetisch im gleichen Theinhardtschen Duktus, verwenden die Leipziger Offizinen Haag-Drugulin und August Pries für ihre ganz hervorragenden tibetischen Drucke. Eine Probe aus letzteren bringt unsere Abbildung 8b, die dem Fasc. 2/3 des Vo- lumens IV der »Asia Major« entnommen ist und ein Stück aus »Gzer-myig«, dem bedeutendsten Buche der tibetischen Bon. po-Sekte, enthält. Man vergleiche einmal die schöne Form dieser Typen mit der Dbu-can-Handschrift auf Abbildung За und man wird keine trefflichere Wiedergabe dieses Schriftduktus erwarten können. Neben diesen, auf Jäschkes Vorlagen zurückgreifenden Lettern ver- wendet die Reichsdruckerei in Berlin eine in Einzelheiten von der oben genannten Theinhardt- schen Type abweichende Form in kleinerer Sohrift- größe. Interessenten finden dieses Alphabet in dem 1924 von der Reichsdruckerei herausgegebenen Werke »Alphabete und Schriftzeichen des Morgen- und des Abendlandes< auf Seite 50 und 51. Diese, auch von der Theinhardtschen Gießerei gelieferten Typen wurden ehemals (Jahr unbekannt) in die Reichsdruckerei von der »Akademischen Drucke- rei« übernommen. Eine dritte Art tibetischer Let- tern, die in Deutschland Verwendung finden oder

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JOHANNES SCHUBERT. TIB ETISC HE SCHRIFTPROBLEME

wenigstens fanden, ist eine Tibetisch, deren Matern durch den im Jahre 1918 erfolgten Ankauf der SchriftgieBerei Е. A. Brockhaus in den Besitz der Berthold AG., Berlin, kamen. Diese Typen, von denen angeblich nur 56 Haupt- und Akzentfiguren vorhanden sein sollen, sind offensichtlieh den Dbu - can-Formen tibetischer Holzblockdrucke nachge- bildet. Nach der in meinem Besitz befindlichen Probe, die von einem der tibetischen Sprache selbst unkundigen Setzer herrührt, geht aber hervor, daß von dieser Form mindestens zwei verschiedene Grade existiert haben müssen. Jedoch sind beide Formen heute durch die nach den Jäschkeschen Vorlagen hergestellten Typen verdrängt. Sogar in Kalkutta schneidet man tibetische Typen nach Jäschke! Der H. Berthold AG., Berlin, sowie Herrn Korrektor E. Pagel von der Reichsdruckerei, Berlin, der sich selbst auch intensiver mit zentral- bzw. ostasiatischen Sprachen beschäftigt hat, danke ich für ihre zeitraubenden Nachforschungen und freundlichsten Auskünfte.

VERWENDUNG DER TIBETISCHEN SCHRIFT FÜR ANDERE SPRACHEN

Nachdem die uns bisher bekanntgewordenen tibetischen Schriftarten aufgezählt sind und ein Blick auf ihre eventuelle Anwendung im Druck auch außerhalb Tibets geworfen worden ist, sollen einige weitere Zeilen der Verwendung der tibetischen Schrift für andere Sprachen gewidmet werden.

Auch die tibetische Schrift, der ihrerseits, wie im ersten Teile des Aufsatzes dargelegt ist, die indische zum Vorbild diente, ist von Nachbar- völkern zum Muster für deren Nationalschrift ge- nommen worden oder es schrieben zum Teil diese

Völker ihre Sprache einfach mittibetischen Schrift-

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zeichen. So spielten die tibetischen Charaktere eine sehr wichtige Rolle in der Geschichte der mongo- lischen Schriftentwicklung, was nicht verwunder- lich ist, wenn man bedenkt, daß Tibetisch sozu- sagen die Kirchensprache der buddhistischen Mongolen ist, die sich sämtlich zum Lamaismus bekennen und daß tibetische Kirchenhäupter es waren, die sich um Regelung der mongolischen Schrift verdient machten. Die heutige, ostmongo- lische Schrift (seit 1311) geht bekanntlich auf die uigurische (etwa seit 1204 bei dem Mongolen in Gebrauch) zurück, welche wiederum aus der von den Nestorianern nach Zentralasien gebrachten syrischen Estrangelo-Schriftentstanden ist. Bereits die Anpassung der uigurischen Schrift an das Mongolische wird auf einen tibetischen Lama, namens Kun. des. rgyal . mthsan · dpal - bran. po (1181—1252 n. Chr.), der aus dem ehemals domi- nierenden Kloster Sa-skya im südlichen Tibet stammte und daher auch kurz Sa-skya-Pandita heißt, zurückgeführt. Nach Chandra Das, a... р. 46 hat er die quadratische Form der tibetischen Charaktere geschaffen (vergleiche die Probe bei Chandra Das, a. a. O., Tafel V: a und die Notiz auf unserer Seite 56, Gruppe II, Nr. 9) und soll eine ähnliche Schrift auch in der Mongolei eingeführt haben. Von größerer Bedeutung war jedoch die Tätigkeit seines Neffen, des ба. skya- GroBlamas `АрЬарв. ра. blo. gros-rgyal-mthsan, der unter Zugrundelegung der tibetischen Schrift ein mon- golisches Alphabet konstruierte, welches wie das des Kun. dgä-rgyal-mthsan, dem Chinesischen gemäß in Kolumnen und von oben nach unten ge- schrieben wurde. Das ist die sogenannte, mit det tibetischen Siegelschrift fast übereinstimmende "Aphags - pa - Schrift, die für Inschriften sowie als Kanzleischrift Verwendung fand. Schließlich

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JOHANNES SCHUBERT: TIB ETIS CHE SCHRIFTPROBLEME

brachte ein dritter Sa-skya-Lama, Chos- kyi “od - zer, unter Zurückgreifen auf die uigurischen Buch- staben und das Alphabet des Sa -skya Pandita eine verbesserte, mongolische Schrift zustande. Die quadratischen, den tibetischen Schriftzeichen nach- gebildeten Buchstaben, wie sie bei den Mongolen Verwendung fanden, heißen auf Tibetisch Yu - gur- yi‘ ge (»uigurische Buchstaben«) und Круа. ser: yi-ge (»mongolische Buchstaben«). Abbildungen befinden sich bei Chandra Das, a.a.O., Tafel VII: 1. Einige einzelne Buchstaben zeigt unsere Abbil- dung 9a in Spalte 2 und 3. Dort ist die Schrift als Hor-yig (Buchstaben von Hor = Mongolei«) be- zeichnet. Die Zeichen sind nach einem tibetischen Holzblockdruck aus Ladakh?? wiedergegeben. Das auf unserer Abbildung 9b dargestellte, offizielle Siegel des Dalai Lama von Tibet besteht aus Hor- Buchstaben, wie sofort ein Vergleich des ersten Zeichens (das sogenannte Schlangenornament, ge- wöhnlich am Anfang eines Blattes geschrieben) mit dem ersten, das heißt obersten Zeichen der zweiten Spalte (Horyig. a-Series) unserer Abbildung 9a zeigt. Die Lesung hat manchen Streit verursacht”. A. H. Francke” liest: stalai blamai ru thamka rgyal« und übersetzt »Standard seal of the Dalai lama, bene!«

Aber nicht nur das Mongolische verwendet tibe- tische Schriftarten, sondern auch andere Völker bedienen sich ihrer. So finden wir tibetische Schrift für die schon erwähnte Bru-zha-Sprache (vergleiche Seite 56, Gruppe II, Nr. 6). Unter den Funden der preuBischen Turfanexpedition findet sich sogar ein Dokument, das mit tibetischer Schrift in einer bis jetzt unbekannten Sprache abgefaßt ist; es ist unter dem Titel »Ein Dokument aus Turfan in tibetischer Schrift, aber unbekannter Sprache« von A.H.Francke in Faksimile und Umschrift heraus-

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gegeben und in den Sitzungsberichten der Preußi-

schen Akademie der Wissenschaften (philos.-histor.

Kl., Nr. XII, 1927) veröffentlicht worden. Im An- hange dazu findet sich eine Zusammenstellung über Schreibung fremder Sprachen mit tibetischer Schrift soweit bisher bekannt geworden in der elf Sprachen (darunter auch Chinesisch, Mongolisch und Uigurisch) aufgeführt werden.

Damit sind die Schriftprobleme mehr äußerer Art erschöpft und es ist an der Zeit, die inneren, eigentlichen Probleme zu beleuchten, bei denen, wie gesagt, noch mancherlei ungelöste Rätsel sich

zeigen.

DIE EIGENTLICHEN SCHRIFTPROBLEME DES TIBETISCHEN

Der des Tibetischen unkundige Leser wird bereits aus den im Vorhergehenden vorkommenden tibe- tischen Namen, denen absichtlich hier und da die heutige (zentraltibetische) Aussprache in Klammern beigefügt ist, ersehen und sich vielleicht auch ge- wundert haben, wie gewaltig die Differenz zwischen Orthographie und Aussprache im Tibetischen heute ist, wie es z. B. in Slel (sprich Leh!) oder Mkha - “agro (sprich Khando!) besonders zutage tritt. Entsprechende typische Beispiele zeigt unsere Ab- bildung 10 und 11. Die dort in der jeweils rechten Spalte gegebene heutige (!!) Aussprache ist die des Zentraltibetischen (Lhasa - Dialekt) nach Bells English-Tibetan Colloquial Dictionary (2. ed. Cal- cutta 1920). Die in den Beispielen (in Abbildung 10 und 11) enthaltenen tibetischen Silbenkomplexe in acht Gruppen sind gleichzeitig Schemata sámt- licher möglichen tibetischen Silbenbildungen. Für die Schriftformen (jeweils linke Spalte der Abbil- dungen 10 und 11) gilt dabei folgendes: Der Stamm-

konsonant (tib. min-gzhi) einer Silbe ist durch

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JOHANNES SCHUBERT TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

große lateinische Buchstaben dargestellt (zwei große lateinische Buchstaben nebeneinander, wie ZH, TH, geben dabei einen einzigen III] tibetischen Konsonanten wieder) Der Anlaut ist durch schwache Umrahmung gekennzeichnet, der Aus- laut unterstrichen (doppelter Strich bezeichnet dabei Auslautskonsonanz). Der Inlaut (-Vokal) ist einfach durch kleinen lateinischen Buchstaben be- zeichnet. Es ist also aus den Abbildungen 10 und 11, linke Spalte, zu ersehen, daß der Anlaut der tibetischen Silbe entweder ein einfacher Konsonant (tib. rkan · pa; für diese hat die tibetische Schrift 30 verschiedene Zeichen; sie machen das tibe- tische Alphabet aus) ist (Gruppe I) oder eine Kon- sonanz (Gruppe II-VIIT). In letzterem Falle ist zu unterscheiden (Gruppe П:) Konsonanzbildung durch Buchstaben, die dem Stammkonsonanten übergeschrieben sind (tib. mgo-can; als überge- schriebene Buchstaben kommen vor г, | und s und zwar so, daß jeder von ihnen nur bei einzelnen be- stimmten Stammkonsonanten begegnet; so r in zwölf Verbindungen, 1 in zehn Verbindungen und s in elf Verbindungen); (Gruppe Ш:) Konsonanz- bildung durch untergeschriebene Buchstaben (tib. btags pa; als solche kommen vor у, г, ] und ein das v bezeichnender Buchstabe: va · zur; es be- gegnet y in sieben Verbindungen, r in dreizehn Verbindungen, ] in sechs Verbindungen und v in sechzehn Verbindungen); (Gruppe IV:) Konsonanz- bildung sowohl durch über als auch unterge- schriebene Buchstaben; (Gruppe У-УШ:) Kon- sonanzbildung durch vorgeschriebene Buchstaben, sogenannte Präfixe (tib. snon-'ajug; als solche kommen die fünf Buchstaben g und d, b, m und’a vor; dabei darf aber nicht übersehen werden, daß g und d in ihrer entsprechenden Funktion wesens-

gleich sind). Die einzelnen Präfixekönnen wiederum

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nur mit ganz bestimmten Stammkonsonanten ver. bunden vorkommen. Der mit vorgeschriebenem Buchstaben versehene Stammkonsonant kann dabei einfach sein (Gruppe V), einen übergeschriebenen Buchstaben (Gruppe VI), einen untergeschriebenen Buchstaben (Gruppe УП) oder beides zugleich (Gruppe VIII) haben. Aus der jeweils linken Spalte der Abbildungen 10 und 11 ist ferner zu ersehen, daß der Auslaut der tibetischen Silbe vokalisch (Gruppe 1,1; V,13 und 14: hier beide Anslaute aber in der Schrift durch ein Zeichen dargestellt, das den Wert eines Konsonanten besitzt; VII, 18) oder konsonantisch (die übrigen Nummern) sein kann. Als vokalische Auslaute kommen vor a, ã (У, 13 und 14), і, u, e und o. Konsonantische Aus laute finden sich in der Schriftform der tibetischen Silben zehn (g, n, d, n, b, m, а, г, 1, в). Das hier mit aufgezühlte ^a erscheint in der Umschrift im Auslaut als à. Es kónnen jedoch auch durch s oder d gebildete Konsonanzen im Auslaut vorkommen, nämlich gs (Gruppe I, 7), bs, ms, йв (Gruppe VIL, 19), nd, rd und ld. Die tibetische Nationalgram- matik faBt die zehn Auslaute als Affixe auf oder benennt sie wenigstens so (»rjes *ajuge); die Aus- lautskonsonanzen heißen »yaà -’ajug«. Inlaute sind nur die einfachen Vokale a, i, u, е, o. In Abbil- dung 11 habe ich versucht die möglichen Schrift bilder der tibetischen Silbe nach den genannten acht Gruppen nochmals graphisch darzustellen. Dabei bedeutet: senkrechter Strich —Stammkonse nant; ein Punkt oben übergeschriebener Buch- stabe; ein Punkt unten = untergeschriebener Buch- stabe; großer wagrechter Strich zur Linken = vor- geschriebener Buchstabe; kleiner wagrechter Strich zur Rechten vokalischer Auslaut bzw. wenn ein Punkt folgt=Inlaut;ein Punktzur Rechten in Klam-

mern (eventuell) konsonantischer Auslaut.

| | | |

ee ee ——

JOHANNES SCHUBERT. TIBETISC HE SCHRIFTPRO BL E M E

Für das Tibetische ist zu beachten, daß es, wie das Chinesische, Siamesische usw. zum indochine- sischen Sprachstamme gerechnet wird und daß, wie in diesen Sprachen, auch im Tibetischen in der Aussprache jeder Silbe ein bestimmter (mu- sikalischer?) Ton zukommt, der beim Tibetischen im äußersten Westen (Kleintibet; Ladakh in Kasch- mir usw.) jedoch fehlt!

Sieht man sich nun einmal die tibetischen Silben- gruppen auf Abbildung 10 und 11 in ihrer Schrift- form an, so kann man einen gelinden Zweifel, daß die Komplexe wie Круа] - rtse, Abras : ljons usw. überhaupt jemals so ausgesprochen worden seien, nicht unterdrücken. Derselben Meinung ist Chandra Das (а.а. O., p.43 oben). Für Schriftbilder wie thugs - bsams - bzhes . pa, stobs - ldan - me - tog usw., hört man heute in Lhasa (nach Bell, a. a. O.) thu · sam. sh’e- pa, tom · den · ше. to und jeder merkt sofort wie leicht sich die Sprachwerkzeuge fúgen. Ein »ge« spricht sich entschieden einfacher aus als »bgegs« und ein »du« einfacher als »bdud«. Heute ist ohne Zweifel erwiesen, daß die seit dem 7. Jahr- hundert durch einheimische Grammatiker geregelte Schriftsprache eine durchaus künstliche ist, und es war sicherlich für den an der indischen (Sanskrit-) Grammatik geschulten Thon - mi Sam . bho · ta kein leichtes Problem eine Sprache wie seine Mutter- sprache, die die Charakteristika des Indochinesi- schen trug und trügt, mit einem Alphabet(!) zu Schreiben, dessen Vorbild zur schriftlichen Dar- stellung der Laute und Wórter einer flektierenden, mehrsilbigen Sprache diente. Dennoch scheint aber den tibetischen Grammatikern die Lósung gut ge- lungen zu sein; denn wir lesen bei Chandra Das (a. a. O., p. 43), daß ein chinesischer Gelehrter, ein Klosterabt (Круа - nag. рі. mkhan · po) namens Zan · than - shan - shi (so die tibetische Schreibung), der

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auf Einladung des Königs Khri . вгой - lde - btsan (regierte 755—795 n. Chr.) das Kloster Bsam . yas besuchte, »was so much struck with the capacity of the Tibetan characters to express Chinese words with their curious intonation (!!) and phonetic pe- culiarities (!!) that he undertook both to trans- literate (!!) and translate some of the Chinese works into Tibetan and certain Tibetan work into the Chi- nese language«. Leider sind mir solche Werke bis- her nicht bekannt geworden.

Betrachten wir jetzt nunmehr die in der rechten Spalte der Abbildung 10 und 11 stehenden Aus- spracheformen und vergleichen sie mit ihren Schriftbildern, so zeigt sich folgendes: Die durch schwache Umrandung gekennzeichneten Anlaute der Schriftbilder zeigen auch bei Anlautskonsonanz in der Lhasa-Aussprache nur einfachen Konsonan- ten, das heißt also vor- und übergeschriebene Buch- staben sind verschwunden; von untergeschriebenen verschwindet r, es bleibt aber y (wohlgemerkt nur Fälle, die in unseren Beispielen gerade vorkom- men!). In den Beispielen VII, 18 und 19 findet sich bei den Anlauten 'aBr und ’aGr außer, daß nur ein einfacher Konsonant zu hören ist, dabei auch gleichzeitig eine Wandlung des Lautes zu d (!!); das Beispiel V, 15 zeigt in seiner Ausspracheform über- haupt nichts vom Anlaut der Schriftform! In bezug auf die Auslaute ist festzustellen, daß von unseren Beispielen die konsonantischen Auslaute, außer n, wegfallen und daß dabei die (vokalischen) Inlaute meist verändert als Auslaute auftreten. Außerdem bestehen bei bestimmten Aus- und Anlauten eupho- nische Veränderungen beim Zusammentreffen zweier Silben (IV,12; V. 13 u. 14; VII. 7 u. УП, 19).

Bei dem ganzen Problem, das wir mit der tibe- tischen Schrift vorliegen haben, handelt es sich

also um die Fragen:

JOHANNES SCHUBERT-TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

1. Wie kommen die über-, unter-, und vorgeschrie-

benen Buchstaben zustande?

2. Welchen Zwecken dienen sie?

3. In welchem Verhältnis steht die heutige (zen- traltibetische) Aussprache der Laute bzw. Silben zu ihrem orthographischen Schriftbild?

Man hat nicht erst von gestern auf heute ver- sucht, den Schleier zu lüften und den Zweck der eigenartigen, orthographischen Erscheinungen zu erkennen, jedoch bis heute wohl noch ohne end- gültigen Erfolg. Zur Beantwortung der Fragen 1 und 2 des Problems sind schon mehrfach wort- bzw. sprachvergleichende Versuche gemacht wor- den*? und auch die Tibetanistik verdankt den wert- vollen, durch ihre exakten Ausführungen besonders hervorragenden Arbeiten Simons?! und den treff- lichen Untersuchungen Wolfendens™ sehr wichtige Anregungen und Entdeckungen.

Verhältnismäßig wenig geholfen hat uns aber der sehr naheliegende Gedanke, die grammatischen Schriften der Tibeter zu studieren, um von ihnen, die ja ihre Sprache zweifellos besser kennen als wir, zu erfahren, was uns an der Erscheinung dunkel ist. Zwar hat es lange gedauert bis voll- ständige Übersetzungen tibetischer, grammatischer Werke vorlagen: 1928 (im Oktober) war meine Übersetzung eines tibetischen Kommentars zur »Nationalgrammatik«°° erschienen (allerdings im Druck nur die eine Hälfte; die andere findet sich in den Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen 1929) und gleich darauf hatten wir auch die ausgezeichnete Arbeit Bacots* vorliegen. Die Übersetzung eines dritten Kommentars zur »Natio- nalgrammatik« habe ich im Manuskript fertig vor- liegen”, und ich hoffe diese Arbeit bald im Druck veröffentlichen zu können. Da ich mich außerdem

schon einige Jahre mit der Übersetzung von Si · tu,

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rin: ро. chen Werk, das heißt dem ausführlichsten Kommentar zu Thon. mi Sam - bho‘ ta's gramma. tischen Schriften, beschäftige, darf ich mir wohl erlauben zu sagen, daß uns ein volles Verständnis der grammatischen, tibetischen Schriften noch nicht gelungen ist. Die bildliche Ausdrucksweise und oft tolle Phantasie des Tibeters haben hier noch einen gewaltigen Riegel vorgeschoben. Das Ergebnis der Arbeiten ist bisher etwa das, daß man weiß, daß die Tibeter ihre »Nationalgrammatik« (damit sind eben die noch erhaltenen und dem Thon. mi Sam - bho ta zugeschriebenen Traktate Sum - cu · pa und Rtags - kyi · ajug - pa gemeint) in zwei Teile gliedern: der erste, Sum - cu - pa (»Alpha- bet«) genannt, entspricht in der Hauptsache etwa dem, was wir in unseren Sprachen unter gramma. tische Formenlehre einreihen würden, wührend der zweite Teil, Rtags . kyi -ajug - pa, mehr die innere Struktur des Sprach- oder besser gesagt Silben- baues behandelt und in jeder Hinsicht das enthält bzw. enthalten muß, was den Gegenstand unseres Problemes bildet. Man hat öfter gesagt, dieser Teil der »Nationalgrammatik« (der im Gegensatz zum ersten Teil noch besonders dunkel ist, obwohl sehr viele Termini technici erschlossen sind) stehe irgendwie mit dem Tonsystem in Zusammenhang. Wie weit dem so ist, möchte ich vorläufig nicht ent- scheiden. Nur kann ich die Ansicht Wolfendens“, daß gewisse tibetische Termini technici, die bisher ale auf »Tóne« bezüglich angesehen worden gind, aber nach der »Nationalgrammatik« anders zu ver- stehen seien, nicht teilen. Wichtig erscheint mir aber aus den grammatischen tibetischen Schriften die Beobachtung, daß die genannten beiden ältesten Werke dieser Art die über- und unterschriebenen Buchstaben überhaupt nicht erwähnen, dagegen

ausführlicher von den vorgeschriebenen Buch-

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Tibetisches

Wandgemälde

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Die Formel Om-mani-padme-hum in tihetischer Dbu-can-Sdhrift (erste Zeile);

in horizontaler Laüca-Sdirift (zweite Zeile); (Die Formel steht zweimal nebeneinander.)

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Sehr guter moderner. tibetischer Typendruck, wie er in Deutschland gebraucht wird.

Abbildung 8.

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B a) Buchstaben tibetischer Siegelschriften.

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b) Offizielles Siegel des Dalai-Lama.

Abbildung 9.

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Abbildung 10.

Abbildung 11.

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JOHANNES SCHUBERT-TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

staben sprechen; das aber nur wiederum im zweiten (Rtags - kyi -ajug · pa), nicht im ersten Teil (Sum. cu - pa; dort sind die vorgeschriebenen Buchstaben nur einmal aufgeführt). Zum größten Teil treten die vorgeschriebenen Buchstaben (Präfixe) im Tibetischen bei den Bildungen auf, die wir als Verbale zu bezeichnen gewöhnt sind, und modifi- zieren diese entsprechend: so z.B. hinsichtlich der Tempora (z. В. sogenanntes Präsens 'agegs - [pa], so- genanntes Perfektum bkag, sogenanntes Futurum dgag; alles Formen eines Verbums »verhindern«). Andererseits treten die Präfixe aber auch bei For- men oder Silben auf, die keinesfalls als Bildungen verbaler Natur anzusehen sind (z.B. dbus Mitte u. a.), was darauf hindeutet, daß die vorher ge- nannten Bildungen eben gar keine Verba in unserem Sinne sind. Bei den übergeschriebenen Buchstaben z. B. r und ] hat die sprachvergleichende Methode festgestellt, daß es sich dabei vermutlich um ver- setzte Laute (Liquidametathese)?? handelt usw. Es ist hier nicht der Platz, um diesen Dingen aus- führlicher nachzugehen; sie sollten nur angedeutet

werden.

Wenn es sich bisher immer um Punkt 1 und 2 des Problems gehandelt hat, so gibt es aber auch noch einen Weg, um etwas vorwürts zu kommen, den bisher noch niemand in entsprechender Weise eingeschlagen hat, nämlich den, das Problem von der umgekehrten Seite anzufassen, das heift als Punkt 3 des Problems festzustellen, in welchem Verhältnis die heutige Umgangssprache zur Schrift- sprache oder genauer ausgedrückt, der heutige Laut zum Schriftbild steht. Diesen Weg habe ich bereits ein gutes Stück beschritten und gedenke das Er- gebnis später unter Zugrundelegung eines original-

tibetischen Syllabars (auch solche Bücher besitzen

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die Tibeter!) zu veröffentlichen. Was sich bisher gefunden hat, ist die überraschende Tatsache, daß in der tibetischen Schrift eine Analogie zur sia- mesischen nicht verkennbar ist. So, wie man im Siamesischen jedem Schriftbilde sofort seine Aus- sprache, Tonhöhe usw. ansieht, ist das auch bei entsprechender Konstruktion—imTibetischen mög- lich. Wie die Siamesen ғ. B. die Silbe Ка in ihrer verschiedenen Bedeutung (ich, Preis, töten) und Tonhöhe durch verschiedene Schriftzeichen, die sie für dieses k' besitzen und durch entsprechende Akzente wiedergeben, so haben die Tibeter nach ihrer heutigen Aussprache etwa einen Laut ka (Säule, Wort, schwer), der je nach der Bedeutung orthographisch ka, bkä, dkä zu schreiben ist, oder einen Laut me (Feuer, nicht, unterer Teil), der im Schriftbilde me, med und smad (!) aussieht. Dem (Zentral-) Tibeter ist es total in Fleisch und Blut übergegangen, ein geschriebenes Wort wie »smad« auf den erster Anhieb me“ zu lesen vielleicht sieht er in smad die Silbe me in einer für ihn ganz bestimmten Bedeutung —und nach seiner Gewohn- heit liest er so auch Wörter bzw. Silben fremder Sprachen, z. B. deutsches »Zeit-Geist« als »tsi · gic (!!) (vergleiche Dawasamdup's English-Tibetan Dic- tionary, Calcutta 1919, p. 987, Nr. 14); ferner weiB ich aus eigener Erfahrung, daß ein Tibeter aus der Gegend des heiligen Berges Kailas eine (von mir) geschriebene Silbe »bret« (die im Tibetischen nur mit d am Schluß vorkommen kann) ohne weiteres »re« liest. Wollte man, daf der Tibeter unseren Laut bret liest, so darf man nicht eine Silbe (mit der Anlautskonsonanz br) schreiben, sondern muß etwa die drei(!) Silben »be.re.te« verwenden. Weiterhin wäre noch als besonderes Faktum zu bemerken, daß der Tibeter oft auch Wörter frem- der Sprachen in eigentümlicher, tibetischer Weise

JOHANNES SCHUBERT-TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

schreibt, z. B. indisches (Sanskrit) »kalpa« als »bskal - pac (I).

Das soll für unsere Darstellung genügen. Sie hat sich ja nur die Aufgabe gestellt, weiter nichts als ein Wegweiser in die tibetischen Schriftprobleme zu sein, deren Existenz nach alledem wohl kaum

jemand in Abrede stellen dürfte.

ANMERKUNGEN (LITERATUR)

1a Tang shu (Annalen der T'angs-Dynastie [618 906 n. Chr.)), Buch 256, 257. Über andere einschlügige Stellen aus den T’ang-Annalen, vgl. Anm. 4, p. 34 (Anm. I).

1b Eine englische Übersetzung der Bücher 256 und 257 der T'ang-Annalen gibt Bushell, S. W.: The early history of Tibet. From Chinese sources = Journal of the Royal Asiatic Society, N. S. Vol. 12 (1880), Pt. 4, р. 435—541.

2a Reyal : rabs - gsal - bai · ше. lon = der die Genealogie der

Könige von Tibet erklärende Spiegel (verfaßt etwa 1327):

1. Ausgabe und Übersetsung von Emil Schlagintweit: Die Könige von Tibet... München: Akademie 1866 = Ab- handlungen der Königl. bayer. Akad. d. Wissensch., I. Kl., Bd. 10, Abt. 3.

2. Ausgabe und Ubersetzung von A. H. Francke: The chronicles of Ladakh and minor chronicles... Cal - cutta 1926: Superintendent Government Printing Archaeological survey of India, new imperial series. Vol. 50 (Antiquities of Indian Tibet, Part [volume] II).

2b Ye - shes: dpal -'abyor: Dpag · bsam · ljon · bzan (verfaßt

1747). Herausgegeben von Sarat Chandra Das. Calcutta:

Presidency Jail Press 1908. Bisher noch nicht übersetzt.

20’Ajigs- med - nam - mkha: Ног. chos - byun (verfaßt 1818). Geschichte des Buddhismus in der Mongolei. Aus dem Tibetischen herausgegeben, übersetzt und erläutert von Georg Huth, Straßburg: Trübner 1892—1896.

3 Sanang Setsen: Geschichte der Ostmongolen und ihres Fürstenhauses. Aus dem Mongolischen übersetzt und mit dem Originaltext. . . herausgegeben von Isaac Jacob Schmidt. St. Petersburg und Leipzig 1829.

4 Laufer, Berthold: Origin of Tibetan writing (р. 34, Anm. ) Journal of the American Oriental Society. Vol. 39 (1918), р. 34—46.

$ Lacouperie, Terrien de: a) Beginnings of writing in and around Tibet = Journal of the Royal Asiatic Society, N. S. 17 (1885), р. 415— 482. b) Beginnings of Writing in central and western Asia. London 1894.

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S. z. B. Anm. 5a, Tafeln (Moso-Hieroglyphen) zwischen p. 460/461.

S. Anm. 5 a, р. 420 oben.

Chines. = tsun*. Der chines. Zoll (tsun*) = der zehnte Teil des chines. Fußes (tsch1?).

Der in den letzten Jahren von der Commercial Press in Shanghai herausgebrachte (chines.) Zoological Nomen- clator gibt für das Zeichen hu* die Bedeutung „falco peregrinus“, also der fast die ganze Welt durchstreifende Wanderfalk.

S. Anm. 2a: 1 (p. 42 u. Anm. 4); s. Anm. 2a: 2 (p. 77). Vgl. Laufer, Berthold: Der Roman einer tibetischen Köni- gin. Tibet. Text und Übersetzung. Leipzig: Harrassowits 1911, S. 249 unten.

S. Anm. 1, 2, 3.

Francke, A. H.: The Tibetan alphabet (p. 267) = Epi- graphia Indica. Vol. XI, р. 266—272. Weiteres в. Anm. 4, р. 37 ff.

Schmidt, Isaac Jacob: Über den Ursprung der tibetischen Schrift Mémoires de l'académ. impér. des sciences de Saint-Pétersbourg, Sér. 6, Tome 1 (1832), p. 41—54 und die Tafel nach p. 88.

Die fehlenden Gupta Typen der Buchstaben und Buch stabenverbindungen unter C, Nr. 2, 4, 5 und 6 besagen, daß diese Zeichen sich auf der Inschrift von Gaya nicht finden.

S. Anm. 2a: 2 (p. 82 unten) und Anm. 2b (p. 167). Hodgson, B. H.: Notices of the languages, literature, and religion of the Bauddhas of Nepal and Bhot (d. i. Tibet) = Asiatic Researches. Vol. 15 (1825), p. 409 478.

S. Anm. 13.

S. Anm. 17.

Das, Sarat Chandra: The sacred and ornamental charac ters of Tibet = Journal of the Asiatic Society of Bengal. Vol. 57 (1888), p. 41— 48.

In Filchners Buch: Ein Beitrag zur Geschichte des Klosters Kumbum, Berlin: Mittler & Sohn 1906, wo ein ganzes Kapitel (S. 104—127) diesem sogenannten Wunderbsum gewidmet ist, ist nachgewiesen, daß von alledem nichts auf den Blättern zu sehen sei, wohl aber evtl. in der Rinde (— bei genügender Phantasie —) erblickt werden könne.

Csoma de Körös, Alexander: A grammar of the Tibetan language in English. Calcutta: Baptist Mission Press 18% Laufer, Berthold: Studien sur Sprachwissenschaft der Tibeter. Zamatog = Sitzungsbericht der Königl. baye Akad. d. Wissensch., philosoph.-histor. Kl., 1898, Bd. I S. 519 594.

3. Anm. 14.

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JOHANNES SCHUBERT-TIBETISCHE SCHRIFTPROBLEME

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Hodgson, B. H.: Remarks on an inscription in the Ranjá and Tibetan (U'chhén) characters, taken from a temple on the confines of the valley of Nepál = Journal of the Asiatic Society of Bengal. Vol. IV (1835), р. 196—198. Van Meurs: Tibetaansche Tempelschilderingen, Amster- dam 1924. S. 19.

Georgi, A. A.: Alphabetum Tibetanum. Rom: Congregatio de propaganda fide 1762, p. 559/560.

Vgl. Bulletin scientifique publ. par l'académ. impér. de Saint-Pétersbourg, Tome I, р. 31(a).

S. p. 1206 bei Francke, A. H.: Note on the Dalai Lama’s seal and the Tibeto mongolian characters Journal of the Royal Asiatic Society, 19101, p. 1205 1214.

39а Waddell, І. A.: Seal of the Dalai Lama = Journal of

the Royal Asiatic Society, 1911, р. 206—207.

30b Walsh, E. H.: Seal of the Dalai Lama - Journal of the

Royal Asiatic Society, 1911, p. 206 207.

30е S. Anm. 27.

31

S. Anm. 27, p. 1206.

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33

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Conrady, Aug.: Eine indochinesische Causatio-Denomina- tiobildung ... Leipzig: Harrassowitz 1896.

Z. B. Simon, Walter: Tibetisch-Chinesische Wortgleichun- gen. Berlin, Leipzig: De Gruyter 1930. Auch in den Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen erschienen.

Wolfenden, Stuart U.: a) The Prefix m- with certain sub- stantives in Tibetan = Language IV (1928). b) Outlines of Tibeto-Burman Linguistic Morphology ... London: Royal Asiatic Society 1929 = Prize Publication Fund. Vol. XII.

S. Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen 1928 und 1929.

Les slokas grammaticaux de Thomni Sambhota . .. Paris: Geuthner 1928 Annales de Musée Guimet. Bibliotheque d'Études 37.

(Das Sum cu pa und Rtags - kyi -'ajug - pa des Lama Lean - skya - rol : pai · rdo · rje.)

S. Anm. 34, b (p. 14/15, Anm. 2).

S. Anm. 33 (S. 30).

——— a ee 2

DIE HIRSAUER BUCHMALEREI EIN PROBLEM DER INITIALORNAMENTIK

VON K. LÖFFLER-STUTTGART

Die Schrift gibt Rätsel auf, aber sie löst auch wieder Rätsel und enthüllt Geheimnisse, hinter die derWissensdurstige auf anderemWeg nicht kommen würde. Der Graphologe ersieht aus den Schriftzügen eines Unbekannten sein geistiges Wesen und manche Verbrecherspur ist nur durch die Schrift aufgedeckt worden. Für den Paläographen wird ein alters- graues Pergament mit Text in fremdartigen Buch- staben zum lebendigenZeugeneiner ganz bestimmten Zeit, von der sonst im Inhalt des Schriftstücks auch nicht die geringste Andeutung gemacht sein mag. Auch wenn besondere Absichten der Kunst, wenn Einwirkungen von Stilgesetzen die äußere Form der Buchstaben über die bloße Zweckbestimmung hin- aus abändern, wenn sie ihnen eine Verkleidung über- werfen, wie wir es bei der Initialornamentik sehen, so werden gerade diese in Kunstformen gekleidete Buchstaben erst recht wieder zu Äußerungen ver- gangener Zeiten und alter Stätten, und mancher Ort, der wohl einst in der Geschichte der Schrift und der Kunst eine Rolle gespielt, aber seither verschwunden oder wenigstens ins Dunkel der Vergessenheit ver-

sunken ist, lebt weiter in solchen Schriftformen, auch

wenn sie heute an ganz andre Orte sich verloren haben. So erstehen alte Kunststätten, von denen uns die Geschichte erzählt, die aber selbst heute nicht mehr unmittelbar zu uns reden können, anschaulich erst wieder aus solchen Zeugen, die Verbindungen herstellen und verborgene Wege aufdecken.

Ein kleines, aber feines Gegenstück zum Heidel- berger Schloß mit seiner Allerweltsromantik ist das tief im Schwarzwald verborgene Kloster Hirsau mit seinem stillenZauber. Während in Heidelberg Völker- wanderungen über die Ruinen fluten, liegt die alte Klosterstätte, fast einem Dornröschen gleich, ver- lassen im Waldtal, und ist wie eine Märchenprinzeß mit manchem Schleier bedeckt, durch den jahr- hundertlange Forschung noch nicht ganz durchge- drungen ist. In Dunkel gehüllt sind die ersten An- fänge von Hirsau. Umstritten ist die Hauptgestalt des Klosters, von der die große Zeit heraufgeführt wurde; hatte Wilhelm von Hirsau politische Ziele oder ist er nicht vielmehr bloß ein Neuerer des Mönchtums? Wie sah das große Münster aus, das Wilhelm werden hieß und das für viele andre Vor-

bild wurde? Von dem Bau stehen nur noch einzelne

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K.LÖFFLER - DIE HIRSAUER BUCHMALEREI, EIN PROBLEM DER INITIALORNAMENTIK

Reste und so muß das Urstück der Hirsauer Bau- kunst, die so weite Kreise gezogen, durch mühsame Forscherarbeit der Nachwelt erst wieder aufgerichtet werden. Das Geistesleben im Kloster, das die Be- richte oft erwähnen, könnte man sich anschaulich ausmalen, wenn die Handschriften, aus denen es seine Nahrung zog und in denen es sich niederschlug, noch davon Zeugnis ablegten. Aber die Hirsauer Bibliothek ist fast spurlos verschwunden, und damit sind auch die Zeugen für ein weiteres Gebiet der Kunst, das zweifellos im Kloster gepflegt wurde und das sonst oft, gerade im Gegensatz zu vielen andern Kunstdenkmälern, mit seinen Werken noch so frisch und unmittelbar auf die Nachwelt wirken kann, die Buchmalerei, für immer stumm geworden. MitwehmütigerFreude hatman seither schondann und wann auf einige wenige Bücher geblickt, die als Reste der Hirsauer Bibliothek gelten. So vor allem auf das große, dreibändige, reich mit Bildern ge- schmückte Passionale der Stuttgarter Landesbiblio- thek, das aus dem Kloster Zwiefalten kam (Bibl. fol. 56 bis 58). Schon die Zwiefaltner Mönche haben diese Handschrift wegen ihrer Auszeichnung des heiligen Aurelius als Hirsauer Gut angesehen, der Stuttgarter Katalog hat die alte Überlieferung fest- gehalten, und als Bibliothekar Stälin von den wich- tigsten Handschriften seiner Bibliothek berichtete, führte er wieder dieses Stück als Hirsauer Denkmal auf. So war es eine sehr verdienstvolle Tat, als vor einigen Jahrenein junger Kunsthistoriker diesesWerk in einer Monographie mit großem Fleiß und reichem Wissen eingehend behandelte und alle Bilder weite- ren Kreisen vorlegte, als Proben der verschwundenen Hirsauer Buchmalerei!. Er wies in einer eingehenden

1 A. Boeckler, Das Stuttgarter Passionale, 1923.

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Untersuchung nach, daß dreierlei Quellen für diese Kunst zu erkennen seien, eine Einsiedler Heimat des ersten Mönchskonvents —, eine baye- rische Heimat des großen Abts Wilhelm —, und eine italienische, die durch ein berühmtes, dem Kloster von Kaiser Heinrich verliehenes Buch ver- mittelt gewesen wäre. Freilich bleibt auch jetzt noch manches Rätsel ungelöst, vor allem die Frage, wie eine so wertvolle Handschrift aus Hirsau abgegeben und wie sie endgültig in einem Tochterkloster ein- gereiht werden konnte, und so wird man bei Fest- legung dieser Malereien wohl auch weiterhin zwi- schen Hirsau und Zwiefalten schwanken. Aber auch wenn dieses und ähnliche Stücke als Schöpfungen von Zwiefalten, wo sie sich tatsächlich vorgefunden haben, angesehen würden, wäre damit doch auch einiges Licht für die Hirsauer Kunst gewonnen; denn es ist nicht zu bezweifeln, daß die Tochterstiftung sich an die Tradition des berühmten Mutterklosters anschloß und sie weiterführte.

In diesem Sinn sei noch auf einige weitere, durch Buchmalerei geschmückte Handschriften aufmerk- sam gemacht, die auch aus Zwiefalten nach Stutt- gart gekommen sind und die sicher zu den ältesten Beständen der Zwiefaltner Bibliothek gehört haben. Es sind vier Werke liturgischen Inhalts, deren die Mönche für ihren täglichen Gottesdienst bedurften: cod. brev. 98, 121, 126 und 128. Die erste Hand- schrift ist ein kirchlicher Psalter, der zusammen mit der letzten Handschrift, einem Collectionar oder Of- ficiale, die für das Chorgebet der Mönche nötigen Texte bot. Die zwei mittleren sind das Gegenstück dazu für die Messe, indem das Epistolar Brev. 121 die Epistellesungen und das Evangelistar Brev. 126 die Evangelientexte enthält. Die höhere Würde die-

K.LÖFFLER - DIE HIRSAUER BUCHMALEREI, EIN PROBLEM DER INITIALORNAMENTIK

ser beiden Bücher, die für den Dienst bei der Messe bestimmt waren, drückte schon der Einband aus, der aus der alten Zeit stammt: Brev. 121 hat einen buntbestickten Seidenüberzug auf den alten Holz- deckeln, Brev. 126 bietet sich jetzt allerdings nur im rótlichen Lederüberzug dar, aber Spuren auf diesem und vor allem die Vertiefung des Vorderdeckels deu- ten an, daß letzterer früher noch irgendeine künst- lerische Auflage, vielleicht in Elfenbein, besessenhat. Die zwei andern Handschriften sind mit braunem Glanzleder überzogen, auf den einfache Linienver- zierungen in Blindpressung angebracht sind; dafür sind sie innen um so reicher ausgestattet. Die Zu- sammengehörigkeit der vier Bücher verrät außer dem Inhalt auch die Schrift, große, sorgfältige, ganz un- persönliche Buchstaben von gewollt altertümlicher Form, die sich in den für andre Schriftwerke damals nicht mehr üblichen ausgeprägten Rundungen ver- rät. Man könnte alle einer Hand zuschreiben; doch ist es auch möglich, daß mehrere Hände beteiligt sind, die aber fast ganz gleich schreiben und, wenn nicht als gleichzeitig, so doch als zeitlich sich nahe- stehend anzunehmen sind.

Auf mehrere zusammenwirkende Kräfte weist vor allem die Initialornamentik, mit der alle vier Hand- schriften ausgestattet sind und deretwegen hier die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sie gelenktwer- den soll. Auch diese Initialornamentik hat wohl ein gemeinsames und einheitliches Grundgepräge, zeigt dieses aber doch in verschiedener Weise, so daß es näherliegt, verschiedene Künstler anzunehmen, die eine gemeinsame geistige Richtung zusammenhält.

Der Umfang des künstlerischen Schmucks, derden vier Büchern verliehen worden, ist verschieden. Bei

der ersten Handschrift sind die Psalmen, die bei der

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liturgischen Einteilungeine Rollespielen, durch große, durchschnittlich über sechs Zeilen gehende Initialen hervorgehoben, rote Federzeichnungen mit farbigem Grund; ganze Seiten nehmen die Initialen von Psalm 51 und 101 ein! Psalm 1 fehlt mit der verloren- gegangenen ersten Lage —. Außerdem ist das den Psalmen vorausgehende Kalendarium mit zwei Bil- dern abgeschlossen, von denen das eine Mariä Ver- kündigung, das andre die Kreuzigung darstellt. Brev. 121, das Epistolar, hat außer einer großen Anzahl mehr oder weniger kunstvoll gestalteter Anfangs- buchstaben 20 eigentliche Initialen, teils in farbiger Bemalung, wobei auch figürliche Darstellungen ein- geflochten sind, teils nur in Federzeichnung. Das zweite Messebuch, Brev. 126, hebt die Anfänge von sämtlichen 50 Evangelientexten hervor und hat dar- unter 26 schöne Initialen in roter Federzeichnung, zum Teil mit blauer und grüner Farbe bemalt, von verschiedener Größe, teils /, teils nur / Seite fül- lend, die größten bei den Festen des Herrn oder Mariä. Die letzte Handschrift endlich, Brev. 128, inhaltlich der ersten näherstehend, ist wieder außer der Initialornamentik durch mehrere Bilderseiten in farbiger Federzeichnung geschmückt; die Zierbuch- staben selbst zeigen ähnliche Art wie die zwei letzten Handschriften, sind aber hier vielfach noch erweitert durch bildliche Darstellungen, die an den betreffen- den Text anknüpfen.

Die Technik der Initialornamentik ist in allen vier Handschriften dieselbe: der Umriß der Buchstaben- gestalt ist mit Federzeichnung gegeben, meist in Rot,

seltener teilweise in der Farbe der Textschrift, oft

1 Siehe das im Verlag Hugo Matthaes-Stuttgart erschienene Werk »Romanische Zierbuchstaben und ihre Vorläufer« des Verfassers.

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K.LÖFFLER - DIE HIRSAUER BUCHMALEREI, EIN PROBLEM DER INITIALORNAMENTIK

auf farbigem Grund; an Stelle der Beigabe des Farb- grundes sind auch manchmal Teile der Initiale selbst leicht mit Farbe angetuscht. Gold und Silber, das frühere Zeiten geliebt hatten, ist ganz vermieden, ebenso die glänzende Deckfarbenmalerei, wie sie be- sonders wieder das nächste Jahrhundert reich ent-

faltet. Die Buchstaben sind in althergebrachten For-

men gezeichnet: Schäfte und Bögen haben roten

Spalt und werden durch Spangen mit verschieden- artigen Verzierungen zusammengehalten oder durch Masken belebt. Einzelnes, wie z. B. auf die Ecken gestülpte tütenartige Verzierungen oder die Blatt- umschläge auf den Bögen erinnern an bayrische Kunst, wo besonders die Klosterschule solche For- men liebte. In die Innenflächen des Raumes, den das Buchstabengerüst einschließt, dringen Ranken, die sich weiterhin in kleinen Ranken verjüngen und an den Abzweigungen Wulstringe zeigen. Die Ranken setzen Knollen an oder auch Blätter und Blüten; es gehen also hier die zwei Arten der Knollenranken und Blattranken nebeneinander her. Am eigenartig- sten und für die Schule am bezeichnendsten sind die blütenartigen Bildungen, die in ihrer üppigen, flei- schigen Form, mit Haaren versehen, einen ganz selt- samen Eindruck machen, gelegentlich auch an Mu- scheln erinnern ; andre fruchtartige Formen scheinen von Eicheln auszugehen. Zur weiteren Belebungwird auch die Tierwelt beigezogen, meist große Vögel oder Drachen mit der ganzen mittelalterlichen Phanta- stik, die oft die eben genannten fremdartigen Blüten aus ihrem Rachen herauswachsen lassen. Dazu kom- men nackte Menschen, die auf seltsamen Tieren rei- ten, oder andre in Kleidern, die in hockender Stel- lung in das Buchstabengerüst hineingesetzt sind.

Manchmal wird auch der ganze Buchstabe in einer

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menschlichen Gestalt gegeben. Einzelnes davon, wie z. B. die hockenden Figuren, finden wir wieder in Handschriften aus Prüfening, einer Gründung von Hirsau.

So wird man im Geist immer wieder nach Hirsau zurückgeführt, und es ist ein sehr naheliegender Ge danke, in den vier Handschriften, deren Texte man im Kloster von Anfang an benötigte, Ausstattung - stücke zu sehen, die von der Mutter Hirsau der Tochter Zwiefalten mitgegeben worden wären. Die Schrift, die noch dem Schlußteil des 11. Jahrhun- derts zugewiesen werden könnte, ließe die Annahme einer Entstehung in Hirsau zur Zeit der Gründung von Zwiefalten (1089) wohl zu. Aber Einzelheiten, besonders in den Kalendarien, weisen mit Entschie- denheit in das 12. Jahrhundert hinüber und spre- chen eher für Entstehung in Zwiefalten selbst. Die gleichmäßige, fast gemalte Schrift ohne eigene Pri gung und selbständigen Zug, sowie besonders der bestickte Seideneinband von einer der Handschriften, ließe insbesondere an das Zwiefaltner Frauenkloster denken, das zur Benediktinerabtei gehórte und von dem ausdrücklich berichtet wird, daß seine Kloster- frauen schöne Handschriften schrieben und sie mit Bildern und Initialen schmückten. Da die Hand- schriften selbst keinerlei Angaben über Herkunft und Schreiber enthalten und die Berichte aus Zvie- falten nichts weiter für diese Stücke beibringen, wird es kaum möglich sein, diese Fragen endgültig beantworten. Zweifellos verrät das oben erwähnte Passionale, das als Hirsauer Werk angesehen wird, im ganzen eine höher entwickelte Kunst; aber es enthält auch daneben einfachere Initialen. Außerdem sind auch bei ihm wohl mehrere Künstler von größere!

und kleinerer Meisterschaft nebeneinander anzu-

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K. LÖFFLER - DIE HIRSAUER BUCHMALEREI, EIN, PROBLEM DER INITIALORNAMENTIK A AS EE

nehmen. Und wenn Zwiefalten zunächst nach seiner Gründung neben dem berühmten und mächtigen Mutterkloster eine bescheidene Rolle gespielt haben wird, so hat es in der ersten Hälfte des 12, Jahr- hunderts besonders durch Beziehungen zu ober- schwäbischen Adelsgeschlechtern an Reichtum und Macht außerordentlich rasch zugenommen.

Aber ob Hirsau oder Zwiefalten, ob Männerkloster oder Frauenkloster, der Geist und der Stil würde der gleiche gewesen sein. Das Hauptmerkmal, das die vier Bücher verbindet, besteht in einer ausgespro-

chenen Abwendung von Gold und Silber, das sonst

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in der Buchmalerei eine so große Rolle spielt, in dem Verzicht auf den Glanz üppiger Malerei in Deck- farben, doch ohne daß die Hilfe der Farbe ganz ent- behrt werden sollte: also eine Richtung zur Einfach- heit, die aber wohl verstandesmäßig begründet ist. Die Formen verraten einen Reichtum, dem eine leb- hafte Phantasie zur Verfügung steht und der sich nicht mit dem hergebrachten Formenschatz zu be- gnügen braucht. Das Bezeichnendste aber, die be- stimmte Zuwendung zur Federzeichnung, finden wir gerade in Zwiefalten weiterhin im 12. Jabrhundert

mit großer Planmäßigkeit zum Grundsatz erhoben.

DER ELEFANTENRUSSEL IN DEN SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHRIFTEN BOHMENS

VON ERNST CROUS-BERLIN

(зае Milchsack hat seine Antwort auf die Frage: »Was ist Fraktur?«! zusammengefaßt in den Satz: »Die Fraktur muß somit gekennzeichnet werden als eine Schrift, deren Großbuchstaben unter Anwendung des Elefantenrüssels [4] aus der Schwabacher (Renaissance-) Form ins Barocke weitergebildet sind, deren Kleinbuchstaben da- gegen wesentlich zur gotischen Form zurückgekehrt sind.«? Milchsack hat den Elefantenrüssel als das künstlerische Motiv in der Fraktur entdeckt oder wiederentdeckt. Ihm folgt Rudolf Kautzsch mit seinem Vortrage über » Die Entstehung der Fraktur- schrift«*. Während Milchsack jedoch unter einem Elefantenrüssel die s-förmig geschwungene, an- und abschwellende Linie überhaupt versteht, be- schrünkt Kautzsch die neue oder erneute Bezeich- nung auf den Schnórkel am Anfang einer Reihe von Versalien, der die auffallendste Verwendung jener Linie darstellt*. Beide Gelehrte sehen die Fraktur vor allem im Gegensatz zur Schwabacher und als Druckschrift, beide richten ihren Blick namentlich auf die Majuskeln.

Der Elefantenrüssel besonders wenn man das

Wort im engeren Sinne nimmt ist nun zwar ein

wichtiges, aber schwerlich ein entscheidendes Merkmal der Fraktur. Einmal läuft neben der ge- wöhnlichen Druckfraktur von Anfang an eine andre her, die ihn stark zurückdrängt, die Wittenberg- Traktor, schon 1524 entstanden und noch in Ungers Schriftprobe nachzuweisen*. Die gleiche Richtung nehmen zu Ende des 18. Jahrhunderts die Reform- schriften der Unger und Campe und Didot und die Jean-Paul-Schrift von Breitkopf & Hartel’, in diesem Jahrhundert die Schöpfungen der Weiß und Hupp, Bernhard und Tiemann und Ehmcke*. Sodann sind auch für die Eigenart der Fraktur die Minuskeln, bei denen der Elefantenrüssel eine weit geringere Rolle spielt als bei den Majuskeln, maßgebender als diese. Die Abbildungen 1 und 2 lassen keinen Zweifel darüber, daß wir es hier ganz, dort in den unteren Zeilen (im Gegensatz zu den Bastardschriften der oberen Zeilen und der Abbil- dung) mit Fraktur zu tun haben, und doch fehlen in beiden Fällen, in dem Ausschnitt aus der Handschrift des 15. Jahrhunderts ebenso wie in dem aus der Druckschrift des 18. Jahrhunderts, die großen Buch- staben! Endlich ist der Elefant enrüssel nicht der Fraktur allein eigen. Beispiele dafür, deren schon

ERNST CROUS . DER ELEFANTENRÚSSEL IN DEN SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHRIFTEN BÚHMENS

Milchsack gibt, findet man ohne Schwierigkeit allenthalben. Die vorliegenden Ausführungen aber möchten zeigen, wie in einem Lande über ein Jahr- hundert lang die verschiedenen Kurrent- und Ba- stardschriften den Elefantenrüssel geradezu als einsihrer Merkmale aufwiesen: in Urkunde, Hand- schrift und Druck Böhmens herrscht er mehr oder weniger vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts.

Schon in Urkunden Karls IV. begegnen wir dem Elefantenrüssel;stärker hervortritter unter Wenzel und seinen Nachfolgern; daß er auch in der Kanzlei Georg Podiebrads heimisch ist, zeigt uns Taf. 17 (hinter S. 256) der tschechischen Literaturge- schichte von Václav Flajshans®. Die Abbildungen 4-6 geben Lokalurkunden aus den Jahren 1416, 1420 und 1425 in deutscher, lateinischer und tschechischer Sprache wieder. In den Abbildungen 5 und 6 kann man das An- und Abschwellen gut beobachten; daß es nicht immer klar herauskommt, beweist Abbildung 4. Das T in Zeile 5 von Abbil- dung 5, das R in Zeile 15 von Abbildung 6 lassen besonders deutlich einen Elefantenrüssel imInnern dergroßen Buchstaben erkennen. Abbildung 6 be- zeugt sein Übergreif en auch auf die kleinen Buch- staben (w in Zeile 2). Bezeichnend für Böhmen ist das weite Vorschieben (z. B. beim R, Abbildung 5, Zeile 1) und das tiefe Herabziehen des Schnörkels (z. B. beim R, Abbildung 5, Zeile 7).

Die Handschriften aus den früheren und mittleren Jahrzehnten bieten ein ähnliches Bild. Man beachte z.B. auf Abbildung 3 (1440) das Vorschieben und Herabziehen des Schnörkels bei den verschiedenen I und den Elefantenrüssel im Innern des G (rechte Spalte, Zeile 5). Handschriften in böhmischer Ba- starda mit dem Elefantenrüssel aus der Zeit bis zum

Eintritt des Buchdrucks in Böhmen sind auch ab-

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gebildetvon Anton Podlaha in seiner Beschreibung der Bibliothek des Metropolitankapitels zu Prag (Fig. 139—142, lat., 1420; Fig. 235, lat., 1459; Fig. 243, lat., 1461; Fig. 229, lat., 1470) 1, von Flajöhans (5. 200, tschech., 1450) und von Zdenék V. Tobolka inseinerGeschichte destschechoslowakischenBuch- drucks in der ältesten Zeit (Abb. 1, tschech., 1468)".

Aus dem halben Jahrhundert vom Beginne des Buchdrucks in Böhmen bis zum Erlöschen der böhmischen Bastarda geben für Anfang, Mitte und Ende je drei Abbildungen je ein Beispiel von Ur- kunden, Handschriften und Drucken. Die beiden Urkunden Wladislaws II. von 1472 und 1497 (Ab- bildungen 7 und 10) folgen der bisherigen Übung. Noch 1497 finden wir das An- und Abschwellen, den vorgeschobenen und tiefgezogenen Schnörkel, den Elefantenrüssel im Innern der Majuskeln und bei dem Minuskel-w (das Majuskel-W dagegen fällt mit seiner Ántiquaform bereits aus dem Rahmen heraus) Während die königliche Kanzlei den Ele- fantenrüssel um die Jahrhundertwende aufgibt, behauptet er sich bei Privaturkunden bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts (Abbildungl4)

Von den abgebildeten Handschriften dieser späte- ren Zeit ist namentlich die des Jahres 1472 (Ab- bildung 9) kurrenter als die des Jahres 1440. Ele- fantenrüssel jeglicher Art erfüllen bier die Seite; aufmerksam machen möchte ich insbesondere auf den ausgedehnten Schnörkel des g. Aber auch um 1511 (Abbildung 13) finden wir den Elefanten- rüssel bei Groß- und Kleinbuchstaben, im An- strich und im Innern noch reichlich vertreten. Weitere Beispiele geben Abbildungen aus Hand- schriften des 15. Jahrhunderts bei Podlaha und Sittler, Topographie der historischen und Kunst: Denkmale im politischen Bezirke Mühlhausen (Fig. 31, tschech.) 12 und bei Flajshans (Taf. 6,5. 115 und

ERNST CROUS - DER ELEFANTENRÜSSEL IN DEN SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHRIFTEN BÖHMENS

S.240,alletschechisch). Beispiele aus Handschriften des 16.Jahrhunderts bietet Podlaha, Die Bibliothek

des Metropolitankapitels, Fig. 124 und 125 (tschech., Anfang des 16. Jahrhunderts) und 171 und 172 (tschech., 1521). Eine Handschrift der Bücher von den 7 Planeten und von den 12 Sternbildern (Ab- bildung 11, um 1500) enthált ganze Alphabete Großbuchstaben mit reichlicher Verwendung des Elefantenrüssels; namentlich das zweite der ab- gebildeten Alphabete führt in den Buchstaben C bis I eine Reihe von Versalien vor, die so gut wie vollständig aus Elefantenrüsseln zusammengesetzt sind.

Die Drucke‘: in böhmischer Bastarda mit Ele- fantenrüssel laufen durch ein halbes Jahrhundert: die Kronika Trojanská mit dem Datum 1468", das Neue Testament von 1475, die Statuta Synodalia von 1476 (Abbildung 8), das Missale Pragense von 147915, das Neue Testament von Dlabac vor 1487, das Passionale Bohemicum (mit Rotunda- Einsprengungen) vor 1487, das Psalterium Bohe- micum von 1487, die Kuttenberger Bibel von 1489 (zwei Typen mit Rotunda-Einsprengungen) geben den Auftakt. Es folgen die Wiegendrucke mit den zwei Typen von Jan Kamp, zeitlich festgelegt für 1488, 1490, 1491, 1492, 1495, 1497, 1498 und 1500 (Abbildung 12). Im 16. Jahrhundert reihen sich an einander der Petrarka von 1501 (Tobolka Abb. 12), die Venediger Bibel von 1506 (zwei Typen, die kleinere mit Rotunda-Einsprengungen 1e, Tobolka Abb.34), die Compactata von 1513 (Flajshans 5.208), Luthers Erklärung der zehn Gebote in tschechischer Übersetzung von 1520 (Abbildung 15; Volf Abb. 6 und 9)1”, das Netz des Glaubens« und (mit zwei Typen) die Postille des Peter Cheléicky von 1521 bzw. 1522 (Monumenta Bohemiae typographica 1, Prag 1926 und Flajshans S. 224; Flajshans Taf. 16);

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mit dem letzten Druck schließt, soweit ich sehe, Pavel Severyn den Reigen.

Wenn man die lateinischenStatuta Synodaliaund das lateinische Missale Pragense von 1476 bzw. 1479 ausnimmt, handelt es sich bei diesen Drucken immer um Bücher in tschechischer Sprache. An- fangs stehen Textura und Rotunda (Missale Pra- gense von 1479, Typel; Agenda Pragensis um 1480. Alakraw in Winterberg 1484) in schwachem, bald verzichtendem Wettbewerb. Seit 1493 erscheint die Schwabacher Nürnbergs auf dem Plan; ihr unter- liegt im zweiten Waffengang die böhmische Ba- starda in denselben Jahren, in denen sie auch aus Urkunden und Handschriften verschwindet. Sti- listisch teilen sich die Schriften nach Ausschei- dung der vier mit Rotunda-Einsprengungen, von denen drei gerade in die Übergangsjahre fallen, in zwei zeitlich zu scheidende Gruppen, die vor Jan Kamp und die seit Jan Kamp. Die älteren sind mannigfaltiger, phantastischer; der Elefanten- rüssel geht bis in die Minuskeln (z.B. bei der Ab- kürzung für et, Abbildung 8, Anfang von Zeile 2, 3 und 6). Die jüngeren sind, der allgemeinen Ent- wicklung entsprechend, ausgeglichener, rubiger. Man vergleiche etwa das A und das N auf Ab- bildung 8 mit denen auf Abbildung 15 und das g auf Abbildung 12 mit dem auf Abbildung 15; der Übergang zur Schwabacher ist im besonderen wieim allgemeinen nicht zu verkennen. Im ganzen geben die Drucke dem Elefantenrüssel einen noch wei- teren Spielraum als die Handschriften.

Der erste, der sich theoretisch mit der Fraktur beschäftigt hat, ist Wolfgang Fugger (1553). Er spricht vom Elefantenrüssel nicht, sieht in den »Rauten« oder »Quadraten« bei den kleinen Buch- staben (abfgimnpqgr:fsvuwxy) das Merk-

mal, das die Fraktur und in bescheidenerem Maße

ERNST CROUS - DER ELEFANTENRÜSSEL IN DEN SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHRIFTEN BOHMENS

schon die Kanzlei von der Kurrentschrift unter- scheidet. Es dürfte sich zeigen lassen, wie im 15. Jahrhundert einbesonderer Ausgleich zwischen Textura und Kurrentschrift zur Fraktur führt. Die Gesamtentwicklung der Fraktur bis zu dem Gebet- buch und dem Triumphwagen Kaiser Maximilians gedenke ich künftig noch genauer darzustellen 1°. Die Schilderung des Elefantenrüssels in den spät- mittelalterlichen Schriften Böhmens aber muB ich mit dem Hinweis schließen, daß auf böhmischem Boden sich schon früh der Elefantenrüssel auch mit einer Minuskelschrift von Frakturcharakter verbindet. Als Beispiel einer solchen Verbindung möge (Abbildung 16) eine von den zwei Seiten dienen, die sich in dem Gebetbuch Erzherzog Albrechts VI. durch ihre Schrift völlig aus dem übrigen herausheben; wir sehen hier den Ele- fantenrüssel in üppiger Entfaltung und zugleich immer wieder Fuggers »Rauten« (und in der letzten Zeile auch eine Textura). Für Böhmen gibt Beispiele aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Podlaha, Die Bibliothek des Metropolitankapitels, Fig. 68—14, 76, 78, 79 und Flajshans auf S. 205, eins

logue of illuminated manuscripts in the library ol C. W. Dyson Perrins *? und eins aus dem Jahre 1491 Fig.189 der Beschreibung des Raudnitzer Schlosses von Dvorak und Matéjka*!. Die gleiche Erscheinung zeigen die Urkunden; bei den Drucken vertreten sie namentlich das Neue Testament von Dlabat, das Passionale Bohemicum vor 1487, das Psalterium Bohemicum von 1487 sowie Kamp und Severyn. Ein wenig auch in den einzelnen Formen, stärker in der Gesamthaltung klingen an diesen Stil an die schon erwähnten Abbildungen auf S. 240 bei Flajs- hans (15. Jahrhundert) und Fig. 124, 125 und 111, 172 bei Podlaha, Die Bibliothek des Metropolitan: kapitels (Anfang des 16. Jahrhunderts). Die Ab- bildungen bei Flajshans auf S. 192 unten (stark verkleinert) und auf Tafel 12 (1541 bzw. 1572), bei Podlaha, Die Bibliothek des Metropolitan- kapitels, Fig. 285 und 287 (1552) und bei Podlaha, Topographie der historischen und Kunst-Denkmale im politischen Bezirke Pribram, Fig. 170—174 (um 1580) 2 führen dann die handschriftliche Entwick- lung bis in die Zeit fort, in der die Fraktur Núrn-

bergs auch im böhmischen Buchdruck heimisch

aus dem Jahre 1465 Abb. 126 des Descriptive Cata- wird. ANMERKUNGEN ı Wolfenbüttel (Braunschweig) 1918; 2. Aufl., neu bearb. von Ebd. Taf. 5.

Heinrich Schneider, Braunschweig 1925.

2 1. Aufl. S. 49; 2. Aufl. S. 50/51.

3 Mainz 1922 (Beilage zum 20. Jahresbericht der Gutenberg- Gesellschaft).

Meist BMNPRV WY; zuweilen auch А О Q X.

5 S. Crous-Kirchner, Die gotischen Schriftarten, Leipzig 1928, Abb.91,92,128; auch die kleinere Petrejus-Fraktur (Abb. 93, 94, 129) und die Marginalschrift der Neudörfer-Andreü- Fraktur (Abb. 96, 132) gehóren dazu.

с Ernst Crous, Die SchriftgieBereien in Berlin von Thurneysser bis Unger, Berlin 1928 (21. Berthold-Druck), S. 109 und Taf. 7.

18

S. z. B. die, Schriften Probe“ der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig von 1929, Band I, S. 19-23, 30-42, 54-63, und die „Proben von Schriften mit Anwendungen" der Gebr. Frets in Zürich (1928), S. 162-177. Siehe auch die Abbildungen bei Hans Loubier, Die neue deutsche Buchkunst, Stuttgart 1921 und Emil Wetzig, Ausgewählte Druckschriften, 2. Aufl. Leipzig (1925).

* Prag 1901.

10 Prag 1904 (Topographie der historischen und Kunst-Denk- male im Königreiche Böhmen, Prag: Hradschin IT. 2).

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ERNST CROUS ‘° DER ELEFANTENRÜSSEL IN DEN SPÄTMITTELALTERLICHEN SCHRIFTEN BÖHMENS

и Prag 1930 (Rozpravy „Československé Společnosti Kniho- vědné“ 1).

32 Prag 1901 (Topographie usw. 5).

13 Wegen Abbildungen aus den Wiegendrucken siehe meinen Aufsatz im Zentralblatt für Bibliothekswesen 45. 1928. S.7-11. Die dort erwähnten Funde Podlahas sind abgebildet in dessen Catalogus incunabulorum quae in Bibliotheca Capi- tuli Metropolitani Pragensis asservantur (Prag 1926), Tab. 10 und 2 (Kamp), 11 und 3 (Beneda); der von Podlaha gezeigte Almanach für 1489 ist ubrigens nicht Мг. 14 der „Prvotisky“ (Knihopis československých tisku 1, Prag 1925). Ein Fak- simile des Neuen Testamentes von 1475 und des Missale Pragense von 1479 enthalten der 8. und der 9. Band der Monu- menta Bohemiae typographica (Prag 1930 bzw. 1931), ein Faksimile des Äsopbruchstücks von Kamp die Sbírka pra- menuv ku poznání literárního života v Čechách, na Morave a v Slezsku, Abt. 1, Reihe 2, Nr. 3 (Prag 1901), S. 365-368. Das oben genannte Werk von Tobolka wiederholt die meisten Abbildungen der Prvotisky; seine Nr. 4-7, 30, 32 (Pilsen), 8, 13, 22, 27 (Prag), 17 (Winterberg) und 23,24 (Kuttenberg) entsprechen den Nummern 5b, 1b, la, 6, 8b, 8a 2, 11, 10, 9 12 (z. T.) und 3, 4 (z. T.) der Prvotisky; seine Nr. 9, 15 und 29 wiederholen 5.367 der Ásopwiedergabe, 5.1901 tt der Publications of the Type Facsimile Society und Taf. 3 des eben angeführten Inkunabelkatalogs der Metropolitan- kapitelbibliothek; weitere Abbildungen aus der Kronika Trojanská mit dem Datum 1468, aus den Statuta Synodalia, aus dem Missale Pragense und aus einem Druck des Beneda bringen die Nummern 2, 14, 16 und 28. Die Geschichte des Buchdrucks in Böhmen und Mähren bis 1848 von Josef Volf (Weimar 1928, tschechisch Prag 1926) hat Abb. 1 auch eine

Seite der Kronika Trojanská, die Flajšhans (Taf. 10) eben- falls wiedergibt, Abb. 2 das zugehörige Alphabet, Abb. 4 die Schlußseite der Kuttenberger Bibel (= Prvotisky Taf. 4); Flajshans bildet S. 97 einen Druck von Bakalář ab.

14 Man vergleiche auch den bemerkenswerten Faksimiledruck von 1918, über den sich Arthur Noväk im Gutenberg-Jahr- buch von 1930, S. 330/331, äußert.

15 Eine zweite Type ist Textura.

1 Außerdem eine Rotunda als Auszeichnungsschrift.

17 Für die Marginalien dient eine Schwabacher; die Titelein- fassung und die Texttype kehren in dem „Netz des Glau- bens“ von Chelcicky aus dem Jahre 1521 wieder; die Type steht der größeren Texttype der Venedi ger Bibel nahe.

1 Außerdem mit einer Textura als Auszeichnungsschrift und einer Schwabacher für die Zwischenbemerkungen.

19 Diese Entwicklung findet erst neuerdings stärkere Beachtung. Ich nenne den Aufsatz von Albert Giesecke in ,,Offset-, Buch- und Werbekunst“ (1924, S. 11 ff., 43 ff. und nament- lich S. 105 ff.), Hinweise von Hermann Delitsch (Geschichte der abendländischen Schreibschriftformen, Leipzig 1928) und von Alfred Hessel (Zentralblatt für Bibliothekswesen 45. 1928.5. 704). Die Marburger Dissertation von Hans Albrecht Genzsch (Untersuchungen zur Geschichte der Reichskanzlei und ihrer Schriftformen in der Zeit Albrechts II. und Fried- richs III.) behandelt insbesondere die Entwicklung derGroß- buchstabenformen in der Kansleischrift 1438 - 1493; bisher liegt nur ein Teildruck vor (Marburg 1930), die Veröffent- lichung der ganzen Arbeit ist beabsichtigt.

% Von George Warner, Oxford 1920.

3! Prag 1910 (Topographie usw. 27).

33 Prag 1902 (Topographie usw. 13).

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Abbildungen zum Aufsatz:

Crous, Elefantenrüssel

Für Vorlagen und Auskünfte ist der Verfasser den Verwaltungen

der Staatsbibliothek in Berlin, des Nationalmuscumsardhivs und

der Universitätsbibliothek in Prag. der Klosterbibliothek Strahov,

des Kunstinuseums und der Nationalbibliothek in Wien zu lebhaftem Danke verpflichtet.

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er onfumdanmrommeegquroften Dunt feUUE UG mala. CON UHM (uu nonmmpormiaa Di. df obur conum conterutut.erſaauit quionia tu es deus ſoliic et gioꝛioſuẽ fuper 016 cau du Dim ſias ple ſumentrs de ſe. et X fua virtnte mie Dames et de nanu anguſtic. fi: memronfhöntre Gen ſchoon ghebet oue: alle / weldoerdeze Zielen. onnne iheſu vpe шах vac me разец psc ammabus fadum ® И qua maicſtatem tuam pio me eroꝛauerunt equa je piece mica coma dauerunt et queꝛum elanoſmas vert «t po

1. Das ,ültere" Gebetbud Kaiser Maximilians, um 1490. (Wien NB, Cod. 1907, Bl. 40 a, unterer Teil.)

quum nibil magis, quem creaverat, bomini conve niens, nihil, quod excellentiori eum laetitia delecta⸗ ret illum pariter et moneret, effe aptius, quam poe⸗

fin, fapientiffane videret: faepius banc d vatibus inſpiravit, quibus arduum ac ſublime nego⸗ tium dederat, ut, remoto velo, ſe atque adoranda

2. C. Е. Cramer: Klopstock, er und über ihn, T. 1. Hamburg 1780. (S. 101, oberer Teil.)

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3. Biblia latina, per manus Petriconis, 1440. (Strahov, Weyraudı 2, ВІ. 245b, Ausschnitt, verkleinert.)

4. Urkunde des Kunz Mostl aus Nürnberg. Prag, den 23. Januar 1410. (Prag NM, Ausschnitt.)

| 5. Urkunde der Elisabeth Kukla vom 20. Dezember 1420. (Prag NM, Ausschnitt.)

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6. Urkunde der Dorothea Gesskowa vom 12. Mai 1425. (Prag NM, Ausschnitt.)

N.B. Das im Text beschriebene К in Zeile 15 fehlt in diesem Ausschnitt.

7. Urkunde Wladislaws II. vom 17. August 1472. (Prag NM, Ausschnitt.)

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8. Statuta synodalia Arnesti, (Pilsen) 1476. (BL la, oberer Teil.)

vm, EI,

0. Geschichte Karls IV tschedh., 1

(Wien KM, Cod. 4982 = XX. a. 24,

472. Bl. 8 b.)

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10. Urkunde Wladislaws IL vom S. Mai 1497. (Prag NM, Aus schnitt.)

N.B. Das im Text genannte Majuskel-W fehlt in diesem Ausschnitt.

11. Medizinischer Sammelband um 1500. (Prag UB, Truhlář 140, Bl. 204a, unterer Teil, verkleinert.)

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13. Pontanus, De fortitudine, tschech., um 1511. (Prag UB, Truhlář 210, Bl. 40 b., oberer T eil.)

14. Urkunde des Bussek von Aujezd aus Taus vom 21. Dezember 1524. (Prag NM, Ausschnitt.)

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15. Luther, Erklärung der 10 Gebote, tschech., Prag 1520.

(Gezählte S. 1, oberer Teil.)

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16. Gebetbuch Erzherzog Albredits VI., um 1460. (Wien NB, Cod. 1846, Bl. 31 a.)

DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

VON KARL SCHOTTENLOHER-MÜNCHEN

Ein ungeübtes Auge kommt leicht in Verlegenheit, wenn es etwa ein geschriebenes Missale des 15. Jahr- hunderts neben einem gedruckten Meßbuchder Früh- druckszeit aufgeschlagen sieht und nun entscheiden soll, was gedruckt und was geschrieben ist. So enge, ja man möchte sagen, so sklavisch lehnte sich der früheste Buchdruck an die handschriftlichen Vor- lagen an. Kein Wunder, daß Fälscher gelegentlich versuchten, alte Druckwerke als Handschriften an den Mann zu bringen!, oder daß man da und dort glaubte, die ersten Drucker selbst hätten mit ihren Vervielfältigungen Handschriften vortäuschen wol- len?. Nichts lag dem Erfinder ferner als ein solcher Betrug gegenüber seiner Zeit; dafür bürgt jenes be- rühmte Schlußwort im Catholicon-Druckwerk des Jahres 1460, worin Gott dem Allmächtigen, der die

Zungen der Unmündigen beredt werden lasse und

den Kleinen offenbare, was er den Weisen verhehle, demütiger Dank für die neue Erfindung gesagt ist. Was den Erfinder bei allen seinen Vorbereitungen beseelte, war der Versuch der möglichst getreuen mechanischen Wiedergabe und Vervielfältigung der bisherigen handschriftlichen Buchstabengestaltung. Da war vor allem die Schriftfrage zu lösen. Die neue Kunst ging vom Schnitt und GuB der Buchstaben

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aus, einer Schriftbezwingung also, die noch keine Gesetze und Überlieferungen kannte, sie mußte ver- suchen, die gleiche Schónheit wie die damals hoch- entwickelte Schreibkunst zu erreichen, wenn nicht zu übertreffen, sie bezwang diese Aufgabe, indem sie die handschriftliche Vorlage bis ins einzelnste hinein getreu wiedergab, nur daB die Buchstaben jetzt nicht mehr von der Feder, sondern von dem gegossenen Satz auf das Papier geschrieben wurden. Vor allem galt es zwei Typenformen zu gewinnen, eine zum festlichen Buch, die andre zum tüglichen Gebrauch. Die Lósung gelang in vollkommenster Weise: die Bibel- und die Psaltertype dort, die Durandus- und die Catholicontype hier bedeuten die unübertreffliche Nachbildung der damals gelüufig- sten Handschriftenzüge. Und dann die fast unüber- sehbare Fülle verschiedenster Typenformen der fol- genden Zeit. Jede Landschaft, jede Stadt, jede Werk- stätte erhielt ihre eigenen Formen, ihren festgefügten Schriftaufbau. Es ist, als ob alle die verschiedenen Schriftzüge der Menschenhände plötzlich in eherne Gestalt verwandelt worden wären. Aber nicht bloß Buchstabe und Schrift des Frühdruckes sind den handschriftlichen Vorlagen nachgebildet, auch die übrige Gestalt des Buches richtet sich nach dem ge-

SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

läufigen Vorbilde; Buchstabenverbindungen, Ab- kürzungen, geschlossener Satz, Art des Beginns und Schlusses des Textes, all dies ist aus der Handschrift übernommen und führt die alte Überlieferung ge- treulich fort. Was aber dem Wiegendruck sein be- sondres handschriftliches Gepräge verleiht und ihn beinahe mehr der mittelalterlichen Handschrift als unserm heutigen Buche zuweist, ist seine Aus- schmückung mit nachträglichen Zutaten, mit far- bigen Strichen, Initialen, Ranken, Miniaturen oder bemalten Holzschnitten. Dieser bisher noch wenig beachteten? Seite der Frühdrucksgestaltung, einer echten Übergangserscheinung der Entwicklung von der Handschrift zum gedruckten Buche, sollen die folgenden Betrachtungen gelten.

Wenn der mittelalterliche Schreiber seinen Text mühsam mit Kiel und Tinte zu Pergament oder Pa- pier gebracht hatte, galt es noch, der fertigen Hand- schrift Farbenschinuck zu geben, der dem Buche nicht bloß größere Übersichtlichkeit, sondern auch einen wärmeren Ton verleihen sollte. Alles, was be- sonders hervorzuheben war, wie etwa Kapitelüber- schriften, Text- oder Satzanfánge, Inhaltseinschnitte, Blattzahlen, oder was man schmückend einstreuen wollte, verzierte Buchstaben oder erläuternde Bil- der, stattete man mit leuchtender Farbe aus, die das Auge fesseln und den Sinnen schmeicheln sollte. Der gebräuchlichste Farbenton war das Rot, das in kei- ner Schreibstube fehlte und der ganzen Buchaus- schmückung des Mittelalters den Namen gab. Von den lateinischen Bezeichnungen »rubrum« und »mi- nium« für Rot leiteten die »Rubriken«, das »Rubri- zieren«, die »Rubrikatoren<, die »Miniaturen« und die »Miniaturisten« ihren Namen ab*. Der Rubrika- tor hatte die Aufgabe, alle wichtigsten Stellen des Textes mit farbigen Strichen, Überschriften und

sonstigen Merkzeichen zu versehen; ferner fiel ihm

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meist auch das »Korporieren«, das heißt das Ein- malen farbiger Auszeichnungsbuchstaben (corpora) zu, die zumeist die Textanfänge oder bestimmte Einschnitte schmücken sollten und von dieser ihrer Stellung am Anfange (initium) Initialen hießen. Nach Neigung und Fertigkeit kleidete der Künstler diese Buchstaben häufig in ein besonders buntes Gewand, ließ aus ihnen allerlei Rankenzierat hervor- sprieBen und manchmal dem Text entlang fortlau- fen, bis solches Spiel zuweilen das ganze Schriftbild einer Seite umzog. Dieses Verzieren mit farbigem Ranken- und Leistenschmuck nannte man »Florie- ren«5, mit Blumen und Blüten bestreuen ; es war eine Kunstweise, die ihren Ursprung dem Schnörkelspiel der Feder verdankt und in ihrer weiteren Entwick- lung zum Schriftrahmen und zur Titeleinfassung ge- führt hat. Die schwierigste Aufgabe des Buchmalers war endlich, die Handschrift mit erläuternden oder schmückenden Bildern auszustatten, wie sie ihm etwa die Überlieferung, ein fremder Auftrag oder sein eigenes Kunstempfinden eingab. Das Mittel- alter hatte dafür das Kunstwort silluminare«, das wörtlich soviel heißt als etwas mit Leuchtendem versehen und die Leuchtkraft der alten Farben auf schimmerndem Pergament gut ausdrückt‘. Der Reichtum all dieser schmückenden Zutaten steigerte sich ins Unübersehbare, als die Renaissance auch

noch die unerschöpfliche Fülle der antiken Formen

und Weisen hinzugab.

Was im Mittelalter der Schreiber geleistet hatte, die Herstellung des Textes, bewältigte die wunder- bare Erfindung der Buchdruckerkunst in staunens- werter Gestaltung, nicht aber so leicht, was der Buchmaler gestaltet hatte. In der Wiedergabe der Farbe sah der Buchdruck eine unúbersteigliche Schranke vor sich. Da lagen zwei Wege offen: ent ·

weder der entschlossene Verzicht auf die Farbe oder

——

——

SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

wie ehedem die nachträgliche farbige Ausstattung mit Federkiel und Pinsel. Wir wissen, daß die älte- sten Buchdrucker den zweiten Weg gegangen sind. Wieder war es das befehlende Vorbild der Hand- schrift, das ihnen Gesetz und Regel vorschrieb. Die Farbe, die war der köstlichste Schmuck des mittel- alterlichen Buches, ein Schmuck, den das daran ge- wöhnte Auge der Zeitgenossen nie und nimmer mis- sen mochte. Um den Wettbewerb mit dem geschrie- benen Buche bestehen zu können, mußten die Drucker auch ihre Druckwerke mit Farbe schmücken. Und wenn sie sich damit behalfen, daß sie die gedruckten Texte stets der nachträglichen handschriftlichen Überstreuung mit farbigen Zutaten überließen, so taten sie nur, was vorher auch bei den Handschriften üblich gewesen war. Es gab eigens dafür geschulte Kräfte, die Briefmaler, es gab ebenso in den Klöstern genug kunstfertige Hände, die, wie früher die Hand- schriften, nun die Druckwerke mit dem gewohnten Beiwerk und Schmuck versahen. So vollzog sich ein ganz natürlicher Übergang vom handschriftlichen zum gedruckten Buche: die Schrift vom Drucker bewältigt, das Rot- und Schmuckwerk wie früher nachträglich von ergänzender Hand hinzugefügt. Vor allem wurde der wichtigste Bestandteil der Auszeichnungszutaten in der Handschrift des Mittel- alters, die Rubrizierung, von den Buchdruckern voll und ganz übernommen. Diese seit Jahrhunderten gepflegte Einstreuung von farbigen, meist roten Merkzeichen und Überschriften diente vor allem der Hervorhebung bestimmter Worte und Stellen im Texte, bezweckte also im wesentlichen die äußere Gliederung des Buches, wie wir sie heute mit Über- schriften, Einschnitten, Sperrdruck und andern Hilfsmitteln durchgeführt sehen. Daß der mittel- alterliche Buchschreiber seinen Text zu geschlosse-

nen Satzbildern zusammenfügte, hatte seinen Grund

einmal in der Kostspieligkeit des Schreibstoffes, dann aber auch in dem Schönheitssinn, der sich nur in einer geometrisch gerichteten, fest ineinander- gefügten Schriftfläche befriedigt fühlte. Der Buch- druck, der beide Überlieferungen, den geschlossenen Satzblock sowohl als auch dessen farbige Gliederung getreulich übernahm, hatte in dem Rotdruck die Möglichkeit, die farbige Rubrizierung auf dem me- chanischen Vervielfältigungswege durchzuführen. In einzelnen Abzügen der 42zeiligen Bibel sehen wir in der Tat diesen Weg bereits beschritten, indem hier fünf rotgedruckte Überschriften eingefügt sind. Für die übrigen Lagen und für die ganze Hauptauflage des Buches aber sind die Stellen für die Überschrif- ten frei gelassen und handschriftlich nachgetragen. Wir haben also einen sehr bemerkenswerten Versuch des frühesten Buchdruckes vor uns, der Rubrizie-

rung Herr zu werden. Diesen äußerst schwierigen,

nach einem kleinen Anlaufe in dieser Form während

des Druckes wieder aufgegebenen Versuch sehen wir sodann fortgesetzt in den ebenso beachtenswerten gedruckten Rubrikentafeln, die sowohl für die 42- als auch 36zeilige Bibel erschienen sind und für den Rubrikator den Text der Überschriften gaben, die an den leergelassenen Stellen einzusetzen waren. Nach der handschriftlichen Übertragung dieser Vor- drucke in die einzelnen Teile hatten die Anweisungen ihren Zweck erfüllt und waren nunmehr überflüssig’. Dieses Tasten der ersten Buchdrucker in der schwie- rigen Rubrizierungs- Bezwingung ist ein sprechen- des Zeugnis für die Macht der handschriftlichen Buchherstellung und ihrer festen Überlieferungen. Ähnlich wie die erste Mainzer Bibel ist auch die Catholicon-Ausgabe nur in einzelnen Abzügen und auch da nur in der Überschrift der ersten Seite mit

Rotdruck ausgezeichnet, sonst in unsüglich müh-

samer Arbeit handschriftlich ausgefertigt?, während

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SCHOTTENLOHER: DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

sich im Psalterium vom Jahre 1457, im Canon missae von 1458, ebenso in den beiden ratselhaften altesten Missalien der Rotdruck ausgiebig angewandt fin- det®. In den gottesdienstlichen Büchern hat er sich dann auch am längsten behauptet. Im allgemeinen aber erfolgte in den ersten Jahrzehnten des Früh- druckes die Rubrizierung auf handschriftlichem Wege in unendlich zeitraubender Arbeit. Besonders schwierig gestaltete sich die Einfügung der farbigen Überschriften bei den juristischen Werken, wo häu- fig Text und Kommentar eine doppelte Rubrizie- rung erforderten. Wer da nicht sicher in den Texten war, stand den gehäuften Lücken ratlos gegenüber. Alle diese Schwierigkeiten zwangen die Drucker im- mer wieder, auf Mittel und Wege zu sinnen, die handschriftliche Rubrizierung zu überwinden und wenigstens eine bessere Handhabung des Rotdruckes auszubilden, bis der Anspruch der Zeitgenossen auf farbige Ausstattung des Buches verschwand und durch andre Maßnahmen für bessere Übersichtlich- keit, so durch Auszeichnungstypen und zweck- mäßige Gliederung des Satzes, ersetzt wurde.

Mit dem Rubrizieren verband sich aufs engste das Korporieren, das Einstreuen farbiger Auszeichnungs- buchstaben vor den Anfängen der Texte und Ab- schnitte, eine Tätigkeit, die dem Spiel der künstle- rischen Einbildung und Handfertigkeit unbegrenzte Möglichkeiten gab. Auch diese Ausschmückung über- ließ der Drucker der ergänzenden Hand, indem er freien Platz für die nachträgliche Einmalung der Initialen ließ. Gerade die Überstreuung der Wiegen- drucke mit bunten und goldstrotzenden Initialen verleiht dem gedruckten Buche des 15. Jahrhunderts ganz besonders das farbige Bild, das uns die Hand- schrift darbietet. (Abb. 1-13). An Versuchen, die umständliche handschriftliche Zurichtung durch un-

mittelbare Vervielfältigung zu umgehen, hat es wie-

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derum nicht gefehlt. Wieder war es die große Mainzer Kunst, die in dem berühmten Psalterium des Jahres 1457,sowieim Canon missae von 145810 den schwie- rigen Farbendruck bezwang und herrliche doppel- farbige Initialendrucke schuf. In der Schlußschrift des Psalteriums ist der wundervollen Ausstattung mit berechtigtem Stolze gedacht!!. Das großartige Unternehmen blieb freilich zunächst ohne Nach- wirkung. auch in Mainz kam es zu keiner Neu- schöpfung mehr. Zwar sind schon die Ablaßbriefe des Jahres 1455 mit schwarzen Initialen, wohl vom Metall, gedruckt, eine Erscheinung, die wieder das Tasten und Suchen der ersten Drucker nach gang baren Wegen bekundet, aber es wurde und blieb für lange Zeit doch Regel, daß der Drucker für den Initialenschmuck leere Stellen einfügte, manchmal auch kleine Buchstaben einschreiben!? oder vor. drucken!? lief, die die Arbeit der nachhelfenden Hand erleichtern sollte. Besonders findige Schreiberwerk- stütten halfen sich mit Schablonenbuchstaben, deren Formen an der Gleichmäßigkeit und dem faserigen Aussehen der Umrisse zu erkennen sind. Welche Be- deutung die Drucker der Einhaltung der überliefer- ten Regeln beimafen, zeigt die Voranzeige Peter Schöffers zu seinem »Decretum Gratiani« des Jahres 1472, wo als besonderer Vorzug der Ausgabe hervor- gehoben wird, daß sie breite Zwischenflächen für die handschriftlich einzufügenden Initialen und Über- schriften aufweisen werde!4. Es gab oft Hunderte solcher Initialen einzumalen!5.

Daß diese Übung keine endgültige Lösung веш konnte, mußte den Druckern immer mehr zum Be: wußtsein kommen. In dem Maße als sich der Holz schnitt zu vollkommener Bezwingung aller zeichne- rischen Vorlagen entwickelte, wurde er auch für die Vervielfältigung der schmückenden GroBbuchstaben

reif und bildete sich gerade hier zu einem besonders

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SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

reich und liebevoll gepflegten Kunstgattung aus. Zur raschen Einbürgerung der gedruckten Initialen trugen vor allem die Augsburger Druckwerke bei, in denen schon seit dem Jahre 1472 die vervielfäl- tigten Zierbuchstaben das Übergewicht erhielten. Berühmt sind dann besonders die schönen rot- gedruckten Bilderinitialen des Nürnberger Meisters Johann Sensenschmid, noch bedeutsamer die herr- lichen Buchstaben Erhart Ratdolts in Venedig ge- worden, die dem unerschöpflichen Reichtum der Renaissanceformen den Weg gebahnt haben. Frei- lich warteten zunächst auch die frühesten Holz- schnittinitialen noch häufig auf nachträgliche Aus- füllung der Innenkörper mit Farbe, doch wurde diese Übergangsstufe nach und nach durch die steigende Vervollkommnung des Holzschnittes überwunden, der mit seinen hervorragenden Leistungen das Auge sich immer mehr an die sinngemäße Verbindung von Initiale und Type gewöhnen ließ, wozu vor allem die bedeutsamen Schöpfungen Venedigs und Basels beigetragen haben. Wer mit besonderer Liebe an der Farbe hing, konnte die gedruckte Initiale immerhin mit leuchtenden Tönen úbermalen!'.

Hatte der Rubrikator seine oft recht mühsame Arbeit vollendet, so drückte er häufig seine Freude darüber in frohen Schlußworten, frommen Sprüchen oder Gebetsmahnungen aus, genau so, wie der mittel- alterliche Handschriftenschreiber getan hatte". Nicht selten schrieb er das Jahr der Vollendung, manchmal auch seinen Namen darunter. Solche Un- terschriften begrüßen wir als wertvolle Zeugnisse der Buchgeschichte; in den beigefügten Jahreszahlen zumal gewinnen wir wichtige Zeitangaben für undatierte Druckwerke. Aus solcher Quelle wissen wir z. B., daß die 42zeilige Mainzer Bibel vor dem 15. August 1456 fertig gewesen ist; an diesem Tage

hat der Mainzer Stiftsvikar Heinrich Cremer einen

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heute in Paris liegenden Abzug rubriziert und ge- brauchsfertig hergerichtet!®. Andre Unterschriften unterrichten uns über die früheste Tätigkeit der Straßburger Drucker Johann Mentelin und Hein- rich Eggestein!?, gewähren Anhaltspunkte für die Reihenfolge undatierter Ausgaben oder bringen An- gaben über Büchererwerbungen und Bücherpreise. Alle diese handschriftlichen Einträge der Rubrika- toren verdienen als bedeutsame buchgeschichtliche Zeugnisse mehr als bisher beachtet zu werden.

Über die Tätigkeit der Rubrikatoren selbst ver- mögen am anschaulichsten jene Einträge zu unter- richten, die durch ihre Redseligkeit bekunden, welche Bedeutung dieser nachträglichen Zurichtung der Druckwerke beigemessen wurde. Folgende Beispiele aus den reichen Schätzen der Bayrischen Staats- bibliothek mögen dies dartun:

1. Ambrosius de Spira, Quadragesimale de floribus sapientiae. Venedig, Bonetus Locatellus. 1488 (Hain 922): Hunc librum rubricavit Caspar Amman de Ке]- heim ad peticionem venerabilis viri domini Georgii Satlmair vicarii in Schirling. Actum ab incarnatione domini 1496, 13. Novembris in domo doctoris Reys- singer (4 Inc. c. a. 605d).

2. Henricus Ariminensis, De quatuor virtutibus cardinalibus. o. O. u. J. (Hain 1649): Liber iste al- tinet Georgio Sparsguet canonico Matigkofen 1472 Lamperti festo rubricatus (2 Inc. s. a. 93).

3. Astesanus, Summa de casibus conscientiae. 0.0. u. J. (Hain 1889): Anno domini 1473 est haec Sum- ma Astensis per Ulricum Sattner presbyterum re- gistrata et rubricata. Sit laus deo (2 Inc. s. a. 103c).

4. Guido de Baysio, Rosarium decretorum.o.O.u. J. (Hain 2713): Explicit rosarium rubricatum per me fratrem Petrum Kurtz anno domini 1475 marci pa- pae, laus deo (Inc. s. 174c).

SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

5. Biblia. Nürnberg, Koberger 1475 (Hain 3056): Illuminatus est praesens liber per me Johannem Weren de Duderstad sub anno domini 1477 (2 Inc. c. a. 343a).

6. Cassiodorus, Historia tripartita ecclesiastica. Augsburg, Schüssler 1472 (Hain 4573): Rubricatus per Johannem de monaco decanum Rorensem in vigilia s. Georii anno domini 1472 (2 Inc. c. a. 108b).

7. Petrus Comestor, Historia scholastica. o. O. u. J. (Hain 5529): Hic liber scolastice historie comparatus per dominum Andream Englhart plebanum et de- canum in Harpenning sub anno incarnationis domi- nicae 1492 manu propria per rubricam illuminatus ac virgulatus astetiam corporatus (2. Inc. s. a. 326).

8. Petrus Lombardus, Glossa in epistolas Pauli. o. O. u. J. (Hain 10204): Rubricata per discretum virum dominum Johannem Toschen de Pettenis tunc temporis vicarium in Mittenwald anno 1474 in octava navitatis beatae Mariae virginis gloriosae (2 Inc. s. a. 797).

9. Petrus Lombardus, Glossa in epistolas Pauli. o. O. u. J. (Hain 10204) : Georgius Sparsgut de Scher- ding emit et rubricavit has epistolas in profesto nativitatis Mariae 1473 canonicus et custos ecclesiae collegiatae beatae Mariae Matingkofen, orate pro eo (2 Inc. в. a. 796m).

10. Rainerius de Pisis, Pantheologia. Nürnberg, Koberger 1477 (Hain 13018): Rubricatum autem hoc opus per me fratrem Michaelem Durach, ordinis praedicatorum conventus Nurmbergensis sub anno dominicae incarnationis 1480, qui et tunc sororum in Medingen confessor fui (2 Inc. c. a. 6250, 2).

Gelegentlich finden sich auch Anweisungseinträge für den Rubrikator. So heißt es in dem Münchener Abzug des von Hermann Lichtenstein zu Venedig im Jahre 1483 gedruckten Werkes Articella (Hain 1869): »Plaw und rott corpora und paragravds rot«.

Die Rubrizierung des Bandes ist in der Tat nad dieser Anweisung ausgeführt worden?,

Auch das Florieren, die Ausschmückung der Bücher mit farbigen Ranken, Leisten und Umrah- mungen, war zu einem so festen Bestandteil des mittelalterlichen Buches geworden, daß der Buch, drucker veranlaßt wurde, seine Erzeugnisse eben- falls auf solche Art auszustatten. Er mußte diese Verzierung wieder andern kunstfertigen Händen überlassen. Die Buchmaler nahmen nun die ganz Fülle der gebräuchlichen mit Goldpunkten über- säten Ranken oder der Band- und Arabeskenver- zierungen der Handschriftenzeit in die Druckwerke auf, die breiten Ränder der ersten Seite oder bevor- zugte Abschnitte des Textes mit bunten Farben zierend®!. (Abb. 1-12.) Auch hier war es wieder der Holzschnitt,derallmählich die handschriftliche Leiste und Ranke mit seiner Vervielfältigungskunst aus dem Felde schlug. Eine merkwürdige Mischform von ge- druckter und gemalter Florierung begegnet uns in mehreren Druckwerken venetianischer Werkstätten, ein beachtenswerter Tastversuch und Übergang von der handschriftlichen zur vollständig vervielfältigten Herstellung des Buches. Wie bei der frühesten Holr schnittinitiale ist hier nur der Umriß der Leiste leicht vorgedruckt, dann mit der Hand übermalt. Die Grundlinien sind so fein ausgeführt, daß man sie nur bei scharfem Zusehen als Holzschnittarbeit erkennt. Da einige dieser Leisten in Werken ver schiedener Druckereien auftauchen und anderseits Abzüge von gleichen Drucken verschiedene Rahmen führen, so stammen wohl alle diese Leisten aus eine! Briefmalerwerkstätte Venedigs, die sich die berufs- mäßige Ausschmückung von Druckwerken vr gedruckt und damit erleichtert hat. Es sind bisher 35 Druckdenkmäler mit solchen übermalten Umri- rahmen in Holzschnitt bekannt geworden, sie stam-

SCHOTTENLOHER: DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

men aus den Jahren 1469 bis 1474 und gehören über- wiegend den venetianischen Werkstätten Wendelins von Speier und Nikolaus Jensons an. Die Leisten enthalten regelmäßig zusammengesetzte Bandver- schlingungen und sind beliebig zusammengesetzt. Die breite Fußleiste gibt dabei einen mit Putten und Tieren geschmückten Wappenrahmen ab??. (Abb. 2, 4,5.) Von hier an ging die Entwicklung rasch den ihr einmal vorgezeichneten Weg, indem der Holz- schnitt mehr und mehr die Ausschmückung der Druckwerke mit Ranken und Leisten übernahm. Wieder ist da der erfolgreiche Meister Erhard Rat- dolt zu nennen, der als einer der ersten Drucker die Leistenvervielfältigung kühn angepackt und mit seinen prachtvollen Renaissance - Umrahmungen glänzend durchgeführt hat.

Außer den farbigen Merkzeichen, Initialen und Ranken hatten die Buchdrucker noch den eigent- lichen Bilderschmuck der handschriftlichen Vor- lagen, die Miniaturen, zu beachten. Die Aufnahme in die Druckwerke schien überall da geboten, wo die Buchmalerei des Mittelalters fest umschriebene Vor- bilder und Gruppen geprägt hatte, die als zwingende Überlieferungen nicht übergangen werden durften. Da der Frühdruck für solche Darstellungen noch keine Möglichkeit der Vervielfältigung besaß, half er sich wie bei allen für notwendig erachteten Far- benzutaten damit, daß er diese Ausschmückung der freien Hand übertrug und die Stellen dafür un- bedruckt ließ. Die so gestalteten Druckwerke sind zusammen mit den späteren Holzschnittbüchern besonders beachtenswert, weil sie die Kenntnis der festen Bildergruppen des ausgehenden Mittelalters bedeutsam fördern können. Von den Miniaturen und Federzeichnungen der Handschriften und Druck- werke führt ein unmittelbarer Weg zu den Holz-

schnittbüchern des ausgehenden 15. Jahrhunderts.

Diesen Überlieferungsreihen nachzugehen, wäre eine lohnende kunstgeschichtliche Aufgabe, die freilich eine umfassende Beherrschung der weitverstreuten Bilder in den Handschriften und Druckwerken zur Voraussetzung haben müßte. Besonders wichtig wären jene Druckwerke, in denen für nachträgliche Einmalung Flächen freigelassen sinds“. In allen die- sen Fällen müssen den Druckern Handschriften mit Miniaturen vorgelegen haben, die zur Einhaltung der Überlieferung zwangen. In den bisherigen Buch- beschreibungen ist diese Seite der Wiegendrucke noch kaum beachtet worden. In manchen Abzügen starren uns noch heute die unausgefüllten weißen Flächen entgegen, in andern sind sie mit guten oder schlechten Bildern übermalt. Vor allem begegnet uns diese Ausstattung in den Rechtsbüchern und deren Erläuterungen der Frühdruckszeit. Da kehren am häufigsten die eingemalten Bildnisse der Ver- fasser, also der Pápste Clemens V., Gregor IX., Boni- facius VITI. und des Kaisers Justinian wieder (Abb.7), da erweitern sich die kleinen Bildchen zu figurenrei- chen Gruppenbildern, da begleiten in den Dekretalen Gregors IX. bunte Erláuterungen die einzelnen Ab- schnitte :eine Richtersitzung (de iudiciis),ein Predigt- bild (de vita et honestate clericorum), eine Trauung (de sponsalibus et matrimoniis), die Vorfúhrung eines Angeklagten (de accusationibus et inquisitio- nibus), da ist in den Erláuterungen zu den Rechts- büchern die sinngemäße Abbildung des Rechtsleh- rers eingestreut, der seinen Hörern die Auslegung gibt?5, da sehen wir in der berühmten Sammlung von Kirchenrechtsquellen häufig den Verfasser Gra- tianus abgebildet, wie er dem Papst Eugen III. sein Buch überreicht?®, da sind endlich in den Rechts- büchern Papst Clemens V., Gregor IX., Bonifa- cius VIII.2” oder Kaiser Justinian dargestellt, wie

sie in feierlicher Versammlung ihre Gesetze der Of-

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SCHOTTJENLOHER: DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

fentlichkeit übergeben?8. Ein betrüchtlicher Reich- tum solcher bald prächtiger, bald einfach gestalteter oder unbeholfener Bilder ruht in den uns erhaltenen Abzügen der juristischen Frühdrucke versteckt und harrt noch der verdienten Beachtung?? (Abb. 6—11).

Auch hier kam allmählich der Holzschnitt, ge- legentlich auch der Kupferstich3%, dem Drucker zu Hilfe. Der erste Meister, der den bedeutsamen Schritt zur Bildervervielfältigung gab, war Albrecht Pfister in Bamberg, der seit dem Jahre 1461 mehrere seiner Druckwerke, darunter Ulrich Boners umfangreiche Fabelsammlung, mit Holzschnitten ausgeschmückt hat. Die Bilder darin sind im einfachen Briefmaler- stil leichter Umrisse gehalten, gleich der spätmittel- alterlichen Federzeichnung für nachträgliche Aus- malung bestimmt.

Erst nach der farbigen Ausfüllung des Umrisses ward der Holzschnitt zum Bilde, wie es in der Hand- schrift vorlag. So blieb also auch hier dem Buch- maler noch eine bedeutsame Aufgabe, solange, bis es der Holzschnitt zu eigener künstlerischer Wirkung brachte. Bis dahin war es Regel, daß die gedruckten Umrisse nachträglich bemalt wurden. Bunt genug ging es bei dieser Ausschmückung zu. Man über- strich die Bilder, wie die Kinder ihre Fibel zu be- malen pflegen oder wie die farbenbunten Bilder- bögen des Jahrmarkts ausgestattet sind. »Wenn man die ehgenannten Tiere will mit Farben ausstreichen, so soll die Kuh rot gefärbt werden«, so befiehlt eine irrtümlich?! mitabgedruckte Buchmaleranweisung im berühmten Nürnberger »Schatzbehalter« des Jahres 149].

Es kam eben hier nicht auf getreue Wirklichkeits- wiedergabe, sondern auf stärkste farbige Ausdrucks- kraft an. Manchmal begegnet man freilich auch recht sorgfältiger Ausmalungsweise, einer Kunst, die vor

allem in Frankreich eifrigst gepflegt wurde und be-

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sonders in den beliebten Stundenbüchern (Livres d’heures) außerordentlich prunkvolle Wirkungen er- zielte?2. In Paris pflegte hauptsächlich der Buch- drucker Antoine Vérard prunkvolle Abzüge herm- stellen, in denen die Holzschnitte mit leuchtenden Farben, die Initialen mit bunten Ranken aller Art geschmückt sind. Pergamentdrucke in dieser Aus- stattung unterschieden sich nur wenig von Prunk- handschriften jener Zeit. Das war das Zugeständnis des Druckers an den Geschmack des anspruchsvollen Bücherfreundes, der neben seinen farbenprächtigen Handschriften keine nüchternen Druckwerke sehen wollte®3, Auch die italienische Buchmalerei betätigte sich häufig in prachtvoller Ausschmückung gedruck- ter Werke. Eines der schönsten dieser Denkmäler, ein Widmungsstück für Lodovico Sforza und Bea- trice von Mailand, gilt von Ambrogio de Predis, einem Schüler Lionardos da Vinci, gemalt“.

Wir Menschen von heute, die wir keinen Sinn für die Farbe im Buche mehr haben, möchten den Holz- schnitt der Frühdruckszeit gerne unbemalt sehen, weil wir vom kunstgeschichtlichen Standpunkte aus die Entwicklung des Holzschnittes vom einfachen Umriß bis zur vollen Tonwirkung ungetrübt ge nieBen wollen. In den Tagen des Frühdruckes war die Freude an der Farbe noch viel zu groß, als daß die einfachen Linien der Zeichnung oder des Holz- schnittes Eindruck erweckt hätten. Für gewollt Prunkbücher hat sich die Bemalung bis tief in das 16. Jahrhundert erhalten. So gab der Nürnberger Losunger AntonTucherim Jahre 1518 für ein gedruck- tes Gebetbüchlein, eines der beliebten »Seelengárt- lein (, dem Buchhändler Johann Koburger 84 Pfen- nige, dem Illuministen Hans Guldenmund, »die Fi guren auszustreichen auch die Gewachs* herumb in allen Blattern vier Gulden. Für ein »Seelengárt*

lein« auf Pergament erhielt Hans Koburger zwei

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munuſcula perferẽs. detulit

H fimul т ſuauiſimas litteras: Que a рипарю

amicitiarum fidem probate iam fidei. et ue

А teris amicitie noua preferebant. Сега enim

la neceffitudo eft. 7 chriſti glutino copulata: quam non utilitas rei familiaris, non preſen na tantum coꝛpoꝛum: non ſubdola 7 palpans adulatio : fed dei timor 1 diuinaruʒ ſcripturaꝝ ftudia conaliant . Legimus in ueteribus bifto nis: quofdam luſtraſſe prouincias. nouos adi iffe populos .maria tranſiſſe. ut cos quos ex li bus nouerunt: созӣ quoqs uideret. Sic pytha goras memplnticos uates. fic plato egiptum т architam tarentinum: сатар oram ptalie que quondá magna grecia dicebat . labouoſiſſune

peragrauit: ut q athenis magiſter erat т potés

de ultimis Браше galliarũq; ſinibus quoldá | ueniſſe nobiles legimus. т quos ad contempla `

cuiuſq; doctrinas achademie gymnaſia pfona bant. fieret peregrinus arg; diſcipulus: males aliena uerecũde diſcere. q; fua impudenter ige rere. Deniq; ai Гав Gh toto orbe fugientes p fegtur .captus a piratis т uenundarus гузапо cudcliſſimo paruit. duct? captiuus uinctus т ſeruus. t да phloſophus. maior eméte fe fuit Ad titum liuium lacteo doquéne fore manãtẽ

nonem fut Roma non trarerat. unius homis

fama perduxit, abu Ша etae inauditũ om

| nibus feculis celebrandũqʒ miraculú. ut urbé

tantam ingreſſi: aliud extra urbem quererent.

Asqolonius fine ille magus ш uulgus loqtur ue pls ut pythagoꝛici tradũt. itrauit perlas»

Abb. 1: Biblia. Neapel.

22.

| pertráfiwit caucafum. albanoe. fepthas.matfa |

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bh Zei , | S Py Y 8 AREA © A ет істегі ipi = => * Ge A CEL C

| Seras .opulentifima indie regna. penetrauit et

| ad extremum latiſſimo pbifon amne tranímiffo

| peruenit ad bꝛagmanas ur biarcham in thꝛono

| fedentem aureo т de tantali fonfépotantem in

ter paucos difapulos de natura 6 moꝛibus. ac

| de aurfu diez 4 ſydeꝝ audiret docente,Inde p

elamitas . babiloios.chaldeos.medos.aflprios

р pthos .fpros.pbenicce . arabes. paleſunos. re | uerſus ad alerádriam. pregit ad ethiopiam: ut

gymnoſophiſtas т famofiffimam folis menfam

o uideret in ſabulo. Inuenit Ше шг ubiq; quod

` "fitis loquabatu dicens. an

dlſceret: a femper. proficiens. femper fe melior

^| fieret .бапрїй fuper hoc plenifime octo пош mimbns

‚philoftratus. II

Cid loquar de ſeculi bominibus. aptus Paulus. uas electionis. a mer gentium . de cófciénia rann in fe ho mentũ que runs eius q in me loqtur chriſtꝰ. poft damaſcũ arabiãq; luftratá . aſcendit bperofolumam ut ui

E]

_ |), deret Pety.7 manfit apud cu diebus gndeaz

0

Hoc eni mifterio bebdoadis т ogdoadis. futu rus gentium predicator inſtruendus erat. Rur Y fumas рой annos qtuordeciʒ aſſumpto barna ba 1 tito .erpoluit cum apoſtolis euangelium; ne forte inuacuuzʒ curreret aut cucurrifler. Ha ber neício quid latentis energie. шие посів ac tus. т in aures dicipuli de auctoris ore trans Yſuſa: fornus fonat. Cinde т efchines rhodi exularct 7 legeretur Ша demoftbenis 030 quas

` aduerfus eus habucrat. mirantibꝰ cunctis atas

® motbai (cribit ab infátia facrie pop cuduũ

laudantibus. (ufpirane ait. Quid. fi ipſam au Исто beſtiam. fua uerba reſonantem- III

Ec boc dico. fit aliquid i me tale

> YA og ud pois a me audire uel nelis di

1 (cere. fed quo ardor tu? т difcédi ftu

T diii etiam abſqʒ nobis per fe pbari debeat. In N 5 docile. 4 fine doctore laudabile eft . Nd qd iuenias. fed qd gras confideram? „aNollis cera т ad formandum facilis. etiam fi artificis

| q plafte ceffent manus. tamen uirtute totũ eft ID quicgd effe por. aul? aptus ad pedes gama lielis legem mopfi ppbetae didiciſſe fe glori

af .ut armatus fpáalib? telis . poftea doceret ofidéter. Arma eni nr̃e militie non carnalia fút ſed potentia deo. ad deftructioné munitions . cogitationes deftruentes т оёт alritudinem extollentem fe aduerfus fcientiam da .1 capti. nantes оёт intellectum ad obediendú chriſto:

4 parati ſubiugare omnem inobedientiam. Li

9.1,

Math. Moravus, 1476.

München, Staatsbibliothek.

nuria t. Circa phe”

uel plogü bui? primi libꝛi ſniaꝝ.qͥrũt᷑ $. de nctitate b? doctrĩe p^ urg тёп fit bóí p ftatu do aliq; do- ctrĩaʒ РЕ fupnalit ſibi Kpirari, 2” Гре дэг ad gen? ese formal, Et eft utrũ cogni fupnal nct᷑a viatóí tradita fir fuf det i facra ſcriptura. 3” fpedtat ad gen? Ge mal Et é 96 vez theo" fit д deo. tiq; de бор. 4 et s"prinét ao gen? cáe hr паб. Et eft qó.vtrü rieo” fit pᷣctica 8. №0 gö.vtrü ex ordine ad parim ut ad find fit.ul dicat᷑ p fe (аёца рді,

/ ^

Кито дает t Ntrũ bói pro ftatu

ur iſto fit nc&m aliquaʒ

со@гїаз fpéalé fupnilr ifpirari ad quá й poſſz actingé luie nãli itellectꝰ . Et ur q ri fic. Dis ро his alíq3 cóe p p obo pót î дар fb illo cõtentũ fic i pg obm̃ nile. Moc рз p ex” à p ово uiſus ^ aliis tote tis [b illo. Et ita ĩductiue i alijſ obis pmo 4 potetiis. Patet ét p rõnez. р" obm̃ of adequatũ potérie'fi fi i aliĝ tet ei? circa дәй рой} роге" bře actũ nãkr fi effet potetie adequatus fi exceder; poteriä,p3 f maioꝛ. Sed pind obin ite? nfi nãle eft eno р” епо. inte? nf poteft nälr bre actũ circa qðcũq; спо, л fic circa qðcũq; itelligibile.eriä circa ens. quia nega" cogía" p affırmarög.d it. $ mion, Muic.pmo merba**.c*.s „епо л ref pma i pꝛeſſide ipmút ĩ aiaʒ. nee pút manifeftái ex alijs. Si айг cet aligd aliud ab iſtio р; obm̃ iſta poflent manifeftari р róem

IDAS ` A 7 Y

WIGS ĩpoſſibile.. р fenfus й ĩdigʒ alig cognitóe fupnäli pro iſto ftatu.g nes inre? age рз. pba” die, ia nd deficit ĩ ne cellarijo .de aña. 1 fi in ipfe3io ficit mulro magis nec i ꝑfectis. g fi ri deſicit in рогёгие ĩſerioꝛibꝰ q; ad nctia eis ppter act? fuos biidos 7 finé eag эйай, multe mag? й deficit i neteſſarijs pote tie fupidi ad actũ (ай i fine oda Git. Phaliä tal doctria fit ncëia B ф pd i puris male b? ê ipꝛopõtionaꝰ obo ut fic cogfübili g 03 p aliad alió a fe fiat cippóriona ё aliud 3 n3le3. ſuꝑuile. Dié nale g to" é ĩpꝛopoꝛtionatũ oho p. Si fupnile ergo po eft ĩpꝛopõtionaꝰ illi. i ita bat q per aliud оз ei ppoꝛtionari. i fic in ifi ^c à g n fie proceder i infi * methaꝰ. ergo fta re i pᷣmo. ddꝰ ф ро ĩtellectiua fit ex fe p- poꝛtionata oi cognoſdbili. i fm ocʒ mo” cogſabilis quare it.

Dd oppoſitũ a.

fcriptura viuinit? iſpirata utilis ad do- cédú ad arguédü . р baruch 2: à fap" vf.nó q poſſit (аге uias ei? б q Гат uni uerſa nouit ез. n? ali? pdr Dre ей nifis ќаёге uniũſa. j d" ad ncéirates.à facto Ib dir. Tradidit ей Jacob puerd'fao 1 Pirë oilecto fuo.!5 i^ ad ver? tefta" Et feq p? g;. terrío vilus é a сй bóíb? cöufar? ё . qn tradidit e4 à ad nouũ reftaméruz. ?n ' ft ac (Otroulia vi её 1 3 QOC ic pos theo logos. tenẽt. n. psi pfectde3 1 negát p fectse3 fupnälez. Theologi do eogſcũt de fects 1 ncürate gre л pfedionü fuper niliü, Dicẽt g ps фи" é cogni? fup: nat bot ncčia р Шо ftatu. q of notiaá fibi псаяз poz acqrer ex actòe саз nãliũ Md B adducit᷑ fi? auctõitas 4 r3 рі ex diũſis locio.p p illud tertij ce aia ubi dicit ite? ассо û ê cía fac? . Et inte? рые oia Ва. Ex В arguitur fic. nctiuo nili 1 райпо cebíte aqpꝛoxĩatis 1 Hipeditis nctio feq афо, q; й cependet eenbr nift ab eis rä: a ciis Bonb?. Dain

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Abb. 2: Farbige Umrahmung auf Holzschnitt-Untergrund in Joh. Duns Scotus,

Scriptum in primum Sententiarum. Venedig. Wendelin von Speyer, 1472. München, Staatsbibliothek.

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OANNIS TORTELLII ARRETINTCOMMENTARI MATICORVM DE ORTHOGRAPHIA DICTION

fi TRACTARVM PROOEMIVM INCIPIT AD ВАНО | PATREM NICOLAVM.QVINTVM PONTIFIEEM-MAXI|

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OEPERAM OLIMBEATISSIMB päter Nicolae. v. ſumme pontifex com^ m:ntaria quzdam grammatica condere; qbus omnem littetatiam antiquitatem & örthographix rauoné opportunis hiſtorus pro poetarum declaratione nectere conabar: pfuturus fane pro mea uirth ſtudioſis linguæ latinz . interim | ab alus ftudus negociiſq; familiaribus ` interceptus Ша prorfus relinquere: at- que longo tempore abiicere uifus (ит. | Sed nuper cum apud Alatrium campar oppidum ex aeris romani moleſtia feceflifleiea abſoluete quorundam anu- | T Corum rogatu conatus ſum: ac fic quoq; Ў ad'calcem uix ufque perduxi opus magnum uariúm & diffuſum: atque illud cuz \ fancticati a qua uelut fonte omnia mea bona fluxerunt : dedicare conſtitui. non Ж quidem ut inſtitutionibus grammaticis poeta yng hiftoriüculís tua beatitudo y? indigeat; qui cætetos in doctrinis oibus evi minutis ex füma ¡gen memorig; ` x | felicitate pracellis:Sed ur Г cud Ша bibliocheca:quam omnium que buert preti, i T$ nífimam comparasalıquo pagto collocare poſſis. lick ex magnificétia anfmi : > tui: qui пб niſi clariſſima in litteris adificufque:& rebus cæteris aggrederis: uiros | ассо: linguæ eruditiſſunos ex omnibus fere terris ueluti 4d uirtutis quoddam | afylum conuocauens: quos ut ſuum poffint excolere u qenium: laudemq; fibi pa- B. rare :& aliquid conficete: quod poſtentati prodeffe роѓ с maximis premiis affe, ,' | ceris.no camé deterrebor :et ego aliquid pro mea paruitate tux bibliothecæ offerre. Quam tametfi exclariffimis altiſſimarum doctunarum auctoribus fulcire cupis: quia tame & minores aliquando facultates п funt:nö dedignaberis pro tua ſapientia: etiã minorum facultatũ libros inf Video enim quáns impéfi is = ſumptibus quantaq; diligentia greca oratoru mina: hiſtoricotũ et phi lofophorü atq ſũmorum theologorá in latinam lim traduci procuras. Video quantam adhıbes curam in anfıquorü noſtrorum operibus exquirendis:que de- perdita credebantut: Ita ut non nullos ad dıuerfas extremaſq; mundi partes pro re hac: multis cum difficultatibus et impéfis deſtinaueris. Quæ cummagnis in febus effeceris pigebit епі minorum facultatum libros in ıpfa tua bibliotheca | reponere:& maxime illos: qui de тапса facultate loquuntur. Qua auctore Quiatiliano: niſi oratoris futuri fundaméta fideliter iecerit quicꝗd fuper ſtruxerit cortuet. Et niſi zquo longiot eſſem: complura poſſem i medıum exempla afferre: quibus facile cogaofceret':quor ex hüiuf modi arts negligentia ui ports orator E bus:&hiftöricis quotidie errores inſutgunt: quot in ture auili:medicinaque a et cxteris facultatibus interpretationes ineptiſſimæ fingulis affetüc dicbus : quor

Abb. 3: Joh. Tortellius, Commentarii grammatici. Venedig, Nicol. Jenson 1471. ©)

München Staatsbibliothek.

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М.Т Ciceronis ad O uintum Fratrem In Libros De Ora’ М tore Pręfatio Incipit Foeliciter A OGITANTI MIHI SAE "я" penumero & memoria uetera repetẽ/ ЭУ ARES ti: pbeati fuiffe Quinte Frater illi ui- WY (2 deri folent qui in optima repub:cum bonoribus & rerum geftarü gloria florerent: eum omg curfum tenere po- ! | $ tuerunt:ut uel i ne gotio fine piculo : ucl in otio cum dignitate ее: poffent. Ac nunc quidem mibi quoq; initium requiefcendi:atqiaimum ad uttiuſq; noftrum preclara ftudia referendi fore suftum: & prope ab omnibus conceflum arbitrarer: ſi infinitus forenfium rerum labor: & ambitionis occupatio decurſu boncrum etiam gratis flexu cõſtitiſſetſquam fpem cogitationum: & ў cofiliorum meorum:cum graues cómunium temporum : ta ua noftri cafus fefellerunt. Nam qui locus quietus & tranquillitatis. pleniffimus fore uidebat᷑: in eo maximg moles moleftiax:et turbulentiſſime tempeftates extiterüt. Neg uero nobis cupientibus:atq; exoptatibus fructus otii datus eft:ad eas artis: quibus a pueris dediti fuimus : celebrandas: inter nofque recolendas. Nam prima gtate incidimus in ıpam perturbationem diſciplinę ueteris: & conſulatu deuenimus i medium rerum omniũ cettamẽ atqj difcrimen. & boc tempus omne рой conſulatum ob- iecimus us fluctibus ¿qui per nos a cõmuni peſte depulſi: in noſmetipõs redundarent. Sed tamen in eis uel afpc / titatibus rerum:ucl anguſtus temporis: obſequar ftudiis noftris. Et quantũ mibi uel fraus inimicorum: uel cauſę amıcorü: uel refpub.tribuet otn: ad ſcribẽdum potiſſimũ cófera. Tibi uero frater пед; bortantı deero. neq; rogantt . Nam neque autoritate quisg apud me plus uaiere te poteft:neque uoluntate, Ac mibi repetenda єй ueteris

Abb. 5: l'arbige Umrahmung auf Holzschnittgrund in Cicero, De oratore. [Venedig, Wendelin von Spéyer, ca. 1470].

Antiquariat Baer in Frankfurt a. M.

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opus as diſputaaombus multum frequens» tot la- bonbus-tot vigilijs · totq; cums 7 folatudibus ad bec tuwa veftra nedũ vifitanda veri 7 plu timum ceadunanda atq; eroznande «bie ргсїё tibus mas cómentartje acteſſerun Jed pꝛofe⸗ &o veftra cantas т berriuolenaa moꝛd mata at q; ímbenaum antiquoꝝ $ mobernozü cura atq; duigt᷑cia me ad tam агоий cig: graue op? mducit · Dum enim poft ſuſce ptas doctoꝛules in fulas annis fedeam contmuis ебите officio operam cediſſem peragraſſem que ommũ (ubt cegato ſcripta que fn vtrog iurc m vía baben tur та таю ие noftns ad noftram bodring tradita 7 reháta fucrunt omía alia noftn iuns duilis volumma plane copiofe ac fuo debito сте т сіедапаа laudabilem fmem affeaita* еер cum m bae fendozum cõſuetudmeo diu er tıffem m hijs que pao ipſatũ magmtudme fub tilitate atq: diſicultate matene diucius f̃rediſ- fem arímaduera cométatores carum m pluri

poftremo repertoatj

làm ee aua facile quib aom тех penre querat. ocenim (бе anum exiſtunaui · Cum pleiumq; iph fubentes т pre (стат ícolafha bas noftras leges т cöfuetudr nes feudales multum babere сб fucuerunt ommia ifta deo tam de: ganter quam vtiluet m boc ncftro pefët ope conſũmaui dum quio doctua (go ſcola fus poft: aleat fn bac feudal laenaa ftuberc legere 7 mtelligere т quicquid cupít de faalı abſq; labore териге пілі bom quid fer benti tactum fuit опий omma согӣ ſcripta eui fceraui т buic vm open actomodaui m дача} q; Determmacıone au es p ſoꝛuʒ fomper apoun ^ alleganı- Ut autem ipforum

rum tam antiquoꝝ $ mctemou qui fup bas ſeudoꝛuʒ conſuetudmes fenplere noticia ac Lan babılıs memona lateret coꝛum nomía bic mferere агаш. dEr fi flobannes Andree iu- no lumë m ſuia a mbus titulo de feuds

el 4 bus befeaffe ita vt nedũ vtile fco neceſſatium АЎ. ] ^J y

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Abb. 8: Jacobus de Alvarotis, Opus novum super feudis. Lyon, Nicol. Philippi, 1478. uc München, Staatsbibliothek Sod cs.

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pfequit imo em̃ querit que fuit intentó ойі

К то #5002) Äere ríde vt iu ea. Et ex hac pꝛima o. quinq; nóbilia chaft. Pꝛi- mostra 1 vano lognres. boc ст aufert intellectum ficut et decretales etim pofire

in otucrfio ое паев oifficutea- tcm aufcrebár vcꝝ intellectũ. de quo vió ter. i-§- fed altud.v.q.v. vbi glo.dicit teſtio repénne lo-

or pfumif médar.quía pᷣſumit᷑ ſubo:natꝰ. Si

loquaf moꝛoſe pᷣſumit dub. ꝰ. . di.põderet. An айг cxaminatoꝛ ocbcat redigere in ſcripi ор teſtis vaallabat vel moꝛoſe vel repentine loque barurzox vt no. Inno. in. c. qm̃ de pba. ct ibi dixi. | Scdoer io cont ouo d inducũt « mecht difficultatẽ ſtudẽtibꝰ⁊ legennib". pmo ай materia pontif in diuerſis locis.q faat multi otra Inno. qui vná т candé matenä in omerfis loc ponit va rio modo lodndo. vt patct exemplũ in no.p fc i.c. olım.d.y,verchh.fpo.Tin.c.ch 'an.oc iudi. in. c. cn vencrabilis.de reli. do. €xcóo facit cö- tra doc.diffuſe loqͥntes.nã ſupflua ingerunt vfi- cultatè. vt in tex.⁊ in glo. vnde Doctor debʒ bꝛe- uiloquꝰ. р hoc vide glo in. c.cũ fit ars.de eta.⁊ Gl. quc redarguu aduocatos alleadico multa mut

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melius enim cft pauca idonea effundere q; in m

tis inutilibꝰ росе pᷣgrauare. vt dicit tex. i. l. . CA а lenna comꝑtum eſt ?

de ve. iure enu.⁊ Сре bona lo inficit obnubilat᷑ ob n

tionem. finiftra ол fufpino 3 allegáté A| 8 no. ex hac pricula glo.oft5 me ↄſtitutõeꝝ decreta lem epłlam. Et clude y ↄſtiutio eccliaſtica vari- is noibue nücupaf.gig.n.appellaf canon. айф decretũ. абор ðcretał epła. qqq; dogma. qq; fan ctio.qfi man dari .qfigs interdictũ.⁊ de bie vide ij. di. in app Aeran glo. dic ꝓpꝛie oc cretalis epla cft ↄſtitutio

quá papa cdit confilio

cardinaliũ vel finc ad alícui? cófulranoné. Decre- `

tum vo. ad nullius fulranonc. KLöfhruno vo qq; capit fpeafice.z eft ppric qd pzinceps ftatuit, vt in. c. ↄſtituno. q. di. dic. j. ſup ica de conſti.

Item no. final intentũ bui? compilatióte. futt em̃ intentus vt puiderct vnlitati legentiũ. Et cx b act glo.norabile collige dictũ y appellaróc tuden tium cópzcbendif ſegens.⁊ no compbendié doctoꝛ. ſi ergo priuilegi cft ſcholaribus indultuʒ vidcf doctoꝛibus indultũ. multo fomus D р cedit in ſtatutis diſponẽtibꝰ de ſtudẽtibꝰ. Do. an. dicit de ꝓpꝛio fignificaro vocabuli appellanonc ftudcnnü cõpꝛchendit᷑ docto: maxime legs. inte du cri ftudio inq; um legu. ad 5 adduar tex. in р emio. for in · & illud vo. vbi dicit tex. doctoꝛ oz ſtudiũ pagere. fed ex coi vfu loändı copbendié et vſus loquendi atendi ocbet.vti.c.ex ibi no. n. in. l. libꝛoꝝ -$- qd rfi ca

q; diſcendi.⁊ marime q docẽdo quis effiaf pen Q1. vt paretin la. i. j. ibi. i perinozce fierit fof

‚pucerus cuius facen

rta illud. Hudiens fapicns N | à.

Basel, Joh. de Amorbadh 1488.

München, Staatsbibliothek aus dem l'ranziskancrkloster in Freising.

t $ to. tops.

e A 2 ` . 2 . P e К . 1. Abb. 9: Nicol. Panormitanus, Lectura super Н. primi, libri decretaliun

: Antonius de Rofellis,

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ftádum к ت‎ tpernigili induftria:mo deratags digeſtione ipfius fancta occifiua referre. EE cx alie alienis in

fructus decefperc nequeüt:ac 8

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a „> epe roꝛ amplius aſpiret.¶ P20 voto ¡gif тап expe n certiſſunũ:ſederice our auſtrie: ſereniſſime cefar esee vri wen шт. reparatione imperij hoꝛrendo

genti eneen prd y cb chen пат pꝛefecto terrene monarchie celitus miſſum arbitroꝛ: vt tui terreni fanoꝛe imperiſ᷑ diuini шга reſpirent. Tali ergo boc ſancto etiam fuffulens рге fidio tute oc public boon a ty cto amodo 0: flcram.

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xpi vicariũ in boc cefarı cupi ос byftozici il Inftres nd. medi ocn ma pmeditáres impia

Venedig. Herm. Lichtenftein, 1487.

München, Staatsbibliothek.

Tractatus de potestate imperatoris et papae.

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р reddit lector attent. cool. heninolñ. Atrentũ ch dicit

fansite vigilüe.ná p boc ipſe vig!" * reddit nos (Тєп fos vt wplarc wbeam?,nä me ac?! 5 Даш? (тїрїў ét fr d n fra rel pupil? in f. dn fuͤma puidina. vt I pri. §. Dvalech viat. т ſacatiſſimas ofti.antea ofu

ye vt . c. отө ooclé.n fact d (тта rei bꝛcuiter ofocuditans p boc pipe abbreut anit реест amodo fa atins edoceri. beniuolũ.i. bone yolitane ad adiſcendũ. voi picit. 7 QF ip ð c TD et ibi. fima it q; opc. vt.ſ. c. 5.

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Quoꝛũvtrãq; ſtiſta обои effc in репо pe. сито у quid fecifk.rüdet quoꝝ vtrá dal 5 Гато! DU Uiglús.quo ad leges.nd ius ambe vigilatıb? 110 001 micrtib? спрей eſt. vt. in frau credi. pupill? in facar e(D:onidentia.f.quo ad arma. nota trce efr Dea Prices a pxcrentorü fcentia рїсипб. ꝓuidentia ſutu / ГЄ Zimnente oco.oco gf as refert.cuino adintoo roy. triumphi meruit ↄbticre.vt.¶ oc offi f. pse. afr l.j iu pn. GU Er balicos.q3 sinnctim dir erat. dice hovers vii &. на ч e dicendo pm qwaliter fe babuit aima amma,

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Abb. 11: Justinianus, Institutiones. Nürnberg. Ant. Koberger, 1486. München, Staatsbibliothek.

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CONCILIATOR:DIFFERENTI ARVM:PHILOSOPHORVM:ET PRECIPVE-MEDICORVM:CLA RISSIMI:VIRI:PETRIDE ABA

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ipfius preten ilofogbo ж illuflriá códigerís (mías. Pollieicorú quide

feptimo Ау. ingo (cribere. Bene uiuere ac felici tatem apperiit omnes. Sed bec adipiſcẽdi. bis quidem poteftzs : bis uero nö. ppter fortunam quandi aut naturam « Vbi cuiuflibet primitus naturale defiderıû ad uità & felicitate derotat. Qnoldä deinceps fortuna feu паѓа ipeditos ıd pofTe mime adipiſci. ¶timũ gde e luceſcit. pes bend appetüt omnia. Vnde laudantur тос teſtantes erbicoy initio. Vivere ↄũt X beari

bend (xt at ſũmũ „Ча uiuere uiuentis eft formas unde de aia ſecũdo. Vivere uiuentis eft eſſe. hoc uero ceu pfectius quedda : X diumius pre aliis appetit maxime: quod ems firmat oppolitü ә ne nig animal mortem pnidemg deuitat

de céfolanone foot Eft denig felicitas opatõ queda aie; X ufus fecundà uirtutem pfedam eibicoy decimo · De confolabcne quog (ecüdo Beatituc’o eft ftatus omnia bororü aggregatice pſecus C Palin. erém bomibus natura mlitä e(t delid erii ad (ciendum quod beatitudine ceu (әда terminat. Vivere itag & felicitar: appetit unöguodg : quod aŭt pfectũ precipue Adbuc demü uita priuani : quorũ natalit illius praua limulq improporcionara extant principia ab meriniecss & extrinfecss cata : & actus uirtutis deficientes omnifarıam , Non paucos uero eft bad cemod: крие. Verunen ın pforcione өз

Num in trinario : ac omne

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quoq boy brutales deteftäs etbicus uirtutibus

incitat principalioribus infignitos cõſuet udine po lidere пд breui. CQuidi nag nd ſolũ corpe пех & aia natura fere fant (егш. Fortuna demũ taliã fimilit ĩpeditiuĩ itatẽ Fore druitias potentias ac his opp h ita. omninoq; fortunium & RE E fecüdo.in qua uim genefeos fydeream eTe non imerito pari тагу Манаа peiuané ac bea titudine bona fall; ti extimata fortuna uelut & praua . N & ſi ea felicitati miniftret prefidiä quo quito Gli ut ubi X qn expedit modificare . as itaq actibus uirtuoſis euiter magilg ac magis in poſtera uita ac felicitate potiri ppe tuís.nó utig tantũ exemplo : ueg X ope ceteris afpirantibus in hoe ita prodeſſe. cum (cittiam ujuificans nequag mortis uinculis aftringat . Libri eqdé contexere de:reui ex phleumatibus una са ſociorum intelle tu ingenti cariſſimis publice luſtris iueltigans iam binis. Quo пере pböy ac medicos ас in medicina (оріапё apparentes precipue dicenti cuicũq Y a veritate continue. Quap pee: iplü Cõci' iarore malui appellare . Ipfüg iutius latere putaba ni preces queritätiü crebras oporteret exaudire condi gnas.ac calus formıdarem emé-gentes inconlulte Нас quidé fit fafcitantem prespe in primitiuis fore Ícientiis pbia quog ac medi cina pret alia ſuffic enter inſtruꝶũ. Qué in tres fepabo ptes trinitatis in deoy etía ueneratióes prelatione « Finiüt mo ших philofopba omnia in prima & mima trinitate. In quay utig pria quelita ftatuent cola & uelut forinfeca. modi reiq utriufg ptis medicie : tbeorice uidelicet & practice.His &.n.cognitis facilius A expedi tius uniufeuiulg arımus ipfam ration? ac vii artis confiderare poterit ueteris retborice pbe mio. Secúda uero theor ice cõtiebit dubitata. In tertia аша? que practice fab Jectur final sa . bis etia appendicia occurrentia 974 E Parres auté pdrias ſequeſtrabo · c um pleraq und queli гогё раз diſtet a reliquo . Quas equidé ulg in tocius uolumis termini iplay breuitatis alle gationis gi continuas.naturalis numen ordine numerabo . Iplas denig inuentionis facilitate Algor [mi depmgendo hgurist Eodem quog modo fermones ex ſapiet tibus adductos. quos et ã ceu iacent conabor traſct here. ac rite buc ex fonte deriuare breuroribus litteris idicabo . (C Inunaquag (ота 4424 (emp Geuor igret prei ueriulgp pris arguta. Quoy aliquod uclut nlınzabit lubiduil won? recipiet align, Hee zët | (üt terminorum dubitati primitus expolitio e V S«üdo quidem quod de iplo fuerit ab aliis reſentitũ Ter tio ueritatis сй eius mot ui

oſtenſio. Ac tandt᷑ дїй arg un.entoy ge <

Abb. 12: Petrus de Abano. Gonciliator. Mantua 1472.

München, Staatsbibliothek. Aus dem Besitz Hartmann Schedels mit dessen Wappen.

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Venedig. Phil. Pintius, 1490.

München, Staatsbibliothek. Aus dem Besitz Hartmann Schedels.

SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

Gulden, der Nürnberger Künstler Hans Springinklee, der 61 Holzschnitte zu bemalen hatte, fünf Gulden. Ein andres Mal bekam Guldenmund für die Be- malung von acht Bildern, 16 Leisten und 100 kleinen Initialen eines gedruckten Gebetbüchleins drei Pfund ausbezahlt?®. Gerade in Nürnberg erlebte die Buch- malerei eine letzte bedeutsame Nachblüte?”, bis sie von den siegreichen Vervielfältigungskünsten völlig verdrängt wurde.

Oft lag die farbige Ausstattung der Frühdrucke in ein und derselben Hand, die dann Initialen, Ran- ken und Bildchen über das ganze Buch ausstreute. Wo es sich nicht um eine Ausschmückung handelte, die sich dem Texte anpassen mußte, gab es weitesten Spielraum für Zierat aller Art. Da waren farbige In- itialen auf Goldgrund einzumalen, Ranken und Lei- sten mit Wappen und Putten anzufügen, kleine bild- liche Darstellungen mit geistlichen oder weltlichen Gegenständen auf die leeren Flächen hinzuzaubern, Goldpunkte über die Seiten zu streuen, die Texte mit Rot und Blau zu beleben. Häufig ist der Ver- fasser eingemalt, etwa ein antiker Klassiker, wie Terenz?8, oder ein Kirchenvater, wie Hieronymus mit dem Lówen??, oder ein Gelehrter, wie Petrus de Abano*? (Abb. 12). Eine Galenus-Ausgabe nahm etwa ein Bild mit Galenus’ Arzt und Kranken auf“! (Abb. 13). Auch Illustrationen zu den Texten schmücken gelegentlich die Ránder*?. Ein gutes Bei- spiel solch hingebender Fürsorge für Ausschmückung der Frühdrucke mit Farbe ist der Nürnberger Arzt Hartmann Schedel, dessen wunderbare Bücher- sammlung überwiegend in der Münchener Staats- bibliothek ruht“. Alle seine Bücher sind bunt übersüt von Farben, von Initialen, Überschriften, Ranken, Leisten, Bildchen; bis auf den Einband erstreckt sich diese Freude an der Farbe (Abb. 12 und 13).

89

Diese ganze farbige Zubereitung und Ausschmük- kung der Wiegendrucke mit der Hand war eine recht mühsame und zeitraubende Arbeit, zumal wenn um- fangreiche oder mehrbündige Werke auszustatten waren. Wo wurde nun diese kostspielige Ergänzung ausgeführt, wer überwachte und leitete sie? Bei jenen Druckerwerkstätten, aus denen nur wenige Werke hervorgegangen sind, mag häufig der Drucker selbst die handschriftliche Fertigstellung seiner Er- zeugnisse besorgt haben. Das konnte um so leichter geschehen, als zahlreiche solche kleinere Drucker dem Stande der Schreiber, der Briefmaler und Brief- drucker entstammten. Als Regel darf aber gelten, daß die Druckwerke nicht in der Druckerei, sondern von Briefmalern, Schreibern oder anderen bezahlten Lohnarbeitern** oder von den Käufern, vor allem von Geistlichen und Mönchen, rubriziert und aus- gemalt worden sind. Namentlich in den Klöstern, die zu den Hauptabnehmern des damaligen Buch- handels gehörten, hat es immer kunstgeübte Hände gegeben, die sich gern zu solchen Arbeiten gebrau- chen ließen. Ja,mancher Abt mag froh gewesen sein, daß er seine Mönche in müßigen Stunden mit der Herrichtung der gedruckten Bücher beschäftigen konnte, nachdem die klösterliche Schreibtätigkeit mit der Verbreitung der Buchdruckerkunst mehr und mehr in Verfall geriet. Melchior von Stainheim, der unternehmende Abt von St. Ulrich und Afra in Augsburg, richtete im Jahre 1472 eine eigene Kloster- druckerei ein, die den Mönchen Beschäftigung mit Austausch, Korrektur, Rubrizierung und Einbinden gewähren sollte“, und sein Nachfolger Heinrich Fries (1474—1482) ließ zahlreiche Bücher rubrizieren und illuminieren*. So stattete auch das Benediktiner- kloster Scheyern, das auch in der Geschichte der mittelalterlichen Buchmalereieine bedeutsameStelle

einnimmt, seine Druckwerke reich mit Initialen und

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mit dem Wappen des Hauses aus*?. Abt Narzissus von Benediktbeuren zahlte noch im Jahre 1501 einem Augsburger Dominikaner 5 Gulden, 17 De- nare, 1 Heller, »daß er etlich puchstaben hat ge- macht und fratrem Leonardum suppriorem infor- miert hat zu florieren und illuminieren**«. Bis die klösterliche Kunst der Buchmalerei völlig erlosch, hatte es noch gute Weile; es war eine Übergangszeit, die noch zahlreiche Prachtwerke solcher Kunst ge- schaffen hat.

Außer den Mönchen und Geistlichen waren es vor allem Leute aus dem Stande der Schreiber, Illumi- nierer und Briefmaler, die die letzte Zubereitung der Druckwerke um Lohn übernahmen. Es betätigte sich da ein zahlreiches Völklein, das recht froh war, aus der absterbenden Kunstfertigkeit noch ein weniges verdienen zu kónnen. Da die Buchdruckerkunst die Zahl der neuen Bücher, die, wie wir sahen, in der Regel noch der letzten Ausschmückung bedurften, gewaltig steigerte, mögen die Einnahmen der Rubri- katoren und Illuminierer anfangs eher zugenommen haben. Lange dauerte das freilich nicht und die be- wegliche Klage des Illuministen Michael Angelo Ciegnoni aus Siena, daß sich seine Kunst nicht mehr austrage, klingt wie der Notschrei eines ganzen unter- gehenden Standes zu uns*®, Wir verspüren hier dieselben Wirkungen wie in den klösterlichen Schreib- stuben, nur daß sie im Lohndienste um so empfind- licher waren, als das bürgerliche Schreibgewerbe soeben einen kräftigen Aufstieg genommen hatte".

Einen anschaulichen Einblick in die Tätigkeit der bürgerlichen Rubrikatoren und Illuminatoren ge- währen uns die Rechnungsbücher des Nürnberger Rates, der sich mit löblicher Freigebigkeit die Er- werbung von Druckwerken angelegen sein ließ. Die Einträge sind um so wertvoller, als darin auch die

Personen, denen die Ausschmückung der angekauf-

90

ten Bücher übertragen wurde, mit Namen und Beruf angeführt sind*!, Da heißt es einmal in einer Rech- nungsanweisung des Ratschreibers Georg Spengler vom 28. April 1487 an Hans Tucher, der die Beträge

` auszubezahlen hatte: »Lieber Herr, Gebt diesem ge-

genwertigen Casparn von Landsperg, Chorali zum Neuen Spital, 10 Pfund, die meint er von zweien

Büchern zu corporieren, florieren und auszustreichen

` wol verdient zu haben. Dieselbe Summe von 1 Gul.

den 4Schillingen erhielt der Nürnberger Choral-

sänger im gleichen Jahre noch einmal, als er das

juristische Werk »Bartolus, Super secundo Infor-

` ciati«rubriziert, oder wie sich die nähere Rechnungs-

anweisung wieder genauer ausdrückt »corporiert. floriert und ausgestrichen« hatte. Ein andrer »Cho- ralis zum Spital« mit Namen Johann Lai nahm am 21. Juli 1486 vom Rubrizieren des umfangreichen »Repertorium juris« 1% Gulden und am 11. Oktober

` 1486 von 2 puchern incorporieren und ausstrei-

chen«, nämlich »Summa Azonis und prima parte repertorii Brixiensis« 2 Gulden ein. Wieder ein »Cho- ralis«, dieses Mal von »St. Laurenzien«, lieferte am 31. August 1486 zwei »incorporierte, florierte und ausgestrichene« Bücher, ein Digestum novum und ein Digestum vetus an den Nürnberger Ratschreiber ab. Georg Spengler schickte ihn dann mit folgen- dem Brieflein an Hans Tucher: »Lieber Herr. Die Doctores haben die Bücher, so dieser gegenwertig Johannes gecorporirt hat, besichtigt und haben darob gut Gefallen. Nu hab ich neher mit im nit über- kommen mogen dann um 5 Gulden. Darumb soverne euch das gevellet, mögt ir im die geben; wolt ir aber selbs mit den doctoren davon reden, oder mit ihm selbs handeln, laß ich mir auch gevallen.« Hans Tucher zahlte die fünf geforderten Gulden aus, eben- so am 19. Oktober 1486 vier weitere Gulden, als der gleiche Beauftragte zehn »corporierte« Druckwerke,

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alles juristische Werke, abgab5?, ferner am 16. Fe- bruar 1487 »von 14 puchern corporieren und aus- streichen 3 Gulden, 7 Schillinge, 3 Heller . Noch größere Aufträge hatte der Werder Gerichtschrei- ber Johann Marckhauser auszuführen, der für 17 rubrizierte Bücher 8 Gulden, ein anderes Mal »von 9 puchern und ein kleines puch zu rubrizieren und ausstreichen« 4 Gulden und wieder von 8 Büchern corporieren, florieren und ausstreichen 8 Gulden er- hielt. Für die letzten 8 Bücher hat, das mag zum Vergleiche angeführt sein, der Buchführer Michael Paul 31 Gulden, der Buchbinder Franz Steindorffer 5 Gulden 19Schillinge 2 Heller bekommen. Ein nicht näher bezeichneter Rubrikator Heinrich Stuchs strich für die Zubereitung von 17 Büchern 20 Gulden ein, wobei er einmal folgende Gutheißung Spenglers vorweisen konnte: »Er meint daran 9 Gulden wol verdient haben und wil ihm daran nichts abbrechen laßen. So wil mich auch das nit unzimlich ansehen; darumb mögt ir im solich 9 gulden geben5?.« Im ganzen zahlte der Nürnberger Rat in den Jahren 1486 bis 1488 für das »Incorporiren, Floriren und Ausstreichen« von 83 Büchern 59 Gulden aus, wäh- rend die Einbände Steindorffers für 63 Bücher 52 Gulden kosteten und die Einkaufsbeträge für 179 Druckwerke 360 Gulden ausmachten.

Als das Domkapitel zu Basel in der Zeit vom 26. Februar 1475 bis 17. März 1476 ein Speculum historiale des Vincentius von Beauvais und eine Gratian-Ausgabe um 17 Gulden kaufte, hatte es für die Rubrizierung und Illuminierung dieser und andrer Bücher 14 Pfund 14 Schillinge, für die Aus- schmückung mit Initialen 4 Pfund 12 Schillinge, für die Einbände 12 Pfund 5 Schillinge zu zahlen5*. Im Rechnungsjahr 1480 auf 1481 folgte eine Straß- burger Bibelausgabe im Werte von 18 Gulden nach,

für die wieder eigene Rubrizierungskosten bezahlt

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wurden. Wo es sich um Widmungsgaben handelte, wurde auf besonders prunkvolle Ausstattung ge- sehen5® und an Kosten dafür nicht gespart.

Die Zeugnisse dafür, daß die Bücherin den Drucke- reien häufig in »rohem« Zustande gelassen und in solcher Unfertigkeit von den Käufern erworben wur- den, um erst nachträglich rubriziert und bemalt zu werden? oder auch unbemalt zu bleiben, ließen sich ins Beträchtliche vermehren. Es sei nur noch an die Abrechnung zur Weltchronik Hartmann Schedels erinnert, wo von 571 noch zu verrechnenden Ab- zügen nur zwölf als »gemalt«, alle übrigen als »roh«, das heißt unbemalt angeführt sind$8, In den Biblio- theken und Antiquariaten findet man häufig genug solche unausgefertigte Abzüge, denen die nachhel- fende Hand gefehlt hat. Sie wirken gegenüber ihren bevorzugten Gegenstücken nüchtern und kahl5®. Es sei als Beleg hierfür nur der Münchener Abzug der ersten gedruckten Parzival-Ausgabe des Jahres 1477 aus der Rottenbucher Klosterbibliothek erwahnt®, wo die Lücke am Anfange des Textes für die einzu- fügende Initiale I noch heute unausgefüllt ist, wäh- rend gerade hier die besonders große Leere der Fläche vor dem Texte einen weiten Spielraum zu künstlerischer Betätigung gelassen hatte®!. In der Cicero-Ausgabe Fusts und Schöffers vom Jahre 1465 der gleichen Sammlung?? sind, obwohl es sich um einen kostbaren Pergamentabzug handelt, die Lücken für die Initialen ebenfalls leer gelassen; in den Überschriften ist der Rotdruck durchgeführt.

Nach und nach reiften die Dinge der kommenden Gestaltung entgegen. Die nachträgliche Zuberei- tung der Druckwerke mit Hand und Farbe mußte bei der ungeheuren Zunahme der Bücher- herstellung immer unerträglicher werden, zumal als ` viele Abzüge, wie wir sahen, unfertig blieben und für den Gebrauch höchst unbequem waren. Die Haupt-

SCHOTTENLOHER- DER FARBENSCHMUCK DER WIEGENDRUCKE

rollen bei der Entwicklung zum völlig gedruckten Buche fielen dem Rotdruck und dem Holzschnitt zu; daneben hatten auch Satzanordnung und Aus- zeichnungstypen wichtige Aufgaben zu erfüllen. Der Rotdruck übernahm die Rubrizierung, der Holz- schnitt die Korporierung, Florierung und Illuminie- rung. Der Rotdruck wurde bis tief in das 16. Jahr- hundert vor allem für das Titelblatt verwandt, er gehörte bald zum festen Zubehör jeder Druckerei. Im Jahre 1573 veröffentlichte der Frankfurter Rat eine Druckerei-Ordnung und setzte darin eine eigene Bestimmung über höheren Lohn für Rotdruck fest; wir hören dabei, daß sich die roten Titel wegen der hohen Zinnoberpreise sehr verteuert hatten. Als die allmähliche Loslösung vom Blocksatz neue Wege in der übersichtlichen Gestaltung des Satzes und in der Anwendung von Auszeichnungstypen zuließ, wurde auch der Rotdruck mehr und mehr entbehrlich und blieb später auf das Titelblatt beschränkt, bis sich auch dieser letzte Ausläufer der handschriftlichen Buchausschmückung bis auf geringe Reste verlor. Der Holzschnitt, der eine rasche Entwicklung vom einfachen Umriß bis zu den feinsten Linientönen erlebte, bestritt immer mehr die ornamentale und bildliche Ausschmückung des Buches und wies mit seiner Vervollkommnung zur selbständigen Kunst- weise immer stärker die Farbe zurück, bis er den vollen Sieg errang und sich mit den Typen aufs engste verband, um in dieser Verschwisterung seine höchste Blüte zu finden. Stofflich blieb er freilich auf lange Zeit von den Überlieferungen der Hand-

schriften abhängig, indem er alle die Vorlagen der

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vorausgegangenen Zeiten, so auch die juristischen Dekretalen-Bilder95, einfach in seine Formensprache übertrug. Die bedeutungsvollen Bemühungen des Augsburger Druckers Erhard Ratdolt um den Farbenholzschnitt®™ haben keinen durchgreifenden Erfolg gehabt.

Das ist der unendliche Reiz aller Übergangsfor- men, daß sich in ihnen Altes und Neues bekämpfen, vermischen und durchdringen. Wie die Handschrift hat fast jedes Buch der Frühdruckszeit sein beson- deres Gepräge und Eigenleben, das eben in solcher Vermischung beruht. Kaum bemerkbar und doch unaufhaltsam schreitet dabei die Entwicklung von der Mischform des handschriftlich zubereiteten Druckwerkes zum völlig vervielfältigten Buche fort. Ein Jahrhundert etwa ist vergangen, seitdem die ersten Druckversuche stattgefunden haben, da sind die Ausstrahlungen der Handschriftenzeit völlig verschwunden, das neuzeitliche Buch hat seine end- gültige Form gefunden. Damit ist freilich auch der aneifernde Einfluß zu Ende, der von dem früheren Wettbewerb mit der handschriftlichen Herstellung des Buches ausgegangen war. Aber die neue Zeit mußte eine neue Form haben, wenn das Buch, wie es seine Zukunftsaufgabe war, der wirksame Träger der Bildung, der Wissenschaft, des Unterrichts, der öffentlichen Meinung werden sollte. Mochten die einzelnen Zeiten sehen, wie dem Buche neben dem einfachen Werktagsgewande gelegentlich ein schmückendes Feiertagskleid anzulegen oder wie die einfache Form doch auch kleidsam zu gestal-

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ANMERKUNGEN

1 Vgl. Max Jos. Husung in: Mittelalterliche Handschriften. Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering. Leipzig 1926, S. 155 und meine Besprechung im Histori- schen Jahrbuch 1927, Bd. 47, S. 122.

? Vgl. Konrad Haebler im Zentralblatt für Bibliothekswesen 1902, Bd. 19, S.103 ff., Olschki in: Bibliofilia 1913/14, Bd. 15, S. 246. |

3 Vgl. Charles Beaulieux, Manuscrits et imprimés en France aux 15e et 16e siècles (Mélanger offerts à M. Emile Chatelain. Paris 1910, S. 417£f.), Leo S. Olschki, Incunables illustrées, imitant les Manuscrits. Le passage du manuscrit au livre imprimé (La Bibliofilia 1913/14, Bd. 15, S. 245ff., 285ff., 325 ff.) und Leo S. Olschki, Le livre en Italie à travers les siécles. Florenze 1914. Am frühesten hat wohl H. Noel Hum- phreys in seinem Werke »A History of the Art of Printing e, London 1867 (Taf. 13 und 14), schöne farbige Proben von illuminierten Frühdrucken gegeben. Reich an neueren Ab- bildungen sind vor allem Prince d’Essling, Les livres à fi- gures Vénétiens. Florenz 1907 bis 1914, Bd. Iff.; Catalogue of Manuscripts and Early Printed Books of the Library of J. Pierpont Morgan. London 1907, Bd. 1 bis 3; L'arte della stampa nel rinascimento Italiano-Venezia. Venezia 1894; A. Claudin, Histoire de l'imprimerie en France au 15e et au 16e siècle. Paris 1900, Bd. 1 bis 3. Vgl. auch Otto von Schleinitz, Die Trierer Stadtbibliothek. Zeitschrift für

"Bücherfreunde 1911, N. F. Bd. II, 2, S. 265 ff. Wertvolle Ab- bildungen finden sich ferner in zahlreichen Antiquariats- katalogen, so von J. Bür in Frankfurt (»Frankfurter Bücher- freunde), Gilhofer und Ranschburg in Wien, Jacques Rosen- thal in München, C. G. Boerner in Leipzig und Leo S. Olschki in Florenz. Vgl. auch Mich. Denis, Einleitung in die Bücher- kunde. Wien 1795, Bd. 1, S. 146.

* Vgl. Wilh. Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter. 3. Aufl. Leipzig 1896, S. 346f.

5 Paulus Paulirinus von Krakau sagt in seinem »Liber viginti artium : Illuminator est artifex ponens colores super libros, cuius officium est scire bene capitalia varia facere et flores protrahere et aurum et argentum scire libris stabiliter in- primere et fulgide et imagines et picturas scire pertinentis- sime capitalibus infigere. Vgl. Zentralblatt für Bibliotheks- wesen. Leipzig 1890, Bd. 7, S. 148.

в Über die Buchmalerei des ausgehenden Mittelalters vgl. vor allem Joseph Neuwirth, Die Herstellungsphasen spätmittel- alterlicher Bilderhandschriften (Repertorium für Kunst- wissenschaft. Berlin 1893, Bd. 16, S. 76 ff.). Julius von Schlosser, Zur Kenntnis der künstlerischen Überlieferung im späten Mittelalter (Jahrbuch der kunsthistorischen Samm- lungen des allerhöchsten Kaiserhauses. Wien 1903, Bd. 23, S. 279ff.). Rudolf Kautzsch, Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter. Straßburg 1894. Hans von der Gabe- lentz, Zur Geschichte der oberdeutschen Miniaturmalerei im 16. Jahrhundert. Straßburg 1899. Ernst Wilh. Bredt, Der Handschriftenschmuck Augsburgs im 15. Jahrhundert. Straßburg 1900. Berthold Riehl, Randverzierungen der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts (Zeitschrift des Bayeri-

schen Kunstgewerbe-Vereins in München 1897, Bd. 46, S. 29ff.). Berthold Haendcke, Berthold Furtmeyr, Sein Leben und seine Werke. Dissertation München 1885. Wilh. Vogelsang, Holländische Miniaturen des späteren Mittel- alters. Straßburg 1899. Theodor Raspe, Die Nürnberger Miniaturmalerei. Straßburg 1905. Guido Biagi, Riproduzioni di manoscritti miniati. Cinquanta tavole in fototipia da co- dici della R. Biblioteca Medicea Laurenziana. Firenze 1914, Taf. 33ff. Hellmut Lehmann-Haupt, Schwäbische Feder- zeichnungen. Berlin 1929.

? Vgl. die Abbildungen solcher Rubrikentafeln bei Léopold Delisle, A la Mémoire de Jean Gutenberg. Hommage de l'Imprimerie Nationale et de la Bibliothèque Nationale. Paris 1900, S. 21ff. Ernst Freys, Bruchstücke der 36zeiligen Bibel in der K. Hof- und Staatsbibliothek zu München (Bei- trüge zur Geschichte der Renaissance und Reformation, Joseph Schlecht dargebracht. München 1917, S. 96ff.) und Ernst Freys, Zum Rubrikenverzeichnis der 36zeiligen Bibel (Zentralblatt für Bibliothekswesen 1918, Bd. 35, S. 167ff.).

9 Vgl. Gottfried Zedler, Das Mainzer Catholicon (Veröffent- lichungen der Gutenberg-Gesellschaft Bd. 4). Mainz 1905, S. 44f.

9 Über den Rotdruck, der noch eingehender erforscht zu wer- den verdient, vgl. Adolf Schmidt, Untersuchungen über die Buchdruckertechnik des 15. Jahrhunderts (Zentralblatt für Bibliothekswesen 1897, Bd. 14, S. 153ff.) und Otto Hupp, Gutenbergs erste Drucke. München 1902, S. 17 ff.

10 Vgl. Veröffentlichungen der Gutenberg-Gesellschaft. Mainz 1904, Bd. 3, S. 37ff.

11 Praesens psalmorum codex venustate capitalium decoratus rubricationibusque sufficienter distinctus.

12 So in dem Lactantius-Druck Hain 9809 der Münchener Staatsbibliothek (2 Inc. c. a. 64).

13 Einer der frühesten Vordrucke solcher Art findet sich in der Cicero-Ausgabe des Jahres 1471 (Hain 5167).

14 Pro distinctionum litteris capitalibus et causarum iniciis ad vulgarem, ut moris est, depingendo casum, spacia dimittun- tur satis quidem ampla. Vgl. Wilhelm Riedner, Peter Schöf- fers Anzeige des Decretum Gratiani und der Dekretalen Gregors IX. von 1472 (Zeitschrift für Bücherfreunde 1908/09, Bd. 12, I, S. 153f.).

15 In dem Münchener Exemplar der »Moralia« von Gregorius, Basel, Nicolaus Kesler 1496 (Hain 7934) lesen wir von der Hand des Rubrikators: »Totum hoc volumen habet capi- talia mille centum et quadraginta sex, facta anno domini 1504 tempore belli ducis Alberti et Rudperti Palatini. Anno domini 1504 corporatus est liber iste.«

16 So in Hain 9818 der Münchener Staatsbibliothek (2 Inc. c. a. 3501 b).

17 »Gedenckt pruder Cristan mit aim ave maria gratia plena. < Eintrag in Hain 8603 der Münchener Staatsbibliothek (2Inc. s. a. 651).

15 Eintrag im 1. Band: Et sic est finis prime partis biblia sancti veteris testamenti illuminata seu rubricata et ligata per hen- ricum Albech alias Cremer anno domini 1456 festo Bartholo- mei apostoli deo gratias Alleluia. Im 2. Band: Iste liber illu-

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minatus,ligetatus et completus est per henricum Cremer vica- rium ecclesie collegiate sancti Stephani maguntini sub anno 1456. festo Assumpcionis gloriose virginis marie Deo gracias Alleluia. Vg. Delisle, S. 31ff.

19 Vg]. Charles Schmidt, Zur Geschichte der ültesten Biblio- theken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg. Straß- burg 1882, S. 88ff.

20 Staatsbibliothek München (2 Inc. c. a. 1337).

22 Jede große Bibliothek mit reichem Inkunabelbesitz ver- wahrt unter ihren Beständen Wiegendrucke mit buntem Rankenwerke. Für die Münchener Staatsbibliothek ver- weise ich auf folgende Stücke: 1. Biblia. Neapel, Mathias Moravus, 1476 (Hain 3059). Umrahmung mit zwei Wappen und Initiale (2.Inc. с. a. 4541), в. Abb. 1.2. Cyprianus, Epi- stolae. Rom, Arnold Pannarz, 1471 (Hain 5896). Renaissance- rahmen mit Initiale (2 Inc. c. a. 57). 3. Johannes Duns Sco- tus, Scriptum in primum Sententiarum. Venedig, Wendelin von Speyer, 1472 (Hain 6422). Renaissance-Einfassung mit Putten und Hasen (2. Inc. c. a. 147) s. Abb. 2. 4. Lactan- tius, Opera. o. О. 1471 (Hain 9809). Mosaikrahmen. Oben Eule, unten Wappen (2 Inc. c. a. 64). 5. Marcellus Nonius, De pro- prietate latini sermonis. о. O. 1471 (Наш 11900). Prunkvolle Umrahmung mit drei Rundbildern (2 Inc. c. a. 67). 6. Joh. Tor- tellius, Commentariorum grammaticorum de orthographia dictionum e Graecis tractarum opus. Venedig, Nicol. Jenson, 1471 (Hain 15564). Prachtvoller Renaissancerahmen und Initiale mit schónem Bildnis auf blauem Grunde (2 Inc. c. a. 84) s. Abb. 3.

22 Zuerst hat Henri Delaborde in dem Werk »La gravure en Italie avant Marc-Antoine« (1883) auf diese Ornamentik hin- gewiesen, dann Prince d'Essling in dem Buche »Livres a figures vénitiense (1892) die ihm bekannten Bücher mit solchem Zierat zusammengestellt. Vgl. dazu P. Kristeller im Archivio storico dell’ arte 1895, Bd. 5, S. 95ff. und Alfred W. Pollard, Woodcut designs for illumination (Bibliographica 1897, Bd. 3, S. 122ff.) und die abschließende Abhandlung von Prince d'Essling, Les premiers ornements xylographiques dans les livres de Venise (La Bibliofilia 1906/07, Bd. 8, S. 121ff.). Weitere Abbildungen im Frankfurter Bücher- freund 1914/19, Bd. 12, Taf. 34 und 56 (= unsere Abb. 4 und 5) und Abb. 2, die neu hinzukommt.

23 Vgl. auch die hübschen Ulmer Leisten Zainers in Hain 449 und Hain 6475 oder die mit Tieren geschmückte Einfassung in Hain 7652 oder die Ranke Zainers in Augsburg in Hain

9968; vgl. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typen- kunde 1917, Taf. 867, ferner über die Winkelleisten Knob- lochtzers in Straßburg: Karl Schorbach und Max Spirgatis, Heinrich Knoblochtzer in Straßburg (1477 bis 1484). Straß- burg 1888, S. 16ff.

24 Vgl.z.B. die Geminiano-Ausgabe von 1471 (Hain 7540) und 1477 (Hain 7541), die Panormitanus-Ausgabe von 1475 (Hain 12322), die Valturius-Ausgabe von 1472 (Hain 15847), die Gratianus-Ausgabe von 1490 (Hain 7910). |

35 Vgl. Leo S. Olschki, Le Livre en Italie à travers les siècles. Florence 1914, Taf. 68. Miniaturen dieser Art auch in der Münchener Staatsbibliothek: 2 Inc. с. a. 47 (Hain 2606);

2 Inc. c. a. 44 (Hain 2541); 2Inc. e. a. 282 (Hain 6507); 2 Inc. s. a. 174 (Hain 2713). Vgl. auch Wilh. L. Schreiber, Die deutschen »Accipiese und Magister cum discipulis e-

Holzschnitte als Hilfsmittel zur Inkunabelbestimmung. Straßburg 1908.

26 Vgl. Josef Bär, Frankfurter Bücherfreund 1901, Bd. 2, S.141 und 1912, Bd. 10, S. 290f., Taf. LII unsere Abb. 6.

27 Vgl. ebenda 1913, Bd. 11, Taf. III = unsere Abb. 7, wie Abb. 4,5 und 6 gütigst überlassen.

28 Vgl. L'Arte della stampa nel rinascimento Italiano-Venezia. Venezia 1894, S. 44. Henri Monceaux, Les Le Rouge de Chablis, Calligraphes et miniaturistes, graveurs et impri. meurs. Paris 1896, Bd. 1, S. 68/69. La Bibliofilia 1914/15, Bd. 16, Taf. 5.

?9 Aus den Druckbestünden der Münchener Staatsbibliothek seien angeführt: 1. Jacobus Alvarotus, Opus novum super feudis. Lyon, Nicolaus Philippi, 1478 (Hain 888). Mit großem schönen Bilde auf Goldgrund: Kaiser, rechts drei Bischöfe,

links drei Rechtsgelehrte. Vor dem Kaiser Angeklagter und Gerichtsdiener (2 Inc. c. a. 683)s. Abb. 8. 2. Gratianus, De- cretum. Straßburg 1471 (Hain 7883). Mit dem Bilde des Gra- tianus und fünf Richtern (2 Inc. c. a. 59). 3. Justinianus, Digestum novum. Venedig 1491 (Hain 9590). Mit einem kleinen Bildchen zwischen Text- und Kommentaranfang: der Kaiser als Rechtsprecher, ein Gerichtsdiener mit einem Angeklagten, zwei Rechtagelehrte (2 Inc. с. а. 2557). 4. Gre- gorius IX., Decretales. Venedig 1482 (Hain 8015). Mit Dar- stellung eines Innenraumes: der Papst reicht einem knie- enden Geistlichen das Buch dar. Im Hintergrund Kardinal und Bischof (4. Inc. c. a. 232). 5. Gregorius IX., Decretales. Venedig 1491 (Hain 8027). Mit Papst Gregor auf Goldgrund (2 Inc. c. a. 2570). 6. Eine bemerkenswerte unbemalte Vor- zeichnung: Papst Gregor mit drei Geistlichen in Grego rius IX., Decretales. Mainz, Peter Schöffer, 1473 (Hain 7999) (2 Inc. c. a. 216b). 7. Nicolaus Panormitanus, Lectura super quinque libros decretalium. Basel, Johann von Amer- bach, 1488 (Hain 12315). Mit eigenartigen Bildern, darunter: Priester, die Messe lesend, Papst mit zwei Kardinälen, Wund- male des hl. Franziskus, s. Abb. 9, Richter, Eheschließung (2 Inc. c. a. 2090). 8. Antonius de Rosellis, Tractatus de potestate imperatoris ac papae. Venedig 1487 (Hain 17974). Mit Bildnisinitialen auf Goldgrund: Papst und Kaiser (2 Inc. c. a. 1937) s. Abb. 10. 9. Clemens V., Constitutiones. Mainz, Peter Schöffer, 1476 (Hain 5421). Mit Bildchen: Papst, Richter, zwei Zuhörer (2 Inc. c. a. 470). 10. Justinianus, Di- gestum vetus. Venedig, Baptista de Tortis, 1488 (Hain 9553). Mit Kaiserbild in weiter leerer Fläche (2 Inc. c. a. 2038). 11. Guido de Baysio, Rosarium decretorum. Venedig, Jo- hann de Seligenstat,1481 (Hain 2717). Mit hübschem Zere- monienbild: der thronende Papst, daneben ein Kardinal zwei kniende Mönche und ein stehender Kleriker; Ausblick in Berglandschaft (2 Inc. c. a. 1025). 12. Justinianus, Insti tutiones. Venedig, Baptista de Tortis, 1490 (Hain 9523). Mit reichgruppiertem Dekretalenbild (2 Inc. c. a. 2423). 13. Justinianus, Institutiones. Rom, Ulrich Gallus, 1475

(Hain 9495). Mit Kaiser Justinianus und Rechtalebrer (2 Inc. с. a. 384). 14. Justinianus, Institutiones. Nürnberg, Anton Koberger, 1486 (Hain 9519). Mit Kaiser Justinianus und drei Rechtslehrern, die ganze Darstellung auf Goldgrund in der dafür leer gelassenen Fläche (2 Inc. c. a. 1782) s. Abb. П. 15. Gratianus, Decretum. Straßburg, Eggestein, 1472 (Hain 7884). Mit Christus, wie er dem Papste die Schlüssel, dem

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Kaiser das Schwert überreicht (2 Inc. c. a. 125). 16. Gre- gorius IX., Decretales. Rom, Georg Laur, 1474 (Hain 8001). Mit fünf Bildern: Papst Gregor mit Geistlichen, Bischof und Kardinal, fünf Richter; Predigt vor vier Zuhörern; Trauung; Richter, Angeklagter und zwei Schergen (2 Inc. c. a. 291b)

30 Vgl. Frankfurter Bücherfreund 1904, Bd. 3, S. 1ff.

31 Auch andre Anweisungen für den Rubrikator sind gelegent- lich aus Versehen zum Abdruck gekommen, so in der Ba- seler Dekretalenausgabe Wensslers vom Jahre 1478, wo einige Male das Wort »Rub.« ausgedruckt ist. Vgl. Karl Dziatzko, Beitrüge zur Kenntnis des Schrift-, Buch- und Bibliothekswesens 1896, Bd. 3, S. 115.

32 Besonders reich an solchen Prunkstücken ist die Biblio- théque Nationale in Paris. Vgl. auch Fritz Hoeber in der Zeitschrift für Bücherfreunde 12, 1908/09, Bd. 2, S. 469ff.

33 Reiche Abbildungen aus solchen prunkvollen Druckwerken franzósischer Herkunft bringt A. Claudin, Histoire de l'im- primerie en France au 15e et au 16e siècle. Paris 1900, Bd. 1: S. VIII, 23, 35, 77, 176/77, 200/203, 368/9, 378/9, 459ff. Bd. 2: S. 180/1, 184/5, 228/9, 230/1, 258/9, 385ff., 394/5, 442/3, 458/9, 460/1, 462/3, 466/1, 468/9, 470/1. Bd. 3: S. 10/11, 116/7, 166, 194/5, 360ff., 456/7.

34 Historia delle cose facte dallo Francesco Sforza, von Gio- vanni Simonetta, ins Florentinische übersetzt von Christo- foro Landino. Mailand 1490. Vgl. O. von Schleinitz in der Zeitschrift für Bücherfreunde 1901/02, Bd. 5, S. 136ff. Ab- bildungen aus italienischen Druckwerken mit Bemalungen in: L'arte della stampa nel rinascimento Italiano-Venezia. Venezia 1894, S. 15ff., 20ff., 26ff., 29, 39ff., 64.

35 Es sind die Blumenumrahmungen in Holzschnitt gemeint, die sich durch das ganze Buch hinzogen.

38 Vgl. Anton Tuchers Haushaltbuch (1507 bis 1517). Heraus- gegeben von Wilhelm Loose. Stuttgart 1877, S. 155. Auch die Domkirche zu Toledo in Spanien zahlte in den Jahren 1509 und 1510 den Illuministen Bernardino de Canderroa, Alfonso de Cordoba und andern Meistern erhebliche Bei- träge für Bücherausschmückung.

37 Über die späteren Illuministen Nürnbergs vgl. Robert Bruck, Friedrich der Weise als Förderer der Kunst. StraD- burg 1903, S. 183ff. und Theodor Raspe, Die Nürnberger Miniaturmalerei. Straßburg 1905, S.40f. Vgl. jetzt auch Erwin Rosenthal, Dürers Buchmalereien für Pirckheimers Bibliothek (Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Beiheft zum 49. Bd., 1. Teil, Berlin 1928, S. 1ff.), wo, nicht völlig überzeugend, Dürer für die mehrfache Ausschmückung von Büchern Pirckheimers in Anspruch genommen wird, wührend wohl viel eher Springinklee in Betracht kommt; die Forschung wieder auf die bedeutsame Frage hingewiesen zu haben, bleibt auf jeden Fall ein Verdienst Rosenthals.

38 Vgl. den Anzeiger von Gilhofer und Ranschburg, Nr. 91, 1910, N. 20120.

39 So in dem Münchener Exemplar der Hieronymus-Ausgabe: Hain 8549 (2 Inc. s. a. 644).

39 Petrus de Abano mit Harnglas. Bild in dem Münchener Exemplar von Hain 1 (2 Inc. c. a. 89) s. Abb. 12.

41 Hain 7427. München, Staatsbibliothek (2 Inc. c. a. 2410 f.). s. Abb. 13. u

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12 So ist das Münchener Exemplar von Alvarus Pelagius, De planctu ecclesiae libri duo. Ulm, Jobann Zainer, 1474 (Hain 891) überstreut mit Bildern zum Texte, darunter Papst Gregor XI., dem der Verfasser mit großem Gefolge das Buch darbringt (2 Inc. c. a. 304).

33 Vgl. über ihn Richard Stauber, Die Schedelsche Bibliothck. Freiburg i. Br. 1908 und Erwin Rosenthal, Ein wieder- gefundener Frühdruck aus Hartmann Schedels Besitz (Beiträge zur Forschung N.F. 1930. 3. Heft S. 1ff.).

14 Über den Augsburger Schreiber und Rubrikator, spütern Buchdrucker Johann Bümler vgl. Konrad Haebler im Zen- tralblatt für Bibliothekswesen 1910, Bd. 27, S. 553, Viktor von Klemperer, Der Augsburger Drucker Johann Bümler als Rubrikator (Gutenberg-Jahrbuch 1927, S. 50ff. und 1928, S. 105 ff.), wo ohne festen Beweis vermutet wird, daB Bämler in Straßburger Druckereien tätig gewesen ist. An weitern Rubrikatoren aus der Frühdruckszeit wären etwa zu nennen: Johannes Lepper, 1476 bis 1484 in Köln nachweisbar (vgl. Otto Zaretzky in der Zeitschrift für Bücherfreunde 3, 1, S. 130 Anm.), Conrad Stenhop in Lübeck (vgl. G. Kohfeldt, Der Lübecker Vikar Conrad Stenhop, ein mittelalterlicher Illuminator und Büchersammleér, im Zentralblatt für Biblio- thekswesen 1903, Bd. 20, S. 281ff.). Über den Augsburger Drucker Johann Schüssler als Buchbinder und Illuminator für das Kloster Aldersbach vgl. Ludw. Rockinger, Zum baierischen Schriftwesen im Mittelalter (Abhandlungen der К. bayr. Akademie der Wissenschaften 3. КІ., Bd. 12, Abb. 2, 1874, S. 32). Über den Augsburger Rubrikator Wolfgang Leo, der besondere Kunstfertigkeit besaß, »Corpora, große Buchstaben und Versal zur Zierheit der Bücher zu machen«, vgl. H. Simonsfeld in den Sitzungsberichten der k. bayer. Akademie der Wissenschaften, Philos.-philol. und histor. Klasse 1896, S. 292 u. 326.

45 Vgl. Archiv für die Geschichte des Bistums Augsburg. Augs- burg 1860, Bd. 3, S. 281.

46 Etiam sub regimine eius multos libros comparavit et illu- minare ac corporare fecit, sicut videtur in pluribus libris in liberaria positis. Vgl. ebenda S. 281.

47 Z. B. 1. Alexander de Ales, Summa universae theologiae. Nürnberg, Anton Koberger, 1482 (Hain 643). Mit schönen Initialen auf Goldgrund und mit dem Wappen in drei Bän- den. 2. Antoninus, Summa theologica. Nürnberg, Anton Koberger, 1477 (Hain 1242). Mit Initiale und Wappen (2 Inc. с. a. 563 с).

18 Vgl. Ludwig Rockinger, Zum bayerischen Schriftwesen des Mittelalters. München 1874, Heft 2, S. 32.

19 Vgl. zu der Frage W. L. Schreiber, Darf der Holzschnitt als Vorläufer der Buchdruckerkunst betrachtet werden? (Zen- tralblatt für Bibliothekswesen. Leipzig 1885, Bd. 12, S.201ff., besonders S. 258) und W. L. Schreiber, Vorstufen der Typo- graphie (Festschrift zum 500 jährigen Geburtstage von Jo- hann Gutenberg. Beihefte zum Zentralblatt für Bibliotheks- wesen. Leipzig 1900, Bd. 23, S. 30ff.).

30 Vgl. darüber Rudolf Kautzsch, Diebold Lauber und seine Werkstatt in Hagenau (Zentralblatt für Bibliothekswesen 1895, Bd. 12, S. 1ff.) und Н. Lehmann-Haupt, Die Buch- illustration der Frühdruckszeit (Klimschs Jahrbuch 1929,

Bd. 22, S. 17 ff.). | |

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H Vgl. Petz, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Bücher des Nürnberger Rates 1429 bis 1538 (Mitteilungen des Ver- eins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1886, Heft 6, S. 123 fl.).

53 Vgl. die Titel der Werke bei Petz, S. 164.

83 Vgl. Petz, S. 151 und 165. Es handelt sich dabei um folgende Werke: Salicetus super novem libros Codicum. Lectura Bar- tholi super I et II. Codicum, super I. Digesti veteris, super I. Inforciati. Jason super titulo Institutorum de actionibus. Epistolae Leonhardi Aretini.

54 Item de illuminatura illorum prescriptorum sive aliorum librorum ad librariam beatae virginis hoc anno positorum, videlicet Summa Astensi, Summis viciorum atque virtutum, uno quadrages imaliet aliis libris rubricandis et illuminandis exposui 14 #4 14sch. Item pro omnibus literis capitalibus illo- rum librorum prescriptorum florisandis exposui 4 @ 12 sch. Item pro ligatura omnium librorum prescriptorum exposui dem buchbinder ad lapides pro omnibus suis laboribus atque expensis cum eisdem habitis, inclusis bibalibus famulo suo datis, exposui 12 ¢ 5 sch. Vgl. Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels. Leipzig 1889, Bd. 12, S. 10.

55 Item pro illuminatura atque floritura eiusdem prescripti libri exposui 5 ¢ 15 sch. Vgl. ebenda S. 16.

5$ Christoforo Landino 3. B. ließ seine Dante-Kommentar- Ausgabe von 1481 auf Pergament drucken und mit pracht- vollen Miniaturen schmücken, um sie der Signoria von Florenz su widmen. Vgl. die Abbildung in: La Bibliofilia 1908, Bd. 9, S. 403.

87 Vgl. auch den Eintrag aus dem Rechnungsbuch des Erz- bischofs von Troyes vom Jahre 1486: Item ay payé par plusieurs fois pour l’azur, vermeillon et saffran pour en-

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luminer les livres, que mon dit Seigneur a acheté des еш. primeurs de ceste ville de Troyes divers jours: c'est assavoir Decretales, sixiesme Clementines, Perse, Térence, Juvenal, Catholicon, la Bible, Rationale divinorum officiorum, ratio et modus, tous les Bartholomei, tous les Panormitani et tous les Saloy les Repertoires de Brixiense et de Bartholomeo et l'exposition du psaltier, la somme: 54 s. 7 d. (Henri Mon- ceaux, Les Le Rouge de Chablis, calligraphes et miniatu- ristes, graveurs et imprimeurs. Paris 1896, Bd. 1, S. 110.)

68 Vgl. M. Thausing, Michel Wolgemut als Meister W und der Ausgleich über den Verlag der Hartmann Schedelschen Weltchronik (Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1884, Bd. 5, S. 121ff.).

59 Die Münchener Staatsbibliothek besitzt mit ihren zahlrei- chen Doppelstücken einen unvergleichlichen Reichtum vor- trefflicher Anschauung für die hier versuchte Schilderung des Wiegendrucksbildes der Frühdrucke.

% Staatsbibliothek München: Rar. 297.

€! Vgl. die Abbildung S. 58 des Katalogs 17 von C. G. Boerner, Leipzig.

62 4 L, impr. m. 2.

Vgl die Ausgabe: Bonifacius VIII., Sextus decretalium. Basel, Johann Froben, 1494 (Hain 3619). Gregorius IX., Decretales. Paris, Thielman Kerver, 1507. Abb. bei Leo S. Olschki, Catalogue 86/87, S. 1440. Gratianus, Decretum. Venedig, Octavianus Scotus, 1528. Abb. bei Leo S. Olschki, Catalogue 72, Nr. 103.

64 Vgl. К. Schottenloher, Die liturgischen Druckwerke Er- hard Ratdolts aus Augsburg 1485—1522. Mains 1922. Das typographische Lebenswerk Radolts spiegelt die Bedeutung des Farbenschmucks für die Frühdrucke ge- treu wider.

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KIRCHLICHE WANDSPRUCHE DER BAROCKZEIT UND IHRE SCHRIFTGESTALTUNG

VON FRIEDRICH SCHULZE-LEIPZIG

Wandsprüche - man denkt an Papptafeln mit ein- gepreßten Goldbuchstaben, voll guter Lehren, aber bestürzend inihrer Anmutlosigkeit und Kunstfremd- heit. Lohnt es überhaupt, sich ernsthaft mit solchen Dingen zu beschäftigen? Mit ihren An- fängen, nicht mit dem jetzigen Abstieg, mit dem allerdings ganz wenige hervorragende Einzel- leistungen wie die ausgeglichenen Schöpfungen Rudolf Kochs, nicht in Verbindung gebracht wer- den dürfen. Sie enthalten neue schöne Entwick- lungsmöglichkeiten.

Bekanntermaßen tritt seit der Reformationszeit das Bild als Mittel kirchlicher Volksbelehrung zu- rück. Die Herrschaft des Wortes beginnt. Der Buch- druck leistet ihr Vorschub. Der Protestantismus ist dem »Bildnis oder Gleichnis« noch im besonderen abhold, und er ist der gesinnungsmäßige Träger der Verehrung des Wortes. Das geistigste Wort, das »Wort Gottes«, wird der Gemeinde vernehmlich im Spruch, es kann im Wandspruch ihr auch sichtbar gemacht werden. So wird der Wandspruch ein im

eigensten Sinn protestantischer Kirchenschmuck.

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Gerade durch den Buchdruck wurden aber auch die Kräfte zur Lösung der künstlerischen Aufgabe frei, die im Wandspruch lag. Nachdem die Herstel- lung des Buches ihnen aus den Händen genommen ist, brauchen zahlreiche Schreibkünstler neue Tätig- keit. Für sie ist die Umstellung auf den Unterricht im allgemeinen das Gegebene. Nicht immer ver- mögen sie dabei ihr volles Können zu zeigen : zu den außerordentlichen Gelegenheiten, wo einmal eine solche Meisterleistung erwartet wurde, gehört die Schrifttafel.

Der Verlauf der Entwicklung läßt sich vorläufig noch nicht genau darstellen. Die mir bekannten Ta- feln gehören einem Verbreitungsgebiet von Halle- Merseburg bis Meißen an, stammen aber nicht aus wesentlich verschiedenen Zeiträumen. Unendlich viel ist verloren und manches wird heute noch, dem Ver- fall ausgesetzt, unbeachtet beiseite stehen, obwohl diese Wandsprüche an Reiz vielen Kunstaltertümern keineswegs unterlegen sind. So sind die frühesten Daten rein urkundlicher Art: »Simon Maler« (Simon Schneider) verfertigt 1581 die »evangelischen Sprü-

FRIEDRICH SCHULZE -

KIRCHLICHE WANDSPRUCHE DER BAROCKZEIT

che« im Chor der Leipziger Nikolaikirche, dann wer- den zwischen 1614 und 1638 Schriften fir die Em- poren der Thomaskirche und fiir das Leipziger Rat- haus hergestellt. Meist sind sogar die Maler genannt, ohne daß wir uns jedoch ein wirkliches Bild von ihrer Arbeit und Persönlichkeit machen könnten.

Bei der engen Verwandtschaft der Aufgabe gibt uns allerdings der Einblick in die Schreibmuster- bücher einen gewissen Ersatz. Die Proben, die Peter Jessen in seinen »Meistern der Schreibkunst aus drei Jahrhunderten« vorlegt, sind auch in diesem Zu- samme e wichtig. Jan van den Velde aus Rot- terdam dürfte entscheidende Anregungen auch für die Schrifttafel gegeben haben. Sicher hat sein »Spie- ghel der Schriftkonste« (1605) und sein »Exemplar- Boec« (1607) manche Vorlage geliefert. Noch deut- licher sind die Beziehungen zu dem Dresdener Mar- tin Grahl, dessen Schriftbücher der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angehören. Grahls Bibel- sprüche, die von Weishun gestochen sind, dürften sogar als unmittelbare Vorbilder für Spruchtafeln entworfen sein.

Dabei darf man freilich über die Verschiedenartig- keit der Bedingungen nicht hinwegsehen. Die Spruch- tafeln sind keine echte Schrift. Sie sind technisch Zeichner- und Malerleistung: nicht mit der Feder, sondern mit dem Pinsel werden die Goldbuchstaben auf den schwarzen Holz- oder Leinwandgrund auf- getragen. Das wirkt selbstverständlich auch auf die Gestaltung ein. Im wirklich geschriebenen Spruch ist ein Wechsel von Fraktur-, Kanzlei- und Kurrent- schrift während des ganzen Zeitraumes allgemein üblich, der etwa mit der Abstufung der Schriftgrade

beim Buchtitel zu vergleichen ist, nur daß er viel-

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leicht mehr dem Vereinfachungs- und Ausruhe- bedürfnis der menschlichen Hand entgegenkommt. Diesen Wechsel schloß beim Wandspruch schon die monumentale Absicht aus, die eine gleichbleibende Schriftgröße verlangte. So wird ausnahmslos Frak- tur angewandt und nur die Hervorhebung des Wor- tes HERR. in lauter Großbuchstaben, die dem damals stets geübten Kirchenbrauch entspricht, tritt gelegentlich aus dem ruhigen Schriftbild heraus.

Aus den gleichen Gründen der Verschiedenheit von Technik und von Ziel ist auch die Rahmen- behandlung eine andre. Ihren Ursprung im Schnörkel und Zugwerk verleugnet sie nicht, aber die Dünn- maschigkeit, die der kalligraphischen Umrahmung naheliegt, wird immer mehr zugunsten einer zeich- nerisch abgewogenen, streng raumfüllenden aufge- geben, die mit ihrem akzentuierten Reichtum aus dem Geist des Barock empfunden ist. Hier liegtkom- ponierende Arbeit vor, während doch noch ein letz- ter Rest geübten Improvisierens in echter Schreib-

tätigkeit stecken muß.

Zwei Leipziger Schriftmaler vom Höhepunkt der Entwicklung sind genauer zu ermitteln : George John und Johann Logau. Von Johann Logau aus Zittau, der am 31. Juli 1677 in jugendlichem Alter starb, stammt das fast 4 Meter hohe Schriftepitaph der Johanna Lorenzin von Adlershelm in der Nikolai kirche. Das Werk ist ein ungewöhnlicher Sonderfall einer Spruchtafel. Es ist Platz für das Persönliche nötig, die Umrandung wird deshalb durchbrochen; um sozusagen Einleitung und Schluß aufzunehmen, und das Ganze, das wandfüllend gedacht ist, auf die Längsachse angelegt. Ein reicher barocker Schnitz-

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FRIEDRICH SCHULZE: KIRCHLICHE WANDSPRÜCHE DER BAROCKZEIT

rahmen, mit den Familienwappen im Mittelpunkt der Schmalseiten, und haltenden Putten an den Längsseiten, steigert die repräsentativen wie kom- positionellen Absichten. Überhaupt darf nicht ver- gessen werden, daß die Schrifttafeln niemals »wand- spruchartig« hingen, sondern wie noch die heutige Emporenausgestaltung des Domes in Halle zeigt einer barocken Gesamtdekoration wirkungsvoll ein- gefügt wurden. Auch daran ist zu ermessen, ein wie lebhaftes künstlerisches Empfinden im Gegensatz zu

späterer Schriftverwendung waltete.

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Georgius John, am 6. Juni 1647 in Leipzig geboren und hier 1709 verstorben, bildet in seinen signierten Werken das Programm der Grahlschen Vorlagen weiter. Von ihm stammen, soweit wir bis jetzt sehen, die abgeklürtesten Leistungen auf diesem Gebiet.

Damit hoffe ich auf erforschenswerte Altertümer der Schriftgeschichte hingewiesen zu haben. Ich sollte meinen: die Kenntnis lohnt, wenn man daran denkt, daß hier zur gleichen Zeit ein Gipfelpunkt erklommen wurde, in der tiefster Verfall des typo-

graphischen Titelsatzes festzustellen ist.

WANDLUNG DES SCHRIFTGEFÜHLS

VON Е. Н. EHMCKE-MÜNCHEN

Die großen Stilperioden kennzeichnen den Wechsel in Weltanschauung und Weltgefühl bei Völkern und Zeiten. Ägyptische Pyramide, griechisches Kapitäl, römisches Gewölbe sie geben uns bestimmte Vorstellungen kulturgeschichtlicher Komplexe. Und diese Vorstellungen differenzieren sich immer mehr, je näher wir unserm Heute kommen. Im roma- nischen und gotischen Bogen, in der Flächengliede- rung und Profilierung der Renaissance, in den Kur- ven des Barock und Rokoko finden wir den Geist ihrer Zeit gespiegelt, und wer in Formen zu lesen versteht, dem offenbaren sich in den feinen Ab- stufungen des Louis quatorze-, Louis seize-, Direc- toire- und Empirestils die raschen Wandlungen welt- geschichtlichen Ablaufs.

Mit gleicher Sicherheit vermag der Schriftkundige in den Formen der Lettern zu lesen. Ihre großen Hauptlinien stehen fest und sind jedem geläufig: die lapidare Kapitalschrift der Römer, die Unziale der christlichen Klostergründungen, die karolingische Minuskel, deren Name schon auf den Schöpfer des alten Reiches hinweist, die Antiqua der Humanisten- zeit. Und dann der stürmische Verlauf der Fraktur- entwicklung, aus der sich wichtige Kapitel deutscher Geschichte ablesen lassen: die Textur der Minne-

sänger- und Ritterzeit, die Schwabacher der Refor- mation und der Hans Sachsischen Knittelverse, Dürers Fraktur und deren Blüte im reformierten und gegenreformierten Deutschland in den schnörkel- frohen Gesangbüchern und Bibeln des 17. und des 18. Jahrhunderts. Als Gegenspiel die Entwicklung der Antiqua in den romanischen Ländern: die lich- ten und reifen Schriftformen der großen veneziani- schen Drucker, die Humanistenschriften der Plantin und Elzevir und die klassizistischen Bildungen der Didot, Bodoni, Baskerville, endlich jener die histo- rische Entwicklung abschließende deutsche Versuch Ungers, in dem sich deutlich die Geisteshaltung der angehenden Romantik verrät.

Soweit es sich um diese historischen Schriftbei- spiele handelt, liegt die Entwicklung klar vor Augen als ein gleichsinnig mit dem übrigen Weltgeschehen ablaufender Vorgang. Nähern wir uns aber der Neu- zeit, so erscheint alles unübersichtlich und verworren, Und doch können wir auch hier bei genauem Zu- sehen eine mit den sonstigen Strebungen der Zeit gleichlaufende Linie der Schriftentwicklung ver- folgen.

Wir wissen aus seinen eigenen Worten, daß Unger

mit seiner Schrift die Absicht verband, eine Type

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zu schaffen, die wohl deutsch sei, nicht aber die Ver- schnörkelung und Kantigkeit der überkommenen Frakturschrift beibehalte, die dem Zeitalter klassi- scher Formanschauung zuwider waren. Etwa hundert Jahre später wollte umgekehrt Eckmann eine Latein- schrift schaffen, die nicht die Abgeschliffenheit und Glatte der Antiqua, sondern ähnlich den Fraktur- bildungen Charakter und persönliche Eigenart auf- weisen sollte. »Es werden jetzt gegen acht Jahr seyn, als ich zuerst anfing, mich mit der Idee zu beschäf- tigen, wie unsere gewöhnlichen Deutschen Lettern zu vereinfachen, das viele Eckige von den gemeinen und das Krause, Gothisch-schnörklichte von den großen Buchstaben oder Versalien wegzuschaffen wäre, ohne jedoch der Schrift durch die damit vor- zunehmende Veränderung ein fremdartiges Ansehen zu geben.« So schreibt Unger im Jahre 1793 im Vor- wort zu seiner »Probe einer neuen Art deutscher Lettern«. Und an andrer Stelle: »Ich habe bei diesen Lettern gesucht, das Helle und Zarte der Lateini- schen Schrift hineinzubringen, ohne nur einen Zug davon zu entlehnen.« Eckmann dagegen im Vorwort seiner Schriftprobe etwa um 1900: »Da die latei- nische Form dem Anspruch an Klarheit am besten genügt, so wird man von ihr ausgehen und bei der Durcharbeitung versuchen, ihre Härten und Un- schönheiten zu vermeiden, ohne sie durch andre zu ersetzen. Unserm künstlerischen Empfinden genügt die lateinische Schrift nicht so, wie sie ist. Kaum irgendein Künstler verwendet sie freiwillig, ohne an ihr zu andern.« Und: »Künstlerischer Geschmack hat schon einmal die starre Form der lateinischen Schrift zu modeln gewußt, als wir der Blüte unsrer Kunst in der Gotik entgegengingen.«

Hier stehen wir vor einer völligen Wandlung der Formanschauung, die in den Äußerungen der beiden

Schriftschöpfer deutlich zum Ausdruck kommt.

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WANDLUNG DES SCHRIFTGEFÜHLS

Aber noch etwas andres hat sich in diesen hundert Jahren gewandelt. Das ist die Stärke der Bewußtheit um die Probleme des Schaffens selbst. Schon bei Eckmann ist das Wissen darum mehr als etwas neben den rein künstlerischen Absichten unklar Mit- schwingendes. Er malt seine Schrift mit dem Pinsel, als dem ihm geläufigsten Werkzeug und gibt ihr da- mit auf malerischem Wege gewonnene Formen, die aber vom Stichel des Graveurs zu schneiden sind. Er unterläßt es also, seine Schrift ihrem Herkommen gemäß wirklich zu schreiben, ihr handschriftliche Züge mitzugeben.Er ist sich dabei des weiteren tech- nischen Arbeitsprozesses, des Schriftschnittes und Schriftgusses voll bewußt. So sagt er selbst: »Unsre Lettern werden geschnitten und nicht geschrieben. Für die künstlerische Arbeit, welche als Muster dient, ist es durchaus gleichgültig, ob sie mit Hilfe der Fe- der oder des Pinsels hergestellt ist. Die Schwellung eines Druckstriches oder die sorgsame Minderung einer Kurve bedürfen so eingehender Behandlung, daß von einem flotten Hinschreiben der Lettern gar keine Rede ist. Warum soll man also ohne Grund andern etwas vorgaukeln?«

Hier meldet sich zum ersten Male der moderne Künstler als Entwerfer für die industrielle Herstel- lung und nimmt für sich allein ein Stück Entwick- lung voraus, das erst fünfundzwanzig Jahre später in den Vordergrund des Interesses rücken sollte. Darin lag wohl zum nicht geringen Teil der sensa- tionelle Erfolg begründet, der dieser Schrift beschie- den war.

Auf Eckmann folgt eine Weiterentwicklung des Typenschnittes, die sich ganz von den Ideen ab- wendet, die er vertritt. Man beginnt zum Schreiben. an sich zurückzukehren. Ihm eröffnet Rudolf von Larischs bahnbrechende Tätigkeit eine neue Ära.

Peter Behrens tritt auf den Plan mit seiner aus dem

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F. H. EH MCKE-WANDLUNG DES SCHRIFTGEFÜHLS

konsequenten Schreiben mit der breiten Rohrfeder entwickelten Type. Beeinflußt durch die Engländer lehnt sich Walter Tiemann an alte Schriften der Re- naissance an und findet sowohl für seine gezeich- neten Schrifttitel als auch für seine Typen einenStil, der auf der sorgfältigen Pflege einer regelrechten Schreibkultur beruht. Rudolf Koch, der »Offen- bacher Schreiber« schafft eine ganze Reihe haupt- sächlich deutscher Schriften, die ohne handschrift- liche Vorbereitung gar nicht denkbar sind. An mei- ner eigenen Arbeit kann ich verfolgen, wie meine Schriften von Fall zu Fall immer mehr nach der ge- schriebenen Schrift sich orientieren, weniger die frü- hen: Antiqua, Kursiv, Fraktur, deutlicher die Ru- stika und Schwabacher. Bald schießt man auch, wie das so üblich, über das Ziel hinaus. Es entstehen Typen, die das Charakteristische des geschriebenen Buchstabens bewußt nachahmen, die also, um Eck- mann zu wiederholen, »andern etwas vorgaukeln«.

Bis denn schließlich wieder eine Gegenwelle ein- setzt: die aus den Gedankengängen der modernen »Konstruktivisten« stammende Idee der »Elemen- taren Typographie«. Jetztwirdauf einmal dasSchrei- ben gebrandmarkt als eine romantische Schrulle, eine historisierende Verstiegenheit im Zeitalter der Massentechnik. Der Mensch unsrer Zeit, der seine Briefe mit der Schreibmaschine erledigt, braucht keine Handschrift mehr zu pflegen. Ebensowenig soll die vom Graveur in Metall geschnittene, von Gießmaschinen gegossene, von Setzmaschinen ge- setzte Type noch an ihre Herkunft aus der Hand- schrift erinnern. Auch neuzeitliche Allerweltsideen melden sich in der neuen Schriftbewegung an: eine aller spielerischen und liebenswürdigen Formen ledige Type, die Groteske, wird propagiert. Sie, die gar keine oder doch möglichst wenige Anklänge an

vergangene Stilperioden aufweist, vor allem in der

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Starrheit ihrer Formen keine handschriftlichen Züge mehr bewahrt, soll die Einheitsschrift der neuen Kulturmenschheit werden. Während alle Schrift- erfinder bisher bestrebt waren, die aus der Stein- schrift entwickelten Großbuchstaben der Antiqua den von der Federschrift herkommenden, später ge- borenen Kleinbuchstaben anzupassen, sucht umge- kehrt Paul Renner bei seiner »Futura« die Klein- buchstaben unter Verleugnung ihrer Herkunft des fließenden handschriftlichen Charakters zu entklei- den und in Formen umzumodeln, die den nach allen Seiten abgeschlossenen, in sich beruhenden Formen der Majuskeln ähneln.

Man geht noch einen Schritt weiter: da die west- lichen Völker keine Großbuchstaben im Sinne unsres deutschen Sprachgebrauchs kennen, müssen wir na- türlich auch darin unsre nationale Eigenart eilfertig aufgeben und nur noch mit Minuskeln schreiben Verzeihung! setzen.

Man glaubt ganz auf der Höhe der Zeit zu sein, indem man für das Zeitalter der Maschine die Type zu erfinden trachtet, die diesen Maschinencharakter repräsentiert und man merkt gar nicht, wie roman- tisch, wie im tiefsten Grunde unsachlich man gerade dabei verfährt. Denn die Epoche der »neuen« Sach- lichkeit verstößt nicht nur in Architekturfragen ge- gen ihre eigenen Gesetze. Als ob nicht auch schon frühere Zeiten sich dessen bewußt gewesen wären, daf eine geschnittene Type etwas andres ist als eine geschriebene Schrift! Die ganze Schriftentwicklung seit der Erfindung der Buchdruckerkunst ist ja gar nichts andres weiter als eine Geschichte des Typo- graphischen. Gewif) hat man in den darauffolgenden vier Jahrhunderten noch viel geschrieben, gewiß gibt es Schreibvorlagenbücher der kalligraphischen Schreibmeister gerade aus den Jahrhunderten nach Gutenberg. Das beweist aber eigentlich, daß die Zeit

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Е. H. EH MC K E WANDLUNG DES SCHRIFTGEFÜHLS

des beruflichen Schreibens als einer lebenswichtigen Betätigung schon vorüber war. Das ausschlaggebende Interesse, die stilbildende, den Zeitausdruck bestim- mende Kraft geht ganz auf die Druckschrift über. Man überprüfe daraufhin nur selber seine eigeneEin- stellung zu den Dingen! Mit dem Gedanken an römisches Wesen verbindet sich die Vorstellung einer Steinschrift, etwa des Trajans- oder Titusbogens. Denkt man an die Papstherrschaft zurück oder an die Zeit der großen deutschen Kaiser, so wird ein vollbeschriebenes Pergament gegenwärtig. Bei der Reformation schon verbindet sich mit dem Bild ihrer Führer die Vorstellung irgendeines derben Titel- blattes antipäpstlicher Druckschriften. Und je näher wir der Neuzeit kommen, desto deutlicher spüren wir ihren Geist aus Büchern und Schriftform ihrer Drucktypen. Höchstens interessiert nebenbei noch die individuelle Handschrift, das Autogramm, als Ausdruck der Persönlichkeit.

Diese Drucktypen nun, so fein sie für das emp- findsame Auge die gleitende und doch verbindende Art von Schriftzügen bewahren, sind anderseits doch Beispiele meisterhafter Beherrschung der Schnitt- technik. Man beobachte einmal, wie eine der frühe- sten deutschen Antiquatypen, die des Adolph Rusch in Straßburg von 1464, bei aller Bewegtheit des Schriftbildes doch die Gesetzmäßigkeit des Typo- graphischen dartut: das schnittige Nebeneinander der Einzelform im Gegensatz zum fließenden Mit- einander des Handschriftlichen bei aller Wahrung des Überlieferten im Gesamtausdruck des Zeitbildes! Nur wurde die technische Arbeit immer wieder re- guliert durch Formen, die aus der gebräuchlichen Handschrift der Zeit als jedem geläufig in die Form der Typen zwanglos übergingen.

Die im 19. Jahrhundert immer mehr um sich grei-

fende Mechanisierung tut sich dann auch in den

Typen kund. Am grausamsten in den aller Reize und allen Empfindens baren merkantilen Erzeugnissen der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahr- hunderts, in denen die Propheten des Maschinen- stils die Elemente einer neuen Formentwicklung er- blicken. Aber selbst eine solche Type, die, wie die erste Behrens-Schrift ganz bewußt auf dem Prinzip der Federschrift aufgebaut ist, verrät sich in ihrer starren Führung, in der Gleichmäßigkeit des Schnit- tes und Gusses als ein Kind ihrer Zeit. Alle modernen Schriften, selbst die mit großer Absichtlichkeit aus einer gepflegten, altväterischen Schreibkultur ent- wickelten von Rudolf Koch, tragen ausnahmslos in der Exaktheit ihrer Technik deutlich das Merkmal ihrer Entstehungszeit aufgeprägt und unterscheiden sich dadurch von den Erzeugnissen einer primiti- veren Herstellung, die bis in das 19. Jahrhundert hinein beim Typenguß wie auch auf allen andern Arbeitsgebieten ihrem Ende entgegengeht. Sogar die mit größter Genauigkeit den alten italienischen Typen nachgebildeten der englischen Doves- und Ashendenepress wirken stereotyp, gemessen an ihren Vorbildern.

Was bedarf es da noch einer Type, die die Ma- schinenzeit ausdrücklich betont? Die Technik allein hat noch keinen Stil gebildet, es war stets ein den Dingen innewohnender, treibender Wille, der neue Formen schuf und selbst widerstrebende Techniken sich unterwarf. Viel stärker als alle vorwärts drän- genden Ideen sind die erhaltenden. Wohl ist die Augenblicksparole auf Verallgemeinerung eingestellt auf Ausgleichung, gegen das Individuelle, Ursprüng‘ liche, Überlieferte gerichtet. Aber ebenso wie die ganze Entwicklung der Menschheit nicht umsonst gewesen ist, können auch die Formen, die sie im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht hat, nicht verloren sein. Unbildung nur kann sich nicht eet

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Е H. EH MC K E WANDLUNG DES SCHRIFTGEFUÛHLS

` tun darin, nur gegenwärtig, zeitgemäß zu sein und,

unbelastet, aber auch unbereichert durch alle über- lieferten Ideen, sich damit als einer besonderen Stärke zu brüsten. Schon ein Blick auf den Reich- tum an Aufgaben, die unsre Zeit enthält, zeigt uns, daß die einförmigen Mittel, die man einzig ihr zu- gestehen will, bei weitem nicht ausreichen für die Bewältigung ihrer mannigfaltigen Bedürfnisse. Nicht einmal die Handschrift ist aus ihrem Interessenkreis wegzudenken. Die Bedeutung, die sie gerade heute für die Charakterdeutung hat, ist ein schlagender Beweis ihrer Lebenswichtigkeit, ganz abgesehen von ihrem Wert für die Erziehung zum Formsinn. Mit allen Schreibmaschinen der Welt wird sie nicht zu ersetzen sein, wenn es vielleicht auch Menschen mit Maschinenseelen geben mag, die es zum Schluß ver- lernen, mehr zu schreiben als nur ihren Namen. Der ganze Komplex der deutschen Schrift, den man nun einmal aus der Besonderheit deutscher Kultur nicht fortdeuteln kann, wird von den Modernsten über- haupt nicht berücksichtigt. Lehrreich ist es da wie- der, bei Unger nachzulesen und zu hören, was ein deutscher Mensch und dabei ein Meister seines Faches vor mehr als einem Jahrhundert darüber zu sagen hatte. Bei Herausgabe seiner zweiten Probe im Jahre 1794 läßt er sich folgendermaßen vernehmen: »Seit der ersten Ausgabe des Theuerdancks von 1517, wozu die Schrift, nach der damaligen schönsten deutschen geschriebenen Fracturschrift, verfertiget wurde, haben sich unsere Lettern, bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts, immer mehr ausgebildet. Warum sollte man denn nicht Versuche anstellen, sie noch immer mehr zu verbessern? Es ist unbegreiflich, wie man die deutschen Buchstaben ganz verwerfenkann, da es doch eine wahre Unmöglichkeit seyn wird, sie auszurotten. Der Jugend wird es keine Erleichte-

rung: diese muß sie kennen lernen, oder man müßte

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alle guten, bisher mit unsern Lettern gedruckten Werke verbannen, oder umdrucken lassen ; welches sich nicht ausführen läßt.«

Jene neue einseitige Richtung, die glaubt, sich über alle Tradition hinwegsetzen zu können, ist be- günstigt worden von der rapiden Entwicklung, die Handel und Wirtschaft in den letzten Jahren nah- men. Einfach, knapp, schlagwortartig eindeutig, präzis und geschliffen, wie eine Maschine, ist diese neue Typographie und die Schrift, die sie bevorzugt, so recht geeignet, dem skrupellosen Geschäftsmann in seinem Verkehr mit aller Welt zu dienen. Aber auch durch wirtschaftliche Gesichtspunkte allein ist noch niemals eine kulturelle Wandlung bestimmt worden.

Ganz gewiß ist insofern wohl eine Wandlung des Schriftgefühls erfolgt, als mit der Abnahme der Schreibbetätigung das Einfließen neuer Formen aus der persönlichen Handschrift spärlicher wird und anderseits die größere Präzision der Herstellungs- möglichkeiten die Varietäten bei den Einzellettern einschränkt. Irrig aber ist es, solch zwangsläufige Entwicklung noch übersteigern zu wollen, von der Schrift der Zeit zu verlangen, daß sie einseitig den Stil der Maschine trage. Die Maschine ist nur ein verfeinertes Hilfsmittel, die Arbeit präziser, sorg- fältiger, für den Massenbedarf der Zeit geeigneter zu leisten. Es drückt sich, wie wir gesehen haben, in den Schriftschöpfungen der letzten dreißig Jahre der Geist der Zeit höchst charakteristisch aus: ihre Strenge und Herbheit, ihre auf Verallgemeinerung gerichtete Tendenz. Aber diese Zeit ist beseelt noch von andern Wünschen: den Wünschen nach Ent- spannung, nach Lebensleichtigkeit und schließlich immer wieder, wenn auch uneingestanden, nach Eigenart, Persönlichkeit und Menschlichkeit, die hier im Gegensinne von Maschinenhaftigkeit ge-

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meint ist. Das moderne Leben ist weit reicher, weit vielgestaltiger, als die neuen Propheten uns glauben machen wollen, die mit ihrer öden Prinzipienreiterei bald viel schönes, wertvolles Uberkommene zerstören werden. Gemauerte Prinzipien sind noch keine groBe Architektur, gehobelte Prinzipien noch nicht immer Möbel, gegossene und gesetzte Prinzipien noch lange keine gute Schrifttype, so vortrefflich sie auch ge-

mauert, gehobelt, gegossen und gesetzt sein mögen.

Von allen Schriftversuchen, die, losgelöst von der Uberlieferung nur aus den Arbeitsbedingungen der Gegenwart heraus unternommen wurden, ist zweifel- los die Arbeit Otto Eckmanns die genialste und doch hat sie sich gerade am schnellsten überlebt.

Es liegt nicht in der Aufgabe, die ich mir hier ge- stellt habe, über die augenblickliche Lage hinaus prophezeien zu wollen. Es sollte nur einmal der Be- stand nicht allein der Werkbestand, sondern der Bestand an wügbaren und unwägbaren Bedingungen für das Zustandekommen einer Schrift gesichtet werden. Und es mag einem jeden überlassen bleiben, seine Schlüsse daraus zu ziehen.

So betrachtet ist denn auch die Wandlung des Schriftgefühls etwas höchst Kennzeichnendes und für die Zeit Verräterisches. In ihr kann eine Grapho- logie höherer Ordnung den Gradmesser für geistige Strömungen finden, für den Charakter einer ganzen Periode, für ihre Kraft, ihre Triebe, ihre Strebungen ebenso wie für die Symptome ihrer Krankhaftigkeit.

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Sprachklang, Redekunſt und Schriftform

von Wilhelm Niemeyer⸗Hamburg

Sprachklang

Waltende Geſetze des Sprachklangs werden am deut⸗ lichſten im dichteriſchen Wort und in der geformten Rede hervortreten. In den Klaͤngen der Dichtung geſellen ſich aber zur natuͤrlichen Lautung der Sprache andere, hoͤhere Geſetze der Form, metriſche und muſikaliſche, ſo daß die der Sprache zunaͤchſt einwohnenden Klangformen in der Vortragsart der Redekunſt wohl am leichteſten faßlich ſein werden.

Naͤhern wir uns Fragen der Redekunſt von dem Aus⸗ gangsort einer Vergleichung der großen Sprachen Euro⸗ pas, ſo kommt bald zu Bewußtſein, daß der Begriff der geftalteten Rede überhaupt für die einzelnen Voͤlker ein ſehr verſchiedenes Gewicht hat. Die hoͤchſte Bedeutung als geiſtiges Mittel des Lebens hat die Rhetorik wohl fuͤr die Italiener, wo die Rede auf allen Gebieten muͤhelos und ſicher und bei faſt jedem Anlaß zur vollen Wucht, zum hohen Pathos ihres Weſens aufwaͤchſt. Es iſt nicht zufällig, daß der heute leitende Staatsmann Italiens, der Begruͤnder einer neuen italieniſchen Lebensordnung, auch der groͤßte Redner der Nation iſt.

Tauſcht man die Kennzeichnungen Wucht, Pathos mit denen hoͤchſter Ausdrucksklarheit und Ausdrucksſchaͤrfe bei ſchwebender Leichtigkeit und ſpielender Geiſtigkeit, ſo gilt es auch fuͤr die franzoͤſiſche gepflegte Beredſamkeit, daß ſie auf allen Lebensgebieten erſtes und wichtigſtes Mittel geiſtiger Wirkung iſt. Lehrſtuhl und Kanzel ſind nicht weniger ihr Ort wie Gerichts ſchranke, Bühne und Salon.

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Eine Scheidung der Gebiete geſchieht in England. Be⸗ reich hoher Redekunſt iſt hier recht eigentlich das Staats⸗ leben, dem die kirchliche Sprache eng angeſchloſſen iſt, mit der Wendung, daß hier die Rede um etwas mehr muſikaliſch geſtimmt iſt. Wiſſenſchaftlicher Vortrag und Rechtsrede bleiben der Alltags form des Geſpraͤchs etwas naͤher. |

Demgegenüber gibt es in Deutfchland nur für bie Kanzel, wo Nachwirkungen des getragenen Sprache klangs der Liturgie, wenn auch ſpaͤt und muͤde, immer⸗ hin noch lebendig ſind, eine zwar ſehr ſchwache und matte, doch eigene und durchgebildete Kunſtform der Rede. Da⸗ gegen kennen Hoͤrſaal und Volksverſammlung, Abgeord⸗ netenhaus und Geſellſchaftszimmer eine feſte Norm und Form der Rede uͤberhaupt nicht. Ganz gewiß wird an allen dieſen Orten immer wieder gut und lebendig, geiſtvoll und inhaltsſtark geſprochen, eine bewußt gepflegte, von Formabſichten getragene Redekunſt im Sinn der roma⸗ niſchen Nationen aber ift uns fremd. Dergleichen würde bei deutſchen Hoͤrern die Wirkung des Sprechens nicht etwa ſteigern, ſondern in Frage ſtellen. Redekunſt roma⸗ niſchen Gepraͤges iſt in Deutſchland eher verdaͤchtig als geſucht. Wir alle ſind uns einig in der Beſorgnis, daß bewußte Pflege des Redeklanges auf Koſten der Sache gehen koͤnnte, die uns eins iſt mit dem Rede⸗Inhalt. So iſt der Deutſche politiſch und wiſſenſchaftlich ausgeſpro⸗ chen ablehnend gegen rhetoriſche Sprachwirkung. Rheto⸗ rik iſt uns nicht Form, ſondern Abirrung vom Sinn. Dem gehoͤrt es zu, daß unter unſern geſchichtlichen Groß⸗

NIEMEYER-SPRACHKLANG, REDEKUNST UND SCHRIFTFORM

geftalten die mächtigen Redner fehlen, deren Reihe in Italien mit Petrarca und Cola di Rienzo anhebt und zu Muſſolini und d'Annunzio führt, in Frankreich von Boſſuet bis Briand laͤuft, in England ſo große Namen wie Burke, Pitt, Lloyd George umſchließt. Aber bei uns waren weder Prinz Eugen noch Friedrich, der Freiherr v. Stein oder Humboldt Staatsredner. Wohl haben wir auch die große politiſche Rede als Teil unſres Sprach⸗ tums, aber zu dieſer Geltung hat ſie eigentlich erſt der Druck gebracht. Bismarcks Staatsreden waren Meiſter⸗ werke der Gedankenfuͤhrung und politiſche Akte hoͤchſter Kraft, aber den Anhoͤrern haben ſie, mit leiſer, heller Stimme, oft ſtockend und immer klangſproͤde vorgetra⸗ gen, ihre Bedeutung kaum je voll erſchloſſen. Streſe⸗ mann hat als letzter Deutſcher große Wirkungen der Rede erreicht dank den Willenskraͤften und geſtaltenden Leiden⸗ ſchaften ſeines Staatsdenkens, aber eine uͤberhohe, blechern klingende Stimme diente nur eben dem Hoch⸗ ſchwung dieſes Denkens. Wie wenig deutſche Reden Kraftſchlaͤge des Augenblicks, wie ganz ſie ruhige Be⸗ finnung, uͤberſchauende Betrachtung, alfo mehr geoffen⸗ barte Denkſtille als Pathos des Klanges ſein wollen, erweiſt Rudolf Borchardts ſchoͤne Sammlung „Deutſche Denkreden“, mit den herrlichen Gedankenwerken, die wir Arndt und Fichte, Jakob Grimm und Ludwig Uhland verdanken. Bezeichnend fuͤr unſer Verhaͤltnis zu politiſcher Rhetorik war die deutſche Befremdung, Er⸗ bitterung, Verachtung bet der berühmten Rede d' Annun⸗ zios in Quarto 1915, die Italien zum Krieg gegen Oſter⸗ reich und Deutſchland fortriß, was in Italien moͤglich und durchaus im Volks ſinne war, da hier Redekunſt unb Sache ganz anders eng und innerlich eins ſind.

Solche ſo ſehr verſchiedene Einſtellungen zur Rede⸗ kunſt, wie ſie deutſches Leben gegen romaniſche Art auf⸗ weiſt, muͤſſen in einem weſensandern Verhaͤltnis zum Sprachklang uͤberhaupt ihre Wurzel haben.

Und das laͤßt ſich in der Tat aufweiſen. Romaniſche Rede hat ein Formgepraͤge, das deutſcher Sprachklang überhaupt und aus tiefſter Natur verbietet. Rhetoriſche Sprachgeſtaltung in den romaniſchen Laͤndern und auch in England, deſſen angelſaͤchſiſche Sprachgrundlage ſich ja der normaͤnniſch⸗franzoͤſiſchen Lautung weitgehend

angepaßt hat, ift auf einen ganz andern Sprachteil, Sprachwert, Sprachklang gebaut als die deutſche: nämlich auf eine ſelbſtaͤndige Melodik des Silbenlauft der Sprache. Romaniſch⸗britiſche Rethorik hat ihr Ge praͤge als Kunſt in einer ſelbſtaͤndigen Geſtaltung des Silbenklanges. Uns Deutſchen, die wir nur Worte als Einheiten des Klanges und Saͤtze als Wortklangbindun⸗ gen kennen, fehlt glatthin die Grundlage romaniſchen Redebegriffs: Sprachklang als Rhythmus geordneter Silbengefuͤge. Auch in ſich vollendete deutſche Rede ift darum von aller romaniſchen Redekunſt weſensverſchieden.

Es wuͤrde freilich ſchwer, ja kaum moͤglich ſein, andert als in unmittelbaren Klangvorfuͤhrungen durch geſpro⸗ chene Reden ſelbſt oder bewahrte auf den Tonplatten des Grammophons von dieſer Gegenſaͤtzlichkeit des Sprach⸗ lebens Beweis zu geben, wenn nicht die bekannte Tat⸗ ſache der Verſchiedenheit der Betonungsgeſetze in roma⸗ niſchem und germaniſchem Munde ſolche Abweichungen im Redeſtil ohne weiteres verſtaͤndlich machte.

Die deutſche Betonung iſt wurzelhaft, fie ruht ein für allemal auf der Stammſilbe, die ſie in lebhaftem Ein⸗ zelſchwung der Tonſtaͤrke heraushebt, herauswuchtet. Der romaniſche Akzent aber iſt frei beweglich, kann dar⸗ um jede Einzelſilbe des Satzgefuͤges treffen, ſetzt damit alfo voraus und ſchafft eine ganz andre Selbſtaͤndigkeit und Vollgeltung der Silbeneinheit als dem Grundwert des Sprachklanges uͤberhaupt. Die deutſche Betonung haͤlt ſich an den Urklang der Wortwurzel, dem ſie alle dem Ausdruck der Sinnbeziehung dienenden Bildunge⸗ ſilben unterſtellt, die romaniſchen Sprachen aber folgen mit der Betonung dieſem Bewegungsſpiel des Зе hungsausdrucks und heben damit die Vorwaltung des Stammklanges zugunſten des jeweiligen Beziehung? ſinnes auf, ſuchen uͤberhaupt durch klare Verlautbarung und feine Abtoͤnung des Vollklangs jeder Einzelſilbe all Grundklaͤnge der Sprache voll zu wahren unb [arf qu formen. Wandelt der Deutſche alſo ab: ich liebe, wir lieben, wir liebten, Geliebte, liebenswert, halt alfo imme dieſelbe Betonung feft, fo bewirken die romaniſchen Sprachen, wenn fie aus j’aime, nous aimons, j'aimerai, nous sommes aimés, aus io amo, io amero, sono amato werben laffen, daß Datt des Urwertes des Begriffes bi

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augenblicklichen Beſtimmungszuͤge aus Zahl, Zeit und Beziehung in der Klangbewegung die Herrſchaft behal⸗ ten. In dieſem einfachen Umſtand der Betonung der Be⸗ ziehungsſilben ſtatt der Wurzelſilbe liegen alle Abwei⸗ chungen der romaniſchen Rede von der deutſchen als im innerſten Keime befchloffen.

Durch ein bewundernswert feines Spiel der Klang⸗ abſtufungen gibt der franzoͤſiſche Mund, durch Schaͤrfe und Fuͤlle des Stakkato der Silbenreihen der italieniſche, beide alſo durch Beſonderheit der Einzelertoͤnung einer jeden Silbe volles Eigenleben. Das Wunder der Sprache wird hier als eine Schoͤpfung des menſchlichen Denkens gefuͤhlt und gefeiert. Daß der Geiſt ſeine Regungen mit allen Zartheiten der Zeichnung und Faͤrbung im Sprechen als Klangſpiel nach außen werfen und ſinnlich machen kann, das iſt hier Stolz und Gluͤck der menſchlichen Rede⸗ kraft. Die immer neue, immer lebendige Tat des Den⸗ kens ſelbſt trägt fich in freudiger Bewußtheit vor.

Der deutſche Geiſt aber geht nicht ſo ſehr auf den leben⸗ digen Akt des Denkens, als auf die im Wort ergriffe⸗ nen, gebannten, bewahrten und verdichteten Gehalte des Seins, auf die gefeſteten Vorſtellungen, die in den Wor⸗ ten liegen, und erfuͤhlt lauſchend die Tiefe, die Sinn⸗ fuͤlle, den Weltatem der Wortgebilde. Darum wurde hier die der Urſchauung entſpringende Wurzel des Wortes, wie ſie die Vorſtellung traͤgt, als Weſenheit des Klanges begriffen und durch den feſten Ton zu ruhiger Staͤte ihrer Seinsanſage emporgewoͤlbt. Romaniſche Sprachen ſind geiſthaft, germaniſche ſeinshaft.

Redekunſt

Ein unter uns Deutſchen gut bekannter Fall hoher frangöfifcher Sprachgeiſtigkeit ift die Vortragskunſt der großen Diſeuſe Yvette Guilbert. Muſikaliſche und dra⸗ matiſche Steigerung des Sprachklangs ſind hier auf der Ebene einer funkelnden Sprachmimik verſchmolzen. So glänzt hier der innerſte Geiſt franzoͤſiſchen Sprachtons. Menſchlicher Mund wird zu einem wunderbaren Inſtru⸗ ment der Klangſchoͤpfung. In gleicher Bedeutſamkeit aber leben fuͤr dieſe Sprachkunſt Silben als Hauche und Silben als Schreie. Die hellen jaͤhen E des Franzoͤſiſchen,

ein méme, ein fête, fie gellen förmlich, die pompoͤſen oi, wie rollen ſie, ein oui, wie iſt es ein Ziſchen oder Peit⸗ ſchen, Liebkoſen oder Spotten. Die uns Deutſchen ſo fremdartigen Naſalklaͤnge, welchen ſchimmernden Me⸗ tallglanz geben ſie, drohend, bebend, ſchleichend, hoͤh⸗ niſch, gebieteriſch, dem Wort! Hier leben Klaͤnge aus der Welt der Clairons, der Harfen, der Trommeln. Wie un⸗ bedingt iſt aber hier deutlich, daß nur in ſchaͤrfſt gezeich⸗ neter Silbenbetonung ſolche immer neuen, immer blitzen⸗ den Wirkungen des Lautes moͤglich ſind. Ein Refrain wie „mon doux ami“, wie kann er bei jeder Wiederkehr durch andre Spruͤhung der Einzelſilben andre Faͤrbung emp⸗ fangen, um Spott, Hohn, Haß oder Gleichguͤltigkeit zu ſagen! Es ſind immer kurze, knapp geſchloſſene, von einem ſicheren Atemſtoß getragene und von ihm be⸗ grenzte Silbenreihen, die ſolches Vollſpiel der Klang⸗ gliederung erlauben. Gerade weil der franzoͤſiſche Ak⸗ zent zunaͤchſt wenig beſtimmt iſt, vom Wort aus nie ſtark und feſt ausgeſpielt wird, weil er in einer faſt gleich⸗ maͤßigen leichten Kraft uͤber den Silben gleitet und ſchwebt, kann fuͤr einen Sinnaugenblick jede Silbe als hoͤchſter gefuͤhlſagender Klang auffunkeln.

Dieſe Sprechkunſt, wie ſie eine große Kuͤnſtlerin zu allen Völkern trägt, ift aber überhaupt franzoͤſiſcher Sprachgeiſt. Sie iſt ſeit Jahrhunderten Ruhm und Ehr⸗ geiz des franzöfifchen Theaters, aber auch für die ge⸗ lehrte und die politiſche Rede ift die Comédie francaise hohe Schulung und Vorbild. Gemeinſam iſt aller dieſer Spracharbeit die Geltung des Silbenklanges, in dem das Bewußtſein der Sprecher und Hoͤrer ſich wiegt. Der Red⸗ ner liebt und liebkoſt die Silbe als die Grundeinheit aller Ertoͤnung der Sprache und bringt ſie zum Aufglanz, wie der Maler die kleinſten und feinſten Farbheiten, mit denen er das Bild baut, durch lebendig fuͤhlbaren Pinſel⸗ ſchlag zu vollſter Auswirkung zu bringen ſtrebt.

Belehrung uͤber italieniſche Sprachkunſt kann uns in aͤhnlicher Weiſe eine andre große Meiſterin des Wortes geben. Viele Deutſche werden noch den Klang im Ohr haben, den Eleonora Duſe den Anfangsworten der „Gioconda“ von d' Annunzia gab: „per aver sempre tenuta una speranza, io posso oggi benedirre la vita“. Da waren dieſe zwoͤlf Worte klar in drei Klangfolgen

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gegliedert, mit Halten nad) speranza unb oggi, unb diefe Spracheinheiten waren von bem wohllautendſten Munde der Zeit als geſchloſſene Silbenrhythmen geftaltet: jede Einzelſilbe ein Schimmerhauch beſonderer Toͤnung und ihr Hinfluß die Glanzbrechung einer graudunklen Per⸗ lenkette, mit der die Hand einer ſinnenden Frau traͤume⸗ riſch⸗bange ſpielt.

Dies Geſetz der Klangzerlegung in Silbengruppen iſt aber auch vernehmbar, wenn man als Zuhoͤrer im House of Parliament auf engliſche politiſche Redeweiſe achtet. Auch der engliſche Mund ſetzt in der geformten Rede Silbe gegen Silbe. Das iſt ihm moͤglich, obwohl die Sprache in ihrem germaniſchen Teil auf die feſte Wurzel⸗ betonung gegrünbet tft, weil die Beimiſchung der ſilben⸗ haften romaniſchen Worte, welche die normanniſche Er⸗ oberung brachte, auch auf die geſchichtliche Umbildung der angelſaͤchſiſchen Worte einwirkte, in dem Sinn, daß der Abfall der meiſten alten grammatiſchen Bildungs⸗ laute im Lauf des Jahrtauſends eine ſehr große Anzahl der Woͤrter einſilbig gemacht hat. Es waltet danach im engliſchen Sprachklang eine eigentuͤmliche und frucht⸗ bare Spannung zwiſchen der geradezu maͤchtigen Silben⸗ klangwucht der germaniſchen Einſilbworte und der im engliſchen Munde locker und weich gewordenen Silben⸗ folgen der romaniſchen Sprachbeſtandteile. Und ſo baut denn jeder engliſche Sprecher im House of Communs wie auf der Kanzel ſeinen Redegang aus kurzen, abgeſetzten Silbengruppen. Ziele Redeftúcte find uͤberraſchend haus fig ganz kurz, drei⸗ bis fuͤnfſilbig. Sie werden in ſich meiſt nur wenig abgetoͤnt, haben nur eine Tonſilbe, die ſchwach hervortritt. Die Kunſt engliſcher Rhetorik geht nun darauf, die Folge dieſer Redeſtuͤcke zu lebendiger Rhythmik der Redebewegung zu fuͤhren. Und hier erzielt die engliſche Rede ſelbſt bei ruhig behaglichem Vortrag uͤberraſchende Mannigfaltigkeit. Aus ſchlicht wiederholtem Gleichgang dieſer Silbengruppen und überrafchenden Gegenklaͤngen bauen ſich hoͤhere Einheiten der Klang⸗ rechnung auf. Da ſchwingen etwa fünf, ſechs ſolcher Silbenphraſen Täffige einfach aus, aber ein Schlußglied ſpringt gewichtig oder heiter aus der Reihe hervor. Oder auch es ftellen fid) gegen eine Gruppenreihe die folgenden Reihen in gehelltem oder gedunkeltem Klang auf eine

andre Ebene der Tonhoͤhe, und die Rede ſchwebt zwiſchen dieſen Tonflaͤchen auf und ab. Beliebteſte Wirkung iff die humoriſtiſche Spitze, in der eine ganze Periode ſtetig hinrinnender Argumente wie in einen klingenden Ham⸗ merſchlag austint.

Sehr belehrend über das rhetoriſche Sprachgeſetz der Silbenſprechung iſt auch die engliſche Predigt. Der Vor⸗ trag iſt hell, klar, eindringlich langſam. Die Zahl der dem Ohr auf einmal gegebenen Silben tjt reng bemeffen, jeder Einzelklang wird voll ausgelegt. So fallen die Sil: bengefuͤge beſtimmt und klar zu den Hoͤrern nieder. Cod give you the pace: fuͤnf reine Silben in einfachem Gleichklang zu einem freudig hellen Geſamtklang ge⸗ baut! Selbſt ein gewichtiges Einzelwort wie christi- anity (cris-ti-äni-ty) zerlegt fid) in vier Silbenklaͤnge. Der getragene Ton einer Silbengruppe wie: Dsche-sös mai hop, in Weſtminſter erhallend, hat eine merkwürdig bannende Kraft religioͤſer Eindringlichkeit, dank dieſer Zerlegung in ſchwingende Einzelklaͤnge.

Im ganzen allerdings ſteht die engliſche Rede in ihrer ruhigen Melodik von dem funkelnden Farbengeſpruͤhe und der blitzenden Metallkraft der franzoͤſiſchen Spred: kunſt und von der großen, hart meißelnden Klangplaſtit der italieniſchen weit ab. Ihre vielen Miſchkonſonanten bringen eine fließende Bewegung, der die vielen did), ſch und ſ einen Klang des Ziſchens und Wehens geben. Wir fühlen eine Sprache, die in einer Welt der Waſſer und Winde lebt unb ihr zutoͤnt. Lauſcht man nur auf ihre Silbenmelodik, fo hört man einen Anklang an Wind in Tauen und Wind auf Wieſen, einen Mitton von Bad: gerieſel und weich⸗ſchweren Wogenſchlag von Wellen am Geſtade und vom Sturm um Klippen. Aber darin ift die Sprache den romaniſchen im Redeklang gleich geartet, daß die Einzelſilben dies Klangweſen tragen und tönen, und ſo ſeine ſatte Hoͤrbarkeit machen.

Letzter Urſprung dieſer rhetoriſchen Silbenordnung in ben romaniſchen Sprachen und in der romaniſierten eng? lifen ift die Silbenrhythmik des Lateiniſchen. Der d miſche Redeklang iſt der Urſchoß dieſer neueren Rhetorik. Freilich ift der antike, mit ben ſchaͤrfſten Bemeſſungen der Klanggewichte rechnende Redebegriff des Forum und des Caſtrum fuͤr uns unvorſtellbar. Aber wir dürfe

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Zens pa

TELTIS

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denken, daß das Quo usque tandem abutere patientia nostra eine Strenge unb einen Reichtum des Silben: halles hat laut werden laſſen, die es verſtaͤndlich machen, daß Rhetorik in der antiken Welt eine Kunſt war, die als ebenbuͤrtige Schweſter neben der Poeſie ſtand. Solche im eigentlichen Sinn rhetoriſche Klangwirkun⸗ gen ſind nun der deutſchen Rede durch ihren abweichen⸗ den Sprachbau verſagt. Silbiſcher Vortrag iſt hier un⸗ moͤglich, weil Ausgang und Gehalt des Klanglebens aller Rede das deutſche Langwort iſt, das aus der Stammſilbe mit ihrem feſten Ton und den ihr unter⸗ geordneten Anſilben erwaͤchſt. Im Gegenſatz zur eng⸗ liſchen Entwicklung, wo dieſe die Satzbeziehungen aus⸗ ſagenden Beiſilben meiſt verſtummt ſind, nur noch in der Schreibung, nicht im Klang vorhanden, iſt im Deut⸗ ſchen der Laut dieſer Nebenſilben zwar geſchwaͤcht wor⸗ den, aber lebendig gewahrt geblieben. Darum herrſcht gegenuͤber der Gleichordnung der Silben in den roma⸗ niſchen Sprachen bei uns Unterordnung der Anſilben unter die Stammſilbe: geliebt, bewaͤſſert, Verbruͤderung. Dieſe Unterordnung bedeutet aber zugleich Untrennbar⸗ keit im Sprachgang. Das Wort mit dem Hauptton und den Nebenklaͤngen muß als Einheit eines geſchloſſenen Ganzen ertónen, um überhaupt finnvoll vernommen zu werden. Wort iſt immer Klangballung um den Hochton. Die Anſilben ſind kurz und ſchwach, ſie ertragen keine Eigenbetonung. In der weitaus groͤßten Zahl der Bil⸗ dungen haben diefe Nebenſilben den ſchwachen E⸗Laut: verlaſſen, Geluͤbde, Bekenner. Eine Verſelbſtaͤndigung dieſer E⸗Silben wäre undenkbar. Aber auch die J⸗Silbe in heftig, lieblich, maleriſch, Wagnis duldet, obwohl klanglich etwas ſtaͤrker, keine Abloͤſung zu Eigenklang. Ein feinſinniger Sprachforſcher, Heinrich Ruͤckert, des Dichters Sohn, hat dieſen E⸗Laut, der dem Schwa des Hebraͤiſchen gleicht, wenn er auch ſehr viel mehr wirk⸗ licher Vokal iſt, einen „Schattenlaut“ genannt, der die Vollfarben der Stammvokale immerfort umſpielt, ab⸗ tönt, mildert oder ſtaͤrkt, vorbereitet oder verklingen läßt. Hier hat das Deutſche ſeine Sprachmuſik: in dieſem dau⸗ ernden Wechſel von Hochſpannung und Milderung des Tons innerhalb der Worteinheit, in dieſem ſchwebenden Gefuͤge aus Farbe, Halbſchatten und Schatten des Klan⸗

ges. Man ſpreche etwa nur die beiden erſten Verſe von Goethes „Iphigenie“: Heraus in eure Schatten, rege Wipfel, des alten heiligen dichtbelaubten Hains... Bis auf das Wort Hains iſt hier keines ohne den begleitenden Schattenlaut des dumpfen E.

Fuͤr den Sprachgang bedeutet dieſe Umhegung des Stammlautes eine unregelmaͤßige und ſpringende Klang⸗ fuͤgung, die von dem gleichmaͤßigen Stakkato des Ita⸗ lieniſchen, der ſchwebenden Einheitlichkeit der franzoͤſi⸗ ſchen Satzbetonung und der behaglichen Gelaſſenheit des engliſchen Klanges weit abſteht. Die Betonungen in dem bekannten Bismarckwort: „Wir Deutſche fuͤrchten Gott und ſonſt nichts auf der Welt“ liegen als Klanggipfel auf den beiden Worten Gott und nichts, und ſpringen hier jaͤh heraus. Es gilt fuͤr die deutſche Proſarede noch heute der ſtoßweis hochſchwingende und ablaſſende, un⸗ regelmaͤßig kommende, laͤngere Zwiſchenſtuͤcke uͤberflie⸗ gende, im Hauptton ſtark gegipfelte Sprachklang, der im alten Stabreim ſeine dichteriſche Geſtaltung und Weihe gefunden hat.

überhaupt aber hat die deutſche Klangart Schoͤnheit, Fuͤlle und Macht reiner Ausgeſtaltung nur in der dichte⸗ riſchen Form gefunden. Denn in der Bindung der Schat⸗ tenvokale an die Vollvokale liegt eine durchaus muſika⸗ liſche Geſetzlichkeit. Während die romaniſchen Silben⸗ folgen vor allem dem Rhythmus leben und deſſen Macht atmen, waltet im Deutſchen ein dem Verhaͤltnis von Melodie und begleitender Harmonie verwandter Zuſam⸗ menklang der Sprachteile.

Dieſe immerwaͤhrende Abſtandsordnung von Haupt⸗ wert und Nebenwert des Sinnes wie des Klanges deutet überhaupt auf das innerſte Weſen des deutſchen Sprach⸗ lebens. Iſt die romaniſche Klangwelt gleichſam Vergei⸗ ſtigung ſinnlicher, ſtofflicher, plaſtiſcher Klangbegriffe, ſo iſt die deutſche Lautung mit ihren weiten Abſtaͤnden der Klangwerte gewiſſermaßen Widerklang und Abſchein raumhafter Anſchauung: geſchwungen, luftig, weit, gleichſam gefluͤgelt. Einer ſo erhaben ausgeſpannten Fernenbannung, Weltraumbannung, Lichtraumbannung wie Goethes Diwanverſe ſie geben: „Denn ich weiß, du liebſt das Droben, Das Unendliche zu ſchauen, Wie ſie

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fich einander loben, Jene Feuer in dem Blauen“ ift keine außer der deutſchen Sprache faͤhig.

Weil es alſo Weſensart der deutſchen Sprache iſt, ihre Klangſchoͤnheit erſt in dichteriſcher Erhebung ganz zu offenbaren, iſt ſie bewußter und berechneter Klangfuͤh⸗ rung in der Proſarede abgeneigt. Fuͤr die Silbenrhyth⸗ mik, die das Geheimnis und Gepraͤge romaniſcher Rede iſt, fehlt ihr der Raum. Wo ſie nicht dichteriſche Muſik wird, iſt ſie notwendig Alltagsklang, Geſpraͤchsklang, ganz auf den Inhalt gerichtet. Darum iſt die deutſche Rede gar nicht geſetzmaͤßige Klanganlage in ſich, wie die romaniſche, ſondern eine ſehr laute Unterhaltung mit einem vielkoͤpfigen, aber als Einheit eines perſoͤnlichen Weſens gedachten Geſpraͤchsgegner, indes romaniſche Art eine ſolche Scheidung nicht fuͤhlt, vielmehr Redner und Hoͤrer hier eine einzige geiſtige Perſon ſind, die ſich in der Kunſtform des Sprechens darſtellt. Deutſche Rede⸗ wirkung, die es natuͤrlich groß und edel gibt, kommt ganz und gar aus dem Gedankenſtrom und Gedankenſturm, wobei die Saͤtze ihren Klang als bloßes Mittel der Ver⸗ lautbarung ohne beſondere Ausgeſtaltung tragen, und die Gedanken von dieſer natuͤrlichen Wirklichkeit der Sprachform ſich tragen laſſen.

Schriftform

Der Gegenſatz von ſilbenhaftem und worthaftem Sprachklang, mit dem romaniſche Rhetorik ſich gegen deutſche Redeweiſe ſtellt, hat nun eine merkwuͤrdige, in derſelben Geſetzlichkeit wurzelnde Begleitung, einen noch⸗ maligen formalen Ausdruck geradezu, in dem Geſtalt⸗ unterſchied von romaniſcher und deutſcher Schrift, von Antiqua und Gotik⸗Fraktur. Denn die Lateinſchrift der Antiqua, die alle Voͤlker der ſilbiſchen Redemelodik ge⸗ brauchen, iſt in ihrer Form Darſtellung des Silbenbildes der Laute; die Fraktur als Erbin und Wahrerin des goti⸗ ſchen Formwandels der Schrift hat ihr Weſen darin, durch die gebrochenen, darum enger aneinander haften⸗ den Zeichen unmittelbare Darſtellung der Ganzheit des Wortbildes zu ſein.

Dieſe Faͤhigkeit des Schriftgefuͤges, Worte als Blick⸗ einheiten des Letternzuſammenhanges zu geſtalten, iſt

das reife, letzte Ergebnis der Zeiten der Schreibſchrift und das Ziel der mittelalterlichen Schriftentwicklung geweſen, die damit den Vorgang europaͤiſcher Schrifterfindung abſchloß.

Zu Beginn der Geſchichte unfrer Schriftformen ftellen die Zeichen uͤberhaupt noch nicht die Laute des Mundes, nicht den Namen der Dinge, ſondern als verwitterte Ab⸗ kuͤrzungen alter Bildſchrift die gemeinten Vorſtellungen unmittelbar dar. Der Lautklang des Wortes wird zu die⸗ ſer Andeutung des Begriffes hinzugedacht, doch nicht ſelbſt voll im Zeichengefuͤge verkoͤrpert. Denn es fehlt dieſen Urformen unſrer Schrift, den kleinaſiatiſchen, die als phoͤniziſche Semata zu den Griechen kamen, der wid: tigſte Klangwert der Lautung nach voͤllig: der Vokal. Indem die Griechen ſemitiſche Hauchzeichen, die fuͤr ihre Sprache uͤberfluͤſſig waren, zur Darſtellung der dem Hauchklang verwandten Selbſtlauter verwandten, er⸗ fuͤllten ſie erſt den Drang dieſer Schriftzeichen, Abbilder aller Laute zu ſein, und vollendeten den abendlaͤndiſchen Stil der Schrift. Aber alle Antike iſt mit griechiſchen Lapidaren, roͤmiſchen Kapitalen, helleniſtiſchen Unzialen lediglich Einzellaut⸗Verſinnlichung. Die Seheinheit eines Einzelzeichens entſpricht der Hoͤreinheit eines Einzellau⸗ tes. Und immer nur ein einziges, höͤchſtens zwei oder drei ſich folgende Zeichen, wie ſie gleich groß, gleich ſchwer, gleich linienmaͤchtig und formſtark, alle Erfüllung eines gleichen Flaͤchenquadrats ſich reihen, werden vom Auge

mit einem Blick umfaßt. Laut um Laut alſo wird im

Schriftbild dargeſtellt, darum gab es noch feine orte trennung, die erſt in ſpaͤten roͤmiſchen Inſchriften als Punktung auftaucht. Die heutige ruſſiſche Schrift, Erbe aus Byzanz, Anpaſſung der griechiſchen Unziale an flo: wiſchen Klang, ſteht noch jetzt auf der Stufe dieſer anti fen Lautreihung, nur daß fie bie Wörtertrennung ein geführt hat, die aber nicht Wortformen ergibt, fondern nur die dem Wort zugehörigen Zeichenreihen aus dem ſtetigen Fluß der gleich hohen und gleich ſchweren Grof: formen äußerlich herausſchneidet, wie das auch bie fpi ten altchriſtlichen Unzialhandſchriften ſchon tun.

Da bringt nun die karolingiſche Minuskel, die geniale Schriftſchoͤpfung des zu ſich aufſteigenden germaniſch⸗ romaniſchen Abendlandes, den neuen und großen Schrift

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gedanken der Schaffung von Silbeneinheiten im Schrift⸗ bild. Die Großformen der Unziale, die nur nebeneinander ſtehen, nie formal zu Einheitsgruppen verſchmelzen koͤn⸗ nen, werden als Minuskeln durch Einfuͤhrung von Ober⸗ laͤngen und Unterlaͤngen, ſodann durch einen rhythmi⸗ ſchen Wechſel von Gradſtrecken und Bogenſtuͤcken gebro⸗ chen und werden ſo einer engeren Blickbindung faͤhig. In der gleichen Zeit, in der das Auge die antike Monu⸗ mentalgeſtalt eines einzelnen Lautzeichens, allenfalls eine Folge von zwei, drei, aber als reines Nebeneinander aufnahm, in dieſer kleinſten Leſezeit von einer Tauſend⸗ ſtelſekunde, die von der Wiſſenſchaft die Zeit Sigma genannt wird, kann nun eine Mehrheit von Minuskel⸗ zeichen als einheitliche Geſamtform mit einemmal auf⸗ genommen werden, da die Zeichen in ihrem Ausſchlag zu Ober⸗ und Unterlaͤngen, zu Geraden und Kurven ein inneres geſchloſſenes Wechſelſpiel der Teile, eine Form⸗ bindung empfangen und ſo zu Gruppenformen ver⸗ ſchmelzen, die das Auge ſofort erfaßt.

Nun ergibt es ſich aus dem Aufbau der Sprachſilben, wo um einen Vokal als Mitte oder als Endlaut mehrere Konſonanten gruppiert ſind, die mit dem Vokal den Silbenklang machen, daß dieſe Lautbindungen auch die Zeichenbindungen, Zeichengruppen ergeben, die als Ein⸗ heiten ins Auge gehen. Die Schrift wird alſo Silben⸗ darſtellung, was eine ganz neue Leichtigkeit und Schnellig⸗ keit des Leſens bedeutet, wie man lebhaft empfindet, wenn man die vollformigen, ungegliederten archaiſchen Großunzialen des Ruſſiſchen heute zu leſen hat.

Erwachſen iſt die karolingiſche Silbenſchrift am Latein, das ſeinem Sprachbau nach ja auch in der Tat groß⸗ artigſte Form der Silbenrhythmik iſt. Aber auch der alte Sprachzuſtand des Gotiſchen, Althochdeutſchen und Angelſaͤchſiſchen in dieſer Zeit iſt maͤchtige Reihung ein⸗ zelner ſchwerer Vollſilben.

Zu Beginn des gotiſchen Zeitalters, um 1150, kommt nun ein neuer Schriftwandel, deſſen Sinn bisher nicht erkannt worden iſt. Dieſe neue und noch feinere Zer⸗ gliederung der Zeichen, die alle Bogen zu Strecken win⸗ keln bricht, die Geſtalten dadurch leichter, ſchmiegſamer, einheitlicher macht, faͤhig, ſich enger zu binden, dichter aneinander zu ſchließen, die damit den herrlichen, voll⸗

ſtarken Rhythmus des Gegenſpiels von Graden und Kreisteilen in der aͤlteren Schriftart zugunſten fluͤſſiger Gleichmaͤßigkeit aufhebt. Dieſe gotiſche Brechung macht es nun möglich, in bie Цене Blickzeit des Lefens mehr Zeichen als nur die einer Silbengruppe hineinzugeben. Es fuͤgen ſich nunmehr die ganzen Woͤrter zu Blickein⸗ heiten, Leſeeinheiten im Raum der Zeit Sigma zuſam⸗ men. Damit iſt das Schriftbild von der antiken Laut⸗ angabe uͤber die fruͤhmittelalterliche Silbenangabe zur vollen Wortangabe fortgeſchritten.

Der Vorgang hat ſein Ebenbild in der gotiſchen Raumgeſtaltung, wo der großwuchtige Schritt der von geſchloſſenen Pfeilern ſchwer hingetragenen Einzeljoche des flaͤchenwoͤlbigen romaniſchen Doms in der Gotik zum leichtgliederigen, ſchnell ſchwingenden Jochfluß der aus Dienſtbuͤndeln emporſtrahlenden Spitzbogengewoͤlbe der Kathedralen mit ihren ineinanderrinnenden Kreuz⸗ rippengittern verwandelt wird, ſo daß der Tiefengang des gotiſchen Kirchenſchiffes ſich in dieſem zuſammen⸗ gedraͤngten Linienſpiel als eine vom Blick mit einemmal erfaßbare Einheitsform dem Gefuͤhl dargibt.

Dieſer Vorgang des Formbruchs in Bau und Schrift iſt anderſeits in bedeutſamer Weiſe einem Sprachbruch, Klangbruch bei den fuͤhrenden Voͤlkern des Mittelalters geſchwiſtert. Die neue gotiſche Schrift iſt nicht ſo ſehr am Latein, der altfeierlichen ſilbiſchen Kirchenſprache, ſon⸗ dern an den neuen Volksſprachen entwickelt worden. Dieſe Sprachen aber ſind alle auf dem Weg einer Zu⸗ ſammendraͤngung des alten vielgliederigen ſilbenhaften Wortes zu kurzem, knappem, leichtem Wortklang ent⸗ ſtanden. „Formzerruͤttung“ nach der Ausdrucksweiſe der Philologie, Wortrhythmik aus Silbenrhythmik, wie man den Vorgang wohl mit tieferem Begriffe faßt, Silben⸗ abfall und ⸗ausfall, Ballung um den Grundklang hat aus dem weſtlichen Galloroͤmiſch das Altfranzoͤſiſche werden laſſen, indem primum tempus = printems, directus = droit, digitus = doigt, femina = femme wurde, aus bem füdlichen Vulgärlatein das italieniſche, wo Mediolanum nun Milano, diurnum giorno, frigidus freddo, domina donna lautet. Gleiches Verhaͤltnis zur angelſaͤchſiſchen ſilbenvollen Ausgangs form haben die altengliſchen Woͤrter, die um 1200 da ſind: sawel fuͤr

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sawol, lafdy für hlaefdige, aither für aeghwaeder. Und ganz fo wird aus altdeutſch miluk milk, michilo michel, worolti мегі, gihorta gehört. Ziele Klangzuſammen⸗ draͤngung der Sprache) ift formal durchaus das gleiche wie die Zeichenverſchmelzung der gotiſchen Bruchſchrift. Beide Vorgaͤnge ſind Geburten aus einem Schoß geiſtigen Wandels.

Treibende Urſache des Sprachſchickſals war wohl die mit der weiten Einſtroͤmung germaniſchen Blutes in Europa gleichmaͤßig gegebene Einwirkung der germani⸗ ſchen, feſten Stammbetonung. Denn auch in den ver⸗ kuͤrzten franzoͤſiſchen und italieniſchen Worten iſt es zu⸗ naͤchſt, allerdings nur fuͤr die gotiſche Stilzeit, der Sinn des neuen Klanges, daß ſich die verkuͤrzten, zuſammen⸗ gedraͤngten Lautgefuͤge um einen Hauptton ballen: di-gi- tus = doigt. Darum gehört gotiſche Schrift allen euros paͤiſchen Völkern der Epoche als gemeinſames, аф: gefordertes Formgut zu.

Dieſe Einheit der Bewegung um das Jahr 1200 iſt aber um das Jahr 1500 wieder in Sonderbahnen aus⸗ einandergetreten. Die Sprachzuſammendraͤngung iſt wet: tergegangen, fie wirkt fich im Franzoͤſiſchen und Eng: liſchen als Verſtummung der Endlaute aus. Printemps lautet nun erft praé tá, doigt = doa. Das hat ben Gr folg, daß auf neuer Ebene die romaniſchen Sprachen wieder ſilbenhaft werden.

Dieſe eingeborene, ſilbengetragene Klanggeſetzlichkeit kam am fruͤheſten dem italieniſchen Geiſt zum Bewußt⸗ ſein, da die Sprache hier im gotiſchen Sprachbruch ſich am wenigſten von der lateiniſchen Grundlage entfernt hatte. Mit ſicherem Gefuͤhl greift darum die beginnende Renaiſſance, von Petrarca gefuͤhrt, auf die Silbenſchrift des lateiniſchen Mittelalters zuruͤck, und die karolingiſche Minuskel lebt als Humaniſtenhandſchrift wieder auf, um im Druck dann zur Antiqua zu werden. Frankreich folgt in der Zeit Franz I., wo das neue Franzoͤſiſch ge: ` ei Ausführliche Erörterungen über diefe Vorgänge der Sprach” geſchichte und eingehende Darlegungen der Einzelakte der Schrift: geſchichte, die hier nur eben angedeutet werden, liegen vor in meinen Beiträgen zu den Schriftunterſuchungen der „Deutſchen Akademie zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung und zur pflege des Deutſchtums“, „Mitteilungen der Deutſchen Akademie“: 1927 „Sprachbau und

Schrift“ unb 1929 „Das Frakturgebot der deutſchen Sprache“, Manchen, Oldenbourg, auf die ich verweiſen muß. Der Verfaſſer.

reift iſt, dem Beiſpiel der romaniſchen Schweſter. In England kommt der Vorgang der inneren Romaniſie⸗ rung der Sprache in Durchführung der Silbenrhythmik erſt um 1600 mit der Renaiſſancedichtung der Sidney und Spenſer zum Ziel. Seitdem it die Schrift Ида Sprachen die Antiqua.

Die deutſche Sprache anderſeits folgte dem für fie gle tigen Klanggeſetz, indem ſie die Lautform der feſten Bin⸗ dung von Silben zum Wort noch voller herausbildete, in Vollendung des Weges, der von der Sprache des Hildebrandliedes zu der des Parzival gefuͤhrt hatte. бо entſteht ſeit dem 14. Jahrhundert allmaͤhlich die neue hochdeutſche Lautgeſtalt. Das Beſondere dieſer Sprache, wie ſie vom „Ackermann aus Boͤhmen“ des Johann v. Saaz bis zur Bibeluͤbertragung Luthers reift, ift eine gegen die Toͤnung des Deutſch der Minneſaͤngerzeit, die hell, fein und klingend war, gedunkelte und gefattete Klangform des betonten Wortſtammes. Die lichten und milden Vokale der Gotik, die lieblich ſpielenden Doppel⸗ laute wie по, ü&, i& werden zu den ſchweren Langlauten u, ü, i vereinfacht, die kurzen a und e werden vielfach zu Laͤngen, das volle i wird zu ei ausgebreitet. Und dieſe wuchtigen Mittellaute werden nun getragen und geftüt einmal von den Konſonanten, die in dem mehrſilbigen Urwort gegeben waren und infolge der Wortkuͤrzung nun in unmittelbare Beruͤhrung treten: birika = Birke, weis ter von den kurzen Bildungsſilben, Nebenſilben mit dem dumpfen E, an denen die Sprache feſthaͤlt im Gegenfat zum Engliſchen, das im Bann der eingefloſſenen roma: niſchen Mitklaͤnge die Einheit beider Sprachwerte durch ſchafft, daß es bie germaniſchen Worte weithin eins ſilbig werden (dft, alfo in die Silbenrhythmik feines lateiniſchen Spracherbes aufnimmt. Im Deutſchen ober werden auch die einſilbigen Wörter, die im Engliſchen im grammatiſchen Wandel meiſt einſilbig bleiben, time= times, bei dieſen Sprachbewegungen wieder mehrſilbig: Zeit = Zeiten. So ift das Weſenszeichen des deutſchen Sprachklangs „das reiche Langwort“. Aus ſtarkem und buntem Mittelklang, der beiderſeits von Konſonanten umbaut ift, und aus dunkelweichen Mitſilben als Unhub oder Ausklang baut fich fein geſchloſſenes feſtes taub gefüge auf.

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NIEMEYER- -SPRACHKLANG, REDEKUNST UND SCHRIFTFORM PR EE

Dieſem Sprachbau war und НЕ als Schriftausdruck allein die gotiſche Art gemaͤß, die ſich ja zur Darſtel⸗ lung des gedraͤngten und geballten Wortes geſchaffen hatte. Nur die knappen und ſteilen, eng geſchloſſenen und dicht gefuͤgten, in ſich zur ſchnellſten und leben⸗ digſten Blickfuͤllung gedraͤngten Bruchſchriftzeichen ſind im Einklang mit der Natur dieſes deutſchen weſenhaft unſilbiſchen Wortes, deſſen gliederreiche, einheitliche

Klangvielheit ein gliederzartes Schriftbild fordert, das

dieſe Vielheit nicht ſchwer und laſtend macht. Das leiſtete allein der gotiſche Schriftgedanke, dem darum der deutſche Geiſt nach tiefer innerer Geſetzlichkeit treu blieb. Die go⸗ tiſche Schreibung, wie ſie im 15. Jahrhundert zur reifen Form der ganze Buchſtabengruppen in einem Schreibzug verbindenden ſpaͤtgotiſchen „Schwingſchrift“ ſich fortent⸗ wickelt hatte, wurde darum in der Fruͤhzeit des Druckes unter Einwirkung der fruͤhgotiſchen Handſchriften in einer hochlebendigen Abfolge kuͤnſtleriſcher Geſtaltungen zur Schriftform der Fraktur fortgebildet. In dieſer deut⸗ ſchen Schrift der Duͤrerzeit hat die europaͤiſche Schrift⸗ kunſt ihre ſinnvollſte Form und ihre Kroͤnung gefunden. Eine letzte Steigerung brachte nur noch das Barockzeit⸗ alter, das die herrlichen Gebilde der Frakturgroßbuch⸗ ſtaben, die lebendigſten und geiſtvollſten Linienſchoͤpfun⸗ gen der abendlaͤndiſchen Schrift, dem Letternbild als Halte und Marken der Satzbilder organiſch eingliederte und damit eine letzte Steigerung der Leſeleichtigkeit er⸗ brachte. Nach der Feſtigung und Klaͤrung naͤmlich, die der Druck durch die unbedingte Gleichfoͤrmigkeit der Buchſtaben dem Schriftgang geſchenkt hatte, war das Auge nunmehr imſtande, noch groͤßere Zeichengruppen als die Worte in der kleinſten Leſezeit zu erfaſſen. Im klaren Druck werden Wortgruppen und kurze Saͤtze mit einem Blickſchlag erfaßt. Dieſes geiſtige Hineilen uͤber die Letternzeile hat in den lebensvollen Geſtalten der Großbuchſtaben Halt und Hilfe. So findet in der Barock⸗ fraktur die europaͤiſche Schriftſchoͤpfung ihre Voll⸗ endung.

Der Silbenſchrift der Antiqua muß nach allem der deutſche Sprachbau ebenſo widerſtreben, wie die roma⸗ niſchen Sprachen, nachdem ſie zum Urgeſetz der Latein⸗ form wieder heimgelangten, fuͤr ihre Silbenmelodik in

den herrlichen, edelſtarken, geometriſch voll ausſchwin⸗ genden Formen der lateiniſchen Minuskeln der Fruͤh⸗ ſchrift Europas ihr reines Geſichtsbild haben. Denn dieſe kraftvollen, in jeder Einzelletter mathematiſch gefeſteten Lautzeichen haben gerade das Maß und die Schaͤrfe, die auch die romaniſche Silbe als Lautform hat. Deutſche Sprache aber, in Antiqua vorgetragen, empfaͤngt ein fal⸗ ſches Maß, ein zu hartes und abgeſetztes Tempo. Sie wird im Schriftbild in jene Silbenbeſtandteile zerlegt, deren volle Verſchmelzung zum reichen Wortklang gerade ihr Entwicklungsgedanke geweſen iſt. Das Schwingende, Luftige, Rinnende, Krauſe, Dichte ihrer Lautung, der ge⸗ raͤuſchartig naturnahe Klang ihrer Konſonantendraͤn⸗ gungen, wie ſie den vollhallenden Vokal mitklingend faͤrben, und wiederum die zarten Begleitklaͤnge der Neben⸗ ſilben, dies innerlich ſo lebendige, aber enge Vielgefuͤge des deutſchen Wortes lebt rein nur in den ſchwingenden, rinnenden, krauſen, dichten, organiſch gearteten, ranken⸗ haften, naturverwandten deutſchen Buchſtaben. Antiqua zerlegt umgekehrt dies Deutſch in eine Folge von Silben⸗ bildern, die im Klang nicht da find.

Der deutſche Antiquagebrauch ſeit dem 19. Jahrhun⸗ dert iſt darum eine tiefe Irrung als Folge der mecha⸗ niſchen Denkart der Zeit. Er iſt genau die Formverfeh⸗ lung, wie eine auf Silbengliederung ausgehende deutſche Rede es waͤre. Aber außerhalb der liturgiſchen Vers⸗ leſung, die Stefan George, ein im Blut und Weſen ganz romaniſcher Geiſt, innerhalb ſeiner Gemeinde eingefuͤhrt hat, tut der lebendigen Sprache das kaum jemand in Deutſchland an. Aber im Schriftbild vergewaltigen wir unſer deutſches Klanggeſetz immerfort.

Vielleicht hilft es ein wenig dazu, daß dieſer falſche Schriftgebrauch ſich als Irrung erkennt, wenn einſichtig wurde, wie unfre Öffentliche Sprache als Rede und unfre Öffentliche Sprache als Schrift ſich die Gebote ihrer Form wechſelſeitig beſtaͤtigen und ſo ihre Wege ſich weiſen.

Aber wie auch die Zeit ſich ſtelle, fuͤr die Erkenntnis unſrer geiſtigen Art und gewordenen Weſenheit iſt die Erſchauung der organiſch geſchichtlichen Form, die der deutſche Sprachklang in grundlegender Geſetzlichkeit unſrer Rede und unſrer Schrift befiehlt, ein bedeutſamer Gewinn und eine Beſtaͤtigung unfres innerſten Gefuͤhls.

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DIE GEHEIMSCHRIFTZEICHEN DER ROSENKREUZER

la Johann Valentin Andreae’s Schrift »Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz Anno 1459« wer- den zwei längere Absätze in einer Geheimschrift gegeben; in der Neuausgabe von Maack Berlin 1913 stehen sie auf Seite 76 und 78.

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Die Deutung sieht sehr schwierig aus, ist aber,

wenn man den Trick weg hat, sehr einfach.

Ich habe ihn weg; hier ist er:

Eine Seite nach der ersten Schrift, die in kupfernen Buchstaben auf der Tür zu einem Gewölbe an- geheftet sein soll, heißt es: »Ich fragte meinen Kna- ben, was doch das bedeuten möchte: hie ligt begraben (sagt er) Venus die schöne Fraw, so manchen hohen Mann, vmb Glück, Ehr, Segen; und Wolfart gebracht hatt. Hierauf zeigte er mir ein kupferne Thür auff dem boden.

Die Worte des führenden Knaben sind einfach, wörtlich, der Inhalt der Geheimschrift:

hie ligt begraben VENUS

die schön Fraw; so manchen Hoen Man

umb Glück, Ehr, Segen, und Wolfart gebracht hatt.

Und einige Zeilen nach der zweiten Geheimschrift sagt der offene Text: »Von dieser hitz muste der Baum jmmerdar schmeltzen, doch bracht er jmmer andere Frücht herfür. Nun secht, sprach der Knab, was ich von Atlante hab hören dem König eröffnen:

wan der Baum (sagt er) wirt vollendts verschmeltzen,

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so wirdt Fraw Venus wider erwachen vnnd sein ein Mutter eines Königs. «

Diese Rede des Atlas ist der Inhalt der zweiten Geheimschrift:

Wan die Frucht meines

Baums wirt vollends

verschmelzen, werde ich

aufwachen und ein

Muter sein eines Königs.

Aus beiden Inschriften ergibt sich das unten- stehende Rosenkreuzer-Geheimalphabet.

Hiervon erscheinen die meisten Zeichen als Nach- bildungen der Typen der frühmittelalterlichen Mönchsschrift;diedurchimmer weiteresReduzieren gebildete Reihe | m n o setzt die Reihenfolge unse- res Alphabets in lateinischer Form, ohne das ur-

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sprüngliche ksi = samek zwischen n und o voraus; die Sache scheint also nicht sehr alt.

Höchst auffallend ist aber, daß für r und s dasselbe Zeichen gebraucht wird; daserinnert an den Wech- sel zwischen r und s im Altlateinischen und Ur. germanischen; und noch merkwürdiger, daß das | durch die auffallende Form 8 bezeichnet wird, die in der altkyprischen Silbenschrift die Silbe la darstellte!

Da das kaum eine zufällige Übereinstimmung ist, und da die Kenntnis dieser kyprischen Silbenschrift im Mittelalter und Neuzeit bis etwa 1870 verloren war, da außerdem unsere beiden Geheimbotschaf- ten sich vorwiegend mit Kypris (Venus) und Kupfer beschäftigen, so scheint es, als ob die Rosenkreuser tatsächlich eine alte, von Kypros stammende, durch

Lateiner vermittelte Tradition hatten. Weichberger

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DIE NEUE SCHRIFT VON PAUL HULLIGER,VERLAG BENNO SCHWABE & CO., BASEL, 1927

Die Bestrebungen um die ReformdesSchulschreib- unterrichts haben im schweizerischen Kanton Basel- Stadt zu Ergebnissen geführt, die in einer kleinen Denkschrift von Paul Hulliger »Die neue Schrift« niedergelegt sind. Der Verfasser, Schreib- und Zei- chenlehrer an der Mädchensekundarschule in Basel, dessen Schriftnorm vor andern Vorschlägen den Sieg davongetragen hat, gibt eine Zusammenfassung der vorausgegangenen Arbeiten, Vorschläge und Be- ratungen und erläutert die Methodik des dort von nun an üblichen Schreibunterrichts.

Sehr einverstanden kann man mit der Maßnahme sein, daß an den Anfang des Unterrichts Übungen in der einfachsten lateinischen Großbuchstabenschrift gestellt werden und daß man diese, schon am Anfang unsrer abendländischen Geschichte voll ausgebilde- ten Buchstabenformen auch in den höheren Unter- richtsstufen als Auszeichnungsschrift weiter pflegen will. Auch die Verdrängung der spitzen durch eine Breitkantfeder ist zu begrüßen. Die Ornamentie- rungsversuche mit Federzugselementen könnten als etwas Überflüssiges ruhig fortfallen.

Auch nicht so ganz überzeugend erscheinen diezur Norm gestempelten Schriftformen, die von der Stu- dienkommission dazu erwählt worden sind, von nun an auf sämtlichen Baselstädtischen Schulen allge- mein gelehrt zu werden. Ganz abgesehen davon, daß es überhaupt gefährlich ist, eine allgemein gültige Schriftnorm als Kanon aufzustellen, kann man von dieser Schrift sagen, daß sie denn doch zu persönlich ist und viele kleine Eigentümlichkeiten hat, die sich zur Verallgemeinerung nicht eignen. Was soll z. B. der kurze Strich auf der Mittellinie des H? Das L läßt sehr die entschiedene Betonung des unterencha-

rakteristischen Querbalkens vermissen und sieht dem S zu ähnlich. Dem kleinen в fehlt die ausgesprochene Rundung, die er als vom altrömischen 5 abgeleitet erklärt. Die Unausgeglichenheit zwischen runden und geraden Formen und die gewaltsame Brechung vieler Linien, z. B. am Fuß des e und 1, bei der Schleife des f haben ihren Grund in dem unbewußten, ja sogar abgeleugneten Drang, zwei verschieden- artige Schriftcharaktere lateinische Kursive und deutsche Kurrent miteinander zu verschmelzen. Dergermanische Grundcharakter desSchreiberssetzt sich eben, wie es die Brüche und Härten, sowie die Engführung beweisen, überall durch. Am meisten bleibt bedauerlich, daß man in der SchweizerSchule offenbar schon die Abkehr von der Fraktur- und Kurrentschrift vollzogen hat, die Eiferer ja auch bei uns in Deutschland fordern. Gerade das Hulligersche Beispiel zeigt, wie verhängnisvoll es wäre, wenn wir unsre Zweischriftigkeit aufgeben würden, die uns zwei bis in alle Einzelheiten folgerichtig durchgebil- dete Schriftcharaktere und damit feinst differen- zierte Möglichkeiten desSchriftausdrucks indieHand gibt. Es würde schließlich nur darauf hinauskom- men, daß man im Laufe von Jahrzehnten die Schrift erst wieder schaffen müßte, die wir heute als Erbgut der Vorfahren besitzen.

Die wenigen in dem Heft gezeigten Handschrift- proben von Schülern und Kursteilnehmern weichen wesentlich von der aufgestellten Schriftnorm ab. Sie zeigen aber auch, daß Herr Hulliger zweifellos ein ausgezeichneter Schreiblehrer ist. Daß er die schreib- flüssigen Formen nicht sklavisch seiner Vorlage nach- ahmen läßt, sondern sie im einzelnen aus ihrer Ab- leitung von den entsprechenden römischen Stein-

schriftlettern erklärt, macht seinen Unterricht zu

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einem lebendigen. Und wenn er für die Weiterent- wicklung seiner Lehre die Ausbildung eines neuen Lehrertyps, des »Kunstlehrers« verlangt, dem so- wohl der Schreib- und Zeichenunterricht, als auch der Handarbeitsunterricht anzuvertrauen würe, so

ist das eine sehr einsichtsvolle Forderung, dieüberall

erwogen werden sollte. Es könnte damit eine plan- mäßige Beeinflussung der heranwachsenden Genera- tion in kultureller Hinsicht erfolgen und zugleich vielen künstlerisch veranlagten Menschen, die heute weder leben noch sterben kónnen, eine sichere Exi-

stenzmöglichkeit geboten werden. Ehmeke

DIE INKUPFER GESTOCHENE ROSTOCKER ESTHERROLLE AUS OLUF G. TYCHSEN’S BIBLIOTHEK

Bei den bisher bekannten Estherrollen, illu- striert oder nicht, ist der Text stets mit der Hand geschrieben, während etwa beigegebene Illustra- tionen häufig in Kupfer gestochen erscheinen.

Vor kurzem entdeckte aber der Landesrabbiner Dr. S. Silberstein auf der Rostocker Universitäts- bibliothek unter den aus dem Nachlaß des Orien- talisten Oluf Gerard Tychsen stammenden Hand- schriften eine um die Wende des 17. Jahrhunderts entstandene Estherrolle, bei der gegen »Brauch und bisherige Annahme« außer den Illustrationen auch der Text in Kupfer gestochen ist.

Bis zur Meldung etwaiger anderer Funde liegt also hier der merkwürdige Fall vor, daß das Prinzip der handschriftlichen Textwiedergabe erstmalig durchbrochen ist!.

Um zur Lösung dieses Problems, der Textwieder- gabeinKupferstich, stattin Handschrift, anzuregen,

ferner um auf die Illustrationen der Rolle und ihren

* Einen aufschlußreichen Beitrag zum hebräischen Schreib- wesen findet man in der Festschrift für Ernst Kuhnert »Von Büchern und Bibliotheken« herausgegeben von Gustav Abb, Berlin 1928 (Struppe & Winckler Verlag), auf den bei dieser Gelegenheit hingewiesen sei: Der hebräische Schreiber und sein Buch von Otto Procksch, Erlangen. Der Verfasser be- handelt in ihren festgelegten Funktionen: den Amtsschreiber,

ded Schriftsteller, den Schriftgelehrten und gibt ein deutliches Bild althebräischen Schreibwesens.

Stecher aufmerksam zu machen, hat S. Silberstein dieses wertvolle Dokument, originalgetreu in Licht druck reproduziert, herausgegeben und mit einem ausführlichen Begleittext versehen.

Oluf G. Tychsen, ein unermüdlicher Bücher- sammler und Vielschreiber, dessen Leben und Werk Heinrich Klenz in der ADB eingehend beschrieben hat, ist nach dessen Schilderung ein nicht eben hervorragender Gelehrter gewesen. Durch seine Heirat mit einem ültlichen adligen Fräulein zu Vermögen gelangt, konnte er seiner Leidenschaft des Büchersammelns genügen und brachte eine Bibliothek von rund 10000 Bänden zusammen.

Er unterhielt einen ausgedehnten Briefwechsel und hatte die Eigentümlichkeit, auf Anfragen mit ganzen Abhandlungen zu antworten, was ihm Zu- schriften und Anfragen aus aller Welt eintrug Tausende von Briefen von ihm besitzt die Rostocker Bibliothek.

Auch über seine Estherrollen, darunter auch über die vorliegende, sind Briefe vorhanden. 1770 besaß er deren bereits mehrere.

Er verhandelte verschiedentlich mit dem Ge lehrten de Rossi in Parma über den Austausch von Handschriften, und diesem teilte er bereits im Dezember 1777 den glücklichen Erwerb der hier

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G LOSSEN

vorliegenden Estherrolle mit, von der er hervor- hebt, daß sie aeri incisa sei.

Bald darauf, im Januar 1778, kommt er in einem Schreiben an de Rossi wieder auf diese Rolle zu sprechen, von der er berichtet, daß er sie habe teuer bezahlen müssen: caro satis pretio.

Die vom Herausgeber abgedruckte Briefstelle, interessant, weil sie das Urteil Tychsens über die Rolle wiedergibt, seihier wiedergegeben: » Volumen Esther aeri incisum, cuiusmodi neque unquam vidi neque de eo quidquam relatum legi, inter cimelia mea numero.«

Das letztere durfte er gewiß mit Recht. Er hatte in der Tat eine Cimelie erworben, denn bis heute hat sich ein zweites Exemplar der Rolle überhaupt noch nicht auffinden lassen, und die Rätsel, die sie aufgibt, sind bis heute nicht gelöst.

Die Untersuchungen von S. Silberstein ergeben übrigens, daß in der bis in die jüngste Gegenwart hineinreichenden Literatur über die Estherrollen die hier vorliegende nicht erwähnt wird, so daß seine Vermutung, daß wir es mit einem Unicum zu tun haben, nicht unberechtigt erscheint. Immer- hin bleibt abzuwarten, ob nicht, nachdem durch die vorliegende Publikation einem größeren Kreis die Bekanntschaft mit diesem Rarissimum, denn ein solches ist es ohne Zweifel, vermittelt wird, hier oder da ein weiteres Exemplar auftaucht.

Im Besitz Tychsens muß sich die Rolle seit 1769 befunden haben, denn 1771 beschreibt er sie ein- gehend in einem Verzeichnis seiner Handschriften, das handschriftlich erhalten ist und an dem er nach seiner Angabe drei Jahre gearbeitet hat.

Zu Tychsens eigenen Angaben führt S. Silberstein inseinem Begleitwortfolgendesaus: »Die Rostocker >Kupferstich-Megillah« ist zweifellos die Arbeit

eines der zahlreichen, mehr handwerklich einge-

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stellten und in der Tradition befangenen Eklekti- zisten unter den jüdischen Stechern aus der Zeit um 1700—1710, jedenfalls aber doch wohl aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Sie zu lokalisieren, etwa wie es Tychsen mit der Annahme eines Prager Stechers tut, ist ohne bestimmte Anhaltspunkte, wo die Dinge auch bezüglich der Schriftarten so im Fluß waren, nichtmöglich; auch der Italiener Grise- lini, nachweisbar als jüdischer Stecher der Zeit, kommt stilistisch für sie nicht in Frage. Wir können nur ihre gegenständliche und künstlerische Prove- nienz auf Grund von verwandten Beispielen, die zudem als Vorbilder gedient haben mögen, vorsich- tig ableiten.«

> Die vorliegende Megillah, sagt der Herausgeber weiter, gehört bei Berücksichtigung einer gewissen Selbständigkeit der Anordnung zu dem zweiten der von Erich Toeplitz (Isr. Familienblatt, Hamburg 1930, Nr. 11) herausgestellten beiden Typen, die so die Textillustrationen neben und in der architek- tonisch-dekorativen Umrahmung anbringt.Inzwölf, oben rundbogig geschlossenen Portalöffnungen ge- mäß der schon bei den geschriebenen Megilloth altúblichen Form, steht hier der ganz ausnahms- weise mitgestochene Text. In den elf Bogen- zwickeln, getragen von den puttogleichen, sonst ein korbartiges Kapitell haltenden Karyatiden, befindet sich je ein quadratisches Szenenbildchen, während den Sockel der rahmenden Architektur 23 für sich durchlaufende liegend -rechteckige, je nach dem darzustellenden Inhalte verschieden lange, aber gleich hohe und nur durch senkrechte Trennungs- striche voneinander geschiedene Bildchen zum Estherbuche bilden ... Die Bild- und Dekorations- elemente sind zum Teil archaisierend, manches scheint auf Vorlagen selbst noch aus dem 16. Jahr-

hundert zurückzugehen, erklärbar aus der traditio-

GLOSSEN

nellen Haltung, anderes beruht auf dem Formen- schatz und den Vorlagen aus dem 17. Jahrhundert oder auf einschlägigen Beispielen aus der Zeit um oder kurz nach 1700. Recht eindeutig ist jeweils aus vorhandenen Beständen und geschaffenen Typen das Ornament insbesondere in den Pilastern übernommen. Die verwandten und möglicherweise als Vorbilder in Betracht kommenden Estherrollen sind gewiß teilweise italienischer Herkunft, was jedoch für die vorliegende eklektische Rolle noch nicht ein Gleiches bedingt (ja möglicherweise ist

sie sogar in Holland entstanden).«

Als mögliche Vorbilder kommen nach Silberstein für die Rostocker Rolle in Frage: eine Estherrolle der Landesbibliothek Fulda, eine italienische Rolle in Budapester Privatbesitz und eine solche hollän-

dischen Ursprungs in Londoner Privatbesitz.

„Alle drei., heißt es im Begleittext weiter, » die bei gewisser besserer zeichnerischer oder stecherischer Qualität sehr wohl als Vorbilder für die Rostocker Rolle in Betracht kommen können, weisen insbe- sondere in den Rahmenleisten auffallende Ähnlich- keiten untereinander auf, es handelt sich dabei im ganzen um den hier schon üblichen Dekor im 17. und frühen 18. Jahrhundert vorzüglich wohl italie- nischer Herkunft... So ordnet sich die Rostocker Rolle einem im Grunde wohl in Italien entstandenen, wührend des 17. Jahrhunderts dann in Frankreich (im Ornament z. B. entfernte Nachwirkung Jean Lepautres?) und in den Niederlanden bzw. im asch- kenasischen Mitteleuropa (s. scharfeckige Schrift) weitergebildeten Megillen-Typ ein. Das Merkwür-

dige und bisheriger Annahme Entgegenstehende bleibt aber immer noch die Tatsache, daß hier auch einmal die Schrift durchweg gestochen ist.«

Mit dieser Feststellung hat der Herausgeber für den Anfang alles Wesentliche über seinen Fund mitgeteilt, und es gilt nun vorerst einmal nachsu- forschen, wo sich etwa weitere gleiche Rollen be- finden, oder wo wenigstens solche vorkommen, deren Text nicht handschriftlich hergestellt worden ist.

Vielleicht ließe sich, wenn anderwürts ein oder mehrere gleiche Stücke aufgefunden würden, aus der Herkunft oder aus sonstigen Umstünden etwa: über den Stecher ausmachen, wenn eine eingehende kunstgeschichtliche Untersuchung nicht weiter führen sollte.

Jedenfalls gebührt dem Herausgeber der Dank der Wissenschaft, daB er dieses seltene Stûck ineiner tadellosen Reproduktion zugünglich gemacht hat.

Die Rolle ist sowohl in Buchform als in Mappen- form zu haben (Carl Hinstorffs Verlag, Rostock, Lagerstr. 5). Es wurden für Liebhaber Ausgaben auf Bütten mit Mappen bzw. Hülsen in Leinen und Pergament hergestellt.

Dem Herausgeber und Verlag ist unser Deutsches Buchmuseum für eines der schönen Exemplare in Rollenform, das uns als Stiftung überlassen wurde zu lebhaftem Danke verpflichtet. Angesichts der Seltenheit des Stückes haben wir dieses in einer Vitrine zur dauernden Ausstellung gebracht, wo nunmehr neben einer uns von Herrn Rudolf Blanckertz- Berlin bereits 1929 dankenswerter weise gestifteten handgeschriebenen Estherrolle diese

chalcographische zu sehen ist. ЕВ

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NAMEN- UND SACHREGISTER

Seite O A аа Sba dka 17 Advent-Missionsgesellschaft in China Druckerei) 59 Ägyptische Schrifᷣ i . 30 Athiopische (altäthiopische) Schrift .... ............. 20 Alberti, Leon B33 15 A EE EE 12 Alphabet, НЬейвсһев............................... 52 Alphabetum tibetanum 1762 ........................ 59 Ambrosius de 5рїта................................ 85 Andreae, Valentin... 117 Antiquagebrauch als Irrunn gg.. 115 Arabisch s. Südarabisch ............................ 19 Arabische (südarabische) Schrift..................... 21 e,, Ee SSS 85 ass.... 15 Auszeichnungsbuchstaben (corpora)) 82 EE 30 Bastarda, böhmische ............................... 76 Bembo, Рїеїто..................................... 15 Berthold AG. (Tibetische Schriften) . 59 Bibel, 42zeilige 5 83 Biblia (Koberger) ..................... EIERN 86 Bild und Schrift ij ee esee 9 Bilderrätsell ... . 14. 15 Bi ldschrifſfſfVV!iIiVi de oo... 112 Bilderschriften der Renaissance .................... 11,15 Васо е cea asa een 30 Breitkopf & Напе]................................. 75 ВпейгисКег....................................... 89 Briefmaler ........................................ 89 Е. A. Brockhaus (Tibetische Schriften )) 60 Buchmalerei, Hirs auen 69 Bücherpreisgss e q .. 88 Bütfág6 ]ð²?² . nee 29 pic ERE 75 Cassiodorus ....................................... 86 Ciegnoni (Пишїтшзї)............................... 90 Согротас ао AA AAA ( 82 Cremer, Heinis ERA ent 85 Dante cT 13 Rr 14 Dbu-can-Schrifteůeeã nnn q . 53 Dbu-med-Schrifterknnnnn . 53, 54

Зейе Delepierre, Octave ................................. 15 KT EE 38 Ill; ܹ6˙ܹm 75 Df ³o·¹¹¹--w NA h.m.r A eS 104 Druck, tibetischer 58 Ютасктуре d iio 17 Dürer Aut zehn A ³¹· A een 15, 18 Eckmann-Late ins 102 Ehmcke, Ё.Н...................................... 75 Elefantenrüssel (in der böhmischen Schrift des Mittel- EPP!!! n 75 Emblematik EENEG 15 Erasmus v. Койегдат.............................. 15 Erekert Ee ee 8 31 Estherrolle (in Kupfer gestochen) .................... 120 Eteokretische Schrif iii . 30 Evangelien auf ТіБейвсЬ............................ 59 Fantautius, Antonius, Rom (Stempelschneider für tibe- tische Schrift) e ras 59 Farbenschmuck der Wiegendrucke ................... 81 Fieorenalobabete. . 18 Filelfo, Francesco 15 O ra 49 Fischart, Joh. Ü˙ܹw ² ? iʃꝗʃ½ʒ aia ads 15 I /ͤ·˙Ü˙i mm! РИ 82 Fraktur a tm E 15 ¡A O 15 Fries, Неїтпїсһ..................................... 89 Fugger, У“одапд.................................. 77 а are 103 S os Ee ee 89 Сайшпег:їпКеп...................................... 16 Се4асһїавЬ:Їа..................................... 13 Gedächtniskunst .................................. . 13 Gegenstandsschrift ............................... 15, 51 Gesenius, A ³ 22 Giehlow, К........................................ 15 Gilbert, ЕВ. gn 14 Goldschmidt, Adolf ................................ 18 ee, ß 27 Gortyner Stadtrecht 37 Gotische $сєҺһгїїї.................................... 113 CÜÜ˙ê³ẽ5od ³é d . ENS 27

Seite Gregor von Toun... 13 Großbuchstaben 103 Groteskschrift ..... ;. RENT 103 Guido de Baysio .......... een n 8 85 Haag, Karl........ еее иене n 14 Haag-Drugulin (Tibetische Schriften. 59 Halévy, JJ. 23 Halliger, Paul... „„ 119 Handschrift 17 Handschriftzeichnung „% 18 Henricus Ariminen sis. 85 He ³⅛ðWAAA a 23 Hieroglyphen .Q 15 Hieroglyphen (in Tibet nne 51 Hieronym uuns... e 89 Hirsauer Buchmalerei .............................. 69 Heli ³⁰ VX · h +69, 15 Holzschnitt (im Восһе).... ........................ 88 Hrabanus Maurus ................... Tcr 18 Hupp, M ³ð—³VA 15, 75 Hypnerotomachia . 15 EE e bs Faber s 16 Illuminatorenpreise. ........... eee nn n æ„6 90 Illuminarreeee ee 82 IllüstratlOH sss EES 12 Indische Schriften 53, 57 Initialornamentik, Hir sauer 70 Islamisches SchriftornmennL t 47 rr 59 Jean-Paul -Schrifft᷑ iii . 75 Jensen; (( é ͤͤͤͤ акы A ³ ( ША 14 Jessen; rt A GEAR E ODER 17 John, ere nen 98 Kalligraphie... 17 Kalligraphie (arabische). . 47 Kanzleistil (türkischer) ............................. 49 Karsten Tt 30 , 30 Karolingische Minuskel............................. 112 Бао e asa ан 51 Kircher, Athanasiuhn ss 14 Klaproth; C 0 ³WA 8 3l Kleinbuchstaben ................................... 103 Klosterdruckereien ................................. 89 Кпоїепзсһайге..................................... 51 Koch, Ңадо!#...................................... 103 Koerner, ... 15 Kolorierung (der Holzschnitte) ...................... 88 Konstruktivisten ................................... 103 Korporieren ....................................... 82 Kretische (altkretische) Schrift ...................... 30 Kretisches УокаһЬшаг............................... 31 ее. 48 Kuhlmann, Fritz .......0 ее, . 18 Kunstschriften (tibetische) ........................ 53, 57 Kupferstich (im Buche) ............................. 88 Kurrentschrift .................................... 18 Kyprische Schrift. 30 Гайепвсһї#........................................ 13 Larisch, Rudolf Von. Lateinisch (altlateinisch) ` e ри 118

Seite Lautgestalt, hochdeutsche 114 Lautrebus „еее новини nnn 15 Lautschrift... Inn 16 Lehrbild „ние nnn 13 Leibni . 14 Lichtenberg, R. Www. 46 Lihjanische Schrift 22 List, ÓN 15 Lithographie, Herrnhuter, in Tibet A gg eee ОО Г О 59 Littmann, EEE... 23 Logan, Johann „% 98 Logos. . 9 Bernhard, Lucian. unn. nenne 75 Lullus, Raimunduiuns ... 14 Lykische (altlykische) Schrift.. 30 Mantegna, A. MK... 15 Megillah ...... etn 120 Melchior von Stainhe˙iůů „„ 89 Milchsack, Gustav n t 80 nnn 15 Miniaturis ten. 82 Мїйбаёз een 37 Minoische Schrift..........- een 29 Moemonik een nennen een 13 Monumenta minoa... rennen nennt 40 Murner, Thomas... 14 Narzissus, Abt von Benediktbeuren 7 90 NI! 8 48 Neue Sachlichkeit. 103 Ochmann, JU. 15 Oruamee n 88 Ostasien, Schriftkunst. .... Т Pasigraphie...... ttm mmm : Persson, Axel У..." | Petrus de Albano | Petrus Comestor. „еее : Petrus Lombar duns s Phonetischwerden der Bilderschrift eer » Pictogramm ET y Pirkheiner., WG¹ũͥ.ͥF S Podiebrad, Georg. ET н Poggio, Fr EE я Polifilus. etm | f ГУ eee ошл АЁ р Poliziano, Angelo FF : Prätorius, Fr. ........ .. 8 0 nts Ae Preise für Handschriftenausschmückung , 7 Pries, August (Tibetische Schriften :::: | Quippu. ET S Rabelais, F...... S Rainerius de Pisa... eet a Am Rebus T M" Redekunst......... rr ere Bedende Inschrift: сонет | Reichsdruckerei (Tibetische Schriften) S Renaissance-Hieroglyphik ...... Bonner Paulo еши see e Reuchlin; О EE | Rhadamanthy sz. o Rödiger, E. FF m Rosenkreu zer... 120 Rossi. j...... 8

124

Seite Rotdrück cid ГГ ЛГ ГЕК Г 92 ЕпЬПЁетїабеш..................................... 83 Rubrikatorensnsnmln cece ehe nnn 82 Rubrikatoren-Ánweisungen............ eee nne 86 Rubrizierung iii een 83 CON WM 104 Safatenische Schrift... 23 Schedel, Hartmann ................................. 89 Scheyern (КЇозйег).................................. 89 Schiemer O ааа 31 Schmidt L J- ee 52 Schlosser. J: EE 18 Schreibmeister und Schriftenmaler ................... 97 Schreibmeisterbücher ............................... 103 Schrift und Вї:Ї4.................................... 9 Schrift, dekorative 17 Schrift als Inhaltsvermittler ......................... 16 Schrift als Schmuck ........................... Lees. 16 Schrift als Silbendarstellung ......................... 113 Schrift und Sprachbau .............................. 115 Schriftarten, ЫЬеНасһҺе.............................. 53 Sh... ³ 17 Schriftbilder (in Druck- oder Schriftzeichen.. 17 Schriftkunst der Dürerzeit нене 115 Schriften, їпаїзсһө.................................. 53 Schriftersatz (im ТіЬеіівсһеп)........................ 51 Schriftform:2% A an) 107, 112 , . ee 101 Schriftwandel um 1150uùʒ᷑nʒ . ꝗͥ 113 Schriftzeichen als Lautabbild ........................ 112 Schwingschrift, gotisckkttteee a ĩ3 115 Sie ðDiddddſ е 8 18 Semitisch s. Südsemi tisch 19 SIGO « ] ̃.l!lIlIl. ñ:ñ]Q⁰² us adire 15 Silbeneinheit im Schriftbild ......................... 113 Silbenrhychmiñuiñuiſiꝑkſ?;it¹kkk . nenn 113 Silbenschriff till q.. 16 Silbenschrift, kyprische ke 118 %%% O 120 SSS ГО eege 15 % i] ] ² Л О ОЛО 88 14

. A с = Seite Skythische 5еы1%.................................. 30 lr ⁵³ðV. 8 14 Sprachbau und Schriftausdruck ...................... 115 Sehnen 8 107 Stawell ² ñ ¼¼—kk 29 D. Stempel AG. (Tibetische Schriften) ................ 59 SODA Rissen 14 Südarabisch versand 19 Südsemitische Schrift ..................ooooo.oooooo.o.. 19 Sumerische Schrift.. 30 Sundwalls.22 . Sed Viae dre 29 sae hata sie EHE LORD 12 Terenz E 89 Texturü ei ao 78 Thamudische Schrift..................o..oo «oo o.o.o.o.oo. 22 Theinhardtsche SchriftgieBerei....................... 59 Tbheperdank eee en 105 Thoma. Hans barda bars eles 18 Tibetan-English-Dictionary 1881 ..................... 59 Tibetische Schriftprobleme .......................... 51 Tiemann, Walteõeõee r 75, 103 Tritheim АҺЬї...................................... 14 Tucher, Anton ..................................... 88 CCC 49 Тшап-Ёапде...................................... 58 eien d .. y k 120 Typendruck, tibetischer (außerhalb Tibets) 58 Typographie, elementare 103 Unger, E sms lee оон dp SS .. 19 Ungersche ЅесһгібргоБе............................. 75 Ungerschriften ...................... ЕЕ d aan’ 101 Urformen der Sebrift..................ooooooooo.o.o.. 112 Walafried Strabo .................................. 13 Wandsprüche, kirchliche ........................... 97 Weil, ЕВ. 75 Wee ⅛ð ile 14 Winckler, Hugs dia 19. Wort. und Bild ее. 11 Zeichenschrift ii 14 Nr; U- 38 Zwiefalten oco ³˙ÜWwiAʃ О 70

125

Der vierte Jahrgang des vom Deutschen Verein für Buchwesen und Schrifttum herausgegebenen

Jahrbuchs wurde bei Breitkopf & Härtel gesetzt und gedruckt. Die Druckstöcke stammen von

der Firma Sinsel & Co. (soweit sie nicht zum Aufsatz Schottenloher von der Bruckmann A.-G. in

München hergestellt, bzw. von der Firma Joseph Baer in Frankfurt am Main dankenswerter Weise

zur Verfügung gestellt wurden). Das Papier lieferte die Firma Ferdinand Flinsch, die Buch-

binderarbeiten führte die Fritzsche-Hager А.-С. aus; sämtlich in Leipzig. Den Druck der Bild- tafeln besorgte die Druckerei G. Reichardt in Groitzsch bei Leipzig

Die Redaktion führte im Auftrage des Vereins Dr. Hans Н. Bockwitz in Leipzig

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Kölnische Volkszeitung: Der Leserkreis wird froh eine farbige und aus- gezeichnet komponierte, spannend erzählte Biographie empfangen.

Neue Zürcher Zeitung: Wertheimer schreibt bestrikend. Die geschichtlichen Bilder erhalten eine Sättigung durch den erzählenden Einzelzug, daß man sic in einen prunkhaften Roman versetzt glaubt.

Neue Freie Presse, Wien: Mit der Leichtigkeit eines Plutarch geschrieben und

Чоф ungemein viel Gelehrsamkeit. Dieser heutige Geschichtsschreiber erhebt sih

zu einer dichterischen Größe und mit jenem Mitgefühl der Erhabenheit, das Shakespeare der Kleopatra darbringt.

Pester Lloyd: Wertheimer erzählt in bestrickender Art, durch die die Biographie zu einem farbensprühenden politishen Roman von großen Erzählertugenden wird.... Selbst das Wissenschaftliche tritt dem Buch als ästhetisch hochwertiger Schmuck bei. Daß am Schluß als Quellenwerk angeführte Datenmaterial dient als

Ornamentik dieses geschriebenen, ins Monumentale gehobenen Geschichtsbauwerkes.

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fügung. Auskünfte durch die Geschäftsstelle: Leipzig C 1, Deutscher Platz

А. PERIODICA

1. Buch und Schrift Jahrbuch des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum. (Schriftleitung Dr. Hans H. Boch witz?

I. Jahrgang 1927. Jahresthema: Jur Jlluftration der деи Фет Renaiſſante Wissenschaftliche Beiträge von Hildegard Zimmermann-Braunschweig, Heinrich Leporini- Wien, Anton Reichel-Wien, Max Geisberg-Münster, Emil Waldmann- Bremen. 103 Seiten. 4°. Mit 17 Bildtafeln und 12 Abbildungen im Text.

П. Jahrgang 1928. Jahresthema: Schrift als Ornament

Wissenschaftliche Beiträge von R. Wilhelm-Frankfurt, K.Schottenloher-München, G. Neckel- Berlin, Roeder-Hildesheim, H. de Boor-Leipzig, Julius Rodenberg- Leipzig, Kurt Pfister- München, Julius Zeitler- Leipzig, O. Hurm-Wien, E. Unger-Berlin. 118 Seiten. 4°. Mit 32 Bildtafeln und 14 Abbildungen im Text.

Ш. Jahrgang 1929. Jahresthema: Das Titelblatt im Wandel der Zeit

Wissenschaftliche Beiträge von E. v. Rath-Bonn, Gerhard Kießling-Leipzig, Friedrich Schulze- Leipzig, С. A. E. Bogeng-Harzburg, Hedwig Gollob-Wien, Johannes Schubert- Leipzig. 96 S. 4°. Mit 30 Bildtafeln

IV. Jahrgang 1930. Jahresthema: Schriftprobleme | Wissenschaftliche Beiträge von Ludwig Volkmann- Leipzig, H. Grimme- Münster, Konrad Weichberger-Bremen, Ernst Kühnel-Berlin, Johannes Schubert-Leipzig, K. Löffler-Stuttgart, Ernst Crous-Berlin, Karl Schottenloher-München, Friedrich Schulze-Leipzig, F. H. Ehmcke- München, Wilhelm Niemeyer-Hamburg. Mit zahlreichen Bildtafeln

V. Jahrgang 1931 (in Vorbereitung). Jahresthema: Beiträge zur Geſchichte des Kupfer⸗ ſtichs und der Lithographie

2. Literariſches Beiblatt zum Jahrbuch des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum (Schriftleitung: Dr. Н. Bockwitz). Jährlich 3 Doppelnummern

Früher erschienen und teilweise vergriffen:

3. Jeitſchrift des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum Jahrgang III VI (1920-1923) für Mitglieder je RM. 14.-, für Nichtmitglieder je RM. 20.-. Jahrgang VII-IX (1924-1926) für Mitglieder je RM. 6.—, für Nichtmitglieder je RM. 10.—. Einzelhefte, soweit vorhanden, für Mitglieder RM. 2.-, für Nichtmitglieder RM. 3.- Die Jahrgänge I und H sind vergriffen

4. Literariſches Beiblatt zur Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum. Jahrgang 1—VI (1924-1929) für иш zusammen RM. 8.—, für Nichtmit-

glieder zusammen RM. 12.—

В. VEROFFENTLICHUNGEN des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum

1. 2, Volkmann, ни en der Renaiſſante Hieroglyphik und Emblematik

in ihren Beziehungen und Fortwirkungen. 132 5. Leipzig, K.W. Hierse- mann. 1923. Für Mitglieder RM. 7.20, für Nichtmitglieder RM. 8.-

2. Alte Babafzeichen Eine Sammlung origineller Tabaksetiketten und Packungen aus alter Zeit. Herausgegeben von Elias Erasmus (4. 1; Paul Otto) und Hans H. Bock witz. 168 Abbildungen auf 59 zum Teil handkolorierten Licht- drucktafeln und 24 Seiten Text. 4°. Widder-Verlag, Berlin

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Mappe I enthält 20 signierte Originale unter Passepartouts (Format 45x55 cm) von I. V. Cissarz, L. Corinth, R. Engels, E. Gruner, L. v. Hofmann, P. Klee, W. Klemm, O. Ko- koschka, A. Kolb, K. Kollwitz, A. Kubin, M. Liebermann, E. Orlik, E. Pottner, R. Schiestl, M. Slevogt, H. Steiner-Prag, W. Tiemann, H. v. Volkmann und G. Wolf. Preis fiir Mit- glieder RM. 75.—, für Nichtmitglieder RM. 100.-

Mappe II enthält 15 signierte Originale unter Passepartouts (Format 45><55 cm) von M. Behmer, A. Degener, R. Engelmann, M. Fingesten, W. Gramatté, E. Heckel, J. Hegen- barth, B. Hoetger, М. Kaus, H. Lismann, A. Schinnerer, K. Schmidt-Rottluff, H. Struc, W. Zeising und Magnus Zeller. Preis für Mitglieder RM. 50.—, für Nichtmitglieder RM. 75.-

D. KLEINE VERÖFFENTLICHUNGEN

1. Das Deutfche Mufeum für Bud) und Schrift. Sein Werden u. seine Ziele

von Dr. Hans Н. Bockwitz. 40 S. mit zahlreichen Abbildungen. Preis für Mitglieder RM. —.60, für Nichtmitglieder RM 1.—

2. Chinefifdjes Papierbud). Kunihigashi lbei. Bequemstes Handbuch der Papierher- stellung vom Jahre 1798 (Roederdruck)

3. Albumaſar, Flores aſtrologie vom Jahre 1488, Druck von Ratdolt (Manuldrud)

4. Adermann von Böhmen vom Jahre 1474, Druck von Konrad Fyner (Bresmadrud). Für Mitglieder je RM. 2.—, für Nichtmitglieder je RM. 3.—

5. Dokumente des Jeitungsweſens Nr. 1-6. Herausgegeben von Dr. H. Bockwitz, zusammen für Mitglieder RM. 5.—, für Nichtmitglieder RM. 7.50

Nr. 1 (Neue Zeitung aus Presillg-Land) RM. 1.— bzw. RM. 1.50. Nr. 2 (Neue Zeitung vom

Orient) RM. 1.— bzw. RM. 1.50. Nr. 3 (Belgishe Geheimpresse) ВМ. 1.~ bzw. RM. 1.50.

Nr. 4 (Erste russische Zeitung) RM. —75 bzw. RM. 1.—. Nr. 5 (New zeutung aus presillandt)

RM. 1.— bzw. RM. 1.50. Nr. 6 (Neue Zeitung a. d. Lande Jucatan) RM. 1.- bzw. RM. 1.50

6. Sonderabórude aus der Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen u. Schrifttum: а) Heſſel, Don der Schrift zum Druck b) Kraner / Die Entſtehung der erſten Kuarto von Shakeſpeares „Heinrich V.“, je RM. 2.- für Mitglieder, RM. 3.— für Nichtmitglieder

7 Anſichtskarten des Deutschen Budimuseums: Serie 1-4, für Mitglieder RM. —25, für Nichtmitglieder RM. —.40

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