THE FIELD MUSEUM LIBRARY Digitized by the Internet Archive in 2016 https ://arch ive.org/details/centralblattfrm_fmnh 1916 m>4 Ati-q Alle Rechte, auch das der Übersetzung, Vorbehalten. Druck der K. Hofbuchdruckerei Zu Gutenberg (Klett & Hartmann), Stuttgart. Inhalt. Original-Mitteilungen an die Redaktion. Seite Andree, K.: Ueber Goniatitenkalke und Kieselschiefer 487 Bauer, M. : Beiträge zur Mineralogie von Columbien 481 Beckenkamp, J. : Paralleloedersysteme und Böntgenstrahlen. Mit 4 Textfiguren 233 Becker, George F. und Arthur L. Day: Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. Mit 3 Textfiguren 337. 364 Beut eil, A. : Mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts und Chloanthits. Mit 20 Textfiguren 180. 206 — Synthese der Nickelarsenide 49 — Zur Genese von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. Mit 12 Textfiguren 433. 460 Beutell, A. und Fr. Lorenz: Synthese von Speiskobalt und Löl- lingit. Mit 4 Textfiguren 10 Boeke, H. E. : Bemerkungen zu einer Arbeit von 0 Andersen „Das System Anorthit— Forsterit — Kieseldioxyd“. Mit 1 Textfigur 313 Br an ca, W. : Ueber Paläontologische Hypothesen; Zwei gleich- berechtigte Wege paläontologischer Forschung und Die Frage einer Teilung der Geologie — Paläontologie . . 243. 277. 300. 325 Brouwer, H. A.: Studien über Kontaktmetamorphose in Nieder- ländisch-Ostindien. Mit 2 Textfiguren 409 B ü 1 o w , E. U. v. : Ueber einen Phragmokon von Aulacoceras sulcatum v. Hauer aus der alpinen Trias. Mit 1 Textfigur 91 Cornelius, H. P. : Ein alpines Vorkommen von Sapphirin .... 265 Diener, C. : Bemerkungen über die Inzisionen der Suturlinie als Grundlage einer natürlichen Klassifikation der Ammoniten . . 374 — Bemerkungen zur Nomenklatur der Gattung Scaphites Park. 525 — Einige Bemerkungen zur Nomenklatur der Triascephalopoden 97 — Einiges über Terminologie und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. Mit 12 Textfiguren 553. 578 D i e t z , A. : Ueber bipolare Lobenzerschlitzung einiger Liasammoniten. Mit 6 Textfiguren ...;*. 195 Dittler, E. : Mennige aus Biberwier in Tirol 521 Fliegei, G. : Die Plattenkalke im Mitteldevon von Bergisch-Glad- bach — ein Beitrag zur Stratigraphie des rheinischen Mittel- devons 317 Fock, A. : Ueber die Existenz, Größe und Bestimmung der Kristall- moleküle 392 IV Inhalt. Seite Geinitz, E. : Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. Mit 1 Kartenskizze 78 Hennig, Edw. : Kentrurosaurus, non Doryphorosaurus ...... 578 Henrich, Ferdinand f 169 Hoffmann, Guido: Gerdalepis Bhencinus nov. gen. Mit 3 Text- figuren 420 — Gerdalepis Rhenanus (Beyrich em. Hoffmann) auch bei Lüdenscheidt 444 — Heilungsvorgänge an devonischen Panzerfischen. Mit 4 Text- figuren 491 Johnsen, A. : Die Deformation der Raumgitter durch Schiebung . 121 — Die wahrscheinlichsten Atombewegungen im Wismut während einer -Schiebung. Mit 4 Textfiguren 385 Kalb, Georg: Kugeldioritgeschiebe von Finkenwalde bei Stettin. Mit 2 Textfiguren 155 — Zwei Fälle gesetzmäßiger Verwachsung verschiedenartiger Minerale 201 Kossmat, Franz: Ueber die Tektonik des Gneisgebietes im west- lichen Erzgebirge. Mit 5 Textfiguren . 135. 158 Kranz, W. : Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. Mit mehreren Textfiguren 270. 291 Laubmann, H. : Ueber Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. Mit 3 Textfiguren 346 Mügge, 0.: Einfache Schiebungen am Hausmannit und dessen # optische Eigenschaften. Mit 5 Textfiguren 73 Müller, F. P. : Ueber einige Mineralien aus den Manganerz-Lager- stätten des Oberhalbstein (Graubünden, Schweiz) 457 Niggli, Paul: Eine Tabelle der regulären Schoenflies’schen Raum- gruppen. Mit 1 Tabelle 497 Nopcsa, Franz Baron: Doryphorosaurus nov. nom. für Kenlro- saurus Hennig 511 — Zur Körpertemperatur der Pterosaurier 418 Nowak, Ernst: Zur Auffassung der Tektonik des Altpaläozoicums in Mittelböhmen 71 Oppenheim, Paul: Ueber das marine Miocän im Nordseebecken 396 — Zur Geologie der Strophaden 221. 254 Perner, J. : Ueber das Hypostom der Gattung Arethusina. Mit 3 Abbildungen 442 Rinne, F. : Einfache Demonstration der Reflexkegel beim Laue- sowie Debye-Scherrer-Effekt mittels gewöhnlichen Lichtes. Mit 9 Textfiguren 545 — Zur Deformation des Winkels P : M der Plagioklasgestalt durch isomorphe Beimischung. Mit 1 Textfigur 361 Rozsa, M. : Das Vorkommen und die Entstehung des Hartsalz- kainitits 505 Schaffer, F. X.: Ueber subaquatische Rutschungen. Mit 1 Textfig. 22 Schlesinger, G. : Meine Antwort in der Planifrons-Fra,ge. I. Die Herkunft des Elephas antiquus. Mit 4 Textfiguren . . 32. 56 Stromer, Ernst: Richard Markgraf f und seine Bedeutung für die Erforschung der Wirbeltierpaläontologie Aegyptens . . . 287 Suess, Franz E.: Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden ? 569 Tertsch, Hermann: Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. Mit 1 Textfigur 145. 171 Tornquist, A.: Die „Buchensteiner Schichten“ 130 Tschermak, G. : Ueber die möglichen Fehler der Silikatanalysen und das Mischungsgesetz der alkalifreien Aluminiumaugite . 1 Inhalt. V Waterkamp, M. : Diaspor aus dem Siebengebirge und von der Insel Naxos. Mit 2 Textfiguren Wedekind, R. : Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. Mit 6 Text- figuren — Zur Systematik der Ammonoidea. Mit 4 Textfiguren .... Wegner, Richard N. : Hermann Klaatsch f Wepfer, E. : Ein wichtiger Grund für die Lückenhaftigkeit palä- ontologischer Ueberlieferung Wetzel, Walter: Schmelzendes See-Eis im Bereiche eines Nord- ostfront-Abschnittes (1916). Mit 5 Textfiguren Wittich, E. : Die Salzlager am Ojo de Liebre an der Westküste von Nieder-Kalifornien Wulff, R. : Ein Beitrag zur Präparation fossiler Korallen . . . . Wüst, Ewald: Die Zahl der Gervilleia- Bänke im Mittleren Bunt- sandsteine B ücherb espre clmn gen . Blumrich, Josef: Die Minerale der Iserwiese und ihre Lager- stätte Born, M. : Dynamik der Kristallgitter Bragg, W. H. and W. L. Bragg: X-rays and cristal structure . Cobb, Collier: Pocket Dictionary of Common Rocks and Rock Minerals Dämmer, B. und 0. Tietze: Die nutzbaren Mineralien mit Aus- nahme der Erze, Kalisalze, Kohlen und des Petroleums . . . Die deutschen Diamanten und ihre Gewinnung Doelter, C. : Die Farben der Mineralien, insbesondere der Edel- steine — Handbuch der Mineralchemie 312. Frech, F. : Mineralvorkommen Anatoliens 512. Groll. M. : Karte des Atlantischen Ozeans Hupka, E.: Die Interferenz der Röntgenstrahlen Jezek. B. : Aus dem Reiche der Edelsteine Kippenberger, Carl: Werden und Vergehen auf der Erde im Rahmen chemischer Umwandlungen. Für Studierende aller Fakultäten und gebildete Laien Kreutz, Stefan: Elemente der Theorie der Kristallstruktur . . Laue, M. v. : Wellenoptik Lewis, J. Volney: Determinative Mineralogy with Tables for the Determination of Minerals by Means of their Chemical and Physical Characters Liesegang, R. Ed.: Die Achate Linck: G. : Chemie der Erde — Fortschritte der Mineralogie , Kristallographie und Petro- graphie. 5 Philippson, A.: Der französisch-belgische Kriegsschauplatz . . 426. Pirsson, Louis V. and Charles Schuchert: A Text-Book of Geology for use in Universities, Colleges, Schools of Science etc., and for the General Reader. Part I: Physical Geology, by Louis V. Pirsson ; Part II : Historical Geology, by Charles Schuchert Rüdorff, Fr.: Grundriß der Mineralogie und Geologie Tertsch, Hermann: Einführung in die Lehre von den Mineralien und Gesteinen — Einführung in die Mineralogie Seite 522 185 529 353 105 289 25 445 381 113 260 476 71 94 46 199 456 538 47 476 432 336 454 264 72 495 264 544 447 72 288 432 432 VI Inhalt. Seite Miscellanea. Angliederung der Kgl. Bergakademie in Berlin an die Kgl. Tech- nische Hochschule in Berlin-Charlottenburg 568 Kranz, Geologie und Hygiene im Stellungskrieg 496 Preisaufgabe der Fürstl. jABLONOWSKi’schen Gesellschaft 200 Personalia. Brandes, Theodor .... 120. 168 Moberg, Joh. Chr. ... 48. 119 Delhaes, Wilhelm 24 Ritzel, A 432 Görgey, R. von 165 Schaffer, F. X 312 Henrich, Ferdinand 169 Sörgel, W 432 Klaatsch, Hermann 353 Staff, Hans von 229 Lachmann, Richard 520 Valeton, J. J. P 480 Sachregister. VII Sachregister zum Centralblatt für Mineralogie etc. 1916. Die Original- Mitteilungen sind kursiv gedruckt. Abessinierbrunnen 273. Achate, Entstehung u. Färbung 495. Adventiv- u. Medianloben 191. Aegoceras, Lobenzerschlüzung 197. Aegypten, Wirbeltierpaläontologie287. Afrika, Deutsch-Südwest-, Diamanten- gewinnung 46. Alaun, lineare Kraft beim Wachsen 337. Allophan, Muzo, Columbien, Vork. 484. Alpen (Süd-), Trias, Buchensteiner Schichten 130. Alpine Trias, Aulacoceras sulcatum, Phragmokon 91. Aluminiumaugite , alkalifreie, Mi- schungsgesetz 1. Ammoniten Inzisionen der Suturlinie zur nat. Klassifikation 374. Lias, bipolare Lobenzerschlüzung 195. Scaphites, Nomenklatur 525. Ammonitensutur , Terminologie und Entwicklung der Lobenelemente 553. 578. Ammonoidea Loben 194. Systematik 529. Anatolien , Mineral Vorkommen 512. 538. Andreasberg, Speiskobalt, Aetzung 210. Anhydrit, Lauediagramm 546. Ankerit, Muzo, Columbien 484. Anorthit — Forsterit— Kieseldioxyd, System 313. Antimonerze, Anatolien 520. Aplit in Kalksilikatgesteinen , Fichtel- gebirge 348. Apparate, Reflexkegel beim Laue- so- wie Debye-Scherrer- Effekt, De- monstration 545. Aragonit Gitter 126. Muzo, Columbien 483. Arboledas , Columbien , Pseudomor- phosen 485. Archaeopteryx, Gliedmaßen 252. Ardennen u. Hennegau, Stratigraphie 452. Arethusina , Hypostom der Gattung 442. — Konincki, Lodenitz, Böhmen 442. Arietites spiratissimus, Sutur 564. Arsenerz, Anatolien 518. Arsenide Kobalt- u. Eisen- 10. Nickel-, Synthese 49. Asien, Anatoliens Mineralien 538. Asterolepis Rhenanus, Devon, Gerol- stein 420. Astrakanit, Zus. 511. Astralium rugosum 254. Atavismus, Definition 248. Atlantischer Ozean, Karte 47. Atombewegung in Wismut während einer Schiebung 385. Atrypa reticularis, Mitteldevon, Bel - gisch-Gladbach 321. Aetzung des Speiskobalt 182. Aulacoceras sulcatum, alpine Trias, Phragmokon 91. Australite, Verbreitung 570. JBalanophyllia Ponteni, Tertiär , Stro- phaden 223. Bariumkadmiumchlorid 128. Belgien Kriegsschauplatz, Geologisch - Geo- graphisches 452. nebst Franz.-Hennegau u. -Flandern. Stratigraphie 452. Bergakademie, Berlin, Verlegung 568. VIII Sachregister. Ber gisch- Gladbach, Mitteldevon, Plat- tenkalke 317. Bestimmung von Mineralien 72. Beyrichoceras mironotus, Sutur 587. Bibenvier, Tirol, Mennige, Vork. u. Anal. 521. Billitonite, Billiton, Vork. 572. Bleierze Anatoliens 519. Boccci d'Asino bei Serravalle — Scrivia im Lig. Apennin, subaquatische Butschungen 23. Bogota, Kristallkonkretionen im Sand- stein 486. Böhmen, Mittel-, Tektonik des Alt- paläozoicums 71. Boizetal, Endmoräne 87. Botliriolepis Canadensis, Devon, Hei- lungsvorgänge 491. Braunkohle, Anatolien 542. Brunnenbohren 291. Buchensteiner Schichten — Beitzi- schichten 130. Buntsandstein, mittl.,Gervilleia-Bänke 381. Carnallit, Entstehung 506. Celtites Buchii, Sutur 558. Cephalopoden, Trias, Nomenklatur 9 7. Geratitacea, Lobenlinie 194. Ceratites Beitzi, Trias, Südalpen 131. Gerithium scabrum, vulgätum u. medi- terraneum 255. Champagne, Stratigraphie 449. Gheiloceracea, Loben 194. Chemie der Erde 264. Chile, Speiskobalt, Tres Puntas bei Copiapö , Aetzung 183. Ghloanthit u. Speiskobalt auf Erzgängen, Ge- nese 433. 460. , mikroskopische Untersuchung 180. 206. Chromit, Anatolien 517. Glanculus corallinus 254. Coeloceras crassum, Sutur 560. Golumbella rustica 257. Columbien, Mineralogie 481. Conus austriaconoe, Tertiär, Nord- deutschland 401. Gristobalit , Paralleloeder 239. Deformation Winkel P : M der Plagioklasgestalt durch isomorphe Beimischung 361. Baumgitter durch Schiebung 121. Deroceras Maugenesti, Ziphus , Lias, Lobenzersclilitzung 197. Deutschland , Nordwest- , die neun Endmoränen 78. Deutsch-Südwest, Kriegsgeologie u. Nekrolog H. v. Staff 229. Deutsch-Südwestafrika, Diamanten- gewinnung 46. Devon Asterolepis maxima 426. Ber gisch - Gladbach , Plattenkalke 317. Panzerfische , Heilungsvorgänge 491. Devonshire, Flußspat- Quarz, gesetz- mäßige Verwachsung 201. Diamant. Kristallgitter 478. Diamanten , Deutsch - Südwestafrika, Gewinnung 46. Diaspor , Siebengebirge u. Naxos, Krist. 522. Diluvium, Endmoränen Norddeutsch- lands 16. 78. Diopsid , Gitter 16. 127. Diorit (Kugel-), Finkenwalde bei Stettin 155. Diorit- Gabbro- Massiv des oberen Velt- lin 264. Diplodocus, Körperhaltung 277. Dolomit, Muzo, Columbien, Krist. 484. Doryphorosaurus für Kentrosaurus- 511. — siehe Kentrurosaurus 578. Dynamik der Kristallgitter 260. Edelsteine Böhmens 432. Farben 199. Edmundites für Arpcidites Bimkinen- sis, Trias 101. Egergranulite 162. Eis, schmelzendes, Nordostfront 289. Eisenarsenide, Synthese 16. Eisenerze, Anatolien 517. Elemente der Theorie der Kristall- struktur 454. Elephas antiquus, Herkunft 32. 56. Endmoränen , Nordwestdeutschland 78. England, Devonshire, Flußspat- Quarz T gesetzmäßige Verwachsung 201. Eozoon u. Ophicalcite 264. Epicer atites für obertriadische Zwerg- formen von Ceratites 102. Epidot Oberhalbstein, Graubünden 458. Närödal, Analysen 2. Erde Chemie 264. Werden und Vergehen im Rahmen chem. Umwandlungen 336. Erdöl, Mesopotamien, Vork. 541. Sachregister. IX Erzgänge Genese von Speislcobalt u. Chloanthit 433 . 460. Speislcobalt u. Chloanthit , Genese433. Erzgebirge , Tektonik des Gneis- gebietes 135. Erzlagerstätten Anatoliens 517. 538. Euthria cornea 257. Faltung und Kuppelbildung im westl. Erzgebirge 164. Färbemittel von Diamant, Beryll, Phenakit, Spodumen, Topas, Cya- nit, Turmalin, Baryt, Cölestin, j Ultramarin, Wulfenit, Apatit, Spinell, Flußspat, Steinsalz, Quarz, Korund, Zirkon 200. Fichtelgebirge , Kalksilikat f eise 346. Finkemvalde bei Stettin, Kugeldiorit- geschiebe 155. Flinz des ob. Mitteldevons, Sauerland 323. Flußspat Devonshire, gesetzmäßige Verwach- sung mit Quarz 201. Muzo, Columbien 483. Flußspat- Quar z , gesetzmäßige Ver- wachsung 201. Forsterit — Anorthit — Kieseldioxyd, System 313. Forsterit , System 314. Fossilien, Erhaltung 110. Fuchsit, Muzo, Columbien 484. Fusus vir gineus, Tertiär, Norddeutsch- \ land 401. Galmei, Anatolien, York. 519. Gangadharites für Beyrichites Gan- ! gadhara 101. Geologie — Paläontologie , Teilung 293. I 300. 325. Geologie u. Hygiene im Stellungs- krieg 270. Geologie, Textbuch 72. Gerdalepis Rhenania 420. 444. 491. Gervilleia-Bänke, Trias , mittl. Bunt- sandstein 381. Gips Muzo, Columbien 484. Pliocän, Strophaden 222. Gipskristalle, Ojo de Liebre, Nieder- Kcdifornien 27. Gitter , Kalkspat , Aragonit, Diopsid, Millerit 125. Glacial, Nordwestdeutschland 78. Gladbacher Kalkzug, Devon 320. Gläser, Tektite 569. Glyphioceras incisum , Suturen 585. Gneisgebiet , westliches Erzgebirge , Tektonik 135. 158. Goniatitenkalk 487. Goniatites bisulcatus, Suturen 586. Granit- Kalksteinkontakt bei Kota- Tua , Sumatras Westküste 409. Graubünden , Oberhalb st ein, Mangan- erze 457. Gruppierung der 32 Kristallklassen 145. Haliotis lamellosa , Tertiär, Stropha- den 227. Handbuch der Mineralchemie 312. 456. Harpoceracea , Lobenlinie 195. Hartsalzkainitit, Vork. u. Entstehung 505. Harz, Mittl. Buntsandstein, Gliede- rung 383. Haßberggneise, Erzgebirge, Tektonik 161. Hausmannit Oehrenstock, Kristalle 73. Schiebungen und optische Eigen- schaften 73. Hedenstroemia Muthiana, Lobenlinie 536. Heilungsvorgänge an devonischen Panzerfischen 491. p Hexagonium- Schichten, Devon, Ber- gisch-Gladbach 318. Hoplitoides ingens, Lobenlinie 535. Hypostom der Gattung Arethusinci 442. Interferenz der Röntgenstrahlen 476. Inzision, Lobus und Suturallobus 185. Inzisionen der Suturlinie , Klassi- fikation der Ammoniten 374. Iserin, Iserwiese, Vork. 113. Iserwiese, Mineralien und ihre Lager- stätte 113. Isle de France, Tertiärbecken 450. Kainitit, Entstehung 505. Kalifornien (Nieder-), Salzlager am Ojö de Liebre 25. Kalksilikcitfelse, Fichtelgebirge 346. Kalkspat Gitter 125. Muzo, Columbien 483. Karten, Atlantischer Ozean 47. Kentrosaurus, bezw. Doryphorosaurus 511. Kentrurosaurus, non Doryphorosau- rus 578. Kieseldioxyd — Anorthit — Forsterit, System 313. Kieselschiefer 487. Klassifikation der Ammoniten, Inzi- sionen der Suturlinie 374. Kleinasien, Anatoliens Mineralien 512. Knochen- und Knorpelskelett 248. X Sachregister. Kobaltar senide Bildungstemperaturen 437. Synthese 12. Kobalterze , Bildung 434. Kobalt- und Nickelar senide, Genese auf Erzgängen 433. Kontaktmetamorphose Manganerze , Oberhalbstein , Grau- bünden 457. Niederländisch- Ostindien , Studien 409. Korallen, fossile , Präparation 445. Körpertemperatur der Pterosaurier 418. ' Kota Taa, Sumatra, Kontaktmeta- morphose 409. Kraft, lineare, von wachsenden Kri- stallen 337. Krieg, Geologie und Hygiene 270. Kriegsschauplatz , franz. - belgischer 426. 447. Kristalle lineare Kraft 337. — — - wachsender 364. Kristallgitter, Dynamik 260. Krfstallisaiionskraft 3 72. Kristallisationsräume des Tetraeders Fo — J)i — An — Si 02 316. Kristallklassen , Gruppierung 145. \ 171. Kristallkonkretionen im Sandstein von \ Bogota 486. Kristallmoleküle, Existenz, Größe und Bestimmung 392. Kristallstruktur 498. Elemente der Theorie derselben 454. j Kristallstruktur und Röntgenstrahlen j 476. Kugeldioritg eschiebe, Einkenwalde bei Stettin 155. Kupfererze, Anatolien 519. Kupferkies, Muzo, Columbien 484. Lagerstätten, Iserwiese 113. Laterallobus von Stephanoceras 194. Laterit, Bildungsbedingung 264. Laue-Bebye-Scherrer-Effelct, JReflex- kegel 545. Lauenburg , postglaziales Torflager 88. Liasammoniten , bipolare Lobenzer- j schlitzung 195. Ligurischer Apennin, Bocca d’Asino bei Serravalle, subaquatische Rut- schung 23. Lima squamosa, Tertiär, Strophaden 226. Lineare Kraft wachsender Kristalle 337. 364. Lobenelementein der Ammonitensutur, Terminologie und Entwicklung 553. Lobenzerschlitzung (bipolare) einiger Liasammoniten 195. Lobus , Suturallobus und Inzision 185. Löcknitztal , Moränen 86. Lodenitz, Böhmen , Arethusina Ko- nincki 442. Löllingit und Speiskobalt , Synthese 10. Lückenhaftigkeit paläonlologischer ü eberlief erung 105. Ludlamit, San Cristobal bei Bogota, Vork. 487. Lüneburger Heide, Endmoräne 79. M anganerze Anatolien 518. Oberhalbstein, Graubünden 457. Mangansilikat , wasserhaltig, Ober- halbstein, Graubünden, Analyse 459. Marines Miocän im Nordseebecken 396. Mecklenburg, Endmoräne 81. Median- und Adventivloben 191. Meerschaum, Anatolien, Vork. 540. Mennige, Biberwier, Tirol, Vork. u. Anal. 521. Mesoammonoidea Inzisionen der Suturlinie 374. Loben 195. Millerit 128. Mineralchemie, Handbuch 312. 456. Mineralien Farben, insbesondere der Edelsteine 199. u. Gesteine, Einführung 432. Iserwiese u. ihre Lagerstätte 113. Muzo, Columbien 481. nutzbare 94. Minerallagerstätten, Manganerze des Oberhalbstein, Graubünden 457. Mineralogie Columbien 481. Einführung 432. u. Geologie, Grundriß 288. Kristallographie und Petrographie 1916. 5. Bd. 544. Mineralpigmente, Entstehung in der Natur 200. Mineralvorkommen, Anatolien 512.538. Miocän, marin im Nordseebecken 396. Mischkristalle, Klinoenstatitu.JDiopsid 313. Mitra lutescens u. tricolor 257. Mittelmeer, Strophaden, Tertiär, Fauna 221. Moldavite, Verbreitung 570. Sachregister. Xi Moränenzüge Norddeutschlands 79. Murex inermis, Tertiär 256. Muscovit- Quarz , gesetzmäßige Ver- wachsung 204. Myriopora Verbeeki, Sumatra 410. Närödal, Analysen von Plagioklas u. Epidot 1. Nassa corniculum 256. — costulata u. italica, Tertiär 399. N atriumchlor at, Kristallhau 504. Naxos, Diaspor, Krist. 524. Nekrologe Brandes, Th. 120. 168. Delhaes, Wilhelm 24. Görgey, B. von 167. Henrich, F. 169. Klaatsch, Hermann 353. Kuhlmann, L. 480. Lachmann, B. 520. Markgraf, B. 287. Moberg, Joh. Chr. 119. Bitzel, A. 432. Staff, H. von 229. Neoammonoidea, Loben 374. Neophylloceracea, Loben 195. Netzlinien 241. Nickelar senide, Synthese 49. Niederländisch- Ostindien , Kontakt- metamorphose, Studien 409. Nordostfront, schmelzendes See-Eis 289. Nordseebecken, marines Miocän 396. Nordwestdeutschland, die neun End- moränen 78. Nomenklatur d. Triascephalopoden 97. Nutzbare Mineralien 94. Oehrenstock, Hausmannit 73. Ojo de Liebre, Nieder- Kalifornien, Salzlager 25. Ontogenie der Lobenlinie von Lias- ammoniten 195. Oesterreich, Mittelböhmen, Tektonik des Altpaläozoicums 71. Oesterreich-Ungarn, Tirol, Biberwier, Mennige, Vork. u. Anal. 521. Ostindien ( Niederl .-), Kontaktmeta- morphose 409. Otoceltites für Celtites perauritus 101. JPalaeoammonoidea, Loben 195. Paläontologie — Geologie , Teilung 300. 325. Paläontologische Hypothesen 243. 277. 300. 322. Paläontologische Ueberlieferung, Lük- kenhaftigkeit 105. Paläozoicum, altes, in Mittelböhmen 71. Paläozoologie 331. Panzerfische, Devon, Heilungsvor- gänge 491. Parisit, Muzo, Columbien 485. Pechblende, Arboledas, Columbien 485 . Pectunculus bimaculatus , Tertiär, Strophaden 227. Perisphinctes Martelli, Suturlinie 581. — rotundatus, Loben 532. Photochemie der Erde 264. Pliragmokon, Aulacoceras sulcatum, alpine Trias 91. Phyllite, Wunsiedel,Fichtelgebirge346. Phylloceras heterophyllum 562. Phylogenie, Wirbeltiere , Pelmatozoa 280. Piemontit, Oberhalbstein, Graubünden 458. Plagioklasgestalt, Aenderung des Win- kels P:M 361. Plagioklas, Närödal, Analysen 1. Planifrons frage 32. 56. Plattenkalke, Mitteldevon von Bel- gisch- Gladbach 317. Pleochroismus von Mineralien 200. Pliocän, Strophaden, Fauna 260. Pollia Orbignyi 257. Polyhalit, Entstehung 511. Präparation fossiler Korallen 445. Preisaufgabe der Fürstl. Jablonowski- schen Gesellschaft: Rolle leicht- flüchtiger Bestandteile v. Schmelz- flüssen 200. Prolobitacea, Loben 194. Protrachyceras Curioni, Trias, Süd- alpen 130. Protula 258. Pseudomorphosen im kristallinen Ge- birge v. Arboledas, Columbien 485. Psiloceracea, Loben 195. Psiloceras planorbis, Lias, Loben- z er Schlitzung 197. Pterichthys Bhenanus 420. Pterosaurier Gliedmaßen 253. Körpertemperatur 418. Pyrit Bauingitter 503. Struktur, Teilbarkeit 242. Pyrophyllit 484. Quantentheorie , Anwendung auf Atome 260. Quarz, Strukturbild 233. Quarz- Muscovit u. Flußspat, gesetz- mäßige Verwachsung 201. Hadiolarite Entstehung in Flachsee 490. Oberhalbstein, Graubünden, Man- ganerz führend 457. XII Sachregister. Radiumstrahlen und Farben von Mine- i ralien 199. Raumgitter, Deformation durch Schie- bung 121. Raumgruppen, Schönflies, Tabelle 497 . Reflexkegel beim Laue- sowie Debye- Scherr er- Effekt mittels gewöhnt. Licht 545. Reitzischichten = Buchensteiner Schichten 130. Riechelsdorf , Speiskobalt, Aetzung u. Analyse 207. 213. Rissoa ventricosa, Tertiär 255. Rissoina Bruguieri 254. Rodochrosit, Oberhalbstein , Grau- bünden 458. Röntgenstrahlen Interferenz 476. und Par cilleloedersy steme 233. Rügen , Endmoräne 80. Rutschungen, subciquatische 22. Salinen, Ojo de Liebre, Niederkali- fornien 25. Salzlager Hartsalzkainitit , Thanit, Entste- hung 505. Ojo de Liebre, Niederkalifornien \ 25. Sapphirin, Val Codera, alpines Vork. j 265. Scaphites nodosus, Sutur 565. — Nomenklatur der Gattung 525. Schaaletal, Endmoräne 87. Schiebung Atombewegung im Wismut 385. Deformation der Raumgitter 121. Schiebungen am Hausmannit 73. Schoenj lies’ sehe Raumgruppen, Tabelle 497. Scluveiz, Manganerz- Lag er Stätten des Oberhalbstein, Graubünden 457. Schwerspat, Muzo, Columbien, Vork. 485. Speiskobalt und Chloanthit mikroskopische Untersuchung 180. 206. Speiskobalt und Löllingit, Synthese 10 . Sphäroide in Kugeldiorit, Finkenwalde 156. Spinell 314. Spirifer Jüans, Mitteldevon, Bergisch- Gladbach 321. Spondylus gaederopus, Tertiär, Stro- phaden 226. Stegosaurier , Kentrurosaurus , non Doryphorosaurus 578. Steinkohlen, Anatolien, Vork. 543. Stellungskrieg Geologie und Hygiene 291. 496. Wasserversorgung 270. Stephanoceras, Laterallobus 194. Stratigraphie, Anatolien 516. String ocephalenschichten des Mittel- devon von B er gisch- Gladbach 321. String ocephalus Burtini, Mitteldevon, München-Gladbach 321. Strophaden, Geologie 221. 254. Strukturschiebung , Wismut 385. Strygocephalenkalk, Mitteldevon, Ber- giscli- Gladbach 317. Subaquatisclie Rutschungen 22. Subsolifluktion = subaquatische Rut- schung 22. Südamerika, Columbien, Mineralogie 485. Sumatra, Kontaktmetamorphose 409. Suturlinie, Inzisionen und Klassifi- kation der Ammoniten 374. Symmetrieklassen und Symmetrieele- mente 145. Synthese, Speiskobalt und Löllingit 10. Taschennachschlagebuch, min. u. geol. Bezeichnungen 71. Tauros, Anatolien, geol. Aufbau 515. Teilung von Geologie — Paläontologie 243. Sedimentierung und Fossilerhaltung 111. See-Eis, schmelzendes, Nordostfront 289. Siebengebirge, Diaspor, Frist. 522. Silesiacrochordiceras für Acrochor- diceras Damesi 101. Silikatanalysen, mögliche Fehler 1. Sillimanit, Val Codera, Vork. 267. Sinatengrün, Fichtelgebirge, KalJce in Phylliten 348. Singgalan-Vulkan, Sumatra 409. Smaragd, Muzo, Columbien 482. Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen, Genese 433. 460. Tektite, Deutung 569. T'ektonilc Altpaläozoicum in Mittelböhmen 71. Gneisgebiet im westlichen Erz- gebirge 135. Tertiär Natrontal, Aegypten 287. Nordseebecken, marines Miocän 396. Strophaden 222. 260. Tesseralkies, Skutterud b. Modum 215. Thanit, Entstehung 507. Theorie der Kristallstruktur 454. Tirol, Biberwier, Mennige, Anal. 521. Torf lager, Lauenburg, Alter 88. Sachregister. XIIJ Tornoceracea, Loben 194. Translation am Bausmannit 75. Tres Puntas b. Copiapö , Chile 184. Trias alpin, Aulacoceras sulcatum 91. mittl. Buntsandstein , Gervilleia- Bänke 381. Ceplialopoden, Nomenklatur 97. südalpine, Buchensteiner Schichten 130. Tridymit, Strukturbild 239. Trilobiten, Arethusina Konincki 442. Troclius (Calliostoma) zizyphinus, Tertiär, Strophaden 229. — ■ ( Gibbula ) magus var. producta, Tertiär, Strophaden 228. Tropitacea, Loben 194. Türkei, Anatolien, Mineralvork. 538. JJllmannit, Kristallbau 503. Urkalk in Phylliten, Fichtelgebirge 346. Val Codera, Sapphirin , York. 265. Veltlin, Diorit- Gabbro - Massiv 264. Vesuvian, kontaktmetamorpher, von Kotu Tua, Sumatra, opt. Verh. 416. Vivianit, Zipaquira u. San Cristöbal, Columbien, York. 487. Yizcainobucht , Niederkali formen , Salzlager 25. Vogesen, Kriegsschauplatz 432. Wellenoptik 264. Wiesentaler Gneiszone 159. Wirbeltiere, Abstammung und ihr Wechsel 280. Wismut, Atombewegung während Schiebung 385. Wunsiedel, Fichtelgebirge , Phyllite 346. X-Strahlen u. Kristallstruktur 476. Zinkerze, Anatolien 519. Zoisit, Oberhalbstem, Graubünden 458. Zwillingskristall, Par alleloeder System 241. G. Tscliermak, lieber die möglichen Fehler etc. 1 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Über die möglichen Fehler der Silikatanalysen und das Mischungs- gesetz der alkalifreien Aluminiumaugite. Von G. Tschermak. Die den Ergebnissen einer chemischen Analyse anhaftenden Fehler sind z. T. solche, die auch bei sorgfältiger Ausführung un- vermeidlich erscheinen, die methodischen Fehler, z. T. solche, die infolge minder genauen Verfahrens oder Übersehens von Bestand- teilen über dieses Maß hinausgehen und persönlicher Art sind. Sollen die Resultate dazu benutzt werden, die ursprüngliche Zu- sammensetzung eines Minerals zu ermitteln, so kommen jene Mängel in Betracht, welche durch die eingetretene Zersetzung oder durch fremde Beimengungen entstehen. Bei der Aufsuchung der Gesetzmäßigkeit in der Zusammen- setzung eines bestimmten Minerals kann man sich einer statistischen Methode bedienen und die Mittel der Verhältniszahlen berechnen, wobei vorausgesetzt wird, daß bei einer großen Zahl von ver- öffentlichten Analysen die Fehler sich einigermaßen ausgleichen. Um sicher zu gehen, müßte man aber die Berechnung der einzelnen Analysen ausführen, die nach Prüfung derselben auf ihre Genauig- keit und die Reinheit des angewandten Materiales vorzunehmen wäre. In bezug darauf sagte ich in meinen letzten Ausführungen über das Mischungsgesetz der alkalifreien Aluminiumaugite \ daß eine derartige Prüfung solchen Schwierigkeiten z. T. persönlicher Art begegne, daß dieselbe kaum durchführbar erscheine. Damit wollte ich der unerquicklichen Auseinandersetzung bezüglich der Qualität der bisher veröffentlichten Analysen von Aluminiumaugiten Vorbeugen, was mir jedoch nicht gelungen ist. Durch eine neuer- liche Behauptung Boeke’s 1 2, die sich auf Analysen unbestimmter Qualität beruft, sehe ich mich genötigt, auf eine Besprechung der möglichen Fehler der Silikatanalysen einzugehen. Es erscheint mir zweckmäßig, bekannte Beispiele anzuführen. Analysen desselben Materials. Plagioklas vom Närödal. 1869 erschien die Analyse G. vom Rath Rj . An einer von diesem übersandten Probe be- stimmte E. Ludwig die Zusammensetzung unter Lx Juli 1869. Später lieferte Rammelsberg die unvollständige Analyse unter Rgx 1 Dies. Centralbl. 1915. No. 8. p. 225. 2 Ebenda. No. 14. p. 422. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 1 2 G. Tschermak, Oktober 1869. Mittlerweile hatte v. Rath eine zweite unvoll- ständige Analyse R2 ausgeführt , sodann Ludwig die neuen Be- stimmungen unter L2 Dezember 1869. Im nächsten Jahre publi- zierte Rammelsberg eine neue unvollständige Analyse Rg2 und erklärte seine frühere Si02-Bestimmung als fehlerhaft. Zugleich anerkannte er die Richtigkeit der Analysen Ludwig’s '. R, L, Rg, r2 L2 Rg2 SiO, . . . 51,24 48,94 51,36 51,78 49,34 — AlaÖ, . . 31,31 33,26 32,50 30,77 33,36 32,27 CaO : . . 15,63 15,10 15,34 16,23 14,85 14.67 Na2 0 . . 1,86 3,30 — — 3,36 3,29 • h2o . . . 0,15 — — ' % — — 100,19 100,60 100,91 Die Unterschiede der Mittelzahlen R und Rg und der z einen Zahl Rg gegenüber den Mittelzahlen L betragen in wichtsperzenten : Si02 A120. Ca 0 Na2 0 R — L ... 2,37 — 2,27 0,96 — 1,47 R g-L. . . 2,21 — 0,93 0,03 — 0,04 Versucht man die Zahlen der Analysen auf Molekularperzente umzurechnen, so erscheinen jene unter Rg ungeeignet, da die beiden unvollständigen Analysen die Summe von 102,03 ergeben. Die Mittel der beiden übrigen liefern die nachstehenden Beträge. Sind die für einen Plagioklas gefundenen Verhältnisse pSiö2 . qAl203 ► rCa0.sNa20, so stellt die Plagioklasformel x(Si2 Al2 Ca08) + y(Si3ANa08) bezüglich der Molekularperzente die Forderungen: p = 50 — f- 2 s, q = r s und r -f- 2 s = 25. Setzt man die gefundenen Werte ein, so ergeben sich Un- gleichungen mit den Differenzen ztx , z/2 und z/3. Si02 A1203 Ca 0 Ra2 0 A/j R . . . 58,03 20.63 19,30 2,04 3,95 - -0,71 — 1,62 L . . . 55,76 22,30 18,27 3,67 — 1,58 0,36 0,61 Die Differenz — 1,58 für L kann daher rühren, daß ( Material, wie ich beobachtete, nicht vollkommen rein war. Die Diffe- renzen für R beruhen zum großen Teile auf Beobachtungsfehlern. Analysen an einem Mineral vom selben Fundorte. Epidot. Ein lehrreiches Beispiel geben die an den schönen Kristallen des Vorkommens im Untersalzbachtale angestellten Analysen. Im Jahre 1872 veröffentlichte Rammelsberg die unter Rg1 1 Pogg. Ann. d. Physik. 136. 1869. p. 424. Ebenda. 138. 1869. p. 162 und 171. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 60. I. 1869. p. 915. Pogg. Ann. 139. 1870. p. 178. Ueber die möglichen Fehler der Silikatanalysen etc. 3 angeführten Zahlen, die mit seiner Formel stimmten, bald darauf Ludwig die Analyse L1 , ferner v. Dräsche die Zahlen unter D und Kottal jene unter K. Rammelsberg führte noch im selben Jahre die Analyse Rg2 aus , die mit den LuDwiG’schen Zahlen stimmte und erklärte, daß er sich von der Unrichtigkeit der Zahlen Rgx überzeugt habe. 1879 erschien die von Laspeyres ausgeführte Analyse La, die 1881 von Ludwig richtiggestellt wurde, L2. Eine Analyse Mauthner’s, die sich auf nicht völlig reine Kristalle bezog, ist hier weggelassen L Eg, L, D K Eg2 La l2 Si02 . . 39,61 37,83 38,37 37,00 37,11 36,57 37,83 Al2 os . . 20,77 22,63 22,09 22,10 21,90 24,14 23,43 Fe2Os . . 14,56 14,02 13,77 13,80 16,00 12,29 13,31 FeO. . . 0,38 0,93 0,88 0,33 — 0,71 0,48 MgO . — — 4,08 0,03 — 2 — CaO. . . 24.53 23,27 17,94 25.15 23,19 23,33 23,47 h20 . . . 0,29 2,05 2,11 0,26 2,03 1,99 2,06 100,14 100,73 99,24 98,67 100,23 100,22 100,58 Die Analysen sind nicht an genau gleichem Material ange- stellt und ein geringes Schwanken in den Beträgen für Al2 03 und Fe2 03 ist erklärlich , aber die maximalen Unterschiede der Analysen, in Si02 bis zu 3°/o, in Al2 03 bis zu 3,4, in Fe203 bis zu 3,7, in MgO bis 4, in CaO bis zu 7 °/o reichend, beruhen ohne Zweifel auf Beobachtungsfehlern. Obige Zahlen wurden auf Molekularperzente umgerechnet, wobei nun jene für Al2 03 und Fe203 erhaltenen vereinigt, die Beträge für FeO und MgO zu CaO geschlagen wurden. Wenn die Verhältnisse jeder Analyse durch p Si 02 . q Al2 03 . r Ca 0 . s H2 0 ausgedrückt werden, so ergeben sich aus der Formel des Epidot 6 Si 02 . 3 Al2 03 . 4 Ca 0 . H2 0 die Forderungen : P = 2;q Jp = q + r P + s = q + r. Nach dem Einsetzen der beobachteten Werte werden die ent- sprechenden Differenzen , z/0, z/3 erhalten. Si02 R203 RO H20 4 a2 z/3 Rgl . . 46,58 20,88 31,40 1,14 4,82 2,06 4,56 Eg2 . 42,27 21,60 28,40 7,73 — 0,93 — 0,68 0,00 k . . 42,43 20,94 28,94 7,69 0,55 — 0,38 0,24 e2 . . 42,40 21,13 28,74 7,73 0,14 — 0.40 0,26 La . . 41,62 21,50 29,30 7,58 — 1,38 — 0,64 1,60 D . • . 42,73 20,30 29,10 7,87 2,13 0,34 1,20 K . . . 43,87 21,64 32,42 2,07 0,59 - 3,08 - -8,12 i Zeitschr. d. deutsch . geol. Ges. 24. 1872. p. 69, 468, 649. N. Jahrb. f. Min. etc. 1872. p. 120. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 66. 1872 . p. 200. Zeitschr. f. Krystallogr. 3. 1879. p. 561. 6. . 1881. p. 180. 2 und 0,06 Mn 0, 1,13 Unlöslich. 1* 4 G. Tschermak, Die Differenzen /I schwanken hier, wenn man vorerst von den in der letzten Kolumne verzeichneten, die von der fehlerhaften Wasserbestimmung stark beeinflußt werden, absieht, zwischen + 4,8 und — 3,1, die Werte derselben für Analysen desselben Be- obachters Rg zwischen + 4,8 und — 0,9 Molekularperzenten. Die Zahlen L geben geringe Differenzen, stärkere jene unter La. Die von Anfängern ausgeführten Analysen D und K, erstere mit dem Fehler von 2,74 in MgO behaftet, letztere mit mangelhafter CaO- Bestimmung, zeigen Differenzen von +2,1 und — 4,1. Die bisher angeführten Berechnungen haben demnach ergeben: daß Analysen, die in der Zeit von 1 869 — 1 8 79 von Geübteren ausgeführt wurden, gegenüber den Forderungen der Theorie bis um 4,8 und — 0,9 Mole- kularperzente, solche von Anfängern bis um 2,7 und — 4,1, im ungünstigsten Falle bis um — 8,1 Mole- kularperzente ab weichen. Seither sind die Methoden der Silikatanalyse verbessert worden. Die Bestimmung von Si02 kann sehr genau sein, wenn auf die Behandlung des Gels, auf die Gegenwart von Ti02 Rücksicht ge- nommen und das erhaltene Si 02 auf dessen Reinheit geprüft wurde. Ob dies geschehen, ist nicht immer sicher. Die Bestimmung des CaO ist eine genaue, jene des A12 03, die in eisenhaltigen Sili- katen eine Differenzbestimmung bleibt, etwas weniger genau, die Bestimmung von FeO und MgO hat sich auch vervollkommnet, jene der Alkalien wird bei geringer Quantität derselben bisweilen unterlassen. Man darf nicht glauben, daß Differenzen, wie die oben an- geführten, heutzutage nicht mehr Vorkommen. Die Ausführung einer genauen Silikatanalyse erfordert strenge Befolgung der er- probten Methoden, eine peinliche Sorgfalt und große Geschicklich- keit. Ohne eine vorausgegangene längere Übung ist der Erfolg unsicher. Analysen von Anfängern, die bei der Ausführung und Berechnung nicht ständig von einem tüchtigen Analytiker über- wacht werden, kommt demnach nicht der Anspruch zu, als Grund- lage für Aufstellung oder Prüfung eines Mischungs- gesetzes zu dienen. Derlei Erstlingswerke können trotzdem richtig sein, was durch fernere gute Beobachtungen desselben Ur- hebers bestätigt sein kann. Hier ist nur auf die gebotene Vor- sicht bei der Berechnung von derlei Resultaten hingewiesen. Das über die möglichen Fehler der einzelnen Bestimmungen und über die Analysen von Anfängern Gesagte ist von W. F. Hille- brand und M. Dittrich ausführlich besprochen worden. Außer durch Beobachtungsfehler kann der Wert einer Silikat- analyse durch Unreinheit oder die begonnene Zersetzung des an- gewandten Materiales beeinträchtigt werden. Ursprüngliche fremde Einschlüsse und Zersetzungsprodukte können durch eine mikro- Ueber die möglichen Fehler der Silikatanalysen etc. 5 skopische Prüfung erkannt werden. Eine stattgehabte Veränderung des ursprünglich wasserfreien Minerals verrät sich durch einen merklichen Wassergehalt, der nicht immer genau bestimmt wird, wohl auch durch einem Gehalt an C02, dessen Bestimmung oft fehlt, weil die von Boegström 1914 angegebene Methode noch nicht befolgt werden konnte. Daß aus einem Gestein , das ein Gemenge dreier Bestandteile darstellt, das zu untersuchende Mineral durch Anwendung schwerer Lösungen nicht ganz rein erhalten wird, ist schon öfter bemerkt worden. Ein Beispiel gibt die später unter No. 160 angeführte Untersuchung, bei welcher der so isolierte Plagioklas trotz befriedigender Abscheidung noch 3,9 °/o des be- gleitenden Augits enthielt. Die vorstehende Wiederholung bekannter Erfahrungen könnte überflüssig erscheinen. Sie soll aber eine von gegnerischer Seite gemachte Annahme berichtigen und darauf hinweisen : daß auch Analysen aus letzter Zeit infolge von Beobachtungsfehlern und Unreinheit des Materiales gegenüber den Forderungen der Theorie erhebliche Differenzen ergeben können. Analysen der alkalifreien Alnminiumaugite. Wenn die Zusammensetzung dieser Augite allgemein durch pSi02 . qMgO . rCaO . s A1203 ausgedrückt wird, wo die Oxyde gleicher Art zusammengefaßt sind, so läßt sich das von mir ver- teidigte Mischungsgesetz angeben durch P — q + r. Boeke hat die bezüglichen Analysen auf Molekularperzente umgerechnet, wobei die Beträge s bei der Prüfung dieses Gesetzes außer Betracht bleiben. Der Unterschied zwischen p und q -j- r, durch /I bezeichnet, gibt die Abweichung von der Theorie an. Um über die Größe der möglichen Fehler eine Andeutung zu erhalten, wären wiederum Analysen, die an gleichem Material an- gestellt wurden, zum Vergleiche heranzuziehen. Ich konnte zwei Fälle auffinden. Drei Analysen des Diallags von Ehrsberg: P. Die von Petersen 1881 ohne Angabe von Alkalien. Werden die 0,48 °/o Fe2 03 aus der folgenden herübergenommen, so ergeben sich die unten angeführten Molekularperzente. 5) Die aus Cathreiits Analyse 1882, welche nahezu 1 °/o Alkalien angibt, nach Abzug des Silikates Si2AlNa06 berechneten Werte. Es ist wohl an- zunehmen, daß bei geringen Beträgen der Alkalien diese dem bei- gemischten Ägirinsilikat angehören. Ebenso 81 ) die aus der Analyse von Kloos 1885 nach Abzug des Alkalisilikates berech- neten Zahlen. Unter J sind die von Boeke ohne Berücksichtigung der Alkalien, unter z/' die in vorgenannter Weise berechneten Differenzen auf geführt. 6 G. Tscliermak, Si02 MgO Ca 0 R203 A A‘ p . . . 49,62 24,72 21,93 3,73 3,0 — 5 . . . 49,00 25,23 23,13 2,64 4,2 0,74 81 . . . 47,24 28,49 21,59 2,68 1,1 — 2,84 Dieses Beispiel zeigt, daß für einen Augit eine Analyse, die keine Alkalien anführt, z/ = 3 ergeben kann, während zwei Analysen, die ungefähr 1 °/o Alkalien anführen, je nach der Be- rechnung zl — 4,2 bis 2,8 ergeben können. Zwei Analysen eines Augits von Dognacska, die erste 75) von Hidegh 1884 ohne Bestimmung der Alkalien, die andere 92) von Loczka 1886 mit 0, 8 °/» derselben. 75 50,40 24,37 23,56 1,66 A = 2,5 92 49,41 24,38 24,77 1,44 z/' = 0,26 Ein Beispiel dafür, wie Analysen des Augits von beiläufig gleichem Fundorte sich verhalten, mögen sechs Analysen vesuvischer Augite angeführt werden. 159. Wedding 1858 . . A — 1,9 | 23. Doelter 1877 . . A = 0,9 114. Rammelsberg 1875 A = — 3,65 j 26. „ „ . . A = 0,9 24. Doelter 1877 . . A — 1,15 — Ricciardi 1882 . A = 0,89 Hier fällt 114 aus der Reihe, was wiederum einem größeren Beobachtungsfehler zuzuschreiben sein dürfte. Boeke hat neuerdings von den ursprünglich aufgezählten 163 Analysen jene ausgeschieden, die mehr als 1 °/o Alkalien oder mangelhafte Analysensummen angeben, so daß das neue Verzeichnis der für alkalifreie Aluminiumaugite geltenden Analysen jetzt 109 enthält. Davon wären jedoch noch 15, die bei einer statistischen Übersicht mitgezählt wurden, einzeln aber als zur Ermittlung der normalen Zusammensetzung ungeeignet, wegzulassen. 11. A = 4,45, Steiger, betrifft zufolge des Wassergehaltes von 1,8 °/o ein schon ziemlich zersetztes Mineral. 15. 11,85, Eakins, ein mit Quarzkörnchen und Hornblendepartikeln ver- wachsenes Mineral. 25. Als ident mit 159. Wedding. 31. —4,1. 32. —3,2. 33. — 4,05, Doelter , nach dessen Angabe durch etwas Calcit ver- unreinigte Fassaite h 38. — 4,15, durch Calcit, der mit Essigsäure ausgezogen wurde, sodann aber noch durch Magnetit und rotbraune Partikel verunreinigtes Mineral. 1 Die für Fassaite durchwegs in gleichem Sinn erfolgenden A deuten auf die Gegenwart eines Carbonat-Silikates, ähnlich dem des Meionits. Ueber die möglichen Fehler der Silikatanalysen etc. 7 48. 9,0, Foxall, Erstlingsanalyse, mit 1,66 °/o Wasser, Nebengestein ein permischer Tuff. 64. — 3,3, Heddle, durch Labradorit (?), 66. — 5,0 durch Magnetit (?) verunreinigtes Mineral. 76. 2,45, Hilger, zufolge des Wassergehaltes von 2,53 °/o. 78. 8,75, Hümmel, Erstlingsanalyse, mit summarisch 1,05 0j> Alkalien, 1,26 °/o Wasser, Analysensumme 98,22. 85. 8,45, Koto, durch Magnetit verunreinigtes Mineral. 139. 5,55, Schraüf, ein derber faseriger (!) Diallag. 1,39 °/o Glühverlust. Reinheit nicht angegeben. 153. — 3,45, Traube, Omphacit. Angaben über MgO und Analysen- summe mangelhaft. Hingegen sind von mir zugefiigt : obige Analysen von Peteesen und Ricciardi, ferner die wegen des Alkaligehaltes ausgefallene 21), daher nunmehr 97 Analysen der Betrachtung unterzogen werden. A. Die von mir schon früher genannten 8 von Rosenbusch publizierten : 119. .... . A = 2.1 130. A = 0,0 127 . A lg 2,7 131. A -0,45 128 . A - — 2,4 133 A = - - 2,6 129 00 cT f II M 136. A = - -0,9 B. Aus dem Laboratorium der Geol. Survey in Washington bervorgegangen en mern 1 1 und 1 5 : 1 2 nach vorher bemerkter Weglassung der Num- 8. Williams . . . A = — 0,2 16. Eakins . . .... . A — 2,1 9. Catlett . . . . A = — 2,5 17. „ . . . . A = — 2,15 10. Hillebrand . 00 in 1 1! 18. Chat ard' . . . A - 0,4 12. Eakins . . . . A = — 0,55 19. Clarke . . . . A = 1,2 13. Hillebrand . . A‘ = — 0,54 20. Eakins .... A = 1 ,45 14. Eakins . . . . A\ = 2,5 21. Hillebrand . . A' = —0,27 C. 22 Analysen solcher Forscher, von denen auch außerdem bewährte Analysen ausgingen : 5. Cathrein 1882 . A' = 0,74 137. SCHA RITZER 1884 A ■ -1,0 57. Harrington 1875 A = — 1,85 141. Schwager 1881 A = 1,15 58. „ 1878 A = 0,85 150. Teall 1884 . . A — 0,05 59. 7) » A - — 0,2 151. „ 1889 . . A — 0,25 60. ?5 A — 0,55 152. ?? 7) A = 0,85 83. Knop 1885 . . . A‘ = 0,37 155. Traube 1890 . . A — 1,45 84. 7) 7) * A - — 0,85 157. Wahl 1907 . . A‘ “ r 1.48 92 Loczka 1886 . . A' = 0,26 158. » » • • A‘ = 2,06 94. Ludwig 1887 . . A = — 0,5 159. Wedding 1858 . A = 1,85 116. Ricciardi 1882 . A : 0,75 162. Zambonini 1900 A == 1,9 — n d A = 0,89 163. „ 1905 A = 2,35 8 G. Tschermak, Ans dem vorher Angeführten ist zu ersehen, daß die Ergeb- nisse der von Geübteren ausgeführten Analysen keine größeren Differenzen als + 3 Molekularperzente ergeben. Wird der Einfluß der analytischen Fehler bei einem Aluminiumaugit von gewöhn- licher Zusammensetzung berechnet, so zeigt sich , daß schon ein Fehler oder die Vernachlässigung von 0,45 Gewichtsperzenten der Alkalien auf J — 1,5 führt, ferner ein Fehler von 0,8 °/o in Si02 und dieser Fehler im entgegengesetzten Sinne in FeO und in MgO zusammen eine Differenz von z/ = + 2,6 bewirken. Fehler von solchem Betrage kommen in Analysen von mittlerer Genauigkeit vor und durch Summierung derselben kann die Grenze z/ = 3 bis J = — 3 erreicht werden. Demnach scheint es mir gestattet, Analysen, für welche dm Beträge z/ sich innerhalb dieser Grenzen halten, als solche zu betrachten, die dem Mischungsgesetze p = q -f- r nicht wider- sprechen. D. Nach Musterung der Analysen, die nach Abzug der unter A bis C genannten übrigbleiben, stellt sich heraus, daß 48, die meistens gelegentliche Untersuchungen darstellen und die ich nicht einzeln betrachten werde, sich innerhalb der Grenzen z/ — 3 und z/ = — 2,9 halten, darunter auch 49) Fuchs, die z/' = 2,1, 103) Nicolau, die z/' — 0,13 und 160) Wedel, die z/' = 2,6 ergeben. Demnach sind es 90 Analysen, deren Berechnung durchwegs Ergebnisse zugunsten des genannten Mischungsgesetzes liefert. E. Schließlich sind noch 7 Analysen anzuführen, für welche z/ die Grenzen -j- 3 und — 3 überschreitet. 114. — 3,65, Rammelsberg 1875, siehe die frühere Bemerkung. 74. 4,7, Heddle 1878, „anscheinend rein“. Es fehlt eine Angabe über Alkalien und die sonst bemerkte Prüfung des erhaltenen Si02. 41. — 4,9, Doelter 1883, ohne nähere Angaben. Diesen drei Analysen dürfte der gleiche Rang zukommen. Die Differenzen könnten durch Fehler von ungefähr 1 Gewichts- perzent, die nach den eingangs angeführten Beispielen wohl mög- lich sind, hervorgebracht sein. 22. ^' = 4,66, Dahms 1891, Isolierung durch schwere Lösungen. 144. /t — 5,85, Sommerlad 1883, „muscheliger Augit“ im Basalt. Alka- lienbestimmung fehlt. Das Nebengestein erhält erhebliche Mengen. 145. 5,25, Derselbe, Alkalienbestimmung fehlt. Analysensumme 101,16. 161. 8,3, Wedel 1890, Isolierung durch schwere Lösung. Ti 02 = 2,35 °/o. Alkalien 0,64 ü/o. Analysensumme 101,16. Diese vier Analysen entstammen petrographischen Arbeiten und dürften als Erstlingswerke zu betrachten sein. Ueber die möglichen Fehler der Silikatanalysen etc. 9 Die hier beigefügten Bemerkungen sollen den Wert der zuletzt aufgezählten Beobachtungen keineswegs zugunsten der Theorie lierabsetzen, sondern angeben, wie die Differenzen bei ausnahms- loser Gültigkeit der Theorie zu erklären sind. Es erscheint ja möglich, daß Ausnahmen Vorkommen, indem neben den Verbindungen, die dem Gesetze p = q -j- r gehorchen , in einigen Fällen auch eine Beimischung vorhanden wäre, die ein anderes Verhältnis be- folgt. Dafür sprechen jedoch, wie aus vorigem zu ersehen ist, nur wenige Beobachtungen, und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Annahme wird dadurch verringert, daß auch durch die Unterlassung einer Prüfung des erhaltenen Si02, durch ein Übersehen der Alkalien oder von Bestandteilen wie Ti, B, C02, F, Li größere Differenzen herbeigeführt werden können. Demzufolge läßt sich nicht behaupten, daß den letztgenannten Analysen ein solches Gewicht einzuräumen sei, durch welches die Gültigkeit des aufgestellten Gesetzes beeinträchtigt würde. Die nähere Betrachtung der einzelnen vorhandenen Analysen führt zu demselben Ergebnis, das ich schon in der vorigen Schrift aussprach, nämlich: daß das genannte Mischungsgesetz der alkali- freien Aluminiumaugite so gut, als es jetzt möglich, begründet ist. Die entgegengesetzte Behauptung Boeke’s: jenes Mischungs- gesetz sei unrichtig, weil es nicht allgemein erfüllt sei, indem die Differenzen z! recht beträchtliche Werte erreichen und die ent- sprechenden Analysen teilweise in neuester Zeit oder von anerkannt sorgfältigen Forschern ausgeführt seien — wird der aufmerksame Leser der vorliegenden Schrift richtig beurteilen können. Ebenso wird er die Emphase des einer Äußerung Zambonini’s entnommenen Ausspruches: „daß die Hypothese von Tschermak endgültig ver- lassen werden muß“, richtig einzuschätzen wissen. Ich kann nicht umhin, das Bedauern darüber auszusprechen, daß ich genötigt wurde, das ebenso unangenehme als undankbare Amt einer Kritik vorhandener Analysen anzutreten und mich nicht auf Ergebnisse stützen zu können, von denen ich sagte: „Eine größere Anzahl von Analysen , an reinem und verschieden zu- sammengesetztem Material von einem geübten Analytiker ausge- führt, könnte die Entscheidung bringen.“ Dazu wäre der Meister der Mineralanalyse E. Ludwig berufen gewesen, an dessen Sterbe- tage, 14. Oktober 1915, ich diese Schrift abschließe. 10 A. Beutell und Fr. Lorenz, Synthese von Speiskobalt und Löllingit. Yon A. Beutell und Fr. Lorenz in Breslau. Mit 4 Textfiguren. Bei der Oxydation von Speiskobalt und Löllingit durch den Luftsauerstoff (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373) waren in dem gelösten Teil die beiden Arsenide Asft Co2 und As3Fe4 aufgetreten, doch blieb ihre Existenz noch zweifelhaft, weil eventuell Gemenge vorliegen konnten. So war es nicht ausgeschlossen, daß As5 Co2 ein Gemisch der beiden Arsenide As3 Co und As2Co darstellte, auch konnte durch Zufall ein einfaches Verhältnis zwischen Arsen und Metall zustande gekommen sein. Aus diesem Grunde war es nötig, die dort erhaltenen Resultate durch synthetische Versuche sicherzustellen. In der Literatur finden sich für Kobalt nur Angaben über niedere Arsenide, sogenannte Kobaltspeisen, und zwar sind von Friedrich (Metallurgie, Zeitschr. f. d. gesamte Hüttenkunde. 1908. 1. p. 150) die Verbindungen As2Co5, AsCo2 und As2 Co3 her- gestellt worden. Beim Eisen sind von demselben Forscher die beiden Arsenide AsFe2 und As2Fe3 erhalten worden (a. a. 0. 1907. 1. p. 129); die Existenz von As Co und As Fe wird als wahr- scheinlich hingestellt. Ferner gelang es Hilpert und Dieckmann (Bericht deutsch, ehern. Ges. 1911. p. 2378 — 2383), die beiden Eisenarsenide As2Fe und As Fe künstlich darzustellen. Unseren synthetischen Versuchen lag dieselbe Idee zugrunde, die zur Darstellung der verschiedenen Desminhydrate geführt hatte (dies. Centralbl. 1915. p. 4 — 11). Ebenso wie sich durch Über- leiten feuchter Luft bis zur Sättigung bei konstanten Tem- peraturen und konstantem Druck die verschiedenen Desmin- hydrate gebildet batten, sollten mit Arsendampf die verschiedenen Arsenide dargestellt werden. Nur wenn chemische Verbin- dungen und nicht feste Lösungen Vorlagen, mußte auch hier nach völliger Sättigung Ge wiclitskonstanz in einem mehr oder weniger ausgedehnten Temperatur -Intervall auftreten und nicht nur bei einer Temperatur. Da das Überleiten von Arsendampf bei gewöhnlichem Druck mit großen experimentellen Schwierig- keiten verknüpft ist, zogen wir es vor, die Versuche in zuge- schmolzenen, vorher mit der BEUTELL’schen Quecksilberluftpumpe evakuierten Röhren vorzunehmen. Die nebenstehende Fig. 1 zeigt das Vakuumrohr mit Beschickung; bei späteren Versuchen wurden stets drei Versuchsröhrchen in demselben untergebracht, wodurch Parallelversuche mit verschiedenen Metallen angestellt werden konnten. Als Ausgangsmaterial diente entweder genügend ent- arsenter Speiskobalt und Löllingit oder auch Pulver von Kobalt. Das Erhitzen fand in einem elektrischen Röhrenofen statt, dessen Temperatur mit einem Thermoelement aus Platin- Platin- Synthese von Speiskobalt und Löllingit. 11 rhodium gemessen wurde, welches mit einem Voltmeter verbunden war. Die gesamte Versuchsanordnung wird durch Fig. 2 ver- anschaulicht. Erst nachdem wir das Vakuumrohr mit Silberblech Fig. 1. Natürliche Größe. V = Vakuumrohr, As = Arsenstückchen, r = Röhrchen für Speiskobalt, Kobalt oder Eisen. umwickelt hatten, erreichten wir bei Parallelversuchen gute Über- einstimmung, weil hierdurch für das ganze Rohr eine völlig gleich- mäßige Erhitzung gewährleistet wurde. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird bei gesteigerter Erhitzung stark vermehrt, weil die rasch zunehmende Tension des Arsen- dampfes ebenso beschleunigend wirkt wie die Erhöhung der Tem- Rig. 2. P = Quecksilberpumpe, I = Induktor, 0 = elektrischer Ofen, L-W = Lampenwiderstand, R-W = Ruhstratwiderstand, A == Akkumu- lator, V = Voltmeter. 12 A. Beutell und Fr. Lorenz, peratur. Die Versuche waren z. T. sehr zeitraubend; in einigen Fällen war erst nach wochenlangem Erhitzen Sättigung eingetreten. Tabelle 1 , welche der Inaugural-Dissertation von Gibson, Breslau 1911, entnommen ist, liefert einen Einblick in die Be- ziehungen zwischen Tension und Temperatur des Arsendampfes. Tabelle 1. Arsentension für verschiedene Temperaturen. Temperatur Tension Differenz für 10° 469,4° C 476,3 26,0 mm Hg 31,6 8,1 mm Hg 16,1 14.4 23.4 25,1 44,6 55,8 488,4 50,9 499,9 67,4 512,3 96,2 526,4 131,6 557,4 269,9 568,9 334,1 Die Versuchstemperaturen erstreckten sich von 275 — 618°. Bei 275° ist die Arsentension noch sehr gering und daher die Reaktionsgeschwindigkeit äußerst langsam; niedere Temperaturen kommen deshalb für uns nicht in Frage. Nach oben war die Grenze dadurch gegeben, daß bei Dauerversuchen die Temperatur von 600° nicht weit überschritten werden durfte, weil sonst das Glas zu erweichen beginnt. Gegen unsere Erwartung stellte sich heraus, daß mit steigender Temperatur immer höhere Arsenide entstanden. Während wir in der Vakuumdestillation gefunden hatten, daß sich zwischen 500° und 600° die höheren Arsenide des Speiskobalts unter Abgabe von Arsen in das Monarsenid As Co verwandelten, entstand im zuge- schmolzenen Rohr in diesem Intervall das höchste Arsenid As3 Co. Dieses unerwartete Ergebnis wird dadurch verursacht, daß die zersetzende Wirkung der höheren Temperatur mehr als ausgeglichen wird durch die überaus rasche Zunahme der Arsentension. Synthese der Kobaltarsenide. Wir gingen zunächst vom Speiskobalt aus, doch mußten wir, um hinterher das Erzpulver wieder mit Arsendampf sättigen zu können, zunächst eine genügende Menge Arsen durch Vakuumdestillation austreiben. Dieser Umweg ist nicht zu vermeiden, weil die Vakuum- destillation im allgemeinen auf keine einheitlichen Arsenide führt. Der Grund hierfür liegt, wie in der Arbeit über Desmin gezeigt Synthese von Speiskobalt und Löllingit. 13 wurde (dies. Centralbl. a. a. 0.), in der starken Kohäsion im Innern eines Massenteilchens, im Vergleich zu der schwachen an der Ober- fläche. Deshalb zersetzen sich bei der Destillation im Innern andere Arsenide als an der Oberfläche, und es bleibt als Rückstand ein Gemenge. Nur ausnahmsweise, wenn das Beständigkeitsintervall groß ist, führt der Abbau auf eine einheitliche Verbindung, wie es z. B. bei As Co zutrifft. Bei der Darstellung der Arsenide durch Sättigung mit Arsendampf spielt die Kohäsion keine Rolle, und so ergeben sich die einzelnen Arsenide nacheinander in verschiedenen Temperaturintervallen. Der von uns benutzte Speiskobalt von Rieclielsdorf in Hessen ergab bei der Analyse die folgende Zusammensetzung: Arsen . . 72,97 Wismut . . 1,31 Schwefel . . 1,70 Kobalt . . 10,88 Nickel . . 9,41 Eisen cc 00 unlösl. Rückst. . . . . 0,58 Summe . . . 99,63 % Atomverhältnis R : As = 1 : 2,53. Das feine Mineralpulver wurde zunächst bei 600° so lange im Vakuum erwärmt, bis kein Arsen mehr abdestillierte, und dann noch einige Stunden zwischen 600 und 700° weiter erhitzt; es hatte dann die Zusammensetzung R : As = 1 : 0,95. Nachdem es 12 Tage lang bei 275° im Arsendampf verblieben war, hatte es zwar deut- lich Arsen aufgenommen, doch war das Verhältnis R : As nur auf 1 : 0,96 gestiegen. Da die Sättigung bei dieser schwachen Arsen- tension mehrere Monate in Anspruch genommen hätte, und da die Versuche wegen des Stromverbrauchs kostspielig sind, gingen wir zu höheren Temperaturen über. Das Beständigkeitsintervall muß jedoch, weil ein zwischen 0,96 und.l liegendes Arsenid nicht an- genommen werden kann, von 275° an gerechnet werden. Die Versuchstemp’eratur wurde gesteigert , sobald in ^ bis } Tagen keine merkliche Arsenaufnahme stattgefunden hatte. Die Ergebnisse der synthetischen Versuche am Speiskobalt sind in Tabelle 2 (p. 14) zusammengestellt. Die in der Tabelle festgelegten Beständigkeitsintervalle be- anspruchen keine absolute Gültigkeit, denn wenn auch innerhalb eines Tages keine merkliche Arsenaufnahme nachzuweisen ist, so kann eine solche bei längerer Einwirkung doch noch eintreten. Die Anfangstemperatur eines Intervalls bedeutet daher nichts anderes, als daß die Reaktionsgeschwindigkeit bei ihr bereits so groß ist, daß sie innerhalb 24 Stunden mit Sicherheit nachgewiesen 14 A. Beutell und Fr. Lorenz, Tabelle 2. Synthetische Versuche mit Speiskobalt, der durch Vakuum- destillation auf die Formel As095 R gebracht worden war. Temperatur Dauer Atom- verhältnis R: As Formel Beständig- keits- Intervall 275° 360 ; 350 12 Tage 50 „ 42 Stunden 1 : 0,96 1 : 1,06 ! 1:1,08 As R 75° 355° 365 375 385 20 Tage 15 Stunden 23 24 1 : 1,33 1 : 1,33 1 : 1,33 1 : 1,33 das Verhältnis muß wegen der Verunreini- gungen als zufällig angesehen werden; es hat sich mit reinem Kobalt nicht bestätigt 395° 405 1 20 Tage 1 5 \ Stunden 1:1,84 1:1,84 As2 R 10° 415° 500 618 96 Tage 16 „ 23 Stunden 1 : 2,41 1 : 2,82 1 : 2,84 As3R 118° werden kann. Ähnlich verhält es sich mit den Endtemperaturen der Beständigkeitsintervalle. So haben wir als Höchsttemperatur für das Arsenid AsR die Temperatur von 350° angegeben, trotz- dem wir in einem Dauerversuch von 9 Wochen bis auf das Ver- hältnis R : As = 1 : 1,50 gelangt waren. Auch bei 400° stieg in einem 8 Wochen fortgesetzten Versuche der Arsengehalt weit über das Verhältnis R : As = 1 : 2. In beiden Fällen haben wir diese langsam nebenher verlaufenden Prozesse vernachlässigt, um nicht das übersichtliche Bild, welches die Tabelle von den Hauptvorgängen gibt, zu verwischen. In Wirklichkeit bestehen keine so scharfen Temperaturgrenzen zwischen der Bildung des einen und des anderen Arsenids, sondern es entstellen im allgemeinen mehrere gleichzeitig, von denen jedoch nur eins eine merkliche Reaktionsgeschwindigkeit besitzt. Es haben sich die drei Arsenide AsR, As2R und As3R er- geben, von denen das Biarsenid nur in einem ziemlich beschränkten Temperaturintervall beständig ist. Bei As2R und As3R sind die Abweichungen, wie die Atomverhältnisse zeigen, größer, als die Versuchsfehler sein können, wofür die Verunreinigungen des Speis- kobalts an Wismut, Schwefel und hauptsächlich an Eisen ver- Synthese yon Speiskobalt und Löllingit. 15 antwortlich zu machen sind. Ob noch Zwischenarsenide existieren wie As4R3, konnte bei diesen starken Abweichungen nicht ent- schieden werden; es trat daher die Notwendigkeit an uns heran, noch Versuche mit reinem Kobalt anzustellen. Das Kobaltpulver war von C. A. F. Kahlbaum bezogen und wurde vor dem Gebrauch nochmals mit Wasserstoff reduziert. Die Versuchsanordnung war im übrigen genau dieselbe wie bei den Versuchen mit Speiskobalt. Die erzielten Resultate enthält die Tabelle 3. Tabelle 3. Darstellung der Kobaltarsenide aus reinem Kobalt. Temperatur Dauer Atomverhältnis Co: As Formel Beständigkeits- Intervall 275° 12 Tage 1:0,16 310 325 180 Stunden 34 f 1 : 0,97 1 : 1,03 As Co 60° 335 11 1 : 1,03 345° 10 Stunden 1 : 1,08 355 275 „ 1 : 1,52 As3 Co2 20° 365 19 „ 1 : 1,55 385° 250 Stunden 1 : 1,99 395 14 , 1 : 2,02 As2 Co 20° 405 18 1 : 2,03 415° 430 232 Stunden « „ 1 : 2,49 1 : 2,53 As5 Co2 15° 450° 325 Stunden 1 : 2,96 580 19 1 : 2,96 As3 Co 168° 618 18 „ 1 : 2,99 Über die Abgrenzung der Intervalle gilt das beim Speiskobalt Gesagte ; auch hier konnten bei wochenlanger Fortführung der Versuche die Atomverhältnisse nach oben verschoben werden. Ein 9 Wochen dauernder Versuch mit Kobalt führte bei 350° auf die Formel As16gCo (statt As15Co), und bei 400° wurde in 8 Wochen die Formel As214Co (statt As2Co) erhalten. Außer den schon mit Speiskobalt erhaltenen Arseniden AsR, As2 R und As3 R hatte sich noch As3 Co2 und As3 Co2 gebildet. Während As Co ein hellgraues Pulver mit einem deutlichen Stich ins Rote darstellt, färben sich die Arsenide durch die Arsen- aufnahme immer dunkler, bis am Schlüsse das schwarze As3Co 16 A. Beutell und Fr. Lorenz, erscheint. Die aus Speiskobalt erhaltenen Präparate sind den aus reinem Kobalt erhaltenen sehr ähnlich, doch fehlt ihnen der Stich ins Rote. Von besonderem Interesse ist die Synthese von As5Co2, welches wir gelöst bei der Luftoxydation gefunden hatten (a. a. 0.), dessen Existenz uns damals jedoch noch zweifelhaft erschien, weil es eine Mischung aus As2Co und As3Co sein konnte. Nunmehr liegt kein Grund vor, an dem Vorhanden- sein von As5Co2 im Speiskobalt zu zweifeln. Synthese der Eisenarsenide. Um die Abweichung der aus dem Speiskobalt dargestellten Arsenide von den theoretischen Formeln aufzuklären , mußten sich, da unser Speiskobalt 2,78 °/o Eisen enthielt, folgerichtig an die Versuche mit reinem Kobalt solche mit Eisen anschließen. Als Ausgangsmaterial wählten wir denselben Löllingit aus Reichen- stein, mit dem wir die Luftoxydation durchgeführt hatten (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373). Wie beim Speiskobalt mußte zunächst im Vakuum Arsen abdestilliert werden, doch benutzten wir, da sich der Löllingit schwerer zersetzt, an Stelle des Kali- glasrolires ein Porzellanrohr. Nachdem wir das Erzpulver 3^- Tage bis zur Rotglut erhitzt hatten, ergab die Analyse die empirische Zusammensetzung As088Fe. Die synthetischen Versuche wurden genau wie beim Speiskobalt im Glasrohr unter Benutzung des elektrischen Ofens durchgeführt. Die Versuchsergebnisse enthält die Tabelle 4 (p. 17). Daß in dem Intervall von 285° bis 325° die Tension des Arsendampfes so gering sei (Versuche 1 — 3 a), daß bei vier Tage langem Erhitzen keine Gewichtszunahme stattfinden konnte , ist kaum anzunehmen; wahrscheinlich gehört das Intervall einem niederen Arsenide an. Für die Existenz des bei der Luftoxydation in der Lösung gefundenen Arsenids As3Fe4 (dies. Centralbl. 1915. p. 372), das wir schon damals als zweifelhaft bezeichneten, hat die Synthese keinerlei Anhalt gegeben, obwohl das betreffende Nickelarsenid (As3 Ni4) neuerdings nachgewiesen ist (Chase Palmer, Tetranickeltriarsenid (Maucherit) und seine Fähigkeit, Silber aus- zufällen. Groth’s Zeitsclir. 1915. 54. p. 433 — 441). Das zweite in der Lösung vorhandene Arsenid As3 Fe2 ist durch die Synthese sichergestellt ; ebenso das Arsenid As2 Fe, das bei der Luftoxyda- tion des Löllingits als Rückstand übrigblieb. Bemerkenswert ist das große Beständigkeitsintervall von As2Fe, der wichtigsten Komponente des Löllingits, weil es uns erklärt, weshalb derselbe als Differentiationsprodukt in den Reichensteiner Eruptivgesteinen auftreten kann. Synthese ton Speiskobalt und Lollingit. 17 Tabelle 4. Synthese der Arsenide des Löllingits. No. Tem- peratur Dauer Atom- verhältnis Fe : As Formel Beständig- keits- Intervall 1 285° 15 Stunden 1 : 0,89 — 2 315 42 j „ 1 : 0,89 2 a 315 43 n 1 : 0,88 - 3 325 40 99 1 : 0,89 — 3 a 325 40 9? 1 : 0,88 — 4 335° 46 Stunden 1 : 0,90 As Fe 5 340 126 59 1 : 1,03 Ti 6 350 io* 1 : 1,03 Ti 50° 7 360 44 1 : 1,08 8 375 24i 7) 1 : 1,09 9 385 23i 99 1 : 1,12 Ti 10 395° 541 Stunden 1 : 1,56 As3 Fe2 10 a 395 536 9? 1 : 1,55 T) 11 405 55i 1 : 1,57 Ti O AO 11a 405 55i 7) 1 : 1,59 7) 12 415 37 7) 1 : 1,59 12a 415 37 Ti 1 : 1,62 99 13 430° 561 Stunden 1 : 1,68 As2 Fe 13 a 430 56i Ti 1 : 1,70 Ti 14 460 21 Ti 1 : 1,73 Ti 14a 460 21 Ti 1:1,74 n 15 500 60 Ti 1 : 1,85 Ti 188® 15 a 500 60 99 1 : 1,86 » 16 530 41 Ti 1 : 1,87 » 16 a 530 41 Ti 1 : 1,87 99 17 618 Hl* Ti 1 : 1,90 17 a 618 llli 1 : 1,90 95 Die Bildungstemperaturen der reinen Kobaltarsenide und der aus Löllingit gewonnenen Eisenarsenide geben klaren Aufschluß über die beim Speiskobalt auftretenden Abweichungen von den genauen, theoretischen Formeln. Zur Erleichterung der Übersicht haben wir unsere sämtlichen synthetischen Resultate in der Tabelle 5 zusammengestellt. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 2 18 A. Beutell und Pr. Lorenz. Tabelle 5. Vergleich derArsenide des reinen Kobalts und Eisens mit den aus Speiskobalt erhaltenen. Arsenide des Eisens Arsenide des Kobalts gefunden am gefunden an Tem- peratur Löllingit reinem Kobalt Speiskobalt Fe : As Formel Co: As Formel R : As Formel 275° ' — — 1:0,96 1 285 1 : 0,89 — — 310 — 1 : 0,97 As Co — 315 1 : 0,89 — — 325 1 : 0,89 1 : 1,03 — As R 335 1 : 0,90 1 : 1,03 v- 340 1 : 1,03 As Fe — — 345 — I : 1.08 — 350 1:1,03 — As3 Co2 1 : 1,08 355 V 1 : 1,52 1 : 1,33 360 1:1,08 — — 375 1 : 1,09 1 : 1,55 1 : 1,33 As2 R 385 1:1,12 1 : 1,91 1 : 1,33 395 1 : 1,55 1 : 2,02 As2Co 1 : 1,84 405 1 : 1,58 1 As3 Fe, 1 : 2,03 1 1 : 1,84 415 1 : 1,59 1 : 2,49 As5 Co2 1 : 2,41 430 — 1 : 2,53 — 450 — 1 : 2,96 - ‘ — •• 460 1 : 1,74 As3 R 500 1 : 1,86 As2 Fe As3 Co 1 : 2,82 580 — 1 : 2,96 618 1 : 1.90 1 : 2,99 1 : 2,84 Wie die Tabelle erkennen läßt, kann man die für Speiskobalt experimentell erhaltenen Formeln aus den für reinen Kobalt und Löllingit gefundenen ohne weiteres ableiten. Daß die Sättigung bei Speiskobalt nicht auf As3R, sondern nur auf As9g4R führt, hat seinen Grund in dem Zusammenfallen der Intervalle des Tri- arsenids des Kobalts As3 Co mit dem Biarsenid des Eisens As2 Fe. Anstatt As2R fanden wir beim Speiskobalt nur As184R, also eben- falls zu wenig Arsen. Ein Blick auf die Tabelle ergibt als Ur- sache das Zusammenfallen der Beständigkeitsintervalle von As2Co mit den der beiden Eisenarsenide As Fe und As3Fe2. In beiden Fällen sind die Abweichungen von der theoretischen Formel be- dingt durch die höhere Bildungstemperatur der Eisenarsenide. Synthese von Speiskobalt und Löllingit. 19 Mikroskopische Untersuchung. Nachdem durch Analyse und Synthese die im Speiskobalt und Löllingit enthaltenen Komponenten festgestellt waren, wurde ver- sucht, die einzelnen Arsenide auch mit Hilfe des Mikroskops fest- zustellen. Herr Prof. Dr. Oberhoffer von der hiesigen Technischen Hochschule war so freundlich, uns einige Erzstückchen anschleifen und polieren zu lassen. Die folgenden Abbildungen Fig. 3 und Fig. 4 sind nach Photographien hergestellt, welche er uns mit einem metallographischen Mikroskop hergestellt hatte , das mit Opakilluminator versehen war. Auch an dieser Stelle sagen wir ihm unseren verbindlichsten Dank. Bei der mikroskopischen Prüfung stellte sich heraus, daß die Erscheinungen am Speiskobalt so komplizierter Natur waren, daß zu ihrer sicheren Deutung umfangreiche Untersuchungen erforder- lich waren. Einfacher lagen die Verhältnisse beim Löllingit. Es sollen daher hier nur die mikroskopischen Ergebnisse am Löllingit mitgeteilt werden , während die am Speiskobalt einer späteren Arbeit Vorbehalten bleiben. In Übereinstimmung mit den chemischen Ergebnissen, welche als Hauptkomponenten die beiden Arsenide As3 Fe2 und As2 Fe festgestellt hatte , zeigt das mikroskopische Bild zwei deutlich verschiedene Substanzen. Für das bei der Luftoxydation in geringer Menge gefundene As3Fe4, dessen Existenz noch zweifelhaft ist, ergab sich kein Anhaltspunkt. Fig. 3 stellt den ungeätzten Schliff bei 120facher Vergrößerung dar. Die ganze Erzmasse erscheint fast weiß, und nur der Serpentin hebt sich als dunkle Ader ab. Erst nach dem Ätzen mit verdünnter Salpetersäure stellt sich heraus, daß das Erz inhomogen ist. Der größte Teil nimmt eine bleigraue Färbung an, und nur einzelne Adern und unregelmäßige Flecke bewahren ihre ursprüngliche, fast silberweiße Färbung. Fig. 4 gibt ein Bild des geätzten Schliffes bei SOfacher Vergröße- rung. Die ziemlich dunkel gefärbte Grundmasse ist in der Mitte des Gesichtsfeldes von einer breiten hellen Ader durchsetzt; kleinere helle Erzpartien sind auch unten rechts zu. erkennen. Die schwarzen Stellen rühren von Serpentin her. Die chemische Identifizierung der beiden Arsenide stößt auf keine Schwierigkeiten, wenn man sich das Mischungsverhältnis derselben vor Augen führt. Die Zerlegung des Löllingits durch Luftoxydation (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373) führt, wie aus der Tabelle 6, p. 372, zu entnehmen ist, auf die Zusammensetzung As,Fe„ 61°/o As2 Fe 36 „ As3 Fe4 3 „ (nicht sichergestellt). Da die vorherrschende Substanz offensichtlich die dunklere ist, so muß sie als das Sesquiarsenid As3Fe2 gedeutet werden. 20 A. Beutell und Fr. Lorenz. Fig. 3. Löllingit, ungeätzt im auffallenden Licht. Vergr. 1 : 120. Fig. 4. Löllingit, geätzt im auffallenden Licht. Vergr. 1 : 80, ># Synthese von Speiskobalt und Löllingit. 21 Daß sie, wie aus der Anfärbung hervorgeht, von der verdünnten Salpetersäure stärker angegriffen wird als das Biarsenid As2Fe, ist nach den Resultaten der Luftoxydation nicht überraschend, denn sie war dabei völlig in Lösung gegangen, während das Bi- arsenid unzersetzt zuriickblieh. Die stark zurücktretende, fast silberweiße Substanz, welche von verdünnter Salpetersäure nicht angegriffen wird, stellt das Biarsenid As2Fe dar. Die Synthese von Speiskobalt und Löllingit war durchgeführt worden, weil bei der Zerlegung der beiden Mineralien durch Luft- oxydation (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373) die in Lösungen gefundenen Verhältniszahlen von Metall und Arsen keine sicheren Schlüsse auf die Existenz der entsprechenden Verbindungen in fester Form ziehen ließen. Erst nachdem die jetzigen Versuchs- reihen zu Ende geführt sind, lassen sich die Ergebnisse der beiden Mitteilungen feststellen. Die folgende Zusammenstellung enthält daher außer den Resultaten der synthetischen Versuche auch die- jenigen der Zerlegung von Speiskobalt und Löllingit durch den Luftsauerstoff. Ergebnisse der Zerlegung von Speiskobalt und Löllingit durch Luftoxydation und ihrer Synthese. 1. Die unter dem Namen Speiskobalt und Chloanthit zusammen- gefaßten Mineralien entsprechen keiner einfachen Formel, sondern sind Mischungen von verschiedenen Arseniden. 2. Die langsame Oxydation mit Luft gestattet eine quantitative Trennung dieser Mischungskomponenten. 3. In dem von uns untersuchten Speiskobalt Varietät 2 von Riechelsdorf, dem die empirische Zusammensetzung As28?Co zukam, wurden die Arsenide As2 Co, As5 Co2 und As3 Co nachgewiesen, welche, wie aus Tabelle 4, p. 368, zu ent- nehmen ist, in folgender Weise gemischt sind : 63°/oAs3Co, 30°/0 As5Co2 und 7 °/o As2Co. 4. Durch Synthese neu dargestellt sind die Arsenide As Co, As3 Co2, As2 Co, As5 Co2 und As3 Co. 5. Nach den synthetischen Versuchen erscheint es möglich, daß außer den drei von uns im Riechelsdorfer Speiskobalt ge- fundenen Arseniden auch As Co und As3 Co2 auftreten. 6. Die Synthese der Kobaltarsenide läßt die Entstehung des Speiskobalts auf pyrogenem Wege zu ; bei gesättigtem Arsen- dampf besitzen die höchsten Arsenide die höchsten Bildungs- temperaturen. 7. Freies Arsen ist im Speiskobalt nicht enthalten. 8. Der Tesseralkies stellt ein Gemisch von As3Co mit niederen Arseniden dar und gehört daher in die Gruppe des Speis- kobalts. 22 F. X. Schaffer, 9. Der Reichensteiner Löllingit entspricht keiner bestimmten Formel, sondern besteht wesentlich aus einer Mischung von As3Fe2 (etwa 61 °/o) und As2 Fe (etwa 3 6 °/o ) ; die Anwesen- heit von As3F4 ist nicht sichergestellt. 10. Durch Synthese neu dargestellt ist das Eisenarsenid As3Fe2. 11. Die Anwesenheit von As Fe muß in den Löllingiten ange- nommen werden, welche weniger als 66°/o Arsen enthalten wie die in Tabelle 5, p. 370 (a. a. 0.) unter No. 28 und 29 verzeichneten. 12. Der Schwefelgehalt des Löllingits rührt von beigemengtem Arsenkies her. 13. Die beiden Hauptkomponenten des Löllingits (As3Fe2 und As2Fe) sind auch mikroskopisch festzustellen. Breslau, Mineral. Institut der Universität, August 1915. Über subaquatische Rutschungen. Von F. X. Schaffer. Mit 1 Textfigur. In einem Aufsatze: „Über rezente und fossile subaquatische Rutschungen und deren lithologische Bedeutung“ (Neues Jahrb. f. Min. etc. 1 908. II.) hat Arnold Heim diese Erscheinung au mehreren Schweizer Seen besprochen, ähnliche aus dem Auslande erwähnt und ihre Folgen für die Sedimentation hervorgehoben. Es ist durchaus unzweckmäßig, für diese Rutschungen nach Analogie der subaerischen Solifluktion den Ausdruck Subsoli fl uktion zu verwenden, denn subsolum kann, wie im Französischen soussol, nur „Untergrund“, aber nicht Boden eines Gewässers bedeuten, und wenn in einer Fußnote beigefügt wird, daß die Vorsilbe sub „unter Wasser“ ausdrücken soll, so zeigt dies, daß der Ausdruck dem Autor selbst unverständlich erscheint und nur eine Vergewaltigung des Begriffes ist, wie sie leider in neuerer Zeit die Sucht, neue termini technici zu prägen, zeitigt. Unter den Beispielen, die Arn. Heim von fossilen subaquatischen Rutschungen anführt, ist aber keines von zwingender Beweiskraft und besonders das der Öhninger Mergel wohl viel eher als Zu- sammenschub eines plastischen Sediments zwischen starren Schichten anzusehen, da ein Fließen der Oberfläche der abgerutschten Partie und eine diskordante Überlagerung zu erkennen sein müßte, während es sich dort, wie ausdrücklich bemerkt wird und aus der Abbildung hervorgeht, um ein scharfes Abschneiden der gefalteten Partie an Ueber subaquatische Rutschungen. 23 den ungestörten Liegendschichten handelt, was bei einem fließenden „Brei“ nie der Fall sein könnte. Ein viel schöneres Beispiel subaquatischer Rutschungen habe ich schon vor vielen Jahren (Beiträge zur Parallelisierung der Miocänbildungen des Piemontesisclien Tertiärs mit denen des Wiener Beckens. II. Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1899) von der berühmten Lokalität Bocca d’Asino bei Serravalle — Scrivia im Ligurischen Apennin beschrieben. Dort tritt feiner, plastischer Tegel mit Serpentinschotter durcheinandergemengt auf, der zum Teil ganze Lagen bildet und in dem Conchylien in großer Menge liegen. Wie ich gezeigt habe, ist hier eine Seichtwasserfauna mit großen, dick- o W Fig. 1. a) Humusdecke und eckiger diluvialer Schotter bis 1 m stark. b) 2—6 m bräunlichgelber, sandiger Tegel mit schlechterhaltenen Conchylien. c) Bis zu 5 m grauer, sandiger Tegel mit schlechten Conchylienschalen des Badener Typus, d) £ m Schotterlage mit den Fossilien der Gainfahrner Fauna, e) Blaugrauer, plastischer Tegel mit der reichen Badener Fauna. Die Schicht e ist gegen d durch eine Rutschfläche begrenzt. schaligen Bivalven und Gastropoden, die im schotterigen Sediment des Litorals gelebt haben, durch Rutschungen auf eine sekundäre Lagerstätte gelangt und deshalb sind diese starkschaligen Con- chylien abgerieben und zerbrochen, während die zarten Formen des tieferen Wassers vortrefflich erhalten sind. Einen zweiten, ebenso schönen Fall zeigt die in der Literatur so bekannte Tegelgrube von Vöslau bei Wien , wo Schotter mit einer reichen Fauna lokal auf einer Rutschfläche des darunter- liegenden Badener Tegels abgerutscht und wieder von Tegeln über- lagert worden sind (Fig. 1), so daß bei der früher üblichen Auf- sammlung die beiden faziell so verschiedenen Faunen der Sande von Gainfahrn und der Tegel von Baden zu der Vöslauer Fauna vereinigt worden sind, die als Mischfauna schon lang erkannt, aber noch nicht richtig gedeutet worden ist. Auch hier sind die starkschaligen Conchylien des Litorals zerbrochen und 24 Personalia. — Fürs Vaterland gefallen. abgerieben, während die überaus zartschaligen Formen des Tegels unversehrt sind. Diese Erklärung ist nach den neueren Auf- schlüssen in der Grube wohl richtiger ein Absinken des Schotters samt dem hangenden Tegel. Solche Rutschungen sind entweder bei Niederwasser infolge mangelnden Gegendruckes oder bei einer heftigen Erderschütterung auf schlammigem Untergrund erfolgt. Ein ähnliches Beispiel aus der Gegenwart hat das Schiff Travailleur an der portugiesischen und spanischen Küste nach- gewiesen, wo in 300 — 500 Faden Tiefe grobe Detritusmassen mit einer ausgesprochenen Tiefseefauna gedredscht worden sind. Personalia. Im Kampfe fürs Vaterland gefallen. In der Nacht vom 25. /2 6. September fiel als Leutnant und Zugführer bei Haisnes in Nordfrankreich an der Spitze seines Zuges der wissenschaftliche Leiter der geologisch-paläontologischen Sammlung am Provinzial -Museum in Hannover Dr. Wilhelm Delhaes. Geboren am 31. Oktober 1883 in Berlin, studierte er Geo- logie und Paläontologie in Freiburg i. Br., Göttingen und Bonn, woselbst er mit der Arbeit: „Beiträge zur Morphologie und Phylo- genie von Haliotis Linne“ promovierte. Im Jahre 1911 ging er als Landesgeologe nach Argentinien und kehrte 1913 nach Europa zurück, wo er sich am Provinzial-Museum in Hannover glänzend betätigte. Zu Beginn des Krieges zog er als Unteroffizier der Reserve mit der Maschinengewehr- Kompagnie eines Reserve- infanterie-Regiments ins Feld und wurde in seiner ersten Schlacht, bei Gozee am 23. August 1914, schwer verwundet. Wieder ge- nesen und mit dem Eisernen Kreuz geschmückt zog er Juni zum zweitenmal an die Front, von wo er nicht wiederkehren sollte. Außer mehreren kleineren Mitteilungen veröffentlichte Delhaes zusammen mit H. Gerth 1912 „Geologische Beschreibung des Ketten- jura zwischen Reigoldswil (Baselland) und Önsingen (Solothurn)“. E. Wittich, Die Salzlager am Ojo de Liebre etc. 25 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Die Salzlager am Ojo de Liebre an der Westküste von Nieder- Kalifornien. Von E. Wittich, Mexiko. Bei der Expedition, die die mexikanische Regierung in den Jahren 1911 — 1912 zur Erforschung des nördlichen Teiles der Halbinsel Nieder-Kalifornien veranlaßte, hatten wir Gelegenheit, auch die großen Salzlager, am innersten Teile der Bucht von Sebastian Vizeaino gelegen , zu besuchen , die zugleich den süd- lichsten Punkt unserer Reise bildeten L Diese Salinen sind aus- gedehnte Salzfelder von vielen Quadratmeilen Oberfläche, die von der Ferne aussehen wie riesige Schneefelder oder Gletscherzungen, eingesenkt zwischen mächtige Sanddünen, die von der südöstlichen Ecke der Vizcainobucht sich tief ins Innere des Landes hinein- erstrecken bis etwa zum 27° 40' n. Br. Um die geräumige Vizcainobucht bildet das Land eine aus- gedehnte Niederung, die völlig bedeckt ist mit Dünenzungen, während die Küstengebirge weit ins Innere der Halbinsel zurück- treten. Nur einige wenige und vereinzelte basaltische Erhebungen liegen im nördlichen Teile dieser weiten Ebene zerstreut; zu diesen gehört auch der weit ins Meer vorspringende Berg am Eingang des ehemaligen Hafens von Santo Domingo. Diese großen Sandwüsten, die viele Quadratkilometer bedecken, beginnen etwas nördlich von dem erwähnten Hafen von Santo Domingo und ziehen sich nach Süden fort bis zur Sierra Santa Clara , von Ost nach West also landeinwärts erstrecken sie sich über eine Zone von etwa 60 km; diese ganze Wüstenregion ist unter dem Namen „El Llano del Berrendo“ ebenso bekannt wie gefürchtet. Etwa in der Mitte von Nord nach Süd und unmittelbar an der Küste liegen die großen Salinen zwischen niederen Dünen- zügen, 4 — 5 km entfernt von der einzigen Wasserstelle der ganzen Gegend, dem sogenannten Ojo de Liebre. Es sind lange, zungen- artige Niederungen, ehemalige Lagunen, die heute mit einer dicken, 1 E. Böse y E. Wittich, Informe acerca de la region Occidental de la region norte etc. in der Memoria de la Comision que exploro la region norte de la Baja California. Parergones del Instit. Geolog. Mexico. 4. 1913. 2* 26 E. Wittich, Die Salzlager am Ojo de Liebre schneeweißen Salzkruste überzogen sind. Das längste dieser Salz- felder hat mehr als 10 km, das nächst kleinere hat etwa 8 km und ein weiteres kleineres Feld kaum 4 km Länge; die Breite dieser Felder schwankt zwischen 2 — 3 km; außer diesen drei größeren Feldern haben sich auch in den kleineren Buchten Salz- absätze gebildet. Zwei weitere Lagunen, nördlich dieser 3 Felder, waren zur Zeit unseres Besuches noch vollständig mit Wasser bedeckt. All diese Salzfelder sind heute noch mit dem Ozean in offener, wenn auch nicht in direkter Verbindung; sie münden nämlich in eine flache Bucht, bekannt als „Scammons Lagoon“ oder „Laguna del Ojo de Liebre“ , die ihrerseits erst mit der Vizcainobucht, resp. dem offenen Ozean in Verbindung steht. Für die Bildung und die Erhaltung dieser Salzlager ist die flache, vorgelagerte Bucht von besonderer Bedeutung, da sie ein direktes Eindringen der Meeresbrandung und ein zu starkes Über- fluten der Salzlager verhindert. Schichtenfolge in den Salzlagern. Um eine Unterlage für eine Quantitätsberechnung oder eine Schätzung der Salzmenge zu bekommen, haben wir auf den ver- schiedenen Feldern eine Reihe Einschläge gemacht, die uns einen Einblick in die Mächtigkeit uud die Lagerungsverhältnisse der Salzdecke in den verschiedenen Teilen der Lager ermöglichten. Dabei zeigte sich, daß die Mächtigkeit der Salzdecke gegen die Meeresküste hin allmählich abnimmt. Noch ungefähr 1 km vom Ufer entfernt ist die Salzdecke so dünn, daß sie beim Betreten zusammenbricht wie dünnes Eis. Diese Partien sind im allge- meinen sehr flach, nur 1 — 2 Fuß tief; unter der dünnen Salzhaut folgt ein zäher Salzschlamm, darunter eine festere Sandschicht, die ein weiteres Einsinken verhindert. Von diesen als „Atas- quaderos“ bezeichneten Partien nimmt die Salzdecke landeinwärts stets an Stärke zu und erreicht in den günstigsten Fällen eine Mächtigkeit von etwas über 30 cm ; auf ausgedehnten Strecken hatte die Salzdecke eine Stärke von 15 — 30 cm. Der Salzschlamm ist meist mit vielen Resten von verfaulenden Meeresalgen derart erfüllt, daß er stark nach Schwefelwasserstoff riecht, zuweilen wird er noch von dünnen Calichebändern durch- zogen. Das Liegende dieses Salzpelites bildet in allen Fällen ein feiner Quarzsand, teilweise durch organische Beimengungen braun gefärbt. Auch hier tritt in großer Menge starke Salzlauge auf, so daß ein tieferes Ausschachten meist unmöglich war. In den Schlamm- und Salzschichten finden sich zahlreiche große Gips- kristalle, die besonders in dem lettigen Schlamme förmliche Gips- zonen bilden. an der Westküste von Nieder-Kalifornien. 27 Das Salz selbst ist im allgemeinen gut kristallisiert, stets in Würfeln, die besonders in den tieferen Zonen zuweilen bis zu 1 cm Kantenlänge haben ; in den Fangoscliichten werden die Salz- würfel oft noch größer. Die oberste Lage der Salzschicht ist dagegen stets sehr feinkörnig, nur von dünnen und blättrigen Krusten gebildet; nach unten werden diese rindenartigen Lagen immer dicker und größer im Korn. In den tieferen Salzlagen be- obachtet man meist eine eigentümliche Färbung des Salzes ; auf die rein obere Schicht folgt zuerst eine lebhaft grün gefärbte Salzlage, in der zahlreiche Fasern von Meeresalgen eingebettet sind; unter dieser grünen Schicht folgt eine weitere von schön rosaroter Farbe. Auch in dieser Schicht finden sich noch, wenn auch weniger zahlreich, Keste von Algen. Diese im frisch ge- brochenen Salz schöne und lebhafte Farben verlieren sich all- mählich am Tageslicht, so daß unsere mitgebrachten Salzmuster heute ausgebleicht sind und rein weiß aussehen. In dem Salzschlamm sowie in den tieferen San den finden sich häufig isolierte große Salzwürfel oder Kristallgruppen, die ringsum gut ausgebildet und wasserklar sind; zuweilen haben sich in den tieferen Lagen des Salzes kleine und dünne Calichestreifen ein- gelagert. Die so auffallende und intensive Färbung des Salzes scheint durch organische Farbstoffe verursacht zu sein, die sehr wahr- scheinlich aus den unter der Einwirkung einer konzentrierten Salzlösung zersetzten Meeresalgen herrühren; auch das Ausbleichen unter dem Einfluß des Lichtes spricht für die Annahme eines organischen Farbstoffes. In den dünnen Salzkrusten der Atas- quaderos stecken viele jung eingeschwemmte Algen, die das Salz lebhaft grün färben ; der rosarote Farbstoff scheint daher das Pro- dukt einer intensiveren Zersetzung der Algen zu sein. Dabei ist die Quantität des Farbstoffes sehr gering, Proben aus den oberen Salzschichten ergaben rund 95 °/o Na CI; tiefere Lagen hatten folgendes Resultat : Wasser 5,16 Na CI 77,41 Ca S ü4 7,14 Mg S04 3,66 Organ. Substanz K,14 Unlöslich 5,19 99,70 Wie erwähnt, finden sich in den Schlamm- und Sandschichten häufig Gipskristalle, die mehrere Zentimeter Kantenlänge erreichen und die im allgemeinen gut ausgebildet sind. Die meisten sind auffallend flach, so daß sie fast aussehen wie sehr flache Rhombo- 28 E. Wittich. Die Salzlager am Ojo de Liebre eder; sie werden gebildet von der Hemipyramide 1, dem Hemi- ortliodoma P, als vorwaltende Flächen und dem untergeordneten Klinopinakoide. Die Kristalle sind meist klar durchsichtig, nur wenig gelblich getrübt, oft aber mit einem kleinen Kerne, der etwas Ton oder Sand eingeschlossen enthält. Diese Reinheit der Gipskristalle fällt um so mehr auf, als diese Kristalle sich in einem so dichten Medium wie der Salzton oder in den liegenden feinen Sanden entwickelt haben. Es muß bei der Bildung dieser Gipse demnach ein außerordentlicher Wachstumsdruck geherrscht haben, der imstande war, das umgebende feine Medium völlig zu verdrängen. An anderen Stellen finden sich in den Schlamm- schichten Mengen von kleinen, linsenartigen Gipskriställchen, und am Rande der Salzfelder kommen zuweilen kleine Diinenhiigel vor, die nur aus solchen Gipsschüppchen bestehen. Das Vorkommen dieser eigentümlichen Gipsdünen gibt uns einen Anhaltspunkt zur Erklärung der Bildung der Salzfelder überhaupt. Bei dem raschen Rückgänge des Pazifischen Ozeans, worüber an anderer Stelle bereits berichtet wurde1, konnten die gipsführenden Schichten vielleicht ohne Salzüberdeckung trocken gelegt werden , und ihr Material wurde weiter landeinwärts zu niederen Dünen angehäuft. Da man am Rande der Lagune vom Ojo de Liebre zahlreiche Knollen von Kalkalgen trifft, so liegt die Vermutung nahe, daß der Kalk der Calichebänder in den Salzschichten aus solchen Algenkalken stammt und daß ein Teil desselben zur Bildung des Gipses gedient haben mag. Daß derartige Resorptionen von Kalkcarbonat unter der Einwirkung sehr starker Salzlösungen Vorkommen, zeigen einige Reste von korrodierten Pecten- Schalen, die wir in den Salzschichten fanden und die bereits zum größten Teile zerstört waren. Außer- dem finden sich auf der Oberfläche der Salzfelder selbst häufig große Mengen von Mimc^'s-Schalen, in den Salzschichten dagegen kaum eine Spur davon ; es ist daher zu vermuten, daß sie durch die Salzlauge aufgelöst wurden. Entstellung der Salzfelder. Daß diese Salzlager durch Niederschläge und Kristallisation aus dem Meeres wasser entstanden sind, ist ohne weiteres klar; ihre Erhaltung und .Vergrößerung verdanken sie jedoch dem Um- stande, daß der Ozean an der ganzen Küste von Nieder-Kalifornien sich rasch zurückzieht oder das Land sich hebt. Dieses rasche Trockenlegen der Küstenzone erkennt man an den flachen Säumen von Dünensand, gelegentlich auch Gips, die die Küste sowie diu 1 E. Wittich, Über Meeresscbwankungen an der Westküste von Nieder-Kalifornien. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. Monatsber. 1912. Berlin. an der Westküste von Nieder-Kalifornien. 29 Salzfelder selbst umziehen, und die bedeckt sind mit Resten von rezenten Mollusken, bei denen oft noch farbiges Conchyliolin er- halten ist und die zugleich noch häufig mit Salzausblühungen bedeckt sind. Durch eine derartige Strandverschiebung wird auch die vor- gelagerte Lagune, in die die Salzfelder gewissermaßen einmünden, allmählich flacher, so daß die starken Bewegungen auf dem Ozean sich in der Lagune kaum bemerkbar machen. Wenn die tägliche Flut ihren Höhepunkt erreicht, dann werden die Salzlager nur wenig überflutet; bei der außerordentlichen Trockenheit der Atmo- sphäre scheidet sich bald eine dünne, lockere Salzkruste aus, die aus lauter kleinen Salzwürfeln gebildet wird ; wenn bei der folgenden Flut das Meereswasser diese dünne Salzhaut wiederum bedeckt, so wird sie langsam dicker und die Salzwürfel allmählich größer. Auch in das Innere der Salzdecke dringt stets etwas Wasser bei der Überflutung ein und dessen Salzgehalt dadurch allmählich konzentriert ; unter der obersten Salzdecke trifft man daher überall eine starke Salzlake an, auf der sich bald wieder eine Salzhaut bildet. Die großen und klaren Salzwürfel, die in dem Salzschlamm Vorkommen, dürften sich in ähnlicher Weise gebildet haben wie die Eiskörner der Gletscher. Bei sehr hohen Fluten tritt das Meerwasser in stärkerem Maße über die Salzfelder und schwemmt dann große Massen von Algen und Mollusken (meist die erwähnte Anachis spec.) an; oft sieht man dieses Spiilgut auf den Salzlagern in Mengen zerstreut oder von flachen Wellen zusammengeschwemmt. Derartige Anschwemmungen sind dann stets durch dünne Salz- krusten auf der Oberfläche angeklebt. Von den Algen haben sich in den tieferen Lagen ihre zersetzten Reste wiedergefunden ; die Mollusken scheinen dagegen bis auf die erwähnten spärlichen Pecten- Reste gänzlich verschwunden zu sein , aus den bereits be- kannten Gründen vermutlicherweise ; das Fehlen von marinen Resten in anderen Salzlagern ist vielleicht auf ähnliche Weise zu erklären. Da die Salzlager mit dem Meere in einer, wenn auch nur geringen Verbindung stehen, so wird die Konzentration der ge- legentlichen Wasserdecken niemals so stark, daß sich die leichter löslichen Salze, vor allem Kalisalze, ausscheiden können. Begünstigt wird die Erhaltung dieser Salzablagerungen natür- licherweise durch das ausgesprochene Wüstenklima dieses Küsten- striches ; allerdings fallen hier oft dicke Nebel in den ersten Morgenstunden, die der spärlichen Wüsten Vegetation genügende Feuchtigkeit bringen und die manchmal die oberste Salzschicht aufzulösen vermögen. Mit dem höheren Stande der Sonne ver1 schwindet jedoch bald diese Luftfeuchtigkeit, und die Atmosphäre erreicht wieder ihren hohen Grad von Trockenheit. Die Entstehung der Salzfelder entspricht etwa der Vorstellung 30 E. Wittich, Das Salzlager am Ojo de Liefere von C. Ochsenius wenn auch die orograpliisclien Verhältnisse etwas andere sind bei den Salinen am Ojo de Liebre — zum mindesten kompliziertere — als die generellen Bildungsbedingungen, die Ochsenius annimmt. Es scheint, daß die Voraussetzung für die Bildung und Erhaltung solcher Salzlager in der raschen posi- tiven Strandverschiebung zu suchen ist. Der Absatz von Salz geht jedoch nicht in der durch eine Barre abgetrennten Lagune vor sich, sondern in den an diese sich anschließenden Seichtwasser- armen. Bei dem raschen Emportauchen der kalifornischen Küste ist anzunehmen , daß die Salzfelder früher stärker überschwemmt wurden, so daß der Niederschlag von Salz entsprechend stärker gewesen sein muß ; durch die Strandverschiebung wird die Über- flutung stets geringer werden, bis die Salzfelder schließlich die Verbindung mit dem Meere verlieren. Beste oder Spuren derartiger älterer Salzlager, die heute von dem Meeresufer weit entfernt liegen, trafen wir bei unserem Marsche vom Ojo de Liebre landeinwärts gegen Calamahi hin, aber noch im Llano del Berrendo gelegen ; es treten dort an einigen Stellen unter einer dünnen Decke von Flugsand kleine Partien von weißem festen Steinsalz zutage. Geologisches Alter der Salzlager. Aus den bisherigen Erörterungen geht hervor, daß das Alter dieser Bildungen ein noch sehr junges sein muß; es sind rezente Lager, deren Absatz erst vor einigen Jahrhunderten begonnen haben wird. Wenn das Ausmaß des jährlichen Meeresrückganges bekannt wäre, so könnte man es versuchen, deren Alter zahlen- mäßig zu berechnen. Diese Salzlager waren den Urbewohnern der Halbinsel bereits bekannt, denn wir fanden in ihrer Umgebung, sowie an der Wasser- stelle, zahlreiche Pfeilspitzen und andere Obsidianreste; freilich können derartige Objekte schon sehr modern sein, denn vor einem halben Jahrhundert sollen noch zahlreiche Eingeborene auf der Halbinsel gelebt haben, die heute bis auf wenige Beste ver- schwunden sind. Wirtschaftliche Bedeutung der Salzlager. Um eine Vorstellung über den ökonomischen Wert der Salz- felder zu bekommen, haben wir auf Grund einer größeren Zahl von Ausschachtungen eine Schätzung der Salzmenge versucht; 1 0. Ochsenius, Bedeutung des orographischen Elementes „ Barre “ in Hinsicht auf Bildung, Veränderung von Lagerstätten und Gesteinen. Zeitschr. f. prakt. Geol. Berlin 1893. p. 190. an der Westküste von Nieder-Kalifornien. 31 die näheren Angaben hierüber sind in dem zitierten Berichte Parergones del Instit. Geolog. 4. 1913 mitgeteilt. Darnach be- rechnet sich der damals vorhandene Salzvorrat in den drei erwähnten Salinen auf rund 14 Millionen Tonnen. Dazu kommt aber noch eine nicht abschätzbare Quantität Salz, die in dem Unter- wasser der Salzlager enthalten ist und die aus dieser Lauge sich sehr rasch abscheidet. In dieser Hinsicht hatten wir Gelegenheit zu beobachten, daß eine Ausschachtung von wenigen Quadratfuß Oberfläche, die etwa ein Jahr vor unserem Besuche gemacht worden war, sich derart mit einer neuen Salzdecke überzogen hatte, daß die aufgebrochene Stelle wieder völlig ausgeheilt war; auch die von uns gemachten Einschläge bedeckten sich schnell wieder mit einer jungen Salzkruste. Auf diese Weise findet durch das Zuströmen der Salzlauge von unten her eine stetige und rasche Regeneration der Salzkruste statt. Bis also die 14 Millionen Tonnen der heute vorhandenen Salzdecke ausgebeutet wären, könnte sich aus dem Unterwasser wiederum eine beträchtliche Menge Salz von neuem gebildet haben. Hierzu käme dann noch diejenige Menge Salz, die sich auf der Oberfläche der Salzfelder aus den periodischen Überflutungen mit Meereswasser in der oben ge- schilderten Weise absetzt, so daß die zur Ausbeutung mögliche Quantität noch beträchtlich größer sein würde als die oben ge- schätzten 14 Millionen Tonnen. Anfangs der 80er Jahre wurden diese Salzlager schon einmal ausgebeutet, freilich unberechtigterweise , sicher aber in großem Maßstabe, wie man aus den Anlagen schließen kann, von denen sich bis heute noch Reste erhalten haben. Über diese im großen Stile betriebene Freibeuterei ist nur das bekannt geworden, was die von der mexikanischen Regierung seinerzeit dorthin entsandte Kommission berichtete1. Wenn es auch unbekannt ist, wie weit die Felder bei diesem Raubbau ausgebeutet worden waren, so darf doch angenommen werden, daß ein großer Teil der heutigen Salz- decke erst aus dieser Zeit stammt. Spätere Versuche, diese Salz- lager im großen auszubeuten, scheiterten, zum Teil wohl an den hohen Betriebskosten, da alles zum Leben Notwendige per Schiff gebracht werden müßte. Zweifellos repräsentieren diese Salzfelder einen großen natio- nalen Schatz, der aber infolge der klimatischen Verhältnisse und weit entlegen von den Hauptverkehrslinien noch nicht gehoben werden konnte. Ähnliche große Lager von Steinsalz unmittelbar an der Meeres- küste finden sich noch auf der Insel Carmen , im kalifornischen Meerbusen gelegen, die schon seit Jahren lebhaft abgebaut werden. Da auch die Golfseite in raschem Aufsteigen begriffen ist , so 1 Anales de la Secret. de Fomento 1887. 8. p. 223 — 232. 32 G. Schlesinger, scheinen auch diese Salzfelder derselben Entstehung zu sein wie die vom Ojo de Liebre. An allen anderen Salinen der Westküste Kaliforniens wird, soweit mir bekannt, Kochsalz nur auf künstliche Weise durch Verdunsten von Meerwasser gewonnen. Auch in den Salinen von San Quintin, an einer kleinen Bucht nördlich der Vizcainobucht etwa in 30° 30' n. Br. gelegen, wurde früher Salz produziert auf dieselbe primitive Art; die topographischen Verhältnisse liegen hier jedoch derart, daß bei weiterem Kiickzuge des Ozeans sich gleichfalls Salzlager bilden werden , ähnlich denen vom Ojo de Liebre. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. I. Die Herkunft des Elephas antiquus. Von G. Schlesinger, Wien. Mit 4 Textfiguren. 1. Zur Berichtigung. Zwei Fragen aus der Stammesgeschichte des Elefanten sind es, in welchen Soergel1 und ich2 3 in wesentlichen Punkten von- einander abwiclien und im Grunde noch immer abweichen: die Herkunft des Elephas africanus und der Ursprung des El. antiquus. In der erstgenannten haben mich die Ausführungen W. 0. Dittrich’s 3 zwar nicht von der Unrichtigkeit meines Standpunktes überzeugt, doch so weit beeinflußt, daß ich bereits 1914 aus Gründen wissenschaftlicher Objektivität sie für gänz- lich offen erklärte und mir ihre Nachprüfung vorbehielt. Ich sehe mich bis heute nicht veranlaßt, diese meine Erklä- rung zu ändern und hoffe, daß mich äußere Umstände nicht hindern werden, nach der nunmehrigen Beendigung der Bearbeitung des überreichen Mastodontenmaterials der Wiener Sam m - 1 W. Soergel, Über El. trogontherii Pohl, und El. antiquus Falc. etc. in : Palaeontogr. 60. Stuttgart 1912 (Soergel 1912). — Die Stammes- geschichte der Elefanten, in : dies. Centralbl. Stuttgart 1915. Heft 6 — 9 (Soergel 1915). 2 G. Schlesinger, Studien über die Stammesgeschichte der Proboscidier, in: Jahrb. geol. Keichsanst. 62. Heft 1. Wien 1912 (Schlesinger 1912). — Ein neuerlicher Fund von El. planifrons etc., in : Jahrb. geol. Keichsanst. 63. Heft 4. Wien 1914 (Schlesinger 1914). 3 W. 0. Dittrich, Zur Stammesgeschichte des afrikanischen Elefanten, in: Zeitschr. ind. Abst.-Lehre. 10. Heft 1 u. 2. Berlin 1913. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 33 lungen die zweite große phylogenetische Gruppe der Probos- •cidier in gleicher Weise in Angriff nehmen und mein Wort be- züglich der Überprüfung der Africanu s-Frage einlösen zu können. Dagegen soll uns heute die zweite Frage nach der Her- kunft des El. antiquus und seinen Beziehungen zu El. planifrons und El. meridionalis eingehend beschäftigen ]. Bevor ich auf sie im einzelnen eingehe , ist es nötig , die beiderseitigen Standpunkte , wie sie waren und wie sie sind, scharf zu umgrenzen, da Soergel in seiner letzten Arbeit (Soergel 1915) eine Schwenkung vollzogen hat, die seinen Standpunkt von •dem früher vertretenen um ein wesentliches Stück gerade in die Bichtung hin entfernt, welche zu einer Vereinigung mit meiner Auffassung führen muß. Da Soergel diesen „Umschwung“ in seinen Ansichten nicht ausdrücklich zugibt, stelle ich im folgenden die Daten über den Wandel seiner Anschauungen zusammen. Zuerst im Jahre 1912, dann wiederholt im Jahre 1914 habe ich die Ansicht vertreten , daß El. antiquus unmöglich von El. meridionalis hergeleitet werden kann, wie dies Soergel im Jahre 1912 angenommen hat, sondern daß er als Abkömmling der nach Europa gelangten Wanderform des El. plani- frons, welche ich an mehreren Fundpunkten nachweisen konnte, zu betrachten ist. In seiner letzten Arbeit (Soergel 1915, 1. c. p. 185) fährt •Soergel nach ausführlichem Zitat meiner Angriffe gegen seine Annahmen von der Craniologie her, welche ihm begreiflicher- weise als die „wichtigsten“ erschienen sind, folgendermaßen fort: „Diese Ausführungen Schlesinger’s, auf die ich im einzelnen sogleich zu sprechen kommen werde, basieren auf der irrtümlichen Voraussetzung, daß ich den El. meridionalis typus, die Art in ihrer 1 Bei den folgenden Erörterungen beschränke ich meine Vergleiche lediglich auf das Planifrons - Material der F. A. S. (Fauna antiqua Sivalensis). Soergel hat die Bestimmung der niederösterreichischen Planifrons- Molaren als unrichtig zu erweisen versucht (Paläontolog. Zeitschr. 2. Heft 1. Berlin 1915). Meine ausführliche Entgegnung, welche nicht nur seine mit Hilfe zahlreicher falscher Voraussetzungen und Abirrungen von der Wahrheit zusammengesetzten „Beweise“ zu widerlegen beabsichtigt, sondern auch außerdem etliche sonstige Fehlgriffe Soergel’s beleuchtet, erscheint in ebenderselben „Paläontologischen Zeitschrift“. Da ich die ganze Arbeit hier nicht wiederholen kann, ein Auszug aber einer Wiederholung gleichkäme, halte ich es für ein Gebot der wissenschaftlichen Objektivität, die betreffenden Molaren für unsere heu- tige Betrachtung seitab zu lassen. Dies rüttelt an der Tatsache nichts, daß sie als El. planifrons zu- gehörig nunmehr noch fester begründet sind als früher. .Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 3 34 Gr. Schlesinger, bis vor kurzem gebräuchlichen engen Fassung als Vorfahren des El. antiquus und El. trogontherii angenommen hätte.“ Und nun bemüht sich Soergel, in fünf Punkten auseinander- zusetzen, daß er nicht El. meridionalis typus, sondern „die Art in ihrer ganzen Variationsbreite“ als Ausgangspunkt seiner Stammeslinie betrachtet habe. Dieser im ganzen recht unbestimmte Ausdruck erfährt auf p. 247 (Soergel 1915, 1. c.) seine nähere P>eleuchtung. Der Autor schreibt dort: „Ich habe an anderer Stelle gezeigt, daß die beiden Zweige unserer europäischen diluvialen Elefanten in der Variationsbreite des oberpliocänen El. meridionalis zusammenlaufen und habe daher ,El. meridionalis in seinen verschiedenen Varietäten‘ oder einfach El. meridionalis im weiteren Sinne als Vorfahren des El. antiquus und El. trogontherii bezeichnet.“ „In unserem Falle würde die ideelle, paläontologisch nicht nachweisbare Trennung in eine Antiquus-¥LQ\h.e und eine Tro- gontherii-Primigenius-lleihe, schon in den zwischen El. planifrons und El. meridionalis stehenden Formen eingesetzt und vorerst als erstes nachweisbares Stadium der Entwicklung zu einer größeren Variationsbreite des El. meridionalis geführt haben. Da wir eine solche Zwüschenform als eigentliche Wanderform ansehen müssen, die den asiatischen Elefantenstamm nach Europa führte, so wäre die Herausbildung einer größeren Variationsbreite gerade bei dieser Form recht verständlich.“ Diese ganze Darlegung, insbesondere der Satz, daß „die Trennung in eine Antiquus- und Trogontherii-Primigenius- Reihe schon in den zwischen El. planifrons und El. meridionalis stehenden Formen eingesetzt haben müsse“, läßt keinen Zweifel darüber, daß' Soergel heute der Ansicht ist, El. antiquus habe sich aus Meri- dionalis- Formen herausgebildet, welche praktisch mit dem, Ahnen, den ich angenommen und als El. planifrons bestimmt habe, zusammenfallen. Daß dem so ist, beweist im weiteren Verfolge des zitierten Absatzes eine Stelle, wo Soergel geradezu die Wanderformen, von Ferladani, Stauropol und Kouialnik als diese Ahnen- formen nennt, von welchen die erstgenannte von mir schon 1912 (1. c. p. 105) in den Kreis der abwandernden Planifrons- Individuen gezogen wurde. Wie meine Ausführungen auf p. 164 (Zeile 9 — 13) und p. 165 (2. Absatz von unten) meiner „Studien“ aus dem Jahre 1912 be- weisen, nahm ich schon damals eben diese heute von Soergel. für seine Meinung 'ins Treffen geführten Wander- formen, soweit ich sie als El. planifrons bestimmte, als die Vor- fahren an, welche dem El. meridionalis einer-, dem El. antiquus ■ anderseits den Ursprung gegeben hatten. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 35 Hätte Soekgel schon in seiner Arbeit aus dem Jahre 1912 diese Anschauung vertreten , so hätte ich keinen Grund gehabt, seinen Ansichten, die ja dann mit den meinen bis auf die Be- stimmungsfrage, die mehr oder weniger Sache des Taktgefühls bleibt, übereinstimmend gewesen wären, derart schroff entgegen- zutreten. In der Tat steht die Sache anders: In dem Variationsschema auf p. 93 (Soergel 1912, 1. c.) Fig. 14 trägt Soergel als Ausgangsformen der von ihm angenommenen Stammesreihe vier horizontale Gruppen von Schemen ein, von welchen die unterste die nach seinen Erläuterungen zu diesem Schema ursprünglichsten Variationen enthält. V ährend das linke Ende von Rechtecken (Schema für El. meridionalis) gebildet ist, trägt die äußerste rechte Ecke flache Sechsecke (Schemen für antiquoiden Einschlag), deren Vertikal- seiten aber noch sehr lang sind, womit Soergel nach seinen Erläuterungen den geringen Grad dieses Einschlages andeuten wollte. Soergel hatte also in der Gruppe dieser vier hori- zontalen Reihen die Teilung der beiden phylogene- tischen Linien (El meridionalis typus und El. antiquus primi- tivus ) gesucht. Und um diese ganze Gruppe zieht er eine aus je einem Strich und zwei Punkten fortlaufend zu- susam mengesetzte Linie, welche in der Legende mit bezeichnet ist. dem Vermerk „Formen des Val d’Arno2 * 4 JHB|UXX J| xou. Vergleicht man mit diesen Tatsachen die vorzitierten Worte Soergel s aus dem hier in Rede stehenden Aufsatz und seine Bemühungen, die Schädelfrage von dem Material aus dem Val d’Arno abzudrängen, so ergibt sich daraus, daß der Autor seinen Standpunkt seit 1912 geändert hat. Es ist leicht begreiflich, daß diese von mir dargelegten Um- stände die Basis für die wissenschaftliche Behandlung der Frage stets verändern und eine erfolgreiche, objektive Lösung erheblich erschweren müssen. 2. Diskussion der Punkte A— C in W. Soergel’s Aufsatz. Wir wollen nunmehr vor allem ergründen, ob und inwieweit die Punkte, welche Soergel zur Stütze seiner Anschauung auf- führt, einer objektiven Überprüfung standhalten. Diese Darlegungen werden naturgemäß in den Punkten A und B, welche sich mit den Molaren beschäftigen, länger ausfallen, da ja Soergel auf sie das Schwergewicht zu verlegen sucht. 3* 36 Gr. Schlesinger, Dagegen kann ich mich in der Schädelfrage um so kürzer fassen, als Soergel hinter vielen Worten und der schon beleuchteten Schwenkung die Überraschung zu verbergen bestrebt ist, welche ihm dieser Fragenkomplex gebracht hat. A(l. A. Soergel schreibt (1. c. 1915, p. 183): „Stammt El. antiquus direkt von El. planifrons ab, wie Schle- singer glaubt bewiesen zu haben , so muß er selbstverständlich einmal ein Meridionalis-Sta,ämm. durchlaufen haben , d. h. in den von mir als Mutationsmerkmalen bezeichneten Merkmalen eine Ent- wicklungshöhe besessen haben, die derjenigen des oberpliocänen El. meridionalis entspricht. Ebenso sicher ist, daß die Zähne zweier solcher auf gleicher Stufe stehenden Formen infolge der Gleichheit der Mutationsmerkmale eine gewisse Ähnlichkeit erhalten können. Niemals aber würde man in solchen Fällen zweifelhaft sein über die Zugehörigkeit eines nur einigermaßen erhaltenen Zahnes zu dieser oder zu jener Art, da die Variationsmerkmale ja sehr verschieden sein können, und sobald es sich um 2 Arten auf nur gleicher Entwicklungshöhe handelt, verschieden sein müssen. Wären sie nicht verschieden, so hätten wir kein Recht, von 2 Arten zu reden, wären sie es aber nur an extremen Stücken, sonst aber durch alle Übergänge miteinander verknüpft, so hätten wir nur das Recht, von 2 Varietäten, von der Summe aller Formen als von einer Variationsbreite zu reden.“ Diesen Fall behauptet Soergel für El. meridionalis des Ober- p 1 i o c ä n s und verweist auf seine Erörterungen in der Arbeit aus dem Jahre 1912, meint also den El. meridionalis des Val d’Arno, auf welchen er sich auch kurz darauf (1. c. p. 184, 17. Zeile von oben) beruft. Wollen wir dieser Frage voll gerecht werden, so müssen wir uns vorerst darüber im klaren sein, welche die Spezialisations- (Mutations) m e r k m a 1 e und welche die Variationsmerkmale von El. antiquus, El. meridionalis und El- planifrons sind. Bezüglich der ersteren Art folgen wir vollinhaltlich Soergel (1. c. 1912, p. 59 und 93). Die in Betracht kommenden Speziali- sations merk male des El. antiquus sind: 1. Starke Rückbildung des Lateralpfeilers in Höhe und Breite gegenüber dem Medianpfeiler, daraus erfolgend der Verschmelzungstyp lat. an. med. lam. 2. Höhenzunahme der Krone. 3. Dünnerwerden des Schmelzes, allerdings in geringerem Maße als in der Reihe des El. trogontherii. 4. Zunahme der Lamellenzahl. Die Variationsmerkmale sind: 1 a. Schmale Zahnkrone. 2 a. Bandförmige Kaufläche. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 37 3 a. Rhombische Form der Schmelzfiguren mit medianer Zipfel- bildung vorne und hinten. 4 a. Kräftiger, geknitterter Schmelz. Soll El. antiquus nun von El. meridionalis herstammen, so muß diese Art eine Variationsbreite in denjenigen von den auf- gezählten Merkmalen aufweisen, welche jene Spezies bezeichnend heraus heben. Soll die Unmöglichkeit ihrer Ableitung von El. planifrons er- wiesen werden, so müssen die Molaren dieser sewalischen Form in eben den Merkmalen in anderer Richtung gefestigt erscheinen. Soergel hat die vorstehenden Annahmen als Behauptungen aufgestellt. Wie wir sehen werden, ohne Grund. Von den Spezialisationsmerkmalen kann als für El. antiquus bezeichnend nur das erste (1.) in Betracht kommen. Wie Soergel selbst (1. c. 191*2, p. 7 — 13, Fig. 1- — 10) sehr eingehend dargelegt hat, unterscheidet sich El. antiquus im Bau der Einzellamelle sehr auffallend von den übrigen Elefanten, insbesondere von El. trogontherii. Die seitlichen Grenzflächen seiner Lamelle sind entweder senkrecht oder steil geneigt, die Trennungsspalten zwischen dem starken Median- und den Lateralpfeilern führen senkrecht gegen unten. Demgegenüber streben die Grenzflächen bei El. trogontherii bis etwa in die halbe Höhe der Lamelle in sanfter Neigung abwärts, die Trennungsspalten konvergieren meist nach innen, können aber auch parallel sein. Legen wir Horizontalschnitte durch die Antiquus- Lamelle von oben nach unten, so werden sie nach Erreichung der Seitenpfeiler inkomplette Figuren ergeben, deren Mittelstück einem lang- gestreckten Rhombus entspricht, während seitlich zwei kleine Kreise auftreten. Bei weiterem Tieferlegen der Schnitte werden sich diese seit- lichen Kreise nur verhältnismäßig wenig und rasch vergrößern, dann gleich bleiben, die Mittelfigur aber wird von Anfang an ziemlich gleich bleiben. Erreicht der Schnitt das untere Ende der Trennungsspalten, dann wird die Figur komplett. Bei El. trogontherii wird der oberste Horizontalschnitt insofern dem des El. antiquus ähneln, als ebenfalls eine langgestreckte Mittelfigur und zwei seitliche Ringe auftreten. Diese nehmen aber beim Tieferlegen des Schnittes stetig an Länge zu, während die mäßig starke Mittelfigur je nach dem parallelen oder konvergenten Verlauf der Trennungs- spalten gleichbleibt oder abnimmt. Die komplette Figur tritt also bei dieser Art nach in lang- 38 G. Schlesinger, sameih und stetigem Fortsclireiten erreichter, mehr oder weniger lat. lam. med. lam. bezw. lat. lam. med. an. inkompletter in die Erscheinung. Infolge des kreisförmigen Herausrückens der Elefantenmolaren und der zeitlichen Aufeinanderfolge der Lamellenabkauung finden wir nun von Natur aus an jedem angekauten Zahn diese gewünschten Schnitte in größerer oder geringerer Zahl vor. Wir sind also in der Lage, den Bau der Einzellamelle aus ihnen in jedem Falle völlig zuverlässig zu erschließen. Die übrigen Spezialisationsmerkmale (2.- 4.) geben uns keine sicheren Anhaltspunkte für unsere Frage, da sie in gleicher Weise auch für El. trogontherii Geltung haben. Von den Variationsmerkmalen ist das wesentlichste die Rhomben form der Schmelzfiguren (3 a); in zweiter Linie kommt die bandartige Kau fläche in Betracht (2 a). Ihre Verschmälerung (1 a) ist für unsere Entwicklungsfrage infolge ihrer Wandelbarkeit bei El. trogontherii zu wenig stich- hältig, der Schmelz (4 a) fällt aus dem gleichen Grunde außer Betracht. Von sämtlichen Meridionalis-M-ol&ren , welche Soergel (1. c. 1912, Tab. I— VIII) aufzählt (l m?, 1 m4, 1 MT, 2 M*, 2 M- und 2 M-), sind — abgesehen von dem mf, welcher sich nur aus 2 Pfeilern zusammensetzt, und dem m-, der als „lat. an. med. lam. und nicht typisch“ bezeichnet ist — bloß die beiden M- be- stimmt als lat. an. med. lam. bezeichnet, alle übrigen Molaren als lat. und med. lam. oder „unsicher“ hervorgehoben. In je einem Falle ist der Verschmelzungstyp als „lat. lam. med. an.?“ bezw. als „lat. lam. med. lam.?“ angegeben. Von den Schmelzfiguren sind zwei als „etwas rhombisch“ (eine davon als „median stark gezackt“), die übrigen (bis auf zwei ohne Angabe) als „breit, median anschwellend oder dila- tiert oder unregelmäßig gezackt“ genannt. Die Kauflächenform ist nur bei zwei Zähnen als „recht- eckig“, bei einem als „etwas rechteckig“, sonst als „oval“ be- zeichnet. Diese Überprüfung, welche meine Erwartungen hinsichtlich der Variabilität der Meridionalis-Zähne Soergel’s enttäuscht hatte, veranlaßte mich, auch die bei Weithofer1 abgebildeten und für eine derartige Untersuchung geeigneten Molaren, wie auch die mir im W7iener Hofmuseum zur Verfügung stehenden Zähne vorzunehmen. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle festgehalten. 1 K. A. Weithofer, Die fossilen Proboscidier des Arnotales, in: Beitr. Pal. Österr.-Ung. 8. Wien 1890. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 39 Tabelle I. El. meridionalis Nesti. Stellung im Gebiß Weithofer 1. c. Taf. ! Fig. V erschmelzungs- typ Kauflächen- form Mediane Zipfel- bildung m¥ VI 1 Ellipsen lat. stärker und zu-, med. weit schwächer und ab- nehmend eher recht- eckig nach hinten, gering m2 VII 5 Ellips. lat. zu-, med. abnehmend, erstere wenig schwächer eher oval Doppelwellung nach vorne und hinten nij VII 6 lat. u. med. lam. oval bloß an den vorder- sten Jochen nach vorne und hinten VIII 1 lat. u. med. lam., abnehmende med. Ellips. fast recht- eckig fehlend Mi IX 1 lat. u. med. lam. oval fehlend M-i IX 2 lat. lam. med. an. oval mäßig und nur ge- legentlich Mi IX 3 lat. u. med. lam. atypischer Zahn ! oval fehlend m¥ X 1 lat. lam. med. an. wenig oval fehlend Mi X 2 lat. u. med. lam. oval hinten an den mitt- leren Jochen vor- handen X 3 lat. u. med. lam. oval fehlend M* X 4 1 lat. lam. med. an. t mäßig oval fast fehlend M* || XI lat. lam. med. an. eher oval fehlend M3 XI II 2 lat. Ellips. schwächer, med. stärker mehr oval hinten, an den mittleren Jochen stark M^ X! 5 II lat. Ellips. zu-, med. abnehmend eher oval | vorne und hinten an den mittleren Jochen deutlich 40 G. Schlesinger, Von diesen 14 Zähnen, an welchen die in Rede stehende» Merkmale gut zu unterscheiden sind, sind also: 3 derart, daß sie sich dem lat. lam. med. an.-Typus mehr oder weniger nähern, 4 lat. lam. med. an., 5 intermediär und nur 2 derart, daß sie zum Verschmelzungstyp lat. an., med. lam. in Beziehung gesetzt werden könnten, ohne ihn auch nur im entferntesten zu erreichen. Die Schmelzfiguren tragen in 7 Fällen Zipfelbildungen, von welchen nur 3 Zähne vordere und hintere Zacken zeigen, welche- aber nie eine Rhombenform der Schmelzfigur hervorrufen. Die Kaufläche neigt nur in 2 Fällen der Rechteckform deutlicher zu, ist meist ausgesprochen oval, hin und wieder gewissermaßen intermediär. An diese Zusammenstellung reihe ich noch die Molaren, welche ich im Original studieren konnte. Die Stücke liegen im Wiener Hofmuseum. In diese Tabelle (p. 41) nehme ich noch die Maße (L. X Br. X H.) und die Jochformel auf. Wir begegnen bei diesen Molaren keinem einzigen lat., an. med. lam. oder auch nur mit ihm in Beziehung zu. bringenden Verschmelzungstyp, dagegen sind zwei Mo- laren lat. lam. med. an., der eine sehr vorgeschritten, drei sind, intermediär. Die Kau fl ä dien form ist nur bei einem Zahn mehr recht- eckig, und zwar gerade bei dem, der von der Möglichkeit eines- Ahnenmolaren gänzlich fernesteht. Medianzipfel treten öfters auf, nie aber vorne und hinten,, rhombisch e Figuren sind auch nicht entfernt angedeutet» Angenommen, daß Soergel’s Angaben über seine Meri- clionalis- Zähne hinsichtlich der besprochenen Merkmale nicht subjektiv gefärbt sind, wofür bei dem Mangel jeglicher Ab- bildung eine Kontrolle fehlt, ergibt sich folgendes Bild der Variationsbreite der Meriäionalis- Molaren in den wesent- lichen Merkmalen. Von 28 Zähnen sind im Verschmelzungstyp: 2 (n. Soergel) lat. an. med. lam. (also antiquoid), 3 zu diesem Typus in Beziehung setzbar, 6 dem lat. lam. med. an.-Typus nahe, 5 ausgesprochen lat. lam. med. an., die übrigen intermediär. Die Schmelzfiguren sind bloß in zwei Fällen als „etwa& rhombisch“ bezeichnet, meist fehlen Medianzipfel, wenn vorhanden, treten sie oft nur einseitig auf. Die Mehrzahl der Kauflächenformen ist oval, recht- eckige Typen kommen hin und wieder vor. Tabelle II. Meine Antwort in der Planifrons- Frage. 41 Dieser Molar zeigt schon sehr nahe Beziehungen zu El. meridionalis trogontherii. 42 G. Schlesinger, Analysieren wir demgegenüber in gleicherweise die Plani- /rons-Molar en der F. A. S. Falconer’s (Tab. III, p. 43 u. 44). Bezüglich des Verse hmelzungstyps sind also: 2 Fälle ausgesprochen lat. an. med. lam., 5 Molaren streben diesem Typus deutlich zu, 1 ist ausgesprochen intermediär, ein weiterer in der letzten inkompletten Figur lat. u. med. lam., in der vorletzten dagegen lat. lam. med. an.; 2 Zähne sind auf den Typus lat. lam. med. an. zu beziehen, 1 Fall ist deutlich lat. lam. med. an., am Joch dahinter aber lat. an. med. lam., noch weiter rückwärts wieder lat. lam. med. an., daher atypisch. An den übrigen 12 Molaren ist der Typus nicht feststellbar. Es'ist höchst bemerkenswert, daß in 12 einwand- frei konstatier baren Fällen 7 Zähne mehr oder weniger, davon 2 ganz ausgesprochen, dem Verschmelzungs- typ „lat. an. med. lam.“ zuzuteilen sind, welcher für El. antiquus bezeichnend ist. Demgegenüber waren unter 28 Molaren des El. meridionalis, •einschließlich der von Soergel genannten und nicht ab ge- bildeten, nur 5 auffindbar, welche mit diesem Ver Schmel- zung s typ „in Beziehung“ zu bringen waren. In der Kauflächenform finden wir ovale und recht- eckige Formen in fast gleicher Anzahl, in einem Fall wird die Kaufläche besonders schmal und fast bandförmig. Am überraschendsten sind die Befunde über das Auftreten medianer Zipfel: unter 21 konstatierbaren Molaren fehlen Zacken überhaupt nur an 5, von den übrigen 16 sind 2 atypisch, 2 schwach, 12 stark und vorne und hinten (distal und proximal) entfaltet. An zweien dieser Molaren erreichen einzelne Schmelzfiguren geradezu den Ausbildun gsgrad , wie er für El. antiquus bezeichnend ist, eine Lamelle kommt sogar der starken Klio mb en- form der Africanus- Figur nahe. Gegenüber diesen Tatsachen, die noch dazu ledig- lich auf dem Material der F. A. S. fußen, muten die Be- hauptungen Soergel’s (1. c. 1915, p. 184, Zeile 9 ff. von oben) über die geringe Variabilität der Planifrons- Molaren gegenüber El. meridionalis höchst sonderbar an. Ganz im Gegensatz zu seinen Ausführungen mußten wir sehen, daß El. meridionalis in allen Merkmalen, welche für die Ableitung des El. antiquus in Betracht kommen, ganz enorm an Variationsfähigkeit hinter El. planifrons zurück- bleibt. Wie Soergel selbst zugibt (1. c. 1912, p. 53, letzte Zeile, und p. 82), ist der Lamellenbau des El. antiquus mit seinem auffallend lat. an. med. lam.-Verschmelzungstyp „sehr konstant und ein untrügliches Unterscheidungsmittel“. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 43 Tabelle III. El. planifro n s Falc. Stellung im Gebiß F. i PI. L. S. Fig. Verschmelzungs- typ Kauflächen- form 1 Mediane Zipfel- bildung Mi VI 4 nicht feststellbar wenig oval am 4. Joch vorne und hinten typisch, sonst teils vorhan- den, atypisch, teils fehlend m X 2 am fünftletzten Joch : lat. Eil. bedeutend schwächer, med.stark (lat. an. med. lam.) schwach oval je 2 Ausweitungen vorne und hinten, die Mitte bleibt zacken- los m XI 1 linker Zahn: lat. Eil. etwas klei- ner als die med. ; Mammillen- zahlen: letztes deutliches Joch: 1, 8, 1 ; vorletztes deutliches Joch ; 1, 3, 1 ; rechter Zahn: 1 eher lat. lam. med. an. hinten oval, gegen vorne zu recht- eckig vorne und hinten vor- handen, einzelne Fi- guren erreichen ge- radezu die typische Form des El. anti- quus, bisweilen sogar die des El. afri- canns M3 XI 2 lat. u. med. lam., med. Eli. etwas stärker ; Mammillenzahlen : am Joch vorher: 2,3,2 hinten oval, vorne recht- eckig vorne und hinten vor- handen , vorletzte Lamelle mit deut- lich antiquoider Figur m XI 4 nicht feststellbar oval vorne und hinten deutlich m¥ XI 5 unklar, bloß zwei Figuren an den hin- teren Jochen fast band- förmig, schmal, an El. antiquus erinnernd sehr starke hintere und vordere Zipfel mt XI 6 lat. Eli. schwächer als die med., Mam- millenzahlen : 1, 4, 1 oval fehlend M3 XI 7 zu stark abgekaut ! vielleicht lat. lam. med. an. eher oval am vorletzten Joch vorne und hinten sehr stark, nach vorne hin verschwindend XI 8 lat. Eli. viel schwä- cher als die med. (lat. an. med. lam.) wegen halber Seitenansicht undeutlich am drittletzten Joch zwei, gegen vorne- hin nur mehr ein hinterer Zacken 44 G. Schlesinger, Stellung im Gebiß F. PL 4. S. | Fig. Verschmelzungs- typ Kauflächen- form Mediane Zipfel- bildung m XI 10 zu stark abgekaut | eher band- förmig sehr schwache Zacken vorne und hinten Mi XII 4 a zu stark abgekaut auffallend rechteckig schwache Zacken vorne und hinten m XII 5 a ausgesprochen lat. an. ined. lam. ; Mammillenzahlen an diesem u. d. vorher- gehenden Jochen: 1, 2, 2; 1, 3, 2; 1, 4,2 eher oval, vorne eckig zum Teil vorne und hinten, am rechten Zahn meist nur hin- ten, zwei Figuren dieses Molaren aus- gesprochen anti- qu oid Mi XII 6 a lat. an. med. lam. ; Mammillenzahlen : .1 , 3, 2 eher oval fehlend m2 XII 7 a bloß zwei Pfeiler nicht feststellbar ml XII 8 a unklar, die med. Eli. scheint schwächer gewesen zu sein eher oval mittlere Zacken an einzelnen Lamellen vorhanden Mt XII ! 10 a lat. u. med. lam. ziemlich rechteckig unregelmäßige, starke Fältelung, Zipfel fehlen Mg XII 12 a letzte inkompl. Fi- gur: lat. u. med. lam., vorletzte: lat. lam. med. an. rechteckig fehlend Ms 1 XII 13a lat. lam. med. an. durch große Zement- 1 Zwischenräume zw. d. Eli. gänzlich atypisch. Vorletztes Joch: lat. an med. lam. Letztes Joch : lat. lam. med. an. stark oval vordere und hintere Zipfel zwar vorhan- den, doch in je einem System von Fältchen zusammengeschoben M3- J XIV 8 bloß zwei Figuren am vorletzten Joch; am letzten unklar eher band- förmig starke vordere und hintere Zacken Ms XIV 9 nicht feststellbar eher oval starke vordere und hintere Zacken Mt XVIII 7 nicht feststellbar ? fehlend II Mf XVIII 1 1 a 2 a Dreipfeilerteilung nicht vorhanden ziemlich' rechteckig starke Zacken nach beiden Seiten Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 45 Wir müssen annelimen, daß ein Charakter, welcher bei einer Spezies derart scharf herausgearb eitet erscheint, schon bei der Ahnenform betont ist. Wenn wir also zwischen zwei Arten zu wählen haben, deren Molaren infolge ihrer Ursprünglichkeit noch nicht bestimmt ge- prägt sind, werden wir die eher für die Stammform halten müssen, welche die größere Variabilität in eben dem Merkmale aufweist : in unserem Falle El. planifrons. Daß bei El. meridionalis gelegentlich Verschmelzungstypen auftreten, welche von der Regel für diese Art — lat. u. med. lam., mit der Neigung zum lat. lam. med. an. -Typ — abweichen, ist bei seiner sicheren Herkunft von El. 'planifrons um so weniger ver- wunderlich, als bei dieser Spezies lat. an. med. lam. -Verschmelzungen verhältnismäßig sehr häufig sind. Eine Entwicklungserscheinung ist dieser Typus beim S ü d - elefanten sicher nicht. Wir begegnen ihm bei vorgeschrittenen Vertretern (cf. den von mir unter No. 5, Tab. II, genannten Zahn von Terra- cina, ferner die Mer idionali s-~Mola,r en bei Leith- Adams 1 und die Trogontherii-Z'3i\uie bei Soergel [1912, Taf. I — III]) nie. Folgen wir unvoreingenommen den Tatsachen — und dabei lasse ich die europäischen Planifrons- Molaren mit zum Teil überaus auffallend lat. an. med. lam.-Verschmelzun g absicht- lich außer Betracht — , so werden wir zu dem Schlüsse ge- drängt, daß 1. hl. planifrons infolge der Häufigkeit des Auftretens schwacher Lateral- und starker Medianpfeiler bei auf- fallender allgemeiner Variationsfähigkeit dieses Merkmals einer Ahnenform des El. antiquus im Molarenbau weit eher ent- spricht als El. meridionalis , 2. letztgenannte Spezies eine ausgesprochene Tendenz zur Herausbildung eines lat. lam. med. an., also dem El. antiquus genau entgegengesetzten Verschmelzungstyps zeigt, sonst aber lat. u. med. lam. und nur selten, wohl als phylo- genetische „Erinnerungen“, lat. an. med. lam. Figuren trägt. Wir wenden uns nunmehr den beiden erörterten Variations- merkmalen zu. Die Kaufläclienform zeigt zwar, wie meine Tabellen er- weisen bei El. planifrons, öfter das zur Bandform überleitende Rechteck, kann aber auf so ursprünglicher Entwicklungsstufe kaum derart bestimmt hervortreten, daß zuverlässige Schlüsse aus ihr abgeleitet werden können. Erst bei den Zwischenformen , welche von El. planifrons zu 1 A. Leith-Adams, British fossil Elephants. PI. XXII — XXIV. London (Palaeontogr. Soc.) 1874 — 1881. 46 Besprechungen. El. antiquus bezw. von El. meridionalis zu El. trogonthern über- leiten, können wir von diesem Merkmal eine klarere Prägung1 erwarten. Anders stellt es mit den Schmelzfiguren, deren Form wie der Verschmelzungstyp mit dem Lamellenbau in engstem Zusammenhang steht. Der große Prozentsatz von Molaren des El. planifrons, welche Medianzipfel vorne und hinten zeigen (12 + 2 unter 21 Molaren), gegenüber El. meridionalis (6 unter 28 Molaren) spricht eine um so deutlichere Sprache, als wir bei der sewa- lischen Art in zwei Fällen nicht „ etwas rhombische 8 , sondern geradezu antiquoide Figuren nachweisen konnten. Ich kann mir weitere Worte sparen und glaube genugsam dar- getan zu haben, wie es tatsächlich mit den »antiquus- artigen Molaren des 'El. meridionalis “ und dem Mangel „jedes antiquoiden Einschlages“ bei El. planifrons bestellt ist. (Schluß folgt.) Besprechungen. Die deutschen Diamanten und ihre Gewinnung. Eine Erinnerungsschrift zur Landesausstellung Windhuk 1914 herausgegeben von den Förderern. Berlin 1914 bei Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). 95 p. Mit 26 Tafeln und 1 Karte im Text. Die Ausstellung bot u. a. ein vollständiges und eindrucksvolles Bild der Diamantengewinnung in Deutsch-Südwestafrika, die von kleinen Anfängen zu so großer Bedeutung herangewachsen ist und die in erster Linie dem Lande die Mittel zu einer großzügigen Verwaltung und Aufschließung auch zugunsten anderer Erwerbs- zweige, vornehmlich der Fannerei und Landwirtschaft, liefert. Aus dieser Ausstellung ist die hier vorliegende Schilderung hervor- gegangen , der ersten eingehenden und zusammen fassenden Dar- stellung dieser wichtigen Betriebe, die um so willkommener und dankenswerter ist, als sie aus der Feder der besten Kenner der Verhältnisse und der berufensten Vertreter dieses ganzen Industrie- zweiges stammt (W. Bredow, Dr. H. Lotz, A. Stauch u. a.). Wir erhalten so ein getreues Gesamtbild des heutigen Standpunkts des südwestafrikanischen Diamantenbergbaus in seiner geschichtlichen Entwicklung, für das wir in diesen jetzigen Zeiten um so dank- barer sein müssen, als wir noch nicht mit Sicherheit wissen können, Besprechungen. 47 was die Zukunft auch auf diesem Gebiete in ihrem Schoße birgt. Alle, die den Diamanten aus Deutsch-Südwest nach irgendeiner Richtung hin Interesse entgegenbringen , seien deshalb auf die vorliegende Schrift zu ihrer Orientierung verwiesen. Der Inhalt ist in folgende Abschnitte gegliedert: Einleitung. Die Entdeckungs- geschichte der deutsch-südwrestafrikanischen Diamanten (Allge- meines über das Vorkommen der Diamanten. Die deutschen Diamanten). Die Verwertung der deutschen Diamanten. Die Maßnamen der Regierung. Die Bedeutung des Diamantenbergbaus für das Schutzgebiet. Die einzelnen Diamanten-Gesellscliaften, und zwar: Koloniale Bergbaugesellschaft m. b. H. und Diamanten- Pachtgesellscliaft D. K.G. ; Colmanskop Diamond Mines Ltd. ; Ver- einigte Diamantminen A.-G. ; Diamanten-Aktien-Gesellschaft (vorm. Weiß, de Meillon & Co.); Deutsche Diamanten-Gesellschaft m. b. H. ; Pomona Diamanten-Gesellschaft D. K.G. ; die Bahnfelder Gesellschaften; Diamanten-Abbau-Gesellschaft m. b. H. in Liideritz- bucht; Lüderitzbuchter Bergbaugesellschaft m. b. H. ; Diamant-Ge- sellschaft Grillenthal m. b. H. ; Die nördlichen Diamantfelder und die Diamantfelder-Verwrertungsgesellschaft Konzeptionbucht m. b. H. Für die Einzelheiten muß auf das Buch selbst verwiesen werden. Die Ausstattung ist der festlichen Veranlassung würdig. Die zahlreichen Abbildungen stellen die für die Diamantengewinnung wichtigsten Gegenden und die verschiedensten Gewinnungsvorrich- tungen von den ältesten und primitivsten Verfahren mit Sieben und Handsetzmaschinen bis zu den modernsten Maschinenanlagen in anschaulicher Weise dar. Ein kleines Kärtchen gibt das Ver- landungsgebiet zwischen Meob und der Empfängnisbucht (von ca. cca. 24° bis 24° 40' südl. Breite). Erwünscht wäre eine gute Über- sichtskarte über das ganze südwestafrikanische Diamantengebiet mit den Gebieten der einzelnen Gewinnungsgesellschaften gewesen. Max Bauer. M. Groll: Karte des Atlantischen Ozeans. Braun- scliweig, Westermann. Format 95 X 120 cm. Maßstab 1:20000000. Preis Mk. 15. Die Untergrundsplastik des Atlantischen Ozeans führt uns eine schöne neue Karte vor, welche zum erstenmal die azimutale Projektion verwendet. Die Lage des Projektions-Mittelpunktes liegt in 20° n. Br. Die S-förmige Gestalt dieses besterforschten Ozeans tritt scharf hervor; der Konvexität an der Nordostgrenze entspricht eine Ausbuchtung der entgegengesetzten Seite , ebenso steht der Konkavität, welche durch die Ostspitze von Südamerika gebildet 48 Personalia. wird, der ins Festland einschneidende Winkel mit dem Golf von Guinea gegenüber. Handelt es sich hier wahrscheinlich nur um Zufälligkeiten, so ist das Folgende von größerer tektonischer Wichtigkeit: Auf dem Bilde fällt zunächst etwa in der Mittellinie des Atlantik der den beiden Landgrenzen von Nord nach Süd parallel verlaufende Höhenrücken auf. Zu beiden Seiten liegen ausgedehnte Tiefs, eine Erscheinung, welche für den Atlantischen Ozean charakteristisch ist. Die größte Tiefe, über 8000 m, findet sich an der Ostseite des Antillenbogens. Dieöe gegen den Ozean gerichtete Konvexität des Inselbogens zeigt allein an den atlantischen Küsten die sonst nur im Pazi- fischen Weltmeer auftretenden Eigentümlichkeiten des parallelen Verlaufes von Gebirgsbögen und Inselguirlanden in ihrer Abhängig- keit von den gewaltigen Randgräben. Abgesehen von dieser pazi- fischen Ausnahme sind die atlantischen Küsten dadurch ausge- zeichnet, daß sie die Gebirgsbögen quer durchschneiden. Drei Landbrücken haben wahrscheinlich Amerika mit den Festländern der Alten Welt in der Vorzeit verbunden. Darauf deuten 1. die Azoren im Norden und die sie umgebende Untiefe und andererseits Neufundland und die vlämische Kappe im Osten von Nordamerika hin ; 2. eine zweite Brücke durchzog den Ozean etwa in der Gegend des Äquators. Auch hier finden wir dieselben Erschei- nungen, Inselüberreste und Untiefen. 3. Im Süden (Natal und Mittelgebirge der Provinz Buenos Aires) erheben sich auf beiden angrenzenden Erdteilen ost — wrest streichende Gebirge, die einen Zusammenhang wahrscheinlich machen, da die geologische Schichtenfolge und die jungpaläozoische Faltungs- periode übereinstimmen. Auch diesen paläozoischen Gebirgsfragmenten entsprechen Untiefen auf dem Meeresgrund. Die im vorstehenden skizzierten Gedanken drängten sich dem Unterzeichneten bei der Betrachtung der geradezu vorbildlich schönen Darstellung aus der Feder des rühmlichst bekannten Werf.’s auf. Frech. Personalia. Gestorben: Am 30. Dezember 1915 Dr. Johan Christian ..Moberg-, Lund (Schweden). A. Beutell, Synthese der Nickelarsenide. 49 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Synthese der Nickelarsenide. Von A. Beutell in Breslau. Gemeinsam mit Fr. Lorenz hatte ich die Zerlegung- des Speis- kobalts mittelst Luftoxydation durchgeführt und anschließend daran durch Synthese die erhaltenen Resultate sichergestellt, sowie teil- weise erweitert (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373). Wegen der nahen Verwandtschaft zwischen Kobalt und Nickel hatten wir angenommen, daß sich die Arsenide des Nickels nicht wesentlich anders verhalten würden wie die des Kobalts, und aus diesem Grunde waren synthetische Versuche mit Nickel unter- blieben. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Speiskobalts waren mir bald Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme aufgetaucht. Während nämlich das Monarsenid des Nickels, As Ni, im Speis- kobalt ziemlich häufig auftritt, hatte ich nirgends Anhaltspunkte für die Existenz des entsprechenden Kobaltarsenids, As Co, gefunden. Der Hauptzweck der folgenden Untersuchung ist die Aufklärung dieses merkwürdigen Unterschieds der beiden Monarsenide. Die benutzte Apparatur war dieselbe wie bei den Versuchen mit Speiskobalt und Kobalt, doch wurde das Verfahren etwas ab- geändert. Bei der Darstellung der Kobaltarsenide war das erhaltene Pulver nach der Arsenaufnahme jedesmal von neuem zerrieben worden, um das Eindringen des Arsens ins Innere zu erleichtern ; hiervon wurde bei der Synthese der Nickelarsenide im allgemeinen Abstand genommen, um die Verhältnisse mehr den natürlichen anzupassen. Falls sich nämlich der Speiskobalt auf Erzgängen durch Einwirkung von Arsendämpfen gebildet hätte, so mußten dieselbe durch die oberflächliche Kruste höherer Arsenide hindurch- diffundieren, und es wäre möglich, daß die Diffusionsgeschwindig- keit des Arsendampfes durch eine Haut von Nickelarseniden viel geringer ist als durch eine solche von Kobaltarseniden. Das häufige Auftreten von Rotnickelkies, As Ni, im Speiskobalt könnte darin seinen Grund haben, daß die oberflächlich gebildeten Arsenide das Fortschreiten der Reaktion nach dem Innern verhindern, während beim Kobalt die Arsenierung ungehindert von außen nach innen von statten geht. Durch vergleichende Versuche mit Kobalt und Nickel, die ich der Vollständigkeit wegen auch auf vorher entarsenten Speiskobalt Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 4 50 A. Beutell, ausgedehnt habe, hoffte ich Aufschluß nach dieser Richtung zu erlangen. Um Erfahrungen über den Verlauf der Arsenierung ohne jedesmaliges Zerreiben der Substanz zu sammeln, wurden zunächst zwei Versuchsreihen bei 300° beziehentlich 350° mit Speiskobalt und Kobalt angesetzt. In demselben Vakuumrohr (dies. Centralbl. 1911. p. 494. Fig. 2) wurden gleichzeitig drei Röhrchen erhitzt; die drei Versuchsreihen, welche jede der folgenden Tabellen ent- hält, sind daher unter genau denselben Versuchsbedingungen durch- geführt., Die Temperatur des Ofens wurde bei jeder Unter- brechung der Versuche kontrolliert, und falls dieselbe durch Ab- nutzung der Lampen des Widerstandes etwas gesunken war, neu einreguliert. Besonderes Gewicht wurde bei allen folgenden Ver- suchen auf vorzügliches Vakuum gelegt. Denn wenn auch die Tension des Arsendampfes vom Druck unabhängig ist, so vollzieht sich die Arsenaufnahme naturgemäß langsamer bei Anwesenheit eines neutralen Gases. Ist nur Arsendampf vorhanden, so bildet sich infolge der Absorption desselben ein kontinuierlicher Strom von Arsendampf nach der absorbierenden Substanz hin, während bei Anwesenheit eines zweiten Gases der Arsendampf erst durch dieses diffundieren muß. Da sich hierdurch die Reaktionsgeschwin- digkeit vermindert, auf die es bei diesen Versuchen in erster Linie ankommt, so müßte ein möglichst vollkommenes Vakuum angestrebt werden. Zur Kontrolle desselben war an der Pumpe ein Kathoden- rohr angebracht, das mit einem Induktor betrieben werden konnte (a. a. 0. p. 492. Fig. 1). Die Fluoreszenz desselben gestattet bei einiger Übung in jedem Augenblick die Güte des Vakuums fest- zustellen. Die Operation des Auspumpens ist viel zeitraubender, als 'man sich im allgemeinen vorstellt. Man erhält zwar reines Kathoden- licht in 3 — 4 Minuten, doch beobachtet man, daß im Anfang das Vakuum beim Durchgehen des Induktionsstromes stark zurückgeht; erst nach stundenlangem Pumpen bleibt das Vakuum konstant. Diese Erscheinung wird durch die an den Glaswänden, Elektroden usw. kondensierten Gase und Dämpfe (besonders Wasserdampf) hervorgerufen, welche sich nur äußerst schwierig und langsam loslösen; besonders an pulverförmigen Substanzen sitzen die kon- densierten Gase sehr hartnäckig. Nur ganz allmählich stellt sich in der Luftpumpe ein Gleichgewichtszustand her, der jedoch durch elektrische Entladungen oder durch Erwärmen sofort wieder zer- stört wird. Um das Evakuieren zu beschleunigen , habe ich das Vakuumrohr in ein Gefäß mit kochendem Wasser getaucht und dann so lange weiter gepumpt (stets mehrere Stunden), bis das Vakuum durch den Induktionsstrom nicht mehr beeinflußt wurde. Es stellte sich heraus, daß beim Erwärmen auf 100° aus dem Pulver stets eine geringe Menge von weißem Arsenik (As2 06) ab- Synthese der Nickelarsenide. 51 destillierte, welcher sich während des Wägens und Einschmelzens an der Luft gebildet hatte. Noch schneller kommt man zum Ziele, wenn man das zu evakuierende Rohr (einschließlich der Abschmelz- stelle) mit Silberblecli umwickelt und mit direkter Flamme erwärmt. Die Erwärmung ist auf diese Weise sehr gleichmäßig, und Über- hitzung ist bei einiger Vorsicht nicht zu befürchten, da sich der schnee- weiße Arsenikbeschlag bei zu hoher Temperatur sofort zu bräunen beginnt. Der hierdurch verursachte ganz geringe Verlust metal- lischen Arsens ist für den Verlauf der synthetischen Versuche ohne jede Bedeutung, da er sich im Arsendampf sofort wieder ersetzt. Auch in anderer Richtung unterscheiden sich die folgenden Versuche von den früheren (a. a. 0.). Bei der Darstellung der Kobaltarsenide hatten wir die Versuchstemperatur von Fall zu Fall entsprechend der Arsenaufnahme geändert, um die Grenzen der Beständigkeitsintervalle der einzelnen Arsenide möglichst genau festzustellen. Hiervon nahm ich diesmal Abstand und führte die Versuche bei willkürlichen Temperaturen durch. Hierdurch ändert sich naturgemäß das Bild der Ergebnisse. Bei der relativ langen Versuchsdauer von je einer Woche (bei 300° sogar von je 10 Tagen) hat die Arsenierung von Speiskobalt und Kobalt nie auf Gewichts- konstanz geführt, wie sie bei kurzen Versuchen auftrat. Die folgende Tabelle 1 enthält eine Zusammenstellung der Versuchsergebnisse bei 300°. Tabelle 1. Arsenaufnahme des Speiskobalts und Kobalts bei 300s ohne jedesmaliges Pulvern der Substanz. Dauer Speiskobalt Kobalt A Kobalt B Atom- verhältnis R : As Diffe- renz Atom- verhältnis Co : As Diffe- renz Atom- verhältnis Co : As Diffe- renz anfangs 1 : 0,96 1 : 0,00 1 : 0,00 0,05 0,67 0,67 nach 10 Tagen 1 : 1,01 1 : 0,67 1 : 0,67 0,02 0,26 0,26 » 20 „ 1 : 1,03 1 : 0,93 1 : 0,93 0,01 0,05 0,05 „ 30 „ 1 : 1,04 1 : 0,98 1 : 0,98 0,00 0,02 0,02 ,40 „ 1 : 1,04 1 : 1,00 1 : 1,00 0,02 0,07 0.08 1 : 1,06 1 : 1,07 1 : 1,08 Aus den Zahlen für Speiskobalt, der bei Beginn der Versuche bereits das Atomverhältnis R : As = 1 : <>,96 hatte, geht hervor, daß über dieses Verhältnis hinaus die Arsenaufnahme eine äußerst 4* 52 A. Beutell, langsame ist. Einmal (nach 40 Tagen) war die Zusammensetzung nicht mehr geändert worden; da jedoch auch die beiden Parallel- versuche mit Kobalt eine zu geringe Aufnahme zeigen , muß ein Versuchsfehler vorliegen. Wahrscheinlich ist infolge einer Betriebs- störung im städtischen Elektrizitätswerk die Temperatur des Ofens für einige Stunden so weit gesunken , daß wegen der Abnahme der Arsentension aus den Arseniden Arsen abdestilliert ist. Hierauf weist die abnorm starke Arsenaufnahme in den folgenden 10 Tagen hin , in denen sich der Arsenverlust wieder ersetzt bat. Die mittlere Gewichtszunahme in den letzten 2o Tageu befindet sich in vollem Einklang mit den vorhergehenden Werten. Die Über- einstimmung der Parallelversuche mit Kobalt ist eine ausgezeichnete. Die Arsenaufnahme vollzieht sich bis ungefähr zur Formel As Ni verhältnismäßig schnell und fällt dann ziemlich plötzlich auf einen sehr kleinen, aber fast konstanten Wert ab. Tabelle 2 Arsenaufnahme des Speiskobalts und Kobalts bei 3 3 0°. Speiskobalt Kobalt A Kobalt B Dauer Atom- verhältnis Diffe- Atom- verhältnis Diffe- Arom- verhältnis Diffe- R : As renz Co : As | renz Cc > : As renz a) ohn< ? jedesm aliges Pul 1 vern der Su b stanz anfangs 1 : 1,06 1 : 1,07 1 : 1,08 0,09 0,12 0,11 nach 1 Woche 1 : 1,15 1 : 1,19 1 : 1,19 0,06 0,04 0,07 „ 2 Wochen 1: 1,21 1 : 1,23 1 : 1,26 0,06 0,10 0,07 „ 3 „ 1 : 1,27 1: 1,33 1 : 1,33 0,03 0,03 0,02 , 4 „ 1 : 1,30 1 : 1,36 1 : 1,35 0,03 0,03 0.03 „ 5 „ 1 : 1,33 1: 1,39 1 : 1,38 0,02 0,03 0,02 , 6 , 1 : 1,35 1 : 1,42 1: 1,40 b) mit jedesmaligem Pulvern der Substanz, anfangs nach 7 Wochen . 8 1 : 1,35 0,08 1:1,42 0,09 l 1 : 1,40 1 : 1,43 1: 1,51 1 : 1,53 0,03 0,06 1 : 1,46 1 : 1,57 1 : 1,61 0,04 0,10 1 : 1,50 1:1,67 1 : 1,70 0,07 0,08 0,09 9 Synthese der Nickelarsenide. 53 Zu den Versuchen von Tabelle 2 (a und b) dienten dieselben Pulver, welche bereits 50 Tage der Einwirkung von Arsendampf bei 300° ausgesetzt gewesen waren. Die Gewichtszunahme steigt bei 350° zunächst etwas an, fällt dann rasch und erreicht zwischen der dritten und sechsten Woche einen fast konstanten Betrag; die Differenz der Atomverhältnisse sowohl für Speiskobalt wie für Kobalt schwankt dann nur noch zwischen 0,02 und 0,03. Diese Konstanz schwindet sofort, wenn man die Arsenide von neuem pulvert, wie die unter b eingetragenen Daten zeigen. Die Arsenaufnahme steigt auf etwa den dreifachen Wert und bleibt, soweit die Versuche reichen, dauernd höher als ohne Pulvern. Selbst eine äußerst feine Haut höherer Arsenide be- deutet mithin ein starkes Hindernis für den Fort- gang der Arsenierung. Die nun folgenden, bei 400°, 450° und 500° unternommenen Versuche erstrecken sich neben Speiskobalt und Kobalt auch auf Nickel. Das Nickelpulver war von C. A. F. Kahlbaum bezogen, wurde jedoch vor dem Gebrauch nochmals mit Wasserstoff im Porzellanrohr reduziert, wobei ziemlich starke Wasserbildung auf- trat. Nach der Reduktion wurde es gesiebt, so daß nur feinstes Pulver zur Verwendung kam. Als Ausgangsmaterial für die beiden anderen Versuchsreihen diente Speiskobaltpulver, das durch Vakuum- destillation auf die Zusammensetzung As^R gebracht worden war, und reines Kobaltpulver; letzteres war derselben Behandlung wie das Nickelpulver unterworfen worden. Die Erhitzungsdauer betrug jedesmal eine Woche; nur der erste Versuch bei 4o0° wurde 14 Tage ohne Unterbrechung durchgeführt, um rascher voran- zukommen. In Tabelle 3 (p. 54) sind die bei 400° erhaltenen Resultate zusammengestellt. Sowohl das Kobalt- als das Nickelpulver waren nach der ersten 14tägigen Einwirkuug des Arsendampfes bei 4o0° zusammen- gesintert; das Kobaltarsenid zeigte eine fast schwarze Farbe, während das Nickelarsenid deutlichen Metallglanz und Bronzefarbe besaß. Die Reaktion verlief anfangs so rasch, daß in den ersten 1 4 Tagen bedeutend mehr Arsen auf genommen wurde als in den folgenden 6 Wochen. Wie bei den früheren Versuchen ist auch hier ein schneller Abfall der Arsenaufnahme zu verzeichnen. In bezug auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei 400° ist zwischen Kobalt und Nickel kein wesentlicher Unterschied zu bemerken. Da das Nickel etwas zurückblieb , wurde das gebildete Arsenid bereits nach 5 Wochen gepulvert; es war so hart, daß ein Glas- stäbchen hierzu nicht ausreichte; vielmehr mußte die Substanz in einen Achatmörser gebracht werden. Nach dem Pulvern, welches von nun an jedesmal wiederholt wurde, stieg der Arsengehalt rasch an und erreichte nach 8 Wochen das Verhältnis Ni : As 54 A. Beutell, Tabelle 3. Arsenaufnahme des Speiskobalts, Kobalts undNickels bei 400°. (Angewandte Substanz etwa 0,1 g.) Dauer Speiskobalt Kobalt Nickel Atom- verhältnis R : As Diffe- renz Atom- verhältnis Co : As 1 Diffe- renz Atom- verhältnis Ni : As Diffe- renz a) ohne jedesmaliges Pulvern der Substanz. anfangs 1 : 1,05 1 : 0,00 1 : 0,00 1,11 1,31 1,36 nach 2 Wochen 1 : 2,16 1 : 1,31 1 : 1,36 0,11 0,15 0,07 „ 3 „ 1 : 2,30 1 : 1,46 1 : 1,43 0,09 0,04 0,04 ■ 4 „ 1 : 2,39 1 : 1,50 1 : 1,47 0,07 0,06 — „ 5 1 : 2,46 1 : 1,56 — 0,01 0,03 — „ 6 , 1 : 2,47 1 1 : 1,59 — b) mit jedesmaligem Pulvern der Su bstanz. _ 0,41 nach 5 Wochen — — 1 : 1,88 _ — 0,04 „ G „ — — 1 : 1,92 0,20 0,32 0,07 ,, 7 , 1 : 2,67 1 : 1,91 1 : 1,99 0,09 0,23 0,01 , 8 „ 1 : 2,76 1 : 2,14 1 : 2,00 — 1 : 2,00 ; Speiskobalt und Kobalt waren in derselben Zeit auf das Verhältnis 1 : 2,70 beziehentlich 1 : 2,14 angestiegen. Gleichzeitig waren in einem zweiten elektrischen Ofen drei Versuchsreihen bei 450° mit Speiskobalt von der Formel As105R, reinem Kobalt und Nickel angesetzt worden. Die jedesmalige Versuchsdauer betrug in allen Fällen eine Woche; erst nach 4 Wochen, aber von da an nach jeder Unterbrechung wurden die gebildeten Arsenide neu gepulvert. Die gesamten Ergebnisse ent- hält die Tabelle 4 (p. 55). Auch bei 450° waren Nickel und Kobalt nach der ersten Arseneinwirkung stark zusammengesintert; als nach 4 Wochen die Substanzen gepulvert werden sollten, erwies sich das Nickelarsenid als so hart, daß es nicht aus dem Röhrchen entfernt werden konnte, ohne dasselbe zu zertrümmern. Hieraus muß geschlossen werden, daß die Reaktion zwischen Nickel und Arsen energischer Synthese der Nickelarsenide. 55 Tabelle 4. Arsenanfnahme des Speiskobalts, Kobalts und Nickels bei 45 0°. (Angewandte Substanz 0,2 g.) Speiskobalt Kobalt Nickel Dauer Atom- verhältnis R : As Diffe- renz Atom- T\:fen Verhältnis ^ ’ Co : As renz Atom- verhältnis Ni : As Diffe- renz a) ohne jedesmaliges Pulvern der Substanz. anfangs 1 : 1,05 0,86 1 : 0,00 1,53 1 : 0,00 nach 1 Woche 1 : 1,91 1 : 1,53 1 : 1,34 0,19 0,14 „ 2 Wochen 1 : 2,10 1 : 1,67 1 : 1,45 0,07 0,06 7) ^ » 1:2,17 1 : 1,73 0,05 1 : 1,48 0,11 , ^ „ 1 : 2,28 1 : 1,78 1 : 1,55 b) mit jedesmaligem Pulvern d er Substanz. 0,06 0,09 nach 5 Wochen 1 : 2,34 1 : 1,87 1 : 2,01 0,08 0,12 , 6 „ 1 : 2,42 1 : 1,99 1 : 2,04 verläuft als zwischen Kobalt und Arsen. Wenn aber trotzdem die Arsenaufnahme, wie das Resultat nach 4 Wochen (Tabelle 4) beweist, beim Nickel viel geringer ist als beim Kobalt, so kann sich dies nur dadurch erklären, daß infolge stärkerer Sinte- rung die Arsenierung beim Nickel nicht nach dem Innern fort- schreiten kann. Daß dies tatsächlich die Ursache des scheinbar widerspruchsvollen Ergebnisses ist, beweist das nach 5 Wochen erzielte Resultat. Nachdem nämlich die Arsenide gepulvert worden waren, erfährt die Arsenaufnahme beim Kobalt nur eine geringe Beschleunigung , während das Nickelarsenid einen Sprung von As15gNi bis auf As201Ni macht. Der nach Abschluß der vierten Versuchswoche vorhandene, ziemlich beträchtliche Vorsprung des Kobaltarsenids hat sich infolge des Pulvers mit einem Schlage ins Gegenteil verwandelt, wie seine Zusammensetzung Aslg7Co dartut. Die Vermutung, daß die Affinität zwischen Nickel und Arsen stärker ist als zwischen Kobalt und Arsen, wird hierdurch zur Gewißheit. Leider verunglückte nach 6 Wochen die Versuchsreihe durch Springen des Vakuumrohres, bevor mit Sicherheit festgestellt war, 56 G. Schlesinger, ob die Einwirkung des Arsens auf Nickel mit der Formel As2Ni ihr Ende erreicht hatte. Um hierüber Klarheit zu erlangen, wurden die Versuche von 400°, die in Tabelle 3 zusammengestellt sind, zunächst bei 450 und schließlich bei 500° fortgesetzt. Hierbei wurde bei Speiskobalt die Formel As3R und für das Kobaltarsenid die Formel As261 Co erreicht. Die Arsenierung des Nickels jedoch, welche schon bei 400° (Tabelle 3) genau auf das Biarsenid As2 Ni geführt hatte, schritt weder durch 1 4 Tage langes Erhitzen bei 450°, noch durch 7tägiges bei 500° weiter fort. Es wurde in den letzten 3 Wochen keine Spur Arsen aufgenommen: As2Ni ist das höchste darstellbare Nickelarsenid. Das Nickel gleicht in dieser Beziehung dem Eisen, dessen höchstes Arsenid nach unseren früheren Untersuchungen (dies. Centralbl. 1911. p. 316) ebenfalls das Biarsenid As2Fe ist. Von der Fortführung der Kobaltversuche bis zur völligen Sättigung wurde Abstand genommen, da die Bildung des Triarsenids As3 Co bereits nachgewiesen war (a. a. 0.). Ergebnisse. 1. Das höchste Arsenid, welches bei der Einwirkung von Arsen- dampf auf Nickel entsteht, ist das Biarsenid As2Ni. 2. Bei 400° zeigt die Arsenierung von Kobalt und Nickel keinen nennenswerten Unterschied. 3. Bei 450° tritt beim Nickel eine stärkere Sinterung auf als beim Kobalt. 4. Wegen der starken Sinterung kommt bei 450° die Arsenie- rung des Nickels zum Stillstand, während sie beim Kobalt bis zur Sättigung fortschreitet. Breslau, Mineral. Institut der Universität, Oktober 1915. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. I. Die Herkunft des Elephas antiquus. Von G. Schlesinger, Wien. Mit 4 Textfiguren. (Schluß.) Ad B. Wie verhalten sich nun die gewonnenen Gesichts- punkte zur Frage der „intermediären Molaren“? Sind wir be- rechtigt : Meine Antwort in der Planifrons- Frage. 57 1. von Zwischenformen zwischen El. antiquas und El. tro- gontherii zu sprechen? 2. die Molaren aus dem Oberpliocän, welche C. Borto- lotti 1 mitteilte, als „antiquoide Meridionalis- zähne“ aufzufassen? Um diesen Fragen gerecht werden zu können , wollen wir wieder vorerst die Spezialisations- und Variationsmerkmale des El. trogontherii festlegen. Von ersteren bleiben die Punkte 2 — 4 so ziemlich die gleichen wie bei El. antiquus, sind also für unsere Fragen unbrauchbar. Dagegen ist der V erschmelzungstyp wieder von größter Bedeutung. Wir haben schon gelegentlich der Umgrenzung dieses Merk- males bei El. meridionalis gesehen, daß der Lamellenbau noch innerhalb dieser Spezies einem Zustand zustrebt , welcher durch Vergrößerung der Seitenpfeiler und Verringerung des Mittelpfeilers gekennzeichnet ist. Daß diese Entwicklung in einzelnen Fällen schon früh ein- setzte, ersehen wir nicht nur aus den besprochenen Zähnen aus Terracina und den Meridionalis-M-oldir en des Forestbed (s. Leith-Adams 1. c.), sondern auch aus der von Soergel (1. c. 1912, p. 11, Fig. 8) abgebildeten Meridionalis- JjRmeWe aus dem Val d’Arno, deren Hauptspalten sehr stark konvergieren und eine bereits lat. lam. med. an. letzte inkomplette Figur be- dingt haben müssen. Wäre El. trogontherii lediglich als der Nachfolger dieser Spezialisationsrichtung aufzufassen, so müßte er den Ver- schmelzungstypus lat. lam. med. an. noch ausgesprochener an sich tragen. Das ist nicht für alle Molaren der Fall, welche sonst in die Breite des El. trogontherii fallen, doch für etliche. Die englischen Vertreter dieser Art und des El. primigenius (s. Leith-Adams 1. c.) bieten in dieser Hinsicht genügende Anhalts- punkte. Oft begegnen wir auch der lat. lam. med. lam. -Verschmel- zung, was uns bei der Häufigkeit dieses Typus beim Südelefanten nicht wundern kann. Dagegen besteht zwischen der Erwartung lat. an. med. lam.- Fusionen , welche infolge der verhältnismäßigen Seltenheit dieses Zustandes bei El. meridionalis weniger häufig auftreten sollten, und den Angaben W. Soergel’s (1. c. 1912, Tabellen) ein aus- gesprochener Zwiespalt. Der überwiegende Teil der von Soergel als El. trogontherii 1 C. Bortolotti, Denti di Proboscidati, di Bhinoceronte e di Ippo- potamo etc. Riv. ital. Palaeontolog. 10. p. 83 ff. Perugia 1904. 58 G. Schlesinger, bestimmten Molaren ist (n. Soergel) lat. an. med. lam.1, wie er (1. c. p. 38) bemerkt, „allerdings nicht in dem für El. antiquus eigen- tümlichen Extrem“. Sind Soergel’s Angaben richtig, dann bleibt nur die Annahme, daß die mitteldeutschen Tr ogontherii - Formen auf Meridionalis-Tjpen zurückgelien , welche den bei El. plani- frons häufigeren Lamellenbau mit stärkeren Mittel- und schwächeren Seitenpfeilern beibehalten haben. Eine Notwendigkeit, eine Beziehung zu El. antiquus anzu- nehmen, besteht um so weniger, als wir klar und deutlich drei - — im Trogontherii- Material sogar ziemlich gleichwertig ver- tretene -1— Ausgangspunkte für den Lamellenbau dieser Art konstatieren können. Aus dieser dreifachen Grundlage erklärt sich die große Wandelbarkeit im Ve rs c h m el z u n g s t y p des El. trogontherii und zum Teil auch noch des El. primi- genius. Wir sind daher nicht in der Lage, auf Grund des Verschmelzungstyps intermediäre F ormen festzustellen. Wie steht es nun mit den Variationsmerkmalen? Es ist kein Zweifel, daß sie beim typischen Trogon- tlierien- Elefanten von El. antiquus wesentlich verschie- den sind. Beim ursprünglichen El. trogontherii aber kann dieser Unter- schied infolge der ähnlichen Variationsbreite des El. meridionalis und des El. planifrons in diesen Punkten sehr zurücktreten. Wie wir gesehen haben, sind die beiden wesentlichsten Variationsmerkmale (Kauflächenform und Gestalt der Schmelz- figuren) zwar weit seltener, aber dennoch an Molaren des El. meri- dionalis in Ausbildungen vorhanden, welche es ermöglichen, sie in entfernte Beziehungen zu El. antiquus zu bringen. Ob mit Kecht, ist eine andere Frage. Wenn aber Soergel glaubt, ihr mit der auf p. 183 (Soergel 1915) abgedruckten und von mir weiter oben (p. 36) zitierten theore- tischen Erörterung zu Leibe rücken zu können, so hat er eben für diesen Moment vergessen, daß er nur von den Molaren spricht. Es ist nicht nur denkbar, sondern durch den nachfolgend be- sprochenen Fall in einer anderen Proboscidier-Gruppe sogar sicher- gestellt, daß zwei wohlunterschiedene Arten im Molaren- 1 Ich nehme an, daß Soergel bei der Angabe des Verschmelzungs- typs sich dessen bewußt war, daß nur eine Berücksichtigung aller in- kompletten Figuren und der Tatsache, wie die letzte von ihnen ge- staltet ist, ein unzweideutiges Bild des Lamellenbaues geben kann, und nicht etwa nach einer mittleren inkompletten die Fusion benannt hat. In letzterem Fall wäre die Feststellung eines lat. an. med. lam. -Typs natürlich irrig. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 59 bau einander derart ähnlich werden können, daß die Zahnbestim- mung ernste Schwierigkeiten bereitet! Mastodon angusüdens entwickelt in einer subtapiroiden Form, wie sie in Wies, Eibiswald, Vordersdorf häufig ist, Mo- laren, welche derart den entsprechenden Zähnen des M. tapiroides, zumal wenn diese die Verstärkungsleiste bedeutend entfaltet haben, ähneln, daß sie kaum zu trennen sind. Dieser Umstand hat „Molarenphylogenetiker“ mehr- mals verführt, die beiden Arten zusammenzuziehen. Und doch ist aus der Form der Stoßzähne — die hier nicht wie bei Elefanten wandelbar sind — klar ihre Artberechtigung erwiesen: M. ( Bunolophodon ) angustidens trug nach abwärts gekrümmte, runde Incisoren mit breitem Schmelz- band an der konkaven Seite, M. ( Zygolopliodon) tapiroides nach aufw'ärts gekrümmte, kompreß- o vale Incisoren mit breitem Schmelzband an der konvexen Seite. Auftretende intermediäre Molaren würden also bloß beweisen, daß an den betreffenden Stellen die eine Art unter Lebens- bedingungen zu bestehen genötigt war, welche dem Milieu der andern nahe standen, und daß unter diesem Einfluß die von den beiden Ahnen her noch latenten ähnlichen Merkmale eben in der Dichtung betont wurden, welche dem jeweiligen Lebensbezirk entsprach. Die erörterten Momente müssen wir bei Beurteilung der folgen- den Variationsmerkmale der typischen Molaren des El. tro- gontherii berücksichtigen. Diese sind : 1 a. Breite Zahnkronen. 2 a. Ovale Kauflächen. 3 a. Fehlende oder zurücktretende Medianzipfel. 4 a. Zurücktretende Knitterung des Schmelzes. An atypischen Zähnen werden wir — innerhalb der Grenzen, welche in der Variationsbreite des El. meridionalis als Ahnen möglich sind — in allen diesen Merkmalen gewisse A n ähn- lich un gen an die bezüglichen Charaktere des El. antiquus er- warten können. Ich gehe nunmehr unter diesen Gesichtspunkten die von Soergel mit Abbildung publizierten1 „intermediären Mo- laren“ durch: Als solche nimmt Soergel (1. c. 1912) in Anspruch: 1. Taf. 1 Fig. 9, ein Mä- einer Mandibel aus den Sanden von Mauer, von Soergel „noch in den Formenkreis des El. anti- quus11 gezogen, zeigt eine Verschmelzung, welche eher als lat. lam. med. an (lat. Eli. stärker, med. schwächer) zu bezeichnen 1 Nicht abgebildete Zähne bin ich begreiflicherweise außerstande zu überprüfen. 60 G. Schlesinger, ist (siehe die Lamelle in der Flucht des hinteren Randes der Symphyse). Die bedeutende Größenabnahme des Mittelpfeilers be- weist überdies das starke Konvergieren der Trennungsspalten. Dieser Typus trifft — auch nach Soergel (vgl. weiter oben p. 42, letzter Absatz) — bei El. antiquus nie zu. Zahnkrone breit, Kaufläche eher oval, Medianzipfel schwach und in Zweizahl vorhanden, Rhombenform fehlt, Schmelz aller- dings stark geknittert. Der Zahn entspricht in fast allen Punkten dem El. trogon - therii , die Mandibel ist sehr gedrungen, ihr Kinn gerundet, also nicht typisch. Soergel zieht den Rest bloß deshalb (1. c. 1912, p. 30) in den Kreis des El. antiquus , weil er das einzige Trogon- therii- Stück in Mauer wäre. Eine derartige Schlußfolgerung halte ich für unmöglich, seine Artzuteilung in Hinblick auf die großen Beziehungen zu El. trogon- therii für irrig. 2. Taf. I Fig. 8, ein Bruchstück eines stark abgekauten M- oder M- aus den Sanden von Mauer, als El. antiquus var. trogontherii bestimmt. Verschmelzungstyp nicht festzustellen, Krone eher breit, Medianzipfel je zwei, keine Rhombenform, Knitterung sehr mäßig. Ich sehe in dem Zahn keine Charaktere des El. antiquus; die mittleren Doppelzipfel finden sich gelegentlich bei El. meridionalis. 3. Taf. II Fig. 1, ein M- aus Balastiere de Flins (Seine et Oise), bestimmt als El. trogontherii var. antiquus. Der Zahn weicht nach Soergel im Verschmelzungstyp von El. antiquus ab. Ich kann das nicht finden ; die Auflösung der inkompletten Figuren erfolgt nach einem ausgesprochen lat. an. med. lam.- Zustand, die letzten zwei inkompletten Figuren zeigen fast ganz gleiche Seiten- bzw. Mittelpfeiler. Alle Variationsmerkmale sind typisch für El. antiquus. Das von Soergel erwähnte Schwächerwerden der Mittelzipfel und damit der Rhomben nach vorne ist auch an Molaren, welche Soergel dem typischen El. antiquus zuteilt, vorhanden (siehe 1. c. Taf. I Fig. 12 u. 14, Taf. II Fig. 6). 4. Taf. II Fig. 2, ein M^ aus Uichteritz, bestimmt als El. antiquus var. trogontherii , ist meines Erachtens ein typischer El. antiquus. Der Verschmelzungstyp ist lat. an. med. lam., das Schmälerwerden der Mittelfigur nach vornehin tritt an folgenden von Soergel dem typischen El. antiquus zugeteilten Molaren fast ebenso deutlich hervor (Taf. I Fig. 4, 10 und 11, ferner Taf. II Fig. 6). Ich kann daher in dem Zahn keinen „intermediären“ Charakter finden. 5. Taf. II Fig. 4, gleichfalls ein M-j aus Steinheim a. d. Murr, als El. antiquus var. trogontherii bestimmt. Der Verschmelzungstyp Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 61 ist nach Soergel (1. c. p. 46) wegen einer tiefen Medianspalte, welche an den vier letzten Lamellen auftritt, nicht feststellbar ; doch zeigen die seitlichen Ellipsen eine derartige Konstanz in der Größe, daß er vom typischen Charakter nicht abweicht. In den Variationsmerkmalen kann ich keine Beziehungen zu El. trogon- therii finden; die Rhombenform der Schmelzfiguren ist zwar an etlichen Lamellen unklar, dafür aber an anderen außerordentlich typisch. 6. Taf. II Fig. 7, ein M- aus Steinheim a. d. Murr, von Soergel wegen seiner Breite und der seitlichen Verbreiterung der Schmelzfiguren nach vorne als El. trogontherii und wegen seiner Rhombenbildungen an den mittleren Lamellen als var. antiquus bestimmt. Der Zahn ist der einzige von den sechs besprochenen, welcher wirkliche Beziehungen zu El. antiquus, allerdings bloß in dem einen genannten Charakter und auch in diesem nur atypisch zeigt. Ich halte es für übereilt, auf das Vorkommen solcher Schmelz- figuren, die, wie dargelegt, viel einfacher erklärbar sind, phylo- genetische Schlüsse aufzubauen. Einer kritischen Prüfung vermögen also Soergel’ s „inter- mediäre Molaren“ nicht standzuhalten. Bei fünf von sechs abgebildeten Zähnen — und offenbar hat Soergel die typischen Stücke zur Abbildung gewählt — sind die vermeintlichen Zwischen- charaktere völlig aus der Variationsbreite der betreffen- den Spezis erklärbar, ein einziger Fall verbindet atypische Schmelzfiguren des El. antiquus , mit Merkmalen des El. tro- gontherii. Es ist naheliegend, für ihn andere als phylogenetische Gründe anzunehmen. Und nun zu den Molaren aus Perugia (siehe C. Borto- lotti 1. c.): Von den drei Molaren zeigt der erste, ein M~ sin. (1. c. Tav. IV Fig. 2), unverkennbare Beziehungen zu El. antiquus. Der Ver- schmelzungstyp ist leider nicht festzustellen. Die Kauflächenform ist ursprünglich und erinnert an El. plani - frons, die Schmelzfiguren sind schon typisch, wie bei El. anti- quus, und stark rhombisch. Die bedeutende Erhebung der Joche über die Zementbasis gemahnt gleichfalls an El. planifrons. Geradezu auffallend werden die Beziehungen zu dieser Art bei dem m- dext. (1. c. Tav. IV Fig. 5). Auch hier ist der Ver- schmelzungstyp nicht zu erschließen. Doch sind bei schmaler und ziemlich bandförmiger Krone die Schmelzwellung und mediane Zipfelbildung ebenso, wie das Emporragen der Schmelzbüchsen über die Zementbasis und ihre Knickung an der Innenseite geradezu planifrons- artig. 62 G. Schlesinger, Ein dritter Molar (MT sin., 1. c. Tav. V Fig. 1 u. 2) trägt alle Merkmale, die man von einem Vorläufer des El. antiquus er- warten muß. Der Verschmelzungstyp ist wieder infolge tiefer Abkauung nicht sicher abzunehmen. Die Krone ist verhältnismäßig schmal, die Kaufläche auffallend bandförmig, mediane Zipfel sind an allen Jochen vorne und hinten vorhanden, die Schmelzfiguren noch nicht zu Rhomben ausgeweitet; die Büchsen sind ganz enorm über die Zementbasis erhoben. Dieser Charakter im V erein mit dem sehr groben Schmelz und dem für einen M-f geradezu außerordentlichen L. L. = qu. von 162 : 7 =. 23, welcher sich in der Abbildung in den bedeuten- den Zementz wischenräumen äußert, spricht auffallend dafür, daß wir es mit einer Zwischenform zwischen El. planifrons und El. antiquus zu tun haben. Soergel hält diese Molaren für Zwischenformen zwischen El. meridionalis und El. antiquus , weil sie — nach seinen An- gaben — mit El. meridionalis gefunden wurden. „ln oberpliocänen Schichten Italiens kommen neben Molaren des typischen El. meridionalis Zähne vor, die in ihren Dimensionen und ihrer Lamellen- zahl auf der Stufe des El. meridionalis stehen, aber in der Form der Zahnkrone, in der Gestalt der Schmelzfiguren und der Ausbildung des Schmelzes nahe Beziehungen zu El. antiquus Falc. zeigen.“ Leider ist die Feststellung des „Nebeneinander- vorkommens“ der beiden Formen bloß ein Resultat der Ungenauigkeit, mit der Soergel Bortolotti’s Arbeit studiert hat. Wie Bortolotti (1. c. p. 86, 87 u. 88) hinter jedem der von ihm als El. antiquus bestimmten Zähne durch den Vermerk: „11 catalogo porta: ,Dintorni di Perugia‘“ klar ausdrückt, stammen diese Molaren von Perugia. Dagegen schreibt er mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit von den Meridionalis -Zähnen (1. c. p. 88): „I due molari che ho in seguito studiato (Tav. IV Fig. 1 e 3) mancano d’indicazioni e di localitä, ma sono molto probabilmente provenienti dal Valdarno.“ Beim dritten Meridionalis-Pest (1. c. Tav. IV Fig. 4 und Tav. V Fig. 5) fehlt jegliche Fundortangabe. Abschließend müssen wir auch hinsichtlich der „intermediären Molaren“ sagen, daß 1. die von Soergel angeführten Zähne einer Überprüfung nicht standzuhalten vermochten, 2. die — nicht mit El. meridionalis zusammen gefun- denen — Pr aeantiquus- Molaren Bortolotti’s geradezu Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 63 den Anforderungen entsprechen, welche wir an Zwischentypen des El. planifrons und El. anüquus stellen müssen. Ad. C. Ich kann mich in diesem Abschnitt, welcher der Schädelfrage gewidmet ist, um so kürzer fassen, als Soergel die eingangs beleuchtete Schwenkung hinter lang geratenen Erörte- rungen zu verschleiern sucht und damit uns zeigt, wie tief er seine Stammeslinie gerade von der Craniologie her erschüttert fühlt. 1 . Als Hauptmoment, welches im Laufe der Stammesgeschichte auf die Schädelform der Elefanten ein wirkt, betrachtet Soergel das Stoßzahnwachstum — und spricht von einem Gleichgewichtszustand, welcher mit jedem Altersstadium aufgehoben und umgeschaffen wird. Diese ontogenetischen Veränderungen überträgt er auf die Phylogenie mit dem einen Unterschied, daß im ontogeneti- schen Wachstum als einem kontinuierlichen der Schädel stetig, im phylogenetischen dagegen sprunghaft umgewandelt wird. Nun, so einfach ist die Sache doch nicht. Soergel’s Ausführungen, die bisher von fast allen Autoren geteilt wurden, welche diese Frage entfernt berührt haben, sind einwandfrei, soweit wir bloß die eine Gruppe des Elefanten mit getürmtem Schädelbau in Rücksicht ziehen, versagen aber, wenn wir diese mit der zweiten Gruppe mit niedrigem Cranialdom in Vergleich stellen. Gelegentlich eines Menageriebesuches in Schönbrunn fiel mir an den vier indischen Elefanten, von welchen der jüngste am 1. Juli 1911, der nächstältere am 14. Juli 1906 geboren wurde, auf, daß die Mutter und die beiden Kälber, trotz schwacher Stoßzahnbildung, den gleichen Schädel mit dem typischen Do pp el wulst an dem hohen Dom zeigten, wie der Vater, dessen Incisoren die für einen El. Indiens ganz ansehn- liche Länge von über einem Meter besitzen. Eine daraufhin vorgenommene Überprüfung der publizierten ihcfoofS-Schädel und der Cranien des Wiener Hofmuseums zeigte mir ferner, daß nur der Kopf des saugenden Kalbes rund und wenn man will niedrig ist — , daß er dagegen bei einiger- maßen vorgeschrittenen Jungtieren bereits getürmt ist und sogar den bezeichnenden Doppelwulst trägt. Dies ist schon beim vierjährigen Kalb der Fall. Ein derartiger Schädelbau kennzeichnet also bereits Indicus- Individuen mit kaum sichtbaren Incisoren — auch das Schönbrunner Weibchen trägt nur Stummel. Bei stoßzahnbewährten Tieren tritt insofern eine quantitative Steigerung ein, als der Dom massiger, der Doppelwulst kräftiger wird; eine Erhöhung dagegen findet nicht statt. Wäre die Schädelform des Elefanten nun wirklich bloß das Ergebnis eines einfachen Gleichgewichtszustandes zwischen Cra- 64 G. Schlesinger, nium, d. h. Cranial dom und Stoßzahnwachstum, so müßten wir stets bei den Arten, welche die riesigsten Stoßzähne trugen, den am meisten getürmten Schädel antreffen. Das ist aber nicht der Fall. Fig. 1. Cranien des Elephas indicus L. (a) und El. africanus Blbch. (b) von der Seite, um den kurzen, gedrungenen und steil aufgehängten Schädel des ersteren im -Gegensatz zum langen, gedehnten und viel flacher eingelenkten des letzteren zu kennzeichnen: Fig. 1 a. El. (Euel.) indicus L. (= maximus L.). Fundort: Indien, nähere Daten unbekannt. Geschlecht: Weibchen (starkes Tier!). Alter: Im Ober- und Unterkiefer sind die ersten 8 — 10 Lamellen des letzten Molaren in Kaufunktion ; der vorletzte Molar ist (außer links oben) überall noch in Tätigkeit. Das Tier befand sich von 1851 bis 1884 in Schönbrunn (k. u. k. Menagerie) und wurde 1884 in das k. k. naturhistorische Hof- museum in Wien eingeliefert. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 65 El. antiquus, welcher mit 5 Meter die größte Länge der Incisoren überhaupt erreicht, trägt den niedrigsten Schädel, El. africanus, welcher bis über 2 Meter lange, vor gestreckte Stoßzähne trägt, ist gleichfalls durch sehr niedrigen Dom ausgezeichnet. Wir sehen also, daß die Schlußfolgerung in der Art, wie sie Soergel zieht, nicht stimmt. Fig. 1 b. El. (. Loxodon ) africcmus Blbch. (Lokalrasse oxyotis Matsch.). Fundort: Afrika, nähere Daten unbekannt. Geschlecht: Männchen (etwas jüngeres Tier als a). Alter: Im Ober- und Unterkiefer sind die vorletzten Molaren noch in voller Tätigkeit, die letzten eben in Kaustellung gerückt. Das Tier befand sich 16 Jahre in Schönbrunn und mußte wegen Wildheit am 2. April 1883 getötet werden, worauf es in das k. k. natur- historische Hofmuseum gelangte. Beide Originale werden im Wiener Hofmuseum aufbewahrt. Die lebenden Tiere waren gekauft worden, und zwar der El. Indiens von Jam rach in London, der E l. cifricanus von H a g e n b e c k. Wiedergabe: \ natiirl. Größe. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 5 66 G. Schlesinger, Begreiflich ist die unrichtige Verallgemeinerung wohl, da bei der Reihe mit erhöhtem Cranium tatsächlich die maximale Er- hebung (El. primigenius) mit der Ausbildung mächtiger Stoßzähne zusammenfällt. Wenn nun diese Auftürmung, welche bei dieser Reihe offen- bar eine Folge der in der Größenzunahme der Stoßzähne be- dingten Änderung des Gleichgewichtszustandes ist, bei den Formen mit niedrigem Dom nicht nur nicht ein- tritt, sondern die Entwicklung — wie der typische El. antiquus beweist — zu einem extrem niedrigen Cranialdom führt, und der gleiche, niedere Schädel sich auch bei El. africanus, einer Form , die im Stoßzahnbau dem El. antiquus nahesteht, findet, so müssen bei dieser Reihe wesentlich andere Momente als Ursachen am Werke gewesen sein. Meine eben vollendeten Studien an dem außerordentlich um- fangreichen Mastodontenmaterial der Wiener Sammlungen, mit drei vollständigen und altersverschiedenen Schädeln von M. Pentelici, hatten mich auf die bedeutende Rolle gewiesen, welche in der Ontogenie und Phylogenie der Proboscidier das Ligamen- tum nuchae sive teres spielt. Infolge der starken paarigen Eindrücke, welche die Ansätze dieses Ligaments am Supraocci- pitale hinterlassen, sind Wandlungen in der Stärke dieses Organs an palaeotypem Material sehr klar zu verfolgen. Es schien mir die Möglichkeit nahezuliegen , daß auch in unserem Falle das Ligamentum nuchae von großer Be- deutung sei. Ich prüfte daher zwei ungefähr altersgleiche Schädel der beiden Arten, welche sich im Wiener Hofmuseum1 befinden. Die Ergebnisse waren überraschend (siehe Textfig. 1 u. 2): Wie Figur 1 sehr klar zeigt, ist die Längsachse des In- fh'c?fs-Craniums ganz außerordentlich steil; der Schädel „hängt“ nach unten, der Winkel, den die Hauptachse des C ran i ums mit der des Rumpfes einschließt, nähert sich dem rechten. Bei El. africanus dagegen ist dieser Winkel stumpf, der Schädel ist stark „vor ge streckt“. Im ersten Falle ist demnach die Schädelbildung offen- sichtlich auf einen Gleichgewichtszustand zurückzuführen. Eine Gleichgewichtsstörung vorne und unten — starke Ent- wicklung der Stoßzähne — - müßte eine Zunahme an Knochenmasse (und wohl vor allem an Muskel ans atz stellen) oben und 1 Ich ergreife gerne die Gelegenheit, Herrn Direktor Prof. Pr. L. v. Lorenz-Liburnäu und Herrn Küstosadjunkt Dr. K. Toldt für ihr großes Entgegenkommen hinsichtlich der Demontierung des einen Skeletts und der Ermöglichung des Photographierens beider Schädel herzlichst zu danken. Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 67 hinten bedingen. Dabei herrscht die Tendenz, die Gesamtmasse des Schädel^ möglichst nahe dem Drehpunkt des Hebels zu bringen (siehe Textfig. 1). Es ist höchst bemerkenswert, daß das Maximum der Stoßzalmspezialisation in dieser Reihe mit Incisoren erreicht wird, welche in kreisförmiger Kurve nach unten und dann erst vorne und wieder oben streben ( El. primigenius). Im zweiten Falle aber war offenbar ein derartiger Gleichgewichtszustand gar nicht möglich. Der starke Zug, welchen die vorgestreckten, wenig gekrümmten Incisoren austibten, ^konnte um so weniger „ausbalanciert“ werden, als ja die Schädelhaltung den vorderen Hebelarm noch verlängerte. Die Stoßzahnspitzen hätten aber stets auf der Erde liegen müssen, wenn nicht Organe vorhanden gewesen wären, welche das Haupt emporhielten. Solche Organe können nur ligamentöser Natur gewesen sein, da Muskeln zu sehr der Übermüdung preisgegeben gewesen wären. Die Überprüfung der beiden Schädel (siehe Textfig. 2) be- stätigte die Tatsächlichkeit dieser Voraussetzung: Die Höhlungen für das Ligamentum nuchae sind bei EL africanus (obwohl das untersuchte Tier das jüngere von beiden ist) nicht nur auffallend größer und tiefer, sondern sie liegen auch in einer mächtigen in das Supra occipitale vertieften Rinne, welche bei El. indicus nur sehr schwach entwickelt erscheint. Das Gleichgewicht am Africanus- Cr anium — und per analogiam wohl ebenso am gleichfalls niedrigen Antiguus- Cr anium — wurde also vornehmlich durch das Ligamentum nuchae aufrecht erhalten. 2. Ich brauche wohl nicht mehr als darauf hinzuweisen, daß „die Bewertung des Schädels für phylogenetische Er- örterungen“ nach diesen Darlegungen in Fragen, welche zwischen Angehörigen der hoch dornigen und fl ach dornigen Elefanten in Schwebe sind, ganz erheblich höher ausf allen muß als die „anderer Skeletteile, insbesondere der Dentition“, daß ferner eine Ableitung eines solchen niedrigen Schädels von nur einigermaßen getürmten Cranien unmöglich ist, da wir ja zwei von Grund auf verschiedene Speziali- sationen vor uns haben. 3. Nach dieser grundlegenden Erörterung kann ich die ein- zelnen Punkte kurz erledigen. In der Diskussion der Frage, ob Tatsachen vorhanden sind, welche für eine Annäherung der ober- pliocänen antiquus-SLi'tigen Form im Schädelbau an El. meridionalis sprechen, weicht Soergel geflissentlich den Mer idionalis- Cranien, auf die ich (1. c. 1914 p. 739) nachdrücklich hinge- wiesen habe, aus. 68 G. Schlesinger, Gerade sie sind [ein Hindernis von wesentlicher Bedeutung für seine Deszendenzlinie (cf. Schlesinger 1914, p. 739/740, und die vorstehenden Tatsachen). Dagegen kann die geringere Interm axillar breite an dem „Ganesaschädel“ des El. antiquus von Mauer infolge der Gleichheit dieses Merkmals bei El. plantfrons und EL meridionälis wohl nicht stichhaltig sein. Fig. 2 a. Das Indiens- Cranium aus Fig. 1 a, von hinten gesehen. 4. Die Frage nach dem Verhältnis des Schädels der antiquus- artigen Form des Oberpliocän zu dem des El. plantfrons hat Soergel selbst schon durchaus in meinem Sinne erörtert. Daß die Ursachen dieses Ergebnisses für mich andere sind als für Soergel, ändert nichts an seiner Tatsächlichkeit. 5. Mit diesem Punkt, welcher die Artberechtigung des Prae- antiquus und seine Sonderstellung gegenüber El. meridionälis be- streiten soll, hat Soergel bereits voll die eingangs beleuchtete Schwenkung durchgeführt. Er spricht hier bereits von ,,P/a«?‘/ro??s-Nachkommen“ Meine Antwort in der Planifrons-Frage. 69 und „oberpliocänen Nachkommen des El. plan} fr ons“ und erklärt diese als die Ahnen seines Pracantiquiis. Wie aus meinen Ausführungen auf p. 150 u. 165 (1. c. 191 2) und p. 740 (1. c. 1914) hervorgeht, habe ich stets die Meinung vertreten, daß die W a n d e r f o r m des El. planifrons , welche ich in Niederöster- reich, Rußland und auch im Val d’Arno nachweisen konnte, so- wohl dem Süd- wie dem Urelefanten den Ursprung gegeben hat. 6. „ W g s ergibt sich aus dem diskutierten Tat- sachenmaterial für die Gültigkeit der direkten De- szendenz El. planifrons — El. antiquus f“ Fig. 2 b. Das Africanus- Cranium aus Fig. 1 b, von hinten gesehen. a) Die Schädelfrage, deren überragende Wichtigkeit — im Gegensatz zu Soergel’s Versuchen, sie als untergeordnet zu kennzeichnen — wir gerade für die Stammesgeschichte des El. antiquus erweisen konnten, spricht ebenso klar gegen die Herkunft von EL meridionalis wie für die von EL planifrons. b) Die Molaren des EL planifrons zeigen nicht nur eine weit größere Variabilität gegen El. antiquus hin als die des Südelefa nten, es treten sogar Typen auf, die geradezu als überleitend angesehen werden können. Demgegenüber ist die V ariabilität des El. meridionalis viel eindeutiger. 70 G. Schlesinger, Meine Antwort in der Planifrons-Frage. Diese Tatsachen gelten sowohl vom Vers chm elz ungs typ, dem einzigen stichhaltigen Spe zi alisationsmerkmal, wie auch von den Variationsmerkmalen, insbesondere der sehr charak- teristischen Ausbildung von Medianzipfeln und rhombischen S ch m e 1 z figur en. c) Die mangelhaften Grundlagen, auf welchen die „inter- mediären Molaren“ zwischen El. antiquns und El. trongontherü ruhen, und die vielen Beziehungen der oberpliocänen Prae- antiquus- Zähne aus Perugia, welche nicht, wie Soergel irrtümlich an gibt, mit Zähnen des El. meridionalis gefunden wurden, zu El. planifrons reihen sich gleichsinnig den vorgenannten Tatsachen an. 7. Soergel hat sich bezüglich der Trennung der Antiquus- und der Meridionalis-Trogontlierii-Pe ihe im Grunde meiner Auf- fassung fast angeschlossen. Er sucht in W ander formen den Ahnen für beide Reihen und bezieht in sie die Funde aus „Ferla- dani, Stauropol und Kouialnik“ ein, von welchen der erste sich auch unter meinen Planifrons- Type n findet. Doch erklärt er diese Annäherung nicht offen, sondern sucht durch eine allmähliche Schwenkung die Grenzen zwischen seinen Standpunkten von 1912 und 1915 zu verwischen und die Streit- frage auf das Gebiet des wissenschaftlichen Taktes in der Art- bestimmung zuzuspitzen. ln Wahrheit bleibt nach wie vor in unseren Ansichten eine tiefe Kluft: Wie meine Darlegungen gezeigt haben, geht El. antiqnus so- wohl im Schädel- wie im Molarenbau auf einen xAdinen zurück, welcher sich ebensoweit von El. meridionalis entfernt, als er sich El. pl an i fr ons nähert. Wien, im Juni 1915. Nachtrag. Infolge nicht mehr möglicher Berücksichtigung meiner zweiten Korrektur in No. 2 dieses Centralbl. sind folgende Nachträge nötig: 1. Zu p. 33, Fußnote: Die im 3. Absatz dieser Fußnote er- wähnte Arbeit erscheint im vollen Umfang unter dem Titel: „Meine Antwort in der Planifrons- Frage. II. Die niederösterreichischen Planifrons- Molaren“ im Jahrb. d. geol. Reichsanst. Wien 1916, ge- kürzt in der „Paläontolog. Zeitschr. “ Berlin 1916, unter dem Titel „Die Planifrons- Molaren von Dobermannsdorf und Laaerberg“. 2. Zu p. 45 : Im 4.. Absatz von oben hat es statt „Eine Ent- wicklungserscheinung“ zu heißen: Eine ursprüngliche Entwicklungs- erscheinung .... 3. Zu p. 45, 9. Zeile von unten: Bezüglich der irrtümlichen Auffassung Soergel’s, daß schwache Mittelpfeiler ursprünglich sind, vergl. meine beiden in diesem Nachtrage zitierten Arbeiten. E. Nowak, Zur Auffassung etc. — Besprechungen. 71 Zur Auffassung der Tektonik des Altpaläozoicums in Mittelböhmen. Von Dr. Ernst Nowak. In dies. Centralbl. 1915. No. 15 äußert sich Herr Reg.-Rat Katzer zu meinem in No. 10 erschienenen Aufsatz: „Neue An- schauungen über die Tektonik des mittelböhmischen Altpaläo- zoicums“. Danach hält Katzer im wesentlichen an seiner Auf- fassung, das mittelböhmische Altpaläozoicum stelle eine durch senkrechte Brüche zerstückelte Grabenversenkung dar, fest, während ich auf Grund der neuesten Untersuchungen im Terrain darzulegen gesucht habe, daß senkrechte Brüche im altpaläozoischen Gebirge Mittelböhmens nur eine sekundäre , ganz untergeordnete Rolle spielen und das Bewegungsbild ganz von Isoklinalfalten und Über- schiebungen beherrscht ist. Ich kann vorläufig meinen seinerzeitigen Ausführungen nichts weiter hinzufügen. Doch bin ich gezwungen, auf jene Stelle (p. 307) meines zitierten Aufsatzes zurückzukommen, die Herr Katzer als „nicht verständlich“ bezeichnet. Katzer gründet seine (hauptsächlich in seiner „Geologie von Böhmen“) niedergelegte Anschauung vor allem auf die Unter- suchungen Krejci’s, dessen Profile er auch an zahlreichen Stellen wiedergibt. Nach Krejci nun erscheinen längs den von ihm an- genommenen Brüchen die inneren Gebirgsteile gegenüber den äußeren gehoben; dies verträgt sich nun — aus prinzipiellen Gründen — nicht mit dem Bild eines staffelförmig eingebrochenen Grabens. Wie Herr Katzer selbst jetzt in seiner Notiz bemerkt, spricht „die nach Ost weit ausgreifende Verbreitung des Unter- silurs für die Absenkung der inneren Schollenteile als umgekehrt“. Es liegt hier also offensichtlich eine Unstimmigkeit zwischen der von Katzer vorgetragenen Auffassung vor und den Quellen, auf die er sich stützt. Der Anschauung, daß das altpaläozoische Gebirge Mittel- böhmens eine relativ tiefliegende Scholle darstellt, habe ich in meinem Aufsatz mehrmals Ausdruck gegeben. Ob man in diesem Falle aber von einer Grabenversenkung sprechen kann, diese Frage läßt sich m. E. heute noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Im Feld, 14. September 1915. Besprechungen. Collier Cobb : Pocket Dictionary of Common Rocks and Rock Minerals. Zweite Auflage. 1915. 59 p. Depart- ment of Geology, University of North Carolina, Cliapel Hill, N. C. Dies ist ein kleines Tascliennachschlagebuch und enthält kurze, aber meistens genügende Definitionen und Erklärungen der wich- 72 Besprechungen. tigsten, in der Geologie und Mineralogie vorkommenden Benennungen und Bezeichnungen, sowie auch verschiedene Tabellen der Gesteine und der geologischen Formationen. Das Büchlein ist hauptsächlich für Anfänger in der Geologie bestimmt, und für solche scheint es sehr brauchbar zu sein. E. H. Kraus. J. Volney Lewis: Determinative Mineralogy witli Tables for the Determination of Minerals by Means of their Chemical and Physical Characters. Zweite Auflage. New York bei John Wiley and Sons. 1915. VIII +155 p. Mit 68 Figuren im Text. Vor drei Jahren erschien die erste Auflage dieses für die Bestimmung der Mineralien mittels der chemischen Eigenschaften sehr bequemen Buches und wurde seinerzeit besprochen (dies. Centralbl. 1913. p. 320). Der Text der ersten Auflage ist in der neuen im allgemeinen beibehalten worden. Verf. hat jedoch, wo nötig , Korrekturen und Revisionen gemacht , auch einige Tabellen über spezifisches Gewicht und Zusammensetzung und mehrere chemische Reaktionen zugefügt. Alle diese Verbesserungen haben die Brauchbarkeit des Buches bedeutend erhöht. E. H. Kraus. Louis V. Pirsson and Charles Schuchert: A Text-Book of Geology for use inüniversities, Colleges, Schools of Science etc. , and for the General Reader. Part I, Physical Geology, by Louis V. Pirsson; Part II, Histori- cal Geology, by Charles Schuchert. New York bei John Wiley and Sons. 1915. XII + 1051 p. Mit 535 Figuren im Text und einer farbigen geologischen Karte von Nordamerika. Dieses mehr als 1000 Seiten umfassende Lehrbuch behandelt die Geologie von dem heutigen Standpunkte und zerfällt, wie oben angegeben, in zwei Teile. Der erste Teil umfaßt 404 Seiten, während dem zweiten Teil über 600 Seiten gewidmet werden. Dieses große Material ist durchaus in klarer Weise behandelt und mit vielen ausgezeichneten photographischen Reproduktionen und Zeichnungen gut illustriert. Eine knappe Zusammenfassung der planetesimalen Theorie der Weltentstehung von Chamberlin und Moulton wird in Kapitel XXV von Herrn Prof. Joseph Barrell gegeben, welche vielen Geologen unzweifelhaft sehr willkommen sein wird. Die Verf., welche Professoren an der Yale University sind, widmen das Buch in sehr geeigneter Weise der Erinnerung an James Dwight Dana , der so viele Jahre lang als Geolog, Naturforscher und Professor auch an der Yale University be- schäftigt war. Dieses so sehr gut ausgestattete Buch wird schnell zahlreiche Freunde finden. E. H. Kraus. 0. Mügge, Einfache Schiebungen am Hausmannit etc. 73 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Einfache Schiebungen am Hausmannit und dessen optische Eigenschaften. Zwillingslamellierung nach (101) am Hausmannit ist meines Wissens bisher nur durch Flink 1 von Längban erwähnt; sie ist aber anscheinend sehr häufig, wenigstens an den mir vorliegenden Vor- kommen von Gr. Louise bei Greimeroth (Kr. Saarburg) , Ilfeld, Öhrenstock und vom Aosta-Tal, zu sehen. Mit Ausnahme derer vom Öhrenstock zeigen alle diese Kristalle nur (111), und es ist an ihnen nur festzustellen, daß auch ihre Lamellen von (111) begrenzt sind. An den Kristallen vom Öhrenstock tritt aber auch (113) auf, und da hier schon eine flüchtige Beobachtung erkennen läßt, daß die Lamellen auf dieser Fläche keineswegs von (113) be- grenzt sind, lag der Verdacht vor, daß sie durch einfache Schie- bung entstanden sein könnten. Wegen der Begrenzung auf (111) müßte dann, Kt = { 01} gesetzt, K2 = {101} (oder o2 = [101]) sein. Es würde dann eine Fläche {bkl} übergehen in {lkh}, also: Die Begrenzung der Lamellen auf {113} und auf Spalt- und Absonderungsflächen nach {oO 1 } und { 1 0 1 } erwies sich mit dieser Annahme tatsächlich in Ein- klang, wie folgende Winkel erkennen lassen (die verschobenen Flächenteile sind durch vorgesetztes a gekennzeichnet): 1 Flink, Bjih. Vet. Ak. Handl. 13. No. 7. p. 41. 1888, und 16. No. 4. p. 13. 1891. Von O. Mügge in Göttingen. Mit 5 Textfiguren. 101 in 101 Oll 1T0 001 100 111 111 111 111 113 in 311 113 311 113 3 II TI3 311 5* 74 0. Mügge, Einfache Schiebungen {111} : «{111} = {111}. {113}: «{113} = {311} . {113} : «{113} 3= {311} . {101} : «{TOI} = {101} . {001} : «{001} = {100} . Die Messungen an {00 1} b Spaltfläche, die an {101} auf eir gern. ber. 1 13° 14' 13°16' 3 36 2 3 44 4 27 — 12 13 12 48 12 36 — 17 35 ca. 16 40 9 ca. 8 20 iehen sich auf eine verschobene verschobene Absonderungsfläche; beide waren stark streifig durch zahllose Lamellen. Der Sinn der Neigung zwischen ursprünglicher und verschobener Fläche war überall der geforderte. Fig. 1 zeigt in grader Projektion auf {001} den Verlauf und den Sinn der Neigung der Lamellen zur Hauptfläche, wobei der 1 Meine Messungen zeigen, auch nach möglichster Abblendung un- ebener Flächenteile, erhebliche Abweichungen von Haidinger’s Werten, stimmen dagegen für einen Teil der Reflexe auf (111) recht gut mit denen von Flink (1. c.) ; andere lichtstarke Reflexe von (111) weichen allerdings auch von Flink’s Werten erheblich ab, zugleich noch stärker von Hai- dinger’s. Die Reflexe von (113) waren im allgemeinen einfacher als jene von (111), aber auch nicht ganz befriedigend. Für die Rechnung ist Flink’s Wert c — 1,1573 zugrunde gelegt. 2 Schimmermessung. am Hausmannit und dessen optische Eigenschaften. 75 Pfeil das Einfallen der Grenzfläche der Lamellen nach unten anzeigt, wenn die Hauptfläche horizontal, mit der Außenseite nach oben, gekehrt gedacht wird. Es sind der Übersichtlichkeit halber nur wenige Lamellen und parallel nur einer Fläche (101), näm- lich // {011} gezeichnet, in Wirklichkeit verlaufen sie nach allen Flächen (10 lj gleichzeitig. Die Form (311) ist an Kristallen vom Öhrenstock (wie über- haupt am Hausmannit) nicht beobachtet, ihre Entstehung durch einfache Schiebung aus (113) hier demnach höchstwahrscheinlich. Einfache Schiebungen der geforderten Art, nämlich mit zwei gleichwertigen Kreisschnittsebenen, waren bisher an tetragonalen Kristallen nicht bekannt. Die Lamellen auf (111) lassen aber an den Kristallen vom Öhrenstock vielfach auch eine Begrenzung erkennen, die durch einfache Schiebung nicht entstanden sein kann, sondern, sekundäre Entstehung vorausgesetzt, nur auf Fortwachsung beruhen kann. Es sind nämlich Teile der Lamellen zu verzerrten Pyramiden der Form (1 1 1) ausgewachsen (Fig. 2), indem sie nach ihrer zur Haupt- fläche {l 1 1} symmetrischen Fläche {lll} taflig ausgedehnt und einer- seits von {111} begrenzt sind, andererseits entweder von {111} {Fig. 2, bei a), oder von einer Verzerrungskante zu {11 1} (bei b). Diese herausgewachsenen Teile zeigen nun außerdem noch wieder Zwillingsstreifungen nach anderen Flächen (101). Die jetzt ziemlich frei aufgewachsenen Kristalle vom Öhren- stock mußten, um einer Pressung zugänglich zu werden, früher offenbar in eine nachgiebige Masse eingebettet sein ; das ist wahr- scheinlich eine Art Wad 1 gewesen, von dem noch jetzt hie und da Klümpchen zu sehen sind. Dieses dürfte auch das Material für die Fortwachsung der Lamellen geliefert haben. Die Zwillings- streifung auf den Fortwachsungen bezeugt dann, daß die Pressung sich wiederholt hat. Es gelang, die einfache Schiebung auch durch den Versuch zu bestätigen; sie tritt bei Druck parallel einer Polkante von (111) in der Richtung von der Rand- zur Pol- ecke ziemlich leicht ein und erfolgt in der Tat wie angenommen. 1 Oder Manganocalcit, aus dem das Wad hervorgegangen. 76 0. Mügge, Einfache Schiebungen Die entstehenden Lamellen sind z. T. äußerst fein , der Kristall erscheint an den gepreßten Stellen windschief verbogen und mit seidigem Schimmer auf diesen Teilen. Bei entgegengesetzter Druckrichtung und z. T. auch „von selbst“ (d. h. infolge von Spannungen) verschwindet zuweilen der seidige Schimmer wieder, und die gepreßte Stelle wird wieder ebenflächig. Daß nicht bloße Translation erfolgt, ergibt sich einmal aus der Lage der Reflexe breiterer Lamellen, ferner aus der optischen Orientierung verschobener Teile. Der Hausmannit wird in dünnen Schliffen tief braunrot, in den feinen Fasern, die, von ( 1 0 1 } , {101} und {101} begrenzt, von Fig. 3 [parallel (001)]. verschobenen Absonderungsflächen nach (101) losbröckeln, hell- gelb durchsichtig; letztere löschen parallel der Längsrichtung aus und zeigen keinen merklichen Pleochroismus. Die Färbung ver- tieft sich schnell beim Erhitzen, so daß auch feinste Fasern schon vor Erreichung der Rotglut undurchsichtig werden. In Schnitten // (001) erkennt man optische Einachsigkeit, kräftige negative Doppelbrechung, Zwillingslamellen leuchten hell auf, verwerfen sich vielfach; das Aussehen ist nicht unähnlich dem von Rutil (in dickeren Schliffen), zumal die Spaltrisse ähnlich verlaufen (Fig. 3, parallel (001), Fig. 4, beliebig). Die Spaltung ist //' (001) zwar deutlich, aber die Spalt- flächen stets uneben und muschlig; im Dünnschliff // (001) bemerkt man auch Spaltrisse diagonal zu den Lamellen, vermutlich // (111); die Absonderungsflächen nach den Gleitebenen sind sehr eben und am Hausmannit und dessen optische Eigenschaften. 77 machen sich als Parkettierung bei lamellenreichen Kristallen auf (001) mehr als die Spaltung // (111) bemerklich. Durch starkes Glühen entstehen keine Lamellen, auch nicht beim Abschrecken; beim Erhitzen in der Gebläseflamme erhalten die Kristalle einen rötlichbraunen Überzug, und die der Flamme selbst zugekehrten Teile runden sich etwas an den Kanten und bedecken sich mit einer etwas runzeligen, anscheinend durch ober- flächliche Schmelzung entstandenen Haut, welche sich abheben läßt. Sie ist rötlichbraun bis rötlichgelb durchsichtig und läßt trotz ihrer wenig glatten Oberflächen und infolgedessen von Stelle zu Stelle wechselnden Interferenzfarbe u. d. M. erkennen, daß sie aus einem Aggregat stark doppelbrechender Kristalle mit zahllosen Fig. 4 (beliebig). sich durchkreuzenden Zwillingslamellen besteht, welche z. T. (vielleicht erst beim Ablösen oder beim Einbetten) auch stark ver- bogen sind (Fig. 5). Auch diese feinen Häutchen werden wie der Hausmannit schon bei schwachem Erhitzen völlig undurchsichtig. Da Mn3 04 beim Erhitzen zwischen 940 bis 1300° unver- änderlich ist1, weder Sauerstoff abgibt noch aufnimmt, können diese feinen Häutchen kaum etwas anderes sein als aus Schmelz- fluß kristallisierter Hausmannit. Daß sie nicht Mn2 03 sind, das während der Erkaltung unterhalb 940° entstanden sein könnte, wird dadurch wahrscheinlich, daß wenigstens das natürliche Mn2 03, der Braunit2, andere Eigenschaften zeigt. Er wird zwar in feinen Splittern kantendurchscheinend, aber viel schwieriger und 1 Miolati in Abegg’s Handb. d. anorg. Ch. IY, 2. p. 800 1913. 2 Ob der Braunit mit reinem Mn2 03 vergleichbar ist, erscheint nach seinem erheblichen Gehalt an Si02 allerdings etwas zweifelhaft. 78 E. Geinitz, tiefer braun als der Hausmannit; dabei ist seine Doppelbrechung’ viel schwächer, so daß sich die noch durchsichtigen Teilchen zwischen gekreuzten Nicols nur wenig auf hellen, auch fehlt ihm die Zwillingslamellierung. Nach älteren Angaben , deren Richtigkeit aber von Gorgeu bestritten wird (vergl. Lit. bei Abegg 1. c.) ist Mn304 wiederholt auch in regulären Oktaedern dargestellt; es könnten also die hier Fig. 5. erhaltenen stark verzwillingten Schmelzhäutchen vielleicht durch Zerfall von aus Schmelzfluß entstandenen, zunächst regulären Kri- stallen gebildet sein. Dann müßte aber die Umwandlungstemperatur sehr hoch, nämlich dicht unter dem Schmelzpunkt liegen, denn das Innere der von Schmelzhäutchen überzogenen Kristalle zeigt noch die ursprüngliche Beschaffenheit des Hausmannits, nämlich keinen Zwillingsbau, wenn der erhitzte Kristall einfach war; auch tritt auf angeschliffenen und polierten Flächen nach starkem Er- hitzen vor dem Gebläse keine Zwillingsstreifung auf. Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. Von E. Geinitz, Rostock. Mit 1 Kartenskizze. Bei der Arbeit, den Gesamtverlauf der sogenannten mecklen- burgischen südlichen Außenmoräne festzulegen, gelangte ich zu mehreren allgemein interessanten Resultaten, die ich hier mitteilen Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 79 möchte. Die ausführliche Arbeit wird in den Mitteilungen der meckl. geol. Landesanst. erscheinen. I. Zwischen dem Allertal und Rügen verlaufen nacheinander, oft mit einer bis in die Einzelheiten gehenden Parallelität, neun Endmoränenzüge, nach den benachbarten Orten wie folgt bezeichnet : 1. Südlicher Zug der Lüneburger Heide: oberer Dra- wehn— Eschede — Soltau. 2. Perleber g— Wendisch- Warnow—Hitzacker— Ebstorf— Har- burg— Blankenese. 3. Ruhner Berge-Par chim— Lud wigslust-Hagenow— Vel- lahn — Granzin — Lauenbur g — Ahrensburg. 4. Fürstenberg— Schwerin— Mölln (siidl. meckl. Hauptendmoräne). 5. Feldberg — Bäbelin — Kalkhorst (meckl. nördl. Hauptend- moräne). 6. Bröhmer Berge — Dem min — Tessin — Kühlung. 80 E. Geinitz. 7. Jahnkendorf — Wulfshagen — E o s t o c k. 8. Velgast — B arth — Fischland. 9. Eugen. Zuweilen sind die Endmoränenzüge breitere Streifen, Grenz- streifen, nicht einzelne Kämme, Grenzlinien. Eine schein- bare Verdoppelung von Bogenteilen ist durch Hintereinanderfolge oder oszillierendes Vorstoßen kleinerer Einzelloben bei unregel- mäßigem Eiickzug zu erklären. Dazwischen mögen z. T. noch undeutliche Staffeln unter- geordneter Bedeutung Vorkommen. Die Züge entsprechen dem staffelförmigen E ü c k z u g des Landeises; sie bilden sämtlich nur hintereinanderfolgende Absätze aus der einheitlichen Eückzugsperiode. Die überraschende Eegel- mäßigkeit ihrer Aufeinanderfolge entspricht einem rhythmischen Eiickzug. Die Wiederholung gleicher Bogenanschlüsse in den einzelnen Staffeln, die Fortsetzung gleichgerichteter Wailbergzüge und Eadialtäler, die Benutzung der alten Wasserwege auch in den jüngeren Stadien, deuten auf eine auch in ihren Details (wie Längsspalten u. a.) bis weit rückwärts reichende Einheitlichkeit der Eismassen, d. h. gleichmäßige Zusammensetzung aus den Einzel- strömen. Wenn wir bei der baltischen Endmoräne Norddeutschlands einen W eich s el- , Oder- und holsteinschenLobus unter- scheiden, so gehört unser Gebiet zu den Anteilen der beiden letzteren; die auffallende Ausbuchtung nach Norden der beiden mecklenburgischen Hauptendmoränen, welche die Mulden von Warin und Crivitz einschließen (s. Endmoränenkarte von 1894), ist ver- ursacht durch das Zusammentreffen der Eänder des Oder- und holsteinschen Lobus. 1. Der erste Zug ist in der Lüneburger Heide zwischen Soltau und Celle, vom oberen Drawehn über Eschede einen Bogen bildend, in lückenlosem Verlauf noch nicht genau festgelegt, durch Erosion (und vermutlich auch gleich zu Anfang) stark unterbrochen. Ich vermute, daß die Erhebungen von Stade — Neuhaus seine nörd- liche Bogenfortsetzung bilden und daß diese, ebenso wie die der nächsten Staffel, auch noch weiter in Schleswig— Jütland nachzuweisen sind. Vom Drawehn folgt eine starke Umbiegung nach SO über Gardelegen auf Neuhaldensleben. Ob die Endmoränen von Burg — Fläming in seine Fortsetzung gehören, oder die linkselbischen, ist noch unbestimmt. 2. Der folgende Zug setzt sich aus mehreren Einzelbogen zusammen: Perleberg — Wendisch-Warnow, von da nach Bök und Gorlossen, hier Unterbrechung durch das Eide- und Elbtal, viel- leicht Eest in Wendisch- Wehningen ; Fortsetzung jenseits der Elbe bei Hitzacker, mit anschließendem Lüneburger Bogen (unterer Dra- wehn— Bevensen — Ebstorf), nach Norden umbiegend auf Harburg Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 81 und über die Elbe nach Blankenese. Innerer Parallelzug Vastorf— Ebstorf, scheinbar isoliert Wilseder Berg. Der Perleberger Zug dürfte sich alsbald etwa südlich von Pritzwalk in weitem Bogen nach SO umlenken, um den Anschluß an die Endmoränen entweder des Fläming oder der Gegend südlich Berlin zu erreichen. 3. Die sog. meckl. südliche Außenmoräne, z. T. in mehreren zu breiten Streifen angeordneten Einzelrücken , mehrfach unter- brochen, mit den Bogenteilen Kühner Berge — Sonnenberg — (Lud- wigslust)— Picher, Hagenow — Granzin und weiter Boizenburg — Lauenburg — Geesthacht. Der Zug der Ruhner Berge läßt sich nach Osten verfolgen in die Prignitz und dürfte zwischen Witt- stock und Pritzwalk mit südlicher Umbiegung auf die Gegend von Berlin (oder Sperenberg?) führen. 4. Die südliche meckl. Hauptendmoräne ist in ihrem Verlauf bekannt. Am südöstlichen Ende Anschluß an den Granseer Bogen, der weiter nach SO weist, im westlichen Teil beim Schaalsee nach Gagel in drei Staffeln aufgelöst. Die Fortsetzung ergibt sich nach Struck über Oldesloe nach dem Plöner See , weitere Um- biegung nach Preetz und südlich von Kiel. 5. Die nördliche meckl. Hauptendmoräne mit An- schluß des uckermärkischen Zuges, der nach dem Oderknie bei Oder- berg führt. In Holstein die nördliche Umbiegung zeigend und dabei ebenso wie der vorige in mehrere parallele Einzelstaffeln zerlegt. Die Leitlinie möchte ich von Travemünde nach Neustadt — Lütjen- burg annehmen. Im Westen rücken beide Züge näher aneinander und bestehen aus vielen Einzelstaffeln. Besonders der Kieler Lobus zeigt auf Struck’s Karte eine Menge derselben. Diese Erscheinung läßt sich leicht verstehen : Im Scheitel der großen Lübecker Bucht hat das Eis eine lange Stillstandszeit gehabt, dort konnten vielfache Schwankungen innerhalb dieser Zeit diese zahlreichen Moränen- züge bilden. Der deutlich markierte Anschluß der beiden großen Bogen- teile , Oder- und holsteinscher Lobus , in den beiden mecklen- burgischen Hauptendmoränen (östlich von Wismar und von Schwerin) ist auch auf den älteren Staffeln deutlich zu erkennen: die Scheitel- punkte sind Sonnenberg und Wendisch- W^arnow ; bei der ersten Staffel liegt er wohl am oberen Drawehn. 6. Die nördliche meckl. Außenmoräne steht nach SO mit Penkun in Verbindung, nach NW verläuft sie etwa mit dem pom- merschen Grenztal (Tollense, Trebel, Recknitz), aber nicht gerad- linig wie dieses, sondern in Einzelbogen nach Süden ausweichend, bis in die Gegend von Gnoien. Die bisher bekannten Einzelloben sind Seltz— Welzin und Deven — Dargun — Methling. Nördlich Gnoien legt sich nach Westen der Bogen über Lühburg nach Vilz — Tessin , daran ein weiterer über Kätwin — Lantow , Wen- Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 6 82 E. Geinitz, dorf — Dolgen — Sch waan — Bröbberow, von da längs des marginalen Beketales nach NW aufsteigend. (In Schwaan ist die Endmoräne- infolge des damaligen „Schwaaner Beckens“ und anschließenden „ Warnow-Zungenbeckens“ nicht ausgebildet.) Im Hütter Wohld bei Parkentin— Ivendorf erfolgt die Abbiegung nach WNW zu den Bergen der Kühlung. Ob von deren Ende in Bastorf eine neue Rückbiegung, analog dem Verhalten der nördlichen Haupt- moräne bei Bäbelin, vorliegt, ist nicht ganz sicher; die Linie würde über Altgaarz — Boiendorf zum Langen Werder bei Pöel führen und die „Neubukower Mulde“ begrenzen. 7. Elbert’s „mittlere Randmoräne“, aus der Gegend von Greifswald nach Ribnitz verlaufend , setzt sich in Mecklenburg fort als ein südwestlich auf Rostock streichender Zug Jalinken- dorf— Kloster Wulfshagen— Fienstorf — ?Bartelsdorf — Gehlsdorf und würde in nördlich aufsteigender Linie das Unterwarnowtal bis vor den Breitling verfolgen, um von da zur Stoltera bei Warnemünde zu gehen. Nebenzüge sind Volkenshagen — Kussewitz und ? Köster- beck— Ikendorf. 8. Elbert’s nördliche Randmoräne in Pommern, mit dem. charakteristischen Bogenteil Velgast — Barth, zieht sich vielleicht über das hohe Ufer vom Fi&chland. Ihr Sandur ist die „Rostocker Heide“ mit dem Torflager. Die Verbindung mit den auf Laaland und Falster nachgewiesenen Endmoränen , von denen vier hinter- einanderliegende NW-Bogen beschreiben und eine auf Falster aus- gesprochen N — S-Bogenverlauf hat und auf das Gjedser Riff streicht, will ich noch nicht konstruieren. Der nach N aufsteigende Bogen dürfte wiederum der Vereinigung von Oder- und holstein- schem Lobus entsprechen. 9. In gleicher Folge erscheint endlich noch auf Möen und Rügen ein Endmoränenstück. Die Abstände der einzelnen Endmoränen sind hier : zwischen 1 und 2 40 km „ 2 „ i 3 20—35 „ 3 „ 4 17 4 „ 5 30 „ 5 „ 6 40—21 , « . 7 12-15 „ 7 „ 8 13-19 , 8 „ 9 30 II. Über die Alterszugehörigkeit der beiden älteren Moränen gehen die Ansichten auseinander. Gern betrachtet man die südlich gelegenen als einer früheren Eiszeit angehörig. Stoller gibt aber für einen Teil des Lüneburger Bogens das jüngere Alter zu. Wenn er sie nun aber als Bildungen eines jungdiluvialen Eis vor stoß es bezeichnet, so liegen dafür nur theoretische und Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 83 aus der Kartierung übernommene Gründe vor, denen ich bekannt- lich nicht zustimme. (Die Grenze der Ausdehnung der sog. oberen Grundmoräne hat sich in unserer Literatur nach und nach immer weiter nach Süden verschoben.) Der Ausdruck „Stillstandslage“, „Kückzugsstaffel“ erweckt leicht die Vorstellung, daß das Eis an jenen Stellen zu der be- treffenden Zeit dauernd völlig still gelegen haben müsse, ohne Bewegung; es ist aber sehr wahrscheinlich, daß vielfach die „Stillstandslage“ eben nur durch das Gleichgewicht zwischen Eis- zufuhr (also in Bewegung) und Abschmelzen beruhte , während an anderen Stellen resp. zu anderen Zeiten in der Tat auch die Zu- fuhr und damit Bewegung des Eises ruhte, das Eis als tote Masse dem Schmelzen und Schwund ausgesetzt war. Das erklärt auch die sehr verschiedenen Typen von Endmoränenbildung. Dort, wo die Endmoränen lokal fehlen, sind sie entweder später durch Erosion zerstört oder unkenntlich oder überhaupt gar nicht ent- wickelt. Das Fehlen derselben auf manchen Strecken erklärt sich in einigen Fällen auch durch das schirmartige Abfangen des Gletscherschuttes durch einen benachbarten Lobusflügel. Ein und derselbe Zug hat häufig sehr wechselnde Höhenlagen. Ob die z. T. sehr beträchtlichen Erhebungen, auf denen die End- moräne aufsitzt, schon zur Zeit des Vorrückens bestanden haben oder erst Folge von Stauchungen oder in glazialer Zeit statt- gefundenen Krustenbewegungen sind, ist im Einzelfall oft unsicher. Einige derselben mögen , wenigstens in der Anlage , bereits be- standen haben. Stauchungen, bis zur Schollenbildung, sind mehr- fach beobachtet, glaziale Dislokationen z. B. an der Stoltera wahrscheinlich. Daß während einer gewissen Zeit der mecklen- burgischen Stillstandslagen eine teilweise Senkung ein- trat (mit derjenigen von Mittelschweden ungefähr gleich alt), suchte ich an den umgekehrten Abflußsystemen der nordöstlichen mecklenburgischen Zungenbecken zu erweisen L Auch das gerad- linige Steilufer des pommerschen Grenztales, sowie das eigentüm- liche Verhalten des wie abgesunken erscheinenden Anteils der Endmoräne bei Friedland1 2 lassen auf Grabensenkungen während der Eisbedeckung schließen. Die Absenkung des unteren Elb- gebietes mag in dieselbe Zeit gehören, für die Elbgegend selbst postglazial. Die Stauchungserscheinungen zeigen an, daß in der betreffenden Gegend das Eis sich in vorschiebender Bewegung befand, trotzdem es wegen der Abschmelzbedingungen nicht eigentlich vorrückte. Dies hat wohl zu der Auffassung von erneutem Eis- 1 Diluvialstudien, p. 187. 2 s. Geologie von Mecklenburg-Strelitz. Mitteil, meckl. geol. Landes- anstalt. Heft 28. 6* 84 E. Geinitz, vorstoß Anlaß gegeben. Auch in dieser Zeit konnten die ver- schiedenen Gletscherloben sehr wohl eine Exaration des Hinter- landes ausführen, wie es Olbricht annehmen will; die sehr viel- fach zu beobachtenden niedrigen Grundmoränenpartien innerhalb der Endmoränenbögen (mit Kymalandschaft) sprechen für diese Auffassung (nur daß es sich nicht um erneute Vorstöße handelt). Die Zeiten zwischen den einzelnen Staffeln müssen recht verschieden lang gewesen sein, z. T. sehr beträchtlich lange Intervalle. So macht sich zwischen der nördlichen Haupt- moräne und der folgenden äußeren (6) ein großer Unterschied bemerkbar (s. Geol. Meckl.-Strel. p. 29): vor 5 noch vorherrschend Sand und enorme Wasserwirkung (die z. T. noch über die älteren Staffeln hinausgreift), nach einer ruhigeren Zeit, in der Becken- tone zur Ablagerung kamen; dagegen hinter 5, zwischen 5 und 6, Fehlen resp. Zurücktreten der Sandur und Vorherrschen der Grund- moräne, Zungenbecken, schöne Osreihen und subglaziale Wasserläufe. Es mußte also nach der ruhigen Zeit (in welcher sich rück- wärts Osar und subglaziale Hinnen bildeten) am Bande von 5 ein rasches Abschmelzen stattfinden , welches große Wassermengen freimachte. In dieser wohl langen Zeit war inzwischen auch das nördlich befindliche Eis stark geschwächt durch Tauen und Schwin- den, und es konnte nun in rascher Folge der Rückzug bis zur Lage 6 und folgenden Staffeln erfolgen, wodurch die Grundmoräne freigelegt wurde und Sandurbildungen nicht mehr die große Aus- dehnung fanden. Beim Nachspüren der Entwicklungsgeschichte der interessanten Lewitzniederung gelangte ich zu gleichen Ergebnissen: eine Unterbrechung der Abschmelzung innerhalb ein und derselben Phase (4) und darauffolgende erneute Wasserzufuhr, also eine Zweiteilung. In einer von den Einzelbögen der Moräne 4 ein- gerahmten Niederung hat sich auf Beckenton steinreicher Sandur aufgeschüttet, der mit den nachbarlichen zu einer weiten Fläche von „Deckenschotter“ (Niveau 60 — 70 m und Abdachung nach Süden) verschmilzt. Aus ihm entwickeln sich die üblichen Talsand- gebiete und ein SW-Abflußsystem. Nach einer gewissen Zeit kam ein katastrophaler Wasserdurchbruch, welcher ein Wiesenkalklager überschüttete und im Sandur eine tiefe Erosion mit Terrassen von 45/46 NN schuf, weiter unterhalb in alten Durchbruchsstellen das Eidebett bildete, bei Dadow die älteren Sandur erodierend, die älteren Moränenbarren von Ludwigslust und Bök durchbrechend und vernichtend. (Wahrscheinlich gleichzeitig erfolgten im Osten Durchbrüche und Terrassenbildung der mittleren Eide oberhalb Parchims, in Zusammenhang mit der Entleerung des Kritzower Staubeckens, welche die Umkehr des mittleren Eldeflusses ver- ursachte.) Die Wassermengen kamen aus NO-Richtung (Gegend von Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 85 Sternberg) von der nördlichen Hauptmoräne 5 , z. T. auf schon subglazial vorhandenen Wegen vom Zungenbecken der Warnow her. III. Die Herausbildung der Täler, d. h. der sog. altallu- vialen, von Talsand, event. Schlick, Moor oder Wasser erfüllten Talniederungen erfolgte teils in unmittelbarem Anschluß an das Absclimelzen, teils erst später. Die Täler entwickelten sich ent- weder einfach aus den Sandurn oder sie entstanden als spätere Durchbrüche katastrophal; bei Bildung einiger mögen auch Krustenbewegungen mit im Spiele gewesen sein. (Beachtenswert ist die Beobachtung, daß bei vielen der zum Elbtal entwässernden Täler die rechte Talseite sich durch stärkere Erosion und Steil- ufer auszeichnet.) Die Geschichte einiger dieser Täler weist wiederum auf teil- weise lange Dauer einer Rückzugsperiode hin, mit zeitlicher Unter- brechung derselben. Die Täler des östlichen Mecklenburg, vielfach Teile von Zungenbecken, verdanken ihre heutige Neigung einer spät- glazialen Absenkung (vergl. Diluvialstudien. 1912 und dies. Centralbl. 1912. p. 168). Das mecklenburg-pommersche Grenztal verläuft zwar im allgemeinen parallel den Endmoränenbögen, schneidet aber häufig ihre Berührungsstellen an und tritt sonach bald inner- halb, bald außerhalb der Bogen auf, auch hat es Anteil an Durch- bruchstälern. Es kann nicht einfach als Marginaltal gelten, sondern eher zu den Durchbruchstälern gezählt werden. Bei seiner Ent- stehung war höchstwahrscheinlich eine Krustenbewegung mit im Gange. Da es bei Jahnkendorf den Endmoränenzug 7 durchbricht, muß es jünger als diese Staffel sein. Seine linken Seitentäler haben teilweise den Charakter sehr jugendlicher, unfertiger Täler. Da es bei Damgarten auch noch von Heidesand erfüllte Talungen anschneidet, so kann die Zeit seiner Ausbildung näher bestimmt werden : nach Ablagerung des Sandurs der Rostocker Heide, d. i. nach Staffel 8. (Damit ergibt sich eine Korrektur der Darstellung Keilhack’s vom Jahre 1898 seiner Eisrandlage in der ersten Phase der Entwicklung des pommerschen Urstromtales.) Wie das Vorkommen des mit dem Sandur gleiclialterigen Torf- lagers von Torf brücke lehrt, war die Dauer des Stillstandes bei 8 eine lange. Bezüglich der Abflußtäler der südlichen Endmoränen Mecklenburgs sind folgende Ergebnisse zu vermerken. Das untere Elbtal existierte zur Zeit der älteren Staffeln noch nicht, sondern der „Urstrom“ entwässerte durch das Allertal. Die Zuflüsse zum Allertal von der Lüneburger Heide haben Olbricht und Stoller skizziert. Es ist nun von Interesse, zu untersuchen, zu welcher Zeit 86 E. Geinitz. der Elbdurchbruch erfolgte. Zur Zeit von Staffel 2, als der Eis- rand bei Dömitz noch das heutige Elbtal überquerte, mußte der alte Zustand noch existieren. Bei Lenzen wird der Sandur von Staffel 2 angeschnitten. Wir finden aber auch die Ablagerungen von Staffel 3 noch deutlich von der späteren Elbe erodiert : bei Boizenburg und Lauenburg erst in viel jüngerer Zeit angeschnitten, ja, wir sehen zwischen Zahrenstorf und Boizenburg den bis hierher reichenden, zur nächstfolgenden Staffel gehörigen Sandur von der Elbe angeschnitten. Hieraus ergibt sich, daß der Elbdurchbruch erst zur Zeit der südlichen (vielleicht sogar der nördlichen) Haupt- endmoräne entstanden ist. Sein gewundener Verlauf ist vermutlich beeinflußt von aus Norden kommenden Talungen, die er z. T. benutzt hat. Das untere Elbtal ist also kein marginales, einem Eisrand folgendes Tal, sondern ein Durchbruchstal. Die von rechts nach links überspringenden Steilufer haben teils Endmoränen, teils Sandur angegriffen. Bei Verfolgung der südwestlichen Zuflußtäler zur Elbe findet man vielfach, daß die Gewässer ihre alten Wege wieder benutzt haben; ein Durchbruch findet leichter an den Stellen statt, wohin schon subglaziale ältere Ströme weisen ; die Spuren von diesen Durchbruchstälern werden dann wieder von den Gewässern der nächst jüngeren Stillstandslage als Abfluß wege benutzt. Ähnliche Bevorzugung älterer Läufe finden ja, wie einsichtsvollen Wasser- bautechnikern bekannt ist, auch heute bei Hochwässern statt. Beim Löcknitztal bilden Durchbruchsstellen früherer Mo- ränenzonen (hier von 2 Staffeln) schließlich den heutigen Lauf. Den Bogenteil Warnow — Karstädt durchbrechend, geht sein unterer Teil nach SW auf Schnakenburg zu. An der Bogenspitze erstreckt sich das marginale Tal Ivliiß — Hühnerland zum nachbarlichen Mayntal, das den westlich anschließenden Bogen des holsteinschen Lobus durchbricht. Hierdurch entsteht eine unbedeutende Ab- lenkung nach W, doch ist die Fortsetzung nach NO in das obere Löcknitztal deutlich geblieben. Dieses entspringt aus den Sandur- massen von Karenzin — Godems, welche ihrerseits auf die eigen- artige Unterbrechung der südlichen Außenmoräne bei Zachow hinweist. Die von Staffel 3 kommenden Gewässer der Löcknitz haben sich in der Gegend von Schnakenburg — Lenzen zu einem bis Dömitz reichenden Staubecken angesammelt und den späteren Elbdurchbruch erleichtert. Möglich ist, daß aus jener Zeit die massenhaften Baum- stämme stammen, welche jetzt noch im heutigen Elbbett ge- funden werden, früher oft die Schiffahrt behinderten und zu Hunderten ausgebaggert wurden. Die Mehrzahl besteht aus Eichen. (Einer der Eichenstämme , die im Kostocker Museum aufbewahrt sind, zeigt bei einer Länge von 7 m und einem Umfang von 1 m Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 87 100 Jahresringe.) Auch die eigenartig dunkel glasierten Zähne und Mangangerölle aus dem dortigen Elbkies können aus den zer- störten Lagern jener Zeit stammen. Schaale, Boize und Stecknitz. Vom Stecknitztal sagt schon Gagel, daß es „einen mächtigen, sehr beharrlichen Schmelz- wasserabfluß des alten Eisrandes darstellt“. Dasselbe gilt von den beiden anderen Tälern. Alle haben ihren Anfang in den Sandurn vor der südlichen Hauptmoräne, z. T. reichen ihre Zu- flüsse auch noch in das Innengebiet derselben, so daß sie mög- licherweise noch mit Erscheinungen der nördlichen Hauptmoräne in Verbindung stehen. Schaaletal. Der Abfluß der Schmelzwässer von Staffel 3 und ihrem Sandur erfolgte zwischen Dersenow und Zahrenstorf hei Tessin; das hintere Marginaltal nördlich von Banzin verur- sachte einen Stau. Die späteren Abflüsse von den Sandurn der südlichen Hauptmoräne aus der Gegend nördlich von Wittenburg lieferten die Gewässer der Schilde und Motel (mit Schmaar), die sich bei Camin vereinigten und weiter unterhalb den alten Weg benutzten. Eine Terrasse und mannigfache Erosionserschei- nungen begleiten diesen Verlauf. Außerdem kamen starke Ge- wässer aus dem Südende des Schaalsees, als Schaalefluß den Sandur •durchschneidend und, nach der Vereinigung mit der Schilde bei Bengerstorf an das rechte Ufer gedrängt, den Einschnitt veran- lassend, welcher als Erosionsrest den eigentümlichen Wall von Kl. Bengerstorf übrig ließ. Der Schaaleabfluß bei Zarrentin macht durchaus den Eindruck eines Durchbruchtales durch die südliche der drei Staffeln von Endmoräne 4, so daß er jünger ist, als die sich einfach aus den Sandurn entwickelnden vorgenannten Talbil- dungen. Die Seitenschluchten im Bretziner Sandur auf der rechten Talseite zeigen einen jugendlichen Charakter. Der Talboden ver- läuft mit der 20 m-Kurve, der südwestlich gerichtete Talrand ist (bei Wiebendorf — Zahrenstorf) erodierter älterer Sandur. Die Gewässer mögen in der Gegend des jetzigen Elbtales fleltaartige Sandschüttungen mitgeführt haben, an den Tälgehängen haben sie z. T. mächtige Kiesmassen angelagert (Sonnenberg). Östlich von Boizenburg vereinigt sich mit diesem breiten Tal das Boizeta 1. Im unteren Teile ist es als Durchbruchstal kennt- lich, nach Norden setzt es in das Entwässerungssystem des Sandur der Vellahner Heide und die innerhalb der Hauptmoräne gelegenen Stauniederungen fort. Von Interesse ist das Vorkommen von Torf unter 3 — 4 m Talsand im oberen Teile des Tales. Parallel dem Boizetal läuft eine gleiche Talung in Form von hintereinander folgenden tiefen, länglichen, in dem Sandur südlich von Gudow bei Besental beginnenden Moorwannen mit dem Mühl- bach. Hinter der Boizenburger Endmoräne durch ein Marginaltal (Benstorf) abgefangen, vereinigt es sich mit dem 88 E. Geinitz, Stecknitztal. Das Durchbruchstal der Stecknitz hat zwischen Lauenburg und Vierburg eine Breite von 5 km. Alle Verhältnisse des Stecknitztales weisen darauf hin, daß dies Tal, nachdem es als Durchbruchstal der Endmoräne 3 be- gonnen hatte, noch in den folgenden Zeiten von starken Gewässern benutzt worden ist : von Sandurwässern vor Staffel 4 und von Ab- flüssen zwischen den beiden Hauptendmoränen (4 und 5). Ein gutes Bild davon erhält man auf der Übersichtskarte Gagel’s, Jalirb. preuß. Landesanst. 31, II, p. 180. Wie Gagel und Stoller jüngst zeigen konnten, setzten die Gewässer in dem älteren Zeit- abschnitt nach Süden fort bis zum „Lüneburger Stausee“. Der vor dem Sandur von 4 wieder ansteigende Grund- moränenboden innerhalb der Endmoräne 3 zeigt zwei Marginal- talungen (im Osten für spätere Zuflüsse zur Stecknitz benutzt), die bei Pötrau — Müssen und die der Linau bei Liitau — Gülzow. Bei Lütau setzt die kleine Talung des Augrabens ein, die in südlicher Richtung über Krüzen zum Kuhgrund bei Lauenburg führt. Daß auch dieses Tal seine Fortsetzung bis in die Lüne- burger Endmoränengegend hatte, ist wohl unzweifelhaft. Olbricht nimmt das Neetzetal an. Auf den Karten ist die Ausfüllung durch Talsand angegeben. Die heutige Entwässerung erfolgt nach Norden bezw. NO; ein deutliches Tal ist von Lütau nach NO bis zur Brokmühle zu sehen, aber noch weiter streicht eine Bodensenke von da in gleicher Richtung über Pötrau — Büchen in den Sandur und das Stecknitztal. Das Augrabental ist der Träger des „interglazialen“ Torf- lagers vom Kuhgrund bei Lauenburg. IV. Altersbestimmung des „interglazialen“ Torflagers von Lauenburg. Nach vorstehenden Ermittlungen gelangt man auch zur Lösung der Frage nach dem Alter des Lauenburger Torflagers (Kuhgrund und Umgebung), die dahin zu beantworten ist: Das Lauenburger Torflager ist postglazial, nicht inter- glazial. Ich verzichte auf Wiederholung der vielbesprochenen strati- graphischen Verhältnisse. Die Torfschichten liegen in einem Gletscherbachtal der „letzten“ Eiszeit, welches sich rückwärts bis zu den nächstjüngeren Staffeln verlängert hat. Der Untergrund ist „oberer“ Geschiebemergel, in einer Bohrung nordwestlich vom Elb- ufer ist derselbe bis auf den Lauenburger Ton erodiert. Der hangende mächtige Diluvialsand ist als „Talsand“ anerkannt. Gagel be- tonte 1909 den Widerspruch zwischen den Ergebnissen der Karten- aufnahme und dem phytopaläontologischen Beweis und erklärte, daß, wenn erstere richtig sind, „wir danach alle unsere Vor- Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. 89 Stellungen über die interglaziale Flora und ihre Existenzbedin- gungen wesentlich ändern und uns mit dem Gedanken vertraut machen müssen, daß auch dicht am Eisrande eine gemäßigte bezw. warme Flora gedeihen konnte“. Die geologischen Vorgänge aus der jüngsten Vergangenheit, welchen jene Deckschichten ihre Ablagerung verdanken, sind folgende : Es hat sich ergeben, daß der rhythmische Eisrückgang bei den Staffeln der beiden Hauptendmoränen beträchtliche Zeit- intervalle hatte, daß nach langer Zeit der Ruhe ein plötzliches Freiwerden von Schmelzwässern katastrophal in die Erscheinung trat. Die Geschichte der Lewitz lehrt dies eindringlich, in der Entwicklung der Täler der Stecknitz, Boize, Schaale u. a. kann man Analoges feststellen, das verschüttete Torflager bei Granzin im Sandur zwischen Staffel 3 und 4, liumose Zwischenschichten in Moränensanden bei Pritzier und Toddin, verschüttete eisenbraune Kiese im Sandur von Neukloster sprechen weiter dafür. Durch einen plötzlichen, von der Staffel 4 (und 5) stammenden Wasserausbruch ist das Lauenburger Moor verschüttet worden, das schon im Anfang seiner Bildung aus demselben Tale sand- führende Strömungen erhielt. Die Sandzufuhr kam von dem Siebeneichener Sandur in dem Tale zwischen Pötrau und Müssen. Diese Talung setzte sich nach Süden in die Lüneburger Stauseegegend fort. Die postglaziale Geschichte des Lauenburger Torflagers ist also in kurzen Worten folgende: In der Gegend der Endmoränenstaffel 3 entstand, nach Rück- zug des Eises bis auf Staffel 4 (also nicht unmittelbar am Eisrand, sondern etwa 1 5 km davon entfernt) eine weite Moor- niederung, die sich in alte Täler verzweigte; eine mehrhundert- jährige Eichenwaldung dehnte sich bis in die Gegend von Wittenberge aus. Nach Jahrhunderte (nicht Jahrtausende) langer Zeit wurde das Moor durch eine gewaltige, aus dem nördlichen Eisrand stammende Wasserflut mit den Sanden überschüttet, ohne daß das Tal gänzlich verschüttet wurde. Erst viel später wurde das Lager durch den Durchbruch des unteren Elbtales (der ober- halb die Eichenwaldung zerschlug und die Stämme in den Elb- kies verschleppte) der Beobachtung zugänglich. Soweit das Stratigraphische. Der Torf ist für die dortige Gegend postglazial. Die Flora des Lauenburger Torflagers zwingt uns zu der Feststellung, daß hier das Klima gemäßigt war, als der Eisrand nur 15 km von der Stelle entfernt lag. Die Zeit zwischen den einzelnen Rückzugsstaffeln war z. T. sehr lang und teilte sich in eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe und starker Schmelzung. Hier liegt der Vergleich mit dem Verhalten des Malaspinagletschers nahe : Nach raschem Rückzug von Staffel 3 90 E. Geinitz, Die nenn Endmoränen Nordwestdeutschlands. auf 4 jahrhundertelanges Stagnieren des Randes, bis katastrophen- artig erneutes rasches Abschmelzen folgt. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, daß bei sämtlichen Rückzugsstaffeln ein Rhyth- mus der Bewegung festzustellen ist. Ich bemerke nochmals, daß sämtliche Endmoränen Rück- zugsstafifeln sind, der „Rückzugsperiode“ angehörig. Damit kommen alle Benennungen und Spekulationen betr. Würm- u. a. Eiszeiten, baltische Schwankung und Vorstoß usw. außer Betracht. Bei dem verschieden raschen Rückweichen des Eises haben die Stellen der beiden mecklenburgischen „Hauptendmoränen“ eine besondere Rolle gespielt, sie bezeichnen die Stellen, an denen ein besonders langer Stillstand war, der dann von plötzlicher Schmelzung abgelöst wurde, wo also eine Zweiteilung der Phase in die Erschei- nung tritt. Das plötzliche Abschmelzen dürfte mit der Holstschen skandinavischen Senkungszeit zusammenfallen. Deshalb ist auch der eingebürgerte Name „große baltische Endmoräne“ nicht zu verwerfen. Zwischen Phase 6 und 7 wiederholte sich übrigens dasselbe in geringerem Ausmaß, wie das Torflager im Sandur von Torf- briicke beweist. Mit der Konstatierung der Existenz einer gemäßigten Flora nahe am Eisrand kommen wir zur Bestätigung meiner abweichenden Auffassung vom Wesen der Eiszeit (vielleicht besser Schneezeit), die ich früher auseinandergesetzt habe. Mit dem Nachweis der rhythmisch verlaufenden Rückzüge und ihren stellenweise sehr langen Zeiten, in welchen Vegetation und Atmosphärilien und nicht Eis „Trumpf“ waren, nähern wir uns Anschauungen über „Klimawechsel innerhalb der Abschmelzperiode“. Allerdings können wir nicht gut von „der“ postglazialen Abschmelzperiode, welche gleichzeitig das ganze norddeutsche Land betraf, sprechen, sehen wir ja z. B., daß postglaziale Verhältnisse bei Lauenburg Vor- lagen, als wenige Kilometer weiter nördlich noch das echte „Glazial“ herrschte, daß der „postglaziale“ Elburstrom ebenfalls schon floß, als ca. 50 km nördlich die Eiszeit war. Es sind örtliche Bezeich- nungen, nicht zeitliche, eine Vermengung von stratigraphischer und chronologischer Benennung wird hier verhängnisvoll. Zum Schluß noch die Bemerkung, daß mit Streichung Lauen- burgs aus der Liste der Interglazialstellen neben den übrigen aus der Gegend von Hamburg noch gar viele „Interglazialpunkte“ bedenklich ins Schwanken geraten. Die Verhältnisse der Lüne- burger Süßwasserkalk- und Kieselgurlager (nebenbei bemerkt, sind die sog. Riesentöpfe von Westerweyhe geologische Orgeln) sind ganz analoge wie die von Lauenburg. Man vergleiche nur das Profil auf Blatt Unterlüß : lakustre Bildungen in Bodensenken des Endmoränengebietes 1, überschüttet von Sanden späterer Wasserfluten. Rostock, 20. Dezember 1915. E. U. v. Bülow, Heber einen Phragmokon von Aulacoceras etc. 91 Über einen Phragmokon von Aulacoceras sulcatum v. Hauer aus der alpinen Trias. Von E. U. v. Bülow in Bonn. Mit 1 Textfigur. Die Gattung Aulacoceras wurde von Fr. v. Hauer aufgestellt für ein einzelnes Eostrumstück aus der oberen alpinen Trias1. Bald aber wurde der Name immer mehr ausgedehnt, so daß man schließlich alle triadischen Belemnitiden als Aulacoceras bezeichnete. v. Mojsisovics2 3 hat das Verdienst, die Gattung Aulacoceras wieder scharf umgrenzt zu haben, indem er die anderen Formen unter dem Namen Atractites v. Gümbel und Dictyoconites v. Mojsisovics abspaltete, und so blieb schließlich als einziger wahrer Aulacoceras die alte HAUER’sche Spezies Aul. sulcatum v. Hau. stehen. An dem ausgezeichneten Material , welches die WANNER-MouENGRAAFF’sche Timorexpedition mitbrachte, konnte ich zeigen, daß die drei Gat- tungen nicht nur äußerlich in ihren Rostren, sondern auch in der Beschaffenheit ihrer Phragmokone verschieden sind. Die Atrac- titen besitzen ganz glatte Phragmokone, die der Dictyoconiten und Aulacoceraten tragen feine Längsrippen , und zwar die der ersteren etwa 60, die von Aulacoceras aber nur etwa 40. Aus den Alpen ist nur Aul. sulcatum v. Hau. als einzige Spezies bekannt. Aus Sizilien beschrieb aber Gemmellaro 3 eine Reihe von Formen, denen er lauter neue Namen gab. Ob es sich hier wirklich um neue Spezies von Aulacoceras handelt oder nur um Variationen von Aul. sulcatum v. Hau., vermag ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden, da mir das Material nicht vorliegt. Die Auffassung als Variation scheint mir aber die richtigere zu sein. Auch bei meinen timoresischen Aulacoceraten habe ich dieser Auffassung gehuldigt und alle Stücke als Variationen der Hauer- schen Stammform bezeichnet4. Gerade bei der Seltenheit der Stücke aus den Alpen verdient aber das vorliegende besondere Beachtung, vor allem, da es sich durch seine Größe und seinen Erhaltungszustand auszeichnet. Auch kann man eine Reihe von Beobachtungen daran machen, die das bei den timoresischen Stücken Beschriebene bestätigen. Es handelt sich um einen durchaus gekammerten Phragmokon von 200 mm Länge (Fig. 1). Sein Durchmesser beträgt am oberen Ende 55 mm, am unteren ca. 25 mm. Der Querschnitt ist kreisrund 1 v. Hauer, Nachträge zur Kenntnis der Cephalopoden-Fauna der Hallstätter Schichten. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiss. 1860. 41. p. 115. 2 v. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Hallstätter Kalke. I. Das Gebirge um Hallstatt. Abh. d. k. k. geol. Reichsanst. 6. 1. Hälfte, p. 177. 3 Gemmellaro, I cephalopodi del Trias superiore della regione occi- dentale della Sicilia. Palermo 1904. p. 306. 4 Wanner, Paläontologie von Timor etc. Liefg. IV. Abhandl. VII. v. Bülow, Orthoceren und Belemnitiden der Trias von Timor. Stuttgart 1915. 92 E. U. y. Bülow, Ueber einen Phragmokon wie bei allen Aulacoceratenphragmokonen. Der Öffnungswinkel beträgt 10°. Somit befände sich die Embryonalkammer etwa 60 mm unterhalb des unteren Abbruches. Die Flanken des Phrag- mokones sind hier in den oberen Partien nicht mehr gekrümmt, wie ich das bei den timoresischen Stücken von den unteren Teilen feststellen konnte1, sondern sind scheinbar ganz gerade. Dadurch, daß ich bei diesem Stück aber auch eine gewisse Krümmung in den unteren Partien annehmen muß, rückt die Embryonalkammer noch ein wenig weiter hinab. Der Phragmokon besitzt etwa 40 Längsrippen, gehört somit gewiß zur Aidacoceras. Die Rippen laufen als feine Leisten in stets gleichbleibender Breite und Höhe vom unteren zum oberen Ende hinauf. Zwischen ihnen bleiben Intercostalräume frei, welche sich in gleicher Weise, wie sich der Phragmokon erweitert, nach oben verbreitern. Der Wölbung des ganzen Stückes entsprechend sind sie schwach gerundet. Bei den timoresischen Stücken konnte ich nachweisen, daß die Konothek vermutlich 4 Schalenlagen besitzt. Einige von diesen Lagen, vor allem die oberste, Rippen tragende, und die nächst untere mit nur schwachen Eindrücken der Rippen, sind auch beim vorliegenden Stücke zu beobachten. Quer zu dieser Skulptur laufen in einem gegenseitigen Ab- stande von etwa 1 mm feine Linien, welche die einzelnen Stadien des Längenwachstums des Tieres bezeichnen , die sogen, bogen- förmigen Zuwachsstreifen. Sie geben den Verlauf des vorderen Mantelrandes des Tieres in den einzelnen Wachstumsstadien an. Sie bilden zwei, nach unten offene Bögen. Der eine von ihnen ist sehr stark nach vorne gezogen (Fig. 1 A), der andere bedeutend weniger (Fig. 1 B). Somit hätte das Tier also zwei Mantellappen besessen, einen langen auf der einen Seite — und die Seite des langen Mantellappens ist bei den Belemniten stets die Dorsalseite — und einen kurzen auf der anderen Seite, der somit ventral läge. Man kann also bei diesem Stück mit Sicherheit Dorsal- und Ven- tralteil unterscheiden. Im oberen Teil ist der vorliegende Phrag- mokon auf der einen Seite ein wenig angewittert, so daß der Siplio freiliegt. Vergleicht man die Lage des Sipho mit dem Ver- lauf der bogenförmigen Zuwachsstreifung, so sieht man, daß er auch hier, genau wie bei den timoresischen Stücken, ventral liegt. Man beobachtet, wie er durch das Septum eingeschnürt wird, wie er unterhalb desselben wieder anschwillt, um bis zur unteren Kammerscheidewand wieder ganz allmählich an Stärke abzunehmen2. Der Phragmokon ist , wie gesagt , durchaus gekammert. Man findet also keine Spur von Wohnkammer an dem Stück. Der Abstand zweier Septen verhält sich zum Durchmesser des oberen der beiden etwa wie 23 : 54. 1 v. Bülow, a. a. 0. p. 30. 2 Vergl. auch hierzu v. Bülow, a. a. 0. p. 32. von Aulacoceras sulcatum v. Hauer etc. Fig. 1. Aulacoceras sulcatum v. Hau. Unterkarnische Trias. Köthelstein hei Hallstatt. A. Dorsalansicht, B. Ventralansicht. Si = Sipho. Original im Geol.-Pal. Museum der Universität Bonn. £ der nat. Größe. 94 Besprechungen. Dies ist der größte Phragmokon von Aulacoceras , der bisher bekannt geworden ist. Seine auffallende Länge und sein für alpine Stücke ausgezeichneter Erhaltungszustand lassen die Ver- öffentlichung desselben interessant erscheinen. Er stammt aus der unterkarnisclien Trias vom Röthelstein bei Hallstatt. Besprechungen. B. Dämmer und O. Tietze: Die nutzbaren Mineralien mit Ausnahme der Erze, Kalisalze, Kohlen und des Petroleums. Mit Beiträgen von R. Bartling, G. Eineke, F. Kaunhowen, P. Krusch, 0. Pufahl und R. Scheibe. I. Band. 501 p. 57 Textabbildungen. 1913. II. Band. 539 p. 93 Text- abbildungen. 1914. Stuttgart, Ferdinand Enke. Das vorliegende Werk stellt eine Zusammenfassung alles dessen dar, was bisher über nutzbare Mineralien mit der ange- gebenen Einschränkung veröffentlicht worden ist. Bei den Minera- lien, über depen Verhalten Literatur nicht zu erlangen war, wurden die Lücken durch Nachfragen bei Fachgenossen oder in technischen Kreisen ergänzt. Der große Umfang des Stoffes gab auch die Veranlassung, für einzelne Kapitel besondere Bearbeiter heran- zuziehen; das Werk enthält Beiträge von R. Bartling, G. Eineke, F. Kaunhowen, P. Krusch, 0. Pufahl und R. Scheibe. Es werden die nutzbaren Mineralien mit Ausnahme der Erze, Kalisalze, Kohlen und des Petroleums behandelt. Doch sind auch die Mineralien berücksichtigt worden, die zwar im hüttenmännischen Sinne nicht als Erze gelten, aber doch auf anderen technischen Gebieten Verwendung finden, z. B. einige Abarten der Kohle und die Edel- und Schmucksteine. Im Kapitel Allgemeines werden die Eigenschaften der nutzbaren Mineralien — Kristallform, Spaltbarkeit, Bruch, spezi- fisches Gewicht, Härte, Farbe und optische Verhältnisse — be- sprochen. Das Kapitel „Vorkommen und Gewinnung“ behandelt die geographische und geologische Verbreitung der nutzbaren Mineralien, mit dem wichtigsten Fundort beginnend. Doch werden nur die Lagerungsverhältnisse geschildert und genetische Fragen nicht erörtert. Ausgezeichnet sind die Abschnitte über die Ge- winnung, Verwendung, Bewertung und Produktion. Bei einigen Mineralien sind auch Angaben über die mechanischen und chemischen Aufbereitungsmethoden und über die chemischen Untersuchungsmethoden beigefügt, in denen darauf hingewiesen wird, welche chemischen Bestandteile für die Verwendung von Wichtigkeit sind, und in denen erläutert wird, wie diese Bestandteile zweckmäßig und zuverlässig bestimmt werden können; diese Kapitel stammen von 0. Pufahl. Da die Ver- wendung der meisten Mineralien eine sehr ausgedehnte ist, kann nur ein Überblick gegeben werden, welche technischen Gebiete in Betracht kommen und welche Eigenschaften einen Rohstoff gerade Besprechungen. 95 für eine bestimmte Verwendung brauchbar machen oder welche Anforderungen an ihn für diesen Zweck gestellt werden müssen. Die Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse, Bewertung und Produktion sind nicht nur der Literatur entnommen, sondern auch durch Umfragen bei Interessenten und Firmen festgestellt worden. Wertangaben frem- der Länder sind in die deutsche Reichswährung umgerechnet worden. Das Werk umfaßt zwei Bände, von denen der erste auf 501 Seiten folgende Mineralien behandelt: Diamant, Graphit, Schwefel, Realgar und Auripigment, Molybdänglanz, Bleiglanz, Zinkblende, Magnetkies, Schwefelkies, Markasit, Kupferkies, Quarz, Opal, Zirkon, Rutil, die oxydischen Manganmineralien , Korund, Hämatit, Hydrargillit und Diaspor, Brauneisenerz, Steinsalz, Sal- miak, Kryolith, Flußspat, Spinell, Chromeisenerz, Borsäure und Borate, Nitrate, Kalkspat, Aragonit, Dolomit, Magnesit, Zinkspat, Witherit, Strontianit, die Natroncarbonate, Malachit, Kupferlasur und die Uran-, Thorium- und Radiumlagerstätten; dies sind nach der chemischen Klassifikation die Elemente Sulfide , Sulfosalze, Oxyde, Hydroxyde, Haloidsalze, Aluminate, Chromate, Borate, Nitrate, Carbonate, Uranate und Thorate. 57 Abbildungen ver- anschaulichen die geographische Verbreitung und das geologische Auftreten, aber auch Kristallformen und technische Apparate. Das Kapitel über den Diamant von R. Scheibe bildet insofern eine Ergänzung zu dem großen Werke von Max Bauer über Edel- steine, als der Verf. die von ihm selbst besuchten Felder in Deutsch-Südwestafrika eingehend behandelt und die neuesten Ent- deckungen auf den anderen Lagerstätten anführt. Während für Max Bauer nach dem Zwecke seines Buches die Verwendung des Diamanten als Schmuck die Hauptsache bildet, lernen wir hier die Vielseitigkeit kennen, die der Diamant in der Verwendung zu technischen Zwecken , besonders zum Schneiden , Abdrehen und Bohren besitzt, das Sortieren der Rohsteine für den Handel, die Preise dieser verschiedenen Handelssorten und die Produktion bis 1912. Beim Graphit sei auf die Zusammenstellung seiner Auf- bereitungsmethoden hingewiesen, beim Schwefel auf Gewinnung und Raffinierung. Wo es möglich war, wie z. B. beim Molybdän- glanz, sind auch historische Notizen über die Verwendung an- geführt worden. Während bei den Erzen die Vorkommen nur aufgeführt werden und mehr ihre Verwendung besprochen wird, bilden Quarz und Opal mit ihren Abarten ein Kapitel, das hauptsächlich mit der Verwendung dieser Mineralien erfüllt ist. Lydit, Feuerstein, Kieselsinter, Tripel und Kiesel- gur spielen daher hier eine Rolle, ebenso beim Korund der Schmirgel. Sehr nützlich ist die Zusammenfassung über die Bor- säure, die Borate, die Nitrate und die Natroncarbonate, deren Vorkommen 0. Tietze teilweise selbst besucht hat. In Kurvenform werden die Salpeter-Loko-Preise in Hamburg in den einzelnen Monaten der Jahre 1897 — 1912 dargestellt. Auch beim Kalkspat und seinen Abarten lernen wir besonders die prak- 96 Besprechungen. tische Verwertung kennen. Im letzten Abschnitt beschreibt P. Krusch die Uran-, Thorium- und Radium er zlagerstätten mit geologischen Karten der Vorkommen bei Dar-es-Salam, Joachimstlial, in Colorado und in Mittelscliweden. Der zweite Band enthält die Wolframate, Sulfate, Phosphate, Silikate und die fossilen Brennstoffe: die Wolframmineralien, Glau- berit, Thenardit, Schwerspat, Cölestin, Glaubersalz, Gips, Alunit, Bittersalz, Eisenvitriol, Kupfervitriol, Zinkvitriol, Apatit, Vivianit, Variscit, Wardit, Türkis, Lazulith, Andalusit, Cyanit, Topas, Staurolith, Euklas, Turmalin, Axinit, Zoisit, Epidot, Manganepidot, Vesuvian, Cordierit, Olivin, Phenakit, Kieselzinkerz, Dioptas, Kiesel- kupfer, Granat, Beryll, Hypersthen, Diopsid, Augit, Spodumen, Jadeit, Rhodonit, Asbest, Nephrit, Hornblende, Eläolith, Cancrinit, Sodalith, Hauyn , Lasurstein , Leucit , Kalifeldspat , Plagioklas, Natrolith, Thomsonit, Prehnit, Glimmer, Glaukonit, Seladonit, Meerschaum, Saponit, Garnierit, Talk, Pyrophyllit, Kaolin, Bol- mineralien, Titanit, Benitoid, Ozokerit, Bernstein und andere fossile Koniferen-Harze, Asphalt, Gagat, Braunkohle. Auch hier haben die Verf. sich bemüht, alle Mineralien, die irgendwie Verwendung finden, heranzuziehen, wenn auch bei vielen nur die Verwendung als Schmuck angegeben werden konnte, z. B. beim Türkis, Variscit, Wardit, Lazulith und Benitoid. Andererseits sind aber die in der Technik benutzten Mineralien in ihrem Vor- kommen, in der Aufbereitung und Verwendung sehr eingehend behandelt worden. So hat R. Bartling den Schwerspat und Cölestin bearbeitet und mehrere Profile (z. B. Meggener Schwer- spatlager) und schematische Darstellungen der Barytbleichprozesse hinzugefügt. Glauberit, Thenardit, Anhydrit, Glauber- salz, Gips, Alunit, Bittersalz, Vitriole und Apatit bearbeitete 0. Tietze. Bemerkenswert ist die Schilderung der Vorkommen des Glauberits, der Verwendung des Gipses und Alunits und der Vorkommen des Apatits und Phos- phorits, besonders der Lager von Algier und Tunis. Es folgt die Zusammenstellung der Phosphatlagerstätten auf den Inseln des Indischen und Stillen Ozeans sowie der Südsee und der großen amerikanischen Lager. Von den Silikaten, die größtenteils von R. Dämmer bearbeitet wurden, sind die nur als Schmucksteine verwendeten etwas kürzer behandelt. Erwähnenswert jedoch ist das Kapitel über den Granat als Schleifmittel und die Darstellung des Asbestes von G. Eineke, der die Vorkommen, die Gewinnung und Auf- bereitung, die Verwendung, den Handel und die Asbestpreise ge- schildert hat. Einen nicht minder großen Raum nehmen die Ab- schnitte über den Kalifeldspat, den Glimmer, den Talk und den Kaolin ein. Das über 50 Seiten lange Kapitel über den Bernstein von F. Kaunhowen schließt mit einer kurzen Erwähnung von Asphalt, Gagat und Braunkohlen den zweiten Band, der mit 93 Abbildungen ausgestattet ist. M. Belowsky. C. Diener, Einige Bemerkungen zur Nomenklatur etc. 97 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Einige Bemerkungen zur Nomenklatur der Triascephalopoden. Von Dr. C. Diener, Wien. Im November 1915 ist der von mir verfaßte Katalog der Triascephalopoden als achter Teil des im Verlag von M. Junk (Berlin) unter der Redaktion von F. Frech erscheinenden „Anima- lium fossilium Catalogus“ im Umfange von 369 Seiten zur Ausgabe gelangt. Die Abfassung des Kataloges war mit einer kritischen Durcharbeitung der gesamten Literatur über triadische Cephalopoden im Hinblick auf deren stratigraphische und geo- graphische Verteilung verbunden. Es ergab sich aus derselben eine die vorangegangenen Schätzungen weit übersteigende Zahl von Gattungen und Arten. Die Unterklasse der Dibranchiata um- faßt in der Triasperiode 8 Genera mit 63 spezifisch bestimmten und 27 nicht benannten Spezies, jene der Amraonodea 251 Genera und Subgenera mit 2558 spezifisch, bestimmten und 527 unbe- nannten (zusammen 3085) Spezies; jene der Nautiloidea 28 Genera und Subgenera mit 207 benannten und 60 unbenannten (zu- sammen 267) Spezies. Nicht ohne Interesse ist die Verteilung der verschiedenen Genera bezw. Subgenera auf die einzelnen marinen Reiche der Triasperiode. Im Arktischen Reich sind nur 32, im Andinen 83 Gattungen und Untergattungen von Ammoniten heimisch. Da- gegen kommen 175 im Mediterranen, 149 im Himamalayischen Reich vor. Noch ungünstiger stellt sich das Verhältnis bezüglich der Nautiloidea, an denen das Arktische und Andine Reich nur mit 3, bezw. 6 Gattungen partizipieren. Damit soll natürlich keineswegs gesagt werden, daß die 2558 spezifisch benannten Arten triadischer Ammoniten, die der Katalog verzeichnet, auch wirklich einwandfreie Spezies darstellen. Es mag genügen, hier auf die scharfen Angriffe hinzu weisen, die erst kürzlich von Wepfer 1 gegen die von E. v. Mojsisovics bei der Aufstellung von Spezies in der Gattung Tracliyceras Lbe. an- gewendete Methode gerichtet worden sind. Um eine Entscheidung 1 E. Wepfer, Über den Zweck enger Artbegrenzung bei den Ammo- niten. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 65. 1913. Monatsber. p. 417 ff. Diese Arbeit ist mir leider zu spät zugekommen, um noch bei der Ab- fassung des Kataloges berücksichtigt zu werden. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 7 98 C. Diener, Einige Bemerkungen über die Aufrechterhaltung bezw. Einziehung der von Wepfer beanstandeten Spezies zu treffen, wäre eine vollständige Revision des von E. v. Mojsisovrcs untersuchten Cephalopodenmaterials not- wendig gewesen, eine Arbeit, die mir selbstverständlich ferne lag, da sie aus dem Rahmen der Aufgabe des Kataloges herausfiel, über jede in der Literatur existierende Art bezw. Gattung und über deren Synonymie eine rasche Orientierung zu ermöglichen. Da ich in der Lösung dieser Aufgabe den Hauptwert des Kataloges erblicke, habe ich mich für eine alphabetische Anord- nung der Gattungs- und Artnamen (innerhalb einer jeden Gattung) entschieden, weil sie ein schnelles Auffinden jedes einzelnen Namens wesentlich erleichtert. Der unbefriedigende Zustand unserer Ammo- nitensystematik hat mich von allen Versuchen einer Einteilung der Ammoniten in Untergruppen abgehalten. So bedauerlich dieser Zustand sein mag, so halte ich es doch für besser, ihn offen ein- zugestehen. Welchen Wert kann der Entwurf einer Ammoniten- systematik besitzen , der bisher noch niemals einen anderen als seinen Autor befriedigt hat? Bei der Abfassung des durch eine alphabetische Anordnung der Schlagworte wesentlich vereinfachten Kataloges hatte ich mit nomenklatorischen Schwierigkeiten verschiedener Art zu kämpfen. Um aus ihnen den richtigen Ausweg zu finden , reichten die üblichen Regeln der paläontologischen Nomenklatur keineswegs aus. Vielmehr war ich wiederholt gezwungen , die letzteren teils zu ergänzen, teils von ihnen abzuweichen. Einige dieser Fälle sollen hier etwas ausführlicher besprochen werden, weil es mir im Inter- esse eines möglichst einheitlichen Vorgehens in analogen Fällen wünschenswert erscheint, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Muß es doch der Wunsch und das Ziel aller Paläontologen sein, die leider bereits recht erhebliche Verwirrung in der paläonto- logischen Nomenklatur nicht noch weiter vergrößern zu lassen. Verhältnismäßig einfach ist die Abhilfe den Schwierigkeiten gegenüber, die das Bestehen der — übrigens gerade bei den Trias- cephalopoden sehr seltenen — „Nomina nuda“ bietet. Ich habe sie ausnahmslos unberücksichtigt gelassen. Spezies , die nicht durch Beschreibung und Abbildung in ausreichender Weise fixiert sind, haben keinen Anspruch auf Beachtung. Der Name Arcestes Marchenanus, der sich zuerst bei E. v. Mojsisovics (Dolomitriffe von Südtirol etc. 1878) findet, erhält erst durch die Beschreibung der Spezies in den „Cephalopoden der Mediterranen Triasprovinz“ (1882) Geltung. Eine Verlegenheit sehr ernster Art erwächst aus der bedauer- lichen Gepflogenheit mancher Autoren, neue Gattungsnamen ohne jede Begründung, unter Anführung einer bestimmten Art als Gattungs- typus aufzustellen, ein Verfahren, das durch den eventuellen Hin- weis auf später in Aussicht genommene Arbeiten kaum gemildert zur Nomenklatur der Triascephalopoden. 99 wird. Der Hauptvertreter dieser Unsitte ist A. Hyatt. Das Kapitel „Cephalopoda“ in der von Eastman besorgten englischen Ausgabe der ZiTTEL’schen „Grundzüge der Paläontologie“ (London 1900) wimmelt von solchen neuen Genus- und Subgenusnamen, die der Autor durch die Hinzufügung einer bestimmten Spezies als Gattungstypus hinreichend gekennzeichnet zu haben glaubt. Mit derartigen Gattungsnamen Hyatt’s treten nun vielfach solche in Konkurrenz, die von anderen Autoren in Unkenntnis der zitierten Abhandlung Hyatt’s ein wenig später, aber mit sorgfältiger Charak- teristik und Begründung versehen, in Vorschlag gebracht worden sind. So hat, um nur ein Beispiel anzuführen, Hyatt der Gruppe der Ceratites subrobusti Mojs. den Genusnamen Keyserlingites bei- gelegt, ein Jahr später Philippi die Abgrenzung dieser Gruppe von den Nachbargruppen ausführlich diskutiert und sie auf Grund der Ergebnisse seiner vergleichenden Studien zum Range eines besonderen Genus erhoben, für das er die Bezeichnung Robustites vorschlug. Wie soll in derartigen Fällen die Prioritätsfrage ent- schieden werden ? Ich muß gestehen, daß mir zunächst jene Lösung am sym- pathischsten schien, die alle von Hyatt ohne Begründung aufge- stellten neuen Genusnamen in Bausch und Bogen verwirft. Wenn für den gültigen Bestand einer Art in der Literatur deren Be- schreibung und Abbildung gefordert wird, damit die Art auch als solche erkannt bezw. geprüft werden kann, so hat die gleiche Forderung auch für die Gültigkeit einer Gattung Berechtigung. Auch sie muß so definiert werden, daß ihre Merkmale und ihr Umfang aus einer Diagnose klar ersichtlich werden. Läßt man sich von diesem Gesichtspunkt bei der Entscheidung der Prioritäts- fragen leiten , so ist es allerdings möglich , zu einer weniger radikalen Lösung der letzteren zu gelangen, die freilich auch minder geeignet ist, von einer Nachahmung der Methode Hyatt’s abzu- schrecken. Es können nämlich dann unter den von Hyatt ein- geführten neuen Gattungsnamen einige ausfindig gemacht werden, gegen deren Berechtigung von dem obigen Standpunkte schwer ein triftiger Einwand geltend zu machen ist. Es sind dies Namen, die sich auf solche Formengruppen beziehen, deren Stellung und Um- grenzung von älteren Autoren bereits so klar definiert worden ist, daß über Umfang und Bedeutung der neuen Genera und Subgenera kein Zweifel aufkommt. In diesen Fällen hat sich die geistige Arbeit Hyatt’s sozusagen auf die Rangerhöhung der ehemaligen Formengruppe zu einem Genus bezw. Subgenus und auf die Er- findung eines mehr oder weniger wohlklingenden Namens beschränkt ( Arctoceras für die Gruppe des Ceratites polaris Mojs., Keyserlingites für jene des Ceratites subrobustus Mojs., Olenekites für die Binarites spiniplicati Mojs., Borycranites für die Balatonites acnti Mojs. etc.). Da sich gegen diese Namen ein Bedenken nicht geltend machen 100 C. Diener, Einige Bemerkungen läßt, so habe ich dem ÜYATT’schen Genusnamen Keyserlingites vor Robustites Philippi den Vorzug geben müssen. Wenn dagegen Hyatt nur eine Art als Typus der von ihm ohne nähere Begründung aufgestellten Gattung nennt, deren Merk- male und Umfang aus der Beschreibung der genannten Art nicht ohne weiteres ersichtlich sind, so habe ich solche Namen in der Regel als nicht zu Recht bestehend erachtet. Ich konnte z. B. keine Klarheit darüber gewinnen , warum Hungarites Strombecki Griepenk. zum Typus einer besonderen Gattung Noetlingites erhoben werden muß. In der gleichen Lage befand ich mich gegenüber den Gattungsnamen Iberites, Plococeras , Aplococcras, Protophiceras, Wyoming ites u. a. Dementsprechend habe ich z. B. die von Kittl für Dinarites mohammedanus und D. Liccanus aufgestellten Sub- genera Hercegovites und Liccaites akzeptiert, nicht aber Hyatt’s Subgenera Pseudodinar ites und JDiapIococeras , obwohl sie sich mit diesen ohne Zweifel decken. Denn erst durch Kittl’s Arbeiten haben wir erfahren, daß und warum Dinarites mohammedanus und D. Liccanus bezw. die sich um diese beiden Spezies gruppierenden Dinariten Anspruch erheben dürfen, in besondere Untergattungen eingereiht zu werden. Hyatt’s prophetischer Blick muß hier hinter Kittl’s klaren Beweisen zurückstehen. Für Kittl lag keine Verpflichtung vor, Hyatt’s neue Namen, die schon bei ihrer Publikation hinfällig waren, zu respektieren. Er hat auch in der Namengebung eine glücklichere Hand bewiesen, indem er den für eine Untergattung des Genus Dinarites geradezu sinnlosen Namen Pseudodinarites vermied. Wenn jemand die Aufstellung eines neuen Genus begründet, für das einer der von Hyatt vorgeschiagenen Genusnamen in An- wendung kommen kann, so mag er immerhin den letzteren akzep- tieren. E. v. Mojsisovics und ich haben es in mehreren Fällen (z. B. bei TJssurites und Anotoceras) so gehalten, schon um uns die Mühe der Namengebung zu ersparen, aber ich bestreite entschieden, daß für uns in dieser Richtung eine Verpflichtung vom Standpunkt der Priorität aus vorlag. Nehmen wir z. B. den Fall Ussuritesl Hyatt führt Monophyllites sichoticus Dien, als Gattungstypus in einer Familie der Ussuritidae an, mit der diese Spezies gewiß nicht das geringste zu tun hat. Wer wollte nach dieser Probe einer vollständigen Verkennung der Verwandtschaftsverhältnisse unserer ostsibirischen Art behaupten, Hyatt sei zu der Aufstellung seiner neuen Gattung berechtigt gewesen ? Daß Monophyllites sichoticus sich von den übrigen Monopliylliten, mit denen er selbstverständ- lich auch weiterhin in einem generischen Verbände bleiben muß, auf Grund der mangelnden Individualisierung seiner Auxiliarsättel trennen läßt, hat erst E. v. Mojsisovics nachgewiesen. Erst ihm stand somit das Recht zu, eine neue Untergattung für Mono- phyllites sichoticus aufzustellen. Daß er den Namen Ussurites zur Nomenklatur der Triascephalopoden. 101 akzeptiert hat, erspart uns eine Nomenklaturschwierigkeit, aber eine Verpflichtung, diesen strenge genommen von vornherein hin- fälligen Namen zu akzeptieren, lag meines Erachtens für ihn keinesfalls vor. Wollte man die ohne Begründung aufgestellten Gattungsnamen Hyatt’s uneingeschränkt gelten lassen, so würde man zu einer Nachahmung der von ihm befolgten Methode der Namengebung geradezu herausfordern. Niemandem könnte es — um die äußersten Konsequenzen eines so milden Vorgehens zu beleuchten — ver- wehrt sein, eine beliebige Zahl von Spezies aus dem Katalog der triadischen Ceplialopoden herauszugreifen und dieselben zu Typen besonderer Gattungen ohne weitere Begründung zu stempeln. Mit diesen Gattungen müßte dann der Name des Autors, dem wir eine so kostbare Errungenschaft verdanken, dauernd verknüpft bleiben. Ehrgeizige Autoren könnten sogar noch weiter gehen. Sie könnten für jede Art einen besonderen Gattungsnamen erfinden , um sich so die Priorität für alle überhaupt verfügbaren Gattungsnamen zu sichern. Um solchem Tun einen Riegel vorzuschieben , will ich sogleich selbst einige neue Namen für Genera und Subgenera, deren Aufstellung im Sinne Hyatt’s zu befürchten ist , mit den nachfolgenden Arten als Typen in Vorschlag bringen: Silesiacrochordiceras für Acrochordiceras Damesi Noetling, Edmundites für Arpadites Rimtünensis Mojs. , Gangadharites für Beyrichites Gnngadliara Dien., Otoceltites für Celtites perauritus Dien., Paradidymites für Bidymites sp. ind. Waagen, Timorodidymites für Bidymites malayicus Welter, Epigymnites für Gymnites Ecki Mojs., Parahauerites für Hauerites Aslileyi Hyatt et Smith, Ardoliungaritcs für Hungarites triformis Mojs., Spitisculites für Isculites Hauerinus Stol., Indojuvavites für Juvavites angulatus Dien., Acanthophiceras für Oplticeras gibbosum Griesb., Pinacoplacites für Placites meri- dianus Welter, Pachyproptychites für Proptychites otoceratoides Dien., Parapmacoceras für Pinacoceras aspidoides Dien., Biscoptychites für Ptychites megalodiscus Beyr., Aristoptychites für P/ychites Gerardi Blanford, Malletoptycliites für Ptychites Maltetiamis Stol., Vreden- bur gites für Sirenites Vredenbur gi Dien. , Psitosturia für Sturia mongolica Dien., Timor otropites für Tropites dubiosus Welter, Mar- garitropites für Anatropites margaritiformis Dien., Arietoceltites für Tropiceltites arietitoides Dien., Paradistichites für Bistichiies ectol- citiformis Dien., Pndoclionites für Clionites gracilis Dien., Xeno- drepanites für Brepanites Schucherti Dien. Wer das Prioritätsrecht der HYAiVschen Gattungsnamen im Text-book of Palaeontology anerkennt, wird dieses Recht auch den hier angeführten Namen nicht bestreiten können. Für denjenigen, der in der Prioritätsfrage meinen Standpunkt teilt, sind sie ohnehin nicht als Warnungszeichen aufgerichtet. Ich selbst gedenke näm- lich jene Namen bis auf weiteres nicht in Anwendung zu bringen, 102 C. Diener, Einige Bemerkungen enthalte mich demgemäß auch einer Begründung für deren Auf- stellung, ohne damit sagen zu wollen, daß eine solche Begründung mir unmöglich wäre. Meine Absicht geht vorläufig lediglich dahin, anderen Autoren diese an der Hand des Cephalopodenkataloges ebenso leichte als dankbare Tätigkeit zu verleiden. Im Katalog selbst habe ich mich nur zur Aufstellung sehr weniger neuer Gattungen bezw. Untergattungen bemüßigt gesehen. Epiceratites wurde für die obertriadisclien Zwergformen des Genus Ceratites aus den Hallstädter Kalken aufgestellt. Die Unterschiede dieser Formengruppe, als deren typischen Vertreter ich Epiceratitcs elevatus v. Dittmar betrachte, von den übrigen Ceratiten sind von E. v. Mojsisovics ausführlich erörtert worden, so daß über Diagnose und Umfang des neuen Subgenus kein Mißverständnis entstehen dürfte. Die Gruppe des Ceratites decipiens , die E. v. Mojsisovics unter den arktischen Ceratiten neben den Gruppen der C. obsoleti , circumplicati und subrobusti ausgeschieden und näher beschrieben hat, mußte nach der Errichtung der beiden Gattungen Arctoceras und Keyserling it es durch Hyatt konsequenterweise ebenfalls zum Range einer besonderen Gattung. Czekanowskites , erhoben werden. Ebenso erforderte die Abtrennung der Gruppen des Monophyllites sichoticus Dien. ( Ussurites ) und des M. Agenor Münst. ( Mojsvarites ) von Monophyllites s. s. (Typ. M. sphaerophyllus Hau.) die Errich- tung einer besonderen Untergattung für die Gruppe des 2! 1. Suessi Mojs. ( Leiophyllites ). Die beiden Nautiloideenspezies Nautilus per- tumidus Arth, und N. Sibyllae Mojs. nehmen eine so isolierte Stel- lung ein , daß schon E. v. Mojsisovics (Cephalopoden der Hall- stätter Kalke. I. Supplement. 1902. p. 235) auf die Notwendigkeit einer Erhebung derselben zum Rang von Gattungen oder Unter- gattungen hingewiesen hat. Ich bin dieser Anregung, deren Be- gründung man bei E. v. Mojsisovics nachlesen mag, gefolgt und habe für die Reiflinger Art den Gattungsnamen Tumidonautilus, für die spitzbergische den Namen Sibyllonautilus in Vorschlag gebracht. In den für die zoologische bezw. paläontologische Nomen- klatur auf den internationalen Kongressen festgesetzten Regeln wird mit Recht die Forderung aufgestellt, für jede Gattung und Untergattung eine bestimmte Art als Typus namhaft zu machen. Die älteren Autoren haben dieser Forderung in ihren Gattungs- diagnosen bekanntlich nicht immer Rechnung getragen. Bei meinen Bemühungen, für jede Ammonitengattung der Trias einen Typus ausfindig zu machen , bin ich daher einige Male auf Schwierig- keiten gestoßen. Als ganz verwerflich erscheint mir, meinen Erfahrungen zu- folge, die leider beliebt gewordene Methode, die von einem Autor in seiner Genusbeschreibung an erster Stelle angeführte Spezies als Gattungstypus anzusehen. Eine kritiklose Anwendung dieser zur Nomenklatur der Triascephalopoden. 103 Methode führt zu ungeheuerlichen Konsequenzen. Wieder ist hier vor allem Hyatt zu nennen. W. Waagen hat in seiner Diagnose des von ihm in seiner bekannten Arbeit über die Formenreihe des Ammonites subradiatus aufgestellten Genus Aegoceras die Anführung einer bestimmten Art als Gattungstypus unterlassen. Sein Verzeichnis der zu Aegoceras gehörigen Arten beginnt mit Ammonites incultus Beyr. als der ältesten, noch der Triasperiode zufällenden Spezies. Für die triadische Gruppe des A. incultus hat E. v. Mojsisovics später, den Umfang der zu weit gefaßten Gattung Aegoceras einschränkend, die Bezeichnung Gymnites vorgeschlagen. Hyatt aber verwirft den Namen Gymnites und hält an der Bezeichnung Aegoceras für die Gruppe des Ammonites incultus fest, nur aus dem Grunde, weil zufälligerweise bei Waagen dieser Name als erster unter den Vertretern des damals sehr weit gefaßten Genus genannt wird. Dieser formelle Grund erscheint ihm ausreichend, sich über den Inhalt der Diagnose Waagen’s hinwegzusetzen, aus der ganz klar hervorgeht, daß Waagen bei der Aufstellung seines neuen Genus nicht A. incultus , sondern in erster Linie die Capricornier L. v. Buch’s im Auge hatte. Dieses Beispiel lehrt überzeugender als irgend ein anderes, daß man die Regeln der paläontologischen Nomenklatur keines- wegs in so schablonenhafter Weise anwenden darf, wie eine Köchin ein Kochrezept, daß vielmehr jeder einzelne Fall gewissermaßen individuell behandelt werden muß. Diese Notwendigkeit trifft auch für die Aufsuchung der Typen für zahlreiche Genera und Sub- genera triadischer Ammoniten zu, die E. v. Mojsisovics vor dem Jahre 1902 aufgestellt hat, ohne eine bestimmte Art als Typus anzugeben. In allen diesen Fällen habe ich zunächst untersucht, auf welche der von ihm beschriebenen Arten die Gattungsdiagnose am besten paßt, bezw. welche Art die in der Diagnose als für die Gattung bezeichnend angegebenen Merkmale am deutlichsten zeigt. Diese Art — in der Regel ist es zugleich die am besten bekannte — habe ich dann als Gattungstypus ausgewählt, gleich- gültig, ob sie in den Artbeschreibungen an erster Stelle erscheint oder nicht. So als Gattungstypus für Thisbites : Th. Agri- colae Mojs., die weitaus häufigste Spezies des Genus (90 Exem- plare lagen E. v. Mojsisovics vor) und zugleich die einzige alpine, deren Suturlinie bekannt ist; für Epiceratites : Ammonites elevatus Dittm., dessen Loben wir kennen, nicht A. quadrangulus Hau., den E. v. Mojsisovics zwar an erster Stelle nennt, aber selbst als eine Übergangsform zwischen Dinarites und Ceratites bezeichnet, die demgemäß die Merkmale der Untergattung Epiceratites nicht in typischer Weise zum Ausdruck bringt. Ebenso wäre es un- zweckmäßig, als T3'pus der Untergattung Arnioceltites Mojs. den von E. v. Mojsisovics an erster Stelle angeführten A. laevis zu 104 C. Diener, Einige Bemerkungen zur Nomenklatur etc. wählen, weil dessen Suturlinie nicht bekannt ist. Als Typus ist vielmehr der an zweiter Stelle genannte Ammonites caducus Dittm. zu betrachten, der in einer viel größeren Zahl von Individuen vorliegt, unter denen einige die Loben in voller Deutlichkeit zeigen. Der gleiche Fall wiederholt sich bei Miltites Mojs. Die in der Einzelbeschreibung der Arten zuerst genannte Spezies M. Schröeri ist sehr selten, und ihre Loben sind nicht bekannt. Dagegen kennen wir alle wesentlichen Merkmale der häufigsten Art M. Rastli, deren Wahl als Gattungstypus mithin gerechtfertigt erscheint. Ähnlich liegt die Sache bei Paratropites Mojs. Als Typus dieses von Hyätt und Smith zum Range einer Gattung erhobenen Sub- genus betrachte ich den in allen seinen Merkmalen bekannten Ammonites Saturnus Dittm. , nicht den nur in einem einzigen Exemplar vorliegenden Paratropites bidichotomiis Mojs. Auch bei Prionites Waagen habe ich von einer Erhebung der beiden an erster Stelle genannten Arten, P. arenarius (ein schlecht erhaltenes Wohnkammerfragment) und P. trapezoidalis , dessen Suturlinie der Untersuchung nicht zugänglich ist, zum Gattungstypus abgesehen und betrachte als solchen vielmehr P. tuberculatus , in dem die für das Genus Prionites charakteristischen Merkmale, insbesondere die eigentümliche Lobenlinie mit dem prionidischen Nahtlobus, sich am deutlichsten ausprägen. Bei den von E. v. Mojsisovics vor dem Jahre 1902 aufge- stellten Gattungen ist eine vorsichtige Auswahl der Gattungstypen und ein Abweichen von der schablonenhaften Methode, die erste in den Einzelbeschreibungen genannte Spezies als solche anzu- sehen, um so mehr am Platze, als dieser Forscher — man möchte beinahe vermuten, mit Absicht — die am besten bekannten und daher schon vor ihm von anderen Autoren beschriebenen Spezies erst an zweiter oder dritter Stelle anzuführen pflegt. Es scheint mir aber auch ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber jenen älteren Forschern zu sein, die von ihnen zuerst untersuchten Arten bei dieser Gelegenheit wieder in den Vordergrund treten zu lassen, da ja auf ihre Kenntnis die Diagnose der neu aufgestellten Genera sich zunächst gestützt haben muß. Es tritt ferner in den älteren Arbeiten von E. v. Mojsisovics — insbesondere im ersten Teil seiner „Cephalopoden der Hall- stätter Kalke“ — gelegentlich die Tendenz zutage, die von älteren Autoren (Quenstedt, v. Hauer, v. Dittmar) in die Literatur ein- geführten Artnamen fallen zu lassen oder doch in ihrem Geltungs- bereich nach Möglichkeit einzuschränken. Bei einigem guten Willen dürfte es leicht möglich gewesen sein, vor dem Jahre 1873 so häufig gebrauchte, seither freilich fast verschollene Namen wie Ammonites amoenus Hauer oder Ammonites respondens Quenstedt aufrecht, zu erhalten und an bestimmte, häufige Arten der Gattung Placites zu heften. Vor die Wahl gestellt, die keineswegs ein- E. Wepfer, Ein wichtiger Grund für die Lückenhaftigkeit etc. 1Q5 wandfreie Nomenklatur von E. v. Mojsisovics ohne Änderung zu übernehmen oder den hier gerügten Fehler zu verbessern , habe ich mich im ersteren Sinne entschieden. Abhilfe hätte nur eine vollständige Neubearbeitung des überreichen älteren Materials an Vertretern der Gattung Placites in den Hallstädter Kalken bringen können, aber auch dann wäre das Ergebnis den Aufwand an Zeit und Mühe kaum wert gewesen. Die Wiederherstellung der alten, heute wie gesagt verschollenen Namen Ammonites amoenus und A. respondens hätte die Verwerfung der einen oder anderen durch E. v. Mojsisovics in der Literatur eingebürgerten Bezeichnungen notwendig gemacht und so Verwirrung in die seit dem Jahre 1873 feststehende Nomenklatur gebracht. Historische Untersuchungen zum Zweck der Ausgrabung alter, obsolet gewordener Namen halte ich überhaupt, in Übereinstimmung mit M. Neumayr , für nicht wünschenswert. Da unsere wissen- schaftliche Nomenklatur in erster Linie ein Verständigungsmittel ist und als solches eine relative Beständigkeit beanspruchen darf, so sollte die Verdrängung gebräuchlicher, seit lange eingebürgerter Namen, soferne nicht sehr triftige Gründe für eine solche vor- liegen, nach Möglichkeit vermieden werden. Die in der zoologischen Literatur während des letzten Jahrzehnts eingerissene Verwirrung, die sich auf die Namen der häufigsten und bekanntesten Tiere erstreckt, bietet in dieser Richtung ein warnendes Beispiel. Ein wichtiger Grund für die Lückenhaftigkeit paläontologischer Überlieferung. Von E. Wepfer (im Felde). Es gibt in der Stratigraphie Tatsachen, an die wir uns derart gewöhnt haben, daß wir nichts Außerordentliches mehr an ihnen bemerken; Tatsachen, die sich so oft und immer wieder wieder- holen, daß man ihnen den Begriff des Gesetzmäßigen aufgeprägt hat. Und die „Gesetzmäßigkeit“ eben hat in uns das kritische Gefühl diesen Tatsachen gegenüber erstickt und uns sachte die Empfindung des Selbstverständlichen suggeriert. Die Zonen- gliederung etwa der Juraformation, die — wenigstens inner- halb der gleichen Fazies — sich bis auf Einzelheiten auf der ganzen Erde wiederholt, die entsprechenden Verhältnisse in der Kreideformation gehören in einem Maße zum eisernen Bestand der Stratigraphie, daß wir mit wahrer Befriedigung lesen, wenn die Erforschung eines bisher unbekannten Landes eine weitere Bestätigung für die Richtigkeit der altbekannten Fossilien - zonen bringt. 106 E. Wepfer, Ein wichtiger Grund Zweifellos stellt aber diese Genugtuung in einem gewissen, ja recht deutlichen Gegensatz zu einer Erwartung, die gleichfalls mit zu dem eisernen Bestand, diesmal der Paläontologie und der Stammesgeschichte, gehören : es ist die Hoffnung , daß sich mit der Erweiterung unserer geologischen Kenntnisse die Lücken der paläontologischen Überlieferung mehr und mehr schließen und verringern werden. Aber in der Hauptsache kehrt überall die alte Gesetzmäßigkeit wieder; wir finden die alten Zonen, die alten Fossilien, letztere vielleicht in geringen Abweichungen, d. h. örtlichen Variationen 1. Einzig wirklich neue Typen, wie etwa die von Wanner in Indien gefundenen Echinodermen , vermögen in dieser Hinsicht unser Wissen zu bereichern ; leider sind solche Funde selten genug. Auch sollen sich die im folgenden gemachten Bemerkungen auf ein etwas davon verschiedenes Gebiet beziehen : die Lückenhaftig- keit paläontologischer Überlieferung begegnet uns nicht nur in den ganz großen Unterbrechungen wie etwa in der Dyas ; wir treffen sie auf Schritt und Tritt zwischen je zweien der bekannten Fossil- zonen, und davon ist hier die Hede. Gewiß, wir sind noch nicht am Ende unserer geologischen Forschungen ; aber es ist doch höchst bemerkenswert, daß wir in neu beforschten Ländern niemals etwa Zonen mit Bindegliedern finden, sondern stets die alten Zonen mit den alten Formen. Wenn wir bedenken, auf wie viele Punkte der Erde unsere geologischen Forschungen ausgedehnt sind, so müssen wir rein nach diesen Stichproben annehmen, daß 1. überall dieselbe Zonengliederung gilt, 2. die fehlenden stratigraphischen Zonen — denn diese, nicht nur die fehlenden paläontologischen Glieder müßten wir zu finden er- warten — eben nicht existieren. Alle Erklärungen, die für die Lückenhaftigkeit paläontologischer Überlieferung gegeben worden sind, haben meines Erachtens den Kernpunkt der ganzen Frage außer acht gelassen ; und dieser Kernpunkt liegt in der Überlegung, wie überhaupt eine Fossili- sation möglich ist. Freilich, der mechanische Vorgang ist 1 In verschiedenen Abhandlungen ( Oppelia im süddeutschen Jura. Palaeontographica. 59) ; Zweck enger Artbegrenzung etc. (a. a. 0.) habe ich bereits betont, daß wir hinsichtlich der paläontologischen Lücken uns einer Selbsttäuschung hingeben, wenn wir glauben, sie durch ein Ver- fahren. durch eine herrschende Mode kleiner zu machen. Als Mode bezeichne ich das Bestreben, altbekannte Typen fälschlicherweise in Gattungen und Arten auseinander zu trennen ; dieses System, das als solches gegenüber den wirklich vorliegenden Objekten als reine Äußerlich- keit zu bezeichnen ist, hilft uns logischerweise nicht, die nach wie vor bestehenden Lücken auszufüllen. Wir schlagen damit nicht etwa Brücken, sondern wir berauschen uns lediglich an einem Wust neuer Glieder, deren Gewirr man höchstenfalls als Eselsbrücke bezeichnen kann. für die Lückenhaftigkeit paläontologischer Ueberlieferung. 107 klar: ein Organismus, der ganz oder zum Teil durch Nieder- schläge eingedeckt wird, bleibt uns unter Umständen — wenigstens in Spuren — erhalten. Ob die Niederschläge chemischer Natur sind oder ob dem Wasser mechanisch zugeführtes Material sich absetzt, das spielt keine Rolle. Voraussetzung ist nur, daß überhaupt sedimentiert wird; für die Vollkommenheit der Erhaltung aber kommt die Frage in Betracht, ob die Sedimen- tierung so schnell vor sich geht, daß die betreifenden Hart- teile nicht schon vor ihrer Eindeckung vollkommener Auflösung anheimfallen können. Mit der Verwesung der Weichteile ist der Zerstörungsprozeß am Organismus noch lange nicht ganz zu Ende, sondern nur sein erster Akt ; der zweite Akt nimmt viel mehr Zeit in Anspruch : es ist die Auflösung der Hartteile durch das Wasser vor der endgültigen Eindeckung. Ist diese Eindeckung vollzogen, dann ist die größte Gefahr, die der endgültigen Erhaltung gedroht, bereits überstanden. Geht hingegen die Sedimentierung so langsam vor sich, daß auch die Hartteile aufgelöst werden, so kann selbst ein noch so reiches Leben spurlos verschwinden. Demnach braucht die Lückenhaftigkeit paläontologischer Über- lieferung nicht stets auf das Konto epigenetischer Vorgänge gesetzt zu werden — denn auch hierdurch können ursprünglich fossilreiche Schichten für uns fossilleer werden — , sie ist in den meisten Fällen eine Folge zu langsamer oder gänzlich fehlender Sedimentierung. Wenn wir jetzt an so viele Lücken in unseren Entwicklungs- reihen denken , so erblicken wir darin Perioden , in denen nicht sedimentiert, oder auch so langsam, so wenig Material abgesetzt wurde, daß alle organischen Reste gänzlich zugrunde gingen, bevor sie eingebettet werden konnten. Nicht nur die Schichtfugen bedeuten eine Unterbrechung der paläontologischen Überlieferung, sondern auch innerhalb einer geschlossenen Schicht klaffen paläontologische, wenn auch nicht sichtbare Fugen, wenn darin keine oder nur undeutliche Fossilreste Vorkommen. Der Kernpunkt dieses Gedankenganges, dem nirgends in der mir bekannten Literatur Rechnung getragen ist, liegt einmal in der Überzeugung, daß die bisher immer — z. B. auch in Joh. Walther, Bionomie des Meeres — erwähnten Gründe für die Lückenhaftigkeit nicht genügen, und ferner in der rein induktiven Betrachtungsweise, die an die Voraussetzungen einer Einbettung, und wie wir sehen werden, an die Erhaltungsart der Fossilien anknüpfen kann. Nicht der Mangel an Hartteilen, nicht die nach- trägliche Vernichtung fossilführender Schichten oder die Um- kristallisation ihrer Gesteine können die Ursachen so zahlreicher Lücken sein. Fossilarme Schichten brauchen nicht in einem. Meer 108 E. Wepfer, Ein wichtiger Grund entstanden zu sein, das nur einen armseligen oder gar keinen Bestand erhaltungsfäliiger Organismen beherbergt hat, sondern die Langsamkeit der Sedimentbildung ist die wirkliche Ursache davon, daß wir so viele versteinerungsleere Schichtkomplexe kennen. Das Kriterium für solche Betrachtungen liegt in der Er- haltungsweise der Fossilien. Liegen in einer Schicht zahlreiche Bruchstücke von Organismenresten, so hat hier ein reiches Leben geherrscht, aber der größere Teil jedes einzelnen Hartteiles ist der Auflösung im Meereswasser zum Opfer gefallen, bevor es ihr durch die Eindeckung soweit entzogen wurde, daß zum mindesten die Fornj erhalten bleiben konnte : Zahlreiche Lumachellen, deren gerundete Schalenreste man deutlich erkennen kann , müssen s o beurteilt werden, ohne daß man dabei an eine Strandbildung zu denken braucht, bei der die Schalen durch das Spiel der Wellen zerkleinert worden wären. Wir kommen auf die Strandbildungen zurück. Bekannt ist ferner die Erhaltungsweise der Orthoceraten im untersilurischen Vaginatenkalk Schwedens , den Goniatiten und Clymenien in den Oberdevonkalken (n. F. Frech); sie liegen sämt- lich flach in dem verhärteten Kalkschlamm, und die Oberseite der Röhren ist z. T. weggelöst. Auch hier hat die Einbettung die Schale nur teilweise vor der Zerstörung durch Auflösung schützen können. — Die Sedimentation kann aber in anderen Fällen noch langsamer vor sich gehen, so daß jede Spur einer Kalkschale auf- gelöst wird: es entstehen versteinerungsleere Schichten, ohne daß wir daraus den Schluß ziehen könnten, daß das betreffende Meer arm an Organismen oder gar gänzlich frei davon gewesen wäre. — Umgekehrt ist die Sedimentation da und dort so schnell vor sich gegangen, daß nicht einmal die Zerstörung der Weichteile vorher zum völligen Ende geführt werden konnte; dies ist der Fall u. a. bei einzelnen Ichthyosauriern aus dem Posidonienschiefer , deren Hautabdruck erhalten ist, und ferner etwa bei den Medusenresten der Solnhofer Schichten '. 1 Uber die Entstehung gerade der Lias e-Schiefer und der Solnhohr Schichten sind wohl verschiedentlich Ansichten im Schwange, die sich auf die eigenartige, z. T. so vorzügliche Erhaltung der Fossilien, sowie auf das Vorkommen von Landtieren und Pflanzen stützen. Ohne auf Einzel- heiten einzugehen, möchte ich nur betonen, daß dort nicht normale Sedi- mentationsverhältnisse geherrscht haben sollen, sondern daß in einer Watten- und Lagunenlandschaft, mit einzelnen stillen Buchten und Insel- gruppen, die Kadaver nicht sowohl durch Eindeckung, als auch durch Einsackung in die weiche Modde fossil geworden seien. Wenn ich auch die Möglichkeit derartiger Verhältnisse durchaus nicht bestreite und die Erhaltung infolge von Einsacken in sehr weichen Untergrund grundsätzlich für möglich halte , so fürchte ich doch , daß diese letztere Auffassung lediglich auf die schweren Körper der Saurier und ähnliches Anwendung für die Lückenhaftigkeit paläontologischer Ueberlieferung. 109 Die Auflösungsgeschwindigkeit von Kalk- und Knoclienteilen wird von dem Sättigungsgrad des Meereswassers, speziell an Kalk, ferner von seiner Temperatur abhängig sein; diese sind natürlich örtlich verschieden. Je mehr Organismen an einer Stelle im Meer angehäuft werden, um so wahrscheinlicher war ihre Erhaltung ; das Wasser sättigte sich mit Kalk, und ein großer Teil etwa der Kalkschalen blieb um so längere Zeit vor Auflösung geschützt. Zugleich auftretender Mangel an mechanischer Sedimentierung konnte so geradezu eine lang andauernde allmähliche Sättigungs- periode des Meereswassers mit Kalk bedeuten, der dann wiederum von einem gewissen Zeitpunkt ab in größeren Mengen sich absetzte. Die Schlüsse, die man demnach aus der Erhaltungsweise der Fossilien ziehen darf, treten daher der Frage nach der relativen Zeitdauer, die zum Absetzen einer Schicht nötig war, näher. Eine Schicht z. B., die von gut erhaltenen Fossilien wimmelt, wie etwa die Hecticoceras- Schichten in gewissen Teilen des süddeutschen Jura, muß in sehr kurzer Zeit entstanden sein , sonst wären die Fossilien nicht erhalten oder zum mindesten nicht so gut erhalten* 1. Das Gestein, stellenweise gespickt mit den Ammoniten, muß unsere Folgerungen weiter führen, als nur zu der Binsenwahrheit, daß zu jener Zeit ein sehr reiches Leben geherrscht hat. Es steht nicht einmal fest, ob jenes Leben besonders reich war, d. h. reicher als vorher und nachher; denn damit kommen wir zu dem voreiligen Schluß einer plötzlichen Ausbreitung oder Einwanderung solcher vorher und nachher unbekannten Formen. Eine derart plötzliche weltweite Ausbreitung neuer Formen in so kurzer Zeit hätte etwas Fabelhaftes. Die für uns unvermittelt auftretenden Typen lassen nicht ohne weiteres auf eine Einwanderung schließen, sondern nur darauf, daß nach langer Pause wieder einmal eine Zeitlang sedi- mentiert oder schneller sedimentiert wurde , wodurch uns gerade zufällig jene Epoche des alten Meereslebens, jener Abschnitt der Entwicklung erhalten wurde , während der allgemeine Gang der Entwicklung unabhängig davon sich fortsetzte. finden kann. Eine Qualle oder eine Libelle wird sich kaum darauf ein- lassen; sollen sie erhalten bleiben, so müssen sie durch Sediment zuge- deckt werden, und dieses wird sich wohl auf alles, auch auf die Saurier, gebreitet haben. Jedenfalls ist zur Bildung einer immerhin mehrere Meter mächtigen Schicht Zufuhr von Schlamm nötig: es wurde sedimentiert — und ob schnell oder langsam, ob ganz gleichmäßig oder mit Unter- brechungen, das ist hier die Frage. 1 Wepfer, Zweck enger Artbegrenzung etc. — Ob die Hectico- ceraten als Steinkerne oder als Schalenexemplare erhalten sind, spielt dabei keine Rolle, da die Auflösung der einstigen Schale eines Steinkernes ein epigenetischer Vorgang ist, d. h. nach der Eindeckung des Gehäuses vollendet wird. 110 E. Wepfer, Ein wichtiger Grund So — meine ich — ist die plötzliche Verbreitung gewisser Formen aufzufassen; sie ist gar nicht so plötzlich, sondern verhältnismäßig plötzlich tritt eine Sedimentationsphase ein, die uns jenes Glied des Lebens zufällig erhält. — Daß Wanderungen existiert haben, ist selbstverständlich, aber ihren Weg festzulegen, ist mißlich und scheint mir in diesem Zusammen- hang unwesentlich. Die Lebewesen sind gewandert, d. h. sie haben sich ausgebreitet, von woher?' — diese Feststellung kann jeder neue Fund wieder umwerfen; zumal will mir jeder solche Versuch angesichts des entwickelten Gedankengangs als ein Ver- such mit ' untauglichen Mitteln erscheinen. In diesem Zusammenhang mag man sich einer Auffassung erinnern, die sich in einem älteren Lehrbuch 1 findet, daß nämlich eine größere Menge von Fossilien uns nicht so sehr ein reiches einstiges Leben beweise, sondern zunächst vielmehr nur ein reichliches Sterben. Dieses Absterben braucht nicht mit einem Schlag gekommen zu sein, sondern es ging ganz all- mählich, Hand in Hand vielleicht gerade mit der reichlicheren Sedimentation; entweder die neue Sedimentationsphase schuf neue Lebensbedingungen , denen manche Organismen nicht gewachsen waren, oder vermehrte Sedimentbildung und vermehrte Todesfälle führen auf eine gemeinsame Todesursache zurück. So erscheint uns etwa die fossilreiche Hecücoctras- Schicht durchaus nicht als der Repräsentant einer besonderen Blütezeit jener Tiere, sondern im Gegenteil nur als eine Phase : hier starben die Tiere in Menge ab und blieben uns erhalten, während sie vorher schon lange Zeit gelebt haben mögen , ohne uns wegen des mangelnden Sedimen- tierungsmaterials erhalten zu bleiben. Beobachtungen darüber, ob große und kleine, d. h. ausgewachsene und noch jugendliche Exemplare beieinander liegen, müßte unsere Vorstellungen in dieser Richtung noch mehr klären 2. Ähnlich verhält es sich mit den Ichthyosauriern des Lias e; ihre Sterbezeit oder eine Sterbezeit fällt in die Zeit der Ablage- rung der an ihren Skeletten reichsten Schichten. Wir gewinnen so die Vorstellung, daß nicht die Hecticoceras-Bänke des oberen Doggers die Hecticoceras- Zeit selbst repräsentieren , sondern nur einen — eventuell den letzten — Abschnitt davon. Die Haupt- blütezeit des Stammes war vielleicht schon vorbei, ohne uns Reste zu hinterlassen, und wir kennen die Vorfahren der uns erhaltenen Formen nicht. Feststellungen über die Art des Vorkommens von 1 Der Titel ist mir entfallen und hier — im Feld — nicht fest- zustellen. 2 Ich bin mir hierbei bewußt, daß man kleine Formen nicht immer ohne weiteres als Jugendexemplare ansprechen kann. für die Lückenhaftigkeit paläontologischer Ueberlieferung. 211 Fossilien, ihre Menge, ihre Erhaltung müßten in dieser Hinsicht eventuell nähere Anhaltspunkte für jeden einzelnen Fall ergeben. — Nicht als ob etwa die Hecticoceraten schon im unteren Dogger oder die Ichthyosaurier des Lias e schon im a und mittleren Lias gelebt haben könnten, und nur in der fossilführenden 6-Zeit haufen- weise gestorben seien — nein, diese Tiere sind typisch für die Formation, in der wir sie finden; nachdem aber die letzten fossil- führenden Schichten des Lias d abgelagert waren, und bevor wir die tiefsten fossilführenden ^-Schichten treffen , ist eine gewisse Zeit vergangen, von der wir nicht wissen, wie lange sie gedauert hat, alias , wie schnell , mit welchen Unterbrechungen sedimentiert worden ist. In diesem Zeitraum hat das Leben gewiß nicht plötz- lich aufgehört, sondern es werden auch Tiere gelebt haben, von denen wir aber eben gar nichts überkommen haben, da sie infolge zu langsamer oder gänzlich fehlender (Schichtfugen !) Sedimen- tierung gänzlich aufgelöst worden sind. Es gibt freilich Sedimente, die wir aus unserem Gedanken- gang bis zu einem gewissen Grad ausschalten und gesondert be- trachten müssen; es sind diejenigen ausgesprochenen Strand- bildungen und ein großer Teil der Seicht wasserbildungen, die das Gemeinsame haben, daß sich innerhalb ihrer Ablagerungen keine weltweit verbreiteten Zonen nachweisen lassen: dahin gehört vor allem ein großer Teil der Tertiär- und jüngeren Bildungen, vor allem die jüngsten marinen Ablagerungen an zahlreichen Küsten der Kontinente. Gerade in der Nähe des Strandes können die Verhältnisse örtlich und zeitlich schnell wechseln : starke Zufuhr von Süßwasser verhindert etwa die Ausbreitung marinen Lebens oft auf ziemliche Entfernung. Überhaupt lehrt die Erfahrung, daß man am Ufer von Meeresteilen, die gewiß nicht arm an Leben sind, oft lange vergeblich nach irgendeinem angeschwemmten Lebe- wesen suchen kann, während es anderswo davon wimmelt ; es sind Folgen örtlich wechselnder und ineinander greifender Faktoren: des Salzgehalts des Meeres, von Strömungen, seiner Temperatur usf. Es ist gewiß von hohem Interesse, diese besonderen Be- dingungen einer Organismenanhäufung am Strande stets im Auge zu behalten. Beobachtungen an jetzigen Stranden sind wissens- wert, denn Strand und Strandzone sind eben für uns das einzige schmale Band, in dem eventuell eine für uns beobachtbare Sedimentierung statthat , und daher müssen wir unser Augenmerk auch darauf richten, wenn wir die tatsächlich vorhandenen fossilen Strandbildungen verstehen wollen. Aber in den weltweit verbreiteten Horizonten, wie in Jura, Kreide und anderswo, treffen wir ja gerade auf eine Gesetzmäßigkeit, wie sie unter den wechselnden Verhältnissen am Strand gar nicht zustande kommen könnte. Die zahlreichen Spezialfälle an Küsten : Anschwemmung 112 E. Wepfer, Ein wichtiger Grund für die Lückenhaftigkeit etc. von zahlreichen Organismen auf der einen, Fehlen jeglichen Lebens auf der anderen Seite, überhaupt Fazieswechsel auf kürzeste Ent- fernung in petrograpliischer und paläontologischer Beziehung, können fossil — außer an den in der italienischen Literatur treffend „panchine“ genannten Bildungen — als Transgressionen er- scheinen, wie etwa derjenigen des Mainzer Meeressandes über die Dyas. Hier ist sozusagen jeder Quadratmeter des rot- liegenden Festlandes einmal Strand gewesen; es geht aber wohl nicht an, derartige vorrückende Strandzonen oder - b ä n d e r etwa mit den flächenhaft weit verbreiteten Murchisonae- Sandsteinen, die so oft als „Strandbildung“ deklariert werden, oder gar mit der Callovien-Transgression ohne weiteres zu vergleichen. Hier ist nicht jeder Quadratmeter einmal Strand gewesen, sondern schon vorher im mittleren Dogger ist das Ver- breitungsgebiet des Callovien zum größten Teil bereits Meer ge- wesen ; nur wo diese Stufe über ältere Formationen transgrediert, kann es Strand gewesen sein. Somit kann die riesige Kelloway- „ Tafel“ unmöglich als Strandbildung aufgefaßt werden. — Im Gegensatz hierzu können bei Regressionen Strandbildungen entstehen ; aber auch hier mit einer Einschränkung : nur wenn die als Strandbildung bezeichnete Zone den Abschluß einer Schicht- serie nach oben bildet, und gar nicht mehr, oder erst später wieder der Schauplatz von Sedimentierung aus Wasser wird. Ein Bei- spiel hierfür bieten die Absätze des oberen Malm im südwest- deutschen Jura ; hier kehrt denn auch die große Mannigfaltigkeit der Fazies wieder. Es liegt auf der Hand , wie vorsichtig man mit der Bezeichnung „Strandbildung“ eigentlich sein müßte. — Worauf es aber in diesem Zusammenhang ankommt, das ist ganz allgemein die Betonung aller der erwähnten möglichen Besonderheiten gegenüber der paläontologischen Übereinstim- mung der weltweit verbreiteten Zonen , im besonderen aber die Feststellung, daß bei wirklichen Strandbildungen in noch erhöhterem Maße als im offenen Meer Zusammenschwemmungen von toten oder lebendigen Organismen (Muschelhaufen der Nord-, Ostsee, italienischer Küsten u. a. m.) stattflnden, d. h. die Tiere können anderswo gelebt und geendet haben, als wo wir ihre Reste heute finden, so daß wir aus einem massenhaften Auftreten in fossilem Zustand in diesem Fall nicht an ein „großes Sterben“ denken dürfen. Ähnliche Einschränkungen gelten für die Be- urteilung von Fossilvorkommen in Knollen, wie etwa im Opalinus- Ton, in den S^waf^s-Schichten mancher Gegenden, den Posidonien- schichten u. a. Es ist ja überhaupt die Frage, inwieweit Verfrachtungen von Organismen, auch nach ihrem Tode, bei solchen Betrach- tungen berücksichtigt werden müssen. Meines Erachtens spielen sie gar keine Rolle; sollte jemand das Ausmaß, das sie erreichen Besprechungen. 113 können, für sehr groß halten, so würde diese Annahme zunächst nur den bisherigen Feststellungen über Wanderungen unbequem werden. Daß sich im übrigen verfrachtende Strömungen und Wanderungen innerhalb des Rahmens einer Zone abspielen , das ergibt sich aus der Horizontbeständigkeit der leitenden Fossilien ; und wenn das klumpen- und nesterartige Vorkommen von Fossilien uns eine gewisse Zusammenschwemmung annehmen läßt, so steht dem trotzdem der Begriff einer oder mehrerer Sterbe- bezw. stärkeren Sedimentierungsperioden, deren Ergebnis wir in Gesamt- heit etwa als „Opalinus-“ oder „Spinatus- Zone“ bezeichnen, keines- wegs entgegen. Naturgemäß ist nun eine brennende Frage die , worin nun eigentlich eine solche reichlichere Sedimentationsphase, die sich gemeinhin auf weitere Entfernungen erstreckt, d. i. die Bildung einer paläontologisch definierbaren Zone, ihren Grund hat. Damit treten wir aber in ein Revier, über das meines Wissens zuerst Pompeckj vor einigen Jahren in einem Vortrag gesprochen hat1. Bleiben wir im bisherigen Rahmen, so finden wir vielleicht das richtigste Verständnis für die ungemein zahlreichen Lücken inner- halb unseren paläontologischen Entwicklungsreihen in der Auf- fassung, daß uns aus der langen Kette des Lebens nur ab und zu infolge rascher, verhältnismäßig plötz- licher Sedimentierung gewisse Abschnitte ausnahms- weise und zufällig erhalten sind. Besprechungen. Josef Blumrich: Die Minerale der Iser wiese und ihre Lagerstätte. 48 p. Mit 2 Bildern und 1 Karte. Mittei- lungen des Vereins der Naturfreunde in Reichenberg. 42. Jahrg. 1915. Diese Schrift ist die ausführliche Bearbeitung des Gegen- standes, worüber im Jahr 1912 vom selben Verf. eine vorläufige Mitteilung erschien (im 17. Jahresberichte des Staatsgymnasiums in Bregenz : Die Minerale der Iserwiese). Die Neubearbeitung hat außer durch weitgehende Berücksichtigung der Literatur an Voll- ständigkeit dadurch gewonnen, daß einerseits neben einem reich- licheren eigenen Untersuchungsmateriale des Verf.’s auch die Iser- wiese-Minerale des böliin. Landesmuseums in Prag und des Vereins der Naturfreunde in Reichenberg mit in den Kreis der Betrach- 1 Ich habe den Vortrag selbst nicht gehört, und es ist mir leider im Felde nicht möglich, festzustellen, ob darüber inzwischen Literatur entstanden ist. Centralblatt f. Mineralogie etc. 19 t fi- 8 114 Besprechungen. tung gezogen worden sind, andererseits durch Grabungen die un- gefähre Ausdehnung der edelsteinfiilirenden Ablagerung inzwischen ermittelt werden konnte. Als Fundort von Edelsteinen kommt nur die Kleine Iserwiese in Betracht, nicht die benachbarte Große, was im 18. Jahrhundert nicht streng unterschieden wurde und daher unliebsame Enttäuschungen zur Folge hatte. Das Hochtal der Kleinen Iserwiese, um 850 m ii. d. M. ge- legen, wird von der Kleinen Iser durchflossen; der felsige Unter- grund auch ihrer weiteren Umgebung ist Isergebirgsgranit mit grauem Quarz, rotem Orthoklas und schwarzem Glimmer, nur der Buchberg am unteren, östlichen Talausgange besteht aus Basalt (rhönithaltiger Nephelinbasalt). Im Kleiniserbett steht der Granit nur stellenweise an, woselbst zahlreiche, verschieden starke Quarz- gänge, z. T. drüsig und Roteisenerz führend, und ein chloritisch verwitterter, dünner Minettegang sichtbar ist. Die Talsohle be- decken kiesig lehmige Ablagerungen , bestehend aus den Ver- witterungsprodukten des Granites. Diese Ablagerungen sind der Hauptsache nach diluvial, wie namentlich ihre stark lehmige Be- schaffenheit und der Mangel einer Schichtung beweist sowie auch der Umstand, daß vereinzelte größere Granitplatten, wie sie auf den benachbarten Bergkämmen beobachtet werden, eingebettet liegen. Etwas oberhalb der Einmündung des Saphirflössels in die Kleine Iser befindet sich ein guter Aufschluß der Ablagerung, da, wo der Fluß ein starkes Knie bildet und seine Stoßkraft bei höherem Wasserstande eine Berasung des rechten Steilufers nicht zuläßt. Die Ablagerung besteht aus sandig-lehmigem Granitgrus mit zahlreichen verschiedenfarbigen Quarzgeschieben und spärlichen faust- bis kopfgroßen Granitgeröllen, welche gleichmäßig verteilt sind, so daß eine Schichtung nicht zustande kommt. Das sandig- lelimige Zwischenmittel der Uferwand enthält vereinzelte, kaum erbsengroße schwarze Iserinkörner. Diese reichen bis nahezu 2 m über den normalen Wasserstand, darauf folgt eine 6 cm dicke, sandig-lehmige Lage, frei von Iserinen und Quarzgeschieben, welche die Rasendecke trägt; sie ist als Alluvialgebilde aufzufassen, während die tiefere Lage, soweit sie Iserine und reichliche Quarzgerölle führt, als diluvial anzusehen ist. Ihre untere Grenze ist nicht erschlossen, da jedoch der Bach an den tiefsten Stellen hier 1 m Wasser führt, ohne daß der felsige Untergrund sichtbar wäre, so darf man ihre Mächtigkeit auf gut 3 m veranschlagen. Etwa 1 m über dem Wasserspiegel wird diese diluviale Schicht von einem langwellig verlaufenden schwarzen JBande durchzogen, das nach unten scharf abgegrenzt ist, während es nach oben hin einen rostigen Hof hat. Es bestellt aus inanganreichem Brauneisenerz (Sumpferz) und trennt vermutlich 2 verschiedenaltrige Lagen einer Grundmoräne, wäre demnach der Zeit seiner Entstehung nach inter- glazial. Besprechungen. 115 732 g einer iserinreichen Kiesprobe, unterhalb des schwarzen Bandes der Uferwand entnommen, wurden geschlemmt. Sie ergab 63 g Lehm und 104 g feinen Sand, reich an gelben, verwitterten Glimmerschüppchen und schwarzen Splittern von magnetischem Eisenerz; der Rest enthielt 27,7 g teils magnetische, teils un- magnetische „Iserine“, 2 Zirkone, 2 etwa 1 mm große Oktaeder von Titanmagneteisen, 6 kleine Täfelchen von Iserin und viele weiße, stark kaolinisierte Feldspatstückchen. Eine Anzahl roter Feldspat- und grauer Quarzsplitter haftete am Magneten, da sie mit Teilchen von magnetischem Eisenerz fest verwachsen waren. Nur von der Aufschlußstelle flußabwärts führt die Kleine Iser in ihrem Sande Iserine und Edelsteine. Der Sand des Saphir- flössels, in dem noch vor 25 Jahren Iserine und Edelsteine ge- funden wurden, ist zurzeit leer, obwohl es, wie 2 Grabungen ergeben haben , die iserinhaltige , edelsteinführende Ablagerung quer durchschneidet. Die unter Leitung des Yerf.’s durchgeführten Grabungen haben ergeben, daß die iserin- und edelsteinführende Ablagerung vom Sapliirflössel an 250 m Kleiniseraufwärts sich erstreckt bei einer mutmaßlichen Breite von reichlich 70 m gegen den Fuß des Welschen Kammes zu; ihr Flächenausmaß kann demnach mit rund 200 a eingeschätzt werden. Sie liegt am rechten Ufer der Kleinen Iser und ist von ihr angeschnitten worden, wodurch der Sand dieses Flusses, von der Aufschlußstelle an bis gegen den Buchberg hin, seinen Gehalt an Iserinen und Edelsteinen gewonnen hat. Nur vermutungsweise greift diese Ablagerung unterhalb der Mündung des Saphirflössels auch auf das linke Ufer der Kleinen Iser über in Gestalt eines schmalen, erhöhten Uferstreifens. Aus den Edelsteinseifen der Iserwiese, der diluvialen Ab- lagerung und den Alluvionen, erscheinen bisher 32 Minerale sicher nachgewiesen, nämlich außer den Bestandteilen des Granits (rotem Orthoklas, Oligoklas, grauem Quarz und Biotit) Titanmagneteisen, Iserin (Ti tan eisen), schwarzer Spinell, Brauneisenerz, Psilomelan, Rauchquarz, ein derbes chloritisches Mineral, Zirkon mit Hyazinth, Rutil, Roteisenerz, roter Jaspis, Saphir, gemeiner Korund, Amethyst, grüner Saphir, Sericit, Bergkristall, Kaolin, Schwefelkies, ferner die 4 seltenen Mineralarten des Museums der Naturfreunde in Reichenberg: Rubin, edler Spinell, Smaragd und Axinit (?), dann Niobit, Nigrin (Iserit) und blauer Spinell (beschrieben und analy- siert von Janovsky, Belegexemplare waren nicht zu erfragen), end- lich grüner Turmalin (beschrieben von Websky) und schwarzer Turmalin (angegeben von A. Reuss). Zweifelhaft sind 8 (Hessonit, Granat, Cuprit, Karneol, Sar- donyx, Türkis, gelber Topas und Gold), unmöglich die in älteren Schriften angeführten 3 Minerale : Diamant, Olivin und Silber. Gerade bei den besseren Mineralen wirkt die Kleinheit ihrer 116 Besprechungen. Individuen recht ungünstig; die meisten schwanken in ihrer Größe zwischen 1 — 5 mm, seltener sind Stücke von 5 — 10 mm und solche über 1 cm Länge und entsprechendem Gewicht von ein bis mehreren Gramm gehören zu den großen Seltenheiten. Je nach ihrer Farbe und Häufigkeit finden die Minerale in 5 Gruppen eine nähere Be- sprechung : a) schwarze Minerale, gewöhnlich mit dem Sammelnamen „Iserine“ bezeichnet, b) rote Minerale, die Bubine der Sammler, c) blaue, d) grüne, e) weiße und gelbe. Weitaus am häufigsten sind die sogenannten Iserine, welche an manchen Stellen der Kleinen Iser fast die Hälfte des Sandes aüsmachen. Die nicht sortierten Körner, welche als „Iserine“ in die Sammlungen gelangen, gehören drei verschiedenen Mineral- arten an ; von einer größeren Gewichtsmenge entfallen -f auf Titan magneteisen, -j1^ auf schwarzen Spinell, der Rest auf den sehr schwach bis unmagnetischen I s e rin. Äußerlich ist an Körnern von Iserin und Titanmangneteisen kein Unterschied wahrzunehmen; sie sind zugerundet und mattgeschliffen, ohne deut- liche Kristallform, meist zwischen 2 mm und 1 cm lang und selten 1,5 g schwer. Sie weisen alle möglichen Abstufungen ihres Magnetismus auf von stark magnetisch bis unmagnetisch, auch die Dichte ist recht schwankend (zwischen 4,755 und 4,554), so daß die Grenze zwischen beiden ziemlich willkürlich erscheint. Der Yerf. rechnet jene Körner zum Titanmagneteisen, die mittels eines starken Hufeisenmagneten von 1 kg Tragkraft noch herausgehoben werden konnten. Auch bei diesen ist der Magnetismus noch recht verschieden, ebenso wie die Dichte, 4,755 — 4,722, im Mittel 4,735 für stark magnetische und 4,732 — 4,684, im Mittel 4,716 für schwach magnetische. Beim Iserin schwankt die Dichte zwischen 4,718 und 4,554 (Mittelwert 4,648). Das Pulver beider Mine- rale ist in kochender Salzsäure nicht völlig löslich (im Gegen- sätze zu den bis nußgroßen, schaligen Magnetitkörnern des Basaltes vom Buchberge mit der Dichte 4,837) ; stark magnetische Körner hinterlassen einen geringeren, unmagnetische einen größeren Rück- stand von Ti02. Mit Berücksichtigung der Angaben und Analysen nach Hintze und Janovsky kann im allgemeinen als gesichert gelten, daß bei den „Iserinen“ mit steigendem Gehalt von Ti02 Dichte und Magnetismus abnehmen. An stark magnetischen Körnern ist gelegentlich eine glatte, kaffeebraune Rinde von Rutil wahrnehmbar, die wohl als Aus- scheidung von Ti02 anzusehen ist, beziehungsweise als „Ent- mischungspseudomorphose“, wie dies Pelikan bei walliser Ilmeniten genannt hat. Einzelne „Iserinkörner“ und Pleonastkristalle zeigen runde Löcher, wie von Einstichen herrührend, wahrscheinlich Ein- drücke angrenzender Minerale, etwa von Zirkonkristallen des Muttergesteins. Vom schwarzen Spinell werden außer unregelmäßigen Besprechungen. 117 Bruchstücken recht häufig oktaedrische Kristalle gefunden; sie sind jedoch meist zerbrochen und verzerrt. Die größten Stücke zeigen keine Kristallflächen und wiegen 2- — 4 g, übertreffen also an Ge- wicht die „Iserine“, sowie die anderen besseren Minerale der Edel- steinseifen. Zum Schleifen für Schmucksteine sind sie hervorragend gut geeignet. Die übrigen schwarzen Minerale treten an Menge gegenüber den besprochenen außerordentlich zurück. Von dem interessanten Niobit, den Janovsky seinerzeit unter Iserinkörnern entdeckt und auch analysiert hat, ist seither kein Exemplar mehr gefunden worden, ebensowenig wie vom blauen Spinell. Schon wesentlich seltener als die schwarzen sind die roten Minerale; unter diesen ist der Zirkon am häufigsten, namentlich in Form 1 mm großer Splitter. Verhältnismäßig oft werden mehr oder minder abgerollte Kristalle beobachtet, zumeist gestreckte Säulen der Kombination ocP . P und ooPoo . P ; sie sind auffallend vollkommen spaltbar nach dem Prisma, wie die von A. Schmidt beschriebenen südaustralischen Zirkongerölle. Nur die kleinen, abgerundeten Splitter und viele Kristalle sind schön gelbrot bis kirschrot (Hyazinthe, d = 4,673), die größeren Stücke, bis 1 g und selbst über 3 g schwer, hingegen weißlichgrau bis graugelb und trüb (d = 4,688). Durch Glühen entfärben sich alle sehr schnell, und zwar bleibend. Rubine von der Iserwiese sind nur wenige bekanfit; fünf besitzt das Reichenberger Museum der Naturfreunde , darunter einen 4 X 2,5 x 2,5 mm großen, schön roten Kristall, das Frag- ment einer kaum abgerollten, steilen, quer zerbrochenen Pyramide mit vorwaltender Form z ==■ 4P2, auf 3 Seitenflächen und der Basis als Absonderungsfläche Zwillingsstreifung nach R. Edier Spinell ist bloß im Reichenberger Museum ver- treten : 3 Rubinspinelle, davon ein 4 mm hohes, halbes, nicht ab- gerolltes 0 und 6 Ballasrubine, nämlich 5 Splitter und ein präch- tiger Zwilling nach dem Spinellgesetz, 4x3x3 mm groß. Das Hauptmineral der Iserwiese war seit jeher der Saphir, der in vielen größeren Sammlungen enthalten ist ; er wird noch weit seltener als der Zirkon gefunden. Nach den Erfahrungen des Verf.’s stellt sich das Häufigkeitsverhältnis der drei wichtigsten Minerale der Iserwiese „Iserine“ : Zirkone : Saphir annähernd wie 10 000: 10: 1. Der Saphir tritt hier in verschiedenen blauen Farbennuancen und verschiedenem Grade der Durchsichtigkeit auf. Rein blaue sind verhältnismäßig selten ; ihr Dichroismus o korn- blumenblau, e indigoblau; meist ist der blauen Farbe bei durch- sichtigen Stücken ein grüner Ton bei gemischt. Solche sind stark dichroitisch (o kornblumenblau, e meergrün). Auch ganz grüne werden gefunden, welche dem bloßen Auge nach einer Richtung grün, nach der anderen blau erscheinen ; bei diesen ist o körn- 118 Besprechungen. blumenblau, e gelblichgrün. Die blaue Farbe ist bei durch- sichtigen Stücken nicht gleichmäßig verteilt , sondern schlierig. Schwarzblaue und dabei undurchsichtige, also „tintige“ Saphire waren schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts von der Iserwiese bekannt. Alle Exemplare sind mehr oder weniger abgerollt, ver- hältnismäßig nicht gar selten sind sechsseitige Prismen und Bruch- stücke sechsseitiger Pyramiden, hie und da mit zarter Zwillings- streifung auf den Absonderungsflächen nach der Basis. Schön blaue, dabei durchsichtige und etwas größere schleifwürdige Stücke sind selten. 4 Karat kann jedoch nicht, wie Zippe angegeben hat, als 'Höchstgewicht gelten. Das böhmische Landesmuseum besitzt solche von 7 und 9 Karat und auch jetzt noch werden gelegentlich, wenn auch nicht jedes Jahr, etwa 10 Karat schwere Stücke gefunden. Von Doelter wurden auch Saphire von der Iserwiese auf ihr Verhalten gegen Kadiumstrahlen geprüft; im Gegensatz zu solchen anderer Herkunft, welche sich dabei violett färbten, behielten diese ihre Farbe unverändert bei. Die schön grünen Saphire, also orientalische Smaragde, sind auf der Iserwiese recht selten , doch kommt hier auch der echte Smaragd, wenn auch als sehr große Seltenheit, vor. Das Eeichenberger Museum besitzt hievon ein 4x4x3 mm großes Bruchstück eines der Länge nach halbierten Kristalles mit grauem, trübem Kern und dünner, schön smaragdgrüner, durchsichtiger Kinde. ‘Ein anderes, blaß bläulichgrünes Mineral der genannten Sammlung gehört vielleicht zum Axinit(P). Es ist ein flaches Bruchstück eines 3x2x1 mm großen Kristalles mit neun schmalen Flächen, anscheinend der Kombination P . 1 . u . s und v . P . u . s . x. Von der Gruppe der weißen und gelben Minerale ist nichts Be- merkenswertes anzuführen. Durch die Mannigfaltigkeit ihrer Minerale erinnert die Iser- wiese sehr an die Edelsteinseifen auf Ceylon, mit denen sie außer dem Saphir und Zirkon eine ziemliche Anzahl Minerale gemein hat, namentlich aber den Keichtum titanhaltiger Eisenerze, welche auch in den Saphirseifen von Siam eine hervorragende Kolle spielen. Die Gewinnung der besseren Minerale ist seit mehr als zwei Jahrzehnten auf das Durchsuchen der Alluvionen der Kleinen Iser beschränkt. Beim Suchen nach Edelsteinen gelten die „Iserine“ als Leitminerale; je reicher an einer Stelle der Flußsand an Iserinen ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß hier auch Zirkone und Saphire erbeutet werden. Ehemals scheint hauptsächlich das Saphirflössel Edelsteine geliefert zu haben, wie schon sein Name besagt; von da stammen laut Zettels auch die erwähnten seltenen Minerale des Eeichenberger Museums. In früheren Jahrhunderten, seit 1550, als Bergleute am Buchberge auf der Iserwiese sich ansiedelten, ist offenbar die unverwaschene Lagerstätte am Saphirflössel nach Edelsteinen durchwühlt worden, Personalia. 119 wie noch jetzt Reste alter, wieder beraster Gruben erkennen lassen. Doch ist die Lagerstätte dadurch keineswegs erschöpft worden, wie Jokely meinte, zumal nur ein kleiner Bruchteil der Ablagerung durchsucht worden ist, während der größte Teil der- selben noch unberührt daliegt. Nachdem das Vorkommen von Saphir auf der Iserwiese seit mehr als 30 Jahren sehr in Frage gestellt war, hat der Verf. durch eigenhändige Funde, sowohl in den Alluvionen der Kleinen Iser wie auch in der unverwaschenen Lagerstätte, den Beweis erbracht, daß die Iserwiese tatsächlich noch Saphire birgt, und zwar, in Anbetracht der Ausdehnung der unberührten Lagerstätte, zweifellos in sehr bedeutender Menge. Das Material der Edelsteinseifen der Iserwiese , sowohl der diluvialen Ablagerung wie auch der Flußsande, besteht nur aus den Zerstörungsprodukten des Granites, beziehungsweise aus ab- gerollten Trümmern der darin enthaltenen Pegmatite, Aplite und insbesondere Quarzgänge. An der Zusammensetzung der Ablage- rung kann der Basalt des Buchberges schon aus örtlichen Gründen (seine Entfernung beträgt über 1 km) nicht beteiligt sein. Dem- nach werden auch alle darin vorhandenen Minerale nur dem Granit entstammen, obgleich der Verf. weder beim Absuchen des Bach- laufes des Saphirflössels und eines Seitengrabens , noch auch im anstehenden Gestein auf der Höhe des Welschen Kammes eines der Charakterminerale Iserin, Pleonast, Zirkon und Saphir nach- zuweisen vermochte. Für die Herkunft der Minerale aus dem Granit jedoch spricht die Verwachsung einiger derselben mit Quarz- und Feldspatsplittern, so beim Niobit (Janovsky), schwarzen Turmalin und Chlorit (A. Reuss), Titanmangneteisen, Iserin, Eisen- glanz, dichten Roteisenerz, Rutil und Sericit (der Verf). Das Material zur Bildung der Ablagerung hat ein eiszeitlicher Gletscher wohl der Nordseite des benachbarten Welschen Kammes (dem Alten Bruch der Revierkarte) entnommen, wobei wahrscheinlich die mineralreichen Schlieren und Gänge des Granites aufgebraucht wurden. Wenn noch Reste davon .übrig sind, so liegen sie heute offenbar unter den massenhaften Verwitterungsprodukten des Granites völlig begraben. J. Blumricb. Personalia. Joh. Chr. Moberg f. Am 30. Dezember 1915 starb Dr. phil. Joh. Chk. Moberg, Professor für Mineralogie und Geologie an der Universität Lund, 62 Jahre alt; die Geologie hat in ihm einen hervorragenden Silur- forscher verloren. Moberg wurde in Solberga (bei Ystad) am 11. Februar 1854 geboren; er studierte an der Universität Lund und erlangte 1884 die Doktorwürde. Von 1885 bis 1900 war er teils Dozent für 120 Personalia. Geologie, teils Paläontologe an „Sveriges geolog. undersökning“ und wurde 1900 (als Nachfolger Bernhard Lundgrens) Professor fiir Mineralogie und Geologie in Lund. Seine ersten Arbeiten be- handelten die Kreideformation Südschwedens, und in seiner Inaugural- Dissertation („Cephalopoderna i Sveriges kridtsystem. I. Sveriges kridtsystem systematiskt framstäldt.“ Stockholm 1884) gibt er eine genaue, stratigraphische Beschreibung der Oberkreide Schwe- dens; später beschrieb er auch das Lias in Südost-Schonen („Om Lias i sydöstra Skäne.“ Stockholm 1888). Sein eigentliches Arbeitsfeld aber ist Cambrium und Silur; er hat jn einer langen Reihe von Publikationen sehr wertvolle Beiträge zur Paläontologie und Stratigraphie dieser Formationen gegeben. Er hat erreicht, daß Schonen jetzt eine klassische Gegend für das Studium des ältesten Paläozoicums geworden ist. Die Arbeiten Moberg’s tragen durchgehend einen objektiven, be- schreibenden Charakter und haben fast alle die Aufgabe , die Schichtenfolge und die Fauna der sehr variierenden Ablagerungen Südschwedens aufzuklären. Nur in einzelnen Fällen beschäftigte er sich mit Fragen von mehr theoretischer Art, z. B. in „Nya bidrag tili utredning af frägan om gränsen mellan undersilur och kambrium“ (Geolog. Foren Förliandl. Stockholm 1900), wo er vorschlägt, den Dicti/ogräptus-Schieiev als Basis des Untersilur zu betrachten. Auch auf einem anderen Gebiet hat Moberg Bedeutung für die Geologie gehabt, nämlich als Organisator des geologischen Instituts in Lund. Daß dieses Institut jetzt gute, modern auf- gestellte Sammlungen und eine wertvolle Fachbibliothek enthält, ist ganz das Werk von Professor Moberg. Dieses Institut ist auch die Heimat von „Lunds geologiska fältklubb“, einer Ver- einigung, in der die Studenten lernen, wissenschaftlich zu arbeiten; schöne Resultate liegen in der Publikationsreihe „Meddelanden frän Lunds geolog. fältklubb“ vor. Diese Vereinigung ist 1892 von Moberg gestiftet worden. Der Verstorbene war ein anspruchsloser und rechtlicher Mann und für seine Freunde ein getreuer und hilfreicher Freund. Ein Verzeichnis der Publikationen von Professor Moberg findet man am besten in: Maps and Memoirs on Swedish Geology. Sveriges geolog. undersökning. 1910. J. C. Moberg, Guide for the principal Silurian districts of Scania. (Kon- greß-Führer 1910.) — Historical-stratigraphical review of the Silurian of Sweden. Sve- riges geolog. undersökning. 1910. E. M. Nörregaard. Gestorben: Am 8. Februar 1916 Dr. Theodor Brandes, Privatdozent der Geologie und Paläontologie in Leipzig, an den Folgen eines Unfalles, den er im September 1915 als Flugschüler erlitten hatte. A. Johnsen, Die Deformation der Raumgitter etc. Original-Mitteilungen an die Redaktion. Die Deformation der Raumgitter durch Schiebung» I. Rationale Paare von Schiebnngselementen. K] und K2 seien die beiden Kreisschnittsebenen einer ein- fachen Schiebung, a j und 3 positive ganze Zahlen sind, so ergibt sich (3 , p/ ^ D(hu -f k v + 1 w)3 o2 {>?, Aus (2) und (3) folgt (4) p, n2 p3ss (hu-fkv + 1 w)3. Da die Koeffizienten e, f, g der Gleichungen (l) unendlichfach variabel sind, so ist jeder der Faktoren Qi , q2, der größte gemeinsame Teiler der neun Ausdrücke hu — kv — lw, 2ku, 21 u, kv — lw — hu, 21v, 2hv, lw — hu — kv, 21iw und 2kw, woraus folgt, daß ^ fff Q2 ~ Q?> 5 ist (5) p, = p2 — o3 = h u + k v + 1 w. Folglich ergibt sich, wenn z, , z2, . . . . z9 neun relativ prime Zahlen bedeuten, hu — kv — lw 2 ku 2 1 u h u -f- k v -j- 1 w Zl ’ li u k v -f- 1 w Za’ hu-j-kv-J-lw k v — 1 w — ll u 21 v 2 h v h 11 + k v -j- 1 w hu-J-kv + lw s’ h u -J- k v -f- 1 w 1 w — hu — k v 2 li \v 2kw 11 11 -f-. Jk v -§-4 w liu-f kv-f lw h u -f- k v -j- 1 w Die neun Gleichungen (6) bilden die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür, daß das Gitter durch die Schiebung in sich deformiert wird. II. Mögliche Gitterarten und mögliche Gitter. Sollen die Gleichungen (6) für eine tatsächliche oder für eine angenommene Schiebung einer Kristallart aufgestellt werden, so ist aus den 14 Gitterarten jede mit der Symmetrie der Kristallart verträgliche auszu wählen ; Tx bedeute eine solche Gitterart. Nun seien (h' k'l') und [u'v'w'J die üblichen kristallographischen Sym- bole eines rationalen Paares von Schiebungselementen, (pj pj pj), (Pi Pa P3) uncl (Pi P2 pj) diejenigen der Flächen eines primitiven Parallelepipedons 17 von Tr und schließlich (q1q2q3) dasjenige einer Fläche, welche auf den Kantenrichtungen von 77 die Gitter- parameter Tx, Ty, tz abschneidet. Man transformiert jetzt die Indizes auf das primitive Parametertripel tx, Ty, tz, so daß (pj p2 pj), (p j Pg Pg), (p^ p2 P3) und (qt q2 q3) der Reihe nach übergehen in (100), (010), (001) und (111). Hierdurch werden (h'k'l') und [u'v'w'J in (hkl) und [uvw] transformiert, und es ist1 (A,) : k : 1 h' p2 pa 1 Th. Lif.bisch, Geom. Krist. Wiss. V. 1. p. 411. 1906. 1 pHPp3 ] p1 p2 h< ! % ‘ ß3 ’ Leipzig 1881. 5. Kap. ; Encykl. d. math. Die Deformation der Kaumgitter durch Schiebung. 123 (A2) u : v : w = Ri (pi u' + p* v' + Pi w') : R:i (p? u' -f vl v' + pf. w') : R ‘u (Pi u ' + P» v7 + PS w')- In (Ax) und (A2) ist R, = pV!, R2 — ■ | P 1 flo P3 > R3 4i Pi P? Pi h' pf pV q3; und ! q, ,pV = | Ü2 Vl P* 1» pMi' p3 1 = ; vl k' pg etc. q3 vl pi Ps 1' Pa Die den Indizes h, k, 1 bezw. u , v, w proportionalen Aus- drücke von (Ax) und (A2), welche bestimmte Funktionen der un- bekannten p- und q- Werte darstellen, werden in (6) eingesetzt. Die Bedingung, daß zx bis z9 in (6) relativ prim sein sollen, ergibt entweder kein rationales Paar (hkl), [uvw] oder endlich viele oder unendlich viele. Im ersten Falle wird kein Gitter der betrachteten Art durch die gegebene Schiebung in sich deformiert, im zweiten Falle endlich viele Gitter, im dritten unendlich viele; diese Gitter, einer und derselben der 14 Gitterarten augehörig, unterscheiden sich durch ihre individuellen Konstanten. Jedes der verschiedenen rationalen Paare (hkl), [uvw], die sich aus (6) ergeben, liefert in folgender Weise ein einziges schiebungsfähiges Gitter der betrachteten Gitterart. Durch (6) erhält man für jedes p und für jedes q eine Anzahl n von ver- schiedenen, mehr oder weniger bestimmten Werten; die zusammen- gehörigen Werte bestimmen jedesmal ein rationales Paar (hkl), [uvw], dessen Indizes bestimmte Funktionen jener p- und q- Werte sind. Die letzteren ergeben ohne weiteres die üblichen kristallo- graphischen Symbole (p[ p* p*), (pj p* pj), (pj p \ pjj) und (q, q2 q3) der Flächen eines primitiven Parallelepipedons und einer Einheits- fläche eines Gitters der untersuchten Gitterart. Je nachdem jene p- oder q-Werte ganz oder teilweise bestimmt sind, ist das Gitter ganz oder teilweise definiert. III. Folgerungen. Macht man zwei konjugierte Gitterlinien innerhalb (hkl) zur Y- und Z- Achse und eine zu (hkl) konjugierte Gitterlinie zur X-Achse, so ist in (6) h = jlj, k = 0, 1 = 0 zu setzen, woraus folgt (I) hu-|-kv-f-lw = entweder + i oder + 2 Die Gleichung (I) sagt in W7orten: Irgend zwei konjugierte Parameter parallel (hkl) und der Parameter parallel [uvw] bilden stets die drei Kanten eines entweder primitiven oder einfach zen- trierten Gitterparallelepipedons. Dieser auf anderem Wege von Wallerant1 gefundene Satz ergibt sich also unmittelbar aus 1 F. Wallerant, Bull. Soc. frang. Miner. 27. p. 169, 1904. 124 A. Johnsen, unseren Gleichungen (6), gestattet aber im Gegensatz zu den letzteren nicht, die einer gegebenen Schiebung fähigen Gitter ab- zuleiten. Aus (I) lassen sich noch zwei allgemeine Folgerungen ziehen ; bezeichnen wir die ein rationales Paar bildenden Schiebungs- elemente (hkl) und [uvw] zur Abkürzung mit K und o, so gilt: (Ia). In keiner II o verlaufenden Gitterebene E darf die Richtung ihres kleinsten Parameters innerhalb des spitzen Win- kels liegen, den die Spuren der beiden Kreisschnittsebenen in E bilden. (II b). In keinem Gitter darf die Richtung des kleinsten Parameters in dem spitzen Winkel der beiden Kreisschnitts- ebenen liegen. Existieren zwei rationale Paare von Schiebungselementen, also Kj =.(ht k, 1,), o2 = [u2 v2 w2] , sowie K2 = (h2 k2 12), Oi = [Ul Vi Wil so sind vier Fälle zu unterscheiden: (I«) hj u2 + lq v2 + \ w2 = | h2 Uj + k2 vt + 12 w1 = \ 1 [. Das Netz in Kx und dasjenige in K2 sind beide rechtwinklig; K1? K2, S, wo S die „Ebene der Schiebung“ ist, sind Flächen eines primitiven Parallelepipeds. (Iß) jht u2 + kj v2 + ]1 w2| = h2 Uj -f k2 v, + 12 w, | = |2j. Entweder ist das Netz in Kx sowie dasjenige in K2 recht- winklig und bilden Kp K2, S die Flächen eines entweder raum- zentrierten oder in S zentrierten Parallelepipedons ; oder aber das Netz in Kj sowie dasjenige in K2 besteht aus Rhomben, und Kp K2, S sind Flächen eines in K, und in K2 zentrierten Parallel- epipeds. (1^) !h, + K v2 + w2 = 1 . Aui + k2 + V.wil = ;2i- Das Netz in Kj besteht aus Rhomben, dasjenige in K2 aus Rechtecken, und Kp K2, S bilden die Flächen eines in Kj zen- trierten Parallelepipedons. (I d) | hj u2 -j- kx v2 4- \ w2 j — 2 1, | b2 u, + k2 Vj + 12 wi Wr I1 • Die für Kt und K2 in (ly) gegebenen Charakteristiken sind gegeneinander vertauscht. Also gilt allgemein: Gehorchen hp kp lp u2, v2, w2 der Gleichung (I), so wird diese auch von h2, k2, 12, ul5 vp wx be- friedigt. IV. Beispiele. Im folgenden sollen einige schiebungsfähige Kristallarten den Formeln (6) unterworfen werden. Die Deformation der Raumgitter durch Schiebung. 125 1. Kalkspat. a) Die rhomboedrischen Gitter. Wir verwenden zunächst die BiiAVAis’schen Symbole unter Weglassung des zweiten Index. Die zweite Kreisschnittsebene heißt dann (111), die Gleitrichtung [111]. Die Flächen des un- bestimmten Rhomboeders [nnl] bilden ein primitives Parallel- epipedon, dessen Kanten drei konjugierte Parameter eines rhombo- edrischen Gitters darstellen und daher zu Koordinatenachsen X, Y, Z gewählt werden dürfen; die Basis (001) schneidet auf X, Y, Z deren drei Parameter ab, wird also zur Einheitsliäche. Mithin sind in (Aj) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (Pi P2 P3) ':= {pj'rc A), (vlvlvl) = (nOX), (p"p2pj) = (OttA), (q1q2q3) = (oOl), (h'k' 1') — (111) und [u' v' w'] == [lll]. Dann ergeben jene Gleichungen (hkl) = (2 A + n || n — / tt — /) 1 und [uvw] = [Ä -j- 2 Tr ||A — n\\ Z — • n]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in die neun Gleichungen (6) ein, so nehmen diese die folgenden Formen an: 4 -f k n + 4 n1 2 _ — l* — 2 k n + 4 n2 Z' I 9 ln ~~ ’ Z“ - Z» =1 9 i n — 2 k2 — b kn — 2 n2 — ■ 2 k2 -j- 4 k n — 2 n2 = Z? = “ 9 k n ’ Z& = Z° = 9 /l n 4 k2 — 2 kn — 2 n2 ze = z8 = 9 kn Nun sollen z, bis z9 ganzzahlig und relativ prim sein; auch müssen offenbar A und n als Indizes des Symbols {tttcA} eben- falls ganzzahlig und relativ prim sein. Mithin ist entweder l = 1, n = 1 oder / = 1, n — — 2 oder A = — 2, n = 1. Daraus folgen drei mögliche rationale Paare von Schiebungselementen (hkl), [uvw], nämlich in MiLLER’sclier Symbolik (2/ -J- 71 || tt — A] n — A), l — n\\ l — tt] = (100), [100] oder = (01 1), [lll] oder = (lll), [011]. Demnach ist das primitive Rhomboeder der mög- lichen rhomboedrischen Gitter {tt tcA) — {110} oder — (112) oder = (221); das gibt nach Einfügung des zweiten Index die Bravais ;s cli en Symbole { 101 1 }, (1012), (2021) und demnach die MiLLER’schen Symbole (100), {011}, (lll)2. 1 Das Zeichen || dient hier und im folgenden lediglich zur Trennung der drei Indizes innerhalb der Symbole. 2 Das vierte der in Zeitschr. f. Krist. 54:. p. 155. 1914 abgeleiteten rhomboedrischen Gitter, nämlich dasjenige mit dem primitiven Rhomboeder (311) = {4041}, fällt also fort. Die in Physikal. Zeitschr. 15. p. 715. 1914 über die Atombewegungen der Kalkspatschiebung gemachten Angaben bleiben völlig bestehen; die CaWtome und die C-Atome können gerad- linige Wege beschreiben, die O-Atome nicht. Vergl. darüber den Artikel „Kristallstruktur“ in Fortschr. d. Miner. 5. 1915. 126 A. Johnsen, 1>) Die hexagonalen Gitter. Wir verwenden zunächst wieder die BuAVAis’schen Symbole unter Weglassung des zweiten Index. Die zweite Kreisschnitts- ebene heißt dann (111), die Gleitrichtung [111]. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden (a und (J). a. Die Flächen (100), (010), (001) bilden ein primitives Parallel- epipedon, und die unbestimmte Rhomboederfläche (nnX) wird zur Einheitslläche, indem sie auf den Kanten jenes Parallelepipedons drei Gitterparameter abschneidet. Mithin sind in (Aj) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (pj p* pj) = (100), (p?p1Jb) = (°10)» (p!pJp5)_= (oü1)> (c1i q2 Gs) = (nni), (h'k'l'j. = (Hl) und [u'v'w'] = [111]. Dann ergeben jene Gleichungen (hkl) = (AAtt) und [uvw] = [ttttA]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in die neun Gleichungen (6) ein, so wird z4 = - — J ; da z, bis z9 ganzzahlig sein sollen, so ist Fall a als unmöglich nachgewiesen. ß- Die Flächen (HO), (210), (001) bilden ein primitives Parallel- epipedon , dessen Kanten wieder zu Koordinatenachsen gewählt werden; auf ihnen schneidet die unbestimmte „Pyramidenfläche zweiter Stellung“ (tt |j 2 vt ! A) drei Gitterparameter ab; sie wird daher zur Einheitsfläche. Mithin sind in (AJ und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen : (pj p* pj) = (1 1 0), (pj p^p;;) = (210), (P1P0P3) — (001), (q, q2q3) = (11 || 2 n\\ A) , (h'k'l') == (Hl) und [u'v'w']= [11 1]. Dann ergeben jene Gleichungen (hkl) = (A ] 2 Aj: 3 n) und [uvw] = [0 j| 3 tt|! A]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in (6) ein, so wird z4 = 4-, was unmöglich ist. Folg- lich wir d k ein einziges Gitter der hexagonalen Gitter- art durch die Kalkspatschiebung in sich deformiert. 2. Aragonit \ a) Die Gitter nach rhombischen Säulen. Die Flächen (yrAO), (ttAO), (001) bilden ein primitives Par- allelepipedon, dessen drei konjugierte Kanten als Koordinatenachsen dienen können; auf ihnen schneidet die unbestimmte Makrodomen- fläche (iiOv) drei Gitterparameter ab. Gleitfläche ist (HO), Grund- zone [310]. Mithin sind in (Ax) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (p]pjpj) = (ttAO), (P1P2P3) = (zr A 0), (P1P2P3) = (001), (q] q2q3) gj= {(.lOv), (h' k' Y) = (110) und [u V vv'J 1 Die im folgenden für Aragonit abgeleiteten Gitter hat 0. Mügge (N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XIV. p. 291-299. 1901) auf anderem Wege nachgewiesen. Die Deformation der Baumgitter durch Schiebung. 127 — [310]. Dann ergeben jene Gleichungen (li k 1) = ( * 71 ()\ . v X u X (,i ) und [uvw] — [3 TT -j- A || 3 Tr — A|j 0]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in die neun Gleichungen (6) ein, so folgt: z i X2 -f 3 n2 4 X 7i Zi = —zv z5 0, z7 — — 1, z8 = 0, X2 -f- 2 X 71 3 7Z2 4 X n _ — p + 2ln + 3n ^6 \ ■) 4 kn Zn = 0. z„ = 0, Da z, bis z9 ganzzahlig und relativ prim sein sollen und offenbar auch l und n als Indizes des Symbols ganzzahlig und relativ prim sein müssen, so muß entweder 1 — n = 1 oder /f = 3, Ti = 1 sein. Mithin erhalten die Flächen (ttäO), (ttAO), (001) des obigen primitiv e_n Parallelepipedons entweder die Symbole (110), (110), (001) oder (130), (130), (001). b) Die Gitter nach Quadern. Die Flächen (100), (010), (001) bilden ein primitives Parallel- epipedon, dessen drei konjugierte Kanten wir zu Koordinatenachsen wählen; auf ihnen schneidet die unbestimmte Pyramidenfläche (n Ix) drei Gitterparameter ab. Gleitfläche und Grundzone heißen wieder (110) bezw. [310]. Mithin sind in (Ax) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (p] p2 pj) = ( 1 00), (p2 p2 p2) = (0 1 0), (Pi P 2 P3) === (001 ) , (qi q2q 3M=(7i;lx), (lßk'l') = (llO) und [u V w'] = [310]. Jene Gleichungen ergeben dann (hkl) = (InÖ) und [u v w] = [3 71 "L ; Oj. Setzen wir die sechs Indizes dieser beiden Symbole in die Gleichungen (6) ein, so ergibt sich z, = D was unmöglich ist. Folglich wird kein einziges Gitter der rektangulären Gitterart durch die Aragonitschiebung in sich deformiert. 3. Diopsid. a) Die Gitter nach geraden rhomboidischen Säulen. Gleitfläche ist (001), Grundzone [001]. Die Flächen (100), (010), (tOV) bilden ein primitives Parallelepipedon , dessen drei konjugierte Kanten zu Koordinatenachsen gewählt werden sollen ; auf ihnen schneidet die unbestimmte Pyramidenfläche (nix) drei Gitterparameter ab. Mithin sind in (Aj und (A9) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (p[ p* p*) = ( I 00), (p2 pj p2) = (010), (Pi P2 P3) == ( 27 0 -0), (q, q2 q3) = (n l x), (lß k' l'| = (001) und [iß v'w'] = [00 1 ]. Jene Gleichungen ergeben dann (h k 1) = 77 1|0|| xz — &71) und [uvw] = [001]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in die Gleichungen (6) ein, so folgt: ( z1=— 1, z2 = 0, z3 = 0, ) z4 = — 1. z5 = 0, z6 = 0, z, y. 1 — ()• 11 z0 = 0. 128 A. Johnson, Der Ausdruck ' - muß also irgend eine ganze Zahl y. r — 0- n ° sein. Gleichung (I) ergibt entweder hu k v 4- 1 w = z ? — d- n = { — 1 oder ±1 oder + 2. Mithin können, wenn [001] die Grundzone ist, unendlich viele Ebenen (li 0 1) Gleitflächen sein; nur müssen nach (Ick) und (Iß) die Flächen K1, K2, S ein Parallelepiped bilden, welch e'S entweder primitiv oder raumzentriert oder in S zentriert ist. Die Winkel dieses Parallelepipe- dons sind bekannt, die Verhältnisse seiner Kanten- längen nicht. b) Die Gitter nach schiefen rhombischen Säulen. Hier findet man analog dem Vorigen und übereinstimmend mit (I/?), (I y), (Id), daß die Flächen K2, K2, S ein Parallel- epipedon bilden, welches entweder in und in K2 oder nur in Kj oder nur in K2 zentriert ist; d i e W i n k e 1 dieses Parallelepipedons sind bekannt, dieVerhält- n i s s e seiner Kantenlängen nicht. 4. Ba Cd Cl4 . 4 H2 0. Die Schiebung von BaCdCl4.4H20 und anderen triklinen Kristallarten mit dem rationalen Paare von Schiebungselementen K, (j ergibt übereinstimmend mit (I) : Zwei konjugierte Parameter t und V in K und ein Parameter § parallel u bilden die drei Kanten eines Parallelepipedons, welches entweder primitiv oder raumzentriert oder in f§ flächenzentriert oder in f'3 flächenzentriert ist; von den Winkeln dieses Parallelepipedons ist nur der- jenige zwischen K und o bekannt, die V e r h ä 1 1 n i s s e der Kantenlängen sind unbekannt. 5. Millerit. a) Die rliomhoedrischen Gitter. Wir verwenden MiLLER’sche Symbole; dann bilden (011) als Gleitfläche und [111] als Grundzone ein rationales Paar von Schiebungselementen. Die Flächen des unbestimmten Rhomboeders {rcll} bilden ein primitives Gitterparallelepiped, dessen konjugierte Kanten wir zu Koordinatenachsen wählen; auf ihnen schneidet die Basis (lll) drei Parameter ab. Mithin sind in (Ax) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (p[ p* pj) = (n ll), (pj p2 pj) = (lnl), (pj p2 P3) — (ä/ä|), (q2 q2fl3) w C1!!)» (h'k'P) = (Oll) Die Deformation der Raumgitter durch Schiebung. 129 — A und [u'v'w'] — [111]. 2 (A2 — X 7i) n~ — X n (A — 7 r)2 (A — 7 z)2 (A — 7?) 2 man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in (6) ein, so folgt : Dann ergeben jene Gleichungen (hkl) und [uvw] = [Hl]. Setzt ZA = z7 = A2 — 7T2 (A — 77)2“’ Xn — A2 Z2 7?2 — A 7T ( A — 7r )2 ’ 2 (A TT — A2) (A — 77)2 Hieraus folgt Ä = tt ± 1 , n — ^\ also ist (li k 1) = (2 + 2 n !;7r|| tt) -oder = (2 — 2tc \\ti\\ ti) und [nk = {71 || -j- lj| st + l) oder = {tt ||tt — l|| 7c — 1 }• Mithin stellen (2 + 2n ||+ tt|| + ti) und [111] unendlich viele mögliche rationale Paare von Schiebungselementen dar, und wird andererseits jedes Gitter mit dem primitiven Rhombo- eder {?r |7r :£ lj; 7t + 1} durch die Millerit- Schiebung in sich deformiert. b) Die hexagonalen Gitter. Wir verwenden zunächst die BRAVAis’schen Symbole unter Weglassung des zweiten Index. Die Gleitfläche heißt dann (112) und die Grundzone [001]. Wie bei Kalkspat, so sind auch hier .zwei Gitterorientierungen zu unterscheiden (a und p). a. Die Flächen (100), (010), (001) bilden ein primitives Gitter- parallelepiped, auf dessen konjugierten Kanten die unbestimmte Rhomboederfläche (nnK) drei Parameter abschneidet. Mithin sind in (At) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen : (pj p* p*) = ( 1 00), (p2Lp2pJ)= (010), ivlplvl) = (001), (qtq2q3) = {n nl), •{li'k'l') = (112) und |V v' w'] = [001]. Dann ergibt sich (hkl) gj jT \ ) UI1(1 [uvw] = [001]. Setzt man die sechs Indizes -dieser beiden Symbole in die neun Gleichungen (6) ein, so folgt: Hieraus folgt 7t = jlj, 1| oder = [2[. Somit ist (hkl) =pr (112) oder = (112) oder = (Hl) oder = (111) und (jinl) = (111) oder = (111) oder = (112) oder = (112). Wir setzen jetzt in (AJ die Indizes folgender Symbole ein: .(pjp^pj) = (100), (PiPLPs) = (010), (pjpjpj) M (001), (q3 q2q3) = (Hl) bezw. = (1 1 T) bezw. = (112) bezw. = (112) und (hkl) =(112) bezw. = (112) bezw. = (111) bezw. = (111); dann ergibt sich (li'k'F) = (h'liT') =(112) bezw. = (112) bezw. = (TU) bezw. = (111) Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916- 9 130 A. Tornquist, und nach Einfügung des zweiten Index (h' Oh' 1') = (1012) bezw. == (1012) bezw. = (1011) bezw. = (1011). Fügt man auch in obigen Symbolen [nn X) den zweiten Index ein, so erhält man (fc 0 n l) = (1011) bezw. = (1011) bezw. = (1012) bezw. = (1012). Durch diese vier Ein heits flächen (n 0 n X) sind eben- soviele hexagonale Gitter definiert; diese vier Gitter sind die einzigen von der betrachteten Art und Stel- lung, welche durch die Millerit-Schiebung nach (h'Oh'l') = (1012) mit K2 = (0001) in sich deformiert werden. ß. Wir untersuchen zum Schluß die hexagonalen Gitter nach basiszentrierten „Säulen zweiter Stellung“. Die Flächen (110),: (210), (00 1) bilden ein primitives Gitterparallelepiped, auf dessen konjugierten Kanten die unbestimmte „Pyramidenfläche zweiter Stellung“ (te jj 2 ttJ) A) drei Parameter abschneidet. Mithin sind in (A.) und (A2) die Indizes folgender Symbole einzusetzen: (p*p*Pg) = (HO), (p^pD^ (210), (P1P2P3) = (001), (q, q2q3) = (7r||27r||A), (h' k' 1') = (112) und [uVw'j = [001]. Dann ergibt sich (hkl) — ( 3 n ßfn x ) Unc^ [UVWJ = [001]. Setzt man die sechs Indizes dieser beiden Symbole in (6) ein, so folgt z8 = ^ , was unmög- lich ist, da z1 bis z9 ganzzahlig sein müssen. Kein einziges Gitter nach basiszentrierten hexa- gonalen Säulen zweiter Stellung wird durch die Mil- lerit-Schiebung in sich übergeführt. Die „Buchensteiner Schichten“. Von A. Tornquist in Graz. Seit den stratigraphischen Arbeiten von v. Mojsisovics und Bittnbr in der südalpinen Trias bezeichnete man die Stufe des- Protracliyceras Curioni und Beitzi als „Buchensteiner Schichten“. Spätere Arbeiten über die Trias Venetiens und Südtirols hatten dann zu dem Resultat geführt, daß die Schichten am alten Kastell von Buchenstein in Südtirol, auf welche v. Richthofen seinerzeit die Bezeichnung „Buchensteiner Schichten“ begründet hatte, weder dem Niveau des Protracliyceras Curioni noch dem des P. Beitzi angehören, sondern älter sein müssen. In neuester Zeit hat M. Horn sie in das obere Niveau der Trhwcfosttö-Schichten ver- setzen können. Aus dieser Erkenntnis erschien es einer Anzahl von Forschern bereits seit einigen Jahren unerläßlich, die Bezeichnung „Buchen- Die „Buchensteiner Schichten“. 131 steiner Schichten“ für die Schichtenniveaus der beiden genannten Protrachyceraten einzustellen, andere haben dagegen die Bezeich- nung beibehalten. Der Umstand, daß es sich um die Ausmerzung der Benennung eines wichtigen und in der Literatur häufig behandelten Horizontes der ozeanischen Trias handelt und daß die in Betracht kommenden Beobachtungen in einer Anzahl umfangreicher Spezialarbeiten ent- halten sind, läßt es erwünscht erscheinen, die Gründe, welche für die Aufgabe der Bezeichnung „Buchensteiner Schichten“ sprechen, im folgenden zusammenzutragen. Eine Darstellung der historischen Entwicklung der Schichtbezeichnung hat auf Grund der damals vorliegenden Literatur schon im Jahre 1904 Hans Philipp ge- geben, der als einer der ersten zugleich auf die bestehenden Widersprüche eingegangen ist. F. v. Richthofen1 2 3 hat im Jahre 1860 als Buchensteiner Schichten die „Kalke mit Feuerstein-Ausscheidungen“ benannt, „welche in typischer Entwicklung in der Nähe des alten Kastells Buchenstein auftreten“. Nach ihm „ziehen sich diese Schichten von hier einerseits bis Pieve durch das Livinallongo hindurch, andererseits in ununterbrochener Linie über Colle di Santa Lucia in die Codalonga und von dort in das venetianische Gebiet“, v. Richthofen stellte den leicht erkennbaren Horizont über seinen Mendola-Dolomit und im allgemeinen unter die Wengener Daonellen- Schichten und den hangenden Schlerndolomit. Die Arbeiten von v. Mojsisovics 2 über die oberen Trias- bildungen der Ostalpen und über die „Cephalopoden-Fauna der oenischen Gruppe“ aus dem Jahre 1869 — 70 und der Bericht von Stur 3 über eine Exkursion in die Umgebung von St. Cassian aus dem Jahre 1868 wenden dann nach dem RiCHTHOFEN’schen Vor- gang die Stufenbenennung auf Knollenkalke anderer Triasprofile, unter anderen wieder auf diejenigen der Pufelser Schlucht, an. Arcestes triclentinus wird nunmehr als ein Leitfossil der Stufe der „Buchensteiner Schichten“ bezeichnet. Die wichtigen strati- graphischen Untersuchungen von Böckh über die „Geologischen Verhältnisse des südlichen Teils des Bakony4“ ergaben sodann zum erstenmal, daß „ Ceratites “ ( Pro tra chyceras) Beitzi Böckh einem Horizont angehört, welcher ein wenig tiefer gelagert ist als derjenige des Arcestes tridentinus oder die Buchensteiner Schich- ten. Nunmehr nahm aber v. Mojsisovics5 im Jahre 1873 eine Umdeutung vor, indem er die Buchensteiner Schichten des Grödner 1 Geognostische Beschreibung der Umgebung von Predazzo, Sanct Cassian und der Seiser Alpe in Südtirol. 1860. p. 64 f. 2 .Tahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 1869 und 1870. 3 Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 1868. 4 Jahrb. d. k. ungar. geol. Reichsanst. Budapest. 3. 1873—74. 5 Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 1873. 9* 132 A. Tornquist, Tales (Pufelser Schlucht) mit den Reitzi- Kalken des Bakony par- allelisiert, und zwar auf Grund des Fundes eines Trachyceras cf. Reitzi in der Pufelser Schlucht, der mit den von Böckh aus dem Bakony beschriebenen Formen nicht ganz übereinstimmen sollte, später y. Mojsisovics1 2 in seinem großen Ceplialopoden-Werk der mediterranen Trias aber vollständig mit ihm vereinigt worden ist. Arcestes tridentinus wird nunmehr zum Leitfossil der Wengener Schichten im Hangenden der „Buchensteiner“. Aus dieser Arbeit datiert die Identifizierung der „Buchensteiner Schichten“ mit dem Horizont des Rrotracliyccras Reitzi , welche in der Folge aufrecht erhalten geblieben ist. Aus den Buchensteiner Schichten bei Buchenstein werden von v. Mojsisovics die auch bisher ver- einzelt gebliebenen Daonella tyrolensis, badiotica und Taramelli aufgeführt. Hervorzuheben ist aber die Bemerkung von v. Mojsi- sovics aus dem Jahre 1873, daß es „vorläufig noch zweifelhaft ist, ob alle die Hornstein- und Knollenkalke, auf welche die Be- zeichnung „Buchensteiner Kalk“ angewendet worden ist, mit den paläontologisch , wenn auch noch sehr dürftig charakterisierten Bildungen des Grödner Tales zusammenfallen, welche im Normal- profil der Pufelser Schlucht von v. Richthofen Buchensteiner Kalk genannt wurden“. Die Identifizierung der Buchensteiner Schichten mit dem Hori- zont des Protrachyceras Reitzi wurde sodann im Jahre 1878 auch von Lepsius 2 aufgenommen, der die Benennung in die Triasprofile des Vicentins (Recoaro) und Judikariens einführte. In diesem Sinne sind dann auch die sehr wertvollen Gliederungen der „Buchen- steiner Schichten“ in einzelne Niveaus von Geyer3 bei Bladen (Sappada) und von Bittner4 in Judikarien vorgenommen worden. Diese Auffassung der Buchensteiner Schichten fand bei Frech5 Aufnahme, als er aus der Horizontierung der ladinischen Ammo- niten im Bakony wald zu einer weiteren Gliederung der „Buchen- steiner Schichten“ in einzelne Zonen übergehen konnte. Ihm gelang der Nachweis , daß Protrachyceras Curioni, das v. Mojsi- sovics aus dem Buchensteiner Knollenkalk von Marcheno in der Val Trompia, von Scliilpario, aus dem vicentinischen Tretto und aus der Pufelser Schlucht im Jahre 1882 beschrieben hatte, in ein höheres Lager übergeht als dasjenige des Protrachyceras Reitzi. Dieser letztere bleibt damit der beste Zonenammonit der „Buchensteiner“. 1 Die Cephalopoden der mediterranen Triasprovinz. Abh. d. k. k. geol. Reichsanst. 10. 1882. p. 113—114. 2 Das westliche Südtirol. Berlin 1878. 3 Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 1898, 1900. 4 Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 1881 und 1883. 5 Neue Cephalopoden aus den Buchensteiner, Wengener und Raibler Schichten des südl. Bakony. Resultate der wissenschaftl. Erforschung des Balatonsees. I, 1. 1903. p. 59. Die „Buchensteiner Schichten“. 133 Unterdessen hatte Bittnbr 1 im Jahre 1892 die seither all- gemein gebräuchliche Benennung der ladinischen Stufe für die Buchensteiner, Wengener und St. Cassianer Schichten einge- führt, und auch in der monographischen Bearbeitung der medi- terranen Trias von v. Arthaber 2 finden wir in diesem Sinne das tiefste Niveau der ladinischen Stufe als Buchensteiner Schichten bezeichnet. Diesen Vorgängern sind sehr zahlreiche andere Forscher gefolgt. Die ersten Zweifel darüber, daß die von v. Richthofen zur Namensgebung herangezogenen Schichten von Buchenstein mit dem Horizont des Protracliyceras Reitzi ident sind, also den Knollen- kalken mit P. Reitzi im Grödner Tal, im Bakonywald, im Vicentin und in Judikarien entsprechen, ergaben sich für den Verfasser1 2 3 bei der Bearbeitung der neu von ihm gefundenen Fossilhorizonte am Mte. Spitz bei Recoaro 3. Der Spitzkalk wird von Knollen- kalken und Pietra verde mit der Reitzi- Fauna überlagert. Der Spitz- kalk ist demnach älter als die Peto'-Schichten , d. h. die eigent- lichen „Buchensteiner“. Im Spitzkalk wurden aber Fossilien der Marmolatakalke angetroffen. Die Marmolatakalke selbst, zu denen der Spitzkalk des Vicentins gehört, überlagern südlich Buchenstein aber umgekehrt die Buchensteiner Schichten von Buchenstein. Im Jahre 1901 schrieb ich daher: „Sind die Knollen- kalke mit Protrachyceras Reitzi in Judikarien wirklich die Buchen- steiner Schichten , welche bei Buchenstein keine Ammoniten ge- liefert haben?“ Es war schon damals klar, daß das nicht der Fall sein konnte, ich habe daher schon im „ Vicentinischen Trias- gebirge“ die Bezeichnung Buchensteiner Schichten vermieden. Eine teilweise Lösung des in den Triasprofilen des Vicentins und der Marmolata zutage getretenen Widerspruches wurde durch die Fest- stellung von Kittl4 erbracht, der auf Grund der Untersuchung von 35 Cephalopoden zu dem Resultat gelangt war, daß die Kalke der Marmolata z. T. der Zone des Protracliyceras Reitzi zuzuweisen seien. Kittl hat sogar den Leitammoniten P. Reitzi selbst im Mar- molatakalk nachgewiesen. Hieraus ergab sich, daß die im Liegenden des Marmolatakalkes auftretenden Buchensteiner Schichten bei Buchenstein einem tieferen als dem Horizont angehören müssen, wenn auch die wenigen Daonellenfunde in ihnen eine direkte Alters- bestimmung vorläufig unmöglich machten. Salomon5 konnte im Jahre 1895 die Buchensteiner Schichten von Buchenstein her bis in das Liegende der Marmolatakalke verfolgen. 1 Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 42. 1892. p. 392. 2 Die alpine Trias des Mediterran-Gebietes. Lethaea geognostica. II. Teil. 1. 1906. 3 A. Tornquist, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 51. 1899. p. 375 und Das vicentinische Triasgebirge. Stuttgart 1901. p. 120. 4 Jahrb. d. k. k. geol. Reichtanst. Wien, 1894. p. 107. 5 Palaeontographica. 42. 1895. 134 A. Tornquist, Die „Buchensteiner Schichten“. Philipp1 hat sodann im Jahre 1904 diese nunmehr im ganzen geklärte Sachlage auf Grund einer ausführlichen Begründung in dem Urteil zusammengefaßt , daß dem Begriff der Buchensteiner Schichten nur eine rein lokale Bedeutung für ein System von Knollen- und Bänderkalken mit Kieselimprägnationen, z. T. auch mit Zwischenlagen von Pietra verde bei Buchenstein und seiner Umgebung zuzuschreiben ist. „Der Begriff der , Buchensteiner Schichten4 darf nur ein petrographisch-fazieller sein.“ Ohne zwingende Gründe sei bisher der durch Protrachyceras Beitzi aus- gezeichnete Horizont mit den Buchensteiner Schichten parallelisiert worden: Der von mir im Jahre 1901 vorgeschlagenen und von Philipp im Jahre 1904 ebenfalls angenommenen Ausmerzung der Be- nennung der Buchensteiner Schichten als stratigraphische Be- nennung ist dann Salomon2 auch im Jahre 1908 in seiner mono- graphischen Bearbeitung der Adamello-Gruppe gefolgt. Da die Buchensteiner Schichten im nördlichen Südtirol nicht mit der Zone des Protrachyceras Beitzi zusammenfallen , so daß selbst in dem Gebiet von Predazzo nur stellenweise ein Schichtkomplex von Knollenkalken aus dem Horizont des P. Beitzi entwickelt ist, meist aber fehlt, spricht Salomon von der „Zone des P. Beitzi “ oder ab- gekürzt von „Beitzi- Schichten 11 In neuerer Zeit hat sodann Horn3 einen weiteren Beitrag zur Kenntnis der Peifei-Schichten und der Buchensteiner Schichten bei Buchenstein gegeben. Es gelang ihm, das P. Beitzi auch in der östlichen Lombardei nachzuweisen und eine in weiten Gebieten der Siidalpen bestehende Faunengliederung der PePsPSchichten vorzunehmen, welche in Einklang steht mit der von Frech (1. c.) im Bakony ermittelten. Aus der von ihm in dies. Centralbl. 1913. p. 511 aufgestellten Tabelle ergibt sich klar, daß die Gliederung der Beitzi- Schichten in drei Zonen nach den Fossilfunden nicht mit der petrographischen Ausbildung in Zusammenhang steht. Ihm gelang es auch, die Knollenkalke von Buchenstein in ununter- brochenem Zuge nach Osten zu verfolgen und so ihr strati- graphisches Niveau sicherer als bisher festzulegen. Sie entsprechen der Mergelschieferzone von Auronzo, in welcher Geyer und Horn eine Anzahl von Fossilien der PrmoP^s-Schichten, so Ceratites cf. trinodosus, Ptychiten aus der Gruppe der Flexuosi und Myophoria sp. ex aff. elegans, angetroffen haben. Nach Horn gehen diese Mergelschiefer von Auronzo nach SW am Col Corvera und weiter an der Marmarole in graue Knollenkalke über, die mit Mergel- 1 Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 56. 1904. p. 33. 2 Abhandl. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien. 31. Heft 1. 1908. p. 396 und ebenda Heft 2. 1910. p. 603. 3 Dies. Centralbl. 1913 und Über die ladinische Knollenkalkstufe der Südalpen. Dissertation. Königsberg 1914. F. Kossmat, Ueber die Tektonik etc. 135 •Schiefern wechsellagern. In den letzteren treten dann gegen Agordo, so in der Val di Zoldo, Tufflager hervor. Zwischen der Val Bona und Agordo ist dann in ihnen Pietra verde eingeschaltet, wie sie im Cordevole-Tal und bei Buchenstein für die Buchen- steiner Schichten charakteristisch sind. Wir sind demnach nun- mehr in der Lage, die Buchensteiner Schichten bei Buchenstein, ohne daß diese hier selbst stratigraphisch verwertbare Fossilien gezeigt haben, als die Vertreter der o b e ren Trmoc/osws-Schichten, nlso als Horizont nicht der ladinisclien , sondern der anisischen •Stufe anzusprechen. Nach Horn findet die Ausbildung der oberen TWwftotö-Schichten als Knollenkalke im Buchenstein — Marmolata- gebiet innerhalb der Dolomiten ihren westlichen Abschluß. Die Knollenkalke bei Predazzo und über Colfuschg bis ins Gadertal und nach Wengen gehören schon dem jßeife'PHorizont an. Die stratigraphische Stellung der Buchensteiner Schichten bei Buchenstein erscheint demnach heute nach den Untersuchungen von Kittl und Horn als hinreichend sichergestellt. Ersterer wies ■die Fauna des ifeitei-Horizontes im hangenden Marmolatakalk nach, und letzterer erkannte die Buchensteiner Knollenkalke als obere Trinoclosus- Zone. Zwischen beiden Ablagerungen läuft hier die Grenze der anisischen und ladinisclien Grenze hindurch. Hinfort ■die Bezeichnung „Buchensteiner Schichten“ für den Horizont des Protracliyceras Reitzi anzuwenden, ist nicht zu empfehlen und könnte vielleicht eine Quelle späterer Mißverständnisse sein. Um diese zu vermeiden, dürfte es sich m. E. empfehlen, die Bezeichnung Buchensteiner Schichten als Zonenbenennung hin- fort ganz fallen zu lassen und lieber von Reltzi- Schichten zu sprechen. Über die Tektonik des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. Von Dr. Franz Kossmat. Mit 5 Textfiguren. Die Anordnung der Gesteinszonen wird im Erzgebirge vor allem durch drei große Aufwölbungen : nämlich die Freiberger, die Saydaer und die Katharinaberger Kuppel bestimmt. Seit langem ist die Tatsache bekannt , daß in den zentralen Teilen dieser flachen Auftreibungen Granitgneise bloßgelegt sind, um die sich •eine Hülle von kristallinen Schiefern derart legt, daß deren innere Zonen aus hochmetamorphen, teilweise vergneisten Sedimenten be- stehen, die gegen außen mehr und mehr durch Abnahme der Meta- morphose in die normale Schichtreihe übergehen. Überall schmiegt sich diese Hülle anscheinend konkordant um den plutonischen Kern und außerdem sehen wir im Grenzgebiete beider nicht selten 136 F. Kossmat, Ueber die Tektonik eine lagerförmige parallele Durchmischung von Orthogneisen und kristallinen Sedimenten auftret.en, die äußerlich große Ähnlichkeit mit ursprünglicher Wechsellagerung hat. Die Freiberger Kuppel setzt sich fast nur aus grauen Gneisen zusammen ; jene von Sayda und Katharinaberg besitzen dagegen Kerne von rotem Mucovitgneis , während ihre äußeren Teile aus denselben grauen Gneisen bestehen wie jene der Freiberger Kuppel. Es wurde festgestellt, daß der rote Gneis als jüngerer Nachschub in die grauen eingedrungen ist, daß er sich mit ihnen und ihrer Kuppel- liiille wiederholt lagerförmig verzahnt, ferner, daß seine obersten Lager und Linsen sogar inmitten der Glimmerschieferhülle liegen. So bietet uns ein Horizontalschnitt des Gebirges1, wie ihn die heutige Denudationsfläche annähernd darstellt, das Bild eines- eigenartig zusammengesetzten Schalenbaues, indem sich die immer wieder auskeilenden Lager und Linsen der miteinander verzahnten Gesteine (rote, graue Gneise und verschiedene kristalline Schiefer} annähernd konzentrisch anordnen. Das alles hat außerordentliche Ähnlichkeit mit dem Aufschluß- bilde mancher Eruptivlakkolithen, die von einem Kanal aus in eine- Sedimentdecke eindringen, sie kuppelförmig emportreiben und zwischen die aufblätternden Lagen ihre Ausläufer entsenden. In diesem Sinne werden die Gneise des Erzgebirges von vielen Geo- logen gedeutet2. An Stelle der älteren, nicht stichhaltigen Auf- fassung von einer Wechsellagerung sedimentären Ursprungs innerhalb der erwähnten Grundgebirgsgebilde wird also eine solche intrusiven Ursprungs befürwortet. Die auf weiten Strecken flache bis schwebende Lagerung des Gneisgebietes hat viel dazu beigetragen, daß man der Faltung hier- und auch in dem genetisch verwandten Granulitgebirge eine sehr- untergeordnete 'Rolle zuwies und zu Gedankengängen geführt wurde,, die sich mit den alten und neueren Formen der Hebungshypothesn in mancher Hinsicht berühren. Aber es fehlt nicht an gewich- tigen Gründen, welche auch die Lakkolithentheorie nicht als aus- reichend erscheinen lassen und uns die Annahme nahelegen, daß* der tektonischen Wechsellagerung eine sehr große Be- deutung im Baue der erzgebirgischen Region zukommt. Die Katharinaberger Kuppel und ihre Umrandung. Besonders wichtig für die Überprüfung der verschiedenen Auf- fassungen ist das Gebiet der Katharinaberger Kuppel und deren, 1 Vergl. die von H. Credner bearbeitete geologische Übersichts- karte von Sachsen 1:250000, Leipzig 1908, und 1:500000, Leipzig 1910. 2 R. Lepsius, Geologie von Deutschland. II. Leipzig 1910. p. 105 ff. — C. Gäbert, Die Gneise des Erzgebirges und ihre Kontaktwirkungen. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. Berlin 1907. p. 808 ff. des Gneisgelbietes im westlichen Erzgebirge. 137 weiter Umrandung, da hier der reiche Gesteins Wechsel und die Häufigkeit sedimentärer Züge noch am ehesten die Möglichkeit bietet, den Ursachen mancher Wiederholungen in der erzgebirgischen Gesteinsreihe auf den Grund zu kommen. Die nachfolgenden Er- örterungen, die nur eine Übersicht der hier sich ergebenden Fragen und Lösungsmöglichkeiten bezwecken, gründen sich auf die ge- nauen, in den sächsischen Spezialkarten niedergelegten Aufnahms- ergebnisse von Sauer, Schalch, Beck, Gäbert u. a.1, sowie auf einige vom Verfasser unternommene Orientierungstouren hei Wiesen- thal, Kupferberg, Sebastiansberg und im Haßberggebiet. Über die zentrale Kegion ist hier nur wenig zu sagen. Die Kuppel von Katharinaberg besteht nicht aus einer einheit- lichen Masse von roten grobkörnigen oder flaserigen Granitgneisen, sondern gliedert sich in eine bei Kallich aufgeschlossene Kern- partie und eine petrographisch gleichgeartete, mächtige Randzone, die mit ihr großenteils verschmilzt, aber in beträchtlicher Er- streckung sowohl im NW wie im S durch zwischengeschaltete Partien von grauen Gneisen abgetrennt wird (vergl. diesbezüglich besonders die Karte von Gäbert in der Arbeit: Die Gneise des Erzgebirges und ihre Kontaktwirkungen). Gehen wir, da die Be- ziehungen zur Saydaer und Freiberger Kuppel hier nicht be- sprochen werden sollen, nach W und S, so sehen wir die rand- lichen roten Gneise der Katharinaberger Kuppel unter die grauen tauchen, die sich von Olbernhau über Marienberg, Oberschmiede- berg, Sebastiansberg bis zum Gebirgsrande nördlich von Görkau wie ein Mantel um sie legen. Während die Neigung im S ziemlich steil ist, verflacht sie im W; es wölbt sich hier der graue „Haupt- gneis“ in den Kuppeln von Marienberg und Annaberg nochmals sanft empor, so daß er sehr große Flächen bedeckt, bevor er end- gültig unter die Glimmerschieferhülle sinkt. I. Zwischen der Kuppel von Annaberg und jener von Katharina- berg liegt in der flachen Einmuldung der grauen Gneise jene merk- würdige Scholle von Boden, die sich vom genannten Orte mit halbmondförmigem, der Katharinaberger Kuppel angepaßtem Umriß bis in das Haßberger Revier erstreckt. Sie ist zweifellos der Denudationsrest einer ursprünglich viel weiter über das Kern- gewölbe gespannten Gesteinsdecke. Rote Muscovitgneise, und zwar sowohl die normalen schuppigen, plattigen „Tafelgneise“ (mgn), als auch die wie ungeheuere Linsen in ihnen steckenden groben Flasergneise (Gnm der Übersichtskarten) stellen das herrschende Gestein dar. Erstere sind besonders im Hangenden mit granat- und turmalinführenden, feldspatarmen Mucovitschiefern (mg) durch 1 Vergl. besonders die Blätter Kupferberg (Hammer — Unter- Wiesenthal) und Ober -Wiesenthal nach den Aufnahmen von Sauer; Annaberg, I. Aufl. nach Schalch, II. Aufl. nach Gäbert. 138 F. Kossmat, Ueber die Tektonik Wechsellagerung verbunden und enthalten bei Sorgenthal sowie im Kremsiger Gebirge1 die früher abgebauten magnetitführenden Kalk- silikatlager. Besondere Beachtung verdienen die als „dichte Gneise“ bezeiclineten, mitunter geröllefülirenden Grauwacken, die als Ein- schaltungen sowohl in den höheren grauen Gneisen als auch in den erwähnten Muscovitscliiefern und Tafelgneisen verbreitet sind. Innerhalb der Scholle von Boden muß ihre Hauptmasse im Hangen- den der letzteren Gruppe liegen, wie die reichliche Entwicklung in der Mulde von Jöhstadt zeigt. Dieses Verhalten darf man als eine Stütze der Annahme betrachten, daß die weiter südlich ver- breiteten,' wellig gefalteten, zweiglimmerigen Schiefergneise und Gneisglimmerschiefer (gna der Karten, im folgenden kurz als Gneisschiefer bezeichnet) von Weipert, Preßnitz und Kupfer- berg samt den ihnen massenhaft eingelagerten dichten Gneisen in das Hangende der Haßberg — Boden-Scliolle gehören. Die Vor- kommnisse bei Jöhstadt etc. innerhalb der letzteren würden dann die letzten Denudationsreste dieses nächsthöheren Komplexes dar- stellen, der bei Bärenstein, Schmiedeberg etc. oft Einschaltungen von granatführenden Muscovitscliiefern enthält und bereits den Übergang zur Glimmerschiefergruppe vermittelt. Diese Auffassung kommt kartographisch auch - in der von Gäbert veröffentlichten Übersichtskarte zum Ausdruck. Ein besonders wichtiges Argument für die erwähnte Bestimmung der Keihenfolge liegt aber darin, daß im Liegenden der Boden —Haßberg-Scholle sowohl auf der W- als auch NO- und O-Seite unmittelbar der Annaberger graue Hauptgneis erscheint, so daß für die mächtigen schieferigen Ge- steine mit ihren Grauwackeneinlagerungen wohl nur der Platz im Hangenden übrigbleibt. Dies wird ferner durch die Tatsache bestätigt, daß südlich und östlich von Sonnenberg sowohl rote als graue Gneise wieder unter den Schichten des Preßnitzer Zuges bloß- gelegt sind. Letztere bilden in dieser Gegend nur mehr einen schmalen Denudationsrest, eine förmliche Brücke, unter der sich die Gesteinsfolge des Haßberggebietes mit jener des südlichen Erz- gebirghanges vereinigen muß (vergl. die Skizzenkarte). So ist es vollständig natürlich, daß Jokely2 bei seinen Übersichtsaufnahmen des böhmischen Erzgebirgsteiles die Gneisschiefer mit den zu ihnen in naher Beziehung stehenden Glimmerschiefern zu einer großen Gruppe verschmolz, während er allerdings die grau wacken ähnlichen Gebilde bereits zu den Phylliten zog. 1 Franz Herzberg, Beiträge zur Kenntnis der Preßnitzer Erzlager- stätten. Freiberg 1910 2 Vergl. die Aufnahmsergebnisse von Jokely (Bl. Kaaden — Joachims- thal der geol. Beichsanstalt, in Handkolorit) und die Einzeichnung auf Hauer’s geologischer Übersichtskarte von Österreich-Ungarn. des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 139 Zu einer abweichenden Auffassung gelangte G. C. Laube1. Nach ihm tritt der Gneisscliiefer des Preßnitzer Zuges im W. bei Weipert in Weclisellagerung mit Linsen von Hauptgneis, so daß er sich aus diesem ohne Zwischenschaltung der Haßberggesteine zu entwickeln schiene. Demgegenüber fällt es jedoch ins Gewicht, daß die beiden erstgenannten Gruppen mit südwestlichem Fallen derart gegeneinander ziehen, daß sie sich im Streichen plötzlich ersetzen. Ferner schneidet ein im Hauptgneis eingeschaltetes Lager von Augengneis gegen SO derart ab, daß sein Ende bei Bärenstein an die ebenfalls südöstlich verlaufenden Gneisschiefer, weiter nörd- lich an einen Museo vitgneis des Westrandes der Boden-Scholle stößt. Dies spricht dafür, daß die Preßnitzer kristallinen Schiefergesteine im W an einer Störung enden, und zwar hat letztere vermutlich den Charakter einer westfallenden Überschiebungsfläche, die im weiteren Verlauf gegen Schmiedeberg die Hauptgneise in das Hangende bringt. (Über die nördliche Fortsetzung vergl. das Profil bei Königswalde, Fig. 5.) Die Grenze zwischen der Preßnitzer Zone und dem nördlich angrenzenden Gebiete der roten Gneise ist ebenfalls eine Störung, die bereits von A. Sauer2 bei der ersten Aufnahme festgestellt wurde. Ihre Fortsetzung geht offenbar noch über Sonnenberg gegen den Gebirgsrand bei Görkau, da in dieser Linie die östliche Fortsetzung der Haßberggesteine großenteils unterdrückt ist. II. Inmitten der Gneisschiefer (gnu) und der ihnen einge- lagerten Grauwacken tritt ein breiter Streifen von rotem Gneis zu- tage, der vom Spitzberg südwestlich von Preßnitz durch das Schmiedeberger Waldrevier bei Orpus in einem gegen W offenen Bogen über Oberhals zieht und dort als Abschluß der Antiklinale von Kupferberg scharf nach OSO umbiegt (Gestalt einer 2). Das Ein- fallen ist immer derart, daß die Gneisschiefer im W und SW das Hangende, im 0 das Liegende bilden und sich im N schließen. In petrographischer Beziehung ist der Spitzbergzug mit jenem des Haßberges identisch. Wir sehen als Kern genau die gleichen faserigen roten Granitgneise mit ihren stark herauswitternden Quarzlamellen entwickelt, während schuppige, ebenplattige Tafelgneise die Hülle bilden. Außerdem treten, diesmal aber nahe der Liegend- grenze der ganzen Gruppe die granat- und turmalinführenden Muscovitschiefer (mg) in Wechsellagerung mit Tafelgneisen, sowie mit magnetitführenden Kalksilikat - Gesteinen des Erzzuges von Orpus, Kupferberg und Oberhals. An diesem östlichen Rande der 1 Laube, Geologie des böhmischen Erzgebirges, II. Teil, Prag 1887. Archiv d. naturwiss. Landesdurchforschung v. Böhmen. VI. 4. p. 109, 118 u. a. Die Abbildung p. 110 zeigt eine abgerissene Linse von Hauptgneis in Glimmerschiefergneis. 2 A. Sauer, Erläuterungen zur geol. Spezialkarte v. Sachsen, Sektion Kupferberg (Hammer— Unter-Wiesenthal). 1882. p. 50. 140 F. Kossmat, Ueber die Tektonik Fig. 1. Geologische Skizzenkarte des westlichen Erzgebirges. Maßstab etwa 1:400000. 1. Grauer Annaberger Gneis. 1 a. Grauer Schwarzenberger Augengneis. 2. Roter Tafelgneis. 2 a. Roter Granit- und Flasergneis. 3. Gneisschiefergruppe. 4. Glimmerschiefer. 5. Phyllite und Tonschiefer, 6. Granit, des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 141 Schematischer Querschnitt durch die Gesteinsfolge des westlichen Erzgebirges. Ziffernbezeichnung der Ge- steine wie in Fig. 1 und 2. 142 F. Kossmat, Ueber die Tektonik roten Gneisgruppe zeigt sich eine eigenartige Verzahnung mit der Gneisschiefern, da einerseits eine linsenartige Partie der letzteren als Einschaltung auftritt, während anderseits noch weiter östlich deren Hauptmasse einen Streifen von roten Tafel- und Granitgneisen bei den Sphinxfelsen südlich von Kupferberg einschließt. Mit seiner gegen 0 offenen Hakenform sowie seinem westlichen Einfallen wiederholt auch dieser das Bild des Spitzbergzuges in ziemlich auffallender Weise. Auf die Muscovitgneise , die noch weiter östlich bei Platz und Sonnenberg sowie bei Station Krima — Neu- dorf inmitten der kristallinen Schiefer und Grauwacken auftreten, sei hier nur nebenbei hingewiesen, da ihre Lagerungsverhältnisse noch nicht im Detail geklärt sind. III. Aber noch ein drittes Mal begegnen wir einer Anord- nung, die uns lebhaft an die geschilderten Verhältnisse erinnert. Der breite, flach SW-fallende Abschnitt der Glimmerschieferzone (m), der im Hangenden der Annaberger Kuppel von Elterlein über Crottendorf nach Wiesenthal und Joachimsthal zieht, läßt bekannt- lich bei Schwarzenberg ein kleines Gewölbe von Augengneis mit einer Umhüllung von Gneisglimmerschiefer zutage treten ; weiterhin teilt er sich auch in der Gegend von Markersbach — Obermittweida. Wieder erscheinen hier Gneisglimmerschiefer und Schiefergneise (mb der großen Übersichtskarte), denen die feinkörnigen kristallinen Grauwacken (gnd) und ihre berühmten, geröllefiihrenden Bänke eingeschaltet sind. Verfolgt man den Gneisschieferhorizont noch weiter nach SO, wobei man auch bei Kretscham — Rotensehma den gleichen Konglomerateinlagerungen begegnet, so zeigt sich in seiner Mitte eine zu beträchtlicher Breite (3 km) anschwellende Zone schuppiger Muscovit-Tafelgneise. Als Kerne stecken in letzteren wieder große Linsen von flaserigen, quarzreichen roten Granit- gneisen, die völlig mit jenen des Sphinxfelsens südlich von Kupfer- berg, mit jenen des Schmiedeberger Reviers westlich von Orpus und mit dem Haßberger Gestein übereinstimmen. Hie und da zeigen sich im Gebiete der Tafelgneise kristalline Kalklager und auch magnetitführende Kalksilikatgesteine, so an der Eisenstein- zeche südlich von Kretscham — Rotensehma. Da die ganze Reihe anscheinend konkordant nach SW einfällt und im Hangenden wie im Liegenden von den gewöhnlichen Muscovitglimmerschiefern (m) begleitet wird, erklärt es sich, daß die geschilderten Gneisgesteine als Einlagerungen aufgefaßt und in den Karten als Gneise der Glimmerschieferformation bezeichnet wurden. Erklärungsversuch. Nach der Lakkolithentheorie stellen sich die großen Lager von rotem Gneis, die am Haßberg zwischen Hauptgneisen und Gneisschiefern, bei Orpus und Kupferberg inmitten der letzteren und bei Wiesenthal in der Glimmerschieferzone erscheinen, als des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 143 echte Intrusivkörper dar, die in verschiedene Stockwerke der Kuppel und ihrer Schieferhülle lagerförmig eingedrungen sind. Vergleichen wir aber die Begleitgesteine der verschiedenen Vorkommnisse mit- einander, so ergibt sich die auffallende Tatsache, daß nicht nur die Gebilde plutonischen Ursprungs, sondern auch metamorphe Schichten von unverkennbar sedimentärer Entstehung in ähnlich auffälliger Weise wiederholt werden. a) Im Haßberg-Gebiet bei Sorgenthal , in der Kupferberger Umgebung bei Orpus, Kupferberg und Oberhals, im Wiesenthaler Zug südlich von Kretscham — Rotensehma treten vererzte Kalk- silikatgesteine und auch kristalline Kalke als Linsenzüge in enger Verbindung mit den roten Tafelgneisen oder den an sie geknüpften Granat-Turmalin-führenden Muscovitschiefern auf. b) Die zweiglimmerigen Gneisschiefer (mb) des Wiesenthaler Zuges wären von den ähnlichen Gesteinen (gua) der Preßnitzer Gegend wohl nicht als besondere Gruppe getrennt worden, wenn ihre Verbreitungsgebiete Zusammenstößen würden. Schon Laube hat sowohl die Gesteine von Schmiedeberg als auch jene nördlich von Wiesenthal mit der gleichen Bezeichnung zusammengefaßt. c) Die Einschaltungen dichter Grauwacken im Wiesenthaler Zuge, ferner jene bei Preßnitz, Sonnenberg etc. sind nach ihrer Gesteinsbeschatfenheit und ihrem Verband (mit den Gneisschiefern) identisch. Konglomerate mit gequetschten Granit-, Gneis-, Grau- wacken- und Quarzgeröllen linden sich in ihnen sowohl bei Kretscham — Rotensehma und Hammer — Ober-Mittweida, als auch in den Denudationsresten von Boden und in dem weit ausgedehnten Hauptgebiete östlich von Preßnitz. Blöcke mit allerdings kaum haselnußgroßen Gerollen der oben erwähnten Art sah ich nord- östlich von Reischdorf bei Preßnitz. Nach meiner Ansicht sind die oben beschriebenen Verhältnisse im Mantel der Katharinaberger Kuppel auf tektonische Wieder- holungen einer Gesteinsreihe zurückzuführen, deren Anordnung in der Hauptsache etwa folgende ist: Hangendes: Phyllite (p der sächsischen Karten). ^ f Normale Glimmers erlief er (m), teilweise quarzitisch, mit \ den Kalklagern von Schwarzenberg und Breitenbrunn. I Zweiglimmerige Gneisschiefer und Glimmerschiefergneise 3 (fbm oder mb, gnu, teilweise auch fm und mg). Hauptlager der l dichten, z. T. geröllführenden Grauwackengneise (gnd). Gruppe der roten Gneise, und zwar: Kernmassen von grob- körnigem oder flaserigem Granitgneis (Gnm), mit Hüllzonen von 2 Tafelgneisen (mgn), granat- und turmalinführenden Glimmer- schiefern (mg) und Kalk-, sowie Kalksilikatlagern (sge). Linsen von gn d vorhanden. 1 ( Grauer Hauptgneis (gn) des Außenrandes der Katharinaberger 1 Gnm-Kuppel. Linsen von gnd vorhanden. 144 F. Kossmat, lieber die Tektonik etc. In diesem kombinierten Profil schieben sich die roten Gneise nnd deren Kontaktschiefer als fremdes Element zwischen den grauen Hauptgneis (1) und die petrographiscli an diesen ankniipfen- den Gneisschiefer (3) ein. Anmerkung: Da die kristallinen Grauwacken der Gneisschiefer- gruppe durch alle Übergänge unzertrennbar mit den anderen Gesteinen der letzteren verbunden sind, gehören sie zusammen mit diesen tief in das Liegende der altpaläozoischen Schichtreihe und werden daher hier als ver- änderte vorcambrische Sedimente aufgefaßt. Eine gewisse Ähnlichkeit der in ihnen vorkommenden Konglomerate mit solchen des vogtländischen (oberen) Culms hat Anlaß gegeben, daß sie von manchen Geologen — vergl. Lfpsius, Geol. von Deutschland, II. p. 108 und Gäbert, 1 c. p. 367 — als vermutliche Reste dieser Formations- stufe betrachtet wurden. Es ist aber zu beachten, daß die Konglomerate der Grauwackengneise keine Bruchstücke von silurischen Kieselschiefern oder von devonischen Diabasen einschließen, wie man sie im vogtländischen Culm findet, und daß im übrigen die Abtragungsprodukte zerstörter vor- cambrischer Faltungsgebirge keine wesentlich anderen Merkmale hatten als jene der varistischen. Schon ein Vergleich der mittelcambrischen Quarz- und Porphyrkonglomerate von Böhmen mit den Konglomeraten des Obercarbon weist auf ähnliche Verhältnisse hin. Ferner hätte unter der Annahme eines culmischen Alters der Grau- wackengneise zunächst nach dieser Zeit eine Periode völliger tek- tonischer Umwälzung eintreten müssen, um Culm in das Liegende der ganzen erzgebirgisch — vogtländischen Schichtreihe zu bringen; dann wäre die Regionalmetamorphose und dann erst die unten beschriebene Faltung der Gneise etc. gefolgt. Nun sehen wir aber, daß die „Walden- burger Schichten“ von Hainichen, die Sterzel auf Grund der Flora sogar noch zum oberen Culm stellt, diskordant auf dem Augengneis des Frankenberger Zuges liegen und auch große Blöcke aus dem Granulithof einschließen — es muß damals der Faltenbau des Gebirges im großen schon abgeschlossen gewesen sein. Dieser Zeitpunkt ist also viel zu spät für die Entstehung der Gneise, die ja schon da waren, als die großen Faltungen und Überschiebungen vor sich gingen. Wir kommen also mit der Annahme eines spätpaläozoischen Alters der Grauwackengneise zu einem inneren Widersprach , der mir unlösbar erscheint. Es sei auch darauf hingewiesen, daß im östlichen Riesen- gebirge, das nach seiner tektonischen Stellung wohl als ein sudetisches Gegenstück zum Erzgebirge bezeichnet werden darf, sogar der untere Culm diskordant auf den kristallinen Schiefern liegt und z. T. aus groben Gneiskonglomeraten besteht. — K. Pietzsch , welcher der Altersfrage der „dichten Gneise“ eine Arbeit widmete (dies. Centralbl. 1914. p. 202), vergleicht die hiehergehörigen Schichten dem Präcambrium von Böhmen. Wie er mir mitteilte, hat auch Prof. Lepsius brieflich dieser Altersauffassung zugestimmt. (Schluß folgt.) H. Tertsch, Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 145 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. Von Hermann Tertsch in Wien. Mit 1 Textfigur. Es mag vielleicht sehr überliüssig erscheinen, neuerdings eine Erage aufzugreifen, welche schon von verschiedensten Gesichts- punkten aus eingehende Behandlung erfahren hat. Aber gerade die starken Divergenzen, welche in der Symmetrieklassen-Gruppie- rung einzelner Forscher zutage treten (es sei nur an die Arbeiten von Beckenkamp, Fedorow, Groth, Tschermak, Wülfing u. a. erinnert), zeigen, daß immer noch keine völlige Klärung in der Anordnung gewonnen wurde; sie lassen aber auch sofort die eine große, unvermeidliche Schwierigkeit erkennen, daß man nämlich durch eine einzige Reihung nicht allen Forderungen, die man an eine folgerichtige Gruppierung stellen kann , zu genügen ver- mag. Gewisse Grundforderungen müssen aber befriedigt werden, wenn die Anordnung tunlichst auf objektiver Grundlage erfolgen soll. 1. Es muß ein einfaches und möglichst anschauliches Ab- leitungsprinzip zugrunde gelegt werden. 2. Die Ableitung muß zu einer ungezwungenen und eindeutigen Festlegung der gene- tisch zusammengehörigen Symmetriegruppen (Kristallsysteme) führen. 3. Die physikalischen Beziehungen der Sym- metrieklassen, wie auch die in den einzelnen Systemen ersicht- lichen Analogien müssen in der Anordnung zum Ausdruck kommen. Eine diesen Forderungen sehr weitgehend entsprechende Ab- leitung gab Tschermak1. Wenn hier trotzdem nochmals ein ähn- licher Versuch vorgelegt wird, begründet sich dies dadurch, daß Tschermak zwar die konsequente Ableitung durch die Entwicklung des weniger in die Augen springenden Zonengesetzes vornimmt, daß hingegen analoge Versuche, die sonst üblichen und der ein- fachen Anschauung leichter zugänglichen Symmetrieelemente : Deck- achse (Dx), Symmetriezentrum (C) und Symmetrieebene (S) zu verwenden, bis nun zu keiner ebenso eindeutigen und in sich ge- schlossenen Gruppierung geführt haben. Man vergleiche hiezu die 1 Einheitliche Ableitung der Kristallisations- und Zwillingsgesetze. Zeitschr. f. Krist. 39. p. 433 ff. Vergl. auch die letzten Auflagen von Tschermak’s „Lehrbuch der Mineralogie“. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916- 10 146 H. Tertsch, Angaben von Beckenkamp, Fedoeow, Groth und Wülfing1, wobei die ersten beiden das trigonale System dem hexagonalen einordnen, Groth und Wülfing in der Abgrenzung des trigonalen und hexagonalen Systems zu anderen Resultaten als Tschermak kommen. Gleichwohl wäre besonders für den Anfänger eine mög- lichst leichtfaßliche, methodische Anordnung, die trotzdem den obigen Anforderungen entspricht, sehr erwünscht, und damit sollen sich die folgenden Zeilen beschäftigen. Vor allem darf man bei dem Versuche einer solchen Grup- pierung außer dem gewählten Ableitungsprinzip von keinerlei Vor- aussetzung ausgehen. Es ist also auch unangebracht, die Kristall- systeme rein geometrisch festzulegen und erst nachträglich die Kristallklassen in diese Einteilung hineinzuzwängen. Der alte Vorgang der Aufstellung einer Vollform, welche durch Unter- drückung einzelner Symmetrieelemente zur Ableitung der Unter- abteilungen dienen soll, führt deshalb zu Inkonsequenzen, da ins- besondere die physikalischen Beziehungen hiebei völlig unberück- sichtigt bleiben. Gerade diese aber müssen eingehend gewürdigt werden, darf man doch nie die Tatsache aus den Augen verlieren, daß eine voraussetzungslose , rein geometrische Ableitung der Kristallsymmetrie überhaupt ausgeschlossen ist. Daß wir diese Kristallsymmetrie auf 32 Klassen zu beschränken vermögen, daß nur D2, D3, D4, Dü mögliche Deckachsen darstellen, all dieses wird erst durch den Raumgitteraufbau plausibel, welcher seiner- seits wieder ohne die Vorstellung eines physikalischen Kör- pers (nicht bloß geometrischen Raumes) undenkbar ist. Mehr denn je ist in der Gegenwart auf diese Bezugnahme zum physi- kalischen Verhalten Wert zu legen, da gerade die Röntgenogramme von Kristallen die Raumgitternatur der Kristallkörper einwandfrei festgelegt haben und damit die Grundlage der ganzen Gitter- und Punktsysteme experimentell sichergestellt erscheint. Überblickt man die Symmetriecharakteristika der einzelnen Klassen in der üblichen Darstellungsweise, so fällt auf, daß mit Ausnahme von 3 Klassen sämtliche anderen durch das Vorhanden- sein von Deckachsen ausgezeichnet erscheinen. Dieses Sym- metrieelement soll deshalb zur Grundlage für die gesamte Ableitung genommen werden. Die Gesetze, welche für die konsequente Ableitung der ver- schiedenen Deckbewegungen gelten, hat schon Liebisch in seiner „Geometrischen Kristallographie“ abgeleitet, weshalb hier einfach 1 Beckenkamp, Statische und kinetische Kristalltheorien. Bornträger, Berlin 1913. — Fedorow, Zeitschr. f. Krist. 28. (1897.) p. 36; 31. (1899.) p. 21. — Groth, Physikalische Kristallographie. Engelmann, Leipzig. — Wülfing, Die 32 kristallographischen Symmetrieklassen. Bornträger, Berlin 1914. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 147 darauf verwiesen werden soll *. Zur mathematischen Behandlung dienen ausschließlich D2, D3, D4, DH. Die D1 hat insofern mathe- matisch keine Bedeutung, als jede beliebige, durch die Kristall- mitte gezogene Linie nach einer Drehung von 360° den Kristall mit sich selbst zur Deckung bringt. Sie dient aber sehr bei der konsequenten Ableitung und deshalb soll die D1 nachstehend Verwendung finden. Die geometrische Behandlung der Deckbewegungen führt zur Aufstellung einseitiger oder polarer (einpoliger) und zwei- seitiger (zweipoliger) Achsen. Die interessanten Achsen der zusammengesetzten Symmetrie (Inversions - und Drelispiege- lungsaclisen) nehmen zwischen den beiden erstgenannten Achsen- typen eine eigentümliche Zwischenstellung ein. Macht man sich den geometrischen Vorgang klar, der z. B. bei einer vierzähligen Inversionsachse (J4) zu beobachten ist , so ergibt sich , daß hier eine polare vierzählige Deckachse vorliegt , bei der die beiden Enden abwechselnd dem Begrenzungselement zugeordnet, d. h. als aktive Pole behandelt werden. Man gehe von einem Begren- zungselement und dem diesem zugeordneten Pole der Inversions- achse (J4) aus. Die nächste, kristallographisch gleichwertige Lage des Begrenzungselementes findet man bekanntlich, wTenn man eine 1 Alle diese rein geometrischen Beziehungen, wie auch der Nachweis des ausschließlichen Auftretens von 32 Kombinationen der Symmetrie- elemente werden als bekannt vorausgesetzt. Fi g- 1. 10* 148 H. Tertsch. Drehung um 90° mit J4 als Achse vornimmt und statt der neu erhaltenen Lage das hiezu zentrisch symmetrisch gelegene, parallele Gegenelement verwendet. Das heißt aber nichts anderes, als daß man, statt das Element dem Pole P, zuzuordnen, eine gleich- wertige, aber mit entgegengesetztem Drehungssinn ausgestattete Zuteilung zu dem Pole P2 vornimmt (vergl. Fig. 1). Das nächste kristallographisch gleiche Begrenzungselement ist wieder in der gleichen Weise dem Pole Pt zugeordnet, das vierte dem Pole P2 usw. Daraus erklärt sich die oben behauptete Mittelstellung dieser Deckachsentype (Inversionsachse) zwischen den ein- und zweipoligen Achsen, was man vielleicht durch das Beiwort „wechselpolige“ Achse charakterisieren könnte. Es ist natürlich klar, daß geo- metrisch die wechselpoligen und die Inversionsachsen vollkommen identisch sind; der vorgeschlagene Name soll nur die Beziehungen dieser Achsentype zu den ein- und zweipoligen Achsen in den Vordergrund rücken. Eine Zweipoligkeit der Achsen , wo also die Begrenzungs- elemente gleichzeitig beiden Polen der Deckachse zugeordnet sein sollen, kann durch eine Dx allein nicht zustande kommen. Entsprechend den bekannten Beziehungen zwischen den Symmetrie- elementen untereinander ist eine Zweipoligkeit der Dx genetisch entweder mit einem C oder mit einer neuen, zur Dx normalen D2n oder einer zur Dx normalen 2? verknüpft 1. Im Falle einer gerad- zahligen Achse (D2n) fallen letztere beiden Möglichkeiten in eine zusammen, da die 3 Elemente D2n, C und die zu D2n normale 2 derartig miteinander verknüpft sind, daß das Auftreten von zweien derselben das dritte automatisch einfügt. Nur die unpaarzähligen D machen hievon eine Ausnahme. Zieht man auch die D1 in den Kreis der Betrachtungen, so gelingt es leicht, unter Verwendung wechselpoliger Achsen (In- versionsachsen) sämtliche Kristallklassen durch eine Deckachsen- symmetrie zu kennzeichnen. Gleichzeitig liefert dieses völlig ein- heitliche Ableitungsprinzip eine sehr einfache und eindeutige Fest- legung der Kristallsysteme. Die Benützung der Deckachsensymmetrie enthält auch in sich die engste Bezugnahme zu den physikalischen Verhältnissen, da ja in der Kristallphysik die Bestimmung gleich- wertiger Vektoren oder Tensoren die Hauptrolle spielt. Die Ableitung erfolgt in einzelnen Stufen, deren Aufeinander- folge einfach durch den Charakter der Deckachsen als einpolige, wechselpolige oder zweipolige Linien fixiert ist. Der Einfachheit wegen seien in der Folge einpolige (polare) Deckachsen durch 1 Im Folgenden werden die zu den charakteristischen Deckachsen nor- malen Symmetrieebenen mit 2, jene mit ihnen parallel laufenden mit S bezeichnet, bezw. erhalten Dx und S den gleichen Index (z. B. D2n, Sn die aufeinander normal stehenden Nebendeckachsen und Nebensymmetrie- ebenen.) Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 149 das Symbol A Dx, wechselpolige durch A Dy und zwei- polige einfach durch Dz gekennzeichnet. 1. Stufe: Einzelne (bezw. gleichartige) einpolige Deckachsen. A D1 bedeutet, daß irgendein Begrenzungselement durch Rollen um eine beliebige zentrale Linie nach voller Drehung um 360° mit sich selbst zur Deckung kommt, d. h. jede Wiederholung des Begrenzungselementes ist ausgeschlossen. Einer A D1 entspricht also die Symmetrie = -fr, wodurch diepediale Klasse (Groth) charakterisiert ist1. Da in einem Kristall unendlich viele D1 denkbar sind, besagt dies, daß im Kristallbau keine Richtung irgendwie bevorzugt oder festgelegt ist , bezw. daß alle gleich- berechtigt erscheinen. Das Fehlen bevorzugter Vektoren oder Tensoren läßt auch die Wahl der Koordinatenachsen ganz will- kürlich erfolgen, wodurch das trikline System charakterisiert ist2. ^ D2 besagt, daß im Kristallbau eine b evorzugte Richtung besteht. Normal zu dieser ist bekanntlich immer eine Kristall- fläche möglich, welche demnach eine entsprechende, ausgezeichnete Ebene des Kristallbaues ist. Dadurch ist die Koordinatenachsen- wahl schon eingeschränkt, da eine Achse durch die A D2 vorge- zeichnet ist. Die anderen beiden können nur in der bevorzugten Ebene _L D2 liegen, ohne daß für sie weitere Bedingungen fest- gelegt sind. Dadurch charakterisiert sich das monokline Koordinatensystem (monoklin sphenoidisch). ^ D3 bringt eine Gruppe von Begrenzungselementen nach 120° Drehung mit sich zur Deckung. Es liegt hier eine sehr ausgeprägte Wirtelachse vor, d. h. ein Kristallbau mit einer be- vorzugten Richtung und mehreren hiezu in gleicher Weise geneigten, gleichwertigen Richtungen. Wir stellen alle Symmetrieklassen mit einer einzelnen, echten dreizähligen Deckachse in das trigonale System (trigonal pyramidal). ^ D4 liefert in analoger Art die Grundlage für das tetra- gonale System, welches wieder durch eine einzelne, echte vierzählige Achse fixiert ist. Das Achsenkreuz ist abermals dem Prinzip nach festgelegt, insofern entsprechend der Symmetrie eine bevorzugte und zwei dazu normale, gleichartige Richtungen als Koordinaten gewählt werden müssen (tetragonal pyramidal). ^ Dfi. Ganz gleichartige Verhältnisse bietet das durch eine echte D6 ausreichend gekennzeichnete hexagonale System (hexagonal pyramidal). 1 Mit wenigen Ausnahmen halte ich mich an die so einleuchtende Namensgebung, welche Groth eingeführt hat, da diese in ihrer konsequenten Anlage und Durchführung die klarste Versinnlichung der vorhandenen Symmetrie im Klassennamen ermöglicht. 2 Vergl. hiezu Beckenkamp und Fedorow (1. c.) und die Bemerkungen am Schlüsse dieser Notiz. 150 H. Tertsch, 4 AD31. Die geometrische Ableitung lehrt, daß bei polaren Dx nur eine Kombination polarer I)3 denkbar ist, und zwar müssen deren wirksame Pole in den Richtungen der Tetraederecken ein- ander zugeordnet sein. Hiebei stellen sich automatisch1 2 3 noch weitere 3D2 ein, welche zueinander normal stehen, gleichwertig sind und in ihren Richtungen den Würfelkanten entsprechen3. In diesen drei gleichen D2 ist das Koordinatenkreuz schon vor- geschrieben. Darin dokumentiert sich das tesserale System (tesseral tetartoed risch = tetraedrisch pentagondodeka- edrisch). 2. Stufe: Einzelne (bezw. gleichwertige) wechselpolige Achsen. AD1. Der Kristall ist um eine zentrale Linie um 360° zu drehen und dann statt des ursprünglichen Begrenzungselementes das hiezu zentrisch symmetrische Gegen element zu verwenden. D. h. A D1 = C. Da auch hier keinerlei Richtung bevorzugt ist, liegt trikline Symmetrie vor (triklin pinakoidal). A D2. Verwendet man wieder den Gegenpol des Begrenzungs- elementes, welches man durch eine Drehung um A D2 in die um 1 Wie auch sonst üblich, werden gleichartige Achsen in ihrer Zahl durch Vorsetzung des entsprechenden Koeffizienten ausgedrückt. Ungleichwertige Achsen dagegen werden getrennt angeschrieben. 2 Es ist für die Ableitung wichtig, die zur Charakterisierung not- wendigen Symmetrieelemente wohl von den wirklich vorhandenen, durch automatisches Hinzutreten vermehrten Symmetriemerkmalen zu unter- scheiden. Speziell der arbeitende Kristall-Physiker und -Chemiker wird darauf ausgehen, die voneinander unabhängigen, also notwendigen Symmetrieelemente zu bestimmen, die anderen verstehen sich dann von selbst. Darauf hat insbesondere Voigt (Lehrbuch der Kristallphysik) hin- gewiesen. In unserer Symmetrietabelle sind die automatisch hinzutreten- den Elemente eingeklammert. Selbstverständlich bleibt es ganz der Willkür überlassen, welche Elemente man als ursprünglich, welche als bedingt ansieht. Man hätte oben ja auch von 3 D2 ausgehen können, denen dann 4 | D3 als bedingt zugeordnet wären. Die Wahl der not- wendigen Elemente richtet sich eben nach dem Standpunkt, von dem aus die Prüfung der Symmetrie vorgenommen wird — niemals aber darf der arbeitende Kristallphysiker auf diese Scheidung der notwendigen und der bedingten Elemente vergessen. 3 Es ist dringend zu empfehlen, sich neben diesen Zeilen der Sym- metrieprojektionen zu bedienen, wie sie in Tschermak’s Lehrbuch oder in Wülfing’s „32 Kristallsymmetrieklassen“ usw. enthalten sind, damit die gegenseitigen Beziehungen der Symmetrieeieinente klar vor Augen stehen. Gerade weil aber die charakteristischen Projektionen schon so oft und in so vorzüglicher Weise dargestellt wurden, verzichtete ich darauf, in dieser Notiz die wohlbekannten Figuren neuerlich einzufügen. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 151 1 80° verwendete Lage gebracht hat, so sind die beiden zusammen- gehörigen Begrenzungselemente, wie leicht gezeigt werden kann, symmetrisch zu einer Ebene, welche auf der A D2 normal steht. Es ist dies die bekannte Tatsache, daß sich eine zweizählige In- versionsachse durch eine zu ihr normale Symmetrieebene ersetzen läßt, also AD2 = 21. Damit ist eine Ebene und gleichzeitig eine hiezu normale Richtung im Kristall bevorzugt, was zum m onokl inen Koordinatenkreuz führt (monoklin domatisch). Vielleicht erscheint die Heranziehung der wechselpoligen (Inver- sions-) Achsen in diesen Fällen, wo der Ersatz derselben so einfach ist, gekünstelt. Aber abgesehen davon , daß es die konsequente Durchführung des gewählten Ableitungsprinzipes fordert, abgesehen auch davon, daß man die A D4 = J4 doch nicht umgehen kann, der Begriff also eingeführt werden muß, erhält man hiebei noch das wertvolle Nebenresultat, daß eigentlich C und S nur besondere Formen der Deckachsen Symmetrie darstellen. Natürlich wird man weiterhin in der Praxis , nachdem einmal die streng folgerichtige Ableitung und Reihung vorgenommen ist, statt der weniger an- schaulichen wechselpoligen (Inversions-) Achsen lieber C und S verwenden. A D3 läßt sich ersetzen durch D3 + C, liefert also die Sym- metrie des Dolomites (trigonal rhomboedrisch). AD4, die bekannte vierzählige Inversionsachse, läßt sich in keiner Art ersetzen, muß also unbedingt beibehalten werden. Ihr Charakter als eine D4 läßt über die Zuteilung zum tetragonalen Systeme keinen Zweifel zu (tetragonal bisphenoidi sch). A DG. Hier liegt ein sehr interessanter Fall vor, da sich diese sechszählige Inversionsachse durch D3 -f- 2 (horizontale Symmetrieebene) ersetzen läßt. Dieser zutage tretenden D3 zuliebe wurde die fragliche Klasse (trig. bipyramidal) sowohl von Groth als auch neuerdings von Wülfing dem trigonalen System zuge- wiesen, wogegen sie Tschermak an das hexagonale angliedert. Voigt (1. c.) zieht aus theoretisch physikalischen Gründen diese Klasse gleichfalls zum hexagonalen System, was nach vor- stehender Ableitung selbstverständlich ist, da eben D3 4 — keine echte trigonale, sondern eine versteckt sechszählige Achse ist. Nur die echten D3 gehören in das trigonale System, diese D3 -j- 2 = A D6 ist aber eine hexagonale Achse. Aus den VoiGT’schen Deduktionen geht hervor, daß physikalisch ge- nommen diese Symmetrieklasse dem trigonalen System ganz ferne steht. Alle physikalischen Vorgänge zentrisch symmetrischer Natur (z. B. Röntgenographien von Kristallen) verleihen dieser Symmetrie- klasse die gleiche Symmetrie wie beim Apatit, über dessen hexa- 1 Bezüglich der Schreibung (Symbolisierung) vergl. die Anmerkung p. 148. 152 H. Tertsch, gonalen Bau keinerlei Zweifel besteht1. Schließlich sei noch angemerkt , daß durch Zuweisung dieser Symmetrieklasse zum trigonalen System die sonst so überaus weitgehende Analogie zwischen dem trigonalen und tesseralen System einerseits, wie zwischen dem hexagonalen und tetragonalen andererseits völlig durchrissen wird, worauf Wülfing selbst aufmerksam machte. Tschermak nennt diese Klasse: trigonotyp tetartoedrisch, Groth: trigonal bipyramidal. In beiden Benennungen kommt leider die Zugehörigkeit zum hexagonalen System nicht zum Ausdruck, wes- halb ich in Ermanglung einer besseren Bezeichnung statt trigonal den Ausdruck hemihexagonal vorschlagen möchte , so daß der Klassenname: hemihexagonal bipyramidal lauten würde. 4 A D3 = 4 D3 * + C. Da jede A D3 = D3 + C ist, erhöht sich automatisch die Symmetrie sehr bedeutend. Schon im Falle der 4 A D3 traten selbsttätig 3 D2 hinzu. Durch das nun einge- schaltete C wird der Fall verwirklicht, daß ein C mit paarzähligen D (3 D2) gemeinsam auftreten soll , was wieder automatisch den Zutritt von 3 2 ( J_ zu 3 D2) zur Folge hat. 4 A D3 = 4 D3 ffl C + (3 D2, 3.2). Das ist die Symmetrie des Pyrites (tesseral dyakisdodekaedrisch). Die Zuteilung zum tesseralen Systeme ist durch die 3 D2 sichergestellt. Nun gilt es, die Kristallklassen mit zweipoligen Dx ab- zuleiten. Wie oben auseinandergesetzt wurde , kann die Zwei- poligkeit durch Zufügung von C (bezw. 2) oder von neuen D2n erzielt werden. Es sind demnach für die zweipoligen Achsen zwei Entwicklungsstufen zur Verfügung: 1. Zweipoligkeit durch Hinzufügung von C, 2. Zweipoligkeit durch Kombination mit neuen D2ri. Die Verwendung einer S bleibt unberücksichtigt, da dies bei D1 und D3 zu einer A D2 und A D6, also zu ganz aus der Art fallenden Achsen führt, bei den D2x aber das gleiche Resultat zeitigt wie das C. 3. Stufe: Zweipolige Einzelachsen = Stufe 1 in Ver- bindung mit C. Sowohl bei ^ Dl und |D3 wie auch bei 4| D3 führt die Addition eines C zu Symmetrieklassen , welche schon in Stufe 2 erhalten wurden, bringen also keine neue Kombination hervor. D2 4- C liefert automatisch eine zu D2 J_ 2, aber auch damit ist nur eine Richtung und eine dazu senkrechte Ebene im Kristall 1 Vergl. hiezu Haga und Jäger, „On the Symmetrie of the Röntgen patterns of Trigonal and Hexagonal Crystals . . . .“ Proceed. R. Acad. d. Sc. Amsterdam. XVIII. 1915. p. 542 ff., und Rinne, „Beiträge zur Kenntnis der Kristall-Röntgenogramme.“ Kgl. sächs. Ges. d. Wiss. Leipzig. 67. 1915. p. 303 ff. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 153 fixiert, was zum monoklinen System führt (monoklin pris- matisch). D4 -f- C = D4 C (2), die Symmetrie des Scheelits (tetragonal bipyramidal). D'5 -f- C = I)6 C (.£) entspricht der Symmetrie des Apatits (hexagonal bipyramidal)1. Bisnun kamen ausschließlich Einzelachsen oder mehrere gleich- artige, unpaarzählige Achsen in Betracht. Die Kombination mehrerer, speziell paarzähliger Achsen erhöht die Symmetrie sofort um ein Beträchtliches. 4. Stufe: Zweipoligkeit durch Kombination der Stufe 1 mit D2n. Kombiniert man eine D1 mit einer D2n, so gilt dies so viel als eine |D2n, liefert also keine neuen Symmetriegruppen, sondern solche, die schon in Stufe 1 besprochen wurden. D2 -j- D*. In diesem Falle, wo zwei ungleiche D2 in Kombination treten und höherzählige Achsen ausgeschlossen sein sollen, liefert bekanntlich die geometrische Ableitung noch eine dritte, zu den ersten beiden normale D2. Diese dreierlei, un- gleichen D2 stehen aufeinander senkrecht und stellen drei von- einander völlig unabhängige, ausgezeichnete Richtungen dar. Selbstverständlich ist dadurch das Koordinatenkreuz fixiert und unterscheidet sich von allen bisher erhaltenen Kristallachsenlagen durch die Ungleichwertigkeit der drei rechtwinkligen Koordinaten- richtungen. Hiedurch ist ein neues Kristallsystem festgelegt, welches gewisse genetische Beziehungen zum monoklinen System nicht verleugnen kann2, nämlich das rhombische System (rhom- bisch bisphenoidisch). D3 -j- 3 A D2. Es läßt sich mathematisch leicht nachweisen, daß die D3 ohne Hinzufügung anderer Elemente nur mit drei polaren, auf ihr normalen D2 kombiniert werden kann. Hier liegt die dem a-Quarz zukommende Symmetrieklasse vor (tri- gonal trapezoedrisch), welche als erstes Beispiel einer 1 Es ist nicht ohne Interesse, daß bisher alle je einem System an- gehörigen Unterabteilungen bei allen tensoriellen Vorgängen, wo sich also Richtung und Gegenrichtung nicht mehr unterscheiden lassen, völlig gleich verhalten. Alle drei monoklinen oder tetragonalen oder hexagonalen Gruppen zeigen z. B. die gleiche Röntgenogrammsymmetrie wie die zuletzt besprochenen Klassen der drei Systeme. Es sei nochmals betont, daß die A D6 = D3 -j- Z sich hiebei unbedingt dem hexagonalen System ein- ordnet. 2 Vergl. hier die Beziehungen der rhombischen und monoklinen Pyro- xene und Amphibole, oder den nahen Anschluß der Glimmer an den rhom- bisch-pseudohexagonalen Bau. 154 H. Tertsch, Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. charakteristischen Schrauben Symmetrie bekannt wurde. Überhaupt zeigen sämtliche Klassen dieser 4. Stufe den gleichen Schrauben- charakter, sind also sämtlich möglich zirkular-polarisierend und mit enantiomorphen Formen ausgestattet. D4 -f- 2 D1 2 = D4, 2 D2n (2 D2Z) *. Durch diese Deckachsen- symmetrie ist die tetragonal trapezoedrische Klasse charakterisiert. D6 -f- oD2 = DG, 3 D2n (3 D2Z) liefert die dem /?-Quarz ent- sprechende, hexagonal trapezoedrische Symmetrie. Bei 4 A D3 haben sich schon von selbst 3 D2 eingestellt, eine Hinzufügung von D2 brächte also keine neue Symmetrieklasse, wohl aber ist geometrisch noch eine Kombination mit D4 möglich. 4 D3 -j- 3 D4 = 4 D3, 3 D4 (6 D2), wobei sich automatisch in den Richtungen der Flächendiagonalen des Würfels neue D2 hinzu- gesellen (g y r o e d r i s c li e = pentagonikositetraedrische Klasse des tesseralen Systems). Die 3 D4 haben mit den ursprünglichen 3 D2 die gleiche Lage und dienen als Koordinatenachsen. Mit Ausnahme der etwa automatisch hinzutretenden Symmetrie- ebenen enthalten die bisher abgeleiteten Kristallklassen bloß ver- schiedenartige ein-, Wechsel- oder zweipolige Deckachsen und deren Kombinationen. Untersucht man nun die Kombinationsmöglichkeiten von Sym- metrieelementen unter Hinzufügung der bisher nicht verwendeten Symmetrie e b e n e n , dann ist zu beachten, daß, wie schon öfters betont, S nur dann als unabhängige Komponente beigefügt werden kann, wenn man die zu. kombinierenden S und D2n nicht normal zueinander stellt. D. h. die neu einzuführenden Symmetrie- ebenen müssen die mit ihnen kombinierte Dx in sich selbst enthalten, also mit diesen Dx gleich gerichtet (parallel) sein 2. Diese Überlegung führt zu den Stufen 5 — 7, indem die Stufen 1 — 3 mit S II Dx kombiniert werden. (Schluß folgt.) 1 Die Indizes n, bezw. z bedeuten Neben- oder Z wisch en- Deck- achsen. Analog erfolgt auch in diesen Zeilen die Unterscheidung in Z, Sn, Sz als Haupt-, Neben- und Z wischen -Symmetrieebenen. Man vergesse nicht, daß die einander zugeordneten D2n und Sn (D2Z und Sz) aufeinander normal stehen. Solange keine Indizes zur Verwendung kommen, sind solche zugeordnete Elemente durch Dx, Z gekennzeichnet (vergl. Anm. p. 148). 2 Durch Hinzufügung von Symmetrieebenen // Dx wird das Ableitungs- prinzip nicht durchbrochen, da ja jede Symmetrieebene einer auf ihr nor- malen, wechselpoligen D2 gleichwertig ist. Man kann also die weitere Entwicklung auch definieren : Kombination mit normalen A D2, wodurch die Strenge des A bleitungsprinzipes klar hervortritt. Der Anschaulich- keit wegen wird statt AD2 die Symmetrieebene genannt. G. Kalb, Kugeldioritgeschiebe von Finkenwalde bei Stettin. 155 Kugeldioritgeschiebe von Finkenwalde bei Stettin. Yon Georg Kalb, Greifswald. Mit 2 Textfiguren. Auf einer geologischen Wanderung im Sommer 1915 fand ich im Friedensburger Kreidebruch bei Finkenwalde ein großes Kugel- dioritgeschiebe, das mit keinem bekannten, nordischen Vorkommen übereinstimmt, weshalb mir eine eingehende Beschreibung des Stückes gerechtfertigt erscheint. In dem mittel- bis grobkörnigen Gestein liegen Sphärolithe von wechselnder Größe. Meist haben sie einen Durchmesser von ungefähr 10 cm. Selten geht ihr Durchmesser auf 5 cm herunter, und nur bei langgestreckten Gebilden steigt er bis zu 30 — 40 cm in der Längsrichtung. Den vorliegenden Block setzen diese kuge- ligen Gebilde hauptsächlich zusammen ; das Gestein erscheint als eine Art Zwischenmasse. Nach der mineralogischen Zusammensetzung entspricht diese Zwischenmasse einem Quarzdiorit. Schwarze Hornblende und ein Plagioklas bilden die Hauptgemengteile. Die dunkelgrün durch- sichtige Hornblende, die im polarisierten Lichte parallel der c-Rich- tung bläulichgrüne Farbe zeigt, ist stark korrodiert und stellen- weise stark von unregelmäßig begrenzten Titanitkörnern durchsetzt. Neben der Hornblende kommt in geringerer Menge ein grünlich- brauner Biotit vor, der ebenfalls stark korrodiert und von Titanit- körnern erfüllt ist; häufig ist Epidot, der, in Spindelform parallel den Spaltrissen eingelagert, gegen den Wirt einen deutlich pleo- chroitischen Hof zeigt. Der stark sericitisierte und mit Epidot- körnern erfüllte Plagioklas ist nach seiner Lichtbrechung (§; 1,56) ein Labradorit. Bei einzelnen frischer aussehenden Plagioklas- körnern und am Rande der Labradorite erweist sich die Licht- brechung niedriger als 1,56 und höher als 1,55, so daß auch ein dem Andesin nahestehender Plagioklas vorhanden ist. Die Zwischen- räume zwischen den oft gut idiomorph ausgebildeten Plagioklasen sind von wenigem, sehr frischem Kalifeldspat mit Mikroklinstruktur und besonders von Quarz ausgefüllt. Den Quarz durchziehen die bekannten Schnüre von Einschlüssen mit beweglicher Libelle und mit manchmal regelmäßig sechsseitiger Gestalt; daneben finden sich viel farblose, haarfeine Nadeln in regelloser Lagerung. Von Nebengemengteilen sind Erze, Apatit, Zirkon, Orthit, Epidot und Titanit vorhanden. Unter den Erzen herrscht der oft viereckige Eisenkies vor. Das schwarze Eisenerz ist nach seiner leichten Löslichkeit in Salzsäure als Magnetit anzusprechen. Apatit ist in kleinen gedrungenen Säulen in den übrigen Gemengteilen eingeschlossen. Der seltene Zirkon kommt in großen Kristallen vor, die gegen die dunklen Gemengteile , Hornblende und Biotit, pleochroitische Höfe zeigen. Der ebenfalls seltene, rötlichbraune 156 G. Kalb, Orthit ist idiomorph ausgebildet und von Epidot parallel um- wachsen. Diese Epidothüllen und andere Kristalle ohne Orthitkern besitzen meist idiomorphe Begrenzung gegen Hornblende und Biotit. Unregelmäßig begrenzter Titanit ist in größeren Körnern nur wenig zu beobachten. Die Sphäroide bestehen aus Kern und dunklem Mantel. Die meisten Kerne stimmen nach der mineralogischen Zusammensetzung’ und Struktur mit der Gesteinszwischenmasse überein. Nur selten sind die Kerne etwas dunkler und feinkörniger; dann treten Mikro- klin und Quarz noch mehr zurück, während die übrige Zusammen- Fig. 1. Kugeldioritgeschiebe von Finkenwalde. 1 : 3. Setzung unverändert erscheint. Die kleinsten Sphäroide haben in ihrem ganzen Durchmesser die feinkörnige basische Zusammen- setzung der Mäntel der großen Sphäroide , so daß man sie mit basischen Putzen in vielen Graniten und Dioriten vergleichen kann. Die Mäntel der großen Sphäroide haben einen Durchmesser von 1 — 5 cm. Siebestehen hauptsächlich aus stark korrodierter Horn- blende, gegen die der Biotit stellenweise fast verschwindet. Die Zwischenräume sind von Plagioklas erfüllt, der nach seiner Licht- brechung (§- 1,555) Andesin ist. Mikroklin und Quarz konnte ich in den Dünnschliffen nicht beobachten. Von den Nebengemengteilen des Gesteins finden sich in den Mänteln die kleinen Säulen des Apatit in auffallend großer Zahl ; Titanit ist in rundlichen kleinen Körnern besonders in Hornblende und Biotit eingelagert ; Zirkon war nicht zu beobachten ; Orthit Kugeldioritgeschiebe von Finkenwalde bei Stettin. 157 ist selten ; Epidot tritt meistens in idiomorphen Leisten auf und reichert sich in der Mittelzone der Sphäroidmäntel so stark an, daß er hier als wichtiger Gemengteil erscheint. Die meisten Sphäroidmäntel zeigen eine deutliche Dreiteilung: die Mitte ist gegenüber einer schmalen, dunklen Innen- und Außen- zone heller gefärbt (Fig. 1). Diese graugrüne Färbung der breiten Mittelzone beruht auf der erwähnten Anreicherung des Epidot und Fig. 2. Kugeldioritgeschiebe von Finken walde. 1 : 3. (Zum Teil polierte Oberfläche.) auf der hellgrünen Farbe der hier ausgebildeten Hornblende, die sich gegenüber der dunkelgrünen Hornblende in der Außen- und Innenzone sehr abhebt. Die Mäntel mancher Sphäroide besitzen eine radial gebaute Mittelzone; die nach der c-Achse gestreckten Hornblendekristalle liegen mit ihrer Längsrichtung in der Radialrichtung der Sphäroide. Diese sehr groß ausgebildeten Hornblenden sind so stark durch- löchert, daß man von Siebstruktur sprechen könnte. Einige dieser Hornblendekristalle haben im Kern unregelmäßige helle Stellen, die gegen die Spaltrisse bis 40° schief auslöschen; es müssen Reste von parallel eingewachsenem Pyroxen sein. Diese radial ausge- bildeten Mäntel lassen auch eine konzentrische Anordnung der Mineralien erkennen, die besonders auf polierten Flächen hervor- tritt (Fig. 2). Einige Millimeter breite, grünlichgraue und schwarze 158 F. Kossmat, Ueber die Tektonik Zonen wechseln miteinander ab. Die dunklen Zonen sind gegen die nach außen folgende helle Zone schärfer als gegen die benach- barte innere, helle Zone abgegrenzt; eine entsprechende Abgrenzung der dunklen Zonen gegen die hellen besitzt bekanntlich in noch auffallenderer Weise der Kugeldiorit von Slättmossa in Schweden. Der konzentrische Aufbau des Mantels erscheint in der Mitte am schärfsten und verliert an Schärfe nach innen und außen. Ich konnte bis zu 10 Zonen zählen. Bei der Bildung haben sich die Sphäroide gegenseitig beein- flußt, wie man aus der gegenseitigen Lage und Gestalt der anein- anderstoßenden und auch der durch etwas Zwischenmasse getrennten Kugeln deutlich ersieht. Im Gestein verlaufen helle, wenige Millimeter breite, aus Plagioklas, wenig Mikroklin und Quarz bestehende Adern (Fig. 1) durch Kugeln und Zwischenmasse ; eine Ader, die quer durch eine Kugel hindurchsetzt, biegt an einer benachbarten Kugel um und verläuft eng um ihren Mantel herum , ohne in sie einzudringen. Herr Prof. Holmquist hatte die Freundlichkeit, auf Grund der Beschreibung und einiger Abbildungen zu bestätigen, daß das vorliegende Kugeldioritgeschiebe mit keinem uns aus der Literatur bekannt gewordenen nordischen Vorkommen übereinstimmt, und mitzuteilen, daß ein gleiches Gestein im Norden bis jetzt nicht bekannt ist. Ich möchte Herrn Prof. Holmquist für seine Güte hier meinen Dank aussprechen. Über die Tektonik des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. Von Dr. Franz Kossmat. Mit 5 Textfiguren. (Schluß.) Die Faltung des West-Erzgebirgischen Gneisgebietes. An verschiedenen Stellen liefern die Lagerungsverhältnisse den Beweis für die Existenz beträchtlicher tektonischer Bewegungen, die zu überkippten und sogar liegenden Falten, sowie auch zu einzelnen Überschiebungen führten. Abgesehen vom berühmten Crottendorfer Marmorbruch, wo eine sehr schöne liegende Falte mit SSO-laufender Achse sichtbar ist, zeigt der im gleichen Gneiszuge befindliche Steinbruch von Hammer — Unter-Wiesenthal ein Aufschlußbild, das besonders durch die schöne Verfaltung von plattigem Schiefergneis und Kalk Auf- merksamkeit verdient. Auch hier streichen die Faltenscharniere NNW— SSO, was für die weiteren Überlegungen wichtig ist. des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 159 b) Außer diesen Erscheinungen , die ja auch als örtliche Komplikationen aufgefaßt werden könnten, geben zur Beurteilung der Gneistektonik die Beobachtungen von Laube über das Keilberg- und Wirbelsteingebiet einen weiteren Beitrag. Die roten Gneise, die sich als Kern der im Glimmerschiefer eingeschalteten, süd- östlich streichenden und SW-fallenden Zone darstellen, verschwin- den bei Unter-Wiesenthal in ähnlicher Weise, wie sie im NW bei Ober-Mittweida auftauchten; aber die sie umhüllenden zweiglim- merigen Gneisschiefer setzen sich fort. Jenseits des Keilberges, wo der ganze Zug entsprechend dem Abschlüsse der Wölbung von Kupferberg nach 0 umschwenkt, tritt in ihm wieder roter Fig. 4. Fiskalischer Kalkbruch bei Hammer — Unter-Wiesenthal, August 1915 (nach Beobachtung von F. Kossmat und R. Reinisch). Höhe über 20 m. fbm = plattig-schuppiger, zweiglimmeriger Schiefergneis, k = kristalliner Kalk, h — gefalteter und zerrissener Lagergang von Amphiholit. Tafel- und Granitgneis am Wirbelstein sowie am Kreuzberg zu- tage, diesmal aber als unverkennbare Antiklinale. Letztere zieht gegen den Gebirgsrand bei Pürstein, wo sie mit den gleichen Ge- steinen des Kupferberger Zuges fast zusammenfließt. Ich glaube daher, daß die Wiesenthaler Gneis- zone nur als eine Antiklinalfalte im Glimmerschiefer zu betrachten ist, die vom südlichen Erzgebirgs- abfall in einem gegen NO konvexen Bogen nach Ober- Mittweida — Markersbach verläuft und, etwa von Wiesenthal angefangen, stark gegen NO über- schlagen ist. Die so eigenartig streichende Falte ist zweifellos nicht die westlichste in diesem Abschnitt des Erzgebirges. Das erneute Auftauchen der von dichten Gneisen begleiteten Gneisschiefer von Gottesgab1 in den normalen Glimmerschiefern fügt sich dem gleichen Bauplane ein und dürfte vielleicht mit jenem Zuge in tektonischem Zusammenhänge stehen, der gegen Gesmesgrün streicht. Auffallend 1 L. C. Laube, p. 54, 66. 160 F. Kossmat, Ueber die Tektonik ist es, daß sich damit wieder jene Bogenform wiederholen würde, die wir zuerst bei Kupferberg sahen. Eine kurze, vom Gebirgsrande durchschnittene Antiklinale wird noch südöstlich von Joachimsthal angegeben ; dann aber ist bereits der Kontaktbereich des in großer Breite durchgreifenden Eibenstock — Karlsbader Granits erreicht. Wenn die Wiesenthaler Zone nicht eine Einschaltung, sondern eine Auffaltung ist, dann kann die Grenze zwischen dem Südwest- rande der Annaberger Gneiskuppel und dem Glimmerschiefer keine einfache Auflagerung sein. Dagegen spricht auch der Umstand, daß zwischen letzterem und dem Hauptgneis jene feldspatführen- den Übergangsgesteine, die im obigen als Gneisschiefer bezeichnet wurden,, fehlen. In dem Profil Fig. 2 ist daher die Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß diese Linie den Ausstrich einer Auf- schiebung bezeichnet. Nach der Deutung der Wiesenthaler Verhältnisse muß auch der gebogene Zug von Orpus — Kupferberg als eine gegen 0 blickende, stark überkippte Falte aufgefaßt werden, die uns inmitten der dortigen Gneisschiefer nochmals die gleiche Gruppe der roten Gneise samt ihren Begleitgesteinen zutage bringt. Sie wird von sekundären Verdoppelungen begleitet, die sich in der Gegend von Unterhals bei Kupferberg zeigen. Die Verbindung mit der Haßberg-Zone ist, wie bereits früher erwähnt, im Liegenden der Preßnitzer Gneisschiefer zu vermuten. Letztere sind von den der Kuppelwölbung näheren Gebirgsteilen durch Abwaschung ent- fernt oder treten nur noch in Form einzelner Reste in der Um- gebung von Boden, Jöhstadt etc. auf. Alles zusammengenommen, erklärt sich nach den vorhandenen Anzeichen die eigenartige, besonders durch die roten Gneise und die sie einliüllenden Sedimente zum Ausdrucke gebrachte mehrfache Staffelung im W der Katharinaberger Kuppel durch faltigen, stellenweise von Störungen begleiteten Zusammenschub , welcher der Hauptsache nach quer zur Richtung des Erzgebirges erfolgt ist, aber auf dessen Südseite in die Längsrichtung einlenkt (vergl. die Gegend von Kupferberg). Innerhalb der Alpen b egegnen uns ähnliche Verhäl t- nisse in den großen Gewölben der pieninischen Gneiszone (so im Simplongebiete und in den Tessiner Alpen), ferner weiter östlich in den Hohen Tauern. Wenn man die Karten der Tes- siner Alpen und die dazu gehörigen bekannten Profile der Schweizer Geologen1 betrachtet, die eine Reihe nach N überwälzter „Tauch- decken“ zeigen, wird naturgemäß die Frage angeregt, ob nicht 1 Vergl. die Westalpenkarte und die Profile von Em. Argand, ferner die Tessiner Profile von Alb. Heim, Vierteljahrsschrift der naturforsch. Gesellschaft in Zürich 1906, Taf. II, und die Arbeit von C. Schmidt, Über die Geologie des Simplongebietes und die Tektonik der Schweizer Alpen, Eclogae Geol. Helvetiae. IX. 1907. des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 161 auch im erzgebirgischen Gebiete ähnliches vorliegt. Nach dieser Annahme kämen die oben beschriebenen Aufschlußbilder dadurch zustande, daß ein System iibereinandergelegter Deckfalten gegen SW absinkt, so daß die Denudationsfläche im Gebiete der Katha- rinaberger Kuppel bereits bis zu deren Unterlage gelangt ist, während weiter südwestlich die einzelnen Faltenelemente der Reihe nach von ihr geschnitten werden. Gegen diese, bei der Deutung alpiner Profile von sehr vielen Tektonikern bevorzugte Auffassung spricht in unserem Falle die ausgesprochene NNW — SSO-Richtung der Scharniere in den Kalk- falten und vor allem auch der Umstand, daß sich die Wiesenthaler Isoklinalfalte im Streichen gegen den Gebirgsrand bei Wiesenthal schließt und im Wirbelstein als normale Antiklinale wieder auf- steigt (vergl. auch das Profil von Laube, p. 98). Diese Erschei- nung weist darauf hin, daß der bogenförmige Verlauf des Gneis- zuges nicht eine bloß durch besondere Denudationsverhältnisse ge- schaffene Aufschlußfigur ist, sondern bis zu einem gewissen Grade dem Verlauf der Faltenachse entspricht. Letztere beschreibt also gleichfalls einen Bogen, der aus der Längs- in die Querrichtung übergeht. Man muß sich auch fragen , ob nicht in den alpinen Beispielen mitunter ähnliche Verhältnisse vorliegen. Gerade bei den oft genannten Teildeckensystemen der Tessiner Alpen, sowie der Gebirgsgrüppe Dent de Morcles-Diablerets ist die Annahme transversaler Stauchungen, durch welche die außerdem vorhandenen großen Längsfaltungen und Überschiebungen beträchtlich kompliziert werden können, nicht von der Hand zu weisen. Es können da- durch Deckenreihen in solchen Fällen vorgetäuscht werden, wo es sich um transversale Schuppungen einer einzigen größeren Einheit handelt (vergl. Mitteil. d. geol. Gesellsch. Wien 1913. p. 124 etc.). Das tektonische Problem der Haßberggneise. Mit einer Erklärung der Wiederholungen im Wiesenthaler— Kupferberger- und Haßberg-Zug ist die Hauptfrage nicht erledigt. Denken wir uns die betreffenden Falten ausgeglichen, so liegt in weiter Erstreckung eine große Platte von rotem Gneis — und zwar schuppiger Tafelgneis mit linsenartigen Körpern von Granitgneis — zwischen dem Annaberger Komplex als Liegendem und der Gneis- schiefergruppe als Hangendem. Die Annahme eines ungeheueren Lagerganges von rein intrusiver Entstehung hat wenig Wahr- scheinlichkeit. Die groben Granitgneise stecken als Linsen in ihrer Hülle, ähnlich wie wir es bei den Amphiboliten und bei den kristallinen Kalken beobachten. Diese Form kann nicht durch Intrusivvorgänge entstanden sein, sondern führt sich auf Streckung und Zerreißung zurück. Schon wenn man irgend einen dieser linsenförmigen Körper betrachtet, dessen Randzonen meist zu lang- gestreckten Quarz-Feldspatstreifen mit spärlichem Glimmerbelag Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 1 1 162 F. Kossmat, Ueber die Tektonik umgeformt sind, während der Kern oft noch als Augengneis aus- gebildet ist, erhält man den Eindruck, daß hier eine granitische Masse unter Umkristallisation auf das Mehrfache ihrer ursprüng- lichen Horizontalausdehnung gestreckt wurde. Da aber diese Linsen selbst wieder nur Teile sind, zwischen denen der Zusammenhang völlig zerrissen wurde, ist jedenfalls mit einer ganz gewaltigen Verzerrung des ursprünglichen Intrusivkörpers zu rechnen. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß diese Verschleppung von S oder SO her erfolgte, daß also in letzterer Richtung das ursprüngliche Kerngebiet der Haßberg — Kupferberg — Wiesenthaler Gneise zu suchen ist. Tatsächlich treten an der südlichen Erz- gebirgsabdachung, teilweise auch schon jenseits derselben in den Taleinschnitten des Egerflusses, die roten Gneise und die mit ihnen durch Übergänge verbundenen Egergranulite1 in großer Aus- dehnung zutage. Im Gegensätze dazu sind auf der NW -Seite der westlichen Erzgebirgskuppel nur schmale Linsen von roten Gneisen der Glimmerschieferhülle eingeschaltet. Auch sie sind, soweit sie plutonischen Ursprung haben, nicht als intrusive Lager- gänge im gewöhnlichen Sinne des Wortes aufzufassen, sondern als verschleppte, lagerartig ausgezogene Teile von Intrusivkörpern, teilweise vielleicht auch aus dem Zusammenhang gerissene und gestreckte Apophysen. Es darf aber keineswegs gesagt werden, daß die auf der NW- Seite des Erzgebirges vorkommenden Museo vit- gneise ihren Ursprung auf dem Gegenflügel haben müssen. Ähnlich, wie die bekannten , in den Endstadien der varistischen Faltung entstandenen Granitstöcke über zahlreiche Gebiete verstreut sind, müssen sich auch die roten Granitgneise, die einer früheren, lange vor den Abschluß der großen Bewegungen fallenden Phase der magmatischen Tiefenvorgänge angehören, in Einzelkörper gegliedert haben, die natürlich durch tektonische Einwirkungen völlig verzerrt wurden. Daß tatsächlich verschiedene Intrusivgebiete vorhanden sind, zeigt uns ja das Auftauchen der Granulitkuppel nordwestlich des Erzgebirges, die als geschlossene Masse bis zur Schieferhiille emporreicht, während die Granulite des Egertales und jene von Zöblitz im Erzgebirge als örtliche Ausbildung in der Region der roten Gneise erscheinen. Zusammenfassung. Die im Vorhergehenden beschriebenen tektonischen Erschei- nungen in der Gneisregion des westlichen Erzgebirges2 gehören 1 Über die gleichfalls plutonischen Egergranulite vergleiche man die Arbeit von F. Leibling: Die Granulite an der Eger. Inauguraldissertation. Leipzig 1908. 2 Auf die Verknüpfung der hier behandelten Fragen mit den in neuerer Zeit aufgeworfenen Problemen anderer Teile des varistischen des Gneisgebietes im westlichen Erzgebirge. 163 nicht sämtlich dem gleichen Typus und auch nicht der gleichen Phase von Bewegungen an. 1. Die Ausbildung der Gneisstruktur und die Gruppe von Gleitbewegungen, durch welche die wohl vorwiegend gegen N und NW gerichtete lager- oder deckenförmige Ausbreitung der Haß- berggneise, und zwar bezeichnenderweise in der Hauptsache zwischen den grauen Hauptgneisen und deren schieferiger Hülle erfolgte, wird als ein Vorgang zu betrachten sein, der sich in den Tiefen der varistischen Faltungszone vollzog. Seinen Abschluß erreichte er, sobald die betreffenden Krustenteile im Laufe der Faltung hoch genug gestiegen und tief genug abgetragen waren, um den betreffenden physikalischen Verhältnissen entzogen zu werden* 1. Die plastische Umformung kann sogar unmittelbar mit der magmatischen Durchtränkung des sich faltenden Gebietes einher- gehen. Der Vergleich der Egergranulite mit den mittelsächsischen Granuliten liegt, wie schon oben angedeutet wurde, nahe. Da nun letztere mit ihrer metamorphen paläozoischen (Cambrium — Silur — Devon) Hülle den Beweis liefern, daß in den Tiefen der uns interessierenden Gebirgszone während der Faltung ein weitaus höherer Magmastand herrschte, als dem normalen geother- mischen Gefälle entspricht, ist es nicht sehr gewagt, anzunehmen, daß auch die roten Gneise des Erzgebirges noch während einer Zeit gestreckt wurden, die an ihren Erstarrungsvorgang unmittelbar anknüpft. Diese Annahme liegt besonders nahe, weil sich bie be- gleitenden granat- und turmalinreichen Muscovitschiefer sowie die erzführenden Kalksilikatgesteine entschieden als Kontaktbildungen verhalten. In diesem Punkte besteht kein Gegensatz zwischen der hier vertretenen Auffassung und der Lakkolithentlieorie. 2. Die kuppelige Aufwölbung und transversale Stauchung der Hülle dürfte im Laufe der Streckbewegung einsetzen, sie aber über- dauern. Jedenfalls mußten derartige Zusammenfaltungen der Ge- steinsreihe, wie sie im Kupferberger und Wiesenthaler Gebiet Vor- kommen, ein späteres Bewegungsstadium darstellen als die Aus- breitung der Platten und Linsen von roten Gneisen. Mit den Faltungsvorgängen sind Dislokationen verknüpft, wie sie in der Linie Bärenstein — Sonnenberg oder Königswalde — Schmiedeberg auftreten. Die Ausbildung von Ruscheizonen, also der kataklastische Charakter der Gesteinsveränderungen, weist darauf hin, daß mit der fortschreitenden Bloßlegung des Gebirges, die schon im oberen Culm erfolgte , die früher tief begrabenen Grundgebirges, z. B. des Schwarzwaldes und der Vogesen, der Münchberger Gneismasse, der Sudeten und des niederösterreichischen Waldviertels kann hier nicht eingegangen werden. 1 F. Kossmat: Übersicht der Geologie von Sachsen. Kurze Erläute- rungen zu den von der Kgl. Sachs, geologischen Landesuntereuchung herausgegebenen Übersichtskarten. Leipzig 1916. 164 F. Kossmat, Ueber die Tektonik etc. Regionen des Grundgebirges mehr und mehr in den Bereich der oberen Krustenbewegungen rückten. Fig. 5. Aufschiebung des Annaberger Gneises auf den Westrand der Boden-Scholle im Bahneinschnitt südlich der Station Königswalde (südöstlich von Annaberg). gn = Annaberger Gneis, gn, = verruschelter, von zahlreichen Quarzlinsen durchzogener Annaberger Gneis, fbm — feinstreifiger Wechsel von schup- pigem Muscovitgneis mit zweiglimmerigen Lagen, mgn = schuppiger Muscovitgneis, h = Hornblendegestein. 3. Die Verwerfungen, welche während der Rotliegendzeit manche Teile des Erzgebirges außerordentlich zerstückelten und häufig durch das Aufsetzen von Porphyrgängen kenntlich werden, scheinen in dem hier betrachteten Gebiete keine wichtige Rolle zu spielen. Ähnliches gilt aber auch für die tertiären Störungen, deren Wirkungen wohl erst nahe der Abbruchgrenze gegen das nordwestböhmische Becken ins Gewicht fallen. Besonderes Interesse bietet in der Tektonik des Erzgebirges die unter 2 erwähnte Erscheinung der transversalen Faltungen und der Kuppelbildungen. Es ist auffallend, daß in bezug auf das tektonische Kartenbild gewisse Ähnlichkeiten mit der Monte Rosa-Zone in den Westalpen, besonders mit den Tessiner Gneismassiven, vorhanden sind. Meist nimmt man an, daß der transversale Verlauf der be- treffenden Falten nur ein scheinbarer ist, daß es sich vielmehr um Aufschlußbilder von Teildecken handelt, die sämtlich gegen den Außenrand des Gebirges , also in unserem Falle gegen NW gewandert sind, aber infolge des Absinkens ihrer Achse nach einer bestimmten Richtung von der Denudationsfläche quer geschnitten werden. Im Erzgebirge kommen wir aber ohne Annahme beträcht- licher transversaler Stauchungen der Faltenzone nicht aus (vergl. p. 161). Die Ursache derartiger Bewegungen liegt ziemlich klar zutage, besonders in bogenförmigen Gebirgen vom Typus der Alpen oder des varistischen Systems, deren ganze Anlage nicht ohne Verkürzung der in konkaven Teilen liegenden Falten zustande gekommen sein kann. Personalia. — Fürs Vaterland gefallen. 165 Zn den sehr mannigfaltigen, durch derartige Vorgänge ent- standenen Bauformen gehören auch die Brachyantiklinalen oder Gewölbe, die nicht nur in Gesteinen der kristallinen Kernzonen, sondern unter gewissen Bedingungen auch in den äußeren Sediment- gürteln auftreten können1 2. Das! erzgebirgische Gebiet liegt völlig innerhalb des Wir- kungsbereiches der varistisch-sudetischen Wendung, die uns auch durch den Gegensatz zwischen dem Streichen des Elbtalschiefer- gebirges und der vogtländisch-erzgebirgischen paläozoischen Falten vor Augen geführt wird. Denken wir uns den Bogen gestreckt, dann würden die Stauchungen vom Typus des Wiesenthaler und Kupferberger Zuges verschwinden und an die Stelle des erz- gebirgischen Gewölbebaus würde eine lange Zone von Gneisfalten treten, die sich mit dem Fichtelgebirge ohne Unterbrechung ver- einigen müßte. Was den Zonen tiefer Faltung, die im Erzgebirge vorliegen, ein besonderes Gepräge gibt, das ist einerseits die entsprechend den neuen tektonischen Bedingungen orientierte Umkristallisation des alten Sockels der Sedimentserie , wodurch dessen frühere Strukturformen verwischt wurden , anderseits das Emporquellen batholithischer Magmastöcke, die aber durch die tektonischen Be- wegungen schon im Entstehen umgeformt wurden und durch ihre Verzerrung oft das Bild verzweigter Lakkolithen geben, von denen sie sich eben durch ihre tektonische Passivität unterscheiden. Die letzten granitischen Massen, die im Erzgebirge u. a. 0. während des allmählichen Erlöschens der Faltung in die Tiefen des mehr und mehr erstarrenden Gebirges eindrangen, konnten ihre Batho- lithenform behaupten; doch scheint ihre Verteilung im großen und ganzen tektonisch vorgeschrieben zu sein, wie die häufige Ver- knüpfung mit Gneisgewölben oder mit bestimmten tektonischen Hauptlinien zeigt U Geol.-pal. Institut d. Universität Leipzig, Dezember 1915. Personalia. Im Kampfe fürs Vaterland gefallen. Am 25. Mai 1915 traf eine russische Granate bei Budnik am San den jungen Mineralogen, Privatdozenten Dr. R. von Görgey zu Tode und zerstörte ein reiches, blühendes Menschenleben, uns, 1 Vergl. die Zone der Ellipsoide in der Umrandung der Venetianer Ebene. Kossmat, Die adriatische Umrandung in der alpinen Faltenregion. Mitt. d. Geolog. Ges. Wien 1918. 2 Vergl. Th. Brandes: Die niederländisch — herzynische Vergitterung oder Querfaltung und der jungpaläozoische Vulkanismus in Mitteldeutsch- land. Teubner, Leipzig 1913. 166 Personalia. — Fürs Vaterland gefallen. seinen Freunden und Kollegen, zu tiefstem Schmerze, der Wissen- schaft aber zu schwerem, unersetzlichem Schaden. Darüber waren alle, die ihm in seinem allzukurzen und doch so reichen Leben nahegestanden waren, die seine Leistungen auf wissenschaftlichem Gebiete zu würdigen gewußt haben, einig, daß er am Beginne einer Laufbahn stand, wie sie nur wenigen zu betreten vergönnt sein kann. Seine Lehrer achteten ihn hoch und waren stolz auf ihren Schüler, seine Freunde und Kollegen haben ihn herzlich lieb ge- habt, denn nicht nur als Forscher, sondern auch als Mensch besaß er in seltenem Einklang die schönsten Eigenschaften. Es war uns stets, wenn wir ihn über seine Arbeiten sprechen hörten , oder wenn wir mit ihm mineralogisch interessante Gebiete durchwanderten, als habe die Natur hier einmal und nicht wieder alle ihre körper- lichen und geistigen Vorzüge vereinigt. Viele seiner Freunde haben von ihm nicht allein durch sein Beispiel Anregung erfahren, sondern haben durch Besprechungen mit ihm ihre eigenen Arbeiten ge- fördert; aber nie hat er im persönlichen Verkehr die geistige Über- legenheit durchfühlen lassen. Förderung unseres Wissens war allein Zweck aller seiner Untersuchungen; die Forscherarbeit war ihm um ihrer selbst willen lieb , und niemals unternahm er eine Arbeit, um irgend etwas Bestimmtes damit zu erreichen. Er wollte nur die Möglichkeit haben, wissenschaftlich arbeiten zu können ; in anderem Sinne dachte er nicht an die Zukunft. Neben seinem Lehrer, Professor F. Becke, dessen Assistent er die letzten vier Jahre war, ist es vor allem Felix Cornu — der gleich ihm der Wissenschaft viel zu früh geraubt wurde — gewesen, der zuerst sein Berater und Führer, dann sehr bald sein treuester Freund wurde. Cornu hat den jungen Görgey zu seinen Arbeiten über die Zeolithe angeregt, und die gemeinschaftlich unter- nommene Reise nach den Färöern im Jahre 1907 hatte reiches Material gebracht, dessen Bearbeitung nur mehr dem jüngeren der beiden Freunde gegönnt war. Bald aber hatte sich Görgey ein selbständiges großes Arbeits- gebiet, das der Salzlagerstätten, geschaffen, das ihm noch reiches Arbeitsmaterial für die Zukunft geboten hätte. Viel wäre da noch entstanden, viel aber verdanken wir seinem rastlosen Arbeits- eifer und seinem Forscherblick. Wie oft sind z. B. die alpinen Salzlagerstätten von Fachleuten untersucht worden, und doch war es Rudolf Görgey, der sie uns mineralogisch erst erschloß, der nachwies , daß viele von den Staßfurter Salzmineralien auch die alpinen Salzlager bergen. Viel Freude und viel Anregung haben ihm seine weiten Reisen gebracht. Immer und immer wieder zog es ihn fort; Reisen war seine liebste Erholung und am meisten zog es ihn nach unbe- kannten Gegenden. Die von Dr. F. König geplante österreichische Personalia. — Fürs Vaterland gefallen. 167 Südpolexpedition mitzumachen, hatte er ernstlich erwogen. Seine kräftige Konstitution, sein Mut und seine Entschlossenheit, vor allem aber sein scharfer, umfassender Blick haben ihn geradezu zum idealen Forschungsreisenden bestimmt. Er besuchte öfters Elba, teilweise mit Felix Cornu zusammen, und eine Monographie von Elba war zuerst von beiden geplant, ein Vorhaben, das Görgey nach seines Freundes Tod zwar zurückstellte, aber durchaus nicht aufgab. Im Frühjahr 1914 — vor Kriegsausbruch — unternahm er eine größere Reise nach Syrien, die ihn in sehr wenig betretene Gegenden brachte. Die Aufarbeitung und Verwertung der Ergeb- nisse dieser Reise hat ihm nun der Tod verwehrt. Zahlreich waren seine Arbeitspläne für die Zukunft, und wie mancher wertvolle Gedanke mag ihm während der 9 Monate, die er im Felde stand, gekommen sein. Denn auch dort dachte er über wissenschaftliche Fragen nach und ließ sich oft von uns Abhandlungen ins Feld hinaussenden. Alles das ist nun dahin. Daß der Name Rudolf Görgey in der Wissenschaft fortleben wird, daß seine Freunde ihn nicht vergessen werden , schuf er sich selbst. H. Leitmeier. Wissenschaftliche Veröffentlichungen R. v. Görgey’s. 1907. Pleochroitischer Anhydrit von Staßfurt. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 26. Heft 1 und 2. — Neue Mineralvorkommen aus Elba. Ebenda. 26. Heft 4. 1908. Über Mesolith. Ebenda. 27. Heft 3. (Vorläufige Mitteilung.) — Über Skolezit von Suderö. Dies. Centralbl. No. 17. 1909. Über Mesolith. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 28. Heft 1 und 2. — Salzvorkommen aus Hall in Tirol. Ebenda. 28. Heft 4. — Eine neue Apatitvarietät aus Elba. Dies. Centralbl. No. 11. 1910. Minerale alpiner Salzlagerstätten. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 29. Heft 1 und 2. — Zur Kenntnis der Minerale der Salzlagerstätten. Ebenda. 29. Heft 3. — Minerale tertiärer Kalisalzlagerstätten. Ebenda. 29. Heft 6. — Ein Beitrag zur topographischen Mineralogie der Färöer. Neues Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXIX. — Felix Cornu f. Dies. Centralbl. No. 4. 1911. Die Entwicklung der Lehre von den Salzlagerstätten. Geologische Rundschau. 2. Heft 5/6. — Die Zeolithe des Neubauerberges bei Böhmisch-Leipa. Mitteil. d. naturw. Ver. an der Universität Wien. 9. Jahrg. No. 2. — Versteinerte Tiere und Pflanzen. „Die Bildung.“ 3. Jahrg. No. 7. 1912. Zur Kenntnis der Kalisalzlager von Wittelsheim im Oberelsaß. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 31. Heft 4 und 5. — Über das Steinsalz. Ebenda. 31. Heft 6. — Schöne und bedeutende Mineralfunde. Fortsch. d. Min., Krist. u. Petr. 2. 168 Personalia. — Fürs Vaterland gefallen. 1913. Uber Salzgesteine der Kalilager von Wittelsheim im Oberelsaß. Kali. 7. Jahrg. Heft 13. — Bericht über die bisherigen Untersuchungen der österreichischen Salzlagerstätten. Anzeiger d. k. Akad. d. Wiss. in Wien. 1913. 1914. Über die Kristallform des Polyhalit. Ebenda. 1914. — Über die alpinen Salzgesteine. Sitzber. k. Akad. d. Wiss. 123. Abt. 1. — Über die Kristallform des Polyhalit. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 32. Heft 1 und 2. Zusammen mit F. Cornu: 1908. Zur Geologie der Färöer. Dies. Centralbl. No. 22. Zusammen mit V. Goldschmidt : 1911. Über Datolith. Zeitschr. f. Krist. 48. Heft 6. Zusammen mit M. Seebach: 1911. Neue Mineralfunde von Oberstein. Dies. Centralbl. No. 6. Zusammen mit F. Becke, A. Himmelbaiier und F. Beinhold : 1913. Das niederösterreichische Wald viertel. Tscherm.’s Min.-petr. Mitt. 32. Heft 3. Am 8. Februar d. J. verschied in Gotha nach längerer Krank- heit an den Folgen eines Sturzes mit dem Flugzeug Dr. Tneodor Brandes, Inhaber des Eisernen Kreuzes, Privatdozent und Assistent am Geologisch-paläontologischen Institut der Universität Leipzig. Er wurde am 8. Mai 1886 in Hannover geboren und promovierte zum Dr. phil. in Göttingen am 15. Juni 1912. Am 1. April 1911 war er Assistent am dortigen Geologisch-paläontologischen Institut geworden und trat am 1. Januar 1913 als solcher in das gleich- namige Institut der Universität Leipzig ein. Am 4. März 1914 erhielt er in Leipzig die venia legendi für Geologie und Paläontologie. Brandes hatte sich zuerst mit stratigraphisch-paläogeographi- schen Untersuchungen über den Lias zwischen Harz und Egge- gebirge befaßt , deren Ergebnisse er im XXXIII. Beil.-Bd. des N. Jahrb. f. Min. etc. 1912 veröffentlichte. Seine wichtigsten anderen Arbeiten handeln über: Plesiosauriden aus dem Unteren Lias von Halberstadt. Palaeontogr. 1914. Das erzgebirgische Becken als Beispiel einer Geosynklinale kleiner Spann- weite. Sitzber. d. Naturf. Ges. Leipzig 1914. Die niederländisch-herzynische Vergitterung und der jungpaläozoische Vul- kanismus in Mitteldeutschland. (Erschienen 1914 als vorläufiger • Bericht; eine ausführliche Veröffentlichung war in Vorbereitung und wird nach seinen Unterlassenen Schriften erfolgen können.) Im Institute zeichnete sich Brandes durch seine unermüdliche Tätigkeit und seine Lehrbefähigung aus, aber auch die sächs. geol. Landesuntersuchung, für welche er die Aufnahme des Blattes Stoll- berg durchgeführt hatte, verliert an ihm einen eifrigen und tüch- tigen Mitarbeiter. F. Henrich f. 169 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Ferdinand Henrich Am 2 1 . Dezember 1915 starb der pensionierte Professor am Realgymnasium zu Wiesbaden Ferdinand Henrich im Alter von 79 Jahren. Weiteren Kreisen ist er durch sein Lehrbuch der Kristallberechnung und durch geologische Arbeiten bekannt ge- worden. In seinem engeren Wirkungskreise hat er sich Verdienste um den Unterricht in Kristallographie, Mineralogie, Chemie und Mathematik erworben. Immer ist er durch die Tat für die Er- weiterung und Vertiefung des Unterrichts in diesen Gegenständen eingetreten und hat in diesem Sinne vorbildlich gewirkt. Daß die Kristallographie nicht „auswendig gelernt“, sondern schon von den Schülern tiefer erfaßt wurde, hat er in seinem Unterricht dadurch erreicht, daß er die einzelnen Körper elementar-mathematisch und in den genetischen Beziehungen erklärte, sie parallel-perspektivisch zeichnen und Modelle davon anfertigen ließ. Die Mineralogie prägte er so dem Gedächtnis des Schülers tiefer ein, daß er die wichtigsten Mineralien zu Übungsbeispielen im praktisch-chemischen Unterricht machte. War die Analyse fertig, so bekam man die wichtigsten Vorkommen des betreffenden Minerals erneut zu sehen und konnte sie studieren. Es war ihm gelungen, den praktischen chemischen Unterricht , der in der nassauischen Zeit des Wies- badener Realgymnasiums längst eingerichtet war, in der preußischen Zeit dieser Anstalt zu erhalten. Er richtete fakultative Stunden ein und vermittelte dem fleißigen Schüler bereits einige Fertigkeit im chemischen Arbeiten und im Analysieren. Ein unerfüllter Wunsch blieb ihm die Einführung des geologischen Unterrichts in den Lehrgang seiner Schule. Er wurde am 12. März 1837 zu Schwanheim bei Frankfurt a. M. geboren, studierte zwei Jahre an der Polytechnischen Schule in Karls- ruhe, dann ein Jahr an der Bergakademie in Freiberg Naturwissen- schaften und Bergfach und wandte sich bald darauf dem Lehr- berufe zu. Nachdem er drei Jahre in Geisenheim am Rhein tätig war, kam er 1865 an das Realgymnasium in Wiesbaden, wo er 45 Jahre lang, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1910 wirkte. Neben seiner beruflichen, hat er stets wissenschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Außer Lehrbüchern der Arithmetik und Algebra, der ebenen und sphärischen Trigonometrie gab er „Tabellen zur 11* 170 F. Henrich f. qualitativen Analyse“ heraus, verfaßte „Vorträge über Geologie“ (Wiesbaden 1878) und das schon erwähnte „Lehrbuch der Kristall- berechnung“ (Stuttgart 1886). An Einzelabhandlungen erschienen: 1. Über die Temperaturen im Bohrloche zu Sperenberg und die daraus gezogenen Schlüsse. N. Jahrb. f. Min. etc. 1876. p. 716. Ein Abdruck und eine Ergänzung dieser Arbeit erschien in der Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen. 2. Über die Temperaturen in dem Bohrloch zu Sperenberg und die darüber angestellten Rechnungen. N. Jahrb. f. Min. etc. 1877. p. 897. 3. Über die Temperaturverhältnisse im Bohrloch bei Schladebach (bei Halle a. S.) von 1416—1716 m Tiefe. N. Jahrb. f. Min. etc. 1888. p. 181. 4. Über die Gleichungen, welche die Temperaturverhältnisse im Bohr- loch zu Schladebach am besten wiedergeben. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen. 38. 5. Über die Temperaturen in dem Bohrloch Paruschowitz V. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinen wesen. 1904. p. 52. Verkürzt und ergänzt wiedergegeben in der Zeitschr. f. prakt. Geol. 12. p. 316. 1904. 6. Beitrag zur Theorie der intermittierenden kohlensäurehaltigen Quellen. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen. 27. p. 199. 7. Theorie der Kohlensäure führenden Quellen, begründet durch Versuche. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen. 50. p 533. 1902. 8. Über die Bedeutung der Kohlensäure bei Sauerquellen und Sprudeln. Prometheus. 15. p. 513. 1904. 9. Der Namedy-Sprudel bei Andernach erklärt und berechnet. Zeitschr. f. prakt, Geol. 18. p. 447. 1910. 10. Über die von Bunsen aufgestellten Gleichungen, welche die Absorp- tionskoeffizienten der Gase zu berechnen gestatten. Zeitschr. f. physik. Chem. 2. p. 435. 1893. 11. Über Einlagerungen von Kohle im Taunusquarzit. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1901. p. 10. 12. Über die Vorkommen von erdiger Braunkohle in den Tertiärschichten Wiesbadens. Zeitschr. f. prakt. Geol. 13. p. 409. 1905. 13. Beitrag zur Kenntnis der fossilfreien Taunusgesteine. Zeitschr. f. prakt. Geol. 15. p. 253. 1907. 14. Uber die Einwirkung von kohlensäurehaltigem Wasser auf Gesteine und über den Ursprung und den Mechanismus der kohlensäure- führenden Thermen. Zeitschr. f. prakt. Geol. 18. p. 85. 1910. H. Tertsch, Zur Gruppierung der 82 Kristallklassen. 171 Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. Von Hermann Tertsch in Wien. Mit 1 Textfigur. (Schluß.) Stufe 5 : Kombination der Stufe 1 mit S, welche zu den ein- poligen Deckachsen parallel sind. A D1 -f- S gibt eine einfache S, also keine neue Klasse (mono- klin domatisch). | D2 + S = | D2 S (S). Hier verlangt die Deckachsen- symmetrie das gleichzeitige Auftreten zweier verschiedener Symmetrieebenen, die als Schnittlinie die D2 selbst enthalten. Da nicht nur die rechte und linke, sondern auch die vordere und hintere Hälfte des Kristalls symmetrisch gleich sein sollen, können als Kristallachsen außer der A D2 nur noch zwei mögliche Rich- tungen in den beiden S gewählt werden, die auf der |D2 normal stehen und ungleichwertig sind. Damit ist wieder das recht- winklige, ungleichwertige Achsenkreuz des rhombischen Systems gegeben (rhombisch pyramidal). f D3 -f 3 S fordert keine weiteren Symmetrieelemente. Tur- malin ist ein bekanntes Beispiel der ditrigonal pyramidalen Klasse. A D4 -j- 2 S = A D4, 2 Sn (2 Sz) entspricht der ditetragonal pyramidalen Klasse. A D6 -j- 3 S = 4 D6, 3 Sn (3 Sz) stellt die analoge dihexa- gonal pyramidale Klasse dar. 4 A D3 -|_ ti S = 4 A D3 (3 D2) 6S (tesseral hexakistetra- edrisch). Hier ist bezüglich der additiven S keine Wahl mög- lich, da die sonst noch in Frage kommenden 3 2 der Forderung nicht genügen, daß sie auf keiner D2x normal stehen sollen. In die 5. Stufe läßt sich somit nur die Kombination mit 6 Neben- symmetrieebenen aufnehmen. Stufe 6: Kombination der Stufe 2 mit S, welche zu den wechselpoligen Deckachsen parallel sind. AD1 -f S = C, S (D2), führt also zu der schon bekannten Klasse: monoklin prismatisch. A D2 + S = 2, S. Das wäre nur möglich, wenn die Schnitt- linie beider Ebenen eine D2 ist, was zur rhombisch pyramidalen Symmetrie führt. A D3 -{- 3 S = D3 -f- C, 3 Sn (3 D2,,). Das automatische Hinzu- treten der 3 D2n beruht auf der Einführung des C und liefert die Symmetrie des Kalkspates (ditrigonal skalenoedrisch). A D4 -j- 2 S. Diese sehr interessante Symmetrieklasse läßt sich leicht aus der Projektion der bisphenoidischen Klasse ableiten, 172 H. Tertsch, wenn man durch die A D4 entsprechend ihrer Vierzähligkeit zwei gleiche Symmetrieebenen hindurchlegt. Die Verteilung der sym- metrisch sich wiederholenden Begrenzungselemente ist dann der- artig, daß man AD4 + 2 S = D2, 2 D2n, 2 Sz setzen kann, wobei charakteristischerweise die D2 und S aufeinander nicht normal stehen. In unserer Art der Ableitung verschwindet die sonst recht sonderbare Stellung, welche diese tetragonal skalenoedrische Klasse (Kupferkies) zumeist im tetragonalen System zugewiesen erhält. Abgesehen von dem nachweisbaren Vorhandensein einer A D4 dokumentiert sich die Zugehörigkeit zum tetragonalen System dadurch, daß eine besonders ausgezeichnete und zwei dazu normale gleiche Richtungen (tetragonales Achsenkreuz) durch die Sym- metrie gegeben sind. AD6-f 3 S. Da sich A D6 durch D3 + 2 ersetzen läßt, ergibt sich A D6 + 3 S = D3 + 2, 3SZ (3 | D2n). Es treten also automatisch drei polare D2 hinzu. Hier gelten die gleichen Über- legungen wie anläßlich der „hemihexagonal bipyramidalen “ Gruppe (vergl. p. 152). Auch hier prägt sich die volle Zugehörigkeit zu dem hexagonalen und nicht trigonalen System, außer durch das Vorhandensein einer wechselpoligen DG (Inversionsachse) noch dadurch aus, daß diese Symmetrie durch Beifügung eines C sofort in die Symmetrie der hexagonalen Vollform übergeht. Auch hier wird es vorteilhaft sein, die Namen : „ditrigonal bipyramidal“ oder „trigonotyp hemiedrisch“ durch di hemihexagonal bipyramidal zu ersetzen1. 4 A D3 + 6 S = 4 D3 + C (3 2), 6 S (3 D4, 6 D2). Die starke gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Symmetrieelemente führt zu einem mächtigen An sch wellen der wirklich vorhandenen Sym- metriedaten (tesseral hexakisoktaedrisch). Stufe 7 : Kombination der Stufe 3 (oder 4) mit S, die den zweipoligen Deckachsen parallel sind. Es sei gleich vorausgeschickt, daß sowohl die Verwendung der Stufe 3 wie auch jene der Stufe 4 zu den gleichen Resul- taten führt ; nur liegt hier wieder ein deutlicher Beleg dafür vor, daß es ganz der Willkür überlassen bleibt, welche Symmetrie- elemente als notwendig bezeichnet, welche als unabhängig voneinander der Ableitung zugrunde gelegt werden (vergl. die Ableitung der rhombischen Vollform aus der Stufe 3 oder der Stufe 4). Für das trigonale und tesserale System führt weder die Verwendung der Stufe 3 noch der Stufe 4 zu neuen Kom- binationen. Im folgenden ist die Stufe 3 als Grundlage gewählt. 1 Es kann nicht geleugnet werden, daß der gewählte Name an philologischer Schönheit sehr zu wünschen übrig läßt. Der Zweck dieser Namengebung wurde oben (p. 152) auseinandergesetzt. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 173 D1 2 + C -f* II S. Da es sich um eine mit D2 parallele S handelt, ist eine Verwechslung mit der Symmetrie der monoklinen Vollform ausgeschlossen. Die Symmetrie erhöht sich automatisch, denn D2 + C + / / S = D2 (D2, D2) C, S (S, S), entsprechend der rhombisch bipyramidalen Klasse. D4 * + C + II 2 S = D4 (2 D2n, 2 D2Z) C (2) 2 Sn (2 Sz). Auch in dieser ditetragonal bipyramidalen Abteilung tritt eine starke automatische Vermehrung der Symmetrieelemente ein, welche sich ganz analog im hexagonalen System wiederholt. D6 + C + II 3S = D(1 (3 3 D2Z) C (2) 3 S„ (3 Sz), di- hexagonal bipyramidal. Jeder weitere Versuch, durch Hinzufügung irgendeines Sym- metrieelementes eine neue Symmetriekombination zu erzielen, ist bekanntlich aus mathematischen Gründen ausgeschlossen, die Ab- leitung ist also in diesen 7 Stufen beendet und umfaßt alle 32 möglichen Kristallklassen. In der Tabelle (p. 176 und 177) sind die 32 Klassen in der .Reihenfolge ihrer stufenförmigen Entwicklung zusammengestellt. Innerhalb jedes einzelnen Feldes sind in der ersten Zeile die für die Ableitung verwendeten notwendigen Elemente angeführt, die zweite Zeile enthält den Klassennamen und die Angabe eines dieser Klasse entsprechenden Beispieles, in der dritten Zeile sind die wirklich vorhandenen Symmetrieelemente in der üblichen Form voll ausgeschrieben (die automatisch hinzutretenden eingeklammert), während besondere Eigentümlichkeiten der Klassen noch durch eigene Buchstaben in der vierten Zeile gekennzeichnet sind. E weist auf das Auftreten enantiomorpher Formen hin, die nach Groth an das Fehlen von Ebenen der einfachen oder zusammen- gesetzten Symmetrie geknüpft sind, Z deutet auf die Möglichkeit einer Zirkular Polarisation hin, P bedeutet, daß die Kristalle dieser Klassen pyroelektrisch, Pz, daß sie piezoelektrisch erregbar sind, wogegen M die pyromagnetische Erregbarkeit anzeigt \ Die stark umrahmten Felder geben die Symmetrie der dem System zugehörigen Vollform an. In der vorstehenden Ableitung wurde gleichzeitig die jeweilige Zuordnung der Klasse zu einem Kristallsystem angegeben. Der Begriff des Kristallsystemes hat schon zu Beginn des 19. Jahr- hunderts im Anschluß an die HAUY’schen Untersuchungen und Deduk- tionen viele Forscher beschäftigt. Insbesondere sind Chr. S. Weisz 1 Die betreffenden Angaben stützen sich hauptsächlich auf die Aus- führungen von Voigt in seinem „Lehrbuch der Kristallphysik“. Nach Voigt sind pyroelektrisch nur solche Klassen erregbar, welche einz eine polare Richtungen besitzen, damit sind tesserale Kristalle, wie auch Quarz ausgeschlossen. 174 H. Tertsch, und Fr. Mohs für eine folgerichtige Gruppierung der damals be- kannten Kristallsymmetrien eingetreten. Mohs vor allem hat auf die Notwendigkeit schiefwinkliger Koordinatensysteme aufmerksam gemacht, wogegen sich bei Weisz 1 eine auffallend reinliche Schei- dung zwischen hexagonalen („sechsgliedrigen“) und trigonalen („drei- und dreigliedrigen“) Symmetrien findet. „Der Inbegriff der aus einer Grundgestalt ohne Rücksicht auf ihre Abmessungen abgeleiteten einfachen Gestalten heißt ein Kristallsystem“ 1 2. Diese Definition von Mohs wird in Becken- kamp’s Buch: „Statische und kinetische Kristalltheorien" (1. c.) p. 89 folgendermaßen ausgedrückt: „Bezeichnen wir jede Deckachse sowie jede zu einer Spiegelebene senkrechte Gerade als eine aus- gezeichnete Richtung, so bilden jedesmal diejenigen Klassen, welche die gleichen ausgezeichneten Richtungen haben, ein Kristallsystem.“ Diese Formulierung fällt fast genau mit Fedorow’s Äußerungen über Syngoniearten 3 zusammen. Es muß zugestanden werden, daß in diesen bis auf Mohs zurückgehenden Definitionen viel Be- stechendes liegt und daß sie der geometrischen Gruppierung vor- züglich angepaßt scheinen. Folgerichtig sind aber die genannten Forscher und viele andere mit ihnen zu bloß sechs Systemen gekommen, da in den zitierten Definitionen die schon von Weisz unterschiedenen hexagonalen und trigonalen Formen zusammen- fallen. Abgesehen von der immerhin befremdenden Erscheinung, daß ein einzelnes System nicht weniger als 12 Unterabteilungen umfassen soll, während andere die Klassenzahl 7 nicht über- schreiten, verschwinden durch dieses Zusammenwerfen vor allem die Analogien gegenüber dem tetragonalen System einerseits und dem tesseralen andererseits vollständig. Diese Analogien dürfen aber mit Rücksicht auf die physikalischen Beziehungen nicht ver- loren gehen. Schon Weisz sagt (1. c.), „daß das sechsgliedrige System dem regulären nicht so nahe stehe als das drei- und dreigliedrige und äußerlich erst durch dieses mit demselben ver- mittelt zu werden scheine“. Diese durchaus richtige und fein- fühlige Bemerkung bestätigt sich immer wieder durch kristall- physikalische Untersuchungen, weshalb es unangebracht ist, in einer modernen Aufstellung der Kristallsysteme diese Sonderung zu unterdrücken. Wenn also auch die vorstehenden Begriffs- umgrenzungen in gewisser Hinsicht sehr anschaulich sind, so lassen sie uns doch im Falle der D3 und D6 im Stiche. Soweit sich die älteren Definitionen mit der hier gebotenen Systemumgrenzung decken, wurde auch in den vorhergehenden Zeilen davon ausreichend 1 Chr. S. Weiss, Übersichtliche Darstellung der verschiedenen natür- lichen Abteilungen der Kristallisationssysteme. Abh. d. kgl. Akad. d. Wiss. Berlin 1815. p. 289. 2 Mohs, Grundriß der Mineralogie. 1824. 1. p. 172. 3 Fedorow, Zeitschr. f. Krist. 28. 1897. p. 36 und 31. 1899. p. 21. Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 175 Gebrauch gemacht. Gleichwohl verlangt die ganze vorgelegte Ableitung auch noch eine Umgrenzung des Begriffes: Kristall- system, welche, ohne auf fremde Vorstellungen Bezug nehmen zu müssen, aus sich selbst, d. li. aus dem Prinzip der Ableitung allein resultiert. Eine solche Begriffsbestimmung würde lauten : „Unter einem Kristallsystem versteht man den In- begriff aller Symmetrieklassen, welche die gleiche liöchstzählige (ein-, Wechsel- oder zweipolige) einzelne Deckachse, bezw. die gleiche größtmöglichste Kom- bination gleichzähliger (ein-, Wechsel- oder zweipoliger) Deckachsen enthalten.“ Durch die erste Hälfte der Definition sind festgelegt : Höchst- zählige Achse D1 = triklin, einzelne D2 = monoklin1, einzelne höchstzählige Achse eine e chte D3 = trigonal, analog damit, ein- zelne echte D4 = tetragonal und echte D6 = hexagonal. Die zweite Hälfte der Definition bezieht sich auf die geometrisch mög- lichen Kombinationen gleichzähliger Achsen. Es ist bekannt, daß die D2 allein nur zu dritt, zueinander normal gestellt, kombiniert werden können; genau so die D4. Die D3 können nur zu viert gekuppelt auftreten. Ebenso bekannt ist es, daß alle Kombinations- möglichkeiten mit 3 D4 immer gleichzeitig 4D3 enthalten, daß dem- nach die Gruppierung auf Grund der 4 D3 die weiter umfassende ist und jene mit 3 D4 als Untergruppe in sich schließt. Das führt zum Schlüsse, daß für die Aufstellung neuer Systeme nur noch zwei Möglichkeiten in Frage kommen: 1. Kombination dreier un- gleicher (ein-, Wechsel- oder zweipoliger) D2 und 2. Kombination von vier (ein-, Wechsel- oder zweipoliger) D3. Erstere Kombi- nation führt zum rhombischen System, letztere zum tesseralen. Bezüglich der rhombisch pyramidalen Klasse beachte man, daß sich die Symmetrie ^ D2, S, S auch darstellen läßt durch ^ D2, AD2, A D2 (vergl. Anm. i). Bezieht man also, wie selbst- verständlich, die Wechselpoligkeit in die Definition ein, so ergibt sich, daß alle rhombischen Klassen durch drei ungleiche D2 charakterisiert sind. Werden die D2 gleichwertig (3 D2), so kombiniert sich auto- matisch damit die Gruppe 4 D3, d. h. die größtmö glichste Achsenkombination ist nicht 3 D2, sondern 4 D3. Letztere sind aber das charakteristischeste Merkmal des tesseralen Systemes, und bedeuten überhaupt die größte Kombination gleich- zähliger und gleichwertiger Achsen, die im Bereiche der Kristall- symmetrie möglich ist. Auf eine Eigentümlichkeit des trigonalen Systemes, wie es unserer Ableitung entspricht, sei besonders hingewiesen, es enthält nämlich kein e Symmetrieklasse, die mit einer horizon- 1 Man beachte, daß AD2 = 2 ist ! 176 H. Tertsch, Stufe 7 Einzelne ( bezw. gleichartige) einpolige Deckdchsen Stufe 2 Einzelne f bezw. gleichartige J wechselDoliae Deckachsen ZweißOi StuEe 3 Einzelne zweipolig! Deckachsen Kombination der Stufe 1 mit C Triklin t e pediai [ K- Bichromat] 6 E,Z, P, Pz, M AD1 = C pinakoidal [Anorihit] c M Monoklin t D2 sphenoidisch - [Zucker] T D2- E, Z, P, Pz, M AD2 = Z doma tisch [ Sko/ezitJ s (Z), P, Pz,M D2fc prismatisch [Gips] D2C,(Z) M Rhombisch Trigonal \D3 irig. pyramidal [Na-Perjodat] t D3 E.Z, P, Pz,M AD3 = D3+C trig. rhomboedrisch [Dolomit] D3 C ' M Teiragona/ f tetr.pyramidal [Wulfenil] Id* E.Z, P, Pz, M AD* =J* lelr.bisphenoidisch [Ca2AI2 S/ Oy J (Z) - Pz M DUC tetr. bipyramidal [Schee/it D*C,(Z) M Hexagonal hex.pyramida! [Nephelin] \De E.Z.P, Pz,M AD6= D3+Z hemihexag. bipyramidal E — ? - ] D3Z Pz, M D6 + C hex. bipyramidal [ApatHj D6, C,(Z) M Tessera! /äw. tetartoedrisch [Na -Chlorat] h\D3,(3D2) E,Z, Pz, NAD3=GD3+C tess dyakisdodekaedrisch [Pyrit] hD3(3DVC,(3Z) Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 177 Deckachsen Stufe 4 Kombination mit Symmetrieebenen, die zu den Achsen der Stufen 7,2 u. 3 parallel sind Zweipoligkeit durch Kombination der Stufet mit D2X Stufe 5 Kombination der Stufe 7 mit Sy mm Eb. (II einpoligen Dx) Stufe 6 Kombination der Stufe 2 mit Sy mm. Eb. ( u wechselpoligenD*) Stufe 7 Kombination der Stufe 3 mit Sy mm. Eb. ( '! mit zweipoligen D ) Dz+Dz bisphenoidisch [Bittersalz] OzDz(Dz) E.Z,~ P z t D2+S rh. pyramidal [Kieselzinkerz] T DZS(S) (2) P Pz D2+C+IIS rh. bipyram i dal [Schwefel] D2(D2DVC,S,(S,S) D3+3\DZ *rig. trapezoedrisch l [oC-Quarz] D3,3\0 2 E,Z, - Pz t D*+3S diirig. pyramidal [Turmalin ] \D33S P Pz /1D3+3S=D3+C+3S ditrig. skalenoedrisch [ Kalkspat] D3(3D2n)C,3Sn ! D^2DZ letrag. trapezoedrisch [Strychninsu/fat] \ D*ZD2n(2DZ) E, Z, Pz t D*+2S di tet rag. pyramidal [Silberfluorid] \D“,2Sn,(2Sz) P Pz AD*+2S=DZ+2DZ+2S telrag. skalenoedrisch [ Kupferkies] D2ZDl.2Sz (Z) Pz D°+C+2//S di leb bi pyramidal [Z. irhon ] D6+3DZ tiexag. trapezoedrisch [/3.— Quarz] De302„f30 i) E, Z, — Pz t D6+3S dihexag. pyramidal [ Jodsi/ber] \De,3Sn(3Sz) P Pz AD B+3S=D 3+Z +3S dihemihexagonal bipyram. [ Benitoit ?] D](3\D2)Z3Sz Pz D‘+C *3 US dihexag. bi pyramidal [Beryll] D‘(3D2n,3Dl)C.(l)3S„ (3Sz) /tD3+3D* °ss.gyroedrisch [ Salmiak] ‘ W33DU6Dz) E,Z, ~ *t D3+6S fass, hexakistetraedrisch [Zinkblende] /f\D3(3DV,6S Pz 4AD3+SS = 4D3-i-C+SS less. hexakisoktaedrisch [Fluorit] KD3,(3D[6DX(3l)6S Centralblatt f. Mineralogie etc. 191 R- 12 178 H. Tertsch, talen Hauptsymmetrieebene versehen wäre1. Damit im Zusammen- hang1 steht die Möglichkeit einer anderen Koordinatenachsenwahl, als dies im hexagonalen System vorgeschrieben ist. In letzterem sind eine Hauptachse und drei in einer zur Hauptachse normalen Ebene gelegene Nebenachsen durch die Symmetrie bedingt. Das trigon ale System hat zwar auch eine Wirtelachse, es fehlt ihm aber die hiezu senkrechte Ebene als notwendige Symmetrie- ■erscheinung. Hier schreibt die Symmetrie nur vor, daß drei unter gleichen Winkeln zur Wirtelachse geneigte Richtungen ausgewählt werden, die aber nicht in einer Ebene liegen müssen. Gleich- zeitig sei auch daran erinnert, daß schon Hauy diesen Symmetrie- klassen ein Rhomboeder als Primitivform zuschrieb, während dem liexagonalen System die zentrierte sechsseitige Säule (dreiseitiges Prisma) zugeordnet wird. Es ist also nur angemessen, daß für das trigonale System die MiLLBR’sche Achsenwahl gegenüber der BRAVAis’schen bevorzugt werde, da die MiLLER’sche Anordnung dem Molekularbau und den so weit gehenden Analogien mit dem tesseralen System besser entspricht2. Der beste Prüfstein für die Zweckmäßigkeit einer bestimmten Gruppierung der 32 Kristallklassen bleibt immer die Anschmiegsam- keit der gewählten Anordnung an die Forderungen der Kristallphysik. Die Möglichkeit der Ausbildung enantiomorpher Formen besteht in den Stufen 1 und 4 und umfaßt 1 1 Klassen, denen Ebenen der einfachen und zusammengesetzten Symmetrie fehlen. Die Z i r k u 1 a r p o 1 a r i s a t i o n ist an die gleichen Symmetrie- bedingungen geknüpft, nur schließen sich nach Berek3 noch jene Klassen aus Stufe 2, 5 und 6 an, die durch AD2 und AD4 ausgezeichnet sind, das ist : monoklin domatiscli, rhombisch pyra- midal (S = A D2 !), tetragonal bisplienoidisch und skalenoedrisch. Die A D6 kann hier nicht einbezogen werden, da sie in ihrer Wirkungsweise durch eine unpaarzählige Achse samt Symmetrie- «bene (D3 + 2) ersetzt wird. Die übrigen, uupaarzähligen A Achsen (D1 und echte D3) enthalten ein verstecktes C, sind also für Zir- kularpolarisation nicht geeignet. Pyroelektrizität, die nach Voigt an das Vorhandensein einzelner polarer Richtungen geknüpft erscheint, ist in den Stufen 1 und 5 mit Ausschluß des tesseralen Systemes (mehrere polare Richtungen) möglich. Dazu tritt noch die monoklin domatische 1 Geometrisch begründet sich diese Erscheinung damit, daß man mit einer D6 immer drei zweipolige D* kombinieren kann, mit einer D3 nur drei einpolige D2. 2 Ein Rhomboeder kann immer als ein in der Richtung einer Körper- diagonale deformierter Würfel aufgefaßt werden. 3 M. Berek, Über Zirkularpolarisation, Fortschr. d. Min. 4. p. 110 Zur Gruppierung der 32 Kristallklassen. 179 Klasse, da eine sozusagen polare 2’ ebenfalls eine einzelne ein- polige Kiclitung in sich schließt. Hinsichtlich der Analogien einzelner, speziell der wirteligen | Systeme ist die V erteilung piezoelektrischer Erregbarkeit nach Voigt (1. c.) von größtem Interesse. Nach Voigt’s Theorie sind alle Klassen mit C und die mit 4 D3 + 3D4 auszuschließen. Es resultieren also die Klassen der Stufen 1, 4 und 5 und von Stufe 2 jene mit paarzähligen Dx, von Stufe 6 jene mit A D* und AD6. Hiebei ist besonders zu betonen, daß bei den Stufen 1. 4 und 5 die tetragonalen und hexagonalen Symmetrieklassen j jeweils die gleiche Konstantenzahl piezoelektrischer Natur fordern, diese Klassen also unbedingt parallelisiert werden müssen, was | auch in der vorgeschlagenen Ableitung gut zum Ausdruck kommt. Ähnlich lehrreich ist die Verteilung pyromagnetischer Erregbarkeit nach Voigt. Pyromagnetisch erregbar sind Stufe 1, 2 und 3 mit Ausnahme der tesseralen Kristalle, denn nach Voigt müssen es Symmetrieklassen mit einzelnen, ein-, Wechsel- oder zweipoligen Deckachsen sein. Das C hindert nicht, wohl aber die Kombination mehrerer Deckachsenrichtungen. Damit kommen wir gleich auch zu dem Verhalten der Kristall- klassen gegenüber zentrisch symmetrischen Vorgängen (Elastizität, Köntgendurchstrahlung usw.). Unsere Ableitung zeigt | auf den ersten Blick eine eigentümliche Unterteilung innerhalb ; der Mehrzahl der Systeme. Stufe 1 und 2 mit C versehen führt immer zu Stufe 3 (wenn nicht schon in Stufe 2 ein C enthalten ist). Stufe 4, 5 und 6 mit C verknüpft führt gleicherweise zu Stufe 7, soweit nicht schon in früheren Stufen ein C auftritt. Da sich alle zentrisch symmetrischen Vorgänge so verhalten, als enthielten sie ein C, so müssen jeweils Stufe 1 — 3, bezw. Stufe 4 — 7 bei physikalischen Problemen zentrischer Symmetrie die gleichen Resultate liefern, d. h. alle Kristalle, welcher Symmetrie immer, zeigen das Verhalten der mit C ausgestatteten Klassen. Deren sind 11. Es ist interessant, daß sich hiebei die wirteligeu Systeme und das tesserale in je zwei Gruppen spalten. Die den Stufen 1 — 3 entsprechenden Gruppen haben nur Einzelachsen oder 4 D3, die Gruppen, welche den Stufen 4 — 7 zukommen, besitzen 1 Deckachsenkombinationen, bezw. 4 D3 -j- 3 D4 oder 4 D3 -f 6 S. Dabei ist es sehr bezeichnend, daß die beiden Systeme: Monoklin und Rhombisch sich auf die beiden Untergruppen der höheren Systeme sehr schön aufteilen. Nur das trikline System steht ohne Anschluß da, weil eine Kombination von D1 mathematisch mit einer einzelnen D1 identisch ist. Schließlich sei noch erwähnt, daß sich nach Wülfing (1. c.) die Stufen 5 und 7 und von Stufe 6 die Klassen mit 2, und von Stufe 2 die monoklin domatische Klasse kaleidoskopisch darstellen lassen. 180 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung Zusammenfassung. Es wird unter Heranziehung der Inversionsachsen auf einheitlicher Grundlage eine Gruppierung der 32 Symmetrieklassen vorgenommen. Diese Gruppierung führt zu einer Umgrenzung des Begriffes „ Kristallsystem “ . Die Brauchbarkeit und Wahrscheinlichkeit der vorgeschlagenen Anordnung wird durch Bezugnahme auf die kristallphysikalischen Forderungen gestützt. Wien, Dezember 1915. Mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts und Chloanthits. Yon A. Beutell in Breslau. Mit 20 Textfiguren. Den ersten ernstlichen Versuch, den mikroskopischen Aufbau des Speiskobalts aufzuklären, hat Baumhauer unternommen (Groth’s Zeitschr. 1887. 12. p. 18 — 33). Durch Ätzen angeschliffenen Speiskobalts erkannte er, daß derselbe im allgemeinen aus mehreren Komponenten aufgebaut war, doch war es ihm unmöglich, deren chemische Zusammensetzung anzugeben. Die von Vollhardt um dieselbe Zeit angestellten Versuche , die Natur der verschiedenen Arsenide durch chemische Aufspaltung zu ermitteln , führte zu keinen nennenswerten Resultaten (Inaug.-Diss. München 1886). Nachdem es mir zusammen mit Fr. Lorenz gelungen war (dies. Centralbl. 1915. p. 359 — 373), durch Luftoxydation einen Speiskobalt von Riechelsdorf in Hessen quantitativ zu zerlegen, erschien es aussichtsvoll, die Ätzversuche von neuem aufzunehmen, zumal da die Verwendbarkeit des Mikroskops für opake Schliffe inzwischen durch die metallographischen Methoden sehr wesentliche Verbesserungen erfahren hatte. Auch hoffte ich, gleichzeitig Auf- schlüsse über die Entstehung des Speiskobalts auf Erzgängen zu erlangen. Für die mikroskopische Untersuchung der geätzten Speiskobalt- schliffe war der mineralogische Demonstrationsapparat von M. Berek (dies. Centralbl. 1913. p. 181 — 189) auf meinen Wunsch von E. Leitz, Wetzlar, mit einem Opakilluminator und einer zweiten Liliputbogenlampe versehen worden. Die ganze Anordnung, die sich bei meinen Untersuchungen als durchaus zweckmäßig bewährt hat, wird durch die beistehende Abb. 1 veranschaulicht. Die kleine, mit 5 Amp. bei 220 Volt brennende Bogenlampe A wirft ihre Strahlen, nachdem sie durch eine Linse parallel gemacht worden sind, zunächst auf den Planspiegel JB, von dem sie in eine zweite des Speiskobalts und Chloanthits. 181 Fig. 1. Projektionsmikroskop nach Berek mit Opakilluminator. Sammellinse C gelangen, um auf den Opakilluminator D konzen- triert zu werden. Derselbe befindet sich in einem an den Mikro- skoptubus angeschraubten Zwischenstück, das eine kleine Beleuch- tungslinse und ein totalreflektierendes Prisma enthält. Für schwache Vergrößerungen wird letzteres durch ein unter 45° geneigtes Glimmer- 182 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung blättchen ersetzt. Der zu beobachtende Schliff liegt bei E auf dem Objekttiscli L Die vor dem Ätzen auf Hochglanz polierten Schliffe sind sämtlich in der Kgl. Technischen Hochschule zu Breslau angefertigt worden, wofür ich Herrn Prof. Dr. Oberhoffer zu ganz besonderem Danke verpflichtet bin. Unter den verschiedenen oxydierenden Ätz- mitteln hat sich verdünnte Salpetersäure am besten bewährt, die auch schon Baumhauer (a. a. 0.) verwandt hatte; ganz ungeeignet ist Königswasser, weil die sich festsetzenden Chlorbläschen Flecke liervorrufen. Um die zweckmäßigste Konzentration zu finden, genügt es, die Schliffe in ein Schälchen mit Wasser zu legen und dann so viel konzentrierte Salpetersäure zuzusetzen, bis eine ziemlich lebhafte, an der Gasentwicklung kenntliche Reaktion eintritt; in wenigen Minuten ist die Operation vollendet. Den passenden Moment für den Abschluß des Ätzens trifft man leicht, wenn man die fort- schreitende Anfärbung mit der Lupe verfolgt, zu welchem Zwecke die Schliffe herausgenommen und abgespült werden. Nur bei Par- allelversuclien habe ich eine bestimmte Konzentration , nämlich Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,4 mit dem dreifachen Volumen Wasser verdünnt, benützt und die Schliffe 5 Minuten der Einwirkung ausgesetzt. Zum Schluß müssen die Schliffe sorgfältig gewässert werden, um auch die in Poren und Sprünge eingedrungene Säure zu entfernen, und endlich werden sie in absoluten Alkohol gelegt. Es empfiehlt sich , die Schliffe im Alkohol durch vor- sichtiges Reiben mit dem Finger von anhaftenden Teilchen zu reinigen und dann rasch im Luftstrome eines Gebläses zu trocknen. Anfangs sind beim Mikroskopieren im auffallenden Lichte die Vertiefungen, Sprünge und besonders auch die Einschlüsse durch- sichtiger und halbdurchsichtiger Begleitmineralien recht störend. Die durchsichtigen erscheinen im Erz als dunkle , fast schwarze Stellen, während die weniger durchsichtigen , weil sie schon be- trächtliche Mengen Licht reflektieren , grau bis weiß erscheinen und daher leicht mit dem Erz verwechselt werden können. Da jedoch als Gangart im Speiskobalt fast ausschließlich Kalkspat und Quarz auftritt, so kann man sich vor Irrtum leicht dadurch schützen , daß man die Schliffe zuerst in Salzsäure und dann in Fluorwasserstoffsäure legt; hierdurch werden die Carbonate und Quarz gelöst, ohne daß der Speiskobalt angegriffen wird. Die nach meinen Photographien angefertigten Abb. 2 — 5 geben ein natur- getreues Bild dieser Erscheinungen. Sie stammen von einer auf der Etikette als „Eisenspeiskobalt“ bezeichneten Varietät von der Grube „Al Fin Hallado“ bei Tres Punhas unweit Copiapö (Chile). Das Mineral ist völlig dicht, von kaum metallischem Aussehen und 1 Eine ausführlichere Beschreibung des Opakilluminators enthält die Preisliste No. 43 B von E. Leitz, Wetzlar. des Speiskobalts und Chloanthits. i8a Fig. 2. Derber Speiskobalt von Tres Puntas bei Copiapö, Chile; ungeätzt. Yergr. 1 : 50. Fig. 3. Derber Speiskobalt von Tres Puntas b. Copiapö, Chile ; mit Sal- petersäure geätzt. Yergr. 1 : 50. 184 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts etc. Fig. 4. Derber Speiskobalt von Tres Puntas b. Copiapö, Chile; mit Salz säure geätzt. Vergr. 1 : 50. Fig. 5. Derber Speiskobalt von Tres Puntas b. Copiapö, Chile ; mit Salz säure und Flußsäure geätzt. Vergr. 1 : 50. R. Wedekind, Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. 185 von dunkel bleigrauer, fast schwärzlicher Farbe. Nach dem An- schleifen und Polieren erscheinen filigranartige, silberweiße Schnüre und außerdem gelblich gefärbte, parallel gestreifte Erzpartien. Die letzteren bräunen sich rasch in verdünnter Salpetersäure und lösen sich dann völlig auf ; sie sind ein dem Speiskobalt beigemengtes fremdes Erz. Fig. 2 und 3 rühren von derselben Stelle her, doch zeigt Fig. 2 den ungeätzten, Fig. 3 den kurze Zeit mit Salpeter- säure behandelten Schliff. Die auf dem ungeätzten Schliff (Fig. 2) auftretenden , ziemlich ausgedehnten weißen Partien fehlen dem geätzten ; sie rühren nicht von Speiskobalt her, wie man zunächst glauben könnte, sondern von Calcit, und verschwinden daher beim Behandeln mit Salpetersäure. An ihre Stelle sind schwarze Par- tien getreten , die von den entstandenen Vertiefungen herrühren. Aus Speiskobalt bestehen nur die weißen Ränder. Legt man einen Schliff von Speiskobalt in verdünnte Salz- säure, so zeigt sich u. d. M. ein ganz ähnliches Bild, wie aus Fig. 4 zu ersehen ist; auch hier sind nur die weißen Umrandungen Speiskobalt, die schwarzen Stellen hingegen Löcher. Daß auch die grauen Partien kein Erz sind, beweist Fig. 5, die von derselben Stelle des Schliffes herrührt, nachdem derselbe noch 14 Stunden in Fluorwasserstoffsäure gelegen hatte. Statt der grauen Stellen, welche nichts anderes als Quarz sind, treten nun ebenfalls Ver- tiefungen auf, die im mikroskopischen Bilde schwarz erscheinen. Es fällt auf, daß die stehengebliebenen weißen Ränder von Speis- kobalt schmäler geworden sind und stellenweise ganz fehlen. Die Ursache ist nicht die Löslichkeit des Speiskobalts in Flußsäure, sondern das Abbröckeln der feinen Erzteilchen , welche nur von Calcit und Quarz in ihrer Lage festgehalten wurden ; es ist ohne weiteres ersichtlich, daß die Gangart vorherrscht. Der Speiskobalt von Al Fin Hallado unterscheidet sich von allen übrigen von mir untersuchten durch seine sandsteinartige Struktur und durch das Auftreten eines einzigen Arsenides, während sonst immer mehrere auftreten, die sich leicht durch ihr verschiedenes Verhalten gegen Salpetersäure unterscheiden lassen. Für allgemeine Schlußfolge- rungen ist diese Varietät ungeeignet, weil sie einen ganz ver- einzelten Ausnahmefall darstellt. (Schluß folgt.) Über Lobus, Suturallobus und Inzision. Von R. Wedekind. Mit 6 Textfiguven. Bei der großen Bedeutung, die ganz allgemein der Lobenlinie beigelegt wird, muß es besonders auffällig erscheinen , daß beim Vergleich der Lobenelemente verschiedener Gattungen niemals homologe, sondern immer nur analoge Lobenelemente miteinander 12* 186 R. Wedelrind, verglichen werden. Die ausschließliche Betonung der äußeren Lobenlinie läßt das bereits klar erkennen. Um hier zu grundlegenden Anschauungen zu gelangen, habe ich eine Reihe von Untersuchungen ausgeführt l, deren Resultate in verschiedenen Abhandlungen, soweit es mir für meine damaligen Zwecke notwendig erschien, veröffentlicht sind. Eine ausführliche Gesamtdarstellung der Ammoneenlobenlinie nebst einer durch- geführten Anwendung auf die Systematik der Goniatiten ist ab- geschlossen. Da sich der Druck dieser Abhandlung infolge des Krieges wesentlich verzögert, erschien es mir notwendig, hier einen Überblick über die Resultate zu geben, zumal auf meine Anregung hin eine Reihe von Herren sich speziell mit diesem Gegenstände beschäftigen. Die primäre Lobenlinie. Da der ersten (oder embryonalen) Lobenlinie2 der Ammon een ein Außenlobus fehlt, d.i. der wichtigste Charakter der Ammonoideen- lobenlinie überhaupt, so kann erst die zweite Lobenlinie als die primäre Lobenlinie der Ammonoidea angesehen werden, denn erst von diesem Stadium ab sind sie als echte Ammonoidea zu erkennen. Diese primäre Lobenlinie besteht aus drei Lobenelementen : 1. dem Außenlobus, E, der durch die randlich ventrale Lage des Siplio bedingt ist; 2. dem Innenlobus, J, der an das Auftreten der konkaven Innen- zone (wiederum eine Folge der Aufrollung) gebunden ist; 3. dem Laterallobus , L, der an irgendeiner Stelle auf den Flanken auftritt. Der Außen- und der Innenlobus liegen naturgemäß in der Symmetrieebene des Gehäuses. Für die Systematik erscheinen drei Grenzlagen des primären Laterallobus von Bedeutung3: 1. Der primäre Laterallobus liegt subumbonal, d. h. auf den Seiten, aber unmittelbar neben der Naht. 2. Der primäre Laterallobus liegt umbonal, d. h. so, daß er durch die Naht halbiert wird. 3. Der primäre Laterallobus liegt lateral , also auf der Mitte der Seiten. Ammonoidea mit diesen drei Lobentypen sind bereits im Paläo- zoicum vertreten. Die mesozoischen Formen zeigen wohl aus- schließlich den lateralen Lobentypus. 1 Meine erste Arbeit über diesen Gegenstand erschien 1910 in den Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde. Berlin. 2 Branca, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der fossilen Cephalo- poden. Palaeontogr. 27. 3 R. Wedekind, Zur Kenntnis der Prolobitiden. N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. I. p. 78. Ueber Lohns, Suturallobus und Inzision. 187 Die Lobenformel dieser primären Lobenlinie würde nach meinem Vorschläge 1 , den inzwischen auch andere Forscher akzeptiert haben, lauten : E L J. Die abgeleiteten Lobenelemente. Zu diesen primären Lobenelementen treten durch Sattel- oder Lobenspaltung weitere hinzu, indem entweder ein bestehender Sattel durch einen Lohns oder ein bestehender Lobus durch einen Sattel gespalten wird. a) Die Sattelspaltung — Spaltung eines Sattels durch einen Lobus — ist bereits von Noetling2 ausführlich unter- sucht. Es ist zu unterscheiden ax) die einfache Sattelspaltung, die entweder ventro- oder dorsopartit ist, a2) die alternierende Sattelspaltung, die ebenfalls entweder alternierend ventro- oder dorsopartit ist. b) Die Loben Spaltung (Fig. 1). Fig. 1. Schema der Lobenspaltung. Ein bestehender Lobus wird durch einen Sattel gespalten, das ist ein sehr wesentlicher Unterschied gegenüber der Sattel- spaltung. Darauf entsteht in dem Sattel ein Lobus, in diesem 1 R. Wedekind, Goniatitenkalke des unteren Oberdevon von Marten- berg bei Adorf. Ges. naturf. Freunde. Berlin 1913. p. 38 ff. 2 Fr. Noetling, Untersuchungen über den Bau der Lobenlinie von Psendosageceras multilobatum. Palaeontogr. 51. 188 R. Wedekind, wiederum ein Sattel und so fort. Die Loben Spaltung ist immer symmetrisch. Wird nun der nabelwärts zwischen den Loben L und J ge- legene Teil der Septalfläche 1 als Umschlag bezeichnet, so können alle aus dem Innensattel hervorgehenden neuen Loben als Um- schlagloben — ■ U — bezeichnet werden. Sie zerfallen in innere, auf der Innenseite, und äußere auf der Außenseite gelegene Um- schlagloben. Die äußeren entsprechen ungefähr den sogenannten „ Auxiliarloben“. Diese Bezeichnung ist als unexakt fallen zu lassen, da sie nur analoge Elemente bezeichnet. Die einzelnen Umschlagloben bezeichne ich kurz mit Ui, Un, Um usw. Entgegen der Beobachtung Noetling’s (a. a. 0. p. 177) teilt sich der Innensattel in der Regel nach der alternierenden ventro- partiten Sattelspaltung. Das ergibt die folgenden Lobenformeln : J L E A J Ux L E A J Uj- Un L E Fig. 2. Schema der Entstehung der Umschlagloben. Bei Vergrößerung des Umschlages, durch punktierte Linie angedeutet, entsteht immer ein neuer Umschlaglobus in der Nähe der Naht, und zwar in der Mitte (*) zwischen den nächstliegenden Loben. Daher wird abwechselnd ein neuer Lobus auf der Außen- und Innenseite angelegt. Ein klares Bild ergibt auch die Betrachtung der Septalfläche1 einer trilobaten Lobenlinie mit lateral gelegenem primären Lateral- 1 Als Septalfläche bezeichne ich die vordere Fläche des Septums. Die Linie, in der sich äußere Schale und Septalfläche resp. deren Verlängerung schneiden, ist die Lobenlinie. Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. 189 lobus. Der Lobus Ui legt sich neben dem Lobus J auf der Innen- seite der Umgänge an, und zwar ein wenig nabelwärts. Eine ge- ringe Vergrößerung (Fig. 2 a) des Septalumschlages verlängert den zwischen L und Ui gelegenen Sattel, aber nicht den zwischen Ui und J gelegenen Sattel (d. i. eine Folge der konstanten Loben- lage!). Nach dem das Gehäuse beherrschenden Festigkeitsprinzip 1 muß nun ein weiterer Lobus (Un) in der Mitte des zwischen Ui und L gelegenen Sattels angelegt werden, um das durch die Ver- längerung des Septalumschlages gestörte Gleichgewicht wieder her- zustellen. Wächst nun weiterhin der Umschlag, so wird jetzt der zwischen Ui und Un gelegene Sattel vergrößert, und da Un näher an der Naht liegt, so wird ein neuer Lobus Um auf der Innenseite an- gelegt werden müssen , Uiv späterhin auf der Außenseite usw. (Fig. 2 b). Suturallobus. Eine bemerkenswerte Abweichung von der normalen Umschlag- lobenbildung zeigt die Entwicklung der Lobenlinie immer dann, wenn ein Umschlaglobus so zu liegen kommt, daß er durch die Naht halbiert wird (Fig. 3 und 4). Würde z. B. in dem oben angeführten Beispiel (Fig. 2) der Lobus Um dieser Bedingung ent- sprechen, so wird bei einer Vergrößerung des Umschlages auch der Lobus Um stark vergrößert. Um die durch diese Vergrößerung gestörte Festigkeit auszugleichen, wird der Lobus Um durch einen Sattel gespalten. Weiterhin wird dieser Sattel wiederum durch einen Lobus und dieser durch einen Sattel gespalten werden, so daß es sich um typische Lobenspaltung handelt. Der Lobus Um mit seinen so entstehenden Komponenten hat häufig ein so auffallendes Gepräge, daß er den meisten Ammoniten- forschern nicht entgangen ist, die ihn indessen nur morpho- logisch betrachtet haben2. Er entspricht dem Suspensiv- lobus vieler Ammoniten. Da aber als Suspensivlobus nur das Herabhängen resp. Zurückspringen der Nahtloben bezeichnet wird, schlage ich vor, diesen Lobentypus als Suturallobus oder kurz mit S zu bezeichnen. Ich bemerke, daß der Suturallobus hängend, also suspensiv ist (Beispiele: Stephcinoceras , Um bildet den Suturallobus ; Perisphinctes , Ui bildet den Suturallobus, Fig. 4) oder nichthängend sein kann (Beispiel : Oppelien und manche Parkinsonien, Fig. 3). 1 Vergl. E. Pfaff, Über Form und Bau der Ammonitensepten und ihre Beziehungen zur Suturlinie. Niedersächs. geol. Gesellsch. 1911. p. 280 ff. 2 Mir ist keine einzige der zahlreichen Ammonitenarbeiten bekannt, die wissenschaftlich auf den „Suspensivlobus“ eingeht. 190 R. Wedekind, Fig. 3. Entstehung eines wenig hängenden Suturallobus bei Oppelien (Brauner Jura — Lechstedt). Um liegt auf der Naht. Präparate im Museum zu Göttingen. Fig. 4. Entstehung eines suspensiven Suturallobus bei Perisphinctes (Brauner Jura — Lechstedt). Uj wird zum Suturallobus. Präparate im Museum zu Göttingen. Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. 191 Beiläufig“ sei erwähnt, daß ein echter Suturallobus zum ersten Male bei Dimeroceras im unteren Oberdevon hervortritt. Ich definiere nunmehr den Suturallobus folgendermaßen : Der Suturallobus ist ein auf oder an der Naht gelegener Umschlaglobus, der durch Loben- spaltung differenziert wird. Um zu bezeichnen, daß Suturallobenbildung eintritt, ist bei der besonderen Bedeutung derselben eine eigene Bezeichnung an- zuwenden. Wenn auf dem Lobenstadium einer Lobenlinie E L Un Um Ux J Um zum Suturallobus wird, wie bei Stephanoceras , so ist zu schreiben : E L Un Um (— S) Uj J oder abgekürzt E L Um (= S) J. Eiir Perisphindes sp. ist die folgende Formel zu schreiben: E L Un UT (= S) J. Die Differenzierung des Suturallobus findet, wie erwähnt, durch Lobenspaltung statt. Wo es notwendig sein sollte, die einzelnen Komponenten des Suturallobus besonders zu bezeichnen, kann folgendermaßen verfahren werden: E L Un (= Slv SId) J oder E L Un (= Sj) J E L Un (= SIv Sn SId) J oder ELUn(= Sn) J usf. Wenn die Komponenten von S so klein und zahlreich sind, daß Einzelbeobachtungen nicht mehr zu machen sind, so kann ge- schrieben werden : Un (= Soo). Adventiv- und Medianloben. Bei den bisherigen Ausführungen sind nur Fälle betrachtet, bei denen der Außenlobus und Außensattel ungeteilt blieben. Wo der Außensattel sich differenziert, spaltet er nach der einfachen ventropartiten Lobenspaltung. Alle diese aus dem Außensattel hervorgegangenen Loben nenne ich, dem allgemeinen Brauche folgend, Adventivloben und bezeichne sie mit Ai, An, Am usw. Diese Loben sind auf der Septalfläche immer paarig angeordnet. Endlich entsteht im Außenlobus ein Mediansattel durch Loben- spaltung, indem im Außenlobus ein meist in sich durch einen Medianlobus geteilter Mediansattel herausgebildet wird, der in den 192 R. Wedekind, Lobenformeln mit M bezeichnet werden kann. Bei einer weiter- gehenden Spaltung ist Mi, Mn . . . . Mn zu schreiben. Durch die Kombination von primären Lobenelementen mit Umschlag-, Adventiv-, Sutural- und Medianloben wird die Homo- logisierung der Lobenelemente äußerst kompliziert und erfordert ein besonderes Studium. Inzision. Wenn eine bestimmte Anzahl von Loben in gesetzmäßiger Weise, also nach einem der Lobengesetze, herausgebildet ist, wird die Lobenlinie weiterhin durch Einkerbungen, Inzisionen, die große oder kleine Blätter abgrenzen, kompliziert1. Der wesentliche Charakter der Inzisionen beruht darin, daß sie als Einker- bungen in Loben und Sätteln auft.reten, und zwar so, daß die der Symmetrieebene zunächst gelegenen Lobenelemente (E und J) zuerst allein durch In- zisionen zerschlitzt werden und erst darauf und regel- mäßig nacheinander die nabelwärts folgenden Loben- elemente. Der Unterschied zwischen Lobus und Inzision besteht demnach darin, daß die Loben primäre Rückbiegung der Loben- linie darstellen , die nach einem bestimmten Lobengesetze unab- hängig von ihrer Lage zum Nabel entstehen , daß dagegen die Inzisionen sekundäre Ausbiegungen in den Loben und Sättel sind, die diese regelmäßig von der Symmetrieebene aus zerschlitzen. 1. Monopolare Zerschlitzung (Fig. 5). Genetisch beginnt die Inzisionenbildung in den Loben, während die Sättel von ihr unberührt bleiben. Die primär runden Loben werden zunächst einspitzig oder zweispitzig (dikranid). Aus dem einspitzigen Lobus geht der dreispitzige oder triaenide Lobus hervor, indem jederseits der mittleren Spitze eine weitere Ausbuchtung entsteht. Als prion id werden die Loben bezeichnet, die aus mehr als drei Inzisionen bestehen. Im weiteren Verlaufe des Prozesses — fassen wir der Ein- fachheit halber nur den triaeniden Lobus ins Auge — entstehen oberhalb der ersten Inzisionen noch weitere, die gleichsam vom Lobus aus zum Sattel emporklettern, so daß schließlich vom Sattel ein kleines (Fig. 5 a2) oder großes endständiges Blatt (Fig. 5 b) übrigbleibt. Da nur ein Pol vorhanden ist, von dem die Zer- 1 Sind die von den Kerben eingeschlossenen Blätter groß, so ist die Lobenlinie makrophyll, sind die Blätter klein, so ist sie mikrophyll zer- schlitzt. Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. 193 Schlitzung ausgeht, kann diese Art der Zerschlitzung als „mono- polar“ bezeichnet werden. Zu diesen Hauptinzisionen, die den Loben eine typische Ge- stalt verleihen, treten noch weitere feinere als Nebeninzisionen a2 Fig. 5. Schematische Darstellung des Laterallobus einer monopolar zer- schlitzten Lobenlinie. Es sind nur Hauptinzisionen vorhanden. hinzu. Wenn, was hin und wieder bei den Garnierien vorkommt, die Nebeninzisionen eines triaeniden Lobus den Hauptinzisionen an Stärke gleich werden, so wird er pseudoprionid. 2. Bipolare Zerschlitzung (Fig. 4 und 6). Etwa an der Grenze von Trias und Jura tritt eine auffallende Umgestaltung dieser einfachen Verhältnisse hervor. Der Lobus erhält auch hier wiederum zunächst eine typische Gestalt, indem er entweder triaenid oder dikranid wird. Darauf entsteht, bevor weitere Inzisionen hinzutreten, eine Kerbe /li in der Mitte des Sattels. Nachdem so an zwei Stellen, an der tiefsten Stelle des Lobus und am Scheitel des Sattels — also an zwei Polen — Hauptkerben entstanden sind , treten zu diesen Inzisionen sowohl vom Scheitel des Sattels wie vom Lobus aus, also von zwei Polen her, neue Inzisionen hinzu. Es wurde dann auch, namentlich bei Ammoniten des unteren Lias, beobachtet, daß am Sattelpol statt der einen /li- Inzision gleich ein paar Inzisionen, a, ß, auftreten. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 13 194 R. Wedekind, Ueber Lobus, Suturallobus und Inzision. Herr Dietz hat weiterhin im Geologischen Institut zu Göt- tingen an diese meine Beobachtungen angeknüpft und die bipolare Zerschlitzung eingehend untersucht. Er wird über seine Resultate selbst berichten. Fig. 6. Schematische Darstellung des Laterallobus einer bipolar zerschlitz- ten Lobenlinie. Zu den Hauptinzisionen 'treten Nebeninzisionen hinzu. Gezeichnet nach Präparaten von Stephanoceras (Gerzen). Auf Grund meiner Untersuchungen bin ich zu der folgenden groben Einteilung der Ammonoideen gelangt: I. Palaeoammonoidea: Loben nicht zerschlitzt. 1. U. 0. Tornoceracea: Anwachsstreifen bikonvex. 2. U. 0. Cheiloceracea: Anwachsstreifen konvex. 3. U. 0. P r o 1 o b i t a c e a : Anwachsstreifen linear bis protrakt. II. Mesoammonoidea: Loben monopolar zerschlitzt. Soweit sich bisher übersehen läßt, lassen sich hier verschiedene Unterordnungen unterscheiden, so z. B. : Tropitacea1 (Lobenlinie triaenid-mikrophyll zerschlitzt), Ceratitacea (Lobenlinie prionid- mikrophyll zerschlitzt), Mesophylloceracea (Lobenlinie triaenid- makrophyll zerschlitzt) u. a. 1 Diese Unterordnung schließt unmittelbar an die Prolobitacea an. A. Dietz, Ueber bipolare Lobenzerschlitzung etc. 195 III. Neoammonoiclea : Loben bipolar zerschlitzt. 1. IJ. 0. Neophylloceracea1 *: Lobenlinie triaenid - makrophyll zerschlitzt. Anwachsstreifen linear. 2. U. 0. Psiloceracea: Lobenlinie triaenid-mikrophyll zerschlitzt, Anwachsstreifen linear. 3. U. 0. Harpoceracea: Lobenlinie triaenid-mikrophyll zer- schlitzt, Anwachsstreifen sichelförmig. Über bipolare Lobenzerschlitzung einiger Liasammoniten. Von A. Dietz, Göttingen. Mit 6 Textfiguren. Auf Anregung des Herrn Prof. Wedekind 2 habe ich an einer Beihe von Ammoniten aus Lias a — y die Ontogenie der Lobenlinie verfolgt, um aus ihr Anhaltspunkte für die Systematik und Stammes- geschichte dieser Formen zu gewinnen. Da durch meine Ein- berufung zum Heeresdienst, diese Untersuchungen unterbrochen sind und daher der Abschluß der Untersuchungen noch nicht abzusehen ist, gebe ich in den folgenden Zeilen eine vorläufige Übersicht meiner bisherigen Resultate. Als Entschuldigung für die Mängel in der Abfassung dieser Mitteilung möchte ich anführen, daß ein mitten im Moore gelegenes Kriegsgefangenenlager nicht die ge- eignetste Örtlichkeit zur wissenschaftlichen Arbeit ist. Die sich hier bietende Gelegenheit möchte ich nicht vorüber- gehen lassen, ohne Herrn Prof. Wedekind dafür zu danken, daß er die Ausführung meiner Arbeiten durch weitgehendste Einräumung der Hilfsmittel des Göttinger Geolog.-paläontolog. Instituts , vor allem aber durch seinen Bat in jeder Weise förderte. Ebenfalls möchte ich an dieser Stelle Herrn Pfarrer Dr. Engel zu Eislingen meinen Dank aussprechen für die mannigfaltigen Förderungen und Freundlichkeiten, die ich von ihm während meines Aufenthaltes im Schwäbischen Juragebiet erfahren durfte. Noetling3 hat in seiner Arbeit zur Theorie der Lobenlinie nachgewiesen, daß zu ihrer richtigen Deutung und systematischen Verwertung die Kenntnis ihrer Entwicklung unentbehrlich ist. Während Noetling sich darauf beschränkt, Herkunft und Ent- 1 Die Neophylloceracea gehen unmittelbar aus den Mesophylloceracea hervor. Nach der Art der Lobenzerschlitzung (monopolar, bipolar) werden also große Gruppen unterschieden, die etwa den Atremata, Neotremata usw. der Brachiopoden entsprechen. Wo dann weiterhin eine Verknüpfung der verschiedenen Unterordnung schon möglich ist, habe ich das besonders zum Ausdruck gebracht. Obwohl die Tropitacea unmittelbar aus den Prolobitacea hervorgehen, sind sie doch zu verschiedenen Gruppen gestellt. Es ist also ganz ähnlich verfahren wie bei den Rhynchonellacea und Pentameracea. 8 R. Wedekind, Über Lobus, Suturallobus und Inzision. 3 Palaeontographica. 51. 196 A. Dietz, Ueber bipolare Lobenzerschlitzung stehungsfolge der einzelnen Loben und Sättel zn ermitteln, ihrer weiteren Differenzierung aber keine größere Bedeutung zuspricht, habe ich bei meinen Untersuchungen gerade dem letzteren meine Aufmerksamkeit zugewandt. Die Zerschlitzung nimmt bei den Juraammoniten gleichzeitig auf dem Scheitel der Sättel und im Grunde der Loben ihren Ursprung, während die Flanken am längsten ihre einfache Gestalt bewahren - — ist also bipolar. Da es beim Vergleich der einzelnen Bestandteile von Lobenlinien verschiedener Arten unerläßlich ist, ihren Ursprungsort in Betracht zu ziehen, so bezeichne ich den Scheitel der Sättel und den Grund der Loben in bezug auf die Zerschlitzung der Lobenlinie als Pol S und Pol L. Während die von Pol L ausgehende Differenzierung bei den hier in Betracht kommenden Ammoniten nur zwei Typen auf- weist, nämlich den triaeniden und dikraniden, die aber nicht immer exakt zu unterscheiden sind, bietet die in Pol S ihren Ursprung nehmende Gliederung manches für einzelne Gruppen von Arten charakteristische dar. Im großen und ganzen ist der Verlauf der Differenzierung bei allen Sätteln einer Lobenlinie der gleiche, nur der Internsattel bietet infolge seiner seitlichen Kompression ein etwas verzerrtes Bild dar. Da die Zerschlitzung der Lobenlinie sich zuerst an ihrem ventralen Teil bemerkbar macht, und hier die einzelnen Züge der Entwicklung sowohl ontogenetisch wie phylogenetisch zuerst auftreten, so habe ich mein Hauptaugenmerk dem Externsattel zugewandt. Die ältesten Formen des Lias a, die Psiloceraten, schließen sich den Phylloceraten an und zeigen dieselbe Zerteilung der Sättel in ganzrandige, blattartige Lappen, die durch tiefe triaenide Inzi- suren getrennt werden. Doch ist Psiloceras , wie schon Neumayr 1 angibt, in bezug auf PliyUoceras als eine regressive Form zu be- trachten, denn die oben genannte Übereinstimmung mit PliyUoceras weist Psiloceras hauptsächlich im Jugendzustande auf. Die Differen- zierung des Externsattels beginnt bei Psiloceras planorbis mit der Anlage zweier Inzisuren symmetrisch zur Medianlinie (Fig. 1 a), von denen ich die ventral gelegene mit a , die dorsal gelegene mit ß bezeichne. Hierzu treten noch einige Inzisuren, die von Pol L ihren Ursprung nehmen. Dasselbe Bild wie Fig. 1 a zeigt der Externsattel im Zustande der beginnenden Zerschlitzung bei den Gattungen Schlotlieimia , Arietites und Aegoceras , doch ge- winnen hier a und ß an Bedeutung und geben der vollständig ent- wickelten Lobenlinie ihre charakteristische Gestalt , während die von Pol L ausgehenden Inzisuren nur wenig entwickelt werden. Besonders typisch ist dies bei Aegoceras zu beobachten, wo sich an jedem der drei primären Blätter des Externsattels der Teilungs- modus sekundär wiederholt, wie Fig. 2 zeigt. 1 M. Neumayr, Zur Kenntnis der Fauna des untersten Lias in den Nordalpen. Abh. d. k. k. geol. Keichsanst. Wien 1879. einiger Liasammoniten. 197 Ein durchaus anderes Bild bietet die Ontogenie der Loben- linie bei den Deroceraten des Lias y. Bei diesen Formen beginnt die Differenzierung des Externsattels mit einer median angelegten Fig. 1. Schema der Zerschlitzung des Außensattels bei Psiloceras planorbis Sow. (a) und Dero- ceras sp. Fig. 2 und 3. Schema der Zer- schlitzung des Außensattels bei dem Genus Aegoceras (Fig. 2) und JDeroceras (Fig. 3). Fig. 4. Schema der Verschiebung der medianen Inzisur. Fig. 5. Entstehung der Inzisuren bei JDeroceras Maugenesti d’Orb. Inzisur (Fig. 1 b), die sich stark vertieft und den Sattel der Alters- lobenlinie in zwei gleiche Äste spaltet. In typischer Weise wurde dies an JDeroceras Maugenesti beobachtet, bei dem die beiden Äste 1 Nach Beobachtung gezeichnet. 198 A. Dietz, Ueber bipolare Lobenzerschlitzung etc. des Externsattels sich fortgesetzt in derselben Weise gliedern, wie Fig. 3 veranschaulichen möge. Dadurch entstehen die folgenden, zunächst schwer zu überbrückenden Gegensätze, daß einmal der Sattel durch eine einzige mittlere Inzisur (/*), das andere Mal durch paarige gleichzeitig erscheinende Inzisuren («, ß) geteilt wird (vergl. Fig. l). In anderen Fällen wurde nun beobachtet, daß die erste An- lage der medianen Inzisur asymmetrisch, und zwar in dorsaler Richtung verschoben auftritt, im Laufe der weiteren Entwicklung aber in die Medianlinie rückt (Fig. 4). Hierzu sei noch bemerkt, Fig. 6 \ Entwicklung der Lobenlinie bei Derocercts Ziphus Hehl. Die unterste Lobenlinie ist etwas stärker als die oberen vergrößert. Besprechungen. 199 daß sich in diesem Falle die Inzisur des nabelwärts zunächst folgenden Sattels ventral verschoben anlegt. Die beiden genannten Sättel entwickeln sich also symmetrisch zu einer durch die Mitte des primären Laterallobus gelegten Linie. Einen weiteren über- raschenden Einblick in die Beziehungen der beiden Gruppen mit primär paarig oder mit unpaar median angelegter Inzisur bietet die Ontogenie der Lobenlinie bei den Ammoniten aus Lias ß und einigen Arietiten des Lias «. Hier zeigt die ^-Inzisur die Tendenz, in der Entwicklung der «- Inzisur vorauszueilen und sich stärker auszuprägen. Dies bedingt eine Verschiebung der Mittellinie des Externsattels aus dem Scheitel des Mittellappens nach ß. Ver- zögert sich das Auftreten der «-Inzisur so stark, daß sie gleich- zeitig oder nahezu gleichzeitig mit der Sekundärinzisur des Dorsal- lappens angelegt wird, so haben wir denselben Entwicklungsgang wie bei Deroceras Maugenesti (s. Fig. 5). Diese Umwandlung der ß-Inzisur ist besonders deutlich an Deroceras ( Praederoceras ) Ziphus aus dem obersten Lias ß zu be- obachten, wie die empirischen Abbildungen in Fig. 6 zeigen mögen. Namentlich die linke Hälfte der Lobenlinie, die leider an dem untersuchten Exemplar nicht vollständig erhalten war, zeigt sehr klar die Umwandlung der /^-Inzisur zur Medianinzisur. Doch ist diese Entwicklung in Übereinstimmung mit dem früheren Auftreten dieser Form noch nicht so weit fortgeschritten wie bei Deroceras Maugenesti , denn die sekundäre Zerschlitzung der einzelnen Ab- schnitte des Externsattels und die primäre Zerschlitzung des Lateral- sattels folgt noch dem «-, /?-Typus. Auf eine eingehendere Behandlung der systematischen und phylogenetischen Verhältnisse der oben genannten Formen möchte ich mich nicht eher einlassen, als ich mich auf eine ausreichende Zahl von Untersuchungen stützen kann. Besprechungen. O. Doelter. Die Farben der Mineralien, insbesondere der Edelsteine. (Sammlung Vieweg: Tagesfragen aus den Gebieten der Naturwissenschaften und der Technik. Heft 27. Braunschweig bei Friedr. Vieweg und Sohn. 1915. 96 p. mit 2 Ab- bildungen im Text.) In der letzten Zeit ist die Farbe der Mineralien vielfach Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen, sei es, daß man die Ursache der Färbung zu ermitteln versucht oder daß man die Veränderung der Farben durch äußere Einflüsse, namentlich durch Einwirkung verschiedener Strahlen, insbesondere der Radium- strahlen, festgestellt hat. Für die Edelsteine haben ja diese Fragen 200 Miscellanea. wohl eine besondere praktische Bedeutung-. Gerade Verf. ist auf diesem Gebiet vielfach als Forscher tätig- gewesen, er erscheint daher für ein solches Werk wie das vorliegende besonders berufen. Es handelt sich hier nicht um Bekanntgabe neuer Forschungs- ergebnisse, sondern um eine übersichtliche Zusammenstellung der Besultate früherer Untersuchungen des Verf’s. und anderer Minera- logen. Der Inhalt des Buches ergibt sich aus folgender Über- sicht: Nach einer allgemeinen Einleitung folgt das 1. Hauptstück (eigenfarbige und fremdfarbige Mineralien ; Untersuchung der Farb- töne; Pleochroismus; idiochromatische Mineralien; allochromatische Mineralien; die durch isomorphe Beimischung erzeugten Färbungen; die diluten Färbemittel; historischer Überblick). 2. Hauptstück (die Methoden zur Nach Weisung der Pigmente). 3. Hauptstück (Lumineszenzerscheinungen). 4. Hauptstück (die Veränderung der Farben der Mineralien; Verhalten der Mineralien bei Temperatur- erhöhung ; Farbenveränderung durch Strahlung ; Kathodenstrahlen ; Einwirkung von Röntgenstrahlen; Wirkung von Anodenstrahlen; Einwirkung von Radiumstrahlen, pleochroitische Höfe; Einfluß ultravioletter Strahlen bei durch Temperaturerhöhung veränderten Mineralien; Einteilung der Mineralien nach dem Verhalten gegen Strahlungen und Temperaturerhöhung). 5. Hauptstück (die Färbe- mittel künstlicher Edelsteine). 6. Hauptstück (die Färbemittel der einzelnen Mineralien: Diamant, Beryll, Phenakit, Spodumen, Topas, Oyanit [Disthen], Turmalin, Ultramarin, Anhydrit und Gips, Baryt und Cölestin, Wulfenit, Apatit, Spinell, Flußspat, Steinsalz, Quarz, Korund, Zirkon [Hyazinth, grüner Zirkon], Silikatgläser). 7. Haupt- stück (die Entstehung der Mineralpigmente in der Natur ; primäre Färbungen; sekundäre Färbungen; Veränderung durch Temperatur- erhöhung in der Natur). Die wichtigste Literatur ist überall recht vollständig angegeben. Die Ausstattung des Buches ist sehr gut. Ein alphabetisches Register würde die Bequemlichkeit der Benützung wesentlich erhöht haben. Max Bauer. Miscellanea. Preisaufgabe der Fürstl. Jablonowski’schen Gesellschaft. Die Gesellschaft wünscht die Bearbeitung der folgenden Aufgabe: Übersicht und experimentelle Erweiterung der Erfahrungen über die Rolle leicht flüchtiger Bestandteile von Schmelzflüssen. Preis 1500 Mark. Einlieferung bis zum 31. Oktober 1918 an den Sekretär der Gesellschaft, Universität Leipzig. Die Arbeit muß mit einem Kennwort versehen und von einem versiegelten Um- schlag begleitet sein, der auf der Außenseite das Kennwort trägt und inwendig den Namen und den Wohnort des Verfassers angibt. Auf dem Titelblatt ist eine Adresse zu verzeichnen, an welche die Arbeit zurückzusenden ist, im Falle sie nicht preiswürdig befunden wird. Die gekrönte Bewerbungsschrift wird Eigentum der Ge- sellschaft. GL Kalb, Zwei Fälle gesetzmäßiger Verwachsung etc. 201 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zwei Fälle gesetzmäßiger Verwachsung verschiedenartiger Minerale. Von Georg Kalb, Greifswald. 1. Gesetzmäßige Verwachsung von Quarz mit Flußspat. Über die Verwachsung von Quarz mit Flußspat hat sich nach 0. Mügge1 nur A. Breithaupt2 eingehender in folgender Weise geäußert: „Auf Flußspat sitzen Quarze zwar häufig un- regelmäßig auf, aber auch regelmäßig so, daß ihre rhomboedrischen Flächen vollkommen parallel mit den hexaedrischen jener Sub- stanz sind.“ An einem großen, violetten Flußspatwürfel von Northumber- land fiel es mir auf, daß die kleinen, bis 2 mm großen, auf- sitzenden3 Bergkristalle von der Kombination {1011} {01 11} {1010} nicht nur mit Rhomboederflächen, sondern auch oft mit gestreiften rechteckigen Flächen , also Prismenflächen , gleichzeitig mit der Flußspatwürfelfläche, auf der sie auf ge wachsen sind, auf leuchten. Da zudem ein Bergkristall scheinbar mit einer Basisfläche aufsaß, glaubte ich der Frage, ob hier Zufall oder Gesetz vorliegt, durch genauere Methode und Vermehrung der Erfahrungstatsachen nach- gehen zu müssen. Herrn Prof. Milch bin ich für die liebenswürdige Überlassung von gutem Material von Devonshire zu großem Danke verpflichtet. Zur Bestimmung der Lage der Quarzkristalle auf der Flußspat- würfelfläche wurden, nachdem eine Würfelfläche am Goldschmidt- 1 0. Mügge, Die regelmäßigen Verwachsungen von Mineralen ver- schiedener Art. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XVI. 1903. p. 351. 2 A. Breithaupt, Handbuch. III. p. 673. 1847. 3 Über die Art der Verbindung der Quarzkristalle mit Flußspat habe ich folgendes beobachtet : Bricht man einige Bergkristalle, die gewöhnlich in die Würfelfläche des Flußspates etwas eingesenkt sind, heraus, so sieht man am Flußspat ebene, glänzende Abbruchfiächen, die sämtlich Teile einer Würfelfläche bilden, über die hinaus der Flußspat an den von Quarz freien Stellen noch wenig weitergewachsen ist. Einige Flächen des Fluß- spates sind so weit gewachsen, daß die Bergkristalle vollständig von Fluß- spat umschlossen sind. Daß diese eingewachsenen Quarze gleichzeitig mit den auf anderen Würfelflächen aufsitzenden Kristallen auf derselben Würfeloberfläche entstanden sind, erkennt man an dem Zusammenfallen ihrer Ansatzflächen mit einer bestimmten, durch zonare Färbung zum Aus- druck kommenden Wachstumszone des Flußspates. 13* 202 Gr. Kalb, Zwei Fälle gesetzmäßiger Verwachsung sehen zweikreisigen Goniometer in Polstellung gebracht war, die Winkel der einzelnen Quarzflächen mit der Würfelfläche gemessen. Für jeden besonderen Fall gebe ich ein gutes Beispiel der Mes- sungen. 1. Quarz mit r(lOIl)1 aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1011) : (001) • • . 0°35' (1011) : (1011) . . . 0° (1101) : (001) • • . 46 50 (1101) : (1011) . . . 46 16' (0111) : (001) . . . 46 10 (0111) : (1011) . . . 46 16 (1010) :(001). . . 36 20 2 (1010) : (1011) . . . 38 13 (1100) : (001) • • • 67 50 (1100) : (1011) . . 66 52 (0110) : (001) . . . 66 50 (0110) : (1011) . . . 66 52 2. Quarz mit m (1010) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1010) : (001) . . . 0° (1010) : (1010) . . . 0° (1100) : (001) . . . 61 (1100) : (1010) . . . 60 (0110) : (001) . . . 59 15' (0110) : (1010) . . . 60 (1011) : (001) • . . 38 25 (1011) : (1010) . 38 13' ( 10TT) : (001) • - . 38 30 (10TT) : (1010) . . . 38 13 3. Quarz mit a (1120) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1011) (001) . . . 45° 5' (1011): (1120) . . . 47° 6' (0111) (001). . . 46 30 (0111): (1120 ) „ . . 47 6 (1011) (001). . . 47 44 (1011) : \1120) . . . 47 6 (0111) (001) . . . 48 45 (OlTT) : (1120) . . . 47 6 (1010) (001) . . 29 3 (1010) : (1120) . . . 30 (01 TO) (001). . . 31 9 (01 TO) : (1120) . . . 30 4. Quarz mit c (0031) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1011) : (001) . . . 51° 10' (1011) : (0001) . . . 51ü47' (01T1) : (001) , ’ . 51 50 (0111) : (0001) . . . 51 47 (1101): (001)-, . . 52 10 pjjflOl) : (0001) . . . 51 47 (T011) : (001) . . . 52 15 (1011) : (0001) . . . 51 47 (0111): (001) . . . 52 15 (0111) : (0001) . . . 51 47 (1101) : (001) . . . 51 10 (1101) : (0001) . . . 51 47 1 Ob der Quarzkristall mit r oder z aufgewachsen ist, habe ich nicht festgestellt. Ich nehme nur r an , um den übrigen Kristallflächen eine kurze Bezeichnung geben zu können. 2 Wie sich aus der gnomonischen Projektion ergibt, ist hier wahr- scheinlich nicht das Prisma, sondern ein sehr steiles Rhomboeder wie in vielen anderen Fällen gemessen worden. verschiedenartiger Minerale. 208 5. Quarz mit d (1012) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1011) : (001) . • • 19° 55' (1101) : (001) ... 42 45 (0111): (001) . . . 42 50 (1010) : (001) ... 58 (1011) : (1012) . . . 19°22' (1101) : (1012) ... 42 53 (0111) : (1012) ... 42 53 (1010) : (1012) ... 57 35 6. Quarz mit s (1121) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (1011) : (001) . . . 28° 3' (0111) : (001) ... 29 30 (1010) : (001) ... 37 5 (01T0) : (001) ... 37 48 (1011) : (1121) . . . 28° 54' (0111) : (1121) ... 28 54 (10T0) : (1121) ... 37 58 (0110) : (1121) ... 37 58 Diese Fälle, für die je ein Beispiel gegeben ist, wiederholten sich unter annähernd 200 gemessenen Kristallen so häufig, daß ich hierin eine Gesetzmäßigkeit sehen möchte. Die angegebenen Fälle scheinen in verschiedener Häufigkeit vorzukommen. (Da ich zu Beginn der Messungen Fälle, in denen die Kristalle mit Rhombo- eder- oder Prismafläche aufzuliegen schienen, nicht gemessen habe, ist es noch nicht möglich, eine Erfahrungsreihe aufzustellen.) Bei den angeführten Fällen hat es sich manchmal gezeigt, daß eine wichtige Zone des Quarzes mit einer Würfel- oder Okta- ederzone des Flußspates zusammenfällt; ob hier Gesetzmäßigkeit vorliegt, kann erst durch weitere Erfahrung entschieden werden. Außer den Fällen, in denen die Quarzkristalle mit einer der angegebenen Flächen aufgewachsen sind, gibt es eine größere Zahl von scheinbar gesetzlosen Fällen, bei denen aber doch zweierlei auffällig ist : Stets liegt die Auflagefläche nahe einer bei den oben erwähnten gesetzmäßigen Fällen vorkommenden Flächen, und vor allem gehört sie meist genau einer wichtigen Zone des Quarzes an. Beispiele werden diese Erscheinung am besten veranschaulichen. 1. Quarz mit s (1121) aufgewachsen. Gemessen Berechnet (10T1) : (C01) '. . . 28° 35' (0111): (001) ... 29 11 (1010) : (001) . . . 36 25 1 (0110) : (001) ... 39 13 (1011) : (1121) . . . 28° 54' (0111) : (1121) . . . 28 54 (1010) : (1121) ... 37 58 (0110): (1121) ... 37 58 2. Quarz mit einer Fläche nahe s (1121) aufgewachsen. a) b) (1011) : (001) . . . 28° 29' (0111) : (001) . . . 30 39 (10T0) : (001) ... 32 3 ] (01 TO) : (001) . . . 35 58 (1011) : (001) . . . 27° 15' (0111) : (001) ... 27 0 (1010) : (001) ... 42 15 (0110): (001) . . . 41 55 1 Vergl. Anm. 2 auf p. 202. 204 G. Kalb, Zwei Fälle gesetzmäßiger Verwachsung Im ersten Beispiel liegt der Quarz ziemlich genau mit einer s-Fläche auf; im zweiten Beispiel gehört die Auflagefläche der Zone (1121) : (1120) des Quarzes an; das dritte Beispiel zeigt einen Fall, in dem die Auflagefläche in die Zone (Olli) : (1010) fällt. Ich möchte die gesetzmäßige Aufwachsung von Quarz auf Flußspatwürfelflächen kurz in folgender Weise ausdrücken : 1 . Quarz wächst häufig mit einer vorhandenen oder möglichen wichtigen Kristallfläche auf Flußspatwürfelflächen auf (r, m, a, c, d, s). 2. In den meisten anderen Fällen liegt die Auf wachsfläche des Quarzes den [erwähnten Kristallflächen stets nahe und zwar gewöhnlich so, daß die Auflagefläche in eine wichtige Zone des Quarzes fällt. 2. Gesetzmäßige Verwachsung von Quarz mit Museo vit. Über in Glimmer eingeschlossene Kristallplatten von Quarz schreibt K. Hintze 1 in seinem Handbuch der Mineralogie: „Bei einzelnen in Glimmertafeln, Muscoviten und Biotiten eingeschlossenen platten Kristallen von Quarz (Granat, Turmalin u. a.) ist meist schwer zu entscheiden, ob eine regelmäßige Verwachsung oder nur Einschluß in zufälliger Lage vorliegt.“ Folgende Beobachtungen scheinen mir für eine gesetzmäßige Verwachsung von Quarz mit Glimmer zu sprechen. Vor längerer Zeit beobachtete ich in einem Muscovitspaltstück von Bockport in Massachusetts, in dem Turmalin und Granat ein- gewachsen waren, noch ein ungefähr % mm dickes Quarzplättchen von mehreren Zentimetern im Durchmesser, das parallel der Glim- merbasis eingelagert war. Ein losgesprengtes Stückchen der Quarz- platte zeigte im konvergenten Licht den fast senkrechten Austritt der optischen Achse; eine Messung am Achsenwinkelapparat, bei der das Plättchen in eine Mischung von Nelkenöl und Zimtöl mit dem Lichtbrechungsquotienten gleich dem des ordentlichen Strahles des Quarzes eingetaucht war, ergab eine Abweichung der optischen Achse um 4° 30' von der Plättchennormalen. An dem Plättchen konnte man weiter Spaltrisse nach drei Bichtungen sehen, die an- nähernd gleiche Winkel von 60° miteinander bildeten ; sie ent- sprechen daher wohl der Spaltbarkeit nach einem Bhomboeder. Da die optische Ebene des Glimmers genau senkrecht zu einem dieser Spaltungsrisse des Quarzes liegt, so kann man schließen, daß eine zweizählige Symmetrieachse des Quarzes parallel der Kante (001) : (010) des Glimmers läuft. Im Umriß gleicht die Quarztafel einem annähernd gleichwinkligen Dreieck mit einer 1 K. Hintze, Handbuch der Mineralogie. II. Bd. 1. Teil. p. 535. Leipzig 1897. verschiedenartiger Minerale. 205 gerade abgestumpften Ecke; man sieht, daß die geradlinige Be- grenzung stets Spaltlinien des Glimmers nach (110) und (010) parallel verläuft. Die Unter- und Oberseite des Quarzplättchens sind vollständig eben und gut spiegelnd. Kürzlich fand ich außerdem mehrere 0,1 bis über 1 mm dicke Quarztafeln in einer großen Muscovitplatte der alten Greifswalder mineralogischen Sammlung, leider ohne Fundpunktsangabe. Fünf dieser Quarzplättchen zeigten im konvergenten Lichte ein nach zwei aufeinander senkrechten Ebenen symmetrisches Inter- ferenzbild, wie es für parallel der Hauptachse geschnittene Kristall- platten einachsiger Kristalle charakteristisch ist ; es liegt also eine Fläche aus der Prismenzone des Quarzes der Glimmerbasis parallel. In anderen Plättchen konnte man im konvergenten Licht den schiefen Austritt der optischen Achse beobachten , und zwar mit scheinbar gleicher Schiefe wie an einer nach der Rhomboederfläche (1011) geschliffenen Quarzplatte. An zwei solcher Plättchen wurde deshalb am Achsenwinkelapparat der Winkel, den die optische Achse mit der Normalen der Plättchen bildet, gemessen ; da die Plättchen bei der Messung in eine Mischung von Nelkenöl und Zimtöl mit dem Lichtbrechungsquotienten 1,544- eingetaucht waren, so konnte man gleich den richtigen Wert am Apparat ablesen. Der Winkel zwischen der optischen Achse und der Plättchennormalen betrug 51°39' (am anderen Plättchen 52°45'). Da der Winkel zwischen der optischen Achse und der Normalen einer Rhomboederfläche (1011) gleich 51° 47' ist, so hat die Fläche, mit der die Quarz- plättchen der Glimmerspaltfläche parallel liegen, die Neigung einer Rhomboederfläche zur Hauptachse des Quarzes. Die beiden zuletzt genannten Arten von Quarzplättchen löschen meist gleichzeitig mit der Glimmerplatte aus , in die sie einge- wachsen sind. Aus der Lage der optischen Ebene des Glimmers zur Richtung der Hauptachse des Quarzes ergibt sich, daß die Hauptachse des Quarzes häufig der Symmetrieebene (010) oder dem Orthopinakoid (100) des Glimmers parallel liegt. Die Umrisse einiger Quarzplättchen, die mit einer Prismen- oder Rhomboederfläche der Glimmerspaltfläche parallel liegen, bilden gleichwinklige Dreiecke, oft mit einer oder mehreren gerade ab- gestumpften Ecken, zu deren Seiten man häufig natürliche Druck- linien des Glimmers senkrecht verlaufen sieht. Danach scheint es, daß die Quarzplättchen gewöhnlich durch den Glimmer in ihrer Umgrenzung bestimmt werden. Ich möchte die gesetzmäßige Verwachsung von Quarz mit Muscovit kurz in folgender Weise zusammenfassen : Quarz wächst häufig auf der Glimmerbasis mit einer Kristall- fläche auf; nach vorliegenden Beobachtungen kommen wohl Rhombo- eder- und Prismaflächen, vielleicht auch Basis des Quarzes als Anwachsflächen in Betracht. Die weitere Anordnung des Quarzes 206 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung in der Glimmerspaltfläche ist ebenfalls meist gesetzmäßig; unter der wahrscheinlichen Voraussetzung, daß die Quarze mit (1011) oder (1010) oder (0001) aufgewachsen sind, kann man die weitere Gesetzmäßigkeit so ausdrücken : Eine zweizählige Achse des Quarzes läuft der Kante (001): (010) oder der Symmetrieachse des Glim- mers1 parallel. Mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts und Chloanthits. Von A. Beutell in Breslau. Mit 20 Textfiguren. (Schluß.) Für das Studium des mikroskopischen Aufbaues im allgemeinen habe ich teils angeschliffene Kristalle, teils derbe Speiskobalte be- nutzt, wenn dieselben sich als rein genug erwiesen. Am häufigsten tritt feinschichtiger Aufbau auf, und zwar entspricht die Schichtung genau der kristallographischen Begrenzung2. Bei aufmerksamer Betrachtung mit der Lupe wird dieser zierliche Aufbau meist schon vor dem Ätzen an den polierten Schliffen sichtbar, doch wird er beim Behandeln mit verdünnter Salpetersäure außerordent- lich verstärkt. Diese Verstärkung beruht nur zum Teil auf der Anfärbung gewisser Komponenten, denn sie zeigt sich auch in den homogenen, silberweißen Partien, die ihre ursprüngliche Färbung selbst im Ätzmittel völlig bewahren. Wahrscheinlich besitzen die aufeinanderfolgenden Schichten wechselnde Dichte, je nachdem sie sich durch schnellere oder langsamere Ablagerung gebildet haben, und nehmen deshalb einen verschiedenen Grad von Politur an. Fig. 6 zeigt einen Querschnitt durch eine Kristallkruste von Riechels- dorf in Hessen bei 4jfacher Vergrößerung. Es sind deutlich zwei verschiedene Substanzen zu unter- scheiden, von denen die bei weitem vorherrschende zinn weiße Farbe besitzt. Da sich die zweite ungleichmäßig, und zwar grau bis schwarz anfärbt, kann sie keine bestimmte Zusammensetzung besitzen. Diese Vermutung bestätigt sich, sobald man solche Schliffe bei stärkerer Vergrößerung (50fach) betrachtet. Es zeigt 1 Vielleicht allgemein : einem Schlag- oder Druckstrahl des Glimmers parallel; dafür spricht, daß ein Quarzplättchen 30° gegen Glimmer aus- löscht. Da in diesem Fall die optische Ebene des Glimmers mit der Rich- tung der Quarzhauptachse einen Winkel von 30° bildet, liegt eine zwei- zählige Symmetrieachse des Quarzes einem Nebendruckstrahl des Glimmers parallel. 2 Abweichungen zeigen nur die hocharsenierten Speiskobalte (Tesseral- kiese), welche zwei oder mehr Lamellensysteme erkennen lassen, die im allgemeinen schräg zur ursprünglichen Schichtung orientiert sind. des Speiskobalts und Chloanthits. 207 Fig. 6. Kristallisierter Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen ; mit Salpeter- säure geätzt. Yergr. 1 : 4§. Fig. 7. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Yergr. 1 : 50. 208 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung sich, daß die dunkle Farbe durch mehr oder weniger zahlreiche Einlagerungen eines schwarzen Arsenides in der zinnweißen Grundmasse hervorgerufen wird. Die Übergänge , welche bei schwachen Vergrößerungen vorhanden zu sein scheinen, erklären sich durch diese Einlagerungen ; sie sind im allgemeinen in dünnen Fasern angeordnet und verlaufen senkrecht zur Schichtung. Fig. 7, welche von einer derben Varietät von Eiechelsdorf herrührt, gibt ein anschauliches Bild derselben und führt uns denselben zierlich schichtigen Aufbau auch in einer derben Varietät vor Augen. Fig. 8. Derber Speiskobalt von Eiechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 5. Die Figur 8 stellt ein Übersichtsbild desselben Schliffes bei schwacher Vergrößerung (öfach) dar. An der Hand der Photo- graphie allein würde das recht komplizierte Bild kaum zu ent- wirren sein , doch erleichtert der Verlauf des Anätzens sowie die feinen Farbenunterschiede des mikroskopischen Bildes die Lösung der Aufgabe. Die schwarz gefärbten Partien sind, wie die Ab- bildung deutlich erkennen läßt, dreierlei Art. Die geradlinig be- grenzten, sich häufig rechtwinklig schneidenden schwarzen Leisten sind identisch mit den dunklen Schichten der vorigen Schliffe, während die unregelmäßig, bisweilen fischartig geformten Stellen, welche von einer weißen, dünnen Einde eingehüllt sind, von Eot- nickelkies herrühren; sie sind durch ihre rötliche Farbe im un- geätzten Schliff nicht zu übersehen und nehmen in Salpetersäure des Speiskobalts und Chloanthits. 209 zuerst eine bräunliche bis kupferrote Farbe an, die schließlich in Schwarz übergeht. Von diesen beiden Arseniden unterscheiden sich die am unteren Teile des Schliffes sichtbaren schwarzen Hecke, welche sich durch ihre verwaschene, ausgezackte Begren- zung als Vertiefungen verraten, die durch Abbröckeln beim Schleifen entstanden sind. Die geraden und zum Teil sehr schmalen weißen Leisten, welche reliefartig aus dem schwarz angeätzten Untergründe hervortreten, bleiben während des Ätzens ganz unverändert; sie bestehen aus demselben Arsenid wie die hellen Schichten in Fig. 7. Fig. 9. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 50. Zu diesen drei Komponenten tritt noch eine vierte , gekröseartig aufgebaute hinzu, welche die Hohlräume zwischen den anderen ausfüllt. Sie zeigt im Schliff eine schwach bräunliche Farbe mit einem Stich ins Kote; im photographischen Bilde hebt sie sich durch einen etwas dunkleren Ton von den rein weißen Partien ab. Dieser Speiskobalt enthält mithin neben drei verschiedenen Kobalt- arseniden noch reichliche Einschlüsse von Rotnickelkies. Noch deutlicher tritt die gekröseartige Struktur an einer anderen Stelle desselben Schliffs hervor, welche Fig. 9 wiedergibt. Das Übersichtsbild in Fig. 10 stammt von einem derben Stück Speiskobalt aus den Erzgängen Andreasbergs. Nach dem Polieren war der ganze Schliff zinnweiß , und erst durch das Behandeln mit verdünnter Salpetersäure trat der kristalline Aufbau zutage. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916- 14 210 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung Es sind deutlich drei verschiedene Komponenten zu erkennen: Eine zinnweiße, die zum Teil in dünnen , geraden Leisten , teils aber auch in dickeren Schichten auftritt, und welche faserige, senkrecht zur Schichtung verlaufende dunkle Einlagerungen ent- halten. Reichlicher als diese Fasern nehmen dunkle, fast schwarz gefärbte Partien an dem Aufbau teil. Hierzu tritt noch, wenn auch untergeordnet, das gekröseartig aufgebaute Arsenid, welches in dem unteren Knie deutlich zu beobachten ist. Bemerkenswert sind hier die zahlreichen Sprünge , die in der Abbildung als schwarze, meist quer zur Schichtung verlaufende Adern erscheinen. Fig. 10. Derber Speiskobalt von Andreasberg, Harz. Vergr. 1 : 4i. Die folgende Fig. 1 1 stellt einen Schnitt durch einen etwa 2 cm großen Kristall der Kombination (100) (111) dar, welcher ungefähr parallel zu einer Würfelfläche geführt ist. Dieser Schliff ist deshalb interessant, weil er ein typisches Bild von der räum- lichen Verteilung der beiden Hauptarsenide gibt. Die natürliche, zinnweiße Farbe der Speiskobaltkristalle wird bedingt durch das einzige Arsenid, welches auch in verdünnter Salpetersäure seine Farbe unverändert bewahrt. Es bildet stets die äußere Rinde der Kristalle und ist als der Träger der Kristallform anzusehen. Der innere Kern hingegen besteht ausnahmslos aus dem schwarz an- laufenden Arsenid; dasselbe zeigt keine definierte Kristallform. Von diesem Kern gehen die radial verlaufenden Sprünge aus, welche den Speiskobaltkristallen eigentümlich sind. Einen angeätzten Schliff von Chloanthit aus Freiberg in Sachsen führt Fig. 12 vor Augen. Der weißen Komponente fehlt hier die scharfe kristallographische Ausbildung, wie sie in den des Speiskobalts und Chloanthits. 211 Fig. 11. Schnitt durch einen Speiskobaltkristall von Riechelsdorf, Hessen // (001). Yergr. 1 : 3f. Fig. 12. Chloanthit von Freiberg, Sachsen. Yergr. 1 : 50. 212 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung übrigen Schliffen zutage trat. Ich glaubte zunächst, daß dies eine Eigentümlichkeit des Chloanthits darstelle, doch fand ich unter meinem reichen Beobachtungsmaterial auch verschiedene Schliffe von Speiskobalt, welche genau denselben Aufbau besaßen. Wahr- scheinlich handelt es sich hierbei um Varietäten , bei denen die Umkristallisation noch nicht genügend fortgeschritten ist. Einen merklichen Unterschied zwischen Speiskobalt und Chloanthit hat die mikroskopische Untersuchung nicht geliefert. Daß am oberen Rande des Schliffes die äußere Begrenzung durch das geschwärzte Fig. 13. Derber Speiskobalt von Cobalt-Ontario. Vergr. 1 : 50. Arsenid gebildet wird , ist zufällig , weil die weiße Schicht beim Schleifen abgebrochen ist. Fig. 13 stammt von einem derben Speiskobalt von Cobalt- Ontario. Der untere schwarze Teil ist ein Hohlraum, dessen Wände mit z. T. würfelförmigen Kriställchen von Speiskobalt aus- gekleidet sind. Das obere, strahlige Arsenid färbt sich genau so an (blaßbräunlich mit einem Stich ins Rote) wie das in anderen Schliffen auftretende gekröseartige und ist mit diesem identisch. Diejenigen Schliffe, welche von dem Riechelsdorfer Speiskobalt herrühren , das durch Luftoxydation quantitativ in seine Kom- ponenten zerlegt wurde (A. Beutell und Fr. Lorenz, Zerlegung des Speiskobalts und Löllingits durch Luftoxydation. Dies. Central- blatt 1915. p. 359 — 373), habe ich bis zuletzt aufgespart, weil des Speiskobalts und Chloanthits. 213 sie einer außergewöhnlich arsenreichen Varietät angehören und daher in ihrem mikroskopischen Aufbau Eigentümlichkeiten zeigen, welche den meisten Speiskobalten fehlen. Dieser Speiskobalt besaß nach der ausgeführten Analyse die empirische Formel As285Co und gehörte somit zu den hocharsenierten Speiskobalten (Tesseralkiesen). Es könnte daher auf den ersten Blick ungeeignet erscheinen, all- gemeine Schlüsse zu ziehen, doch haben Parallelversuche mit arsenärmeren Speiskobalten, bei genau gleicher Ätzdauer und der- selben Konzentration der Salpetersäure, diesen Zweifel völlig be- Fig. 14. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 50. seitigt. Aus der Tabelle 4 (a. a. 0. p. 368) geht hervor, daß diesem Speiskobalt von Riechelsdorf die folgende Zusammensetzung zukommt : Der Umstand, daß sich die drei Arsenide in sehr verschiedenen Mengen vermischt finden, ist für ihre mikroskopische Identifizierung außerordentlich günstig. Denn wenn sich auch die Mengenverhält- nisse nicht in jedem einzelnen Schliff richtig widerspiegeln, so wird doch bei der Durchsicht einer Reihe von Schliffen jeder Zweifel 7 Summe . . . 100 °/0. 214 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung darüber ausgeschlossen, welches der drei Arsenide das vorherrschende und welches das untergeordnetste ist. Fig. 14 zeigt eine Stelle eines geätzten Schliffs dieser Varietät , welche die beiden Hauptkom- ponenten ungefähr in dem durchschnittlichen Mengenverhältnis enthält. Der hell gefärbte Teil rührt von dem Triarsenid As3Co, der fast schwarze von dem Pentarsenid As5Co2 her. Das Biarsenid As2 Co tritt, was genetisch sehr interessant ist, nur als sekundäre Füllung feiner Sprünge auf und fehlt an dieser Stelle ganz. Das dunkel gefärbte Pentarsenid läßt noch die ursprüngliche Schichtung hervortreten, welche den arsenärmeren Speiskobalten eigen ist. Das Triarsenid erleidet in der Salpetersäure nur eine geringe Umfärbung von zinnweiß in hell bleigrau und unterscheidet sich hierdurch von allen übrigen Arseniden. Außerordentlich charakteristisch für dasselbe ist die lamellare Struktur, welche an die des Meteoreisens erinnert, doch treten nur zwei Lamellen- systeme auf. Die Abgrenzung der einzelnen Lamellen gegen- einander geschieht durch feine Teilchen des dunkel gefärbten Pentarsenids, welche im mikroskopischen Bilde als dunkle Linien erscheinen. Der Anblick des Schliffes zeigt, daß die ganze Masse des hellen Triarsenids gleichmäßig orientiert ist, denn die Lamellie- rung setzt sich über die ganze Fläche fort. Selbst durch die schwarzen Schichten hindurch läßt sich das eine der beiden Linien- systeme verfolgen. Der sichere Beweis dafür, daß die dunklen Linien nichts anderes sind als Anhäufungen von Pentarsenidteilchen,. wird dadurch erbracht, daß dort, wo größere Mengen des Pent- arsenids vorhanden sind (z. B. an den schwarzen Schichten), die Linien verbreitert sind. Daß sich die Lamellen des Triarsenid^ durch das Pentarsenid As5 Co2 hindurch fortsetzen , beweist , daß letzteres nicht rein ist, sondern daß auch die dunkelsten Stellen noch beträchtliche Mengen des gut kristallisierenden Triarsenids enthalten. Ein nach den bisherigen Beobachtungen überraschendes Bild bot ein angeschliffener Splitter eines kleinen , derben Stückchens der Breslauer Sammlung dar, das mit einer Originaletikette von Scheerer versehen und als Tesseralkies von Skutterud bei Modum bezeichnet war. Ein zweiter Splitter war von Fr. Lorenz analy- siert worden, um festzustellen, ob er der Formel As3 Co entspreche. Die Analyse ergab das folgende Resultat: Arsen 72,05 °/o Schwefel 2,30 „ Kobalt 18,90 „ Eisen 3,83 „ unlösl. Rückstand . . . 3,41 „ Summe . . . 100,49 °/o. des Speiskobalts und Chloanthits. 215 Nach der Umrechnung von Schwefel sowie Eisen in Arsen und Kobalt wurde das Atomverhältnis Co : As = 1 : 2,65 erhalten. Obwohl zugegeben werden muß, daß die Analyse wegen sehr geringer Substanzmenge keinen Anspruch auf allzu große Genauigkeit machen kann, so beweist sie doch zur Genüge, daß auch dieser „Tesseralkies“ weit von der Formel As3 Co ah weicht; er enthält mithin wie alle bisherigen Speiskobalte beträchtliche Fig. 15. Derber Tesseralkies von Skutterud b. Modum. Vergr. 1 : 50. Mengen von As5Co2. Das mikroskopische Bild ist in Fig. 15 dargestellt. Der ganze Schliff besteht aus einer hell bleigrauen Grundmasse, in die feine, scharfe Lamellen eingebettet sind, deren Durchschnitte als schwarze, gerade Linien erscheinen ; die schwarzen unregelmäßigen Flecke sind Vertiefungen. Das Bild erinnert leb- haft an die NEUMANN’schen Linien des Meteoreisens, doch sind mehr als 6 Lamellensysteme vorhanden. Abweichend von allen bisher beobachteten Schliffen ist außer der Feinheit die große Anzahl verschiedener Lamellensysteme. Es ist schwer, in dem Gewirr von Linien die Anzahl und gegenseitige Lage der Systeme zu erkennen ; ich habe daher ihre Lage in der beistehenden Fig. 16 getrennt dargestellt. Es sind im ganzen 8 Lamellen Systeme zu unter- 216 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung scheiden, doch ist es nicht ausgeschlossen , daß noch mehr auf- treten können. Die aus der oberen linken Ecke (Fig. 15) nach rechts unten verlaufenden Linien habe ich nicht eingezeichnet, da sie mit den übrigen nicht gleichwertig zu sein scheinen. Vielleicht liegen hier Überreste der ursprünglichen Schichtung vor; vielleicht ist die Umordnung der As5 Co2-Teilchen noch nicht beendet, denn nach den bisherigen Beobachtungen muß angenommen werden, daß auch dieser „Tesseralkies“ früher denselben mikroskopischen Bau wie die übrigen Speiskobalte gehabt hat. Die Photographie in Fig. 17, die von derselben Varietät wie Fig. 14 stammt, läßt die Brecciennatur des vorliegenden Speis- kobalts hervortreten. Außer der zierlichen Lamellarstruktur sind hier auch die feinen weißen Adern des Biarsenids zu erkennen, welche als sekundäre Spaltenausfüllung auftreten. Fig. 18, die ebenfalls von derselben Varietät herrührt, ist ein neuer Beweis dafür, daß der vorliegende Speiskobalt aus verkitteten Bruchstücken aufgebaut ist. Daß die Lamellarstruktur nicht auf das untersuchte Riechels- dorfer Vorkommen beschränkt ist, führt Fig. 19 vor Augen, welche an einem Speiskobalt von Mansfeld erhalten wurde. Derselbe zeigt die prächtige Gitterstruktur des Triarsenids und läßt wiederum erkennen, daß in den hocharsenierten Varietäten — denn als solche muß er wegen des Vorherrschens des Triarsenids gedeutet werden — das Biarsenid nur als sekundäre Spaltenausfüllung auftritt; es ver- läuft als weißes Band rechts von oben nach unten. des Speiskobalts und Chloanthits. 217 Fig. 17. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 16. Fig. 18. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 50. 14* 218 A. Beutel], Mikroskopische Untersuchung Vergleicht man das mikroskopische Bild arsen ärmerer und arsenreicherer Speiskobalte, so ergeben sich durchgreifende Unter- schiede. Eine oberflächliche Betrachtung der Fig. 7, 8 und 9, welche von einem Speiskobalt herrühren, dem die empirische Formel As253Co zukommt (a. a. 0. p. 364, Varietät 3), und das noch zu den arsenärmeren zu zählen ist, genügt, um als Hauptkomponente das durch seine zinnweiße Farbe auffallende Biarsenid As2 Co zu erkennen. Ich stehe nicht an, in dieselbe Gruppe der arsenärmeren Speiskobalte die in den Fig. 6, 10, 11, 12 und 13 abgebildeten Fig. 19. Derber Speiskobalt von Mansfeld. Vergr. 1 : 50. einzuordnen, obwohl von diesen keine Analysen vorliegen. Auch das gekröseartig aufgebaute Arsenid, welches beim Ätzen mit Sal- petersäure eine bräunliche Färbung mit einem Stich ins Bote an- nimmt, tritt nur in arsenärmeren Varietäten auf, kann jedoch, wie Fig. 1 1 beweist, fehlen. Die arsenreicheren Speiskobalte sind kenntlich durch das Vor- herrschen des Triarsenids As3Co. Seine lamellare, gitterartige Struktur und die hell bleigraue Farbe schließen die Verwechslung mit anderen Arseniden aus. Das Pentarsenid As5 Co2 ist beiden Arten gemeinsam. Ob die mikroskopische Untersuchung in allen Fällen genügt, um festzustellen, in welche der beiden Gruppen ein Speiskobalt gehört, wage ich noch nicht zu entscheiden. Ich halte es aus genetischen Gesichtspunkten für wahrscheinlich, doch müßten des Speiskobalts und Chloanthits. 219 zur Sicherstellung dieses Resultates noch umfangreichere Versuche angestellt werden. Welche chemische Zusammensetzung das gekröseartige Arsenid besitzt , ist noch zweifelhaft , weil dasselbe in dem durch Luft- oxydation aufgespaltenen Speiskobalt nicht auftritt. Aus den syn- thetischen Versuchen (dies. Centralbl. 1916. p. 10 — 22) jedoch geht hervor, daß nur das Monarsenid As Co und das Sesquiarsenid As3 Co2 in Frage kommen. Aus Gründen die erst bei der Genese be- handelt werden können, halte ich das Monarsenid für ausgeschlossen. Fig. 20. Derber Speiskobalt von Riechelsdorf, Hessen. Vergr. 1 : 50. Es würde für das gekröseartig aufgebaute Arsenid nur die Formel As3Co2 übrigbleiben; immerhin wäre ein direkter analytischer Be- weis auch hier wünschenswert. In betreff der Kristallform der verschiedenen Arsenide steht fest, daß die äußere Begrenzung des Speiskobalts von dem Bi- arsenid As2 Co herrührt. An manchen Stellen, wie in der in Fig. 20 abgebildeten, könnte der Anschein erweckt werden, daß das dunkel angefärbte Pentarsenid As5 Co2, ebenso wie das Biarsenid, regulär kristallisiere. Beachtet man jedoch, daß die dunklen Teile nicht überall gleich stark angefärbt sind, so kommt man zu dem Schlüsse, daß in den geschwärzten Partien noch allenthalben Biarsenid vor- handen ist; dem ausgezeichneten Kristallisationsvermögen des letzteren muß daher die symmetrische Anordnung des Pentarsenids 220 A. Beutell, Mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts etc. As-Co2 zugeschrieben werden. Auch für die Kristallform des Sesquiarsenids As3 Co2 fehlen Anhaltspunkte. Der lamellare Aufbau des Triarsenids weist zwar darauf hin , daß es gut kristallisiert, jedoch gestatten die vorhandenen Beobachtungen keine sicheren Schlüsse auf das Kristallsystem. Die seltenen Kristalle von Tesseralkies dürften Pseudomorphosen des Triarsenids As3 Co nach dem Biarsenid As2 Co darstellen , aus dem sie durch Arsenzufuhr entstanden sind. Auf diese Umbildung komme ich nächstens bei der Behandlung der Genese eingehender zurück. Die aus der chemisch-mikroskopischen Untersuchung erhaltenen Aufschlüsse befinden sich in voller Übereinstimmung mit den bei der Luftoxydation gemachten Erfahrungen (a. a. 0.). Es konnte von vornherein erwartet werden, daß sich das Pentarsenid, welches bei der Luftoxydation bereits in einem Monat völlig in Lösung gegangen war,5 beim Ätzen mit einem oxydierenden Reagens am stärksten verändern würde ; es war daher nicht überraschend, daß gerade dieses in verdünnter Salpetersäure eine dunkle bis schwarze Farbe annalim, wodurch es sich mikroskopisch von allen übrigen Komponenten abliebt. Das Biarsenid hingegen , welches nach 210 Tagen noch unzersetzt zurückblieb, hat sich auch bei den Ätzversuchen als so beständig erwiesen , daß es seine ursprüng- liche, zinnweiße Farbe bewahrte. Das Triarsenid endlich hatte sich schon bei der Luftoxydation als recht widerstandsfähig er- wiesen, und dementsprechend erlitt es in der verdünnten Salpeter- säure nur eine 'leichte Umfärbung von zinnweiß in hell bleigrau. Ergebnisse. 1. Die Verwendung des metallographischen Mikroskops bei der Untersuchung angeätzter Speiskobaltschliffe hat sich als sehr nützlich erwiesen. 2. Die bei der Zerlegung des Speiskobalts durch Luftoxydation aufgefundenen Arsenide As3 Co, As5 Co2 und As2 Co lassen sich mit Sicherheit auch mikroskopisch feststellen : As3Co zeigt lamellaren Aufbau und färbt sich in ver- dünnter Salpetersäure hell bleigrau; As5 Co2 schwärzt sich; As2 Co bleibt zinnweiß. 3. Die arsenärmeren Speiskobalte bis etwa zur Formel As25Co enthalten außer As5 Co2 reichlich das zinnweiße As2 Co ; in vielen tritt noch ein gekröseartig aufgebautes Arsenid von hellbräunlicher Farbe (angeätzt) mit einem Stich ins Rote hinzu, dem wahrscheinlich die Formel As3Co2 zukommt. ' 4. Die arsenreichen Speiskobalte (sogenannte Tesseralkiese) ent- halten außer As5 Co2 reichlich das Triarsenid As3Co; As2Co tritt hingegen nur untergeordnet als sekundäre Spalten- füllung auf. P. Oppenheim, Zur Geologie (1er Strophaden. 221 5. Die äußere Schale der Speiskobaltkristalle bestellt aus As2Co; die reguläre Kristallgestalt stammt von dem Biarsenid. 6. Die regulären Kristalle des Tesseralkieses dürften Pseudo- morphosen des Triarsenids As3 Co nach dem Biarsenid As2 Co darstellen. Breslau, Mineral. Institut der Universität, September 1915. Zur Geologie der Strophaden. Von Paul Oppenheim. Vor einigen Jahren hat der Schriftsteller Herr Josef Ponten die Strophaden besucht. Das , was er auf diesen beiden kleinen, weltentlegenen , den Alten als Heimat der Harpyien bekannten Inseln sah und beobachtete , auch - — und zwar nicht in letzter Linie — das Geologische, hat Ponten bereits in seinem für einen weiteren Leserkreis bestimmten , durch Frau Julia Ponten von Broich reich illustrierten Werke „Griechische Landschaften, ein Versuch künstlerischen Erdbeschreibens“ 1 niedergelegt. Er hat aber noch mehr getan. Er hat Gesteine und Fossilien gesammelt, und diese sind mir zur Bearbeitung vorgelegt worden. Nachdem mich eine oberflächliche Untersuchung gelehrt hatte, daß es sich um ganz jugendliche Sedimente handele, und ich in diesem Sinne Herrn Ponten berichtet hatte, glaubte ich, eine nähere Untersuchung des gesammelten Materiales für gelegenere Zeiten aufschieben zu können. Nun steht Herr Ponten aber seit Beginn des Krieges im Felde und legt großen Wert darauf, meine Arbeit vollendet und dadurch allen Wechselfällen seines eigenen Geschickes entzogen zu sehen. Ich habe es daher unter Berück- sichtigung dieser Verhältnisse für die Pflicht des Daheimgebliebenen gehalten, den WTiinschen des im Felde Dienenden mit tunlicher Beschleunigung nachzukommen. Die Strophaden, auch Strophadia, Strivali oder Stampham genannt2, liegen im Süden von Zante und im Westen der messc- nischen Küste, von der aus sie nicht sichtbar sind. Sie bestehen aus zwei Teilen, einer kleinen nördlichen und einer größeren süd- lichen Insel, sind ganz platt und niedrig und von sehr einfachem geo- logischem Bau ; allerdings war dieser bisher nicht bekannt, was schon Philippson im Interesse tektonischer Forschung lebhaft bedauert3. 1 Stuttgart/Berlin 1914. 2 Vergl. Ponten, a. a. 0. p. 227. 3 Vergl. A. Philippson, Der Peloponnes, Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage. Berlin 1891. p. 430. „Es wäre sehr inter- essant, die Zusammensetzung der kleinen Strophaden-Inseln zu erfahren, von denen wir noch nichts wissen ; denn diese Inseln scheinen sich außer- halb des Absturzes aus der Tiefsee zu erheben.“ 222 P. Oppenheim, Dieser sehr einfache geologische Bau der Inseln, auch auf der Internationalen geologischen Karte, auf welcher die Inseln als Kreide angegeben werden, noch nicht richtig wiedergegeben ist nunmehr nach Ponten der folgende: Die Basis bilden weiche Tone und Mergel von gelber, grüner und blauer Farbe. Sie sind z. B. auf der Südseite der großen Insel, wie ein mir vorgelegtes Handstückchen lehrt, recht dünn geschichtet und sollen im allgemeinen mit einer Neigung von ungefähr 30° nach Osten einfallen; jedoch gäbe es auch steilstehende und west- lich einfallende Schichten. Man wird trotz des Fehlens charakte- ristischer Versteinerungen nicht fehlgreifen, wenn man in diesen Gips einschließenden Mergeln das Äquivalent des im Peloponnes und auf den Ionischen Inseln reich entwickelten unteren Pliocän erblickt. Der Wechsel in der Farbe dürfte auf Verwitterungs- erscheinungen zurückzuführen sein. Interessant ist — weil ganz abweichend von dem Auftreten im Peloponnes1 2 — , daß diese blauen Mergel des unteren Pliocäns auf den Strophaden aufgerichtet und anscheinend auch gefaltet sind. Auf ihnen liegt diskordant die Kalkdecke, welche die Hauptmasse der Inseln ausmacht. Sie soll „fast wagerecht“ liegen3. Sie würde aber nach münd- lichen Angaben des Herrn Verf.’s in einer Neigung von 1:100 derartig nach Osten abfallen, daß sie im Westen in einer Höhen- lage von über 20 m einsetzte, während sie im Osten fast den Meeresspiegel erreichte. Es ist dies eine Neigung, welche man selbst bei einem Strandgebilde kaum als eine ganz ursprüngliche ansehen kann. Diese Kalkplatte ist 1 — 4 m mächtig. Ihre Ober- fläche ist „tief, oft metertief zerrissen und zerschrattet“. Man muß daraus schließen, daß die Verwitterung hier schon lange Ge- legenheit hatte zu wirken. Man erkennt dies sehr schön auf der Fig. 107 bei Ponten wie aus seiner Bemerkung a. a. 0., daß „die Spitzen und Zacken der Kalkdecke wie Dornen drohten“. Die Basis des Kalkes enthält Rollsteine von 15 mm Durchmesser. Diese sind von grünlicher Farbe, teilweise sehr weich, immer ziemlich kalkreich und scheinen, wenigstens teilweise, dem pliocänen Mergel der Unterlage zu entstammen; andere dürften vielleicht auf jetzt aus der Umgegend gänzlich verschwundene Macigno- Gesteine zurückzuführen sein. Ponten gibt a. a. 0. 4 auch ein 1 Vergl. Ponten, p. 230. — Auf Blatt 39 (D VI) der Intern, geolog. Karte von Europa sollen nach einer brieflichen Mitteilung Ponten’s die Strophaden mit derselben grünen Farbe getuscht sein, welche Kephallonia und Teile des Peloponnes bedeckt und das Zeichen c2 = ob. Kreide trägt. 2 Vergl. Philippson, a. a. 0. p. 407. „Das letztere“ (d. h. das Neogen) „nimmt daher nicht mehr an dem Aufbau der Faltengebirge teil, sondern lagert sich um dieselben herum in horizontaler oder mäßig geneigter Lagerung.“ 3 Ponten, a. a. 0. p. 228. 4 p. 228/229. Zur Geologie der Strophaden. 223 Gipsstückchen als Rollstein aus der Decke an. Der sehr harte Kalk scheint im wesentlichen zoogener Entstehung zu sein; doch ist das Haufwerk von organischem Grus von stark zerriebenen Bryozoen-, Corallinen- und Molluskenresten wohl durch chemischen Absatz verkittet. Die in größerer Menge vorhandenen, aber nicht leicht aus dem festen Gestein herauszulösenden Molluskenschalen sind oberflächlich stark abgerollt. Ihr Erhaltungszustand ist also trotz des jugendlichen Alters der Bildung keineswegs ein guter zu nennen. Neben Mollusken und Wurmröhren fand sich auch eine Koralle, der Gattung JBalanophyllia angehörig. Ich bestimmte folgende Arten : JBalanophyllia Ponteni n. sp. 1 Es liegen drei noch im Gesteine sitzende Stücke dieser eigen- artigen Form vor. Von diesen sind zwei ganz niedrig, während die dritte eine etwas bedeutendere Höhe erreicht. Die betreffenden Maße sind: _ , iQ Hohe: 7, 5, 13 mm Kelchradien : 8:6, 7:5, 8:6 mm. Man ersieht schon aus diesen Maßen, daß die Form bei fort- schreitendem Höhenwachstume kaum an Breite im Kelche zunimmt. Sie scheint ursprünglich annähernd mit demselben Durchmesser festzusitzen, welchen auch der ältere Kelch später besitzt, wobei es natürlich zweifelhaft bleibt, ob sie — wie mir scheint — an Ort und Stelle festsaß oder erst von einem anderen Punkte heran- geschafft wurde. Im letzteren Falle würde natürlich ihre ursprüng- liche Anheftestelle nicht vorliegen. Die Außenwand ist von starker, fein poröser Epithek bedeckt, welche in ringförmigen Lagen ab- gesetzt ist. Diese scheint bis ziemlich an den Kelchrand zu reichen, wenn man wenigstens die Verhältnisse des größten Stückes als die allgemeingültigen ansehen will. Da, wo sie fehlt — und wahrscheinlich durch Abrollung zerstört wurde — , kommen die Rippen zum Vorscheine. Diese sind breit und flach, aber recht undeutlich voneinander abgegrenzt. Sie scheinen aus zwei Reihen grober, ziemlich in die Länge gezogener, unregelmäßiger Trabekel zu bestehen, welche zwischen sich große Löcher freilassen. Ihre Zahl ist nicht genau festzustellen. Der Kelch ist unregelmäßig elliptisch und sehr flach ; auf seinem Grunde sieht man ein aus lockerem Flechtwerk gebildetes, ziemlich starkes Säul dien. Was die Septen anlangt, so dürften etwa drei Cyclen bis zur Columella gelangen , der vierte scheint sich in geringer Entfernung vom Mittelpunkte mit ihnen zu verbinden, der fünfte rein randlich zu liegen und nicht in das Innere des Kelches hinabzutauchen. Er bildet hier am Kelchrande mit zahlreichen Synaptikeln ein schwam- miges Gebilde , welches einen stark aufgewulsteten Saum um die 1 Die Abbildung dieser neuen Art wird gleichzeitig im N. Jahrb. f. Min. etc. gegeben werden. 224 P. Oppenheim, Kelchhöhle darstellt und in dem die einzelnen Elemente kaum voneinander zu trennen sind. Soweit ich aus Heller 1 entnehme , besitzt das Mittelmeer heute nur noch zwei Arten der Gattung Balanophyllia S. Wood, B. italica Mich, und B. verrucaria Pallas. Die erstere1 2 liegt mir aus Neapel vor, die letztere, augenscheinlich seltenere, kenne ich nur aus der Abbildung bei Milne Edwards und Haime 3. B. italica kommt für den Vergleich überhaupt nicht in Frage; was B. verrucaria anlangt, so bietet sie in der Gestalt und in dem Auftreten der Epithek manche Ähnlichkeit, die sich — zumal im Vergleiche mit der Fig. 8 bei Edwards und Haime — auf- drängt; aber Fig. 6 a, das Kelchbild, ist doch recht verschieden, und wenn wir die Beschreibung bei Milne Edwards und Haime daraufhin durchgehen, so entdecken wir folgende Unterschiede: B. verrucaria soll besonders oben zusammengedrückt sein. Dies ist bei unserer Art nicht der Fall. Die Epithek soll bei der ersteren Art bis zur Mitte der Höhe reichen, während sie bei der unserigen bis nahe zum Kelche heraufklimmt. Der Kelch soll bei B. verrucaria die Form einer Acht haben, da die Enden der kleinen Achse hineingezogen sind. Das Verhältnis der Achsen soll wie 100 : 215 sein, d. h. die eine Achse ist über doppelt so groß als die andere. Alles dies findet sich bei unserer Form nicht. Eine Einbuchtung des Kelches fehlt ihr, und die Unterschiede zwischen beiden Achsen sind weit geringere. Endlich ist die Kelchgrube bei unserer Art weder „groß“ noch „tief“; dagegen läßt B. verru- caria die auffallende Saumbildung um die Kelchgrube vermissen, welche für die Form der Strophaden so charakteristisch zu sein scheint, und die bündelförmige Anordnung einzelner Septalkomplexe ist — wenigstens nach der Abbildung zu urteilen — bei ihr weit ausgesprochener, kurz, es scheint eine spezifische Identität trotz mancher Übereinstimmung wohl auszuschließen. In der allgemeinen Gestalt wohl ähnlich , aber im Bau des Kelches vollkommen verschieden, ist schließlich B. calyculus S. Wood aus dem englischen Crag4. — Erst verspätet habe ich Döderlein’s ganz moderne Publika- tion über die Steinkorallen des Golfes von Neapel kennen gelernt 5. 1 Vergl. die Zoophyten und Echinodermen des Adriatischen Meeres. Wien 1868. p. 27. 2 Michelin, Iconographie zoophytologique. p. 46. Taf. IX Fig. 15. 3 Vergl. Recherches sur les Polypiers, troisieme mömoire, Mono- graphie des Eupsammides. Annales des Sciences naturelles. 3 Ser. 10. Taf. I Fig. 6 — 6 a. 4 Milne Edwards und Haime, A monograph of the British fossil Corals. London (Palaeontographical Society) 1850. p. 9. Taf. 1 Fig. 3—3 d. 5 Mitteilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. 21. Berlin 1913—14. p. 105 ff. Zur Geologie der Strophaden. 225 Hier wird auf p. 140 ff. B. italica Mich, beschrieben und auf Taf. IX Fig. 72 — 85 abgebildet. Döderlein zieht B. verrucaria Milne Edwards und Haime in die Synonymie der Art mit hinein, ohne indessen objektive Gründe dafür anzugeben; denn die Be- merkung auf p. 141: „ B . verrucaria , die ich ebenfalls von Neapel erhielt, ist meines Erachtens von B. italica nicht spezifisch ver- schieden“, ist doch rein subjektiver Natur und entbehrt des objek- tiven Beweises. Ich kann auch hier, wo der Artbegriff somit sehr weit gefaßt ist, keine spezifische Identität mit der Form der Strophaden entdecken. Die Unterschiede treten vielmehr im Ver- gleiche mit der von Döderlein gegebenen Diagnose sehr scharf hervor. Die Gestalt der Strophadenart ist nicht „becherförmig“; sie scheint erwachsen im ausgesprochenen Maße höher als breiter zu sein und ist dann nicht „stark komprimiert mit ovaler, manch- mal etwas eingebuchteter Mündung“. Die Type besitzt stets Epithek. Ihre Rippen sind nicht „fein“, sondern breiter und flacher. „Die Hauptsepten ragen“ nicht „über den Kelchrand hervor“. „Die kleineren Septen sind“ weniger „verwachsen“, die „dreieckigen Kammern“ nicht so ausgebildet. Soweit sie überhaupt zu erkennen sind, sind in ihnen mehr als „drei Septen eingeschlossen“. Von den zahlreichen Abbildungen bietet höchstens Fig. 85 eine gewisse Ähnlichkeit dar; aber auch dieses Exemplar ist — nach der Seitenansicht auf Fig. 77 — -in der Gestalt ver- schieden, vor allem nach unten schärfer verjüngt. Also mit dieser B. italica in der sehr weiten DöDERLEiN’schen Fassung vermag ich die vorliegende Art nicht zu identifizieren. Nun gibt Döder- lein aber noch eine weitere Art aus dem Mittelmeere an. Es ist dies B. regia Gosse, eine Art , welche ich auch in Abbil- dungen nicht kenne und für welche ich auch bei Lacaze-Duthiers nicht die entsprechende Literatur aufgefunden habe 1. Es wird hier nur auf p. 163 eines Werkes von Gösse über die englischen See- anemonen verwiesen2 3 4. Wie diese Form aber auch gestaltet sein mag, so scheint sie sich von der Type der Strophaden schon darin zu unterscheiden , daß bei ihr die Septa höherer Ordnung nach Döderlein 3 stark gebogen sein solle, was bei unserer Type keines- wegs der Fall ist. Außerdem spricht Lacaze-Duthiers a. a. 0. A noch von einer B. corsica , ohne den Autor zu nennen, und von 1 Vergl. H. de Lacaze-Duthiers, Faune du golfe du Lion. Coral- liaires. Archive de Zoologie experimentale. 3 Ser. 5. Paris 1897. p. 1 ff. 2 Ich bin inzwischen durch weitere Nachforschungen zur Kenntnis dieses Werkes gelangt. Es handelt sich um Philip Henry Gosse, Actino- logia britannica, a history of the British Sea-Anemones and Corals. London 1860, wo auf p. 343, Taf. X Fig. 10—11, B. regia beschrieben und abgebildet ist. 3 a. a. 0. p. 143. 4 p. 195. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 15 226 P. Oppenheim, einer vielleicht neuen Type aus der Nähe der Balearen (Mahon). Es scheint dies zu beweisen, daß auch heute im Mittelmeere noch mehrere Arten von Balanophyllia auftreten, welche noch näher zu beschreiben sind; denn auch über B. corsica ist mir eine ein- schlägige Literatur nicht bekannt geworden. Was die Tiefenzone aller dieser Formen anlangt, so gibt Döderletn die B. italica von 7—30 m an; dagegen soll sie nach Lacaze-Duthiers1 in den Gewässern von Banyuls in ganz geringer Tiefe auftreten. Das gleiche wird2 von B. regia Gosse behauptet, die ebenfalls bei Banyuls im Niveau der „Basses-eaux“ — d. h. also, wenn icli den Verf. richtig verstehe, im Gebiete der Ebbe — leben soll. Diese Formen scheinen also auch hier Strandbewohner zu sein. Spondylus gaederopus L. Sacco3, a. a. 0. 25. p. 3. Taf. I Fig. 1 — 5. Weinkauff4. I. p. 269. Locärd 5 6, a. a. 0. p. 356. Fig. 335. Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus®, a. a. 0. II. p. 45. Taf. X Fig. 1—4. Eine große Schale von 80 mm Höhe mit etwa neun Reihen unregelmäßiger, teilweise langgestreckter Stacheln, die indessen nicht auf verstärkten Rippen sitzen. Reste der roten Färbung sind noch erkennbar; ebenso an den meisten Stellen der Schale die sehr zahlreichen zarten, leicht gekörnelten oder geschuppten Rippen. Auf diesem, zweifellos aus geringer Tiefe stammenden Exem- plare sitzt eine junge Balanophyllia (vergl. oben). Lima squamosa LK. Weinkauff, a. a. 0. I. p. 240. Locard, a. a. 0. p. 354. Fig. 334. Sacco, a. a. 0. 25. p. 13. Taf. IV Fig. 28 — 31 (Radula lima L.). Bocquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. II. p. 51. Taf. XI Fig. 1 — 3 ( Radula lima L.). Zwei wohlerhaltene Stücke mit je 19 und 21 Rippen, also nach Weinkauff’s Diagnose die typische Mittelmeerform, nicht die nach Sacco 7 heute mehr auf das Rote Meer beschränkte Lima paucicostata Sow. , wofern man diese überhaupt, auch nur als 1 a. a. 0. p. 191. 2 a. a. 0. p. 166. 3 Bellardi-Sacco, I molluschi terziarii del Piemonte e della Liguria. 1—30. Torino 1872—1904. 4 Die Conchylien des Mittelmeers. 2 Bde. Cassel 1867 — 68. 5 Les Coquilles marines des Cötes de France. Paris 1892. 6 Les Mollusques marins du Roussillon. Paris 1882 ff. 7 a. a. 0. p. 14. Zur Geologie der Strophaden. 227 Varietät, abtrennen will. Die Art lebt heute im Mittelmeer in allen Tiefenzonen, also auch, wie Weinkauff 1 ausdrücklich angibt, in der Nähe des Strandes, auf welchem dieser bei Bona und Mustapha sogar die größten Schalen aufgesammelt hatte. JPectunculus bimaculatus POLI. Locard, a. a. 0. p. 328. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 437. Sacco. 26. p. 28. Taf. VI Fig. 7—14 ( Axineaea bimaculata Poli). Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. II. p. 202. Taf. XXXV Fig. 1—2. Es handelt sich um eine ziemlich flache Schale von 56 mm Höhe und 58 mm größter Breite, die oberflächlich stark abge- rieben und innen größtenteils mit Gesteinsmaterial erfüllt ist; die größte Breite liegt auf dem obersten Drittel. Die Gestalt ist leicht unregelmäßig , auf der einen Seite niedriger als auf der andern. Die verhältnismäßig flache Gestalt und Unregelmäßigkeit der Schale dürfte für die hier vorgenommene Bestimmung sprechen, die aber angesichts der ungeheuren und von allen Bearbeitern empfundenen Schwierigkeit, selbst wohlerhaltene Pectunculus-For- men auseinander zu halten, nur mit allem Vorbehalt getroffen werden soll. Haliotis lamellosa Lamk. Vergl. Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, Les Mollusques marins du Roussillon. Paris 1882 ff. p. 426. Taf. LII Fig. 1—7. Das verhältnismäßig sehr große Stück hat eine Breite von 70 zu einer Höhe von 25 mm. Es zeichnet sich durch eine ganz außergewöhnliche Entwicklung der Längs- und Spiralskulptur aus wie durch bedeutendes Hervorquellen der Wirbelregion. Keine der von den französischen Autoren a. a. 0. gegebenen Figuren zeigt nach der ersten Richtung hin Ähnliches, nicht einmal die noch in erster Linie in Betracht kommende Fig. 1 . Im allgemeinen sollen sich bei dieser Gattung nach Sacco 2 die fossilen Typen durch geringere Größe von den lebenden unterscheiden. So sind denn auch die vom Autor a. a. 0. abgebildeten Stücke sämtlich wesentlich kleiner, auch die var. lamellosoides Sacco1 2 3, welcher nach der von Sacco gegebenen Diagnose unser Exemplar angehören müßte, und welche wohl ebenfalls infolge dieser Diagnose der H. lamellosa Lamk. des Mittelmeeres restlos entspricht. Man sieht nicht recht den Grund ein, weshalb sie der Verfasser zu der atlantischen H. tuberculata Linne zieht; es müßte 1 a. a. 0. p. 241. 2 I Molluschi dei Terreni terziarii del Piemonte e della Liguria. 22. 1897. p. 5. 3 a. a. 0. p. 6. Taf. I Fig. 6—7. 228 P. Oppenheim. Zur Geologie der Strophaden. denn sein, daß er diese H. lamellosa nur als mediterrane Fazies der H. tuberculata des Ozeans auffaßt, wie man aus einer späteren Stelle vermuten möchte. Dann scheint es aber zwecklos , eine neue var. lamellosoides aufzustellen, wo in diesem Falle die var. lamellosa Lamk. schon existieren würde. Sacco spricht weiter von einer var. prisca Ian, welche im Pliocän von S. Colombano auf- treten solle und welche seiner var. lamellosoides besonders ähnlich sei. Nun besitzt das Königliche Museum für Naturkunde zu Berlin unter seinen nicht gerade reichen Vorräten der Gattung Haliotis ein Exemplar aus dem Pliocän von S. Colombano bei Lodi, welches wohl der var. prisca Ian entsprechen dürfte und welches in mehr- facher Hinsicht an die Form der Strophaden erinnert, allerdings weder die bedeutende Größe noch die Stärke der Spiralrippen und Anwachsstreifen erreicht. Ähnliches liegt aber auch aus dem Quaternär von Palermo vor. Nach Locaed1 würde Haliotis lamel- losa Lamk. eine Höhe von 10 — 12 und einen Durchmesser von 40 — 60 mm erreichen. Unsere Form überträfe also ziemlich be- deutend die größten lebenden Exemplare der H. lamellosa und erinnerte in diesem Punkte an die atlantische H. tuberculata L., welche bedeutendere Größenverhältnisse erreicht, aber die Längs- wiilste des H. lamellosa nicht entwickelt. Wir dürfen also wohl schließen, daß die Form der Strophaden einen Vorläufer der medi- terranen H. lamellosa Lamk. darstellt, in welchem die für diese Form charakteristischen Merkmale bereits eine sehr bedeutende Entwicklung erlangt haben. Trochus ( Gibbula ) magus L. var. producta B. D. D. Vergl. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 380. Locard, p. 208. Fig. 184. Sacco. 22. p. 29. Taf. III Fig. 32. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, Moll, marins du Roussillon. I. p. 375. Taf. XLIV Fig. 9—11. Diese schöne und im allgemeinen leicht kenntliche Art variiert nach dem übereinstimmenden Urteile aller Autoren ungemein in der Höhe des Gewindes und in der Ausbildung der Skulptur. Indem ich diesen allgemein anerkannten Verhältnissen Rechnung trage, ziehe ich eine in zwei Stücken vorliegende kleine Gibbula hierher, welche wohl im allgemeinen Typus mit der Art überein- stimmt, sich aber den mir augenblicklich vorliegenden Stücken und Abbildungen gegenüber durch verhältnismäßig bedeutendere Höhe unterscheidet. Die Form mißt 10 : 10 mm, ist also etwa ebenso hoch als breit, während ich in anderen Fällen bei einer Basalbreite von 15 mm nur 8 mm Höhe ermittele (Exemplar aus dem Pliocän von Asti, m. Samml.) und rezente Stücke aus Neapel 1 Les Coquilles marines des Cötes de France. Paris 1892. p. 219. Personalia. 229 14:21 mm zeigen. Ebenso tritt an diesem Stücke die Längs- skulptur sehr zurück und ist nur in Verdickungen der obersten Spiralen angedeutet. Nichtsdestoweniger wüßte ich keinen passen- deren Platz für dieses Stück, da bei der sonst etwa noch in Be- tracht kommenden Gribbula varia L., die im übrigen recht ähnlich ist, der letzte Umgang verhältnismäßig zu hoch ist. So haben denn auch Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus ganz analoge Gestalten als var. producta zu der LiNNE’schen Art gezogen. Trochus ( Calliostoma ) zizyphimis L. Vergl. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 358. Locard, a. a. 0. p. 204. Fig. 181 (T. conidoides Lk.). Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 345. Taf. XLI Fig. 1 — 7 (bes. Fig. 2—3 !). Ich fasse diese Art hier in der Begrenzung auf, welche Wein- kauef und Locard ihr geben. Ich habe also die Form im Auge, welche einen größeren Windungswinkel und stärkere Spiralskulptur besitzt und dazu im Leben niemals rein rot, sondern gelblich oder grünlich gefärbt und mit kleinen rötlichen Flecken oder Binden verziert ist. Dieser Form gehört das Unikum von den Strophaden, welches eine Höhe von 20 mm erreicht, zweifellos an. Wenn an ihm auch die Spiralen durch Abreibung etwas gelitten haben, so sind sie doch bei geeigneter Beleuchtung deutlich, und die breite Gestalt spricht für Trochus conidoides Lk. (gleich Tr. zizyphinus L.), nicht für den schmäleren, glänzenderen und glatten Tr. conulus L. Es ist eigenartig, daß Sacco \ wie die Abbildungen auf Taf. IV Fig. 31 — 33 beweisen, nur diesen letzteren aus dem Pliocän des Piemont kennt , während Weinkauff mit Philippi ausdrücklich auch die vorliegende Art von dort zitiert. Daß Sacco a. a. 0. das WEiNKAUFF’sche Zitat des Tr. zizyphinus L. unter die Syno- nymie seines Calliostoma conulum L. setzt, ist wohl nur ein Lapsus und zweifellos unrichtig. (Schluß folgt.) Personalia. Über die Tätigkeit des Kriegsgeologen in Deutsch-Südwest und die letzten Lebenstage von Hans v. Staff. Der Nachruf auf Hans v. Staff (dies. Centralbl. 1915. p. 689) enthält keinerlei Notizen über die Art seines Scheidens und noch weniger über seine letzten Lebenstage. Die nachstehenden Mit- teilungen der Witwe des allzufrüh der Wissenschaft und dem Vaterlande entrissenen Forschers sind im folgenden ausführlich wiedergegeben ; denn sie besitzen nicht nur persönliches Interesse für alle, die ihm nahe gestanden haben und ihn schätzten, sondern 1 I molluschi dei terreni terziarii del Piemonte e della Liguria. 21. p. 41. 230 Personalia. sind auch als Stimmungsbilder aus den letzten Tagen der Verteidi- gung in Südwest von großem Wert und gewähren Einblick in die selbstaufopfernde Arbeit des Kriegsgeologen in der Bohrkolonne. Ende März 1914 kam Hans v. Staff an Bord der „Gertrud Woermann“ nach Lüderitzbucht, von wo er sich alsbald nach seinem festen Wohnsitz in Kuibis begab. Die Bahnstation Kuibis, ein Hotel und einige andere Häuser liegen auf einer Hochfläche. Bis dicht an die Bahnstation greift ein canonartig eingeschnittenes Tal in das Plateau. In diesem liegt die Bohrkolonne Süd mit ihren Werkstätten, Magazinen, Wohnhäusern der Angestellten, mit ihren Ställen und Kralen für das Vieh, mit der großen Ein- geboreneri-Werft und mit der schönen Dienstwohnung für den Leiter der Bohrkolonne inmitten eines großen Gartens. Diese für die Wasserbeschaffung und damit für die Zukunft der Kolonie wichtige Stellung hatte Hans v. Staff inne. Er war Gouvernements- beamter: der Kaiserliche Geologe für Deutsch-Südwestafrika und Leiter der Bohrkolonne Süd. Sein Vorgänger Dr. Range war damals noch dort, um Hans v. Staff in den Betrieb der Bohr- kolonne einzuführen. Dies geschah in Kuibis selbst und auf kleineren Dienstreisen in die Namib. Am 25. April trat Hans v. Staff im Aufträge des Gouvernements eine längere Reise an, um den Kapstädter Geologen Dr. Rogers durch Deutsch-Siidwest zu begleiten. Hierbei hat er den großen Brukaros und das Erango- Gebirge bestiegen und die Tsumeb-Mine besichtigt. Auf dem Rück- wege traf er in Swakopmund fast gleichzeitig mit dem Dampfer ein, der seine Braut zu ihm nach Südwest brachte. Für seine Braut gänzlich überraschend kam er in Swakopmund an Bord und fuhr mit ihr bis Lüderitzbucht, wo sie am folgenden Tage, dem 5. Juni, ankamen und getraut wurden. Es folgten arbeitsreiche Wochen in Kuibis : die Bohrkolonne hatte einen jährlichen Etat von etwa 350 000 Mk. Unter dem Leiter stehen: ein Bohrinspektor, ein Bohringenieur, ein Sekretär, ein Techniker, ein Material- verwalter, ein Bureauschreiber, sieben Bohrmeister, ein paar Bohr- gehilfen 1, ein Konduktor zur Beaufsichtigung des großen Wagen- und Viehparks und eine große Anzahl Eingeborene. Sieben bis neun Bohrtrupps waren im Gelände tätig und wurden von der Zen- trale in Kuibis aus regiert. Den ganzen Juli hindurch befand Hans v. Staff sich auf einer Dienstreise, die ihm zur Ansetzung von Bohrstellen, zur Inspizierung von Bohrtrupps und zur Unter- suchung einer Stelle bei Ukamas, wo man von Windhuk aus Korund- Vorkommen vermutet hatte, von Keetmanshoop nach Osten durch die Kalahari bis über die englische Grenze hinaus und dann nach Süden bis zum Oranje führte. Auf dieser ganzen Reise durfte seine Frau ihn als „Assistent“ (wie er es im Scherz nannte) 1 Verschiedene Handwerker für die Schmiede, Dreherei und Tischlerei. Personalia. 231 begleiten. Von Stolzenfels am Oranje reisten sie über Jerusalem und Warmbad zurück und benutzten von Kalkfontein- Süd an die Eisenbahn. Dort hörten sie zum ersten Male von dem Ultimatum an Serbien, hörten die Bedenken einiger Offiziere der Schutztruppe über einen eventuellen Krieg in Europa. Das war am 30. Juli. An Feindseligkeiten mit der Union dachte niemand. Am 8. August erfolgte die Mobilmachung in Südwest, zum Schutz der Grenzen, nicht zum Angriff. Hans v. Staff wurde unabkömmlich er- klärt , sein Personal zum größten Teil sofort eingezogen. Ein Teil der Angestellten blieb dauernd bei der Front, ein Teil wurde (in Uniform) zur Bohrkolonne abkommandiert, die von nun an zwar als selbständige Behörde der Truppe nicht unterstellt war, aber trotzdem fast ausschließlich für die Truppe arbeitete. Es wurde Wasser für die Truppe erschlossen, andererseits wurden Bohrlöcher im Kuichab Rivier wieder zugeschüttet, um den Engländern das Vorrücken durch die Namib zu erschweren. In den Werkstätten wurde Material für die Verschanzung der Truppe in Aus geliefert, und die beiden deutschen Flugapparate wurden hier repariert. Mehrmals fuhr Hans v. Staff nach Aus, einmal 10 Tage nach Windhuk im Aufträge der Truppe. Dauernd wurde Material von Kuibis nach Aus geschickt. Fast stets , wenn er sich gerade in den Werkstätten befand, wurde er von Aus am Fernsprecher ge- wünscht. Dann kam er durch die Sonnenglut, die staubige „Pad“ entlang im Laufschritt zum Bureau zurück. Oder er hatte nicht weit vom Hause talaufwärts bei einer neuen Bohrung nach dem Rechten gesehen und war in wenigen Sätzen mit einem Sprung über die Gartenmauer wieder im Dienst der Truppe bereit, Neues zu schicken oder die Arbeiten der Bohrtrupps im Felde umzu- disponieren. Freude hat Hans v. Staff diese reiche Tätigkeit gemacht, aber sie war höchst anstrengend. Hans v. Staff hatte weit mehr als die Arbeit eines Durchschnittsbeamten zu bewältigen, ehe er dahin kam zu sagen, daß er einmal einen Tag der Er- holung nötig hätte. Aber sofort rief das Telephon, rief ihn nur zu oft, wenn er sich abends um 7 Uhr zu seiner Hauptmahlzeit setzen wollte, rief ihn mehrmals in der Nacht. Dann ging er selbst mit dem Materialverwalter in das Magazin und traf beim Schein einer Laterne seine Anordnungen. Am 23. März 1915 wurde die Stellung in Aus aufgegeben, da die Engländer im Swakoptale und über Upington vordringend der Schutz- truppe sonst in den Rücken gefallen wären. Das bedeutete für die Bohrkolonne Rückzug von Kuibis. Am Abend erhielt Hans v. Staff die Nachricht. Die liebsten Bücher, Aufzeichnungen und photographi- schen Aufnahmen packte Hans v. Staff in der Nacht ein, desgleichen Wäsche und Proviant für seine Frau für die nächsten Monate und schickte sie am nächsten Morgen voraus nach Windhuk. Dann folgten für ihn 10 Tage schwerster Arbeit. Ein Offizier, der 232 Personalia. damals vorübergehend in Kuibis stand, erzählte seiner Frau nach- her, Hans v. Staff habe Nächte durch bei der Verladung der Bohrkolonne gearbeitet, habe selbst mit zugegriffen und sich auf das äußerste überanstrengt, obgleich er selbst ihn oft gewarnt und gebeten habe, sich zu schonen. Als er am 5. April abends in Windhuk eintraf, fand ihn seine Frau sehr elend aussehend. Trotzdem sprach er , wenn sie ihn zum Gouvernementsgebäude oder zu der Bohrkolonne Nord begleitete, mit der gewohnten Frische und Lebendigkeit von wissenschaftlichen Problemen. Er blieb nur bis zum Abgänge des nächsten Zuges nach dem Norden am 10. April; denn die Bohrkolonne war nach Otjiwarongo ver- setzt, um dort weiter für die Truppe Wasser zu erschließen. Seine Frau war über diese Versetzung glücklich, wähnte sie doch ihren Mann dort sicherer als bei der Kompagnie Mannhardt, bei der er sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte in der Annahme, die Bohrkolonne werde aufgelöst. In Otjiwarongo ist er fast drei Wochen später erkrankt, hat aber, mit dem Fieber kämpfend, noch vier bis sechs Tage gearbeitet, ehe er in das Lazarett eingeliefert wurde. Seine Frau war damals bereits in Grootfontein, da sie, wegen des drohenden Anrückens der Engländer von Süden her, schon am 1. Mai wieder von Otjiwarongo flüchten mußte. Aus demselben Grunde hat man Hans v. Staff als Schwerkranken nach zehnstündiger Eisenbahnfahrt nach Grootfontein in das Lazarett gebracht. Dort ist er am 8. Juni gestorben. Der Gouverneur und die Beamten und Offiziere des Ortes haben ihrem Gouvernements- beamten die letzte Ehre erwiesen. Den Menschen hat niemand dort recht gekannt. Unter diesen Verhältnissen blieb ihm keine Muße, seine Be- obachtungen über Südwest niederzuschreiben. Kurze Notizen von ihm liegen in Grootfontein. So bleibt wenigstens etwas von seinen Gedanken über die Geologie von Deutsch-Südwestafrika der Wissen- schaft erhalten. Es waren besonders morphologische Probleme, denen er nachging. Wenn somit Hans v. Staff nicht einer feindlichen Kugel erlag, so ist er doch im fernen Afrika für das Vaterland ge- storben. Den ganz außergewöhnlichen Anstrengungen, welche die doppelte Arbeit, die Wassererschließung für unsere kämpfende Truppe und die gleichzeitige Unbrauchbarmachung der Brunnen gegenüber dem eindringenden Feind an den Leiter der Bohrkolonne stellte, war sein Körper nicht gewachsen. Die Geologie hat also doppelte Veranlassung, ihres im Dienste der Wissenschaft und des Vaterlandes gefallenen Jüngers in Ehren zu gedenken. Nachtrag zu v. Staff ’s Literatur-Verzeichnis: Beiträge zur Kenntnis der Fusuliniden. Neues Jahrb. f. Min. etc. 1909. Beil.-Bd. XXVII. p. 461 ff. J. Beckenkamp, Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. 233 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. Von J. Beckenkamp (in Würzburg). Mit 4 Textfiguren. In seiner vor kurzem erschienenen Kristalloptik (vergl. dies. Centralbl. 1915. p. 701) wurde vom Verfasser der Nachweis ge- führt, daß die Schwerpunkte der Si-Atome der homogenen Teile des Quarzkristalls, d. h. der Quarzinpartikeln, ein deformiertes doppelt kubisches Raumgitter bilden, und daß alle Strukturbilder, welche die deformiert kubische Natur des Quarzes unberücksichtigt lassen (z. B. die von E. Mallard, L. Sohncke, W. H. Bragg und A. Schoenflies in Zeitschr. f. Krist. 1916. 55. p. 346), die geo- metrischen Verhältnisse dieses Minerals nur unvollständig ver- anschaulichen und mit optischen Tatsachen in Widerspruch stehen. Betrachten wir den Komplex eines Si-Atoms mit den beiden ihm zunächst benachbarten O-Atomen als ein chemisches Molekül, ohne dabei die Frage zu bejahen oder zu verneinen, ob diese drei Atome durch chemische Valenzen verbunden seien, so mag die durch den Schwerpunkt des Si-Atoms gehende Verb indungsgerade der beiden O-Atome „Molekülachse“ heißen. Die Richtung der Molekülachsen wechselt in dem vom Verf. abgeleiteten Struktur- bilde des Quarzes in bestimmter Weise zwischen den vier Rich- tungen der Oktaedernormalen. Ein Komplex von vier in der Rich- tung einer beliebigen Oktaedernormalen unmittelbar aufeinander- folgender Moleküle des doppelt kubischen Gitters umfaßt alle vier möglichen Orientierungen. Denken wir uns einen solchen Komplex umgrenzt von einem sechsseitigen Prisma, dessen Kantenlängen l dg und 4 d0 sind, wenn dg den Abstand zweier Schnittpunkte des doppelt kubischen Gitters in der Richtung einer Granatoeder- normalen g und d0 den Abstand in der Richtung einer Oktaeder- normalen o bedeuten, dann kann man sich die Quarzinmasse zu- sammengesetzt denken aus einer sehr großen Anzahl lückenlos aneinanderstoßender derartiger sechsseitiger Prismen; die Schwer- punkte (oder auch irgendwelche andere homologen Punkte) dieser Prismen bilden ein vierfach kubisches Gitter. Da es im regulären Raumgitter vier gleichwertige Richtungen o gibt, so kann man in verschiedener Weise die Längsrichtung der Prismen orientieren. Geschieht es nur in einer Weise, so legt man in die Anordnung eine Bevorzugung der einen Oktaedernormalen, welche dem kubischen Gitter an sich nicht zukommt. 15* 234 J. Beckenkamp, Aus der Flächenbildung erkennt man (vergl. Fig. 1) als be- vorzugte Richtungen beim Quarz die drei Nebenachsen, welche drei Granatoedernormalen g entsprechen, die Hauptachse, welche einer Oktaedernormalen o entspricht, die sechs Polkanten T der hexagonalen Grundpyramide (Kombination von + R und — R) und in geringerem Maße die drei Zwischenachsen , welche drei Leucitoedernormalen 1 entsprechen (vergl. p. 608 der Kristalloptik). In dem vorhin abgeleiteten hexagonalen Prisma kommt die Periode der in der Richtung der Hauptachse aufeinanderfolgenden Moleküle nach Abstand und Orientierung in der vertikalen Prismenkante zum Ausdruck ; der Abstand der in der Richtung der Nebenachsen aufeinanderfolgenden Moleküle ist dagegen dreimal länger als die horizontale Prismenkante; für die Polkante T enthält das Prisma keine Bestimmungspunkte. Wenn also auch die periodische Wieder- holung des Prismas nach dem vierfach kubischen Gitter den periodi- schen Bau der Quarzinmasse bezüglich der Anordnung und Orientie- rung der Moleküle zum Ausdruck bringt, so muß doch das Fehlen eines Ausdrucks für die wichtigsten Netzlinien als ein Mangel be- zeichnet werden. Um auch die Polkanten T in einem Paralleloedersystem zum Ausdruck zu bringen, muß man ein Vielfaches des vorigen Prismas als Elementarkörper wählen ; der kleinste hierzu brauchbare Körper ist ein hexagonales Prisma mit der horizontalen Kantenlänge 9 dg und der vertikalen Kante 1 6 d0, oder, wenn wir die Abstände der gleich orientierten Moleküle in dem doppelt kubischen Gitter mit dg und do1 bezeichnen, so sind die Kanten dieses Elementarkörpers FE = 9 dg und FF, = 4 d0 (Fig. 2). Ist die Flächendiagonale 1 In bezug auf diese Verhältnisse ist p. 588 der Kristalloptik des Verf.’s zu berichtigen: Zeile 18 von oben lies: „wäre cotg 30°“ statt „wäre Q cotg 30°“, und Zeile 14 von unten lies : „da 4 o = da und 3 d0 = 11 k I“, statt: „da 4 o = 3 dQ = 11 k I“. Fig. 1 Fig. 2. Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. 235> des elementaren Würfels, welcher das doppelt kubische Gitter des Quarzes bestimmt, gh, dessen Raumdiagonale Oh, dann sind die Kanten des eben definierten Elementarkörpers 9 gh und 8 Oh- Die Ebene A2FE entspricht einer Fläche des Ikositetraeders 25 0 25, welches in bezug auf das für den Quarz unwichtige System der Hexaedernormalen das komplizierte Zeichen { 1 , 1, 25} hat. Machen wir indessen die halbe Oktaederkante des zu dem doppelt kubischen System gehörenden Kubooktaeders zur Achse g, die Höhen- linie dieses Oktaeders zur Achse I und den senkrechten Flächen- abstand des Oktaeders zur Achse o, so erhält das genannte Ikosi- tetraeder das einfache Zeichen {0, 4, 3}. Die Neigung der Flächen dieses Ikositetraeders gegen die (trigonale) Oktaedernormale ist 38° 30' 10"; die Neigung der Flächen des Grundrhomboeders des Quarzes gegen die (trigonale) Hauptachse 38° 13'. Die Verbindungslinie des Mittelpunktes A (Fig. 2) einer Basis- fläche mit einem Eckpunkte, etwa E1 der gegenüberliegenden Basis- fläche, hat ungefähr, aber nicht genau, die Richtung und Länge der Polkante T des Quarzes, wenn die horizontale Kante Et F1 die Rich- tung und Länge der Nebenachse des Quarzes ist, und die Punkt- abstände genau den regulären Dimensionen entsprechen. Beim Quarz ist das Verhältnis der Länge der horizontalen Kante F E der hexa- gonalen Bipyramide zur Polkante T derselben Form 2 x 0,3363 : 1, also annähernd 2:3; bei einer Bipyramide, welche genau die gleiche Neigung zur trigonalen Achse besäße wie die reguläre Form (l, 1,25), wäre das Verhältnis 2 X 0,3382 : 1 ; beim Quarz liegt also das Verhältnis dieser Kantenlängen zwischen dem genau regulären und dem einfachen numerischen Werte 2:3; die reguläre Anordnung' muß dementsprechend beim Übergange in die Quarzstruktur zur Erzielung einer größeren Annäherung an das Verhältnis 2 : 3 ent- weder in der Richtung der Hauptachse des Quarzes eine Dilatation, oder, was beim Quarz aus anderen Gründen wahrscheinlicher ist, in den zur Hauptachse senkrechten Richtungen eine Kompression erfahren. Sei A ein beliebiger Schnittpunkt des doppelt kubischen Git- ters und ein Stab, welcher genau die Länge T der Polkanten des Quarzes besitzt, werde mit seinem einen Ende in A festgehalten, mit dem anderen nach allen möglichen Richtungen bewegt. Das bewegliche Ende wird dann ungefähr mit dem Punkte Et des genau regulären Gitters zusammenfallen, und da die Verbindungslinie AE, in einer Leucitoederebene A E1 At des regulären Gitters liegt, für welche die Gerade A A: eine secliszählige Deckachse ist (vergl. Kristall- optik, p. 605), so kann das bewegliche Ende des Stabes auch mit derselben Annäherung mit fünf weiteren Punkten F1? Gr, B1? C15 Dt zur Deckung gebracht werden, und da die Gerade A tensoriell (bivektoriell) ist, so stehen in der gleichen Beziehung auch die sechs Punkte B2 C2 . . . G2, und da endlich durch den Punkt A 236 J. Beckenkamp, vier gleichwertige Oktaedernormalen o gehen, so kann das beweg- liche Ende des Stabes mit 48 Punkten des regulären Gitters mit der gleichen Annäherung zusammenfallen. Soll das bewegliche Stabende mit einem oder mehreren Punkten des kubischen Gitters genau zur Deckung gebracht werden, so muß man das Punktsystem, wie schon erwähnt, in den Richtungen AB, AC und AD komprimieren. Werden auf diese Weise die Ab- stände der Punkte B1 . . . G, und B2 . . . G2 von A genau auf die Größe T gebracht, dann ist dies aber nicht gleichzeitig für die übrigen 36 Punkte möglich. Das reguläre Gitter wird dadurch deformiert, es wird trigonal; die Richtung A A, wird Hauptachse. Die Deformation der regulären Anordnung zu einer trigonalen wird also veranlaßt durch die Annäherung der Abstände ABj usw. an den Wert f AB (vergl. Kristall- optik, p. 604). Die Punkte A . . . G, Aj.-.Gj, As . . . Gg bestimmen sowohl vor als nach der Deformation ein dreiseitig prismatisches Raum- gitter. Jede durch irgendeinen dieser Gitterpunkte gelegte Verti- kale ist sechszählige Hauptachse für die Punkte des dreiseitig prismatischen Gitters, aber nicht für alle Punkte des deformiert regulären Gitters. Gehen wir von irgendeinem Punkte A des deformiert regulären Gitters aus und suchen alle Punkte des defor- miert regulären Gitters auf, welche von A genau den Abstand T haben, und von den so bestimmten Punkten wieder alle anderen Punkte, welche von diesen genau den Abstand T haben usw., so erhalten wir ein ganz bestimmtes, dreiseitig prismatisches Gitter, dessen Schnittpunkte ein Teilsystem des deformiert regulären Git- ters bilden. Nun liegen aber auf jeder Kante g zwischen zwei benachbarten Punkten, etwa A und D, des dreiseitig prismatischen Gitters, noch acht andere Punkte des deformiert regulären Gitters, von welchen zwei in Fig. 3 angedeutet sind. Zu jedem dieser 8 Punkte gehört ebenfalls ein dreiseitig prismatisches Gitter; in Fig. 3 ist neben dem Gitter der Punkte A etc. mit schwächeren Linien auch das zu a gehörende dreiseitig prismatische Gitter an- gedeutet. Die durch einen Punkt A oder B usw. gehende verti- Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. 237 kale Gerade ist sechszählige Deckachse nur für das System der Punkte A, B etc., und jede durch einen Punkt a (oder b usw.) gehende vertikale Gerade ist sechszählige Deckachse nur für das System der Punkte a (oder b usw.). Bei einer Drehung um 180° kann also nur dasjenige dreiseitig prismatische Punktsystem wieder mit sich selbst zur Deckung kommen, durch dessen Gitter punkte die Drehungs- achse gelegt wird. Sämtliche Quarzkristalle enthalten mehr oder weniger Par- tien, welche zu den übrigen nach dem Dauphineer Gesetze : Zwil- lings(Drehungs)achse ist die Hauptachse, verzwillingt sind. Es kann also dabei nur ein dreiseitig prismatisches Teilgitter über die Zwillingsgrenze hinaus homogen bleiben , die anderen Teilgitter erleiden an der Zwillingsgrenze eine Diskontinuität. Das an der Zwillingsgrenze homogen bleibende dreiseitig prismatische Teilgitter ist vor den anderen bevorzugt. Zwischen den Punkten A und A', B und B' liegen ebenfalls noch eine Reihe von (15) anderen Punkten des kubischen Gitters, aus welchen das vorhin genannte Zwillingsgesetz keine Auslese zur Folge hat. Das Zwillingsgesetz nach dem Dauphineer Gesetz scheint mit einer Teilbarkeit nach dem vertikalen Prisma in Verbindung zu stehen. Nun kennt man außer dieser noch eine andere, nach den Flächen des Rhomboeders; diese ist am deutlichsten, wenn Zwillings- lamellen nach dem Brasilianer Gesetz erkennbar sind. Es ist also denkbar, daß die Teilbarkeit nach den Rhomboederflächen überhaupt mit äußerst feinen, sich der Wahrnehmung entziehenden Lamellen nach diesem Gesetz in Verbindung steht. Eine derartige Sonder- stellung einer Rhomboederfläche hat eine Gliederung der 1 6 über- einanderliegenden Punkte des regulären Gitters zur Folge. In der rhomboedrischen Grenzfläche liegt nur einer dieser Punkte, und wenn wir voraussetzen , daß alle Zwillingsgrenzen nach diesem Gesetz so liegen, daß immer diejenigen Punkte in ihnen enthalten sind, welche zu dem gleichen System mit der Periode 1 6 d0 ge- hören , dann folgt aus der gleichzeitigen Zwillings- bildung nach dem Dauphineer und nach dem Brasi- lianer Gesetz die Bevorzugung eines einzigen Systems mit der Periode 9 dg in der Richtung der Nebenachse, der Periode 16 d0 in der Richtung der Hauptachse und der Periode T in der Richtung der Diagonalen, also desselben dreiseitig prismatischen Gitters, welches vorhin durch das entsprechende hexagonale Prisma bestimmt wurde. Wir können die drei genannten größeren Perioden statt auf die Einlagerung von Zwillingslamellen auch auf eine rein physi- kalische Ursache zurückführen; der von den Endpunkten dieser Perioden umgrenzte Raum gewinnt dann die Bedeutung einer höheren Einheit, gewissermaßen mit dem Charakter eines Indivi- '.238 J. Beckenkamp. duums oder einer Zelle, und stellt das dar, was von Haüy 1 als integrierendes Molekül, von v. Fedorow1 2 als Paralleloeder und häufig auch als „Kristallmolekül“ bezeichnet wird. Die innere Struktur ist beim Quarzinparalleloeder asymmetrisch , und wir müssen rechte und linke Strukturen unterscheiden. Von der Voraussetzung ausgehend, daß die Quarzinmasse an sich keine optische Drehung bedinge, versuchte man, diese beim Quarz durch spiraligen Aufbau von Quarzinpartikeln zu erklären. Es sollte die Quarzinmasse in drei um 120° um die vertikale Achse gedrehten Orientierungen in genau regelmäßiger Folge nach den drei Flächen des Rhomboeders verwachsen. Nun besitzt aber die vom Verf. für die Quarzinmasse abgeleitete und oben angedeutete Struktur schon an sich ein optisches Drehungsvermögen, welches nur infolge der gleichzeitigen Doppelbrechung des Quarzins sich der Beobachtung entzieht. Wird die Doppelbrechung durch Aggre- gierung submikroskopischer Quarzinpartikel in drei um 120° gegen- einander gedrehten Orientierungen für Strahlen parallel zur Drehungs- achse kompensiert, so wird für diese Strahlen die „reine optische Drehung“ wahrnehmbar. Eine spiralige Verwachsung nach den Rhomboederflächen ist dann nicht mehr erforderlich, und bei der ausgesprochenen Neigung des Quarzins zur Faserbildung nach der c-Achse auch nicht wahrscheinlich. Viel näher liegt die Annahme, die auch durch die Beobachtung an verwachsenen Quarzinfasern bestätigt wird, daß sich die einzelnen Fasern mit paralleler Längs- richtung, aber um diese um 120° gegenseitig in unregelmäßiger Weise (doch so, daß im ganzen keine Orientierung vor den anderen bevorzugt wird) gedreht, nebeneinander legen. Bei der Verwachsung der Quarzinfasern nach dieser wohl am besten als „Quarzingesetz“ zu bezeichnenden Form bleibt das System der sämtlichen Si-Atome, wenn wir von der geringen De- formation in der Ebene der Basis (vergl. Kristalloptik, p. 589), welche den Quarzin optisch zweiachsig macht, absehen, über die Verwachsungsflächen hinaus homogen, aber an jeder Verwachsungs- stelle inhomogen in bezug auf die Achsenrichtung der Moleküle. Setzen wir voraus, daß auch dem Atom eine bestimmte Form zu- komme und daß die Achsenrichtung des Si 02-Moleküls an eine be- stimmte Richtung des Si- Atoms gebunden sei, dann müßten die in den Grenzflächen von Zwillingen liegenden Si-Atome sich gleichzeitig den Si-Atomen der beiden angrenzenden Quarzinindividuen parallel stellen; da dies jedoch nicht möglich ist, so liegt die Vermutung nahe, daß die in den Grenzflächen liegenden Knotenpunkte des Systems der Si-Atome gar nicht mit Si-Atomen besetzt sind. Es bleiben also in den Grenzflächen schmale Räume von der Dicke 1 Vergl. Erster Teil. p. 33. 2 Ebenda, p. 147. Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. 239 des Volumens eines Si-Atoms offen, welche bei dem Quarzingesetze der Hauptachse des Quarzes parallel gehen. Diese ermöglichen den Transport von Atomen mit kleinerem Volumen (z. B. Na und Li), gestatten aber nicht den Durchgang von Atomen (z. B. K), deren Volumen größer ist als das des Siliciums. Da die einzelnen Quarzinpartikel des Quarzes submikroskopisch sind, so kann das Metall Na in der Quarzmasse gewissermaßen wie in einem Lösungs- mittel gelöst erscheinen. Die Teilbarkeit nach den Zwillingsgrenzen wird hiernach außer durch die Diskontinuität des Gesamtsystems auch durch das Fortfallen derjenigen bevorzugten Atome veranlaßt, deren Knotenpunkte in den Zwillingsgrenzen liegen. Beim Tri dy mit führen die gleichen Betrachtungen zu einem Paralleloeder, welches ein hexagonales Prisma mit den Dimen- sionen 6 dg und 16d0 oder 3 dg und 16d0 bildet. Die Flächen- ausbildungen von Quarz und Tridymit unterscheiden sich wesent- lich dadurch voneinander, daß beim Quarz die durch die Pol- kanten T bestimmten Zonen vorherrschen, während z. B. die die Richtung T nicht enthaltende Basis ganz fehlt oder doch nur von sehr untergeordneter Bedeutung ist. Beim Tridymit ist umgekehrt die Basis die Hauptfläche, während die Zone der Polkanten der Pyramiden nur von untergeordneter Bedeutung ist. Die vor- herrschende Bedeutung von T beim Quarz und die untergeordnete Bedeutung der Polkanten der hexagonalen Grundpyramide beim Tridymit kommt auch noch in anderer Weise zum Ausdruck. Die Periode T bewirkt, wie zu Anfang nachgewiesen wurde, die Ab- weichung des Quarzes von regulären Dimensionen, also die Bevor- zugung der einen Oktaedernormalen vor den drei anderen. Es ist beim Quarz kein Fall bekannt, daß etwa bei einem Zwilling die Hauptachse des einen Individuums der Richtung der einen Okta- edernormalen. die des anderen Individuums einer der drei anderen Richtungen der Oktaedernormalen entspräche. Beim Tridymit da- gegen ist kaum ein Kristall zu beobachten, bei welchem das nicht der Fall wäre. Beim Cristobalit wiederholt sich dieser Wechsel sogar so häufig und innig, daß er (bei höherer Temperatur) regulär erscheint. Der die Bevorzugung nur einer Oktaedernormalen be- dingende Einfluß der Polkanten der Pyramiden ist also beim Tridymit bezw. Cristobalit sehr gering, während die Richtung g hier eine größere Bedeutung gewinnt. Wie beim Quarz so stellen auch bei den übrigen bisher von W. L. und W. H. Bragg untersuchten Kristallen die auf Grund 4er Durchleuchtung mit Röntgen strahlen abgeleiteten Strukturbilder die Schnittpunkte des Systems der bevorzugten Paralleloeder, also nur Teilsysteme der Atomanordnungen, dar. So z. B. müßte das KCl nach W. L. Bragg holoedrisch regulär sein, während seine Zugehörigkeit zu einer meroedrischen Klasse doch kaum in Zweifel gestellt werden kann. Weitere sehr interessante Beispiele bilden 240 J. Beckenkamp, die rliomboedrisclien Carbonate, welche im nächsten Band der Kristallographie ausführlicher besprochen werden sollen. Aus dem Verhältnis der relativen Atomabstände zu den Atom- gewichten schloß Verf. (Zeitschr. f. Krist. 1906. 42. p. 466 u. ff.), daß von den Atomen Schwingungen ausgehen , welche sich mit der Lichtgeschwindigkeit im Raume ausbreiten. Die von den einzelnen Atomen ausgehenden Wellen kommen miteinander zur Interferenz, so daß sich ein System von Knotenpunkten bildet, zwischen welchen stehende Wellen zustande kommen. Die Atome verhalten sich hierbei wie elastische Stäbe, deren Knotenpunkte festgehalten werden. Die Schwingungszahl eines transversal schwingenden elastischen Stabes ist n = C — p- wobei C eine Konstante, d die Dicke des Stabes in der Richtung der Primitiv- bewegung, 1 dessen Länge, g die Gravitation, E den Elastizitäts- koeffizienten der Stabmasse und s deren spezifisches Gewicht be- deuten; n ist also von der Breite des Stabes unabhängig, d. h. Stäbe von sonst annähernd gleichen Eigenschaften, aber verschiedener Breite, haben annähernd gleiche Schwingungszahl, also annähernd gleiche Wellenlänge ihrer Eigenschwingung. Aus dem Verhält- nisse der Atomgewichte zu dem relativen Atomabstande bei iso- morph sich vertretenden Atomen kann man also schließen, daß diese sich verhalten wie Stäbe von annähernd gleicher Länge und Dicke, sowie gleicher Masse, aber verschiedener Breite. Ent- sprechend dem in der Kristalloptik des Verf.’s (p. 24) angedeuteten Prinzip ordnen sich die Atome so, daß die Knotenpunkte des Atoms mit Knotenpunkten des Systems der stehenden Wellen zusammen- fallen. Ist k (Fig. 4) der Abstand zweier benachbarter Knoten- Fi*. 4. punkte, so liegen Knotenpunkte auch in den Abständen 2 A, 3 L etc. ; der Punkt 3 kann sich aber nur dann gleichzeitig im Abstande h vom Punkt 2 und im Abstande 2 / vom Punkt 1 befinden, wenn er mit 2 und 1 in einer geraden Linie liegt. Die gleich- artigen Atome ordnen sich deshalb in geradlinigen Netzlinien. Eine Wellenbewegung, für deren Fortpflanzung die Netzlinien parallel zu den horizontalen Kanten g des Quarzes ge- eignete Punktabstände besitzen, muß auch auf Netzlinien parallel zu den Kanten T wegen des annähernden Verhältnisses 2 : 3 ge- eignete Punktabstände finden und umgekehrt. Die Netzlinien T und g sind deshalb für den Quarz die wichtigsten Strukturlinien. Verf. setzt voraus, daß ebenso, wie alle Körper fortwährend von Wärmeschwingungen durchdrungen sind, welche die Atome Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. 241 als Ganzes oszillatorisch bewegen, in den Kristallen auch stets Schwingungen mit außerordentlich viel kleineren Wellenlängen vorhanden sind, welche nicht die Atome als Ganzes, sondern die Teile des Atoms in gegenseitige Vibration versetzen, und deren Schwingungszahl den obigen Bedingungen entspricht, während die zugehörigen Wellenlängen nach obigem die (schon länger bekannte) Größenordnung der Atomabstände haben müssen. Diese kurzwelligen Schwingungen gehören wie die Wärmeschwingungen zum kinetischen Energie- inhalt des Kristalls. Wie die Zunge einer Zungenpfeife jede be- liebige Windbewegung, so wandeln nach Ansicht des Verf.’s die Atome im Kristallverbande einen Teil der fortwährend eintretenden und wieder aus dem Kristall austretenden Bewegungen in periodische, zu ihren Eigenschwingungen passende Bewegungen um und lassen die so entstehende kurzwellige Schwingung infolge der durch die Atomabstände bedingten Resonanz zu einer hohen Intensität an- schwellen; während sich im Innern des Kristalls ein stationärer Zustand dieser Wellen herausbildet, verlieren sich die kurzwelligen Schwingungen sehr rasch, wenn sie den Kristall verlassen haben, so daß sie auch in nur mikroskopisch wahrnehmbaren Abständen vom Kristall unter normalen Verhältnissen nicht mehr nachweisbar sind. Außer der Schwingung mit der Grundwellenlänge gehen von jedem Atom auch noch Wellen aus, deren Länge ein Multiplum der Grundwelle ist, und diese verschiedenen Wellenarten überlagern sich gegenseitig. Sehen wir von den Bewegungen der Atome infolge der eigentlichen Wärmeschwingungen ab, so liegen strenge Ruhe- punkte nur da, wo die Knotenpunkte der kürzeren Wellen zugleich Knotenpunkte der multiplen Wellen sind. Diese Punkte bilden also bevorzugte Knotenpunkte. Vielleicht darf man voraussetzen, daß die bevorzugten Knotenpunkte auch den eigentlichen Wärme- schwingungen ein größeres Beharrungsvermögen entgegensetzen. Sie bedingen deshalb bei der Durchleuchtung der Kristalle mit Röntgenstrahlen die schärfsten Interferenzpunkte. Vorstehende Betrachtungen führen zu folgenden Definitionen: Wirksame Netzlinien nennt Verf. solche Geraden in einem Kristall, auf welchen die Abstände der Atomknotenpunkte in einem annähernd einfachen Verhältnisse zu den Wellenlängen der Atomeigenschwingungen stehen. Eine Kristall fläche enthält zwei oder mehrere wirksame Netzlinien. In einem Zwillingskristall bleibt ein Teilsystem der Atomknotenpunkte über die Zwillingsgrenze hinaus homogen, und dieses bestimmt somit auch ein über die Zwillingsgrenze hinaus homogen bleibendes bevorzugtes Paralleloedersystem. Die Zwillingsgrenzen enthalten ein Maximum von Knoten- punkten des bevorzugten Paralleloedersystems und stehen zur Zwil- Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 1 6 242 J- Beckenkamp, Paralleloedersysteme und Röntgenstrahlen. lingsebene senkrecht, bezw. zur Zwillingsachse parallel; die Knoten- punkte des bevorzugten Paralleloedersystems bestimmen bevor- zugte Netzlinien. Betrachten wir die ditrigonal-skalenoedrische Klasse als eine Holoedrie, so hat das System der bevorzugten Molekülschwerpunkte holoedrische Symmetrie, während die Meroedrie durch das Gesamtsystem der Atome bedingt wird. Als Verf. die Grundlagen der vorstehend angedeuteten kine- tischen Theorie der Kristalle aufstellte (1906), waren noch keine Wellenlängen von der postulierten Größenordnung nachgewiesen. Erst später (vergl. Kristalloptik, p. 483) wurde erkannt, daß die bereits 1895 entdeckten Röntgenstrahlen auf elektromagne- tische Schwingungen von dieser Größenordnung zurück- zuführen sind. Während wir vorhin aus den Zwillingsgrenzen eindeutig auf das bevorzugte Paralleloeder mit den Perioden 9 dg in der Rich- tung g, 4 So in der Richtung o und vor allem mit der Periode der Diagonalen T aus diesen beiden (nach Länge und Richtung) schlossen, erkennen wir nunm ehr, daß Röntgenstrahlen mit den entsprechenden multiplen Längen das bevor- zugte Paralleloedersystem und Röntgenstrahlen mit kürzeren Wellenlängen di e Atomabstände des Gesamt- systems erzeugen. Die Röntgenstrahlen mit multiplen Wellenlängen bestimmen somit Scharen von parallelen äquidistanten möglichen Zwillings- grenzen. Aus der großen Zahl möglicher Grenzebenen einer be- stimmten Schar bildet aber nur eine weit geringere, von Druck, Temperatur und Lösungsgenossen abhängige Zahl tatsächlich Zwil- lingsebenen. Ganz ähnliche Verhältnisse, wie vorhin beim Quarz, wurden vom Verf. schon früher (Kristalloptik, p. 633 u. ff.) für den Pyrit abgeleitet. Der Teilbarkeit nach dem Prisma und dem Rhombo- eder des Quarzes entspricht die Teilbarkeit nach dem Würfel und dem Pyritoeder des Pyrits ; den bevorzugten Kanten T der hexa- gonalen Bipyramide des Quarzes entsprechen beim Pyrit die bevor- zugten Kanten (in der Richtung 1) des Tetrakishexaeders oo02. Wie beim Quarz das dreiseitig prismatische Raumgitter für die Si-Atome, so wird beim Pyrit durch die genannten Eigenschaften ein vierfach kubisches Raumgitter als bevorzugtes Teilsystem der Fe-Atome eindeutig bestimmt. Der Verwachsung der homogenen Quarzinpartikel in drei um die Hauptachse gedrehten Orientierungen zur Quarzmasse entspricht eine Verwachsung der asymmetrischen homogenen FeS2-Masse um die vier trigonalen Achsen zur Pyrit- masse, ähnlich wie beim Cristobalit. W. Branca, Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 243 Über Paläontologische Hypothesen; Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung und Die Frage einer Teilung der Geologie— Paläontologie. Von W. Branca. Inhal t. Teil I. Bewertung einer Schmähschrift 0. Jaekel’s. Zweck meiner Ausführungen. 1. Wissenschaftlicher Wert der zahlreichen paläontologischen Hypo- thesen 0. Jaekel’s. Schlußfolgerungen. Urteile von anderen Geologen — Paläontologen und von Zoologen über diese Hypothesen. 2. Jaekel’s Behauptung vom angeblichen „Tiefstände“ der Paläonto- logie bei uns. Verhältnisse in anderen Staaten. 3. Sollen, wie Jaekel will, größere paläontologische Sammlungen von den Institutssammlungen als „Museum“ abgetrennt werden? Teil II. 4. Wie sind in Deutschland die Aussichten für eine Teilung in der Geologie — Paläontologie ? 5. Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung; Urteile anderer Forscher. 6. Die notwendige Vorbildung der reinen Paläozoologen, Paläobotaniker und allgemeinen Geologen bei einer Teilung. 7. Verdrehungen meiner Worte durch Jaekel. I. Bewertung einer Schmähschrift Jaekel’* *. Als vor etwa 14 Jahren L. Plate anderer wissenschaftlicher Ansicht Ausdruck gegeben hatte, als 0. Jaekel sie vertrat, da glaubte Jaekel sich berechtigt, die Objektivität Plate’s in dieser Sache anzweifeln zu dürfen, so daß Plate gezwungen war, eine Blütenlese dieser ungerechtfertigten Schmähungen seiner Person niedriger zu hängen V Ganz dasselbe widerfährt nun Pompeckj und mir durch Jaekel 2, die wir in einer anderen wissenschaftlichen Frage anderer Ansicht sind als er. In dem vollständigen Unvermögen, etwas 1 Biolog. Centralbl. 1903. p. 665. * 0. Jaekel, Zur Abwehr von Angriffen des Herrn J. F. Pompeckj gegen mich und meine Stellung in der Wissenschaft und in der paläonto- logischen Gesellschaft. 16 p. 244 W. Branca, Sachliches gegen die erst von mir1, dann von Pom- peckj2 in ziemlich übereinstimmender Weise begründete Art und Weise einer etwaigen Teilung unseres Wissens- gebietes vorzubringen, verwendet er gegen uns dieses vermeintliche Beweismittel der Verdächtigung unserer Sachlichkeit. An weitere und einflußreiche Persönlich- keiten verschickt, soll das seine Sache fördern3: Das, was „Pompeckj und Branca“ und „gewiß auch manche deutsche Geologen befürworten“, so schreibt Jaekel, täten wir nur aus „persönlichen Interessen und Neigungen“. Pompeckj’s Schrift über diese Frage sei „ganz besonders intrigant“. Pompeckj habe sich dem von mir eingenommenen Standpunkte angeschlossen, „was wohl kein Kenner der Verhältnisse anders erwartet haben wird“, womit natürlich 0. Jaekel wiederum solche angeblichen persönlichen Beweggründe andeuten will. Dazu verdreht er wieder- holt4 Dinge, die ich in gar nicht mißzuverstelienden Worten ge- schrieben hatte, in ihr Gegenteil 5, und sucht mit der Behauptung von dem angeblichen „Tiefstand“ der Paläontologie in Deutsch- land zu schrecken und seine für die Historische Geologie verderb- lichen Pläne zu fördern. Ich komme später auf diese Dinge zurück. Es geht aus diesem Verhalten Jaekel’s gegen Plate wie gegen uns übereinstimmend hervor: Wer es wagt, in wissen- schaftlichen Fragen anderer Ansicht zu sein als 1 W. Branca, Über die Abtrennung der Paläontologie von der Geo- logie. Natur w. Wochenschr. von Potoniü und Korber. Bei Fischer in Jena. 25. Neue Folge. 9. 1910. p. 113 — 115; — , Über das Verhältnis der Geographie zur Geologie — Paläontologie und die Frage einer Teilung der Geologie — Paläontologie. Zeitschr. der deutsch, geolog. Ges. 65. 1913. Monatsber. 11. 10 p. 2 J. F. Pompeckj, Zum Streit um die Trennung der Paläontologie von der Geologie* Stuttgart, Schweizerbart, 1915. 3 Jaekel sucht diese merkwürdige Art und Weise seines Vorgehens damit zu erklären, daß er zurzeit im Felde stehe, wo man die Worte nicht so wäge. Ich habe indessen bisher nur erfahren, daß es unsere Gegner sind, die in solcher Weise vorzugehen belieben, während die Deutschen sich solchen Tuns enthalten. Da ich selbstverständlich rein sachlich ant- worte, so bleibe ich auch bei der in Deutschland bei wissenschaftlichen, also rein sachlichen Arbeiten üblichen Methode, den Namen des Gegners ohne das „Herr“ zu nennen, das Jaekel Pompeckj und mir gegenüber anwendet. * 0. Jaekel, Über die Abgrenzung der Geologie und Paläontologie. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 66. 1914. Monatsber. p. 316 — 324. 5 wie ich in Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 67. 1915. Monatsber. 4. p. 153 — 158 eingehender gezeigt habe in: W. Branca, Berichtigungen zu 0. Jaekel’s Aufsatz über die Frage einer Teilung der Geologie — Paläontologie. Hier ist auch der später mehrfach erwähnte Brief von Koken’s abgedruckt. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 245 Jaekel, dessen Sachlichkeit wird von ihm öffentlich verdächtigt, der wird von ihm beschimpft. Wenn Jaekel seiner persönlichen Würde so viel vergibt, so kann ihn niemand daran hindern. Ich aber vermag nicht, ihm auf dieses Gebiet zu folgen. Ganz kurz und völlig unpersönlich will ich zunächst jene Schmähungen abtun. Leichtherzig schleudert Jaekel, der anderen Vorwürfe gar nicht zu gedenken, gegen uns den schwersten Vor- wurf, den man einem Gelehrten machen kann: In einer wissen- schaftlichen Streitfrage aus persönlichen Gründen geurteilt zu haben, anstatt aus sachlichen. Diese Anwürfe Jaekel’s gegen uns sind — ich finde kein unpersönlicheres und passenderes Wort — ebenso unbegründet wie beleidigend. Gewiß gibt es viele Fragen, über die verschiedene Menschen, aus sachlichen Gründen, verschiedener Ansicht sein können. Aber in der vorliegenden Frage ist die Richtigkeit der von mir befürworteten und begründeten Ansicht ja auf der H a n d 1 i e g e n d : Es ist so sonnenklar, 1 . daß die Teilung zwischen einerseits Allgemeiner Geologie und andererseits Historischer Geo- logie -f- Paläontologie sachlich viel dringlicher ist — weil es sich um viel heterogenere Dinge handelt — , als die zwischen Geologie und Paläontologie; 2. daß die Historische Geologie der paläonto- logischen Forschung so zahlreiche Aufgaben zu stellen hat, daß sie auf das engste mit der Paläontologie verknüpft ist und auch dann bleiben muß, wenn eine reine zoologische bezw. botanische Paläontologie abgetrennt wird; 3. daß ein solcher reiner Paläo- zoologe (bezw. Paläobotaniker) dann aber in Zoologie (Botanik), Anatomie, Embryologie, Physiologie ebenso erfahren sein muß wie ein Zoologe (Botaniker). Ich sage, das alles ist so sonnenklar, daß nur 0. Jaekel diese unsere Ansicht als „aus persönlichen Interessen“ hervorgegangenverdächtigenkann. Und eben darum, nicht aber aus irgendwelchen anderen, selbstsüchtigen, von Jaekel dunkel angedeuteten Gründen konnte sich auch Pompeckj auf gar keinen anderen Standpunkt stellen als den meinen; und eben darum auch ist Pompeckj nicht „ganz besonders intri- gant“, sondern nur rein sachlich verfahren; auch darin ferner sachlich verfahren, daß er auch den paläonto- logisch arbeitenden Historischen Geologen neben den reinen Paläozoologen einen Einfluß auf die von Jaekel neu gegründete paläontologische Zeitschrift, allerdings sehr gegen Jaekel’s Willen , zu sichern sich bemüht hat; auch darin endlich sachlich verfahren, daß er damit auch der nüchternen Forschung, gegen- über der Neigung Jaekel’s zu gewagtesten Hypothesen, ihr Recht in dieser Z eit s dir i ft zu wahren suchte. 246 W. Bianca, Übrigens haben sich auch von Koken seinerzeit brieflich 1, G. Steinmann2 und E. Daque3 in öffentlichen Schriften gegen die gänzliche Abtrennung der Paläontologie von der Geologie ausge- sprochen, und nicht „manche“, wie Jaekel sagt, sondern wohl fast alle Geologen werden uns beipflichten. Ich komme darauf in Teil II zurück. Zweck meiner Ausführungen. Wenn es sich nur um unsere Person handelte, würden wir die Achseln über Jaekel’s Angriffe zucken, und damit wären Jaekel’s Schmähungen abgetan. Aber hier handelt es sich um die Sache, um die Bedrohung der Historischen Geologie, die in paläontologischer Hinsicht zu einer bloßen Leitfossilienkunde herabsinken würde, wenn Jaekel’s Pläne durchgeführt würden. Diese Gefahr aber liegt leider vor, denn er hat wiederholt bewiesen, daß er selbst maßgebendste Stellen für sich in Bewegung zu setzen versteht. So zwingt mich die Sache, trotz tiefer persönlicher Abneigung gegen weiteres Streiten, doch zu reden. Teil I. 1. Wissenschaftliche Bewertung der zahlreichen paläonto- logischen Hypothesen Jaekel’s. Wenn Jaekel sich in dieser Frage so turmhoch über die Andersdenkenden stellt, daß er deren — wie jeder Fachmann sofort erkennt — aus rein sach- lichen Gründen erfolgtes Urteil kurzerhand durch aus- gesprochene persönliche Schmähungen vernichten zu dürfen wähnt, dann ist es wohl dem so Angegrif fenen gestattet, zu prüfen, ob denn Jaekel’s Leistungen auf dem Gebiete der reinen Paläontologie ihm eine alle anderen deutschen Forscher so überragende Stel- lung gewähren, daß er derartig gegen die Sache der Historischen Geologie auftreten darf; und zu prüfen, ob er als der berufene Wortführer in diesen die Geo- logie und Paläontologie so tief berührenden Fragen mit Recht angesehen werden darf oder ob das nicht der Fall ist. 1 Siehe Anm. 5 p. 244. 2 G. Steinmann, Geologie und Paläontologie an den deutschen Hoch- schulen. Geol. Rundsch. 1910. 1. p. 42. 3 E. Dacque, Grundlagen und Methoden der Paläogeograpbie. Jena 1915. p. 385. Anm. 2: „Ich könnte es also nur bedauern, wenn man daran gehen wollte, selbständige Lehrstühle für Paläontologie zu errichten, ohne daß gleichzeitig auch die Lehr- und Forschungspflicht für Stratigraphie und Paläogeographie damit verknüpft würde.“ Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 247 Diese Prüfung aber wird mir um so mehr gestattet sein, als ja 0. Jaekel, dessen Schriften mehr und mehr von Hypothesen kühnster Art erfüllt werden, gegen solche von Steinmann auf- gestellten Hypothesen nachweislich in einer so schroffen und ver- nichtenden Weise sich ausgesprochen hat, wie sie schärfer gar nicht möglich ist1. Es liegt mir fern, den Wert der tatsächlichen Beobachtungen Jaekel’s an den von ihm untersuchten fossilen Formen schmälern zu wollen. Sie stehen aber durchaus nicht höher als die tüchtigen Arbeiten zahlreicher anderer paläontologischer Forscher. Indessen, das ist nur die eine und namentlich die frühere Seite seiner wissen- schaftlichen Tätigkeit; deren andere, in späterer Zeit sich mehr und mehr vordrängende Seite aber liegt, wie schon angedeutet wurde, auf dem Gebiete der Hypothesen und Spekulationen; und gerade in allerneuster Zeit tritt uns in seinem Buch über die Wirbeltiere zusammengefaßt eine überwältigende Fülle von solchen entgegen, in denen er oft das Gegenteil der Anschauungen lehrt, zu denen Zoologie und vergleichende Anatomie auf Grund doch wahrlich sorgsamer Untersuchungen gelangt sind , Hypothesen , die z. T. reichlich ebenso allen gewohnten Anschauungen ins Gesicht schlagen, wie jene soeben erwähnten, von Jaekel so sehr stark getadelten. Aber seine Hypothesen sind nicht nur z. T. höchst gewagt, sondern sie zeigen auch nicht selten ein sehr lebhaftes Wechseln seiner wissenschaftlichen Anschauungen, so daß er dann heute das diametrale Gegenteil von dem lehrt, was er kurz vorher gelehrt hatte. Dazu gesellt sich, besonders in dem Buche über die Wirbel- tiere, noch eine ganze Anzahl von Ungenauigkeiten. Ich will nun einen Teil seiner Hypothesen hier kurz und mit seinen eigenen Worten vorführen, und zwar nur solche, deren Berechtigung er bis zur Gegenwart vertritt. Durch gesperrten Druck hebe ich einzelnes hervor von dem, was Jaekel gesagt hat; das erübrigt dann weitere Bemerkungen. Bei einem Teile der zitierten Stellen lasse ich kurze Bemerkungen folgen, die ich durch anderen Druck als von mir her- rührend kennzeichne. a) Hypothesen als Grundlage für phylogenetische Schlüsse. Die Art und Weise, in der sich Jaekel die Entstehung ge- wisser neuer Formen vorstellt, geht aus seinen folgenden Worten hervor: „Wenn Formen ihre Lebensweise, durch äußere Momente bedingt, änderten, oder wenn einzelne Spezialisierungs- prozesse tiefgehende Spannungen in der Harmonie der Teile bewirkten, dann erfolgen aus Jugendstadien heraus Umschläge der Organisation, mehr oder weniger plötzliche Ände- 1 Dies. Centralbl. 1908. No. 15. p. 471. 248 W. Branca, rungen der Entwicklung1, die ich als Metakinese bezeichnet und begründet habe1.“ Es sind das also „Hemmungsbildungen“, „Rück- schläge “, Reproduktionen atavistischer Zustände“ oder mit anderen Worten Vorgänge eines sekundären Stehenbleibens auf einem niederen Zustand' (, miogenetische [epistatische] Rück- bildungen'), und sofern sie sprungweise Entwicklung ergeben, Meta- kinesen. „Metakinetische Änderungen“ sind eine „Umschiittelung“, eine fast gewaltsame, jedenfalls tief greifende Um- gestaltung einer Form, die selbstverständlich nicht im er- wachsenen Zustand derselben denkbar wäre, sondern nur in frühen Jugendstadien erfolgen kann, in denen die einzelnen Organe noch nicht histologisch spezialisiert sind und deshalb noch eine mehr oder weniger selbständige Plastizität besitzen2 3. Gegen solche und andere Anschauungen hat sich schon Plate völlig vernichtend ausgesprochen 3 (s. p. 243). Nur das Folgende sei noch kurz bemerkt: Embryonales Stehenbleib en , Stehenbleiben auf einem niederen Zustande, Hemmungsbildungen , Rückschläge und Reproduktion atavistischer Zu- stände sind doch durchaus nicht dasselbe, sondern streng feststehende, spezifische Begriffe. Unter Rückbildung versteht man z. B. ein Minder- ivertigwerden in Form und Funktion, z. B. des Larvenschwanzes bei der Entwicklung des Frosches ; unter Atavismus aber das Neu- erscheinen von Merkmalen der Voreltern bei ihren Nachkommen , wenn letztere normalerweise diese Merkmale nicht mehr besitzen ; und sie sind nur dann embryonale Hemmungsbildungen , wenn der Embryo sie noch regelrecht vorübergehend zur Ausbildung bringt. b) Hypothesen über den Knorpel. Weiter lehrt Jaekel, der Knorpel sei ein rein embryonales Gewebe, der Knochen entstehe phylogenetisch unmittelbar aus reinem Bindegewebe; und er folgert dann daraus, daß bereits die Up wirb eltiere ein Knochenskelett gehabt hätten, und daß alle Wirbeltiere, die ein Knorpelskelett be- sitzen, von Tieren mit Knochenskeletten abstammen. Er sagt in dieser Beziehung: „Der Knorpel hat nur eine embryonale Bedeutung, indem er sozusagen als billiges Surrogat provisorisch den Leistungen zu genügen sucht, die bei der Anlage der Organe , vor allem des Muskelsystems , an die 1 Wirbeltiere, p. 4. 2 Jaekel, Über verschiedene Wege phylogenetischer Entwicklung. Fischer, Jena 1902 ; Wirbeltiere p. 4 usw. 3 Wissenschaft. Wochenschr. 1902. No. 9. p. 101 — 103. Ferner Plate, Theoretische Streitfragen, eine Rechtfertigung meiner Kritik der Schrift von Professor Jaekel: Über verschiedene Wege phylogenetischer Entwicklung. Biolog. Centralbl. 1903. p. 665, 704, 741. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 249 Knochen gestellt werden, und hat den Zweck, den Raum für die spätere Knochenanlage im Embryo zu reservieren und wird da- durch seiner phylogenetischen Bedeutung entkleidet. Den Knochen ging stammesgescliichtlicli nur Binde- gewebe voran.“ Auch die Chorda ist „nur ein provisorisches Gewebe, das sekundär in die Schädelkapsel eingedrungen zu sein scheint“. Ferner heißt es, „die Skelettbildungen, die bei älteren Vertretern einzelner Fischklassen noch typische Knochenstruktur besitzen, verlieren diesen Charakter und bleiben entweder in einem knorpeligen Zustand (Placoidei oder Knorpelfische) oder nehmen, wie bei den Teleostiern, einen Chondroiden-Charakter an“1. Es gibt daher nach Jaekel „eine miogenetische Persistenz des Knor- pels“ (1913); und Haie und Teleostier stammen des- halb nach ihm von reinen Knochenfischen ab2. Bisher ist es die allgemeine Ansicht der Zoologen {Anatomen) und Paläontologen , dass die Ontogenie in ihren Grundzügen häufig die Wiederholung der Phylogenie ist. Wenn also in der Entwicklung des Individuums heim Embryo sich ein knorpeliges Skelett bildet und darauf an dessen Stelle der Knochen tritt, so ist es tvahrscheinlich, dass die Ur 'Wirbeltiere ein Knorpelskelett gehabt und erst die späteren Wirbeltiere ein Knochenskelett bekommen haben. Jaekel stellt also diese Beihenfolge auf den Kopf, er lehrt das diametrale Gegenteil von dem bisher als richtig Erkannten. Wenn Jaekel’s Anschauung berechtigt wäre, dann würde doch die Frage entstehen , woher denn die heutigen Embryonen ihr hoch entwickeltes Knorpelskelett haben? Bas wäre nach seiner Anschauung ebenso schwer verständlich , wie es nach der bisher allg emein g eltenden Anschauung leicht ver stündlich ist, und letztere Tatsache ist ein schwer- wiegender Wahrscheinlichkeitsbeweis gegen Jaekel. Gewiss, die Beckknochen sind nicht knorpelig vorgebildet. Aber, die Verallgemeinerung dieser Tatsache auf alle Knochen , wenn auch natürlich denkbar — - was alles wäre nicht denkbar ? — , ist doch überaus kühn und wäre nur durch triftige Beweise zur Geltung zu bringen. Bie inneren Knochen sind wohl stets oder zumeist knor- pelig vorgebildet. c) Hypothese über das Entstehen des knöchernen Binnenskelettes. Nach Jaekel ist das Binnenskelett der Knochentiere im wesent- lichen durch die Einwanderung aus der Haut in das Innere ent- standen. Wie die Schädelknochen und die Schlüsselbeine, so läßt er auch die Rippen von der Haut in das Körperinnere einwandern. 1 Wirbeltiere p. 27. * Vergl. auch: Über den Bau des Schädels. Verh. Anatom. Ges. 1913. p. 3, 4, 19. 16* 250 W. Branca. „Eine Verschiebung dermaler Skeletteile in das Innere des Körpers ergibt sich unmittelbar aus nachstehender Zusammen- stellung verschiedener Wirbel und Rippenformen (Fig. 3). Nicht der Dornfortsatz“ (der Schildkröten wirbel, gewisser Dinosaurier usw.) „bildet einen Auswuchs der oberen Bögen, sondern die oberen oder das Paar oberer skulpturierter Platten“ (die Neuralplatten) „bilden den morphogenetisch ältesten und primären Teil der oberen Bögen, und diese letzteren, soweit sie nach unten reichen, sind absteigende, das Neuralrohr um- fassende Fortsätze der Dorsalplatten.“ „Die soge- nannten Costalia der Schildkröten sind nicht sekundär aufgelagerte Neubildungen der Haut, sondern sind die primären Teile der Rippen, die sich zuerst mit ihrem Kopf am Wirbel, dann auch mit ihrem übrigen Bogenstück immer tiefer in den Körper einsetzen, bezüglich durch die Inte rcostal - Muskulatur hinein- gezogen werden.“ Diese Anschauungen faßt er dann zu- sammen in den Worten: „Somit glaube ich, daß wir die prin- zipielle Unterscheidung von Haut- und Innenskelett aufgeben müssen 1. “ In dieser Lehre schliesst sich Jaekel nur der von Klaatsch und, einigen anderen vorher angenommenen Vorstellung an , nach der das gesamte Skelett der Wirbeltiere , soweit es aus Knorpel und Knochen besteht, vom äusseren Keimblatte ausgeht : Eine Anschauung, die aber nach dem Widerspruche von Rabl und anderen keinen Anklang bei den Forschern in der Anatomie gefunden hat2. Es ist doch von Jaekel sehr gewagt , solche ganz unsicheren Dinge als gesichert oder auch nur als ivahrscheinlich in die Paläontologie einführen zu wollen. Alle zurzeit massgebenden Zoologen und Anatomen unterscheiden jedenfalls bis jetzt auf Grund embryonaler und vergleichend anatomischer Untersuchungen ein im Mesoderm entstehendes Binnenskelett des Tieres und ein in der Haut nur zuweilen entstehendes Hautskelett, das unter Umständen zu dem zugehörigen Binnenskelett in enge Beziehungen treten kann. Jaekel behauptet also auch hier im Gegensatz zu fast allen Autoren, und ohne Beweise dafür bringen zu können, das diametrale Gegenteil, indem er sagt , dass das Binnenskelett unmittelbar von der Haut aus in das Innere einge- wandert sei, also nicht im Mesoderm entstehe ; obgleich es doch bewiesen ist , dass es sich anders verhält. Die Hypothese Jaekel’s führt aber folgerichtigerweise auch noch zu den folgenden Schlüssen : Bei Schildkröten und gewissen Dinosauriern sollen nach ihm die Neuralbögen der Bumpfwirbet [damit aber logischerweise auch diese Wirbel selbst) und die Rippen etc* 1 Über den Bau des Schädels. Verh. Anatom. Ges. 1913. p. 6. 2 Morpholog. Jahrb. 1894 und Verh. Anatom. Ges. 1894, 1895. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 251 vom Haut skelett aus in den Körper einwandern. Folglich müsste doch die Knochenschale dieser Tiere das primitive Skelett aller höheren Landwirbeltiere sein oder , weil es im wesentlichen ein Hautskelett ist , diesem sehr nahe stehen. Folglich also fängt nach Jaekel’s Anschauung erst bei den Schildkröten eigentlich das Binnenskelett der höher en IVirbeltiere zu entstehen an. Biese unhaltbaren Folgerungen ergeben sich aus Jaekel’s Hypothese. d) Hypothese über direktes Atmen eines Gehirns. Wohl noch niemand ist bisher auf die Vorstellung' gekommen, daß das Gehirn der niederen Wirbeltiere ein eigenes selbständiges Atmungsorgan gehabt habe. Jaekel aber spricht das aus. Er sagt in dieser Beziehung über einen fossilen Fischschädel: „. . . und bemerke zu der rautenförmigen Grube hinter den brillenartig ge- stellten Augen, daß ich sie für ein provisorisches Organ für den Stoffwechsel des Gehirns ansehe“. Wie das gemeint ist, geht auch aus der Unterschrift der betreffenden Abbildung hervor, welche den Wortlaut hat: „Schädeldach eines sibirischen Fisches, Thyestes verrucosus F. Schmidt; vorn eine unpaarige Nasengrube’ dahinter die Augen mit der zwischen ihnen gelegenen Epidyse (Ausdruck Jaekel’s) dahinter ein medialer Durchbruch, in dem vielleicht ein Atemorgan des Gehirns lag.“ „Ein Organ, das möglicherweise zum direkten Gasaustausch des primi- tiven Gehirns gedient haben könnte, naturgemäß durch Ver- mittlung eines Gefäßgeflechtes an dem Dach des Gehirns \ “ Mit demselben Bechte, mit dem Jaekel hier eine direkte Atmung des Gehirns bei diesem und gewissen anderen Fischen annimmt, könnte man ja auch annehmen, dass das Gehirn des Menschen nach der Ge- burt durch die Fontanellen des Schädels direkt atme und dass dann mit dem Scliliessen der Fontanellen die Atmung auf höre! Wie man auf zoologischer und anatomischer Seite über die hier oben mitgeteilten und andere Hypothesen Jaekel’s geurteilt hat , geht auch aus der Diskussion hervor , die sich in der betr. Sitzung der Anatomischen Gesellschaft dem Vortrage Jaekel’s anschloss. So hat Herr Röthig ausdrücklich Verwahrung eingelegt gegen „ die Ge- fahr einer Märchenbildung innerhalb der Gesellschaft “ dahin gehend, dass er etwa den Hypothesen Jaekel’s zugestimmt haben könne. Es ist wohl kein Zweifel, dass bei objektiver Ab- wägung diese Hy potliese Jaekel’s mindestens dasselbe Mass von ich will höflich sagen — Unbegreiflich- keit besitzt, wie diejenigen von Steinmann aufgestellten Hypothesen, über die Jaekel so vernichtend den Stab gebrochen hat (p. 247). 1 Über den Bau des Schädels. Verh. Anatom. Ges. 1913. p. 9 u. 19. 252 W. Branca, e) Hypothese über das Entstehen der Fischflossen. In dieser Beziehung äußert sich Jaekel in der folgenden Weise: „Ich glaube daher nicht, daß wir den historischen Aus- gangspunkt der Wirbeltiere bei Anneliden oder Rotatorien zu suchen brauchen, sondern auch an höhere Crustaceen denken und deren Organe als Ausgangspunkt näherer Vergleiche mit denen der Wirbeltiere nehmen dürfen.“ Demzufolge vergleicht Jaekel die Schwimmbeine der Krebslarven im Naupliusstadium mit den Flossen der Fische. „Der Hauptunterschied läge dann nur darin, daß die Wirbeltierextremität distal geschlossen wäre, ein Vorgang, dessen Entsteinung wohl eher bei laufender als bei schwimmender Funk- tion der Extremitäten zu erklären wäre1.*“' Jaekel folgt hier einem Gedankengange , der einmal von eng- lischer Seite eingeschlagen war , aber aus triftigen Gründen keine Gläubigen weiter gefunden hatte. Wohl nur Jaekel geht ihm nach. Er übersieht aber nur dabei, dass schon laufende Krebse keine Schwimmbeine besitzen. Aber der Hauptunterschied zwischen den Schwimmbeinen der schwimmenden Krebslarven und den Fischflossen liegt ja gar nicht darin, dass die letzteren „ distal geschlossen sind“ , sondern darin , dass die Naupliusbeine gespaltene Körperanhänge , verästelte reine Hautgebilde sind , die ein ihre Aussen Seite umhüllendes Chitinskelett haben , wogegen die Fischflossen ein verästeltes knorpeliges oder knöchernes Binnenskelett besitzen, das in einer Hauttasche steckt ; die aussen nicht durch ein Chitinskelett gestützt ist. Hie von Jaekel betonte angebliche Verwandtschaft zwischen den Schivimmbeinen jener Krebslarven und diesen Fischflossen ist mithin höchstens eine rein aus s erliche Ähnlichkeit! Gerade auf solche äusserlichen Ähnlichkeiten aber hatte der von Jaekel so vernichtend kritisierte Kollege (p. 247) seine Spekulationen über den Zusammenhang der Tier- formen gegründet. Aber es ist sogar fraglich, ob man hier auch nur von einer äusserlichen Ähnlichkeit sprechen darf, da, äusserlich betrachtet , dort die gespaltenen Füsse, hier die distal geschlossenen Extremitäten vorhanden sind. f) Hypothesen und wechselnde Anschauungen über die Glied- maßen von Archaeopteryx, Pterosauriern und Vögeln. Zunächst in einer Betrachtung über Archaeopteryx äußerte Jaekel sich in der folgenden Weise2: „Nach den neuesten Be- obachtungen einerseits an Embryonalstadien lebender Vögel3, andererseits an neuen Dinosaurierfunden von Halberstadt scheint mir kaum mehr zweifelhaft, daß der erste und zweite Finger reduziert werden, der dritte, mit schwacher 1 Über die Bedeutung der paarigen Extremitäten. 1909. p. 723. 2 Wirbeltiere. 1911. p. 168. Fig. 175 u. 189. 3 Vergl. Barfurth, Anatom. Anz. 1911. lieber Paläontologische Hypothesen etc. 253 Beteiligung des vierten und fünften, das eigentliche Fingerskelett des Flügels bildet.“ „Hiernach würde Archaeopteryx noch das Dinosaurierstadium repräsentieren, aber auch darin nur graduell von den jüngeren Vögeln unterschieden sein.“ Auch die Unterschrift unter der von ihm gegebenen Figur lautet: „ Archaeo- pteryx lithographica : An dem rechten Arm ist die dritte Zehe in normale Lage versetzt und die von mir vermuteten Finger IV und V mit punktierten Linien eingetragen.“ In diametralem Gegensatz dazu lehrt Jaekel aber auf Grund seiner Dinosaurierfunde 1915 1 : „Wenn auch einzelne Forscher die Spezialisierung der Vogelorgane so überschätzten, daß sie glaubten, ihren Ausgangspunkt bei noch primitiveren Reptilien als den Dino- sauriern suchen zu müssen, so können doch nur triadische oder jurassische Dinosaurier an den Ausgangspunkt der Vögel gestellt werden, und zwar solche, die wie die Vorfahren der Pterosaurier kleine Baumkletterer waren.“ „Sie standen den Plateo- sauriden nahe“; diese zieht Jaekel daher zum Vergleich heran und findet, daß bei Archaeopteryx und den Vögeln der erste bis dritte Finger die Federn tragen, also die funktionierenden sind. Ferner nimmt er nun für die Vögel einen rudimentären vierten Finger an, für Archaeopteryx, nach seiner Ab- bildung Fig. 6, einen vierten und fünften rudimentären. Kiirz vorher waren doch von Jaekel der erste und zweite Finger für reduziert erklärt; jetzt sollen aber der erste bis dritte die Federn tragen, also der erste und ziveite nicht reduziert sein. Die Abstammung der Vögel von niedrigstehenden, „kleinen, baumbewohnenden11 Dinosauriern , denen die jedenfalls grossen und nicht baumbewohnenden Plateosauriden angeblich nahestehen sollen, ist jedenfalls noch keineswegs so sicher bewiesen, dass man deshalb ohne weiteres die Vorclerfussverhältnisse der Plateosauriden auf die der Vögel von Archaeopteryx übertragen kann. Tut man es dennoch , so ist die Hypothese eben eine überaus gewagte. Des ferneren sagt er: „Die Pterosaurier sind wohl die Nach- kommen kleiner postpubicaler Dinosaurier.“ Wo ist der Beweis für diese Hypothese ? Endlich äußert er sich dahin: „Die längeren Metatarsen der Pterosaurier lassen auf größere Hüpffähigkeit schließen2.“ Warum denn? Solche sehr langen Metatarsen findet man nicht nur bei hüpfenden Tieren, sondern auch bei sehr gut laufenden, z. B. Pferden, Wiederkäuern, denen man doch tvahrlich kein Hüpfen zu- schreiben kann. Auch die Fledermäuse beweisen, dass flatternde Tiere nicht notivendig hüpfende sein müssen. (Fortsetzung folgt.) 1 Jaekel, Die Flügelbildung der Flugsaurier und Vögel. Anatom. Anz. 48. 1915. p. 15. 2 Die Flügelbildung der Flugsaurier und Vögel. Anatom. Anz. 1915. 254 P. Oppenheim, Zur Geologie der Strophaden. Von Pauä Oppenheim. (Schluß.) Clanculus corallinus Ghelia. Vergl. Sacco, Molluschi del Piemonte ecc. 21. p. 21. Taf. III Fig. 1. Locard, Coquilles marines des Cötes de France, p. 216. Fig. 191. Weinkatjff, Conchylien det Mittelmeeres. II. p. 350. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 409. Taf. L Fig. 1—4. Mehrere leidlich erhaltene Exemplare, die, wie meist bei dieser Art, noch die Farbe erkennen lassen. Die Type ist nach Sacco vom Tortonien bis in die Gegenwart verbreitet. Astralium, ( Bolma ) rugosum Liane. Sacco, I Moll, dei terr. terz. del Piemont ecc. p. 9. Taf. I Fig. 16 — 22. Locard, Coquilles marines des Cötes de France, p. 203. Weinkauff, Conchylien des Mittelmeeres. II. p. 346 u. 347. Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. I. p. 332. Taf. XXXVIII Fig. 1 — 11 ( Turbo rugosus L.). Diese häufigste, in allen Altersstadien vorhandene Art erreicht eine Höhe von 42 zu einem Breitendurchmesser von 50 mm. Es fanden sich auch die charakteristischen Deckel. 1 iissoina Bruguieri Pair. Weinkauff, II. p. 316. Locard, a. a. 0. p. 165. Fig. 141. Sacco, a. a. 0. 18. p. 35. Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. I. p. 260. Taf. XXXIV Fig. 1—5. Es sei mit Nachdruck bemerkt, daß auch hier die heute noch lebende Form vorliegt, die einzige, auch jetzt noch im Mittel- meere auftretende Rissoine, welche sich allerdings kaum verändert bis in das Miocän verfolgen läßt, nicht die ausschließlich pliocäne R. pusilla Brocc. h Bissoa ventricosa Desm. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 299. Locard, a. a. 0. p. 167. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 269. Taf. XXXI Fig. 11 — 15. Sacco, a. a. 0. 18. p. 19. Einige kleine Schalen von 5 — 6 mm Größe und 3 mm Breite. Die Art ist sehr häufig in der Litoralzone des Mittelmeeres. Sie 1 Sacco, a. a. 0. p. 35. Taf. I Fig. 98 und 98 bis. Zur Geologie der Strophaden. 255 findet sich auch im Oberpliocän von Rhodus und Sizilien ; ihre An- wesenheit im Mittelpliocän , aus dem sie nur von Castelarquato, nicht aus dem Piemont zitiert wird, scheint nach Sacco recht zweifelhaft. Cerithium ( Bittium ) scabrum Oeivi. Vergl. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 161. Locard, a. a. 0. p. 121. Sacco, a. a. 0. 17. p. 38. Taf. II Fig. 105 — 109 (. Bittium reticulatum da Costa). Bucquoy, Dautzenbeeg und Dollfus, I. p. 212. Taf. XXY Fig. 1 — 27 ( B . reticulatum da Costa). Ein noch im Gestein steckendes Bruchstück mit vier Knoten- reihen, am meisten an Fig. 107 bei Sacco erinnernd. Die Form ist bekanntlich vom Miocän bis in die Gegenwart verbreitet, und zwar nach Weinkauff1 „in Tiefen von 0 bis 180 Faden und in allen Medien vom reinem Seewasser bis zu fast süßem Wasser der Flußmündungen“ ; sie ist weit verbreitet im ganzen Mittelmeer und findet sich im Atlantischen Ozean von Norwegen bis zu den Azoren herab. Cerithium {Vulgocer ithium) vulgatum BitUG. Yergl. Sacco, Moll. terr. terz. del Piemonte ecc. 17. p. 6. Locard, Coquilles marines de Cötes de France, p. 114. Weinkauff, Conchylien des Mittelmeeres. II. p. 154. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 198. Taf. XXII Fig. 1—15. Ein Exemplar dieser im Pliocän wie in der Gegenwart so häufigen Form, welches etwa der von Locard als C. subvulgatum bezeichneten Form mit einer etwas geringeren Zahl von Naht- knoten angehören dürfte. Die Höhe beträgt 46, der Breitendurch- messer 1 5 mm. Cerithium mediterraneum Desh. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 443. Locard, a. a. 0. p. 115. Fig. 103 ( Cerithium rupestre Risso). Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 202. Taf. XXIII Fig. 1—8 ( C . rupestre Risso). Zahlreiche Exemplare dieser an die var. pulchella des Ceri- thium vulgatum erinnernden Form, die lebend im Mittelmeere nach Weinkauff „in stillen Buchten und Tümpeln in der Nähe der Wassergrenze“ auftritt. Die Art liegt mir subfossil und rezent aus eigenen Aufsamm- ungen in zahlreichen Stücken von der Piccola marina bei Capri, wie von Les Martigues bei Marseille vor. 1 a. a. 0. p. 163. 256 P. Oppenheim, Kassa ( Amt/ cla ) corniculum Olivi. Weinkauff, a. a. 0. p. 67. Locard, a. a. 0. p. 83. Bucquoy, Dautzenberg und Dolleus, I. p. 56. Taf. XII Fig. 1 — 2. Mehrere zwar stark abgerollte, aber doch nach sorgfältigem Vergleiche mit der lebenden Type dieser gut entsprechende Stücke. Die Art ist in der Gegenwart sehr häufig. Weinkauff schreibt von ihr a. a. 0. p. 68: „Eine höchst gemeine Art, die an Felsen und Klippen in der Nähe der Wassergrenze, selbst über diese hinausgehend, lebt.“ Sie scheint sich dagegen nicht unverändert in die geologische Vergangenheit hinein zu erstrecken. Ihr Auf- treten im Pliocän ist höchst zweifelhaft. Bellardi erklärt x, daß seines Wissens bisher im Tertiär des Piemont und Liguriens noch keine Form gefunden sei, welche sich restlos mit der lebenden Art vereinigen ließe. Die früher auf sie bezogenen fossilen Formen sind meist bei anderen Arten — zumal bei der N. tumida Eichw. — untergebracht worden. Mar ex ( Muricopsis ) inermis Phil. Philippi, Enumeratio molluscorum utriusque Siciliae. I. p. 209. Taf. XI Fig. 25 ( Murex cristatus Brocc. var. inermis). Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, I. p. 19. Taf. I Fig. 5 — 6 {M. JBlciin- villei Payr.). Locard, p. 99 {M. inermis de Monterosato). Das Unikum mißt 1 3 mm in der Höhe und 6 in der Breite. Es entspricht durchaus der häufigen Mittelmeerart, d. h. der stachellosen , glatteren Form , welche früher als var. inermis des Murex Blainvillei galt und welche neuerdings wohl mit Hecht spezifisch abgetrennt wird. Der pliocäne M. cristatus Brocc., zu welchem noch Weinkauff1 2 unsere Art zieht, während Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus sie neuerdings scharf getrennt wissen wollen, kommt auch für die Identität mit unserer Form nicht in Frage. Ich bin in der Lage, diese in zahlreichen, von mir selbst vor Jahren bei Miramare gesammelten Exemplare meiner Samm- lung vergleichen zu können. Tollia Orbignyi Payil Weinkauff, a. a. 0. II. p, 114. Locard, a. a. 0. p. 103. Fig. 92. Bellardi, I moll. dei terr. terz. ecc. I. p. 181. Taf. XII Fig. 21 ( Pollia plicata Brocc.) Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. I. p. 26. Taf. III Fig. 4 — 5.. 1 I Molluschi dei terreni terziarii ecc. III. p. 40. 2 a. a. 0. II. p. 89. Zur Geologie der Strophaden. 257 Das kleine, nur 10 mm hohe und 5 mm breite Stück ent- spricht noch mehr der lebenden Art als dem pliocänen Murex plicatus Brocc., was wohl im wesentlichen in den flacheren Nähten und der stärkeren Perlung der Längsrippen begründet ist. Im übrigen sind die Unterschiede zwischen beiden Formen kaum faß- bare, und das Vorgehen zuerst von M. Hoernes 1 und später von Bellardi, a. a. 0., beide Arten zusammenzuziehen , scheint mir daher durchaus berechtigt. Was Weinkauff a. a. 0. dagegen anführt , ist nicht recht überzeugend. Ich finde weder in der Mündung noch im Verhältnis des Kanales zu dieser durchgreifende Unterschiede. Columbella rustica L. Weinkauff, a. a. 0. II. p. 34. Locard. a. a. 0. p. 43. Fig. 30. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 71. Taf. XII Fig. 30 — 37. Diese gemeine Form des Mittelmeeres ist auch hier häufig, aber meist abgerollt und ohne Farben. Sie sitzt gewöhnlich fest im Gestein. Euthria cornea L. Bellardi, Molluschi dei terr. terz. del Piemoute ecc. I. p. 190. Weinkauff, a. a. 0. p. 109. Locard, a. a. 0. p. 104. Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus, a. a. 0. I. p. 38. Taf. VI Fig. 6. Ein verhältnismäßig kleines Stück von 32 mm Höhe und 16 mm Breitendurchmesser. Das Exemplar ist etwas gedrungen und der Siphonalkanal ziemlich kurz. Im übrigen stimmt es aber durchaus überein mit Exemplaren, welche ich aus Neapel besitze. Mitra lutescens Lk. Vergl. Weinkaufe, a. a. 0. II. (M. cornicula L.). Locard, a. a. 0. p. 46. Fig. 33 [M. lutescens Lk.). Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. p. 117. Taf. XVI Fig. 10— 13 (M. cornicula L.). Ein Exemplar einer glatten, ziemlich großen Mitra von 23 nun Höhe und 8^ mm Breite. Bei der auch nach den Angaben von Weinkauff hinsichtlich der LiNNE’schen Bezeichnung bestehenden Unsicherheit scheint es mir angebrachter, auf den durch Lamarck gegebenen Namen zurückzugreifen. Bellardi und Sacco erwähnen die Type übrigens nicht aus dem Pliocän des Piemont. Nach Philippi und Weinkauff würde 1 Fossile Mollusken des Wiener Beckens. II. p. 245. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916- 17 258 P. Oppenheim, sie sich im Pliocän von Sizilien finden. Nach den französischen Autoren lebt sie heute in der Litoralregion auf Felsen (a. a. 0. p. 119). Mitra tricolor Gmelin. Vergl. Weinkauff, a. a. 0. p. 31. Bucquoy, Dautzenberg u. Dollfus, a. a. 0. I. p. 119. Taf. XIY Fig. 28 — 31. Locard, a. a. 0. p. 49. Fig. 35. Diese zierliche kleine Art liegt in einem Exemplare vor, das ich selbst aus dem Gesteine herauslöste. Sie ist fossil nicht sonderlich häufig und wird weder von Hoernes noch von Bellardi angegeben; auch CoccoNi kennt sie nicht aus der Umgegend von Piacenza, während Philippi 1 sie aus dem Pliocän von Sizilien zitiert, wo sie anscheinend nur in den höheren Horizonten auf- tritt, und auch hier bleibt es noch zweifelhaft, ob es sich nicht um die nahverwandte, aber von Bucquoy, Dautzenberg und Dollfus abgetrennte M. Savignyi Payr, handelt. JProtula protula Cuv. Yergl. Eovereto, Studi monografici sugli anellidi fossili. Palaeontographia italica. 10. Pisa 1904. p. 46. Taf. III Fig. 12. — Derselbe, ebenda. 4. 1899. p. 82. Taf. YII Fig. 1, 1 a. Bruchstücke von Wurmröhren mit dünner, porzellanglänzender Schale und zarten, äußerlich nicht hervortretenden Anwachsringen glaube ich dieser lebenden Form zuzählen zu sollen. Die Fauna, welche wir betrachteten, trägt ein durchaus modernes Gepräge ; sämtliche Arten kommen noch heute im Mittel- meere vor, vielleicht mit Ausnahme der JBalanophyllia. Nur Haliotis lamellosa Lk. unterscheidet sich durch ganz ungewöhnliche Ent- wicklung der Längs- und Spiralskulptur von den heutigen Vor- kommnissen. Nach diesen fossilen Einschlüssen würde das Alter des Kalkes der Strophaden also höchstens als ein quaternäres zu be- zeichnen sein, und man würde angesichts des Fehlens typisch nor- discher Formen und der geringen Höhenlage des Sedimentes wohl nur an ein ganz jugendliches Quaternär zu denken haben. Ich hatte früher der fremdartigen JBalanophyllia einen größeren Wert bei- gemessen und die kleinen Muriciden des Sedimentes auf pliocäne Arten zurückgeführt. Darauf stützt sich denn meine Bestimmung als Oberpliocän, als Äquivalent der Stufe von Ehodus, Kos und Tarent, welche auch bei Ponten 2 angenommen ist. Ich muß also diese Annahme hier ausdrücklich zurückziehen. Der Prozentsatz 1 Enumeratio molluscorum Siciliae. I. p. 230 und II. p. 196. 2 a. a. 0. p. 228. Zur Geologie der Strophaden. 259 erloschener Formen, speziell auf Rhodus, ist ein derartiger, daß eine Altersgleicliheit mit dem Kalke der Strophaden nicht vorliegen kann. Tarent ist vielleicht noch jünger als Rhodus, enthält aber immerhin doch noch einige sehr ausgesprochene Pliocänarten. An eine Altersgleichheit mit Ficarazzi bei Palermo zu denken, wird durch das Fehlen nordischer Arten auf den Strophaden erschwert. Allem Anscheine nach gehört unser Kalk einer Periode an, in welcher die Hauptintensität des Eiszeitphänomens bereits vorüber war und das Wasser des Mittelmeeres die heutige Wärme und den heutigen Salzgehalt bereits besaß. Seit dieser Zeit sind zwar faunistisch augenscheinlich keine größeren Veränderungen im Mittelmeerbecken erfolgt, wohl aber tektonisch ganz gewaltige Umwälzungen. Ihr gehören die gehobenen Strandlinien und Muschelabsätze auf Capri, Ischia1, bei Puzzuoli2 3 und an zahlreichen anderen Punkten des Mittelmeeres an. Ihr fällt auch wohl der größte Teil der Strand- linien des Peloponnes zu, welche Ph. Negris 3 bis in sehr be- deutende Höhe beobachtete und welche er durch ein Anschwellen des Meeres, nicht durch eine Bewegung des festen Landes, zu erklären versucht, eine Auffassung, welche wohl schon darin ihre kaum lösbaren Schwierigkeiten findet, daß bei einem Ansteigen des Mittelmeeres bis zu so bedeutenden Höhen und bei dem an- nähernden Gleichgewichtszustände der Meere untereinander der größte Teil Europas während der Eiszeit vom Ozean überschwemmt gewesen sein müßte. Die durch Negris4 5 in einer Reihe zweifellos anregender Publikationen erörterte Frage der Veränderungen zwischen Meeres- und Landoberfläche in der jüngsten Vergangenheit des Mittelmeerbeckens dürfte aber jedenfalls nur an den Punkten zu lösen sein, wo Schollenbewegungen an Verwerfungsspalten nicht mit Sicherheit nachzuweisen sind. In Fällen, wie dem unsrigen, wo zweifellos Absenkungen stattgefunden haben, dürfte die Höhe •der Strandlinie für die Altersfrage der jugendlichen Sedimente eine größere Bedeutung kaum beanspruchen. Sollte man indessen die Maße, welche Deperet und Caziot 5 an der Küste von Nizza be- obachteten, auch für die Strophaden in Anwendung bringen wollen, 1 Alex. Spada-Lavini in B. S. G. F. (II.) 15. 1857—58. p. 362 ff. 2 R A. Philippi, Über die fossilen Seetierreste von Pozzuoli bei Neapel und auf der Insel Ischia. N. Jahrb. f. Min. etc. 1837. p. 285 — 292. 3 La Regression quaternaire. Athönes 1912. 4 Vergl. u a. Contribution ä l’ötude des dernieres regressions. B. S. G. F. 1906. p. 519. — Etüde concernant la derniere regression de la mer. B. S. G. F. (IV.) 4. 1904. p. 156 ff. und p. 591 ff. — Submersion et regres- sion quaternaires en Grece. B. S. G. F. (IV.) 8. 1908. p. 318 ff. — Vergl. aber auch die kritischen Schlußbemerkungen von G. F. Dollfus, a. a. 0. p. 441. 5 Note sur les gisements pliocönes et quaternaires marins des environs de Nice. B. S. G. F. (IV.) 3. 1903. p. 321 ff. cf. p. 343. 260 Besprechungen. so würde liier bei einer Höhenlage von etwa 20 m das altquater- näre Niveau des Strombus mediterraneus und Conus Mercati vor- liegen, d. h. der Muschelkalk dann etwas älter sein, als ich hier nach seiner Fauna annehmen zu müssen glaubte. Die geologische Geschichte der Strophaden ist also etwa die folgende : Das Skelett der Inseln bildet das untere Pliocän , dessen Schichten später aus ihrer horizontalen Lage bewegt, gehoben und wohl auch gefaltet werden. Während eines längeren Zeitraumes ist das Areal dem Meere entrückt und wird abgetragen. Vielleicht waren Sande des mittleren und oberen Pliocän einst vorhanden, die während dieser Periode der Erosion zum Opfer fielen. Es erfolgt dann im Jungquartär eine positive Bewegung, durch welche der Komplex von neuem dem Meere ausgeliefert wird. Es ist viel- leicht anzunehmen, daß diese die Folge des Bruches oder Bruch- systeme s war, durch welche die Verbindungen mit der messe- nischen Küste und mit Zante zerstört wurden und an ihre Stelle die heutigen, sehr bedeutenden, bis 1700 m erreichenden Tiefen1 traten. Diese positive Bewegung war indessen nur von kurzer Dauer und reichte nur zum Absatz von bis 4 m Kalk. Sie wurde dann durch die negative Bewegung abgelöst, welche das Sediment bis zu einer Höhe von gegen 20 m aufwölbte und ihm zu gleicher Zeit die heute festzustellende Schichtenneigung gab. Seitdem haben Karenbildung und Schollenabbruch im Verein mit der Brandung und Unterspülung an der Verkleinerung des Areals gearbeitet, und die Inseln scheinen dem Untergange geweiht, wenn nicht eine Fortdauer der negativen Bewegung im Verborgenen ein Gleich- gewicht schafft. Besprechungen. M. Born: Dynamik der Kristallgitter. (Fortschr. d. Math. Wissenschaften in Monogr. 4. 122 p. 1 Taf. Leipzig 1915.) Im Vorwort und in der Einleitung erläutert der Verf. das hohe Ziel der neuen theoretischen Untersuchungen über die Eigen- schaften der Kristalle. „Die letzten ' Jahre haben in der Erkenntnis der Konstitution der Materie große Fortschritte gebracht. Das Ziel , alle Eigen- schaften der Atome und Moleküle auf elektromagnetische Wirkungen zurückzuführen, scheint nicht mehr so unerreichbar wie kurz zuvor. Der Fortschritt ist von dem Augenblicke an zu rechnen, da man begann, die Quantentheorie auf die Vorgänge im Atome anzuwenden. 1 Vergl. A. Philippson, Der Peloponnes. Geolog. Karte. Blatt II. Besprechungen. 201 Die Bestrebungen gehen zumeist auf die freien Atome und Mole- küle der Gase. Will man in entsprechender Weise die Vorgänge im festen, kristallinischen Zustande deuten, so stößt man auf ein großes Hindernis. Alle feineren Betrachtungen zerschellen daran, daß sich die Molekulartheorie der Kristalle trotz vieler Bemühungen noch im Urzustände befindet. Es war nicht einmal bekannt, ob die Gitterhypothese formal alle Kristalleigenschaften erklären kann.“ „Die Vorstellung von der raumgitterartigen Struktur der Kristalle ist durch die Entdeckung Laue’s (1912) vom Range einer sehr anschaulichen und wahrscheinlichen Hypothese zur physikalischen Gewißheit erhoben worden. Ursprünglich enthielt sich v. Laue aller näheren Aussagen über die Natur der Atom- gitter. W. H. und W. L. Bragg ( 1 9 13) haben dann Methoden angegeben, die Schlüsse auf die Art des Gitters zu ziehen erlauben. Als wesentliches Resultat allgemeiner Natur hat sich dabei heraus- gestellt, daß der Begriff des chemischen Moleküls im kristallinischen Zustande seine Bedeutung einbüßt; die Atome, nicht die Moleküle, sind die Bausteine des Gitters, und man kann mit gewissem Rechte den ganzen Kristall als ein einziges Molekül auffassen. Hierdurch wird nun wieder der Gedanke nahegelegt, daß die chemischen Kräfte, die in Flüssigkeiten und Gasen die Atome zu Molekülen verbinden, identisch sind mit den Kräften, die im kristallinischen Zustande die Atome im Gitterverbande festhalten.“ „Die Natur dieser Kräfte ist uns heute noch fast unbekannt, und wir können daher weder die Frage beantworten, warum sich gewisse Atome gerade in diesen oder jenen Raumgittern zu stabilen Gleichgewichtslagen zusammenfinden, noch über solche physika- lischen Eigenschaften der Kristalle etwas Vorhersagen , die von dem Gesetze der Molekularkräfte wesentlich abhängen, wie Festig- keit, thermische Ausdehnung, Pyroelektrizität usw. Aber es gibt einige physikalische Eigenschaften, die sich ohne genaue Kenntnis des Kraftgesetzes aus der Gittertheorie ableiten lassen müssen, nämlich die , bei denen die Kristallpartikel nur so kleine Aus- schläge aus ihren Gleichgewichtslagen machen, daß die dabei auf- tretenden Kräfte als lineare Funktionen der Verschiebungen an- gesehen werden können. Die wichtigsten dieser Erscheinungen sind die folgenden: 1. die Elastizität, 2. die Piezoelektrizität und ihr Umkehreffekt, 3. die dielektrische Erregbarkeit und Dispersion, 4. die spezifische Wärme, 5. die formale Kristalloptik, 6. die optische Aktivität.“ „Es erhebt sich nun die Frage, ob die Gittertheorie der Kristalle imstande ist, von allen diesen Erscheinungen Rechen- schaft zu geben. Da zeigt es sich , daß es merkwürdigerweise bisher nicht unternommen worden ist , eine einheitliche Kristall- physik auf atomistischer Grundlage aufzubauen. Wohl hat man versucht, die eine oder die andere Eigenschaft aus der Gitter- 262 Besprechungen. theorie zu erklären; teils aber waren die Resultate zu eng und unbefriedigend , wie im Falle der Elastizität, teils zog man be- sondere Hypothesen heran , wie zur Erklärung der optischen Aktivität. “ „Als erste Forderung an eine Molekulartheorie des festen Zustandes wird man stellen müssen, daß die Eigenschaft der regelmäßig gebauten Körper, der Kristalle, ohne Zusatzhypothesen aus der Gitter- struktur allein vollständig abgeleitet werden können.“ „Ich werde zeigen, daß das tatsächlich für die aufgezählten einfachsten Eigenschaften möglich ist. Dabei muß natürlich das Gitter hinreichend allgemein angenommen werden. In Überein- stimmung mit den heutigen Vorstellungen über den Bau der Atome und Moleküle und mit unserer durch die Röntgenstrahlen vermittelten Kenntnis vom Bau der Gitter werden wir annehmen: Die Kristallgitter bauen sich gesetzmäßig aus den einzelnen Atomen der chemischen Substanzen und aus Elektronen auf. Beide Arten von Partikeln treten im Gitter verbände gleichberechtigt auf und wirken aufeinander mit gleichartigen Kräften. Das Gitter besteht aus einer periodischen Wiederholung einer Gruppe von Atomen und Elektronen im Raume; diese Gruppe ist elektrisch neutral.“ „Aus dieser Grundhypothese werden wir im folgenden die wichtigsten Tatsachen der Kristallphysik deduktiv ableiten.“ „Die Gleichberechtigung von Elektronen und Atomen im Gitter ist vom dynamischen Standpunkte aus selbstverständlich. Die alte Auffassung, daß die Moleküle im Atomverbande ihre Individualität behalten, kann ja dynamisch nichts anderes bedeuten, als daß die Kräfte, die zwischen den Atomen eines Moleküls wirken , intensiver sind als die zwischen Atomen verschiedener Moleküle; dieser rein quantitative Unterschied wird durch die neue Auffassung von der Gleichberechtigung der Atome im Gitter sprach- lich beseitigt. Ganz dasselbe aber gilt auch von den Elektronen. Ob im Güterverbände ein Elektron dem einen oder dem anderen Atome zugehört , ist nur ein quantitativer Unterschied , nämlich hinsichtlich der Größe der Kraft, die es von dem einen oder dem anderen Atom erfährt. Selbst wenn die eine Kraft die andere ungeheuer überwiegen würde, wäre die Auffassung berechtigt, daß das Elektron nicht an ein einzelnes Atom gebunden ist, sondern ein selbständiges Partikel im Güterverbände vorstellt. In jedem Falle ist diese Ausdrucksweise erlaubt , und sie ist vorzuziehen , weil dadurch eine einheitliche Auffassung gewonnen wird.“ „An Stelle von Atomen würden wir besser von „positiven Atomkernen“ sprechen, die nach Rutherford’s Hypothese übrig- bleiben, wenn alle Elektronen das Atom verlassen haben. Die Besprechungen. 263 äußerst kleinen, schweren, positiven Kerne und die relativ großen, leichten, negativen Elektronen müssen nach der heutigen Kenntnis als Bausteine des Gitters betrachtet werden.“ Unter diesen Gesichtspunkten behandelt der Verf. im ersten Teil die Mechanik der Kristallgitter — 1. innere Energie, 2. formaler Übergang zur Kontinuumstheorie (Elastizität und Piezo- elektrizität), 3. freie Schwingungen des Gitters und Beweis der Bichtigkeit jenes Überganges, 4. erzwungene Schwingungen des Gitters (der zur Piezoelektrizität reziproke Effekt, Kristalloptik, Dispersion und Beststrahlen), 5. ungeordnete Bewegungen der Kristallpartikel (mittlere Energie und spezifische Wärme). Im zweiten Teil beschäftigt er sich mit der Elektrodynamik der Kristallgitter — 1. Fortpflanzung elektromagnetischer Wellen im Gitter, 2. Gleichungen für die Fortpflanzung langer elektro- magnetischer Wellen, 3. Lösung und Diskussion der Schwingungs- gleichungen für lange Wellen (Elastizität und Piezoelektrizität, Kristalloptik, Dispersion und spezifische Wärme, optische Akti- vität). Im Schlußwort setzt der Verf. die Ziele auseinander, die nach seiner Meinung die Gittertheorie der Kristalle weiter zu verfolgen hat. „So befriedigend die Tatsache ist, daß man die wichtigsten Kristalleigenschaften aus der Gitterstruktur ohne neue Hypothesen ableiten kann, so ist doch das letzte Ziel der Theorie noch in weiter Ferne, nämlich die Zurückführung aller Kräfte zwischen den Par- tikeln auf elektrodynamische Wirkungen. Wir haben gesehen, daß die einfache und natürliche Annahme, im Gleichgewichte seien alle Partikel unter der Wirkung ihrer elektrostatischen Anziehungen und Abstoßungen in Buhe, verworfen werden muß, weil ein solches System nicht stabil ist. Andererseits ermutigt die richtige Größen- ordnung des Betrages der elektrodynamischen Wirkungen zu dem Versuche, durch eine Abänderung der eben erläuterten Vorstellung über den Gleichgewichtszustand zum Ziele zu gelangen. Der Weg, der dahin führen könnte, scheint mir derselbe, der auch bei den Modellen der Gasatome und Gasmoleküle in jüngster Zeit Erfolge gezeitigt hat. Der Gleichgewichtszustand darf nicht statisch, sondern muß dynamisch sein ; es müssen stationäre Bewegungen im Gitter vor sich gehen , etwa in der Weise, daß Elektronen in geschlossenen Bahnen kreisen. Durch Botationen lassen sich bekanntlich labile Zustände stabilisieren. Gleichzeitig würde man einen Angriffspunkt für die Anwendung der Quantentheorie gewinnen. Das Ziel dieses Buches ist es, die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die dem Streben nach einer tieferen Erkenntnis vom dynamischen Wesen des kristallinischen Zustandes entgegenstehen.“ Th. Diebisch. 264 Besprechungen. M. v. Laue: Wellenoptik. (Encycl. d. Math. Wissenscli. 5, 3. Heft 3. p. 359 — 487. Leipzig 1915.) Der fünfte Abschnitt dieser ausgezeichneten W^ellenoptik — „Interferenzerscheinungen bei Röntgenstrahlen“ — enthält eine neue Bearbeitung der in den „Fortschritten der Mineralogie, Kristallographie und Petrographie“. 4. p. 43 — 72. 1914 veröffent- lichten Abhandlung: „Die Sichtbarmachung des Raumgitters der Kristalle durch Röntgenstrahlen“. Th. Li ©bisch. G-. Linck: Chemie der Erde. Jena bei Gustav Fischer. 1914/1915. Unter obigem Titel erscheint eine neue Zeitschrift, die be- stimmt ist, Beiträge zur chemischen Mineralogie, Petrographie und Geologie zu sammeln und in zwanglos erscheinenden Heften zu veröffentlichen. Es werden nur Originalarbeiten aufgenommen, die noch nirgends anderswo erschienen sind, und zwar sollte beim Erscheinen des ersten Heftes (Juni 1914) außer der deutschen auch die französische und die englische Sprache zugelassen werden. Die letzten Bogen des Schlußheftes jedes Bandes von ca. 40 Bogen sollten Referate enthalten, aber nicht über Zeitschriftartikel, sondern nur über selbständig erschienene und dem Herausgeber eingesandte Werke. Erschienen sind bis jetzt drei Hefte mit dem folgenden Inhalt : 1 . Heft. G. Linck : Über das Eozoon und die Ophi- calcite ; A. Ritzel : Über die Mischkristalle von Salmiak und Eisen- chlorid; R. E. Liesegang: Photochemie der Erde; H. Küchler: Chemische und optische Untersuchungen an Hornblenden und Augiten aus dem Diorit-Gabbro- Massiv des oberen Veltlin. 2. Heft. P. Niggli: Probleme der magmatischen Differentiation; K. Dühring: Untersuchung einiger Grundproben aus dalmatinisch-istrischen Seen; R. Lang: Die klimatischen Bildungsbedingungen des Laterits; W. Meigen und R. Kummer: Beiträge zur Kenntnis der Gneise des südlichen Schwarzwaldes; K. E. Haase: Die Gauverwandtschaft der Ergußgesteine im Rotliegenden des nordwestlichen Thüringer Waldes. 3. Heft. J. Zoch: Über den Basenaustausch kristalli- sierter Zeolithe gegen neutrale Salzlösungen ; A. Ritzel : Über die Bildung von Mischkristallen ; H. Theobald : Beitrag zur Kenntnis metamorpher Gesteine aus der Umgebung von Pottiga — Sparnberg an der oberen Saale; 0. H. Erdmannsdörffer: Über die Entstehungs- weise gemischter Gänge und basischer Randzonen. Über die einzelnen Abhandlungen wird an anderer Stelle be- sonders referiert werden. Max Bauer. H. P. Cornelius, Ein alpines Vorkommen von Sapphirin. 265 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Ein alpines Vorkommen von Sapphirin. Von H. P. Cornelius. Anläßlich meiner geologischen Untersuchung der Albigna- Disgrazia-Gruppe besuchte ich im Juni 1914 das einsame Hochtal Val Codera, das von Novate Mezzola, südlich von Chiavenna, in die genannte Berggruppe hineinzieht. Dort fand ich auf dem sonst fast ganz aus Blöcken von Granit und Injektionsgneisen bestehenden 'Schuttkegel, welcher unmittelbar westlich der Aus- mündung von Valle Spassato unter den Felswänden des Pizzo Brasciadega liegt, einzelne Blöcke eines höchst auffallenden Ge- steins. Es enthält zahlreiche lichtrote, gerundete Granaten bis zu mehreren Zentimeter Durchmesser, sowie einzelne unregelmäßig geformte, ebenfalls recht große Orthoklase von gelblichweißer Farbe und sanidinartig frischem, glasigem Habitus, umgeben von einer mittelkörnigen Zwischenmasse, in welcher das unbewaffnete Auge neben reichlich vorhandenem dunklem Biotit, schwarzgrünen Stengeln eines Pyroxenminerals und licht violblauem, quarzähnlich brechendem Cordierit noch ein himmelblaues Mineral in unregel- mäßigen Körnchen oder Leisten bis etwa 3 mm Länge erkennt. Das letztere, makroskopisch nicht mit Sicherheit zu bestimmen, gibt sich bei mikroskopischer Untersuchung als Sapphirin zu erkennen. Gern hätte ich die in mehr als einer Hinsicht lückenhaften Beobachtungen über dieses Vorkommnis ergänzt, doch hat der Krieg meine dahinzielenden Pläne wie so viele andere vereitelt und läßt es ebenso fraglich erscheinen, ob dieselben überhaupt in absehbarer Zeit zu verwirklichen sind. So halte ich es denn für angebracht, nachdem die Auffindung jenes seltenen, bisher nur aus fernen Weltgegenden 1 bekannten Minerals inmitten unserer Alpen auf einiges Interesse rechnen darf, meine Beobachtungen darüber kurz mitzuteilen. 1 Am bekanntesten ist das Vorkommen von Fiskernaes in Grönland, welches wiederholt, zuletzt von N. V. Ussing (Zeitschr. f. Krist. 15. 1889. p. 596) bearbeitet wurde. Außerdem fand ich den Sapphirin in der Literatur nur noch von einem Punkte erwähnt : Itrongahy auf Madagascar (Lacroix, Min. de France etc. 5. p. 73). 17* 266 H. P. Cornelius, Der Sapphirin bildet einerseits die bereits erwähnten, schon dem freien Auge kenntlichen Individuen, welche, nach (010) taflig ausgebildet, im Dünnschliff meist schön umgrenzte, langgestreckte Querschnitte darbieten, wogegen die Schnitte // (010) weit weniger charakteristische Formen zeigen ; andererseits finden sich in großer Anzahl meist kleinere, ganz unregelmäßig geformte, zerlappte und zerfetzte Gebilde, welche demselben Mineral angehören und sich bei genauerem Zusehen als aus zahlreichen kleinen Täfelchen zu- sammengesetzt erweisen. Die größeren Kristalle zeigen meist recht ebene Flächen; in der Regel sind sie von unregelmäßigen krummeSn, schief hindurchziehenden Rissen durchsetzt, doch schien mir in einem Falle eine, wenn auch schlechte Spaltbarkeit nach (010) wahrnehmbar. Die Farbe ist ziemlich intensiv, bei starkem Pleochroismus : a schmutzig gelblichweiß, f) hellblau mit Stich ins Schmutzige, C schön himmelblau. Das starke Relief läßt auf eine Lichtbrechung von mehr als 1,7 schließen; dagegen ist die Doppel- brechung schwach, unter 0,01 — meine verhältnismäßig recht dicken Präparate zeigen im allgemeinen Grau, höchstens Gelb I. Ordnung, in Schnitten _L Ct tiefblaue anormale Interferenzfarben. Die optische Achsenebene fällt zusammen mit (010); die Aus- löschungsschiefe auf letzterer Fläche konnte ich nicht bestimmen in Ermangelung gut charakterisierter Randflächen. Der negative Achsenwinkel ist recht groß, mit starker Dispersion v >- q. Die angegebenen optischen Eigenschaften stimmen im ganzen wohl überein mit denjenigen des bekannten Sapphirins von Fiskernaes in Grönland. Ich konnte mich gelegentlich einer Besichtigung von Präparaten dieses Minerals, welche mir Herr Prof. Wülfing in Heidelberg in dankenswerter Weise gestattete, von dieser Über- einstimmung persönlich überzeugen ; nur ist die Farbe in meinen Schliffen bedeutend intensiver. Doch ist nach Ussing (a. a. 0.) die Farbe auch des grönländischen Sapphirins ziemlich variabel. Auf Grund dieser Übereinstimmung halte ich mich für berechtigt, das hier beschriebene Mineral gleichfalls als Sapphirin zu be- zeichnen — um so mehr, als kein anderes unter den bekannten Mineralien in Frage kommen dürfte. Sehr wünschenswert wäre freilich noch eine Analyse des Vorkommens; doch reicht für eine solche das mir zurzeit zur Verfügung stehende Material nicht aus. Ein kurzer Blick nur sei hier auf die Begleiter des Sapphirins geworfen. Über die bereits eingangs erwähnten: Biotit, Ortho- klas und den optisch vollkommen normalen Granat ist nichts weiter zu bemerken. Das gleichfalls schon genannte Pyroxen- mineral gehört, wie das Mikroskop zeigt, der rhombischen Reihe an und ist wohl als Bronzit zu bezeichnen; es zeigt auffallend schlecht die prismatische Spaltbarkeit, wogegen die Spaltrisse nach (100) stets scharf und deutlich sind. Der Pleochroismus: Ein alpines Vorkommen von Sapphirin. 267 a rötlich, f) blaßgelblich, C grünlich, starke Licht- und mäßige Doppelbrechung, die optische Orientierung: b = a, c = c, und der sehr große Achsenwinkel charakterisieren das Mineral. — Der eben- falls schon makroskopisch erkennbare Cordierit unterscheidet sich im Dünnschliff von dem gleichfalls, wenn auch spärlich vorkommenden Quarz durch das Auftreten gelber pleochroitischer Höfe, sowie da- durch, daß seine — stets vollkommen klaren — Schnitte stets gleich- mäßig ganz fein schwarz gepünktelt erscheinen, während die des Quarzes reihenförmig angeordnete Einschlüsse zeigen. Weiterhin ist Sillimanit reichlich in manchmal recht großen Stengeln vorhanden. Endlich ist noch ein wenig Plagioklas, anscheinend Andesin, zu er- wähnen, sowie akzessorisch Zirkon und ganz spärlicher Magnetit. Man wird vom chemisch-physikalischen Standpunkte aus kaum erwarten, daß diese sämtlichen Komponenten — zumal es sich um eine größere Anzahl von Mg- und Al-Silikaten handelt — , ein der Entstehung nach einheitliches System darstellen. Tatsächlich treten sie auch keineswegs gleichmäßig miteinander gemischt auf; viel- mehr lassen sich deutlich eine Eeihe von Mineralkombinationen unterscheiden, welche räumlich durchaus getrennt nebeneinander bestehen. Es sind die folgenden: 1. Biotit -f- Cordierit + Bronzit. 2. Sapphirin + Sillimanit + Cordierit + Biotit. Diese beiden Kombinationen sind in dem Gestein der Menge nach vorherrschend. 3. Biotit -j- Cordierit -f- Bronzit -f- Sapphirin. 4. Granat -(- Biotit + Cordierit + Bronzit -f- Plagioklas. 5. Orthoklas + Plagioklas -f- Quarz (+ Sillimanit). Was uns an dieser Stelle besonders interessiert, ist das an die Kombination (2) und (3) gebundene Auftreten des Sapphirins. Was zunächst (2) betrifft, so sind da wiederum zwei verschiedene Strukturtypen vertreten. Bei dem einen findet sich ein zentraler, schön ausgebildeter Sapphirinkristall, umgeben von einer (nur selten fehlenden) schmalen Cordierithiille ; darum schließt sich eine breite Schale von Sillimanit in mächtigen Spießen, manchmal an- nähernd radialstrahlig angeordnet, und gemischt mit etwas Sapphirin, Cordierit als formlosem Untergrund und nicht selten Biotit. Diese Schale wird wiederum umsäumt von etwas Sapphirin in Form der oben genannten zerlappten Aggregate, und endlich durch eine nur selten unterbrochene Hülle von Cordierit gegen die Gebiete der anderen Mineralkombinationen abgegrenzt. Der zweite Typus unterscheidet sich von dem oben beschriebenen dadurch, daß das zentrale Sapphirinkorn samt seiner Cordierithülle fehlt, wogegen der äußere Sapphirinsaum stärker entwickelt zu sein pflegt, und der Sapphirin in demselben gelegentlich auch in größeren und besser ausgebildeten Individuen auftritt. Übergänge zwischen beiden Typen kommen vor, indem das zentrale Sapphirinkorn ge- legentlich an den Rand verschoben erscheint. 268 H. P. Cornelius, Kombination (3) ist eigentlich nur ein spezieller Fall von (1), welcher gewöhnlich in der Nachbarschaft der Grenze gegen (2) eintritt, indem zu der Kombination (1) einzelne wohl ausgebildete Sapphirinkristalle hinzutreten. Dieselben bleiben jedoch gewisser- maßen Fremdlinge in ihrer Umgebung, von welcher sie fast durch - gehends durch einen geschlossenen Hof von Cordierit geschieden sind. Nur ganz kurz sei auf die übrigen Kombinationen eingegangen. (1) zeigt im allgemeinen normale Hornfelsstruktur, wobei die Pyroxene teilweise einsprenglingsartig entwickelt sind. (4) enthält die großen Granaten; dieselben zeigen sich im Dünnschliff stark zerlappf und zerfressen und umgeben von kelyphitartigen Zonen, welche aus unregelmäßig feinfaserigem Bronzit mit Untergrund von Plagioklas bestehen, jedoch noch kompliziert durch das Zwischen- greifen von Cordierit und Biotit aus der Umgebung. Von besonderer Wichtigkeit ist (5). Dahin gehören einmal die großen, manchmal mit feinfaserigem Sillimanit durchwachsenen Orthoklase, ferner in Verbindung damit auftretende panidiomorph struierte Felder von Orthoklas, Quarz und etwas Plagioklas, endlich davon ausgehende, manchmal haarfeine Orthoklasadern, welche die übrigen Gesteins- partien durch dringen und in der unmittelbaren Nachbarschaft der sapphirinführenden Kombinationen, besonders der größeren Sapphirin- kristalle, fast stets anzutreffen sind. Ein Versuch, die Genese des Sapphirins klarzustellen, kann einstweilen nur mit Vorbehalt unternommen werden, solange weder das Anstehende unseres Gesteins bekannt ist, noch über dessen einzelne Bestandteile chemische Analysen vorliegen. Doch steht bezüglich des Vorkommens so viel fest, daß das sapphirinführende Gestein nirgends herstammen kann als aus der mächtigen Zone injizierter und eingeschmolzener Gneise, welche in Val Codera den Nordwestrand des Albigna-Disgrazia-Granitmassivs umhüllt1. Das ergibt sich aus der Lage der Blöcke jenes Gesteins. Daraus folgt mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit, daß dieses selbst ebenfalls kontakt- bezw. injektionsmetamorpher Entstehung ist. Damit steht dessen Struktur in vollem Einklang : In ( 1 ) normale Hornfels- struktur — hier liegt offenbar ein reiner, nicht pneumatolytisch beeinflußter Hornfels vor, wogegen (5) mit den feinen, weithin fort- setzenden Orthoklasadern ganz den Eindruck von injiziertem Material macht, und die sapphirinhaltigen Partien sowohl wegen ihren Beziehungen zu jenen Adern, als auch vermöge ihrer eigen- artigen Struktur den Gedanken erwecken, daß es sich hier um unter Einwirkung pneumatolytischer Agenzien umgewandelte Bil- 1 Vergl. H. P. Cornelius, Geologische Beobachtungen in den italieni- schen Teilen des Albigna-Diagrazia-Massivs. Geol. Bundschau. 6. 1915. p. 166. Ein alpines Vorkommen von Sapphirin. 269 düngen handelt. Der Mineralbestand entspricht dieser Auffassung: (1) ist eine bekannte Kombination normaler Kontaktgesteine; sie entspricht der 4. Klasse der Kontaktprodukte der Ton — Mergelreihe nach der Klassifikation von V. M. Goldschmidt1, nur mit dem Unterschied, daß in unserem Falle Plagioklas dieser Kombination gänzlich fehlt — wohl infolge von Mangel an Ca und Na im Ausgangsmaterial. Das gleiche gilt — wenn wir von dem Auf- treten des Sapphirins zunächst absehen — für (3), und analog verhält sich auch (2): Die Kombination Sillimanit — Cordierit— Biotit könnte als normales Kontaktprodukt sehr wohl existieren. (4) muß mangels genauer Kenntnis der Zusammensetzung des Gra- nats hier außer Diskussion bleiben. Wie verhält es sich nun aber mit dem Sapphirin? Man könnte zunächst versucht sein, die Entstehung dieses so ungewöhn- lich kieselsäurearmen Silikats zu erklären durch Annahme eines Ausgangsmaterials mit Gehalt an freiem Tonerdehydrat, also eines bauxitischen Tones. Die bereits angeführten Beziehungen des Auf- tretens des Sapphirins zu Bildungen von offenbar pegmatitischer Natur, ebenso wie die Lage des Vorkommens innerhalb eines Gebiets intensiver Injektionserscheinungen legen indessen die Vermutung nahe, daß jenes Mineral selbst sein Zustandekommen eher einer Mitwirkung magmatischer Exhalationen verdanken möchte. Man könnte etwa an eine Zufuhr von Tonerde denken, wenn auch die Annahme einer solchen — von Tonerde allein, ohne Kieselsäure, die doch sonst in der Kegel bei der pneumatolytischen Stoffzufuhr die größere Rolle spielt — nicht eben viel Wahrscheinlichkeit für sich hat. Man könnte aber auch umgekehrt — und vielleicht mit mehr Recht — auf eine Wegfuhr von Kieselsäure, etwa Unter Einwirkung HF-haltiger Dämpfe, als Bedingung für die Bildung des Sapphirins schließen, entsprechend dem Schema: 5 Mg2 Al4 Si5 018 + 2 Al2 Si 05 = 2 Mg5 Ali2 Si2 027 + 23 Si 02. Will man endlich die Kombination (2) im ganzen als durch Stoff entzug aus (1) entstanden deuten — eine Möglichkeit, die vielleicht am meisten für sich hat — , so muß man auch mit Ab- fuhr beträchtlicher Mengen Mg 0 und eventuell von Alkalien (aus Biotit) rechnen. Die Kanäle, welche jenen Stoffentzug vermittelt hätten , wären sodann in einem späteren Stadium der Gesteins- bildung von pegmatitischer bezw. Orthoklassubstanz erfüllt worden. Doch sind das alles einstweilen nur Hypothesen, deren Stich- haltigkeit von den Ergebnissen näherer Forschungen abhängt. München, im Januar 1916. 1 Die Kontaktmetamorphose im Kristianiagebiet. Vidensk. Selsk. Skrifter. 1911. 270 W. Kranz, Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. Von Major z. D. W. Kranz. Mit mehreren Textfiguren. I. Die Kriegs-Sanitätsordming. „Die Frage der Gewinnung eines keimfreien Trinkwassers ist von jeher eine der wichtigsten der Hygiene und speziell der Militär- gesundheitspflege gewesen. Für letztere mußte ganz besonders die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden, der marschierenden Truppe an jedem Ort und in kurzer Zeit ein Wasser zu liefern, das jede Infektionsgefahr ausschließt und dabei schmackhaft und bekömmlich ist1.“ Das gleiche gilt für die an den Ort gebundenen Truppen im Stellungskrieg. Man sollte glauben, dieses Problem sei leichter zu lösen, aber die ungeheure Ausdehnung der Stellungskämpfe, wie sie der Weltkrieg auf allen seinen Schau- plätzen zeitigte, hat auch auf dem Gebiete der Wasserversorgung zu Überraschungen geführt. Die weit verbreitete Anschauung, selbst im Stellungskampfe würden sich die Ereignisse schnell ab- spielen, ließ eine gründliche Friedensvorbereitung darauf vor dem Kriege als zu weitgehend erscheinen. Dementsprechend sind fast alle dienstlichen Vorschriften und wissenschaftlichen Veröffentlichungen hierüber vor dem Kriege in der Hauptsache auf den „frischen fröhlichen Be wegungskrieg“ zugeschnitten, auf eine schnelle Kampfhandlung, die eingehende Untersuchungen und zeitraubende Arbeiten zur Wasserversorgung der Truppen nicht gestatten würde. Die Kriegs-Sanitätsordnung2 vom 27. Januar 1907 (Ziff. 23) läßt den Armeearzt die Verwendung der fahrbaren Trinkwasserbereiter im Operationsgebiet regeln, den Etappenarzt (Ziff. 193) im Etappengebiet3. Stehen in wasserarmen Gegenden Gefechte bevor, so regelt der Korps- bezw. Divisionsarzt die Wasserversorgung des Hauptverbandplatzes und der Feldlazarette (Ziff. 34, 47, 124, 406). Allgemein sollen die beratenden Hygieniker in Fragen der Trinkwasserversorgung und Abwässerbeseitigung ihre Vorschläge machen, soweit gesund- heitliche Erwägungen in Betracht kommen, und ärztlicherseits ist die Trinkwasserversorgung sowie die Beseitigung der Abwässer und Abfallstoffe besonders zu überwachen (Ziff. 196, 355). Bei 1 Dr. Hetsch, Über den heutigen Stand der Frage der Trinkwasser- sterilisation durch Chemikalien. Gedenkschrift für B. v. Leuthold. 1. Berlin 1906. p. 205. 2 Im folgenden abgekürzt: „K.S.O.“. 3 Vergl. auch die Anlagen zur K.S.O. vom 27. Januar 1907. Ziff. 299, p. 69 f. Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 271 Krankentransporten muß an allen Haltepunkten gutes Trinkwasser bereitgehalten werden, Wasser zweifelhafter Herkunft ist abzu- kochen, auf jedem Krankentransportschiff soll ein genügend großer und gesundheitlich einwandfreier Wasserbehälter untergebracht und bei allen sich bietenden Gelegenheiten frisch gefüllt werden (Ziff. 236, 287). Reines, gesundes Trinkwasser soll klar, frei von gesundheitsschädlichen Stoffen und Krankheits- keimen sein und erfrischend schmecken (Ziff. 393). ,,Ob sich ein WTasser zum Genuß eignet, wird durch Besichtigung der Wasser- gewinnungsanlagen (Lage, Zufluß von Verunreinigungen), durch grobsinnliche Prüfung (Aussehen, Geruch), durch Ermittlung der Herkunft des Wassers, durch physikalische, chemische, mikroskopische und bakteriologische Untersuchung festgestellt“ (Ziff. 395). Hierzu geben die ,, Anlagen zur K.S.O.“ in Ziff. 1—32, p. 1 — 5, eingehende Anweisungen über die chemische und mikro- skopisch-bakteriologische Trinkwasseruntersuchung beim Operations- heere1; die chemische Untersuchung erfolgt danach bei der Sani- tätskompagnie und dem Feldlazarett durch den Oberapotheker, die mikroskopisch-bakteriologische im Felde durch den Hygieniker beim Korpsarzt pp. Die K.S.O. rechnet also hier schon damit, daß zur Trink Wasseruntersuchung auch im Kriege unter Umständen Zeit ver- fügbar ist, sogar zur Ermittlung der Herkunft des Wassers, die ja nur durch geologische Methoden einwandfrei erfolgen kann. Ohne solche wird man z. B. nicht sicher beurteilen können, ob ein ,, Grundwasser“ oder eine ,, Quelle“ im Sinne der Ziff. 395 der K.S.O. auch wirklich ,,zu Genußzwecken brauchbar“ ist, selbst wenn ihre Wasserfassung äußerlich gut erscheint und in reiner Umgebung zutage tritt, namentlich nicht in zerklüfteten, stark durchlässigen und schlecht filtrierenden Bodenarten oder bei un- genügender Bodenüberdeckung der Fassung bezw. des Saugfilters (ich komme darauf noch zurück). Zeit erfordert auch die verlangte technische Prüfung der Abdeckung von Brunnen und vor- handenen Arbeits-(Revisions-)schächten , des Überlaufs, der Mög- lichkeit des Zuflusses „von ungenügend filtriertem, aus gedüngten Ackern oder bewohnten Grundstücken abfließendem Oberflächen- wasser, von Senk- und Dunggrubeninhalt, von Fabrik- und sonstigen Abwässern“, sowie die Feststellung, ob ein Röhrenbrunnen tat- sächlich sicherer als ein Schachtbrunnen ist (Ziff. 395). Frühere Stadtärzte aber, die ländliche Wasserversorgungs- anlagen wohl vielfach nur theoretisch studiert haben und keine Praxis in deren Beurteilung ins Feld mit- bringen, werden zunächst einen sicheren Blick in 1 Vergl. Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern über die Betriebsordnung der bakteriologischen Untersuchungsanstalten vom 21. April 1914, Amtsblatt p. 223, abgedruckt in Gaertner, Die Hygiene «des Wassers. 1915. p. 647—653. 272 W. Kranz, solchen technisch und geologisch schwierigen Fragen kaum besitzen; noch viel weniger können ihnen die geologischen Grundlagen derselben geläufig sein. Man wird sich damit begnügen müssen, wenn beim Quartiermachen,, bei Wahl von Biwakplätzen usw. oder während des Marsches die vorauszusendenden Sanitätsoffiziere oder Offiziere (Ziff. 398) durch grobsinnliche Prüfung der Reinlichkeit von Wasserentnahme- stellen und ihrer Umgebung, ihres Schutzes gegen Verunreinigung durch genügend feste und hohe Abdeckung, des Geruchs und Ge- schmacks des Wassers die erforderliche Auswahl der Quellen und Brunnen zu treffen verstehen ; sobald aber nur einigermaßen Zeit vorhanden ist, soll der Arzt und Offizier den Fachtechniker und Geologen zu Rate ziehen und sich nicht damit begnügen,, einen Brunnen durch die Aufschrift „Kein Trinkwasser“ zu sperren, ein Verbot, das bei heißem Wetter erfahrungsgemäß doch nicht durchführbar ist. Gewiß wird man zunächst ein Wasser vom Genuß ausschließen, wenn es auch nur mit Wahrscheinlichkeit al& Ursache von Gesundheitsstörungen anzusehen ist (Ziff. 396), z. B. Brunnen auf Gehöften, in denen Typhus-, Ruhrfälle usw. selbst vor Monaten vorgekommen sind (Ziff. 397). Bann aber soll die technische, geologische und chemisch-bakteriologische Untersuchung feststellen, ob die vorläufige Sperrung aufrecht erhalten werden muß, oder was für Abhilfen zu treffen sind. Bei monatelanger Besetzung im Stellungskrieg ist das ohne wei- teres durchführbar und zu verlangen ; durch Abhilfen und Beauf- sichtigung läßt sich dann auch der Verunreinigung und einem Leerpumpen von Brunnen durch übermäßige Benützung entgegen- wirken (Ziff. 399 und 403), ihr Abpumpen regeln (Ziff. 401) und die selbst für Pferde wenig empfehlenswerte Trinkwasserentnahme unmittelbar aus Bächen oder Flüssen (Ziff. 402) ganz vermeiden. Vorwiegend geologische Fragen sind ferner die Möglichkeit seitlicher Filtrierung von Flußwasser durch Brunnen neben dem Flusse (Ziff. 404), die Anlage abessiniseher Brunnen (Ziff. 405) und eine derartige Anordnung von Gräbern, daß von ihnen aus eine Verschlechterung des W^assers nicht eintreten kann (Ziff. 444)r sowie die Beachtung der Bodenverhältnisse bei Auswahl von Ge- bäuden für Lazarettzwecke (Anlagen zur K.S.O., Ziff. 37, p. 6 f.). Mit Recht schließt die K.S.O. Wasser von zweifelhafter Be- schaffenheit in rohem Zustand nicht nur vom Trinken, sondern auch zum Spülen von Koch- usw. Geräten, sowie zum Baden oder Zähneputzen aus (Ziff. 407, 427, 428). Als sicherstes Mittel, um verdächtiges Wasser unschädlich zu machen, wird das altbewährte Abkochen empfohlen (Ziff. 409); Filter (Ziff. 408 und 410} müssen sorgfältig und sachgemäß behandelt und überwacht werden, „Reinigung des Wassers allein durch chemische Mittel ist nicht sicher und bleibt ein Notbehelf“ (Ziff. 412). Im Stellungs- Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 273 krieg sowie im Etappen- und Besatzungsgebiet brauchen wir derartige Notbehelfe nicht; Geologie und Technik geben uns hier die Mittel an die Hand, unseren Truppen hygienisch einwandfreies Trink- u nd Gebrauchs wasser aus dem Boden selbst zu er- schließen. II. Der Abessinierbruimen. (Mit 1 Figur, entworfen von Dr. W. Wagner und Regierungsbaumeister Krauss.) Das einfachste technische Hilfsmittel zur Aufschließung von Grundwasser und zur Beobachtung von Grundwasserströmungen ist der abessinische Brunnen, in seinen Einzelteilen im Handel vorrätig, für militärische Zwecke beschrieben in Anhang 2 zu I der „Anleitung zur Aufstellung und Benutzung von Feldbacköfen“ vom 7. Juli 1901, p. 19 — 24 und Abbildungen zu Anh. 2. I1. In der Regel ist der Saugfilter2 dieses Geräts, welcher durch runde oder schlitzförmige Öffnungen (mit oder ohne Metallgewebe- Überzug [Tressengewebe] gegen Eindringen von feinem Sand) das Grundwasser in das Saugrohr eintreten läßt, mit kräftiger Spitze zum Einrammen versehen ; es kommen jedoch auch Spitzen zum Einschrauben vor. Zum Einrammen bedient man sich des zuge- hörigen Rammgeräts, zum Einschrauben einer Doppelhebelklemme. Schließlich kann zunächst ein Bohrloch von größerem Durch- messer als dem des Saugrohres hergestellt werden. Letzteres hat wie der Saugfilter 25 — 60 mm lichte Weite aus verzinktem Schmiedeeisen (sogen. Gasrohr). Je enger man danach die Vor- bohrung wählt, desto eher kann eine Täuschung über die Boden- beschaffenheit Vorkommen. Nach den Bodenproben der Bohrung ist ein Erdprofil aufzuzeichnen (Skizze 1) und hiernach die Stelle genau zu bestimmen, an welcher ein oder mehrere gelochte Rohr- teile (Filter) so einzubauen sind, daß der oberste Filter mindestens 1 Vergl. Lueger, Die Wasserversorgung der Städte. 1890. p. 493 ff; desgl. Lueger-Weyrauch. 1914. p. 765 ff. (weitere Lit. dort). — Lehrbuch der Militärhygiene. II., von Hoffmann, Hetsch und Kutscher. Bibliothek v. Coler-v. Schjerning. Berlin 1910. p. 260. Abb. 117. — 0. Spitta, Die Wasserversorgung, in : „Wasser und Abwasser, die Hygiene der Wasser- versorgung und Abwasserbeseitigung“. Leipzig 1911. p. 54. — Bischoff, Die Wasserversorgung für eine Armee im Felde. Ber. XIV. Internat. Kongr. f. Hygiene u. Dermographie. 3. 1908. p. 528; — W. Lösener, Die Trinkwasserversorgung der Truppen. Berlin 1909. p. 16. — Brunnenord- nung für das Unter-Elsaß. Zentral- u. Bez.-Amtsljlatt f. Els.-Lothr. 1905. p. 230, 233. — Salomon, Über einige im Kriege wichtige Wasserverhält- nisse des Bodens und der Gesteine (München u. Berlin) 1916. p. 46 f. * Auch „Sauger“, „Filterspitze“. „Sandfilter“ genannt; im Handel meist etwa 1 m lang. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 18 274 W. Kranz, Gebohrter Abessinierbrunn en 0,20 Betonp^eS.O/S^m. ± Saugrohr einges tampfter Ton . Bohrrohr üsl . Wmk Das Bohrrohr (gewöhnlich ZOO bis 300 m/m ß) wurde stückweise in öoii'oVoV©'. Hohen von etwa J-Zm.angeho - ben u- herausgezogen , Xvährend °°° ? ° °.° ; der Zwischenraum zwischen o»ioo# © o Saugrohr u Bohrrohr in ent- ' ■ sprechenden Schichten mit Kies ?0:0:o°0:o°c umschüttet, bezw. mit Ton V.l%V£ä¥' umstampft worden war . b-öboooopö ~2,#0 ’TZfZJZJTZs kieshattiger Sch! ick. }pj?~lz~c3'20 schlickhaltiger Kies mit wenigQerölle von Erbsen - l£*K&vE- j,jb «» Haselnussgrösse. I OOi OooOo* I , ÖOOOOi I oo’oopo Um Schüttung des Filters j ° n» mit gewascnenem u.gesieb - < <§ n o 6 o'Ö°ö tem Kies von ca.5m/m. Korn- j £ ^ q q 6 O O grosse. Kiesausfüllung llo'o'O O.o. o >oo;o:o.o<» . *jo'0,0 O.O.o ^r)QoooO: ooooooooo] oooooor* -Beton 7>f. op>0 Wiesenhoden natürlicher Grund - z~ 0, 60 Wasserspiegel. hu mos er Schlick. Schlick. -220 Ton . < 6 o o o o o ©' Of OO o o e O o oo o b ö‘o Ö.o'O ö c e b> 6 ? o' u O Oo o'ö b • oöVöVoo-; o o’o Ö.o'o ö ö o ’o’o ‘b O'o O 6 6 o b 'o o’o o b o o ob 6 o'o 6 © o o 66 e ö O po_ £*0 ) Ö e> Ö ö O o 9 O > 6 o bb'Öö ’ö-« Kies u. Sand mit Gero Ile von Frbsenrbis H/allnuss - grosse . 6 ö'doöodo’o Kies u. Sand mit Gero He , Korngrösse des Gerolles sehr stark schwankend , ob o öööö 6 vereinzelt bis doppelte .ööoöö.öbö Faustgrösse. 6 o o' o o'o o o _ oo o'o oo o O'o O O O CD o OOOo.Oo'OO o'o ° ö ° 0° o n'o Oo'o.öo o'dÖÖP.G ^ dpterkante Filter^ _ j.Qo Qo 0 -9,2dl »°1 o §°o %°o°o0/o eisenschüssiger Kies . Gerolle %ot%°o°o wn Erbsen = 6/s Wallnussgrösse. O O O O OB ooo o oo o OOOOO oZJOCO Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 275 auf seine ganze gelochte Länge und etwa 50 cm darüber in wasser- haltiger schlammfreier Schicht steht. Die Pumpe des Abessinier- brunnens saugt unter Einwirkung des Atmosphärendrucks das Grundwasser empor, theoretisch also bis rund 10 m Höhe, in Wirklichkeit nur 7 — 8 m. Wenn also der Grundwasserspiegel tiefer liegt als etwa 7 m unter dem beabsichtigten Aufstellungs- punkt der Pumpe, so ist der Abessinier nicht mehr ohne weiteres verwendbar, man wählt dann besser eine Saug- und Druckpumpe. In wasserdurchlässigen Schichten, wie Ton oder toniger Mergel, ist Einrammen oder -bohren des Abessiniers zwecklos, in zäh- tonigem, felsigem und grobsteinigem Boden schwierig oder un- möglich, in Trieb- oder Schwimmsandschichten wegen Versanden meist erfolglos. Der Abes sinier b runn en kann also nur bei genauer Kenntnis des Untergrundes zweckmäßig verwendet werden, andernfalls versagt er häufig. Er ist kein Allheil- mittel \ seiner Aufstellung muß die Untersuchung der Boden- beschaffenheit und der Lage des Grundwasserspiegels vorausgehen, und es genügt m. E. bei Trink wasserbeschaffung nicht, hierüber Erkundigungen bei der einheimischen Bevölkerung einzuziehen. Wo die Anlage eines Brunnens nicht sehr eilig ist — und das dürfte im Stellungskrieg und Operationsgebiet die Begel sein — , sollte man stets durch vorheriges Abbohren die tatsächlichen Bodenverhältnisse genau feststellen und danach in den geeignetsten Schichten den Filter und etwaige andere durchlässig gewählte Teile des Saugrohres ■ein bauen. Im Bohrrohr werden die Saugspitze sowie gegebenen- falls wasserdurchlässige Saugrohrteile am besten mit grob- sandigem Bohnenkies umgeben und im übrigen das Saugrohr gegen Eindringen von Oberflächenwasser durch Lehm oder Ton gut ab- gedichtet; das Einbringen von Kies und Ton erfolgt in Schichten von 1 — 2 m Höhe, wobei das Bohrloch entsprechend stückweise mindestens bis zur Freilegung des Filters, besser ganz gezogen wird (Skizze 1). Die Pumpe ist so fest aufzustellen, daß ein Lockern des Bodens um das Saugrohr durch die Pumpenschläge und damit Eindringen von Tagewasser entlang dem Saugrohr ver- hindert wird. Beides erreicht man am besten durch Anlage einer •etwa 30 cm starken, möglichst großen Betonplatte um den Brunnen herum, was sich im Stellungskrieg fast überall ausführen läßt ; noch besseren Schutz gewährt ein Betonkegel unter der Pumpe auf der Platte (Skizze 1). Bisweilen wird das Vorbohren beim Abessinierbrunnen als Nachteil empfunden wegen der damit ver- 1 van Werveke, Geol. Wegweiser in Fragen der Wasserversorgung im Gebiet zwischen Maas und Mosel. Mitteil. Geol. Landesanst. Els.- Lothr. X. 1. 1916. p. 21 f. 276 W. Kranz, Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. bundenen Auflockerung des Bodens oberhalb vom Saugfilter, was Zutritt von Oberflächenwasser ermöglichen könnte. Noch größer wäre natürlich die hygienische Gefährdung, wenn man das Saug- rohr mit Filter offen in das Bohrrohr stellen wollte. Umgibt man aber das Filter im Bohrrohr mit Kiessand, das Saugrohr mit festem Lehm oder Ton unter gleichzeitigem stückweisem Heraus- ziehen des Bohrrohrs, so fällt der genannte Nachteil fort und es bleibt der große Vorzug, daß man an Hand des jetzt genau be- kannten Bohrprofils die Filterteile in einwandfreien Schichten ein- bauen kann. Ich habe den Einbau zahlreicher Abessinierbrunnen nach diesen geologischen und technischen Gesichtspunkten geleitet, alle wurden hygienisch als einwandfrei festgestellt. Es gibt zwar Anhaltspunkte, nach denen man auch ohne vorheriges Abbohren die Lage des Filters erraten könnte: Trübes Wasser und schwerer Pumpengang deutet auf tonigen, mergeligen oder feinsandigen Untergrund, klares Wasser und leichter Gang auf grobsandigen, kiesigen oder anderen durchlässigen Boden. Sicher ist das aber nicht, ein Brunnen mit klarem Wasser kann sich binnen kurzem trüben oder versagen, weil dem Filter eine tonige Schicht oder der Grundwasserspiegel zu nahe liegt. Man tut daher besser, zunächst Bodenprofil und Grundwasserspiegel genau festzustellen und danach sachgemäß entweder den Abessinier oder eine andere Brunnenart zu verwenden. Auch soll bei wenig tiefer Lage des Wasserspiegels der Filter nicht knapp unter dem- selben eingebaut werden: Man würde dann einen hygienisch keineswegs einwandfreien Brunnen erhalten, die filtrierende Boden- tiberdeckung des Wassers ist zu gering, Krankheitskeime können von der Geländeoberfläche in das Grundwasser eindringen und vom Brunnen angesogen werden. Nützt man dagegen die natür- liche Filtrierung aus durch Bodenarten, wie z. B. sandiger Kies, Sand, Löß, Lehm, sandiger Mergel oder Ton, und baut unter diesen den Saugfilter tief genug1 und sachgemäß ein, so kann man vielfach auch bei flachliegendem Spiegel hygienisch einwand- freies Trinkwasser erschließen2. (Fortsetzung folgt.) 1 Auf die Tiefe der Wasserfassung komme ich noch zurück. 2 Über die Desinfektion der Umgebung von Brunnen, der Pumpen und Rohrbrunnen selbst vergl. Gaertner, a. a. 0. 1915, p. 512 ff. — Zur schnellen Einführung in die allgemeine Geologie des Wassers seien emp- fohlen: H. Höfer v. Heimhalt, Grundwasser und Quellen, Braunschweig 1912; J. Niedzwiedzki, Über die Art des Vorkommens und die Beschaffen- heit des Wassers im Untergründe, in Quellen, Flüssen und Seen, Wien 1915. Ausführlicher: K. Keilhack, Lehrbuch der Grundwasser- und Quellenkunde, Berlin 1912. - — Über die Beziehungen zwischen Wasserversorgung und Hygiene vergl. u. a. A. Gaertner, Die Quellen in ihren Beziehungen zum Grundwasser und zum Typhus. Klinisches Jahrb. 1902, p. 335—498, und „Die Hygiene des Wassers“. Braunschweig 1915. W. Branca, Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 277 Über Paläontologische Hypothesen; Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung und Die Frage einer Teilung der Geologie— Paläontologie. Von W. Branca. (Fortsetzung.) g) Anschauungen über Körperbau und Lebensweise der Dinosaurier und Wechseln dieser Anschauungen. In einer Schrift über das System der Reptilien hatte Jaekel die Ansicht vertreten, daß die Riesenformen der alten Reptilien Pflanzenfresser gewesen seien. Sehr bald darauf lehrte er im Gegenteil, daß sie niemals Pflanzenfresser gewesen seien, indem er sich den Darlegungen Tornier’s mit den folgenden Worten anschloß: „Auch in der Beurteilung des Gebisses kann ich den Darlegungen Tornier’s nur zustimmen. Es zeigt unsere Form spatelförmige Zähne mit gezacktem Rand in ziemlich weitem Ab- stande. Diese Zähne .... sind aber in ihrer Gebißform nie- mals für herbivore Lebensweise geeignet und brauchbar gewesen1.“ Ebenso übertrug Jaekel die ToRNiER’sche Anschauung über die Körperhaltung des Diplodocus auf Grund der Funde in Halber- stadt auf sämtliche vierfüßig gehenden Dinosaurier mit den Worten: „Das Ergebnis meiner Darlegungen wäre demnach: 1. Daß die sauropoden Dinosaurier sich auf ihren Beinen nach der Art der Eidechsen bewegten, daß sie ihre Beine, besonders die Hinter- füße, auch zu scharrender Tätigkeit benutzten. 2. Daß die Zehen eine große Beweglichkeit an den Metapodien verraten, keines- falls aber mit digitigrader Stellung den Körper stützen und tragen konnten2.“ Dementsprechend bildete Jaekel auch noch in Meyer’s großem Konversationslexikon3 4 unter dem Titel: „Rekonstruktion fossiler Tiere“ Triceratops und Stegosaurus in Eidechsenhaltung ab. Bereits im Jahre 1 9 1 1 4 wechselte Jaekel wieder seine Anschauungen. Er taufte zunächst die beiden Ord- nungen der Dinosaurier, die Saurischia und Ornithischia Seeley’s, ohne Not um in Prae- und Postpubici und sagte: „In beiden Ab- teilungen gehen die schwerfälligeren, also auch übermäßig großen Formen wieder zu der schwerfälligeren Gangart auf vier Beinen über. I. Unterordnung Praepubici Jkl. (= Saurischia Seeley): 1 Die Fußstellung und Lebensweise der 'großen Dinosaurier. Mo- natsber. d. deutsch, geol. Ges. 1910. p. 276. 2 Siehe a. a. 0. eine Figur des Hinterbeins „in normaler Schritt- stellung restauriert“. 3 6. Auflage. 22. Jahres-Supplement 1909/10. 4 Wirbeltiere, p. 158. 278 W. Branca, Hüpfende oder kriechende Fleisch- oder Pflanzenfresser mit spitzen einzelnen Zähnen. Diese Abteilung umfaßt einerseits die hüpfenden Dinosaurier, zweitens die ebenfalls hüpfenden, aber etwas schwerfälligen Formen der Trias- und Juraformation, die sich einer Omnivoren, wenn nicht schon frugivoren Lebensweise an gepaßt hatten. Etwa 25 Skelette dieser Form sind jetzt in der oberen Trias von Halberstadt entdeckt (Gresslyosauridae). “ Demgemäß verwendet Jaekel nun wieder für Steg osaurus und Triceratops die Figuren von Marsh mit Elefantenfußstellung der Extremitäten1. In der Erklärung zu der zitierten Tafel 4 sagt er: „Das Tier ist in Seiten- ansicht und schreitender Stellung aufrecht abgebildet. Diese Stellung mag als normal gelten, da die einzelnen Organe, wie die Wirbelsäule, Arme und Beine in der Pegel in dieser Lage ange- troffen wurden. Diese Stellung entspricht auch derjenigen der bisherigen Rekonstruktionen. Neben einer stärkeren Aufrichtung des Körpers auf den Hinterbeinen wird eine hockende Stellung auf den unteren Enden der ventralen Beckenknochen besonders häufig gewesen sein, während das Niederlassen des Körpers auf die- Arme mit ihren halbkreisförmig eingekrümmten Fingerkrallen oder gar eine kriechende Bewegung auf diesen wohl nur gelegentlich vor kam.“ Also wiederholter Wechsel der Ansicht. Auch E. Fr aas, der doch wahrlich ein Urteil über Reptilien besass, hat übrigens , ivie anfangs Jaekel, die Aufstellung der Extremitäten der Plateosauriden in Ei- dechsenstellung, also nach der Auffassung von Tornier, angenommen ; aber er hat diese Ansicht nicht später ivieder verworfen. h) Hypothesen über Bau und Phylogenese des Wirbeltierschädels2. Nach Jaekel haben die Schädel der Fische und der bisher als „Landwirbeltiere“ bezeichneten Tiere keine phylogenetische Beziehung zueinander und nur das gemeinsam, daß beide von einem Schädel mit völlig geschlossenem Schläfendache ausgehen. Er sagt in dieser Beziehung: „Daß die Stegocephalie (d. h. völlig geschlossenes Schläfendach) als primär anzusehen ist, dafür spricht die unverkennbare Tatsache, daß auch alle Typen von Fischschädeln von stegalen Schädeldächern ausgehen“, und „glaube ich den Nachweis erbringen zu können, daß der primi- tive Ausgangspunkt aller dieser Schädelformen ein einheitliches Dach war, das erst unter Zug und Span- 1 Jaekel, Wirbeltiere. 1911. Siehe ferner: Über die Wirbeltiere in der oberen Trias von Halberstadt. Paläont. Zeitschr. 1913, besonders. Tafel 4. 2 Bau des Schädels. 1913. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 279 nung der überdachten Kopfteile in Regionen und be- stimmte Knochenplatten zerlegt wurde1.“ „Diese Schädelbildung der ältesten Fische macht den Eindruck, daß sich aus einem lokalen Deckorgan die beweglichen Organe der einzelnen Abschnitte des Kopfes gewissermaßen Stücke herausbrachen, und daß erst später in dem Maße, wie diese Stücke mit den inneren segmentalen Organen in festeren Konnex kamen, eine gewisse Konstanz der Teile und Annäherung der Glieder an die Tetrapoden eintrat2.“ Von Chelone schreibt Jaekel dabei, sie habe ein „sekundär geschlossenes Schädeldach“. Jaekel teilt leider nicht mit , wie denn dieser überaus hoch ent- wickelte ür Schädel entstanden ist. Sehr wundersam klingen auch die verschiedenen eigenartigen Angaben über die Ursachen der Zerlegung eines geschlossenen Schädeldaches; und schliesslich entsteht auch die Frage, ob das geschlossene Urschädeldach und das der Stegocephalen denn wirklich homolog sind f Als wahrscheinlicher wird man wohl eher den umgekehrten Gang annehmen müssen, nach dem zuerst einzelne Knochen vorhanden waren, die später eine geschlossene Kapsel bildeten. Ferner lehrt nun Jaekel, unter Fortbildung einer älteren Arbeit von ihm, daß es am Schädel vier vordere (faziale) Visceral- bögen gebe: Einen Lippen-, Nasen-, Augen- oder Mandibular- und Ohrbogen 3. Hiergegen muß doch aber geltend gemacht werden: Wenn ein ursprünglich einheitlicher Knorpel oder Knochen in eine Anzahl von Teilstücken zerfallen (z. B. der Unterkiefer der Rep- tilien oder der Oberschenkel mit seinen Epiphysen ), so ist damit doch noch nicht bewiesen, dass diese Zerfallstücke auch primäre Knorpel oder Knochen sind. Bisher hat man stets nur zwei viscerale Mund- bögen angenommen. Nun verdoppelt Jaekel diese Zahl wieder durch die ( von mir gesperrt gedruckten) beiden neuen Bögen, will also auch darin das bisher mit gutem Grunde als richtig Erachtete \ wieder Um- stürzen. Endlich lehrt er: „Meines Erachtens ist der Schultergürtel der primäre Bogen des Proatlas.“ Eine Diskussion über diese und die vorangehenden Ausführungen ist bereits bei Jaekel’s Vortrag von Barfurth, Lubosch und anderen erfolgt 4. Barfurth äusserte sich über die vorgetragenen Hypothesen dahin, wobei ich das zu Betonende unterstreiche: „Wenn die vor- getragene Ansicht über die Existenz eines Lippen -, Nasen-, Augen- 1 Wirbeltiere p. 104. 2 Über den Bau des Schädels. Verb. Anatom. Ges. 1913. p. 10. 3 Bau des Schädels, p. 15. 4 Verh. Anatom. Ges. 1913; Bau des Schädels, p. 20. 280 W. Branca, und Ohrenbogens richtig ist, so wird sie uns den anatomischen Unter- richt in mancher Beziehung erleichtern , da sie einfach und über- sichtlich ist. Aber es ist diese Anschauung noch in Einklang zu bring en mit unser en bisherigen Vorstellungen vom Primordialschädel, da wir die Beziehungen der Phy lo- gen ie zur Ontogenie doch nicht zur Seite schieben können. — Ebenso bedarf die Anschauung des Herrn Vortragenden über den Knorpel noch der Verständigung .“ Bas klingt sehr harmlos, enthält aber nur eine freundlich-ironische vollständige Ab- lehnung dieser Hypothesen. i) Hypothesen über die Abstammung der Wirbeltiere und ihr Wechsel. Jaekel lehrt weiter: „Die ältesten Wirbeltiere (die er Proto- chordata nannte) bewegten sich mit vier als Träger des Körpers dienenden , Füßen1 auf dem Meeresboden.“ „Erst sekundär, unter einem Funktionswechsel der Extremitäten“ ging dann die „Er- hebung ins freie Wasser“ vor sich. „Wir würden dann die Fische aus der Ahnenreihe der Tetrapoden ausscheiden und die letzteren direkt auf jene kriechenden Urformen zurückführen1.“ Bass die Fische von Landwirbeltieren abstammen sollen, ist ja ein G-eclanke, den schon vor ihm Simmroth ausgesprochen hat. Aber Anklang hat er damit nicht gefunden. Was aber jene erster e Hypothese Jaekel’ s anbetrifft . so ver- änderte er sie später in ihr diametrales Gegenteil: „Die erste Stufe der Vertebrata“ bildeten „weiche, nicht erhaltungsfähige und deshalb fossil kaum auffindbare Urformen“, nämlich die L and wirb eltiere , die er Protetrapoda nennt. „Von den Etappen dieses Entwicklungsprozesses in der Hauptreihe zweigten sich Wasserformen ab, vermutlich haben sich die Tuni- katen schon von solchen Typen abgezweigt, indem sie sessil wurden. “ „Die zweite Stufe, Eotetrapoda“, (sind) „fossil noch unbe- kannte Landwirbeltiere.“ „Von jener zweiten Stufe haben sich seitlich abgezweigt und durch Übergänge im Wasser zu Fischen umgebildet drei große Formkreise, deren genetischer Konnex nicht nachweisbar ist. Es ist nicht nur möglich, sondern wahrschein- lich, daß die Fische keine genetische Einheit bilden, sondern daß sich ihre Klassen selbständig von jenen Eotetrapoden der zweiten Stufe abgezweigt haben.“ Und er gibt für die Fische die folgende Kennzeichnung: „Pisces, Fische, die ins Wasser übergegangenen Typen der zweiten Wirbeltierstufe.“ Also zuerst sollten die ältesten Wirbeltiere Meerestiere sein ; dann sollen sie wieder Landtiere sein, und nicht nur die Wasserwirbel- 1 Über die Stammform der Wirbeltiere. Ges. naturf. Freunde 21. Juli 1896. p. 110. Ueber Paläontologisclie Hypothesen etc. 281 tiere, sondern auch die Tunikaten von Landwirbeltieren abstammen. Wiederum eine , der bisher allgemein herrschenden diametral entgegengesetzte Ansicht. Und für diese Ab- stammungslehre schafft er sich zunächst zwei erdachte Stufen von Landwirbeltieren. Las ist ganz phantastisch, ohne Anhalt und Beweise . Ferner sagt er: „Die Vorfahren der Fische waren vierf iiß ig h“ „Die älteren Fischformen sind allem Anschein nach anfangs Süßwasser- und Uferbewohne'r gewesen, das gilt sogar noch von den ältesten Haiformen1 2.“ „Im Salzwasser wurden die Fische erst später heimisch.“ „Auch die Teleostomen waren zunächst Uferbewohner, und zwar wahrschein- lich in Flüssen und Landseen, erst im Oberdevon scheinen sie das Meer erobert zu haben.“ Von den Eotetrapoda ferner stammen als nächst höher- 3 teil ende Landwirbeltier-Stufe nach Jaekel die Tetrapoden ab mit der aufsteigenden Reihe: Landbewohnende Tetrapodenvorstufe, landbewohnende Miosaurier, Paratheria und Säugetiere. Die Amphi- bien sind ein zu Wasserbewohnern umgebildeter Seitenzweig der Miosaurier; die Reptilien, von welchen die Vögel abstammen, sind Seitenzweige der Paratheria 3. Las alles sind Hypothesen , die möglicherweise das Richtige treffen , die aber viel wahrscheinlicher unrichtig sind. Beweise entscheidender Natur fehlen ganz. Lass zuerst Süsswässer, dann erst Salzwasser auf der Erde entstanden sein muss, ist klar. Als aber die Fische entstanden, da war Salzwasser natürlich längst vorhanden. Man dürfte daher {was Jaekel übrigens auch nicht tut ) nicht etwa daraus, dass anfangs kein Salzwasser vorhanden war, folgern wollen, dass ' die Fische notwendig zunächst im Süsswasser gelebt haben müssten. Übrigens werden die gerade in frühesten Zeiten der Erdbildung gegenüber der Jetztzeit viel häufigeren vulkanischen Ausbrüche grosse Massen von Chlor geliefert haben, so dass Salzwasser bald entstehen konnte. Selbst der Old Red braucht nicht notwendig eine Bildung von Süsswasser- Binnenseen geivesen zu sein, es kann sich hier ebenso- wohl um solche von Salzwasser gehandelt haben. Auch das wirkliche Vorkommen von Haien im Süsswasser würde nicht beweisen , dass sie nicht auch im Salzivasser gelebt haben ; wir kennen ja auch heute Fische, die im Meere leben, aber auch in das Süsswasser gehen. Vergl. auch das am Schlüsse dieses Abschnittes Gesagte. Die ältesten Fischformen hatten, wie Jaekel betont, Panzer- bildung. „In dem Maße, wie sie im Wasser heimisch wurden und zur Offensive übergehen konnten, mußten sie mit zunehmender Beweglichkeit den nun hinder- 1 Wirbeltiere, p. 25. 2 Wirbeltiere, p. 26. 3 Wirbeltiere, p. 26. 18* 282 W. Branca, lieh gewordenen Panzer in zweckmäßig gelagerte Teilstücke zerlegen1.“!! Des weiteren wird gesagt: „Bei alten Fischen finden sich große Beckenanlagen, die auf eine frühere S tütz funktion der hinteren Gliedmaßen weisen 2. “ Warum nicht auch auf grosse Flossen mit Knorpelskelett? Sodann lehrt er, daß die Vorfahren der Fische Lungen be- saßen. „Die Schwimmblase entsteht aus verkümmern- den Lungen3.“ „Aber“, fährt er fort, „die Umbildung der Lungen zur Schwimmblase trifft nur für einen Teil der Formen (der Fische) zu4 5.“ Bas soll also heissen , dass die mit lungenartigen Schwimm- blasen versehenen Fische noch die von ihren Vorfahren erworbenen Bungen besitzen. Sie müssten also , wenn man Jaekel beistimmen will, folgerichtigenveise an den Anfang des Fischsystems gestellt werden , während man doch bisher allgemein der Ansicht ist, dass sie an das Ende desselben zu stellen sind. Bezüglich der Bezahnung der Haifische wird gesagt, sie sei nicht primitiver Entstehung, sondern das „Resultat einer allmäh- lichen Zerlegung plattiger Kieferknochen, die zur Gebißfunktion spezialisiert waren0.“ Wahrscheinlich ist das nicht und wo ist denn der Beweis dafür: •denn Andere behaupten bekanntlich, dass ursprüngliche Einzelzähne später zu zusammengesetzten verwachsen. Gegenüber all den aufgeführten, meist sehr kühnen Hypothesen Jaekel’s über die Abstammung der Wirbeltiere muss notwendig be- tont werden , was ich in anderer Arbeit schon ausführlicher gesagt habe : Bie Aufeinanderfolge der Lebewesen, die uns die Paläontologie heute zeigt, kann durch jeden neuen Fund umgestossen werden, ist mich bereits oft dadurch umgestossen worden. Zahllose Tierformen, die gelebt haben , sind uns entweder noch nicht bekannt oder sind gar nicht erhalten. Alle Spekulationen über die Phylo g enie lediglich auf Grund des geologischen Alters der Er- funde, also über das , was Vorfahr und was Nachkomme war , stehen daher auf den schwankendsten Füssen. Nur wenn es anatomisch begründ et ist, w ei ss man sicher , wer Vorfahr und wer Nachkomme war. Phylogeneti- sches Alter und geologisches Alter decken sich durchaus nicht notwendig. Bie Neigung , in jedem älteren Wesen den Vorfahr des jüngeren 1 Wirbeltiere, p. 26. 2 Wirbeltiere, p. 27. 3 Wirbeltiere, p. 27. 4 Wirbeltiere, p. 29. 5 Wirbeltiere, p. 27. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 283 (natürlich gleichen Stammes) sehen zu wollen und nicht zu bedenken, dass zahlreiche fossile Wesen eben nicht Vorfahren , sondern Seiten- zweige waren , führt notwendig zur Aufstellung von solchen Stamm- bäumen, die überaus häufig wieder umgestossen werden müssen. Doch noch eins : Wenn die Protetrapoden weiche , nicht erhaltungs- fähige und deshalb paläontolo gisch nicht auffindbare Landwirbeltiere wirklich waren, d. h. also, wenn sie so niedrig organisiert waren , dass man nicht recht begreifen kann , wie sie sich auf dem Lande fortbewegt haben können — wie kommt es dann , dass ihre unmittelbaren , angeblichen Nachfolger , die Eotetrapoda , bereits eine geradezu übertrieben hohe Entwicklungsstufe erreicht haben sollen? Jaekel sagt ja, sie seien Landwirbeltiere geivesen, die ein voll ausg ebildetes Knochen- skelett, ein völlig g eschlossenes knö ehernes Schädel- dach, dazu tragfähige Beine, ausserdem Lungen usw. besessen hätten ; und dass sogar bereits ihre Embryonen ein so hoch entwickeltes Knorpel- skelett besessen hätten , dass aus diesen Embryonen die Haie, Rochen, Holocephalen und Teleostomen im wesentlichen schon als einfache Hemmungsbild'üngen hervorgehen konnten. Derartige Spiele der Phantasie sind gewiss für den, der sie spielt , sehr unterhaltsam , aber für die Wissenschaft sind sie mehr oder wenig er Ballast, und f ür die Studierenden werden sie zu einer um so grösseren Gefahr , mit je grösserer Sicherheit sie vor getragen iv erde n. k) Hypothese über die Phylogenie der Pelmatozoen und Wechsel derselben. Ich schicke das Folgende voraus, weil die von Jaekel an- gewandten Bezeichnungen nicht jedem geläufig sein könnten : Jaekel bezeichnet die Camerata Wachsm. u. Spr. als Cladocrinoidea und teilt sie in die kleine, ältere Gruppe der Eocrinites, die er dann später wieder in Epinnata umtaufte (mit zweizeiligen Armen [Fingern], aber ohne Pinnulae), und in die große, jüngere Gruppe der Pinnata mit einzeiligen Armen (Fingern) und mit Pinnulis l. Sodann trennt Jaekel die arm- und stiellosen Formen unter den Cystoidea (der Autoren) als Thecoidea von diesen ab, so daß also alle seine Cystoidea (im engeren Sinne) mit Armen und Stiel versehen sind. Diese Thecoidea nun stehen , wie Jaekel anfänglich lehrte, 1 Stammesgeschichte der Pelmatozoen. 1. Thecoidea und Cystoidea. 1899. p. 174, wo er die Eocrinites noch als solche bezeichnet; den Namen Epinnata wandte er erst später für diese Gruppe in den Erläuterungen zu der Paläontologischen Schausammlung in Berlin an, die man ja doch, wenn auch nicht in Buchform erschienen, als eine Veröffentlichung wohl ansehen darf. 284 W. Bianca, „unzweifelhaft am Ausgangspunkte dev Pelmatozoen; alle diese müssen das Entwicklungsstadium jener durchlaufen haben. Denn einfacher organisierte als diese (die Thecoidea) kann es kaum gegeben haben.“ Die „Thecoidea können nur insofern noch ein- fachere Vorläufer gehabt haben, als diese in geringerem Maße skelettiert waren 1 “ . Jaekel geht hier also in natürlicher Weise davon aus , dass zuerst einfachere Formen, ohne Stiel und ohne Arme , die Thecoidea , entstanden sind , und aus diesen dann die zusammengesetzteren. Fiese ErMärung verwarf er aber dann wieder und verkehrte sie in das diametrale Gegenteil , indem er umgekehrt lehrte: Die Thecoidea stammen von den Eocriniten (= Epinnata) ab. Demnach sollen also nun umgekehrt die einfachst organisierten Formen von spezialisierteren abstammen 2. Diese Epinnata sollen überhaupt die Ausgangsformen sein, von denen alle anderen Pel- matozoen abstammen. Für die letztere Auffassung könnte man in der Tat geltend machen, ' dass auch Comatula erst, in der Jugend, einen Stiel hat und ihn dann verliert. Eins von beiden kann ja immer nur richtig sein: Entweder ist eine einfache Form die Ausgangsform, aus der die spezialisierteren hervorgegangen sind. Oder umgekehrt, die einfache Form ist eine reduzierte, ist aus einer schon höher entivickelten hervorgegangen. Wenn aber ein Autor nacheinander beide Ansichten vertritt, und wenn er besonders die erstere als „ unzweifelhaft “ richtig hingestellt hatte, und wenn ein solches Wechseln seiner Ansichten nicht nur hier , sondern auch in anderen Fällen sich zeigt, dann sieht der Leser darin nicht mehr Fortschritte in der Erkenntnis des Autors, sondern nur ein Hin- und Herschwanken. 1) Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in den Definitionen Jaekel's. «) Er sagt, daß „bei den Fischen die Ohren zu statischen Organen umgebildet“ sind3. Die Tetrapoden dagegen haben „echte Ohren“. Die »Ohren“ der Fische können natürlich nicht zu statischen Organen umgebildet sein, iveil der Fisch keine Ohren hat. Höchstens das „ Gehörorgan “ oder das Labyrinth könnte so umgebildet worden sein. ß) Weitere Sätze Jaekel’s sind: „Gymnophionen [sind Tiere] mit verknöcher t e n A u g e n , unterbrochenem Oberkieferrand“ usw. 4. 1 Über die Organisation der Cystoideen. Verli. zoolog. Ges. 1895. p. 110. 2 Stammesgeschichte 1899 p. 174 und Erläuterungen in der Berliner Schausammlung. 3 Wirbeltiere, p. 29. 4 Wirbeltiere, p. 128. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 285 Auch von „verknöcherten“ Augen und „'unterbrochenem Ober- kieferrande“ zu hören, ist überraschend, trenn der Fachmann wohl auch errät, ivas gemeint sein kann. Aber auch der Studierende? y) „Urodela oder Caudata [sind] vier füßige Amphibien . . . . mit komprimiertem Ruderschwanz. Gliedmaßen klein oder teilweise zurückgebildet Auch das ist unrichtig oder wenigstens ungenau: In Wirklich- keit hat Siren nur Vorderfässe, ist also nicht vierfüssig , sondern zwei- füssig; und Salamandra hat keinen komprimierten Fuder schwänz. J.’s Definition der Urodela ist also in obiger Fassung nicht zulässig. d) „Die Anuren [sind Amphibien] mit. nach rückwärts verschobenen Ilia1 2.“ Das ist ebenfalls unrichtig: In Wirklichkeit sind die Ilia nicht nach hinten verschoben, sondern nach hinten gerichtet. e ) „Paratheria“ (Stufe III der Tetrapoden = Theriodontia, Anomodontia, Schildkröten und Monotremen der Aut.) sind die Vor- fahrengruppe der höheren Säugetiere: „Ihr Schädel, der bei den Ausgangsformen noch stegal gebaut war, weist einen Durchbruch in der Schläfenregion auf und wird damit synapsid, d. li. mit einem einzigen kräftigen Schläfenbogen versehen und dementsprechend mit einem einzigen weiten oberen Schädeldachdurchbruch. Die Phalangenformel ist normal säugetierartig 2 . 3 . 3 . 3 . 3 oder nähert sich doch bei den ältesten Vertretern diesem Typus“ 3 4 5 6. Jaekel benutzt hier die Zahlen der Flialan genglieder zur Auf- stellung von Klassen. Dass das wissenschaftlich nicht durchführbar ist, hat Tornier ausgesprochen41. Dass ferner die Jochbögen der von Jaekel erwähnten Tierklassen untereinander und mit denen der -Säugetiere wirklich homolog sind, ist bisher nicht bewiesen. C) Über die Seeschildkröten, Cheloniden, sagt Jaekel: „Ihr Kopf wird nicht mehr wie bei den Landschildkröten unter den Panzer zurückgezogen, sondern bleibt beim Schwimmen vor- gestreckt und schuf sich ein neues Schutzdach durch Aus- dehnung der Parietalia über die primäre Schläfen grübe “ Auch das gibt zu Ir rtümern Veranlassung ; denn beim Schwimmen strecken ja alle Schildkröten den Kopf vor. Alan könnte nur sagen: Auch bei Angriff en auf das Tier bleibt der Kopf vor gestreckt. rj) Ferner heißt es bei ihm: „Die Reptilien sind wechsel- et) 1 ü t i g e Tetrapoden ß. “ Von Wechsel blüti g en Tetrapoden kann man doch nicht reden, 1 Wirbeltiere, p. 129. 2 Wirbeltiere, p. 130. 3 Wirbeltiere, p. 181. 4 Handwörterbuch der Natui Wissenschaften. 8. Bei Gustav Fischer. 1913. p. 233. 5 Wirbeltiere, p. 184. 6 Wirbeltiere, p.133. 286 W. Branca, Ueber Paläontologische Hypothesen etc. nur von wechselwarmen, denn es handelt sich um ihre wechselnde Blutwärme. ff) Die Unterordnung der Lacerti definiert er dahin: Eidechsen sind kleine, „vierfüßige Klettertiere"1. Auch das ist unrichtig : Unsere gemeine Zauneidechse z. B.y Lacerta agilis, klettert nicht. i) Die Ophidii werden von Jaekel in folgender Weise gekenn- zeichnet: „Schlangen [sind] fußlose, walzenförmige Kriechtiere, ohne Schulter- und Beckengerüst, mit bezahnten Vomera und Pterygoidea 2. “ Auch das ist unrichtig. Die Vomera der Schlangen sind doch mcht bezahnt ! Python und andere Schlangen haben Rudimente von Hintergliedmassen. Auch sind nicht alle Schlangen walzenförmig. y) Einen stummen, aber sehr auffallenden Fehler zeigt die Darstellung, die Jaekel von einem der wichtigsten condylarthren Säuger, dem bekannten Plienacodus, gibt, der doch ganz besondere Aufmerksamkeit beanspruchen darf. Jaekel, mit seinen künst- lerischen Neigungen, hat zweifellos bei allen bildlichen Darstellungen in seinem Buche3 und so auch hier mindestens beaufsichtigend, selbst mitgewirkt. Hier stellt er nun den Schädel von Plienacodus mit hinten geschlossener Orbita dar. Bei einer so alttertiären Säugetierform wäre das eine Unge- heuerlichkeit. Ist das abweichende Ansicht Jaekel’s, dann stände sie- auch im Widerspruch zu der Originalabbildung ; ist es aber eine Ungenauigkeit , so wäre das, weil es einen der wichtigsten alttertiären Vorfahren der Huftiere betrifft, grosse Flüchtigkeit. X) Von den Labyrinthodonten (Hemispondyla) sagt Jaekel in einer und derselben Arbeit auf der einen Seite, daß sie (im Gegen- sätze zu anderen Formen mit zweiköpfigen Rippen) immer ein- köpfige Rippen haben4 5 6. Einige Seiten weiter spricht er aber vom ihren zwei köpfigen Rippen mit „zwei Ansatzflächen “ und bildet auch eine solche ab ! f.i) Traquair hatte den von Beyrich beschriebenen Ptericldhys- Bhenanus ebenfalls als Pterichthys aufgefaßt. Hiergegen wandte- sich 0. Jaekel indem er von anderer Auffassung ausging; doch das ist hier Nebensache. Das, worauf es hier ankommt, ist der Umstand, daß Jaekel an diesem einzigartig erhaltenen Exemplare — es ist bisher das einzige von solcher Schönheit — das docli 1 Wirbeltiere, p. 154. 2 Wirbeltiere, p. 155. 3 Wirbeltiere, p. 238. Fig. 267. 4 Über die Wirbeltierfunde in der oberen Trias von Halberstadt.. Paläont. Zeitschr. 1. 1913. p. 206. 5 Fig. 33 a. p. 212. 6 Organisation und systematische Stellung der Asterolepiden. 1903.. p. 41 — 60. Fig. 46; Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 55. 1903. E. Stromer, Richard Markgraf f. 287 sehr bemerkenswerte Vorhandensein einer Seitenlinie völlig ver- kannte, indem er sie für eine Naht zwischen zwei Platten erklärte, wie Guido Hoffmann nachwies \ Per Panzer hat also jederseits zwei Platten weniger, als Jaekel angibt. Bei der leichten Unterscheidbarkeit dieser Seitenlinie von einer Naht und bei der sehr hohen Wichtigkeit, die der Seitenlinie über- haupt zukommt, ist eine solche Verw echsliing jedenfalls sehr überraschend. Sie ist es aber um so viel mehr, als bereits Beyrich diesen Fisch ab g ebild et und be- schrieben und ganz richtig erkannt hatte, dass hier keinerlei Naht vorliegt, ivie das die von ihm gegebene Abbildung erkennen lässt. (Fortsetzung folgt.) Richard Markgraf f und seine Bedeutung für die Erforschung der Wirbeltierpaläontologie Ägyptens. Von Ernst Stromer. Markgraf war nur ein armer Fossiliensammler und kleiner Naturalienhändler, trotzdem verdient er in einer wissenschaftlichen Zeitschrift in Ehren genannt zu werden. Er war ein Deutscher aus Nordböhmen, der, ursprünglich Maurer, wie viele seiner Lands- leute als Musikant weit in der Welt herumzog. In Ägypten kam er aber infolge von Krankheit in tiefes Elend. Prof. E. Fraas, der in so vorzüglicher Weise Laien zum Fossilsammeln heranzu- ziehen wußte, erkannte auf seiner ersten Reise nach Ägypten 1897 seine Befähigung, half ihm mit Unterstützung schwäbischer Lands- leute aus der Not und lehrte ihn, z. T. brieflich, das mühsame Sammeln in den Steinbriichen des unteren Mokattam (Mitteleocän). Jahrelang war Markgraf dort in der Hauptsache tätig, zu- erst nur für die Stuttgarter, dann infolge meiner Vermittlung auch für die Münchner und Frankfurter Sammlung. Bei meiner zweiten Reise nach Ägypten 1903/04 führte ich ihn dann im Einverständnis mit Prof. Fraas in das Reisen, Sammeln und Ausgraben in der libyschen Wüste ein und durch mich lernte er fast alle dortigen Wirbeltierfundorte (im Pliocän des Natrontales, im Untermiocän des Uadi Faregh, im Oligocän und Obereocän des Fajum und im Untercenoman von Baharije) kennen. Bis vor dem Krieg war er dort immer wieder vor allem für deutsche Sammlungen, aber auch für andere, z. B. für die New Yorker, mit dem äußerst beschwerlichen Ausgraben von Wirbel- tierresten beschäftigt, obwohl er seit Jahren schwer leidend war. Er bewährte dabei große Findigkeit, außerordentliche Sorgfalt im 1 Asterolepis Rhenanus. Dies. Centralbl. 1909. p. 491 — 495. E. Stromer, Richard Markgraf f. — Besprechungen. 288 Sammeln und Zuverlässigkeit in seinen Fundangaben. Ihm war es wirklich um die Sache zu tun und es freute ihn am meisten, wenn er wissenschaftlich wertvolle Stücke fand und sie vor allem deutschen Museen zukommen lassen konnte; das Verdienen stand ihm trotz seiner Armut erst in zweiter Linie. Fast alle die Wirbeltierreste aus Ägypten, welche im letzten Jahrzehnt von Deutschen beschrieben wurden, sind seinem unermüd- lichen Eifer zu danken ; ich erinnere nur an die einzigartigen Ur- wale, Affen und Menschenaffen, die ältesten vollständigeren Seekuh- reste, die Fische, Schildkröten, Krokodilier, Schlangen und Dino- saurier,. Mit Recht wurde Markgraf deshalb sowohl von der würt- tembergischen Regierung wie von der bayerischen Akademie der AVissenschaften ausgezeichnet. Der Weltkrieg schnitt ihn von jeder A^erbindung mit Deutsch- land ab und legte seine Tätigkeit völlig lahm. In bitterer Not ist er im Januar dieses Jahres im Fajum seinem alten Leiden er- legen. Seiner wird besonders in Deutschland dankbar gedacht werden, denn seiner deutschen Gesinnung und gewissenhaften Arbeit ist es zuzuschreiben, daß unsere Sammlungen mit ihren bescheidenen Mitteln die vor allem von Zittel und Schweinfurth herein gebrachten Schätze fossiler Wirbelloser Ägyptens durch einen einzigartigen Reichtum an Wirbeltierresten ergänzen konnten. Besprechungen. Fr. Rüdorff: Grundriß der Mineralogie und Geologie. Für den Unterricht an höheren Lehranstalten. Neunte, umgearbeitete Auflage. Berlin und München bei H. AAL Müller. 1915. 119 p. Mit 1 Karte und 139 Figuren im Text. Wenn ein derartiger Grundriß neun Auflagen erlebt, so darf man wohl annehmen, daß er den Bedürfnissen genügt, zu deren Befriedigung er bestimmt ist. Die hier vorliegende neunte Auflage ist von dem Oberlehrer Dr. Karl Schulz besorgt, nachdem die vorhergehende achte von dem als Geologen bekannten Professor Dr. Arthur Krause hergestellt worden war. Er hat zuerst dem Grundriß der Mineralogie von Rüdorff einen kurzen Abschnitt über Geologie und ein geologisches Kärtchen von Mitteleuropa beigefügt und Mineralogie und Petrographie nach dem neueren Stande der AVissenschaft umgestaltet. Der Verf. der neuesten Auf- lage hat hierin manches geändert und den Abschnitt über Geo- logie manchfach vermehrt und übersichtlicher gestaltet. Immer noch spielt aber die Mineralogie die Hauptrolle (p. 1 — 74), neben der Petrographie (8 p.) und Geologie (3U p.). Die Ausstattung ist gut, die Abbildungen sind vielfach alte Bekannte aus anderen ähnlichen AVerken. Max Bauer. Walter Wetzel, Schmelzendes See-Eis etc. 289 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Schmelzendes See-Eis im Bereiche eines Nordostfront- Abschnittes (1916). Von Walter Wetzel. Mit 5 Textfiguren. Die Eisdecke eines der zahlreichen Seen in der kuppigen Grundmoränenlandschaft südlich von Dünaburg war von Dezember 1915 bis Mitte April 1916, also 4| Monate hindurch, eine lückenlos geschlossene Schicht gewesen, deren Mächtigkeit in der Zeit maxi- malster Frostwirkung ca. 80 cm betragen hatte. Auch seit Einsetzen einer sich dauernd über 0° haltenden Temperaturperiode (seit 1 . April) blieb das Bild des Sees nahezu dasselbe; infolge genügender Abdunstung bei frischen Winden sammelten sich keine Wasserpfützen auf dem Eise an. Dagegen war ein allerdings beträchtliches Sinken des Spiegels zu erkennen, wobei sich die Uferlinien in oft überraschender Weise änderten. Am 16. April zeigte sich auf unserem S a-See plötzlich ein Netz zusammenhängender Wasserrinnen und am 17. April waren große eisfreie Wasserflächen, nicht viel später nur mehr Eisinseln im Seewasser vorhanden. Die Lage und Umgrenzung der Eisinseln wechselten nun außerordentlich schnell in offenbarem Zusammenhang mit den Windverhältnissen. Der Wind und die Wasserströmungen bewirkten eine gleichsam plastische Einpassung der Eisinseln in einzelne Buchten u. dergl. Am 19. April ließ sich nun die Ursache solcher Plastizität deutlich erkennen: Die vermeintlichen Eisschollen bestanden aus lauter nebeneinander stehenden, im Mittel fingergroßen Eisstengeln oder aus Bündeln von solchen, die noch Zusammenhang hatten. An Stellen, wo dieses Aggregat lockerer war, trieben die einzelnen Eisstengel, der Länge nach umgelegt, im Wasser, das zwischen den dichteren, parallelfasrigen Massen Rinnen bildete. Die Länge der Eis- stengel betrug bis zu 8 cm , die Dicke bis zu 2 cm an den aus dem Wasser ragenden Köpfen der Stengel, deren entgegen- gesetztes Ende spitz zulief. Die vertikalen Flächen der zapfen- artigen einzelnen Stengel zeigten in der Regel ein- und ausspringende Kanten, während die horizontale Oberseite ziemlich eben zu sein pflegte und mit nur geringer Rundung in die Vertikalflächen umbog. Letztere zeigten noch mindestens je eine Hohlkehle in regelmäßig demselben Abstande von der Oberseite, eine Auflösungsspur, welche mit der in diesem Niveau zu beobachtenden Anreicherung an Luftblasen im Eiskörper in offenbarem Zusammenhang steht. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 19 290 Walter Wetzel, Schmelzendes See-Eis etc. Bemerkenswert erscheint auch die Färbung der dichteren Stengel- aggregate, aus einiger Entfernung gesehen; sie war schmutzig- dunkelgrün und hob sich scharf von der Färbung der Lockerungs- zonen ab, in denen die Stengel mehr oder weniger umgelegt schwammen und mit ihren, starkes Belief tragenden Längsflächen spiegelten und glitzerten. Die rechtzeitig unter das Mikroskop gebrachten und zwischen gekreuzten Nicols betrachteten Stengel hatten die Eigenschaften großer, einheitlicher Kristallindividuen von beachtens- wert gleichartiger Ausbildung. Es wurden an den Stengeln, die während der Untersuchung im Maximum noch 1 cm dick waren (Fig. 1—5), nicht nur gleichmäßiges Auftreten und regelmäßig flächen- hafte Verteilung der Interferenzfarben bis hinauf zum Blau II. Ord- nung, sondern auch, wenn die Stengel der Länge nach auf dem Objekttisch lagen, gerade Auslöschung beobachtet. Die Interferenz- farben sanken während der Beobachtung im Zimmer in wenigen Sekunden zum Grau I. herab. Für Beobachtungen in konvergentem polarisierten Licht wurden mittelst Kneifzange aus den Stengeln würfelartige Blöcke hergestellt, freilich von einer entsprechend den oben geschilderten Stengelformen großen Unregelmäßigkeit der Begrenzung, wobei insbesondere die (geringe) Konvergenz der Flächen nach der unteren Spitze der Zapfen hin bestehen blieb. Das einachsige konoskopische Bild des Eiskristalls gelangte wieder- holt so zur Ansicht, daß der Achsenaustritt eben noch am Bande oder unmittelbar außerhalb des Gesichtsfeldes (bei nicht extrem stark gewählter Konvergenz des Linsensystems) zu lokalisieren war, und zwar in Horizontallage einer der „Würfelflächen“, die nicht mit der ursprünglichen Horizontalfläche der Stengel zu- sammenfiel. Die Beobachtung durch letztere Fläche, ebenso wie durch das übrigbleibende dritte Würfelflächenpaar ergab, abgesehen von dem Mangel eines Achsenbildes, in jedem Fall viel niedrigere Fig. 1-— 5. 1/2 nat. Größe. W. Kranz, Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 291 Interferenzfarben als das ersterwähnte Flächenpaar, das im Kono- skop mehrere farbige Hinge und in gewöhnlichem polarisierten Lichte die oben erwähnten maximal hohen Interferenzfarben ge- zeigt hatte. Die Eiskristalle — wenn wir die Stengel als solche auffassen und nicht als ein feines, nicht erkennbares Aggregat von sehr regelmäßigem und recht unwahrscheinlichem Bau — hatten also ihre Faserachse senkrecht zur optischen Achse, welch’ letztere mindestens annähernd parallel der Oberseite der Stengel, d. h. parallel auch der Eisoberfläche des Sees gelegen hatte. Das See-Eis dürfte während seiner langen Existenzzeit immer grobkristalliner geworden sein — vielleicht war eine Temperatur- periode im Dezember/Januar mit andauerndem Schwanken um 0° dafür bedeutungsvoll gewesen — ■, und die Kristallindividuen mögen vor Beginn der endgültigen Abschmelzperiode noch viel größer, namentlich länger, als fingergroß gewesen sein. Damit wird die Art des Abschmelzens unserer Eisdecke, die ja vom Abschmelzen eines Eisblockes gemeinhin erheblich abweicht, ebenfalls verständ- lich: Unsere Zapfen oder Stengel sind Auflösungskörper einzelner Kristallindividuen, welche zwar nicht an die Regelmäßigkeit der be- kannten schönen künstlichen Auflösungskörper, wie sie A. Johnsen und andere Forscher an Na CI etc. erzielten, herankommen, aber doch Gesetzmäßigkeiten vermuten lassen. Infolge der verhältnis- mäßig großen Auflösungsgeschwindigkeiten irgendwelcher vertikal orientierter Flächen ergab sich die Isolierung der Einzelkristalle aus der Eisdecke. Bemerkenswerterweise erhielt sich auch die oben erwähnte + ebene Oberfläche der Stengel, die freilich unter anderen Bedingungen stand als die vorigen (Abdunstung). Mit dem homogenen Charakter der Eisstengel mag es schließ- lich auch Zusammenhängen, daß die von Wind und Wellen be- wegten klöppelähnlichen und so zahlreich aneinandergereihten Zapfen in den Nächten und zu stillen Zeiten auch am Tage ein eigen- tümliches Tönen erzeugten, das sich vom See her vernehmen ließ. Im Felde, 19. April 1916. Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. Von Major z. D. W. Kranz. Mit mehreren Textfiguren. III. Brunnen bohren. (Mit Fig. 2 — 8, entworfen von Regierungsbaumeister Krauss.) Bohrungen können nur dann empfohlen werden, wenn das Wasser in stark durchlässigen Gesteinen und Böden (z. B. in klüftigem Kalk-, Sandstein, Konglomerat, Kies, Sand) oder in einem Wechsel solcher Schichten mit wenig oder nicht durchlässigen auf- 19* 292 W. Kranz, geschlossen werden soll Namentlich artesisch gespanntes Wasser ist vielfach erfolgreich erbohrt worden1 2. Ein wichtiges Hilfsmittel fiir Bohrarbeiten im Feld ist das Brunnenbohrgerät der Eisenbahn- oder Reserve-Eisenbahn- baukompagnien oder der Feldbahn-Betriebseinheiten, beschrieben in der ,, Anleitung zur Herstellung von Tiefbohrbrunnen durch Eisen- bahnbautruppen“ (Mittler u. Sohn, Berlin 1901) und in ,, Brunnen- bohrgerät n. A., Ergänzung der Anleitung zur Herstellung von Tiefbohrbrunnen durch Eisenbahntruppen“ (Berlin 1914). Dies Bohrgerät (älterer und neuer Art) entspricht im wesentlichen dem sonst in Handel und Technik üblichen 3 und besteht aus: Bolirgerlist (Vierbock mit Seil, Winde usw.). Schmiedeeiserne Bohrrohre von 152 mm äußerem und 137 mm innerem Durchmesser4 (47 m, in Stücken von 5, 2,5, 2, 1,5 und 1 m Länge, eines davon mit Schuh). Bohrgestänge (40 m in je 5 m langen Stangen). Je 1 Trockenschappe von 172 und 137 mm Durchmesser. 1 Schlangenbohrer von 130 mm Durchm. (= Spiralbohrer). 2 Fallmeißel ,, 130 ,, ,, mit Zubehör. 1 Kreuzbackenerweiterungsbohrer, 170 mm schneidend5. 1 Ventilbohrer (Schlammbüchse) von 1 14 mm größtem Durchm. (Bohrgerät n. A.) 4 mit Zubehör. Rohrschellen, Schlüssel, Abfanggabel, Bohrrohr-Kopfstück mit Bolzen, Wirbel, Schäkel, Fall-Fangscliere, Zubehör und Ersatzteile. Auch das Bohrverfahren ist ähnlich dem der Privatindustrie 3 und eingehend in den beiden Anleitungen dargestellt. Ein Hinweis auf Ordnen und Aufbewahren der Bohrproben in Holzkästen, Fähren eines Bohrtagebuchs, Feststellung des Boden- profils und Beobachtung des Grundwasserspiegels beim Abbohren durch einen Sachverständigen (Geologen oder Bergmann mit geol. Vorbildung) erscheint dringend erforderlich, sonst verwischt sich im Lauf der Zeit das Bild der Bodenbeschaffenheit. 1 Vergl. van Werveke, Mitteil. Geol. Landesanst. Elsaß-Lothringen 1916. X. 1. p. 22. 2 Vergl. z. B. Niedzwiedzki, a. a. 0. p. 22 ff. — Höfer v. Heim- halt, a. a. 0. p. 100 ff. 3 Vergl. Tecklenburg, Handbuch der Tiefbohrkunde. Leipzig. I. Das englische, deutsche und kanadische Bohrsystem. 1886; II. Das Spülbohr- system ; III. Das Diamantbohrsystem. 1889 ; IV. Das Seilbohrsystem (Brunnenbohren). 1890. — Lueger, Wasserversorgung der Städte. 1890. p. 495 — 501 und 519—524. — Lueger- Weyrauch, desgl. 1914. p. 748 ff., 767 ff., 782 ff. 4 Das Bohrgerät älterer Art hat bei gleichem Bohrlochdurchmesser 2 Ventilbohrer von 114 und 127 mm größtem Durchm. Außerdem ist beim Bohrgerät a. A. Krätzer und Glückshaken. 5 Zum Nachschneiden in Tonen ist ein „Federschneider“ vorteilhaft. Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 293 Man kann mit einem dieser Bohrgeräte Grundwasser bis zu einer Tiefe von rund 40 m unter Geländeoberfläche ,,in fast jedem Gebirge“ (mächtiger harter Fels ausgenommen) erschließen. „Ist das Grundwasser bei 40 m Bohrtiefe noch nicht erreicht, so kann mit einem zweiten Bohrgerät unmittelbar weiter gebohrt werden . . . Reicht das mitgeführte Bohrgerät nicht aus, so sind Brunnenbau- firmen heranzuziehen. Dieselben besitzen das zum Bohren erforder- liche Handwerkszeug und Gerät und verfügen meist auch über geschultes Personal.“ Es werden dann auch andere Durchmesser der Bohrungen und oft mehrere teleskopartig ineinandergestellte schmiedeeiserne Bohrschalen erforderlich, deren äußere meist nach- träglich wieder herausgezogen werden können, während die innerste (tiefste) zweckmäßig schmiedeeisern verzinkt (gegen Rosten) und wasserdicht überlappt geschweißt oder nahtlos eingebaut bleibt, 294 W. Kranz, mit 4 — 7 mm Wandstärke und wasserdichten Gewindeverbindungen. Man beginnt solche Bohrungen mit möglichst weitem Durchmesser, geht damit so tief wie angängig und verengert sie auf größere Tiefen nur ganz allmählich teleskopartig, damit der unterste End- durchmesser bei genügend großem Quer- schnitt dem Wasser ausreichende Durch- gangsfläche bietet. In kiesigem grob- sandigem Wasserträger wird ein Brunnen von etwa 20 — 60 cm Enddurchmesser in schmiedeeisernem verzinktem Rohr mit Muffenverbindung ungefähr ebenso zweck- mäßig sein, wie in feinsandigem Material. Filterschlitze an ihrem unteren Ende sind bei genügend hoher Wassersäule und grobkörnigem Wasserträger nicht durch- J 5 -Sva- ‘J tarn .«;.n 797Xr 7y'7y^/>|v /Y/V ^ aJL) ouy«/. '■'Vyibjo &JLUa, -Ci^va asxMA .a^oße/L **> TvLt/C't. — «yx/w*. Fig. 5. Mehrere Filterrohr- stlioke mit Aufsatzrohren ‘verbunden. Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 295 aus erforderlich (Skizze 3) \ In feinem Kies mit grobem Sand wird am besten ein Filterrohr in den Bohrrohrfuß eingebracht und das Bohr- rohr entsprechend angehoben (Skizze 2) ; feinkörniger Boden kann besondere Kies- oder Sandfiltervorlagen im Bohrrohr (Skizze 3) oder um das unterste geschlitzte Filterrohr herum (Skizze 4) erforderlich machen. Es kommt auch vor, daß man Filterschlitze an mehreren durchlässigen Schichten einbauen muß, welche durch wasserundurch- lässige Schichten getrennt sind. Letztere schließt man dann mit vollwandigen Aufsatzrohren ab (Skizze 5). In das Bohrrohr oder in das Aufsatzrohr wird ein besonderes Saugrohr von drei und mehr Zentimeter Weite eingebaut (Skizzen 2 — 5 und 8). Die beiden militärischen Anleitungen zum Bohren rechnen also schon mit verfügbarer Zeit; sie schreiben Verwendung von Tiefbohrbrunnenmaterial im Kriege vor, „um entweder bei Neu- bauten von Voll- oder Feldbahnen in Gegenden mit wenig fließendem oder stehendem Wasser das zum Speisen der Lokomotiven erforder- liche Wasser durch Erschließen von Grundwasserschichten herbei- zuschatfen, oder um vom Feinde zerstörte Brunnenanlagen auf Bahnhöfen usw. durch neue ähnliche Anlagen zu ersetzen.“ Damit und mit den zugelassenen Bohrtiefen geht bereits die Anleitung 1901 weit über die Erfordernisse des reinen Bewegungskrieges oder der früheren verhältnismäßig kurzen Festungskämpfe hinaus, sie ahnt gewissermaßen die nahezu unbegrenzten Möglich- keiten des langwierigsten aller Stellungskriege voraus. Dem Bohrzeug ist das Brunnen gerät im Feldgerät einer Eisenbahnbau-Kompagnie angepaßt und besteht aus : 1 Saug- und Druckpumpe mit Hand- und Eiemenantrieb. 2 etwa je 5 m lange schmiedeeiserne 2"-Saugrohre. 1 Saugfilterspitze. 1 Arbeits-Pumpenzylinder mit Stechventil (für Wassertiefen über 5 m; Bohrlochpumpe). Pumpengestänge (9 Stück, etwa je 4 m lang). Steigerohre von 105 mm innerem, 114 mm äußerem Durch- messer (8 Stück, etwa je 5 m, 2 und 1 m lang, zusammen rund 33 m). Pumpenanschlußstück und Frosthahn. Stahldrahtbürsten, Rohrschellen, Zungen, Rohrschneider, Schlüssel, Laschen, Bolzen, Schrauben, Muffen und sonstiges Zubehör. Die Rohre und Gestänge haben Muffenverbin- dungen. 1 Nach van Wervecke 1916 a. a. 0. p. 27 darf innerhalb der wasser- führenden Schichten keine Verkleidung mit vollen Rohren erfolgen. Hier- über muß aber in jedem Einzelfall der Pumpversuch entscheiden; in mehreren von mir geleiteten Bohrungen haben vollwandige Rohre bei starkem Wasserzudrang von unten genügt. 296 W. Kranz, Der Bolirtrupp bestellt nach der „Anleitung“ aus 1 Offizier, 2 Unteroffizieren und 12 bis 24 Mann und bleibt zweckmäßig un- unterbrochen in Arbeitsschichten tätig. Selbstverständlich wird man zu diesen schwierigen Arbeiten möglichst erfahrene Fach- t,'C&iS%L Fig. 6 a und b. STtcA/^e , >VO T^VUCxXc, TVoi/VA/cJ^tdL’s.Pl* leute nehmen. An Bohrstellen, deren Bodenverhältnisse nicht genau bekannt sind, besonders in Gegenden, wo erst in größerer Tiefe Grundwasser zu erwarten ist, soll stets ein vollständiges Bohrgerät mit zugehörigem Sprengmaterial und Pumpenanlage an Ort und Stelle bereitgehalten werden; zu seiner Beförderung sind fünf zweispännige Fuhren von je etwa 1000 kg Tragfähigkeit erforderlich. Bei günstigen Bodenverhältnissen lassen sich täglich Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 297 6 — 9 m Bohrloch mit vollem Bohrtrupp hersteilen, wenn Gestänge- brüche, Meißeln oder Sprengen vermieden werden können ; außer- dem rechnet man 6 — 8 Stunden für den Einbau der Pumpe. Störungen sind unberechenbar. Nach dem Einbau der Saugrohre usw. werden die Bohrrohre des Geräts der Eisenbahntruppen gezogen, so daß die Saugspitze vollständig freiliegt und dem Grundwasser ungehindert Zutritt bietet. Wo jedoch aus dem Bohrloch artesisches Fig. 7 a u. b. Rohr-Muffenverbindnngen. Druckwasser über die Geländeoberfläche aufsteigt, muß das Bohr- loch vollwandig verrohrt bleiben, um sein Zufallen zu verhindern und durchlässige oder unbrauchbare Zwischenschichten abzu- schließen E Pumpe und Saugrohre sind dann entbehrlich, man wird den Auslauf möglichst hoch anordnen, um das Grundwasser anzustauen, und für Ableitung, Überlauf, sowie Leerlauf sorgen, damit das Grundwasser nicht verunreinigt werden kann. 1 Lueger, a. a. 0. 1890. p. 519, 521. Über die Brauchbarkeit der verschiedenen Wasserstockwerke muß die chemische und bakteriologische Untersuchung entscheiden. 298 W. Kranz, Hygienisch wesentlich 1 ist, daß Bohrbrunnenrohre, welche unbrauchbares Wasser oberhalb der Filterrohre vom Eindringen in diese und in das Saugrohr abschließen sollen, und die ungelochten Teile des Saugrohres selbst wasser- und bakteriendicht sind, damit nur keimfreies tiefes Grundwasser angesaugt werden kann. Muffenverbindungen der einzelnen Rohrteile sind in dieser Hinsicht nicht so sicher und dicht, wie unmittelbare Verschraubung der Rohrenden ineinander (vergl. Skizzen 6 und 7). Gegen Ver- zinkung der Rohre wird geltend gemacht, sie könne auf die Dauer den Angriffen des Wassers doch nicht standhalten und gebe bei Verwendung kupferner oder messingener Tressenüberzüge auf dem Filter' Veranlassung zu elektrischen Strömen und galvanischen Zersetzungen2. Ein besseres Material als schmiedeeiserne ver- zinkte, überlappt geschweißte oder nahtlose Bohrrohre mit End- verschraubungen ist jedoch m. W. bis jetzt nicht bekannt; für den Stellungskrieg genügen sie unbedingt, und Messingtressen pp. kann man durch sorgfältige Sandfiltervorlage (Skizzen 3 u. 4) ersetzen3. Die Pumpe oberhalb vom Bohrrohr soll möglichst seitlich davon montiert werden, das Saugrohr wird dazu am besten unmittelbar nach dem Austritt aus dem Bohrrohr nach der Seite abgebogen („geschleift“; Skizze 8) ; bei Bohrlochpumpen, welche im Bohrrohr selbst montiert werden müssen, ist natürlich ein seitliches Schleifen des darüber anschließenden Steigrohres von geringerem Wert. Auch die Antriebsvorrichtungen der Pumpen (mit Schwengel, Hebel oder Schwungrad sind möglichst seitlich vom Bohrbrunnenrohr anzu- bringen, jedenfalls darf der Wasserauslauf nicht unmittelbar über diesem (oder dem zugehörigen Arbeitsschacht, vergl. Abschnitt IV, „Brunnenschächten“) angeordnet werden. Schließlich ist das freie Ende des Bohrbrunnenrohres und nötigenfalls auch die freien Enden weiterer Bohrmantelrohre, welche nach teleskopartigem Bohren etwa nicht gezogen werden, durch Flanschenabdiclitung oder wenigstens übergreifende Zinkblechkappen um das Saugrohr herum zu schützen ; dabei müssen etwaige Lüftungs- oder Frostrohre wasser- und keim- dicht durch Flansch oder Blechkappe in das Bohrbrunnenrohr ein- geführt werden (vergl. Skizze 8). Durch all dies soll unbedingt ver- hütet werden, daß Staub, Spritzwasser und verdächtiges Oberflächen- wasser in das Bohrbrunnen- und Saugrohr hineingelangt, die einzelnen technischen Maßnahmen sind hiernach sorgfältig auszuwählen. 1 Loesener, a. a. 0. 1909. p. 17 ff. — Gaertner, Die Hygiene des Wassers. 1915. p. 480. — Lehrbuch der Militärhygiene. 1910. p. 261 ff. 2 Gaertner, a. a. 0. p. 102. — Lueger, a. a. 0. 1890. p. 522. — Wasser und Abwasser. Leipzig 1911. p. 55. 3 Diese ist m. E. auch der von Loesener (a. a. 0. p. 19; Lehrb. d. Mili- tärhyg. p. 262. Fig. 119) vorgeschlagenen „Gummiabdichtung gegen Sandauf- trieb“ vorzuziehen : Liegt der Gummi wirklich dicht an, so muß das unver- letzte Einbringen oder Herausziehen dieses Filters nahezu unmöglich sein. Geologie und Hygiene im Stellungskrieg. 299 Bei reichlichem Wasserzufluß am Saugrohr und nicht zu großer Hubhöhe leistet die Bohrlochpumpe des Geräts der Eisen- bahnformationen bei Antrieb Brurmenscharht . durch je 2 Mann mit vierstündiger Ablösung rund 1,5 cbm Wasser stündlich, durch einen 3 — dpferdigen Motor 2,5 — 3,5 cbm stündlich, „ „ 6 „ ,, bis zu 6 Ihre Druckhölie beträgt nach der „Anleitung“ bei Hand- antrieb nicht über 15 m, bei Motorantrieb 20 — 30 m. Der Bohrrohrfuß soll nach der „Anleitung“ 1901 bis etwa 5 — 6 m, die Saugspitze bis mindestens 4 m unter Grundwasser- 300 W. Brau ca. Spiegel gebracht, das Wasser, wenn irgend möglich, aus einer Kies- oder Grobsandschicht entnommen werden; die Erbohrung einer solchen wasserhaltigen Kies- oder Sandschicht in einer Mäch- tigkeit von etwa 5 m sei anzustreben; wenn sie aber in geringer Tiefe zu wenig Mächtigkeit habe und zu wenig ergiebig sei, so solle man weiter bohren. Bei hartem Boden können im Bohrloch Sprengungen erforderlich werden; „gelingt es auch nach mehr- fachem Sprengen nicht, wieder andere Bodenschichten, in denen das Vorbohren schneller von der Hand geht, zu erreichen, so ist das begonnene Bohrloch aufzageben und an einer anderen, günstiger erscheinenden Stelle ein neues Bohrloch anzusetzen“. Man sieht, die Grundlage für das ganze Brunnenbohren ist fast ausschließlich geologisch: Ohne möglichst genaue Kenntnis des Untergrundes wird in sehr vielen Fällen Zeit, Arbeits- kraft und Gerät nutzlos verwendet werden1. In Jura, Kreide und Tertiär Frankreichs würde man z. B. fast überall ver- geblich nach den gewünschten mächtigen Kies- und Grobsand- schichten suchen; stehen nach geologischer Untersuchung unter einer wenig ergiebigen, aber doch wasserführenden Schicht sehr mächtige Tone an — wie das häufig im besetzten Frankreich der Fall ist — , so hat Tieferbohren keinen Zweck, man muß sich dann mit dem wenigen Wasser begnügen und mit anderen tech- nischen Hilfsmitteln (z. B. Schachtabteufen) seine Erschließung verbessern. Und ob man für größere Bohrtiefen als 4# m ein weiteres Bohrgerät bereitstellen soll, ob ein angefangenes Bohr- loch aufzugeben oder ob und wo ein neues anzusetzen ist, das hängt in allererster Linie von der geologischen Beurteilung der Bodenverhältnisse ab. Man sollte deshalb stets vor Beginn der Bohrarbeiten erfahrene Geologen zu Rate ziehen und ihnen nach Möglichkeit Zeit lassen zur Fest- stellung der tatsächlichen Bodenverhältnisse, wenig- stens durch die notwendigsten geologischen Aufnahmen ad hoc. (Fortsetzung folgt.) Über Paläontologische Hypothesen; Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung und Die Frage einer Teilung der Geologie— Paläontologie. Von W. Branca. (Fortsetzung.) Schlußfolgerung. Hiermit schließe ich meine Ausführungen aus Jaekel’s Schriften. Eine Überfülle von Hypothesen, keine sicher begründet, viele in direktem Wider- spruch mit den Erfahrungen und Anschauungen der 1 Vergl. Schmiedicke, Über Brunnenanlagen bei Truppenübungen. Deutsche militärärztliche Zeitschrift XXXV. 1906. p. 71. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 301 vergleichenden Anatomie und Embryologie, wieder andere das diametrale Gegenteil von dem aussagend, was Jaekel vordem gelehrt hatte, einzelne (Atmung des Gehirns) unbegreiflich. Dazu eine Reihe von Ungenauigkeiten. Ich habe damit nicht zu viel gesagt, jedenfalls hat mir alles Persönliche ferngelegen, ich bin rein sachlich geblieben. Mein Urteil steht auch keineswegs vereinzelt da; Urteile anderer Forscher lauten ganz ebenso, nur z. T. sehr viel schärfer, wobei sie jedoch durchaus sachlich bleib en: Urteile anderer Forscher. Ein Paläontologe, und einer von namhaftem Rufe, Williston, hat sich über die Arbeiten Jaekel’s, welche die Systematik der Amphibien— Reptilien betreffen, in gänzlich absprechender Weise geäußert. Samuel W. Williston1, Professor der Paläontologie in Chicago, kommt zu dem gänzlich ablehnenden Urteile, daß die von 0. Jaekel gegebene Systematik der Amphibien — Reptilien überhaupt nicht ernst genommen werden könne: „The recent classifications of Jaekel are not to be taken seriously.“ Man kann mit wenigen Worten nichts Verni c'h tenderes über die Hypothesen in einer wissenschaftlichen Arbeit sagen, als das Williston hier getan hat. Wie Zoologen und vergleichende Anatomen über Jaekel’s Hypothesen denken, das geht einmal hervor aus den bereits in meinen Ausführungen angeführten ablehnenden Urteilen von Bar- furth, Tornier, Röthig (p. 279 u. a. 0.). Sodann aber auch aus der Kritik des phylogenetisch- embryologischen Teiles der J AEKEL’schen Hypothesen durch Plate. Dieser faßt seine überaus eingehende und rein sachlich gehaltene Arbeit2, 3 darüber in folgenden Schlußworten zusammen: „Das Gesamturteil über die Jaekel’ sehe Arbeit kann natürlich nur sehr ungünstig lauten. Ihre Haupt- fehler bestehen in der Fülle verfehlter oder ganz ungenügend bewiesener Behauptungen, in dem un- gewöhnlichen Maß von Unkenntnis der einschlägigen Literatur, selbst der von ihm zitierten Werke, in 1 American Permian Vertebrates. Chicago 1911. p. 2. 2 Jaekel, Erwiderung auf Herrn Plate’s Kritik meines Aufsatzes über Deszendenz. Naturwissenschaft!. Wochenschr. N. F. II. p. 234 — 45. 3 L. Plate, Ebenda 1902. No. 9. p. 101 — 103. Vergl. auch darüber L. Plate, Deszendenztheoretische Streitfragen, eine Rechtfertigung meiner Kritik der Schrift von Prof. Jaekel. Biolog. Centralbl. 23. 1903. p. 665 — 678, 704 — 720, 741 — 757, im besonderen p. 665 und 666, wo Plate eine Blütenlese der von Jaekel gegen ihn gebrauchten Ausdrücke und Beschuldi gütigen zusammenstellt. 302 W. Branca, der Oberflächlichkeit, die sich darin dokumentiert, daß er schwierige Probleme mit ein paar nichts- sagenden Sätzen abtut und darin, daß er durch Auf- stellung nutzloser hochtönender Fremd worte unsere Erkenntnis zu fördern glaubt. Von bleibendem Wert sind hingegen die direkten Beobachtungen an dem fossilen Material, namentlich an Pelmatozoen. Auch die hieraus abgeleiteten Stamm- bäume scheinen im wesentlichen einwandsfrei zu sein , soweit man hierüber sich bloß an der Hand seiner Angaben1 ein Urteil erlauben darf. Die theoretischen Erörterungen hingegen, die er, hieran anknüpft, um uns eine Vorstellung von den Wegen phylogenetischer Entwicklung, von dem Wie der Entstehung der Arten, zu verschaffen, erscheinen mir fast ausnahmslos verfehlt. Ich schreibe diese Sätze selbstverständlich nicht in einem Gefühl persönlicher Animosität, sondern um Jaekel im Interesse der Wissenschaft zu ermahnen, bei der nächsten Gelegenheit mit mehr Kritik und Vorsicht an die Beurteilung theoretischer Fragen heran- zutreten. 8 Seitdem ist aber Jaekel auch weiterhin mit einer ganzen Anzahl von Hypothesen hervorgetreten, von denen ich im Vorher- gehenden eine Auswahl und nur von solchen gegeben habe, die meines Wissens bis zur Gegenwart von ihm vertreten werden. Das Ergebnis aus dieser Besprechung dieser neueren Hypo- thesen Jaekel’s, sowie aus den Urteilen, die Williston, Pompeckj, Plate, Barfurth, Tornier, Röthig fällten, und ferner aus der vollständigen Ablehnung, welche die gewagten Hypothesen Stein- mann’s durch Jaekel selbst 2 erfuhren, endlich aus dem Kampfe, den Tornier gegen die bisherige Art der Aufstellung der Dino- saurier mit Hilfe seiner vergleichend anatomischen Untersuchungen so erfolgreich eröflfnete — ich sage, das Ergebnis aus all diesen Urteilen läßt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1. Daß die Paläontologie auf einem verderblichen Wege wandelt, wenn sie auf dem a^ou Jaekel (auch einmal von Steixmann) eingeschlagenen Verfahren beharrt, wirkliche gründliche vergleichend anatomische, embryologische und zoologische Kenntnisse durch Hypothesenbildung zu er- setzen, und namentlich, AArenn das durch solche Hypothesen geschieht, die den grundlegenden Anschauungen diametral widersprechen, welche die Bearbeiter lebender Formen nach gründlichster Forschung gewonnen haben. Das von Jaekel gemünzte "Wort vom angeblichen „Tief- stand“ der Paläontologie in Deutschland (siehe p. 304. No. 2) könnte sonst zur Wahrheit werden, denn unter jenen Hypo- 1 Von mir gesperrt gedruckt. 2 Auch durch Pompeckj, Diener, Stromer von Reichenbach und mich. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 303 thesen finden sich bereits nicht wenige Stufen, die steil hin abf Uhren ! 2. Daß die von mir geforderte, von Jaekel so scheel angesehene, wirkliche zoologische, embryologische, physio- logische und vergleichend anatomische Vor- und Durchbil- dung (TI. II No. 6) für die, welche, wie er, reine Paläozoologen sein wollen, ein absolut notwendiges Erfordernis ist, und besonders dann ganz unerläßlich wird, wenn bei der von Jaekel ja so heftig angestrebten Abtrennung einer reinen Paläozoologie von der Geologie die Wissenschaft gewinnen soll. Andernfalls müßte es schließlich so weit kommen, daß naive Menschen die Überzeugung gewönnen, eine Be- gabung mit lebhafter Phantasie sei das wesentlichste Er- fordernis für Betätigung in der „reinen“ Paläozoologie. 3. Daß gerade der nur über Tatsachen hinführende „nüchterne“ Weg der paläontologischen Forschung ein voll- berechtigter ist. 4. Daß folglich der von mir wie von Pompeckj ge- leistete Widerstand gegen Jaekel’s Pläne und gegen das Überhandnehmen wilder Hypothesen in unserer Wissenschaft nicht eine Bekämpfung, zudem in so persönlich schmähen- der Form, verdient, wie sie von Jaekel gegen uns beliebt wird, sondern im Gegenteil den Dank der reinen Paläontologen. 5. Es wäre also keineswegs berechtigt, wenn Jaekel als der berufene Wortführer in allen diesen für die Geologie und Paläontologie so wichtigen Lebensfragen angesehen würde. Er hat nicht durch überwiegende Leistungen auf dem Ge- biete der Paläontologie sich eine derartige überragende Stellung in der Paläontologie geschatfen, daß mit Recht sein Urteil höher als das unsrige und als das fast aller deutschen Geologen eingeschätzt werden dürfte, und daß er also mit Recht immer wieder versuchen dürfte, die maßgebenden Stellen zu Maßnahmen zu drängen, die nach verschiedenen Richtungen hin in unserer Wissenschaft verderblich wirken würden, indem: a) die dringlichste Art einer Teilung der Geologie — Palä- ontologie einerseits in Allgemeine Geologie und anderer- seits in Historische Geologie — Paläontologie zurück- gedrängt werden würde, durch eine weniger dringliche in einerseits Allgemeine + Historische Geologie und andererseits Paläontologie; b) die Historische Geologie auf das schwerste für lange Jahre hinaus geschädigt werden würde, weil man ihr, wo größere Sammlungen vorhanden sind, diese mehr oder weniger zugunsten des reinen Paläontologen fortnehmen würde; 304 W. Branca, c) auch die reinen Paläontologen geschädigt werden wür- den, indem man ihnen die Möglichkeit nimmt, in Stellungen als Vertreter der Historischen Geologie — Paläontologie berufen zu werden; d) die wenigen größeren paläontologischen Sammlungen, indem man sie als „Museum“ selbständig macht, dem Unterrichte entzogen werden. 2. Prüfung der Berechtigung Jaekel’s , von einem „Tief- stand“ der Paläontologie in Deutschland sprechen zu dürfen. Nachdem in dem vorhergehenden Abschnitte gezeigt worden ist, daß ma/i aus Jaekel’s wissenschaftlichen Leistungen keine Berechtigung ableiten kann, ihn als den gegebenen Wortführer über diese Fragen in Deutschland anzusehen, soll nun weiter ge- prüft werden, ob wirklich die Dinge so liegen, daß Jaekel be- rechtigt ist, von einem „Tiefstände“ der Paläontologie in Deutsch- land gegenüber anderen Staaten sprechen zu können. Ich werde im folgenden zeigen, daß das eine müßige Redensart ist, die ihren Zweck, zu schrecken, verfehlen muß, sobald man ihr prüfend ins Gesicht schaut. Diese angebliche Vernachlässigung der Paläontologie gilt auch nicht für die Universität, auf die sie besonders gemünzt ist, für Berlin; denn ich habe in den 15 Jahren meines Hierseins nicht weniger als ca. 400 000 Mk. für Paläozoologie, fast nur der Wirbeltiere, ausgegeben; das Geld ist zum größeren Teile von mir zu diesem Zwecke, recht mühselig, gesammelt worden. Sieht das wie ein „Tiefstand“, wie ein Mangel an Interesse an Paläontologie aus? Und sind denn die besseren unter den paläontologischen Arbeiten, die von deutschen Geologen ge- macht sind, etwa minderwertiger als die paläontologischen Arbeiten Jaekel’s und anderer, fremder Paläozoologen ? Ich muß sagen, daß ich keinen Unterschied zu finden vermag, der zugunsten der fremdländischen und auch der Arbeiten Jaekel’s spräche, soweit es die Gründlichkeit und Genauigkeit der Beobachtungen und der Beschreibung anbelangt; und das ist das Wesentliche, das mehr oder weniger Unvergängliche. An Kühnheit der Spekulation — diese aber ist das mehr oder weniger Vergängliche — stehen sie freilich weit hinter Jaekel’s Arbeiten zurück; aber das ist gerade ein Vorzug. Indessen Jaekel’s Ausspruch von dem angeblichen „Tief- stand“ der Paläontologie in Deutschland ist zweideutig: Er kann sich beziehen auf die wissenschaftlichen Arbeiten , und er kann sich beziehen auf die Vertretung der Paläontologie an den Hoch- schulen. Um letzteres angeblich zu erweisen, führt Jaekel an, Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 305 was darin in anderen Staaten, im besonderen in England, Frank- reich, Amerika für die Paläontologie geschehe. Er wendet also die wissenschaftliche Methode des Vergleiches an. An der Hand der Angaben des Geologen-Kalenders von Keilhack will ich eben- falls diesen Weg einschlagen; aber ich werde natürlich den Ver- gleich so führen, wie ein richtiger Vergleich geführt werden muß, so schwierig das auch in diesem Falle ist. Wenn man das, was bei uns und bei den anderen Staat und Wissenschaft für die Paläontologie geleistet haben, gegenüber- stellen und vergleichen will, muß man zunächst die Größenverhält- nisse auf beiden Seiten vergleichen. Kein Zweig des Geistes- lebens eines Volkes hängt, unter sonst gleichen Verhältnissen, so von der Größe seines Landes ab, wie die Möglichkeit des Sammelns von Versteine- rungen und der Anreiz dazu, sowie zu der wissen- schaftlichen Bearbeitung derselben. Es liegt doch auf der Hand, daß, unter sonst gleichen Verhält- nissen natürlich, ein xmal so großes Keich auch xmal so viel Gelegenheit geben wird, Versteinerungen zu sammeln, daher xmal mehr Möglichkeit und An- regung geben wird, diese zu untersuchen, als ein anderes, xmal kleineres, mit jenem zu vergleichendes Land. Gewiß kann man Versteinerungen auch aus anderen Ländern erwerben und diese dann bearbeiten, doch wird man da meist schon bearbeitetes Material erhalten, so daß im allgemeinen nur eine kümmerliche Nachlese möglich ist. Oder man kann auch hier und da einmal eine von einem höheren Gesichtspunkte aus zu- sammenfassende Arbeit über fremdes Material versuchen und sich in Stammbäumen und Hypothesen ergehen. Die sind aber ein gefährlicher Boden. Aber das alles verschwindet doch gegenüber der Fülle von Arbeitsmöglichkeit, daher Anregungen zur Arbeit, die sich ergeben, wenn ein riesig großes Land seinen eigenen Gelehrten das fossile Material überreich darbietet. Wie kann man das in Parallele stellen wollen mit einem Lande, in dem die vielleicht 10 — 30mal geringere Größe auch entsprechend geringeres fossiles Material darbietet? Die folgenden Zahlenangaben verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Kollegen Penck. Es haben Flächeninhalt: Deutsches Reich . . . 541 000 qkm und mit Kolonien 3 448000 qkm Großbritannien, Stamm- land 314000 „ „ „ „ 30402000 „ Vereinigte Staaten von Nordamerika . . . 9 728000 „ und mit ab- hängigen Gebieten 10036000 „ Frankreich 536 500 „ und mit Kolonien 8443000 „ Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 20 306 W. Branca, Unter sonst gleichen Verhältnissen würden somit Frankreich 2^ mal, die Vereinigten Staaten von Nordamerika ungefähr 3 mal, Großbritannien ungefähr 9 mal so viel — ich will es kurz bezeichnen als — für die Paläontologie geleistet haben müssen als Deutschland. Aber noch sehr viel mehr; es ist dabei doch noch folgendes zu berücksichtigen : Die Kürze der Zeit, während der Deutschland seine Kolonien erst besitzt und paläontologisch ausbeuten konnte, und die Länge der Zeit, während der das in Großbritannien und Frankreich, wenigstens für zahlreiche ihrer Kolonien, der Fall war. Stellt man diesen Faktor mit in Rechnung, so müßten Frankreich und Großbritannien noch gewaltig mehr als nur 2^mal bezw. 9mal so viel für die Paläontologie geleistet haben als Deutsch- land; wenn man das berücksichtigt, so kommt man für Frank- reich auf eine Zahl von 10 — 12 mal, für England auf eine Zahl von 30 — 50mal! Für die Vereinigten Staaten bleibt es sich ziemlich gleich, ob man nur das Stammland oder auch seine abhängigen Gebiete rechnet. Von diesem großen Stammlande aber gilt das eben Ge- sagte in ähnlicher Weise: Es bietet zum überwiegend größten Teile seit sehr viel längerer Zeit den Sammlern sich dar, als die erst seit kurzem erworbenen deutschen Kolonien. Auch Amerika müßte daher nicht bloß 3m al, sondern mindestens lOmal mehr für die Paläontologie geleistet haben als Deutschland, wenn man beider Leistungen richtig vergleichen will. Was hat nun Großbritannien, das uns von Jaekel als eins der Muster hingestellt wird, gegenüber denen wir uns im „Tiefstände“ angeblich befinden sollen, in Wirklichkeit geleistet? Namentlich wenn man auch den ungeheuren Reichtum an Geld in Erwägung zieht, der England eigen ist. Großbritannien und Irland haben in Europa vielleicht für Paläontologie 1 Lehr- stuhl in der Cambridge Univ. Ich vermag aber nicht klar zu sehen, ob das nicht etwa eine Professur für Geologie ist, so daß dann auch diese eine Professur bei vorliegender Aufzählung nicht gezählt werden dürfte. Dazu kommen dann in Cambridge (Woods) und in Edinburgh (Gordon) je 1 Lektor. Die am British Museum angestellten Paläontologen sind wohl nicht Dozenten. In den afrikanischen Universitäten und Colleges besteht nicht nur kein Lehrstuhl für Paläontologie, sondern es sind auch noch die Minera- logie, Geologie, Paläontologie zusammen immer nur in 1 Lehrstuhl vereint. In Australien haben die Otago Univ. und das Canterbury Univ. College auf Neuseeland je 1 Lehrstuhl für Paläontologie; dazu die Univ. in Sidney 1 Lektor. Also das riesig große und riesig reiche Großbritannien hat mit seinen Kolonien nur 2 (viel- Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 307 leicht 3) Professuren für Paläontologie, dazu 3 Lektoren. An und für sich geht uns das gar nichts an, es kann uns auch völlig gleichgültig sein, was Großbritannien in dieser Beziehung tut. Wenn aber 0. Jaekel seine Behauptung von dem angeblichen „ Tiefstände“ dieser Wissenschaft bei uns durch großbritannische Verhältnisse erläutern und stützen will , dann müssen wir diese letzteren ins Auge fassen und dann sieht man, wie leicht Jaekel es sich mit seinen Behauptungen macht. Jaekel macht Ver- gleiche, ohne zu prüfen, und will hochgradig Un- gleichwertiges gleich stellen. An diesem Urteile ändert auch das Vorhandensein der großen paläontologischen Abteilung des British Museum nichts. Wir haben in Berlin, München, Stutt- gart, Frankfurt a. M., d. h. an den größeren Sammlungen ja eben- falls, und sehr tüchtige Kustoden, Konservatoren, Assistenten, oder wie sonst ihr Titel lauten möge, als Paläontologen. Sodann führt Jaekel Frankreich als ein Land an, das uns paläontologisch so sehr in den Schatten stelle. Diese Be- hauptung ist ähnlich haltlos wie jene bezüglich Großbritanniens; denn was die Lehrstühle betrifft, so steht Frankreich durchaus nicht besser da als Deutschland; und nur das Pariser paläonto- logische Museum übertrifft vielleicht an Umfang die von Berlin und Stuttgart, ob auch das von München ? Jaekel kannte doch zweifellos die Arbeit Kilian’s, die in deutscher Sprache bei uns erschienen ist, über diese Verhältnisse in Frankreich. Kilian sagt1, daß in Frankreich an den Hochschulen keine einzige Professur für Paläontologie vorhanden sei, abgesehen von einem phytopaläontologischen Lehrstuhl in Lille, der aber nicht vom Staate, sondern von der Universität bezahlt wird. In Frankreich ist sogar noch an 10 Universitäten nur 1 Professur für Mineralogie — Geologie — Paläontologie vorhanden; es stellt darin also gegenüber Deutschland weit zurück. In Paris werden im Geologen-Kalender dann an der Ecole sup. des Mines (Grandjean) und am Musee d’Hist. Nat. (Boule) je 1 Professur für Paläonto- logie aufgeführt, die Kilian jedoch bei seinen Angaben über die Hochschul-Professuren nicht mit im Sinne hat. Auch nur scheinbar richtig steht es mit Jaekel’s Behauptung, wenn er die Vereinigten Staaten von Nordamerika uns gegenüberstellt; denn wie vorhin gezeigt, er stellt völlig Ungleich- wertiges in Parallele. Es ist doch sehr erklärlich , daß in dem räumlich so gewaltig großen Gebiete, wie es das der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist, das zugleich auch einen so gewaltigen Reichtum an fossilen Reptilien und Säugern besitzt, die Paläonto- 1 Kilian und Gignou, Geologie und geologischer Unterricht an den französischen Hochschulen. Geol. Rundsch. Leipzig bei Engelmann. 4. 1915. p. 536. 308 W. Branca, logie notgedrungen sehr viel ausgedehnter sich betätigen mußte als in unserem dagegen so kleinen und an fossilen Reptilien, namentlich aber Säugern, so verhältnismäßig armen Gebiete. Was wollen die kümmerlichen Reste fossiler Säuger in Deutschland gegenüber ihrer unerschöpflichen Fülle in Nordamerika besagen? Derselbe Gegensatz muß daher ganz notwendig in der Fülle der Arbeiten über diese und in der Zahl der Professuren bestehen. Somit ist es nur den Verhältnissen entsprechend, wenn, zumal bei dem Geldreichtum der Vereinigten Staaten, infolge der oben ge- schilderten Verhältnisse 6, bezw. 7 oder 8, Professuren für Palä- ontologie vorhanden sind (Columbia Univ.?, Harvard IJniv. ?, Yale Univ., Chicago Univ., Pittsburg Univ., Stanford Univ. Calif ., Am- herst College). Es ist mir jedoch unbekannt, wie viele von diesen etwa aus privaten Mitteln besoldet werden. Sollte das der Fall sein, dann würde sich die Zahl der vom Staate Angestellten natür- lich um diese Zahl verringern. Von den beiden erstgenannten ist es mir auch fraglich , ob das etatsmäßige Ordinariate oder nur Assistenten sind. Von solchen finde ich in dem Geologen-Kalender noch 2 bezw. 3 (Boston Techn. Institut, Minneapolis Univ., dazu dort noch 1 „Instructor“). Das würde somit im ganzen an den Hochschulen in den Vereinigten Staaten 6, bezw. 7 oder 8, Ordi- nariate und 2 bezw. 3 Assistenten für Paläontologie aus machen, nicht aber die doppelte Zahl, nämlich 16 etatsmäßige Professuren, wie Jaekel sie angibt. Zu der von mir genannten Zahl würden dann noch solche Palä- ontologen liinzukommen, die an Museen angestellt sind. Ob mit Hinzurechnung dieser jene Zahl von 16 herauskommen würde, weiß ich nicht. Wie ich vorher berechnet habe, müßten ja die Vereinigten Staaten mindestens lOmal so viel paläontologische Professuren haben wie Deutschland. Steinmann aber hat geltend gemacht ’, daß Jaekel mit den [angeblich vorhandenen. Br.] ,1 „Eine Parallele zwischen unseren deutschen und den amerika- nischen Verhältnissen, wie sie Herr Jaekel gezogen hat, liefert nur dann ein richtiges Bild, wenn sie sich nicht auf das eine Spezialfach beschränkt ; wir müssen auch die geologische Parallele ziehen, und die Verschieden- heit der Einrichtungen berücksichtigen. Nach Jaekel waren schon im Jahre 1905 16 etatsmäßige Ordinariate für Paläontologie in den Ver- einigten Staaten vorhanden. Das ist wohl richtig [Steinmann hat das ohne weiteres wohl als richtig angenommen , meine Zweifel dagegen habe ich oben dargelegt], aber es ist nicht beigefügt, wieviel geologische Ordinariate daneben bestanden; Ich will diese Lücke zu ergänzen suchen. An der Universität Chicago gab es damals 5 Ordinariate für Geologie, eins für Petrographie, je ein Extraordinariat für Morphologie und Geo- graphie. Daneben ein Ordinariat für Paläontologie und Geologie. An der Columbia University bestand ein Ordinariat für Geologie und ein zweites für Paläontologie und Stratigraphie. An der Harvard University Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 309 16 Professuren gar kein Übergewicht in paläontologischer Hinsiclit für die Vereinigten Staaten beweisen würde, weil diese ja auch eine ganz entsprechend viel größere Zahl von geologischen Pro- fessuren haben als wir. Deswegen also wird man unmöglich von „Tief- stand“ der Paläontologie bei uns sprechen können, denn diese Unterschiede liegen begründet in jenen unabänderlichen Verhältnissen; auch was die wissen- schaftliche Güte der paläontologisclien Arbeiten in Deutschland anbetrifft, so bestreite ich, daß Jaekel ■auf sie den Ausdruck „Tiefstand“ im Vergleich mit jenen amerikanischen mit Recht anwenden dürfte. Soweit es sich aber um exakte Untersuchungen fossiler Formen von deutschen Forschern handelt, vermag ich keinerlei „Tiefstand“ zu erblicken. Wenn wir in Deutschland sehr viel weniger neue fossile Formen ent- decken und beschreiben können, als die amerikanischen und eng- lischen Forscher, so liegt das eben nicht an uns, sondern an den auf p. 305 und 306 gewürdigten Verhältnissen. Nur soweit es sich um kühn spekulative Arbeiten, um un- begründete oder mangelhaft begründete Hypothesen auf dem Ge- biete der Paläontologie handelt, mag Jaekel gegenüber diesen ja recht haben, wenn er das W7ort „Tiefstand“ durchaus an wenden will. Damit aber träfe er eigene Arbeiten. Es werden sich in- dessen hoffentlich nicht weitere deutsche Forscher in der Palä- ontologie finden, die ebenfalls diese schwankenden Pfade zu betreten Neigung haben. Keine Lehrstühle für Paläontologie finden sich in Spanien, Portugal, den Balkanländern außer Rumänien, der Schweiz, Hol- land, Japan. Dagegen sind in Rußland am Berginstitut in Petersburg und am Technolog. Institut in Tomsk je 1 Professur; in Rumänien 1; in Italien am Ist. Studi sup. in Florenz 1 (andere in Italien sind wohl Geologen — Paläontologen). Belgien hat in Brüssel 1 Extra- ordinariat, in Lüttich 1 für Paläontologie; Norwegen (Kristiania) 1 Extraordinariat; Schweden (Upsala) 1 Extraordinariat; Öster- reich-Ungarn (Wien) 1 Ordinariat. Dieser Ordinarius aber liest im wesentlichen auch die Historische Geo- logie neben der Paläontologie; er ist also, genau so ein Ordinariat und ein Extraordinariat für Geologie, ein Ordinariat für physikalische Geographie, ein Extraordinariat für Paläontologie; an der Yale University zwei Ordinariate und ein Extraordinariat für Geologie, keins für Paläontologie.“ „In Amerika hat man also, wie obige Daten zeigen, im Unterrichte Geologie und Paläontologie mehr, z. T. erheblich mehr gefördert als bei uns, aber keineswegs die Paläontologie allein.“ 310 W. Branca, wie Pompeckj und ich es befürworten, tatsächlich Ver- treter der Historischen Geologie — Paläontologie, wenn er auch nominell nur Professor der Paläonto- logie ist1. Für Wirbeltiere und Paläobiologie sind dann noch 2 Extraordinariate in Wien vorhanden (1 ist jetzt persönlicher Ordinarius). In Budapest 1 Ordinarius. In Deutschland hat München 1 Extraordinarius für Paläontologie. Aachen hat 1 Extraordinarius für Historische Geologie und Paläontologie. Heidelberg hatte bis vor kurzem, Bonn früher, ein Institut für Historische Geologie und Paläonto- logie. Berlin hat jetzt 1 „Lehrauftrag“ für Paläontologie. Es hatte 1 Extraordinarius für dieses Fach (Jaekel), der seine Be- soldung aber als Kustos erhielt; seit etwa 6 Jahren ist eine Reihe von Versuchen gemacht, die nötigen Mittel für dieses Extra- ordinariat zu beschaffen: Das eine Mal in Form des Gehaltes für einen zweiten Kustos , zweimal in Form des Gehaltes für einen „gehobenen Assistenten“, endlich direkt in der des Gehaltes für einen Extraordinarius. Das aber sind Verhältnisse, die mich im letzten Abschnitte zu einer Abwehr gegen eine neue Verdrehung zwingen, wie sie 0. Jaekel zu wiederholten Malen meinen Worten hat zuteil werden lassen. Zu diesen als Lehrer angestellten Paläontologen kommen dann für Deutschland noch die an den größeren Sammlungen angestellten Beamten hinzu, die ich schon auf p. 306 bei England erwähnte. Eine Zusammenfassung dieser Ausführungen ergibt, daß Jaekel’s Behauptung von dem angeblichen „Tiefstände“ der Paläontologie in Deutschland gegenüber anderen Staaten weder bezüglich der wissenschaftlichen Arbeiten, noch be- züglich des Lehrens oder der Lehrer richtig ist. Der Druck, der mit diesem seinem Schreckworte ausgeübt werden sollte, beruht auf völlig unrichtiger Grundlage. Wollte man selbst anerkennen, daß in den Vereinigten Staaten verhältnismäßig mehr für paläontologische Lehrstühle getan wird, so gilt, wie Steinmann hervorhob, doch genau dasselbe dort für geo- logische Lehrstühle. 3. Sollen, wie Jaekel anstrebt, größere paläontologische Sammlungen als Museen von den Unterrichtssammlungen ab- getrennt werden? Ein ganz unglücklicher Gedanke Jaekel’s ist es, daß er bei un& paläontologische Museen , also von den Unterrichtsinstituten los- 1 Ebenso kann dort auch der Allgemeine Geolog so viel von der Historischen Geologie in seine Vorträge hineinziehen, wie er für gut befindet. lieber Paläontologische Hypothesen etc. 311 ■gelöste Sammlungen , vermißt und wünscht. Er hat freilich im besonderen aus naheliegenden Gründen hierbei Berlin im Auge; doch würde natürlich folgerichtigerweise für München und jede andere große paläontologische Sammlung dasselbe gelten müssen. Pompeckj hat sich schon in ablehnendster Weise dagegen aus- gesprochen, auch ich würde eine solche Abtrennung für einen ver- hängnisvollen Fehler halten. Das mag ja für den Direktor eines solchen Museums eine sehr angenehme Stellung sein, aber für den Unterricht leisten sie nichts. Zudem würde auch damit der beste Teil der Sammlung dem Unterrichtsinstitute entzogen ; nur das also, was der Museums- direktor als für ihn nicht begehrenswert übrig ließe (vulgo „der Schund“), würde dem Unterrichtsinstitute verbleiben; der Unter- richt würde also auf lange Zeiten hinaus schwer geschädigt sein. Oder wollte Jaekel an dem abgetrennten Museum ebenfalls ein Unterrichtsinstitut errichten? Dann hätte der Staat zwei solcher Unterrichtsinstitute zu unterhalten. Vor allem aber ist zu erwägen, daß doch ein himmelweiter Unterschied zwischen „Museum“ und „Museum“ liegt. Wenn z. B. in Berlin das riesengroße zoologische Museum mit seinem großen Stabe von Beamten von dem zoologischen Institute abgetrennt worden ist, so geschah das mit völligstem Rechte. Es war eine absolute Notwendigkeit. Wollte man aber das dagegen winzige paläontologische „Museum“ von dem paläontologischen Institute abtrennen, so wäre das ein ebenso absoluter Mißgriff. Daß unsere paläontologische Sammlung in Berlin den Namen „Museum“ führt, ist ganz überflüssig. Der Name „Sammlung“ wäre durchaus ge- nügend; jener ist wohl nur entstanden durch ihre Unterbringung im „Museum für Naturkunde“ und dadurch, daß wir den besten Teil der Sammlung als „Schaumuseum“ für Studierende und für jedermann ausgestellt haben. Das geschieht ja aber genau ebenso in allen anderen geologischen und paläontologischen Sammlungen der Universitäten, ohne daß man sie darum dort jemals als „Mu- seum“ bezeichnet hätte; man nennt sie dort „Schausammlung“ •und einen anderen Namen sollte sie auch in Berlin nicht haben. Wem wäre also gedient mit dieser Loßreißung der paläonto- logischen Sammlung vom Unterrichtsinstitute? Dem Unterrichte nicht, der würde nur geschädigt werden. Der Forschung auch nicht, denn warum sollte die dadurch gewinnen? Nur also dem, •der der Direktor dieses Museums werden würde ! Ganz besonderes Gewicht legt auch Jaekel darauf, und er denkt gewiß damit Eindruck zu machen, wie es bei anderen Völkern sei; so müßten wir, sagt er, es auch machen. Warum aber sollen wir ‘in Deutsch- land auf dem Gebiete der Geologie— Paläontologie es 312 Besprechungen. — Personalia. nicht so machen, wie wir es für richtig halten, und wie es sachlich und besonders für uns richtig ist? Ich habe zur Genüge (p. 304 ff.) gezeigt, daß sich die Ver- hältnisse in Großbritannien, Frankreich, den Vereinigten Staaten von Nordamerika nicht im entferntesten mit den unsrigen ver- gleichen lassen. Wenn diese Staaten durch ihr riesiges Gebiet entsprechend riesige Massen von Versteinerungen gesammelt haben, dann mag die Notwendigkeit zu ihrer Aufstapelung in eigenen Museen dort Vorgelegen haben. Bei uns liegt nicht das erstere, also auch nicht das letztere vor, wir werden unsere Sammlungen in Geologie und Paläontologie sehr viel fruchtbringender für Unter- richtszwecke benutzen können als zur Schaffung von Museen. (Schluß folgt.) Besprechungen. C. Doelter : Handbuch der Mineralchemie. 2. Liefg. 9. 1915. p. 481 — 640. Mit 1 Tafel und vielen Abbildungen, Tabellen und Diagrammen. Dresden und Leipzig bei Theodor Steinkopff. Die vorliegende Lieferung hat folgenden Inhalt: Leucit (Genesis, Schluß) (C. Doelter). Kalifeldspat (C. Doelter). Analysenmethode des Orthoklases (f M. Dittrich). Ortho- klas (C. Doelter). Bildung der Feldspäte aus wässerigen Lösungen bei hohem Druck (Emil Baur). Chemisch-technische Verwertung des Kalifeldspats (L. Jesser). Cäsiumsilikate. Pollux (Pollucit). Rubidium Silikate. Beryllium- Al um in i um - Silikate. Analysenmethode der Beryllium- Aluminiumsili- kate. Beryll. Euklas. Magnesium- Alu miniumsili- kate. Magnesium - Aluminium ortho silikat (Pyrop). Cordierit. Sapphirin. Kornerupin. Prismatin. Grandi- dierit. Batavit. Chloritgruppe. Orthochl orite (Anfang). Alle diese letzteren Abschnitte sind vom Herausgeber (C. Doelter) verfaßt. Max Bauer. Personalia. Der Kustos, Privatdozent Dr. F. X. Schaffer ist zum außer- ordentlichen Professor an der Universität Wien ernannt. H. E. Boeke, Bemerkungen zu einer Arbeit von 0. Andersen etc. 313 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Bemerkungen zu einer Arbeit von 0. Andersen „Das System Anorthit — Forsterit— Kieseldioxy d“. Yon H. E. Boeke. Mit 1 Textfigur. Bei einer Untersuchung des Systems Diopsid— Forsterit— Kiesel- dioxyd fand N. L. Bowen \ daß Klinoenstatit und Diopsid eine lückenlose Reihe von Mischkristallen bilden, deren optische Eigen- schaften sich mit der Zusammensetzung deutlich ändern. Auch mineralogisch sind solche Mischkristalle wohlbekannt. Dagegen gibt 0. Andersen1 2 3 in seiner Abhandlung über das System Anorthit— Forsterit — Kieseldioxyd an, daß sich aus den gemischten Schmelzen innerhalb des für diesen Bodenkörper gültigen Bereiches bis zu 55 °/o Anorthit Pyroxenkristalle von den konstanten optischen Eigenschaften des reinen MgSi03 ausscheiden (1. c. p. 419). Aller- dings waren nur annähernde Bestimmungen möglich. Die Schmelzen der Systeme Diopsid — Forsterit— Si 02 und Anorthit— Forsterit — Si02 unterscheiden sich qualitativ nur insoweit, als bei den letzteren Tonerde hinzukommt. Es wäre schwer verständlich, daß die Gegen- wart der Tonerde die Mischkristallbildung von MgSi03 und CaSi03 ausschließen sollte, zumal wenn das A1203 nicht in den Pyroxen eintritt. In letzterer Hinsicht nimmt nun Bowen 3 bei der Unter- suchung des Systems Diopsid— Plagioklas an, daß der Diopsid sich auch aus den tonerdehaltigen Schmelzen völlig tonerdefrei aus- scheidet. Weil aber genauere optische Beobachtungen an den Pyro- xenen wegen der Kleinheit der Kristalle nicht angestellt wurden, so ist es sehr wohl möglich, daß diese Pyroxenkristalle tonerde- haltig waren. Mit Rücksicht auf den oft erheblichen Tonerde- gehalt der natürlichen Pyroxene und die Bildung der „Enstatit- augite“4 wäre es von besonderem Interesse, wenn sich durch eine eingehende optische Prüfung feststellen ließe, innerhalb welcher 1 N. L. Bowen, Amer. Journ. of Sc. 1914. 38. p. 207. Zeitschr. f. anorg. Ch. 1914. 90. p. 1. * 0. Andersen, Amer. Jorn. of Sc. 1915. 39. p. 407. N Jahrb f Min. etc. 1916. Beil.-Bd. XL. p. 701. 3 N. L. Bowen, Amer. Journ. of Sc. 1915. 40. p. 161. Zeitschr. f. anorg. Ch. 1916. 94. p. 23. 4 Die alkalifreien gesteinsbildenden Pyroxene stellen im wesent- lichen Mischkristalle aus Diopsid, MgSi03 und A1203 dar. 20* 314 H. E. Boeke, Bemerkungen zu einer Arbeit von 0. Andersen Grenzen die in den verschiedenen Systemen synthetisch gebildeten Pyroxene stofflich veränderlich sind. Nun lassen sich aber Mischkristalle von MgSi03, CaSi03 (bezw. Diopsid) und eventuell Al2 03 in den von Andersen und Bowen gewählten Dreiecksdarstellungen nicht zum Ausdruck bringen. Dasselbe gilt für den Spinell, der für einen Teil der aus An- orthit, Forsterit und Si02 gebildeten Schmelzen die Erstausschei- dung darstellt. Mit Recht betont Andersen, daß es deshalb zweck- mäßig ist, das ternär gedachte System Anorthit — Forsterit — Si02 als einen Teil des Vierstoffsystems CaO— MgO— Al2 03 — Si02 auf- zufassen. Er meint jedoch (1. c. p. 408), daß dieses allgemeine System wegen seines verwickelten Charakters noch lange Zeit un- untersucht bleiben würde. Nachfolgend soll durch eine geeignete Darstellung im Tetraeder gezeigt werden, daß die Schwierigkeiten keineswegs besonders groß sein dürften. In der vorstehenden Figur sind die vier oxydischen Kom- ponenten als Eckpunkte eines gleichseitigen Tetraeders eingezeichnet. Der Punkt für eine beliebige einschlägige Mischung findet sich in der üblichen Weise durch Eintragung der prozentualen Komponenten- mengen in den Richtungen der Tetraederkanten. Einfachheits- halber sind für die darstellenden Punkte der in Betracht kommen- den Bodenkörper Molprozente gewählt. Die Koordinaten der Punkte sind: MgO CaO A1203 Si02 Fo Forsterit 2 Mg 0 . Si 02 66,67 — — 83,33 Kl Klinoenstatit Mg 0 . Si 02 . . . . 50 — — 50 Di Diopsid Mg 0 . Ca 0 . 2 Si 02 • • • 25 25 — 50 An Anorthit Ca 0 . Al2 03 . 2 Si 02 . . — 25 25 50 Sp Spinell MgO. A1203 ...... 50 - 50 — ,Das System Anorthit — Forsterit— Kieseldioxyd“. 315 Von dem durch das Tetraeder dargestellten Vierstoffsystem sind durch die Arbeiten des Geophysikalischen Instituts zu Wa- shington schon bekannt: Tetraederkanten: MgO — Si02, CaO — Si02, A1203 — Si02, CaO — A1203; nur annähernd: MgO — A1203 und MgO — CaO; weiterhin die im Innern des Tetraeders verlaufende Strecke Di — An und die Strecke CaSi03 (Mitte der Kante CaO, Si02) — Di; Tetraederflächen oder Teile derselben: CaO — A1203 — Si02 und Fo — Di — Si02; im Druck1: MgO; — CaO — Al2 03 ; außerdem im Innern des Tetraeders als Teil einer Symmetrieebene Fo — An — Si02. Für die magmatische Mineralbildung kommt hauptsächlich das Teiltetraeder Fo — Di — An — Si02 in Betracht. Abgesehen von den weiteren Bestandteilen des Magmas — vor allem Alkalien, Eisen- oxyden und flüchtigen Stoffen — dürfte die Zusammensetzung der Schmelzen in normalen Fällen bei der Bildung basischer Gesteine durch Punkte innerhalb dieses Tetraeders dargestellt werden. Erst die Einschmelzung von Sedimenten wie Kalk, Dolomit oder Ton würde zu erheblichen Abweichungen führen können. Für saure Gesteine gelten infolge des Vorherrschens der Alkalien wesentlich andere Verhältnisse. Vom genannten Tetraeder sind nach Obigem zwei Seitenflächen bekannt, die beiden anderen (Di— An — Si02 und Fo — Di — An, in der Figur schraffiert) wären vor allen Dingen zu untersuchen. Der Inhalt des Tetraeders Fo — Di — An — Si02 besteht aus „Kristallisationsräumen“, die den Kristallisationsfeldern im Dreieck der Dreistoffsysteme entsprechen. Alle Schmelzen mit dar- stellenden Punkten innerhalb desselben Kristallisationsraums lassen (im Gleichgewichtsfall) denselben Bodenkörper als Erstausscheidung ausfallen. Ist der Bodenkörper ein Mischkristall, so ändert sich seine Zusammensetzung stetig für Schmelzen innerhalb desselben Kri- stallisationsraums. In den Kristallisationsräumen verlaufen Scharen von Isothermen flächen, welche die Kristallisationstemperaturen angeben oder, was auf dasselbe hinauskommt, die Löslichkeit der Bodenkörper in den veränderlichen Schmelzen. Aus den bisherigen Bestimmungen geht hervor, daß in das Teiltetraeder ein Kristallisationsraum für Spinell von unten her hineinragt. Weiterhin wäre es möglich, wenn auch nach den bis- herigen experimentellen und petrographischen Befunden nicht wahr- scheinlich, daß Kristallisationsräume für Calciumsilikate (CaSi03, Ca3Si207, Ca2Si04, Ca3 Si 05) hineinkämen. Dagegen wäre ein Kri- stallisation sraum für „Gehlenit“ (synthetisch zu 2 CaO . A1203 . Si02 bestimmt, die stoffliche Beziehung von Gehlenit, Melilith und Äker- manit ist noch unsicher) im Teiltetraeder eher zu erwarten. Ein Kristallisationsraum für Sillimanit ragt in das Teiltetraeder 1 Vergl. Zeitschr. f. anorg. Ch. 1916. 94. Heft 2. 316 H. E. Boeke, Bemerkungen zu einer Arbeit von 0. Andersen etc. nicht hinein. Weiterhin käme noch besonders der Cordrerit in Frage. Als dessen chemische Formel wird meist 2 Mg 0 . 2 Al2 03 . 5 Si02 angenommen, wahrscheinlich kommt aber ein konstitutioneller H20-Gehalt beim natürlichen Mineral hinzu. Bourgeois1 (1883) und Morozewicz2 (1899) erhielten jedoch Cordierit-ähnliche Kri- stalle aus trockenen Schmelzen, ersterer aus einer solchen von Cordieritzusammensetzung (Mg 0 . Al2 03 . f Si02), letzterer aus einem Schmelzfluß von andesitischer Natur. Außerdem stellte Doelter3 Cordierit dar durch langsame Erstarrung einer Schmelze 3MgO, 3A1203, 8Si02 mit 10 °/o WTolframsäure und 10 °/o MgF2 als Mineralisatoren (Abbildungen im Original). Treffen diese Angaben, insbesondere diejenige von Bourgeois, zu — die genaue Bearbei- tung des Systems MgO — A1203 — Si02 wird hierüber Aufschluß geben — -, so fängt der Kristallisationsraum des Cordierits bei der hinteren Fläche des Haupttetraeders an. Er erreicht aber die Fläche Fo — An — Si02 des Teiltetraeders nicht und ist daher im Innern desselben ebenfalls nicht zu erwarten. - — Der als Ver- bindung der in Rede stehenden Komponenten noch zu erwähnende Granat 3 (Ca, Mg) 0 . Al2 03 . 3 Si 02 zerfällt beim Glühen vor dem Schmelzen und kommt somit für die Ausscheidung aus den einschlägigen trocknen Schmelzen wohl nicht in Frage, ebenso- wenig wie der Quarz an Stelle von Tridymit. Zusammenfassend kann man somit schon aussagen, daß das Teiltetraeder Fo — Di — An — Si02 nur sechs Kristallisationsräume sicher enthält, und zwar für Cristobalit, Tridymit, Pyroxen (Klino- enstatit — Diopsid, wahrscheinlich mit A1203 in fester Lösung, vergl. oben), Forsterit, Anorthit und Spinell. Hierzu könnte noch ein Gehlenitraum hinzukommen. Von den genannten Kristallisationsräumen erstrecken sich die- jenigen für Cristobalit, Tridymit, Forsterit und Pyroxen durch das ganze Teiltetraeder. Insbesondere wäre mithin die Begrenzung des Anorthit- und des Spinellraumes noch unbekannt. Die Schnittpunkte von je vier Kristallisationsräumen im Tetra- eder (invariante Punkte bei konstantem Druck) werden sich durch Abschreckversuche ohne Zweifel ebensogut nach Zusammensetzung und Temperatur festlegen lassen, wie es für die invarianten Punkte in Dreistoffsystemen bei den Untersuchungen des Geophysikalischen Instituts zu Washington der Fall war. Die Lage der invarianten Punkte entscheidet darüber, ob Kongruenz oder Inkongruenz der entsprechenden Schmelzen vorliegt. Hierdurch wird wiederum der Kristallisationsvorgang der sämtlichen Schmelzen hauptsächlich bedingt. 1 Vergl. Ref. N. Jahrb. f. Min. etc. 1884. I. p. 197. 2 J. Morozewicz, Tscherm. Min. Mitt. 1899. 18. p. 68. 3 C. Doelter, Handbuch der Mineralchemie. II. 1915. p. 626. Gr. Fliegei, Die Plattenkalke im Mitteldevon etc. 317 Durch die Kenntnis der invarianten Punkte im Tetraeder sind zwar die Grenzflächen und -kurven der Kristallisationsräume noch nicht bekannt, es würde aber für die allermeisten Anwen- dungen auf den magmatischen Mineralbildungsvorgang wohl mit der Genauigkeit des petrographischen Tatsachenmaterials überein- stimmen, wenn man die gefundenen Raumpunkte durch gerade Linien und Ebenen verbindet. Von besonderem Interesse wäre der Nachweis, welche Kristallisationsräume Zusammentreffen und welche voneinander getrennt sind, weil sich dadurch die im Gleich- gewichtsfall möglichen Paragenesen ergeben. Für die graphische Darstellung der Verhältnisse in Vierstoff- systemen (insbesondere auch für die Kristallisationsbahnen) möge auf die einschlägigen Arbeiten von Schreinemakers, Bell, Par- .r avano 1 u. a. verwiesen werden, weiterhin dürften sich auch die vom Verf. angegebenen Projektionsmethoden 1 2 als nützlich erweisen. Die Darstellung beim Hinzuziehen weiterer Komponenten würde mehrdimensionale Räume erfordern, was ebenfalls nach den Aus- führungen des Verf.’s (im Druck im Neuen Jahrb. f. Min. etc.) keine besonderen Schwierigkeiten bietet. Namentlich würde sich auch dort aus der Feststellung der invarianten Punkte ergeben, ob Kongruenz oder Inkongruenz der Schmelzen vorliegt und welche Paragenesen im Falle des Gleichgewichts möglich sind. Frankfurt a. M., Min.-petr. Institut der Universität. Die Plattenkalke im Mitteldevon von Bergisch-Gladbach — ein Beitrag zur Stratigraphie des rheinischen Mitteldevons. Von G. Fliegei, Berlin. Die Sonderstellung, die der altberühmte mitteldevonische Kalk- zug von Bergisch-Gladbach (Paffrath) gegenüber den Eifelkalk- mulden des linksrheinischen Schiefergebirges einnimmt, ist in der reichen Entwicklung der jüngeren Schichten des Mitteldevonprofiles, für die Beyrich bekanntlich hier den Namen „Strygocephalenkalk“ geprägt hat, begründet. Andererseits nimmt der Gladbacher Kalk- zug auch gegenüber dem Massenkalk des nördlichen Sauerlandes, mit dem er die gleichförmige Auflagerung auf sandig-tonig ent- wickeltem Mitteldevon, auf „Lenneschiefer“, teilt, insofern eine Ausnahmestellung ein, als hier eine weitgehende Gliederung des jüngeren, kalkig entwickelten Mitteldevons durchgeführt worden ist. 1 Literatur bei H. E. Boeke, Grundlagen der physikalisch-chemischen Petrographie. 1915. p. 141. 2 H. E. Boeke, dies. Centralbl. 1915. p. 425. N. Jahrb. f. Min. etc. 1916. I. p. 98, 118. 318 G. Fliegei, Die grundlegende Gliederung G. Meyer’s1 ist rein paläonto- logiseher Art, und auch alles das, was man später an ihr zu bessern gesucht hat, beruht ausschließlich auf faunistischen Ver- gleichen oder, richtiger gesagt, auf einer nicht immer glücklichen Bewertung einzelner „Leitfossilien“. G. Meyer unterschied : Hombacher oder Lingula- Schichten Gladbacher oder HYuns-Schichten Bücheier oder Uncites-Schichteio. Torringer oder Quadrigeminum-Schichteia. = Unterer Stringocephalen- kalk Befrather oder Hexagonum- Schichten = Crinoidenschicht. Von diesen ist das jüngste Glied, die Hombacher Schichten, durch Winterfeld mit Beeilt ins Oberdevon versetzt worden, während über die Stellung der anderen Stufen auf Grund des Ver- gleiches mit der Eifelkalkfauna eine ziemlich ausgedehnte Literatur erwachsen ist , die zu einigermaßen befriedigenden Ergebnissen nicht geführt hat. Will man die verschiedenen Auffassungen, ohne auf Einzel- heiten einzugehen, ganz allgemein charakterisieren, so kann man sagen, es ist einerseits die Tendenz zu erkennen, dem Gladbacher Kalk einen sehr erheblichen Baum im Mitteldevonprofil zuzuweisen, in ihm die Vertretung des gesamten Oberen Mitteldevons zu er-' blicken, wobei es auch nie an einem Äquivalent der Eifeier Cri- noidenschicht fehlt. Andererseits werden die jüngeren Lenneschiefer- schichten im Liegenden des Kalkes — mit der stratigraphischen Stellung des „Lenneschiefers“ hängt die Gliederung ja auf das engste zusammen — nach dem Vorgänge von E. Schulz bereits als Stringocephalenschichten bezeichnet, wobei für den Paffrather Kalk selbst nur die höheren Stringocephalenschichten übrigbleiben. Eine besondere Stellung nimmt F. Frech2 ein, der in den Hexagonum-Schichten eine dem Lenneschiefer eingelagerte Ver- tretung der Crinoidenschicht erblickt, wobei die Hauptmasse des Paffrather Kalkes ebenfalls eine höhere Stellung erhält. Eines haben alle diese in ihrem Ergebnis weit auseinander- strebenden Versuche gemein, eine Beweisführung, die in keiner Weise zwingend ist. Auf ausschließlich paläontologischer Grund- lage ist eben die Detailgliederung des in Brachiopoden- oder Korallenfazies entwickelten Mitteldevons im Bheinischen Schiefer- gebirge nicht durchzuführen. Das hat seine Ursache in faziellen 1 G. Meyer, Der mitteldevonische Kalk von Paffrath. Dissertation. Bonn 1879. 2 F. Frech, Die Cyathophylliden und Zaphrentiden des deutschen Mitteldevons. Paläontolog. Abh. 3. Heft 3. Berlin 1886. Oberer Stringocephalen- kalk Die Plattenkalke im Mitteldevon von Bergisch-Gladbach etc. 319 Verschiedenheiten, die auch innerhalb der großen, in den Haupt- zügen einheitlichen Faziesgebiete, nicht fehlen, bezw. in örtlichen Verschiedenheiten der in den einzelnen Teilen eines Faziesgebietes ansässig gewesenen Tiergemeinschaften. Vor allem aber liegt es an der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis : Negative Merk- male, das Fehlen irgendwelcher Formen, sind vielfach überschätzt worden ; erst bei sehr lange betriebenen Aufsammlungen von Ver- steinerungen erhält man, da die Tiergemeinschaften im Bereiche einer Korallenfazies selbst in einer und derselben Schicht stark zu wechseln pflegen, ein einigermaßen richtiges Bild der Fauna. Was die Eifel insbesondere als Ausgangsgebiet einer derartigen Gliede- rung betrifft, so sind wir bis heute, wie die auseinandergehenden Anschauungen von Rauff, Schulz und Quiring zeigen, zu einer ein- heitlichen Gliederung des Eifeier Mitteldevons selbst noch keines- wegs gelangt. Unter solchen Umständen muß uns die Gesteinsbeschaffenlieit dort, wo es möglich ist, zu Hilfe kommen. Sie hat größere Be- deutung, gerade im kalkigen Mitteldevon, als man meist meint. Hinsichtlich des Gladbacher Kalkes z. B. ist für mich gar kein Zweifel, daß eine Menge von Meinungsverschiedenheiten über seine Altersstellung und Gliederung von vornherein gar nicht auf- gekommen wären, wenn man das Gestein nicht einseitig vernach- lässigt hätte. In einer monographischen Darstellung dieses Kalk- zuges, die ich in Arbeit habe, ist die Hilfe, die uns die Gesteins- beschaffenheit gewährt, ein dankenswertes Kapitel, das ich nicht ohne Not für sich allein behandeln würde. Wenn ich trotzdem einen Punkt hier herausgreife, so geschieht es deshalb, weil die unglückselige „Oß^W'Schicht“ neuerdings eine Auferstehung1 feiert. F. Frech hat seinerzeit in der Lethaea die irrige Meinung, daß die Leitform der „Caiqua- Schicht“ aus dem Unteren Stringo- cephalenkalk der Eifel mit der echten Newberria caiqua des Gladbacher Kalkes ident sei, in aller Klarheit widerlegt2, und man muß sich nur wundern, wie die so grundverschiedenen Formen je identifiziert werden konnten. Döring trennt die beiden Formen zwar ebenfalls, läßt aber im Gegensatz zu Frech, der die echte Newberria caiqua aus den Oberen Stringocephalenschichten von Paffrath anführt, die Möglichkeit offen, daß beide Schichten auf Grund ihrer sonstigen Fauna zusammengehören, d. h. daß das Paffrather Vorkommen Unterer Stringocephalenkalk ist. Die Frage ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil man ja seinerzeit auf Grund der angenommenen Altersgleichheit der beiden „Caiqua- Schichten“ versucht hat, die ganze Schichtenfolge von Bergisch-Gladbach umzukehren, und weil ja tatsächlich die 1 A. Döring, Die Caiqua- Schicht im Paffrather Stringocephalenkalk. Dies. Centralbl. 1914. p. 749. 2 F. Frech, Lethaea geognostica. 2. T. 1. p. 162. 320 G. Fliegei, Horizontierung des Gladbacher Kalkes bis zu einem gewissen Grade davon abliängt. Da Herr Döring eine ausführliche Arbeit in Aussicht gestellt hat, deren Erscheinen sich offenbar durch den Krieg verzögert, möchte ich ihm nicht mit dem von mir bei der Karten auf nähme jenes Gebietes gesammelten paläontologischen Material zuvor- kommen. Es erscheint mir aber zweckmäßig, wenn die gänzlich fruchtlose Erörterung über die „Caiqua- Schicht“ von Bergisch- Gladbach und ihr Verhältnis zu der fälschlich so genannten Schicht der Eifel nicht noch einmal auf lebt. Ich teile daher diejenigen Tatsachen hier mit, die sich für den Feldgeologen aus der Be- trachtung des Gladbacher Kalkzuges hinsichtlich der Altersstellung der betreffenden Schichten mit unabweisbarer Notwendigkeit ergeben: Am ganzen Nordrande des Gladbacher Kalkzuges folgen mit gleichmäßigem Südfallen in einer streichenden Erstreckung von rund 12 km über den Oberen Honseler Schichten, die zweifellos, wie das auch Denckmann und seine Mitarbeiter im nördlichen Sauerlande angenommen haben, nach ihrer Fauna Stringocephalen- schichten sind, die Bücheier oder £7rccite.s-Schichten Meyer;s. Diese Kalke sind nicht massig und ungeschichtet, wie in der Literatur zu lesen ist, sondern gut geschichtet, in allerdings starken Bänken und mit meist etwas unebenen Schichtflächen; sie sind gebankt. Ihre normale Mächtigkeit beläuft sich auf noch nicht 500 m. Über ihnen folgen, wiederum in der ganzen Erstreckung des Kalkzuges, die Gladbacher oder Hians- Schichten Meyer’s in etwa, gleicher Mächtigkeit, um ihrerseits von Tentaculitenschiefern 1 in ebenfalls erheblicher Ausdehnung überlagert zu werden. Uncites- wie Hians- Schichten nehmen im westlichen Teil des Kalkgebietes entsprechend der hier zu beobachtenden Verbreiterung der „Mulde“ infolge tektonischer Vorgänge ganz bedeutend an Oberflächenverbreitung und Mächtigkeit zu ; die Tentaculitens chief er verschwinden nach dem Kheintale zu unter jugendlichen, tertiären und quartären Aufschüttungen. Alle Versuche, die insonderheit von Winterfeld gemacht worden sind, dieses Profil umzukehren, den Gladbacher Schichten ihren Platz im Liegenden der Bücheier Schichten anzuweisen, scheitern an dem ganz eindeutigen Karten- bilde. Alles, was in der Literatur zu lesen ist, daß bald die Uncites -, bald die Hians-, bald die Quadrigeminum- Schichten den Lenneschiefer überlagern, ist falsch. Einen gleichmäßigeren und — von einigen Querstörungen abgesehen — ungestörteren Schichten- aufbau vom Lenneschiefer bis ins Oberdevon, als wie er hier ent- wickelt ist, habe ich noch kaum je beobachtet. Würde man allein, ohne Rücksicht auf ein weiteres Gebiet, das Mitteldevon von Ber- 1 Die Auffindung dieser Schiefer ermöglicht nunmehr die Abgrenzung der Kalke des Mitteldevons von denen des Oberdevons. Die Plattenkalke im Mitteldevon von Bergisch-Gladbach etc. 321 gisch-Gladbach zu gliedern haben, so ergäbe sich von selbst eine Dreiteilung der Stringocephalenschichten, entsprechend der Auf- einanderfolge : Honseler (mit den eingelagerten Quaclrigcminum- kalken), Bücheier, Gladbacher Schichten. Aber noch aus einem ganz anderen Gesichtspunkte erhellt, daß die Schichtfolge so und nicht anders ist: Die Gladbacher Schichten sind ausgezeichnet ebenflächige Plattenkalke, die in etwa ^ Fuß starken Bänken ausgebildet sind. Bei der Verwitterung lösen sie sich vielfach in dünnblätterige Mergelschiefer auf. Stets ist der Kalk intensiv bituminös — man könnte ihn geradezu einen Stinkkalk nennen — , der Geruch ist selbst in stark verwittertem Gestein noch unverändert erhalten. Der Bruch wird nicht selten muschelig, der Kalk ist dann fester, wohl infolge einer beginnenden Verkieselung ; hier und da findet ein vollständiger Übergang in schwarzen oder braunen Hornstein statt. Einlagerungen von eigent- lichem Schiefer scheinen zu fehlen. Nicht selten treten an Stelle des Kalkes Dolomite, die alle äußeren Merkmale des Plattenkalkes beibehalten haben, d. h. es sind echte Plattendolomite. Ausgezeichnete Aufschlüsse in ihnen bieten u. a. die Brüche an der Sanderstraße in Gladbach und der alte, große Dolomitbruch an der Britanniahütte. Im Plattenkalk steht eine Unzahl, allerdings seit langen Jahren stillgelegter Brüche zwischen Gronau und der Flora bei Bergisch-Gladbach sowie im Strunder- tale, wie ja überhaupt die Zeiten einer blühenden Kalkindustrie für unser Gebiet längst vorüber sind. Was die Fauna betrifft, so ist der Plattenkalk im allgemeinen vollständig versteinerungsleer. Hin und wieder aber findet sich in der versteinerungsfreien Schichtfolge eine Linse oder einige Bänke, die ganz erfüllt sind von den Schalen des kleinen, glatten Spirifer hians ; sonstige Lebewesen treten dann der Zahl nach gänzlich zurück. An anderen Stellen beobachtet man zahlreiche Stücke des String ocephalus Burtini und der Atrypa reticularis , beide oft von außergewöhnlicher Größe; an noch anderen, aber seltenen Stellen diejenige Fauna, die zu der Bezeichnung „Caiqua- Schicht“ Anlaß gegeben hat, das ist vor allem Newberria caiqua , Denck- mannia Bamesi und Uncites Paulinae , eine wohl charakterisierte jüngere Mutation des auf die Bücheier Schichten beschränkten Uncites gryphus. Endlich spricht sich der mit den Plattenkalken einsetzende Fazieswechsel darin aus, daß immer wieder, wenn auch nicht häufig, Tentaculiten zu finden sind — ein Punkt, auf dessen Bedeutung mich Herr Denckmann besonders aufmerksam machte. Während hier die Schichten echte Plattenkalke bleiben, ist das normale Profil an anderen Stellen unterbrochen: Es schalten sich einige stärkere Bänke mit unebener, wulstiger Oberfläche ein, an einer Stelle ein Crinoidenkalk, an anderen ein echter Korallenkalk. So treten ausgedehnte Korallenrasen in dem alten, Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 21 322 G. Fliegei, von Meyer als „Schmitzheide“ bezeichnten Bruch im Westen der Sanderstraße auf; sie sind in geringer Mächtigkeit dem typischen Plattenkalk eingelagert, der im Hangenden und Liegenden der Linse gleich schön aufgeschlossen ist. Ebenso sind die „ Quadri - geminum- Schichten“ von Untertal eine Einlagerung im Plattenkalk. Die Crinoiden schiclit Winterfeld’s ist nichts anderes als ein ganz gewöhnlicher Crinoidenkalk inmitten desselben Plattenkalkes in einem der alten Brüche an der Flora. Nicht anders verhält es sich mit der Fauna der plattigen Dolomite, nur daß die Erhaltung und Wiedererkennung des öfteren ganz wesentlich erschwert ist. Sehen wir uns nach einem Analogon zu dieser von dem dick- bankigen, überaus versteinerungsreichen Korallenkalk der Bücheier Schichten gänzlich abweichenden Ausbildung des obersten Mittel- devons um, so kann gar kein Zweifel sein, daß wir nach der Gesteinsbeschaffenheit und nach allen sonstigen Merkmalen den Flinz des Oberen Mitteldevons von Denckmann vor uns haben, der bekanntlich im Sauerlande den Massenkalk gleichförmig überlagert. Die Übereinstimmung äußert sich in gleicher Weise in der Ebenliächigkeit und Plattigkeit, im Bitumengehalt und der tief- dunklen Farbe, der gelegentlichen Verkieselung und dem dann vorhandenen muscheligen Bruch, im Vorkommen von Tentaculiten, in der nesterartigen Einlagerung von Brachiopoden- und anderer- seits von Korallenbänken in dem im allgemeinen versteinerungs- leeren Kalkstein. Sehr wichtig ist endlich die Überlagerung durch Tentaculitenschiefer in beiden Gebieten, die von Denckmann im Sauerlande wegen des Vorkommens von Stringocephalus Burtini. noch zum Mitteldevon gestellt werden. Das Fehlen echter Schieferlagen kann demgegenüber nicht ins Gewicht fallen, zumal bei der erheblichen räumlichen Ent- fernung, noch weniger die stellenweise eingetretene nachträgliche Dolomitisierung und der allerdings sehr beträchtliche Unterschied in der Mächtigkeit. In diesem Flinzhorizont des obersten Mittel- devons tritt hier und da die sogenannte „Caiqua- Schicht“ auf, anscheinend nicht einmal als durch- gehende Bank, sondern als linsen- oder nesterförmige Anhäufung von Muschelschalen. Damit entfällt jede Mög- lichkeit eines stratigraphischen Vergleichs mit der wesentlich älteren „ Caiqua -“ oder, wie es jetzt heißt, „Newberria- Schicht“ der Eifel. Wenn Herr Döring seine ursprüngliche Anschauung, die er noch nach dem Abschluß seiner Dissertation mir gegenüber auf der von mir geführten Exkursion des Niederrheinischen geo- logischen Vereins im April 1914 mit so ungewöhnlicher Lebhaftig- keit vertrat, und die er dahin präzisierte, daß die betreffenden Die Plattenkalke im Mitteldevon von Bergisch-Gladbach etc. 323 Schichten Untere Stringocephalenschichten seien, jetzt insofern auf- zugeben beginnt, daß er wenigstens die Möglichkeit eines jüngeren Alters der Paffrather Schicht zugibt, so wird er nach dem Obigen gut tun, noch einen Schritt weiter zu gehen. Die stratigraphische Stellung der Plattenkalke von Bergisch-Gladbach ist vermöge der Gesteinsaus- bildung und vermöge des Schichtverbandes eindeutig, und auch die Fauna ist, wie eine vorurteilslose Prüfung zeigt, und wie auch die bevorstehende Veröffentlichung des Herrn Döring ergeben wird, so geartet, daß sie an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermag. — Hat der Flinz des Oberen Mitteldevons demnach keineswegs nur eine örtliche Verbreitung im nördlichen Sauerlande, so lohnt es sich, sein Auftreten auch in anderen Teilen des Kheinischen Schiefergebirges zu betrachten : Für das nächstgelegene Mitteldevongebiet, das von Elberfeld, liegt uns neben älteren Aufsätzen, unter denen ich die von Wald- schmidt besonders hervorhebe, die überaus eingehende Arbeit von Päckelmann 1 vor. Danach reicht dort der Massenkalk bis an die Oberdevongrenze und z. T. als Dorper und Iberger Kalk sogar in dieses hinein. Zur Ausbildung von Flinzkalken und Flinzschiefern kommt es erst im Oberdevon. Die Mächtigkeit des Massenkalkes ist größer als im Sauerlande, wo sie von Fuchs auf 660 m ge- schätzt ist. Päckelmann kommt unter Hinzurechnung des Dorper und Iberger Kalkes auf mehr als 1000 m. Ebenso fehlt der Flinz allem Anschein nach im Aachener und im anschließenden belgischen Gebiet, denn nach Holzapfel1 2 3 4, dem besten Kenner jener Gegenden, folgt dort über einem, den Massenkälk nach oben abschließenden, der Fauna nach bereits ober- devonisclien, 3 m mächtigen Grenzschiefer alsbald der Frasnekalk. Im Nassauischen sind zwar echte Plattenkalke vorhanden, sie treten aber sowohl nach Holzapfel 3 wie nach Ahlburg 4 in ver- zahnter Lagerung mit Massenkalk und Schalstein auf, vertreten also jene Bildungen und sind, da sie anscheinend in vertikaler Richtung den Massenkalk nicht überdauert haben, mit ihm gleichalt. Unklar sind die Verhältnisse in der Eifel. Schulz5 hat in 1 W. Päckelmann, Das Oberdevon des Belgischen Landes. Abh. geol, Landesanst. Heft 70. Berlin 1913. 2 E. Holzapfel, Die Geologie des Nordabfalles der Eifel usw. Abh. geol. Landesanst. Heft 66. Berlin 1910; auch Festschrift Bergmannstag Aachen, p. 28. 3 E. Holzapfel, Das Obere Mitteldevon im Rheinischen Gebirge. Abh. geol. Landesanst. Heft 16. p. 371. Berlin 1895. 4 E. Ahlburg, Die stratigraphischen Verhältnisse des Devons in der östlichen Lahnmulde. Jahrb. geol. Landesanst. für 1910. 31. I. p. 466. Berlin 1910. 5 E. Schulz, Die Eifelkalkmulde von Hillesheim. Jahrb. geol. Landesanst. für 1882. p. 200. Berlin 1883. 21* 324 G. Fliegei, Die Plattenkalke im Mitteldevon etc. ■der Hillesheimer Mulde den Oberen Dolomit von Hillesheim über den Schichten mit Amphipora ramosa , also über unserem Massen- kalk, ausgeschieden, ohne ihn jedoch petrographisch oder paläonto- logisch irgendwie zu charakterisieren. In der Prümer Mulde 1 sind die obersten Schichten des Mittel- devons ebenfalls als Dolomite entwickelt und werden vom Ober- devon von Büdesheim überlagert, ohne daß über die Grenzschichten gegen das Oberdevon Näheres bekannt wäre. Nachdem der Flinz als Plattenkalk und als plattiger Dolomit bis ans Rheintal von Osten her nachgewiesen ist, erscheint nicht ausgeschlossen, daß er auch darüber hinaus, in der Eifel oder wenigstens in der Südeifel verbreitet ist. Sollten die jüngsten Dolomite des Eifeier Mitteldevons als Plattendolomite entwickelt sein, so sind sie die dolomitisierte Ver- tretung des mitteldevonischen Flinzes aus dem Sauer- lande. Wir gelangen dann auch auf diesem Wege zu dem Bilde, daß die faziellen Veränderungen im Devon des Rheinischen Schiefer- gebirges sich in ungefähr nordsüdlicher Richtung vollziehen2: So wie die kalkige Fazies an der Basis des Mitteldevons im südlichen Schiefergebirge einsetzt, in den Norden (Aachen, Bergisches Land, Sauerland) aber erst im Laufe der Mitteldevonzeit vordringt, um hier die sandig-tonige Ausbildung, den Lenneschiefer, abzulösen, hält im NW (Aachen, Elberfeld) die Riffbildung des Massenkalkes bis an den Schluß der Mitteldevonzeit an, z. T. sogar bis ins Oberdevon hinein. In mehr südlichen und südöstlichen Gebieten (Sauerland, Bergisch-Gladbach , Eifel?) kommt das Riff bereits vorher zum Erliegen und wird durch Bildungen eines im Vergleich zur Küstensaumzone tieferen Meeres abgelöst. Das spricht sich auch in der verschiedenen Mächtigkeit des Massenkalkes in den einzelnen Gebieten, die in umgekehrtem Ver- hältnis zu der des Flinzes steht, aus: Bei Elberfeld bis 1000 m Massenkalk bei gleichzeitigem Fehlen des mittel devonischen Flinzes, im Sauerland, wo dieser zwar vorhanden, aber wenig mächtig ist, rund 660 m, im südlichen Bergischen Lande entsprechend der hier außerordentlichen Mächtigkeit des Plattenkalkes weniger als 500 m. Daß der Massenkalk seine Hauptentwicklung gerade im nord- westlichen Randgebiete des rheinischen Devons erreicht, während er mehr im Süden sozusagen vorzeitig im Flinz ertrinkt, ist eine der vielen Tatsachen, die uns die große mitteldevonische Trans- gression gegen den Nordkontinent hin beweisen. 1 E. Kayser, Studien aus dem Gebiete des rheinischen Devons. II. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 23. 1871. p. 444. 2 G. Fliegel, Zum Gebirgsbau der Eifel. Verh. Naturhist. Vereins Rheinlande. 68. p. 503. Bonn 1911. W. Branca, Feber Paläontologische Hypothesen etc. 325 Über Paläontologische Hypothesen; Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung und Die Frage einer Teilung der Geologie— Paläontologie. Von W. Branca. (Schluß.) Teil II. 4. Wie sind in Deutschland die Aussichten für irgendeine Teilung in der Geologie — Paläontologie? Um eine Vorstellung zu gewinnen, ob denn irgendwelche be- gründete Aussicht besteht, für die Paläontologie Ordinariate und eigene Sammlungen zu erhalten, wie das Jaekel will, muß man sich die Verhältnisse vor Augen führen, die bei uns bezüglich der doch vor allen Dingen nötigen Trennung der Geologie von der Mineralogie bestehen. Es ist eine völlig unfruchtbare Sache, Forderungen aufzustellen, ohne vorher geprüft zu haben, ob denn und bis zu welchem Grade Aussicht vorhanden ist, sie verwirk- lichen zu können. Wir haben in Preußen für die Teilung des früheren Faches Mineralogie — Geologie— Paläontologie in zwei Fächer bisher erst drei Doppelordinariate: In Berlin, Bonn, Göttingen. An allen anderen Universitäten aber haben wir, und das Finanzministerium hält streng daran fest, nur je ein Ordinariat und ein Extra- ordinariat; und diese pflegen in der Weise zwischen einerseits Mineralogie und andererseits Geologie — Paläontologie verteilt zu sein, daß der Ältere — gleichviel, ob das der Mineraloge oder der Geologe — Paläontologe ist — das Ordinariat , der Jüngere das Extraordinariat zu erhalten pflegt. Wenn auch der Innehaber des Extraordinariates später dann allenfalls persönlicher Ordinarius werden kann, so wird er es doch nur für seine Person und nicht etwa auch dem Gehalte nach. In Gießen war sogar bis vor kurzem überhaupt nur ein Ordinariat. Welche Aussicht hätte daher wohl ein Verlangen nach Ordi- nariaten für die Paläontologie? Offenbar keines. Höchstens Extraordinariate und Lehraufträge ließen sich erhoffen , solange nicht Mineralogie und Geologie — Paläontologie an allen unseren Universitäten durch je ein Ordinariat vertreten sind; denn das wird doch kein Sachverständiger zu bestreiten wagen, daß vor allen Dingen einerseits Mineralogie, anderer- seits Geologie — Paläontologie vollberechtigt nebenein- ander zu stellen sind, bevor man zu einer weiteren Teilung innerhalb der Geologie — Paläontologie schreiten kann. Nur an den wenigen größeren Universitäten, an denen 326 W. Branca, bereits jene erstere Forderung- erfüllt ist, wird man daher schon jetzt an diese weitere Teilung innerhalb der Geologie — Paläonto- logie denken dürfen. Klar ist aber, daß, wenn überhaupt an den deut- schen Hochschulen diese Teilung der Geologie — Palä- ontologie zu erreichen sein soll, es sich zunächst höchstens um eine Zweiteilung, schwerlich gleich um eine Drei- oder gar Vierteilung handeln kann. Zumal jetzt; denn wenn schon in gewöhnlichen Zeiten die Teilung einer Wissenschaft in zwei Hälften an den Universitäten in der Hegel gewisse Schwierigkeiten verursacht, weil sie ohne eine Ver- mehrung, oft eine Verdoppelung der bisher zur Verfügung gestellten Mittel nicht möglich ist, so wird in jetziger Zeit, nach dem ge- waltigsten aller Kriege, die Beschaffung von Mitteln zu solchem Zweck selbstverständlich noch viel schwieriger werden. So sind also die Aussichten für eine Teilung beschaffen. 5. Zwei gleichberechtigte Wege paläontologischer Forschung. Ich beginne mit der Frage: Wo in unserer Wissenschaft fordert es das sachliche Interesse gebieterisch, daß zunächst ein Schnitt gemacht werde : Ob zwischen einerseits Geologie und andererseits Paläontologie, wie Jaekel will ; oder zwischen einer- seits Allgemeiner Geologie und andererseits Historischer Geologie- Paläontologie, wie P ompeckj und ich und wohl fast alle anderen Geologen es vertreten? Für den, der rein aus sachlichen Gründen urteilt, kann es nur eine Antwort geben. Ist es doch sonnenklar, daß die von Pompeckj und mir vor- geschlagene Trennung sachlich die dringlichere ist : Allgemeine Geologie hat zur Grundlage die anorganischen Wissenschaften der Mineralogie, Petrographie, Chemie, Physik und physikalischen Chemie. Dagegen ist die Historische Geologie be- gründet auf die Entwicklungsgeschichte der Tier- und Pflanzen- welt; sie fordert daher das Studium wesentlich organischer Wissen- schaften, wenn auch selbstverständlich der Historische Geologe eben auch Geologe sein muß. Jene anorganischen und diese organischen Wissenschaften sind aber so hoch- gradig verschiedenartiger Natur, daß gar kein Zweifel obwalten kann: Zwischen ihnen muß zunächst der Schnitt gemacht werden. Erst dann, wenn dieses dringende Bedürfnis befriedigt ist, kann daran gedacht werden, nun noch weiterzugehen. Aber nicht etwa so, daß man eine vollständige Trennung zwischen Historischer Geologie und Paläontologie herbeiführt, indem man der Historischen Geologie die Paläontologie nimmt; denn das würde heißen, der Historischen Geologie den wesentlichsten Inhalt zu nehmen. Ist Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 327 doch die Historische Geologie untrennbar mit der Palä- ontologie verbunden. Sondern nur so, daß man eine Vertretung für eine rein zoologisch und rein bota- nisch betriebene Paläontologie noch neben der Histo - rischen Geologie — Paläontologie schafft. Man käme dann also zuletzt zu einer Vierteilung : Zuerst 1. Allgemeine Geologie; 2. Historische Geo- logie— Paläontologie. Darauf dann 3a. reine Paläo- zoologie; 3b. reine Paläobotanik. Nur auf solche Weise ergäbe sich eine den sachlichen Interessen entsprechende Teilung, wie sie aber erklärlicherweise nur an den größten Universitäten später zu erlangen sein wird. Die paläontologische Sammlung ist und bleibt aber selbstverständlich das Rüstzeug ebensowohl des Historischen Geologen — Paläontologen, wie des Paläozoologen und des Paläobotanikers, das ist vor allen Dingen hierbei festzu halten. Es gibt eben zwei Arten, die Paläontologie zu betreiben: Bei der einen ist die Paläontologie unlösbar mit der Historischen Geologie verknüpft. Hier werden die Probleme von der Geologie gestellt oder doch mehr oder weniger von ihr beeinflußt und mit deren Hilfe gelöst. Bei der anderen werden die fossilen Tiere oder Pflanzen mehr oder weniger losgelöst von der Geologie betrachtet und deren Natur erforscht, das ist die Paläozoologie und Paläobotanik. Man lese Koken’s von mir wiedergegebenen Brief (p. 244, Anm. 5), der auf das wärmste gerade den von der Geologie be- einflußten Problemen das Wort redet. Eine Fülle paläonto- logischer Aufgaben wird durch die Verbindung der Paläontologie mit der Historischen Geologie ge- schaffen und ist nur in dieser Verbindung lösbar. Dazu aber braucht die Historische Geologie die palä^ ontologische Sammlung genau ebenso, wie sie der reine Paläontologe braucht. Dem Historischen Geologen die paläontologische Sammlung, etwa bis auf die Leitfossilien, nehmen, um sie dem Paläozoologen und Paläobotaniker geben zu wollen, wie das Jaekel möchte, wäre gleichbedeutend mit schwerster Schädigung der Historischen Geologie auf lange Zeit hinaus. Wenn man nun zwei völlig un- abhängige Ordinariate oder Extraordinariate neben der Histo- rischen Geologie erstreben wollte, für Paläozoologie und für Paläo- botanik, so wie Jaekel es möchte, so schüfe man sich damit die größten Schwierigkeiten ; denn dann b e dürfte es dreier Insti- tute und vor allem dreier Sammlungen, von denen zwei vollständig neu zu schaffen wären. Wenn man dagegen für die Paläozoologie und d i e P al ä o b o t an i k nur je ein Extr aordinari at gründet, 328 W. Branca, welches dem Institute des Historischen Geologen an gegliedert bleibt, so daß sie dieselbe Sammlung haben, so wird der überwiegend größte Teil der Kosten erspart und damit die Sache eher ermöglicht. Aber nicht nur das, sondern so wird die Sache auch erst voll lebensfähig; denn sobald man etwa daran gehen wollte, für den einen oder den anderen Teil neue paläontologische Samm- lungen zu schaffen, so würde das, wie ja jedem Fachmann bekannt ist, sofort auf die ungeheure Schwierigkeit stoßen, daß man zwar die gewöhnlichen Fossilien unter den Wirbellosen verhältnismäßig leicht kaufen und sammeln kann, aber alle selteneren und nament- lich gut erhaltenen Wirbellosen, und dann vor allem die fossilen Wirbeltiere, nur mit großen Schwierigkeiten, im Laufe langer Zeiträume, und nur mit gewaltigen Kosten zusammenbringen kann. Auf lange Zeit hinaus würden also nach Jaekel’s Plan der Historische Geologe oder aber, wenn man die Sammlung billiger- weise gleichmäßig verteilen wollte, auch der abgetrennte Paläo- zoologe und der Paläobotaniker mit ganz kümmerlichen Samm- lungen sich behelfen müssen; wogegen, wenn sie beide dem histo- risch-geologischen Institute und seiner Sammlung angegliedert bleiben , jedem der drei ein ganz anderes paläontologisches Sammlungsmaterial zu seiner Verfügung stehen würde. Man wird nicht einwerfen können, daß dann der Historische Geologe, als Direktor der Sammlung, vielleicht nichts kaufen würde, das für den Paläozoologen und Paläobotaniker von Wichtigkeit ist. Da ja der Historische Geologe der paläontologischen Sammlung ebenso bedarf wie jene, so liegt auf der Hand, daß er nur im eigensten Interesse handelt, wenn er die paläontologische Sammlung mög- lichst nach jeder Dichtung hin fördert. Wenn daher zunächst an den größten deutschen Universitäten an eine Abtrennung der reinen Paläozoologie und Paläobotanik mit Erfolg gedacht werden soll, so kann es nur in der von mir geschilderten Weise vor sich gehen. Urteile anderer Geologen, a) Ich möchte hier zunächst die von mir an anderer Stelle (p. 244-, Anm. 5) ausführlicher wiedergegebene Ansicht von Koken’s anführen, die ganz Ähnliches ausspricht : „Die große Sammlung ist die unentbehrliche Basis sowohl des Geologen wie des Paläontologen. Würde die paläontologische Sammlung dem letzteren ausgeliefert, so ist der Geologe übel daran. Macht man es aber so, daß man kleinere Institutssamm- lungen schafft und ein Kiesenmuseum daneben, so vergrößern sich nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Schwierigkeiten für die wissenschaftlichen Arbeiten, zumal auch die Eeibungsflächen ver- mehrt werden. Mir steht die Berliner Zeit in der angenehmsten Erinnerung, weil alles einheitlich war und einheitlich dirigiert Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 329 wurde. Jede schärfere Trennung zerschneidet auch immer Zu- sammenhänge und legt im geistigen Betrieb etwas still. Ein Paläontologe, der sich ausschließlich dieser Wissen- schaft widmet, wird leicht ein dürrer Spezialist oder spinnt sich in Phantastereien ein.“ b) Einer Schrift G. Steinmann’s 1 entnehme ich die folgenden Sätze : „Wenn also in Deutschland, wie übrigens in den meisten anderen Ländern, Geologie und Paläontologie fast immer aufs innigste miteinander verknüpft gewesen sind in Forschung wie im Unterricht, so liegt das in der Natur der Sache selbst begründet, und an diesem Zustande ohne Not rütteln zu wollen, würde dem Interesse der Wissenschaft selbst zuwiderlaufen.“ „Es ist aber auch schwer verständlich, wie Jaekel zu einem so absprechenden Urteile über die Leistungen der Paläontologie in Deutschland gelangen kann.“ „Freilich für Errichtung eines getrennten Ordi- nariats für Paläontologie würde kaum jemand leicht plädieren wollen außer Jaekel, der nur eine Seite der verwickelten Frage ins Auge faßt. Denn das bedeutet nach den bei uns bestehenden Einrichtungen zugleich eine Trennung der Institute und Sammlungen.“ c) In gleicher Weise hat sich auch Dacque durchaus gegen die Pläne Jaekel’s ausgesprochen1 2. Er sagt: „Hier, in diesem Gedankenzusammenhang, scheint mir eines der kräftigsten Argumente gegen das in letzter Zeit oft geltend gemachte Bestreben zu stecken, die Paläontologie im Lehr- und Forschungs- betrieb von der Geologie zu trennen. Ebenso wie der Paläogeograph nicht nur paläobiologische Kenntnisse haben, sondern auch in paläobiologischen Fragen selbständig urteilsfähig sein muß, so kann umgekehrt der Paläobiologe keinen Schritt in seiner Forschung tun, wenn er in stratigraphischen, paläogeographischen und paläoklimatologischen Fragen nicht selbständig zu forschen und sich ein Urteil zu bilden vermag. Solange man unter Palä- ontologie nur Schaffung von Gattungen und Arten und systematisches Bestimmen , solange man unter Paläobiologie nur vergleichende Anatomie fossiler und rezenter Formen verstand, war ja selbst- verständlich eine auch äußerliche Verknüpfung (z. B. Samm- lungen!) mit der Zoologie höchst wünschenswert. Aber jetzt, wo die Paläontologie so weit gekommen ist, daß sie nur fortschreiten 1 Geologie und Paläontologie an deutschen Hochschulen. Geol. Pundsch. 1. 1910. p. 42—49. 2 E. DacquE, Grundlagen und Methoden der Paläogeographie. Jena, Gustav Fischer, p. 385. Anm. 2. 330 W. Branca, und zu vertieftem Verständnis der vorweltlichen ausgestorbenen Formen gelangen kann, wenn sie lernt, diese zu verstehen im Zusammenhang mit ihrer einstigen Umwelt, käme eine Tren- nung von Paläontologie und Geologie geradezu einer Unterbindung des Fortschrittes der Paläobiologie gleich. Die Lösung der Streitfrage liegt meines Erachtens darin, daß der Paläobiologe zugleich ein Paläogeograpli sein muß, und nur in der engsten Vereinigung beider Disziplinen liegt für jede die Möglichkeit zum Fortschritt. Schließ- lich gehört zur Paläobiologie auch eine rationelle Tiergeographie der Vorzeit, und auch diese ist in erster Linie Paläogeographie. Ich könnte es also nur bedauern, wenn man daran gehen wollte, selbständige Lehrstühle für Paläonto- logie zu errichten, ohne daß gleichzeitig auch die Lehr- und Forschungspflicht für Stratigraphie und Paläogeographie damit verknüpft würde.“ d) Ebenso hat sich Pompeckj für die unlöslich enge Ver- bindung der Historischen Geologie mit der Paläontologie geäußert1, die er in den Worten zusammenfaßt : „Obwohl — oder richtiger weil — meine eigenen wissen- schaftlichen Neigungen vorwiegend auf dem Gebiete der Paläonto- logie liegen, muß ich an die Seite Branca’s treten und unbedingt vor der von Jaekel für Lehre und Forschung geforderten Trennung der Paläontologie von der Historischen Geo- logie warnen. Zu erstreben ist als sach- und sinngemäß nur die Trennung der Allgemeinen Geologie von der Einheit: Historische Geologie — Paläontologie.“ e) Endlich sagt aber auch H. F. Osborn 2, dessen Urteil als das eines der ersten Paläontologen in den Vereinigten Staaten Jaekel doch wahrlich gelten lassen muß, daß die Untersuchung der Gesteine, in denen die fossilen Tiere gefunden werden, kaum weniger wichtig ist als die der fossilen Tiere selbst. „Therefore the examination of the rocks in. wliich mammals are contained is little less important tlian the examination of the fossils themselves ; the two studies should go hand in hand . . . . “ „Beside the examination of the rocks an other feature of geologic study which dovetails witli the palaeontologic is the exact and precise recording of levels . . . .“ „The structure of the animals, which fairly mirrors the liabitat in which tliey lived.“ Kann man den Zusammenhang zwischen Historischer Geologie und Paläontologie stärker betonen, als das der Paläontologe Osborn hier tut? 1 Zum Streit um die Trennung der Paläontologie von der Geologie. Stuttgart 1915, bei Schweizerbart. 31 p. 2 H. F. Osborn, The Age of Mammals. p. 53. Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 331 f) Mündliche und briefliche Äußerungen noch lebender Per- sonen haben als vertraulich zu gelten, soweit nicht das Gegenteil ausdrücklich gewünscht oder gestattet ist. Andernfalles könnte ich die Äußerungen von noch 3 weiteren Geologen-Paläontologen deutscher Sprache anführen, die mit dem von mir hier Vertretenen durchaus übereinstimmen. Ja, ich glaube kaum zu viel zu sagen, wenn ich die Über- zeugung ausspreche, daß von den deutschen historischen Geologen- Paläontologen auch nicht Einer sich zu anderer Ansicht bekennen würde. Es ist eben nur nicht nach Jedermanns Geschmack, sich öffentlich zu Streitfragen zu äußern, zumal wenn man sich sagt, daß bereits reichlich viel über den Gegenstand geschrieben ist. Wenn also Jaekel von der „innerlich unmöglichen Ver- koppelung der Geologie — Paläontologie im Sinne des Herrn Bkanca“ spricht, so setzt er sich damit in grellsten Gegen- satz zu all den hier aufgeführten öffentlichen Äußerungen einer ganzen Anzahl von Forschern und, wie ich wohl be- haupten kann, auch zu den privaten Ansichten aller Histo- rischen Geologen. 6. Die notwendige Vorbildung der reinen Paläozoologen, Paläobotaniker und Allgemeinen Geologen. Nach obigen Ausführungen versteht es sich von selbst, daß, wenn die von Jaekel so laut geforderte Ab- trennung der Paläontologie von der Geologie ausgeführt werden sollte, vor allen Dingen die Vorbildung der Ver- treter der Paläontol ogie eine entsprechend tiefere werden muß, als sie bisher sein konnte. Wer also reiner Paläozoologe sein will, müßte nicht bloß das übliche, immerhin beschränkte Maß zoologischer Vorbildung genossen haben, wie bisher diejenigen Geologen, die sich mehr oder weniger paläontologischen Arbeiten zuwendeten; sondern der reine Paläozoologe muß ebenso gründlich Zoologie studiert haben wie ein Zoologe. Er muß also histologisch, anatomisch, physio- logisch und embryologisch durch eigene Anschauung und eigene Arbeiten gründlichst vorgebildet sein. Er muß aber außerdem entweder auf einer tierärztlichen Hochschule an den Haussäuge- tieren oder in der Anatomie am Menschen Präparierübungen gründlich mitgemacht haben. Ein Paläozoologe, der wesentlich nur (bei höheren Tieren z. B.) mit den, ja allein fossil erhaltenen Knochen, nicht aber auch in gleichem Maße mit allen Nerven, Gefäßen, Bändern, Muskeln und Organen gründlich vertraut ist, wird den Anforderungen, die man nun an ihn stellen muß, nicht genügen können. Er wird sonst in seinen Arbeiten doch nur mehr oder weniger dasjenige Maß von Leistung erzielen können, was 332 W. Branca, bisher von den paläontologisch arbeitenden Geologen in ihren besseren Arbeiten geleistet worden ist. Wenn der Paläozoologe ein wirklicher Zoologe der fossilen Tiere sein will, dann ist eine derartige Vorbildung, wie ich sie oben geschildert habe, für ihn in um so höherem Grade nötig, als ja die Paläo- zoologie mit sehr viel größeren Schwierigkeiten zu kämpfen hat als die Zoologie der lebenden Tiere: Der Zoologe hat letztere körperlich vor sich, der Paläozoologe soll die ausgestorbenen Tiere nur auf Grund ihrer erhaltenen Hartgebilde nach jeder Richtung ihres Daseins hin vor seinem geistigen Auge wieder erstehen lassen. Das kann er doch mit wirklichem Erfolge nur dann, wenn er im Besitz der oben ge- nannten gründlichen Vorbildung ist! Das alles ist so sachlich, so selbstverständlich, daß es über- raschen muß, daß Jaekel, anstatt das freudig anzuerkennen, es als viel zu weitgehend anzusehen scheint, indem er meint, die Aussichten der Paläozoologen seien ja bisher so geringe ge- wesen, daß es sich nicht gelohnt habe, sich diese Kenntnisse zu erwerben ! In allem, was ich gesagt habe, gilt natürlich von einer von der Geologie abzutrennenden Paläo- botanik Entsprechendes wie von der Paläozoologie. Aber da die meisten Sammlungen an fossilen Pflanzen ganz gewaltig viel ärmlicher zu sein pflegen als an fossilen Tieren, so wird die Möglichkeit, für Extraordinariate der Paläobotanik geeignete Ar- beitsstätten zu haben, überaus gering sein und sich auf ganz ver- einzelte Orte beschränken. Selbstverständlich muß auch das gleiche, mutatis mutandis, von der Vorbildung der Vertreter der Allgemeinen Geologie gefordert werden, sobald eine Trennung der Geologie in zwei Teile, Allgemeine und Historische Geologie, stattfindet. Er muß auf das gründlichste durchgebildet sein in Mineralogie und Petrographie, Chemie, Physik und physikalischer Chemie; denn ein Vertreter der Allgemeinen Geologie, der nicht in diesen Fächern gründlich vorgebildet ist, wird auf einem großen Teile des Gebietes der Allgemeinen Geologie versagen. Er muß aber selbstverständlich ein tüchtiger Geologe sein; d. h. man darf nicht etwa einen Mineralogen, der die Petrographie wesentlich nur im Arbeitszimmer und mit dem Mikroskope betrieben hat, für geeignet halten wollen, als Vertreter der Allgemeinen Geologie zu gelten. Das wäre eine Verstümmelung des Faches, bei der nur die eine Hälfte der Allgemeinen Geologie zu ihrem Rechte käme. Es ist ohne weiteres klar, daß noch viel weniger etwa ein Ueber Paläontologisclie Hypothesen etc. 333 Geograph der Vertreter der Allgemeinen Geologie werden kann; denn alles, was Mineralogie, Petrographie, Chemie und physikalische Chemie betrifft, liegt dem Geographen ganz fern. Eine Zwei- teilung der Geologie, bei welcher die Allgemeine Geologie dem Geographen ausgeliefert würde, würde somit nicht zu einer Vertiefung und Verbreiterung der Allgemeinen Geologie, sondern ebenfalls zu einer Verstümmelung derselben führen, indem nun die eine große Hälfte der Allgemeinen Geologie, welche jener Wissen- schaften bedarf, an vollkommenem Mangel an nötiger Vorbildung des Vertreters kranken würde. Angesichts der Tatsache, daß nicht wenige Geographen auf geologische Gebiete in ihren Arbeiten hinübergreifen, und daß ihre Lehrbücher ein gutes Teil reiner Geologie enthalten, könnte ja der Gedanke auftauchen, um das Geld für den Allgemeinen Geologen zu sparen, den Geographen damit zu betrauen. Möglicherweise würde das auch manchen Geo- graphen ganz recht sein. Aus diesem Grunde scheint mir obige Ausführung nicht unnütz zu sein. Dabei liegt es mir aber voll- kommen fern, dieses Hinübergreifen der Geographen an sich tadeln zu wollen. Sicher hat z. B. die Geologie dadurch nur gewonnen, daß morphologische Anschauungsweise auch in ihr durch die Geo- graphen angeregt worden ist. 7. Verdrehungen meiner Worte durch Jaekel. Im vorigen Abschnitte habe ich darauf liingewiesen , daß Jaekel behauptet, ich habe in meiner früheren Schrift „auch für die Reichshauptstadt“ bei einer etwaigen Abtrennung der reinen Paläozoologie von der Geologie höchstens eine Art „gehobener Assistentenstelle“ für einen Paläontologen „konzediert“, der „über- dies Medizin studiert haben müsse“. Auch das ist wieder eine völlige Verdrehung meiner Worte. An und für sich wäre das ja so gleichgültig, daß es der Antwort nicht wert wäre. Aber diese Verdrehungen werfen ein Licht auf die Kampfes- weise Jaekel’s in dieser wichtigen Frage; daher will ich hier darauf eingelien: Nicht das ganze Studium der Medizin habe ich für den Paläozoologen verlangt — was sollte dieser wohl mit der Lehre von den Krankheiten? — , sondern besonders das praktische Stu- dium des anatomischen Teiles der Medizin habe ich verlangt; dieses aber ist, wie oben (p. 331) dargelegt, für den reinen Paläo- zoologen in der Tat unerläßlich, und es läßt sich in einem ana- tomischen Institute, gleichviel ob in dem des Menschen oder der Haus- säugetiere, gründlicher betreiben als in zoologisch-zootomischen Kursen. Sodann habe ich nicht „höchstens“ eine Art gehobener Assistentenstelle vorgeschlagen, sondern gerade umgekehrt „minde- 334 W. Branca, stens“ eine solche; denn meine Worte lauteten: Da, wo man dann — nach vorheriger Teilung der Geologie in Allgemeine und Histo- rische Geologie — Paläontologie — noch die Paläontologie von der letzteren abtrennen will, da empfiehlt es sich, um der Sammlungs- schwierigkeiten willen, die Paläontologie nur durch einen Extra- ordinarius oder — d. h. wenn das Gehalt für einen solchen nicht zu erlangen ist — mindestens durch einen mit Lehrauftrag versehenen Gelehrten in einer sogenannten „gehobenen Assistenten- stellung vertreten zu lassen“. Also höchstens durch einen Extra- ordinarius habe ich gesagt, nicht aber, wie Jaekel verdreht, höchstens durch einen „gehobenen Assistenten“ ! Um zu erklären, wie ich — und zwar im Interesse der Paläontologie — als Notbehelf auf einen solchen „gehobenen“ Assistenten gekommen bin, bin ich gezwungen, den Hergang dieser Verhältnisse hier zu erläutern, obgleich derartiges sonst nicht in die Öffentlichkeit gehört. Aber es hat das vielleicht doch den Vorteil, daß es anderen den Weg zeigt, auf dem ein Extraordinariat leichter zu erlangen ist: Der frühere Extraordinarius für Paläontologie in Berlin (Jaekel), hatte sein Gehalt durch seine Stellung als Kustos der Sammlung bezogen. Als vor etwa 6 Jahren dieses Extraordinariat neu besetzt werden sollte, wurde mir von maßgebender Stelle gesagt, ein Extraordinariat sei in diesem Falle leichter zu erlangen, wenn eine zweite Kustodenstellung beantragt würde, deren Stellung und Gehalt der Extraordinarius dann erhalten könne. Als von mir daraufhin eine solche beantragt und gleich- zeitig der Antrag auf ein Extraordinariat für Paläozoologie bei der Fa- kultät von mir eingebracht wurde, erwies es sich doch als unmöglich, das Gehalt in der besagten Form zu erlangen. Ich mußte daher meine Eingabe zurückziehen. Bei der Aussichtslosigkeit, den hier früher schon etwa zehnmal beantragten zweiten Kustos zu erlangen, kam mir der Gedanke, zu gleichem Zwecke eine weniger hoch besoldete, sogenannte „gehobene Assistentenstellung“ zu beantragen. Es sind das fest ange- stellte Beamte mit ca. Mk. 3000 Einkommen ; zwar weniger, als ein Extra- ordinarius erhält, aber doch besser als gar nichts und immerhin ein An- fang. Auch diese „gehobene Assistenten Stellung“ wurde abgelehnt. Ich beantragte sie im Jahre darauf zu dem gleichen Zwecke noch einmal; es war wiederum nicht möglich, sie zu erlangen. Das ist der Hergang, welcher mich dazu führte, eine „gehobene Assistentenstellung“ als Gehaltsquelle für einen Extraordinarius für Paläo- zoologie zu denken, und es ist gleichzeitig dasjenige, über das Jaekel sich wiederholt in seinen Schriften bitter und unter der oben von mir gerügten Verdrehung meiner Worte ausgelassen hat. Als ob es nicht mehr im Interesse der Sache gelegen wäre, mittels eines solchen Gehaltes zunächst einmal einen Extraordinarius, wenn auch mangelhaft, besolden zu können, als bei Jaekel’s entrüsteter Ablehnung eines 'solchen Gedankens zu ver- harren und lieber den ganzen Paläozoolögen damit fallen Ueber Paläontologische Hypothesen etc. 335 zu lassen! Im vorigen Frühjahr habe ich dann abermals den Antrag auf ein Extraordinariat für Paläozoologie gestellt. Die Fakultät nahm den Antrag an, das Gelingen war sehr aussichtsvoll; aber der Krieg hat die Erreichung des Zieles auch diesmal bisher verhindert. Jetzt ist ein Lehrauftrag erteilt. Auf weiteres über das Wie und Warum dieser Vorgänge einzugehen, ist hier nicht der Ort. Eine andere Verdrehung meiner Worte bringt 0. Jaekel in seiner neuesten Schrift nun schon zum zweiten Male. Er be- hauptet, daß in meiner Darlegung einseitig nur von fossilen Tieren gesprochen werde, daß dagegen die fossilen Pflanzen ganz außer acht gelassen würden. Ich muß daher nochmals gegen diese Ver- drehung des Tatbestandes Einspruch erheben. Jaekel muß doch notwendig gelesen haben, daß ich ausdrücklich geschrieben habe: Die einzelnen Teilabschnitte der Historischen Geologie seien durch Faunen „b ezüglich Floren“ gekennzeichnet, „nur der Kürze halber“ spräche ich hier nicht auch von den fossilen Pflanzen, sondern nur von den Tieren. Ist das nicht für jeden, der ver- stehen will, deutlich genug? Wenn Jaekel sich also mit seinem Tadel mir gegenüber gewissermaßen zum Retter der von mir angeblich vergessenen Paläo- botanik aufwirft, so tut er es ja völlig zu Unrecht, unter Verdrehung dessen, was ich wirklich geschrie- ben habe. Sein Vorgehen wirkt aber um so befremdender, als einerseits gerade ich es gewesen bin, der seinerzeit unseren leider so viel zu früh verstorbenen Potonie aufgefordert hat, sich in Berlin als Paläobotaniker zu habilitieren und ihm darin auch erst die Wege geebnet hat; und als andererseits gerade ich es gewesen bin, der die schöne große Sammlung fossiler Pflanzen im geologisch- paläontologischen Museum Letzterem bewahrt hat, während Jaekel sie dem botanischen Museum überwiesen wissen wollte! Nicht also Jaekel ist der Ritter, der die Paläobotanik gegen Vernachlässigung durch mich schützen muß, sondern umgekehrt, ich habe sie vor Jaekel geschützt. Wem läge denn wohl überhaupt das Interesse für fossile Pflanzen näher: Einem Geologen, dem die fossile Pflanzenwelt so wertvolles Material zur Kennzeichnung gewisser Zeiten der Erdgeschichte und klimatischer Verhält- nisse liefert, oder Jaekel, dem Paläozoologen? Er- staunt muß man fragen: Wozu dieser zweimalige, nur auf Grund von Verdrehung mögliche Angriff Jaekel’s gegen das, was ich vertrete? Es gibt nur eine Antwort: Offenbar nur darum, weil Jaekkl keinerlei sachliche Einwendungen gegen unsere Ansicht machen konnte. Genau in gleicher Weise hat Jaekel auch das, was ich über das Verhältnis der Geologie zur Geographie geschrieben habe, in 336 Besprechungen. das Gegenteil verkehrt, um sich damit mir gegenüber als Be- schützer der Rechte der Geographie hinzustellen1. Mit der Abwehr völlig unberechtigter Schmähungen seitens Jaekel’ s mußte ich diese Darlegungen beginnen ; mit der Abwehr von Verdrehungen dessen, was ich gesagt habe, in das völlige Gegenteil durch Jaekel muß ich sie schließen. 1 Er behauptet, ich habe das Verhältnis der Geographie zur Geologie „lediglich vom Standpunkt der Ressort-Kompetenzen so verurteilt“ und „Vorwürfe erhoben“, indem ich frage: „Wer ist schuld?“ Das alles ist ja durchaus unrichtig; ich habe weder „Vorwürfe erhoben“ gegen die Geographen, noch ihr Übergreifen auf geologisches Gebiet „verurteilt“, sondern genau umgekehrt habe ich anerkannt, daß die Wissenschaft frei sei, daß daher das Übergreifen in „jedermanns Belieben stehe“ ; und daß „die Wissenschaft nur gewinnen könne“, wenn der Betreffende nur die nötige Vorbildung dazu habe. Also auch hier wieder sieht man, daß Jaekel sachliche Einwendungen in der Frage der Teilung unserer Wissen- schaft gar nicht zu machen imstande ist, daher greift er zu Einwürfen, die mit dieser Frage wenig zu tun haben. Besprechungen. Carl Kippenberger : Werden und Vergehen auf der Erde im Rahmen chemischer Umwandlungen. Für Studierende aller Fakultäten und gebildete Laien. Bonn bei A. Marcus und E. Weber. 1915. 172 p. Mit 26 Text- figuren. Das Buch ist entstanden aus allgemein verständlichen Vor- lesungen an der Universität Bonn. Es will kein vollständiges Bild vom Werden und Vergehen in der Natur geben, sondorn nur an ausgewählten Beispielen Einzelheiten beschreiben, die dem Leser einen Einblick in die Geschehnisse der Natur geben, um ihm den Zusammenhang zwischen der unorganischen und der organischen Welt vor Augen zu führen. Diese Beispiele sind hauptsächlich aus der organischen Welt genommen, mineralogische und geologische Betrachtungen treten demgegenüber stark zurück. Max Bauer. G. F. Becker und A. L, Day, Bemerkungen etc. 337 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. Von George F. Becker und Arthur L. Day. Mit 3 Textfiguren. 1905 veröffentlichten wir eine kurze Arbeit1 qualitativen Charakters, die mittelst einfacher Laboratoriumsmessungen die Existenz einer, von der Volumausdehnung unabhängigen, linearen Kraft wachsender Kristalle dartun sollte. Wir glaubten gezeigt zu haben 1. daß ein von gesättigter Lösung ernährter, wachsender Kristall, der auf beiden Seiten die Wände eines offenen Spaltes berührt, trotz der vorhandenen Gelegenheit nach anderen Rich- tungen zu wachsen, einen Druck ausübt, die Wände zu trennen ; 2. daß die derart ausgeübte lineare Kraft von der Größenordnung der Bruchfestigkeit der Kristalle ist, somit eine geologische Kraft von ganz beträchtlicher Größe und Wichtigkeit. Das für diese Schlußfolgerung entscheidende Experiment wurde in einer gewöhnlichen Kristallisationsschale ausgeführt, auf deren Boden ein Block Tafelglas mit planer Oberfläche festgekittet war. Ein gutgeformter Alaunkristall wurde auf diese plane Oberfläche gelegt und auf den Kristall eine zweite, ein Gewicht tragende, ebene Glasplatte. Eine gesättigte Alaunlösung wurde in genügender Menge, um den Kristall zu bedecken, in die Kristallisationsschale gebracht und daraufhin, möglichst frei von Keimbildung und Temperaturschwankungen, langsam verdunsten gelassen. Die ur- sprüngliche Skizze der Versuchsanordnung sei hier der Bestimmt- heit wegen reproduziert (Fig. 1, p. 338). Gesättigte Lösung wurde, wenn nötig, von Zeit zu Zeit hin- zugefügt, so daß während des ganzen Experimentes der Kristall in der gesättigten Lösung untergetaucht blieb. Die Dicke des Kristalls wurde in Intervallen mit einem dazu brauchbaren In- strument gemessen. Die Versuche wurden vielmals mit einem Kristall von Alaun und verschiedenen Gewichten, sowie mit Kristallen von Kupfersulfat, Kaliumferrocyanid, Bleinitrat in den entsprechenden Lösungen wiederholt. In keinem einzigen Beispiel dieser Beobachtungsserien verfehlte der Kristall 1. sein eigenes Gewicht, 2. das Gewicht der daraufgelegten Glasplatte, 3. das Gewicht der auf der Glasplatte 1 The linear Force of Growing Crystals. Proc. Wash. Acad. Sei. 7. p. 283. 1905. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 22 338 G. F. Becker und A. L. Day, liegenden besonderen Last zu heben. Die Strecke, um welche die Last gehoben wurde, variierte in den verschiedenen Experimenten * 1 von wenigen Hundertsteln zu 0,5 mm. 1913 publizierten Bruhns und Mecklenburg 2 eine Reihe von Experimenten über den gleichen Gegenstand, die die unseren wieder- holen und widerlegen sollten. Sie teilten mit, daß es ihnen un- möglich war, die von uns beschriebenen experimentellen Ergebnisse zu erhalten, und sie bestritten kategorisch, angesichts mancher Fig. 1. Ein Alaunkristall unter Belastung wachsend (Querschnitt). (Aus der Arbeit von 1905 1. c.) ihre eigenen Untersuchungen bestärkenden Erscheinungen , das Vorhandensein einer derartigen linearen Kraft während des Wachs- tums der Kristalle. Auf diese Arbeit antworteten wir nicht sofort, da es uns undenkbar erschien, daß andere Forscher gestatten würden, das entscheidende Experiment in einer Angelegenheit von so weit- gehender Wichtigkeit für Geologen lange unverifiziert zu lassen. Das Ergebnis konnte in wenigen Stunden ohne besondere Vor- richtungen von jedermann nachgeprüft werden. Da indessen ein ausgezeichneter Physikochemiker (Boeke in 1 Die Daten, auf denen diese vorläufigen Mitteilungen sich stützten, wurden im Winter 1902 und 1903 erhalten, gingen aber beim Brand in der „Geological Survey“ des folgenden Jahres verloren. Dadurch erklärt sich das Fehlen vollständiger Daten in der Veröffentlichung von 1905. 1 W. Bruhns und Werner Mecklenburg (Clausthal), „ Über die so- genannte Kristallisationskraft“. (JahreSber. d. Niedersächs. geol. Ver. zu Hannover. 6. p. 92. 1913.) Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 339 seinem bewundernswerten Buche „Grundlagen der physikalisch- chemischen Petrographie“ p. 328. 1915) ihre Schlußfolgerungen ohne Nachprüfung übernimmt und die „Kristallisationskraft“ voll- ständig aus geologischen Berechnungen verbannt, erscheint ein Protest notwendig. Dies erscheint uns um so unglücklicher, als es für einen Physikochemiker ersichtlich sein muß, daß Bruhns und Mecklenburg in Wirklichkeit gar nicht unsere einfache Ver- suchsanordnung wiederholten, sondern eine an ihre Stelle setzten, die keine Entscheidung über den strittigen Punkt geben kann, und daß weiterhin alle ihre Ergebnisse mit unseren Ergebnissen und Schlußfolgerungen in Einklang sind. Es scheint kein Tatsachen- widerspruch vorhanden zu sein, sondern nur ein Widerspruch in der Deutung; die Bedingungen, welche das Verhalten eines be- lasteten Kristalls verursachen, ändern sich, wenn, wie das Bruhns und Mecklenburg taten, in die gleiche Lösung ein unbelasteter Kristall eingeführt wird. Hinsichtlich der Hauptfrage, ob ein Kristall von Alaun oder anderer Substanz eine Last zu heben vermag, wenn er in einer offenen Schale in gesättigte Lösung getaucht ist, gibt es wohl nichts Einfacheres, als das Experiment, das wir beschrieben, zu wiederholen. Eine gewöhnliche offene Kristallisatiönsschale, ein auf den Boden gelegter Alaunkristall, bedeckt von einer gesättigten Lösung derselben Substanz, ein ge- wöhnliches Messinggewicht von 100 oder 200 g auf dem Kristall, zusammen mit einem einfachen, in jedem Laboratorium zu findenden Apparat zur Dickenmessung des Kristalls vor und nach dem Ver- such, sind alle notwendigen Utensilien, um zu entscheiden, ob ein Wachstum in Richtung der Lastwirkung stattfindet oder nicht. Zwei ziemlich typische Beispiele sind die folgenden : Tabelle 1 l. Bedingungen wie beschrieben; Zimmertemperatur ca. 20°; Gewicht der Last 95 g. Kein anderer Kristall zugegen. Zeit in Dicke des Totale Stunden Kristalls Dickenzunahme 0 8,3260 mm 0 mm 22 8,4400 0,086 98 . . ... 8,4569 0,131 Ein sehr kleiner Kristall, Bedingungen wie vorhin. Last — 0,7 g. Zeit in Dicke des Totale Stunden Kristalls Dickenzunahme 0 3,7649 mm 0 mm 20 3,7803 0,015 50 3,8027 0,038 68 3,8029 0,038 145 3,8262 0,061 1 Die in dieser Arbeit enthaltenen experimentellen Daten sind uns liebenswürdigerweise von J. C. Hostetter vom Geophysikalischen Laborato- rium, der sehr bald ausführlicher auf den Gegenstand zurückkommen wird, zur Verfügung gestellt worden. 22* 340 G. F. Becker und A. L. Day, Die Versuche sind so eindeutig und zwingend, daß ein Irrtum kaum möglich erscheint ; nichtsdestoweniger bestritten Bruhns und Mecklenburg in der vorhin zitierten Arbeit ihre Gültigkeit. Tabelle 2 stellt eine Reihe von Messungen dar, die der Arbeit von Bruhns und Mecklenburg entnommen sind \ Tabelle 2. Ein belasteter (1 g) und ein unbelasteter Kristall in derselben Lösung. Temperatur = 10° C. Datum Unbelasteter Kristall Belasteter Kristall Dicke des Kristalls Zunahme der Dicke Dicke des Kristalls Zunahme der Dicke 5. 5. 13 9.68 mm 10,00 6. 5. 13 10*22 + 0,54 10,06 + 0,06 7. 5. 13 10,86 + 0,64 10,04 — 0*02 9. 5. 13 11,42 + 0,56 10, Uü + 0,02 Dies ist nicht eine einfache Wiederholung unseres Experi- mentes, wie der Anschein erweckt wurde. Bruhns und Mecklen- burg haben einen belasteten und einen unbelasteten Kri- stall in das gleiche Gefäß gebracht und, wie man Voraussagen konnte, beobachtet, daß der unbelastete Kristall an Dicke zunahm, während der belastete Kristall das nicht tat. Dieses Resultat wurde durch andere Messungen derselben Art, die hier nicht re- produziert zu werden brauchen, bestätigt. Betrachten wir einen Moment die Bedingungen, unter denen ein Kristall in einer gesättigten Lösung wächst. Ein einziger isometrischer Kristall befinde sich in einer in bezug auf ihn ge- sättigten Lösung; das Wasser verdampfe langsam und erzeuge dadurch potentielle Übersättigung der Lösung und beständiges Wachstum des Kristalls. Wenn die Übersättigung größer ist, als wie sie durch das Wachstum des Kristalls unter den betreffenden Bedingungen aufgehoben werden kann, so wird die Tendenz zur Bildung neuer Keime vorhanden sein, die ihrerseits Substanz an- lagern können. Was wird nun geschehen, wenn zwei Kristalle der gleichen Substanz vorhanden sind, wovon der eine weniger stabil als der andere ist, sei es infolge seiner geringen Größe, sei es infolge eines Zwangszustandes oder einer von Natur aus instabileren Form, oder aus irgend einem anderen Grund? Vorerst ist er- sichtlich, daß eine im Gleichgewicht mit einem weniger stabilen Kristall befindliche Lösung größere Konzentration verlangt als die mit der stabileren Form im Gleichgewicht befindliche; infolge- dessen wird in dem genannten Fall die Lösung in bezug auf den 1 1. c. p. 100. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 341 stabileren Kristall bereits übersättigt sein, bevor sie es für den anderen Kristall ist, und der erstere wird vor dem anderen zu wachsen beginnen. Ja, der letztere wird nicht wachsen (er kann sich sogar auflösen), bis der Grad der Übersättigung größer ist, als er durch das Wachstum des stabileren Kristalls ausgeglichen werden kann. Ähnliche Fälle ergeben sich, wenn die Kristalle von gleicher Stabilität sind, die Lösung aber inhomogen ist und durch die Ein- wirkung äußerer Kräfte (unvollkommenes Rühren, Wärmeströmung, Gravitationswirkung) eine Konzentrationsverteilung derart entsteht, daß ein Kristall im Kontakt mit Lösung höherer Konzentration ist und deshalb wachsen kann, während dies für den anderen nicht zutrifft. Ein bekannter Umstand möge erwähnt werden. Wenn in eine nicht gerührte gesättigte Lösung in einem geschlossenen Gefäß zwei gleiche Kristalle gebracht werden, von denen der eine sich einige Millimeter über dem anderen befindet, so wird der untere Kristall wachsen, während der obere sich langsam auflöst. In ähnlicher Weise wird unter gleichen Bedingungen die Unterseite eines sehr großen Kristalls auf Kosten der Oberseite wachsen und die prismatischen Seitenflächen erhalten nach und nach treppen- förmige Konturen. In beiden Fällen liegt die Ursache in der Wirkung der Schwerkraft, die den unteren Partien der Lösung eine größere Konzentration zu geben bestrebt ist1, so daß, wenn auf dem Niveau des oberen Kristalls die Lösung gerade gesättigt ist, sie bereits potentielle Übersättigung auf dem Niveau des unteren Kristalls aufweist. Kurz , die Wachstumsgeschwindigkeit eines isometrischen Kristalls hängt davon ab, ob die Konzentration der mit dem Kristall in Berührung befindlichen Lösungsschicht in bezug auf den betreffenden Kristall potentiell übersättigt ist oder nicht. Daraus folgt z. B., daß, wenn man die Diffusion zu einer gewissen Fläche hin hindert (z. B. wenn diese Fläche gegen eine Glasplatte liegt), diese Fläche ebenfalls nicht in gleicher Weise wachsen kann wie die andern. Wir werden darauf zurückkommen. Nun ist es gerade die Wichtigkeit dieses Prinzips für die in Frage kommende Betrachtung, welche von Bruhns und Mecklen- burg übersehen wurde. Sobald man dieses Prinzip sinngemäß anwendet, stimmen ihre Beobachtungen vollkommen mit unseren überein. Der Einfluß auf die Sättigungskonzentration verschieden orien- tierter Flächen des gleichen Kristalls im nichtisometrischen System ist eine weniger geklärte Sache und außerhalb des Zweckes dieser Untersuchung. Wir wollen deshalb deren Betrachtuug in diesem Zusammenhang außer Spiel lassen. 1 Kristallisation wird deshalb oft in einem Zentrifugalapparat aus- geführt. 342 G. F. Becker und A. L. Day, In Kürze und ohne auf unnötige Komplikationen Rücksicht zu nehmen mögen die Verhältnisse in einer gesättigten Lösung unter den in Betracht kommenden Bedingungen ungefähr folgender- maßen beschrieben werden. Gegeben eine bestimmte Menge ge- sättigter Salzlösung in einem oifenen Gefäß, so ist die Menge der gelösten Substanz, die, bei einer bestimmten Temperatur, in Lösung bleiben kann, begrenzt. Sie kann bei Temperaturänderung (oder langsamer Verdunstung durch die freie Flüssigkeitsoberfläche) sich auszuscheiden beginnen. Konzentrationsunterschiede infolge Lang- samkeit der Diffusion können zur Folge haben, daß das Maximum ge- löster Substanz sich am Boden des Gefäßes befindet. Ein einziger auf dem Gefäßboden befindlicher Salzkristall wird nun in bezug auf seine exponierten Flächen wachsen und durch dieses Wachstum kann, bei nicht zu beschleunigter Verdunstung, aller Sättigungs- überschuß paralysiert werden. Bei schnellerer Verdunstung werden sich neue Kerne bilden, und wenn zwei oder mehr Kristalle von dem durch Verdunstung gebildeten Sättigungsüberschuß ernährt werden, so werden ihre relativen Wachstumsgeschwindigkeiten (+ oder — ) von den relativen Stabilitäten, ihrer Lage, Größe und auch von der Menge und Verteilung einer Belastung abhängen. Sobald ein auf dem Boden einer Verdunstungsschale befindlicher Kristall auf einer seiner Flächen liegt, trägt diese Fläche eine Last, die durch das Kristallgewicht weniger Auftrieb dargestellt wird. Diese Belastung wird in Rücksicht auf diese Fläche, und im Vergleich mit den anderen, Grenzbedingungen der Wachstums- geschwindigkeit zur Folge haben, wie wir in unserer Arbeit 1905 dartaten und wie Bruhns und Mecklenburg das 1913 zeigten. Ein auf den Kristall gelegtes Gewicht fügt lediglich etwas zu der von der Fläche zu tragenden Last hinzu (und bedeckt vielleicht einen neuen Teil der Kristalloberfläche), ohne einen neuen Faktor in die Fragestellung zu bringen. Ist das benutzte Ge- wicht bedeutend, so mag der resultierende Strain in Frage kommen, doch das sind nur graduelle Unterschiede. Hinderung von Zirku- lation und Diffusion in der kapillaren Flüssigkeitsschicht unter dem Kristall wird lediglich durch Größe und Verteilung der Be- lastung, nicht aber durch die Art dieser Belastung (ob Kristall- substanz oder fremdes Material) bedingt. Diese Tatsache scheint kaum erörtert werden zu müssen, nichtsdestoweniger hat sie sicher- lich einige Verwirrung verursacht. Es ist daher verständlich, daß die exponierte Oberseite und die Seitenflächen (oder die Seitenflächen allein, wenn die Oberseite bedeckt ist) frei wachsen können, während die Unterseite mehr oder weniger unterernährt bleibt, und zwar in Abhängigkeit von der darauf ruhenden Last und der daraus folgenden Zirkulationsverminde- rung. Nichtsdestoweniger, wenn der Grad der Übersättigung und die Menge des Materials, die dem Kristall infolge der Verdunstung Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 343 zugefiihrt werden, groß genug sind und die Diffusion beziehungs- weise Zirkulation genügend ist, wird die Sättigungskonzentration an der unteren Kristallfläche, d. h. in der dünnen Flüssigkeits- schicht, auf welcher der Kristall ruht, erreicht werden können und der Kristall kann auf der Unterseite ebenso wachsen wie seit- lich. Das Fehlen der Zirkulation in dieser belasteten Schicht kann, und wird in der Tat für gewöhnlich, das Wachstum auf den Rand der Tragfläche beschränken. Es hat dann eventuell zur Folge, daß ein kleiner Außenwulst 1 neuen Wachstums an Stelle Über- wachsens der ganzen ursprünglichen Fläche entsteht, aber Wachs- tum wird trotzdem stattfinden hier wie anderswo. Je größer der Kristall ist, um so größer ist das auf der Berührungsfläche (oder dem Wulst) lastende G-ewicht, um so größer ist auch a fortiori die Schwierigkeit, daß die Sättigungskonzentration an irgend einer Stelle der belasteten Schicht erreicht werden kann und auf diese Weise Wachstum an der Unterseite veranlaßt2. 1 Wie in unserer Arbeit von 1905 ausgeführt wurde, waren diese Tragwulste oft so dünn, daß die gewöhnlichen Methoden der Flächenaus- messung versagten. Damals war eine ungefähre Meßbarkeit möglich durch Schwärzen des Kristalls mit einer unlöslichen Tinte und Ausführung eines Abdruckes auf eine mit weißem Celluloid überzogene Glasplatte. Die der- artigen Abdrücke ergeben so feine Linien, daß sie sich schwer reprodu- zieren lassen und gestatten wohl nur eine roh angenäherte Bestimmung der Oberfläche, welche die Last trägt. 2 Daß die Beschreibung der Erscheinungen, die Bruhns und Mecklen- burg beobachteten, sich in keiner wesentlichen, speziellen Form von hier mitgeteilten unterscheidet, möge durch die folgenden Auszüge aus ihrer Arbeit (1. c.) dargetan werden: (p. 97). „Die bisherige Auffassung über das Wachstum der Kristalle war die, daß ein Kristall ausschließlich durch Stoffanlagerung von außen her wächst. Ein Kristall kann also nur dort wachsen, wo Platz für Stoffzufuhr und für Ausdehnung vorhanden ist, wo er mit der Lösung in Berührung steht. Mit dieser Auffassung stehen sehr zahlreiche Erfahrungen und Beobachtungen im Einklänge.“ (p. 100). „Die unbelasteten Kristalle aber zeigen ein andauerndes Wachstum, und die Gewichtszunahme, welche bei den belasteten Kristallen ungefähr um so viel geringer ist, als weniger freie Fläche vorhanden war, weist auf ein ganz normales Verhalten hin, d. h., wo sich Substanz an- lagern kann, lagert sie sich an, wo nicht, da nicht.“ (p. 102). „Ein weiterer Umstand, der für die Bildung der Hohlflächen in Betracht kommt, ist der, daß der Kristall beim Laboratoriumsversuch in Glasgefäßen oder dergleichen seine Unterlage nicht direkt berührt, sondern schwimmt, und zwar schwimmt auf einer Wasser- oder Lösungsschicht, welche dem Glase und dem Kristall adhäriert. Das -Auftreten solcher Adhäsions- oder Adsorptionsschichten ist hinreichend bekannt; sie fehlen in der Tat nur da, wo die Kristalle mit ihrer Unterlage fest verwachsen sind. Dank der flüssigen Schicht zwischen Kristall und Unterlage kann nun die über- sättigte Lösung, wenn die Diffusionsgeschwindigkeit in der Kapillarschicht wohl auch kleiner als in der freien Flüssigkeit ist, unter den Kristall 344 G. F. Becker und A. L. Day, In spezieller Anwendung auf unseren Fall besagt dies: Wenn ein einziger Alaunkristall auf einer dünnen Flüssigkeitsschicht in seiner gesättigten Lösung liegt und oben eine Last trägt, so werden die für das Wachstum günstigsten Flächen die Seitenflächen sein und ihre Sättigungskonzentration wird zuerst erreicht sein. Bei genügend großer Verdampfungsgeschwindigkeit wird auch die Sättigungskonzentration in der Flüssigkeitsschicht unter dem Kri- stall erreicht werden, sei es teilweise, sei.es ganz, und Wachstum wird auch hier, allerdings infolge der Belastung und Zirkulations- hinderung mit geringer Geschwindigkeit, einsetzen. Bedeckung der Oberseite mit einer Last wird von Einfluß auf die Behinderung der Zirkulation sein. Bei zu großer Belastung und zu geringer Verdampfungsgeschwindigkeit kann die Sättigungstension nirgends in der belasteten Schicht erreicht werden und Wachstum setzt hier aus. Eine noch größere Belastung der Grundfläche kann sogar dort Auflösung verursachen, während die Seitenflächen weiter- wachsen. Zur Stütze dieser Auseinandersetzungen diene die beiliegende Photographie (Fig. 2) eines unter starker Belastung gewachsenen Kri- stalls im Vergleich mit den daran ausgeführten Messungen (Tab. 3, p. 346). Ein einziger Kalialaunkristall wurde in eine gesättigte Lösung von Kali- und Chromalaun unter einer Belastung von 190 g getaucht. Die übrigen Bedingungen entsprechen den bereits beschriebenen. Die dunklen Partien (Färbung durch Chromalaun) sind die neugewachsenen. Es ist ersichtlich, daß über und unter der zentralen Partie des Kristalls keine neuen Anlagerungen vor- diffundieren. Weit wird sie aber nicht gelangen, denn die den Sättigungs- grad der Flüssigkeit überschreitenden Moleküle müssen, wenn sie in so außerordentlich großer Nähe am Kristall vorbeidiffundieren wollen, rasch abgefangen werden, d. h. es muß sich, wie es die Beobachtung auch wirklich zeigt, am äußeren Rande des Kristalls ein Wulst bilden.“ (p. 103). „Die am Boden der Schale sich ausscheidenden Kristalle zeigten ohne jede Ausnahme Hohlflächen, . . .“ (p. 103). . . „Wenn man einen größeren Alaunkristall auf eine glatte Fläche in eine verdunstende gesättigte Alaunlösung legt, so bildet sich an einer ünterfläche eine Hohlform, aber nicht eine richtige, treppenförmig vertiefte Hohlfläche, wie z. B. bei den bekannten Wachstumsformen von Steinsalz oder Wismut, sondern es tritt nur ein schmaler randlicher Wulst auf, während der innere Teil der Fläche fast eben bleibt. Auch bei weiterem Wachstum bildet sich nicht eine Treppe heraus, sondern der Wulst wandert nach außen und die von ihm eingefaßte Fläche bleibt auch weiter im wesentlichen eben.“ (p. 105). „Ihre Erklärung findet die Erscheinung möglicherweise darin, daß der lasttragende Wulst — er muß ja vornehmlich den Kristall tragen — eine größere Löslichkeit als die übrigen Teile des Kristalls hat; vielleicht spielt auch eine Verschiedenheit der Löslichkeit in ver- schiedenen kristallographischen Richtungen eine Rolle.“ Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 345 handen sind. Die Neuanlagerungen befinden sich ausschließlich auf (und unter) den neuen Seitenflächen. Nichtsdestoweniger hob der Kristall seine Last (Tab. 3), und wir beschäftigen uns in Fig. 2. Kopfansicht eines unter Belastung (190 g) gewachsenen Kristalls. Die dunklen Partien entsprechen dem neuen Wachstum (2fache Vergrößerung). diesem Moment weniger mit der Form als mit der Tatsache eines linearen Wachstums in der Richtung der Last. Bruhns und Mecklenburg haben diese „Wulstbildung“ erkannt und abgebildet und sie geben seine hebende Wirkung für zunehmende Belastung Fig. 3. Ohne besondere Belastung gewachsener Alaunkristall. Die dunklen Partien sind Stellen neuen Wachstums. Der ursprüngliche Kristall wurde um 0,4 mm gehoben (2fache Vergrößerung). durch eigene Kristallsubstanz zu 1 ; sie bestreiten aber eine hebende Kraft, wenn die Kristallsubstanz durch fremde Substanz ersetzt wird. 1 Siehe Bruhns* und Mecklenburgs Arbeit (p. 105), sowie die dar- aus mitgeteilten Auszüge in Fußnote auf p. 343. 346 H. Laubmann, Tabelle 3. Bedingungen wie vorher. Belastung 190 g. Zeit in Kristall- Dicken- Stunden dicke zunahme 0 3,5090 mm 0 mm 17 , 3,5239 0,015 65 . 3,5859 0,077 113 . 3,5926 ' 0,084 Die Wachstumsverteilung um einen unbelasteten Kristall ist gleicherweise hübsch darzustellen. Fig. 3 ist ein Vertikalschnitt durch einen unbelasteten Kristall von Kalialaun, der in einer an Kali- und Chromalaun gesättigten Lösung fortwuchs. Die Färbung zeigt deutlich die Verteilung neuer Kristallsubstanz und beweist, daß der ursprüngliche Kristall, zusammen mit der Masse neuer Anlagerung auf der Oberseite, 0,4 mm emporgehoben wurde. Es sei noch erwähnt, daß der ursprüngliche Kristall aus seiner ur- sprünglichen Wachstumslage gedreht wurde (die Becherform ist noch an der Oberseite erkennbar), damit das Wachstum keine speziellen Modifikationen durch Beschränkung der Zirkulation infolge vor- gebildeten Wulstes erleide. (Schluß folgt.) Über Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. Von H. Laubmann. Mit 3 Textfiguren. Die sogenannten Phyllite, welche in der Gegend von Wun- siedel im Fichtelgebirge den granitischen Kern umhüllen, zeigen einige bedeutendere Einlagerungen körnigen Carbonatgesteines, die in der Literatur mehrfach beschrieben wurden und gewöhnlich als Urkalk bezeichnet werden. Diese körnigen Kalke beginnen am Weiler Eulenlohe bei Tröstau, streichen über Wunsiedel, Holenbrunn, Göpfersgrün und Thiers heim zur böhmischen Grenze und sind besonders auf der Strecke von Wunsiedel bis Göpfersgrün durch zahlreiche im Betrieb befindliche Steinbrüche weitgehend aufgeschlossen. Bei Sinatengrün, unweit der Bahnstation Holenbrunn , treten diese Kalkeinlagerungen recht nahe an den Granit resp. Gneis heran, so daß beim Bau der Lokalbahn Holenbrunn — Selb besonders interessante Aufschlüsse zu erwarten standen. Nach der GüMBEL’schen Karte des Fichtelgebirges (Blatt Miinchberg) sollte allerdings, wie aus der beigegebenen Skizze (Fig. 1) des hier in Be- tracht kommenden vergrößerten Ausschnittes dieser Karte leicht zu ersehen ist, die Bahnlinie gleich nach Verlassen des Bahnhofes Holenbrunn im Phyllit und anschließend daran nordwestlich von Sinatengrün im Gneis- resp. Granit verlaufen. Tatsächlich aber Ueber Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. 347 wurden im ersten großen Bahneinschnitt , der nach der Station Holenbrunn jenseits eines kleinen Wasserlaufes seinen Anfang nimmt, statt Granit und Gneis Kalksilikatfelse vorgefunden. Da der Einschnitt seiner ganzen ziemlich langen Ausdehnung nach in diesem Gestein verläuft, ist sichergestellt, daß der Phyllit mit seinen Kalkeinlagerungen nordwestlich Sinatengrün weiter nach Norden übergreift, als die GüMBEL’sclie Karte ersehen läßt. Darnach ist wohl die Annahme richtig, daß das Kalksilikatgestein, welches direkt an den Granit an grenzt, den Einlagerungen des körnigen Karbonatgesteines entspricht, die in weiterer Entfernung vom Granitmassiv in dieser Gegend so häufig auftreten. Über das geologische Alter dieser Kalkeinlagerungen und des sie umschließenden Phyllites liegen in keiner Weise An- haltspunkte vor. Nur so viel ist sicher, daß die jetzt kristallinischen Karbonatgesteine ursprünglich sedimentäre Kalksteine waren, die durch Kontaktmetamorphose eine Umkristallisation erfuhren, ähnlich wie dies bei manchen alpinen Marmorlagern, z. B. den Marmor- lagern des Vintschgaues, der Fall ist. Wie dorten haben wir auch hier ganz analoge Lagerungsverhältnisse : der Granit tritt ganz nahe an den Phyllit mit seinen Kalkeinlagerungen heran, und häufig werden Schiefer und Kalk von Aplit- und Pegmatit- gängen durchsetzt, so besonders schön in dem Kalkbruche bei 348 H. Laubmann, Stemmas unweit Thiersheim. Lindemann1, der einige wichtige Vorkommnisse von körnigen Karbonatgesteinen mit besonderer Berücksichtigung ihrer Entstehung und Struktur eingehend be- arbeitete , hat auch in den Kalken und Dolomiten des Fichtel- gebirges - — speziell auch des Wunsiedler — Göpfersgrüner Kalk- zuges — durch eine Keihe der typischen Kontaktmineralien, wie Forsterit, Phlogopit, Strahlstein (Tremolit), Diopsid, Zoisit, Skapolith, Magnetkies, den einwandsfreien Nachweis von der kontakt- metamorphen Umkristallisation dieser Kalkeinlagerungen erbracht. Zur Ergänzung dieser Mineralien füge ich noch Chlorit, Flußspat, Turmalin, Schwefelkies, Kupferkies, Arsenkies, Bleiglanz und Zink- blende an, die mir im Laufe meiner langjährigen Lokalkenntnis dieser Kalkaufschlüsse bekannt wurden. So interessant nun diese Kalke bei Sinatengrün in geologischer Hinsicht und als Fundstätten mancher Mineralien auch sind, treten doch ihre Beziehungen zum Granit nur wenig prägnant hervor. Viel übersichtlicher und klarer liegen diese Verhältnisse in dem oben erwähnten Bahneinschnitt nordwestlich von Sinatengrün, wo der massig auftretende Kalksilikatfels direkt am Granit liegt und häufig von Pegmatit und Aplitgängen durchsetzt ist. Daß diese Kalksilikatgesteine den Kalkeinlagerungen der Phyllite, die in weiterer Entfernung vom Granit ziemlich arm an Silikaten sind, doch völlig gleichwertig erscheinen, wird wohl kaum zu bezweifeln sein. Hat man doch in vielen Vorkommnissen Gelegenheit zu sehen, daß Kalkgesteine, die in direkte Beziehungen zum Granit treten, in analoge, vorherrschend aus Silikaten bestehende Bildungen übergehen. Von den Apliten, welche die Kalksilikatgesteine nach allen Richtungen hin durchsetzen, kann man zweierlei Ausbildungsformen unterscheiden. Die einen, meist rein weiß, oft nur aus Quarz oder nur aus Feldspat bestehend, bilden in der Hauptsache Injek- tionsadern, die bis etwa fingerstark werden. Sie enthalten manch- mal größere braune Kristalle von Vesuvian. Von ihnen unter- scheiden sich die eigentlich gangförmigen Aplite durch ihre rostige Fleckung, die in der Hauptsache auf verwitterten Schwefelkies zurückzuführen ist. Sie verwerfen die Reihe der ersteren und durchsetzen die Bänderung der Gesteine in Gängen von wenigen Zentimetern Mächtigkeit bis vielleicht 1 m. An dem Kontakt dieses Aplites finden sich häufig Anreicherungen von Hornblende, die dann in deutlichen Kristallblättchen auftreten kann. Seine mineralische Zusammensetzung ist ein gleichmäßig feinkörniges Aggregat von Quarz und Feldspat mit Rostflecken, während die vorher erwähnten Injektionsadern neben ihrer ungleichmäßigen Mischung oft auch ziemlich grobkörnig werden (Fig. 2). 1 N. Jahrb. f. Min. etc. 1904. Beil.-Bd. XIX. p. 197—318. Ueber Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. 349 Auch der mikroskopische Befund ließ einen deutlichen Unterschied der beiden Aplite erkennen. Bei den meist rein weißen Aplitinjektionsadern wechseln die beiden Gemengteile Quarz und Feldspat in den weitesten Grenzen, vom dichten Gemenge bis zum vollständig selbständigen Auftreten des einen oder anderen Bestandteiles. Gewöhnlich überwiegt ein meist unregelmäßig gitter- lamellierter Feldspat, der auf den ersten Blick sehr mikroklin- ähnlich aussieht. Bei genauerer Bestimmung nach der Methode von Fouque konnte nur Albit gefunden werden, der also wohl gleichzeitig Lamellierung nach dem Albit- und dem Periklingesetz in sehr verwaschener Form aufweist. Daneben scheint etwas Fig. 2. Injizierter Kalksilikatfels mit Aplitgängen. Orthoklas, aber niemals in größerer Menge, vorhanden zu sein. Der Quarz erscheint in körnigen Aggregaten. Sieht man von wenig Titanit, der ab und zu in Körnern eingesprengt ist, ab, so sind Akzessorien in diesem Aplit kaum vorhanden, wohl aber ist der Vesuvian an diese Injektionsadern gebunden. Im Schliff ist er dann durch die meist dem Salband parallel angeordneten ziemlich großen prismatischen Kristalle leicht erkennbar. Diese haben zwar eine für Vesuvian hohe Doppelbrechung und deut- lichen bräunlichen Ton, sind aber schon makroskopisch zweifellos als Vesuvian bestimmbar. Die feinkörnigen rostigen Aplite dagegen enthalten Albit- Oligoklas als meist schlecht zwillingslamellierten und vielfach bereits etwas sericitisierten Plagioklas, neben stets vorwiegendem Mikroklin mit stellenweise recht gut entwickelter schriftgrani- 350 H. Laubmann, tischer und perthitischer Verwachsung und neben geringen Anteilen von Orthoklas. Sie zeichnen sich ferner durch einen Reichtum an Akzessorien aus. So sind nadliger und körniger Apatit, Titanitkörner stets massenhaft vorhanden, während rissige Granaten und Prehnit in Adern und Nestern zu den weniger häufigen Akzessorien gehören. Häufig durchsetzen Chlorit-, Hornblende- und Biotitaggregate das Gestein oder haben sich in den Spaltrissen des Feldspates angesiedelt. Meist reich an pleochroitischen Höfen, sind diese Mineralien ab und zu bereits verwittert und schließen dann rostfarbene Partien und braune Eisenoxyde ein. Der Kalksilikatfels selbst ist schon äußerlich leicht durch seine dichte Beschaffenheit, seinen splitterigen Bruch, durch seine ausgesprochene Bänderung und die wechselnden Lagen und Gänge von Aplit und Quarz erkennbar. Diese Bänderung ist je nach dem vorherrschenden Mineralbestand auch in der Färbung verschieden. Vorherrschender Granat bewirkt eine lichtrötliche, überwiegend Diopsid eine ausgesprochene hellgrüne Farbe, während die an Hornblende und Biotit reichen Bänder dunkel- grau bis schwarzgrau gefärbt sind. Hin und wieder findet sich auch Vesuvian vor, der dann meist zwischen den Diopsid- und älteren, frischen Aplitlagen feinkörnige braune Schnüre bildet. Kommt es zu nesterartigen Ansammlungen dieses Minerales, die hier allerdings nur ganz vereinzelt beobachtet werden, so tritt es in körniger und kurzprismatischer, kristallographisch schlecht ent- wickelter Form auf, zum Unterschiede von dem Vesuvian, der bei Göpfersgrün als analoge Bildung in z. T. recht großen Kristallen gefunden wurde. An dem schön gebänderten Kalksilikatfels läßt sich übrigens die Verschiedenheit der Plastizität der Granat- und Diopsid- bänder bei ihrer Beanspruchung durch Druck gut verfolgen. Fig. 3 zeigt dies nach einer geschliffenen Platte. Die lichtgrünen bis dunkelgrünen — im Bilde dunkelgrauen - — diopsidreichen Lagen sind mannigfach gefältet aufgestaut und stellenweise von unregel- mäßigen aplitischen Lagen — im Bilde rein weiß — injiziert, während der Granatfels — im Bilde lichtgrau — an den Biegungs- stellen infolge seiner geringen Elastizität massenhafte parallele Querrisse aufweist, die durch Aggregate von reinem körnigen Quarz — im Bilde schwärzlich — wieder ausgefüllt sind. Die mannigfache Aufstauung und Auswalzung der diopsidreichen Lagen gegenüber der plumpen Form der granatreichen verläuft in der- selben Richtung. In den Schliffen des Kalksilikatfelses lassen sich die makro- skopischen Befunde gut verfolgen. Auch hier wechseln gewöhnlich diopsid- und granatreiche Lagen miteinander ab; auch Übergänge der beiden ineinander sind nicht selten. Neben Diopsid oder Fig. 3. Gebänderter Kalksilikatfels. Biotitfetzen und einem dem Biotit sehr ähnlichen , gleichfalls braunen und stark pleochroitischen Mineral , das seiner sehr schwachen Doppelbrechung nach zur Chloritgruppe gehören dürfte. Diese Begleitmineralien sind an pleochroitischen Höfen überaus reich und verdrängen im Kontakt mit den Aplitlagen und Gängen den Pyroxen oft ganz. Die schlecht begrenzten Prismen der Hornblende werden dann öfter ziemlich groß und bringen die makroskopisch deutlich hervortretenden schwarzen Ränder hervor (vergl. Fig. 2, p. 349). Der Granat, vermutlich Grossular, bildet kleine, deut- lich umgrenzte Körner, meist mit reichlichen Diopsideinschlüssen; er verhält sich optisch isotrop und erscheint im Dünnschliff völlig farblos. Ueber Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. 351 Granat tritt noch Quarz in unregelmäßigen Körnern als Haupt- bestandteil auf, zu dem sich ab und zu noch etwas Feldspat gesellt. Letzterer ist dann entweder ein meist reichlich mit Diopsideinschlüssen durchsetzter Orthoklas oder ein trüber Plagioklas mit undeutlicher Zwillingslamellierung, der einigemal als Albit-Oligoklas bestimmbar war. Gibt überwiegender Diopsid dem Kalksilikatfels das Ge- präge wie im grüngefärbten Diopsidfels, so erscheint das Mineral u. d. M. stenglig-körnig bis feinkörnig entwickelt. Meist ist es dann begleitet von blätterigen Aggregaten grüner Hornblende, 352 H. Laubmann, Ueber Kalksilikatfelse aus dem Fichtelgebirge. Weniger häufig finden sich noch Klin ozoisit in zusammen- hängenden Partien, Epidot in kleinen Fetzen und körnige Aggre- gate von Prehnit in feinen Adern. Sieht man von etwas Titanit, der ab und zu in den hornblende- und biotitreichen Lagen des Kalksilikatfelses sich einstellt, ab, so fehlen Akzessorien in dem Hornfels vollständig, im Gegensatz zu ihrem reichlichen Auftreten im Aplit. Der Kalksilikatfels bildet das Hauptmaterial, doch finden sich auch Lagen, die reich sind an rhomboedrischen Karbonaten und schon äußerlich mehr dem grauen Kalk der Sinatengrüner Brüche ähneln! Makroskopisch lassen sich in diesen grauen, gelbgrün gebänderten Gesteinen leicht stengliger Tremolit feststellen, analog dem Vorkommen dieses Minerales im Sinatengrüner Kalk, und gelbgrüne Adern von Epidot , welche die Bänderung nach allen Richtungen hin verwerfen. Mikroskopisch wurde noch Klinozoisit nachgewiesen. Die vergleichende Betrachtung der Lagerungs- und petro- graphischen Verhältnisse ergibt, daß die oben beschriebenen Kalk- silikatfelse und die phyllitischen Kalkeinlagerungen zwischen Wun- siedel— Sinatengrün— Göpfersgrün— Thiersheim äquivalente Bildungen sind, nur mit dem Unterschiede, daß diese vorherrschend Carbonat-, jene vorherrschend Silikatgesteine sind. Dieser Unterschied erklärt sich wohl am besten daraus, daß die beschriebenen Silikatgesteine in nächster Nähe am Granitkontakte anstehen, während die Kalk- züge etwas weiter entfernt sind. Jedenfalls liefern diese neuen Aufschlüsse am Bahnkörper Holenbrunn — Sinatengrün einen neuen Beweis, daß es sich bei all diesen Vorkommen um kontakt- metamorphe Bildungen handelt, ähnlich wie dies schon von Lindemann für die dortigen phyllitischen Kalkeinlagerungen nach- gewiesen wurde. Daß in der Nähe des Granitkontaktes Kalk- gesteine zu Kalksilikatgesteinen werden, ist eine alte bekannte Beobachtung. Die vulkanischen Agenzien zeigen sich nicht nur in der Umwandlung des Kalksteines in Kalktonerde- und Kalk- magnesiasilikate, sondern auch in dem ziemlich reichen Gehalt an natronreichem Feldspat, der wohl ebenso wie der Quarz und die aplitischen Injektionen dieser Gesteine den granitischen Agenzien entstammt. Die gebänderte Beschaffenheit, welche die Kalksilikatgesteine von Holenbrunn aufweisen, ist auch in den Kalkbrüchen der Um- gebung weitverbreitet, wobei gewöhnlich phyllitische Lagen mit dem Kalk ab wechseln. Die Erscheinung der Injektion durch aplitisches Material fehlt aber in weiterer Entfernung und ist nur in allernächster Nähe des Granitkontaktes zur Entstehung ge- kommen. Die gangförmigen Aplite werden wohl hin und wieder in den Kalkbrüchen — z. B. bei Stemmas östlich von Thiers- R. N. Wegner, Hermann Klaatsch f. 353 heim — durch Pegmatite vertreten, sind aber hier in diesen Silikatgesteinen der nächsten Kontaktzone sehr viel reichlicher vorhanden und in ihrer Gangform viel schärfer ausgebildet. Die hier beschriebenen Kalksilikatgesteine sind also zweifellos Kontaktbildungen am Granit, und zwar durch die kontaktmeta- morphosierenden Agenzien in ihrem chemischen Bestände stark beeinflußt. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß die ganze Reihe der Kalktonerde- und Kalkmagnesiasilikate, also Granat, Vesuvian, Diopsid, Klinozoisit, Epidot, Hornblende nicht aus ursprünglichen Unreinheiten eines Kalkmergels hervor- gingen, sondern vielmehr der gegenseitigen Reaktion der vom Granit abgegebenen Lösungen und des ursprüng- lich ziemlich reinen Karbonatgesteines ihre Ent- stehung verdanken. München, Petr. Seminar der Universität, im März 1916. Hermann Klaatsch *j*. Von Richard N. Wegner in Rostock. Auf einer Ferienreise verstarb plötzlich am 5. Januar in Eisenach der Professor der Anatomie und Anthropologie und Direk- tor des Anthropologischen Instituts in Breslau, Hermann Klaatscö, erst im 53. Lebensjahre, in den besten Jahren seines Schaffens. Ein unerwarteter und schmerzlicher Verlust hat seine zahlreichen Freunde und Schüler getroffen, ein ungewöhnlich begabter Mann der Wissenschaft und ein glänzender Lehrer ist uns vorzeitig ent- rissen worden. Keines anderen Forschers Arbeit hat unser Wissen über die paläontologische Vorgeschichte des Menschen im letzten Jahrzehnt so bereichert wie die seine, und noch viele Jahre hätte er hier ein fruchtbares Wirken entfalten hönnen. Es waren altehrwürdige ärztliche Traditionen schon von Ur- großvaters Zeiten her, die in dem Hause walteten, in dem Her- mann August Ludwig Klaatsch am 10. März 1863 in Berlin geboren wurde. Schon früh zeigte er ein großes Interesse für die Naturwissenschaften, besonders für das Sammeln von Amphibien und Reptilien. Nach Abschluß der Schulbildung auf dem Königl. Wilhelms-Gymnasium in Berlin begann seine Studienzeit auf der Universität Heidelberg, wo von Anfang an Gegenbaur einen be- sonderen Einfluß auf ihn ausübte. Zu seinen Lehrern gehörten in Heidelberg unter anderen noch der Anatom G. Rüge, der Zoologe Bütschli, der Physiker Bunsen und der Pathologe Arnold. Im Sommersemester 1883 arbeitete er an seiner ersten wissenschaft- lichen Arbeit: „Zur Morphologie der Säugetierzitzen“ (Morpholog. Jahrb. 1884). In den Ferien desselben Jahres reiste er zu Coelen- teraten-Studien ans Meer und verweilte längere Zeit auf der Station Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 23 354 R. N. Wegner, Yillefranche bei Nizza. Nach erledigter Dienstpflicht im Winter- semester 1883/84 arbeitete er längere Zeit im Rudolf Virchow- Laboratorium und als Volontär-Assistent am Augusta-Hospital. Im März 1885 kam er einer Aufforderung Geheimrat Waldeyer’s nach, um bis zum Oktober 1889 als Assistent am Anatomischen Institut in Berlin zu bleiben. Im Oktober 1885 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert mit einer Dissertation über die Eihüllen von Phocaena communis. Im Wintersemester (4. März) 1885/86 erfolgte auch seine Approbation als Arzt. Im Oktober 1888 folgte er einer Aufforderung Gegenbaur’s, um als- Assistent in das Heidelberger Anatomische Institut über- zusiedeln. Am 26. Juli 1890 habilitierte er sich in Heidelberg mit einer Arbeit über den Descensus testiculorum (Morpholog. Jalirb. 1890). Im Juni 1895 wurde er dann a. o. Professor für menschl. Anatomie in Heidelberg. In den Jahren 1904 — 1907 unternahm er seine große Forschungsreise nach Australien zur Untersuchung der dortigen, im Aussterben begriffenen Eingeborenen, und zwar mit Unterstützung der Königl. Akademie der Wissen- schaften in Berlin. Damals besuchte er sowohl Süd- wie im Oktober 1905 Westaustralien, auch paläontologische Sammlungen anlegend; im Dezember 1905 reiste er nach Java, wo er gleich- falls anthropologische und paläontologische Studien vornahm, auch an den berühmten Fundstellen des Pithecanthropus Nachunter- suchungen anstellte. Im April 1907 erhielt er bei seiner Rück- kehr eine Berufung als etatsm. Professor der Anatomie, Anthropo- logie und Ethnographie in Breslau und zu gleicher Zeit als Kustos der dortigen Sammlungen des Anatomischen und des Ethnologischen Museums. Anfang Juli 1914 erfolgte die Neueröffnung der unter seiner Leitung stehenden anthropologisch-ethnographischen Samm- lung, welche in den Erdgeschoßräumen eines der Universität ge- hörigen Gebäudes untergebracht wurde. Leider reichten die Mittel nicht aus, um die Sammlungen zu einem größeren Forschungs- institut zu erweitern und die nötigen Arbeitsräume zu schaffen, an denen es hier mangelte. Dem Ausbau dieses Instituts galten seine letzten Bemühungen, ihm sind auch die wertvollen Privat- sammlungen des Verstorbenen testamentarisch anheim gefallen. Seine selten fruchtbare schriftstellerische Tätigkeit1 läßt sich zwanglos in zwei Perioden einteilen, deren Trennung etwa um die Jahrhundertwende fällt. In der ersten Periode beschäftigt sich Klaatsch vorwiegend mit Problemen der vergleichenden Anatomie und Stammesgeschichte der niederen Wirbeltiere wie der Säugetiere, in der zweiten Periode seines literarischen Schaffens mit dem 1 Eine eingehendere Würdigung auch der rein anatomischen Arbeiten findet sich in dem im Anatom. Anz. 48. p. 611 — 623. Jena 1916 erschienenen Nekrolog, dem auch ein Verzeichnis der Veröffentlichungen von Hermann Klaatsch sowie ein Porträt beigegeben ist. Hermann Klaatsch *f\ 355 Menschen, dessen spezieller Stammesgeschichte und Rassenmorpho- logie. Auf letzterem Gebiete liegen auch seine so neuartigen und anregend geschriebenen Arbeiten zur Paläontologie des Menschen, auf die hier besonders hingewiesen werden soll. Vorerst (1884 bis 1892) hatte er sich in 5 Arbeiten mit dem Bau der Mamma- organe und damit in Zusammenhang stehender anatomischer Vor- gänge beschäftigt, wozu ihm unter anderem auch Semon’s For- schungsreisen nach Australien erwünschtes Material lieferten. Längere Zeit stand dann im Vordergründe seines Interesses die Skelettbildung der Wirbeltiere. In das wichtige Problem der Anfänge der Knochenbildung versuchte er in zwei ausgedehnten, sehr gründlichen Beiträgen einzudringen: 1. „Zur Morphologie der Fischschuppen und zur Geschichte der Hartsubstanzgewebe“ (Morpho- log. Jahrb. 1890). Diese Arbeit behandelt die Entstehung des Hautskeletts der niederen Wirbeltiere in vergleichend-anatomischer, embryologischer und paläontologischer Hinsicht, ihr Studium dürfte noch heute für jeden Paläontologen unentbehrlich sein. Hierbei wurde die Frage nach der ersten Herkunft der Zellen, die Zahn- bein- und Knochengewebe liefern, angeschnitten. Die Abstammung dieser Elemente aus dem Ektoderm suchte er dann in einer zweiten Arbeit nachzuweisen: „Über die Herkunft der Skleroblasten. Ein Beitrag zur Lehre vön der Osteogenese“ (Morpholog. Jahrb. 1894). Der Anstoß, den diese Arbeiten bei einigen Anhängern der Keim- blattlehre erregten, veranlaßte lebhafte Diskussionen; sie wurden der Anlaß zu einer Entgegnungsarbeit : „Über die Bedeutung der Hautsinnesorgane für die Ausscheidung der Skleroblasten aus dem Ektoderm“ (Verh. d. Anatom. Ges. 1895). Neben den Problemen der Hautknochenbildungen übten Untersuchungen über die ersten Anfänge und Entfaltungen des Achsenskeletts einen besonderen Reiz auf seinen Forschertrieb aus. Damals entstanden die „Bei- träge zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule“ (Morpholog. Jahrb. 1895), insbesondere überden „Urzustand der Fischwirbelsäule“ (Morpholog. Jahrb. 1893), über die „Bildung knorpeliger Wirbel- körper bei Fischen“ (Morpholog. Jahrb. 1893), „Zur Phylogenese der Chordascheiden und zur Geschichte der Umwandlung der Chorda- struktur“ (Ibid. 1895), sowie „Über die Chorda und die Chorda- scheiden der Amphibien“ (Verh. d. Anatom. Ges. 1897). Das Material für diese Chordastudien lieferte ihm ein längerer Aufenthalt auf der zoologischen Station in Neapel im Jahre 1894. Er wurde für ihn zu einem bedeutenden Fortschritt in seiner Kenntnis der niederen Wirbeltiere. Auch in Messina arbeitete er über die Entwicklung des Amphioxus, insbesondere in der Meeres- bucht am Faio, wo schon Hatschek günstige Gelegenheit gefunden hatte, alle Entwicklungsstufen des Lanzettfischchens zu sammeln und zu beobachten. Als wissenschaftliches Ergebnis dieser Reisen veröffentlichte er eine ganze Reihe von Beobachtungen zur Anatomie 356 R. N. Wegner, und Entwicklungsgeschichte dieses niederen Wirbeltieres. Daneben hatte er sich in Neapel auch mit Tunikaten und niederen Seetieren, insbesondere mit den Appendicularien, befassen können. Eine andere größere Reihe von Untersuchungen galt der Stammesgeschichte des Darmkanals der Landwirbeltiere, besonders den Mesenterialbildungen. Seit Johannes Müller’s Zeiten war am Bauchfell nicht wieder mit solchem Erfolge vergleichend-anatomisch und teratologisch wie auf seinem morphologischen Wege gearbeitet worden (Morpholog. Jahrb. 1892). Unter Gegenbaur’s Einfluß wandte Klaatsch ganz besonders sein Interesse dem schwierigen Problem der Heranbildung der Landgliedmaßen aus den Fischflossen zu. Da ihm für diese Frage höchst wichtiges, bisher fast unerreichbares Material in Exemplaren des aus Kamerun stammenden Ganoiden, Calcimoichtliys. zur Ver- fügung stand, so konnte er in seiner Arbeit: „Die Brustflosse der Crossopterygier, ein Beitrag zur Anwendung der Archipterygium- theorie auf die Gliedmaßen der Landwirbeltiere“, die in der Fest- schrift für seinen Lehrer Gegenbaur (1896) erschien, neuartige Beiträge zur Lösung dieses Problems bieten. Mit ausgedehnten Studien auch in paläontologischer und geo- logischer Hinsicht beginnt die zweite Periode seiner Forscher- tätigkeit. In die Übergangszeit hierzu fallen seine ersten allgemein gehaltenen Publikationen und eine Reihe von Vorträgen über Ver- erbungsprobleme in der Heidelberger medizinischen Gesellschaft. Aus Volkshoclischulvorträgen, die er im Aufträge der Universität Heidelberg mehrere Jahre in Mannheim unter vielem Zuspruch hielt, entstanden die „Grundzüge der Lehre Dar win’s“ (Mannheim 1900). In seinen nicht weniger stark besuchten Vorlesungen an der Universität Heidelberg über das gleiche Thema zeichnete er sich durch die ihm eigene glänzende Begabung als Lehrer aus, dessen Begeisterung erweckende Lebhaftigkeit alle Ausführungen zu eindringlicher Anschaulichkeit gestaltete. Seine Beschäftigung mit Geologie und Paläontologie erhielt viel Anregungen durch den damals nach Heidelberg berufenen Geo- logen Salomon. So entstand eine Spezialarbeit: „Zur Deutung von Helicoprion“ (dies. Centralbl. 1901); einmal hat er auch eine geologisch-paläontologische Vorlesung gehalten. 1897 besuchte er auf Anregung Waldeyer’s zum erstenmal einen Anthropologenkongreß, und zwar in Lübeck. Klaatsch konnte sich aber mit der damals noch unter Rudolf Virchow’s Einfluß stehenden Richtung in der Anthropologie nicht befreunden. Seine zahlreichen Vorträge auf späteren Anthropologenkongressen sollten zeigen, wrie weit er selbst der Anthropologie und Prähistorie dann diese neuen Bahnen gewiesen hat. Die Fortführung seiner morphologischen Untersuchungen über die Muskulatur der Gliedmaßen nötigte ihn zu speziellerem Ein- Hermann Klaatsch f. 357 gehen auf die Stellung- des Menschen zu den Alfen und besonders zu den Anthropoiden. Daher bildet seine Arbeit „Der kurze Kopf des Musculus biceps femoris und der Tenuissimus — ein stammes- geschichtliches Problem“ (Morpholog. Jalirb. 1900) den Übergang- zu seinen Arbeiten über die Stammesgeschichte der Menschheit, in der er an einem speziellen Beispiel zeigen konnte , daß sich der Mensch manches primitive Merkmal, wie die Form des Biceps- Kopfes, bewahrt hat. Ein Vortrag in Heidelberg führte zu einer allgemeinen Besprechung des „Gegenwärtigen Standes der Pithec- anthropus-Fr&ge“ (Zool. Zentralbl. 1899). Im Anschluß daran erschien das Referat: „Die fossilen Knochenreste des Menschen und ihre Bedeutung für das Abstammungsproblem“ (Merkel- Bonnet’s Ergebnisse. 1899). Auf Anregung Schötensack’s legte er seine neuen Ansichten : „Über die Stellung des Menschen in der Reihe der Säugetiere, speziell der Primaten, und den Modus seiner Heranbildung aus einer niederen Form“ (Globus. 1899), auch auf dem Anthropologenkongreß in Lindau dar. Eine Fortsetzung dieses Themas bildet sein Vortrag: „Über die Ausprägung der spezifisch menschlichen Merkmale in unserer Vorfahrenreihe“, auf dem Anatomenkongreß in Metz (Verhandl. 1901). Mittlerweile war das Thema des Neandertalmenschen aktuell geworden. Unabhängig voneinander hatte sich neben G. Schwalbe auch Klaatsch dieser so lange vernachlässigten fossilen Reste an- genommen. Auf dem Anatomenkongreß in Bonn 1901 trug Schwalbe seine Ergebnisse über den Schädel vor, während Klaatsch über die Gliedmaßen sprach. Damit war die Lehre vom Neandertal- menschen neu begründet worden ; wie durch keinen anderen hat sie von da ab durch seinen unermüdlichen Fleiß, glückliche neue Entdeckungen und sorgfältige vergleichend-anatomische Arbeit einen weiteren Ausbau erfahren. Inzwischen waren die Funde aus Krapina bekannt geworden. Im Hei’bst 1901 konnte er dieselben in Agram persönlich untersuchen und ihre Zugehörigkeit zur Neandertalrasse bestätigen. Alles das reizte ihn, einmal systematisch die Museen und Fundstätten Europas zu bereisen, um alles das mit eigenen Augen prüfen zu können, was uns bisher die Erde an Überresten des Diluvialmenschen wiedergeschenkt hatte. 1902 führte er eine Untersuchung der Überreste des Spymenschen durch, welche in Lüttich aufbewahrt werden, und legte die gemeinsamen Charaktere des Schädels mit der Neandertalrasse dar: „Occipitalia und Tem- poraHa der Schädel von Spy verglichen mit denen von Krapina“ (Zeitschr. f. Ethnol. 1902). Dieselbe Studienreise machte ihn mit allen wichtigeren Fossilresten in den Museen Frankreichs und Englands bekannt, auch konnte er die klassischen Fundstellen des Diluvialmenschen im Vezeretal in der Dordogne besuchen. In einem Vortrage in Berlin über „Anthropologische und paläo- lithische Ergebnisse einer Studienreise durch Deutschland, Belgien 358 B. N. Wegner, und Frankreich“ (Zeitschr. f. Ethnol. 1903) berichtete er darüber. Ihm folgte im nächsten Sommer der „Bericht über einen anthropo- logischen Streifzug nach London“ etc. (Ibid. 1903). Seine nun- mehr auch aus eigenster Betrachtung gewonnenen Ansichten über den Skelettbau der einzelnen Menschenrassen und deren genaue Vergleichung mit den Fossilresten führten zu dem ersten zusammen- fassenden Versuch unter dem Thema: „Über die Variationen am Skelett der jetzigen Menschheit in ihrer Bedeutung für die Pro- bleme der Abstammung und Bassengliederung“ (Ibid. 1902) — sein Thema auf dem Anthropologenkongreß in Dortmund. Die Gra- bungen, welche er 1902 nach Silex- Artefakten begonnen hatte, setzte er 1903 mit reichem Erfolge fort. Seine Darlegungen : „Über die tertiären Sil ex- Artefakte aus den sub vulkanischen Sanden des Cantal“ (Arch. f. Anthropol. 1905), führten sowohl auf dem nächsten Anthropologenkongreß als in der Berliner Anthropologischen Gesellschaft zu lebhaften Diskussionen. Die Fortsetzung seiner Gliedmaßenstudien im Anschluß an die Neandertalreste geschah in einem Beferat: „Über die Fortschritte der Lehre von den fossilen Knochenresten des Menschen in den Jahren 1900 — 1903“ (Merkel- Bonnet’s Ergehn. 1903). Die erste allgemein verständliche Dar- stellung seiner neuen Ergebnisse über die Entstehung und Ent- wicklung des Menschengeschlechts wurde im zweiten Bande von „Weltall und Menschheit“ (Berlin 1902) mit zahlreichen Abbil- dungen veröffentlicht und somit weiteren Kreisen zugänglich ge- macht. Zahlreiche Aufforderungen zu öffentlichen Vorträgen, denen er bereitwillig aus dem Gefühl heraus nachkam, der Allgemeinheit auch hierin dienen zu müssen, waren die Folge. Seine Besultate auf dem Boden Mitteleuropas drängten geradezu auf eine Forschungsreise nach Australien, da die dortigen Ein- geborenen der paläolithischen Menschheit offenbar nahestehend ge- blieben sind. Klaatsch gebührt das Verdienst, die Bestätigung dieser Ansicht auch in körperlicher und kultureller Hinsicht erbracht zu haben. Über seine Ergebnisse auf dieser dreijährigen Forschungs- reise berichtete er zuerst auf dem Adelaide Meeting der Australian Association for the Advancement of Science (1907). Schon in Australien hatte er eine sehr ausgedehnte Untersuchung der Schädel australischer Eingeborener begonnen (Beport of the Luncay Depart- ment. 1908), desgleichen eine Beihe brieflicher Mitteilungen nach der Heimat gesandt (Zeitschr. f. Ethnol. 1905 — 1907). Neben reichen ethnologischen Sammlungen (jetzt z. T. im Bautenstrauch- Joest-Museum in Köln und im Anthropologischen Institut Breslau) hatte er große Sammlungen von Schädeln und Knochenmaterial der Australier sowie wertvolles Spiritusmaterial zusammengebracht. In Australien waren ihm auch seine geologischen Kenntnisse von großem Vorteil gewesen. Er hatte dort Überreste von Biesen- formen australischer Beutler der Diluvialzeit, so am Callabonnasee Hermann Klaatsch *j\ 359 sammeln können ; sehr sorgfältig waren seine Untersuchungen des Sandsteins von Warrnambool, von wo er einen Fußabdruck des G-enyornis Newtoni mitbrachte (die geologischen Funde befinden sich jetzt zum größeren Teil im Geologischen Institut der Universität Breslau). Nach einem Besuche Nordwest- Australiens machte Klaatsch im Dezember eine Reise nach Java und nach einigen Teilen des Archipels. Hier besuchte er die Fundstellen des Pithecanthropus und führte eine Reihe anthropologischer und ethnologischer Unter- suchungen durch. Im Mai 1906 konnte er nach Wiederherstellung von der Malaria auch noch Nord- Australien aufsuchen. Nach Deutsch- land zurückgehrt, veröffentlichte er vergleichende Untersuchungen über die „Steinartefakte der Australier und Tasmanier“ (Zeitschr. f. Ethnol. 1908). Auf dem Anatomenkongreß 1908 sprach er über den Vergleich des „Gesichtsskeletts der Neandertalrasse und der Australier“ (Verh. 1908) und hob die wichtigen Unterschiede hervor. Die australischen Schädelstudien führten auch zu Grundlagen für ein neues System der „Kraniomorphologie und Kraniotrigonometrie“ (Arch. f. Anthropol. 1909), nachdem er schon vorher eine sehr brauchbare Verbesserung des LissAUER’schen Apparates zur Auf- zeichnung von Schädelkurven eingeführt hatte. Seine neuen Methoden zur Erforschung der Rassenmorphologie des Unterkiefers wurden wesentlich mit durch den wichtigen Fund von Mauer veranlaßt, selbst Schötensack’s morphologische Beschreibung des Kiefers vom Homo heidelbergensis beruht fast ganz auf KLAATSCH’schen Intui- tionen. Eine ungemein reiche, unerwartete Förderung seiner Studien erhielt Klaatsch durch die Grabungen Hauser’s in der Dordogne. Die erste Hebung und wissenschaftliche Beschreibung von Hauser’s Auffindung des „ Homo Mousteriensis Hauseri“ (Arch. f. Anthropol. 1909) wurde ihm übertragen. Es war der erste Fund eines Neandertalers auf französischem Boden, dem dann erst weitere Ent- deckungen durch französische Gelehrte folgten. Später kam noch die wichtige Entdeckung des „ Homo Aurignacensis Hauseri11 (Präh. Zeitschr. 1910) hinzu. Dieser Fund zeigte einen anderen Typus als die Neandertalrasse an und brachte so das wichtige Ergebnis, daß schon im Diluvium mehr als eine deutlich voneinander unter- scheidbare Menschenrasse vorhanden war. Vergleiche mit dem Schädel von Galley-Hill neben der schon vorher durchgeführten Erforschung der übrigen diluvialen Reste und ausgedehnte Unter- suchungen an einem ungemein reichen Schädel- und Spiritusmaterial von Menschenaffen, das er mit seinen Schülern zusammengebracht hatte, führten ihn auf das fundamentale Problem der Abstammung der Menschenformen und Menschenaffen (Verh. d. Anthrop. Ges. 1910). Für die gleiche Feststellung, wie sie auch sonst die Paläontologen machten, daß fast alle Säugetiere sich in mehreren nebeneinander parallel laufenden Stämmen entwickeln, deren Anfänge geologisch sehr weit zurückliegen, von deren Gliedern aber noch unterscheid- 360 R. N. Wegner, Hermann Klaatsch f. bare Charaktere längst abgesunkener Nebenzweige trotz gleich- artiger Höherentwicklung beibehalten werden, glaubte Klaatsch zuerst eigenartige Belege in Gleichförmigkeiten von Orang und Aurignacenser einerseits , Gorilla und Neandertaler andererseits auch für die Menschenstammesgeschichte gefunden zu haben. Aus- gangspunkt für diese Untersuchungen waren die Beobachtungen, die er in seinem Vortrage „Die stammesgeschichtliche Bedeutung des Reliefs der menschlichen Großhirnrinde“, auf der Anthropologen- versammlung in Heilbronn (1911) niederlegte. Dann folgten einige Publikationen allgemein verständlicher Art über „Die Entstehung und Erwerbung der Menschenmerkmale“ (Fortschr. d. naturw. Forsch. 1911 u. 1912) und über „Die An- fänge von Kunst und Religion in der Urmenschheit“ (Leipzig 1913). 1913 erschien eine sorgfältige Bearbeitung der Turfanschädel (Abh. d. Akad. d. Wiss., Berlin 1913). Auf dem Anatomenkongreß zu Greifswald 1913 sprach er: „Über die Erwerbung der aufrechten Haltung und ihre Folgen“ (Verli. 1913), auf dem Anatomenkongreß zu Innsbruck 1914: „Über einige Probleme der Morphologie des menschlichen Armskeletts“. Sein Vortrag über die „Bedeutung des Säugemechanismus für die Stammesgeschichte des Menschen“ (43. Vers. 1912) auf dem Anthropologenkongreß zu Weimar sollte nur eine vorläufige Mitteilung aus einer umfangreicher angelegten Arbeit bedeuten. Ein groß angelegtes Reisewerk über Australien befand sich neben anderen Manuskripten noch in Bearbeitung, als ihm der Tod die Feder aus der Hand nahm; einer nachträg- lichen Herausgabe desselben dürfte auch von seiten der Geologen mit Interesse entgegengesehen werden. Als Forscher zeigte Klaatsch einen unermüdlichen Fleiß, durch nichts zu beirrende Begeisterung, immer neuen wissenschaft- lichen Problemen nachzugehen. Auf den zahlreichen von ihm be- suchten wissenschaftlichen Versammlungen sprach er mit größter Lebhaftigkeit und der ihm eigenen eindringlichen Beredtsamkeit, konnte in sachlichen Diskussionen seine Ansichten auch mit Schärfe verteidigen. Klaatsch hat vieles geschaffen , was von bleibendem Wert für die Wissenschaft ist, vor allem aber der Anthropologie neue Bahnen gewiesen, sie aus der erstickenden Luft der Meßtabellen zu freierer morphologischer Betrachtung führen helfen. Seine Methodik des vergleichend-morphologischen Details hat dem Palä- ontologen das Rüstzeug schärfen gelehrt für die Probleme, welche uns die paläontologische Erforschung des Menschen stellt, die in ihm einen ihrer hervorragendsten Förderer allzufrüh verlor. F. Rinne, Zur Deformation des Winkels P : M etc. 361 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Deformation des Winkels P : M der Plagioklasgestalt durch isomorphe Beimischung. Von F. Rinne in Leipzig. Mit 1 Textfigur. Beobachtungen von E. Schmidt 1 über die Mittelwerte kenn- zeichnender Winkel von Plagioklasen und eine Erläuterung der Ergebnisse seitens E. A. Wülfing 2 führten zu der Folgerung, daß die 38' betragende Änderung von {001} : {010} = P : M in der Reihe Albit — Anorthit bis auf halbe Bogenminuten als additiv an- gesehen werden kann im Gegensatz zu sonstigen wichtigen Plagio- klaswinkeln, deren Zusammenhang mit der molekularprozen tisch ausgedrückten Zusammensetzung sich nicht als lineare, sondern als mehr oder minder komplizierte Kurvenfunktion darstellt. E. A. Wülfing fügt diesen Ergebnissen hinzu: „Im allgemeinen können ja trikline Bausteine von verschiedenen Winkeln und ver- schiedenen Molekularvolumen unmöglich nach allen drei Pinakoiden Additivität besitzen. Wenn sie es gerade nach der Zone der vor- züglichen Spaltflächen tun und sich dabei durch die anderen Di- mensionen nicht merklich, d. h. sicherlich nicht mehr als bis auf 1^ % Additivität stören lassen, so werden wir dies damit erklären, daß die Spaltflächen mit ihren größten Netzdichten die Orientierung beherrschen. Wir werden uns also in Zukunft daran gewöhnen müssen, in der ganzen Plagioklasreihe die bisherige Annahme vom Parallelismus der c-Achsen fallen zu lassen, um an ihre Stelle den Parallelismus der a-Achsen zu setzen.“ Wülfing berührt dann noch die Frage einer kristallographischen Umstellung der Feldspate in der Art, daß ihre jetzigen Achsen a vertikal gerichtet werden und beschließt seine Betrachtung mit dem Ausblick, daß man nun weiters ehr eiten könne auf dem Wege zur Aufklärung „der Spannungen im Plagioklasgebäude und ihrer Beeinflussung der physikalischen, insbesondere der optischen Eigen- schaften “. Es handelt sich also um kristallographisch an sich interessante 1 E. Schmidt, Die Winkel der kristallographischen Achsen der Plagio- klase. Dissert. Heidelberg 1916. 2 E. A. Wülfing, Lassen sich die kristallographischen Fundamental- winkel der Plagioklase mit der Zusammensetzung in gesetzmäßige Be- ziehung bringen? Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. Math.- naturw. Kl. A. 1915. 13. Abh. 23* 362 F. Rinne, Zur Deformation des Winkels P:M und hinsichtlich der gezogenen Folgerungen wichtige Umstände, deren Erörterung zu begrüßen ist. Doch empfiehlt sich, die grund- legende These der Additivität von P : M noch einer Probeleistung bezüglich etwaiger allgemeiner Gültigkeit zu unterwerfen durch Beantwortung der Frage, ob die Additivität bei wechselnden Tem- peraturen bestehen bleibt oder ob sie nur bei der (für das all- gemeine Wesen der Beziehung zwischen Winkelgröße und chemi- scher Zusammensetzung der Feldspate zufälligen) Zimmertemperatur zutrifft. Es zeigt sich, daß eine temperaturfeste Additivität für P : M nicht besteht. Die bislang thermogoniometrisch untersuchten Plagioklase Albit, Labradorit und Anorthit besitzen jeweils eine kennzeichnende be- sondere Form der Winkelkurve P : M. Die BECKENKAMp’schen Studien am Anorthit 1 ergaben, daß P : M des fast am Ende der Plagioklasreihe stehenden Mte.-Somma- Vorkommens bei der Temperaturerhöhung über 20° hinaus zunächst sich nur äußerst schwach ändert. Das nämliche zeigten meine entsprechenden Untersuchungen2 3 *, durch welche dann weiterhin fest- gestellt wurde, daß der Bereich sehr geringer Deformation von P:M sich bis — 170° erstreckt, wobei sich ein sehr flach maxi- maler Wert um -J- 100° geltend macht, während andererseits über + 200° hinaus sich ein deutlicher Abfall des Normalen wertes von (001) : (010) einstellt. Beträgt z. B. die Änderung von — 170° bis 200° (Differenz 370°) nur 1 Minute, so steigert sie sich von -j- 200° bis 600° (Differenz 400°) auf ca. 12 Minuten. Ein ganz anderes Diagramm führt der Albit vor, der gleich- falls von mir untersucht wurde. Seine Kurve für P : M hat von — 170° an einen erst langsamen, aber sehr deutlichen und sodann immer schnelleren Abfall. Vergleichsweise mit Anorthit beträgt die Änderung für das Intervall — 170° bis 205° 8-|' statt U, für das von -f- 205° bis + 594° 26' an Stelle von 12' bei Anorthit. W7ieder anders erscheint nach meinen Erfahrungen die Kurve für Labradorit; sie hat einen auffallend geradlinigen Verlauf in dem ganzen, von — 70° bis + 597° sich erstreckenden Beobachtungs- reiche 8. Hinsichtlich der gesamten beobachteten Veränderung und des Mittels für je 100° ergibt sich für Anorthit im Intervall — 170° bis 605° (zusammen 775°) eine Abnahme des Normalen winkeis 1 ,T. Beckenkamp, Über die Ausdehnung monosymmetrischer und asymmetrischer Kristalle durch die Wärme. Zeitschr. f. Krist. 1881. 5. p. 436. 2 F. Rinne , Die Kristallwinkeländerung verwandter Stoffe beim Wechsel der Temperatur. Dies. Centralbl. 1914. p. 705. 3 Alle diese Kurven habe ich neuerdings durch Herrn cand. Grossmann an frischem Material kontrollieren lassen und bestätigt gefunden. der Plagioklasgestalt durch isomorphe Beimischung. 363 (010) : (001) von 11, 5', also im Mittel auf je 100° 1,5'. Beim Albit zeigte sich im Intervall — 170° bis + 594° (d. h. auf 764°) eine Verminderung des nämlichen Winkels um 34, 2', im Mittel auf je 100° somit 4,5'. Der Labrador ließ eine Abnahme des in Rede stehenden Winkels im Intervall — 70° bis + 597° (zusammen 667°) von 17,2' erkennen, im Mittel 2,6' auf je 100°. Am anschaulichsten gibt das Diagramm der Fig. 1 die in Rede stehenden Umstände wieder. Es sind in ihm für gewöhnliche Fig. 1. Thermische Veränderung des Winkels P:M bei Anorthit, Labradorit und Albit. Temperatur die durch E. Schmidt und E. A. Wülfing gewonnenen Idealwerte des Plagioklaswinkels P : M zugrunde gelegt und die beobachteten Veränderungen eingetragen. Das Diagramm erweist durch die Verschiebung des figurativen Punktes von Labradorit aus seiner Mittelstellung zwischen Albit und Anorthit, daß die geradlinige Funktion zwischen chemischer Zusammensetzung und Winkelwert {001} : {010} bei anderen als gewöhnlichen Tempera- turen nicht besteht; bei Wärmegraden, die von ca. 20° abweichen, stellt sich die Abhängigkeit des Wertes P : M von der stofflichen Natur der drei Plagioklase jeweils in einer kurvenmäßigen Linie dar, wie das bei den sonstigen wichtigen Plagioklaswinkeln schon bei Zimmerwärme der Fall ist L Institut für Min. und Petrogr. der Universität Leipzig. 1 Diese thermischen Veränderungen von P:M sind, wie von vornherein anzunehmen ist und wie einschlägige Beobachtungen zeigen, für verschiedene Kristalle derselben Feldspatart die nämlichen, wenn auch die Messungsergebnisse für Zimmertemperatur in den bekannten Grenzen voneinander abweichen. Die in obiger Frage ausschlaggebende Kurven- form der Fig. 1 bleibt also jeweils bestehen; 364 G. F. Becker und A. L. Day, Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. Von George F. Becker und Arthur L. Day. Mit 3 Textfiguren. (Schluß.) Die gleichen Überlegungen gestatten den von Bruhns und Mecklenburg mitgeteilten Fall (Tab. 2) zu analysieren. Hier sind in der gleichen Lösung zwei Kristalle, einer unbelastet und einer belastet. Die Sättigungskonzentration wird gewöhnlich zu- erst auf der Oberseite und den Seitenflächen des unbelasteten Kristalls, zweitens auf den exponierten (und gestrainten) Seiten- flächen des belasteten Kristalls, drittens auf der tragenden Flüssig- keitsschiclit unter dem unbelasteten Kristall und zuletzt in der Flüssigkeitsschicht unter dem belasteten Kristall erreicht werden. Ob die letztere Sättigungskonzentration in Gegenwart der drei niedrigeren Sättigungskonzentrationen sich überhaupt einstellt, wenn alle drei ihre Anziehung auf die Lösung ausüben, wird von den zu- fälligen Temperaturbedingungen, der Verdampfungsgeschwindigkeit und der Belastung abhängig sein. Es kann auch sein, daß in bezug auf den 2. und 3. Schritt die Reihenfolge eine andere als die angenommene ist. Das ist aber hier von geringer Bedeutung. Das erkennbare Hauptprinzip ist, daß potentielle Übersättigung in der am unbelasteten Kristall anhaftenden Schicht früher als in der am belastenden Kristall anhaftenden Schicht erreicht ist. Wenn keine Übersättigung eintritt, ist offensichtlich kein Wachstum des belasteten Kristalls möglich. Wachstum auf der Unterseite des belasteten Kristalls kann deshalb positiv, Null oder negativ sein und ist eher negativ und Null als positiv unter den Be- dingungen, die Bruhns und Mecklenburg beschreiben. Ver- dampfungsgeschwindigkeit und Belastungsmenge beherrschen hier die Verhältnisse, vorausgesetzt immer, daß keine neuen Kerne sich bilden. Zwei Beobachtungsreihen seien zur Stütze dieser Darstellung hier mitgeteilt. Tab. 4 enthält die Messungen an 2 Kristallen, von denen der eine belastet ist (74 g), der andere nicht, und die sich beide nach Art der Versuche von Bruhns und Mecklenburg in der gleichen Lösung befinden. Die Ergebnisse bestätigen ihre Resultate vollkommen. Der unbelastete Kristall wächst auf der Oberseite, an den Seiten und auf dem Tragwulst, während der belastete Kristall in Richtung der Last kein Wachstum aufweist. Die Ergebnisse von Tab. 5 mögen nun dazu dienen, zu zeigen, worin Bruhns und Mecklenburg zu weit in der Ver- allgemeinerung derartiger Beobachtungen gingen, wenn sie folgern, daß in der Richtung der Lastwirkung überhaupt kein Wachstum Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 365 Tabelle 4. Bedingungen wie früher. Zeit in Stunden Kristall I (Last 74 g) Kristall II (unbelastet) Kristall- dicke Dicken- zunahme Kristall- dicke Dicken- zunahme 0 4,6014 0 mm 3,9852 0 mm 20 4,6040 0,003 4,2588 0,274 43 4,6027 0,001 4,6636 0,678 stattfindet. Dieses Experiment (Tab. 5) zeigt zwei Kristalle, einen belasteten und unbelasteten in der gleichen gesättigten Lösung und unterscheidet sich im speziellen von dem vorhergehenden (Tab. 4) nur insofern, als die Last von 74 g auf 0,7 g erleichtert wurde. Von Bruhns’ und Mecklenburg^ Serie (Tab. 2) unter- scheidet es sich durch die Verdampfungsgeschwindigkeit, die offen- bar größer als ihre ist. Die Messungen lassen an Einfachheit und Bestimmtheit des Beweises, daß ein belasteter Kristall seine Last auch in einer gesättigten Lösung heben kann, wenn (wie das Bruhns und Mecklenburg unglücklicherweise versuchten) die Lösung gleichzeitig einen unbelasteten Kristall enthält, nichts zu wünschen übrig. Die mitgeteilte Diskussion zeigt aber deutlich, daß die Bedingungen für das Wachstum hier weniger günstig sind. Nichtsdestoweniger wird Wachstum auch hier eintreten, wenn die Verdampfungsgeschwindigkeit groß genug ist. Tabelle 5. Bedingungen wie früher. Zeit Kristall I (Last 0,7 g) Kristall II (unbelastet) in Stunden Kristall- dicke Dicken- zunahme Kristall- dicke Dicken- zunahme 0 4,0307 0 mm 3,4617 0 mm 18 4,0357 0,005 3,5516 0,090 43 4,0492 0,019 3,9907 0,529 Es darf indessen nicht behauptet werden, daß der Tragwulst des unbelasteten Kristalls kein Gewicht trage. („Er muß ja vor- nehmlich den Kristall tragen“, Bruhns und Mecklenburg p. 105) h Er trägt in der Hauptsache nur weniger Gewicht als der ent- 1 Siehe Fußnote p. 343, letzter Paragraph. 366 G. F. Becker und A. L. Day, sprechende Teil des belasteten Kristalls. Die Bedingungen inner- halb der anhaftenden Flüssigkeitsschicht beider Kristalle unter- scheiden sich nur graduell voneinander, und einer oder beide Kristalle können, je nach den durch die Verdampfung gelieferten Übersättigungsbedingungen, wachsen. Da der Prozeß der Ver- teilung der Kristallmoleküle von der Diffusion abhängt, hat eine kleine Differenz der Belastung nur eine kleine Konzentrations- verschiedenheit in der Distanzeinheit zur Folge und infolgedessen einen geringen Molekularstrom. Diffusion würde auch durch Zu- nahme der horizontalen Distanz zwischen einem schwerbelasteten und einem unbelasteten Kristall verzögert werden, aber wir haben diese evidente Tatsache nicht besonders experimentell untersucht. Hätten Bruhns und Mecklenburg ihren unbelasteten Kristall unter eine übergreifende Last des Nachbars gebracht, so würde der Kristall allein gewachsen sein, bis er das Gewicht erreicht hätte, dann würden beide mit Geschwindigkeiten weiter wachsen, die annähernd ihren individuellen Beteiligungen an der Belastung um- gekehrt proportional sind. Der Einfluß der Lastverteilung über drei Kristalle zeigt folgender einfacher Fall (Tab. 6). Tabelle 6. Zeit 3 Tage. Temperatur ca. 20°. Last = 200 g. Dicke des Kristalls Dieken- zunahme Am Anfang Zum Schluß Kristall 1 3,416 mm 3,527 mm 0,111 mm Kristall 2 2,841 2,970 0,129 Kristall 3 3,033 3,108 0,075 Doch es ist nicht nötig, daß diese Messungen zur Stütze einer so wichtigen Schlußfolgerung allein dastehen sollten. Bruhns und Mecklenburg konnten durch Auskristallisation von Chromalaun, mit Bechergläser belastete, Tonplatten um einen oder mehrere Millimeter emporheben. Die dazu notwendigen Be- dingungen waren, daß die Tonplatten und die daraufruhenden Bechergläser im Kontakt mit einer zur Trockenheit verdampfenden gesättigten Lösung waren. Die maximale Erhebung stellt sich bei Zusatz frischer gesättigter Lösung und darauffolgender Ver- dampfung ein. Diese Beobachtungen sind nicht im einzelnen ge- messen worden, sind aber in den folgenden Paragraphen (Bruhns und Mecklenburg, 1. c. p. 107 und 108) genügend beschrieben: (p. 107). „Größere oder geringere Belastung der Becher- gläschen hatte keinen sichtbaren Einfluß auf die Kristallentwicklung. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 367 Alle sechs Bechergläschen ruhten nun — das ist das Wesentliche — nicht mehr direkt auf den Tonscherben, sondern auf Chromalaun- kristallen. Nach Losbrechen der Gläschen ließ sich einwandfrei feststellen, daß die Bechergläschen tragenden Kristalle mindestens 1 mm hoch, an manchen Stellen sogar noch etwas höher waren und daß die Bechergläschen die Tonscherben nirgends mehr be- rührten.“ (p. 108). „Nachdem ein Stück der Kristallisierschale ab- gesprengt war, um Vertikalsehnitte durch das Präparat zu er- halten, ließ sich auch hier mit Sicherheit erkennen, daß die Ton- scherben den Boden der Schale nirgends mehr berührten, sondern von ihm durch eine Kristallschicht, deren Dicke zu 1 bis 2 ge- messen werden konnte, getrennt waren. Bei der Auskristallisation des Chromalauns waren also Bechergläser und Tonscherben tat- sächlich von ihrer Unterlage getrennt und emporgehoben worden.“ Dieses Emporheben hat, wie sie versichern, nichts mit irgend einer „Kristallisationskraft“ zu tun und hat seine Ursache in Kräften der „Kapillarität und Adsorption“. Aber gerade wie diese Kräfte das Resultat bedingen, erklären sie nicht. Sind zwei parallele Oberflächenebenen durch einen Flüssig- keitstropfen getrennt, der sie beide benetzt, so ist bekanntermaßen der Kapillaritätseffekt, sie zusammenzupressen, gegeben durch 2T Y — ^ — -, wo T die Oberflächentension, V das Volumen des Tropfens und d die Distanz zwischen den Platten ist. Diese Kraft kann groß genug sein, um den Schmelzpunkt eines Eisblockes zu ändern oder zu ermöglichen, Lagen schweren Tafelglases gemeinsam zu brechen. Eine ebene Porzellanplatte (oder Scherbe), befeuchtet mit Alaunlösung und ruhend auf einer Glasplatte, würde einen nach unten wirksamen Druck ausüben, als ob das Glas belastet wäre. Hat eine Lösung eine größere oder kleinere Oberflächentension als das Lösungsmittel, so tendiert das Gelöste dahin, die Ober- fläche gegen die Lösung zu verlassen oder sie aufzusuclien, und in der Physik der Kolloide ist die Konzentration des Gelösten an einer Oberfläche durch Analogie als Adsorption bekannt. Wie E. Doesey1 2 und andere gezeigt haben, kommt wässerige Lösungen von Salzen, wie Chloriden und Carbonaten der Alkalien und Zink- sulfat, eine größere Oberflächentension als Wasser zu, und nach Poynting und Thomson 2 übertrifft allgemein die Oberflächen- tension von Salzlösungen die von Wasser. Die Adsorption als eine mögliche hebende Kraft ist in diesem Falle negativ. Adsorp- tionserscheinungen in ihrer Beziehung zum Kristallwachstum sind experimentell ausführlich von Maec in einer Reihe von 4 Arbeiten: 1 Phil. Mag. 44. p. 369. 1897. 2 Properties of Matter. 181. 1902. 368 G. F. Becker und A. L. Day, „Über Kristallisation aus wässerigen Lösungen“ (1908 — 1910) 1 und später „Über Adsorption und gesättigte Oberflächen“ (1913) 1 untersucht worden, ohne irgend etwas zutage zu fördern, das für die von Bruhns und Mecklenburg angenommene Hypothese sprechen würde. Weder Kapillarität noch Adsorption üben einen aufwärts ge- richteten Druck in den unter Diskussion stehenden Experimenten aus und die Adsorption verhindert die Ausübung des nach unten wirksamen großen Druckes, den die Oberflächentension des Wassers ausübt, ( nicht. Dennoch kristallisiert der Alaun und hebt dabei die Bechergläser. In der Meinung der Beobachter ist es essentiell, daß zur Hebung der Tonplatten und Bechergläser die Verdampfung voll- ständig ist2. Fand die Erhebung dann statt, nachdem die Kri- stallisation beendigt und die Masse erstarrt war? Die Beobachter machen keine derartige Bemerkung, die in der Tat absurd er- scheinen würde. Aber wenn die Hebung nicht nach der Erstarrung entstand, hat sie vor dem Eintrocknen stattfinden müssen, während die darunter liegende Schicht flüssig war und die Kristallisation fortschritt, trotz der Kapillaritätskraft und trotz der Belastung. Liesegang scheint diesen Widerspruch in den Angaben von Bruhns und Mecklenburg bemerkt zu haben. Indem er ihren Schlußfolgerungen beistimmt, sucht er sie durch folgende Erklärung zu beheben 3 (bezugnehmend auf die Experimente von Bruhns und 1 Die hauptsächlichsten Resultate sind in nachstehenden Zitaten zu- sammengefaßt. (Zeitschr. f. phys. Chemie): „Es wurde gefunden, daß, soweit Bestimmungen möglich waren, die Kristallisationsgeschwindigkeit aller untersuchten Stoffe dem Quadrat der Übersättigung proportional verläuft“ (1. c. 67. p. 500. 1909). . daß der eigentlichen Kristallisation ein rasch verlaufender Vor- gang vorausgeht, der als ein Adsorptionsvorgang angesehen wird. Diese Anschauung wird noch speziell dadurch unterstützt, daß gerade dieser primäre Vorgang von kleinen Verunreinigungen der Oberfläche der Kri- stalle sehr stark abhängig ist“ (1. c. 73. p. 718). 1910). „Eine Beziehung zwischen Konzentration und adsorbierter Menge ließ sich nicht auffinden“ (1. c. 73. p. 686. 1910), „In allen Fällen wird die Geschwindigkeit des Kristallisations Vor- ganges durch Zusatz solcher Stoffe, die vom Kristall adsorbiert werden, verlangsamt, eventuell praktisch gleich Null gemacht“ (1. c. 73. p. 718. 1910). „Es wurde gezeigt, daß an den kristallinischen Stoffen sich im wesent- lichen Kolloide adsorbieren lassen, während Kristalloide sich im allgemeinen an denselben nur äußerst wenig adsorbieren lassen“ (1. c. 81. p. 692. (1913). 2 Bruhns und Mecklenburg, 1. c. p. 105. „Es sei aber ausdrücklich betont, daß der Versuch nicht gelang, wenn wir nicht die Masse bis zum Grunde trocken werden ließen.“ 3 R. E. Liesegang, Kristallisationskraft. Naturw. Rundschau der Chem.-Ztg. Zweiter Jahrgang. 1913. p. 183. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 369 Mecklenburg) : „Nicht ein Wachstumsdruck der Kristalle, sondern Kapillar- und Adsorptionskräfte bewirkten hier aber die Hebung. Das heißt, die Leistung war schon vollbracht, ehe Kristalle auf- traten“. „Die Leistung war schon vollbracht, ehe Kristalle auftraten.“ Das ist von Bruhns und Mecklenburg nicht behauptet worden, noch läßt es sich durch irgend einen experimentellen Befund stützen. Wir können keinen Grund für das Heben der Bechergläser infolge Kapillarität oder Adsorption einselien. Sie könnten die Hebung nur verhindern und müssen durch eine die Kristallisation begleitende lineare Kraft, wie in unseren eigenen Experimenten, überholt werden. Es ist indessen nicht angemessen, in physikalischen Dingen sich auf Überlegungen allein zu stützen, wenn Experimente aus- führbar sind. Deshalb versuchten wir die Kräfte, welche Bruhns und Mecklenburg in Anspruch nehmen, durch Verdampfung einer kolloidalen Lösung (Gummi arabicum), in der ein den Alaunkristall ersetzender Glasblock zwischen zwei Glasplatten eingetaucht ist (Tab. 7), zu trennen. Verdampfung zur Trockenheit verursachte keine Erhebung der oberen Glasplatte, wie es der Fall sein sollte, wenn Kapillarität und Adsorption die Quellen der hebenden Energie wären. Tabelle 7. Glasblock den Alaunkristall in Fig. 1 ersetzend. Belastung (Glasplatte .= 24 g). Glasblock und Last vollständig in 2 % Lösung von Gummi arabicum in Wasser getaucht. Zimmertemperatur. Zeit ( Stunden) Sphärometer- ablesungen Dicken- zunahme Bemerkungen 0 37,2609 0 mm 3,1 37,2649 + 0,004 28,1 37,2654 + 0.0045 45,1 37,2621 + 0,001 50,2 37,2615 4- o,ooi Zur Trockenheit verdampft Neu gefüllt mit 2 % Gummi arabicum-Lösung. Unverändert gleiche Bedingungen. 58,8 37,2669 -f 0,006 68,6 37,2670 + 0,006 76,1 37,2670 4 0,006 116,9 37,2653 + 0,004 Zur Trockenheit verdampft Eine gesättigte Alaunlösung zu dem Kolloid hinzugefügt {Tab. 8) erzeugt Kristalle, die sofort, wenn auch mit bedeutend geringer Geschwindigkeit als ohne Kolloid, wachsen. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 24 370 G. F. Becker und A. L. Day, Tabelle 8. Gleiche Platten, gleicher Glasblock und gleiche Bedingungen, ausgenommen daß die 2 % Gummi arabicum-Lösung mit Kalialuminiumsulfatlösung ge- sättigt worden ist. Zeit in Stunden Sphärometer- ablesungen Dicken- zunahme 0 37,2653 0 mm 4.2 37,2694 0,004 24 37,2721 0,007 29 37,2812 0,016 46 37,2816 0,017 71 37,2842 0,019 95 37,2857 0,020 148 37,2873 0,022 173 37,2916 0,026 214 37,3079 0,043 287 37,3178 0,052 366 37,3170 0,052 409 37,3185 0,053 Dies ist mit den Experimenten von Marc 1 in vollkommener Übereinstimmung. Neben einer Bestätigung der Resultate von Marc beweist dieses Experiment, daß die „lineare Kraft“ hier ebenfalls, trotz des Einflusses des Kolloids auf Diffusionsverminde- rung (infolge zunehmender Viskosität und Bildung einer Adsorptions- haut auf der Kristalloberfläche) wirksam ist. Die Bedingungen in den Erzlagerstätten scheinen sehr gut mit den Laboratoriumsbedingungen übereinzustimmen, da die Kri- stallisation von lokalen Erscheinungen linearen Druckes begleitet sein kann oder nicht, gemäß der Größe und Verteilung der wider- strebenden Kräfte. Sein Fehlen gibt sich oft in der Kammstruktur (comb structure) kund, die man in Spalten findet, deren beide Wände mit dichthaftenden Kristallen besetzt sind , welche in- einandergreifen und durch den ganzen Spalt hindurchwachsen oder sich in Nähe der Mitte berühren und gegenseitig weitere Ent- wicklung verhindern. Diese Kammstruktur ist häufig in Adern zu finden, doch ist sie lange nicht die einzige. Es mag auch erwähnt werden, daß einseitige (lineare) Drucke eine untergeordnete Rolle in vielen komplexeren Phänomenen spielen. Die Herren Bruhns und Mecklenburg scheinen den letzten Abschnitt unserer Arbeit mißverstanden zu haben, in dem wir die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richteten, daß man die lineare 1 Siehe Fußnote p. 368, Paragraph 3. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 37 1 Kraft wachsender Kristalle nicht als etwas Mysteriöses, dem Wachstum der Pflanzen Vergleichbares ansehen darf. Es ist ein scharf definierter physikalischer Prozeß, der der experimentellen Untersuchung zugänglich ist. Er mag nicht ganz verstanden werden, aber er ist nicht mysteriös. Die Schlußfolgerung dieser Autoren scheint zu sein, daß während des 'Wachstums Material nur an der Oberseite und den Seitenflächen des Kristalls sich anfügt, so daß ein einmal ad- diertes Molekül auf seinem ursprünglichen Niveau bleibt. Das war Kopp’s Auffassung im Gegensatz zu der von Lavalle, dessen Schlußfolgerungen indessen von Lehmann und andern, so auch uns, bestätigt wurden. Bleibt ein gegebenes Masseninkrement nach der Ablagerung während des Wachstums auf seinem ursprünglichen Niveau, so übt es keine lineare Kraft aus, während, wenn die Bewegung des Partikelchens eine vertikale Komponente hat, infolge der vertikalen Ausdehnung der Kristallseitenflächen eine lineare Kraft aus- geübt wird. Sind anderseits mehrere Kristalle in der Lösung, von denen einer oder mehrere belastet sind, die andern aber nicht, so werden die belasteten Kristalle nur wachsen, wenn die Konzentration der Lösung im Kontakt mit ihnen die Sättigungskonzentration für jeden Kristall überschreitet. Druck erhöht bekanntermaßen die Löslichkeit der meisten Salze 1 (bezw. erhöht er den Sättigungs- punkt). Unter diesen Bedingungen werden die unbelasteten Kri- stalle, oder genauer die weniger belasteten Kristalle, für gewöhnlich die einzigen sein, die eine hebende Kraft ausüben; aber auch in diesem Falle wird während des Wachstums das Gewicht eines jeden Kristalls gehoben. So sind Beuhns’ und Mecklenbueg’s Resultate mit belasteten Tonplatten leicht verständlich. Sie experimentierten mit Lösungen von vielen kleinen Kristallen, von denen einige belastet waren, andere nicht. Eine Hebung war nicht meßbar, bis die Flüssigkeit tief stund und ihre Oberfläche (und infolgedessen die Verdampfungs- geschwindigkeit) durch hervorschießende feste Masse stark zu- nahm, oder bis die Kristalle vom Boden des Gefäßes die Platten erreichten und hoben. Wiederholung der Operation in Ausdehnung über wenige Tage erzeugte eine Gesamterhebung von 5,0 mm. Vergleicht man das mit unseren ursprünglichen Messungen, die im Verlauf dieser 1 Wie wohl bekannt, erhöht Druck die Löslichkeit, wenn der Lösungs- vorgang bei konstanter Temperatur von einer Verminderung des totalen Volumens und von Wärmeabgabe begleitet ist. Das ist der Fall für die meisten kristallinen Stoffe, einschließlich Alaun. Ist die Volumänderung eine Vergrößerung wie bei NH4C1, erniedrigt Druck die Löslichkeit. 24* 372 G. F. Becker und A. L. Day, Kontrolle zweimal bestätigt wurden, ergibt sich, in Rücksicht auf den schmalen Rand, auf welchen sie wirken, daß Drucke über- wunden werden von derselben Größenordnung wie der Widerstand, den die Kristalle der Beanspruchung durch Druck entgegensetzen. Und man darf wohl nicht zweifeln, daß das eine Kraft ist, die sich sowohl in der Materialienkunde 1 wie in der Geologie 2 bemerk- bar machen kann. Zusammenfassung. 1 9.0 5 zeigten wir durch geeignete Versuchsanordnung, daß ein einziger Kristall in seiner gesättigten Lösung im Verlauf des Wachsens (durch potentielle Übersättigung der Lösung infolge Verdampfung) ein darauf gelegtes Gewicht hebt. Diese Beobach- tung ist in dieser Arbeit bestätigt worden. 1913 brachten Bruhns und Mecklenburg zwei Kristalle in eine ähnliche gesättigte Lösung, der eine Kristall war belastet und der andere frei. Sie beobachteten, daß die Last auf dem einen Kristall nicht gehoben wurde, obschon der freie Kristall rasch wuchs. Dieses Experiment führte sie dazu, zu bestreiten, daß es eine „Kristallisationskraft“ gebe, die ein fremdes Gewicht heben könne, doch gaben sie zu, daß eine Kraft des unbelasteten Kristalls sein eigenes Gewicht hebe. Es scheint, daß sie übersahen, daß für die meisten Substanzen die Löslichkeit eines belasteten Kri- stalls größer als die des unbelasteten Kristalls ist, und daß es sich nur um einen graduellen Unterschied handelt, weil auch der unbelastete Kristall ein Gewicht trägt (nämlich sein eigenes). Infolge dieser größeren Löslichkeit werden bei Anwesenheit eines belasteten und eines unbelasteten Kristalls in der gleichen Lösung die notwendigen Bedingungen der potentiellen Übersättigung in der dem unbelasteten Kristall anhaftenden Schicht eher als in der dem anderen Kristall benachbarten Schicht erreicht sein, und das Wachstum des unbelasteten Kristalls kann dauernd die Kon- zentration unter der für das Wachstum des belasteten Kristalls notwendigen halten. Das scheinen die Bedingungen zu sein, die in den Experimenten von Bruhns und Mecklenburg vorhanden waren. Ist hingegen die Wachstumsgeschwindigkeit des unbelasteten Kristalls ungenügend, um den durch die Verdampfung erzeugten Sättigungsüberschuß aufzunehmen, so kann auch die für das Wachs- 1 Vergleiche die Untersuchungen von Dr. Hans Kühle, Die Ursachen des Treibens der Zemente. Tonindustrie-Ztg. 36. 1912. p. 1331 — 4, und Klein und Phillips, Hydration of Portland Cement. Technologie Papers of the Bureau of Standards. No. 43. p. 50, 56, 57. 1914. 2 Vergl. neuere Beobachtungen von Stephen Teber: Virginia Geol. Surv. Bull. No. VII. 222. 1913, ebenso: Rock salt. Its origin, geological occurrences and economic importance in the State of Louisiana. Bulletin No. 7, Geol. Surv. of Louisiana, p. 75. 1907. Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle. 373 tum des belasteten Kristalls notwendige potentielle Übersättigung erreicht oder gar überschritten werden, und der belastete Kristall wird auch wachsen und seine Last heben. Diese Bedingungen sind ohne Schwierigkeit in hier mitgeteilten Experimenten erreicht worden. Nimmt die Konzentration noch rascher zu und ist es den belasteten und unbelasteten Kristallen unmöglich, im Wachstums- verlauf den Sättigungsüberschuß aufzunehmen, so werden sich neue Keime bilden, um die sich der Überschuß absetzt. Das scheinen Bedingungen zu sein, wie sie in den letzten Versuchs- reihen von Bruhns und Mecklenburg erreicht wurden, als Ver- dampfung zur Trockenheit stattfand. Hier wurden sechs mit Gewichten belastete Tonplatten alle um einen Millimeter oder mehr in der gleichen Lösung gehoben; aber Bruhns und Mecklenburg schreiben dieses Resultat der Kapillarität und Adsorption zu und bestreiten, daß die „lineare Kraft wachsender Kristalle“ eine solche mechanische Verschiebung zur Folge haben könne. Eine einfache Analysis genügt, zu zeigen, daß die Kapillarität in einer zur Trockne verdampften Lösung keinen anderen Effekt haben kann, als den Kristall auf seine Unterlage zu pressen mit 2TV einer Kraft 2 , wTo T die Oberflächentension, V das Volumen des zwischen Kristall und Unterlage befindlichen Flüssigkeits- tropfens, d die Distanz zwischen den beiden sind, und daß das von Bruhns und Mecklenburg beobachtete Heben trotz und nicht wregen dieser entgegengesetzten Kraft stattfand. Adsorption ver- zögert die Diffusion und verringert die Wachstumsgeschwindigkeit, aber fördert sie nicht. Diese Kräfte können daher nicht zur Er- klärung der von Bruhns und Mecklenburg und von uns be- obachteten Erscheinungen herbeigezogen werden. Wir kehren daher zu unserer ursprünglichen Annahme zurück, daß das Wachstum der Kristalle in einer gesättigten Lösung eine lineare Kraft in Richtung der Belastung entwickle und daß weder die Größe der Last (bis zur Festigkeitsgrenze) noch ihr Charakter (ob nur Kristallsubstanz oder z. T. fremde Substanz) einen anderen Effekt hat, als die Löslichkeit zu erhöhen und damit auch die zur potentiellen Übersättigung und zum Wachstum nötige Konzentration. Dieser Grad der Übersättigung kann mit Leichtigkeit durch Ver- dampfung oder anderswie erreicht werden, und wenn er erreicht ist, werden die Gewichte gehoben. Mit dieser Annahme stehen die Beobachtungen von Bruhns und Mecklenburg und unsere eigenen in keinem Widerspruch, und alle experimentellen, bekannten Daten sind damit in vollkommener Übereinstimmung. Geophysikalisches Laboratorium, Carnegie Institut Washington. Washington D. C., 20. Februar 19 L6. 374 C. Diener, Bemerkungen über die Inzisionen der Suturlinie als Grundlage einer natürlichen Klassifikation der Ammoniten. Von C. Diener (Wien). Der unbefriedigende Zustand unserer Ammonitensystematik zeitigt immer wieder Versuche, diese Systematik in mehr oder minder radikaler Weise umzugestalten, indem der betreffende Autor ein bestimmtes Merkmal des Ammonitengehäuses, dessen Bedeutung ihm durch seine Studien zufällig vor Augen geführt worden ist, als Basis seiner Haupteinteilung in den Vordergrund stellt. Als solche Merkmale galten und gelten noch heute bald die äußere Ge- stalt und Skulptur (trachyostrak — leiostrak), bald die Beschaffenheit der Suturlinien, bald die Wohnkammerlänge, bald der Verlauf der Anwachsstreifen usw. Einer besonderen Beliebtheit erfreuen sich seit jeher jene Merkmale, die sich auf die Beschaffenheit der Sutur- linie beziehen. Schon L. v. Buch hat bekanntlich seine drei Hauptgruppen : Goniatites, Ceratites, Ammonites auf Grund dieses Merkmals unterschieden. Seinen Spuren ist vor kurzem — allerdings auf dem Umwege über die ontogenetische Methode — R. Wede- kind 1 gefolgt, indem er den Charakter der Inzisionen der Sutur- linie zur Grundlage seiner Klassifikation der Ammoniten machte. Er gelangt zu der nachstehenden Einteilung der Ammoniten in drei Hauptgruppen: I. Palaeoammonoidea : Loben nicht zerschlitzt. II. Mesoammonoidea (mit den drei Untergruppen der Tropi- tacea, Ceratitacea und Mesophylloceracea): Loben uni- polar zerschlitzt1 2 3. III. Neoammonoidea (mit den drei Untergruppen der Neo- phylloceracea, Psiloceracea und Harpoceracea): Loben bipolar zerschlitzt. Ich glaube nicht, daß dem reformatorischen Versuch des Herrn Wedekind ein besseres Schicksal beschieden sein dürfte als seinen Vorgängern. Eine natürliche Klassifikation der Ammoniten unter ausschließlicher Berücksichtigung eines einzelnen Merkmals läßt sich meiner Überzeugung nach überhaupt nicht durchführen. Jedem diesbezüglichen Versuch kann man Frech’s 3 treffenden Ausspruch 1 R. Wedekind, Über Loben, Suturallobus und Inzision. Dies. Cen- tralbl. 1916. p. 185-195. 2 „Monopolar“ bei Wedekind. Der Terminus „unipolar“ erscheint mir im Gegensatz zu „bipolar“ als sprachlich richtiger, da er ebenso wie der letztere der lateinischen Sprache entlehnt ist. In analoger Weise stehen sich die Ausdrücke „makrodom“ und „brachydom“ bezw. „longidom“ und „brevidom“ gegenüber. 3 F. Frech, Neue Cephalopoden aus den Buchensteiner etc. Schichten des südlichen Bakony. Paläontol. d. Umgebung d. Balatonsees. Budapest 1908. p. 8. Bemerkungen über die Inzisionen der Suturlinie etc. 375 entgegenhalten , daß die stammesgeschichtliche Entwicklung und ihre Erforschung im einzelnen die alleinige Grundlage der Ammo- nitensystematik bleiben müssen, da in Anbetracht der Mannigfaltig- keit der Formen niemals einem einzigen Merkmal eine grundsätzlich maßgebende Bedeutung innewohnt. Eine Systematik der Ammoniten, die dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse Rechnung tragen soll, muß zwei Bedingungen erfüllen. Sie muß die Hauptabteilungen in solcher Weise gegen- einander abgrenzen, daß keine der kleineren Gruppen (Familien, Genera) aus ihrem natürlichen Verband herausgerissen wird, und sie muß andererseits auch die Geschichte des Ammonitenstammes in diesen Hauptabteilungen zum Ausdruck bringen. Die Klassi- fikation Wedekind’s wird keiner dieser beiden Forderungen gerecht. Zum Beweise für diese Behauptung mögen einige Beispiele heran- gezogen werden, ohne auf Einzelheiten allzuweit einzugehen. In der ersten Hauptabteilung Wedekind’s, den Palaeoammo- noidea, finden wir unter neuem Namen einen guten alten Be- kannten, die Goniatitidae der älteren Autoren. Ihr Umfang deckt sich fast genau mit jenem der beiden Familien Goniatitidae und Clymeniidae1 in K. v. Zittel’s „Handbuch der Paläontologie“ aus dem Jahre 1884. Es erhebt sich sofort die Frage, ob auch Neo- lobites Fisch, und Flickia Pery. in dieser Abteilung ihren Platz finden. Nach Wedekind’s Diagnose der Palaeoammonoidea ist diese Frage unbedingt zu bejahen, mindestens für Flickia , deren Suturlinie ja nicht die mindeste Andeutung einer Zerschlitzung besitzt. Es reichen somit die Palaeoammonoidea im Sinne der Diagnose Wedekind’s von der Unterkante des Devons bis an die Trias-Liasgrenze (Choristoceras, Rliabcloceras) und erscheinen nach einer langen Intermittenz nochmals in der mittleren Kreide. Die Mesoammonoidea umfassen alle Ammoniten mit uni- polarer Zerschlitzung der Suturen, bei denen die Bildung von Ein- schnitten in den Loben beginnt und diese Einschnitte im Laufe der ontogenetischen Entwicklung „gleichsam vom Lobus aus zum Sattel emporklettern“, so daß schließlich nur am Sattelkopf ein endständiges Blatt übrigbleibt. Wir haben es also hier mit jenem Typus der Suturzerschlitzung zu tun, für den G. v. Arthaber 2 den- Sammelnamen „partit“ vorgeschlagen hat. Ammoniten, deren Suturen nach diesem Typus zerschlitzt sind, finden sich bereits 1 Es ist beachtenswert, daß Wedekind für die Clymeniidae, die am besten in sich geschlossene und von allen anderen Ammoniten am schärfsten getrennte Gruppe, nicht einmal eine besondere Unterabteilung im Rahmen seiner Palaeoammonoidea errichtet hat. Zu einer solchen Verkennung der natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse führt die einseitige Bevor- zugung eines einzelnen Merkmals wie die Zerschlitzung der Suturlinie. 2 G. v. Arthaber, Grundzüge einer Systematik der triadischen Am- moneen. Dies. Centralbl. 1912. p. 250. 376 C. Diener, im Untercarbon ( Pronorites Mojs., Prodromites Smith et Well.), haben ihre stärkste Verbreitung in der Trias, erscheinen aber neuerlich in der obersten Kreide ( Indoceras Noetl., Libycoceras Hyatt). Gerade die jüngsten Ammoniten des Maestrichtien weisen diesen Typus der Suturzerschlitzung in ausgezeichneter Weise auf. Die Suturen von Indoceras stehen mit ihren ganzrandigen, großen, gerundeten Sätteln und den gefingerten Loben genau auf derselben Entwicklungshöhe wie jene der Megaphylliten der Trias. Auch zu den Mesoammonoidea müssen demnach, wenn man die Diagnose Wedekind’s akzeptiert, zwei zeitlich und ihrer Abstam- mung nach ganz verschiedene Ammonitengruppen gestellt werden. Zu den Neoammonoidea rechnet Wedekind alle Ammo- niten mit der von ihm als bipolar bezeichneten Suturzerschlitzung. Bei diesen sollen zunächst an zwei Polen — an der tiefsten Stelle des Lobus und am Scheitel des Sattels — Hauptkerben entstehen, die die Ausgangspunkte für weitere Inzisionen bilden. Erst an der Grenze von Trias und Lias soll der unipolare Typus der Sutur- zerschlitzung dem bipolaren Platz machen. Die letztere Angabe wird durch eine Beihe von Tatsachen widerlegt. Der bipolare Typus der Suturzerschlitzung tritt uns- bereits bei Sicanites Gemm. und Medlicottia Waag, mit voller Deut- lichkeit entgegen. Bei Sicanites stellt sich sofort, nachdem der erste Laterallobus dikranidisch geworden ist, eine Kerbe in der Mitte des Externsattelkopfes ein. Bei Medlicottia rückt diese Kerbe später, wie Karpinsky gezeigt hat, an der Innenseite des Extern- sattels nach abwärts und an dem in oraler Richtung verlängerten Externsattel stellen sich weitere Kerben ein. Daß man diese Kerben als Adventivkerben zu bezeichnen pflegt, ist lediglich Sache des Sprachgebrauches. Tatsächlich ist die mediane Inzision im Scheitel des Externsattels von Sicanites gleichwertig jener im Scheitel von JDeroceras oder Steplianoceras. Auch bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Ammoniten mit bipolarer Suturzerschlitzung vertiefen sich die median angelegten Inzisionen des Externsattels so stark, daß sie den letzteren in der Suturlinie erwachsener Exemplare in zwei Äste zerspalten und mit dem gleichen Recht wie bei Sicanites als rudimentäre Adventivloben betrachtet werden können. Einige Autoren, wie Siemiradzki und Uhlig, haben sögar wirklich den Terminus „Adventivloben“ für derartige Einschnitte in den Externsätteln von Perisphinctes und Hoplites in Anwendung gebracht. Ich billige einen solchen Vorgang keineswegs, bin.. viel? mehr der Meinung, daß der Terminus ;> Adventivelemente“ auf fertige , wohlausgebildete Loben und Sättel beschränkt bleiben sollte. Immerhin zeigt Uhlig’s und Siemiradzki’s Terminologie, daß diese beiden Forscher - sich vollständig über die Tatsache im klaren waren, daß der Zerfall eines Externsattels in Adventiv- sättel durch derartige Inzisionen bei Perisphinctes und Hoplites ebenso- gut wie bei Sicanites ein geleitet wird. Bemerkungen über die Inzisionen der Suturlinie etc. 377 Auch die Gleichwertigkeit des Sekundärlobus im Scheitel des Externsattels von Anatibetites und gewissen Tissotien wird wohl unbedingt zugegeben werden müssen1. Da im Scheitel der Tis- sotien alle anderen Inzisionen fehlen können, so hat man nur die Wahl, Tissotia trotz ihres kretazischen Alters zu den Meso- ammonoidea oder zusammen mit dem triadischen Tibetites zu den Neoammonoidea zu stellen. Meine soeben zur Veröffentlichung gelangten Studien über Ammoniten mit Adventivloben 2 haben mich zu Untersuchungen über die Entwicklung der Suturlinie bei einer größeren Zahl triadischer und kretazischer Ammonitengenera veranlaßt. Die Er- gebnisse meiner Untersuchungen entfernen sich in mancher Hin- sicht sehr erheblich von jenen, zu denen Herr Wedekind gelangt zu sein scheint. Die Differenzen betreffen insbesondere das Kapitel „Inzision“ in seiner oben zitierten Abhandlung (1. c. p. 192). „Der wesentliche Charakter der Inzisionen“ — heißt es da — „beruht darin, daß sie als Einkerbungen in Loben und Sätteln auftreten, und zwar so, daß die der Symmetrieebene zunächst ge- legenen Lobenelemente (E und I) zuerst allein durch Inzisionen zerschlitzt werden und erst darauf und regelmäßig nacheinander die nabelwärts folgenden Lobenelemente.“ Man braucht nur einen Blick auf die Lobenlinie von Prodromites Smith et Well, zu werfen, um sich von der Unrichtigkeit dieser (vom Verf. gesperrt gedruckten und demgemäß wohl für besonders wichtig erachteten) Behauptung zu überzeugen. Bei diesem carbonischen Genus steht einem ganz- randigen und sogar der Teilung durch einen Mediansattel ent- behrenden Externlobus eine Anzahl ceratitisch zerschlitzter Lateral- loben gegenüber. Die Einkerbungen gehen also hier ganz und gar nicht von dem der Symmetrieebene zunächst gelegenen Loben- element, nämlich vom Externlobus, sondern von den Seitenloben aus, deren mehrere bereits von Inzisionen betroffen erscheinen, ehe sich noch die geringste Andeutung von solchen Inzisionen im Extern- lobus geltend macht. Die Zahl der Fälle, in denen nicht der Externlobus, sondern der mit dem primären Laterallobus zusammen- fallende erste Laterallobus den Ausgangspunkt der Zerschlitzung bildet, ist meinen Erfahrungen nach nicht gering. Indessen mag Prodromites als eines der auffallendsten Beispiele hier genügen'. Ebensowenig vermag ich dem folgenden Satze Wedekind’s bei- zustimmen: „Der Unterschied zwischen Lobus und Inzision besteht darin, daß die Loben primäre Rückbiegungen der Lobenlinie dar- stellen, die nach einem bestimmten Lobengesetze unabhängig von ihrer Lage zum Nabel entstehen, daß dagegen die Inzisionen 1 Vergl. C. Diener, Paläontologie und Abstammungslehre. Samm- lung Goeschen. Leipzig 1910. Textfig. 8. p. 111. 2 Denkschriften kais. Akad. d. Wissensch. Wien, math.-nat. Klasse. 93. 1916. 378 C. Diener, sekundäre Ausbiegungen in den Loben und Sätteln sind, die diese regelmäßig von der Symmetrieebene aus zerschlitzen.“ Schon die verschiedenartige Entstehung der Adventivloben widerspricht dieser Behauptung. Die Adventivloben, die sich aus dem Zerfall des Externsattels oder des ersten Laterallobus heraus- bilden, sind nichts anderes als ursprüngliche Inzisionen, die durch allmählich zunehmende Vertiefung zu einer Individualisierung der von ihnen eingeschlossenen Zacken geführt haben. Diese Inzisionen beschränken sich nicht auf den Pol des Externsattels. Bei Spheno- discus Meek und bei Pinacoceras Mojs. erscheinen sie im äußeren, bei Placenticeras Meek im inneren Flügel, jedoch nicht im Scheitel des Externsattels. Solger’s 1 Darstellung der Suturlinie des Hopli- toides ingens Koen. zeigt einen gekerbten ersten Laterallobus, aus dessen Kerben sich später Adventivloben entwickeln, während die Sättel noch durchaus ganzrandig sind und auch der Externlobus keinerlei Inzisionen aufweist. Hier liegt also der Ausgangspunkt der Inzisionen recht weit ab von der Symmetrielinie des Gehäuses. Andererseits findet sich bei den Meekoceratidae der unteren Trias nicht selten eine Inzision ausschließlich in den Köpfen der aus dem Nahtlobus (Suturallobus Wedekind) entstandenen Sättel, während die Hauptsättel ganzrandig bleiben. Ich verweise dies- bezüglich auf die Abbildungen der Suturlinien des Aspidites Muthianus (PI. VI fig. 5 b), A. crassus (PL VII fig. 1 c) und der Hedenstroemia Muthiana (PI. IX fig. 7 c) in der von A. v. Krafft und mir ver- öffentlichten Monographie der untertriadischen Cephalopoden von Spiti1 2. Ein besonders gutes Beispiel bietet die zuletzt genannte Spezies, bei der ein durch seine Dimensionen auffallender Sattel im Nahtlobus durch einen tiefen Einschnitt in zwei fingerförmige Äste zerlegt wird. Also auch hier eine von einem Sattel ausgehende polare Zerschlitzung, deren Auftreten gar keine Beziehungen zur Symmetrie- ebene erkennen läßt. Wieder anders liegen die Verhältnisse bei Engonoceras TJddeni Crag. 3. Bei dieser Art zeigen der Extern- sattel und die dem Nabelrand benachbarten Sättel polare Inzisionen, aber nicht die lateralen Hauptsättel und auch nicht die Internsättel. Endlich darf nicht übersehen werden, daß selbst der Unter- schied zwischen Inzision und Lobus in vielen Fällen strenge ge- nommen nur ein gradueller ist. Eine Inzision im primären Intern- sattel (bezw. Lateralsattel) erscheint, den winzigen Dimensionen der Suturlinie in den ersten Jugendstadien entsprechend, sofort als ein Lobus. Dieselbe Inzision, die in späteren Wachstumsstadien im Scheitel eines Sattels auftritt, hat zunächst nur den Charakter 1 F. Solger, Über die Jugendentwicklung von Sphenodiscus lenti- cularis etc. Zeitschr. Deutsch. Geol. Ges. 55. 1903. Textfig. 24. 2 A. v. Krafft et C. Diener, Lower triassic Cephalopoda from Spiti etc. Palaeontol. Ind. Ser. XV. 6. No. 1. 1900. * A. Hyatt, Pseudoceratites of the cretaceous. Mongraphs. U. S. Geol. Surv. 44. Washington 1903. PI. XIX fig. 3, 6. Bemerkungen über die Inzisionen der Suturlinie etc. 379 einer Kerbe und es bedarf ihrer weiteren Ausbildung in einer Reihe nachfolgender Suturlinien, ehe sie den Charakter eines Lobus annimmt. Das ist z. B. der Fall bei den Inzisionen im Externsattel von Bud- dhaites Rama Dien., Placites perauctus Mojs., Pinacoceras aspidoides Dien. Das Auftreten solcher Inzisionen ist so wenig als die Ent- stehung der Loben überhaupt an ein bestimmtes Gesetz gebunden1. Der bipolare Typus der Suturzerschlitzung im Sinne Wedb- kind’s findet sich bei allen triadischen Ammoniten, die gespaltene (dimeroide oder polymeroide) Sättel aufweisen. Aus meinen onto- genetischen Untersuchungen triadischer Ammonitensuturen habe ich die — allerdings schon von vorneherein zu erwartende — Regel kennen gelernt, daß jene Inzisionen der Loben und Sattel, die in der Suturlinie des Reifestadiums am stärksten hervortreten, sich in der Suturlinie jugendlicher Individuen zuerst einstellen, mit anderen Worten, daß zwischen dem zeitlichen Auftreten einer Inzision und deren Dimensionen in der Suturlinie des erwachsenen Individuums eine bestimmte Beziehung besteht. Aus Branca’s 2 Darstellung der Suturentwicklung des Lytoceras G-ermaini Orb. er- kennen wir die frühzeitige Entstehung der dimeroiden Spaltung in den beiden Hauptsätteln. Die gleiche Entwicklung der Suturlinie läßt sich bei Joannites Johannis Austriae Klipst. verfolgen. Auch hier stellt sich die Teilung der dimeroiden Hauptsättel durch eine mediane Inzision sehr bald nach dem Auftreten der ersten Inzisionen in den Hauptloben ein. Die Suturen von Joannites sind also gleich jenen von Lytoceras nach dem Typus der bipolaren Zerschlitzung angelegt. Dagegen sind die Suturen der nächstverwandten Gat- tung Arcestes Suess unipolar zerschlitzt. Wedekind’s Klassifikation zwingt uns somit, diese beiden Gattungen aus ihrem natürlichen Zusammenhang zu reißen und die eine zu seinen Neoammo- noidea, die andere zu den Mesoammonoidea zu stellen. Bipolar zerschlitzt sind ferner die Suturlinien von Cladiscites, Bidymites, Hauerites und Cyrtopleurites. Sehr verschieden verhalten sich in dieser Hinsicht die Angehörigen des Genus Sirenites Mojs. 1 Bei der Formulierung bestimmter Gesetze der Lobenentwicklung sollte man meines Erachtens sehr vorsichtig sein, insbesondere solange die Zahl der nach dieser Richtung hin untersuchten Ammoniten eine so außerordentlich geringe ist. Die Mannigfaltigkeit der Lobenentwicklung ist in Wahrheit viel größer, als man nach den für dieselbe bisher auf- gestellten Regeln oder Gesetzen annehmen möchte. Neue Suturelemente können aus allen Abschnitten der Primärsutur, mit Ausnahme des Intern- lobus, und aus einer weiteren Spaltung neu gebildeter Suturstücke hervor- gehen. Sättel bilden sich aus dem Externlobus (Mediansattel), primären Laterallobus (Adventivelemente bei Coilopoceras, Hoplitoides), Nahtlobus, Loben aus dem Mediansattel ( Ussuria, Procarnites ), Externsattel und aus allen Sätteln, die aus dem Zerfall des primären Internsattels hervorgehen. 2 W. Branca, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der fossilen Ce- phalopoden. Palaeontographica. 26. 1879. Taf. VIII Fig. VI. 380 C. Diener, Bemerkungen über die Inzisionen etc. S. Aello Mojs. hat ganzrändige Sättel und schwach gekerbte Loben. Bei S. striatofalcatus Hau. sind die Loben mit großen Zähnen be- setzt, die Sättel brachyphyll gekerbt. Die Suturlinien dieser beiden Arten entsprechen also durchaus dem Typus der unipolaren Zer- schlitzung. Dagegen ist bei S. EvaeMojs., S. StacheiMojs., S.Bichteri Mojs., S. elegans Mojs. und einigen anderen Formen der Extern- sattel so tief gespalten, daß er ohne Zweifel schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium der Ausgangspunkt einer Inzision gewesen sein muß h Wedekind’s Klassifikation würde uns daher zu einer un- natürlichen Zerreißung des Genus Limite und zu dessen Verteilung auf zwei verschiedene Hauptabteilungen der Ammoniten nötigen. Wedekind’s Klassifikationsversuch läuft, wenn man ihn seiner Verbrämung durch die ontogenetische ITntersuchungsmethode ent- kleidet, im wesentlichen auf eine Unterscheidung zwischen Sutur- linien mit ganzrandigen Elementen, mit zerschlitzten Loben und einfachen Sätteln, endlich mit zerschlitzten Loben und geteilten Sätteln hinaus. Bei den Mesoammonoidea, die aber auch die jüngsten Kreideammoniten umfassen, sind die Sättel einheitlich, bei den Neoammonoidea hingegen dimeroid oder polymeroid angelegt. Man wird wohl kaum die Bedeutung der Sattelteilung als eine alle anderen Merkmale überragende anselien und auf sie allein hin systematische Einheiten ersten Ranges begründen dürfen. Noch ein weiterer Einwand stellt sich der Systematik Wede- kind’s entgegen. Die Aufstellung. von zwei Typen, des unipolaren und des bipolaren, wird der Mannigfaltigkeit der Suturzerschlitzung bei den Ammoniten in keiner Weise gerecht. Wedekind kennt nur eine Art der unipolaren Suturzerschlitzung, nämlich jene, die von einem Hauptlobus ausgeht. Es kann aber auch der Scheitel des Externsattels den Ausgangspunkt einer unipolaren Zerschlitzung bilden, während alle Loben ganzrandig bleiben. Ein guter Repräsentant dieses Typus ist Neolobites Föurtaui Perv. 2 mit durchaus ganzrandigen Loben, aber einer Inzision im Scheitel des breit angelegten Externsattels. Bei devonischen Goniatiten führen solche Inzisionen in der Regel zu der Ausbildung rudimentärer oder echter Adventivloben. Ungleich wichtiger ist ein Typus, den man überhaupt nicht mehr als polar bezeichnen kann. Die primäre Inzision entsteht nämlich keineswegs immer im Scheitel eines Sattels, sondern ge- legentlich an dessen Flanken. Ein Beispiel liefert die Entwick- lung der Suturlinie bei Oxynoticeras oxynotus Quenst. nach der Darstellung von Knapp 1 2 3. Hier tritt die erste Inzision nicht am Scheitel, sondern an der Flanke des Externsattels, hoch über dem 1 Literaturnachweise in meiner Abhandlung: „Über Ammoniten mit Adventivloben“. 2 L. Pervinquiere, Etudes de la Paleontol. Tunisienne. I. Cephal. 1907. p. 210. Textfig. 78, 79. 3 A. Knapp: Über die Entwicklung von Oxynoticeras oxynotus Geol. u. Paläont. Abb. XII. 1908, insbes. Taf. III. E. Wüst, Die Zahl der Gervilleia-Bänke etc. 381 Externlobus, auf. Es ist dieselbe Kerbe, die im altersreifen Zustand des Individuums sich am tiefsten in den Sattelkörper einschneidet. Die Inzisionen stellen sich bei Oxynoticeras in den Hauptloben und im Externsattel nicht nacheinander, sondern gleichzeitig ein. Bei Pompeckjites Layeri Hau. sind die Adventivsättel bereits in einem Wachstumstadium durch polare Inzision dimeroid geteilt, in dem von einer Kerbung in den Hauptloben noch kaum An- deutungen vorhanden sind. Dann aber treten diese Kerben weder im Lobengrund noch an den Spitzen, sondern entlang der Flanken- mitte der pyramidenförmigen Lateralsättel auf. Eine auch nur teilweise Annahme der von Wedekind vor- geschlagenen neuen Systematik muß auf berechtigten Widerstand stoßen. Schon die primäre Sonderung in Ammoniten mit ungeteilten, bipolar und unipolar zerschlitzten Lobenelementen fordert zu Ein- wänden heraus, da sie der Mannigfaltigkeit der Suturzerschlitzung nicht gerecht wird und deren Typenzahl keineswegs erschöpft. Sie bringt aber auch die natürlichen Verwandtschafts Verhältnisse der Ammoniten nicht in zutreffender Weise zum Ausdruck, da sie einerseits einheitliche Gruppen (Sirenites) zerreißt oder aus ihrem Zusammenhang (Joannites-Arcestes) löst, andererseits zur Vereinigung geologisch junger Formengruppen (Flichia, Neolobites, Indoceras, Libycoceras) mit geologisch viel älteren nötigt, deren direkte phylo- genetische Verbindung schon mit Rücksicht auf die lange zeitliche Intermittenz überaus unwahrscheinlich ist. Die Zahl der Gervilleia-Bänke im Mittleren Buntsandsteine. Von Ewald Wüst in Kiel. Den schon bei den Auseinandersetzungen über die Bildungs- weise des Mittleren Buntsandsteines viel besprochenen Gervilleia- Bänken wird neuerdings immer mehr Bedeutung für die Gliederung des genannten Formationsgliedes beigemessen. So trägt Blancken- horn in seinem soeben erschienenen sehr bemerkenswerten Vor- trage über „Organische Reste im Mittleren Buntsandstein Hessens“ * „kein Bedenken, die beiden Lagen mit den Gervillien als wirk- liche durchgehende Horizonte ganz wie bei andern geologischen Formationen anzusehen“ (p. 29). Wie aus diesen Worten her- vorgeht, kennt Blanckenhorn nur zwei verschiedene Gervilleia- Horizonte, wie sie von mir1 2 für das östliche Harzvorland, von 1 Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg. No. 2, 9. Febr. 1916. p. 21— 48, 2 Die Fossilienführung des Mittleren Buntsandsteines der Mansfelder Mulde. Zeitschr. f. Naturw. No. 79. 1907. p. 109—126. Vergl. auch: Die erdgeschichtliche Entwicklung und der geologische Bau des Östlichen Harzvorlandes. Halle a. S. 1908. p. 52. 382 E. Wüst, Grupe 1 für den Solling- und von Blanckenhorn 2 für das Knüllgebirge angegeben worden sind. Es gibt aber, wenigstens im östlichen Harz- vorlande, sicher drei solcher Gem7?e«a-Horizonte. Das lehrt ein Ver- gleich zwischen meiner Gliederung des Mittleren Buntsandsteines des östlichen Harzvorlandes und dem 1909 in den Erläuterungen zu Blatt Halle a. S. (Süd) der Geol. Karte von Preußen usw., p. 14 — 17, mitgeteilten, von E. Picard bearbeiteten Profile der Bohrung Benn- stedt III, östlich von Bennstedt, wie es durch die folgende Tabelle erleichtert wird, in der Picard’s Bohrregister unter Beibehaltung aller Angaben über Fossilien in eine für die Vergleichung mit meiner Gliederung geeignete abgekürzte Form gebracht ist. Man erkennt ohne weiteres, daß sich die in der Bohrung Bennstedt III getroffenen Schichtenkomplexe nach dem Vorherrschen der Sandsteine oder der Letten, nach den Mächtigkeiten und z. T. auch nach der Fossilienführung zwanglos meiner Gliederung ein- fügen lassen. Auffallend erscheint nur, daß bei der Bearbeitung der Bohrung nichts von den in allen mir bekannten Tagesauf- schlüssen des östlichen Harzvorlandes reichlich vorhandenen Fossilien meiner Oberen Zwischenschichten bemerkt worden ist, doch sind diese Oberen Zwischenschichten in dem vorwiegend aus Letten aufgebauten Schichtenkomplexe zwischen 552 und 506 m Teufe mit Sicherheit zu erkennen. Der einzige Horizont, in dem Ger- villeia bemerkt worden ist, liegt unverkennbar innerhalb meiner Unteren Sandsteine, 48 oder 49 m über der Obergrenze meiner Unteren Muschelbänke und mindestens 78 m unter der Untergrenze meiner Oberen Muschelbänke. Es liegt danach ohne jeden Zweifel ein dritter GemZ|e7a-Horizont vor. Da ich kurz nach dem Er- scheinen der Erläuterungen zu Blatt Halle a. S. (Süd) den Bunt- sandsteingebieten des östlichen Harzvorlandes entrückt wurde, habe ich keine Gelegenheit gefunden, die Tagesaufschlüsse nochmals zu begehen, um nach diesem dritten — mittleren — Gervilleia- Horizonte zu suchen. Nach meinen älteren Exkursions-Notizen scheine ich ihn mehrfach, doch niemals in klaren, zusammenhängenden Pro- filen, beobachtet zu haben, so vor allem bei Elben im Bereiche des Meßtischblattes Wettin. Schlechte, unzusammenhängende Auf- schlüsse ließen mich 1907 im Fleischbachtale am unteren Ende von Bösenburg die Fischbänke, zwischen Bösenburg und Elben (zwischen „km“ und „118,7“ des Meßtischblattes) die Oberen Muschelbänke und am oberen Ende von Elben nochmals Muschel- bänke erkennen. Ein Blick auf Blatt Wettin der Geol. Karte von Preußen usw. lehrt, daß die Eibener Muschelbänke nach ihrer Lage zur Grenze zwischen Mittlerem und Unterem Buntsandstein 1 Zur Stratigraphie der Trias im Gebiete des oberen Wesertales. 4. Jahresber. d. Niedersächs. geol. Vereins. 1911. p. 1 — 102. Vergl. auch: Zur Gliederung des deutschen Buntsandsteins. Jahrb. d. Kgl. Preuß. geol. Landesanst. f. 1912. 33. Teil 1. Heft 3. p. 897 — 421. 2 a. a. 0. Die Zahl der Gervilleia-Bänke im Mittleren Bnntsanclstein. 383 Wüst’s Gliederung des Mittleren Buntsandsteines des östlichen Harzvorlandes. Picard’s Bohrregister für den Mittleren Buntsandstein der Bohrung Bennstedt III. Y. Obere Sandsteine, etwa 80 m, dickbankige Sandsteine vorherrschend , örtlich Kiesel- säurekonkretionen. 411 — 506 m, 95 m, Sandstein vor- herrschend. Darin : 416 — 416,5 m „WeißerSandstein mit grünen Tongallen, Fisch - reste“. 424 — 428 m „Grüner Sandstein mit groben (bis 6 mm) Ge- rollen, Fischresten“. 461 — 465 m „Graue Letten mit Pflanzenresten“. IY. Obere Zwischenschichten, etwa 45 m, Schieferletten mit untergeordneten dünnen Sand- steinbänken vorherrschend. Darin : e. Obere Estherienbänke. d. Fischbänke. y. ObereMuschelbänke, wie a ausgebildet. 506 — 552 m, 46 m, Letten vorherr- schend. III. Mittlere Sandsteine, etwa 110 m, dickbankige Sandsteine vorherrschend. 552 — 653 m, 101 m, Sandstein vor- herrschend. Darin : 630 m, also 23 m über der Basis : „eingelagerteLetten mit Ger- villeia“ . II. UntereZwischenschichten, etwa 25 in, Schieferletten vor- herrschend. Diese Schichten bilden die 653 — 679 m, 26 m, „Letten, sand- streifig“. Darin: ß. UnterenEstherienbänke mit Pleuromeia Sternbergi Münst. sp. und Estherien. 659—667 m Estherien. I. Untere Sandsteine, etwa 15 in , dickbankige Sandsteine vorherrschend. Darin : 679—699 m, 20 m, Sandsteine vor- herrschend. Darin : ff. Untere Muschelbänke, meist dünnplattigeSandsteine und Schieferletten mit Au- cella Geinitzii v. Fr., Ger- villeia Murchisonii Gein. und Estherien. 694 — 696 m „Bunte Letten, sand- streifig, j Estherici“. 384 E. Wüst, Die Zahl der Gervilleia-Bänke etc. keinesfalls die Unteren Muschelbänke sein können. Danach kann es sich nur entweder um eine Wiederholung der Oberen Muschel- bänke infolge von — bei den obwaltenden Aufschlußverhältnissen leicht der Beachtung entgehenden — Lagerungsstörungen oder um einen dritten Muschelhorizont, der mit demjenigen der Bohrung Bennstedt III identisch sein kann, handeln. Die in der Bohrung Bennstedt III in den Oberen Sandsteinen gefundenen Pflanzen- und Fischreste vervollständigen die von Blanckenhorn (bes. p. 27 — 28) betonte weitgehende Übereinstim- mung des Mittleren Buntsandsteines des östlichen Harzvorlandes und des Knüllgebirges in Gliederung und Fossilienführung. Beiläufig sei darauf hingewiesen, daß das ebenfalls in den Erläuterungen zu Blatt Halle a. S. (Süd), p. 18 — 21, mitgeteilte Profil der Bohrung Bennstedt IV, östlich von Bennstedt, ebenfalls einen neuen fossilführenden Horizont erkennen läßt: in 620 — 622 m Teufe, unverkennbar innerhalb meiner Mittleren Sandsteine, 76 bis 78 m über der Basis des Mittleren Buntsandsteines, wurden nach Picard’s Bohrregister getroffen: „Bunte Letten, sandstreifig, Trocken- risse, Estheria“ . Meine Meinung über die Bildungsweise der Gervüleia- Bänke und des Mittleren Buntsandsteines überhaupt zu verändern, sehe ich mich durch die neueren Befunde nicht veranlaßt. Es hat mich zwar überrascht, daß die beiden zunächst allein bekannt gewordenen Gem7/m-Horizonte, deren Auskeilen ich seinerzeit im östlichen Harzvorlande vergeblich nachzuweisen versuchte, in so entfernten Gebieten wie im Solling und im Kniillgebirge in so ähnlicher Stellung im Gesamtprofile des Mittleren Buntsandsteines nach- gewiesen worden sind. Aber aus diesem Nachweise auf eine ge- naue Gleichalterigkeit der beiden erwähnten Gervüleia- Bänke in den genannten 3 Gebieten zu schließen, scheint mir nicht ohne weiteres zulässig zu sein, denn es kann sich in diesen beiden Bänken sehr wohl um Absätze zweier verschiedenalteriger Wüsten- seen handeln, die lange Zeit hindurch wanderten, ganz wie das Johannes Walther 1 seinerzeit sehr einleuchtend auseinandergesetzt hat. Es ist nun zweifellos interessant, zu untersuchen, ob auch der dritte — mittlere — Gervüleia- Horizont eine ebenso weite Verbreitung besitzt wie die beiden anderen1 2, oder ob wir wenigstens in ihm eine örtlich ganz beschränkte Erscheinung zu erblicken haben. 1 Über die Fauna eines Binnensees in der Buntsandsteinwüste. Dies. Centralbl. 1904. p. 5 — 12. 2 Grupe spricht in seiner oben zitierten Arbeit von 1911 auf p. 24 von „zwei, bezw. drei verschiedenalterigen Horizonten“ mit Gervüleia Murchisoni Gein. gibt aber nur von zwei solchen Horizonten die Stellung in der Schichtenfolge an. A. Johnsen, Die wahrscheinlichsten Atombewegungen etc. 385 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Die wahrscheinlichsten Atombewegungen im Wismut während einer Schiebung. Von A. Johnsen in Kiel. Mit 4 Textfiguren. Einleitung. Seitdem festgestellt worden ist, welche Atombewegungen wäh- rend der Kalkspat- Schiebung so einfach wie möglich und daher die wahrscheinlichsten sind1, haben W. H. Bragg2 und W. L. Bragg2 die atomistische Kristallstruktur des Wismuts bekannt gemacht. Daher soll in ähnlicher Weise wie Kalkspat nunmehr Wismut untersucht werden. Dieser Untersuchung gehen zweck- mäßigerweise zwei Kapitel voraus : in dem einen wird der Begriff der „Strukturschiebung“ entwickelt, der die Ermittelung der mög- lichst einfachen Atombewegungen sehr erleichtert; in dem andern ■erfährt die von Bragg’s zwar eindeutig, aber nur in einem kurzen Satz gekennzeichnete Wismutstruktur eine ausführlichere und quantitative Darstellung. I. Striikturschiebung. Durchläuft jeder Punkt eines Punktgitters eine gerade, seinem Normalabstand von einer und derselben Ebene proportionale Strecke derart, daß das Gitter in sich übergeht, so vollzieht sich „ Gitter - s chiebung“. Streut man in den kleinen, unsymmetrischen Fundamental- bereich cp irgend einer Raumgruppe in beliebiger Weise beliebig viele Punkte und führt dann mit cp alle Operationen der Raum- gruppe aus, so entsteht ein unendliches „Punktsystem“; dieses besteht aus Punktgittern, die sämtlich einander kongruent und parallel sind. Jede Kristallstruktur geht in ein solches Punkt- system über, wenn ihre Atome oder Atomgruppen durch deren Schwerpunkte ersetzt werden. Durchläuft jeder Punkt eines Punktsystems eine gerade, seinem Normalabstand von einer und derselben Ebene proportionale Strecke derart, daß das Punktsystem in sich übergeht, so vollzieht sich „Struktur Schiebung“. 1 A. Johnsen, Physikal. Zeitschr. 15. p. 715. 1914. 2 W. H. Bragg and W. L. Bragg, X-rays and crystal strueture. p 228. London 1915. - Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 25 3 gß A. Johnsen, Die wahrscheinlichsten Atombewegungen Nachdem kürzlich die Bedingungen der Gitterschiebung in neun Gleichungen festgelegt worden sind1, sollen hier diejenigen der Strukturschiebung angegeben werden. Soll ein Punktsystem eine Strukturschiebung erfahren, so muß es zwei Bedingungen erfüllen. Erste Bedingung. Jedes der das Punktsystem bildenden Punktgitter muß eine Gitterschiebung erfahren ; das ist dann der Fall, wenn irgend eines und daher jedes dieser Punktgitter den neun Gleichungen der Gitterschiebung gehorcht. Zweite Bedingung. Die gegenseitige Lage der das Punkt- system bildenden Punktgitter muß in sich übergehen. Sie ist offenbar durch die gegenseitige Lage derjenigen Punkte gekenn- zeichnet, welche von irgendeinem primitiven Parallelepiped irgend eines jener Punktgitter absorbiert werden. Nun wird aber ein beliebiges Gitterparallelepiped, während sein Gitter in sich übergeht, im allgemeinen nicht in sich de- formiert; daher braucht auch die von ihm absorbierte Gruppe von Punkten nicht in sich überzugehen. Jedoch lassen sich Gitter- parallelepipeda angeben, die in sich übergeführt werden; daher muß die Gruppe der in und auf einem solchen Parallelepiped liegenden Punkte eine Deformation in sich erfahren. Indem wir also ein derartiges Gitterparallelepiped ausfindig machen und dann die Bedingungen aufdecken, unter denen die von ihm umfaßte Gruppe von Systempunkten in sich übergeht, erhalten wir die zweite der beiden für Strukturschiebung geltenden Bedingungen. Ist die Schiebung von der ersten Art, so konstruieren wir mit irgendeinem parallel der Gleitfläche Kj liegenden Paar kon- jugierter Parameter k-, und kj', sowie mit dem parallel der Grund- zone g2 liegenden Parameter s2 ein Parallelepiped {k1? k^, s2} (Fig. a und b). Ist die Schiebung von der zweiten Art, so konstruieren wir mit irgendeinem parallel der zweiten Kreisschnitts- ebene K2 liegenden Paar konjugierter Parameter k2 und k2', sowie mit dem parallel der Gleitrichtung liegenden Parameter Sj ein Parallelepiped {k2, k2', s,} (Fig. a und b). Jedes dieser beiden Parallelepipeda {k, k, s} wird offenbar in sich deformiert und ist im übrigen entweder primitiv oder einfach zentriert. Wir be- trachten {k, k, s} als Gitterparallelepiped von irgendeinem der das Punktsystem bildenden Punktgitter ; {k, k, s} umfaßt dann eine Gruppe von Punkten der übrigen Punktgitter, und diese Gruppe muß daher in sich übergehen. Die hierzu erforderlichen Punkt- lagen der Gruppe beziehen wir auf die Eiclitungen von k1? k^, s2 bezw. von k2, k2', s, als Koordinatenachsen X, Y, Z. Hat nun ein Punkt P der Gruppe die Koordinaten x, y, z, so muß ein Punkt P' mit den Koordinaten x', y', z' existieren, wo x', y', z* 1 A. Johnsen, dies. Centralbl. 1916. p. 121—122. im Wismut während einer Schiebung. 387 Fig. b. 25* 388 A. Johnsen, Die wahrscheinlichsten Atombewegungen in folgender Weise von x, y, z, k,, lq', s2 bezw. von x, y, z, k2, k2', Sj abhängen. 1. Schiebung erster Art. Punkte P und P' in oder auf dem Parallelepiped {kp kj', s2}. Entweder (1 a) x' = kx — x, y' = kx' — y, z' = z (Fig. a) oder (1 b) x' — x, y' = y, z' -== s2 — z (Fig. b). 2 . Schiebung zweiter Art. PuUkte P und P' in oder auf dem Parallelepiped {k2, k2', sj. Entweder (2 a) x' = k2 — x, y' B k2' — y, z' — - z (Fig. a) oder (2 b) x' = x, y' = y, z' = s, — z (Fig. b). Das Parallelepiped {k1? kj', s2} wird durch Hemitropie um eine Normale von K, nur im Falle (1 a) in sich übergeführt, durch Spiegelung an Kx nur im Falle (1 b); das Parallelepiped {k2, k2', Sj} wird durch Hemitropie um s, nur im Falle (2 a) in sich deformiert, durch Spiegelung an einer Normalebene von s( nur im Falle (2 b). Durch andere Symmetrieoperationen aber als jene Hemitropien und Spiegelungen läßt sich eine Schiebung bekanntlich niemals ersetzen. Aus (1 a) bis (2b) folgt: Ist für eine Schiebung erster Art (1 a) erfüllt, so ist für die reziproke Schiebung (2 a) befriedigt, und umgekehrt; ist für eine Schiebung erster Art (1 b) erfüllt, so ist für die reziproke Schiebung (2 b) befriedigt, und umgekehrt. Daraus ergibt sich ganz allgemein: Ist in einem Punktsystem irgendeine Struktur- schiebung möglich, so ist auch die reziproke möglich. Ist eine Strukturschiebung sowohl von der ersten als auch von der zweiten Art, so gehorcht das Punktsystem mindestens einem der vier Gleichungstripel (1 a) bis (2 b). Wir wenden nunmehr den Begriff der Strukturschiebung auf eine gegebene Schiebung einer gegebenen Kristallart, d. h. auf eine gegebene „Kristallschiebung“ an, indem wir fragen: Welche Atome oder Atomgruppen vermögen sich während der Kristall- schiebung so zu bewegen, daß das Punktsystem ihrer Schwerpunkte eine Strukturschiebung ausführt? Hierbei müssen in dem Punkt- system erstens alle Punkte eines und desselben Gitters die Schwer- punkte kongruenter oder spiegelbildlich gleicher Atome bezw. Atom- gruppen bilden und zweitens die Punkte P und P' zweier Gitter ebenfalls die Schwerpunkte kongruenter oder spiegelbildlich gleicher Atome bezw. Atomgruppen sein. Die obige Untersuchung gibt Anlaß zu folgender Hypothese: Die Struktur jeder schiebungsfähigen Kristallart ist aus Atomen oder Atomgruppen so aufgebaut, daß deren Schwerpunkte während der Kristallschiebung eine Strukturschiebung ausftihren. Hiermit ist im Wismut während einer Schiebung. 389 und and von anti- die Kristallschiebung in zwei Vorgänge zerlegt: Strukturschiebung eines Schwerpunktsystems und Deformation von Atomen oder Atom- gruppen derart, daß der Effekt der Kristallschiebung zustande kommt. II. Die Struktur der Wismutkristalle. Bragg’s 1 beschreiben die Struktur von Wismut Antimon lediglich mit folgenden Worten: „Bismuth mony liave been found to be exactly like the diamond in construction, except tliat the whole structure is distorted along a trigonal axis.“ Das Raumgitter ist also rhomb oedrisch mit {Tll} als primitivem Rhomboeder, und zwar bilden die Atomschwer- punkte zwei derartige Git- ter, die annähernd um den Betrag c längs der dreizäh- ligen Achse gegeneinander verschoben sind, wenn der Abstand der beiden Polecken des primitiven Rhomboeders {111} mit 4 c bezeichnet wird. Inmitten der Verbin- dungsstrecken je zweier längs [111] benachbarter Atome liegen die Inversionszentren, in denen drei Scharen zwei- zähliger Drehungsachsen, eine Schar dreizähliger Drehungsachsen und drei Scharen von Spiegelungs- ebenen einander schneiden. Die Atome werden nur von den dreizähligen Drehungs- achsen und den Spiegelungs- ebenen durchsetzt, so daß jedes Atom als „Minimal- symmetrie“ die Symmetrie des Turmalins besitzt. Die Raumgruppe enthält keine zusätzlichen Translations- 1 W. H. Bragg and W. L. Bragg, X — rays and crystal structure. p. 228. London 1915. 390 A. Johnsen, Die wahrscheinlichsten Atombewegungen komponenten und ist demnach symmorph; sie heißt nach der ScHOENFLiEs’sclien Nomenklatur 2)g, d. Setzt man für Wismut den inneren Winkel der Flächen (TU) und (111) gleich (p = 69° 27', die Dichte gleich D = 9,78 und das ab- solute Atomgewicht gleich A = 208,0 X 1 ,64 X 10 ~ 24 g, so ist der Parameter [0.1.1] der Kante [011] des primitiven Rhomboeders {111} in Zentimetern gleich k = l/— — — -= 4,72 X 10-8. V D sin (p ^1 — ctg2 (p ctg2 -|-j Daraus ergibt sich der Parameter [l . 1 . l] der Kante [111] gleich 4c = 11,80 X IO-8 cm und mithin als angenäherter Minimal- abstand der Atömschwerpunkte die Strecke c = 2,95 X 10— 8 cm. Fig. c zeigt als leere Kreise die ein primitives Rhomboeder {111} bildenden Atome des einen Gitters und als vollen Kreis das im Innern jenes Rhomboeders befindliche Atom des andern Gitters. Ähnliche Strukturkonstanten findet man auf gleichartigem Wege für Antimon. III. Die wahrscheinlichsten Atombewegungen während einer Schiebung im Wismut. Die Wismut-Schiebung besitzt zwei „rationale Paare von Schiebungselementen“, nämlich Kx = (Oll), o2 = [Oll], sowie ox == [100], K2 — (100). Einer Gitterschiebung nach diesem Schema sind, wie früher 1 gezeigt wurde, unter den rhomboedrischen Gittern nur diejenigen drei fähig, deren primitives Rhomboeder entweder {0 1 1) oder { 1 00} oder {111} ist. Also können im Wis- mut die beiden von den Ätomschwerpunkten gebildeten Gitter, da sie rhomboedrisch und mit dem primitiven Rhomboeder {111} aus- gestattet sind, obige Gitterschiebung ausführen; sie gehorchen da- her der ersten der zwei von Strukturschiebung gestellten Forde- rungen. Zweitens wird, da die Wismutschiebung sowohl von der ersten als auch von der zweiten Art ist, die Geltung irgendeines der vier Gleichungstripel (l a) bis (2 b) verlangt. Wir prüfen hieraufhin zunächst das von obigen beiden Gittern gebildete Punktsystem aller Atomschwerpunkte. Fig. d ist mit den in Kx liegenden konjugierten Parametern k, =[0.1. 1] (d. i. parallel der Kante [Oll]) und k/ = [1 . 0 . 0], sowie dem in g2 liegenden Parameter s2 = [0 . 1 . 1] konstruiert, und zwar in gleicher Projektionsebene und in gleichem Maßstabe wie Fig. c. Nun sind aber kx bezw. s2 zugleich zwei in K2 liegende konjugierte Parameter k2 bezw. k2' und ist kj' zugleich der in a1 liegende Parameter sr Daher kann Fig. d außer auf 1 A. Johnsen, dies. Centralbl. 1916. p. 125. im Wismut während einer Schiebung. 391 die Geltung von (1 a) oder (1 b) auch auf die Geltung von ('2 a) oder (2 b) geprüft werden ; sie vereinigt in sich die zwei Figuren a und b, und ihre drei Flächenpaare sind offenbar parallel den beiden Kreisschnittsebenen K,, K2 und der Ebene S der Schiebung. Die acht leeren Kreise stellen die das primitive Parallelepiped {(0 1 1), (100), (Oll)} = {Kj , K2, S} bildenden Atomschwerpunkte des einen Gitters dar, die zwei vollen Kreise P und P' bedeuten die einzigen in oder auf jenem Parallelepiped liegenden Atomschwerpunkte des andern Gitters; P und P' liegen in den Ebenen (011) und (Oll')j annähernd im Abstande c (s. p. 389) unterhalb der Punkte V1 und Pj'. Jetzt ist ersichtlich, daß P und P' den Gleichungen (1 b) oder (2 a) keinesfalls genügen, den Gleichungen (1 a) oder (2 b) aber nur dann, wenn die Strecken PP1? P'Pj' etc. genau gleich c sind; sie sind aber nur annähernd gleich c. Daraus folgt, daß das Punktsystem der Atom Schwerpunkte keines der vier Gleichungs- tripel (1 a) bis (2 b) befriedigt und somit während der Wismut- schiebung keine Strukturschiebung erfahren kann. Daher betrachten wir nunmehr die Wismutstruktur als aus 392 A. Fock, Heber die Existenz, Atomgruppen aufgebaut. Die Schwerpunkte der Atomgruppen PPp P'Pj' etc. (Fig. d) bilden ein Punktsystem, welches ein einziges Gitter darstellt; dieses ist durch ein primitives Rhombo- eder {111} gekennzeichnet, führt also während der Wismutschiebung eine Gitterschiebung aus. Überdies befriedigt es auch die zweite Bedingung der Strukturschiebung, denn offenbar gilt folgender Satz : Ist ein Punktsystem ein einfaches Gitter und führt letzteres eine Gitter- schiebung aus, so vollzieht sich eine Strukturschiebung, und zwei oder alle vier der Gleichungstripel (1 a) bis (2 b) sind befriedigt. Folglich können während der Wismutschiebung die Schwerpunkte jener zweiatomigen Gruppen PP', P1P1i * etc. geradlinige und ihrem Abstand von der Gleitfläche proportionale Strecken durchlaufen. Solche Atomgruppe besitzt die gleiche Symmetrie wie der Wismut- kristall und besteht aus zwei Atomen, deren jedes vom andern nur etwa -§ so weit entfernt ist wie vom nächsten aller übrigen Atome. Während der Schiebung bewegen sich wahrscheinlich je zwei Gruppenatome parallel der Ebene der Schiebung im konstanten Bogenabstand n auf einem Kreise, dessen Durchmesser annähernd gleich c ist, entlang einem Bogen von 73 . 93 n 18Ö im Sinne der Kip- pung der zweiten Kreisschnittsebene. Jedes Atom beschreibt also eine Zykloide, die aus dem Abstand des betreffenden Atoms von der Gleitfläche, aus der gegenseitigen Entfernung der beiden Gruppen- atome und aus der Größe der Schiebung berechnet werden kann. Im übrigen erfährt jedes Atom eine von seiner Symmetrie ab- hängige Deformation in sich. Ebenso wie im Wismut vollzieht sich die Schiebung im Antimon. Schluß. Das rhomboedrisch kristallisierte Wismut verhält sich während seiner Schiebung so, als bestände es aus zweiatomigen Molekeln, welche die gleiche Symmetrie wie der ganze Kristall und einen Ab- stand der beiden Atomschwerpunkte von etwa 3. 10' 8 cm besitzen. Bekanntermaßen löst sich Wismut in viel Blei zweiatomig, in viel Cadmium oder Quecksilber einatomig und liegt seine Dampf- dichte bei 1600 — 1700° zwischen den für Bi und für Bi2 be- rechneten. Größere Molekeln als Bi2 scheinen nicht nachgewiesen zu sein. Ueber die Existenz, Größe und Bestimmung der Kristallmoleküle. Von A. Fock. Die neuerdings mit Hilfe der Röntgenstrahlen ermittelten Kristallstrukturen sollen nach P. v. Groth1 den Beweis dafür er- 1 Ber. d. deutsch, chem. Ges. 47. p. 2063. (1914.) Zeitschr. f. Krist. 54. p. 65 und 498. (1915.) Größe und Bestimmung der Kristallmoleküle. 393 bringen, daß — abgesehen von den amorphen Körpern und den zyklischen Verbindungen — im festen Zustande chemische Mole- küle nicht mehr existieren. Und als Hauptgrundlage für diese Ansicht kommen zunächst wohl die von Bragg aufgestellten Struk- turen der Halogensalze Na CI. KCl, KBr und KJ in Betracht. Diese Körper kristallisieren bekanntlich regulär und gelten all- gemein als unzweifelhaft isomorph. Die ihnen zugeschriebenen Strukturen stimmen demgemäß überein und bilden gleichmäßig ein kubisches Baumgitter einfachster Bauart, in dem als Gitterpunkte nicht die chemischen Moleküle, sondern die chemischen Atome auf- treten, und zwar derart, daß Metall und Halogen ab wechseln. Dementsprechend bilden dann die Metallatome für sich — und ebenso die Halogenatome für sich — ein sogen, flächenzentriertes Würfelgitter; beide Gitter aber erscheinen so ineinandergestellt, daß ein einfaches Würfelgitter mit abwechselnden Atomen resultiert. Über die gegenseitige Bindung der Atome und ihre räumlichen Dimensionen geben diese Strukturen keinen Aufschluß, wohl aber können hiernach die Lagen der Atommittelpunkte und ihre Ab- stände als sicher festgelegt gelten. Beim Betrachten dieser Strukturen muß also scheinbar jeder- mann sofort zu dem Schluß gelangen, daß hier von chemischen Molekülen nicht mehr die Bede sein kann — da ja ganz offenbar ein völliger Zerfall in die Atome vorliegt. Indessen wenn man bedenkt, daß wir es hier mit Elektro- lyten zu tun haben, deren Atombindungen unzweifelhaft durch Elektronen vermittelt worden, und daß demgemäß in der Struktur auch die Stellung des bindenden Elektrons zu berücksichtigen ist, so bleibt auch eine andere Auffassung möglich. Vom Standpunkte der Elektronentheorie ist die Formel des Na CI ja Na-E-Cl zu schreiben und im dissoziierten Lösungszustande genügt es, das Elektron dem einen der Atome zuzuordnen, ohne daß die näheren Lagerungsverhältnisse der Berücksichtigung be- dürfen. Im kristallisierten Zustande aber haben wir es allgemein mit gerichteten Größen zu tun, und demgemäß muß in der Struktur auch die Bichtung in Betracht gezogen werden, in der das bindende Elektron fungiert. Ist in der Verbindungslinie zwischen Metall- und Halogenatom ein Elektron gelagert oder ausgetauscht worden, so liegen vom chemischen Standpunkte jedenfalls andere Verhält- nisse vor, als wenn dies nicht zutrifft. Im ersten Falle kann bezw. muß ein Molekülverband existieren bezw. angenommen werden, im letzteren Falle dagegen nicht. Und von den 6 CI- Atomen, welche in dem Gitter jedes Na-Atom gleichmäßig umgeben, kann schließlich immer nur eins durch die Elektronenbindung ausgezeichnet sein. Über diese Verschiedenheit in der Bindung, d. i. den Verbleib bezw. die Lagerung des bindenden Elektrons in der Struktur, vermögen diu Böntgenmethoden keinen Aufschluß zu geben, denn die Beaktion 394 A. Fock, Ueber die Existenz, der Atome gegen die Röntgenstrahlen wird einzig bedingt durch die Atommasse, die Höhe des Atomgewichts, und die Elektronen sind ja dem gegenüber von verschwindender Masse. Nach den zurzeit bestbegründeten 1 Anschauungen und Vor- stellungen ist ja freilich anzunehmen, daß das Bindungs-Elektron von dem Metallatom an das Cl-Atom völlig abgegeben wird und hier den äußeren 7-Ring zu einem 8-Ring ergänzt, d. i. das Cl-Atom negativ aufladet, während das Na-Atom eine positive Ladung erhält. Demgemäß kann dann zwar dem Bindungs-Elektron eine singuläre Stellung gegenüber den anderen Elektronen des 8-Ringes nicht mehr zugeschrieben werden, aber andererseits wird durch diesen Elektronenaustausch eine Verrückung des 8-Ringes in der Richtung zu dem durch die Abgabe des Elektrons positiv geladenem Na-Atom bewirkt , und zudem müssen natürlich die Ebenen der Elektronenringe in beiden Atomen als parallel an- genommen werden. Auch bei dieser Auffassung bleibt also in dem Würfelgitter doch schließlich ein jedes Na-Atom mit einem ganz bestimmten Cl-Atom in besonders ausgezeichneter Verknüpfung; nur kommt diese Auszeichnung bezw. Verschiedenheit nicht mehr in den Abständen der Atommittelpunkte zum Ausdruck, wohl aber in der Parallelstellung und der Verrückung der Elektronenringe. Man gelangt also auch auf diesem Wege dazu, in dem Gitter zu unterscheiden zwischen solchen Atomen, die durch Haupt- bezw. Elektrovalenzen gebunden sind, und solchen, welche nur durch Neben- bezw. Kontra Valenzen — - entsprechend den WERNER’schen Koordinatenzahlen — verknüpft werden, und die nach erster Art verbundenen Atome entsprechen den chemischen Molekülen. Freilich muß -wohl mit der Möglichkeit bezw. Wahrscheinlich- keit gerechnet werden, daß die durch die Hauptvalenzen vermittelte Bindung in dem Gitter keine konstante feststehende ist, und zwar um so mehr, als die Schwingungen des Gitters einen Wechsel be- günstigen dürften; aber auch in diesem Falle könnte von einer Aufhebung des chemischen Molekularverbändes schlechthin noch nicht die Rede sein, sie würden nur — zeitlich abwechselnd — • verschiedene Atome umfassen und einzig ein mehr oder minder großer Teil der Moleküle könnte als dissoziiert gelten. Es würden also in dem Gitter nur ähnliche Verhältnisse bestehen, wie sie auch in den konzentrierten wäßrigen Lösungen angenommen werden, in denen ja die dissoziierten und nicht dissoziierten Moleküle ständig die Ionen austauschen. Einstweilen vermögen deshalb die Strukturen der Alkalihalo- gene den allgemeinen Schluß , daß im kristallisierten Zustande chemische Moleküle nicht mehr existieren, durchaus nicht zu recht- fertigen. 1 Ann. d. Phys. 49. p. 229. (1916.) Größe und Bestimmung der Kristallmoleküle. 395 Und was die bisher ermittelten Strukturen von anderen Körpern betrifft, so liegen die Verhältnisse völlig ähnlich, da es sich überall um einfache Substanzen handelt, deren Atombindungen durch Haupt- bezw. Elektrovalenzen vermittelt werden. Anderweitig aber hat der Schluß auf die Nichtexistenz bezw. den Zerfall der chemischen Moleküle im kristallisierten Zustande bisher nirgends eine wirkliche Stütze gefunden. Für deren reale Fortexistenz sprechen dagegen viele allgemeine Tatsachen — so die Gesetze der Isomorphie und der Morphotropie und der Um- stand, daß die Zirkularpolarisation der optisch aktiven Substanzen allgemein beim Kristallisieren erhalten bleibt. Insonderheit aber kommt hier vom exakten Standpunkte wohl in Betracht, daß die van’t HoFF’sche Theorie der festen Lösung nicht allein fiir den amorphen, sondern ebenso auch für den kristallisierten festen Zu- stand begründet wurde, und diese Theorie müßte hinfällig werden, wenn in den Kristallen keine chemischen Moleküle mehr existierten. Dazu kommt dann, daß die an der Hand dieser Theorie aus- geführten Molekulargewichtsbestimmungen für den kristallisierten Zustand1, die auf dem „Verteilungssatz“ bezw. dem Gesetz der chemischen Massenwirkung, d. i. unbestrittenen Naturgesetzen ba- sieren, zu dem eindeutigen Resultat geführt haben, daß im all- gemeinen Kristallmolekül und chemisches Molekül übereinstimmen. Bei den Elektrolyten ließ freilich die für dieses Schlußresultat geforderte Konstanz der Quotienten aus den Konzentrationen im flüssigen und festen Zustande zunächst etwas zu wünschen übrig. In Hinsicht auf die Unsicherheit der Dissoziationsermittlung in den gesättigten Lösungen waren aber Zweifel an der Identität von Kri- stallmolekül und chemischem Molekül eigentlich niemals berechtigt. Durch die Auffindung der Tatsache 2 aber, daß den festen kristallisierten Salzen ein ähnliches Leitungsvermögen zukommt wie den geschmolzenen Körpern, und daß demgemäß auch im kri- stallisierten Zustande eine gleiche bezw. ähnliche Dissoziation be- stehen muß, hat diese früher nicht ganz verständliche Inkonstanz ihre völlige Aufklärung gefunden, und die oben erörterten Kristall- strukturen der Alkalihaloidsalze stehen damit im besten Einklänge. Von größter Wichtigkeit aber ist es schließlich wohl, daß sich die Fortexistenz der chemischen Moleküle in den Kristallen auch noch auf einem anderen, völlig unabhängigen Wege hat be- gründen lassen. So gelangte Tammann3 auf Grund seiner um- fangreichen thermodynamischen Studien zu dem Schluß, „daß all- 1 Ber. d. deutsch, chem. Ges. 28. p. 2784. (1895.) Zeitschr. f. Ivrist. 28. p. 837. (1897.) N. Jahrb. f. Min. etc. 1899. I. p. 71. 2 Tubandt und Lorenz, Zeitschr. f. phys. Chem. 87. p. 513. (1914.) Lorenz, Elektrolyse geschmolzener Salze. Halle 1906. p. 289. 3 Ber. d. deutsch, chem. Ges. 44. p. 3618. ' (1911.) 396 P. Oppenheim, gemein bei der Kristallisation normaler Flüssigkeiten das Mole- kulargewicht sich nicht ändert“. Eine andere — mehr rein kristallographische — Frage aber bleibt es, ob man die Raumgitter als von den Molekülen oder den Atomen gebildet ansehen will. Insofern sich ja jedes einfache Molekelgitter in so viele einfache und gleiche Atomgitter zerlegen läßt, als das Molekül chemische Atome enthält, erscheinen natürlich beide Auffassungen vom Standpunkte der reinen Theorie gleich- berechtigt. Leugnet man die Fortexistenz der chemischen Moleküle, so dürfeü bei den ineinandergestellten Atomgittern keinerlei Ver- schiedenheiten der Atombindungen Vorkommen, andernfalls müssen sie bestehen bezw. nachgewiesen werden. Bei den bisher unter- suchten einfachen Verbindungen dürfte eine solche Verschiedenheit durch den Austausch des Elektrons und die dadurch bedingte Ver- schiebung und Parallelstellung der Elektronenringe genügend wahr- scheinlich gemacht sein. Der eigentliche exakte Beweis dafür aber ist wohl in den Tatsachen und Gesetzen zu erblicken, welche der Theorie der festen Lösung zugrunde liegen. Und in Übereinstimmung damit steht es auch, wenn Bragg 1 2 hervorhebt, daß sich unmittelbar und direkt nicht feststellen läßt, ob die reagierenden (reflektierenden) Netzebenen von den Molekülen oder den Atomen gebildet werden, eine Entscheidung darüber viel- mehr immer erst durch den Vergleich verschiedener bezw. analoger Verbindungen möglich ist. Einen unwiderleglichen Beweis für die Nichtexistenz und den völligen Zerfall der chemischen Moleküle im kristallisierten Zu- stande vermögen die bisher ermittelten Strukturen jedenfalls nicht zu erbringen, und für das Aufkommen der hier bekämpften An- sicht scheint mir schließlich auch der Umstand von Bedeutung zu sein, daß sie von P. Groth schon im Jahre 1905 in der 5. Auflage seiner Physikalischen Kristallographie p. 294 ohne nähere exakte Begründung vertreten wurde. Über das marine Miocän im Nordseebecken. Von Paul Oppenheim. I. Unter annähernd gleichem Titel veröffentlichte vor kurzem Herr Karl Gripp 2 eine Studie, welche, recht anregend geschrieben, in vielen Punkten Neues bringt. Manches von diesem dürfte wohl 1 Proc. Roy. Soc. 89. p. 470. (1914). 2 Über das marine Altmiocän im Nordseebecken. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XL1. 1915. p. 1—59. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 397 aucli der ernsten Kritik gegenüber standzulialten vermögen ; gegen einzelne der vorgebrachten Tatsachen und Anschauungen muß sich dagegen der Widerspruch äußern, damit sich nicht Irrtümer in der Literatur festsetzen und die ohnehin noch nicht allzu stand- festen Grundlagen unseres Wissens auf diesem Gebiete verschoben und verschlechtert werden. Für richtig möchte auch ich — um dies vorauszuschicken — die von dem Verfasser zuerst konsequent durchgeführte Abtren- nung einer unter miocänen Stufe ansehen , welche mit den Braunkohlen auch marine Einschaltungen umfaßt. Das Natürliche und Notwendige einer derartigen Abgrenzung ist bereits von Gottsche \ Gagel1 2 3 und W. Koert 3 richtig empfunden worden; doch wird die Gliederung hier zum ersten Male klar durchgeführt und durch zahlreiche Profile gestützt. Wir gewinnen damit nunmehr ein sicheres marines Äquivalent der in Norddeutschland so ver- breiteten miocänen Braunkohlenformation. Es ist dies das wesent- lichste Resultat der GRipp’schen Untersuchung, auf welches auch der vom Verfasser gewählte Titel hin weist. Nach Erreichung dieses — wie ich glaube — gesicherten Resultates hätte nun der vom Verfasser weiter einzuschlagende Weg — hier setzt meine Kritik ein — nach meiner Auffassung der in unseren Wissenszweigen allein zulässigen Methodik etwa der folgende sein müssen : eine genaue paläontologisclie Untersuchung der in diesen Braunkohlensanden auftretenden Fossilien und ein ebenso ein- gehender und sorgfältiger Vergleich mit der nächstälteren und nächstjüngeren Fauna. Erst durch eine derartige recht dornen- und mühevolle Untersuchung hätten sich — nach meiner Auf- fassung — wirklich sichere und für die Zukunft verwendbare Resultate auf den Gebieten erzielen lassen , welche der Verfasser im Verfolge seiner Untersuchungen in Angriff nimmt; nur so hätten sich wirklich sichere Stützen gewinnen lassen für den „Ver- gleich der miocänen Faunen des östlichen Nordseebeckens mit denen benachbarter Gebiete“ und für den vom Boden der sicheren Erfahrung sich noch weiter erhebenden „Versuch einer Paläo- geographie des Nordseebeckens für die Miocänzeit“. Herr Gripp scheint derselben Anschauung gewesen zu sein ; denn sein Teil III behandelt auf p. 1 7 ff . „Die Fauna des ältesten Miocäns“. Dieser Abschnitt enthält aber in erster Linie eine Tabelle von 223 Formen, deren Aufzählung sich allerdings teilweise — von der Kolumne 1 Der Untergrund Hamburgs. 1901. p. 11. (Sonderabdruck aus: Hamburg in naturwissenschaftlicher und medizinischer Beziehung, den Teilnehmern der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte als Festgabe gewidmet.) 2 Handbuch für den deutschen Braunkohlenbergbau. 1907. p. 170. 3 Geologische und paläontologische Mitteilungen über die Gasbohrung von Neuengamme. Jahrb. d. k. preuß. geol. Landesanst. 1911. p. 168. 398 P. Oppenheim, 9 — 19 an — auf eigene, recht umfangreiche Bestimmungen des Verfassers stützt. Ich kann hierbei bei aller Anerkennung der vom Verfasser auf ge wendeten Zeit und Kraft nur meiner Ver- wunderung Ausdruck verleihen , daß der Fragezeichen so wenig geworden sind und daß Herr Gripp am Schlüsse seiner Tabelle hinzufügt: „Es lag nicht im Kähmen der gestellten Aufgabe, die altmiocäne Fauna paläontologisch genau zu untersuchen“. Nach meiner — wie ich glaube — ziemlich genauen Kenntnis der in Frage kommenden Verhältnisse kann einer solchen Tabelle bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse kein allzu großer Wert beigemessen werden. Die Kenntnis der Formen unseres nord- deutschen Miocäns ist eine durchaus unbefriedigende1, und vieles von dem, was nach Beyrich geschaffen wurde, hält ernster Kritik nicht stand. Eine monographische Darstellung der Bivalven fehlt bisher gänzlich, wenn wir von der recht fehlerhaften und zudem nur auf Dingden beschränkten kleinen Arbeit von Lehmann2 ab- selien. Die erste Publikation von Koenen’s3 geht, wie die meisten Arbeiten seiner ersten Periode, von dem sichtlichen Bestreben aus, nach Möglichkeit in Zeit und Kaum zusammenzuziehen. Eine scharfe Trennung der Artbegriffe ist nur selten erfolgt. Zudem macht sich hier, wie in der zweiten, etwas mehr sichtenden Arbeit, der vom Verfasser selbst betonte4 Mangel an Vergleichsmaterial und an Kenntnis der Formen der südlicheren Bereiche störend bemerkbar. Aber abgesehen von diesen den hier in Frage kom- menden Publikationen von Koenen’s von Anfang an anhaftenden Fehlern sind diese Arbeiten naturgemäß durch die Entwickelung der Dinge überholt und veraltet. Die erste von ihnen stammt aus dem Jahre 1872, die zweite5 von 1882. Was ist seither 1 Wieviel hier noch zu tun übrig geblieben ist, hat zumal Gottsche, wie aus mehreren Stellen seiner Arbeiten hervorgeht, stets klar erkannt. Er ist leider durch sein viel zu frühes Ende nicht zu der paläontologischen Bearbeitung der norddeutschen Miocänfauna gelangt, obgleich er, wie ich von ihm selbst weiß, stets mit der Sammlung von Vorarbeiten, zumal von Vergleichsmaterialien, zu diesem Zwecke beschäftigt war. Vergl. Die Sedimentärgeschiebe der Provinz Schleswig-Holstein. Yokohama 1883. p. 55, und Die Molluskenfauna des Holsteiner Gesteins. Abh. aus dem Gebiete der Naturwissenschaften des Naturwissensch. Vereins Hamburg. 1887. p. 3. 2 Die Lamellibranchiaten des Miocäns von Dingden. Verh. d. naturhist. Vereins d. preuß, Kheinlande etc. 49. p. 198 ff. ; 50. p. 273 ff. Bonn 1892/93. 3 Das Miocän Norddeutschlands und seine Molluskenfauna. I. Teil. Einleitung und paläontologische Beschreibung der siphonostomen Gastro- poden. Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Natur- wissenschaften zu Marburg. Cassel 1872. 4 a. a. 0. p. 8. 5 Die Gastropoda holostomata und tectibranchiata, Cephalopoda und Pteropoda des Norddeutschen Miocäns. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. II. 1882. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 399 alles für die Kenntnis des südlichen Miocäns geschehen ! Ich er- innere nur — am das Wichtigste herauszugreifen — an die Fort- setzung des grundlegenden Werkes von M. Hoernes über die Mollusken des Wiener Beckens durch R. Hoernes und Auinger, an die großangelegte und eine Fülle von Stoff bearbeitende Mono- graphie des Piemontesischen Tertiärs durch Bellardi und Sacco, um von den neuesten, teilweise noch im Erscheinen begriffenen Monographien von Cossmann und Peyrot über das Miocän der Gironde und von Dollfus, über dasjenige der Touraine ganz zu schweigen ! Wir haben durch die Tätigkeit aller dieser Forscher schärfer sehen gelernt. Wir bemerken heute — z. B. bei den Mitren und Pleurotomen — Unterschiede, für welche früheren Generationen notwendig das Verständnis fehlen mußte und welche doch durch die Natur bedingt und vorhanden sind. Wir haben Abbildungen mancher lange bekannten Formen neu erhalten und uns überzeugen müssen, daß sie früher verwechselt wurden, und daß auf Grund fehlerhafter Bilder unzulässige Identifikationen vor- genommen worden sind. Alles dies bedingt das bereits oben erwähnte Resultat, daß die Kenntnis der Formen unseres Miocäns eine recht unzulängliche ist und jedenfalls mit dem Fortschritte der Wissenschaft nicht Schritt gehalten hat; und aus allen diesen Gründen kann ich einer Tabelle, wie sie Gripp gibt, keinen be- sonderen Wert beimessen. Herr Gripp hätte diese generellen Schwierigkeiten bemerken sollen ; denu er hat sie in einzelnen Fällen wohl empfunden. Die in diesen vorgenommene Lösung ist aber charakteristisch für eine Methode, welche es vermeidet, in die Tiefe und bis zu den Quellen vorzudringen, und welche dann einen mehr äußerlichen Kompromiß vorzieht. So schreibt Verfasser auf p. 33: „ Nassa italica Mayer nannte Bellardi III p. 140, Taf. IX Fig. 6 die von von Koenen Nassa costulata Ren. benannte Art“. Wenn man die betreffende Stelle bei Bellardi durchsieht, so findet man, daß dieser, wohl im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bestimmung von Koenen’s und ohne der seinem Thema ohnehin fernliegenden Materie eine größere Bedeutung beizulegen, das Zitat von von Koenen, wie die meisten Erwähnungen der lebenden N. costulata aus älteren Schichten der langen Synonymieliste von N. italica Mayer-Eymar eingereiht hat, ohne sich über die Identität in irgend einer Weise näher auszu- sprechen. Die Form wird also hier nur gelegentlich unter den Synonymen infolge einer kleinen Flüchtigkeit mitaufgeführt, von „Nennen“ kann hier gewiß nicht die Rede sein! Vergleicht man nunmehr aber die von Bellardi a. a. 0. Taf. IX Fig. 6 gegebene Figur der N. italica Mayer-Eymar mit derjenigen, welche von Koenen in seiner ersten Arbeit über das Miocän a. a. 0. Taf. II Fig. 3 für seine Nassa costulata Ren. hinzufügt, so sieht man, daß hier eine Identität ganz unmöglich ist, selbst für einen Forscher, der 400 P. Oppenheim. nicht so scharf trennt, wie dies Bellardi in dem erwähnten Werke zu tun bestrebt ist. von Koenen zeigt im Gegensätze dazu im Texte 1 seine bereits oben gekennzeichnete Tendenz, die Formen nach Mög- lichkeit zusammenzuzielien. Aus diesem Bestreben heraus vereinigt er die Type des Holsteiner Gesteins mit der „rezenten aus dem Adriati- schen Meere“, obgleich sich auch fiirihn „Verschiedenheiten ergeben“, die er allerdings als „unbedeutend“ bezeichnet; und es liegt eine auch nicht allzuselten zu beobachtende Willkür darin, daß er diese Unterschiede, die er doch selbst beobachtet, nicht näher ausführt. Die Unsicherheit hinsichtlich der Artbegrenzung, in welcher sich von Koenen augenscheinlich befand, geht zudem aus seinen weiteren Ausführungen über diese Nassa costulata mit Deutlichkeit hervor. Es kann hier natürlich nicht meine Aufgabe sein, diesen Gegenstand weiterzuführen und die Nassa des Holsteiner Gesteins zu bestimmen. Es wäre dies die Aufgabe einer Untersuchung ad hoc. Beweisen soll das Beispiel nur, daß scharfe Begriffe hier noch fast vollständig fehlen, daß sich mit ihnen daher auch in Form einer Tabelle, und vielleicht am wenigsten in dieser, etwas anfangen läßt, und daß die Art, wie Gripp sich mit der Schwierigkeit ab- findet, nicht diejenige ist, welche meines Erachtens nach angesichts des Wertes scharfer paläontologischer Begriffe für die Festlegung der einzelnen Horizonte wohl erforderlich gewesen wäre. Ein weiteres Beispiel betrifft die von Gripp auf p. 27 unter No. 188 als Pleurotoma Allion ii Bell, aufgeführte Form. Eine nähere Begründung der Bestimmung fehlt hier. Man kann aber etwas Ähnliches vielleicht an anderer Stelle in einem früheren Aufsätze des Verfassers finden2. Hier muß man nach dem Synonymie- register vermuten, daß unter dem Namen Pleurotoma Allionii Bell. die Form aufgeführt wird, welche andere Autoren als PL obeliscus Desm. zitieren. In Wirklichkeit ist aber PI. Allionii Bell, eine im wesentlichen pliocäne Art3, welche Bellardi selbst früher irrtümlich mit der e o c ä n e n PL brevirostrum Sow. vereinigte, und welcher nur ein Teil dessen zufällt, was M. Hoernes aus dem Wiener Becken als PL obeliscus Desm. beschrieb und abbildete, und zwar gehören gerade die von dem Wiener Forscher abgebil- deten Stücke, wie Bellardi a. a. 0. ausdrücklich betont4, 1 a. a. 0. p. 61 (195). 2 Über eine untermiocäne Molluskenfauna von Itzehoe. .Tahrb. der Hamburgischen Wissenschaftl. Anstalten. 31. 1913. p. 33. Hamburg 1914. 3 Vergl. L. Bellardi, I molluschi dei terreni terziarii del Piemonte etc. 2. p. 91. 4 „Parecchi esemplari die il Museo ricevette molti anni sono dal signor Hoernes col nome di PI. obeliscus Desm., provenienti dalle vicinanze di Vienna corrispondono a quelli qui descritti, e a questa specie“ (nämlich Pl. Allionii Bell.) „si riferisce la massima parte delle citazioni fatte dal Hoernes nella sinonima: la figura per altro non rappre senta la vera Pl. Allionii Bell.“ etc. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 401 der PI. Allionii Bell, nicht an. Ich selbst kenne die italienische Art nicht ans unserem norddeutschen Miocän. Die Formen, die ich gesehen habe, nähern sich eher der typischen PL obeliscus Desm., ohne indessen mit ihr übereinzustimmen. Auch hier sind weitere Untersuchungen dringend vonnöten. Abgesehen von meiner oben näher gekennzeichneten allgemeinen Stellung mögen noch eine Reihe von Ausstellungen im einzelnen folgen. So wird auf p. 35 als Leitfossil des untersten Miocäns angegeben Pleurotoma trochlearis Hoernes. Diese Form ist 1 eine äußerst seltene Form des Badener Tegels von Yöslau aus der Verwandtschaft der PI. Calliope Brocc. Es ist also eine Type, welche im südlichen und östlichen Europa einem verhältnis- mäßig recht jugendlichen Formenkreise angehört. Auch Bellardi 2 kennt sie nur als äußerste Seltenheit („rarissimo“) aus dem Hel- vetien der Colli Torinesi. Es wäre nun seltsam, wenn eine Form, die an und für sich überall selten, bisher nur aus dem Helvetien und Tortonien bekannt war, in Norddeutschland in einem älteren Niveau in so großer Menge aufträte, daß sie für dieses als Leit- fossil bezeichnet werden könnte. Wie kommt nun Herr Gripp zu dieser Type, welche augenscheinlich weder Beyrich noch von Koenen aus dem norddeutschen Tertiär gekannt haben? Weiteres Nach- forschen beweist, daß sie auch Herrn Gripp nur von einem ein- zigen Fundpunkte Vorgelegen hat. Es ist dies Sonder bürg, ein Fundpunkt, von dem auf p. 30 angegeben wird: „Das Vor- kommen bezieht sich auf Schollen von Tonen und Sanden, die sich zu Siiderholz, südöstlich von Sonderburg, im Diluvium finden“. Es scheint, als ob der Verfasser die Fossilien dieses Fundpunktes erst neuerdings bestimmt hat. Es wird hier nun aber von ihm auf der allgemeinen Liste neben Formen, welche für das ältere Niveau charakteristisch sind, wie Nassa Schlotheimi , Triton enodis etc., auch Fusus crispus Bors, angegeben, der sich sonst nur in j ün g er en Horizonten findet. Das Vorkommen ist also in seinem Alter nicht ganz gesichert, es fehlt aber auch jede nähere Be- gründung der Bestimmung der seltenen und eigenartigen PI. troch- learis , es fehlen dazu nähere Angaben über den Grad der Häufig- keit dieser auffallenden Form. Mir scheint, es sind stärkere Beweise notwendig, wenn man eine Form als Leitfossil für ein bestimmtes Niveau angeben will ! Unter den Formen, welche als leitend für das höhere Miocän auf p. 37 zitiert wr erden, findet sich Fusus virgineus Grat., der ebenfalls bisher nicht aus Norddeutschland bekannt sein dürfte. Es findet sich ferner Conus austriaconoe Sacco, eine nicht gerade sehr wohlklingende neue Bezeichnung für das, was M. Hoernes 1 Vergl. M. Hoernes, Die fossilen Mollusken des Wiener Beckens. I. p. 363. Taf. XXXIX Fig. 14—15. 2 I moiluschi dei terreni terziarii del Piemonte ecc. 2. p. 206. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 26 402 P. Oppenheim, als Conus Noe Brocch. ans dem Wiener Becken beschrieben hat1. Die Anwesenheit dieser großen Conus- Art im norddeutschen Miocän ist ebenfalls neu und hätte weiterer Begründung bedurft. Was die als M. scrobiculata Brocch. und M. Borsoni Bell, an- geführten Mitren anlangt, so sind diese Bestimmungen sicher irrtümlich. Die norddeutschen Arten entsprechen zweifellos ebenso- wenig wie die Wiener Formen den italienischen Typen, mit denen sie früher vereinigt wurden. Für die erstere Art kann man das Nähere beiBELLARDi2 nachsehen, für die letztere genügt ein Ver- gleich der Abbildungen bei Ravn3 mit denjenigen beiBELLARDi4, um sich voh der artlichen Verschiedenheit beider Formen zu überzeugen. Nach meinen bisherigen Studien liegen mindestens zwei diesem Formen- kreise angehörige Mitra- Arten aus dem Miocän des Nordseebeckens vor; keine von diesen stimmt mit der M. Borsoni Bell, überein. Gripp schließt (p. 37), „daß die ältere miocän e Fauna durch ihren Reichtum an nordisch oligocänen Arten , die jüngere miocäne Fauna durch ihre vielen südlichen Arten jede ein eigenes und voneinander grundverschiedenes Gepräge haben“. Diese Schlußfolgerung halte auch ich für richtig; sie wird sich auch dann festhalten lassen, wenn die paläontologischen Fundamente, auf denen sie ruhen, fester und sicherer gelegt sein werden, als dies heute noch der Fall ist. Im übrigen entspricht sie ungefähr den Grundsätzen, welche auch die früheren Autoren, vor allem von Koenen und Gottsche, bei der Berücksichtigung der Alters- verschiedenheiten im norddeutschen Miocän in erster Linie in Be- tracht gezogen haben. Sie entstammt auch ungefähr denselben Gesichtspunkten, welche bei der Trennung der beiden Mediterran- stufen in den östlichen Gebieten Europas von jeher leitend und geltend gewesen sind. Wir gelangen nunmehr zu einem Vergleiche des Miocäns im Nordseebecken mit demjenigen benachbarter Gebiete, wie ihn Gripp im vierten Teile seines Aufsatzes auf p. 38 ff. durchzuführen ver- sucht. Ich vermag hier dem Verfasser in seiner Auffassung der Verhältnisse in Belgien nicht ganz zu folgen. Auch diese Dinge sind — meiner Überzeugung nach — heute noch nicht spruch- reif, da eine eingehendere Bearbeitung der betreffenden Faunen seit Nyst5 (1843!!) gänzlich fehlt. Vom Bolderberge bei Diest 1 Vergl. Fossile Mollusken des Wiener Beckens. I. p. 27. Taf. III Fig. la — c. — Sacco, I molluschi dei terreni terziarii ecc. 13. p. 85. 2 I mdluschi dei terreni terziarii del Piemonte ecc. V. Mitridae II. 1887. p. 10: „Col nome di M. scrobiculata Brocch. M. Hoernes (1. c. Taf. X Fig. 14 — 18) ha publicato alcune forme viennesi, delle quali nessuna corrisponde alla specie del Brocchi come e qui definita.“ 3 Molluskfaunaen I Jyllands Tertiaeraflejringer etc. Keebenhavn 1907. Taf. VI Fig. 19. 4 a. a. 0. Taf. IV Fig. 45 a, b. 5 Description des coquilles et des polypiers fossiles des terrains ter- tiaires de la Belgique. Mem. de l’Acad. des Sciences. Bruxelles 1843. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 403 ist von jeher nicht allzuviel bekannt geworden. Das wenige, was hier an leidlich gesicherten Resultaten vorliegt, scheint aller- dings dafür zu sprechen, daß eine Gleichaltrigkeit mit Dingden, Berssenbrück und dem mehr sandigen Miocän Norddeutschlands besteht. Anders liegt es aber mit Edeghem und dem wenigen, was in noch größerer Nähe von Antwerpen diesem Niveau sicher entspricht. Hier ist die Frage, ob eine Gleichaltrigkeit mit dem Mittel- oder Obermiocän Norddeutschlands besteht, heute noch nicht zu beantworten. Die Fundpunkte dieses Niveaus waren nur für kürzere Zeit in den sechziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts bei Gelegenheit der großen Festungsbauten aufgeschlossen und sind seitdem nicht mehr zugänglich. Eine Monographie der reichen Fauna, welche in ihnen erschlossen wurde, ist, obwohl immer beabsichtigt *, nicht vorhanden. Einiges davon wurde durch von Koenen in seiner Bearbeitung des norddeutschen Miocäns an- hangsweise und sehr kursorisch besprochen. Die Liste, welche van den Broek1 2 in der auch von Gripp zitierten Arbeit gibt, stützt sich im wesentlichen auf die Bestimmungen von Nyst. Diese sind aber durch die etwas späteren Hinzufügungen des gleichen Verfassers in Dewalque’s3 Description geologique de la Belgique naturgemäß überholt. Es ist diese letztere Liste überhaupt die einzige, welche eine einigermaßen sichere Auskunft gewährt über den Fossilinhalt dieser Schichten ; doch überzeugt man sich bei ihrer Benutzung immerhin auf Schritt und Tritt, daß noch gar viele der Fragezeichen übrigbleiben. Van den Broek’s Aufsatz selbst geht von manchen irrigen Voraussetzungen aus, unter denen die verhängnisvollste diejenige ist, daß alles um Antwerpen, dar- unter auch Edeghem, schon dem Pliocän angehört. Ich stehe nicht an, diesen Aufsatz als in vielen Punkten schon veraltet und nicht mehr recht benutzbar zu bezeichnen. Es ist mithin durchaus nicht sicher, ob Edeghem und mit ihm der schwarze Sand von Antwerpen unserem mittleren, dem sandigen Miocän, oder schon dem oberen, dem Glimmertone, ent- spricht. Aus stratigraphischen Gründen möchte man im Gegensätze zu den Annahmen von Gripp an das letztere denken; denn auf Edeghem folgt unmittelbar, und ohne daß Zeichen für die Unter- brechung des Absatzes vorliegen, das Diestien als eine Abteilung des sicheren Pliocäns. Man wird hier an das Profil vom Morsum- Kliff auf Sylt erinnert und an die neue Auffassung, welche Gripp a. a. 0. p. 14 hinsichtlich der Fauna des Limonitsandsteins verficht. Wenn dieser wirklich schon Pliocän wäre, wie Gripp 1 Vergl. von Koenen, Norddeutsches Miocän. I. p. 6. 2 Esquisse göologique et paleontologique des depöts pliocenes des environs d’Anvers. Bruxelles 1876/80. p. 40 — 41. 3 Prodrome d’une description geologique de la Belgique. II ödition. Bruxelles 1880. p. 474 ff. 404 P. Oppenheim, annimmt, so könnte er nur mit dessen unterer Abteilung1 2, dem Diestien, zeitlich äquivalent sein. Auffällig wäre allerdings auch unter dieser Voraussetzung hier das Auftreten von Arten wie Yoldia glaberrima v. Münst., einer geologisch so alten, bis in das Oberoligocän herabreichenden Form, oder von großen Gastropoden von mediterranem Charakter wie Cassis Bondeleli Bast, und Conus antediluvianus Brug., wie diese Gripp a. a. 0. p. 14 unter den Fossilien des Limonitsandsteins angibt. Derartiges kennen wir in dem so weit südlicher gelegenen Belgien nicht in so hohem Niveau,1 ; die Anwesenheit derartiger meridionaler Typen im Li- monitsandsteine des nordischen Sylt spricht vorläufig denn doch noch sehr gegen die Auffassung des Verfassers! II. Wir gelangen nunmehr zu der Frage des Zusammen- hanges unseres norddeutschen Miocäns mit demjenigen südlicherer Bereiche. Gripp versucht hier p. 40 — 42 a. a. 0. Parallelisierungen mit der Gegend von Bordeaux herzustellen ; doch kann ich nicht umhin, zu betonen, daß das stratigraphische und bibliographische Rüstzeug, über welches er verfügt, für diese Auf- gabe nicht genügt. Was den ersteren Einwurf, das Fehlen eigener Anschauungen der in Südfrankreich in Betracht kommenden Ver- hältnisse, anlangt, so weiß ich wohl, daß diese aus mannigfachen Gründen nicht immer gefordert werden kann. Um so gediegener, um so umfangreicher und um so mehr in die . Tiefe gehend muß aber dann die bibliographische Kenntnis sein. Es läßt sich eine derartig schwierige Materie doch nicht behandeln unter Zugrunde- legung von nur ein bis zwei neueren Arbeiten, zumal wenn diese in ihren Voraussetzungen und Folgerungen mit solcher Entschieden- heit bekämpft worden sind, wie dies den beiden sich auf das Aquitanien beziehenden Publikationen von G. F. Dollfus gegen- über, sowohl von J. Repelin 2 als auch von meiner Seite aus ge- schehen ist. Es ist bedauerlich, daß Gripp die beiden französischen Aufsätze kannte, nicht aber ihre Widerlegung von französischer und deutscher Seite und daß ihm zumal mein eigener Aufsatz un- bekannt blieb, obgleich dieser zwei Jahre vor dem seinen in der gleichen Zeitschrift erschienen war und sich unter anderem aus- drücklich die Diskussion der Grenze zwischen Oligocän und Miocän 1 Vergl. Nyst in Dewalque, Prodrome d’une description geologique de la Belgique a. a. 0. — Tesch (Beiträge zur Kenntnis der marinen Mol- lusken im westeuropäischen Pliocänbecken. Mededeelingen van de Rijksop- sporing van Delfstoffen. 4. S’Gravenhage 1912) erwähnt zwar a. a. 0. p. 93 Conus Dujardini Desh. aus dem Pliocän der Niederlande, aber als Selten- heit und also sichtlich auf sekundärer Lagerstätte befindlich. 2 Les limites de l’Etage Aquitanien. B. S. G. F. (IV.) 11. Paris 1911. p. 100 ff. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 405 zum Ziele setzte L Ich möchte mich daher nicht wiederholen und das von mir erst vor kurzem Gedruckte für die weitere Diskussion zugrunde legen. Hervorgehoben möge an fundamentaleren Gesichtspunkten hier nur werden, daß unser norddeutsches Untermiocän nicht Aquitanien sein kann, wie Gripp meint, da dieses Aquitanien, wie man auch vor Dollfus, resp. Theodor Fuchs, allgemein an- nahm, unserem norddeutschen Oberoligocän entspricht. Wir haben aber auch nicht nötig, so weit zurückzugreifen, da das norddeutsche Untermiocän sich auch bei voller Anerkennung der Gmpp’schen Beobachtung und des bei der Einzelgliederung der norddeutschen Sedimente eingenommenen Standpunktes viel leichter und bequemer in Verbindung bringen läßt mit den Faluns von Leognan und Saucats und der ersten Mediterranstufe im Sinne von Suess. Hat doch diese ohnehin auf der Tabelle (p. 44 bei Gripp) in den „fossilfreien Tonen und Sanden mit Braunkohlen“ nur eine recht schwache und ungenügende Vertretung gefunden. Wenn wirklich der Prozentsatz an oligocänen Arten im nord- deutschen Miocän so ungleich bedeutender wäre als im Aquitanien des Beckens von Bordeaux, wie Gripp meint (p. 42), resp. um- gekehrt, das letztere so viel mehr an neogenen Typen besäße als das Nordseebecken im unteren Miocän, so könnte dies auch an anderen Faktoren liegen, die der Autor nicht in Betracht gezogen hat. So ist ein gewisser Bruchteil der neogenen Fauna im Süden bereits im Mitteloligocän, im Stampien, vorhanden. Die noch recht ungenügend bekannte Fauna von Gaas bei Dax (Landes), deren mitteloligocänes Alter über jeden Zweifel erhaben ist, besitzt eine Reihe derartiger neogener Typen, unter denen ich hier nur Lucina columbella und L. dentata hervorheben möchte. Ferner dürften die klimatischen Verhältnisse im Süden für das Gedeihen und die schnelle Akklimatisation der andringenden Neogenfauna zuträglicher gewesen sein als die Verhältnisse der, wie die Fauna des Septarien- tones und der Stettiner Sande beweist, wohl damals schon wesent- lich kälteren Nordsee. Der Norden ist wohl auch damals schon zäher und widerstandsfähiger gewesen, und schließlich dürfen war nicht vergessen, daß, wie auch Gripp betont, augenscheinlich keine direkte Verbindung längs der heutigen Küste bestand und die Neogenfauna nur auf mehr oder weniger großen Umwegen von ihrem Ausgangspunkte in die Nordsee eingewandert sein kann. Gripp meint a. a. 0. p. 47, daß die neue Fauna nur im Norden auf dem WTege zwischen Schottland und Skandinavien oder von 1 Vergl. Bemerkungen zu W. Kranz, „Das Tertiär zwischen Castel- gomberto, Montecchio maggiore, Creazzo und Monteviale im Vicentin“ und Diskussion verschiedener dort berührter Fragen, zumal der Stellung der Schioschichten und der Grenze zwischen Oligocän und Miocän. N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. Beil.-Bd. XXXV. p. 549—627. 406 P. Oppenheim, Süden über Südengland oder über das Gebiet der Straße von Calais eingedrungen sein dürfte, vergißt aber ganz die Beziehungen zum Südosten : zu Siebenbürgen, Ungarn, Mähren und vielleicht Obersclilesien, über welche ich mich in meiner früheren, oben zitierten Publikation eingehender verbreitet habe. Der Pectunculus- Sandstein in Nordwest-Ungarn, die nordalpine Molasse und die anderen oberoligocänen Sedimente dieses südöstlichen Bereiches haben so zahlreiche Formen mit der gleichaltrigen marinen Be- völkerung Norddeutschlands gemeinsam, daß alle bisherigen Be- obachter hier einen unmittelbaren Zusammenhang als eine not- wendige und logische Folgerung angesehen haben. Wir können aber hier auch denselben allmählichen, häufig unter Oszillationen mit Braunkohlenbildungen erfolgenden Übergang vom Oberoligocän in das Miocän hinein feststellen, so daß man in vielen Fällen zweifel- haft ist, wo die genaue Grenze zwischen beiden Formationen zu ziehen sei. Ich bitte in diesem Punkte nachzulesen, was ich a. a. 0. p. 582 if. über derartige Bildungen aus der Umgegend von Buda- pest selbst wie aus Siebenbürgen etc. niedergelegt habe. In neuester Zeit sind diese Momente verstärkt worden durch die Mit- teilung einer sehr eigenartigen Fauna aus dem Biikkgebirge in Nordungarn aus der Gegend der Stadt Eger 1. Es finden sich hier oligocäne und miocäne Elemente, beide in vorzüglichem Erhaltungs- zustand in großer Mannigfaltigkeit und bunter Mischung neben- einander gesellt, und zwar sind die ersteren norddeutsch, die anderen mediterran. Es finden sich in dieser eigenartigen Fauna an Arten des norddeutschen Oberoligocän: Typhis Schlotheimi Beyk. Mur ex capito Phil. Pleurotoma Duchasteli Nyst — Selysii de Kon. — Konmckii Nyst Surcula regularis de Kon. Cassidaria Buehii Bell. Bingicula striata Phil. Chenopus speciosus Schloth. Cancellaria evulsa Sol. Pholadomya PuscJii Goldf. Cytherea incrassata Sow. — splendida Mer. Cyprina rotundata Braun Isocardia subtransversa d’Orb. Cardium cingulatum Goldf. — comatulum Bronn Pectunculus obovatus Lamk. Pecten textus Phil. Ostrea cyathula Lamk. Dagegen an Arten, welche man im allgemeinen gewohnt ist, als Bestandteile der südlichen Neogenfauna anzusehen: Typhis horridus Brocc. Pleurotoma coronata Münst. Eutritonium Tarbellianum Grat. — catapliracta Brocc. Fusus burdigalensis Bast. Peridipsaccus eburnoides Math. 1 Vergl. Karl Roth v. Telegd, Eine oberoligocäne Fauna aus Ungarn. Geologica hungarica. Tome I. Fasciculus 1. Budapest 1914. Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. 407 Ancilla suturalis Bon. Voluta rarispina Lamk. — ficülina Lamk. Ficula condita Brongn. Natica helicina B rocc. — Josephinia Risso — - compressa Bast. Conus Dujardini Desh. Bostellaria dentata Grat. Cypraea globosa Duj. Cerithium margaritaceum Brocc. Xenophora Deshayesi Micht. Corbula carinata Duj. * — gibba Olivi. Lutrar ia lutraria L. Tellina donacina L. Venus multilamella Lamk. Diplodonta rotundata Montagu. Area diluvii Lamk. Pecten burdigalensis Lamk., vermischt mit einer Reihe von Arten, welche dem südeuropäischen Oligocän angehören und deren wichtigste Natica crassatina Lamk. ist. Man sieht, daß eine Fauna mit einer derartigen Zusammen- setzung im Zusammenhänge gestanden haben muß sowohl mit Norddeutschland als mit dem Mittelmeerbecken. Man braucht also keine Verbindung um die Nordspitze von Schottland herum, um den seit dem Anfang des Oberoligocäns zu konstatierenden Ein- schluß mediterraner Elemente in der damaligen Nordseefauna zu erklären. In einer schon seit längerer Zeit fertiggestellten und in dieser oder jener Form in absehbarer Zeit zu erwartenden Monographie der Niememschitzer Schichten in Mähren wird zudem gezeigt werden, daß ein Teil dessen, was man gewohnt ist, als mediterran zu bezeichnen, in diesen östlichen Bereichen schon seit dem Unteroligocän heimisch war. Es müssen also beim Eintritt des Oberoligocäns neue Verbindungen nach Norden und nach Westen geschaffen worden sein, welche die eigenartige Mischung der Meeres- fauna hervorgerufen haben, die wir im Oberoligocän bemerken und welche schließlich durch Auslese zu der Entstehung rein neogener Faunen geführt haben. Das oberoligoeäne Meer war kein reines Regressionsmeer, wie Gripp meint, sondern scheint in bedeutenderem Umfange transgrediert zu haben. Beweise für derartige Über- flutungen sind in neuerer Zeit für den Niederrhein durch Fliegel1 2 und für Hessen durch Blanckenhorn 1 beigebracht worden. Für Ostdeutschland stehen sie noch aus ; aber hier wird der Tiefbohrer sicherlich noch mancherlei Überraschungen zutage fördern. Es verdient, nach dieser Richtung hin bemerkt zu werden, daß Kade3 1 Die Beziehungen zwischen dem marinen und kontinentalen Tertiär im niederrheinischen Tieflande. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 63. 1911. Monatsber. No. 11. p. 518. 2 Über Buntsandstein, Tertiär und Basalte auf der Südhälfte des Blattes Ziegenhain (Niederhessenb Jahrb. d. k. preuß. Landesanst. für 1914. 35. Berlin 1915. p. 581 ff. a Die losen Versteinerungen des Schanzenberges bei Meseritz. 1852. — Die große Mehrzahl der von Kade gesammelten Formen scheint aller- dings, wie mich eine Durchsicht seiner im K. Museum für Naturkunde zu Berlin auf bewahrten Originale lehrte und wie bereits von Koenen vermutet 408 P. Oppenheim, Ueber das marine Miocän im Nordseebecken. vom Sclianzenberge bei Meseritz eine Reihe von Formen des nord- deutschen Oberoligocän, der Sternberger Kuchen* 1 — wie er meint — , angibt, Bestimmungen, welche jedenfalls nachgeprüft zu werden verdienen. Man sieht, das norddeutsche Tertiär, zumal seine jüngeren Formationen, bietet noch eine Fülle von Problemen2, deren Lösung wohl möglich, aber noch weit entfernt ist. Die in ihnen liegenden Schwierigkeiten müssen erst entfernt werden, ehe man sich den letzten Fragen zuwenden kann. Diesem allseits erwünschten Re- sultate entgegenführen kann uns nur die angestrengteste und ge- naueste Einzelarbeit von Generationen. Zur Synthese ist der Boden hier noch nicht reif, die Analysis muß wieder mehr überwiegen. Vieles von dem, was Gripp beigebracht hat, ist brauchbar, aber nur als Arbeitshypothese. Die Hauptsache bleibt vorläufig vor allem eine bessere Kenntnis der in unseren Schichten — zumal im Oberoligocän und Miocän — eingeschlossenen Fossilreste. Diese läßt sich aber nicht durch Fossilisten geben; hier muß auf der in erster Linie durch Beyrich, in geringerem Maße auch durch von Koenen geschaffenen Grundlage weiter gebaut werden, und zwar in genauester und sauberster Einzel- arbeit. Wenn die obigen Zeilen zu dieser angeregt und an diesem oder jenem Punkte die Probleme gezeigt hätte, die noch der Lösung harren, würde der mit ihnen verfolgte Zweck erreicht sein. hatte, wesentlich älter zu sein und dem Paleocän anzugehören (vergl. A. von Koenen, Über eine paleocäne Fauna von Kopenhagen. Abh. d. k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. 32. 1885. Sitzung v. 7. Febr., p. 5 des Sep.). 1 Unter den Beständen des Berliner Museums findet sich ein Ge- schiebe typischen Sternberger Gesteins, welches aus der v. Schlotheim- schen Sammlung stammt und bei Zabrze, jetzt Hindenburg, in Oberschlesien aufgelesen sein soll. Gottsohe, welcher dieses Stück bereits erwähnt (Über die diluviale Verbreitung tertiärer Geschiebe. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1886. p. 248), bezweifelt die richtige Angabe seiner Provenienz. In F. Roemer’s Geologie von Oberschlesien wird die immerhin recht inter- essante Frage nicht berührt. 2 Zu diesen Problemen gehört auch die sorgfältige Scheidung einer nördlichen, autochthonen, Fauna von der südlichen, allochthonen Bevölke- rung, ihr gegenseitiges Durchdringen und ihre Mischung, der Grad ihrer gegenseitigen Beeinflussung. Ferner das höchst seltsame Zurücktreten der Skulptur bei manchen Gastropoden, zumal bei den Pleurotomiden, in unseren mehr nördlichen Gebieten während des mittleren Miocäns. Zu ihnen gehört andererseits die genaue Festlegung des Alters mancher Vor- kommnisse, wie z. B. für Gühlitz und Lüneburg. Es sei hier auf Anm. 2 p. 53 bei Gripp verwiesen, auf welche zu erwidern ist, daß hier hinsicht- lich des Punktes Gühlitz durchaus kein Versehen von Koenen’s vorliegt. Es ist auch für mich sehr wahrscheinlich, daß dieser Fundort älter ist und dem „sandigen Mittelmiocän“ angehört. H. A. Brouwer, Studien über Kontaktmetamorphose etc. 409 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Studien über Kontaktmetamorphose in Niederländisch-Ostindien. Yon H. A. Brouwer in Batavia. Mit 2 Textfiguren. In früheren .Mitteilungen wurden schon verschiedene Typen von Kontaktmetamorphose im Ostindischen Archipel von mir er- wähnt1. Hiervon sind besonders hervorzuheben die Bildung von feldspathaltigen Hornfelsen in Mittel-Sumatra, zwischen Rokan und Lubuk Bandhara, die Übereinstimmung zeigt mit der, welche von Michel-Lew im Plateau Central, von Barrois in der Bretagne und von Lacroix in den Pyrenäen beschrieben wurde. Eine andere Art pneumatolytischer Kontaktmetamorphose ohne Feldspatbildung im Kontakthof wurde beschrieben aus der Nähe von Kota Renah in Siak (Mittel-Sumatra). In den letzten Jahren fand ich Gelegenheit, Kontakte von ver- schiedenen Eruptivgesteinen und Sedimenten im Felde zu studieren. Über die Resultate wird nach der Untersuchung des Materials in verschiedenen Mitteilungen näher berichtet werden. I. Der Granit-Kalksteinkontakt bei Kota Tua, nördlich vom Vulkan Singgalan (Sumatras Westküste). Geologisches. Viele der Kalksteine von Sumatra, die sich oft mauerartig aus den umgebenden Gesteinen erheben, sind carbonischen Alters. Daß aber auch viele jüngere Kalksteine Vorkommen, ist sehr wahr- scheinlich. Volz2 fand in Kalksteinen, welche nicht sehr weit von dem hier beschriebenen Granitkontakte Vorkommen, eine Milleporide, Myriopora Verbeeki, die übereinstimmt mit der schon früher von 1 H. A. Brouwer, Over het granietgebied der Rokanstreken en over contactverschynselen in de omringende schisten. Versl. Kon. Akad. v. Wetensch. Amsterdam. 1914. blz. 278. Id., Pneumatolytische hoornrotsen uit de bovenlanden van Siak. Versl. Kon. Akad. v. Wetensch. Amsterdam. 1914. blz. 813. Id., Bydrage tot de Geologie van Boven Kampar- en Rokan- streken. Jaarb. Mynwezen Ned. Indie. 1913. Id., Über einen Granit- kontakthof in Mittel-Sumatra. Geol. Rundschau. 5. 1915. blz. 551. Id., Over den postcarbonischen ouderdom van granieten der Padangsche Boven- landen. Versl. Kon. Akad. v. Wetensch. Amsterdam. 1915. blz. 1182. 2 W. Volz, Oberer Jura in West-Sumatra. Dies. Centralbl. 1913. p. 755. 26* 410 H. A. Brouwer, Yabe 1 aus Grenzschichten zwischen Jura und Kreide von Japan beschriebenen Stromatopora japonica, so daß manche der felsbilden- den Kalksteine von Sumatra, von denen das Alter bis jetzt noch nicht durch Fossilien bestimmt werden konnte, viel jünger (jung- mesozoisch) sein können. Viele der ursprünglich als präcarboniscli betrachteten 1 2 Granite von Sumatra könnten also, auch wenn Kon- takterscheinungen in angrenzenden Kalksteinen fehlen, ein viel jüngeres Alter besitzen. In manchen Kalksteinen konnten aber Fig. 1. Umgebung des Granit-Kalkstein-Kontaktes westlich von Kota Tua. 1 : 30000. K. = Granit-Kalkstein-Kontakt. Kontakterscheinungen festgestellt werden und auch, wenn Kontakt- erscheinungen an der Grenze von Granit und carbonischem Kalk- stein fehlen, könnten die Kalkmauern, die sich ohne Transgressions- konglomerat und ohne Granitgänge oft ununterbrochen über die Grenze von Granit und den umgebenden Sedimenten fortsetzen, z. B. durch Überschiebung nach der Intrusion der Granite in Kontakt mit letztgenannten Gesteinen gebracht sein. Auch in diesem Fall könnten also die Granite sehr gut jünger als die dar- auf ruhenden carbonischen Kalksteine sein. 1 H. Yabe, On a mesozoic Stromatopora Journ. Geol. Soc. Tokyo. 1903. 2 R. D. M. Verbeek, Topographische en Geologische Beschryving van een Gedeelte van Sumatra’s Westkust. Batavia 1883. Studien über Kontaktmetamorphose etc. 411 Das Vorkommen von jungen Graniten im Ostindischen Archipel wurde zum erstenmal von Molengraaff1 in Borneo festgestellt, wo von ihm am Kontakt von Granit mit Gesteinen der mesozoischen, sehr wahrscheinlich jurassischen, Danauformation eine deutliche Kontaktmetamorphose wahrgenommen wurde. Untersuchungen der letzten Jahre haben auch das Vorkommen von mesozoischen Gra- niten auf Sumatra erwiesen oder wahrscheinlich gemacht2. Neulich wurde auch in den Molukken (Sula-Inseln) das Vorkommen von postjurassischen Graniten von Wichmann3 und mir4 festgestellt. Die Kalksteine des Granitkontaktes bei Kota Tua, die in dieser Mitteilung näher beschrieben werden sollen, kommen unter der Bedeckung mit jungvulkanischem Material des Vulkans Singgalan zum Vorschein, gerade in der nordwestlichen Fortsetzung der Granite, Diabase, Gabbros, carbonischen Kalksteine und Mergel etc. aus der Umgebung des Sibumbungebirges und des Bukit Pandjang, wo das carbonische Alter der Kalksteine durch zahlreiche Funde von Fusulinen, Schwagerinen, Trilobiten und Productus- Arten, von Verbeek festgestellt werden konnte. Beim Granitkontakt sind die Kalksteine kristallin und keine Versteinerungen wurden gefunden. Der Kontakt ist gut sichtbar in einer Steilwand am linken Ufer des Flusses Sianok, nahe vor der Mündung des auf dem Vulkan Singgalan entspringenden Flusses Limau und nahe nordnordöstlich 1 G. A. F. Molengraaff, Geologische verkenningstochten in Centraal- Borneo. blz. 458. Leiden 1900. 2 J. B. Scrivenor, The Rocks of Pulau Ubin and Pulau Nanas (Singapore). Quart. Journ. Geol. Soc. 66. 1910. blz. 429. A. Tobler, Voor- loopige mededeeling over de Geologie van de Residentie Djambi. Jaarb. Mijnu. Ned. Indie. 1910. blz. 18. W. Volz, 1. c. 3 C. E. A. Wichmann, Over gesteenten van het eiland Taliaboe (Soela eilanden). Versl. Kon. Akad. v. Wetensöh. Amsterdam. Mei 1914. Deel XXIII. 4 H. A. Brouwer, Over de Geologie der Soela eilanden (voorloopig reisbericht). Tydschr Kon. Ned. Aardr. Gen. 1915. No. 4. 412 H. A. Brouwer, von der Brücke am Wege nach Matur über den letzt- genannten Fluß. Eine kurze Strecke stromauf von dieser Stelle sind porpliyrische Granite mit sehr großen Feldspateinspreng- lingen an der linken Uferwand sichtbar, die Gesteine in der Nähe des Kontaktes haben viel feineres Korn und sind viel weniger deut- lich porphyrisch. Die Granite. Die granitischen Gesteine mit den sehr großen Feldspatein- sprenglingen, die stromauf vom Kontakt Vorkommen , enthalten diese bis einige Zentimeter großen Einsprenglinge in einem quarz- reichen Mineralgemenge mit Feldspat und Biotit. Mikroskopisch zeigen die Einsprenglinge die Eigenschaften des Mikroperthits. In Schnitten senkrecht zur stumpfen positiven Bisektrix des Orthoklases verlaufen die zahlreichen, stärker doppel- brechenden Albitschnürchen unter einem Winkel von ungefähr 58& mit den deutlichen Spaltrissen nach (001). In Schnitten senkrecht zur spitzen negativen Bisektrix zeigen die Albitschnürchen poly- synthetische Zwillingsbildung, sie verlaufen hier ungefähr senkrecht zu den Spaltrissen. Abgerundete bis fast idiomorphe und auch un- regelmäßig gebildete Quarzkriställchen, Biotit (z. T. in Chlorit umgewandelt), Muscovit und Erz (z. T. umgewandelt in Leukoxen) werden von den großen Feldspatkristallen umschlossen. Auch kommen unregelmäßige Äderchen in den Feldspaten vor, die aus einem Aggregat von sehr kleinen Quarzkriställchen bestehen. Die mittelkörnige Grundmasse des Gesteins besteht aus Feld- spat und denselben Mineralien, die schon als Einschlüsse in den großen Feldspatkristallen erwähnt wurden. Die Feldspäte der Grundmasse sind hauptsächlich saure Plagioklase, oft mit schwach zonarem Bau und polysynthetischer Zwillingsbildung. Bisweilen sind die Zwillingslamellen deutlich verbogen und auch die Aggregat- polarisation und undulöse Auslöschung des reichlich anwesenden Quarzes weisen auf starke Druckwirkung nach der Verfestigung des Gesteins. Eine sclrwache Sericitisierung der Feldspäte kommt häufig vor. In Gesteinen mit weniger ausgeprägter porphyrisch er Struktur, die in der Nähe der vorigen gesammelt wurden, fehlen die Plagio- klase auch in der Grundmasse ganz. Biotit kommt in diesen Ge- steinen fast gar nicht vor, die ursprünglichen dunklen Mineralien sind in hellen Glimmer und Chlorit umgewandelt. Die granitischen Gesteine nahe beim Kontakt, die in der Steilwand gesammelt wurden (bei 1 und 2 in Fig. 2), zeigen makroskopisch eine viel weniger deutliche porphyrische Struktur, die Grundmasse ist viel feinkörniger und die Einspreng- linge sind kleiner ; größere, makroskopisch deutlich sichtbare Quarz- kristalle kommen nur in geringer Zahl in diesen Gesteinen vor. Mikroskopisch zeigen die Feldspateinsprenglinge z. T. polysynthetische Studien über Kontaktmetamorphose etc. 413 Zwillingsstreifung1; zonarer Bau, oft mit Abwechslung von saureren und basischeren Zonen, kommt vor. Einige Plagioklase unter den Einsprenglingen wurden in Schnitten der symmetrischen Zone be- stimmt als basischer Labrador und auch saurere Mischungen kommen vor, allein und in den zonaren Kristallen. In anderen Gesteinen wurden nur saurere Mischungen wahrgenommen. — Der Quarz bildet einige Einsprenglinge, aber kommt hauptsächlich in der Grund- masse vor. Eine Art granophyrische Verwachsung mit Feldspat (Orthoklas) ist sehr verbreitet. Die größeren Feldspat- und Quarz- kristalle sind oft ganz von dieser Mineralverwachsung umsäumt und die Kristalle setzen sich dann mit gleicher optischen Orientierung in die Verwachsung fort. Außerdem kommen Quarz und Feldspäte als feinkörniges Mineralgemenge in der Grundmasse vor und in einigen der untersuchten Gesteine tritt die granophyrische Ver- wachsung sehr zurück. Die ursprünglichen dunklen Mineralien sind ganz in sekundäre Bestandteile (Chlorit, Epidot, Calcit), die auch in den Feldspäten Vorkommen, umgewandelt. Bisweilen kommt Muscovit mit dem Chlorit verwachsen vor, Apatit ist in einigen Säulchen vertreten, während die Erzkriställchen z. T. in Leukoxen umgewandelt sind. In diesen Gesteinen kommen mehr oder weniger rundliche dunkle Partien vor, die feinkörnig und reicher an dunklen Bestandteilen sind wie das umschließende Gestein. Mikroskopisch zeigen sie sich viel reicher an Erz und verwitterten dunklen Mineralien. Die granophyrischen Verwachsungen von Quarz und Feldspat fehlen ganz, die Feldspäte sind in langen Leisten aus- gebildet, die meistens keine polysynthetische Zwillingsbildung zeigen; hauptsächlich ist dieser Feldspat wohl Orthoklas. Calcit ist reich- lich vorhanden, auch zusammen mit Chlorit als Umwandlungs^ Produkt der ursprünglichen dunklen Mineralien. Das Erz ist z. T. ‘umgewandelt in Leukoxen. Durch die leistenförmige Ausbildung der Feldspäte nähert sich die Struktur denen der Diabase. Der Zusammenhang zwischen den granitischen Gesteinen mit großen Feldspateinsprenglingen und den Gesteinen in der Nähe des Kon- taktes ist nicht genau bekannt geworden, es ist aber möglich, daß die letztgenannten Gesteine eine Art Kandfazies darstellen, die feinkörniger und basischer ist als die erstgenannten Gesteine. Ob hier ein Beispiel endomorpher Kontaktmetamorphose vorliegt, muß vorläufig unentschieden bleiben. Die kontaktmetamorphen Gesteine. Die gesammelten Kalksteine in der Nähe und in einiger Ent- fernung der Granite sind alle kristallin, in der Nähe des Kontaktes kommen Gesteine vor, die reich sind an schönen, makroskopisch sichtbaren Kontaktmineralien (Granat, Vesuvian). Sehr nahe am Kontakt wurden die zahlreichen Kontaktmineralien in den Kalk- steinen nicht wahrgenommen. Nicht alle Gesteiue am Kontakt 414 H. A. Brouwer, sind metamorphe Kalksteine, auch wurden quarzreiclie Hornfelse angetroffe'n, die oft Epidot und auch Feldspat enthalten (hei 4 in Fig. 2). Obwohl der direkte Kontakt in der Steilwand überstürzt war, so sind doch die unten zuerst beschriebenen kristallinen Kalksteine gewiß nicht viel mehr wie ein Dezimeter vom Kontakt entfernt. Diese kristallinen Kalksteine sehr nahe beim Kontakt sind dort, wo die untersuchten Gesteine gesammelt wurden (bei 3 in Fig. 2), makroskopisch graulichweiß gefärbt, ohne sichtbare Kontaktmineralien. Mikroskopisch sieht man ein mehr oder weniger schiefriges Aggregat von größeren und kleineren Calcitkristallen, von denen die größeren unregelmäßig begrenzt sind, sie zeigen oft zwei Systeme von polysynthetischen Zwillings- lamellen. Neben Calcit kommt etwas Quarz und ziemlich viel mikroskopisch farbloser Augit vor. Sehr kleine Erzkriställchen und deren bräunliche Verwitterungsprodukte sind sehr untergeordnet. Augit und Quarz werden von den größeren Calcitkristallen um- schlossen, auch kommen sie zwischen diesen vor; auch wurde ein kleiner Augitkristall in Quarz eingeschlossen angetroffen. Die Hornfelse, die auch sehr nahe beim Kontakt Vorkommen (bei 4 in Fig. 2) und wohl aus, mit den Kalksteinen vergesellschafteten, kalkarmen Gesteinen hervorgegangen sind, sind z. T. Gesteine, die sich makroskopisch als fast nicht kristallin und fein gebändert, mit Abwechslung von weißen und grünen Schichten, erweisen. Mikroskopisch tritt diese Abwechslung auch deutlich dadurch her- vor, daß die grünen Bänder sehr reich sind an Chlorit und weniger Epidot, während die anderen viel ärmer an diesen Mineralien sind. Kleine, mehr oder weniger idiomorphe farblose Granatkriställchen kommen zerstreut in diesen Gesteinen vor. Die farblosen Mineralien sind Quarz und Feldspat. In den Partien, die arm sind an dunklen Mineralien, kommen auch Feld- spateinsprenglinge vor, in denen oft polysynthetische Zwillings- lamellen wahrgenommen wurden ; sie gehören zu sauren Plagio- klasen und zu Orthoklas. In dem feinkörnigen Mineralgemenge wurde nur ausnahmsweise polysynthetische Zwillingslamellierung wahrgenommen, Plagioklase scheinen hier unter den Feldspäten nur sehr wenig vorzukommen. Ganz in der Nähe der oben be- schriebenen Gesteine kommen auch, schon makroskopisch, wie Horn- felse aussehende Gesteine vor; sie zeigen grüne Farbe, sind deutlich kristallin und eine Bänderung ist makroskopisch nicht wahrnehmbar. U. d. M. 1 zeigen sie eine schiefrige und keine gebänderte Struktur, Feldspat ist nur in geringer Menge vorhanden; die Gesteine be- stehen hauptsächlich aus Quarz und parallel geordnetem braunem Biotit, der zum größten Teil in grünen Chlorit umgewandelt ist. Der Chlorit in den oben beschriebenen Gesteinen ist also auch sehr wahrscheinlich hervorgegangen aus ursprünglichem Biotit. Unter dem Mikroskop. Studien über Kontaktmetamorphose etc. 415 Neben Chlorit und Biotit kommt auch etwas, mikroskopisch farb- loser Epidot vor und größtenteils in Leukoxen umgewandeltes Erz. Auch kleine, z. T. idiomorphe und mikroskopisch farblose Granatkriställchen wurden wahrgenommen. In den oben beschriebenen Hornfelsen kommen schmale, un- regelmäßig verlaufende Äderchen vor, die ganz mit Pistazit, Zoisit und weniger Quarz ausgefüllt sind. Etwa 1 m höher wie die oben beschriebenen Hornfelse (bei 5 in Fig. 2) wurden dickbänkige kristalline Kalk- steine gesammelt, die den oben beschriebenen kristallinen Kalk- steinen ähnlich sind. In diesen Gesteinen kommt aber rotbrauner Granat vor , granatreichere Partien scheinen schichtförmig mit granatarmen bis -freien Partien zu wechseln. Mikroskopisch kommt auch in den Gesteinen neben den größeren, oft polysynthetisch verzwillingten und den dazwischen liegenden kleineren Calcitkristallen ziemlich viel farbloser Augit vor. Die Gesteine haben eine aus- gesprochen schiefrige Struktur. Auch Quarz und Mineralien der Epidotgruppe (hauptsächlich Zoisit) ■ nebst bräunlichgelbe eisen- reiche Umwandlungsprodukte kommen in geringer Menge vor. Die Granatkristalle sind mikroskopisch farblos und zeigen keine op- tischen Anomalien. Sie sind oft unregelmäßig begrenzt, isolierte Calcitfragmente und Augit kommen als Einschlüsse vor. Sehr oft werden die Granatkristalle von zahllosen, unregelmäßig verlaufenden Calcitäderchen durchsetzt, und eine beginnende Umwandlung in ein chloritisches Produkt wurde beobachtet. In mehr rötlich gefärbten kristallinen Kalk- steinen (bei 6 in Fig. 2) wurden die oben genannten Kontakt- mineralien auch mikroskopisch nicht wahrgenommen. Einige Quarz- kriställ dien kommen in der Calcitmasse vor, während die rötliche Farbe von eisenreichen Verwitterungsprodukten herrührt. Auch in diesen Gesteinen zeigt der Calcit oft polysynthetische Zwillingsbildung. Sehr schöne weiße kontaktm et amorphe Kalk- steine, die feinkörniger sind als die oben beschriebenen, aber viel reicher sind an Kontaktmineralien, kommen noch etwa 1 m höher vor (bei 7 in Fig. 2). Die Kristalle von braunrotem Granat und grünlichem Vesuvian sind sehr zahlreich, auch gelbe Epidotkriställchen kommen vor, bisweilen ist in den Gesteinen noch eine Art Schichtung wahrnehmbar. Die Verwachsung von Vesuvian mit Granat ist in einigen Kristallen schon makroskopisch wahrnehm- bar. An einigen Stellen sind die Granate in den Kalksteinen stark angehäuft und Partien von massivem Granatfels kommen vor. Mikroskopisch werden in einer, meistens feinkörnigen bis sehr feinkörnigen, Calcitmasse sehr zahlreiche Kontaktmineralien wahr- genommen. Außer aus Calcit sind die Gesteine aus Granat, Ve- suvian, Pistazit und Zoisit, Augit und Quarz zusammengesetzt. In einigen der untersuchten Gesteine ist eine schiefrige Struktur deutlich wahrnehmbar. 416 H. A. Brouwer, Der Granat ist mikroskopisch farblos und optische Anomalien fehlen den meisten Kristallen ganz. Die Kristalle sind meistens nicht idiomorpli,, bisweilen skelettähnlich ansgebildet. Die Calcit- masse dringt von der Peripherie in die Kristalle ein, und zahlreiche feine, mit Calcit ausgefüllte Äderchen kommen oft in großer Menge vor; auch isolierte Calcitfetzen werden umschlossen. In einigen Granatkristallen wurde an Pissen entlang eine beginnende Um- wandlung in ein schwach doppelbrechendes chloritähnliches Mineral beobachtet. Zonarer Bau wurde in den Granaten nicht wahr- genommen, einige Kristalle zeigen Anomalien (Rhombendodekaeder- typus wurde beobachtet). Auch Augitkriställchen und Quarz werden von den Granaten umschlossen. Auch der Vesuvian ist mikroskopisch farblos und z. T. in der Prismazone idiomorph ausgebildet. Eine prismatische Spaltbar- keit war in einigen Kristallen wahrnehmbar, die Kristalle löschen gerade aus und sind schwach doppelbrechend, die Längsrichtung ist negativ. In einigen Schnitten wurde im selben Kristall eine wechselnde Doppelbrechung beobachtet, der Kristall löscht ein- heitlich und gerade aus, aber sehr schwach und weniger schwach doppelbrechende Partien, beide mit optisch negativem Charakter, greifen zungenförmig ineinander. Auch zonarer Bau mit abwechseln- den schmalen Schalen von verschiedener Doppelbrechung wurde in einigen Kristallen beobachtet.. Wie die Granatkristalle sind auch die Kristalle von Vesuvian oft sehr unregelmäßig bis skelett- ähnlich begrenzt, die Calcitmasse dringt in die Kristalle ein oder isolierte Fragmente Werden umschlossen und bisweilen sind Teile eines selben Kristalls durch Calcit ganz voneinander geschieden. Manche Vesuviankristalle werden auch von zahllosen, mit Calcit ausgefüllten Äderchen durchsetzt. Wie der Granat enthält auch der. Vesuvian bisweilen Augitkriställchen eingeschlossen. Ver- wachsungen von Granat und Vesuvian sind nicht selten, die Kri- stalle sind einfach, mit unregelmäßig verlaufender Grenzlinie an- einandergewachsen oder der eine wird teilweise vom anderen um- schlossen. Auch kommen derartige Verwachsungen von Vesuvian mit Quarz vor. Auch wurde ein Granatkristall beobachtet, der ganz von einem Vesuviankristall umschlossen war. Der Augit ist mikroskopisch farblos , die Schnitte zeigen Auslöschungen bis 45°. Auch diese Kristalle sind oft unregel- mäßig begrenzt, sie kommen zerstreut in den Gesteinen vor, aber bisweilen häufen sie sich zu Verwachsungen von vielen Augit- kristallen an. Wie schon erwähnt, kommt der Augit auch in Granat und Vesuvian eingeschlossen vor. Pistazit und Zoisit sind wie die oben erwähnten Mineralien auch mikroskopisch farblos und sind oft im selben Kristall ver- einigt. Die stärker und schwach doppelbrechenden Teile des Kri- stalls gehen gleichmäßig ineinander über. Zum Teil sind die Studien über Kontaktmetamorphose etc. 417 Kristalle unregelmäßig1 begrenzt, z. T. sind sie säulenförmig oder in Säulenaggregaten ausgebildet. Sie zeigen nur geringe Aus- löschungsscliiefen bis gerade Auslöschung und eine Querabsonderung ist manchmal gut entwickelt. Das Entstehen der sehr silikatreichen kontaktmetamorphen Kalksteine kann schwerlich durch einfache molekulare Umlagerung erklärt werden, denn die Beschaffenheit der, wie sehr reine Kalk- steine oder Marmore aussehende Gesteine in weiterer Entfernung des Kontaktes scheint eine sehr gleichmäßige zu sein, so daß man dasselbe für die ursprüngliche Zusammensetzung der Kalksteine in der Nähe des Kontaktes vermuten darf. Ganz analoge Kontakterscheinungen kommen in den Kalk- steinen des Sibumbungebirges (Sumatras Westküste) vor, die ich in einer der folgenden Mitteilungen näher beschreiben werde ; hier sind die kontaktmetamorphen Gesteine durch einen Gehalt an Kupfererzen gekennzeichnet und wir betrachten die oben genannten Silikate und diese Erze als entstanden durch eine Stoffzufuhr aus den intrusiven 'Graniten. Die Tatsache, daß sowohl bei Kota Tua als im Sibumbungebirge die sehr silikatreichen metamorphen Kalk- steine nicht an direkten Kontakt gebunden sind , ist bei einer derartigen Stoffzufuhr verständlich. Bei der Bildung der feldspat- haltigen Hornfelse kann auch eine pneumatolytische Stoffzufuhr aus dem granitischen Magma stattgefunden haben und vielleicht sind die Bänder mit porphyrisclien Feldspäten und wenig dunklen Mineralien zu vergleichen mit den schichtförmigen Apophysen von granitischem Material in den Feldspathornfelsen von Rokan \ Bei der Feldspatbil- dung wurden dann in den letztgenannten Gesteinen, die schon ursprüng- lich viel Al und Kieselsäure enthielten, besonders die zugeführten Al- kalien aus dem granitischen Magma gebunden, während durch die Kalksteine besonders Al (Fe) und Kieselsäure festgehalten würden. Was die Beschaffenheit der granitischen Gesteine am Kontakt betrifft, so sind diesen Gesteinen an erster Stelle gewisse Struktur- eigentümlichkeiten eigen ; die Gesteine sind feinkörniger und grano- phyrische Verwachsungen von Quarz und Orthoklas kommen häufig vor. Übrigens scheint die Zusammensetzung der Gesteine am Kontakt, besonders was die Basizität der Plagioklase betrifft, schon in geringer Entfernung einigermaßen zu schwanken. Ob die Ge- steine am Kontakt als eine, durch magmatische Differentiation entstandene, basischere Randfazies der granitischen Gesteine mit großen Feldspateinsprenglingen betrachtet werden dürfen, oder auch Kalkaufnahme aus den angrenzenden Kalksteinen bei den Verände- rungen am Kontakt mitgewirkt hat, konnte noch nicht mit Gewiß- heit entschieden werden. 1 H. A. Brouwer, Über einen Granitkontakthof etc. 1. c. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 27 418 F. B. Nopcsa, Zur Körpertemperatur der Pterosaurier. Von Dr. Franz Baron Nopcsa. Unsere neueren Erfahrungen über den Körperbau der hoch- spezialisierten Pterodactylen und namentlich Abel’s neuer Re- konstruktionsversuch von Pteranodon 1 geben uns neue Anhalts- punkte für die Beurteilung der Frage, ob dies warmblütige oder „kaltblütige Tiere gewesen seien. Schon Haeckel und Seeley haben, letzterer hauptsächlich infolge des auf relativ sehr kräftige Energie weisenden, vogel- ähnlichen Hirnbaues bei den Pterosauriern warme Bluttemperatur angenommen, doch mußte diese Annahme infolge der Beobachtung des mangelnden Körperschutzes dieser Tiere sowie der damit ver- bundenen großen Wärmeausstrahlung fallen gelassen werden. Die Paralysierung der eventuellen großen Wärmeausstrahlung ist nun der Punkt, wo unsere Erörterung einsetzt. Abel hat bei seiner Rekonstruktion von Pteranodon auf vier Punkte gewiesen : 1. Auf den großen Rachen und Gesichtsschädel, dem sich dann höchst wahrscheinlich noch ein großer Kehlsack anschloß und der eine kolossale Entwicklung des Halsskelettes und Flugapparates nach sich zog. 2. Auf den auffallend kleinen Körper, in dem vielleicht nicht ein- mal für einen wohlentwickelten Verdauungsapparat Platz war. 3. Auf die Tatsache, daß Pteranodon in den Lüften nicht flatterte, sondern segelte, weshalb er beim Fliegen fast gar keine Energie verbrauchte. 4. Daß sich dieses Tier wahrscheinlich über der Meeresfläche aufhielt, womit sich naturgemäß eine aus Meerestieren be- stehende, also hochwertige Nahrung verbindet. Betrachten wir den ersten dieser Punkte, so ergibt sich, daß der ungeheure Rachen und der Kehlsack jedenfalls einen Zweck hatten, denn sonst hätten sie sich nicht entwickelt, und dieser Zweck kann offenbar nur darin bestanden haben, möglichst viel Nahrung zu ergreifen. Pteranodon war also trotz seines auffallend kleinen Körpers ein Vielfraß, und wenn es auch richtig ist, daß dasselbe bei den meisten jetzt lebenden, Fische-fressenden Vögeln der Fall ist, z. B. bei dem Eisvogel, so ist die Disproportion zwischen Körper und Rachen bei Pteranodon unvergleichlich größer als bei allen Fische-fressenden Wasservögeln. Ein weiterer Unterschied 1 Die Arbeit erschien unter dem Titel: 0. Abel: „Die Lösung des Flugproblems bei den Tieren der Vorzeit“ in der Wochenschrift der Wiener Urania, Nummer vom 20. Mai 1916 (4 Figuren im Texte). Zur Körpertemperatur der Pterosaurier. 419 zwischen dem Eisvogel und Pteranodon besteht darin, daß ersterer fast im Sch wirrfluge die Luft durchschneidet, also hierbei viel Muskelarbeit leistet, d. h. mit anderen Worten, viel frißt, aber auch viel Energie verbraucht, während der durch die Lüfte segelnde Pteranodon dies nicht tat. Die Frage, die sich nach allen diesen Beobachtungen un- willkürlich aufdrängt, ist die: Wozu hat Pteranodon, der einen so kleinen Körper hatte, die im Wege reichlicher Nahrung dem Körper zugeführte Energiemenge überhaupt benötigt? Irgendwo ist die Nahrung doch verwendet worden, und da ist denn der Ge- danke naheliegend, daß dies eben dazu geschah, um die Körper- temperatur trotz ihrer, infolge mangelnder Schutzvorrichtung großen Wärmeausstrahlung konstant auf einer gewissen Höhe zu erhalten. Die auffallende Verkleinerung des Körpers von Pteranodon , die vom rein mechanischen Standpunkte vollkommen unmotiviert erscheint, erscheint bei dieser Annahme bloß als ein Versuch, den sonstigen Stoffwechsel zugunsten der Wärmeerzeugung auf ein Minimum zu reduzieren, mit einem Wort, als ein Versuch, einen möglichst großen Teil der Nahrung zu Wärmeerzeugung zu ver- wenden. Bei diesem Punkte weisen wir wieder auf die Tatsache hin, daß auch heutzutage in kälteren Gebieten kleinere Reptilien leben als in wärmeren. Alle diese Tatsachen hängen in letzter Instanz naturgemäß wieder mit der bei Reptilien unvollkommenen Trennung des arteriellen und venösen Blutes zusammen, was un- günstigere Oxydationsbedingungen hervorruft. In der eigentümlichen Art, wie Pteranodon nach unserer An- nahme das Problem einer erhöhten Körpertemperatur gelöst hat, kann man gleichzeitig auch die Ursache des Aussterbens dieses unzweifelhaft im Mesozoicum ohne Wettbewerb die Luft be- herrschenden Flugtieres erblicken, denn das Erzielen einer erhöhten Körpertemperatur durch Erhöhung der Nahrungsaufnahme bei gleich- zeitiger Verringerung des nackten, daher konstant intensiv Wärme ausstrahlenden Körpers, involviert einen inneren Widerspruch, der zum Erlöschen der diese Entwicklungsrichtung einschlagenden Formen führen mußte. Im Gebisse der Orthopoden haben wir bereits einen Fall konstatiert, wo die Spezialisierung einer Form deshalb ihr Er- löschen herbeiführte, weil sie auf unökonomischer Basis erfolgte, bei Pteranodon liegt offenbar ein zweiter analoger, jedoch noch viel drastischerer Fall vor. Wien, 29. April 1916. 27* 420 G. Hoffmann. Gerdalepis Rhenanus nov. gen. Pterichthys Rhenanus Beyrich, Traquair, Smith-Woodward. Asterolepis Rhenanus Jaekel, Hoffmann. Von Guido Hoffmann in Riederau a. Ammersee. Mit 3 Textfiguren. Zur Erörterung- des Namens verweise ich der Kürze halber auf meinen Beitrag in dies. Centralbl. 1909, p. 491 ff. Jaekel benannte unsere Form nur deswegen Asterolepis , weil er die Ein- teilung in Gattungen, wie Traquair sie auf Grund seines reichen Materials gewählt hatte, aus unerörterten Gründen nicht anerkennen wollte, während ich damals nach Prüfung des berühmten Objektes unter Übernahme der TRAQUAm’schen Systematik einen typischen Asterolepis gefunden zu haben glaubte. Die Rücksicht auf den einzigen in Deutschland gefundenen und den einzigen ganz erhaltenen Rumpfpanzer ließ es damals geboten erscheinen, bei der Untersuchung so vorzugehen, daß das Stück der Berliner Schausammlung nicht beschädigt wurde. Wie ich mich aber bei meinen Eifelwanderungen vor einigen Jahren überzeugen konnte, hat der Hauptlehrer Dohm in Gerolstein mehrere ganz erhaltene Rumpfpanzer gefunden, die beim Verkauf seiner Sammlung nach Bonn gekommen sind. Bei meinen wieder auf- genommenen Studien an dem russischen Material aus dem Timan- gebirge , das Tschernyschew von seiner Uralreise mitgebracht hatte, fand ich, daß über die Gattungen und Arten der Astero- lepiden und Bothriolepiden noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und daß bei einer geologischen Untersuchung des dortigen Devon für die Systematik der Plac oder men über- haupt ganz bedeutsame Einsichten zu erwarten sind. Zu einer nochmaligen Prüfung des Berliner Objektes bewogen mich besonders die Umstände, daß in Gerolstein Mitteldevon an- steht, daß Traquair seinen Asterolepis maxima ins Oberdevon, seinen Pterichthys ins Mitteldevon und seine Bothriolepiden ins Oberdevon stellt, und nicht zu mindest, daß Pterichthys eine Über- gangsform von Asterolepis zu Bothriolepis vorstellen soll. Besonders anregend wirkte die Tatsache, daß nur die Gerolsteiner Funde ganz erhalten sind und uns die Körperform dieser Tiere verraten. Sollte das morphologische Gründe haben? Es wäre billig gewesen, hier mit neuen Ideen und Theorien, die immer mehr oder weniger grau bleiben, auf den wissenschaftlichen Markt zu treten. So blieb mir nichts anderes übrig, als unserem berühmten Funde weniger schonungsvoll zu Leibe zu gehen. Der Erfolg war überraschend. Es stellte sich heraus, daß wir es in Gerolstein mit einer Zwischenform von Asterolepis zu Pterichthys zu tun haben, mit einer phylogenetischen Erscheinung, die nicht nur die Abstammung des Pterichthys von Asterolepiden- Gerdalepis Rhenanus nov. gen. 421 formen beweist, sondern auch verrät, wie diese Entwicklung vor sich gegangen ist und — weshalb die Gerolsteiner Funde ganz erhalten sind. Wenn man die Systematik Jaekel’s auf den Kopf stellt und die von ihm gezeichneten, aber nie gesehenen, seiner Systematik zuliebe entdeckten Platten von Ast. Rhenanus in das Reich der Fabel verweist, so bestätigt sich der Satz, daß die Erlangung größerer Beweglichkeit mit höherer Differenzierung Hand in Hand geht. Somit muß Coccosteus von Asterolepiden und nicht umgekehrt, wie Jaekel behauptet, Asterolepis von Coccosteiden abstammen. Schon die Verkümmerung des hinteren Schultergürtels von Coccosteus genügt allein, um Jaekel ad absurdum zu führen. Wenn er nur das Postnuchale bei seinen Reproduktionen , so wTie er selbst es gefunden hat, uns mitgeteilt hätte ! (Vermutlich hat er es für eine abgebrochene Spitze des Nuchale gehalten.) Alle deszendenztheoretischen Betrachtungen über Asterolepiden haben, das möchte ich ausdrücklich festgestellt haben, nur paläontolo gischen Anregungswert. Sie sind nur ein rein vergleichendes Anschauungsergebnis, da uns für exakte wissenschaftliche Systematik die geologisch- stratigraphischen Unterlagen fehlen. In aller Kürze möchte ich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß Traquair seinen Asterolepis maxima zugleich mit Bothriolepis major in das Oberdevon verlegt (1906, p. 76) (The original specimen is said to have kome from Boghole — ! — not a single remnant of any species of Bothriolepis has ever been found in the Asterolepis- bearing beds at Nairn! — it remains, however, for the Geological Survey to settle the stratigraphical relationship of the beds — !). Die Asterolepis bearing beds sind also höchstwahrscheinlich älter; und wer weiß, welche Horizonte sich in einem Knochenbed be- finden ? Ebenfalls nach Traquair sollen die Pterichthyer im Mittel- devon Vorkommen (1906, p. 95): . . . as yet only been found in the Middle Old Red of Scotland (Orcadian Series) and in the Middle Devonian of Germany ( Bterichthys Rhenanus). Letzteres paßte ihm natürlich in seine Theorie ! Nun fehlt aber in Schottland im Süden das ganze Mitteldevon, im Norden das Obere Mitteldevon. Und die Knochenreste werden sich in der Basal-Breccie der Trans- gression, also im Unteren Oberdevon, befinden. Es ist demnach sehr fraglich, ob er aus dem Mitteldevon stammt. Nehmen wir also die Grenze von Mittel- und Oberdevon an. Was von Pier. Rhenanus zu halten ist, werden wir ja gleich sehen. In den Baltischen Provinzen kommt nun Asterolepis (die Knochenplatten sind durch Transporte angegriffen !) im Unteren Mitteldevon vor und Bothriolepis im Oberdevon. So berichtet auf 422 G. Hoffmann, Grund der vorliegenden Angaben Frech: Lethaea pal. I. Teil. 2. p. 232. Wenn das richtig ist, was erst noch ein Fachmann an Ort und Stelle prüfen müßte, kann das englische Bone bed, in dem kein Botliriolepis Vorkommen soll, aufgearbeitetes Unteres Mittel- devon sein, dann ist Asterolepis maxima eine späte Asterolepiden- form, und Gerdalepis Rhenanus steht im Mittleren Mitteldevon, paläontologisch gesprochen, an richtiger Stelle. Aber — niemand hat ihn bisher im Lager gefunden. Der einzige, der uns Kunde geben könnte, ist Dohm in Gerolstein, und der teilte mir mit, daß die Fischreste vom Mühlberg stammen. Nach Einsicht in die Gerolsteiner Funde in der Geol. Landesanstalt, in der Bergakademie und in Dohm’s neueste Funde scheint die Verwitterungsschicht unseres Originals der Kalksteinschicht zu entsprechen, welche den Crinoidenschichten gleichgestellt wird. Ob das zu Recht geschieht, müßte noch geprüft werden ! Eine noch höher differenzierte Form ist der von Traquair unlogischerweise zwischen Pterichthys und Botliriolepis gestellte Microhrachius aus dem John o’Groats’ sandstone, der nach Frech Mitteldevon sein soll. Bothr. Canadensis kommt nun wirklich im Oberdevon vor. Bei einer Prüfung des deutschen Sammlungs- materials entdeckte ich aber, daß dort auch höher differenzierte (wie Microhrachius ) Formen Vorkommen. Ist nun das englische Lager des Microhrachius wirklich kein Oberdevon? Im Timangebirge, Nordwest-Rußland, kommen in einem Knochen- bette (Mittleres Oberdevon ?) sämtliche Asterolepiden , also auch Bothriolepiden, vor. Botliriolepis major aber und andere kommen in einer tieferen Fazies vor. Die bisher also rein paläontologische Systematik gründet sich auf den Knochenüberlagerungen. Eigentümlich ist dabei, daß, je komplizierter die Überlagerungsverhältnisse werden , desto mehr Kanten in der Längsachse am Rumpfpanzer auftreten. Zugleich werden auch die pektora'len Flossenstacheln läDger und beweglicher, und das Distalglied derselben verwächst zu einem festen Spieß L Mit anderen Worten : Aus der bodenständigen Form wird ein Freischwimmer, indem der Panzer sich rundet und der Hinter- leib beweglicher wird. Wir haben an Hand der historisch-geo- logischen Tatsachen allen Grund, an eine solche Entwicklung zu glauben. Infolgedessen sind die Knochenüberlagerungsverhältnisse vorläufig eine systematisch gut zu wertende Erscheinung. Bei den bisher bekannten Formen kam nur in Betracht, ob das Nuchale die Scapula und Postscapula, also die Dorsolateralplatten, über- lagert oder von der Postscapula ( Botliriolepis und Pterichthys) über- lagert wird. Bei Microhrachius, dem einzigen Fundobjekt, über- 1 Vergl. meine Studie. Palaeontographica. 1911. Gerdalepis Rhenanus nov. gen. 423 lagert die Scapula am hinteren Ende ebenfalls das Nuchale. Dieses Überlagerungsverhältnis habe ich nun bei einigen kanadischen Bothriolepiden, die unter dem Namen Bothr. Canadensis in den Sammlungen liegen, und bei einem Bothriolepis aus dem Timan- gebirge gefunden. Der Name Microbrachius ist aber nicht statt- haft, da diese Formen in viel höherem Lager liegen und besonders lange Pektoralstacheln haben. Ich möchte sie Macrobrachius taufen und sie (von jetzt ab gerechnet) vor die Bothriolepiden stellen. Wir werden also noch viele marine und brackische Formen Fig. A. Gerdalepis Rhenanus, von vorn gesehen (ohne Kopf). Zeichen-Erklärung (für alle Figuren gültig). Die gestrichelten Linien bezeichnen die überlagerten Plattengrenzen. Die gewellten Linien bezeichnen und begrenzen die tuberkulierte Fläche. N = Nuchale. P = Plattengrenze. K = Kante. S = Schleimkanal. Cl-C = Clavicula-Coracoid. Sc = Scapula. B = Basis der Pektoral- stacheln. V1 2 3 = Verzahnungen. 0 — ■ Opercularfeld. A — Arti- kulationsstelle des Kopfes. St — Sterium. M = Mundsaum. PC1-C = Postclavicula-Coracoid. P N = Postnuchale. P Sc = Postscapula. aus den verschiedensten devonischen Stufen der verschiedenen Gegenden zu erwarten haben. Die Form von Gerdalepis Rhenanus ist eine ausgesprochen dreikantige, wie sie, nach den Bruchstücken zu urteilen, auch Asterolepis und Plerichthps gehabt haben müssen. Durch eine aus- geprägte Kante ist die schön oval umgrenzte Ventralseite von der Dorsalseite abgehoben. Die Kante verläuft vom Kopf (Unterkiefer- 424 G. Hoffmann, region) bis zur Schwanzregion und wird nur von der Artikulations- basis der pektoralen Flossenstacheln unterbrochen. Eine dritte Kante verläuft in der Mittelachse des Körpers über das ungewöhn- lich hoch gebuckelte Nuchale und Postnuchale. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß sie bei dieser Form auch noch über das notwendig gebuckelte Occipitale medium läuft. Eine vierte und fünfte Kante nun beginnt an der Kopfartikulationsbasis und läuft über die ganze Scapula, bis sie in der Postscapula verschwindet. Man redet in diesem Falle von einer beginnenden Kanten- bildung. Denn bei Bothriolepiden ist diese Kante auf Kosten der medianen Nuchalkante derartig ausgeprägt, daß die Dorsalpartie zwischen ihnen fast flach bis ganz flach wird und die Flanken unterhalb dieser Kanten zur Ventralseite gehören. Infolgedessen ist bei Boiliriolepis der Kopf flach und sehr breit. Bei unserer Form dagegen ist der Kopf, wie aus der Vorderansicht zu schließen, hoch und schmal. Hinter der Wangenregion, also hinter dem Operculum, wo die Kiemen heraustraten, zeigen Scapula und Clavicula-Coracoid gemeinsam ein glattes und mit Haut oder Sehnen- bändern bewachsenes Feld, die Kiemenregion am Thorax. Die Knochenplatten sind hier fast verwachsen und sowohl in ebener Begrenzung als auch im Querschnitt, dem Überlage- rungsverhältnis, regelrecht verzahn t (V3). Auf der Seiten- B Fig. B. Gerdalepis Bhenanus, von links gesehen. Gerdalepis Ehenanus nov. gen. 425 M. ansicht selbst läuft eine leichte Verzahnung hin. Schon die schwache Ausbiegung auf der Grenzlinie der Scapula wies darauf hin. Noch schwächer ist die Postscapula mit dem Postclavicula- Coracoid verzahnt (V4). Stärker und regelrecht verzahnt oder verschränkt sind auch Postscapula und Postnuchale (V9). Ganz besonders beachtenswert aber ist die Verzah- nung bei Vr Man muß hier eigent- lich von einer Verschränkung reden. "Wie bei V2, so suchte ich auch hier der Ausbiegung des P Sc auf den Grund zu kommen. Ich erinnere daran, daß Traquair den Satz vertrat, daß die Ausbiegung einer Knochenplatte eine Überlagerung verrät. Auf Grund dieser Anschauung stellte er unbesehen un- sere Form zu den Pterichthyern. Da- mals erkannte ich aber (dies. Cen- tralbl. 1906) an der oberen Begren- zung der Knochenplatte, daß unsere Form ein Asterolepis im Sinne Tra- quair’s sein müsse. Nach dem jetzigen Befunde muß ich mich aber dahin ent- scheiden, daß Gerdalepis dem Astero- lepis als dem Pterichtliys etwas näher steht und auf dem besten Wege ist, ein letzterer zu werden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die leichten Ver- zahnungen bei V2, V3 und V4 nur Hilfsmittel sind, um dieses kritische Stadium, dieses Anstreben größerer Beweglichkeit gefahrlos zu über- winden. Ob dazu die planen Ver- zahnungen in der Längsachse der Ventralseite dienten, ist schwer zu entscheiden. Zum Schluß sei noch darauf auf- merksam gemacht, daß der Schleim- kanal, den wir damals als ein stati- sches Organ angesprochen haben, in dem hinteren Teil der PSc vor der inneren, von oben nach unten verlaufenden Verdickung in der Knochenplatte verschwindet. Dort muß der Rumpf am Panzer gesessen haben, dort mußte er auf die Körperwandung übergetreten sein. Ob die Clavicula-Coracoide sich auf der Ventralseite alter- nierend überlagern , wie ich das bei einem Bothriolepiden (?) im Fig. C. Gerdalepis Rhenanus , von unten gesehen. 426 Besprechungen. Timangebirge gefunden habe, wissen wir nicht, auch nicht, welcher Gestalt und Länge die Pektoralstacheln und welcher Form die Kopfplatten waren. Nur eins glaube ich zu wissen, daß das Occipitale medium wie bei Asterolepis von Artikulationsbasis zu Artikulationsbasis quer von jenem Schleimkanal oder Sehnenband überlaufen wurde. Daß ich unsere Wissenschaft mit einem neuen Gattungsnamen belastet habe, bitte ich zu entschuldigen. Die Namen Asterolepis und PtericWiys waren in Schottland und Kurland vergriffen und passen, wenn wir Gattungsmerkmale durchführen * wollen, nicht mehr auf unsere marine Tiefenform1. Besprechungen. A. Philippson: Der französisch -belgische Kriegs- schauplatz. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1916. 92 p. Mit 3 Tafeln. Der Verf. hat in dem vorliegenden Büchlein einen gleich- namigen ausführlichen Aufsatz in der „Geographischen Zeitschrift“ in leichtverständliche Form gebracht, so daß der Inhalt für alle gebildeten Kreise, besonders auch für Teilnehmer des Feldzuges im Westen, leichter lesbar geworden ist. Die Lektüre des vorzüglich ge- schriebenen Werkchens fesselt den Leser und nicht zuletzt den Geologen. Wird doch von dem Verf. die wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung der einzelnen Landschaften und ihrer Teile, ebenso wie ihre Geschichte auf die hier in breiten Zügen vor- handene geologische Struktur zurückgeführt. Auch die Vorgänge, welche sich im Laufe des gegenwärtigen Krieges bisher hier ab- gespielt haben, sind stark von den Landschaftsformen und der Struktur des Bodens geleitet worden. Auch nach Ansicht der Herausgeber dieses Centralblattes dürfte daher ein ausführlicheres Beferat besonderem Interesse begegnen. Der große Stellungskampf der deutschen Westfront hat die geographischen und geologischen Verhältnisse eines breiten Land- schaftsstreifens von der Nordseeküste bis zum Schweizer Jara in den Mittelpunkt des allgemeinsten Interesses gerückt. Die erfolg- reiche, große, gegen Westen gerichtete deutsche Offensive zum 1 Über die Bewegungsmöglichkeiten dieser Formen habe ich mich in „Organisation der Bothriolepiden“ — Palaeontographica 1916 ausführ- lich geäußert. Besprechungen. 427 Beginn des Krieges hat den Kriegsschauplatz mit Ausnahme un- bedeutender Gebiete im Süden dauernd in Feindesland getragen, und zwar in ein Gebiet, welches nur wenigen durch eigene An- schauung bekannt ist, über dessen orographische Gliederung, Gesteins- entwicklung, dessen Klima, Verkehrs Verhältnisse und dessen Rolle in früheren historischen Begebenheiten sich heute viele genauer orientieren möchten. Das gigantische Völkerringen, in dem Deutschland aus der politischen Defensive gegen die Koalition seiner großen Nachbarn hier in die militärische Offensive hat übergehen können, spielt sich auf einer Landfläche ab , welche von der Schweizer Grenze bei Basel und Pruntrut bis zur belgischen Nordseeküste in der Luftlinie 530 km mißt. Im Süden bildet die Ost- und Nordgrenze des Reichslandes, im Norden die Ost- und Nordgrenze Belgiens, in Frankreich die Landschaft von Beifort zur Marne und diese abwärts bis Paris und von dort über Amiens nach Calais das engere Kriegsgebiet. Große natürliche Landschaften werden über- deckt, Vollkulturländer der Gegenwart mit höchst entwickelter Wirtschaft und dichtestem Verkehrsnetz. Ein altes Grenz- und Kampfgebiet der germanischen und keltisch-romanischen Völker, Kulturen und Staaten seit den Zügen Cäsars und der Völkerwande- rung bis zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Seiner geologischen Struktur nach ist diese Landschaft vor- wiegend ein Schollen land mit mehr flächenartig ausgebreiteten Einheiten von verschiedener Bodennatur und von wechselnder Höhe. Große, verhältnismäßig einfache Schollen 1 setzen im Gegensatz zu dem bunten Mosaik des deutschen Bodens denjenigen Frankreichs zusammen. Die größte der französischen Landschaftseinheiten ist das nordfranzösische Becken, das fast ganz Nordfrankreich mit Paris in seiner Mitte einnimmt. In ihm liegen die tertiären und mesozoischen Formationsglieder nahezu flach [mehrere leichte Auffaltungen fehlen bekanntlich auch hier nicht. Ref.] übereinander. Man hat dieses Becken wohl mit einer Anzahl übereinander- gelegener flacher Schüsseln verglichen, in welchem die einzelnen Schüsseln einzelne Formationsglieder darstellen und die oberen Schüsseln einen jeweils kleineren Durchmesser besitzen. Das ge- samte Schichtbecken oder Tafelland ist durch Abtragung in ein mildes Hügelland verwandelt von anmutig-idyllischem Gepräge, 1 Das gilt allerdings nicht ohne sehr wesentliche Einschränkungen. Auch unter Außerachtlassung der französischen Westälpen, der Pyrenäen und der Auffaltungen am Mittelmeerrand östlich Marseille stellen die von Marcel Bertrand aufgedeckten Überschiebungen innerhalb des paläo- zoischen Untergrundes des Artois und die Ardennen, sowie die Gebirgs- züge der Bretagne ebenso wie das östliche Centralplateau mit den Ce- vennen und das Gebirge von Cabrieres Gebiete äußerst komplizierten Aufbaus dar. 428 Besprechungen. in dessen Mitte die zahllosen Landsitze und die vielen Städte und Städtchen mit ihren Kathedralen und Rathäusern von einer alten, reichen, wenn auch heute stagnierenden Kultur reden. Auf- fällige Unebenheiten sind nur am äußeren Rand der einzelnen Schichtschüsseln vorhanden. Das Hügelland wird durch konzentrisch verlaufende einzelne Schichtstufen gegliedert, welche die Abtragung dort ausgearbeitet hat, wo eine härtere Gesteinsfolge im Hangenden nach dem Außenrand des Beckens zu durch eine weniger wider- ständige Gesteinsfolge in ihrem Liegenden im Oberflächenbau abgelöst wird. Besonders der östliche Teil des Schichtbeckens von der Oise bis zur Yonne kann als die Landschaft konzentrischer Formationsringe und Steilstufen bezeichnet werden. Der Rand des Schichtbeckens wird im Nordwesten durch das Meer gebildet, nicht ohne daß die gleichen Formationsglieder (allerdings in anderer Lagerung) jenseits des Kanals in Südengland wieder auftauchen. Hier liegen die Normandie, Picardie und das Artois innerhalb des Beckens. Der südliche Teil des Beckens kann außer Betracht bleiben. Gegen den Westrand wird das nordfranzösische Schicht- becken aber von einer Anzahl höhergelegenen Gebirgsschollen be- grenzt, welche aus paläozoisch zusammengestauchten Falten- und Schubstücken bestehen, deren Oberfläche heute flachwellige sogen. Rumpfgebirge bilden. Diese besitzen teils infolge ihres Gebirgs- charakters, teils infolge rauheren Klimas eine geringere Kultur- fähigkeit als das Becken. Im Osten stellen die sich von Süden nach Norden erstreckenden Vogesen und die in den westlichen Ausläufern nach Frankreich hineinreichenden Ardennen, sowie der deutsche Hunsrück die Begrenzungen des Beckens dar. Sie sind zugleich seit altersher die natürlichen Grenzen der französischen Beckenländer gegen das deutsche Schollenland oder des staatliche!! Frankreichs gegen das Deutsche Reich samt Belgien. In drei tiefen Zungen greift das nordfranzösische Schichtbecken zwischen diese Pfeiler weit nach Osten. Im Südosten erhebt sich der Rand des Tafellandes im Plateau von Langres und in der Cöte d’Or zu einem hohen Rand, der zur Grabensenke der Saöne abfällt, die ihrer- seits in die Rhone-Senke übergeht. Aus ihr führt die Burgundische Pforte oder die Lücke von Beifort, zwischen Kettenjura und Vo- gesen, nach Deutschland in die oberrheinische Tiefebene hinüber. Nördlich der Vogesen bis zum Hunsrück erstreckt sich die meso- zoische Platte über die Pfälzer und Elsässer Hardt 1 bis zum Ab- 1 Diese Bezeichnung für die Zaberner Pforte ist bekanntlich nicht landesüblich. So berechtigt es erscheint, das Pfälzer Bergland vollständig demjenigen der nördlichsten Vogesen gleichzustellen, so zweifelhaft er- scheint es, eingebürgerte, historisch entwickelte Landschaftsnamen auf Grund morphologischer und struktureller Momente abzuändern (vergl. hierzu die ältere Polemik Langen beck- van Werveke). In der Pfalz wird auch nur der östliche bewaldete, dem Rhein tal zugekehrte Bergzug als Hardt bezeichnet. Besprechungen. 429 brucli ins Eheintal. Die dritte Zunge greift als Luxemburger Bucht zwischen Hunsrück und Ardennen in die südwestliche Eifel hinein. Ihr gehört der größte Teil des Luxemburgischen Landes an. Von großer Bedeutung ist die von ihrem Hauptteil abweichende Entwässerung der nordfranzösischen Schichttafel im Osten. Der weitaus größte Teil des Beckens wird, gemäß der beschriebenen erhöhten Lagerung der konzentrischen Schichtstufen gegenüber der Mitte des Beckens, durch radial vom Rand der Becken in ihr Zentrum verlaufende Flußsysteme entwässert. Der Seine fließen vom nördlichen und südlichen Beckenrand und aus dem Osten in radialer Anordnung die Oise mit ihren Nebenflüssen (Aisne), die Marne und die Yonne zu, während die Yonne in ähnlicher Weise den südlichen Teil des Beckens entwässert. In der Mitte der Einmündungen der großen Nebenflüsse in die Seine , zugleich in der Mitte der nordfranzösischen Schichttafel, liegt Paris, der natür- liche Mittelpunkt und zurzeit mehr denn je der politische und kulturelle wie der militärische Mittelpunkt Frankreichs : die Haupt- stadt und die gewaltigste Festung1. Dieser regelmäßigen Anlage der Flußsysteme innerhalb des Schichtbeckens steht der vollständig anders gerichtete Verlauf der Mosel und der Maas am Ostrand des Beckens gegenüber. Sie entwässern diese Randgebiete nach außenin südnördlich gerichteten Talfurchen, die auch das Rheinische •S chief ergebirge bezw. die Ardennen durchqueren. Hierdurch wird die natürliche Zwitterstellung Lothringens bewirkt, welches der Schichtenlagerung nach zum nordfranzösischen Becken gehört, dem die Flußtäler aber Verkehrswege nach Deutschland und in die Niederlande vörschreiben. Es ist von jeher ein Streitobjekt der hier zusammenstoßenden Völker gewesen, während das Elsaß ganz zur deutschen Landschaft gehört. Unmittelbar östlich dieser Grenz- gebiete befindet sich die größte Verkehrsader Deutschlands, der -Rhein, um den sich die höchst entwickeltsten und dicht bevölkertsten Teile unseres Vaterlandes gruppieren. Eine feindliche Invasion hätte hier unsere empfindlichste Stelle getroffen, eine hier ein- getretene feindliche Besetzung hätte uns wehrlos gemacht. Daher wurde mif stärksten Kräften die Offensive im Beginn des Feld- zuges — selbst unter Preisgabe eines Teiles von Ostpreußen — ins Feindesland getragen. Da ein Durchbruch durch die an äußeren Steilstufen des Ostrandes der nordfranzösischen Schichttafel gelegenen Festungsgürtel nicht angegangen werden konnte, ohne einen Flankenstoß aus dem auch mit unseren Feinden be- setzten und nicht natürlich gegen uns abgegrenzten belgischen 1 So wie Paris die natürliche Hauptstadt Frankreichs als Mittel- punkt der nordfranzösischen Tertiärbecken, so sind auch Wien und London inmitten größerer Tertiärbecken und die alte russische Hauptstadt Moskau inmitten der russischen Tafel gelegen. [Ref.] 430 Besprechungen. Festungsgebiet zu gewärtigen, so erfolgte logischerweise der Ein- marsch in dieses Land1 2. Im Norden bricht das nordfranzösische Schichtbecken als niederer Steilrand der Kreidetafel in der Schwelle des Artois und der Ebene der Picardie zu den Hügeln und zur Ebene Mittel- und Niederbelgiens („Niederlande“ im weiteren Sinne) ab. Dieses Land besteht hauptsächlich aus weichen tertiären Schichten, denen in Holland und Nordbelgien jüngere quartäre marine und kontinentale Ablagerungen aufliegen. Das Flußsystem der Schelde entwässert hier nach Norden. Die politische Grenze greift hier seit den Zeiten Ludwigs XIV. über die Kreidetafel in die alten historischen Landschaften des Hennegaus und Flanderns, welche mit Ausnahme von Westflandern einst zum Deutschen Reich ge- hört haben, hinüber. Der langgestreckte Landstreifen des westlichen Kriegsschau- platzes zeigt nur geringe Höhenunterschiede. Im Gebiet der Ar- dennen wird nirgends die Höhe von 500 m überschritten, und nur die Vogesen erheben sich über 1400 m. Das Klima ist daher nicht gleichartig. Mit Ausnahme des Elsaß herrscht überall mari- times Klima. Abgesehen von den rauhen Hochflächen der Ardennen und Lothringens liegt das Januarmittel bei -j- 2° bis -j- 3°, in Brüssel bei -j- 1,3°, das Julimittel liegt in Belgien und im fran- zösischen Küstenland bei 17° — 18°, im Binnenland bei 18° — 19°*. Frost und Schneefall treten nur vorübergehend ein. Schlacker- wetter mit Regengeriesel und Nebel, Wechsel von Frost und Auf- tauen herrscht vor. Die Niederschlagsmenge beträgt im Innern des französischen Beckens 500 — 600 mm; sie steigt nach Osten an, bei Metz und in der Rhein ebene bis 600 — 750 mm, in den Vogesen bis stellenweise 1500 mm, in der Picardie und im Artois fallen 600 — 1000 mm Niederschläge. Im Innern des Beckens sind nur einzelne Waldparzellen vorhanden; in den Vogesen, den 1 Das Verhalten unserer Feinde in Saloniki dürfte auch die Belgier unterdessen darüber belehrt haben, daß selbst die vollständige Neutralität ihres Landes uns nicht vor einem feindlichen Angriff aus ihrem Lande bewahrt hätte. Gleich einer griechischen Regierung hatten auch sie unsere Feinde noch zur Zeit eigener Neutralität bereits ins Land gelassen. [Ref.] 2 Die Tageszeitungen haben letzthin verschiedentlich von seiten der Meteorologen Klimaschilderungen der Kriegsschauplätze gebracht. Besonders bei Betrachtung des österreichisch-italienischen und des Balkan-Kriegsschau- platzes wurden dieser Betrachtung die Temperaturmittel zugrunde gelegt. Hieraus entstanden vollständig falsche Schilderungen. Die sehr starke und dauernde Sonneninsolation in den Wintermonaten des Südens (schon in der Steiermark) brachten von November bis Jänner eine fast ununter- brochene Reihe von Frühlingstagen hervor, die das Klima Von dem der nördlich der Alpen gelegenen Gebiete in viel stärkeren Gegensatz brachte, als es sich aus der Betrachtung der mittleren Lufttemperaturen ergibt. [Ref.] Besprechungen. 431 Ardennen und in Lothringen stehen ausgedehnte Laub- und Nadel- holzwälder. Große Teile Frankreichs und Belgiens sind durch intensiven Gartenbau, also Gemüse- und Obstkultur ausgezeichnet. Die Grenze des vom Weinbau gemiedenen kühlen Küstengebietes verläuft von Paris zum Maasdurchbruch durch die Ardennen. J. Elsaß, Vogesen. Die Vogesen bilden den alten Grenz- wall Deutschlands im Südosten. Die Burgundische Pforte erscheint nur auf den ersten Blick als ein wichtiges Ausfallstor aus dem Osten wie aus dem Westen. Durch den Verlauf der Schweizer Grenze, welche bisher erfreulicherweise respektiert worden ist, schrumpft die Pforte bis zu einer Breite von nur 24 km zusammen. Die heute bestehende starke Festung Beifort beherrscht, im Gegen- satz zu 1870, den gesamten Einschnitt zwischen den Vogesen und dem Schweizer Jura. Östlich Beifort stößt die flach gelagerte Juratafel der Franche-Comte an die südwestlich Mülhausen ver- breiterte, mit Tertiärschichten sowie diluvialen und alluvialen Auf- füllungen versehene Rheinebene, welche im Osten vor der Juratafel noch durch den Steilrand der Tafel des Sundgaus (Altkirch) gegen die Ebene gegliedert ist. Diese höhere Stufe bildet den östlichen Teil der Burgundischen Pforte ; sie wird von jungpliocänen Schottern gekrönt. Während die Niederterrasse des Rheins bei 230 — 250 m über NN liegt, erhebt sich die Tafel des Sundgaus zu 300 — 400 m Meereshöhe. Militärische Offensivoperationen werden durch den nordwestlich — südöstlichen Verlauf der Täler parallel der Landes- grenze erschwert, andererseits schaffen sie hier ausgezeichnete Ver- teidigungsstellungen für beide Heere, In die Juratafel sind die Täler enger und schroffer eingesenkt als in die Sundgauer Tafel. Den Eingang des wichtigen Doubstales vom Sundgau beherrscht die alte Feste von Mömpelgard. Es mündet hier die Savoureuse, welche unterhalb Giromagny am Westabfall der Südvogesen einer breiten Senke im Buntsandstein und dann einem schmalen Tal in der Jurakalktafel folgt. Westlich von ihr bildet die Lisaine (Sieg über die Bourbaki- Armee 1871) eine zweite Querlinie der Bur- gundischen Pforte. Eine siegreiche deutsche Offensive nach Über- windung von Beifort würde, ohne auf wichtige französische Zentren zu stoßen, die Festungen von Besangon und Dijon vor ihrer Front haben, während eine siegreiche französische Offensive auf den schwer zu passierenden breiten, von Altwässer begleiteten Rhein- strom im Oberelsaß stoßen würde und ihr weiter nördlich Straß- burg mit seinen weitausgedenten Festungsanlagen den Weg zwischen Vogesen und Rhein nach Norden verlegt. Die Burgundische Pforte kommt aus allen diesen Gründen nicht aus dem Stadium eines Nebenkriegsschauplatzes hinaus. Die Franzosen haben ihren Aus- fall ins Oberelsaß beim Beginn des Krieges eher aus politischen Gründen ausgeführt. Durch die Schlacht bei Mülhausen am 10. August 1914 wurden sie aus ihrer Stellung am Höhenrand 432 Besprechungen. — Personalia. beiderseits Mülhausen vertrieben. Die Heere stehen sieh seither mit geringen Veränderungen auf einer Linie westlich Altkircli über Barnhaupt — Sennlieim am Vogesenrand gegenüber. Die Versuche, diese Linie von den Höhen der Südvogesen aus zu verbessern, gelangen nicht. Die Front zieht sich über die Vogesen von St. Die über den Gebirgskamm zwischen Metzeral und Münster hindurch und über den Hartmannsweilerkopf gegen Sennheim. (Schluß folgt.) Hermann Tertsch: Einführung in die Lehre von den Mineralien und Gesteinen. Für die VII. Klasse der Real- schulen. Wien bei Franz Deuticke. 1914. 130 p. Mit 4 Tafeln und 194 Textfiguren. — : Einführung in die Mineralogie. Für die VII. Klasse der Realgymnasien. Wien bei Franz Deuticke. 1915. 107 p. Mit 2 Tafeln und 168 Abbildungen im Text. Beide Lehrbücher haben eine für die im Titel genannten Lehr- anstalten passende und übliche Einrichtung. Der Verf. zeigt sich auch hier als ein in der Mineralogie und Petrographie durch- gebildeter und wohl erfahrener Gelehrter, so daß an einem guten Erfolg seiner Werke wohl nicht zu zweifeln ist. Die Ausstattung in Druck und Abbildungen ist gut, die Darstellung leicht verständlich und klar. Max Bauer. B. Jezek: Aus dem Reiche der Edelsteine. Prag 1914. 173 p. Mit 8 Tafeln und 8 Textfiguren. Verf. bringt besonders in den Kapiteln „Ältere Nachrichten über böhmische Edelsteine“, „Böhmens Edelsteine vor 300 Jahren“, „Die böhmischen Halbedelsteine“, „Der böhmische Granat“, „Der böhmische Chrysolith“ und „Die Edelsteinsammlung des Museums des Königreiches Böhmen“ viele interessante und mehrfach zum erstenmal in der mineralogischen Literatur angeführten Einzel- heiten über die Geschichte und Verarbeitung, das Vorkommen und die Natur böhmischer Edelsteine. F. Slavik. Personalia. Gefallen: Dr. A. Ritzel, a. o. Professor für Mineralogie und Petrographie an der Universität Jena, als Leutnant des 94. Infant. -Regiments. Habilitiert: Dr. W. Sörgel aus Weimar an der Uni- versität Tübingen für Geologie und Paläontologie. A. Beutell, Zur Genese von Speiskobalt etc. 433 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Genese von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. Von A. Beute! 1 in Breslau. Mit 12 Textfiguren. Während sich für die Zinnerzgänge ziemlich allgemein die DAUBREE’sche Hypothese Geltung verschafft hat, nach welcher der Zinnstein durch Sublimation aus dem granitischen Magma ent- standen ist, hat man die Genese der Kobalt- und Nickelarsenide bisher nicht in diesem Sinne aufgefaßt. Es ist dies eigentlich überraschend, weil in allen Handbüchern der Erzlagerstättenlehre auf die enge Verknüpfung der Zinnerzlagerstätten mit den edlen Silber-Kobaltgängen hingewiesen wird ; auch sind arsenhaltige Erze wie Arsenikalkies, Arsenkies und Fahlerz auf Zinnsteingängen ganz gewöhnliche Mineralien. Nur die Bildung des Arsens selbst wird z. T. durch Sublimation erklärt, wie z. B. die des Arsens von Nagyäg ; auch das Arsenerzvorkommen von Rothenzeehau in Schle- sien wird als Exhalationsprodukt eines granitischen Magmas an- gesehen (Sachs, Die Bodenschätze Schlesiens. Leipzig 1906. p. 54). Über die Entstehung der Speiskobalt- und Chloanthitgänge selbst finden sich bis zum heutigen Tage keine näheren Angaben in der Literatur der Erzlagerstätten. Wegen des offensichtlichen Zusammenhanges zwischen den Zinnerzlagerstätten und den Gängen der edlen Kobaltformation habe ich es für die Kobalt- und Nickelarsenide übernommen, experi- mentell festzustellen, welche Gründe sich für oder wider die Subli- mationstheorie beibringen lassen. Um der Diskussion eine reelle Grundlage zu geben, mußte vor allem die Darstellung von Kobalt- und Nickelarseniden mit Hilfe von Arsendämpfen versucht werden, und zwar nach einer Methode, die sich auch auf die Mineralbildung auf Erzgängen übertragen ließ. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Synthese der Kobalt- und Eisenarsenide , sowie auch der Nickelarsenide unternommen worden (dies. Oentralbl. 1916. p. 10 bis 22 und p. 49 — 56). Daß die Exhalationsprodukte eines Magmas unter Umständen Arsendämpfe enthalten, ist nicht zweifelhaft, sind doch bedeutende Arsenerzlagerstätten an Eruptivgesteine geknüpft. Es sei erinnert an das ausgedehnte Löllingitvorkommen von Reichenstein in Schle- sien (dies. Centralbl. 1914. p. 592 — 604), das sich als magmatisches Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 28 434 A. Beutell, Zur Genese Differentiationsprodukt eines Peridotits erwiesen hat. Die chemische^ und mikroskopische Untersuchung dieses Arsenerzes (dies. CentralbL 1915. p. 359 — 373 und 1916. p. 19 — 21) hat den Beweis er- bracht, daß dasselbe ein Gemenge verschiedener Arsenide darstellt. Seine Zusammensetzung ist eine Funktion von Druck und Tem- peratur, und es ist selbstverständlich, daß außer den flüssigen oder festen Phasen der Eisenarsenide auch dampfförmiges Arsen auf- treten mußte. Es bleibt zu entscheiden, ob auch die übrigen Bedingungen für die Bildung von Kobalt- und Nickelarseniden aus Arsendampf vorhanden waren. Die Synthese der Kobalt-, Nickel- und Eisen- arsenide erforderte nach unseren Untersuchungen (a. a. 0.) Tem- peraturen zwischen 300° und 600°, und so wird zunächst die- Frage aufzu werfen sein, ob in den hier in Betracht kommenden Erzgängen mit derartigen Hitzegraden zu rechnen war. Die Frage ist unbedingt zu bejahen, denn sämtliche bekannte Speiskobalt- reviere finden sich in unmittelbarer Nähe von Eruptivgesteinen. So sehen wir z. B. die Gänge des obererzgebirgischen Bergreviers (Schneeberg, Johanngeorgenstadt, Joachimsthal) gebunden an Gra- nite und eruptive Gneise, während die von Cobalt-Ontario an Diabase und Peridotite geknüpft sind. Daß die Bildung der Kobalterze unter dem Einfluß der benachbarten Eruptivgesteine vor sich gegangen ist, wird allgemein als erwiesen angesehen. Nach den bisherigen Untersuchungen besteht kaum noch ein Zweifel darüber, daß die Zinnsteingänge des Erzgebirges älter sind als die der Kobalt-Silberformation. Während die Zinnsteinbildung" sich unmittelbar an die Erstarrung der umgebenden Granite an- schließt und daher bei sehr hohen Hitzegraden stattgefunden hat,, setzt die Entstehung des Speiskobalts bedeutend später ein. Schon lange vor der Erzbildung waren die Gangspalten aufgerissen und hatten sich zunächst mit Quarz (Hornstein) und dann mit Schwer- spat ausgekleidet; erst als durch die intensiven Prozesse, die sich in den Gängen abgespielt hatten, der größte Teil der Gang- mineralien wieder zerstört war, traten Bedingungen ein, welche der Bildung von Kobalt- und Nickelarseniden günstig waren. Tem- peraturen von 3-00 — 600° erscheinen auf den Gängen durchaus wahrscheinlich. U •, Daß zu hohe ^Temperaturen der Bildung von Speiskobalt nicht günstig wraren, kann daraus entnommen werden, daß in den Zinnsteingängen kein Speiskobalt auftritt; auch sind dort, wo sich Zinnsteingänge und Kobaltgänge kreuzen, keine Übergänge zwischen beiden vorhanden. Ein direkter Beweis für die schädliche Wirkung- der höheren Temperatur, wie sie in tieferen Schichten herrscht, ist darin zu erblicken , daß die Kobaltgänge in größerer Teuf& vertauben und sich nicht bis an den Granit selbst verfolgen lassen, während die Zinnsteinbildung auch im Granit selbst vor sich ge- von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 435 gangen ist. Nur am „Weißen Hirsch“ bei Schneeberg (Sachsen) finden sich ausnahmsweise reiche Speiskobalte im Granit selbst. Daß die Gangfüllung unter der Mitwirkung pneumatolytischer Prozesse vor sich gegangen ist, wird durch den ziemlich ver- breiteten Flußspat bewiesen; auch ist das gediegen Arsen, welches die Kobalterze in den Gängen ständig begleitet, in diesem Sinne zu deuten. An eine etwaige Eeduktion von Sauerstoffsalzen des Arsens ist bei der außerordentlichen Beständigkeit derselben nicht zu denken ; vielmehr sind umgekehrt die auftretenden Arsenate als sekundäre Oxydationsprodukte aufzufassen. Wichtig ist das häufige Auftreten von gediegen Arsen in den Speiskobaltgängen auch des- halb, weil es jeden Zweifel darüber beseitigt, daß die Genese der Kobalt- und Nickelarsenide unter Ausschluß der Luft statt- gefunden hat. Die bisherigen Betrachtungen lassen erkennen, daß auf den Kobalterzgängen sowohl die für die Bildung der Arsenide erforder- liche Temperatur, sowie auch die nötigen Arsenmengen vorhanden waren. Nunmehr wird es sich darum handeln, zu prüfen, welche Anhaltspunkte unsere synthetischen Laboratoriumsversuche für die Genese in der Natur liefern. Wie bereits hervorgehoben, hat die Bildung des Speiskobalts in den Erzgängen unter Luftabschluß, d. h. in geschlossenen Bäumen stattgefunden; doch erscheint es vielleicht unzweckmäßig, daß die synthetischen Versuche im Vakuum angestellt worden sind. Auf den Erzgängen muß ganz im Gegenteil mit sehr beträchtlichem Druck gerechnet werden, besitzt doch der allgegenwärtige Wasser- dampf bei seiner kritischen Temperatur (365°) bereits einen Druck von 212 Atmosphären. Mit solchen Spannungen verglichen ist die Arsentension, die bei 600° erst ^ Atmosphäre beträgt, allerdings außerordentlich klein. Wird es unter diesen Umständen möglich sein, aus Versuchen in zugeschmolzenen, vorher evakuierten Röhren, in denen als einziger Druck die winzige Arsentension wirksam ist, Schlüsse auf die Vorgänge in der Natur zu ziehen? Welchen Ein- fluß werden die stark komprimierten Gase und Dämpfe auf den Ver- lauf der chemischen Reaktionen ausiiben ? Da nur neutrale Gase in Betracht kommen — denn sonst würden wir heute keine Arsenide in den Gängen vorfinden — , ist die Frage sehr einfach zu be- antworten. Die Gegenwart dieser neutralen, stark komprimierten Atmosphäre wird die chemischen Prozesse merklich verzögern, weil der Arsendampf, um zu den absorbierenden Metallarseniden zu gelangen , erst durch eine Schicht arsenärmerer, infolge der Absorption vielleicht annähernd arsenfreier, Gase diffundieren muß. Abgesehen von dieser Verminderung der Reaktionsgeschwindigkeit wird die Arsenierun g im Erzgange genau so verlaufen wie im Vakuumrohr, denn sie hängt außer der chemischen Affinität einzig und allein von der Arsentension 28* 436 A. Beutell, Zur Genese und der Temperatur ab. Die Anwendung des Vakuums war somit wegen zahlreicher experimenteller Vorteile berechtigt, ja sogar geboten. In einem elektrischen Röhrenofen (dies. Centralbl. 1916. p. 10 — 11 Fig. 2) läßt sich die Temperatur unter Anwendung gewisser Vorsichtsmaßregeln ziemlich konstant erhalten. Da sie von der Mitte des Ofens aus nach den Enden naturgemäß abfällt, so mußte das Versuchsrohr (a. a. 0. p. 11. Fig. 1) mit Silberblech umwickelt werden ; erst hierdurch wurde erreicht, daß das Vakuumrohr an allen Stellen genau dieselbe Temperatur hatte, was deshalb unbe- dingt nötig war, weil das Arsen von den Stellen höherer Tem- peratur zu den niederer hindestilliert. Wendet man stets einen Überschuß von Arsen an, so wird hierdurch gleichzeitig konstante Tension gewährleistet. Wie steht es nun in dieser Beziehung in den Gängen ? Den elektrischen Ofen vertritt hier das angrenzende Eruptivgestein. Von seiner Temperatur und seiner größeren oder geringeren Nähe hängt mithin die Erwärmung des Ganges ab , doch wird sie in hohem Maße beeinflußt von der thermischen Leitfähigkeit des um- gebenden Gesteinsmaterials. Eine so gleichmäßige Wärmeverteilung, wie sie im Ofen mit dem Silberblech erreicht wird, ist auf Gängen nicht zu erwarten. Temperaturdifferenzen sind dort sicherlich vorhanden gewesen. Aus diesem Grunde fehlt hier selbstverständ- lich die konstante Arsentension, und infolgedessen wird das Arsen von den Orten höherer Temperatur nach den niederer Temperatur ab wandern, wo es sich als gediegen Arsen niederschlagen wird. Daß die aus derselben Grube geförderten Speiskobalte eine so verschiedene Zusammensetzung aufweisen, ist bei ihrer Bildung durch Sublimation zu erwarten, weil der höheren Temperatur höhere Arsenide entsprechen und umgekehrt. Ein Gleichgewichts- zustand dürfte auf Gängen auch nicht annähernd eintreten, weil die mittlere Temperatur eines Ganges nicht konstant bleiben kann. Das vordringende Magma heizt die Gänge langsam an, und hinterher kühlen sie sich ebenso langsam wieder ab. Nun vollzieht sich diese Temperaturänderung zwar in sehr großen Zeiträumen, und daher könnte für kürzere Intervalle annähernde Konstanz der mittleren Gangtemperatur eintreten. Aber dieser Zustand wird schwerlich von langer Dauer sein , denn die hoch- gespannten Gase und Dämpfe werden zeitweilig, vielleicht periodisch einen Ausweg finden. Der auf diese Weise herbeigeführte große Arsenverlust wird sich ziemlich rasch wieder ersetzen, und zwar nicht allein durch die Verdampfung des überall vorhandenen ge- diegenen Arsens , sondern auch durch die Verwandlung höherer Arsenide in niedere, weil alle sich hier abspielenden Prozesse reversibler Natur sind.. Im allgemeinen wird man auf Gängen mit gesättigtem Arsendampf zu rechnen haben. von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 437 Bei der Einwirkung von Arsendämpfen auf Kobaltpulver (dies. Centralbl. 1916. p. 14. Tab. 2) hatten sich die Arsenide AsCo, As3 Co2, As2Co, As5Co2 und As3Co gebildet, doch führte die quantitative Zerlegung eines Riechelsdorfer Speiskobalts von der Zusammensetzung As287Co nur auf die drei letzten Arsenide, die in folgendem Verhältnis gemischt waren : 7 °/0 As2Co, 30°/y As5Co2 und 63 °/0 As3Co. Für das Vorkommen des Monarsenids des Kobalts As Co in der Natur hat auch die mikroskopische Untersuchung keinen Anhalt gegeben, doch ist das entsprechende Nickelarsenid As Ni (Rot- nickelkies) im Speiskobalt und Chloanthit ganz gewöhnlich. Das Sesquiarsenid As3 Co2 hingegen tritt höchstwahrscheinlich als mikro- skopischer Gemengteil in arsenärmeren Speiskobalten auf (dies. Centralbl. 1916. p. 209. Fig. 9). Synthetische Versuche, welche mit entarsentem Speiskobalt von Riechelsdorf angestellt worden waren, hatten nur auf AsR, As2R und As3R geführt; es fehlten die beiden komplizierteren Verbindungen As3R2 und As5R2. Es liegt dies nicht daran, daß sie sich nicht gebildet haben, sondern an den ungenauen stöchio- metrischen Verhältnissen, welche durch die Verunreinigungen des natürlichen Speiskobalts mit Eisen, Schwefel und Antimon bedingt sind (vergl. Tab. 5, a. a. 0. p. 18). Aus diesem Grunde sind den genetischen Betrachtungen die an reinem Kobalt erhaltenen Bildungstemperaturen zugrunde gelegt worden. Die folgende Tabelle enthält die ermittelten Werte. Bildungstemperaturen der Kobaltarsenide bei gesättigtem Arsen- dampl. Zwischen 275° und 335° entsteht hauptsächlich As Co 345 „ 365 77 77 As3Co2 385 „ 405 77 77 As2 Co 415 „ 430 77 77 As5 Co2 450 „ 618 77 ' 77 As3Co. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß diese Zusammen- stellung nur die Hauptvorgänge widerspiegelt; die in langen Zeit- räumen bei konstanter Temperatur angestellten Dauerversuche lassen keinen Zweifel darüber (dies. Centralbl. 1916. p. 52 — 55), daß nebenher in geringer Menge auch höhere Arsenide entstehen. Daß die höchsten Arsenide den höchsten Temperaturen ent- sprechen und nicht umgekehrt, rührt von der mit steigender Tem- peratur sehr schnell zunehmenden Arsentension her. Von den in der Tabelle 1 zusammengestellten 46 Speiskobalt- Analysen (dies. Centralbl. 1915. p. 360 und 361) führen 33 auf 438 A. Beutell, Zur Genese höhere Arsenide als As2 Co und nur 1 3 auf niedere. Im Durch- schnitt ist das Verhältnis aus allen Analysen Co : As = 1 : 2,24. Setzt man auch die 1 1 Analysen von Tesseralkies in Rech- nung (a. a. 0. p. 363), was genetisch völlig begründet ist, so ge- langt man zu dem Verhältnis 1 : 2,37. Bei der großen Anzahl von Analysen kann man, ohne einen großen Fehler zu begehen, die mittlere Zusammensetzung des Speiskobalts durch die Formel AS2 37 C° ausdrücken. Wenn man sich daher eine Vorstellung über die Temperaturen machen will, die zur Zeit der Entstehung des Speiskobalts in den Gängen geherrscht hat , so müssen die Bilduugstemperaturen der höheren Arsenide As2 Co, As5 Co2 und As3Co zugrunde gelegt werden. Das Biarsenid entsteht in größerem Maßstabe erst von 385° ab, während die Anfangstemperatur des Triarsenids erst bei 450° liegt. Beide Temperaturen liegen bereits höher als die kritische Temperatur des Wassers. Bei der Wichtigkeit, welche die Bestimmung der Temperatur- grenzen auf den Speiskobaltgängen besitzt, erscheinen weitere Anhaltspunkte sehr wünschenswert, denn man könnte den Einwand erheben, daß im Laufe der großen geologischen Zeiträume auch die Nebenreaktionen, die hier unberücksichtigt blieben, eine wichtige Rolle spielen. In dieser Beziehung sind die vergleichenden Versuche von Interesse , welche ich mit Speiskobalt-, Kobalt- und Nickel- pulver angestellt habe (dies. Centralbl. 1916. p. 54 und 55). Bei 400° schreitet die Arsenaufnahme des Kobalts und Nickels fast in gleicher Weise voran, wenn auch das Nickel trotz seiner größeren chemischen Affinität bereits etwas zurückbleibt. Dies macht sich in noch höherem Maße bei 450° bemerkbar; während das Kobalt bis zu der Formel Asj 78Co gelangt ist, hat das Nickelarsenid erst die Zusammensetzung As155Ni erreicht. Die Ursache ist in der stärkeren Sinterung des Nickelarsenids zu suchen, welche vielleicht dadurch verursacht wird, daß sich infolge größerer Affinität bei seiner Arsenierung mehr Wärme entwickelt als beim Kobalt. Daher wird bei 450° der Fortgang der Arsenierung für Nickel durch Sinterung zum Stehen gebracht, für Kobalt aber nicht. Die auf- fallende Tatsache, daß der Rotnickelkies AsNi zwischen lauter höheren Kobaltar seniden au ft ritt, während das Monarsenid des Kobalts As Co fehlt, findet hier- durch eine einfache Erklärung. In den Kobaltgängen dürfte die Temperatur der Sinterung des Nickelarsenids AsNi noch etwas höher liegen, weil die Einwirkung der Arsendämpfe durch die große Menge neutraler Gase und Dämpfe abgeschwächt wird. von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 439 Der unteren Grenztemperatur für die Bildung höherer Kobalt- arsenide von 385° kann nunmehr eine untere Grenztemperatur für die Sinterung des Monarsenids des Nickels von 450° an die Seite gestellt werden. In dem engen Temperaturintervall von 385° bis 4 50° könnte sich nach den synthetischen Versuchen die Bildung ■des Speiskobalts vollzogen haben. Um auch einen festen Anhaltspunkt für die obere Grenze zu gewinnen, wurde versucht, durch Temperaturerhöhung die Kobalt- arsenide zum Sintern und dadurch gleichzeitig die Arsenaufnahme zum Stehen zu bringen. Denn falls dieser Versuch geglückt wäre, hätten von der festgestellten Versuchstemperatur ab neben den höheren auch niedere Kobaltarsenide bestehen können; das Fehlen derselben in der Natur hätte dann dargetan, daß diese Versuchs- temperatur auf den Gängen nicht erreicht worden war. Bei den Versuchen wurden je 200 mg Kobalt- und Nickel- pulver während 2 1 Stunden mit überschüssigem Arsen im Vakuum- rolir zunächst auf 510° erhitzt; nach dem Abkühlen wurde die Arsen- aufnalime durch Wägen festgestellt. Nur das Nickelarsenid war hei der gewählten Versuchstemperatur fest zusammengesintert. Die Gewichtszunahme lieferte die beiden Verhältnisse Co : As = 1 : 2,43 und Ni : As = 1 : 1,24. Die Arsenaufnahme des Nickels betrug infolge der Sinterung wenig mehr als die Hälfte von der des Kobalts. Die nächsten beiden Versuche wurden bei 550° im elektrischen Ofen in genau der gleichen Weise durchgeführt. Nach 21 Stunden war das Nickelarsenid wiederum stark gesintert ; das Kobaltarsenid war jedoch nur stellenweise und so schwach zusammengebacken, daß es mit einem Glasstäbchen leicht zerrieben werden konnte. Die Atomverhältnisse waren die folgenden : Co : As — 1 : 2,86 und Ni : As = 1 : 1,58. Zwei bei 590° angestellte Parallelversuche führten in 21 Stun- den auf die Verhältnisse Co : As — 1 : 2,93 und Ni : As = 1 : 1,67. Auch hier bildet das Nickelarsenid eine fest gesinterte Masse, während das Kobaltarsenid, das in der kurzen Zeit von 21 Stunden fast genau die Formel As3 Co erreicht hat , ein lockeres Pulver darstellt. Aus den angeführten Versuchen geht unzweideutig hervor, daß bei höheren Temperaturen auch das stark gesinterte Nickel- arsenid, obwohl es naturgemäß hinter dem pulverförmigen Kobalt- arsenid zurückbleibt, noch Arsen über das Verhältnis 1 : 1 hinaus aufnimmt. Sieht man sich die vorhandenen Rotnickelkiesanalysen auf den Arsengehalt hin an , so findet man , daß sie teils mehr, 440 A. Beutell, Zur Genese teils weniger Arsen angeben, als der Formel As Ni entspricht. Der höchste Arsengehalt beträgt 60,77 °/o neben 30,33 °/0 Ni und 8,90 °/o Co (Hintze, Handbuch der Mineralogie, p. 623. No. XIII), woraus sich das Atomverhältnis Ni : As = 1 : 1,21 berechnet. Fast denselben Wert hatte ich bei 510° bereits in 21 Stunden erreicht, während bei höheren Temperaturen viel reichlichere Arsenaufnahme ein getreten war. Aus der Tatsache , daß die natürlichen Eotnickelkiese nicht über das Verhältnis Ni : As = 1 : 1,21 hinausgehen, ist der Schluß zu ziehen, daß die Temperatur von 510° auf den Kobalterzgängen nicht erreicht worden ist ; in den langen Zeiträumen, die zur Bil- dung des Speiskobalts nötig waren, hätte die Arsenierung bei dieser Temperatur viel weiter fortschreiten müssen, denn das höchste Nickelarsenid As2Ni konnte schon bei 400° erhalten werden. Hiermit ist auch die obere Temperaturgrenze auf den Speis- kobaltgängen mit ziemlicher Genauigkeit festgelegt: Sie muß über 4 5 0° (Beginn der Sinterung von As Ni), aber unter 510° liegen; da sich die Bildung des Speiskobalts nicht in wenigen Stunden vollzogen haben kann, so ist sie näher bei 450° als bei 510° zu suchen. Das ganze Bildungs- intervall dürfte 10 0° (von 385° bis etwa 485°) nicht übersteigen. Daß die obere Temperaturgrenze für die Bildung des Speis- kobalts nicht sehr hoch liegen kann, geht auch daraus hervor, daß der natürliche Speiskobalt im Durchschnitt nur die Zusammen- setzung As237 Co besitzt, während bei 510° in 21 Stunden bereits die Formel As243Co erreicht wurde. Bei einer Temperatur von ungefähr 500° würde sich sämtlicher Speiskobalt in Tesseralkies As3Co umgewandelt haben. Nach den mitgeteilten Versuchen war für die Kobaltarsenide weder bei 510° noch bei 55U0 und 590° Sinterung eingetreten, trotzdem ich bei einem früheren Versuch schon bei 400° nach 14tägiger Einwirkung deutliche Sinterung bemerkt hatte. Um diesen Widerspruch aufzuklären , und weil es möglich erschien, daß die Sinterung bei starker Arsenaufnahme durch Zerfall wieder verloren geht, wurden die beiden folgenden Versuchsreihen in etwas anderer Weise durchgeführt. Anstatt wie bisher mit Arsen- iiberschuß zu arbeiten, wurden diesmal bestimmte Arsenmengen zugesetzt, welche den Formeln As Co, As3 Co2, As2Co undAs5Co2 entsprachen. Die 4 Vakuumröhrchen wurden jedesmal mit 59 mg Kobaltpulver, 75, 112,5, 150 beziehentlich 187,5 mg Arsenpulver beschickt, dann ausgepumpt und zugeschmolzen, um hierauf ge- meinsam 24 Stunden auf 550° erhitzt zu werden. Genau so wurde beim Nickel verfahren , doch wurden nur 3 Röhrchen an- gesetzt, weil As5Ni2 nicht existiert; seinem Atomgewicht ent- von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 441 sprechend wurden beim Nickel nur 58,7 mg angewandt. Die Ergebnisse waren folgende: As Co war gesintert, doch so lose, daß es beim Schütteln in ein dunkelgraues Pulver zerfiel. As3 Co2 war ebenfalls etwas gesintert und zerfiel bei Schütteln in ein dunkelgraues Pulver. As2 Co und As5 Co2 sind pulverförmig und besitzen eine grau- schwarze Farbe ; sie nehmen ein etwa drei- bis viermal so großes Volumen ein als die Mischung vor dem Erhitzen. As Ni bildet mehrere, sehr harte, metallglänzende Klümpchen, doch tritt daneben auch ein bleigraues Pulver auf ; die metallischen Teilchen sind nicht homogen, wie an ihrer teils rötlichweißen, teils zinnweißen Farbe hervorgeht. As3 Ni2 enthält neben festen, metallglänzenden Teilchen von rötlichweißer Farbe reichlich bleigraues Pulver. As2Ni ist pulverförmig, bleigrau und frei von metallischen Teilchen. Die beiden Versuchsreihen erbringen den Beweis , daß nur die niederen Arsenide sintern, und zwar beim Kobalt so schwach, daß schon beim Schütteln Zerfall eintritt. Die niederen Niekel- arsenide hingegen bilden eine harte, metallglänzende Masse, während As2Ni ebenfalls pulverförmig ist. Es bestätigt sich, daß bei der Aufnahme von mehr Arsen Zerfall der vorher gesinterten niederen Kobaltar senide eintritt; be- sonders auffallend ist die starke Volumzunahme bei der Bildung der höheren Kobaltar senide. Durch den Zerfall der Kobaltarsenide wird die weitere Arsen- aufnahme außerordentlich begünstigt; niedere Kobaltarsenide können daher im Arsendampf nicht bestehen. Die Sublimationshypothese hat, gestützt auf die Resultate der synthetischen Laboratoriumsversuche, Aufschlüsse geliefert, die verschiedene, bisher unerklärte Tatsachen einer einfachen Deutung zugänglich machen. Sie gestattet ferner recht genauen Einblick in die auf den Kobalterzgängen zu erwartenden Temperaturverhält- nisse. Dadurch, daß die synthetischen und die Sinterungsversuche Antwort auf die Frage geben, weshalb das Monarsenid des Nickels, aber nicht das des Kobalts, auf Erzgängen angetroffen wird, ist zwar bereits das Band zwischen dem Laboratorium und den geo- logischen Vorgängen geknüpft, doch ist es wünschenswert, den Zusammenhang noch inniger und beweiskräftiger zu gestalten. Hierzu ist in erster Linie die mikroskopische Untersuchung berufen, deren mehr beschreibenden Teil ich vor kurzem veröffentlicht habe- (dies. Centralbl. 1916. p. 180 — 185 und 206 — 221). (Schluß folgt.) 442 J. Per n er, Über das Hypostom der Gattung Arethusina. Von J. Ferner in Prag. (Mit 3 Abbildungen. ) Das Hypostom der Gattung Arethusina ist bisher unbekannt geblieben, und selbst 0. Noväk, der sich nach Barrande speziell mit den Hypostomen böhmischer Trilobiten jahrelang beschäftigte, hatte es weder beschrieben noch abgebildet. Dies ist um so mehr auffallend, als die bekannte und in allen Sammlungen durch voll- ständige Exemplare vertretene böhmische Art, A. Konincki Barr., früher massenhaft bei Lodenitz in E — ej1 anzutreffen war. Noväk selbst sagt in seinen „Studien an Hypostomen böhmischer Trilobiten II. und III“.2 ausdrücklich, daß dieses zur Kenntnis der Gattungen so vorzüglich beitragende Organ bei Arethusina noch nachzuweisen sei (ebenso wie bei einigen anderen Gattungen), und vermutet, daß diese Trilobiten wahrscheinlich mit bloß mem- branösen, aber nicht kalkigen Hypostomen versehen waren, die sich nicht erhalten konnten. Das Auffinden des Hypostoms bei Are- thusina war sehr wünschenswert, da die systematische Stellung dieser Gattung unsicher war. Von Barrande wurde sie (samt Gyphaspis) zu den Proetiden gestellt, jedoch Oehlert3 hatte sie trotz gewisser Ähnlichkeit mit Gyphaspis von dieser abgetrennt und zu den Oleniden gestellt, wogegen für Cypliaspis eine be- sondere Familie (Cypliaspidae) errichtet wurde, und beide Gat- tungen mit Harpides dazu sollten den Übergang zu Harpes ver- mitteln. Ohne auf die Meinungen anderer Forscher über die Verwandt- schaftsverhältnisse der eben genannten Gattungen näher einzugehen, sei hier hervorgehoben die wichtige Entdeckung des Hypostoms von Gyphaspis durch R. Richter4, welcher die nahe Verwandt- 1 Die in der Literatur und in den Sammlungen oft vorkommende Bezeichnung dieses Fundortes als E — e2 ist falsch, wie es aus der Asso- ziation von Arethusina mit JRetiolites Geinitzi, Gyrtograptus Murchisoni, Monograptus priodon und anderen für E — ex charakteristischen Grapto- lithen der „Priodon“- Zone Marr’s hervorgeht. Näheres in meiner Abhand- lung „Über die Fauna der silurischen Stufen e, und e2 und die Grenze zwischen denselben“. Festschrift zum 70. Geburtstag d. Hofrates Prof. K. Vrba. Böhm. Akad. 1915. 2 Sitzungsber. kgl. böhm. Ges. d. Wiss. Prag 1881, 1885. 3 Etudes sur quelques trilobites du groupe des Proetidae. Bull. Soc. d’ötudes sc. d’Angers. 1885. 4 Über das Hypostom und einige Arten der Gattung Gyphaspis . Dies. Centralbl. f. Min. 1914. No. 10. — 0. Noväk (1. c. III. 1885. p. 6) erwähnt zwar, daß ihm Hypostom von Gyphaspis bekannt ist, hat es je- doch nicht beschrieben. Ueber das Hypostom der Gattung Arethusina. 443 schaft der Cypliaspiden mit Proetiden erwiesen hatte, obwohl beide Familien von Gürich 1 in verschiedenen Unterordnungen untergebracht wurden (Micropygia — Macropygia). Zur weiteren Aufklärung über die Beziehungen der in der Frage stehenden Gattungen mußte darnach das Hypostom von Arethusina sehr viel beitragen, und es ist mir heuer geglückt, das Hypostom von Arethusina nach manchen Präparationsversuchen in situ, in der Glabella, bloßzulegen. Obwohl nur die Innenseite des Hypostoms mir vorliegt, welche die untere (äußere) Oberfläche vielleicht nicht genau wiedergibt, und der proximale Teil des Hypostoms etwas beschädigt ist, so kann man trotzdem auf Grund eines scharfen Wachsabdruckes Arethusina Konincki Barr. Von Lodenitz E-er a) Kopf eines ganz erwachsenen Exemplars, mit abgebrochener Glabella, die Lage des Hypostoms zeigend. Vergr. 2mal b) Hypostom, etwa 6mal vergrößert. Nach einem Wachsabdruck gezeichnet. c) Optischer Längsschnitt desselben. seine Gestaltung in der Hauptsache rekonstruieren, wie es die bei- gefügte Textfigur veranschaulicht. Der Vorderrand bildet eine schmale, wenig erhabene Wulst, welche einen mäßig bogenförmigen Verlauf hat, und läuft seit- wärts in ganz kurze, flache, anscheinend eckige Vorderflügel aus. Der Vorderrand ist vom Mittelstück durch eine haarfönnige Furche begrenzt, welche sich etwa bis in die Hälfte der Hypostomlänge verfolgen läßt. Die Seitenränder bilden eine wellig verbogene Linie. Der mangelhaft erhaltene Hinterrand läßt vermuten, daß er beiderseits schief abgestutzt war und in seiner Mitte eine kleine, zungenförmige Einkerbung besaß. Der Vorderlappen ist mit dem Hinterlappen in ein ovales, seitwärts ziemlich steil abfallendes Stück verschmolzen. Etwa in seinem unteren Viertel der Länge beobachtet man eine flach vertiefte, halbmondförmige Querfurche, die wohl der hinteren Furche (sillon posterieur Noväk’s) entspricht. 1 Leitfossilien. I. und II. Berlin 1908 — 09. 444 G-. Hoffinann, Gerdalepis Rhenanus etc. Dieselbe ist von einer ganz kurzen, parallelen, sehr schwach an- gedeuteten Furche (Mittelfurche?) begleitet. Soweit es die an dem einzigen Stück wahrnehmbare Merk- male zulassen, läßt sich aus der Vergleichung des Hypostoms von Arethusina mit jenen der eingangs erwähnten Gattungen folgen- des sagen: 1. Hypostom von Aretlmsina zeigt wenig Übereinstimmung mit jenem von Cyphaspis ; eher stimmt es im Grundplan mit dem von Harpides. r 2. Es erscheint die von Oehlert beantragte Unterbringung von Arethusina bei den Oleniden gerechtfertigt. Weitere Funde, die ich bei der Sichtung eines umfangreichen Materials erwarten kann, werden wohl die vorläufig skizzierte Form des Mre^/msfna-Hypostomes vervollständigen und somit auch eine eingehende Vergleichung mit Proetiden und anderen Familien ermöglichen. Anmerkung: Während der Drucklegung dieser Mitteilung hatte mich Herr Prof. C. Kloucek aufmerksam gemacht, daß in einem nach- gelassenen Manuskripte 0. Noväk’s sich ein Passus befindet, demzufolge 0. No vak das Hypostom von Arethusina schon gekannt hätte. Jedoch es fehlt sowohl die Beschreibung als auch die Abbildung, und auch konnte das betreffende Hypostom nirgends in dem Materiale Noväk’s und Bar- rande’s gefunden werden. Gerdalepis Rhenanus (Beyrich em. Hoffmann) auch bei Liidenscheidt. Von Guido Hoffmann-Berlin. Nachdem eben meine Skizze über Gerdalepis Rhenanus (dies. Centralbl.) erschienen ist, finde ich im Museum für Naturkunde in Berlin Asterolepiden-Material aus Lüdenscheidt, welches ein Herr Kuhse vor vielen Jahren an Otto Jaekel, als er noch Gustos am Museum war, in sehr guten Abdrücken gesandt hatte. Dabei be- findet sich ein Brief, in dem Kuhse genau die Fundstelle angibt. Er bezeichnet das Gestein als Nierenkalk und schreibt: „Dieses Gestein schließt eine große Mannigfaltigkeit an Brachiopoden ein, vielgestaltige Cephalopoden und Gastropoden (Clymenien und Belle- rophon ), nur vereinzelt und selten Mollusken“. Zehn Meter unter der Oberfläche in einer Schlucht hat der Sammler den Steinkern und nachher auch die Knochenplatte eines Nuchale herausgeschlagen, ferner die Helmgegend eines linken Clavicula-Coracoid und eine ganz erhaltene linke Postscapula, von der die Innenfläche zu sehen ist. Das Gestein ist ein schwarzer, fester Kalkstein, der schwer und hellbraun verwittert. R. Wulff, Ein Beitrag zur Präparation fossiler Korallen. 445 Sämtliche Stücke, die mir nun im Original vorliegen, be- stätigen auf das genaueste sowohl die Körperform als auch die Plattenbegrenzung und -Überlagerung des berühmten Eifeier Fundes, so daß derselbe nicht mehr als Unikum oder gar als absonderliche Erscheinung, oder gar als lokale Ausbildung angesprochen werden darf. Auch bei dem neuen Funde tritt der Schleimkanal der Seitenlinie, bevor er den Hinterrand des Panzers erreicht, auf die Innenwand über, da, wo die sogenannte Lamina, die Knochenver- dickung aufsteigt. (In meiner Arbeit „Die Acterolepiden und neue Arten aus dem Timan“, die demnächst in der Palaeontographica erscheinen soll, habe ich unter „Organisation“ besonders gewürdigt — Palaeontographica 1916 — 1917.) Beachtenswert an dem Lüdenscheider Material ist besonders der Umstand, daß dort G-erdalepis Rhenanus nicht nur in größeren Exemplaren vorkommt, sondern auch mit auffallend dicken Knochenplatten. Jaekel hatte also damals schon, wie ein von ihm geschriebenes Etikett und ein Brief an ihn bestätigen, ein wertvolles Beweisstück gegen sich selbst und gegen seine Abstammungstheorie in der Hand, hat es aber leider nicht bekanntgegeben , trotzdem sich Traqualr energisch gegen ilm verteidigte. Ein Beitrag zur Präparation fossiler Korallen. Von R. Wulff. Beim Bau der Wasserleitung des Aachener Landkreises wurde aus dem Graben für die Kohrleitung eine große Menge fladen- und stockförmiger, durch Bitumen dunkel gefärbter Korallen heraus- geschafft, die ihrem Alter nach den Frasne-Sehiefefn und nament- lich der obersten Abteilung der Frasne-Stufe, den Matagne-Schiefern angehören. Äußerlich war an den Stücken, zumal wenn sie mit dem Hammer beschlagen wurden, wenig, oder überhaupt nichts zu sehen, weil der starke Bitumengehalt in dem sehr feinkörnigen Kalksteine die Korallenstruktur nahezu völlig verwischte. Es galt, diese Versteinerungen zugleich mit Stücken von anderen Fund- stellen auf möglichst einfache Weise für Demonstrationszwecke kenntlich und nutzbar zu machen. Dieses wurde erreicht durch starkes Erhitzen der wenig an geschliffenen und unpolierten, oder überhaupt nur zugeschlagenen Fossilien. Dem Gedanken lag die Erfahrungstatsache zugrunde, daß die Steinbruchsarbeiter beim Beschicken des Kalkofens größere Kalkspataggregate, wie sie z. B. im Aachener Kohlenkalk häufig sind, heraushalten, sie also über- haupt nicht zusammen mit dem homogenen Kalksteine brennen. Zur Zerlegung des Kalkspates in CaO und C02 ist nämlich eine höhere Temperatur erforderlich, als sie die Kohle im Kalkofen für 446 R- Wulff. Ein Beitrag zur Präparation fossiler Korallen. gewöhnlich erzeugt ; die Kalkspatkristalle werden nur an den Kanten und äußeren Spaltflächen von der Hitze etwas zersetzt, im Gegensatz zum Kalksteine selbst, der völlig in Ätzkalk über- geführt wird. Erhitzt man nun die Korallen im gewöhnlichen Bunsenbrenner, oder noch besser unter Benutzung des Luftgebläses, so wird das Bitumen des Sedimentes im Innern und außerhalb der Korallenindividuen verbrennen und das Gestein wird sich auf- hellen, während der Bitumengehalt im Korallenskelett selbst, das ja bekanntlich aus Kalkspat besteht, aus dem oben angegebenen Grunde unversehrt bleibt. Es zeichnet sich dann das dunkle Kalk- skelett sehr scharf vom helleren Grunde ab. Eine Überhitzung und etwaige Zerstörung der Versteinerung ist bei der verhältnis- mäßig geringen Temperatur im Gasbrenner nicht zu befürchten. Der anorganische Bestandteil des Gesteins dürfte überhaupt nicht von der Flamme angegriffen werden. Wohl aber wird das wasser- haltige Brauneisen, soweit es als Verwitterungsniederschlag vor- handen ist, in das wasserfreie Oxyd übergeführt. Das gibt in etwa einen Anhalt über die Dauer der Erhitzung, die im übrigen natur- gemäß von der Größe des Stückes abhängig ist. Es empfiehlt sich in dieser Beziehung nur dann größere Stücke dem Erhitzungs- prozesse zu unterwerfen, wenn das Gesteinsmaterial noch ein ganz frisches ist. Wenn dagegen die Gesteinsfugen durch die be- ginnende Verwitterung schon etwas gelockert sind, können bei der späteren Abkühlung und wenn auch sehr geringen, doch unregel- mäßigen Zusammenziehung leicht größere Scherben und Stücke an den Haarklüften abspringen. Voraussetzung bei dem Verfahren, das vor allem den Dünn- schliff ersetzen kann, ist der Bitumengehalt des zu präparierenden Stückes, der aber wenigstens in paläozoischen Schichten sehr oft zu beobachten ist. Und zwar muß das Bitumen nicht nur das Gestein, sondern auch den Kalkspat des Korallentieres gleichmäßig durchsetzen. Ist letzteres nicht der Fall, sind also die organischen Hartteile mehr oder weniger weiß geblieben, so würde bei der Oxydation auch das Sediment gebleicht und die Konturen dadurch verwischt werden. Selbstverständlich ist auch das Stück vorher auf seinen Erhaltungszustand zu untersuchen, vor allem ist darauf zu achten, daß das Kalkgerüst nicht durch intensive Infiltration von kohlensaurem Kalk, Dolomitisierung oder aus anderen Gründen schon vorher angegriffen oder zerstört ist. Das Verfahren läßt sich möglicherweise auch bei anderen Versteinerungen anwenden ; man könnte hier z. B. an die Prä- paration von Lobenlinien bei den Goniatiten des schwarzen Culm- Kalkes denken, soweit bei diesen Ammonitentieren das Sediment auch ins Innere der Luftkammern gedrungen ist. Aachen, den 26. Juli 1916. Besprechungen. 447 Besprechungen. A. Philippson: Der französisch -belgische Kriegs- schauplatz. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1916. 92 p. Mit 3 Tafeln. (Schluß.) 2. Lothringen. Dieses Flußland der oberen Mosel und Maas zeigt als Ostteil des nordfranzösischen Schichtbeckens eine Anzahl von Süd nach Nord streichender Landstriche , deren Be- schaffenheit durch die in ihnen anstehenden einzelnen Formations- glieder der Trias- und Juraformation bedingt wird. Vom Rheintal aus dem Unterelsaß steigt ein dort tief eingerissener Buntsand- steinstreifen an. Es folgt im Westen ein schmales Plateau von Muschelkalk, sodann eine breitere, wellige Keuperlandschaft. Beide bilden das ostlothringische Plateau von 200 — 300 m Meereshöhe, von der Saar und der Nied nördlich durchströmt. Diese Trias- zonen ziehen von der Wasserscheide der Saone längst der Meurthe und Mosel in die französische Landschaft La Voge in Südlothringen hinein. Im Norden Lothringens taucht der Buntsandstein zwischen St. Avold und dem Saarkohlenrevier noch einmal empor, schon der Umrandung des Rheinischen Schiefergebirges angehörig, und hier reicht das Saarkohlenrevier mehr unter als über Tage bis nach Lothringen hinein. Westlich des Keuperstriches erscheint an der Mosel der Lias an der Tagesoberfläche. Südlich reicht diese Zone bis ins Plateau von Langres. Erst westlich der Mosel beginnen ausgeprägte konzentrische Steilränder. Der hier fast vollständig kalkige Mitteljura steigt westlich Metz zum Plateau von St. Ger- main an. Dieser hohe Steilrand quert die Maas bei Bourmont, die Mosel unweit Nancy. Die Höhe des Plateaus steigt meist bis 400 m an. Am Fuß des Steilrandes tritt die Lothringer Minette, das wichtigste Eisenerz Mitteleuropas, zutage, um nach Frankreich hinein flach in die Tiefe zu fallen. Der größte Teil des Erz- reviers ist 1871 noch bei Frankreich geblieben. Das deutsche Diedenhofen, das französische Briey, das luxemburgische Esch sind die Zentren des Bergbaus, aus dem 87°/o der deutschen Eisenerze hervorgeht und das durch Verfrachtung nach dem Ruhrkohlen- gebiet und der Rückfracht von Koks von der Ruhr ins Erzrevier den Ausgang eines regen Verkehrs mit den nordwestdeutschen Industriezentren schuf. Das Mitteljuraplateau verschwindet im Westen unter dem hügeligen Gelände des Oxfordtons der Ebene der Wo e vre, hinter der an den über ihm emporsteigenden Steil- rand der Oberjurakalke die Cotes de Lorraine als nächste 448 Besprechungen. wichtige strategische Linie auftauclit. Sie stellt ein die Woevre- Ebene um 120 — 150 m überhöhendes, welliges, bewaldetes Kalk- plateau dar. Ein wichtiger Einschnitt stellt die Umgebung von Toul dar; von hier aus führt ein verlassenes Tal durch die Ober- juratafel von der Mosel zur Maas. Die deutsche Front steht seit dem Herbst 1914 in der Woevre-Ebene. Die wichtigste Stelle in ihr nimmt ihren Ausgang am Bach Hupt de Mad bei Thiaucourt. Von liier gehen im Niveau der Woevre, nur 30 m über der Maas, zwei flußlose Taldurcligänge zur Maas, die liier die Oberjuratafel durchsclmeiden, zwischen sich einen Tafelberg stehen lassen, während unmittelbar nördlich die Tafel an den steilen Höhen von Apremont nach Osten vorspringt. Diese aus- gezeichnete Stellung ist von uns im Herbst 1914 genommen und seither gegen alle Angriffe von Toul aus gehalten. Von liier aus zieht sich die Stellung unserer Front an Hupt de Mad (Woevre) durch den Priesterwald (Mitteljuraplateau), bei Pont-ä-Moussou über die Mosel und die Seille entlang zu den nördlichen Vogesen. Nördlich Apremont liegt St. Miliiel, wo es den Bayern im September 1914 in blutigem Ringen gelang, die Maas zu überschreiten und das Fort Camp de Romains zu nehmen und diesen Einbruch in den französischen Festungsgürtel seither zu halten. Nördlich liegt neben anderen Forts die große Festung Verdun, wiederum auf dem Abfall des Oberjura-Plateaus, den Cötes lorraines, um deren Be- zwingung zurzeit mit dauerndem Erfolg gekämpft wird. Im Norden von den Ardennen biegen die Steilränder nahezu rechtwinklig gegen West um. Während die Triaszonen in die Bucht von Luxemburg verschwinden, schmiegen sich die Jurazonen in geringer Breite dem Fuß der Ardennen an. Die tonig-kalkige Liaszone geht in Südluxemburg in eine Sandsteinzone über, in welcher ähnlich wie in anderen Sandsteingebieten bizarre Erosions- formen auftreten. Die Stadt Luxemburg, ehemals eine starke Festung, liegt auf einem von der Alzette umflossenen Felssporn. Auch Sedan liegt in dieser Zone auf einem 150 m über der Maas aufsteigenden Plateau. Westlich der Ardennen verschwinden auch die Jurazonen zwischen ihnen und der Kreidezone. Die Front der deutschen Armee erstreckt sich aber nördlich Verdun in westlichem Verlauf in die Champagne hinein. Die kleinen Festungen Longwy, Montmedy und das Fort bei Mezieres vor dem „Luxemburger Loch“ in dem großen, modernen ostfranzösischen Festungsgürtel sind als- bald in unsere Hände gefallen. Für die Zufuhr zur deutschen Front ist vor allem die große Feste Metz von Bedeutung. Die Bahnlinien im Moseltal nach Metz und die Bahnlinie von Trier über Luxemburg nach Longwy ins Chierstal und ihre Zweiglinien Pagny — Diedenhofen — Longuyon, ferner ihre nordwestliche Ver- längerung Montmedy — Sedan — Mezieres sind die Hauptzufuhrwege zur Front. Die Front nördlich Altkirch bis Verdun bildet die Besprechungen. 449 östliche Frontlinie, in der Champagne beginnt die nördliche Front- linie des augenblicklichen Stellungskrieges Die französische Festungslime von Verdun südlich his Toni au den Cötes Lorraines gelegen, über Nancy auf den Mrtteljura- rand bei Epinal auf die Wasserscheide der Monts 1 aucilles über gehend und hier die Zugänge aus den Vogesen sperrend, schließ- lich durch Beifort den Rand der burgundischen Juraplatte sichernd, war anfangs der Ausgangspunkt einer starken französischen Offen- sive gewesen und steht heute noch durch eine starke Armee be- setzt mit Ausnahme des Maasiiberganges hei St. Mihiel (Camps de Romains), wo allerdings die eigentliche Hohe der C«tes Y™'“Tl ebenfalls nicht erreicht worden ist, als unzertrummerter Schutzwall intakt da '. Eine deutsche Offensive von Lothringen durch diese Sperre ist vorläufig unmöglich, da eine Niederzwingung einer dieser Festungen solange untunlich ist, als ein zahlreiches feindliches Feldheer nicht im Bereich der Festungsgeschutze zu schlagen ist . Ende 1914 wurden die aus Deutsch-Lothringen bis vor Epmal vorgedrungenen eigenen Truppen zurückgenommen, da sie teilweise eine andere Verwendung finden mußten. . T] , 3 DieChampagne. Hinter dem westlothringischen Plateau der Cötes Lorraines und der Jnrazone von Sedan beginnt vor dem Steilrand der Tertiärschichten im Innern des nordfranzosisc en Beckens eine neue Landschaft, die Champagne, in der sich Kreide- gesteine ausbreiten. Bei einer Länge von 200 km erreicht die Champagne eine Breite von 50-100 km In einer schmalere“ äußeren Zone., der Champagne humide, setzen tomge n sandigtonige ünterkreide, in der inneren Zone wasserdurchlässige, sterile Schreibekreidegesteine der Oberkreide den Boden zusammen. Die nördliche trockene Champagne ist durch das Langstal der Aire ausgezeichnet, welche sich im Norden durch eine plotzh.che Schwenkung mit der im Oberlauf ebenfalls gegen Norden fließenden Aisne vereinigt. Zwischen Aisne und Maas liegen die stark zei- schluchteten, mit Wald bedeckten, feuchten Argonnen. Am Oberlauf der Aisne, die hier der Grenze der ünterkreide gegen die Oberkreide, d. i. der feuchten gegen die trockene Champagne, folgt, liegen die Flecken St. Menehonld und Vouziers. Die trockene Champagne senkt sich aus Westen gegen Osten von 200 m bis 120 m; in ilir verlaufen die Flußsysteme der Aisne (Unterlaut), Marne, Anbe, Seine, Yonne gegen Osten dem Innern des Beckens, 1 In den letzten Monden ist die befestigte Höhe der Cötes lorraines von der deutschen Armee nördlich Verdun durch die Eroberung von Douau- mont und dem Fort de Vaux tatsächlich erreicht worden. l-Ket.J 2 Eine tapfere, aus besten Kerntrappen bestehende französische Armee hat sich bei der Bedrohung von Verdun durch unsere Armee aber sofort eingefunden. [Bef.] 29 Cen tralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 450 Besprechungen. zu. Am inneren Rand der trockenen Champagne gegen das innere tertiäre Becken befindet sich der letzte, innerste Steilrand des nordfranzösischen Beckens: der Rand des Pariser Beckens. Die berühmte Weinzone der Champagne breitet sich am Fuße der Abhänge dieses Steilrandes aus. Der innere Festungsgürtel ist auf dem Steilrand erreicht. Laon liegt auf einem Zungenberg, die Forts auf der tertiären Platte. Der Eintritt der Aisne in das Pariser Becken wird durch Berry au Bac verteidigt. Das nördlich der Aisne vorspringende Plateau von Craonne ist liier gelegen. Reims beherrscht den Eingang des Flüßchens Vesle; die Stadt wird mit ihrer berühmten Kathedrale im Westen vom Tertiärrand, im Osten und Norden von Zeugenbergen des Tertiärs um mehr als 100 m überhöht. Die Champagne ist die Stätte heftiger Kämpfe gewesen. Im September 1914 war die innere Festungsreihe La Fere, Laon, Reims ohne Widerstand genommen worden, die Armee hatte die Aisne überschritten. Deutsche Kavallerie war bei Compiegne auf englische Stellungen gestoßen und abgewiesen worden. Südlich war Kavallerie bis Troyes vorgedrungen und es soll Grand Morrin nach Über- schreiten der Marne erreicht worden sein, als große Heeresmassen der Franzosen — die an der italienischen Grenze durch den Verrat einer „verbündeten“ italienischen Regierung frei geworden waren — von Toul aus in Anmarsch kamen. Die deutsche Front mußte daraufhin in der von den Franzosen gefeierten Schlacht an der Marne bis auf das Plateau nördlich der Aisne zurückgenommen werden. Später wurden durch glückliche Kämpfe das Plateau von Craonne, der Ostrand der Tertiärtafel nördlich der Aisne , dann der nördliche Talrand der Aisne bis Soissons wieder genommen. Reims blieb verloren. Von Soissons verläuft die Front bis west- lich von Noyon an der Oise, wo sie rechtwinklig nach Norden umbiegt. Hinter den beiden feindlichen Fronten sind Parallel- bahnen vorhanden. Hinter der deutschen Front läuft die Linie Laon — Cliauny mit Verbindungen Noyon — St. Quentin — Maubeuge — Köln. Hinter der französischen Front zieht die Bahnlinie (Reims) — Villers-Cotterets — Compiegne, nachdem die direkte Bahnlinie Reims — Soissons — Compiegne im Bereich unserer Geschütze liegt. Die deutsche Front läuft von Osten gegen Westen, also in der Champagne ebenso wie in Lothringen quer zur natürlichen Gliederung des Landes, von Berry au Bac über die nordöstlichen Forts von Reims, die Höhenschwellen bei Souain und Perthes quer durch die trockene Champagne, zum Nordende der Argonnen (feuchte Champagne), von hier zum Oberjurasteilrand nördlich Verdun. 4. Die Isle de France. Dieses fruchtbare, hoch kultivierte, mit Ost — West fließenden Tälern ausgestattete Pariser Tertiär- becken liegt mit Ausnahme einer soeben schon besprochenen Nordost- ecke außerhalb des Kriegsschauplatzes. 5. Picardie, Artois, Cambresis. Im Nordwesten der Besprechungen. 451 Isle de France ist wie im Westen ein großes zusammenhängendes Kreidegebiet vorhanden, das zwischen Caen und Calais das Meer er- reicht und zwischen Laon und den Ardennen in die Champagne über- geht. In dem Kreidegebiet befindet sich der größte Teil der Nor- mandie, die Picardie, Artois mit Cambresis. Die Kreide ist in leichte, aus NW gegen SO ziehende Falten gelegt. Die große Fruchtbarkeit des Gebietes beruht in den hier über die Kreide ausgebreiteten Lehmdecken und den Resten tertiärer Tone voll eingeschwemmter Feuersteine (Argile ä silex). Die Küste der Normandie ist eine Brandungs-Steilküste. Nördlich der Somme-Mündung hat die Küsten- versetzung [Ref.] an der von hier gegen Norden abbiegenden Küste einen breiten Sandstrand entstehen lassen, der aber vom Cap gris nez bis Calais an der abermals sich gegen Osten wendenden Küsten- linie wieder einem felsigen Steilrand Platz macht. Häfen bilden überall nur die trichterförmigen, ertrunkenen Flußmündungen. Die Picardie dehnt sich nördlich der Somme bis zum Ardennenfuß als schmale Zone und als eines der reichsten Ackerbaugebiete Frankreichs aus. Ihre Hauptstadt Amiens ist ein wichtiger Knoten- punkt der aus Belgien nach Paris laufenden und der kiistenwärts aus dem Innenland laufenden Bahnen. Dem Kreidegebiet der Picardie ist nördlich bis Cambrai die leichte Kreideauffaltung der Schwelle von Artois vorgelagert, zwischen ihr (Cambrai) und den Ardennen liegt die fruchtbare Ebene der Cambresis , in der das Tertiär der Isle de France in einem fast ununter- brochenen Zusammenhang mit dem belgischen Tertiär steht. Diese Ebene sowie die östliche Picardie bilden das große Einfallstor in die Isle de France aus dem Norden über Fournes , Charleroi, Verviers, welches durch Laon gedeckt wird. Dem Nordostabfall der Schwelle des Artois ist Arras vorgelagert. Doch verläuft das südliche Ende des Zuganges westlich Laon in der breiten Senke von St. Quentin, nördlich der Festung La Fere. In diesem Ein- fallstor wurde die französische Nordarmee am 19. Jänner 1871 von Goeben und am 27. August 1914 von v. Kluck geschlagen. Die Front verläuft seither von Noyon aus nordwärts über die große Ackerebene der Sauterre über Albert auf die Hochfläche des Artois hinab nach Arras, wo seither heftig gekämpft worden ist, bis westlich Lens. Nördlich Arras und bei Lens ist die deutsche Front wiederholten starken Offensiven ausgesetzt gewesen, da hier die Möglichkeit besteht, durch einen Stoß gegen Osten in den Rücken der von Noyon ab gegen Süden gekehrten Champagne- front zu gelangen. Auch die mächtigsten Angriffe des Feindes scheiterten an der tapferen Verteidigung unserer Truppen. Zwischen dem aus W7esten gegen Ost verlaufenden Scarpetal bei Arras und dem Abfall der Artois-Schwellen liegt ein sich nach Osten ver- breiternder, 90 — 120 m erhöhter Plateaustreifen, auf dem sich die deutschen Stellungen gegen Arras vorgeschoben hatten. Bei Ca- 452 Besprechungen. rency und Souchez ist in ihn ein Tal eingeschnitten, das im Westen von der Lorettohöhe flankiert wird. Dieses Plateau, gewisser- maßen die Vorstellung für das Artois, ist besonders heftig mit wechselndem Erfolg umkämpft worden. An der Küste stellen Boulogne, Calais und Dünkirchen die wichtigsten Häfen dar. Das Cap gris nez nähert sich der Küste von Dover auf 34 km, ist also für die wiederholt schon in Aktion getretene neue schwere Artillerie zu überfunken. Belgien nebst Französisch-Hennegau und Französiscli- F lau dem. Belgien ist weder eine nationale noch eine natürliche Einheit; seine beiden Naturgebiete sind: 1. Das Hochland der Ardennen, dem nur im Südosten bei Arlon ein Teil des mesozoischen Beckenrandes anliegt (Hochbelgien); 2» Das belgische tertiäre Tafelland mit der jungen Küstenebene (Mittel- und Niederbelgien). 1. Ardennen und Hennegau. Die Ardennen werden durch die großen Quertäler der Maas und Sambre in drei Ab- schnitte geteilt. Ihrer Struktur oach bestehen sie aber aus zwei aus WSW gegen ONO streichenden Zonen. Der südöstliche Teil, die eine Zone, besteht aus gefalteten Unterdevongesteinen, unter denen im Hohen Venn (bis 650 m) und im Massiv von Recroi cambrische und ältere Gesteine aufragen. Die nördliche Zone ist durch einen Streifen mitteldevonischen Kalkes auf der Linie Ver- viers — Marche — Givet — Chimay auch morphologisch gut geschieden. Weiter nördlich folgt vorwiegend schiefriges Oberdevon, Bergkalk und produktives Obercarbon, das aus Süden überschoben ist. Con- droz ist als Landschaftsname für die nördliche, vorwiegend carbo- nische, Famenne für die vorwiegend oberdevonische Zone gebräuch- lich. Die nördliche Zone ist eine große Industriezone, ihre Kohlen- flöze, die aus dem Aachener Becken von Osten her streichen, setzen sich durch das französische Hennegau (nördlich Cambresis) bis ins Artois unter der Kreidedecke fort. Valenciennes und Douai sind die beherrschenden Städte. Diese Gebiete wurden nach Überwindung der belgischen Festungen samt ihrer englisch-französischen Be- satzung am Anfang des Krieges ein wichtiges Operationsfeld ; heute besitzen ihre großen Bahnlinien Bedeutung für die Zufuhr der Erfordernisse der in der Picardie, Nord-Champagne und im Artois stehenden Front. Die Überwindung der belgischen Festungen konnte eher gelingen als diejenige der französischen Fortsgürtel, da die Franzosen nicht so schnell mit ihrem Feldheer zur Stelle sein konnten. Nach der Einnahme von Lüttich am 6. Mobil- machungstage wurde der Vormarsch maasaufwärts angetreten und am 21. August, gleichzeitig mit dem Scheitern der französischen Offensive in Lothringen, die Festung Namur belagert und am Besprechungen. 453 24. August tapfer bezwungen. Gleichzeitig war die Armee des deutschen Kronprinzen von Luxemburg über Longwy und die des württembergischen Kronprinzen aus Nordluxemburg in die Ardennen eingedrungen und ein französisches Heer wurde gegen die Maas zu- rückgeworfen. Die Armeen von Hausen und von Bülow sind nörd- lich davon aus der Eifel gegen die Maas von Namur vorgegangen, während der rechte Flügel unter von Kluck an der Sambre gegen Maubeuge zog. Nach den Kämpfen im Industriegebiet wurde am 26. August Maubeuge, 27. August St. Quentin genommen, am 30. August wurden die Franzosen bei Combles südlich Bapaume besiegt, von Hausen und von Bülow besiegten am 2 7. August das französische Ersatzheer für Namur. von Bülow zog hinter der Kluck- Armee nach St. Quentin , von Hausen südwärts gegen Keims. 2. Das belgische Tafelland nebst Französisch - Flandern. Das Gebirge der Ardennen versinkt gegen Norden ohne jede ausgeprägte Höhenstufe unter die Kreide. Die produk- tive Kohle ist aber weit nördlich bis Holland erbohrt worden und wird für den Abbau vorgerichtet. Aus dem sanft welligen Tertiär- gebiet Mittel- und Niederbelgiens tauchen noch weit vor dem Ar- dennenrand eine Anzahl Inseln von Ardennengestein aus der Tiefe empor. Das Tertiärland dacht sich gegen Norden langsam ab. Am Kand der Ardennen liegt die Fläche bei 200 m, um Brüssel bei 100 m und um Antwerpen, Gent und Brügge schon fast im Meeresniveau. Südwestlich Brügge beginnt die Küstenebene. Hier wie im benachbarten Frankreich tragen Lehmdecken zur Frucht- barkeit des Bodens bei. Eine alte historische Landschaft ist im Nordosten die sandige Campine, das Kempenland. Östlich davon, im nördlichen Belgisch-Limburg, steigt eine 90 m hoch gelegene diluviale Schotterterrasse der Schelde aus der Küstenebene. Die alte Landschaft Brabant umfaßt Teile von Belgisch-Limburg, Teile von Namur, Hennegau und Holland, sowie das ebenfalls außer- halb der heutigen Provinz Brabant gelegene Antwerpen. Bis zum 16. Jahrhundert war Brabant mit Brüssel als Hauptstadt der süd- liche Teil Hollands. Die große ehemalige Grafschaft Flandern umfaßt die belgischen Ost- und Westflandern und Französisch- Flandern. Das Tertiärgebiet flacht sich hier gegen Westen ab. Die Flußbette werden breiter und gehen z. T. in Schwemmebenen über, welche von tertiären Zeugenbergen bis 100 m überragt werden. Von Aalst über Roulers, Ypern und Cassel verläuft eine Zone solcher Hügel. Das mit Blut getränkte Hügelgebiet von Ypern wird von der kanalisierten Yser durchzogen. Nach einer Glanzzeit im 13. und 14. Jahrhundert ist Ypern eine stille Stadt geworden. Der östliche Höhenkranz von Ypern trägt die Stellungen der deutschen Front. Französisch-Flandern bildet mit Französisch-Hennegau das größte Industriegebiet Frankreichs. Westwärts bis zur Lys 454 Besprechungen. wird die Kohle in der Tiefe abgebaut. Der Kanal von La Bassee zieht durch das Industriegebiet bis Dünkirchen und Calais. Im Norden liegt die alte flandrische Stadt Lille (flämisch Ryssel), eine der bedeutendsten Fabrikstädte Frankreichs. Als Festung hält sie die Mitte zwischen Maubeuge und der Küste. Heiße Kämpfe haben um Lille und später westlich Lille stattgefunden. 10 km nord- östlich an der belgischen Grenze liegt Roubaix und Tourcoing, westlich Lille an der Lys Armentieres. Die flandrische Küstenebene ist nur 12 km breit, sie ist von Wattenmeermergeln unter den jüngeren Meeressanden in der Tiefe durchzogen, war also einst ein Haff hinter Düneninseln. Heute wächst das Land westlich Dünkirchen, geht aber ostwärts Westende zurück. Die Ebene liegt nur 4 m über dem Meere. Durch Schleusen und Dämme werden Schädigungen von Hochfluten verhindert. An einer Stelle, auf französischem Boden, greift die Tertiärplatte bis 5 km gegen das Meer vor; hier liegt Veurne (Furnes), das, wie die Umgebung von Dünkirchen, von Vlämen be- wohnt wird. Nieuport liegt hinter einem Dünenkranz. Zeebrügge ist durch Leopold II. als großer Hafen ausgestaltet worden, der aber bisher keinen entsprechenden Handel auf sich gezogen hat. Die bisherigen Kämpfe in Flandern waren teilweise gegen die anfangs zum Entsatz von Belgien anrückenden Engländer gerichtet, später entstanden die blutigen Kämpfe zur Eroberung der Höhen- stellung vor Ypern. Offensiven, welche von hier aus gegen die großen Häfen angesetzt waren, hatten bisher noch keinen Erfolg. A. Philippson schließt das Buch mit einer Schilderung der sozialen Verhältnisse Belgiens. Zum Verständnis ist eine bekannte hübsche geologische Karte Frankreichs , ferner eine Formations- tabelle und eine Tafel mit drei Profilen quer durch die konzen- trischen Steilränder des nordfranzösischen Beckens beigegeben. Tornquist (Graz). Stefan Kreutz: Elemente der Theorie der Kristall- struktur. Leipzig bei Wilhelm Engelmann. 1915. I. Teil: Text 175 p. Mit 18 Tafeln und 40 Textfiguren. II. Teil: 85 Stereo- gramme. Der Theorie der Kristallstruktur ist schon seit längerer Zeit von zahlreichen Forschern eine große Aufmerksamkeit gewidmet worden. In den letzten Jahren ist dieses Interesse noch gestiegen und allgemeiner geworden durch die Versuche von M. v. Laue und seinen Nachfolgern, durch welche ein experimenteller Weg eröffnet wird, um durch die Interferenzerscheinungen der Röntgen- strahlen, welche durch die als Gitter wirkenden Kristallplatten Besprechungen. 455 hervorgerufen werden, direkt in den Bau der Kristalle einzudringen. Es ist daher um so mehr zu begrüßen, daß uns durch das Werk des Verf.’s eine vollständige Übersicht über den gegenwärtigen Stand dieser vielfach schwierigen Frage unter Bezugnahme auf die früheren Arbeiten gegeben wird, um so mehr, als die anschau- liche und klare, durchweg elementar gehaltene Darstellung, unter- stützt durch zahlreiche gute und instruktive Abbildungen, die Kenntnisnahme wesentlich erleichtert. Der Beschreibung der einzelnen Punktsysteme wurde eine Darlegung der Grundlagen der Strukturtheorie vorausgeschickt, und es wurde insbesondere auf die geometrischen Eigenschaften der Eaumgitter Gewicht gelegt, da diese für die ganze Theorie eine fundamentale Bedeutung be- sitzen. Was das Buch bietet, zeigt die folgende Übersicht des Inhalts. Einleitung: 1. Die Grundannahmen der Theorie der Kristall- struktur. 2. Die geschichtliche Entwicklung der Theorie. 3. Me- thode der Konstruktion der regelmäßigen Punktsysteme. 4. Die Deckbewegungen der regelmäßigen Punktsysteme. 5. Einteilung der regelmäßigen Punktsysteme. 1. Teil. Eaumgitter. 1. Konstruktion eines Kaumgitters. 2. Einteilung der Eaumgitter. 3. Symmetrieeigenschaften der Eaum- gitter. 4. Eichtungen gleichwertiger Deckachsen. 5. Kombination ungleicher Achsen. 6. Weitere Beziehungen zwischen den Sym- metrieelementen und Kaumgittern. 7. Die Typen der Eaumgitter. 8. Anwendung der Kaumgittertheorie auf die Kristalle. 9. Das Symmetriegesetz und der gitterartige Aufbau. 10. Die Bezeichnungs- art (Symbole) der Gitterebenen und der Punktreihen. 11. Das Gesetz der Kationalität der Indizes und die Gitterstruktur. 12. Die Spaltbarkeit und der raumgitterartige Aufbau der Kristalle. 1 3. Die Eangordnung (Wichtigkeit) der Kristallflächen vom Standpunkte der Kaumgittertheorie. 14. Parameter der Punktreihen. 15. Der Flächeninhalt des Elementarparallelogramms einer Netzebene (hkl) mit Beispielen. 16. Polargitter; graphische Ermittlung des Flächen- inhalts J (hkl). 17. Die Bedeutung des BnAVAis’schen Gesetzes und sein Verhältnis zu anderen kristallographischen Gesetzen. II. Teil. Eegel mäßige Systeme, welche aus unter einander nicht notwendig parallel orientierten Sy- stemeinheiten bestehen. A. Allgemeines. 1. Kegelmäßige Punktsysteme von L. Sohnke. 2. Die Drehungskomponenten der Deckachsen in den regelmäßigen Punktsystemen. 3. Zusammen- setzung der Drehungen um untereinander parallel verlaufende Achsen. 4. Deckschiebungen in regelmäßigen Punktsystemen. 5. Die Lage der von einer Achse gleich entfernten Punkte. 6. Ableitung der regelmäßigen Punktsysteme, in welchen beide Dichtungen der Syn- gonieachsen vertauschbar sind. B. Spezielle Beschreibung der regel- mäßigen Systeme. Allgemeine Bemerkungen. 1. Trikliner Typus. 456 Besprechungen. 2. Monokline und rhombische Syngonie. 3. Tetragonale Syngonie. 4. Trigonale Syngonie. 5. Hexagonale Syngonie. 6. Kubische Syngonie. — Allgemeine Bemerkungen über die Symmetrie der regelmäßigen Systeme. III. Teil. 1. Erweiterte Theorie von L. Sohnke. 2. Be- ziehungen zwischen der Atomhypothese und der Strukturtheorie. 3. Die reine Strukturtheorie. 4. Die homogene Raumteilung. 5. Kriterien, welche bei Versuchen der Bestimmung der Kristall- struktur benützt werden. 6. Die Unterscheidung der Kristall- struktur mit Hilfe der Röntgenstrahlen. — Anhang: Erläuterung einiger häufiger benützter kristallographischer Begriffe und Bezeich- nungen. Bemerkungen zu den Stereogrammen und Projektionen. Die Ausstattung des Buches ist, was Druck und Abbildungen betrifft, vortrefflich. Ein Wort sei noch zugefügt bezüglich der Stereogramme, die den 2. Teil des Werkes bilden. Es sind Auf- nahmen der mühsam, schwierig und kostspielig herzustellenden Modelle der Typen der regelmäßigen Punktsysteme, die im Minera- logischen Institut der Münchener Universität in großem Maßstab exakt aufgebaut wurden und die in hohem Grade geeignet er- scheinen, die Anschauung zu unterstützen. Auf den 18 Tafeln sind 65 Projektionen von Punktsystemen dargestellt; sie stehen in engster Beziehung zu den Modellen und sind als deren Kopfbilder, d. h. als gerade Projektionen auf eine senkrecht zu der Achse Z stehenden Ebene zu betrachten. Max Bauer. O. Doelter : Handbuch der Mineralchemie. 2. Ab- tlg. 10. Dresden und Leipzig bei Theodor Steinkopff. 1916. p. 641 — 800. Mit vielen Abbildungen, Tabellen, Diagrammen und Tafeln. Die vorliegende Abteilung enthält den Schluß der Chlorit- gruppe vom Herausgeber, sodann: Spodiophyllit und Bra- vaisit von demselben, Palygorskitgruppe (A. Fersmann), isomorphe Mischungen von Kalium- und Magnesium-Alu- mini umsilikaten, sowie Biotit (Magnesiumkaliumglimmer) (C. Doelter); quantitative Analyse des Turmalins (P. Jan- nasch); Turmalin, sowie Calcium-Aluminiumsilikate (C. Doelter); allgemeines über Epidot gruppe, sowie Z o i s i t (Anfang) (M. Goldschlag). Max Bauer. F. P. Müller, Ueber einige Mineralien etc. 457 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Ueber einige Mineralien aus den Manganerz-Lagerstätten des Oberhalbstein (Graubünden, Schweiz). Von F. P. Müller, Basel. In dem Gebiet der Talschaft Oberhalbstein, welche dem mitt- leren Teile des Kantons Graubünden angehört, finden sich an meh- reren Stellen kleine Manganerzlager (vergl. z. B. : C. Schmidt: „Asphalt, Steinsalz, Erze“. Handwörterbuch der Schweiz. Volks- wirtschaft etc. 3. 1907. p. 130 — 131, Literatur p. 150). Das Erz, oxydisclies Manganerz, tritt, lokal angereichert, in derben Klumpen oder linsenartigen Massen auf. Es findet sich immer in Begleitung von roten Kieselschiefern, welche allgemein als Radio- larite bezeichnet werden. Die Natur dieser sogen. Radiolarite ist jedoch durchaus nicht völlig aufgeklärt. In unserem Falle gelang es nicht, trotz mikroskopischer Untersuchung von zahlreichen Proben, die geringsten Spuren organischer Reste darin nachzuweisen. Manganerze und rote Kieselschiefer liegen in einer Serie von grauen und grünen Ton- und Kalkschiefern und konkordant ein- gelagerten eruptiven Bildungen, Serpentinen und Spiliten. Die Mangan- erze erscheinen immer in der Nähe von bedeutenden Serpentin- lagen. Dieser Faktor im Verein mit der petrographischen Be- schaffenheit der Erze, über welche anderorts berichtet werden soll, machen es wahrscheinlich, daß die Lagerstätten mit Kontakt- erscheinungen in Zusammenhang zu bringen sind. Auch dürfte es durchaus nicht ausgeschlossen sein, daß die roten Kieselschiefer in unserem Falle ihren heutigen Charakter eben derselben Wirkung verdanken. Der endgültigen Entscheidung über die genetischen Verhält- nisse der Lagerstätten stellen sich indessen Schwierigkeiten ent- gegen mit den starken Ortsveränderungen, welche die ganze Ge- steinsmasse unter dem Einfluß tektonischer Vorgänge (Überschie- bungen in großem Stil) erlitten hat. Das derbe Manganerz tritt im allgemeinen mit reichlich vor- handenem körnigem Quarz auf. In enger Verbindung mit dem Erz erscheinen die im folgenden genannten Begleitmineralien. In bezug auf dieselben ist vorauszuschicken, daß es sich fast aus- schließlich nur um körnige Massen und häufig nur kleine Mengen, nicht aber um wohlkristallisierte Mineralien handelt. Bekannt war bis jetzt das Vorkommen von Zoisit und Epidot. 29* 458 F. P. Müller, (Ch. Tarnuzzer: „Die Manganerze bei Roffna im Oberhalbstein“. Zeitsclir. f. prakt. Geologie. 1893. p. 234 — 237.) Der Zoisit erscheint recht häufig als strahl ig-blättri ge, gelb- lichgrüne Aggregate in den körnigen Quarzmassen der Lagerstätten. Im engsten Zusammenhang mit dem Erz findet sich der makro- skopisch braunrötlich ausschauende Epidot. Er bildet einzelne Adern im derben Erz, die jedoch mannigfach durch jüngere Quarz- adern unterbrochen sind und erscheint in haarartigen Aggregaten, deren Fäserchen zu den Salbändern der Adern senkrecht stehen. Das Mineral zeigt unter dem Mikroskop ziemlich starken Pleo- chroismus und strahlige Formen. Als mineralogische Neuigkeit ließ sich in Dünnschliffen das Vorhandensein von Piemontit (Manganepidot) nachweisen (Alp digl Plaz). Das Mineral zeigt die allgemeinen Eigenschaften des Epidot und läßt sich eindeutig erkennen an seinem typischen Pleochroismus von hellorange (a) zu einem Violett mit Stich ins Rote (6) bis braunrot (c). Der Piemontit fand sich in kleinen, frischen, aber schlecht umrandeten Individuen unmittelbar an der Erzmasse und teilweise eingeschlossen in einer unregelmäßigen, pleochroitischen Masse, die als gewöhnlicher Epidot gedeutet wurde. Vom mineralogischen Standpunkte kommt diesem Funde einige Bedeutung zu, weil außer von Saint-Marcel, Aostatal, Piemont, welches Vorkommen dem Mineral den Namen eingetragen hat, weitere in den Alpen, zumal in der Schweiz, bis jetzt anscheinend nicht bekannt sind. In geringen Mengen kommt Rhodochrosit (Mangap-Kar- bonat) vor. Er bildet weiße bis rötlichbraune, dichte Stufen, welche unter dem Mikroskop vorwiegend als ein Gemenge von dichtem Quarz und rundlich-strahligen Aggregaten von Mangan-Karbonat erscheinen. Eine qualitative Analyse von reinem Material ergab reichen Gehalt an Mn und C02. Das Mineral tritt in unmittelbarer Berührung mit dem oxydischen Erz auf. In ähnlich aussehenden Stufen findet sich Rhodonit (Man- gan-Silikat) gemengt mit feinkörnigem Quarz. Er bildet rosa- farbene, feinkörnige Massen in direkter Angrenzung an oxydisches Erz. Unter dem Mikroskop erkennt man den sehr blaßrötlichen Rhodonit in einem körnigen Gewirr oft beinahe idiomorpher, spindel- förmiger Kristalle, welche gute Spaltbarkeit zeigen, eine Licht- brechung von rund 1,7 und Doppelbrechung von 0,010 — 0,015 aufweisen. Eine weitere Mineralsubstanz, welche mit Manganerz gefunden worden ist (Alp Err), wurde nach chemischer Untersuchung als ein wasserhaltiges Mangansilikat erkannt. Eine vorläufige Ana- lyse ergibt: Ueber einige Mineralien aus den Manganerz-Lagerstätten etc. 459 SiO, 47,15 Al, 0, 5.09 Fe203 0,3(5 Mn 0' 36,89 Ca 0 Spur Mg 0 2.99 CuO . . . Spur Na2 0 0,07 K20 1,21 H2 0 6.24 ioo,oo«/0. Dieses vorläufige Resultat läßt eine Berechnung nur schlecht zu. Die physikalischen Eigenschaften der Substanz sind kurz folgende : Kupferrot-braune Farbe, metallischer Glanz; H = 3,5, spröde, mit unvollkommen glimmerartigen Absonderungen; spezifisches Ge- wicht wurde bei der Trennung mit schwerer Flüssigkeit erkannt als eine Spur kleiner als bei Quarz (2,65). Die mikroskopische Unter- suchung ergibt: Lichtbrechung zwischen 1,54 und 1,55; Doppel- brechung 0,Q25 — 0,027; Pleochroismus gelblichbraun nach 6 und C, farblos nach a. Spaltung in einer Richtung gut, quer dazu undeutliche Querrisse. Auslöschung gerade oder fast gerade in bezug auf die besten Spaltrisse ; optisch negativ meist einachsig, schwache Achsenwinkel (2 Eca. 30°) wurden vereinzelt gefunden. a_L zur besten Spaltrichtung. Diese Substanz ist in allen Schliffen, wie auch makroskopisch erkennbar, in stark verbogenem Zustand. Auch größere Individuen zeigen keine kristallographische Umrandung und lösen sich auf in ein Wirrwarr verbogener und verdrückter Fetzen. Die ganze Masse umsäumt undeutlich idiomorph ausgebildete Quarzindividuen, welche makroskopisch als Stengel und Lamellen auftreten und an- nähernd parallel verlaufen mit den größeren Individuen des rot- braunen Minerales. Dasselbe tritt als geschlossene Masse zwischen Manganerz auf, wobei die Kristallindividuen mit dem Quarz an- nähernd senkrecht zur Grenzfläche zwischen Erz und rotbrauner Masse gestellt sind. Randlich geht das rotbraune Mineral ziemlich unvermittelt über in eine gleichausgebildete Mineralsubstanz, welche als einzigen Unterschied schwarzbraune Eigenfarbe zeigt und im Dünnschliff dunkelbraun erscheint. Im ganzen ist ersichtlich, daß der Mineralbestand der Mangan- erz-Lagerstätten in Oberhalbstein demjenigen der wegen seiner Mineralienfunde einst bekannten Lager von Saint-Marcel im Aostatal analog ist, wogegen als Unterschied die fast fehlende kristallo- graphische Ausbildung der Mineralien der Oberhalbsteinischen Vor- kommen im Vergleich zu den bekannten schönen Formen des Aostatales betont werden muß. Min. und Geol. Institut, Universität Basel. 460 A. Beutell, Zur Genese Zur Genese von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. Von A. Beutell in Breslau. Mit 12 Textflguven. (Schluß.) Die auffallendste Erscheinung an polierten und geätzten Schliffen ist die zierliche Schichtung, die uns allenthalben ent- gegentritt. Fig. 1 zeigt ein solches, bei lßfacher Vergrößerung aufgenommenes Bild eines Speiskobalts von Riechelsdorf in Hessen. Was die Entstehung betrifft, so kann Schichtung ebensogut durch Abscheidung aus Lösung wie aus Dampf hervorgehen. Man wird beim Anblick von Fig. 1 an Achat erinnert, doch führt ein näherer Vergleich zu wesentlichen Unterschieden. Zunächst ist die Fein- heit der Schichtung beim Speiskobalt eine viel höhere als beim Achat. Bei dem feinst gebänderten Achat, den ich in der hiesigen Sammlung auffinden konnte, betrug die durchschnittliche Schicht- dicke etwa 0,1 mm; bei dem hier abgebildeten Speiskobalt, der durchaus nicht zu den am feinsten geschichteten gehört, beträgt sie nur 0,01 mm. Die zehnmal größere Feinheit allein würde von Speiskobalt und Chloanthit auf Er/gängen. 461 die Entstehung aus Lösung zwar nicht unmöglich erscheinen lassen, doch tritt als erschwerender Umstand hinzu, daß die aufeinander- folgenden Schichten aus zwei verschiedenen Substanzen, nämlich aus As2 Co und As- Co2 bestehen. Es müßten mithin zu ihrer Entstehung zwei, immer abwechselnd zirkulierende Lösungen an- genommen werden. Es gäbe hierfür drei Möglichkeiten: 1. Die in den Gängen zirkulierenden Wässer nehmen ihren Weg abwechselnd durch verschiedene Erzschichten und führen deshalb das eine Mal As2 Co und das andere Mal As5 Co2 in Lösung. Daß sich dieselbe Erscheinung, welche schon für einen Fundort wenig wahrscheinlich klingt, überall wiederholen sollte, ist ausgeschlossen. 2. Wechselnde Temperatur könnte die Ursache sein, wobei man dem einen der beiden Arsenide eine viel größere Löslichkeit bei hoher Temperatur zuschreiben könnte als dem anderen. Da die Temperatur der zirkulierenden Lösungen von der Temperatur der ganzen Umgebung abhängt, so müßte der ganze Schichten- komplex eine periodisch wechselnde Temperatur aufweisen , wras ebenfalls zu verwerfen ist. 3. Durch wechselnden Druck könnten die Löslichkeitsverhältnisse geändert werden. Auch diese Annahme ist unhaltbar, weil die Löslich- keit fester Körper vom Druck fast gar nicht beeinflußt wird. Beim Achat sind diese Schwierigkeiten nicht vorhanden, weil sich die aufeinanderfolgenden Schichten hauptsächlich durch ein nur spuren weise beigemischtes Pigment unterscheiden. Anders liegen die Verhältnisse bei der Bildung durch Subli- mation, weil die Arsenaufnahme eine von Druck und Temperatur stark beeinflußte Funktion ist. An periodische Schwankungen der Temperatur ist zwar aus den eben angeführten Gründen nicht zu denken, doch sind auf den Kobalterzgängen Druckschwrankungen zu erwT arten, weil sich die hochgespannten Gase und Dämpfe von Zeit zu Zeit einen Ausgang bahnen werden, der sich dann hinterher wieder verstopft. War vor dem Gasausbruch z. B. die Arsentension bei der herrschenden Temperatur für die Bildung von As5 Co2 geeignet, so kann sich bei Druckverminderung nur noch ein niederes Arsenid bilden, und so folgte auf die Schicht des Pentarsenids eine Schicht des Biarsenids As2Co oder eines noch niederen Arsenids. Erst wenn die Arsentension durch Verdampfen gediegenen Arsens oder durch Zersetzung höherer Arsenide , welche infolge der Druck- verminderung nicht mehr bestehen können , wieder auf die alte Höhe gestiegen ist, bildet sich eine neue Schicht des Pentarsenids. Abwechselnde Schichten von verschiedener chemischer Zusammensetzung erscheinen bei der Bildung des Speiskobalts durch Sublimation als notwendige Folge der Druckschwankungen, während sie bei der Bildung aus Lösung unerklärlich bleiben. 462 A. Beutell, Zur Genese Allgemein bekannt ist an den Speiskobaltkristallen die bauchige Besch affenheit der Flächen, welche unwillkürlich die Vorstellung erweckt, daß sie gequollen sind. Das mikroskopische Bild geätzter Schliffe hat unsere Kenntnisse insofern erweitert, als es uns ent- hüllt hat, daß im Innern der Kristalle meist das schwarze Pent- arsenid As5 Co2 zu finden ist, von dem aus radiale Sprünge verlaufen (dies. Centralbl. 1916. p. 211/13. Fig. 11/14). Nachdem durch die Sinterungsversuche festgestellt ist, daß bei der Entstehung von höheren Kobaltarseniden (wie As- Co2 und As3 Co) eine so große Volumvermehrung eintritt, daß bereits gesinterte Arsenide wieder zerfallen, ist der Grund für die Quellung und die gewölbten Kristall- flächen gefunden. Fig. 2 stellt einen polierten und mit Salpeter- Fig. 2. Chloanthit von Freiberg. Vergr. 1 : 4. säure angeätzten Schnitt durch eine Kristallgruppe von Chloanthit aus Freiberg dar. In der Mitte des Bildes befindet sich ein ver- ästelter Hohlraum, der vermutlich ursprünglich mit Arseniden aus- gefüllt war, welche sich nachträglich durch zirkulierende Gruben- wässer gelöst haben ; auch die beiden eckigen, links und rechts liegenden schwarzen Flecke sind Löcher. Am Rande sieht man deutlich die Wölbung der Kristallflächen und den schaligen Aufbau. Die Schalen sind gehoben und zeigen (namentlich rechts oben) Sprünge sowohl parallel als senkrecht zur Schichtung, in welche hinterher Quarz eingedrungen ist. Auch hier wird das Innere der Kristalle von dem dunkel angefärbten, porösen Pentarsenid As5 Co2 gebildet, welches durch Quellung die Sprünge und die Wölbung hervorgerufen hat. Abweichend von Speiskobaltschliffen war die Färbung hier nicht rein schwarz, sondern zeigte schwache Regen- von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 463 Fig. 3. Speiskobalt von Schneeberg. Yergr. 1 : 5. Fig. 4.. Speiskobalt von Riechelsdorf. Vergr. 1 : 50. bogenfarben, welche durch Verunreinigungen des Erzes bedingt sein mögen. Fig. 3 gibt eine durch den inneren Druck der sich bildenden höheren Arsenide völlig zersprengte Kristallgruppe von Schnee- 464 A. Beutell, Zur Genese berger Speiskobalt wieder, deren Fragmente in der Folgezeit durch Quarz verkittet worden sind. Die feinen und scharfen Konturen sind hierbei verloren gegangen, weil der ganze Kristall von mikro- skopischen Sprüngen durchsetzt ist. Fig. 4 zeigt eine mikroskopische Verwerfung eines Speis- kobalts von Riechelsdorf in Hessen, die wiederum die Wirkung des inneren Druckes veranschaulicht, der durch die fortschreitende Arsenierung ausgelöst wurde. Das Präparat läßt außerdem er- kennen, daß die bei schwacher Vergrößerung vorgetäuschten Über- Fig. 5. Speiskobalt von Riechelsdorf. Vergr. 1 : 50. gänge zwischen der helleren und dunkleren Substanz durch Ein- lagerungen des Pentarsenids in das Biarsenid verursacht sind. Die quer zur Schichtung verlaufende dunkle Ader ist ein mit Kalkspat ausgefüllter Sprung. Die durch Fig. 5 veranschaulichte, in derben Varietäten ver- breitete Breccienstruktur, welche von einem Riechelsdorfer Speis- kobalt herrüht, ist ebenfalls ein Beweis für die bei der Arsenie- rung erzeugten heftigen Druckkräfte. Endlich dürften auch die linienartig feinen, dunklen Lamellen, welche die ursprüngliche Schichtung durchschneiden und welche, wie bei der mikroskopischen Untersuchung gezeigt wurde (a. a. 0.), dem Pentarsenid As. Co2 eigen sind, durch Druck hervorgerufenen Zwillingsbildungen darstellen. Die hier bildlich zur Anschauung gebrachten Druckkräfte sind eine weitere Stütze der Sublima- von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 465 tionshyp othese; durch hydrothermale Prozesse sind diese Erscheinungen kaum zu erklären. Manche, namentlich nickelreiche Speiskobalte besitzen einen porösen, schlackenartigen Aufbau, der wiederum auf die Bildung aus dem Dampfzustände hinweist. Einen solchen Schliff eines Chloanthits von Freiberg zeigt Fig. 6. Schon mit bloßem Auge sind zahlreiche Einschlüsse von Rotnickelkies zu erkennen, welche sich durch ihre rötliche Farbe von der fast silberweißen Grundmasse abheben. Beim Ätzen mit verdünnter Salpetersäure nimmt der Rot- nickelkies schöne Kupferfarbe an, wobei deutlich strahlig kristalliner Aufbau zutage tritt. Namentlich an der rechts oben befindlichen, auf der Photographie dunkel erscheinenden Partie tritt dies deutlich her- vor; nur die ganz hellen Stellen bestehen aus Chloanthit. Er macht den Eindruck der Sinterung, denn er läßt auch nach dem Ätzen keinerlei Struktur oder Schichtung erkennen; es scheint, daß die Mischung der Kobalt- und Nickelbiarsenide leichter schmilzt als die beiden Komponenten für sich, was ja bei Legierungen eine bekannte Tatsache ist. Die dunklen Stellen in der Mitte, welche von weißem Chloanthit umrahmt sind, rühren von Löchern her. Dieser stralilige Aufbau tritt durchaus nicht bei allen Rotnickelkiesen auf, wTie z. B. der derbe.Speiskobalt von Riechelsdorf beweist, welcher in Fig. 7 dargestellt ist. Der auf der Photographie fast schwarz erscheinende Kern von Rotnickelkies verrät zwar durch seine stellenweise gerad- linige Begrenzung Kristallisation, doch fehlt ihm jede Struktur. Er ist umgeben von einer Zone des bräunlich gefärbten Sesqui- arsenids As3 Co2, und erst weiter nach außen sind die Konturen der Speiskobaltkristalle und die feine Schichtung sichtbar. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 30 Fig. 6. Chloanthit von Freiberg. Vergr. 1 : 5. 466 A. Beutell, Zur Genese Fig. 7. Speiskobalt von Riechelsdorf. Vergr. 1 : 50. Fig. 8. Speiskobalt von Schneeberg. Vergr. 1:50. von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 467 Eine sehr wichtige Rolle spielt ohne Zweifel auch die nach der Entstehung des Speiskobalts eingetretene Umkristallisation und Sammelkristallisation, die wesentlich von der Dauer der Bildungs- periode und der darauf folgenden langsamen Abkühlung abhängt. Fig. 8 führt einen Schliff von Schneeberg vor, der nicht genügend ausgereift ist. Das dunkel angefärbte Pentarsenid As. Co2 ist un- regelmäßig oder strahlig, und zwar im allgemeinen quer zur Schichtung angeordnet; erst allmählich tritt durch Sammelkristalli- sation eine scharfe Trennung der. i verschiedenen . Komponenten ein. Fig. 9. Speiskobalt von Riechelsdorf. Yergr. 1 : 50. Auch die folgende Fig. 9, die von einem Speiskobalt von Riechelsdorf stammt , läßt erkennen , daß das dunkel angefärbte Pentarsenid noch nicht völlig umgeordnet ist. Neben der ursprüng- lichen Schichtung, die von rechts nach links verläuft, erscheinen bereits schräg von oben nach unten gerichtete, haarscharfe La- mellen, doch sind auch noch größere, unregelmäßige Partien von Pentarsenid vorhanden, die noch der Verteilung harren. Das End- resultat in chemischer und kristallographischer Beziehung stellen die am stärksten arsenierten Speiskobalte, die sogenannten Tesseral- kiese dar; Fig. 10 bringt einen solchen zur Anschauung. Das Erz besteht ausschließlich aus den beiden höchsten Arseniden, nämlich As5 Co2 und As3 Co, welch letzteres die helle Grundmasse bildet. Das dunkel angefärbte Pentarsenid ist in feinen Lamellen- 30* 468 A. Beutell, Zur Genese Systemen angeordnet, die sich in verschiedenen Richtungen schneiden1. Die Trennung der beiden Komponenten ist hier eine vollständige; die dunklen, unregelmäßigen Flecke rühren nicht von Pentarsenid, sondern von Vertiefungen her. Die bisherige Untersuchung habe ich unter der stillschweigenden Voraussetzung durchgefiihrt , daß Kobalt, Nickel und Eisen beim Eindringen der Arsendämpfe bereits in den Gängen vorhanden waren. Da, wie in der Einleitung erwähnt wurde, die Gang- spalten nach der allgemeinen Ansicht lange vor der Bildung des Fig. 10. Tesseralkies von Skutterud. Vergr. 1 : 50. (Wiederholt aus „Mikroskopische Untersuchung“ etc.) Speiskobalts aufgerissen waren, und da sich vor der Erzbildung bereits sehr energische, hydrothermale Prozesse auf den Gängen abgespielt hatten, so ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß hierbei das Kobalt in irgendeiner Form, zusammen mit Nickel und Eisen, zurückgeblieben ist. Eine solche Epoche mit Temperaturen, die unter der kritischen Temperatur des Wassers liegen, mußte der Ablagerung des Speiskobalts naturgemäß voraus- gehen, denn die Erhitzung kann auf den Erzgängen nicht auf einen Ruck bis auf 400° oder 500° angestiegen sein. Ich habe die Diskussion über die Herkunft der Metalle absichtlich bis hierher verschoben, weil sie die Kenntnis der Temperaturverhältnisse und 1 Genauere Angaben finden sich in der vorher veröffentlichten Arbeit des Verf.’s (dies. Centralbl. 1916. p. 180—185, 206 — 221), der die Figur entnommen ist. von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 469 zum Teil auch die übrigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit voraussetzt. Es ist zunächst zu untersuchen, ob andere Möglichkeiten für die Bildung des Speiskobalts durch Sublimation vorhanden sind. Zunächst wäre die Frage aufzuwerfen, ob nicht die verschiedenen Kobalt- und Nickelarsenide innerhalb der Versuchstemperaturen flüchtig sind. Schon die Tatsache, daß die synthetischen Versuche keinen Anhalt für die Flüchtigkeit der Arsenide geliefert haben, ist als Widerlegung dieser Annahme zu betrachten. Bei der ent- scheidenden Bedeutung, welche die Frage für die ganze Unter- suchung besitzt, war jedoch ein direkter Beweis wünschenswert, denn man könnte den Einwand erheben, daß wegen des über- schüssigen Arsens, welches bei sämtlichen Versuchen verwandt wurde, schwache Destillate übersehen werden konnten. Ich brachte daher synthetisch dargestelltes Pulver von As2 Co in ein Kali- glasrohr von 8 cm Länge und setzte dasselbe nach dem Aus- pumpen und Zuschmelzen so in den elektrischen Ofen , daß sich nur das Ende mit dem Pulver in der heißesten Zone befand. Nach 14 ständigem Erhitzen auf 600° hatte sich keine Spur eines Destillats gebildet; an eine merkliche Flüchtigkeit der Arsenide innerhalb des Bildungsintervalls des Speis- kobalts ist also nicht zu denken. Als letzte Möglichkeit bleibt die Annahme , daß dieselben Magmen, welche die Arsendämpfe ausgestoßen haben, auch Metall- dämpfe exhaliert hätten. Da metallisches Kobalt, Nickel und Eisen bei den Temperaturen der Silikatschmelzflüsse noch nicht verdampfen, könnten nur Dämpfe der Halogenverbindungen, wie Choride und Fluoride, in Betracht kommen. Daß letztere flüchtig sind, ist bekannt, doch fehlen nähere Angaben in der Literatur. Es war daher nötig, Versuche über die Flüchtigkeit der be- treffenden Salze zwischen 4 00° und 500° anzustellen. Ich benutzte zu meinen Versuchen Kobaltchlorid und Kobaltfluorid, welches geringe Mengen von Nickel und Eisen enthielt, weil ich dann gleichzeitig auch einen Einblick in das Verhalten der Verunreini- gungen erhielt. Das Salz wurde in ein Porzellanschiffchen ge- bracht, welches in ein Kaliglasrohr geschoben und im elektrischen Ofen unter Überleiten eines Stromes von Chlorwasserstoffgas erhitzt wurde. Der Gasstrom wurde durch Zutropfen von konzentrierter Schwefelsäure in starke, wässerige Salzsäure erzeugt. Ein bei 400° während 6 Stunden durchgeführter Versuch lieferte keine Spur eines Destillates von Kobaltchlorid und Nickel- chlorid, hingegen fand sich am Ausgang des Rohres ein gelber Ring von Eisenchlorid. Dasselbe Resultat hatte ein sechsstündiger Versuch bei 490°; auch hier war nur etwas Eisen chlorid ab- destilliert. Bei 580° jedoch zeigte sich ein schwaches Destillat von allen drei Chloriden, und zwar fand sich, nachdem das Rohr 470 A. Beutell, Zur Genese die Nacht hindurch an der Luft gelegen hatte, 4 cm vom Schiff- chen entfernt ein schwacher, 5 cm langer pfirsichroter Ring von Kobaltchlorid, an den sich ein £ cm breiter von grünem Nickel- chlorid anschloß ; nahe am Ende des Rohres war wieder ein gelber Ring von Eisenchlorid zu beobachten. Aus der Reihenfolge der drei Sublimate geht deutlich hervor, daß das Eisenchlorid den niedrigsten und das Kobaltchlorid den höchsten Siedepunkt besitzt, während das Nickelchlorid zwischen beiden die Mitte hält. Parallelversuche, welche mit Kobaltfluorid bei den gleichen Temperaturen unter Überleiten von Chlorwasserstoffgas durchgeführt wurden, hatten das gleiche Ergebnis. Somit sind zwischen 4 0 0° und 50 0° weder die Chloride noch die Fluoride von Kobalt und Nickel flüchtig; gleichzeitiges Auftreten der Salzdämpfe der beiden Metalle mit Arsendampf ist im Bildungs- intervall des Speiskobalts ausgeschlossen. Nach den negativen Resultaten, welche mit den Halogen- verbindungen zwischen 400° und 500° erhalten wurden, bleibt die Bildung des Speiskobalts auf die Einwirkung von Arsendämpfen auf feste Kobalt-, Nickel- und Eisenverbindungen zurückgeführt. Daß sich auf diese Weise eine feine Haut von Arseniden bilden kann, ist ohne weiteres einleuchtend. Anders liegt es jedoch mit den dicken Krusten von Speiskobalt, weil diese ohne eine Wande- rung der Metalle nicht verständlich sind. Auf die Wichtigkeit von Diffusionserscheinungen zwischen festen Körpern ist in letzter Zeit verschiedentlich hingewiesen worden. Das bekannteste Beispiel ist wohl die Wanderung von Gold in Blei, welche Roberts-Austen (Phil. Trans. 187 A. 1896. p. 283) erkannt und experimentell untersucht hat. Auch F. Rinne lenkt in seiner Arbeit „Salzpetrographie und Metallographie im Dienste der Eruptivgesteinskunde“ (Fortschritte der Mineralogie etc. 1911. 1. p. 181 — 220) das Interesse der Mineralogen auf die Diffusionsvorgänge im festen Aggregatzustande. Für Silikat- schmelzen haben die Diffusionserscheinungen eine ausführliche Bearbeitung durch Kurt Endell gefunden (N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. II. p. 129 — 154). Über Erze speziell liegen keine Be- obachtungen vor, doch hat ein von mir zu diesem Zwecke unter- nommener Versuch interessante Aufschlüsse geliefert. Gelegentlich der Untersuchungen am Hauerit (dies. Centralbl. 1913. p. 758 — 767), der bekanntlich die Eigenschaft besitzt, ein Silberblech zu schwärzen, hatte ich gefunden, daß der Schwefel das Silber im Vakuum schwärzt, ohne mit ihm in Berührung zu sein. Auf den Silberblechen zweier solcher Röhrchen, die jetzt etwas über zwei Jahre liegen, ragen aus dem sammetschwarzen Überzug von Schwefelsilber Kriställchen von Silberglanz heraus, was ohne Wanderung der Silberatome nicht denkbar ist. Da die von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 471 Diffusion mit steigender Temperatur sehr rasch zunimmt, so wieder- holte ich den Versuch mit Silber und überschüssigem Schwefel im Vakuum bei 450°. Schon nach 24 Stunden war das ganze Blech mit einem glitzernden , kristallinen Überzug von Schwefelsilber bedeckt; an einem Ende saßen bereits kleine Kristall eben. Nach weiteren 24 Stunden zeigte die ganze Oberfläche wulstartige Er- hebungen, neben denen einige deutliche Rhombendodekaeder zu erkennen waren. Zu meiner großen Überraschung war am Ende des vierten Tages das Silberblech verschwunden, und es fand sich an seiner Stelle eine Kristallkruste von Silberglanz vor, deren Umrisse mit der ursprünglichen Form des Blechs nichts mehr gemein hatten, Fig. 11 gibt ein Schattenbild der vielfach durch- löcherten Kristallkruste ; das punktierte Rechteck stellt die ursprüng- liche Form des Silberblechs dar. An der linken Seite besitzt das Blech dünnstielige, pilzartige Auswüchse, die mit den Köpfen zu- sammengewachsen sind. Fig. 11. Wanderung des Silbers im festen Aggregatzustande. Vergr. 1 : |. Sollte es sich hier wirklich um eine Wanderung der Silber- moleküle im festen Aggregatzustande handeln? Es erschien zu- nächst nicht ausgeschlossen, daß infolge einer vorübergehenden Temperaturerhöhung das Silbersulfid geschmolzen war. Um diesen Zweifel zu beseitigen, wurde die Temperatur des Ofens soweit erniedrigt, daß die Schwankungen, welche höchstens + 5° betragen, keine Störungen mehr verursachen konnten. Der neue bei 350° durchgeführte Versuch verlief, trotzdem Schmelzung ausgeschlossen war, nicht anders als der vorige. Auch hier war die Form des Silberblechs verloren gegangen, und am Rande zeigten sich die- selben pilzartigen Auswüchse, deren Köpfe z. T. wie abgerundete Rhombendodekaeder aussahen. Auf der Oberfläche fanden sich zahlreiche, etwa 1 mm große, glänzende Kristalle, welche teils modellartig ausgebildet, teils in der Richtung einer trigonalen Achse verlängert und mitunter so dünn waren, daß sie wie Borsten aussahen. Einige Rhombendodekaeder saßen auf etwa 3 mm langen, freistehenden, ganz dünnen sechsseitigen Prismen und er- innern in ihrer Form lebhaft an die sogenannten Zepterquarze. Daß sich die Silbermoleküle aus der Oberfläche des Blechs herausheben und Wanderungen in recht 472 A. Beutell, Zur Genese bedeutendem Umfange vollfiiliren können, geht aus den Versuchen unzweifelhaft hervor. Es bleibt jedoch noch unentschieden, ob es sich hierbei um reine Diffusionserschei- nungen handelt, oder ob eine vorübergehende Lösung des Silber- sulfids in dem überschüssigen Schwefel oder gar die Bildung eines höheren Sulfids in Frage kommt. Es wurde daher ein neuer Versuch angestellt, bei dem nun so viel Schwefel angewandt wurde, wie der Formel SAg2 entsprach (0,1890 g Silberblech und 0,0280 g Schwefel). Nach 48 Stunden langem Erhitzen bei 400° war sämtlicher freier Schwefel ver- schwunden; die Umgrenzung des Blechs war unverändert erhalten, nur war es an einigen Stellen durch Trennung der oberen und unteren Silbersulfidschicht aufgebläht. Definierbare Kristalle waren nicht zu erkennen, doch sah die ganze Oberfläche kristallinisch aus. Nach weiterem 24 Stunden durchgeführten Erhitzen auf 400° war keine merkliche Änderung eingetreten. Erst nach Zusatz von mehr Schwefel traten schon nach 24 Stunden dieselben Erschei- nungen wie in den ersten Versuchen auf. Außer einigen modell- artigen Rhombendodekaedern waren haarförmige Säulchen aus dem Silberblech hervorgewachsen. Somit ist für das Gelinge n der Versuche ein Überschuß von Schwefel erforderlich. Trotzdem ergab die Wägung des Blechs, daß nur genau die äqui- valente Schwefelmenge aufgenommen war, und daß daher weder eine Lösung des Schwefelsilbers in überschüssigem Schwefel noch die Bildung eines höheren Sulfids nachweisbar war. Genetisch sind die Versuche deshalb wichtig, weil bei allen Erzen, die durch Sublimation entstanden sind, ähnliche Verhältnisse auftreten müssen. Ebenso wie die Silberglanzkristalle in den Schwefeldampf können die Speiskobalt- und Chloanthitkristalle in den Arsendampf hineinwachsen unter gänzlichem Verschwinden der Kobalt- und Nickelverbindungen, aus denen sie entstanden sind. Ermutigt durch den günstigen Verlauf der Versuche mit Schwefelsilber habe ich auch die künstliche Darstellung von Chlo- anthit und Speiskobalt versucht. Es wurde mit Nickel begonnen, weil wegen des Fehlens des Triarsenids höhere Temperaturen be- nutzt werden konnten, während die Darstellung des Speiskobalts an die Temperatur von etwa 400° gebunden ist. Ein massiver Nickelwürfel wurde im Vakuumrohr bei 570° mit überschüssigem Arsen erhitzt. Die vorher metallisch glänzende Oberfläche nahm hierbei eine bleigraue Färbung an, wurde rauh und zeigte zahl- reiche kleine Erhebungen. Nach drei Tagen war die Oberfläche allenthalben aufgebläht, wobei sich eine 0,2 mm dicke Rinde von Nickelarsenid loslöste, welche auf der Bruchfläche Metallglanz und die charakteristische zinnweiße Farbe des Chloanthits zeigte. Außerdem war deutliche Schichtung zu erkennen, welche parallel der Oberfläche verlief. Dieselbe war durch die Temperatur- von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 473 Schwankungen entstanden, welche bei dem täglichen Herausnehmen des Rohres aus dem Ofen unvermeidlich waren. Kristalle hatten sich leider nicht gebildet, doch ist dies nicht zu verwundern, weil der Kristallisationsvorgang häufig von fremden Beimengungen ab- hängt, die auf Erzgängen in Menge vorhanden sind, jedoch hier gefehlt haben. Wegen des Loslösens der Rinde vom Nickelkern würde die Arsenierung ungefähr in demselben Tempo fortschreiten, und dann wäre in fünf Monaten eine Rinde von 1 cm Dicke zu erwarten. Wenn auch die Arsenierung in den Erzgängen infolge der Anwesenheit anderer Gase und noch mehr, weil das Nickel nicht als Element, sondern als Verbindung vorliegt, langsamer vor sich gehen dürfte, so weist der Versuch doch darauf hin, daß zur Genese der Nickel- arsenide nur ein ziemlich begrenzter Zeitraum erforderlich war. Um festzustellen, ob für die Bildung des Chloanthits ein Hydro- silikat in Frage kommen könnte, wurde untersucht, ob sich Garnierit in dem Bildungsintervall von 400 — 500° in Arsenid verwandeln lasse. Durch Glühen entwässertes Garnieritpulver von Neu-Cale- donien wurde 24 Stunden im Vakuumrohr mit überschüssigem Arsen erhitzt. Bei 400° wurde in 24 Stunden keine Spur Arsen auf- genommen. Bei 450° jedoch färbte sich das vorher hellgraue Pulver etwas dunkler, und die Wägung ergab, daß 100 mg in 48 Stunden 0,7 mg Arsen aufgenommen hatten. Erst bei 520° ist die Einwirkung lebhafter; das Pulver färbt sich schwarz, und die Gewichtszunahme betrug in 24 Stunden 5,8 mg, d. h. für dieselbe Zeit berechnet etwa lömal soviel als bei 450°. Garnierit kommt hiernach für die Chloanthitbildung nicht in Betracht ; nach Analogie mit dem Zinnstein wäre eher an oxydische Verbindungen zu denken. Im Anschluß wurde ein Versuch mit metallischem, sehr grob kristallinem Kobalt angesetzt. P>a das Bildungsintervall des Bi- arsenids As2 Co um 400° herum liegt, konnte eine höhere Tem- peratur nicht angewandt werden, und so war von vornherein mit ziemlich langsamer Arsenaufnahme zu rechnen. In fünf Tagen hatte bei 400° ein Stück Kobalt von 13 g nur 321 mg Arsen aufgenommen , wobei es sich mit einem fast schwarzen Überzug bedeckte; Kristallbildung konnte nicht beobachtet werden. Die chemische wie die mikroskopische Untersuchung spricht in vollem Umfange für die Bildung des Speiskobalts und Chlo- anthits durch Sublimation, ohne daß sich auch nur die geringsten Anhaltspunkte für hydrothermale Entstehung ergeben hätten. Höchstens die als sekundäre Bildungen auftretenden Ausfüllungen von feinen Sprüngen, die sich hauptsächlich in hocharsenierten Speiskobalten finden, könnten genetisch noch zweifelhaft erscheinen. Die von einem Schneeberger Speiskobalt erhaltene Photographie der Fig. 12 zeigt eine solche sekundäre Ader. Die abgebildete Stelle besteht in der Hauptmasse aus dem schwarz angefärbten Pentarsenid As5 Co2, dessen grobe Schichtung durch feine, parallel 474 A. Beutell, Zur Genese angeordnete Leisten des Biarsenids As2Co sichtbar gemacht wird. Die Neubildung liegt am linken Rande des Schliffs und verrät sich als solche durch ihre quer zu den ursprünglichen Ablage- rungen, von oben nach unten verlaufende Schichtung. Abweichend von dem primären Speiskobalt, der stets aus ab- wechselnden Schichten verschiedener Arsenide aufgebaut ist, besteht der sekundäre ausschließlich aus dem Biarsenid As2 Co. Die feine Schichtung ist hier nicht durch eingelagertes, schwarz angefärbtes Pentarsenid hervorgerufen, sondern durch furchenartige Vertiefungen, welche beim Ätzen entstanden sind und nur in ge- Eig. 12. Sekundäre Spaltenausfüllung im Speiskobalt von Schneeberg. Vergr. 1 : 50. wissen Stellungen des Schliffes dunkel erscheinen. Deshalb tritt die Schichtung im Bilde nicht so deutlich hervor , wie z. B. in Fig. 1. Wegen dieser konstanten Zusammensetzung könnte man an hydrothermale Bildung denken, doch erklärt sich die Erschei- nung wahrscheinlich dadurch, daß zur Zeit der Entstehung dieser sekundären Ausfüllungen die Temperatur schon so weit gesunken war, daß sich keine höheren Arsenide mehr bilden konnten. Der Einwurf, daß in diesem Falle niedere Arsenide als das Biarsenid auftreten müßten, ist nicht stichhaltig, weil dieselben wegen ihrer leichten Zersetzlichkeit längst zerstört sein müssen. Für die Bil- dung durch Sublimation spricht außerdem die außerordentlich feine Schichtung, welche eine durchschnittliche Dicke yon nur 0,005 mm von Speiskobalt und Chloanthit auf Erzgängen. 475 aufweist; die Bildung so dünner Häutchen aus einer Lösung ist in feinen Spalten wegen der Kapillarwirkung höchst unwahrschein- lich. Praktische Bedeutung kommt der Beantwortung dieser Frage nicht zu, da es sich nur um ganz untergeordnete, im Vergleich zum primären Speiskobalt, fast verschwindende Mengen handelt. Ergebnisse. 1. Weder die chemische noch die mikroskopische Untersuchung des Speiskobalts und Chloanthits haben Anhaltspunkte für die Bildung auf hydrothermalem Wege geliefert. 2. Die chemische und mikroskopische Untersuchung weisen un- zweideutig auf die Entstehung durch die Einwirkung von Arsendämpfen auf Kobalt-, Nickel- und Eisenverbindungen hin. 3. Nach den synthetischen Versuchen muß als untere Tem- peraturgrenze auf den Speiskobalt- und Chloanthitgängen die Temperatur von 385° betrachtet werden, bei welcher die Bildung der höheren Arsenide beginnt. 4. Daß auf den Erzgängen die Temperatur von 450° erreicht worden ist, beweist das reichliche Auftreten von Rotnickel- kies (As Ni), dessen Zusammenvorkommen mit den höheren Kob altarseniden (As2 Co, As3 Co2 und As3 Co) nur durch die bei 450° eintretende Sinterung von As Ni zu erklären ist. 5. Bis auf 510° ist die Temperatur auf den Erzgängen nicht gestiegen, weil in den synthetischen Versuchen, trotz ein- getretener Sinterung, bereits in 21 Stunden die Zusammen- setzung As 1,21 Ni erreicht wurde, über welche der natürliche Rotnickelkies nicht hinausgeht. 6. Auch würde bei 510° sämtliches Kobalt in As3 Co verwandelt worden sein, weil sein Bildungsintervall schon bei 450° beginnt. 7. Die Bildung des Speiskobalts auf den Erzgängen hat sich zwischen 385° und etwa 485° vollzogen, doch ist die obere Grenze wahrscheinlich etwas zu hoch angenommen. 8. Die Arsenierung geht beim Kobalt unter außerordentlich starker Volumzunahme vor sich, wodurch bereits gesinterte, niedere Arsenide wieder zerfallen. 9. Aus der großen Volumvermehrung bei der Arsenierung des Kobalts erklärt sich a) die bauchige Form der Kristalle, b) das Fehlen der niederen Kobaltarsenide , welche dem Rotnickelkies entsprechen würden, c) die Breccienstruktur vieler Speiskobalte. 10. Die Chloride und Fluoride von Kobalt und Nickel sind erst von 580° ab merklich flüchtig. 11. Die Wanderung von Metallmolekülen im festen Aggregat- zustande wurde an künstlichem Silberglanz nachgewiesen. Breslau, Mineral. Institut der Universität, Dezember 1915. 476 Besprechungen. Besprechungen. E. Hupka: Die Interferenz der Röntgenstrahlen. 68 p., 33 Textfiguren und 1 Tafel. Braunschweig 1914. (Tages- fragen aus den Gebieten der Naturwissenschaft und der Technik. Heft 18.) Nach Ableitung der LAUE’schen Fundamentalgleichungen ver- gleicht Verf. die LAUE'sche und die BRAGG’sche Theorie, die nach den Darlegungen von G. Wulff und Terada nur formal verschieden sind. Die Herstellung, Auswertung und graphische Übertragung von Röntgenogrammen sowie das BRAGG’sche Verfahren zur Ge- winnung von Reflexionsspektren samt dessen Verfeinerung durch Darwin und Moseley werden beschrieben; hierauf zeigt Verf., wie diese BRAGG’sche Methode einerseits die Wellenlänge der inten- sivsten Röntgenstrahlung von Pt- und anderen Antikathoden ergab, andererseits die absoluten Gitterkonstanten und die Strukturen von Steinsalz, Sylvin und Diamant zu ermitteln gestattete. Den Schluß bildet je ein Kapitel über Beugung an amorphen Körpern sowie über Beugung von y-Strahlen in Kristallen. Dieser erste Versuch einer übersichtlichen Darstellung des neuen Forschungsgebietes ist, wie zu erwarten war, nicht in allen Teilen gleichmäßig gelungen. Absehend von Druckfehlern erwähne AB AB ich, daß auf p. 58 (2. Zeile von oben) AA' = — statt AA' = — stehen und die darunter befindliche Figur entsprechend geändert werden muß. Denjenigen, der das letzte Kapitel zu verstehen sucht, ver- weise ich auf den klaren und anregenden Bericht von K. Fajans in der Physikal. Zeitschr. 16. p. 456 ff. 1915, sowie auf das Buch von W. H. Bragg und W. L. Bragg „X-rays and crystal structure“. 228 p. 4 Taf. u. 75 Texttig. London 1915 (vergl. das folgende Referat). Johnsen. W. H. Bragg and W. L. Bragg: X-rays and cristal structure. London 1915. (228 p., 75 Textfiguren und 4 Taf.) Bragg Vater und Sohn beschreiben hier in einer zwanglosen Folge von Kapiteln die Methoden und die Ergebnisse ihrer mit dem Nobelpreis gekrönten Untersuchungen. Die intensivsten Sekundärstrahlen, welche die Flecken des Röntgenogramms erzeugen, sind so gerichtet, als wären sie von den Besprechungen. 477 dichtesten Gitterebenen reflektiert (W. L. Bragg 1913). Der Abstand d zweier nächster gleichwertigen Gitterebenen gehorcht der Gleichung (I) d = , wo ^ die Wellenlänge, # der Ein- fallswinkel gegenüber dem Lot der Gitterebene und n eine ganze Zahl ist. Diese Deutung der Helligkeitsmaxima ergibt sich in der Tat, wie G. Wulff 1913 zeigte, aus Laue’s drei Fundamental- gleichungen. Formel (I) gilt auch für das speziell Bragg’scIic Verfahren, die Reflexionswinkel von Helligkeitsmaximis an Kri- stallflächen vermittelst einer mit Elektroskop verbundenen Ionisierungskammer zu messen, die nach Art eines Spektrometers gehandhabt wird. Die betreffende Fläche liefert hierbei mehrere Spektra der hellsten Linien des Antikathodenmetalles ; die Ordnung des Spektrums ist durch das n der Gleichung (I) gegeben. Wie hiermit an der Reihe KCl, KBr, KJ die Wellenlänge der inten- sivsten Pt-Linie berechnet wurde, ist bereits in einem früheren Referate (N. Jahrb. f. Min. etc. 1916. II. - 1 -) mitgeteilt worden. Freilich haben Beagg’s hierbei auch das Verhalten von Steinsalz mit demjenigen jener Reihe verglichen, indem sie Isomorphie an- nahmen ; das Ergebnis ist jedoch glücklicherweise von diesem Irr- tum unabhängig. Nach einmal gelungener Ermittlung einer einzigen Wellen- länge konnten einerseits die Abstände gleichwertiger Gitterebenen beliebiger Kristallarten und andererseits die Wellenlängen be- liebiger Röntgenstrahlen nach Formel (I) bestimmt werden, wie z. B. diejenigen von schwächeren Pt-Linien, von Pd-Linien und von Rh-Linien. Übrigens stimmt die Größenordnung dieser l mit don vorher von A. Sommerfeld theoretisch berechneten (10~ 9 bis 10~8 cm) überein. Daß die von einem Kristall ausgehenden Sekundärstrahlen nicht etwa eine Fluoreszenzstrahlung darstellen, ergibt sich auf zweierlei Art. 1. Die drei hellsten Pt-Linien l, l', V- werden von zwei ver- schiedenen Kristallflächen a und b eines und desselben oder ver- schiedener Kristalle unter den Winkeln #a, #a', und #b, -#b" derart „reflektiert“, daß cos #a : cos : cos = cos #b •' cos #b' : &bU ist. 2. Die durch Metallschirme bewirkte Absorption ist die gleiche für die unter #a wie für die unter ^ #b, für die unter #a' wie für die unter #b' etc. reflektierten Strahlen. Die Intensitäten I einer und derselben Wellenlänge ergaben sich für die Sekundärstrahlen 1. — 5. Ordnung eines einfachen Gitters empirisch (II) Ix : I2 : I3 : 14 : 15 = 100 : 20 : 7 : 3 : 1. Durchdringen sich zwei oder mehr Gitter, so kompliziert sich das Intensitätsverhältnis der Gleichung (II). Liegt z. B. zwischen zwei benachbarten Gitterebenen A eines Gitters eine Gitterebene B eines zweiten Gitters so, daß sie deren Abstand halbiert, so müssen offenbar die Spektren ungerader Ordnungen geschwächt werden ; 478 Besprechungen. diese Schwächung ist um so größer, je ähnlicher die Masse der Flächeneinheit von A derjenigen von B ist, wenn man die reflek- tierte Intensität proportional der Masse pro Flächeneinheit an- nimmt. In der Reihe Na N03, Ca C 03, C 03, MnC03, FeC 03 sind z. B. die (lll)-Ebenen abwechselnd mit Metallatomen M und mit Säureradikalen R besetzt, und zwar bilden die Schwerpunkte der M ein gleiches Netz wie die Schwerpunkte der R. Je ähn- licher also das Gewicht von M demjenigen von R ist, um so mehr wird das Spektrum 1. Ordnung geschwächt; bei NaN03 ist es am intensivsten, bei MnC03 und FeC 03 praktisch ausgelöscht. Sind die Abstände dx, d2, d3 dreier nicht tautozonaler Scharen von Gitterebenen festgestellt, so ergibt sich daraus das Volumen V* desjenigen Parallelepipeds n, das von je zwei benachbarten Gitter- ebenen jeder Schar eingeschlossen wird. Ist ferner m das absolute Gewicht der chemischen Molekel (m = 1 ,64 X M X 10~24g, wo M das D V Molgewicht ist) und D die Dichte der Kristallart, so ist die Anzahl der von n absorbierten Molekeln. So haben die Verf. die Struktur folgender Kristallarten und ihrer Isomorphen völlig aufgeklärt : Diamant, Wismut, Kupfer, Steinsalz, Sylvin, Bleiglanz, Zinkblende, Rotkupfererz, Flußspat, Schwefelkies, Kalkspat, Dolomit, Natronsalpeter, Zinkit und Green- ockit. Im Diamant bilden die Atome 2 flächenzentrierte Würfel- gitter, die um ^ der Diagonale eines flächenzentrierten Würfels W gegeneinander verschoben sind; die Kante von W beträgt 2d100 = 3,52 X 10 ~8 cm. Die gleiche Struktur kommt der Zinkblende zu, wobei das eine Gitter von Zn-, das andere von S-Atomen ge- bildet wird; die Kante von W beträgt 2d100 = 5,40 X 10“ 8 cm. Flußspat besitzt drei ebensolche Gitter; die beiden F-Gitter sind gegen das Ca-Gitter um \ bezw. f in der Diagonale von W in einer und derselben Richtung verschoben; Kante von W gleich 2d100 = 5,44X10-8cm. Wismut besteht aus zwei Gittern mit dem primitiven Rhomboeder {111}, das eine gegen das andere um nahe- zu -J des Parameters der Kante [111] verschoben; die Kanten- länge des primitiven Rhomboeders ist gleich 4,72 X 10 8 cm, Jede dieser Strukturen besitzt die gleiche Symmetrie wie die Kristallart [wofern man den Atomen gewisse Minimalsymmetrien zuschreibt. Ref.]. Die Beugung wird von Atomen, nicht von Molekeln bewirkt. Die Atome treten im allgemeinen nicht deutlich zu engeren Verbänden (Molekeln) zusammen. Die Strukturen von Schwefel, Quarz, Natrium chlorat, Eisen- glanz, Spinell, Salmiak u. a. konnten noch nicht völlig klargestellt werden; im Salmiak reflektieren die H- Atome, im Natriumchlorat die O-Atome zu schwach, um fixiert werden zu können. Folgende Wellenlängen wurden gemessen : Besprechungen. 479 Antikathode X X 10s cm Ag, p • • • 0,491 Pd 0,508 Rh 0,537 Ag, «... 0,554 Pd 0,576 Rh 0,615 Pt, C . . . . 0,95 Pt, B ... 1,10 Pt, A . . . . Bragg’s besprechen auch zahlreiche Untersuchungen anderer Forscher, z. B. : Moseley und Darwin haben die Messung von A dadurch verfeinert, daß sie den Spalt für den Primärstrahl ver- engerten, die Empfindlichkeit der Ionisierungskammer auf etwa das 50fache erhöhten sowie die Intensitätsschwankungen des Primär- strahles maßen und in Rechnung setzten (1913); durch Benutzung sehr großer Einfallswinkel erhielten sie die untere Grenze der Wellenlängen der mit noch gerade wahrnehmbarer Intensität reflek- tierten Strahlen. Moseley und Darwin ermittelten u. a. folgende A. Antikathode X X 108 cm Pt, A ... 1,320 Pt, B, . . . ...... 1,120 Pt, B2 . . . ...... 1,100 Pt, c, . . . ...... 0,967 Pt, c2 . . . 0,929 Hierbei legten sie d100 ' = 2,814 für Steinsalz zugrunde. Bragg’s B und C des Platins sind also Doppellinien. Moseley maß Wellenlängen von Antikathoden aus Os, Jr, W, Cu, Ni, Fe u. a. Bei Verwendung von Ca, Ti, V, Cr u. a. ist dagegen die Röhrenstromstärke zu wenig konstant, weshalb Moseley verschiedene Einfallswinkel gleichzeitig verwirklichte; er ließ eine möglichst große Kristallplatte Strahlen gegen eine Photoplatte reflektieren, so daß jede Wellenlänge gemäß ihrem Reflexionswinkel maximaler Intensität die photographische Platte an einer andern Stelle trifft • aus dem so erhaltenen photographischen Spektrum können die Ein- fallswinkel und somit die A berechnet werden (1913, 1914). Antikathode X X 108 cm Ca, « 3,368 Ca, ß 3,094 Ti, « 2,758 Ti, A 2,524 V, « 2,519 V, ß . . . . . 2,297 Cr, « 2,301 Cr, ß 2,093 480 Fürs Vaterland gefallen. — Personalia. Derselbe Forscher hat auch die interessanten Beziehungen zwischen der Kernladung chemischer Elemente und den Wellen- längen ihrer K- bezw. L-Strahlung untersucht. Dem obigen Verfahren Moseley’s zur Eliminierung der Strom- schwankungen ähnelt die Methode von Herweg (1914) und von de Broglie (1914); diese ließen zur photographischen Aufnahme eines Spektrums den Kristall langsam um eine Achse rotieren, die in der reflektierenden Kristallfläche lag. Auch die Arbeit von Rutherford und Andrade über die Beugung von ^-Strahlen durch Steinsalz wird besprochen, sowie Debye’s theoretische Untersuchung über den Einfluß der Wärme- schwingungen der Atome auf den Laue-Effekt des Kristalles. Die Darstellungsweise der Verf. ist so vortrefflich, daß ihre Experimente einfach, ihre Gedankengänge naheliegend und ihre Ergebnisse selbstverständlich erscheinen. Johnsen. Im Kampfe fürs Vaterland gefallen. Am 30. Juli d. J. fiel bei einem Sturmangriff der Assistent am Mineralogisch-paläontologischen Institut der Westfäl. Wilhelms- Universität in Münster, Westf., Dr. phil. Ludwig Kuhlmann, Leutnant d. R. im Inf.-Regt. 217. Geboren am 20. Juni 1890 in Hessen, Westf., studierte Kuhlmann nach Erlangung des Reife- zeugnisses Ostern 1909 in München und Münster Mathematik und Naturwissenschaften und promovierte am 5. März 1915 summa cum laude mit einer Arbeit über die Osningachse zwischen Hüggel und Schafberg (Jahrb. d. Kgl. Preuß. geol. Landesanst. f. 1914). Am 1. Januar 1913 wurde K. Assistent in der geologischen Abteilung des mineralogisch-paläontologischen Institutes Münster. Eine Arbeit über den Gault des Osnings konnte er infolge seiner Einberufung Oktober 1914 nicht vollenden. Eine vorläufige Mit- teilung erschien 1914 im 6. Monatsbericht der Deutschen geo- logischen Gesellschaft. Personalia. Berufung: Dr. J. J. P. Valeton vom Institut für Minera- logie und Petrographie der Universität Leipzig als Professor der Uhemie und Institutsdirektor an die Universität Gent in Belgien. M. Bauer, Beiträge zur Mineralogie von Columbien. 481 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Beiträge zur Mineralogie von Columbien. Nach den Mitteilungen von Ricardo Lleras Codazzi in Bogota. Von Max Bauer in Marburg. Im Jahre 1915 hat Herr R. L. Codazzi, Professor der Minera- logie und Geologie an der Universität in Bogota in Columbien «ine Arbeit veröffentlicht unter dem Titel : Contribucion al Estudio de los Minerales de Colombia (Bogota 1915. 18 p.), der wir die folgenden Mitteilungen entnehmen. 1. Die Mineralien von Mnzo. Der Fluß Minero strömt in südnördlicher Richtung durch ein Längstal zwischen dem westlichen Abhang der Ostkordillere und einem niederen Höhenzug, der parallel dem Magdalenenstrom streicht und der in der Tiefebene von Carare verläuft (5j° nördl. Breite ca.). Der Westrand der Hochebene von Ubate und Chiquinquirä wfrd von Schichten der oberen Kreide (Werksandsteine, Kiesel- und Kalkschiefer) gebildet, die von West nach Ost einfallen. Unter- halb der Hügel von Cantino und Coper steht die untere Kreide an, die hauptsächlich von Schiefertonen, bituminösen Schiefern und schwarzen Kalken gebildet wird. Diesen Schichtenkomplex durchzieht der Rio Minero auf eine Strecke von vielen leguas (1 legua = 5J km ca.). In dem ganzen Tal des Flusses haben sich Smaragde ge- funden, aber viele von ihnen stammen aus armen Gängen und andere sind aus den Hauptgängen fortgerollt und von dem Fluß oft auf große Entfernungen weggeführt. Man kann sagen, daß die Gewinnung der Steine auf die Gegend von Muzo beschränkt ist. Sie ist sehr umfangreich und erstreckt sich auf verschiedene Lagerstätten, von denen die einen der Regierung, die anderen Privatleuten gehören. Die ohne Zweifel wichtigsten sind die in der Talschlucht des Desaguadero, die seit den Zeiten der Spanier unter dem Namen der Mina real bekannt sind1. Das Gebiet, durch das die erwähnte Talschlucht sich hin- zieht, ist auf der linken Seite des Rio Minero. Zwei Schichten- •systeme liegen dort übereinander. Das Gestein des unteren bildet ■ein schwarzer Kalkstein, reich an Fossilien, der von den Arbeitern in den Smaragdgruben „cambiado“ genannt wird; darüber folgen 1 Zwei nach Skizzen von R. L. Codazzi gezeichnete Karten, die für das Folgende zur Orientierung dienen können, siehe Max Bauer, Edel- steinkunde. 2. Aufl. 1909. p. 394 und 395. Fig. 74 und 75. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 31 482 M. Bauer, bituminöse Schiefer. Auf der Grenze liegen linsenförmige Knollen von Pyrit (und Markasit) in großer Zahl. Zwei Arten von Gängen durchsetzen die schwarzen Schiefer. Die einen bilden ein System schmaler, fester Adern mit kristalliner Struktur, die sich nach allen Richtungen verzweigen und die für gewöhnlich die Schichtflächen durchschneiden. Die zweite umfaßt die in der dortigen Gegend „ceniceros“ genannten, fast immer mächtigen Gebilde dieser Art , die sich niemals verzweigen und die von einem verworrenen Haufwerk kleiner Kristalle erfüllt sind. Die Rücken, in denen diese Gänge zutage ausstreichen, heißen „bancos“. Sie werden in Tagebauen ausgebeutet. Die wichtigsten sind: Gerena, El aguardiente, Amarillo, Central und El Gallinazo. Die besonderen Mineralien der ersten Art von Gängen sind : Kalkspat, Flußspat, Quarz, Dolomit, Pyrit, Parisit und Smaragd. Die „ceniceros“ bestehen fast nur aus Kalkspat, Dolomit, Pyrit, Quarz und ged. Schwefel; sie führen nur sehr selten Smaragd. Es ist zu bemerken, daß nur in den unregelmäßigen Kalkspat- adern sich bauwürdige Nester (guarruceros) des kostbaren Edel- steins finden, und auch diese meist vertikal verlaufenden Adern sind nicht alle gleich reich in ihrem ganzen Verlauf. Außerdem verändert sich mit der Tiefe die Beschaffenheit der ganzen Bildung ; die Kalkspatadern vereinigen sich alle zu einer mächtigen Masse von großen Kalkspatindividuen, die „cama de la mina“ genannt wird und die nach der Meinung der Smaragdgräber vollkommen steril ist. Die für die Gegend von Muzo charakteristischen Mineralien sind nun die folgenden: Smaragd. Die Kristallform dieses Edelsteins ist unver- änderlich das hexagonale Prisma mit der Basis und Modifikationen der von diesen gebildeten Kanten und Ecken. An den großen Prismen sind Abstumpfungen und Zuschärfungen der Kanten häufig, so daß die Kristalle vielfach eine zylindrische Gestalt annehmen. Man hat auch einige trübe Prismen mit besonders großer Aus- bildung der abwechselnden Flächen beobachtet, also solche mit einer Art trigonaler Entwicklung. Der Wert des Smaragds als Edelstein hängt von drei Fak- toren ab : von der Intensität der Farbe, von dem Glanz und von der Reinheit des Wassers. Die Juweliere unterscheiden fünf Klassen. Die erste nennen sie „gota de aceite“ (Öltropfen) wegen ihrer schönen dunkelgrünen Farbe. No. 6 der Reihe entspricht der „moralla“ (wertloses Zeug), wegen mangelhafter Farbe etc. eher zum gemeinen Beryll, als zum Smaragd zu zählen. Nicht selten findet man zonar gebaute Kristalle mit abwechseln- den Lagen von verschieden intensiver Färbung, besonders bei den großen Prismen, die an Ort und Stelle „canutillos“ genannt werden. Einige Smaragdkristalle, die der Direktor der Gruben, Beiträge zur Mineralogie von Columbien. 483 Senor Don Juan de D. Vasquez, jüngst entdeckt liat, sind wahr- haftige Zwillinge. Sie zeigen einen zentralen sechsseitig pris- matischen Kern, der manchmal aus Smaragd von dunkler Farbe, manchmal aber auch aus Schiefer besteht ; rings um diesen Kern sind sechs rhombische Prismen von Smaragd symmetrisch an- geordnet, derart, daß die Gruppe die Form eines hexagonalen Prismas erhält, in dem die Flächen durch einspringende Winkel ersetzt sind. Die Flächen des ganzen Prismas sind parallel mit der Basis gestreift und die rhombischen Prismen zeigen ebenfalls eine Streifung parallel mit der Basis ; kurz : es ist eine Struktur wie bei den Aragonitkristallen. Bei dieser Form des Smaragds, die schon an einer hinreichenden Zahl von Kristallen nachgewiesen worden ist, scheint jeder Irrtum der Beobachtung ausgeschlossen zu sein. Sie kann nur auf eine der drei folgenden Arten erklärt werden: 1. Die sechsseitigen Prismen des Smaragds leiten sich aus einem rhombischen Prisma von 120° ab und sind daher nicht einachsig. 2. Die fraglichen Kristalle sind Pseudomorphosen. 3. Die Smaragdsubstanz ist dimorph wie das Calciumcarbonat (Kalkspat und Aragonit) und die Zwillinge entsprechen prismatischen Kristall- gruppen. Herr Codazzi ist geneigt, die letztere Ansicht anzunehmen. (Anscheinend etwas Ähnliches beschreibt auch schon W. Bergt in : W. Reiss und A. Stübel, Geologische Studien in der Republik Columbia. — II. Petrographie. 2. Die älteren Massengesteine, kri- stallinische Schiefer und Sedimente. Berlin 1899. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese interessanten Kristalle bald eingehend beschrieben und auch abgebildet würden, da sie nach dieser kurzen Mitteilung ohne Figur doch nicht recht verstanden werden können. M. B.) Kalkspat. Findet sich als verbreitetstes Gangmittel mit dem Smaragd, sowie als Begleiter der in den ceniceros vorkommen- den Mineralien. Die am häufigsten beobachteten Kristallformen sind das Hauptrhomboeder, das erst hexagonale Prisma, zuweilen mit dem Hauptrhomboeder, sowie mit anderen Formen; ab und zu linden sich sogar sehr komplizierte Kombinationen, auch manchmal Zwillinge von verschiedener Art und faserige Aggregate in parallel- flächigen Platten. Die kristallinischen Aggregate durchsichtigen Kalkspats sind bei den Smaragdgräbern unter dem Namen „granizo“ bekannt. Kalkspatkristalle mit Einschlüssen von Schwefelkies, Parisit und anderen Mineralien sind häufig. Aragonit. In Form von Prismen und von radialstrahligen kristallinischen Gruppen; noch nie haben sich die mimetischen Formen gefunden, jedoch baumförmige und korallenartige Gestalten, ähnlich wie bei der Eisenblüte. Flußspat trifft man in einigen Adern in Form kubischer Kristalle ohne weitere Flächen oder mit dem Oktaeder in Kom- bination, durchsichtig, farblos oder schwach grün gefärbt. Der Fluß- spat pflegt Einschlüsse, besonders auch von Smaragd, zu enthalten. 31* 484 M. Bauer, Gips. Bildet lange, durchsichtige Prismen mit Flächen am Ende. Kristalle von Lanzenform haben sich noch nicht gefunden. Die Prismen umschließen gewöhnlich Parisit und andere Mineralien. Dolomit. In Konkretionen und Gruppen von meist kleinen Kristallen. Begleitet zusammen mit Pyrit den Smaragd, findet sich aber ebenso auch in den ceniceros. (Graue glänzende Rhombo- eder R (1011), z. T. Zwillinge nach der Basis OR (0001). M. B.) Ankerit. Große, gelbe bis schwarzbraune rhomboedrische Kristalle. Bildet einen wichtigen Bestandteil der den Smaragd führenden frangmasse. Eine Varietät enthält außer den gewöhn- lichen Bestandteilen eine kleine Menge Cercarbonat. Eisenspat. Große Kristalle des Minerals kommen mit etwas Kupfererz in der Nähe der Mina real (von Muzo) vor. Schwefelkies findet sich in Form isolierter Kristalle in den Smaragd führenden Adern, in den ceniceros und in dem Schiefer. Er zeigt fast alle Formen des regulären Systems, vor allem der Würfel, das Oktaeder und das Pentagondodekaeder, letzteres auch mit den Flächen des Würfels oder des Ikositetraeders sowie viele andere, häufig sehr flächenreiche und interessante Kombinationen. Markasit. Die Knollen, von denen oben schon die Rede war und die von den Grubenarbeitern „mollejas“ genannt werden, bestehen fast alle aus Markasit. Kupferkies. Er kommt derb und in kristallinischen Aggre- gaten überall in der Gegend von Muzo vor; manchmal begleitet er den Smaragd. Malachit und Kupferlasur. Man findet diese beiden Mineralien als Verwitterungsprodukte des Kupferkieses. Limonit. An dem Wege von Coper nach Muzo stehen Bänke dieses Minerals an in Form löcheriger kristallinischer Skelette, so daß das Gestein wie Wespennester oder Bienenwaben aussieht. Es ist wohl anzunehmen, daß diese Bänke ursprünglich aus Schwefel- kies bestanden, der durch andauernde Einwirkung des Grundwassers und des atmosphärischen Wassers seine jetzige Beschaffenheit an- genommen hat. Talk. Man trifft ihn in kleinen blätterigen Massen in Hohl- räumen des Schiefers; das Mineral ist weiß („sebo“ der Gruben- arbeiter) oder hellgrün. Pyrophyllit. Kleine kristallinische Aggregate auf den Kluftflächen der Schiefer. Fuchsit. Einige Exemplare dieses Minerals in Form kleiner, prächtig grüner Schuppen sind mit dem Schiefer verwachsen. Die Smaragdgräber bezeichnen mit dem Namen „verdacho“ verschiedene mehr oder weniger intensiv grüne Mineralien, wie den Talk, Malachit etc. Allophan. Dieses Mineral hat man kürzlich in einer Ader Beiträge zur Mineralogie von Columbien. 485 angetroffen, welche die Schlucht des Desaguadero durchsclmeidet. Es bildet große Massen von schön blauer Farbe infolge eines kleinen Kupfergehalts, aber auch gelbe und sogar schwarze Partien sind nicht selten. Parisit. Hexagonale Prismen und Bipyramiden. Die Flächen des Prismas sind gewöhnlich horizontal gestreift. Die Farbe schwankt zwischen schokoladenbraun und honiggelb. Quarz. Es sind vollkommen wasserhelle, wenig Aachen- reiche Kristalle, manchmal mit deutlicher Zonarstruktur. Nicht selten sind Exemplare mit Einschlüssen, hauptsächlich von Parisit, Smaragd und Pyrit. Auch grüner Quarz ist gefunden worden, er ist aber sehr selten. Gediegen Schwefel. Beträchtliche Massen und Inkrusta- tionen in den ceniceros. Anthrazit. Kleine Stückchen in den Klüften der Schiefer; chemisch und in seinen physikalischen Eigenschaften ist er identisch mit dem, der sich in Bruchstücken mit Kalkspat verwachsen, im Fluß Carare findet. Apatit. In einigen Smaragdadern hat Robert Scheibe gute Kristalle dieses Minerals von hell rosenroter Farbe gefunden. Schwerspat. Dieses Mineral, sowie einige wenige Kri- ställchen von Albit sind bei Muzo zum erstenmal von R. Scheibe beobachtet worden. 2. Die Pseudomorphosen im kristallinischen Gebirge von Arboledas. Am ganzen Nordabhang der Kordillere von Pamplona (ca. 75 km ONO von Bucaramanga, nahe 7j° nördl. Br.), besonders in der nächsten Umgebung von Arboledas und Bochalema, kann man mit großer Schärfe den Kontakt zwischen dem normalen Granit und dem Gneis beobachten. Gegen Süden ist der Granit von mittlerem oder feinem Korn und wird überlagert von Glimmer- schiefer mit viel Granat. An den genannten Orten besteht das Gestein aus größeren Gemengteilen und kann demnach als Pegmatit bezeichnet werden. Die Hauptmasse ist Orthoklas, und zwar sind es einfache Kristalle und Zwillinge nach dem Karlsbader und nach dem Bavenoer Gesetz, blaß violetter Quarz in unregelmäßigen Adern, Muscovit in großen rhombischen Tafeln und einige andere, weniger häufige Spezies, wie Granat, Turmalin, Chromeisenstein, Magneteisen und Pechblende. Der hangende Gneis besteht aus Tafeln von Orthoklas, aus Quarz und Biotit, mit Einschlüssen von Granat und rosettenförmig angeordneten Turmalinkristallen. Ifi dem oberen Teil der Kontaktzone, d. h. da, wo sie an den Gneis angrenzt, findet man in Menge die akzessorischen Ge- mengteile des Gesteins, und hier ist es auch, wo die Pseudomor- phosen Vorkommen, die diese Formation so interessant machen. 486 M. Bauer, Beiträge zur Mineralogie von Columbien. Die häufigsten sind die Granate in großen Kristallen, die ganz in Chromeisenstein umgewandelt sind 1 ; sie haben ihre cha- rakteristischen Kristallformen, Rhombendodekaeder und Ikositetra- eder beibehalten, aber mit linsenförmiger Ausbildung. Der Chrom- eisenstein imprägniert gleichermaßen die Glimmerblätter und kann sie auch unter Erhaltung der Form ganz oder teilweise ersetzen. Unter den bemerkenswertesten Stücken ist besonders ein hexa- gonales Prisma mit trigonaler Ausbildung und der charakteristischen Streifung des Turmalins zu erwähnen, das ganz aus übereinander- liegenden Glimmerplättchen besteht und das axial von einer Nadel von Pechblende durchzogen wird, durch deren Verwitterung der Glimmer in der nächsten Nachbarschaft infolge der Bildung von Urancarbonat gelb gefärbt ist. Die Zersetzungsprodukte der Pechblende, teils kanariengelb, teils hellgrün, bilden häufig Flecken auf den Feldspatkristallen und auf den Glimmerplättchen und können diese Mineralien gänzlich imprägnieren. Auch trifft man häufig kleine Einschlüsse von Pech- blende im Feldspat und im Glimmer, umgeben von den erwähnten Umwandlungsmineralien. Gleichfalls häufig sind Kristalle von Grossular mit einem Kern von Almandin, sowie die teilweise oder vollständige Um- wandlung von Muscovit in einen perlmutterähnlichen Glimmer. Wie man sieht, sind die pneumatolytischen Mineralien am meisten geneigt, Pseudomorpliosen zu bilden und die Reaktionen, die in der Kontaktzone sich abspielen, müssen bei der Gestaltung solcher Produkte sehr kompliziert sein. In der Gegend von Pamplona enthält der dort einheitlich körnige und von Glimmerschiefer überlagerte Granit fast keine Pseudomorphosen und weiter gegen Süden, bei Chitagän und Santurban, fehlen sie ganz. 3. Kristallkonkretionen in dem Sandstein von Bogota. Eine der interessantesten Schichten von denen, die das System der sogen. Guadalupe in dem Kreidegebiet der Cordillera Oriental zusammensetzen, ist ohne Zweifel die, welche die bei Bauten von einiger Wichtigkeit verwendeten Werksandsteine liefert. Diese Schicht, die die Kohlenflöze jener Gegend überlagert, ist so kon- stant in ihren Eigenschaften und in ihren Beziehungen zu be- nachbarten Schichten, daß sie einen prächtigen geologischen Horizont bildet bei dem Studium der Hügel, welche die Hochebene begrenzen. Über dieser Schicht ist an einigen Orten konkordant eine andere ausgebildet, ein äußerst feinkörniger Sandstein mit einigen Abdrücken von Versteinerungen. In diesem besonders findet man die interessanten Konkretionen, von denen hier die Rede sein soll. 1 Vergl. auch Neues Jahrb. f. Min. etc. 1913. II. - 388 -. K. Andree, Ueber Goniatitenkalke und Kieselschiefer. 487 Darüber liegt wieder konkordant ein Kieselsandstein mit sehr regelmäßig kubischer Absonderung (Quadersandstein der deutschen Kreidebildungen). Die bisher untersuchten Konkretionen stammen von den folgen- den Fundorten: Rio del Arzobispo, Umgebung von Bogota. Man trifft die Konkretionen hier nicht allein in den sehr fein- körnigen Sandsteinen, sondern auch in den Werksandsteinen. Es sind zahlreiche kleine kugelige Aggregate, welche die Spalten- wände bedecken, und jede dieser Kugeln besteht aus einer großen Menge radial angeordneter Kristalle. Das Mineral, um das es sich hier handelt, ist der Wawellit in verschiedenen Varietäten. Einige Exemplare sind intensiv smaragdgrün von einer gewissen Menge Eisenphosphat; andere sind sehr blaß meergrün, und end- lich wieder andere sind gelb. Diese letzteren enthalten eine kleine Menge Magnesia und Eisensesquioxyd. Zipacön. Hier sind in den oben genannten Gesteinen eben- falls einige Konkretionen von Wawellit gefunden worden, aber sie sind nicht regelmäßig sphärisch und sie liegen nicht vereinzelt, sondern sie sind zu nierenförmigen und traubigen, gleichfalls radial- faserigen Gebilden mit etwas rauher Oberfläche verwachsen. Zipaquirä. In den Steinbrüchen, die Werksteine und Eisen- bahnschotter liefern, hat man Agglomerate kleiner hellblauer, perlmutterglänzender, wohlausgebildeter monokliner Kristalle von Vivianit angetroffen. San Cristobal bei Bogota. Die Inkrustationen in den Sandsteinen sind hier von zweierlei Art. Die einen sind dunkelblaue Prismen von Vivianit, die anderen hellgrüne, nach einer Rich- tung vollkommen spaltbare monokline Blättchen von rhombischer Form, die wohl dem Ludlamit zuzurechnen sind. Wahrschein- lich verdanken diese Inkrustationen der früheren Zirkulation von phosphathaltigem Wasser auf den Spalten des Sandsteins und in dem Sandstein selbst ihre Entstehung. Nicht denselben Ursprung darf man dem erdigen Vivianit von Sabana de Bogota, sowie dem Dufrenit und dem erdigen Tonerdephosphat in den Wüsten zuschreiben, denn diese letzteren Mineralien gehören jüngeren Bildungen an. Über Goniatitenkalke und Kieselschiefer. Von K. Andree, Königsberg i. Pr. Herr Prof. Dr. Wedekind in Göttingen hat im Anhang zu seiner „Biostratigraphie“ (Berlin, Gebr. Bornträger 1916) „Be- merkungen über Goniatitenkalke und Kieselschiefer“ geäußert, zu denen ich, gegen den dieselben speziell gerichtet sind, wenn auch 488 K. Andröe, widerwillig', schon jetzt Stellung' nehmen muß, obwohl ich hoffer in absehbarer Zeit Gelegenheit zu haben, in einer besonders den (Radiolarien-führenden) Kieselschiefern gewidmeten Darstellung- diese Probleme möglichst allseitig beleuchten zu können. Ich hatte gesagt, daß die meisten der devonischen und carbonischen Gesteine des Varistischen Hochgebirges in nur ganz geringer, 100 — 200 in sicher nicht übersteigender Meerestiefe abgelagert worden seien, aber in einer Anmerkung hinzugefügt, daß „nur wenige . . ., insbesondere die Tentaculiten- und Cypridinenschiefer, sowie die Knollenkalke des Devon, ferner die Kieselschiefer des Culm, größeren Tiefen“ (d. h. größeren als 200 m), „wenn auch kaum solchen, die unserer heutigen Tiefsee von unter 5000 — 6000 m entsprechen“, ent- stammten. Daß ich damit aber für alle diese Gesteine eine Ent- stehung in der „direkten Tiefsee" angenommen hätte, wie Wede- kind (a. a. 0. p. 42) meint, entspricht nicht den Tatsachen, auch dann nicht, wenn man die Tiefsee schon in 750 m beginnen ließe- (Wedekind p. 41), womit ich, nebenbei bemerkt, mich aus ver- schiedenen Gründen, die ich z. T. schon 1908 auseinandergesetzt habe (N. Jalirb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXV. p. 366 ff.), nicht ein- verstanden erklären kann. Nur die Kieselschiefer des Culm muß- ich in der Tat noch heute, bis ein wirklicher Gegenbeweis vorliegt, für ein Erzeugnis von mehreren 1000 in. Tiefe halten l Wedekind meint mich nun belehren zu müssen, welche Konse- quenzen sich aus der Schichtenfolge bezüglich des Betrages an- zunehmender Niveauschwankungen ergeben, wenn meine Ansicht- von einer Bildung in größeren Tiefen als richtig angenommen würde; und er — der „Kenner der tatsächlichen faunistischeii und petrographisclien Verhältnisse“ — wendet daher die Mühe an„ mir — dem nach seiner Meinung nicht genügend Orientierten — die Grundzüge der Stratigraphie der fraglichen Schichtenfolgen auseinanderzusetzen. Die Goniatitenkalke sollen sich nach Wede- kind’s Ansicht in 200 m Tiefe, die Kieselschiefer aber in einem küstennahen Gebiete und einer ähnlichen Tiefe abgelagert haben : Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; das- Wunder ist des Glaubens liebstes Kind! Wedekind vermag sich weder eine „momentane katastrophale Versenkung in sehr große Tiefen“ (im Hinblick auf die Überlagerung von Riff kalken durch die von mir als Tiefwasserbildung gedeuteten Goniatitenkalke) noch eine „momentane und katastrophale Hebung von etwa 4000 m“ (im Hinblick auf die Überlagerung der Radiolarienkieselschiefer des Culms durch die Posidonienschiefer) vorzustellen. Glaubt er denn aber wirklich im Ernst, daß alle die Autoren, die sich bisher für die Tief wassernatur der Goniatitenkalke oder der Kieselschiefer entschieden haben — ich erwähne nur Frech, Wähner, Steinmann,. 0. Wilckens, H. L. F. Meyer — sich niemals über die Konsequenzen klar geworden seien, die sich aus dieser Annahme für eine plausible Ueber Goniatitenkalke und Kieselschiefer. 489 Deutung der Schichtenfolge ergeben, ganz gleich, ob wir uns nun im Devon oder Untercarbon des Rheinischen Schiefergebirges, im mitteleuropäischen Obersilur oder im alpinen Jura befinden? Viel- leicht wird Wedekind sich gelegentlich Gedanken liingeben über die Zeit als geologischen Faktor und über die Möglichkeiten von Sedi- mentationsverlangsamung bis zur Unterbrechung der Schichtenfolge oder sich wirklich hineinarbeiten in die Sedimentpetrographie, deren Beherrschung er allerdings schon jetzt allein für sich in Anspruch zu nehmen scheint; vielleicht orientiert er sich dann auch einmal über die Schlüsse auf sehr jugendliche katastrophale Niveauver- schiebung des Meeresbodens, welche E. Philippi aus der Eigenart • gewisser Sedimente J[N(C8H7)4] dem Verständnis näher gebracht, ist die Ersetzung gewisser Gruppen in organischen Molekülen durch andere. Wenn nun ein Kristall durch die nach allen Seiten statt- findende Orientierung derartiger chemisch verständlicher Komplexe sich aufbaut, so darf man vermutungsweise annehmen, daß in den entstehenden Punktgittern diesen aufbauenden Teilen oft aus- gezeichnete Lagen zukommen, daß beispielsweise, bei zentrischen Komplexen, die von den Schwerpunkten ausgehenden Bindungs- linien für die Kristallklasse charakteristisch sind (bei polaren vielleicht die Bindungslinien, die von ausgezeichneten Polen aus- gehen). Nun sind die für reguläre Kristallisation, von der hier einzig die Rede sein soll, typischen Elemente durch das Skelett des Elementarwürfels3, d. h. seine Kanten, Flächendiagonalen und Raumdiagonalen, gegeben. Die gleichen Bindungsrichtungen finden wir zwischen Eckpunkten des Würfels, Kantenmittelpunkten, Flächen- mittelpunkten, Würfelzentrum und Vierteilungspunkten der Würfel- diagonalen. Es sind das kristallonomisch ausgezeichnete Punkt- lagen 1. Ordnung. Es erscheint von meinem Standpunkte aus nicht ausgeschlossen, daß für einfache Verbindungen regulärer Kristallisation eine Betrachtung dieser wenigen Punktlagen und ihrer Symmetrien genügt, um bei Kenntnis der chemischen Ver- hältnisse den Bau der Kristallarten verständlich zu machen. Denken wir uns ein regelmäßiges Punktsystem4 in allgemeinster Weise aus verschiedenen Punktlagen aufgebaut und uns selbst in eine Punktlage versetzt, so werden wir eine gewisse Anordnung- aller übrigen Punkte um diese Punktlage feststellen können. Diese Anordnung erweckt den Eindruck, als ob zu der Punktlage ge- wisse Symmetrieelemente gehören. Die so sich offenbarende Sym- metrie einer Punktlage steht naturgemäß im Zusammenhang mit der Art der Translationsgruppe und den zusätzlichen Operationen, 1 P. Niggli, Ber. Phys. Kl. Königl. Säclis. Akad. Wiss. Leipzio- 67. p. 364. 1915. 2 P. v. Groth, Einleitung in die chemische Kristallographie. Leipzig 1904. p. 32. 3 Elementarwürfel ist hier nicht der Würfel p von Schoenflies, sondern das charakteristische Polyeder nach Johnsen. 4 A. Schoenflies, Kristallsysteme und Kristalltrichter, Leipzig 1891 Zeitschr. f. Krist. 54. p. 545; 55. p. 323. 1915—1916. 32* 500 P. Niggli, die man mit ihr ansführt. Anderseits bedingt eine bestimmte An- ordnung von eng dazugehörigen Punkten einer ausgezeichneten Punktlage, bei gleicher Anordnung der ausgezeichneten Lagen, die spezielle Symmetrie der zugehörigen Raumgruppe. Ich will nun die regulären Raumgruppen nach den Zusammengehörigkeiten und Symmetriequalitäten der oben gekennzeichneten Hauptpunktlagen ordnen. Fallen die Schwerpunkte chemischer Kom- plexe einer Verbindung in derartige Hauptpunkt- lagen, so läßt sich aus der Art der Komplexe bereits auf die S y m m e t r i e k 1 a s s e r ii c k s c li 1 i e ß e n. Die Untersuchung zeigt, daß in bezug auf die Zusammen- gehörigkeit dieser Punktlagen die 36 regulären Raumgruppen sich auf 9 Typen reduzieren. Von vornherein gehören der Ver- tauschbarkeit der kristallographischen Achsen wegen stets zusammen : (sind somit notwendig von den gleichen elementaren Baugruppen [Atomen oder Radikalen] besetzt) alle Flächenmitten einerseits, alle Kantenmitten anderseits und mindestens 4 tetraedrisch an- geordnete Punkte von den 8 Vierteilungspunkten der Würfel- diagonalen. Die Eckpunkte eines Elementarwürfels zählen für den Elementarwürfel einmal, weil an jeder der 8 Ecken 8 Würfel Zusammenstößen (8 . -J). Die Flächenmitten zählen pro Elementar- würfel dreimal, weil an jeder der 6 Flächen 2 Würfel Zusammen- kommen (6 . -|). Ebenso zählt jede Kantenmitte dreimal, jedes Würfelzentrum einmal und ist jeder der ^-Diagonalpunkte ganz zu seinem Würfel gehörig. In der Tabelle I sind die Ecken mit E, das Würfelzentrum mit C, die Flächenmitten mit F, die Kanten- mitten mit K, die zwei Arten von ^-Raumdiagonalpunkte mit Dx und D2 bezeichnet l * * * V. Die Zähligkeiten zusammengehöriger Punkt- lagen sind durch Zahlen unter diesen Symbolen angegeben. Die verschiedenen Typen ergeben sich nun folgendermaßen : 1 Die Punkte besitzen die Koordinaten: (2 a = 1 = Kantenlänge des Elementar Würfels), E = (0, 0, 0) q __ (i, i ? i.) F = (i, 0, i), (-§-, -i, 0), (0, %) K = (b 0, 0), (0, i, 0), (0, 0, *) d — a 1 n a ä i\ fi i d di 3\ V 4 » *45 'f/5 4 5 4 n \4> 4? 4 /> V4> 45 4/ r> — fi 3 i\ (i i i\ fi 1 i} fi i -^2 \ 4 5 T’ in \ 4 5 ii 4/5 ^45 45 4/5 V 4 5 45 4 Wie A. Johnsen (Fortschritte der Mineralogie. 5. p. 17 ff. 1916) gezeigt hat, ergeben sich diese Koordinaten auch als Punktsymbole in konsequenter Übertragung der kristallographischen Indizesbezeichnungen auf Gitter- elemente. Damit steht im Zusammenhang, daß bei gleicher Koordinaten- wahl die Koordinaten gleichwertiger Punkte in ihren Vertauschungen und Zeiclienkombinationen den verschiedenen Flächenindizes einer zusammen- gehörigen Kristallform analog sind. Das gestattet die rasche Erkennung der Symmetrie einer Punktlage. 1 . Regul. Zu p. 501. n und S y m nc Beispiele _ E und F und (D. + : (I E + F K + C D, und X4 = Natriumchlorat ? Cobaltin ? £d2 = Zinkblende (E E +F K + C D, +D + z £h# = Pyrit C* = Sylvin, Salmiak ? 0h6 = Kochsalz,. Flußspat, Kupfer, Bleiglanz d 02 = Cuprit E +G K +F 1 Dj und (E E + C = 3 Qj) +6SE) + 4 AY + Z K+F = 1 □)- 2) () + (2 + 2)S E + Z Dj + Da = 3 () j >Y + z (E • E + C Dt + D (E 0h7 = Diamant? = Spinell (E- 500 P. Niggli, die man mit ihr ausfiilirt. Anderseits bedingt eine bestimmte An- ordnung von eng dazugehörigen Punkten einer ausgezeichneten Punktlage, bei gleicher Anordnung der ausgezeichneten Lagen, die spezielle Sjnnmetrie der zugehörigen Raumgruppe. Ich will nun die regulären Raumgruppen nach den Zusammengehörigkeiten und Symmetriequalitäten der oben gekennzeichneten Hauptpunktlagen ordnen. Fallen die Schwerpunkte chemischer Kom- plexe einer Verbindung in derartige Hauptpunkt- lagen, so läßt sich aus der Art der Komplexe bereits auf die S y m m e t r i e k 1 a s s e rückschiießen. Die Untersuchung zeigt, daß in bezug auf die Zusammen- gehörigkeit dieser Punktlagen die 36 regulären Raumgruppen sich auf 9 Typen reduzieren. Von vornherein gehören der Ver- tauschbarkeit der kristallographischen Achsen wegen stets zusammen: (sind somit notwendig von den gleichen elementaren Baugruppen [Atomen oder Radikalen] besetzt) alle Flächenmitten einerseits, alle Kantenmitten anderseits und mindestens 4 tetraedrisch an- geordnete Punkte von den 8 Vierteilungspunkten der Würfel- diagonalen. Die Eckpunkte eines Elementarwürfels zählen für den Elementarwürfel einmal, weil an jeder der 8 Ecken 8 Würfel Zusammenstößen (8 . -J). Die Flächenmitten zählen pro Elementar- würfel dreimal, weil an jeder der 6 Flächen 2 Würfel Zusammen- kommen (6 . -|). Ebenso zählt jede Kantenmitte dreimal, jedes Würfelzentrum einmal und ist jeder der ^-Diagonalpunkte ganz zu seinem Würfel gehörig. In der Tabelle I sind die Ecken mit E, das Würfelzentrum mit C, die Flächenmitten mit F, die Kanten- mitten mit K, die zwei Arten von ^-Raumdiagonalpunkte mit Dx und D2 bezeichnet l. Die Zähligkeiten zusammengehöriger Punkt- lagen sind durch Zahlen unter diesen Symbolen angegeben. Die verschiedenen Typen ergeben sich nun folgendermaßen : 1 Die Punkte besitzen die Koordinaten: (2 a = 1 == Kantenlänge des Elementarwürfels). E — (0, 0, 0) C ■ =.(*, b I) I1 “ (L 0» (i> b 0)> (Oi b b K - (*, 0, 0), (0, ± 0), (0, 0, *} Tl — (11 U (Ä 3 n/1 3 s.'j JL j$\ \ 4 5 45 4/5 \ 4 5 45 4/5 \45 45 4/5 V45 45 4/ Wie A. Johnsen (Fortschritte der Mineralogie. 5. p. 17 ff. 1916) gezeigt hat, ergeben sich diese Koordinaten auch als Punktsymbole in konsequenter Übertragung der kristallographischen Indizesbezeichnungen auf Gitter- elemente. Damit steht im Zusammenhang, daß bei gleicher Koordinaten- wahl die Koordinaten gleichwertiger Punkte in ihren Vertauschungen und Zeichenkombinationen den verschiedenen Flächenindizes einer zusammen- gehörigen Kristallform analog sind. Das gestattet die rasche Erkennung der Symmetrie einer Punktlage. Centralblatt i. Mineralogie etc, lüic. Tabelle L Reguläre Strukturformen. Zn p. 501. Typen Kaumgruppen und Symmetrie der Hauptpunktlagen Beispiele Typus I E; C; F; K ; D, ; D, r E und C = 3 ()T + 4AY F und K = 3 ( ) r D.ui.4 D, = l? E und C = 3 0^ + 6SE + 4aT F und K =(1 + 2)üY + 2SE P, und P, - 3SE + t A Y Typus II E; C; F; K; (D, + D,) SCh* E und C = (3 0 +3SE) + 4A^ + Z F und K = (3 0 + 3 S E) + Z D. + D. = 1 A* O1 E und C =:iDY + 6(TY + 4AY F und K = 1 QY + (2 + 2) 0 Y (D, +D,) = 1A^ Dhl E und C =(3Q + 3SE) + (6 0 +6SE) + 4AY + Z F und K = (1 □ + 1SE) + [(2 + 2) () + (2 + 2) SE] + Z (D, +Dt) = 3SE + 1 A Y Typus III (E + F); (K + C); D, ; D, £' E+F | ^ ^ K + C d j = 3()Y + 4A Y Z* E + F , ^ K+C j=l AT V K + C } =3 'or + GSE + 4AY D, und D, ' X* = Natriumchlorat ? Cobaltin? 3V = Zinkblende Typus IV (E + F); (K + C); (D, + D,) 4 ^ J ; 8 K +C ! = (8 0 +3SE) + 4A^ + Z D. + D, =30+iAY E + F \ ^ K + c ; - 1 + z d, + n, = i a Y 1$ D, +D, =S()y+1AT Dh‘ K+C } = (3D + 3SE) + (60 +6SE) + 4 A^ + Z D, + D, =30Y + 6SE + 4A^r 3:h* = Pyrit C* = Sylvin, Salmiak ? Oh» = Kochsalz,. Bleiglanz Typus V (E + C); (K + F); D, ; D, Typus VI (E + C); (K + F); (D, + D,) 2 ; 6 ; 8 Typus VII (E + C + K + F); (D, + D,) 8 ; 8 V E+C =3()y + 4AY K+F =30^ D, und D, = 1AY + Z (E + C) = 3 0Y + 4AY (K + F) = 3 (7^ Dh* E+C = 3 ()Y + 6SE + 4AY K+F = (1 + 2) 0Y + 2 SE D, und P, «.(SO+SSEl+lA^+Z D* = Cuprit E +0 = 3 0' +4AY K+F =3(1^ D, + P, = 1 A Y v E + C =(30+ 3SE) + 4 AY + Z K + F =(3 0 + 3 S E) + Z Di + D, = 1AY + Z ^ ^ E +C = 3()y+6SE + 4 AY E +C =3()Y + 4AY K + F = (1+2) ()y + 2SE K + F = 3 0 Y P, + D,, = 3SE+1 A^ |d, + I),~IA^ os E + C =3QY + 60Y + 4AY K + F = 1 DY + (2 + 2)0Y D. + D, = 3 0^ + 1 AY Oh’ E + C = 3QY + C0Y + 4AY IC + F = 1DY + (2 + 2)()y D, + D, = 1AY+Z Ohs E+C = (3 0 +3SE) + 4A^ + Z K + F =(3 0+ 3SE) + Z D, + D, = 3 0Y + 1 A* Oh’ E+C = (3Q + 3SE) + (60 +6SE) + 4AY + Z 1 K+F = (1 Ü + 1 S E) + (2 + 2) 0 + (2 + 2) S E + Z D, + D* = (3 0 + 3SE) + 1 AY + Z E+C+K + F i , D, + D, I = 1 A v D, + + ' } = 1 AY + Z V E +C + K+F 1 _ ^ 4/^> D. + D, J - 3() +4A E + O + K + F = 30*' + 6^, + 4A*' P, + D, = (3 0 + 3 S E) + 4AY + Z Typus VIII (E + F + D,); (K + C + D.) 8 ; 8 V ) 3 0^ +4A^ 3 0 Y + 4 A Y O* und D’ I W 1? 3 0^ + 6SE+4A^" Oh’ = Diamant? Typus IX (E + F + K + C + D, + D,) XA* O8 1 ^ i . 3 () Y + 4 AY 1AY + Z j 7 -1 ... \ Eine Tabelle der regulären Schoenflies’schen Raumgruppen. 501 1. Typus. Jede dieser Hauptpunktlagen E, C, F, K, D,, D2 bildet für sich eine strukturelle Einheit. Das bedeutet noch nicht, daß gleichzählige Lagen verschiedene Symmetrieelemente besitzen, sie brauchen nur nicht in paralleler Lage sich zu wieder- holen. Jede Hauptpunktlage kann somit von verschiedenen elementaren Baugruppen in Beschlag genommen werden. 2. Typus. E, C, F, K strukturell verschieden J)1 und D2 zusammengehörig. 3. Typus. E -f- F und K + C paarweise zusammengehörig, D, und 1)2 verschieden. 4. Typus. Auch D, und D2 gehören zusammen. 5. Typus. E + C, K + F zusammengehörig, Dt und D2 ge- trennt. 6. Typus. Wie Typus 5, nur D: und D2 zusammengehörig. 7. Typus. E + C + K -j- F zusammengehörig im Gegensatz zu Dj -j- D2. S. Typus. E -f- F + Dx bilden eine Einheit, K -j- C + D2 eine andere. D3 und D2 können ihre Stellung wechseln. 9. Typus. Alle Hauptpunkte gehören zusammen. Jeder dieser Typen notwendiger Zusammengehörigkeit von Hauptpunktlagen kann noch verschiedenen Raumgruppen von Schoen- flies entsprechen. Diese Raumgruppen unterscheiden sich dadurch voneinander, welcher Art die Symmetrieelemente sind, die durch die Hauptpunktlagen gehen. In Betracht kommen nur gewöhn- liche Symmetrieebenen, gewöhnliche Achsen (Drehachsen, Sym- metrieachsen) und Symmetriezentren, da die Zusatztranslationen bereits in der Zusammengehörigkeit der Hauptpunktlagen ihren Ausdruck finden (Drehspiegelebenen sind nicht mitangeführt). Die beigefügte Tabelle I zu p. 501 zeigt1 * * *, was für Symmetriequalitäten den einzelnen Hauptpunktlagen in den verschiedenen Raumgruppen zukommen. Drehachsen sind durch Drehpfeile kenntlich gemacht. Vierzählige, dreizählige und zweizählige Achsen unterscheiden sich durch Viereck, Dreieck und Zweieck. S E = Symmetrieebene, Z — Symmetriezentrum. Einige Beispiele mögen die Anwendbar- keit der Tabelle erläutern. Die regelmäßigen Punktsysteme entsprechen der einfachsten Verbildlichung der Symmetrieeigenschaften der Kristalle. Da heute durch die Röntgenogrammetrie sich Anhaltspunkte über die Atom- anordnung in Kristallen ergeben, ist es durchaus notwendig zu untersuchen, wie weit man durch die homogene Anordnung nach derartigen regelmäßigen Punktsystemen die äußeren Symmetrie- 1 Die in der Tabelle niedergelegten Daten gestatten noch nicht eine durchgehende Unterscheidung der Raumgruppen (beispielsweise S£d6 und £)8). Es müssen dann Symmetriequalitäten weiterer Punktlagen oder die Art der Verteilung einer konstruktiven Punktlage in Betracht gezogen werden. 502 P. Niggli, eigenschaften einer Kristallart erklären kann. Auch darüber sollen die Beispiele Aufschluß geben. Kompliziertere Annahmen (Auf- bau nach Lamellensystemen oder Raumgruppen in Zwillingsstel- lungen usw.) wird man vorerst offenbar nur da benutzen dürfen, wo jegliche einfachere Deutung versagt. Die Diskussion für Verbindungen Ax B, ist bereits an anderer Stelle 1 geführt worden. Macht man die Schwerpunkte von A zu Würfeleckpunkten, so muß B in gleicher Zähligkeit vorhanden sein. Für die Hauptpunktlagen ist das nur derart möglich, daß viererlei prinzipiell verschiedene Anordnungen entstehen. Die zwei wichtigsten für 2atomige Verbindungen AXB! sind die nach den Schemen [A, ß B]; [B, 6 A] ; Verwirklicht in Typus III und IV [(E -j- F) : (K -f C)] und [A, 4 B] ; [B, 4 A] verwirklicht in Typus III. Beruht die Gesamtsymmetrie nur auf dieser Anordnung, so resultiert für den ersten Fall regulär holoedrische Symmetrie, für den zweiten Fall tetraedrische. Beispiele sind die auch chemisch als- A, B, zu betrachtenden Körper Na CI, PbS für die erstere Anordnung, ZnS als Sphalerit für die zweite Anordnung. Ist es nun für eine mehratomige Verbindung aus chemischen Gründen wahrscheinlich, daß sie im molekularen Sinne aus 2 Teilen 1A, 1B bestehe, sei es, daß diese Teile als Ionen gesonderte Existenz besitzen, oder daß nur im Molekül einzelne Atome im engeren Verbände stehen, so kann bei regulärer Kristallisation eine ähnliche Anordnung der Schwerpunkte der Gruppen A und B erwartet werden. Durch die Anordnung innerhalb des Atom- komplexes wird dann aber die Symmetrie des ganzen Gebäudes beeinflußt. Und es scheint der Mühe wert, zu versuchen, ob sich, von chemischen Gesichtspunkten ausgehend, die resultierenden Kri- stallklassen Voraussagen lassen. 1. Pyrit. Die chemisch verständliche Zerlegung von FeS2 ist (gemäß dem Charakter der Polysulfide) die in Fe und S2. So- fern wir nun wissen, daß Fe und S2 sich nach dem Schema [A, 6 B] ; [B, 6.A] zum regulären Raumgitter zusammenfinden, also nach den ein- fachsten, der dichtesten Packung entsprechenden, Schema, ergibt sich bei Betrachtung der Tabelle ohne weiteres die resultierende Symmetrie der Atomanordnung. Fe sei Eckpunkt des Würfels. In Betracht kommen Typus III und IV. Die Symmetrie von Kantenmitte und Würfelzentrum muß eine derartige sein, daß sie, 1 P. Niggli, Berichte, 1. c. Eine Tabelle der regulären Sch'öenfliesvscheü Raumgruppen. 503 gemäß der .Konstitution des Komplexes Sgy eine zweiwertige Punkt- lage besitzt. Das ist offenbar am einfachsten möglich, wenn durch K und C singuläre Drehachsen gehen, und K und -C noch Symmetriezentren sind. Dieser Fall ist unter den Typen III und IV einzig in verwirklicht. In der Tat kristallisiert Pyrit . dyakis- dodekaedrisch und die Untersuchungen von Bragg und Ewald haben ergeben, daß die S; Atome auf trigonalen Achsen liegen, die jedoch nur in der Einzahl durch die K- und C-P unkte gehen (35, (l). Ullmannit ,NiSb S und Kobaltin Co As S sind vermutlich ähnlich gebaut. Wenn nun aber der Schwerpunkt von Sb S oder AsS den Schwerpunkt von S2 vertritt, so muß, der verschiedenen Atomgewichte von Sb, S und As wegen, das schwerere Atom näher der Kantenmitte liegen als das' leichtere. Sb- und S-Lage sind nicht mehr gleichwertig und zueinander in der Inversionsstellung. Einwertige Punktzuordnung besitzen Kantenmitte und Würfelzentrum einzig in der Gruppe X1 der Typen III und IV. In der Tat soll besonders deutlich Ullmannit (Sb == 120, S = 32) tetardoedrische Symmetrie zeigen. Man hat in sehr geringem Maße tetardoedrische Erscheinungen auch bei Pyrit beobachtet. . Sc n gen flies hat be- reits dafür Strukturmöglichkeiten diskutiert. Eine kleine Ver- schiebung der Schwerpunktslage ist nicht undenkbar, doch werden die betreffenden Kristalle vor allem chemisch untersucht werden müssen, um festzustellen, ob nicht ein geringer Teil von.S durch Sb oder As ersetzt ist. 2. Katrin mchlo ra t. Es ist bereits äußerst wahrschein- lich, daß in Elektrolyten die Ionen elementare Baugruppen sind1, Von NaC103 weiß man. naöh Bragg nur, daß die Na- und 01 - Atome angenähert oder gleich angeordnet sind wie die Na- und Cl-Atome im Kochsalz. Es ist wohl anzunehmen, daß der Schwer- punkt der Cl-Atome zugleich der Schwerpunkt des Komplexes CI 03 ist. Wiederum . kommen somit die Typen III und IV in Frage. K und C müssen Syntmetrieelelnente. besitzen, die eine dreifache Anordnung der O-Atome in einer Ebene gestatten, also eine (und nur eine) dreizählige Achse ohne • Symmetriezentrum besitzen. Dieser Fall ist unter den Typen III und IV nur in der Gruppe 3A verwirklicht. In der Tat kristallisiert NaC103 tetraedrisch-penta- gondodekaedrisch, es ist also sehr wahrscheinlich der Gruppe -SA zuzuordnen ! Betrachten wir die daraus resultierende Anordnung etwas näher. In den Ebenen gleicher Baugruppenschwerpunkte sind diese nach dem hexagonalen System gleichseitiger Dreiecke geordnet. Die 3 O-Atome liegen aber abwechselnd in Ebenen senkrecht zu einer der 4 windschief zueinander stehenden trigonalen Achsen. 1 Siehe darüber: A. Johnsen, Physikal. Zeitschr. 15. p. 712. 1914 und Fortschritte d. Mineralogie. 5. p. 126. 1916. 504 P. Niggli, Eine Tabelle etc. Wird nun eine der trigonalen Achsen derart bevorzugt, daß sich alle O-Atome um ihre zugehörigen Cl-Atome in die Ebene senk- recht zur Achse legen, so resultiert die rhomboedrische Raum- gruppe. Ihr entspricht die Kristallisation des ähnlich gebauten Calcites. (CaC03) mit dem Rhomboeder {4041}. 3. Ganz allgemein gestattet unsere Tabelle1 vorauszusagen, welche regulär kristallisierenden Typen einer Kristallstruktur zu- gerechnet werden können, wenn man aus der chemischen Kon- stitution die Zahl und Art der elementaren Baugruppen kennt. Ich will noch Verbindungen BAB etwas näher betrachten unter der Voraussetzung, daß jede der zwei B-Gruppen Lagen kristallonomi- sclier Punkte 1 . Ordnung gleicher Minimalsymmetrie einnimmt. Es ist somit zu untersuchen, in welchen Gruppen ein Verhältnis der Zähligkeiten 1 : 2 der Hauptpunkte vorhanden ist. Dieses Ver- hältnis finden wir in den Typen IV [(E F) : (D, + D2)] und V [(E -j- C):DJ. Es kann aber auch im Typus III vorhanden sein, wenn zwei strukturell verschiedene, aber gleichsymmetrische Haupt- punktlagen von der gleichen Baugruppe besetzt sind (vielleicht Ba(N03)2 als X4). Von den bis jetzt untersuchten Kristallen ist zu erwarten, daß Flußspat F — Ca — F und Cuprit 0 — Cu — 0 Ver- bindungen B — A — B sind. In der Tat entspricht dem Typus IV die Struktur von CaF2(£)h5), dem Typus V die Struktur von Cuprit (£)2). Die pentagonikositetraedrische Hemiedrie von Cuprit kommt in einer derartigen Anordnung aber nicht zum Ausdruck. Auch bei KCl kommt diese Hemiedrie ja in der Atomanordnung nicht zur Geltung. Sie kann auch, sofern man an der Existenz homo- gener regelmäßiger Punktsysteme festhält, nicht aus einer kleinen Verschiebung des Schwerpunktes einer Atomart erklärt werden, denn die Tabelle zeigt, daß dies für die Anordnung [A, 6 B] ; [B, GA] nur in der Raumgruppe ü£4 nach den einzelnen trigonalen Achsen möglich ist, also zur Tetardoedrie führt. Es sind nun zwei Hypothesen möglich. Man kann nach dem Vorgehen von Johnsen und Schoenflies, dem ich mich angeschlossen habe, denken, daß praktisch der Atomschwerpunkt die ausgezeichnete Lage einnimmt, aber im Bau der Atome etwas vorhanden sei, das die niedrige Symmetrie der Kristallart bedingt. Inwiefern die nach der Theorie der regelmäßigen Baugruppen abgeleitete Minimal- symmetrie über das „Gestaltliche“ der Atome (mit ihren Elektronen) etwas auszusagen vermag, läßt sich noch nicht feststellen. Man könnte aber auch, wohl im Sinne von J. Beckenkamp, an nur quasi- homogene Anordnungen denken, beispielsweise an Aufbau aus tetardoedrischen und holoedrischen Raumperioden. In allen den bis jetzt bekannten Beispielen, wo die homo- gene, regelmäßige Atomanordnung eine niedrigere äußere Symmetrie 1 Sofern die Kristalle regelmäßigen Punktsystemen entsprechen. M. Rözsa, Vorkommen u. Entstehung des Hartsalzkainitits. 505 der Kristallart nicht erklären kann, sind jedoch die Anzeichen dieser niedrigeren Symmetrie sehr schwach. Das läßt verstehen, daß sie auf gewissermaßen sekundäre Ursachen zurückgeführt werden dürfen. 4. Noch sei als besonders interessantes Beispiel die Struktur von NH4 CI betrachtet. N H4 bildet wohl sicher einen symmetrischen Komplex, mit den N-Atomen in der Mitte eines Tetraeders, den 4 H-Atomen an den Ecken. Der Schwerpunkt von NH4 muß daher tetardoedrisclie oder tetraedrische Symmetrie aufweisen. Ander- seits läßt sich beim dyakisdodekaedrisch kristallisierenden Salmiak eine Verwandtschaft mit Sylvin nicht abstreiten, man würde daher die gleiche Raumgruppe O3 (im Sinne der Sch oenflies’s dien Zu- ordnung) erwarten. Dann ist eine derartige Anordnung nur mög- lich, wenn E + F und K -f C, die ja gleiche Minimalsymmetrie aufweisen, gleichzeitig von Cl-Atomen besetzt sind und der Schwer- punkt des N H4-Komplexes auf die Punkte D, + D2 fällt (Ver- hältnis = (4 — {— 4) : 8 = 1:1). In der Tat haben die BrtAGG’schen Untersuchungen 1 * festgestellt, daß die CI- Atome die Ecken eines Würfelcliens, die N-Atome sein Zentrum sind. Dieses Wiirfelclien ist aber nur J des mit dem Sylvinwürfel verglichenen Elementar- würfels. Diese Beispiele der Anwendungen mögen zeigen, daß die Tabelle von Nutzen sein kann, wenn es sich darum handelt, eine Kristallart von bestimmter chemischer Zusammensetzung einer re- gulären Raumgruppe zuzuordnen. Inwieweit die bei den unter- suchten Beispielen zutage tretenden großen Gesetzmäßigkeiten der Kristallstruktur von allgemeiner Bedeutung sind (Anordnung der Schwerpunkte oder ausgezeichneten Pole von elementaren Bau- gruppen nach einfachsten Raumgesetzen) läßt sich noch nicht vor- aussehen. Man wird aber bei den weiteren experimentellen Unter- suchungen darauf achten müssen, besonders wenn es sich um die Entscheidung zwischen mehreren, sonst gleichmäßig wahrschein- lichen, Fällen handelt. Das Vorkommen und die Entstehung des Hartsalzkainitits. Von M. Rözsa in Budapest. Das Kainititgestein (Halit-Kainit) der Kalisalzlager entstand bekannterweise durch die Hydrometamorphose des Hauptsalzes (Kieserit- Halit- Carnallit; Kieserit % < Halit % < Carnallit %). Einsickernde Laugen drangen in die emporgestiegenen Teile der Hauptsalzlager und führten zu jenen Gleichgewichtsveränderungen 1 Siehe besonders das Buch: X-Rays and Cristal Structure. London 1915. Alle hier angeführten Beispiele beziehen sich auf BRAGG’sche Unter- suchungen. 506 M. Rözsa, abgelagerter Salze, die im Sinne der Van’t HoFF’schen Schemata unter 72° rückgängig erfolgen mußten1': Carnallit Kieserit Steinsalz Kainit Steinsalz je nach der Vollständigkeit dieses Kainitisationsvorganges erreicht die „Reife“ des entstandenen Kainits verschiedene Stufen! Infolge mangelhafter Laugenzufuhr und Sättigung an Chlormagnesium blieb stellenweise unveränderter Carnallit zurück. Mit der Ein- wirkung chlormagnesium- und chlorcalciumreicher Laugen sind auch die einzelnen Bischofit- und Tachhydritnester des Kainithutes zu erklären. Die Hartsalzgesteine (Kieserit-Sylvin-Halit; Kieserit % ^ Syl- vin % - Kieserit Steinsalz | Steinsalz Es wäre dies die entsprechendste Definierung ihrer Entstehungs- art, da bei dieser Begrenzung der Entstehungstemperatur auch die in der Natur örtlich verschieden gewesenen Verhältnisse der Zu- sammensetzung und des Druckes möglichst berücksichtigt wurden. Gleichzeitig mit der erwähnten Hydrometamorphose bezw. Kainitisierung des Hauptsalzes erlitten stellenweise auch die empor- gestiegenen Hartsalzschichten eine ähnliche Umwandlung: Sylvin Kieserit Steinsalz > Kainit Steinsalz Die auf die Zusammensetzung einzelner Schichtkomplexe (Staßfurt) und Nester (Wintershall, Alexandershall) des Hartsalz- kainitits bezüglichen Anälysendäten sind in Tabelle 1 (s. ß." 507) zusammengefaßt. Da die entsprechenden Hartsalzmutterschichten an vielen Stellen weniger Magnesiumsulfat enthalten, so muß, analog dem Hauptsalzkainitit :5s, die Zufuhr sulfathaltiger Laugen stellenweise auch bei diesem Umwandlungsvorgang vorausgesetzt werden. 1 Van’t Hoff, Zur Bildung der ozeanischen Salzablagerungen. Heft I. p. 80. 2 Eöldtani Közlöny. 1915. Heft 10—12. Zeitschr. f. anorg. Chemie. 97. p. 47. \ ui; 3 Zeitschr. f. anorg. Chemie. 94. p. 92. — Földtani Közlöny. 1915. p. 309. Das Vorkommen und die Entstehung des Hartsalzkainitits. 507 Tabelle 1. Zusammen- setzung Berlepsch Wintershall Alexandershall i 1 2- 1 3 1 . 2 Kainit .... 58,3 59,0 63,6 92,7 96,6 93,5 Sylvin .... 7,2 12,3 . 5,1 Spuren 0,7 Spuren Carnallit . . " — • — 0,6 Spuren Spuren Steinsalz . . 32,8 25,9 . 29,0 6,1 2,1 5*7. Im Vergleiche zum Hauptsalzkainitit ist der Kainitisations- vorgang der Hartsalzschichten ein vier gleichmäßigerer. Während nämlich die aus Kainit und Steinsalz verworren zusammengewach- senen Massen des Hauptsalzkainitits eine Schichtung nur selten nnd auch daun sehr verschwommen auf weis en; erscheint der Hart- salzkainitit zumeist geschichtet, indem das Lager zahlreiche Adern unveränderten Sylvins durchkreuzen. Auch der Carnallitgehalt •der zwei Kainititarten ist oft sehr abweichend. Im Hartsalz- kainitit kommt nämlich der Carnallit selten vor, wogegen im Haupt- salzkainitit derselbe stets vorhanden ist. Tachhydrit und Bischofit konnte ich in der Zone des Hartsalzkainitits nirgendswo vorfinden. Da die Entstehung des Hartsalzkainitits aus genetischem Gesichtspunkte von Belang ist und zugleich ein klares Beispiel jener Hydrometamorphosen bezw. Rückwandlungen liefert, welchen die sekundären Salzmineralien unterhalb ihrer Bildungstempe- rat'ur ausgesetzt sein können, hielt ich zu seiner Unterschei- dung vom Hauptsalzkainitit die Benennung T h a n i t für r zweck- mäßig1. Die von Everding vorgeschlagene Bezeichnung Kainitit würde demnach dem aus Hauptsalz entstandenen Halit-Kainit ent- sprechen, wogegen unter dem Namen Thanit ein aus dem Hartsalz entstandener Halit - Kainit (K CI . Mg S 04 . 3 H2 0 + x Na CI ) ver- standen wird. Es kommen in der Zone des Thanits, analog den Hauptsalz- und Hartsalzlagern, im Horizonte kalireicher Schichten kaliarme und sogar taube Stellen vor. Dieser Umstand hängt in vielen Fällen mit jenen Entmischungs Vorgängen des Carnallits zusammen, nls infolge tektonischer Vorgänge, bezw. infolge lokaler Abpressung von Carnallit, stellenweise Vertaubungen an Kalisalzen und An- häufung derselben in den Ausbauchungen zwischengelagerter Salz- bänke entstanden sind. Mit dieser Art rein mechanischer Vertaubung dürfen jene Vertaubungs Vorgänge , die besonders im Südharzer anhydri- tisclien Sylvin-Halit so typisch auftreten, nicht verwechselt werden. Dieselben entsprechen dynamisch-chemischen und rein chemischen 1 Földtani Közlöny. 1915. p. 307. 508 M. Rözsa, Vertaubungsvorgängen, wobei die Veränderungen abgelagerter Salze, im Zusammenhang mit der Strömungsrichtung und Statik der zir- kulierenden Laugen und je nach der Zeitdauer der Einwirkung verschieden temperierter Laugen, bezw. nach den zeitweise und lokal bestandenen chemischen und dynamischen Bedingungen der Gleichgewichtszustände, in mehreren Stufen und in verschiedener Ausbildung vor sich gehen konnten. Bereits die Zurückveränderung sekundär umgewandelter Schichten hängt mit der erwähnten Statik zirkulierender Laugen zusammen. So bildeten sich sylviniscli gewordene Schichten, infolge der nachträglichen Zufuhr von Chlormagnesia aus bishin unver- ändert gebliebenen Lagerteilen, in Carnallit zurück und es ent- standen isolierte Nester von Hauptsalz im Hartsalz-, als auch von Hartsalz im Hauptsalzlager. Auch kam es stellenweise zum lokalen Verschwinden einzelner Mineralbestandteile, wogegen an anderen Stellen unerwartete Ausscheidungen derselben erfolgten (Kieseritnester im jüngeren Lager, große Verschiedenheiten des Jod gehaltes in denselben Horizonten usw.). Die Th an itbildung entspricht in der Regel einem einfachen Kainitisationsvorgang des bis zum Kainithut emporgestiegenen Hartsalzes (I). Der Hinweis auf die mannigfaltigen Gleichgewichts- veränderungen abgelagerter Salze erschien mir insofern notwendig, weil die Entstehungsart des Hartsalzkainits nicht immer mit Sicherheit festzustellen war und stellenweise auf mehrfache Um- wandlungsvorgänge deutet. In den meisten Fällen jener Werra- vorkommnisse, als der Hartsalzkainit in einzelnen isolierten Nestern auftritt, konnte ich in ihrer unmittelbaren Nähe vertikale Sprünge („Schnitte“) feststellen, die mit Kainit und Steinsalz ausgefüllt waren. Der Zusammenhang dieser Kainitnester und „Schnitte“ ist ein augenfälliger und läßt den Thanit als hydrometamorphoses Produkt des Hartsalzes erkennen , indem der Laugenzufluß durch diese Sprünge erfolgen mußte. Andererseits kommt der Thanit in den kieseritreichen liegenden Teilen dieser Hartsalzlager auch in isolierten Bändern vor , die stellenweise in langbeinithaltige Schichten übergehen. An manchen Stellen der untersten, bereits im Liegend-Steinsalz befindlichen kaliführenden Schnüre kommen sowohl Gemenge des Kainits und Carnallits, als auch reiner Car- nallit vor (Alexandershall). Alle diese Umstände, als auch die chemisch-petrographische Prüfung der entsprechenden Proben, ließen seinerzeit die Ver- mutung aussprechen1, daß in den liegendsten Schichten der Werrasalzablagerungen auch Kainit vorhanden sein konnte, und zwar entweder als direktes Ausscheidungsprodukt (II), oder als hydrometamorphes Zwischenprodukt der Hartsalzbildung (III). 1 Zeitschr. f. anorg. Chemie. 88. p. 331. Das Vorkommen und die Entstehung des Hartsalzkainitits. 509 Es könnte demnach bei der Voraussetzung primärer Kainitausschei- dung die Anwesenheit der erwähnten Kainitbänder nach Jänecke1 dadurch erklärt werden, daß bei der Thermometamorphose des abgelagerten Kainits ein Teil der entstandenen Lauge im Lager stehenblieb und nach erfolgter Temperaturabnahme zur lokalen Zurückbildung des Urkainits führte (IV). Bei einem bestimmten Chlormagnesiagehalt dieser Laugen würde auch das Bestehen der erwähnten Kainit-Carnallitschnüre verständlich sein. Die im Hori- zonte der Kainitbänder vorkommenden Langbeinitschichten dürften wieder teilweise jenen thermalen Uinwandlungsprozessen des Kainits entsprechen, bei welchen die entstandenen Laugen vollständig aus- gepreßt wurden. Der bereits erwähnte Umstand, daß im Liegend-Steinsalz auch reine Carnallitschniire Vorkommen, ebenso wie die Feststellung2, daß bereits Lage 2 des unteren Werrakalisalzlagers an vielen Stellen aus kieseritarmem Sylvin-Halit besteht (Tabelle 2), schließen indessen auch jene Möglichkeit nicht aus, daß der Liegend- Kainit des Werrahartsalzes zum Teil auch als kainitisches Zwischen- produkt ursprünglich carnallitiscli-kieseritisclier Schichten Zurück- bleiben konnte (III). Tabelle 2. Zusammensetzung Alexandershall Sachsen-Weimar 1 2 3 Sylvin 36,8 28,7 35,2 Kieserit 0,6 1,1 0,7 Steinsalz 62,2 69,7 63,8 Was die diskordante Auflagerung der Hangend-Carnallite in den Werrasalzlagern anbelangt, so wäre es gänzlich verfehlt, wenn wir zur Erklärung derselben thermale Auspressungsvorgänge in den liegenden Lagerteilen voraussetzen würden. Die durch Stein- salz abgesonderten, parallelen Schichten dieser Carnallite wider- legen ähnliche Verallgemeinerungen und lassen erkennen, daß mit der Bodengestaltung und stattgefundener Laugenwanderung der Zechsteinseen die spezifisch schweren und chlormagnesiareichen Bodenlaugen sich in den tieferen Beckenteilen ansammelten, wo- durch an diesen Stellen die periodische Entstehung von Sättigungs- zonen für Kalisalze und daher die Möglichkeit der diskordanten Auflagerung von Carnallit gegeben war. Hierbei war die Elimi- nierung der Kieseritausscheidung nur eine vorübergehende, da in den höheren Horizonten des Hangend-Steinsalzes , wo es noch zu 1 E. Jänecke, Die Entstehung der deutschen Kalisalzlager. 1915. p. 74. 2 Zeitschr. f. anorg. Chemie. 88; p. 322. 510 M. Rözsa, Vorkommen n. Entstehung des Hartsalzkainitits. weiteren Ausscheidungen der Kalisalze kam, bereits die markanten Kieseritschnüre auftreten (Neuhof bei Fulda). Der Umstand, daß mit Ausnahme der Staßfurter und umgebender Gruben die Zone des Polyhalit-Halits zumeist fehlt, muß — nebst den Tiefenver- liältnissen der eintrocknenden Seen — ebenfalls mit dem zuneh- menden Chlormagnesiagelialt der eintrocknenden Laugen erklärt werden. Auch die frühzeitige Eliminierung der Kainitausscheidung und Auftritt von Carnallit waren mit dieser Erscheinung verbunden1. Nehmen wir sämtliche Entstehungsmöglichkeiten des Thanits in Betracht, so kann als eventuelles Zwischenprodukt der von Jänecke angegebene Anhydrokainit2 (KMgClS04) nicht außer acht gelassen werden. Bei den hohen Entstehungstemperaturen dieses Salzes und seiner Gern i s cli e würde die Möglichkeit seiner Entstehung nur dann verständlich sein, wenn wir den im Werra- salzgebiete eindringenden Basaltmassen entsprechende thermale Wirkung zuschreiben. Die im Werke Sachsen-Weimar bereit- willigst ausgeführte Aufschließung jener Stelle, wo ich vom direkten Zusammentreffen des unteren Kalilagers mit dem durchdringenden Basalt gewisse Resultate erwartete , war leider erfolglos. Die Kalisalze und besonders der Carnallit entkamen gerade an dieser Stelle der direkten Einwirkung des Basalts, da sie auf die Seiten gepreßt wurden. Wenn auch die bisherige Prüfung von Dünn- schliffen den Anhydrokainit nicht erkennen ließ und die Ent- stehungsart des Basal tkainits zum Teil mit jenem nachträglichen Laugenzufluß in Verbindung gebracht werden kann, welcher ent- lang der Basaltgänge erfolgte 3, so wären weitere chemisch-petro- graphische Untersuchungen jedenfalls wünschenswert, da der Anhydro- kainit, als bereits verschwundenes Zwischenprodukt, eventuell trotz- dem anwesend sein konnte. Von Interesse ist ferner das im Thanitlager beobachtete Vor- kommen von Polyhalit und Astrakanit. Der Polyhalit ent- stand aus anhydritreichen Teilen des Hartsalzes , gleichzeitig mit dem Hartsalzkain it, infolge von Laugeneinwirkung: Stellenweise ist der anhydrithaltige Tonablöser des oberen Werrakalilagers mit eingepreßtem Carnallit. imprägniert. Wo nun diese Schicht der Einwirkung zirkulierender Laugen ausgesetzt war, dort entstand auch Polyhalit, stellenweise verzweigte Überkrustungen bildend. In der unmittelbaren Nähe der Basaltgänge fand die 1 Földtani Közlöny. 1915. p. 300. Zeitschr. f. anorg. Chemie. 97. p. 45. 2 Kali. 1913. p. 140. 3 Zeitschr. f. anorg. Chemie. 88. p. 328. Anhydrit Sylvin Kieserit Steinsalz Polyhalit Thanit F. Baron Nopcsa, Doryphorosaurus n. n. für Kentrosaurus Hennig. 511 Umwandlung des anhydritisch-kieseritischen Sylvin-Halits stellen- weise auch als reiner Thermalprozeß, ohne begleitende Kainiti- sationsvorgänge, statt, indem die anhydritreichen Hartsalzschnüre hei der Annäherung an die Basaltgänge direkt in Halit-Polylialit übergehen. Im liegenden, magnesiumsulfatreichen Teile der Thanit- zone kommt stellenweise auch grau gefärbter Astrakanit, von stärk glänzendem, muscheligem Bruch, vof. Die Zusammensetzung einer solchen Einlagerung war die folgende: 41,15 %Na2S04, 0,73 K2S04, 35,46 MgS04, l,23NaCl, 2l,40H20. Dieselbe entspricht demnach sehr annähernd der Formel Na2 S 04 . Mg S 04 . 4 H2 0. Im Liegend-Steinsalz der Thanitschichten ist auch der sekun- däre Glauberit nicht selten. Sein Vorkommen konnte ich auch in Jahresschnüren des Werrasteinsalzes feststellen. Die geschilderten Entstehungsarten des Thanits können in Folgendem zusammengefaßt werden : Carnallit ] Sylvin I. Kieserit > ■,>• Kieserit Steinsalz ] Steinsalz Hauptsalz — y Hartsalz >- Thanit Kainit Steinsalz IL III. Kainit Carnallit Steinsalz ] Sylvin 1 } y Kieserit } ? Steinsalz j Kainit Steinsalz Carnallit j Kieserit > Steinsalz ] Hauptsalz Kainit Steinsalz >- Kainitit ^ Sylvin > - y Kieserit ^ Steinsalz — y Hartsalz 1 1^ ^ Kainit | Steinsalz ) — y Thanit IV. Kainit-Steinsalz Langbeinit-Sylvin-Kieserit-Steinsalz + Lauge. Doryphorosaurus nov. nom. für Kentrosaurus Hennig. Von Dr. Franz Baron Nopcsa. Im Jahrgang 1915 der Sitzungsber. d. Gesellsch. naturforsch. Freunde Berlin publiziert Hennig eine vorläufige Beschreibung eines ostafrikanischen Stegosauriers, für den er wegen seiner Stacheln den Namen Kentrosaurus nov. nom. proponiert. Der Name Centrosaurus ist nun aber schon von Lambe in 19 04 (Trans. Ro}^. Soc. Canada. 10.) für einen anderen gepanzerten Dinosaurier ver- wendet worden, und so erlaube ich mir für den neuen ostafrikani- schen Dinosaurier den Namen Z) ory phor osaurus nov. nom. (von Doryphoros — Speerträger) vorzuschlagen. 512 Besprechungen. Centrosaurus apertus Lambe stammt aus den Belly River Beds (Alberta, Canada). Der Name wurde in 1904 von Lambe für ein an Monoclonius Dawsoni Lambe (1902) erinnerndes Stück geprägt (Ottawa Naturalist. Vol. XVIII. 1904), das später (1910 loc. cit.) neuerdings abgebildet wurde. Die letzte Besprechung von Centro- ftaurus erfolgte 1914 durch Barnum Brown im Bull. Amer. Mus. nat. hist. Vol. XXXIII in seiner Arbeit „A complete Monoclonius skull“, in der dieses Genus neuerdings mit Monodonius Daivsoni vereinigt wurde. Kentrosaurus aethiopicus Hennig stammt aus den untercreta- cischen Schichten des Tendaguru in Deutscli-Ostafrika. Wien, 26. April 1916. Besprechungen. F. Frech: Mineralvorkommen Anatoliens. Glück- auf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift 1915. Heft 16 — 19. 51. Jahrgang. Mit Karte. Eingeleitet durch eine Übersicht der Erdgeschichte und des Gebirgsbaus1 (A). A. Erdgeschichte und Gebirgsbau. Kleinasien ist ein allseitig von Gebirgsketten umschlossenes Hochland, dessen mittlere Erhebung etwa 1200 m beträgt; das Tafelland selbst liegt durchschnittlich 1000 m hoch und senkt sich nur nach dem durch Einbrüche erniedrigten und mannigfach ge- gliederten Westen bis auf 900 m und darunter. Auch das Innere wird von einzelnen Gebirgszügen überragt. Die Höhe und der Aufbau der Randgebirge zeigen die größten Verschiedenheiten. Am mächtigsten ist das vielfach zu Hochgebirgsliöhe emporsteigende taurische System, das an Länge (1700 km) sogar die Alpen um 400 km übertrifft. Von den übrigen Randgebirgen ragt nur der mysische Olymp mit 2500 m über Mittelgebirgshöhe empor. Die verschiedenen Gebirgsglieder des im wesentlichen aus Urgestein bestehenden Grundgebirges, dessen Verbreitung im all- gemeinen den Westen Anatoliens kennzeichnet, sind für das Vor- kommen nutzbarer Mineralien ungleich wichtig. Abgesehen von verschiedenen Erzvorkommen gehören vor allem die Zinnobervor- kommen von Konia und Smyrna sowie die Schmirgellinsen dem älteren Glimmerschiefer an. Der gewaltige Zeitraum der paläo- 1 Das beifolgende Autorreferat behandelt mit Rücksicht auf das augenblicklich bestehende Interesse für Anatolien die betreffenden Fragen in etwas größerer Ausführlichkeit als sonst. Besprechungen. 513 zoischen und mesozoischen Formationen war für die Entstehung von Erzen ohne Bedeutung. Wichtig sind aus dieser Zeit nur fossile Brennstoffe und Phosphate. Das einzige Steinkohlenvor- kommen Anatoliens, das von Heraklea am Pontus, steht im Alter der europäischen Steinkohlenformation gleich. Dem Schichtbereich der Oberkreide sind die Asphalt- und Phosphatvorkommen von Syrien zuzurechnen. Die Grenzen des Eocäns entsprechen, vielleicht abgesehen von dem unmittelbar darauf (im Oligocän) trockengelegten Tauros, einer weithin ausgedehnten Meeresüberflutung. Unmittelbar nach dem Eocän oder noch in seinem letzten Abschnitt erfolgte in fast allen Teilen Anatoliens ein Empor- dringen mächtiger Tiefengesteine, die meist in der umgewandelten Form der Serpentine erhalten sind. Es liegt nahe, den ausge- dehnten Meeresrückzug in Beziehung zu diesem Ereignis zu setzen, das jedenfalls eine Aufwärtsbewegung ausgedehnter Ländermassen zur Folge haben mußte. In Nordanatolien bei Eski schehir wird der Serpentin dadurch interessant und technisch wichtig, daß in ihm Chromeisen als magmatische Ausscheidung und Meerschaum als eigenartiges che- misches Umwandlungserzeugnis auftreten. Der mittlere Tertiärabschnitt ist im Gegensatz zu diesen weit- verbreiteten Serpentinbildungen durch einen bedeutsamen Gegensatz zwischen dem Süden einerseits und der Mitte sowie dem Norden andererseits ausgezeichnet. Zwischen den damals zuerst empor- gewölbten Ketten des Tauros und Amanos drang ein Ausläufer der untermiocänen Mittelmeeres ziemlich weit nach Osten vor und lagerte mächtige Korallenkalke, Austernbänke, Mergel, Konglo- merate und Sandsteine ab. Dagegen waren die Mitte, der Norden und ganz besonders der Nordosten Anatoliens, sowie das angrenzende Transkaukasien im Mitteltertiär der Schauplatz gewaltiger Massen- ausbrüche, deren Mächtigkeit Hunderte von Metern, stellenweise noch erheblich mehr beträgt. Das Material ist Andesit und viel- fach auch quarzreicher Liparit, das Muttergestein der wertvollen Feueropale von Simav südwestlich von Kutahia. Noch bedeutungs- voller ist die Erzführung, die von Balia-Maden in Mysien an bis zum Wilajet Trapezunt (Ordu, Kerasunt) sowie in dem angrenzen- den russischen Gebiet an die jungen Eruptivgesteine geknüpft ist. Etwa gleichzeitig mit dieser gewaltigen Entwicklung des mächtigen Taurosgebirges und den nordanatolischen Massen- eruptionen entstanden in der zweiten Hälfte des Tertiärs im Westen des bis Griechenland reichenden großanatolischen Kontinents aus- gedehnte Süßwasserseen. Auch die Entstehung der im Westen Anatoliens hier und da vorkommenden jüngeren Braunkohlen fällt in die zweite Hälfte des Tertiärs (Pontische Stufe, Grenze von Miocän und Pliocän). Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 33 514 Besprechungen. Nach Philippson ist z. B. südlich von Smyrna ein ziemlich mäch- tiges, allerdings durch Schwefelkiesgehalt entwertetes Braunkohlen- flöz in Angriff genommen worden. Verbreiteter sind im Innern des Landes die roten Sandsteine und Kalkmergel mit Gips und Steinsalz. Schon seit langer Zeit bestanden demnach hier abflußlose Becken, deren Ausdehnung jedoch die der heutigen weit übertraf. Am Ende des Quartärs brachen die Schollen im ganzen Um- kreis von Anatolien an gewaltigen Brüchen in die Tiefe ; der Pontus und die Propontis, das Ägäische Meer, die Meerengen zwischen Cypern und dem im Norden und Osten benachbarten Festland, weiterhin die Küsten Syriens bildeten sich um diese Zeit. So entstanden die heutigen Grenzen von Land und Meer. Gebirgsbau. Der eigentliche Tauros ist die Vereinigungszone der amenisch- kappadokischen Falten paläozoischen Alters mit den Oberkreide- kalken der südiranischen Gebirge. Diese vom Untersilur bi$ zum Kohlenkalk reichenden Sedimente entsenden keinerlei Ausläufer bis auf die Westküste Kleinasiens und die Sporaden. Hier im Westen Anatoliens und auf den vorgelagerten Inseln herrscht dagegen in der Schichtenfolge ebenso wie in der Zusammensetzung der Bevölkerung das europäische Element unbedingt vor. Gliederung der westlichen Gebirge. Eine ausge- dehnte Masse alter kristallinischer Gesteine (Gneise, Granite, Glimmerschiefer im Innern, Marmor und halbkristalline Kalke am West- und Südrand) erstreckt sich im Norden vom Keramischen Golf im Süden durch Karien und Lydien bis zum Temnosgebirge, im Osten landeinwärts bis etwa zur Westgrenze Phrygiens. Im Westen berührt das alte Gebirge die Küsten des Ägäischen Meeres von Halikarnaß bis Ephesos, weicht dann aber nordwärts hinter den Sipylos zurück. Im südlichsten Karien und in Lykien schließt sich an diese lydisch-karische Masse ein wildes, mesozoisch-alt- tertiäres Sedimentgebirge , dessen Faltenzüge von Griechenland herüberkommen. Ein ähnliches , nur weniger geschlossenes und hohes Faltengebirge von paläozoischen , mesozoischen und alt- tertiären Sedimenten, hier und da auch mit Massiven kristalliner Schiefer und alter Eruptivgesteine, zieht mit einer im allgemeinen nordnordöstlichen Streichrichtung von der Halbinsel Erythrai und der Insel Chios her über den Sipylos am Westrand der lydischen Masse entlang, dann weiter durch das westliche Mysien bis zum Marmarameer. Philippson hat es das ostägäische Faltengebirge genannt. Am Makestosfluß trifft es mit anderen Faltenzügen zusammen, die teils von Südosten , vom taurischen Gebirgsbogen, teils von Osten, von den pontischen Gebirgen an der Südküste des Schwarzen Meeres herankommen. Besprechungen. 515 Der Tauros. Von Norden nach Süden zeigt der eigent- liche Tauros drei bedeutsame Erhebungszonen (I — III), die durch Senken (1 und 2) getrennt sind oder durch langsam ansteigendes Vorland (3) begrenzt werden. Jenseits der kilikischen Grenze erhebt sich mit parallelem Streichen der Amanos (Zone V — VI), dessen Faltenzüge sich nach Cypern fortsetzen (vergl. 19 1 3. 1. p. 126). Die nordanatolischen Gebirge. Von großer Bedeu- tung für die Auffassung des anatolischen Gebirgssystems und seine Stellung in den Faltenzonen Europas und Asiens ist eine Ver- gleichung mit den Gebirgszügen im Norden der anatolischen Masse. Zunächst besteht ein Unterschied zwischen den pontischen Gebirgen östlich und westlich vom Halys (Kisil-Irmak). Westlich herrscht überall, auch im Innern, Bruchbildung, die sich z. B. in den vom Ägäischen Meer ausgehenden Grabentälern ausprägt; im Osten ist nur der große pontische Bandbruch sichtbar, das Innere wird von mitteltertiären Eruptivmassen bedeckt. In dem sogenannten ostpontischen Bogen, der tatsächlich eine Bruchscholle darstellt, sind im Gegensatz zu den Grabentälern im N reine Erosionstäler vorhanden. Sie stehen genau senkrecht auf der regelmäßig verlaufenden Bruchküste und täuschen durch ihren besonders zwischen Trapezunt und Ordu ausgeprägten Gleich- lauf das Vorhandensein einer Faltungskette vor, von welcher der Gebirgsbau keine Spur aufweist. Im Osten des Halys führen die oft über 1000 m mächtigen tertiären Vulkandecken wertvolle Erz- gänge, besonders zwischen Sinope und Trapezunt sowie östlich von der türkischen Grenze. Westlich von Halys sind die Eruptiv- decken weniger ausgedehnt und , wie es scheint , erzfrei oder wenigstens erzarm. In den taurischen Gebirgen besteht , wie bereits erwähnt wurde, die Sedimentreihe aus Untersilur im Amanos, aus sibirischen Schiefern mit Porphyriten und Tuffen im nördlichen kappadokischen Tauros, aus Devon bei Hatscli-kiri am Tschakit, bei Hadjin und Felke sowie aus dem allgemein verbreiteten Kohlenkalk. Darüber folgen nach einer gewaltigen Diskordanz Cenomanquader und die mächtigen, im oberen Teil mit Pläner wechsellagernden Badioliten- kalke. Im Gegensatz zum Tauros sind der Gebirgsbau und die geologische Entwicklung im pontischen Gebirge mehr dem der Karpathen verwandt. Vor allem zeigen die Erzgänge der mittel- tertiären Eruptivgesteine zwischen Sinope und Ardahan durchaus die Eigenart karpathischer Vorkommen. Die gewaltige Schichten- lücke des Tauros wird hier durch das gefaltete Obercarbon von Heraklea, die Trias von Ismid, den Jura von Angora und Mersifun sowie die Unterkreide der Küste ausgefüllt. Oberkreide und marines Eocän sind überall vorhanden. Der Gegensatz von Nord und Südanatolien und seiner Gebirge erhellt am besten aus der beifolgenden Übersichtstabelle : 516 Besprechungen. Nordanatolien : Südanatolien : Westpontische Faltungszone, Bithynische Halbinsel , Paphlagonien (Kastamuni), Gegend von Angora. Starke Erdbeben an den Küsten und den Grabenbrüchen des Festlandes. Tauros, Amanos, Kurdengebirge, Kili- kische Ebene. Erdbeben von der Region des syrischen Grabens ausstrahlend. Quartär: Pluvialperiode durch Terrassenschotter am Bosporus und Amanos angedeutet. Rote Tekir-Nagelfluh, Terrassenschotter im Amanos über 120 m mächtig. Grenze von Tertiär bis Ober-Quartär: Begrenzung der anatolischen Halbinsel durch Ab- brüche an den heutigen Küsten. Miocän : Massenausbrüche von Andesit und Liparit in der. Mitte von N und NO. Mitte des Tertiärs (Oligocän — Pliocän): Kalk und Mergel mit Gips und Steinsalz. Braunkohlenschichten. Trockenlegung und Lücke. Unter — mittelmiocäne Transgression in der Kilikischen Ebene. Oligocäne Mergel mit Kohlen- und Land- pflanzen in der Tekir-Senke. Trockenlegung. Tiefengesteine : Serpentin mit Meer- schaum (Eski schehir). Marines Eocän: Flysch und Nummuliten- kalk in den westpontischen Ketten. Tiefengesteine: Hypersthenite des Kisil dagh usw. Nummulitenkalk im Bulgar dagh, Amanos, bei Kaisarie, Alveolinenkalk bei Gülek boghas. Darüber senone Kreide mit Gryph. vesicularis in weiter Verbreitung1. Marine Ober kreide (Radiolitenkalke). Untere marine Kreide am Pontus (Songuldagh). Ob. mariner Jura in Galatien (Dogger nicht nachgewiesen). Lias marin in weiterer Verbreitung. Trias marin: untere, mittlere bei Ismid, obere bei Balia Maden. Rotliegendes (kontinental) b. Mersifun. Produktives Obercarbon flözreich bei Eregli, Songuldak bis Amastra. Kalk mit Inoceramus balticus (= Crippsi). Senoner Pläner mit Gryph. vesicularis, Clypeaster , Riffkorallen im Amanos und Tauros, Radiolitenkalk in großer Mäch- tigkeit überall. Marine Oberkreide, Mergel mit ] Micraster. Basalkonglomerate u. Quader- sandstein. Tauros. Große Lücke im Tauros. Kohlenkalk bei Songuldak in gleicher Kohlenkalk (Untere und Obere Stufe) Entwicklung wie: im ganzen Tauros und wahrscheinlich in Kilikien. Marines Devon in allen Abteilungen vom Ob er de von im Tauros (Hatschkiri) und Bosporus bis Ada-Basar. Antitauros (Hadjin und Felke). Obersilur angedeutet. (Obersilur nicht nachgewiesen.) Untersilur im Amanos (Bagtsche) und im sog. Anti tauros (Quarzitlager im Ton- schiefer). (Cambrium fehlt.) 1 U. a. bei Ordu m. Micraster coranguinum u. Ananchytes oratus. Obersenon bei Amasia m. Orbitoides, Ostrea larva u. Otostoma ponticum. Mittelsenon a. oberen Euphrat m. Hippurites Loftusi, vesiculosus u. Pironaea corrugata. Besprechungen . 517 B. Nutzbare Mineralien. Bei der Betrachtung der Erz führ ung sind die mehr west- lich gelegenen Vorkommen der Wilajets Brussa, Aidin (Smyrna), Konia und Adana von den pontischen der Wilajets Trebisonde und Tokat zu trennen. Die letzteren treten ausschließlich in jungen Eruptivdecken, und zwar vorwiegend als Gänge auf, die ersteren zeigen mannigfache Zusammensetzung. Sie setzen, der Zahl nach überwiegend, gangförmig im Urgestein auf, sind aber großenteils auch magmatische Ausscheidungen im Serpentin (Chromit) oder erscheinen im Kontakt mit Eruptivgesteinen verschiedenen Alters (Balia-Maden in Westkleinasien, Bulgar-Maden im Tauros, Arghana- Maden im oberen Euphratgebiet). Chromit. Das wichtigste Erz Kleinasiens ist der stets linsen- oder lagerförmig im Serpentin auftretende Chromit. Der Vorrat ist nach Schmeisser so bedeutend, daß Anatolien den Bedarf der Welt auf absehbare Zeiten decken könnte. Die bis jetzt bekannten Cliromitvorkommen Kleinasiens liegen in drei Gebieten : 1. in der nordwestlichen Serpentinzone des Wilajets Brussa, in der Umgebung des Olymps, 2. im Südwesten (Karien) in der Gegend von Denisly und Makri, 3. im Südosten um den Golf von Alexandrette (Kilikien). Die beiden letztgenannten Bergbaugebiefe gehören den alt- tertiären Serpentinen an, welche die Zone des kilikischen Tauros kennzeichnen. Eine Grube bei Bozbelen (Bezirk Inegöl) fördert angeblich im Jahre etwa 1500 t. Bei Ateran, Cozlondjia und Miram im Bezirk Brussa liegen drei Chromerzgruben , die ihre Jahresförderung von 6000 — 7000 t nach England und den Ver- einigten Staaten zum Preis von 45 M/t ab Gemlik verschiffen. Analysen dieses Erzes ergaben einen Gehalt von 52,70 — 75 °/o Cr2 Og. Über die Gewinnungskosten macht Simmersbach folgende, z. T. auf Schätzung beruhende Angaben : Bei Annahme einer Ent- fernung der Grube von ungefähr fünf Wegstunden bis zur Küste des Pontus erfordern : M/t Arbeitslöhne und Gewinnungskosten ... 7 Beförderung zur Küste 13 Verladung an Bord 4 Ausfuhrzoll 1 Dazu kommt noch die Kegierungsgebühr in Höhe von 5 % des geförderten Erzwertes. Man würde also frei an Bord etwa 25 M/t ohne die Regierungsabgabe rechnen können. Eisenerze. Verschiedene Eisenerze, vor allem Roteisen- stein, Pyrit und Brauneisenstein, sind weit verbreitet; da aber 518 Besprechungen. Abbau und Verfrachtung’ nur ausnahmsweise in wirtschaftlicher Weise stattfinden können , stehen nur wenige Lagerstätten in Förderung : Im Wilajet Smyrna im Besch-Parmak-Gebirge wird jedoch das Eisenerzbergwerk Sakar-Kaya (60 °/o Eisengehalt des Erzes), im Wilajet Konia die Alaya- und Sylintigrube mit Erz von sehr reiner Beschaffenheit im Hauptlager (64°/o Fe) betrieben, daneben kommt Hämatit mit 50 — 54 °/o Fe vor. Die am günstigsten gelegenen, aber zurzeit nicht in Abbau stehenden Vorkommen im Wilajet Brussa sind die der Kreise Pasar- Köi und Gemlik. Von dem Hafen Gemlik sind sie nur etwa 3 — 5 Wegstunden entfernt. Die bisher geringe Bedeutung der türkischen Eisenerzeugung findet in der WTeltstatistik ihren Ausdruck. So war in den An- gaben über die Weltförderung des Jahres 1905, die 112 Millionen Tonnen Eisenerz aufwies, das türkische Reich überhaupt noch nicht genannt. Für das Jahr 1909 wurde eine Förderung von rund 10 000 t angenommen, für 1910 von 50 000 — 60 000 t, für 1911 eine Menge von 100 000 t erhofft. Manganerze, deren Bedeutung für den Eisenhüttenbetrieb immer mehr wächst, sind in Kleinasien verbreitet und besonders in den Bezirken Smyrna und Makri bekannt. Nach Angaben B. Simmerbach’s waren bei Smyrna im Jahr 1904 allein für 38 Manganvorkommen Freischürfe belegt. Die Förderung hatte bei den Gruben Hassan - Tschauschler (45°/o Mn), Yenidjeköi, Kardja (51 °/o Mn) und Ak-Scheh (50 °/n Mn) zu Anfang des Jahr- hunderts je 1000 -1600 t betragen, wurde aber unregelmäßig betrieben. Die Goldseifen, welche die sagenhaften Reichtümer des Krösus lieferten, lagen am Paktolos, dem heutigen Karasu am Fuß des Tmolos (Bos-Dagh) und sollen bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. betrieben worden sein. Die bedeutenden Goldschätze, die in Mykene in den Atridengräbern gefunden worden sind, stammten wahr- scheinlich auch aus Kleinasien. Zurzeit wird Gold nur in ganz geringen Mengen aus anatolischem Arsenkies gewonnen. Arsen er z. Weniger des Arsens als vielmehr des Gold- gehalts halber hat der Arsenkies eine gewisse Bedeutung erlangt. Auch er kommt vorwiegend im Wilajet Aidin — Smyrna, südlich von Tire vor, und zwar setzen im Gneis Quarzlinsen und Gänge mit Arsenkies auf. Das erzreiche Wilajet Smyrna führt auch Quecksilber. Etwa 65 km südöstlich von Smyrna, und zwar 1 — 1^- km östlich vom Dorf Habibler, findet sich ein 15 — 25 m mächtiger Gang, der Zinnober in Schiefer und Quarz führt. Die Kara-Burnugrube liegt etwa 32 km von Smyrna und ge- winnt im Tagebau ein mit Zinnober imprägniertes Quarzgestein mit Besprechungen. 519 durchschnittlich 0,75 °/o Metall. Die untere Bauwürdigkeitsgrenze soll hier bei 0,25 °/o liegen. Die Produktion 1906/07 betrug etwa 3000 Flaschen. Kupfererze. Für die Kupfererze kommt vor allem das Bergwerk von Arghana-Maden, das zwischen Kharput und Diar-, bekir, unweit vom Göljik. dem Quellsee des Tigris, liegt, in Be- tracht. Die Gruben haben dort trotz ihrer sehr ungünstigen Lage schon erhebliche Metallmengen auf den Markt gebracht. Anfang des Jahrhunderts wurden gegen 1500 t Kupfererz jährlich ge- fördert. Da gleichzeitig , nach der allerdings unzuverlässigen Statistik, die Gesamtförderung der Türkei zwischen 1600 und 2400 t Kupfererz schwankte, ist die Bedeutung des Vorkommens ohne weiteres zu erkennen. Der Kupferkies von Arghana ist sehr reich und enthält nach Naumann durchschnittlich 13 — 1 4°/o, nach B. Simmersbach sogar 30 °/o Kupfer (und 40°/o Eisen). In Arghana wird nur Schwarz- kupfer hergestellt, das, wie Naumann angibt, 400 km weit auf Kamelen nach Tokat gebracht und dort raffiniert wurde. Im westlichen Kupfererzgebiet, und zwar im Wilajet Smyrna, liegen die Gruben von Bulbudere und Assarli ; sie wurden schon im Altertum betrieben, jedoch war die Förderung zu Anfang des Jahrhunderts nur gering. Ferner finden sich Kupfererze mit angeblich 20°/o Cu in 4 Stunden Entfernung von dem Hafenort Adalia. Weiss gibt an, daß 3 km westlich vom Dorf Hairie (45 km ostsüdöstlich von Brussa) ein 10 m mächtiges Schwefelkieslager mit reichlichem Kupferkiesgehalt anstelle. Zink- und Bleierze. Bei Balia-Maden, bei Mentesch- dere (s. u.), bei Kiraslijaila, zwischen Isnik (Nikäa) und Jenischehir, endlich 10 km nördlich von Berghama (Pergamon) treten Zink- erze meist in enger Verbindung mit Bleierzen auf. Auch für Kleinasien gilt die bekannte Regel, daß nur Blei- erze mit Silbergehalt einen lohnenden Abbau gestatten. Die gang- artigen Bleierze sind mit Zink- und Antimon- oder Kupfererzen verbunden. Weniger verbreitet, aber durch besonderen Reichtum ausgezeichnet sind die Kontaktlagerstätten : In dem taurischen Bezirk liegen die seit altersher betriebenen Staatswerke am Südhang des Bulgar-Dagh im Wilajet Konia. Am Maden-Tapessi (Erzberg), einem Vorsprung des Ala-Tepe (Bunten- berges) brechen Bleierze bei, für die sich Schmelzhütten in Giilek befinden. Der Bleiglanz tritt in weiten, z. T. mit Eisenmineralien ausgefüllten, nesterartigen Räumen des dichten Kohlenkalks neben den Grünsteinen auf. Bleiglanz- und Gal meivor kommen von Balia- Maden in Mysien. Die reichen Adern silberhaltigen Bleiglanzes, die bei Balia zu einem bedeutenden Abbau Veranlassung geben, 520 Besprechungen. — Personalia. erscheinen im Kontakt der Andesitgänge mit dem Dyas-Kalkstein und setzen sich zuweilen in den Andesit fort. Die beiden Gruben befinden sich an der Grenze beider Gesteine. Das Erz enthält nach B. Simmersbach 82 °/o Blei und 1,25 — 4 o/0 Silber. Der Ab- bau lohnt, obwohl die Beförderung der Erze bis zur Küste 20 fr/'t kostet. 1903 sollen rd. 60 000 t silberhaltigen Bleiglanzes bei einer Belegschaft von 500 — 600 Mann gefördert worden sein. An der Südseite des Kisiltepe wird außerdem an verschiedenen Stellen an der Oberfläche Galmei gewonnen, bei Hadji-Velioglu Manganerz. Gänge von Bleiglanz, Zinkblende und Pyrit treten beiAwdschilar, unweit Edremid auf. Das Erz ist unweit des geschützten Anker- platzes Boghas-Dagh durch einen 14 m langen, 2 — 24 m breiten, mit den einfachsten Mitteln hergestellten Stollen aufgeschlossen. Die Mächtigkeit des vor allem aus derbem Bleiglanz und Pyrit bestehenden Erzganges schwankt zwischen 2,20 und 2,50 m. Antimonerze. Antimonerze stehen in den Wilajets Brussa, Smyrna und Siwas an und werden teilweise abgebaut ; jedoch sind die statistischen Angaben außerordentlich unzuverlässig. Im Wilajet Smyrna, 20 km südöstlich von Ödemisch, 100 km ost- südöstlich von Smyrna, am Nordwesthang des Baliamboli-Dagh baut das Antimonbergwerk Tschinlikaja auf einem Doppelgang. Die Jahresförderung soll angeblich 2000 — 3000 t Erz betragen. Auch die Gruben von Allkhar (unweit von Aidin) haben Anfang des Jahrhunderts 260 t Erz nach Smyrna zur Ausfuhr geliefert. Die Ausfuhrmengen des Hafens von Smyrna zeigen für Antimon- erze große Schwankungen (1899 848 t, 1901 224 t). (Schluß folgt.) Personalia. Im Kampfe fürs Vaterland gefallen Dr. Richard Lachmann, Privatdozent an der Universität, Dozent an der Tech- nischen Hochschule Breslau, am 7. September in den Karpathen als Unteroffizier im Jäger-Regiment No. 3 und Inhaber des Eisernen Kreuzes II. Klasse. (Ein Nachruf folgt.) E. Dittler, Mennige aus Biberwier in Tirol. 521 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Mennige aus Biberwier in Tirol. Von E. Dittler (Wien). Herr Dr. 0. Santo Passo sandte mir eine Erzprobe aus dem Blei- und Zinkerzbau Silberleithen bei Biberwier in Tirol, das er im Setzgute der Aufbereitung, welches von einer alten erzhaltigen Halde, am Ausbiß der Silberleithener Lagerstätte zur Wäsche gefördert wurde, gefunden hatte. Die Mennige dürfte nach seiner Angabe am Ausgehenden der Lagerstätte vorgekommen sein. Das Erz stellt eine Umwandlungspseudomorphose von Pb304 nach PbS dar und besteht aus kleinen, etwa 1 cm im Durch- messer betragenden feurigroten, kugeligen und amorphen Gebilden, in deren Innerem gut erhaltene Bleiglanzkerne eingeschlossen sind. Die Analyse ergab folgendes Resultat: Berechnet auf lufttrockene Substanz : Pb 80,60 °/o S . . . . • . . 6,33 °l o Gangart .... 8,29 °/o = 9ö,22 % Aus dem Schwefelgehalt errechnet man 47,17 °/o Bleiglanz. Die restlichen 39,72 °/o Blei geben mit dem berechneten Sauer- stoff (4,09 °/o) 43,81 °/o Mennige (2Pb0.Pb02). Vanadin (aus Vanadinit), das häufig in Mennige gefunden wird, war nicht vorhanden. Das Erz enthält demnach 47,17 °/o Bleiglanz und 43,81 °/o Mennige. Es ist die Frage, ob sich die Mennige hier durch Hitze- wirkung gebildet haben könnte. Nach Mitteilung des Herrn Dr. 0. Santo Passo scheint dies dortselbst ausgeschlossen. G. Seligmann beobachtete die Umwandlung von Cerussit in Mennige, die nicht geschehen könnte, wenn ein Röstprozeß in Frage käme, da sich Bleicarbonat beim Erhitzen in Bleioxyd und Kohlensäure spaltet. Auch würde in diesem Falle Mennige in der Natur doch nicht so selten und lokal auftreten. Eher scheint ein Fall komplizierter Verwitterung vorzuliegen und es wäre die Umwandlung aus dem basischen Salze 2 Pb C 03 . Pb (0 H)2, das aus dem Carbonate entsteht, denkbar. Tritt durch erhöhte Temperatur eine Zersetzung dieses Salzes bei gleichzeitiger Oxy- dationswirkung ein, so entsteht PbO, das sich mit Cerussit nach C. Mayr nach folgender Gleichung umsetzt: PbO + 2 PbC 03 + 0 = Pb304 -f 2C02. Versuche nach dieser Richtung sollen ausgeführt werden. 33* 522 M. Waterkamp, Diaspor aus dem Siebengebirge und von der Insel Naxos. Von Maria Waterkamp. Mit 2 Textfiguren. 1. Diaspor aus dem Siebengebirge. Bei der Untersuchung von Auswürflingen aus den trachytischen Trümmergesteinen der Hölle bei Königswinter fand ich Bomben von kristallinen Schiefergesteinen, die durch einen hohen Gehalt an Korund auffielen. Über diese Gesteine soll später an anderer Stelle berichtet werden. Diese Mitteilung bezweckt vorläufig nur eine kurze Beschreibung eines mit dem Korund zusammen vorkommenden, selteneren Gesteins- gemengteiles, nämlich von Diaspor zu geben. In Dünnschliffen dieses Gesteines wurden vereinzelte Kriställchen und Körner eines klar durchsichtigen Minerales von hellgelber Farbe beobachtet, die eine starke Lichtbrechung und lebhafte Interferenzfarben zeigten, und deren Form und optisches Verhalten ihre Zugehörigkeit zum rhombischen Kristallsystem vermuten ließen. Eine sichere Bestimmung war aber zunächst nicht möglich. Bei der Behandlung des Gesteines mif Flußsäure zwecks Isolierung des Korundes, der in wohlausgebildeten Kristallen vor- kommt, fanden sich in dem fast nur aus lebhaft blauen Korund- kristallen bestehenden Rückstand auch einige winzige Kristalle und Körner des gelben Minerales, deren erstere infolge der glänzenden Beschaffenheit der Flächen trotz ihrer winzigen Größe eine gonio- metrische Bestimmung erlaubten, die mit Sicherheit ihre Zugehörig- keit zum Diaspor ergab. Die Kristalle zeigen eine ungewöhnliche Ausbildungsweise, und zwar tafelförmig nach ooPöö (100), während der Diaspor sonst gewöhnlich nach dem Brachypinakoid tafelig oder seltener säulen- förmig nach der Vertikalachse gestreckt ist. Zwei zur Untersuchung geeignete Kristalle wurden gefunden. Kristall 1 (Fig. 1), etwa 0,23 mm lang und 0,13 mm breit, wird begrenzt von a = ooPöö (100), m == ooP (110), a = jPrö (706) und von einer Pyramide, deren vordere Polkante durch das Doma a gerade abgestumpft wird. Eine Messung dieser Pyramide im Gonio- meter gelang nicht, wohl aber konnte durch mikroskopische Messung des ebenen Winkels zwischen der seitlichen Polkante der Pyramide und der Prismenkante das Achsenverhältnis b : J c bestimmt werden, und zwar ergab sich bei einem Winkel von 48° 10' im Mittel für b = -J, mithin das Achsen- verhältnis a:|b:Jc = (796) = f Pf = ß. Diaspor aus dem Siebengebirge und von der Insel Naxos. 523 Sowohl das Doma (706) wie auch die Pyramide (796) sind bisher an Kristallen von Diaspor nicht beobachtet worden. Bei der einfachen Ausbildungsweise des Kristalles aber und den trotz winziger Größe immerhin als zuverlässig anzusehenden Winkel- messungen dürften beide Formen wohl als sicher anzusehen sein. Fig. 1 stellt den Kristall in gerader Projektion auf die Basis dar. Beide neuen Formen sind ziemlich gleich groß ausgebildet. Gemessen wurde: m : m = (110) : (110) = 86° 30' berechnet 1 86° 17^' a : « = (100) : (706) = 53° 0' „ 53° 4' seitliche Polkante der Pyramide (796) = ß : Vertikalachse = 48ü 10' „ 47° 50' Für ß berechnet sich ferner: (796) : (796) = 71° 49' (796) : (796) = 58° 15' Kristall 2 (Fig. 2), ungefähr 0,5 mm lang und 0,17 mm breit, ist weniger scharf ausgebildet. Auch hier tritt a = ooPöö (100) vorherrschend auf. In der Prismenzone wurden ferner beobachtet b ooPöo(0 1 0) und untergeordnet m = ooP (110) und 1 = ooP2 (120). Über ooPcö liegt das Doma y = 2Pöö (201). Ferner ist noch eine Pyramide vorhanden, die aber, da die Flächen sehr klein waren und nicht spiegelten, außerdem gerundet waren, nicht bestimmt werden konnte. Die Fläche y — 2 Pöö (201) ist neu. Sie wurde bestimmt aus der Messung: a : y = (100) : (201) = 38° 30' berechnet == 38° 23' Die Ausbildungsweise des Kristalls ist in nebenstehender Figur, Projektion auf die Basis, dargestellt. Es ist zu erwarten, daß weiteres Material die Fortsetzung dieser Untersuchungen erlaubt. Die Kristalle des Korundes, in dessen Begleitung der Diaspor auftritt, sind entweder tafelförmig nach der Basis, oder auch par- allel der Vertikalachse säulenförmig ausgebildet und zeigen meist scharfe, kristallographische Begrenzung. Es wurden die gewöhn- lichen Flächen festgestellt: e= OB, (0001), r=R(10ll), rj = jP2 (2253), und a = ooP2 (1120). Eine ausführliche Darstellung der noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen wird an anderer Stelle gegeben werden. 1 Alle Berechnungen sind auf Grund des von Kokscharow auf- gestellten Achsenverhältnisses a : b : c = 0,93722 : 1 : 0,60387 gemacht. 524 M. Waterkamp, Diaspor aus dem Siebengebirge etc. 2. Diaspor von Naxos. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen des Diasporvor- kommens im Siebengebirge wurden auch Kristalle dieses Minerales von Naxos näher untersucht. Bekanntlich kommt Diaspor auf den Smirgel- lagerstätten dieser Insel vor, und zwar neben zahlreichen und häufigeren anderen Mineralien die Ausfiillungsmasse von Spalten bildend. S. A. Papavasiliou, der diese Lagerstätten eingehend bearbeitet und be- schrieben hat, betrachtet den Diaspor als Umwandlungsprodukt von Korund und vielleicht auch von Margarit l. Das vorliegende Handstück ist ein großblätteriges Aggregat, das in kleinen Hohlräumen scharf ausgebildete und lebhaft glänzende Kristalle beherbergt. Die blätte- rigen Aggregate sind grauweiß, bei größerer Dicke schwach hellgrün und zeigen lebhaften Perlmutterglanz auf Flächen der Spaltbarkeit. Die einzelnen Kristalle sind vollkommen durchsichtig und erreichen eine Größe bis zu 0,5 cm. Sie sind flach tafelig ausgebildet nach b = (010). Die Vertikalzone ist wie gewöhnlich stark gestreift. Die beobachteten Formen sind: b = (010) ooPöo h = (210) ooP2 d = (140) ooP4 z = (130) ooP3 ( p = (350) ooPf k = (230) ooPf p = (111) p s = (212) P2 r = (10 . 1 . 4) fPTÖ g = (27.2.11) 2 7 p 2 T TT r 2 i = (502) fPöö y | (031) 3Poo Hiervon sind die Formen d, cp, g, i bisher nicht beobachtet worden. Sie wurden berechnet nach dem Achsen Verhältnis von Kokscharow aus folgenden Winkeln : gemessen : berechnet : d : b = (140) : (010) = 15° 14° 56' b : f| (010) : (350) = 32® 40' 32° 37*' h : g = (210) : (27 . 2 . 11) 142° 5' 142° 5' g : g = (27 . 2 . 11) : (27 . 2 . 11) — 115° 19' 115° 5' g:g = (27. 2. 11): (27. 2. 11) = 6° 48' 6° 54' r : i = (10 .1.4) : (5 . 0 . 2) = 4° 27' 4° 33' 1 S. A. Papavasiliou, Die Smirgellagerstätten von Naxos nebst den- jenigen von Iraklia und Sikinos. Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 65. Heft 1. C. Diener, Bemerkungen zur Nomenklatur etc. 52D Die Pyramide g = (27 . 2 . 11) wurde an 5 Kristallen beobachtet. Von den 4 oberen Begrenzungsflächen waren stets zwei gegenüber- liegende bedeutend größer ausgebildet und gaben im Goniometer deutliche, scharfe Spaltbilder. Die beiden andern bildeten nur schmale Streifen, ihre Spaltbilder waren weniger scharf. Die Messungen und Berechnungen stimmen jedoch gut miteinander überein. ^ Die Fläche d == ooP4 wurde fünfmal an 3 Kristallen beobachtet, cp dreimal an 1 Kristall. Beide sind sehr schmal wie alle Pris- men der brachydiagonalen Reihe. Sie bewirken, wenn sie gleich- zeitig auftreten, eine Rundung der Prismenkanten. Das Doma i = f Pöo (502) wurde nur einmal als Abstumpfung der vorderen Polkante der Pyramide r = (10 . 1 .4) § P IÖ beob- achtet. Die Fläche lieferte aber ein gutes Signal und die Über- einstimmung von Messung und Berechnung ist befriedigend. Die gewöhnliche Ausbildungsweise der Kristalle ist folgende : In der Prismenzone ist vorherrschend h = ooP2(210), untergeordnet treten eins oder mehrere der angegebenen Brachyprismen auf. Din Endigung bildet die Pyramide g — (27 .2.11) f|Py, die an ihrer Spitze durch die stets nur sehr klein ausgebildeten Flächen der Formen p = ( 1 1 1) P, s = (2 1 2) P 2 und y = 3 Poo abgestumpft wird. Mineralogisches Institut der Universität Münster i. W. 1916. Bemerkungen zur Nomenklatur der Gattung Scaphites Park. Von C. Diener (Wien). Daß viele unserer Ammonitengattungen polyphyletisch sind, ist eine seit langer Zeit bekannte Tatsache. Wiederholt ist der Ver- such gemacht worden, solche polyphyletisclie Gattungen in mono- phyletische Elemente aufzulösen, soweit dies die Natur des fossilen Materials gestattet. Einen derartigen Versuch hat J. Nowak 1 im Jahre 1911 für die Scaphiten der polnischen Kreide durch- geführt. In einer kürzlich erschienenen Arbeit 2 hat derselbe Forscher diesen Versuch auf die amerikanischen Scaphiten aus- gedehnt. Seine sorgfältigen Untersuchungen über die stratigraphische Verbreitung der einzelnen Gruppen von Scaphites haben zu inter- essanten Ergebnissen geführt. Dagegen kann ich mich mit der von Nowak vorgeschlagenen Benennung jener Gruppen keineswegs einverstanden erklären, da dieselbe mit den auf den internationalen 1 J. Nowak, Untersuchungen über die Cephalopoden der oberen Kreide in Polen. II. Die Scaphiten. Bull. Acad. d. Sciences, sör. B. p. 550. Cracovie, 1911. 2 J. Nowak, Zur Bedeutung von Scaphites für die Gliederung der Oberkreide. Verhandlg. k. k. geol. Reichsanst. Wien 1916. p. 55. 526 C. Diener, zoologischen und geologischen Kongressen festgestellten Regeln der wissenschaftlichen Nomenklatur nicht in Einklang zu bringen sind. Nowak ist auf Grund seiner Untersuchungen zu der Über- zeugung gelangt, daß in der Gattung Scaphites Parkinson in dem bisher üblichen Umfang drei Formenkreise von verschiedener Her- kunft vertreten seien, von denen die eine, wie schon Neumayr gezeigt hat, sich auf Holcostephanus, die zweite auf Acanthoceras, die •dritte auf Hoplites zurückführen läßt. Diese Abstammungsverhält- nisse werden in den drei neuen Namen Holcoscaphites , Acantho- ■ scaphites und Hoploscaphites zum Ausdruck gebracht. Für Nowak handelt es sich um die Aufstellung von drei neuen, voneinander unabhängigen Gattungen, wie das aus dem folgenden Satze seiner letzten Arbeit (1. c. p. 57) klar hervorgeht: „In mehreren der . . . Formenkreise sind Scaphitenformen vertreten, die wenigstens drei werschiedenen Gattungen ( Holco -, Acantho Hoploscaphites) an- gehören, deren Entwicklung voneinander unabhängig vor sich geht und deren gemeinsame Betrachtung, abgesehen von der konvergenten Form der Wohnkammer, keine weiteren Schlüsse erlaubt als die, welche dem ganzen Ammonitenstamme gemeinsam sind. Zu diesem Schluß muß jeder kommen, der mit der neueren Scaphitenliteratur in Berührung gekommen ist.“ Durch die Neubenennung der drei Abteilungen, in die Nowak das alte Genus Scaphites auflöst, wird der Name Scaphites über- haupt hinfällig. Diese Konsequenz des Vorschlages der Errichtung der drei neuen Genera Holcoscaphites , Acanthoscaphites und Hoplo- scaphites an Stelle des alten Genus Scaphites ist jedoch unvereinbar mit den für die zoologische (und demgemäß auch für die paläonto- logische) Nomenklatur geltenden Prioritätsregeln. Der Name Sca- phites muß einer der drei von Nowak unterschiedenen Abteilungen unbedingt erhalten bleiben. Man beachte als einen analogen Fall die Auflösung der ursprünglich zu weit gefaßten Gattung Ceratites in eine Reihe von selbständigen Gattungen und Untergattungen. Gleichwohl wird der Name Ceratites s. s. dem Ceratites noclosus und seinen nächsten Verwandten stets verbleiben müssen. Da sich der Name Scaphites , den Parkinson im Jahre 1811 aufgestellt hat, zunächst auf eine Spezies bezieht, die heute als S. aequalis Sow. bekannt ist, so haftet nach den allgemein als gültig anerkannten Nomenklaturregeln die Bezeichnung Scaphites an dieser Art und kann ihr unter keinen Umständen entzogen werden. Der Terminus Scaphites ist mithin, wenn man sich der von Nowak befürworteten Auflösung des Genus Scaphites s. 1. anschließt, auf jene Scaphiten zu beschränken, die sich um S. aequalis gruppieren, bezw. auf Holcoscaphites Nowak. Denn der Name Scaphites darf wohl in seinem Geltungsbereich eingeschränkt, nicht aber vollständig unter- drückt werden. Aber auch wenn man den Terminus Scaphites nur als einen den Bezeichnungen Holcoscaphites , Acanthoscaphites und Bemerkungen zur Nomenklatur der Gattung Scaphites Park. 527 Hoploscaphites übergeordneten Sammelnamen bestehen lassen wollte, so dürfte derselbe doch zum mindesten für Scaphites aequalis durch keinen anderen ersetzt werden. Es muß daher die Unterabteilung, in die S. aequalis fällt, stets den Namen Scaphites (ohne eine ein- schränkende Nebenbezeichnung) tragen, weil diese Art den bleiben- den Typus des Genus Scaphites darstellt, welche Fassung immer man diesem Genus zu geben für gut finden mag. Einer der drei neuen von Nowak vorgeschlagenen Namen ist daher im Sinne des unanfechtbaren Prioritätsrechtes durch den Namen Scaphites s. r. zu ersetzen. Von diesem Schicksal wird naturgemäß der Name jener Gruppe betroffen, welcher S. aequalis , der ursprüngliche und bleibende Typus der Gattung Scaphites , an- gehört. Nowak hat in seiner letzten Arbeit die Zugehörigkeit einer ganzen Eeihe von amerikanischen Formen, wie S. Nicolleti , S. Con- radi, S. mandanensis, S. abyssinus , S. Cheyennensis, zur europäischen Gruppe des S. constrictus-tenuistriatus nachgewiesen. Diese letztere Gruppe bildet für ihn den Typus der neuen Gattung Hoploscaphites. Für die amerikanischen Vertreter der genannten Gruppe aber exi- stiert bereits seit 1876 eine besondere subgenerische Bezeichnung, Discoscaphites, die Meek 1 speziell für die beiden Sektionen des Scaphites Conradi Mort, und S. Cheyennensis Owen eingeführt hat. Die Untergattung Discoscaphites in der Fassung Meek’s umfaßt alle von Nowak namhaft gemachten amerikanischen Repräsentanten der europäischen constrictus-tenuistriatus Gruppe. Daß Meek bei der Aufstellung von Discoscaphites von ganz anderen Gesichtspunkten ausgegangen ist als Nowak bei der Aufstellung des, wie sich nunmehr herausstellt, ganz gleichwertigen Genus Hoploscaphites , berechtigt durchaus nicht zu einer Verwerfung des älteren Namens. Daß die Abtrennung der Conradi- Cheyennensis- Gruppe von Scaphites s. s. berechtigt ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Dieser Nach- weis genügt für die Aufrechterhaltung des Namens Discoscaphites , mag man den Gründen, die Meek für die Errichtung seines neuen Subgenus angab, zustimmen oder nicht. Wenn Nowak diese Gründe ablehnen sollte — ich möchte ihm in diesem Punkte keineswegs widersprechen — , so ist es sein gutes Recht, die Bezeichnung Discoscaphites Meek mit dem Zusatz emend. Nowak zu versehen, aber eine Streichung des Namens Discoscaphites zugunsten des viel später aufgestellten Hoploscaphites ist nicht gestattet. Sobald die Übereinstimmung der amerikanischen Conradi- Cheyennensis- Gruppe mit der europäischen constrictus-tenuistriatus- Gruppe erwiesen er- scheint, muß vielmehr die jüngere Bezeichnung Hoploscaphites ver- 1 F. D. Meek, A report on the invertebrate cretaceous and tertiary fossils of the upper Missouri country. Hayden’s Report of the U. S. Geol. Surv. Territories. 9. Washington 1876. p. 415. 528 C. Diener, Bemerkungen zur Nomenklatur etc. schwinden und die ältere, nämlich Discoscaphites , auch auf die europäischen Formen Anwendung finden. Von den drei neuen Gattungsnamen, die Nowak vorschlägt, kann also nur der Name Acanthoscaplütes für die Formengruppe des Scaphites tridens-trinodosus in Kraft bleiben, da für diese keine ältere Bezeichnung vorliegt, die nach den Prioritätsregeln den Vorzug verdienen würde l. Dagegen ist der Name Holcoscaphites durch Scaphites s. s., der Name Hoploscapliites durch Discoscaphites zu ersetzen 2. Auch in der vollständigen Verwerfung des von Yabe3 vor- gesclilagenen Namens Yezoites für einige Scaphiten aus Japan und Oregon mit sehr hohen Internsätteln kann ich Nowak nicht ohne Vorbehalt beipflichten. Typische Formen von Yezoites wie Sca- phites plenus oder S. puercuhts zeigen Eigentümlichkeiten, die immer- hin zu einer Abtrennung von Scaphites s. s. berechtigen könnten. Die Tatsache, daß Yabe bei der Abtrennung seiner neuen Gattung oder Untergattung Yezoites ein ganz anderes Merkmal in den Vorder- grund gestellt hat als Nowtak bei der Auflösung des Genus Sca- phites s. 1., hat mit der Nomenklaturfrage nichts zu tun. Auch wenn Nowak’s Behauptung, daß hohe Jnternsättel bei phyletisch verschiedenen Gruppen Vorkommen können — was ja von vorn- herein nicht unwahrscheinlich ist — , durch Beobachtungen als zutreffend erwiesen wäre, so würde ein solcher Nachweis noch immer keinen hinreichenden Grund gegen die Bezeichnung einer bestimmten, durch hohe Internsättel gekennzeichneten Gruppe von Scaphites mit einem besonderen Namen (Yezoites) abgeben. Zum mindesten für Scaphites puerculus und S. plenus könnte meiner An- sicht nach Yezoites als subgenerische Bezeichnung auch weiterhin in Verwendung bleiben. 1 Auf die von Hyatt ohne jede Begründung aufgestellten Gattungs- namen Anascaphites und Jahnnites braucht selbstverständlich keine Bück- sicht genommen zu werden. 2 Obwohl ich weit davon entfernt bin, in der schrankenlosen An- wendung des Prioritätsprinzips ein Arcanum gegen alle nomenklatorischen Schwierigkeiten erblicken zu wollen, glaube ich doch, daß die Verwerfung einer älteren Bezeichnung, deren Typus bekannt und gut definiert worden ist, unter allen Umständen unzulässig erscheint. Gegen die Verwerfung des Namens Meekoceras durch Noetling hat sich mit Hecht allgemeiner Widerspruch erhoben. Auch die Einführung der beiden neuen Namen {Jyrtodelphis und Acrodelpliis durch Abel (Denkschr. kais. Akad. d. Wissensch. Wien. 68. 1900. p. 839) ist vom Prioritätsstandpunkt aus nicht zu rechtfertigen. Die von Gervais eingeführten Namen Cliampsodelphis und Schizodelphis mußten für die Typen dieser beiden Platanistiden- gattungen beibehalten werden, auch wenn sich die Aufrechterhaltung der beiden Genera im Sinne von Gervais als unmöglich erweisen sollte. 3 H. Yabe, Die Scaphiten aus der Oberkreide von Hokkaido. Beitr. zur Paläontologie und Geologie Österreich-Ungarns etc. 24. 1910. p. 162. R. Wedekind, Zur Systematik der Ammonoidea. 529 Zur Systematik der Ammonoidea. Von R. Wedekind. Mit 4 Textfiguren. In langjährigen Untersuchungen hat C. Diener sich mit Trias- ammoniten beschäftigt. Diese sicher mühevollen Arbeiten haben nicht zu einer auch nur orientierenden Übersicht der Triasammoniten, sondern zu einer einfachen alphabetischen Aufzählung derselben geführt1. Wenn auch immer wieder betont wird, daß die Untersuchungen, welche zu einem Verständnis der fossilen Cephalopoden führen sollen, sich auf alle vorhandenen Charaktere — man erlaube mil- der Kürze halber hier diesen Ausdruck — stützen müssen, so zeigt sich doch, daß das nie konsequent durchgeführt ist. Ich erwähne nur, daß fast ausnahmslos — auch von Diener — nur ein Teil der Lobenlinie, nämlich allein die äußere und diese wiederum nur im Alterszustande behandelt wird2. Die wesentlichen Cha- raktere, die für gewöhnlich betont werden, können vielleicht in der folgenden Weise zusammengefaßt werden: 1. Die Länge der Wohnkammer. 2. Die Skulptur und Form. 3. Die Entwicklung der Skulptur und Form. 4. Die Gestaltung der äußeren Lobenlinie. Daß die Länge der Wohnkammer systematisch nicht verwertbar ist, habe ich bereits früher gezeigt3. Ich schließe hier noch folgende Betrachtung an : Die marinen Gastropoden haben eben- 1 Triascephalopoden im Animalium fossilium Catalogus. Wenn Diener diese alphabetische Anordnung damit begründet, daß sie „ein schnelles Auffinden jedes einzelnen Namens wesentlich erleichtert“, so ist das meines Erachtens kein ausreichender Grund. Ein Index tut, wie Frech’s vortreff- licher Goniatitenkatalog zeigt, die gleichen Dienste. Frech’s Goniatiten- katalog ist außerdem noch in der systematischen Anordnung eine wissen- schaftliche Leistung. 2 Man sehe daraufhin z. B. die Abhandlungen Diener’s über Trias- ammoniten durch, die in den „Memoirs of the geological Survey of India“ erschienen sind. Auch Diener’s Abhandlung über Adventivloben enthält nur Bilder der äußeren Lobenlinie. Die Ontogenie der Lobenlinie wird dort zur Hauptsache nur im Anschluß an das von anderen Autoren Ge- leistete besprochen. 3 R. Wedekind, N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. I. p. 79. Ich füge noch hinzu, daß im Göttinger Museum u. a. von Stephanoceras Exemplare mit erhaltenem Mundrand vorhanden sind, bei denen die Länge der Wohn- kammer zwischen f und 1^ Umgang schwankt. Während der Drucklegung dieses Aufsatzes erschien eine Arbeit von Diener über die Wohnkammer- länge der Ammoniten (Sitzungsber. K. Akademie d. Wissensch.), in der Diener selbst die systematische Bedeutung der Wohnkammerlänge sehr einschränkt. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 34 530 R. Wedekind, falls eine Wolmkammer, die selten durch ein Septum, in der Regel durch eine sehr mannigfaltig gestaltete Ablagerung des Hypostra- kums geschlossen wird. Man kann sich selbst mit Hilfe einer kleinen Sammlung rezenter Gastropoden sehr leicht von der wesentlich verschiedenen Länge der Wolmkammer nahe verwandter Gastro- poden überzeugen. Hier fehlt es mir an Raum und Zeit, mein für die Lösung dieser Frage gesammeltes statistisches Material bereits jetzt zu veröffentlichen. Skulptur und Form habe ich immer ebenso wie Diener hin- reichend betont. Was aber die Entwicklung der Skulptur und Form angeht, so ist äußerste Vorsicht angebracht, namentlich dann, wenn es sich um sekundäre Skulpturen handelt. In der Regel wird auf Grund des biogenetischen Grundgesetzes folgender- maßen geschlossen: Die Skulptur und Form, die auf den Jugend- windungen eines Ammonoideen beobachtet wird, sind ehemals- Altersskulptur und Altersform ausgewachsener Exemplare, nämlich der Vorfahren, gewesen. Diener’s Arbeiten 1 zeigen immer wieder den Versuch, auf diese Weise den Zusammenhang der Ammoniten zu begreifen. Nun können aber, wie man jetzt weiß, die Larven und überhaupt die Jugendformen selbständig variieren, selbständig neue Charaktere hervorbringen, wenn man will, erwerben. Dem Zoologen ist diese Tatsache überhaupt nicht mehr fremd. Dadurch,, und zumal auch das wenigstens früher von Diener benutzte Kriterium der Wohnkammerlänge fortfällt, wird verständlich, wes- halb Diener’s Untersuchungen in systematischer Beziehung resul- tatlos auslaufen mußten. Wenn aber in einem Zweig der paläonto- logischen Wissenschaft ein Fortschritt stattfinden soll, so muß das- Gebiet immer wieder nach neu sich ergebenden Tatsachen zu- sammengefaßt werden. Ein Negieren in dieser Beziehung bedeutet den Rückschritt 2. Als nun kurz nach dem Erscheinen von Diener’s Katalog' und seiner Mitteilung darüber in diesem Centralblatt mein Aufsatz über Lobus usw. ebenda Heft 8 erschien, hat Diener bald darauf an der gleichen Stelle meine Ausführungen angegriffen , indem er mich gleichsam als Ketzer der Paläontologie brandmarkt* 1 z. B. C. Diener, Entwurf einer Systematik der Ceratitiden des Muschelkalkes. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien 1905. 2 Man wird heute nicht mehr behaupten können, Neümayr’s System der Foraminiferen sei ein natürliches. Wenn Rhumbler, als er seinerzeit die Fehler des NEUMAYR’schen Systems erkannte, einen negierenden Stand- punkt eingenommen hätte, so würde das in der Tat ein bedauernswerter Rückschritt gewesen sein. Ein System aufgeben, zur alphabetischen Auf- zählung übergehen, bedeutet, auf jede Übersicht verzichten. Das muß aber zur Stagnation führen. Selbstverständlich, ein ideales, natürliches System strebt man an. Der Weg zum natürlichen System führt aber über das Schema. Zur Systematik der Ammonoidea. 531 Diener hat ganz richtig erkannt, ich strebe etwas wesentlich Neues an. Statt nun in einer neuen Lehre eine Ergänzung der alten zu suchen, wird sie von vornherein in Bausch und Bogen abgelehnt. Abgelehnt, nicht widerlegt!1 Mein oben erwähnter Aufsatz bringt in voller Absicht nur in großen Zügen die Ideen, deren ausführliche Bearbeitung mich zurzeit beschäftigt. Es ist nun durch die Natur einer derartigen Mitteilung bedingt, daß man nicht gleich alle Spezialfälle bringt. Es läßt sich auch von vornherein erwarten, daß die weitere Aus- dehnung einer Idee auf das so umfangreiche Gesamtgebiet der Am- monoidea unbedingt vereinzelt auf Schwierigkeiten stoßen muß, die dann eben zu überwinden sind. Von allen Charakteren, die uns die Ammoniten bieten, ist der der Lobenlinie der bedeutungsvollste. Da ich die anderen Cha- raktere bei Gelegenheit früherer Darstellungen bereits gewürdigt hatte, sollte dieser Aufsatz eine besondere Darstellung der Loben- linie bringen. Daraus kann man aber nicht schließen, daß ich nun diesen Charakter ganz allein verwerte. Man müßte diesen Vor- wurf sonst auch Branca wegen seiner vorzüglichen Ammoniten- studie machen. Was außerdem das Berücksichtigen aller Charaktere angeht, so liegt der Sinn dieses Postulates nicht darin, daß sämt- liche Charaktere aufgezählt werden, sondern darin, daß man unter- sucht, wie sich die verschiedenen Charaktere bei verschiedenen Formen verhalten. Das Resultat ist dann, daß man angibt, in welchem Charakter zwei Formen, Gattungen etc. sich tatsächlich unterscheiden. Greifen wir zunächst den wesentlichen Punkt meiner Dar- stellung heraus. Es wird ganz allgemein zwischen Lobus und Inzision unterschieden. In keiner der zahlreichen Arbeiten über Ammonoideen ist bisher der Unterschied zwischen beiden formuliert. In seiner Arbeit über Adventivloben sind Diener in dieser Be- ziehung, in der Verwechslung von Loben und Inzision, die größten Irrtümer unterlaufen, die er selbst heute nicht mehr ganz aufrecht zu halten scheint. Vergeblich habe ich immer wieder Diener’s Arbeit über Adventivloben studiert, um das Kriterium zu finden, auf Grund dessen Diener Lobus und Inzision unterscheidet. Die Begründung ist immer wieder : das ist ein Lobus, das ist eine Inzision. Die Zacken, die im Außensattel von Episageceras und MecUicottia auftreten, werden von ihm als Adventivloben 2 bezeichnet, 1 Die Ablehnung wird durchaus verständlich, wenn man daran denkt, daß Diener wissenschaftlich konservativ ist, wie er das 1905 selbst aus- gesprochen hat: „Ich muß mich als Anhänger eines gewissen Konserva- tismus in der paläontologischen Systematik bekennen.“ 2 Vergl. Diener : Ammoniten mit Adventivloben p. 7. — p. 27 ebenda werden diese Sattelinzisionen bei der Besprechung von Episageceras als „Adventivkerben oder rudimentäre (!) Adventivloben“ bezeichnet. In diesem 34* 532 R Wedekind, neuerdings nennt er sie nur Kerben und ganz unnötigerweise noch Adventivkerben. Nun entsprechen in ihrer Entstehung diese „Adventivloben“ von Medlicottia ganz den Inzisionen, die am Innensattel von Perisphinctes rotundatus Roem. vorhanden sind. Ich füge hier erläuternde Abbildungen ein (Fig. 1 u. 2). Fig. 1 b. Fig. 2 b. Fig. 1. Entstehung der Inzisionen am Innensattel von Perisphinctes rotundatus Roemer. Museum Göttingen. Fig. 2. Entstehung der Inzisionen am Außensattel von Medlicottia Orbignyana Vern. Nach Karpinsky. Die Inzisionen im Außensattel von Medlicottia usw. bezeichnet Diener als Adventivloben, Adventivkerben. Unsere Abbildung zeigt, daß sie voll- Itommen den Inzisionen am Innensattel der Perisphincten entsprechen. Homologe Elemente sind mit gleichen Indizes bezeichnet. Die Konsequenz dieser DiENER’schen Betrachtungsweise wäre, daß wir alle Inzisionen als Loben bezeichnen. Sind doch Diener’s Adventivloben von Episageceras kaum an Größe verschieden von den Inzisionen (auch nach Diener’s Inzisionen) an den Lateral- sätteln von Ussuria usw. Beide, Loben und Inzision, stellen Rückbiegungen der Loben- linie dar. Es ist zweifellos nicht der Unterschied in der Größe, der Lobus und Inzision kennzeichnet, denn die mittlere manchmal Uentralblatt (p. 376) spricht Diener nur noch von „Adventivkerben“, indem er diese verwirrende Bezeichnung durch den Sprachgebrauch begründet. Zur Systematik der Ammonoidea. 533 recht tiefe Rückbiegung im Sattel von Hoplites, Stephanoceras usw. wird allgemein als Inzision, zuweilen auch als lobenähnliche In- zision bezeichnet. Wenn Lobus und Inzision grade angelegt sind, dann können sie an Größe und Aussehen gleich sein. Wie aber auch zwei scheinbar gleiche Eier verschieden sind, indem aus dem einen ein Huhn, aus dem anderen eine Ente wird, so sind auch die Anlagen von Inzision und Lobus nur scheinbar gleich. Um hier zu einer Unterscheidung zu kommen, habe ich den Unter- schied zum ersten Male in der folgenden Weise formuliert: „Der wesentliche Charakter der Inzision beruht darin, daß sie als Ein- kerbungen in Loben und Sätteln auftreten, und zwar so, daß die der Symmetrieebene zunächst gelegenen Lobenelemente 1 zuerst allein durch Inzisionen zerschlitzt werden und erst darauf und regelmäßig nacheinander die nabelwärts folgenden Lobenelemente“ 2. Bereits bei Prodromites Smith u. Well, soll dieses Kriterium nicht ausreichen, da der Außenlobus erst später als die Seiten- loben zerschlitzt werden. Man erkennt nun sehr deutlich, auch bei den Vertretern dieser Gattung, daß die der Symmetrieebene (den Loben E und I) zunächst gelegenen Lobenelemente zuerst zerschlitzt werden, während die nabelwärts gelegenen Loben zu- nächst glatt bleiben. Daß allerdings der Außenlobus sogar in der Regel aus dieser Gesetzmäßigkeit herausfällt, ist eine auch mir schon längst bekannte Tatsache, die nichts gegen die Richtigkeit meiner Ausführungen beweist. Ich habe das in meinem Aufsatz nicht besonders erwähnt, weil ich es für selbstverständlich gehalten habe 3. Wer nur ein paar Untersuchungen dieser Art wirklich durchführt, der wird dieses Verhalten des Außenlobus sofort er- kennen. Er wird sich andererseits aber sofort auch von der Richtigkeit meiner Anschauungen überzeugen müssen. 1 Hier ist die Klammer mit E und I fortgelassen. Die Aufnahme dieses Ausdruckes, die aus theoretischen Gründen erfolgt war, ist deshalb ungeschickt, weil er allen denjenigen, die sich nicht an den Sinn eines Gesetzes, sondern an dessen Wortlaut halten, einen Angriffspunkt bietet. Man beachte dazu die nachfolgenden Ausführungen. 2 Wenn man davon ausgeht, daß die Zacken im Lobus von Cera- tites, Pronorites etc. echte Inzisionen sind, so läßt sich der Nachweis erbringen, daß die /^-Zacken den echten Lobeninzisionen homolog sind. Dietz hat nun weiterhin bereits gezeigt, daß die ^-Inzision unmittelbar aus der /5-Inzision hervorgeht, also eine echte Inzision ist. Auf Grund dieser Tatsache habe ich die erwähnte diagnostische Regel abgeleitet, deren Bedeutung das Beispiel von Hopl. ingens v. Koenen schlagend zeigt. 3 Diener konnte den wahren Sinn der Definition aus der Abbildung (Fig. 4), die ich meiner Arbeit zugefügt habe, bereits erkennen ; denn, wie diese Abbildung zeigt, tritt die Inzision im Außensattel und primären Laterallobus früher auf als im Außenlobus. Mir sind übrigens eine Reihe weiterer Hemmungen im Auftreten der Inzisionen bekannt. Das Kriterium bleibt aber dabei, wie ich später zeigen werde, bestehen. 534 R. Wedekind, Ich bemerke weiter, daß ich monopolare und bipolare Zer- schlitzung unterschieden habe. Bei der monopolaren geht die Zer- schlitzung von den Loben allein, also nur von einem Punkt aus, bei der bipolaren von zwei Polen, nämlich einmal vom Sattel und dann vom Lobus. Das, was vor allen Dingen die bipolare Zer- schlitzung auszeichnet, besteht in dem Auftreten eines besonderen Pols im Sattel. Man wird daher in solchen Fällen, in denen die Zerschlitzung des Lobus ganz obsolet wird, die des Sattels aber vorhanden bleibt, sofort wissen, daß es sich um Formen handelt, die zu den durch bipolare Zerschlitzung ausgezeichneten Ammonoidea gehören K Der Einwand, den C. Diener mit Hilfe von Neolobites usw. erhebt , fällt damit ganz von selbst fort. Wenn Diener weiterhin behauptet, man müsse nach meiner Definition die cre- tacischen Ammoniten mit sekundär ganz unzerschlitzter Lobenlinie zu den Palaeoammonoidea (Goniatiten) stellen, so hat er den Sinn meiner Ausführung nicht verstanden. Darüber mich mit Diener in eine Diskussion einzulassen, bin ich deshalb nicht in der Lage, zumal die modernen Arbeiten zeigen, daß ein Teil der Kreide- ammoniten mit regressiver Lobenlinie die bipolare Zerschlitzung anlegt oder im Alter noch deutliche Spuren derselben zeigt. Ein Fall der besser bekannten Juraammoniten, der von mir nachgeprüft werden konnte, sei hier zur Demonstrierung eingefügt. Ammonites sternale d’Orb. hat im Alter prionide Loben und fein zerschlitzte Sättel. Da aber die Anlage der Lobenlinie bipolar, und zwar triaenid-tripartit (a-, ^-Inzision) ist, wissen wir, und nur daraus allein, daß er zu den echten Ammoniten (Neoammonoidea) gehört. Rückgebildete Formen fallen fast immer — auch in der rezenten Tierwelt — aus den für die normal entwickelten Formen auf- gestellten Diagnosen heraus. Nun liegt das Wesen der bipolaren Zerschlitzung noch in einem andern Punkt. Die Zerschlitzung des Sattels ist von der der Loben unabhängig geworden. Das oben wiedergegebene Gesetz für die Unterscheidung von Lobus und Inzision gilt für den Sattel und für den Lobus, und zwar für jeden besonders. Bei Hoplitoides ingens v. Koenen tritt die Zerschlitzung zuerst im primären Lateral- lobus auf; das ist das Lobenelement, das von den Seitenloben der Symmetrieebene zunächst liegt. Darauf werden erst die übrigen nabelwärts folgenden Loben zerschlitzt. Es liegt bipolare Zer- schlitzung vor, infolgedessen werden die Sättel besonders zer- schlitzt und wiederum beginnt die Zerschlitzung mit dem Außen- sattel und greift dann auf die nabelwärts folgenden Sättel über. Die nabelwärts folgenden Sättel der Lobenlinie Fig. 3 b zeigen ganz deutlich die Entstehung dieser Inzisionen des Außensattels. 1 Der Außensattel von Neolobites ist durch die Inzision g gespalten, nicht durch einen Adventivlobus. Zur Systematik der Ammonoidea. 535 Entsprechend meinem Gesetz von der Entstehung' der Inzisionen sind die nabelwärts gelegenen Sättel noch schwach zerschlitzt. Sie zeigen zum Teil nur die erste mittlere Inzision /u. Diese ist auch im Außensattel vorhanden. Da dieser aber zunächst der Symmetrieebene liegt, sind noch weitere Inzisionen hinzugetreten, von denen je eine seitlich der mittleren Inzision /n liegt. In der gleichen Weise entstehen die Lobeninzisionen. Fig. 3. Lobenlinie von Hoplitoides ingens v. Koenen. Nach Solger. 1903. Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. Mit Ausnahme des Außenlobus nimmt die Zerschlitzung von der Symmetrie- ebene nach dem Nabel entsprechend dem Gesetz von der Unterscheidung von Lobus und Inzision ab. Die Inzisionen des Außensattels und 1. Lateral- lobus werden von Diener als „Adventivloben“ bezeichnet, obwohl sie den Inzisionen der übrigen Sättel homolog sind (Ammoniten mit Adventivloben). Die einander entsprechenden Sattelinzisionen sind mit gleichen Buchstaben bezeichnet. Wenn man vom Außenlobus absieht, so erkennt man, daß •die geforderten Bedingungen für die Unterscheidung von Lobus und Inzision bei Hoplitoides ingens durchaus erfüllt sind. Nun deutet Diener (Ammoniten mit Adventivloben p. 8 ff . ; dies. Centralbl. p. 378) die Inzisionen im Außensattel und primären Laterallobus {= l. Seitenlobus) als Adventivloben. Dieser Sattel und Lobus «oll in Adventivloben zerfallen. Nun habe ich aber oben gezeigt, daß die Inzisionen im Außensattel von Hoplitoides ingens v. Koenen •den Inzisionen der nabelwärts folgenden Sättel durchaus homolog Sind. Das gleiche ist auch bei Placenticeras pacißcum Smith 1 der Fall. P. Smith’s Fig. 5 auf Tafel XXVII zeigt die ganz normale Anlage der Sattelinzision f.i im Außensattel und die Fig. 10 auf der gleichen Tafel dieselbe Inzision in den nabelwärts folgenden Sätteln. Sie erhält im weiteren Verlaufe der Entwicklung eine asymmetrische Lage. Die Loben werden deutlich triaenid angelegt. 1 P. Smith: Development and Phylogeny of Placenticeras 1900 San Francisco. 536 R. Wedekind, Verfolgt man die einzelnen Entwicklungsstadien, so bereitet es keine Schwierigkeit , die Elemente der Alterslobenlinie auf die zuerst angelegten Elemente zurückzuführen. Nun wird z. B. aus der Zacke (.l des Außensattels nach Diener ein Adventivlobus, wenn sie nur hinreichend lang wird. „Adventivloben“ dieser Art sind aber, wie Diener jetzt ebenfalls zugibt, „nichts anderes als ursprüngliche Inzisionen“ (dies. Centralbl. 1916, p. 378). Man muß nun fragen, weshalb gerade die Inzisionen im Außensattel und primären Laterallobus und wiederum nur bei den Kreideammoniten anders bezeichnet werden sollen als die ihnen homologen Elemente der nabelwärts folgenden Sättel und Loben. Daß die Inzision /u bei Perisphinctes, Hoplites usw. von Siemiradzki und Uhlig als Adventivloben bezeichnet werden, mißfällt Diener sehr: „Ich billige einen solchen Vorgang keineswegs“ (dies. Centralbl. 1916, p. 376). Andererseits betrachtet Diener einige Zeilen vorher diese mittlere Inzision /u von Stephanoceras usw. als „rudimentäre Adventivloben“ ! Es wird also dasselbe Element auf derselben Seite als ursprüngliche Inzision und als ursprünglicher Lobus (rudimentärer Adventivlobus !) bezeichnet. Ausführungen dieser Art über „Adventivloben“ sind wenig geeignet, meine Untersuchungen zu widerlegen. Die Abnormitäten, die in der Nähe der Naht bei Aspidites Muthianus und Hedenstroemia Muthiana u. a. auftreten, bilden einen Fall für sich. Hier (Fig. 4), wo es ihm gerade paßt, deutet Fig. 4. Lobenlinie von Hedenstroemia Muthiana Krafft. (Nach Diener und v. Krafft.) Die Lobenlinie ist im allgemeinen normal. Nach der Naht zu zeigen zwei Lobenelemente, die mit einem Pfeil bezeichnet sind, abnormes Verhalten, auf das sich Diener bezieht. Die geringe Bedeutung dieser Abnormität ergibt sich aus der Abbildung von selbst. Sie soll beweisen , daß die Zer- schlitzung nicht an die Symmetrieebene als Ausgangspunkt gebunden ist. er die in unserer Figur durch einen Pfeil markierte auffällige Rückbiegung der Lobenlinie als Inzision. Die Natur dieser Rück- biegung ist noch durchaus unklar und beweist daher nichts. Es steht auch noch nicht mit Sicherheit fest, ob sie überhaupt richtig beobachtet ist. Ich kann sie lediglich als eine relativ seltene mir auch von Jura- und Kreideammoniten bekannte Mißbildung bezeichnen. Zur Systematik der Ammonoidea. 537 Ich habe am Schluß meines Aufsatzes in ganz skizzenhafter Weise ein System der Ammonoidea angedeutet. Daß ich nur die groben Züge zunächst überhaupt skizzieren wollte, ergibt sich aus der Darstellung von selbst. C. Diener verwendet auch diesen Umstand wiederum mit großem Geschick. Die Clymenien z. B. habe ich mit voller Absicht in der Übersicht nicht erwähnt, weil mich dieser Gegenstand zu Erörterungen geführt haben würde, die einen größeren Raum einnehmen müssen, da sie die Wiedergabe zahlreicher Dünnschliffe fordern. C. Diener ist nun der Ansicht, daß ich die Clymenien auf die eigentlichen Goniatiten verteile und äußert sich in folgender Weise: „Es ist beachtenswert, daß Wede- kind für die Clymeniidae, die am besten in sich geschlossene und von allen anderen Ammoniten am schärfsten getrennte Gruppe, nicht einmal eine besondere Unterabteilung im Rahmen seiner Palaeoammonoidea errichtet hat. Zu einer solchen Verkennung der natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse führt die einseitige Bevorzugung eines einzelnen Merkmals wie die Zerschlitzung der Suturlinie. “ C. Diener müßte, falls er sich genügend orientiert hätte, aus meiner Monographie der Clymenien und aus meinem Referat über die Arbeit Sobolew’s bekannt sein, daß das nicht der Fall ist, daß ich vielmehr Sobolew’s Anschauung heftig bekämpft und die Clymenien zu einer besonderen Unterordnung der Cly- meniacea zusammengefaßt habe. In dieser und ähnlicher Weise hat Diener weiterhin die Kürze meiner Arbeit ausgenutzt, um mich mit Selbstverständlichkeiten zu widerlegen. Ich habe keine Neigung, auf alle Einzelheiten dieser Art einzugehen. Ein besonderes Interesse verdient der auch von C. Diener erwähnte Fall von Medlicottia. Zu meinen Mesoammonoidea ge- hören auch eine Reihe von Formen, die gleichsam durch pseudo- spontane Variation in der Ausbildung des Außensattels den gleich- altrigen Mesoammonoidea vorausgeeilt sind (Fig. 2). Die Loben von Medlicottia sind bekanntlich dikranid, die Sättel mit Ausnahme des Außensattels nicht zerschlitzt. Insofern ist die Lobenlinie monopolar. Nun gehört Medlicottia zu den Formen, die den Be- ginn der Zerschlitzung überhaupt erst zeigen. Der Außensattel nimmt dabei in ganz auffallender Weise einen Charakter an, der erst bei weit jüngeren Ammoniten wiederkehrt. Von Wichtigkeit ist es aber, daß es sich hier um ein Element handelt, das genau wie gefordert der Symmetrieebene zunächst gelegen ist. Es ist absolut nicht schwierig, die endgültige Definition der Mesoam- monoidea in einfacher Weise so zu erweitern, daß sie alle diese Formen mit einschließt, andere ausschließt, ohne daß die Über- sichtlichkeit und Einfachheit des Systems darunter leidet. Insgesamt hat Diener meine Ausführungen m. E. keineswegs widerlegt. Unbeirrt um Angriffe dieser Art werde ich meinen Weg 538 Besprechungen. weit ergehen. Er wird, wie ich schon jetzt übersehen kann, einen Fortschritt und keinen Rückschritt bedeuten, zum mindesten wird •er eine Klärung grundlegender Begriffe unserer Wissenschaft her- beiführen. Ungern habe ich bereits diese Klarstellung geschrieben. Eine weitere Polemik mit Diener, auch wenn noch andere An- griffe von seiner Seite folgen sollten, lehne ich prinzipiell ab. Ich werde sie, falls sie erfolgen sollte, bei Gelegenheit einer ausführ- lichen Darstellung mit geeignetem Tatsachenmaterial behandeln. Besprechungen. F. Frech: Mineral vor kommen Anatoliens. Glück- auf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift 1915. Heft 16 — 19. 51. Jahrgang. Mit Karte. Eingeleitet durch eine Übersicht der Erdgeschichte und des Gebirgsbaus (A). (Schluß.) Die östlichen öder pontischen Erzvorkommen. Das ausgedehnte Gebiet der pontischen Masseneruptionen ist nach Kossmat durch zahlreiche Lagerstätten sulfidischer Erze aus- gezeichnet, die in älterer Zeit Gegenstand eines lebhaften Abbaues gewesen sind. Auch heute noch bieten einige Bezirke günstige Aussichten. Sulfidische Lagerstätten. 1. Echte Erzgänge mit silberhaltigem Bleiglanz , Kupfer- kies, Zinkblende und Schwefelkies ; als Gangart ist Quarz weitaus vorherrschend, Baryt nicht allgemein verbreitet. Bezeichnende Beispiele sind das Ganggebiet von Fol-Maden, südwestlich von Trapezunt, mit sieben gut ausgesprochenen Haupt- gängen, ferner Yakadjak, südlich von Ordu, mit zahlreichen, aber nicht auf längere Erstreckung festgestellten Gangausbissen, endlich nach meinen Untersuchungen die nähere Umgebung im Westen und die weitere im Osten von Kerasunt (Seraidjik-Osmanie). Ähnlich ist nach Angaben Kossmat’s der Charakter zahl- reicher, bereits im Wilajet Siwas gelegener Lagerstätten des Hinter- landes von Kerasunt; hierher gehören Sis-Orta am Oberlauf des Aksu und die zahlreichen Gänge der Umgebung von Karahissar (Lidjessi, Subach, Cattralan). 2. Sulfidische Imprägnationslager in vulkanischen Tuffen. Beispiele sind die kupferkiesführenden Pyritlager von Esseli, Sade-Kure, Ak-Köi. Sie enthalten mitunter konkretionäre, dichte Gemische von Bleiglanz, Zinkblende und Kupferkies und führen Gold in geringem Maße. Besprechungen. 539 3. Sulfidische Kontaktlagerstätten treten in einigen von Eruptivgesteinen umschlossenen und veränderten cretaceischen Kalkschollen auf. Beispiele sind die Kupferlagerstätten von Kara- burk und Tschödjen-Maden bei Esseli. 4. Schmale, wenig anhaltende Adern von Cuprit, Chrysokoll und gediegenem Kupfer in Klüften des Andesits am Usun-dere, südlich von Hajar-Kale, sind wahrscheinlich durch Tagewasser aus örtlichen Kupfererzimprägnationen ausgelaugt und konzentriert, 5. Unregelmässige Schnüre und Schmitzen von oxydischen Manganerzen (meist P3rrolusit) haben keine praktische Bedeutung. Bei Samsun konnte Ref. beobachten, daß in den gewaltigen alten Schuttkegeln und Terrassen der Umgebung Eruptivgerölle von basischer Zusammensetzung durchaus vorwiegen. Die Küsten- fahrt zeigte in der Nähe von Samsun dann wiederum zwischen Kap Jason und Kerasunt fast ausschließlich dunkle Eruptivgesteine ; das gleiche ist auch von Trapezunt bekannt. Einen mittelbaren Hinweis auf das Vorkommen basischer Eruptivmassen bildet die Verbreitung der leicht erkennbaren, aber wenig mächtigen Magnet- eisensande an der Meeresküste, die durch die Wellenwirkung aus den basischen Eruptivgesteinen ausgewaschen werden. Im Hinterland westlich von Kerasunt im Tal des Balikli- dere-su liegt ein von mir beobachtetes reiches gangartiges Vor- kommen von silberhaltigem Bleiglanz, Blende und Pyrit. Deckenförmige, saure Eruptivgesteine (Dacit und Quarz- trachyt) bilden das Grundgerüst, in dem die von Nordnordwest nach Südsüdost streichenden Gänge aufsetzen. Der Abstand von der nächsten geschützten Meeresbucht, dem Erik-Liman, beträgt in der Luftlinie nur 4 — 5 km. Das Tal des Balikli-dere-su (des Fischflusses), in dem das Erzvorkommen liegt, ist gleichbedeutend mit dem Boz-Teke-su der KiEPERT’schen Karte. Die Kupferkies-, Bleiglanz- und Zinkblendegänge von Seraidjik-Osmanie bei Ordu, Wilajet Trapezunt, wurden unterhalb von Seraidjik-Osmanie im Altertum abgebaut. Der Suleimangang (^ Stunde unterhalb von Seraidjik-Osmanie in 450 m Höhe) streicht N 60° W und fällt unter 63 — 70° nach Südsüdwest ein. Der Gang enthält 16 cm reines Erz. Die bei Kerasunt und Ordu gesammelten Erze enthalten nach der in Breslau ausgeführten Analyse Kupfer, Blei und Silber in bauwürdiger Menge. Nichterze verschiedener Art. Anatolien enthält einige zur Gruppe der Nichterze gehörende, in der Welt einzig dastehende Vorkommen, vor allem Meer- schaum, Schmirgel und Calciumborat (Pandermit); ferner einen erst in der Aufschließung begriffenen Opalfund bei Simav in der weiteren Umgebung von Kutahia. 540 Besprechungen. Schmirgel. Das Vorkommen von Schmirgel in der ana- tolischen Türkei ist seit langem bekannt. Zu dem Schmirgel von Naxos sind neuerdings die Funde im Wilajet Smyrna getreten. Die Fundstätten sind Tire, Baltipik, Assisie, Cosbunar, Kulluk, Söke, Aladjaly und Hassan-Tscliauschler, ferner der Gümüsch-Dagh in den Kreisen (Kazas) Sokia und Inkabad und endlich die Inseln Nikaria und Chios. Von den zahlreichen Lagerstätten wird dem Bedarf entsprechend nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl berg- männisch ausgebeutet. Man unterscheidet nach der Reinheit drei Sorten, von denen die zweite die „qualite en general“ ist. Bei jeder Sorte werden wieder grobes und feines Korn, rote und graue Farbe der Ober- fläche, große und kleine Stücke unterschieden. Der Korundgehalt beträgt zwischen 40 und 57% und ist nur bei dem Vorkommen von Kulluk geringer (3 7 °/o). Der Preis schwankt zwischen 6 und 8,5 Ji ab Smyrna. Der jährlich von dort und von Kulluk aus versandte Schmirgel hat etwa 1,3 Mill. Mark Gesamtwert. Die Ausbeute beträgt etwa 17 000 — 20 000 t im Jahr. Meerschaum. Der Meerschaum im Wilajet Brussa, ein Begleiter der Serpentine, ist wie sein Muttergestein wasserhaltige kieselsaure Magnesia, nur reicher an Kieselsäure als jenes. Während Chromit und Magnesit, die verbreiteten Begleiter des Serpentins, im anstehenden Gestein Vorkommen, erscheint der Meerschaum nur im Serpentinkonglomerat, d. h. eingebacken in Schwemmgebilde, die den Fuß der Serpentinhöhen umgeben. Der Meerschaum ist wahrscheinlich aus dem Magnesit, d. h. aus kohlensaurer Magnesia hervorgegangen. Die Umsetzung des kohlensäurehaltigen Minerals in ein kieselsaures läßt sich durch das Empordringen kieselsäure- haltiger Wasser erklären. Die Lagerungsverhältnisse weisen auf diese Art der Entstehung hin. Auch die Magnesitdurchtränkung des Serpentins beruht auf dem früheren Empordringen mineral- haltiger Wasser. Die Gruben bei Eskiscliehir (Sepedji, Kemikli und Sarisu- Odjak) reichen bis zu verschiedener Tiefe, da sich die meerschaum- führende Schicht, ein mildes, tuffartiges, graues bis rötlichbraunes Konglomerat, in geneigter Lage befindet. Die Lagerstätte geht in der Nähe des Pursakflusses bis zu 71 m hinab; gegen die Berge zu verringert sich jedoch die Tiefe und die Schicht keilt sich all- mählich aus. In Sepedji messen die tiefsten Schächte nur etwa 60 m. Der ausschließlich nach Wien gehende Meerschaum hat, dem Wechsel der Mode entsprechend, stark an Bedeutung verloren. Von 1901 — 1903 ist die Ausfuhr fast auf die Hälfte (von 6200 auf 3200 Kisten) gesunken. Pandermit. Der Pandermit ist ein Calciumtetraborat und nahe verwandt mit Natriumtetraborat (Borax). Er hat seinen Namen Besprechungen. 541 von dem Hafenort Panderma am Marmarameer erhalten; jedoch liegt die bekannteste Lagerstätte im Tertiär bei Sultantschair am Susurlu-su, 70 km östlich von der Küste und 30 km nordöstlich von Balikesri. Der blendendweiße Pandermit kommt in Stücken von Nadelkopfgröße bis zu Blöcken von einer halben Tonne Ge- wicht in einem bis 35 m mächtigen tertiären Tongipslager vor. Lager von Walderde Seifenstein Marmor Lithographischem Schiefer und Schwefel sind vorhanden, zurzeit aber ohne weitere Bedeutung. Steinsalz. Die während der trockenen Jahreszeit dauernd vor sich gehende Bildung des Steinsalzes in den abflußlosen Seen des inneren Anatoliens, in dem Tus-Tschöllü und anderen Salz- pfannen, beruht auf dem Salzreichtum der weitverbreiteten jung- tertiären roten Sandsteine. Der alte Name des Halys (= Salzach) deutet, wie bereits Strabo in der Beschreibung des Salzlagers von Ximene bemerkt, auf das Salzvorkommen hin. Für die Salz Versorgung Kleinasiens waren früher, d. h. vom Altertum bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, die Steinsalzgruben des Halysgebietes von Wichtigkeit, während neuerdings die be- quemere Gewinnung des Salzes in den gewaltigen natürlichen Salz- pfannen der Binnenseen immer wichtiger wird. Kochsalz wird end- lich im Wilajet Aleppo auf den Salinen von Giabul (oder Gabbula) aus reichhaltiger Sole des Salzsees Es-Sabsha hergestellt. Erdöl. Über das von alterslier bekannte Vorkommen von Erdöl in Mesopotamien haben mehrfach neuere Untersuchungen stattgefunden; über ihre Ergebnisse sind jedoch bisher nur Zei- tungsberichte in die Öffentlichkeit gelangt. Zahlreiche Petroleumquellen entspringen aus geringer Tiefe oder oberflächlich in der kontinentalen Tertiärformation in der Nähe der persischen Grenze, unweit von Mendeli und Tuz-Char- mati, bei Tekrit und Kerkuk am Tigris, ferner bei Nasrieh und Hit am Euphrat; alle lassen erkennen, daß nordöstlich von Bagdad am Tigris und ferner am untern Euphrat im Bereich des alten Babylons umfangreiche Petroleumgebiete liegen. Die mesopota- mischen Ölfelder sind geologisch ein Teil des südpersischen Fal- tungssystems. Untersuchungen des Öls bei Mendeli haben ergeben, daß es fast die gleiche chemische Zusammensetzung besitzt wie das Öl von Baku. Die Ölfelder, die in Frage kommen, gehören mit Aus- nahme des von Tuz Charmati der türkischen Zivilliste und finden sich in den Wilajets Mossul (Tigris) und Bagdad. Im Wilajet Mossul liegen die Öllager von Äbjak, Baba-Gurgur nördlich von Kerkuk, Gajara am Tigris, Guil nördlich von Tschemtschemol, 542 Besprechungen. Nimrud, Kifri, Tuz-Charmati und Zahru am Flusse Chabur. Im Wilajet Bagdad liegen die Vorkommen von Hit am untern Euphrat, Ramadi, Najata und Mendeli. Am wichtigsten sind die Ölfelder von Gajara, Guil, Tuz-Charmati, Zahru, Hit, Ramadi und Mendeli. Hiervon sind wieder die Felder von Mendeli am reichsten. Wenn man bedenkt, daß sich das Petroleumgebiet über 400 km aus- dehnt, und daß das Öl in Quantitäten zur Oberfläche kommt, die bisher in der Geschichte der Petroleumgeologie unbekannt waren, so ist man zu der Annahme berechtigt, daß diese Petroleum- gebiejte zu den reichsten der Welt gehören. — Die einzige Schwierigkeit für die Aufschließung des Gebietes ist die des Trans- portes. Die Bagdadbahn wird das Ölfeld in Gajara in seiner ganzen Länge durchschneiden und in absehbarer Zeit in der Nähe von Mendeli in Betrieb sein. Ferner werden die geplanten Seiten- linien nach Tuz-Charmati, Chanikin und Kasri-Schirin Ölfelder an- schneiden. Man wird sich auf diesen Strecken des Öls als Feue- rungsmaterial anstatt der teuren Kohlen bedienen. Braunkohle. Jungtertiäre Braunkohle findet sich in Ana- tolien an vielen Stellen und gewinnt dort, wo mächtige, schwefel- kiesfreie Flöze auftreten, schon wegen des Holzmangels im Hoch- land mehr als örtliche Bedeutung. Ihre Verteuerung in Verbin- dung mit Erdöl oder Masut hat bei Versuchen auf Lokomotiven der anatolischen Bahn zu günstigen Ergebnissen geführt. Im Wilajet Brussa sind als wesentlichere Fundorte das Dorf Küre, zwischen den Stationen Eskischehir und Biledschik der ana- tolischen Bahn, sowie Manjilik zu nennen. Südwestlich von der Station Tschai der anatolischen Eisenbahn, südöstlich von Afium- Karahissar, liegt ein 2 m starkes Flöz mit guter, harter Kohle, deren Heizwert etwa zwei Drittel von dem der Steinkohle be- trägt. Im Wilajet Smyrna steht Braunkohle 3 km nordwestlich von Soma, der Mittelstation der Eisenbahn Smyrna — Panderma — Soma, an, und zwar in 5 — 10 m Mächtigkeit und milder, aber sonst guter Beschaffenheit. Auf der Yarik-Kayagrube stand eine Brikettfabrik in Betrieb. Auch bei Sokia, 80 km südlich von Smyrna, ist ein Flöz auf größere Erstreckung nachgewiesen worden. In der Provinz Erzerum findet sich Kohle bei Karaklian und Hortuk, 35 — 40 englische Meilen nordwestlich von Erzerum, und wird mit Hilfe von Stollen abgebaut. Die Kohle ist im Aus- gehenden stark sandig. In der Provinz Beirut bei Tyre, ferner bei Safed, steht Braunkohle in geringer Menge und Beschaffenheit an. Die im allgemeinen nur 25 — 40 cm mächtigen, höchstens auf 1,2 m an- schwellenden Flöze gehören zu dem Sandstein der untern Kreide. Die Ausdehnung der Vorkommen ist recht bedeutend; jedoch ist nach Blanckenhorn zurzeit nur eine Braunkohlengrube bei Haitara Besprechungen. 543 in der Nähe von Djezzin in Betrieb. Das Flöz ist nach dem genannten Forscher gut und die Ausbeutung nur durch die schwierige Beförderungsmöglichkeit beeinträchtigt. Steinkohlen. Das Kohlenbecken von Heraklea — Songuldak. Die allgemeine Entwicklung dieses Vorkommens stimmt in allen wesentlichen Zügen mit den Becken von Waldenburg und von der Saar, d. h. mit der der großen, rein limnisch ausgebildeten Ge- birgssenken Mitteleuropas überein. Die Flöze stimmen an Zahl (etwa 20) und in der durchschnittlich 1 — 2 m betragenden Mächtig- keit mit denen von Waldenburg überein ; allerdings ist eine Höchst- mächtigkeit von 8 m, wie sie das Flöz Tscliai — Damar auf weist,, in Niederschlesien und an der Saar niemals beobachtet worden. Auch die Zusammensetzung der Steinkohle, sowie die räum- liche Ausdehnung der den 200 km langen Küstensaum zwischen Heraklea (Bender — Eregli) und Amasra zusammensetzenden Kohlen- bildungen sind ähnlich wie in Saarbrücken oder Waldenburg. Eine Abweichung zeigt nur das aus mariner Unterkreide bestehende- Deckgebirge, das zwischen dem Randbruch der Küste und der Steinkohlenformation infolge einer staffelförmigen Ausbildung des- Bruchsystems erhalten geblieben ist. Der Hauptabbau findet zurzeit bei Songuldak und dem un- mittelbar angrenzenden Koslu statt. Im Bereich des aus einem Hauptsattel und einem kleinen südlichen Nebensattel bestehenden Kohlenbezirks von Koslu sind rund 16| m Steinkohle aufgeschlossen . Bei Songuldak finden sich vom Hangenden zum Liegenden rund 28 Flöze mit einer Gesamtmächtigkeit von fast 40 m Steinkohle in 700 m Gebirge. Zusammenfassung. Von den nutzbaren Mineralien Anatoliens sind einige, wie- Meerschaum und Pandermit, ausschließlich kleinasiatisch, anderer wie Cliromit und Schmirgel, gehören zu den technisch wichtigsten Vorkommen dieser Art. Die Mannigfaltigkeit der Erze, Kohlen und Nichterze ist ent- sprechend dem abwechslungsreichen geologischen Aufbau sehr groß. Den einzelnen Eruptivgesteinen und Sedimenten ent- stammen folgende Vorkommen: 1. Schmirgel, Zinnober und einige gangförmige Erzvorkommen (Bleiglanz, Blende usw.) dem Urgebirge. 2. Chromit, Manganerze und das Verwitterungsprodukt Meer- schaum dem Serpentin bzw. dem Gabbro als Ursprungsgestein. 3. Die große Mehrzahl der gangförmigen und Kontakt-Erz- lagerstätten den miocänen Eruptivdecken des Nordostens. 4. Dolinenerz (Roteisenstein) den Oberkreidekalken des Amanos. 544 Besprechungen. 5. Phosphate und Asphalt (vergl. Nr. 6) der Oberkreide Palä- stinas und Syriens. 6. Erdöl dem Tertiär Mesopotamiens sowie, vornehmlich in verdickter Form als Asphalt, der Kreide Palästinas. 7. Braunkohle dem Tertiär (sie ist in Anatolien verbreitet, aber trotz verschiedenartiger Altersstellung nur z. T. bauwürdig; das gleiche gilt für die Kreidekohle Syriens). 8. Steinkohle dem Obercarbon (sie zeigt eine kontinentale, der Waldenburger und Saarbrücker Ausbildung nahestehende Entwick- lung und tritt flözreich bei Heraklea (Eregli), Koslu und Songuldak am Schwarzen Meer auf). 9. Steinsalz entstammt den ursprünglichen Lagern des roten, obermiocänen Sandsteins und vornehmlich den abflußlosen Salz- pfannen von Inner-Anatolien und bei Aleppo. Die bergwirtschaftliche Wiederbelebung Anatoliens hängt in ■erster Linie von der Ausgestaltung der jetzt noch fehlenden Ver- kehrswege ab. Heute kommen für die Ausbeutung fast nur die an den Verladeplätzen der Meeresküste oder an den wenigen Eisen- bahnlinien liegenden Mineralvorkommen in Betracht. Seltene Aus- nahmen bilden reiche Erzgruben , wie Balia-Maden (mit silber- haltigem Bleiglanz und Zinkblende), deren Abbau trotz der Un- gunst der Lage gedeiht. Frech. G-. Linck: Fortschritte der Mineralogie, Kristallo- graphie und Petrographie, herausgegeben von der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft. 5. 1916. Jena bei Gustav Fischet*. 324 p. mit 4 3 Abbildungen im Text. Der in diesem Kriegsjahr erschienene neue Band der „Fort- schritte“ bietet durch seinen Inhalt ein ganz besonderes Interesse. Wir finden darin die folgenden Abschnitte: 1. Mitteilung des Vorstandes an die Mitglieder der Deutschen Mineralogischen Gesell- schaft. 2. R. Brauns: Bericht über die Tätigkeit des Deutschen Ausschusses für mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht in den Jahren 1913 und 1914 (p. 1 — 16). 3. A. Johnson: Kristall- struktur (p. 17 — 130 mit 38 Figuren). 4. Paul Niggli: Neuere Mineralsynthesen (p. 131 — 172 mit 3 Figuren). 5. 0. H. Erdmanns- dörffer: Über Einschlüsse und Resorptionsvorgänge in Eruptiv- gesteinen (p. 173 — 209). 6. F. Becke: Fortschritte auf dem Gebiet 4er Metamorphose (p. 210 — 264). 7. Friedrich Berwerth : Fort- schritte in der Meteoritenkunde (p. 265 — 292). Karl Schulz: Die Koeffizienten der thermischen Ausdehnung der Mineralien und Gesteine und der künstlich hergestellten Stoffe von entsprechender Zusammensetzung. Max Bauer. F. Rinne, Einfache Demonstration der Reflexkegel etc. 545 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Einfache Demonstration der Reflexkegel beim Laue- sowie Debye- Scherrer-Effekt mittels gewöhnlichen Lichtes. Von F. Rinne in Leipzig. Mit 9 Textfiguren. I. Die LAUE-FRiEDRiCH-KNippiNG’sche Entdeckung des Beugungs- effektes von Röntgenlicht durch Kristallplatten , die von den X-Strahlen durchsetzt werden , hat experimentell und rechnerisch durch Einführung der BRAGG’schen fundamentalen Gleichung n l = 2 d sin a 1 ein ungemein nützliches Moment erfahren : der schwierige Fall der Beugung ist auf den einfachen Fall einer sorungweisen Reflexion zurückgeführt, die jeweils eintritt, wenn der obigen Gleichung Genüge geschieht. Jeder Punkt eines Laue- diagramms , etwa der Fig. 1 , ist in dieser Auffassung der Ein- stich eines reflektierten Strahls, der an einem inneren, kristallo- nomisch wichtigen Ebenensatz gespiegelt ist. Die einer früheren Mitteilung des Verf.’s2 entnommene Fig. 2 macht das anschaulich. Sj Sj = Primärstrahl, der die photographische Platte PP in senkrecht durchsticht. Zz eine zur Zeichenebene der Fig. 2 zu- nächst senkrecht gedachte Strukturfläche des Kristalls K. Der St •ahl Sj K wird unter dem Spiegelungswinkel a als S2 reflektiert und auf PP in s2 aufgefangen. Beim Drehen der reflektierenden Ebene um die Zonenlinie Kz beschreibt S2 um Kz einen Kreiskegel. Auf ihm liegen also K s1 und S2 in gleichem Winkelabstande von Kz. Auf PP schneidet dieser Kreiskegel in einer entsprechenden Ellipse ein ; sie ist im Lauediagramm das Merkmal der Reflexe von tauto- zonalen Flächen mit Zz als Zonenachse. In Wirklichkeit baut sich aber die Zonenfolge aus einzelnen Flächen auf; der elliptische Zonenbogen setzt sich dementsprechend aus diskreten Punkten zusammen. Im Unterricht ist es von Interesse, diese fundamentale Re- flexion mittels gewöhnlichen Lichtes zu demonstrieren. Dazu kann schicklich die kleine Einrichtung der Fig. 5 dienen. Sie besteht aus einem Fuß, ferner der Triebvorrichtung T, einer Tragstange, die um eine horizontale Achse zu drehen und mit einer Flügel- schraube festzustellen ist. Am Ende der Stange ist ein zwischen 1 mit n = 1, 2, 3 . . . ; X — Wellenlänge des angewendeten Röntgen- lichtes ; d = Abstand der betreffenden reflektierenden Atomtafeln ; « = Spiege- lungswinkel der Reflexion = Komplement des Einfallswinkels. 2 F. Rinne, Beiträge zur Kenntnis der Kristall-Röntgenogramme. 1. Mitt. Ber. Sächs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Kl. 1915. p. 303. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 35 546 F. Rinne, Einfache Demonstration der Reflexkegel Glasschutzscheibchen eingeschlossener Silberspiegel S befestigt. Die Zahnradvorrichtung Z gestattet, den Spiegel von Hand schnell zu drehen. Der Strahl einer Projektionslampe fällt an einer durch- lochten Stelle des Silberbelages auf S, geht durch S hindurch und Fig. 1. Beispiel eines Lauediagramms. Anhydrit nach {100}. Aufnahme von F. Rinne. wird gleichzeitig gespiegelt, da seine Auffallstelle größer als das Loch gehalten wird. Eine matte Glastafel (oder sonstige Pro- jektionsfläche) ersetzt PP der Fig. 2. Man erkennt auf dem Be- obachtungsfelde beim Stillstand von Z die einzelnen Reflexe und bei Betätigung der Zahnräder die kennzeichnende, durch s1 und s2 gehende Zonenkurve. beim Laue- sowie Debye-Scherrer-Effekt etc. 547 Die schöne Mannigfaltigkeit der Lauediagramme, etwa der Fig. 3, kommt bekanntermaßen dadurch zustande, daß eine ganze Reihe von Zonen zur Wirksamkeit gelangen. Ihre verschiedenen Neigungen a zum Primärstrahle geben Veranlassung zu einer Ver- änderung der Schnittform zwischen PP und den Beugungskegeln. Ist die Neigung der Zonenachse zum Primärstrahl = 0°, so liegen alle Reflexe dieser dem Primärstrahl parallelen Flächen in sr Bei Winkeln a bis zu 45° erscheinen im Diagramm als Zonenkurven Ellipsen (Fig. 2). Ist a = 45°, die Öffnung des Beugungskegels also ein rechter Winkel, so drückt sich der Zonenverband durch eine Parabel aus; bei Zonenkegeln mit a>45° stellen sich Hy- perbeln ein, und ist schließlich a, — 90°, d. h. die Zonenachse senkrecht zum Primärstrahl gelegen, so ist im Lauediagramm eine Gerade das Zonensinnbild. Entsprechende Zonenkurven einschließ- lich der Geraden sind in Fig. 1 und 3 zu erkennen; es ist auch deutlich ersichtlich, daß sie alle durch s1 , den mittleren Einstich des Primärstrahls, gehen. Der oben in Rede gestellte charakteristische Wechsel der Zonenbogen im Lauediagramm läßt sich mit dem Apparat der Fig. 5 nacheinander recht lehrhaft wiedergeben. Es ist nur nötig, der Zonenachse, d. h. der Drehachse des kleinen Instrumentariums, jeweils die gewünschte Neigung zu erteilen, so daß a nacheinander = 45° bezw. 90° wird. 35* 548 F. Rinne, Einfache Demonstration der Reflexkegel Eine weitere Demonstration ist leicht anzuschließen; sie betrifft die Gestalt der Zonenbogen, falls die auffangende Fläche nicht senk- recht zum Primärstrahl, sondern geneigt oder parallel zu ihm verläuft. Fig. 3. Beispiel eines Lauediagramms mit sehr deutlichen Zonenkurven. Anhydrit nach {001}. Aufnahme von F. Rinne. Auf einer Kugel als auffangender Fläche der Fig. 2 würden natürlich stets Kreiskegelschnitte sich bekunden. Ebene Projektionsflächen geben je nach ihrer Lage veränderte Schnitte. Dabei interessieren vor allem die Kurven auf Platten, die parallel zum Primärstrahl durch den Beugungskegel geschoben werden. Es lassen sich die Verhält- nisse je nach Art des speziellen Falles leicht' zurechtlegen und mittels des Drehapparates demonstrieren. Fig. 6 bezieht sich auf einen tetragonalen Kristall. Sie bedarf keiner besonderen Erläuterung. beim Laue- sowie Debye-Scherrer-Effekt etc. 549 II. Beim Verfahren von P. Debye und P. Scherrer handelt es sich um die Benutzung eines sehr feinen Kristallpulvers an Stelle von jeweils lediglich einer orientierten Kristallplatte bei der Laue- FmEDRiCH-KNippiNG’schen und der BRAGG’sclien Methode. Wie be- kannt und oben schon erörtert ist (Fig. 2), spiegelt eine solche Platte einen auf sie fallenden Röntgen-Primärstrahl S, nach S2, wenn die Bedingung n/, = 2dsina erfüllt ist. Beim Verfahren Fig. 4. Beispiel eines Lauediagramms mit verwickelteren Zonenkurven. Anhydrit nach {010}. Aufnahme von F. Rinne. nach den Bragg’s und auch nach Debye-Scherreii benutzt man monochromatisches Röntgenlicht; l ist also festgelegt. Betrachte man nun einen Flächensatz bestimmter Art, der natürlich in allen Körnchen des Kristallpulvers enthalten ist. Sein d ist von der Orientierung zum Primärstrahl unabhängig. Jedem der Reihe nach einzusetzenden Werte von n = 1, 2, 3 . . . in der Gleichung n l = 2 d sin a entspricht also ein genau definiertes a. Praktisch wird n höchstens = 6 , in der Regel ist beim Debye- Scherrer- 550 F. Rinne, Einfache Demonstration der Reflexkegel Versuch n — 1, 2, 3, d. h. es gibt bei ihm nur drei Neigungswinkel a, unter denen eine Fläche jeweils reflektiert. Diese drei Neigungswinkel sind natürlich rund um den Primärstrahl anzutragen. Wenn nun auch der Ebenensatz (wie es beim feinen Kristallpulver ja der Fall ist) in allen möglichen Orientierungen zum Primärstrahl vorkommt, so ent- stehen an ihm reflektierte Strahlen doch nur, wenn er mit dem Primärstrahl die drei speziellen Neigungswinkel ein- schließt. Die gespiegelten Strahlen müssen in ihrer Gesamtheit also die Mäntel dreier Kreiskegel mit gemein- samer Spitze und dem Primärstrahl als Achse bilden. Natürlich sind in jedem Körnchen des Kristallpulvers außer dem eben be- trachteten Flächensatz noch beliebig viele andere vorhanden. Für jeden neuen sind neue Kreiskegel abzuleiten , die mit den vorigen Achse und Spitze gemeinsam haben. Die Art des Experi- Fig. 6. Auffangen der Zonenbogen des Laueeffektes auf Platten senkrecht und parallel zum Primärstrahl. Tetragonaler Kristall. Fig. 5. Apparat zur Demon- stration des Laueeffektes mittels gewöhnl. Lichtes. beim Laue- sowie Debye- Scherrer-Effekt etc. 551 mentes 1 bringt es glücklicherweise mit sich , daß sich nur eine beschränkte Anzahl von Flächensätzen im Reflexbilde bemerkbar machen. Eine auffangende ebene Fläche, auf welcher der Primärstrahl senkrecht einsticht, zeigt somit um den Mittelpunkt herum Reflex- Fig. 7. Zusammengehörige (von einem Flächensatz in drei «-Lagen ge- spiegelte) Reflexkegel. Fig. 8. Auffangen der Reflexkegel des Debye-Scherrer-Effekts auf einem zylindrischen Film. (Nach Figuren von Debye und Scherrer.) kreise entsprechend den Halos atmosphärischer Erscheinungen. Debye und Scherrer fangen diese Kegel auf einem Zylinder auf, in dessen Achse auf mittlerer Höhe das monochromatisch zu durch- leuchtende Kristallpulver sich befindet. Demzufolge gibt es eine räumliche Kegelschnittkurve, entsprechend Fig. 8. 1 Anwendung monochromatischen Lichtes; Wahrnehmung lediglich der intensivsten Reflexe ; beschränkte Anzahl genügend mit Atomen be- setzter Flächensätze. 552 F. Rinne, Einfache Demonstration der Reflexkegel etc. Diese fundamentalen Verhältnisse finden durch den kleinen Apparat der Fig. 9 ihre einfache unterrichtliche Erläuterung mittels gewöhnlichen Lichtes. Als Träger dient ein Dreifuß mit Trieb. Der Primärstrahl fällt wagerecht durch ein zylindrisches Rohr, an dessen linkem Ende eine große Blendenscheibe überschüssiges Licht abhält. Der Lichtstrahl gelangt durch das Loch eines Ansatz- stückes auf einen Spiegel Sa, von dem er reflektiert wird. Läßt man Sa mittels Z um R rotieren, so erhält man einen Lichtkegel um R als Achse wie beim Debye-Scherrerversuch. Man fängt ihn Fig. 9. Apparat zur Demonstration des Debye-Scherrer-Effektes mittels gewöhnlichen Lichtes. auf einer matten Glastafel oder sonstigen Projektionswand in be- liebiger Stellung der Projektionsfläche auf, bei ihrer Lage senk- recht R also als Kreis. Dient Sa somit als Reflexionsebene mit bestimmtem Winkel a zwischen sich und dem Primärstrahl , so kann man durch Ver- änderung der Lage von Sa anders geöffnete Reflexionskegel demon- strieren. Weiterhin ist es bei gleichzeitiger Benützung von zwei oder noch mehr Spiegeln (Sa und Sb in Fig. 9) möglich, mit einem Male mehrere Reflexionskegel, wie beim Debye-Scherrer-Versuch mit gemeinsamer Achse, zu zeigen. Der Primärstrahl fällt stets durch eine seinem Auftreffen entsprecheude randliche Lochöffnung an der einen kurzen Seite der Spiegel hindurch. Man erblickt also immer den Primärfleck konzentrisch umgeben von den Kreisen, C. Diener, Einiges über Terminologie etc. 553 falls die auffangende Fläche senkrecht zum durchleuchtenden Licht- strahl gestellt ist. Jeder Mechaniker fertigt natürlich die einfachen Apparaturen leicht nach den hier gegebenen Zeichnungen an. Eine etwa dem Drei- bis Vierfachen der Figuren entsprechende Größe erscheint passend. Institut für Mineral, u. Petrogr. d. Universität Leipzig. Einiges über Terminologie und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. Von C. Diener in Wien. Mit 12 Textfiguren. Die heute übliche Terminologie der Lobenelemente in der Ammonitensutur, wie sie aus unseren Handbüchern der Paläonto- logie entnommen werden kann, geht auf die Arbeiten von L. v. Buch und A. d’Orbigny zurück. L. v. Buch 1 hat die Bezeichnungen „Loben“ und „Sättel“ in die Literatur eingeführt, die Trennung zwischen Hauptloben und Auxiliär- oder Hilfsloben in Vorschlag gebracht und darauf hingewiesen, daß die Grenze zwischen den lateralen Hauptloben und Hilfsloben durch die Lage der Projektions- spirale des vorhergehenden Umganges bestimmt sei. Er hat zu- gleich die Anwesenheit von sechs Hauptloben — unpaariger Extern- und Internlobus, zwei paarige Seitenloben — bei allen jenen Am- moniten festgestellt, die wir nach dem heutigen Sprachgebrauch als solche mit vollzähligen Loben, beziehungsweise mit normaler Lobenstellung bezeichnen. A. d’Orbigny hat L. v. Buch’s Termino- logie insbesondere durch die Abtrennung der lateroventralen oder internen Suturelemente von den extern gelegenen Auxiliären ver- vollständigt. L. v. Buch unterschied in der Richtung von der Externseite zur Internseite des Gehäuses die folgenden Suturelemente: Dorsal- lobus (gelegentlich durch einen Sekundärsattel geteilt), Dorsalsattel, Oberer Laterallobus, Lateralsattel, Unterer Laterallobus, Ventral- sattel, Auxiliarloben und Auxiliarsättel, Ventrallobus. A. d’Orbigny 1 2 bezeichnete L. v. Buch’s „Ventralsattel“ als ersten Auxiliarsattel, 1 Insbesondere in den folgenden Arbeiten : Note sur les Ammonites. Annales sei. nat. XVIII. 1829, p. 267—276. — Sur la distribution des Ammonites en familles. Ibidem. XVIII. 1829, p. 417 — 483. — Über Am- moniten, ihre Sonderung in Familien, über die Arten, welche in den älteren Gebirgsschichten Vorkommen, und über Goniatiten insbesondere. Zwei Vorträge in der Akad. d. Wissensch. Berlin. 1832. — Über Ceratiten. Abhandl. kgl. Akad. d. Wissensch. Berlin, 1848. 2 A. d’Orbigny, Palöontol. frang. I. Terr. cret. 1840, insbes. p. 103. 554 C. Diener, Einiges über Terminologie indem er die Grenze zwischen Haupt- und Auxiliarelementen in den unteren oder zweiten Laterallobus verlegte, und führte für die internen oder ventralen Lateralelemente eine vom internen Ventrallobus beginnende, gesonderte Zählung ein. In ihren Grundlinien ist die von L. v. Buch und A. d’Orbigny begründete Terminologie der Lobenelemente in der Ammonitensutur aufrecht erhalten geblieben , wenngleich sie in ihren Einzel- heiten Erweiterungen und Veränderungen erfahren hat. Forscher, die im Gegensatz zu den beiden genannten die Externseite der Ammoniten als Bauchseite, nicht als Rückenseite des Tieres be- trachteten , änderten dementsprechend auch die Bezeichnung der betreifenden Loben (Fischer). Die dadurch hervorgerufene Un- sicherheit der Termini „Dorsal- und Ventrallobus“ gab zu der Bevor- zugung neutraler Ausdrücke wie Externlobus, Externsattel 1 und Internlobus Veranlassung. Auch die Ausdrücke „Siphonallobus, Siphonalsattel, Antisiphonallobus“ erfreuten sich von seiten mancher Autoren (Hyatt, Wright) einer gewissen Beliebtheit. Sie erscheinen jedoch insoferne minder glücklich gewählt, als sie einerseits auf die intrasiphonaten Clymenien nicht passen, andererseits der Ter- minus „Siphonalsattel“ als Ersatz für L. v. Buch’s „Dorsalsattel“ mit der älteren Bezeichnung „Siphonalsattel“ für den jetzt ziemlich allgemein „Mediansattel“ genannten Sekundärsattel des Externlobus in Widerspruch geriet2. Es hat sich ferner in den meisten Arbeiten über Ammoniten die Bezeichnung „Zweiter Lateralsattel“ an Stelle des ersten Auxiliarsattels d’Orbigny’s (L. v. Buch’s Ventralsattel) durchgesetzt. Erweitert wurde die Terminologie der Suturlinie insbesondere durch die Einführung der Bezeichnungen „Adventiv- loben“ für überzählige Lobenelemente in der Region zwischen der Externseite und dem ersten Lateralsattel (E. v Mojsisovics) und „Nahtlobus“ oder „Umbilikallobus“ für das im Septalumschlag liegende Suturelement (Steinmann, Waagen). Ich glaubte, diese einleitenden Erörterungen nicht umgehen zu können, selbst auf die Gefahr des Vorwurfes hin, allgemein bekannte Tatsachen zu wiederholen , über die man sich aus den meisten Handbüchern der Paläontologie zu belehren vermag. Aber ich hielt es für notwendig, dem Leser die Überzeugung beizubringen, daß wir eine wohlbegründete und berechtigten Anforderungen an Exaktheit entsprechende Einteilung und Terminologie der Loben- elemente in der Ammonitensutur besitzen. Die Scheidung von Hauptloben und Hilfsloben nach der von L. v. Buch vorgeschlagenen 1 A. H. Foord (Carboniferous Cephalopoda of Ireland. Palaeontograph. Soc. London. 1903. p. 218) nennt den Externsattel und Externlobus „Peri- pheral Saddle“, beziehungsweise „Peripheral Lobe“. 2 Vergl. F. v. Hauer, Cephalopoden des Salzkammergutes etc. Wien 1846. p. 2, 9, 13. — Auch P. Fischer , Manuel de Conchyliologie. 1887. I. p. 369. und Entwicklung der Lolbenelemente in der Ammonitensutur. 555 Methode hat ebenso wie jene zwischen externen und internen Loben im Sinne A. d’Orbigny’s nicht nur das Recht der historischen Priorität für sich. Die Hauptloben erscheinen, wenn auch nicht gleichzeitig, doch früher als die Auxiliär- und Adventivelemente. Die Grenze zwischen Lateral- und Hilfsloben scheidet zwei funk- tionell verschiedene Abschnitte eines Ammonitengehäuses. Wie J. v. Pia1 betont, spaltet sich an jener Stelle das weiter außen einheitliche Gewölbe des Septums in zwei Gewölbe, die nun beider- seits des inneren Umganges bis zur Naht herunterziehen. In der Regel sind die zu beiden Seiten jener Grenze gelegenen Abschnitte der Suturlinie ziemlich verschieden gebaut. Die Trennung der einander gegenüberstehenden externen und internen Auxiliarloben — dieser von K. v. Zittel eingeführte Terminus dürfte jenem d’Orbigny’s vorzuziehen sein — ergibt sich aus ihrer verschiedenen Position zum Gehäuse, desgleichen die Bedeutung des Umbilikal- lobus oder -satteis, der mit dem Septalumschlag zusammenfällt und so die Grenze zwischen den externen und internen Auxiliären bezeichnet. Zu einer durchgreifenden Reform der Einteilung und Termino- logie der Suturelemente auf ontogenetischer Basis, wie sie zuerst von F. Noetling (1904/06) in Vorschlag gebracht worden ist, seither insbesondere von R. Wedekind vertreten wird, scheint mir die Zeit noch nicht gekommen zu sein. Ich werde vielmehr zu zeigen versuchen, daß die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen über die ontogenetisclie Entwicklung der Ammonitensuturen keines- wegs so eindeutiger und befriedigender Art sind, daß sie zu einer Ersetzung der bisher üblichen durch eine neue, ausschließlich dem genetischen Moment Rechnung tragende Terminologie auffordern würden. Das für unsere Kenntnis der ontogenetischen Entwicklung der Ammonitensutur grundlegende Werk sind bekanntlich Branca’s „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der fossilen Cephalopoden“ (Palaeontograpliica. XVII. 1879. p. 15-40; XVIII. 1880. p. 12-81). Eine neue Richtung wurde durch die beiden Arbeiten F. Noet- ling’s: „Untersuchungen über den Bau der Lobenlinie von Pseudo- sageceras multilobatum “ (Palaeontographica. LI. 1905. p. 155 — 260) und „Die Entwicklung von Indoceras balucliistancnse. Ein Beitrag zur Ontogenie der Ammoniten“ (Koken’s Geol. u. Paläontol. Ab- handl. XII. [VIII. N. F.] 1906) inauguriert. Die von Noetling vorgeschlagene neue Terminologie der Suturelemente gründet sich auf die folgenden Erfahrungen. Kon- stant bleibt von allen Elementen der ersten Sutur, d. i. derjenigen, mit welcher die Embryonalkammer (Branca, Protoconch Hyatt) 1 J. v. Pia, Untersuchungen über die Gattung Oxynoticeras. Abhandl. k. k. Geol Reichsanst. Wien. XXIII/1. 1914. p. 121. 556 C. Diener, Einiges über Terminologie an die erste Luftkammer angrenzt, nur der primäre Laterallobus. Alle übrigen Suturelemente entstehen entweder aus dem primären Externsattel oder Internsattel. Damit entfällt die Notwendigkeit einer Trennung von Lateralsätteln, externen und internen Auxiliar- elementen, die ausnahmslos aus dem gleichen Primärelement, einem Internsattel, hervorgegangen sind. Eine abgesonderte Gruppe von Suturelementen bilden dagegen jene Loben und Sättel, deren Ur- sprung in dem primären Externsattel liegt. Will man die Anord- nung der Suturelemente in einer Formel ausdrücken, in der die Loben init großen, die Sättel mit kleinen Buchstaben bezeichnet sind, so müssen alle Elemente außerhalb des primären Lateral- lobus L die Signatur E und e, jene innerhalb des Laterallobus die Bezeichnung I und i mit einem entsprechenden Ordnungsindex tragen, der den Zeitpunkt ihres ersten Auftretens fixiert. E. Wedekind 1 hat Noetling’s Terminologie der Lobenelemente als die unter allen ihm bekannten exakteste gerühmt, da nur homo- loge Loben die gleiche Bezeichnung erhalten. Ich will von dem naheliegenden Einwand absehen , daß einer so komplizierten Ter- minologie der Loben und Sättel, die sich ausschließlich auf Ord- nungsindizes gründet, in der Praxis fast unüberwindliche Schwierig- keiten erwachsen, indem man nur ausnahmsweise bei einem sehr gut erhaltenen und reichen Material in der Lage sein dürfte, von ihr Gebrauch zu machen. Ebensowenig soll hier auf die Einseitig- keit einer Bezeichnungsweise eingegangen werden, die in dem Zusammenwerfen aller Suturelemente vom Laterallobus bis zum medianen Internlobus das genetische Moment allein berücksichtigt. Es wird jedoch , wie sogleich gezeigt werden soll, durch Noet- ling’s Verfahren nicht einmal das von ihm und Wedekind an- gestrebte Ziel erreicht, Suturelemente auf Grund der gleichen Be- zeichnung sofort als homolog zu erkennen. Schon A. Knapp1 2 hat es als eine Inkonsequenz von seiten Noetling’s gerügt, daß er dem in der zweiten Sutur aus einer Spaltung des primären Externsattels ex hervorgegangenen Extern- lobus E2 den Ordnungsindex 2 auch nach dem Auftreten des Mediansattels m beließ. Durch das Auftreten des Mediansattels m3 in der vierten Sutur des Indoceras baluchistanense zerfällt der ur- sprüngliche Externlobus E2 genau so gut in zwei neue getrennte Loben E3 und E3 , wie der primäre Externsattel e durch das Auftreten des Externlobus E2 in der zweiten Sutur in die beiden selbständigen Sättel e2 und e2, die zu beiden Seiten der Median- ebene symmetrisch angelegt erscheinen. 1 E. Wedekind , Die Goniatitenkalke des unteren Oberdevons von Martenberg und Adorf. Sitzungsber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin. 1913. p. 38. 2 A. Knapp, Über die Entwicklung von Oxynoticeras oxynotum Quenst. Koken’s Geol. u. Paläontol. Abhand. XII. (N. F. VIII.) 1908. p. 5. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 557 Diese Inkonsequenz gellt noch weiter. Wenn in unserer — fast möchte man sagen : leider — überreichen Ammonitenliteratur von paarigen und unpaarigen Loben die Rede ist, so wird nur zu häufig die Tatsache übersehen, daß nur der ungeteilte Externlobus paläozoischer Ammoniten den Charakter eines unpaarigen Elementes trägt , daß dagegen die Ausbildung eines Mediansattels ihn zu einem paarigen Element umgestaltet, indem jeder Flügel des ur- sprünglichen Externlobus durch die Teilung zu einem dem Lateral- lobus gleichwertigen , selbständigen Suturelement wird. Es ist daher notwendig, bei einem Ammoniten mit individualisiertem Mediansattel den Charakter des durch ihn geteilten, ursprünglich unpaarigen Lobus als eines nunmehr paarigen Suturstückes auch in der Terminologie der Suturlinie zum Ausdruck zu bringen und nur einen der beiden Flügel des ursprünglichen Lobus weiterhin als Externlobus zu bezeichnen. Wir sprechen ja auch von zwei getrennten Externsätteln von dem Augenblick an, da sie aus einer Teilung des primären Externsattels durch einen Externlobus zur Entwicklung gelangen. Es ist daher nur konsequent, auch von zwei Externloben zu reden, sobald die Teilung des ursprünglich unpaarigen Externlobus E2 durch einen Mediansattel erfolgt ist. Die Entwicklung eines dem externen Mediansattel entsprechenden Gegensattels im Internlobus erreicht niemals eine auch nur an- nähernd ähnliche Bedeutung, so daß der interne Mediansattel als ein selbständiges Suturelement wohl überhaupt außer Betracht bleiben kann. In einer Formel, in der die einzelnen Suturelemente der durch die Symmetrieebene begrenzten Schalenhälfte in ihrer Reihenfolge, jedoch der Übersichtlichkeit halber durch -(--Zeichen getrennt, in der Richtung vom Externteil zur Internseite nebeneinander geschrieben werden, muß daher das jeweilige unpaarige Suturstiick in Gestalt eines Bruches mit dem Nenner 2 erscheinen , weil es durch die Symmetrieebene halbiert wird. Die Formeln für die ersten Suturen des Indoceras baluchistanense Noetl. lauten demgemäß in der richtig- gestellten Fassung: I. Sutur: II. „ iv. „ jE3, der definitive Externlobus, umfaßt nur die Hälfte des primären Externlobus E2, weil der letztere infolge der Teilung durch den Mediansattel in ein paariges Suturelement umgewandelt wird. Noetling’s Terminologie, die nur die Signaturen m, E, e , L, i und I kennt, beruht auf der Voraussetzung, daß, analog den Ver- hältnissen bei Indoceras , alle Loben und Sättel zwischen dem 558 C. Diener, Einiges über Terminologie primären Laterallobus und dem Internlobus aus Spaltungen des primären Internsattels hervorgehen. Sie versagt jedoch vollständig bei einer großen Zahl von Ammoniten mit angustisellater Anfangs- kammer und liefert auch bei einigen latisellaten Ammoniten min- destens nur überaus unsichere Ergebnisse. Zunächst sollen einige .Fälle der letzteren Art betrachtet werden. Wenn man die Entwicklung der Suturlinie des Celtites Buchii Klipst. ( Trachyceras Klipsteinianum Lbe ) bei Branca (1. c. Palae- ontogr. XXVI. Taf. V, Fig. I) verfolgt, so sieht man, daß der in der zweiten Sutur auf den Laterallobus folgende Sattel bereits vollständig außerhalb der Naht liegt und sich an jener Stelle be- findet, die in der Primärsutur von dem Laterallobus selbst ein- genommen wurde. Dieser Sattel scheint sonach viel eher aus einer Aufwölbung im Grunde des Laterallobus als aus einer Teilung des außerordentlich flach gespannten Internsattels hervorgegangen zu sein. Noch besser wäre es vielleicht, um Mißverständnisse zu ver- meiden, die aus der Einführung von Zeitwörtern der Betätigung in diese Beschreibung entspringen könnten, zu sagen: Der auf den Externsattel nabelwärts folgende Sattel in der zweiten Sutur nimmt die Position des Lobengrundes im primären Laterallobus, nicht jene der äußeren Hälfte des Sattelkopfes im primären Internsattel ein. So faßt auch Branca selbst den Sach- verhalt auf, indem er in Fig. II c den Sattel direkt in den Lateral- lobus einzeichnet. Ich erachte mich daher für berechtigt, auf Grund der Autorität Branca’s den Lobenformeln Noetling’s für die beiden ersten Suturen des Celtites Buchii die folgenden Formeln entgegen- zustellen : I. Sutur : — ^ — |- Lj -j- ix — | — ^ II. „ ^ + l2 + L7 + it + y Bei Tropites subbullatus Hau. zieht nach Branca’s Darstellung (1. c. Taf. V, Fig. II b, c, g) die Sutur vom Laterallobus in einer ganz flach gebuchteten Linie zur Medianebene. Hier kann von einem Internsattel wohl überhaupt nicht gut die Rede sein, da zwischen dem Laterallobus und dem außerordentlich flachen Intern- lobus keine Aufwölbung der Sutur erkennbar ist. Die Formel für die Primärsutur des Tropites subbullatus ist daher zu schreiben : -j- Lx -f- Es ist nun lediglich Sache persönlicher Auffassung, wie man den in der zweiten Sutur sich einstellenden Sattel zwischen Fig. 1. I. und II. Sutur von Celtites Buchii Klipst. Nach Branca. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 559 L und I benennen will. Da er, wie Branca’s Darstellung zeigt, außerhalb der Naht liegt, sehe ich kein Hindernis, ihn als Lateral- sattel und nicht als Internsattel anzusprechen und schreibe dem- gemäß die Formel für die zweite Sutur des Tropites subbullatus: -gT + + D2 + h + Branca’s Darstellung der Lobenlinie des Margarites Jokelyi Hau. zeigt eine aus sechs (beziehungsweise im ganzen Septum zehn) Elementen bestehende Primärsutur. Ich glaube, sie am besten durch die Formel: 2 “b A + \ + A + h + “2“ ausdrücken zu können, weil der kleine, die Abflachung des bei der Mehrzahl latisellater Ammoniten einheitlichen Laterallobus be- wirkenden Sattels in diesem Lobus genau dieselbe Position ein- nimmt, wie ein in statu nascendi befindlicher Mediansattel im Externlobus. Allerdings gilt diese Formel nur unter der Voraus- setzung, daß hier wirklich ein wenn auch sehr kleiner Sattel im Laterallobus und nicht etwa eine Täuschung durch die Wölbung der Sutur in der Schalenoberfläche vorliegt. Am wenigsten entspricht die Suturlinie des Proarcestes bicari- natus Mstr. ( Arcestes Maximiliani Leuchtenberge nsis Klipst.) Noet- ling’s theoretischen Voraussetzungen, denen zufolge der Lateral- sattel stets aus einem Zerfall des Internsattels hervorgehen soll. Branca’s Zeichnung (1. c. Taf. VII, Fig. I g, h und d) läßt gar keine andere Deutung als jene zu , daß aus dem primären Laterallobus Fig. 2. Die beiden ersten Suturen des Proarcestes bicarinatus Muenst. Nach Branca. der ersten Sutur in der zweiten Sutur ein Lateralsattel entstanden ist, und zwar derart, daß der eigentliche, spitz zulaufende Lobus zum zweiten Laterallobus wird, der erste Lobus der zweiten Sutur hingegen einer Einsenkung in der vom primären Laterallobus zum Externsattel ziehenden Flanke entspricht. Die Suturlinie erfährt also hier vom ersten zum zweiten Septum folgende Umgestaltung : I. Sutur : -|- + L, + b + y ^ + +k2 + Z2 + L2-Ht+y’ II. 560 C. Diener, Einiges über Terminologie d. h. es müssen zwei Loben die Signatur L und der zwischen ihnen auf ragende Sattel somit die Signatur l tragen. Beide Loben dürfen wohl nur als Lateralloben bezeichnet werden , selbst wenn man, Noetling’s Methode entsprechend, ausschließlich das genetische Moment in der Terminologie der Suturlinie berücksichtigt. Solange Branca’s Beobachtungen nicht als irrtümlich widerlegt sind, halte ich daher an der Meinung fest, daß in den Anfangs- stadien der Entwicklung latisellater Ammoniten neue Suturelemente nicht nur aus den Extern- und Internsätteln, sondern auch gelegent- lich aus den Lateralloben hervorgehen können, die dann konsequenter- weise die Signatur l tragen müssen. Außer Zweifel zu stehen scheint mir das Auftreten primärer Lateralsättel bei der Mehrzahl der Ammoniten mit angustisellater Embryonalkammer. Die Primärsutur derselben ist nach Branca’s Angabe charakterisiert durch das Auftreten von zwei ersten Seiten- loben und Seitensätteln neben dem bald breiteren bald schmäleren Externsattel, ferner eines primären Internlobus und zweier Intern- sättel. Dazu kommen noch, mehr oder weniger deutlich ausgeprägt, zwei erste interne Seitenloben (1. c. p. 27). Eine solche Primärsutur besteht aus acht (bezw. im ganzen zehn) Elementen. Ihre Formel lautet: -%- + Lt + lt+St+i,+^ In dieser Formel müssen als pri- märe Elemente erster Ordnung nicht nur der Lateralsattel l, sondern auch der interne Laterallobus (Branca) S mit besonderen Signaturen versehen werden , wofern man es nicht vor- zieht, den bald infraumbilikal, bald umbilikal gelegenen Lobus y in Branca’s Darstellung der Suturlinie des Coelocercis crassum Phil. (1. c. Taf. XII, Fig. I c) 1 als unteren Laterallobus im Sinne L. v. Buch’s zu betrachten und mit der Signatur L‘ zu bezeichnen. Eine solche Auffassung ließe sich insbesondere dann rechtfertigen, wenn man beide Loben L und U mit Einschluß des sie trennenden Sattels l als dem primären Laterallobus L latisellater Ammoniten homolog ansehen wollte. Bei einer Reihe angustisellater Ammoniten geht der Lateral- sattel l durch die auf die Primärsutur folgenden Suturlinien un- verändert hindurch, bleibt also ein dauernder Bestandteil derselben. Man vergleiche Branca’s Darstellung der ersten Suturlinien von Fig. 3. I., II. und VII. Sutur von Coeloceras crassum Phil. Nach Branca. 1 S bei Noetling. Palaeontographica. LI. p. 174. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 561 Sphingites cf. Meyeri Klipst. (1. c. Taf. VIII, Fig. II b), Amaltheus sp. ind. (Taf. X, Fig’. II), Iiecticoceras lumila Ziet. (Taf. XI, Fig. III), Coeloceras crassum Phil. (Taf. XII, Fig. I c, g, h), Cosmoceras ornatum Schloth. (Taf. XII, Fig. IV), Perisphinctes airvicosta Opp. (Taf. XIII, Fig. I), Peltoceras arduennense Orb. (Taf. XIII, Fig. IV) und Aspido- ceras perarmatum Sow. (Taf. XIII, Fig. VI). Bei allen genannten Formen bleiben, wie Branca betont, die beiden ersten Seitenloben und Seitensättel auch in den auf die Primärsutur folgenden Loben- linien vollständig ausgebildet. Eine größere Zahl von Komponenten ergibt sich in den letzteren durch den Zerfall des Externsattels, so daß die Zahl der Suturelemente auf neun (im ganzen zwölf) steigt. Ähnlich verhalten sich auch Baculites chicoensis Trask 1 2, Lyto- ceras alamadense Smith 2 und ScMoenbachia oregonensis Anders. 3, soweit sich das an der Hand des von J. P. Smith veröffentlichten Illustrationsmaterials beurteilen läßt. In dem Kapitel „Theorie der Differenzierung der Lobenlinie bei den Ammoniten“ (Palaeontogr. LI. p. 174) nimmt Noetling zu einer anderen Deutung der von Branca beobachteten Verhältnisse seine Zuflucht. „Die Deutung der beiden Loben zwischen Intern- und Externsattel“ — meint er — , „die wiederum durch einen Sattel geschieden sind, stößt auf Schwierigkeiten. Es wäre an- scheinend am einfachsten, dieselben als ersten und zweiten Lateral- lobus zu deuten. Diese Auffassung ist jedoch entschieden unrichtig, wie sich aus Branca’s Abbildungen ergibt. Sie wird auch durch die Weiterentwicklung der Lobenlinie und durch die Beobachtung, daß der wirkliche zweite Laterallobus durch Spaltung des Intern- sattels ix entsteht, widerlegt.“ Inwiefern sich die Unrichtigkeit dieser Auffassung, die mir die allein zutreffende zu sein scheint , aus Branca’s Abbildungen ergeben soll, wird von Noetling verschwiegen. Daß in der Primär- sutur der oben genannten Formen zwischen dem Internsattel und dem Lateralsattel ein Lobus tatsächlich vorhanden ist, steht außer Zweifel. Man könnte nur darüber diskutieren , ob man ihn als internen Laterallobus (Branca) , zweiten Laterallobus (S) oder ITmbilikallobus bezeichnen soll. Bei keiner einzigen der genannten Arten geht ein wirklicher zweiter Laterallobus aus einer Spaltung des primären Internsattels hervor, bei allen persistiert vielmehr der zweite Seitenlobus S . der Primärsutur und rückt, indem er allmählich von der Naht gegen die Flanken sich vorschiebt, auch 1 J. P. Smith, Larval coil of Baculites. Amer. Naturalist. XXXVI. No. 409. Boston. 1910. p. 41. PI. A, B. 2 J. P. Smith, The development of Phylloceras and Lytoceras. Proceed. Californ. Acad. Sei. 3. ser. Vol. I. No. 4. San Francisco. 1898. 3 .T. P. Smith, Larval stages of Schloenbachia. Journ. of Morphologv. XVI. 1899. p. 10. PI. A— E. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 36 562 C. Diener, Einiges über Terminologie seiner Position nach zum zweiten Laterallobus vor. Noetling ignoriert diese Tatsache ebenso vollständig wie die Verhältnisse der Lobenspaltung bei Proarcestes bicarinatus. Er behauptet viel- mehr (1. c. p. 174), daß die Einsenküng zwischen dem kleinen Sattel l und den Internsätteln nicht als die Anlage eines primären Lobus gedeutet werden könne. „Dieselbe verschwindet später nämlich sehr rasch, indem sie sich ausfüllt, und der ursprünglich getrennte Sattel verschmilzt vollständig mit dem Internsattel, aus dem dann wieder durch sekundäre Teilung der zweite Laterallobus hervorgeht." Noetling hat hier ausschließlich jenen, keineswegs die Regel darstellenden Fall der Vereinfachung der zweiten Sutur gegenüber der Primärsutur im Auge , den Branca ausführlich besprochen (1. c. p. 30) und in seinen Darstellungen der Entwicklung der Lobenlinien bei Phylloceras lieterophyllum Sow. (1. c. Taf. IX, Fig. I), Arietites spiratissimus Quenst. 1 (Taf. IX, Fig. V), Aegoceras plani- costa Sow. (Taf. X, Fig. IV), Hammatoceras insigne Buch (Taf. X, Fig. VI) und Cymbites globosus Quenst. (Taf. XII, Fig. V) illustriert hat. Die Vereinfachung der gelegentlich auf der Primärsutur „reitenden“ 2 zweiten Sutur erfolgt allerdings durch Verschmelzung mehrerer in der ersteren getrennt angelegter Elemente, aber keines- wegs in so einfacher und regelmäßiger Weise, wie Noetling annimmt. Die von Noetling in erster Linie zunTBeweise herangezogene Suturentwicklung des Phylloceras lieterophyllum Sow. kann in diesem Sinne wohl überhaupt nicht verwendet werden, da hier die zweite Fig. 4. Die drei ersten Suturen des Phylloceras lieterophyllum Sow. Nach Branca. Sutur auf der ersten reitet, mithin unvollständig ist. Sie enthält überhaupt nur den durch den neu auftretenden Externlobus E2 in die beiden Sättel c2 und e2 geteilten Externsattel e1, ferner die Ansätze des Laterallobus Lx aus der Primärsutur, dagegen gar 1 Nicht Arietites Gonybeari , wie Noetling angibt. 9 W. Branca, 1. c. p. 31. 4. 3. I und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 563 keine internen Elemente. Man kann also auch von keiner Ver- schmelzung des Lateralsattels mit dem Internsattel sprechen. In der dritten Sutur erscheinen l und S in der gleichen Position wie in der Primärsutur. In der zweiten Sutur läßt sich ihr Fehlen am einfachsten aus der Tatsache erklären, daß das zweite Septum überhaupt nur die äußere Hälfte des Gehäuses bis zum Lateral- lobus abkammert. Für einige jener Ammoniten mit angustisellater Embryonal- kammer, deren zweite Sutur auf der ersten reitet, ist das Auf- treten eines primären Lateralsattels l und eines zweiten Lateral- lobus $ bestritten worden, so für Incloceras balucliistanense von Noetling und für Oxynoticeras oxynotus von Knapp. Bei der erst- genannten Art besteht die Primärsutur, Noetling’s Ausführungen zufolge (Paläont. Abhandl. 1. c. p. 35), nur scheinbar aus acht Ele- menten, nämlich drei Sätteln und zwei Loben auf der externen, einem Sattel und zwei Loben auf der internen Seite der Anfangs- kammer. Doch ist der scheinbare Lateralsattel nicht als solcher zu deuten, da er nur „einer Art Wölbung der Oberfläche der Embryonalblase entspricht , welche den Drehpunkt darstellt, um den herum sich die späteren Septen anlegen.“ Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse nach der Darstellung Knapp’s1 bei Oxynoticeras oxynotus Quenst. „Wie bei Indoceras balucliistanense sieht man auch hier genau , daß der scheinbare Seitensattel nur eine Linie ist, die sich um den Drehpunkt der Schale herumlegt, in Wirklichkeit also keinen Sattel, sondern nur den durch die Drehung der Schale veränderten Laterallobus L darstellt.“ Noetling schreibt daher die Formel der Primärsutur von Indoceras : e1 -f- Lx + ix , Knapp jene der Primärsutur von Oxynoticeras : e1 -f- IA -f- ix -j- Tr Noetling’s Beweisführung für seine Auffassung, die sich auf die Anlage der nächsten Kammer und die Gestalt des’ zweiten Septums stützt, ist keineswegs einleuchtend. Auch an den nach Branca’s Originalen von A. Krantz angefertigten Gipsmodellen des Phylloceras heterophylliim konnte ich nicht die Überzeugung ge- winnen, daß das Bild eines Lateralsattels nur durch eine der Wölbung der Oberfläche entsprechende Drehung der Suturlinie zu- stande kommt. Immerhin will ich zugeben, daß man über diese Frage verschiedener Meinung sein kann. Die winzigen Dimensionen des Objektes , das nur einer Beobachtung im auffallenden Licht zugänglich ist, machen eine Entscheidung ungemein schwierig. Auf alle Fälle jedoch muß man sich vor Augen halten, daß Noet- ling’s Einwand gegen die Selbständigkeit des primären Lateral- sattels auf angustisellate xAmmoniten vom Typus des Coeloceras crassum keine Anwendung findet und daß die beiden Typen angusti- 1 A. Knapp, 1. c. p. 10 (224). 564 0. Diener, Einiges über Terminologie sellater Ammoniten , die durch Coeloceras crassum einerseits und Phylloceras lieteropliyllum anderseits vertreten werden, nach Br an ca selbst durch Übergänge miteinander verbunden sind. Ob Primärsuturen wie jene des Simbirskitcs Decheni Koen., bei denen Wedekind 1 keine Andeutung eines Lateralsattels finden konnte, überhaupt noch als angustisellat im Sinne Branca’s bezeichnet werden dürfen, möchte ich fast bezweifeln. Die Gestalt des schmal gerundeten Externsattels scheint mir dafür nicht auszureichen. Eine Untersuchung der durch Vereinfachung von der Primär- sutur, unterschiedenen Suturlinien einiger angustisellüter Ammoniten, bei denen die zweite Sutur keineswegs wie bei Phylloceras hetero- phyllum, Indoceras baluchistanense, Oxynoticeras oxynotus oder Sim- birskites Peclieni auf der ersten reitet, hat mich gleichfalls zu wesentlich anderen Ergebnissen als Noetling geführt. Seinen An- gaben zufolge soll der zweite Laterallobus der Primärsutur S durch Verschmelzung des Lateralsattels l mit dem Internsattel i ver- schwinden und der wirkliche, definitive Lateralsattel erst in der dritten Sutur aus einer Teilung von i hervorgehen. Betrachten wir die Verhältnisse bei Arietites spiratissimiis QueXst. (Branca, 1. c. Taf. IX, Fig. V g, h, i), so sehen wir, daß in der zweiten Sutur überhaupt nicht der primäre zweite Laterallobus, S, sondern der erste, L, von dem zu riesiger Breite anwachsenden 2 1 Fig. 5„ Die drei ersten Suturen von Arietites spiratissimiis Quenst, Nach Branca. Externsattel e2 verschlungen wird und daß der letztere auch mit dem Lateralsattel l verschmilzt. In der dritten Sutur wird der ursprüngliche Laterallobus L durch Zerfall des Externsattels wieder- hergestellt. Die Formeln dieser drei Suturlinien sind daher folgendermaßen zu schreiben : L Sutur : ~ + Lj -f- \ + $, -f- ix -f- ii. „ f + 'i + g + 1,] + s, + + § HI- n 2 "t” + G + I« "T + 'i + 2 1 R. Wedekind, Über die Lobenentwicklung der Simbh'skiten. Sitzungsber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin. 1910. p. 101. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 565 Ähnlich spielt sich die Entwicklung der Suturlinie bei Cym- bites globosus Quenst. (Branca, 1. c. Taf. XII, Fig. V) ab, nur mit dem Unterschiede , daß bei dieser Spezies schon im Externlobus der dritten Sutur ein Mediansattel auftritt. Während also die Formeln der ersten und zweiten Sutur mit jenen für Arietites spira- tissimus übereinstimmen, lautet die Formel der dritten Sutur: Ein wesentlich anderes Verhalten zeigt die Entwicklung der Suturlinie bei ScapMtes nodosus Owen nach den Darstellungen von W. D. Smith l. In der zweiten Sutur tritt ein sehr flacher Fig. 6. I., II. und III. Sutur des Scaphites nodosus Owen. Nach D. W. Smith. Laterallobus an Stelle des primären Laterallobus und Lateralsattels. Aus dem Boden dieses Laterallobus, L2[L1 +Z,], wölbt sich in der dritten Sutur neuerdings ein kleiner flacher Lateralsattel ?3 empor, dann erst folgen Internsattel und Internlobus. In keinem dieser Fälle läßt sich eine Entstehung des Lateral- sattels aus dem Internsattel im Sinne der Annahme Noetling’s nachweisen. Es ist demzufolge auch nicht möglich , mit einer so geringen Zahl von Signaturen, wie bei Indoceras, das Auslangen zu Anden. Selbst wenn man bei der Einteilung und Terminologie der Suturelemente ausschließlich das genetische Moment in Rück- sicht zieht, wird man nicht umhin können, in gewissen Fällen einen Lateralsattel, ja sellbst einen zweiten Laterallobus oder internen Laterallobus als primäre Elemente anzuerkennen. A. Knapp2 hat in seiner Studie über die Entwicklung des Oxynoticeras oxynotus sich den Anschauungen Noetling’s in den wesentlichen Punkten angeschlossen und auch seine Terminologie — - von einer einzigen Ausnahme abgesehen — angenommen. Er wendet sich nämlich gegen die Einführung einer besonderen Signatur m für den Median sattel, da auch dieser zu den aus einer 1 W. D. Smith, The development of Scaphites. Journal of Geology. Chicago. XIII. 1905. p. 945 (insbes. Fig. III/l). 2 Palaeontographica, 1. c. p. 159. m. 2 566 C. Dienet, Einiges über Terminologie Differenzierung' des primären Externsattels ex hervorgegangenen Elementen gehört. Da er jedoch als ein aus dem Externlobus durch Emporwölben des Lobenbodens entstandener Sattel von den aus einer Sattelspaltung hervorgegangenen Sätteln genetisch ver- schieden ist, schlägt Knapp vor, ihn mit einem gotischen Buch- staben zu bezeichnen und diese Bezeichnung für alle Suturelemente anzuwenden, „welche in ähnlicher Weise, nämlich durch Empor- wölben des Lobusbodens entstehen , also von den eigentlichen Spaltungselementen genetisch verschieden sind“ (1. c. p. 4). Mit dieser Absicht, den Unterschied zwischen Wölbungs- und Spaltungssätteln aus deren Bezeichnungsweise ersichtlich zu machen, harmoniert es indessen schlecht , wenn Knapp in der Suturformel für Indoceras nicht nur den neugebildeten Mediansattel, sondern auch den Externlobus, aus dem er hervorgegangen ist, mit gotischen Buchstaben bezeichnet und die Lobenformel der achten Sutur: *3 + 4* ez + L, -f- 14 -f- J4 schreibt, da doch die Genesis des Externlobus als eines aus der Spaltung des primären Externsattels e] hervorgegangenen Sutur- elements ( E2 ) nicht durch die spätere Entstehung eines Median- sattels nachträglich verändert werden kann. Daß die Konsequenz der auf das genetische Moment gegrün- deten Bezeichnungsweise Noetling’s durch die Einführung eines besonderen Zeichens für den Mediansattel durchbrochen wird, ist unbedingt zuzugeben. Aus praktischen Gründen dürfte sich jedoch die Beibehaltung der Signatur m empfehlen, insbesondere, wenn in einer Formel der Suturen eines Ammoniten mit hochspezialisierten Loben der Unterschied zwischen mediosellaten und externolobaten Adventivelementen zum Ausdruck gebracht werden soll. In Noetling’s und Knapp’s theoretischen Erörterungen über die Differenzierung der Ammonitensutur fällt mir ein Punkt be- sonders auf, die von beiden Forschern für notwendig erachtete Erklärung angeblicher Sprünge in der Entwicklung der Suturlinie. Ontogenetisclie Untersuchungen der Ammonitensuturen haben ge- zeigt, daß bestimmte Lobenelemente in sehr verschiedenen Stadien der individuellen Entwicklung zum erstenmal auftreten. Bei Indo- ceras baluchistanense erscheint der mediane unpaarige Internlobus erst in der achten Sutur als ein Element vierter Ordnung, bei Polycyclus Henseli Opp. und Oxynoticerds oxynotus Quenst. hingegen als ein primäres Element schon in der Sutur der Embryonalkammer. HöETLtNG meint, aus der Form dieser Primärsutur ließe sich folgern, daß ihr bei Polycyclus Henseli eine noch ältere mit vier Elementen vorausgegangen sein müsse. Bei Indoceras beginnt der Median- sattel mit einer in der vierten Sutur anhebenden Emporwölbung des Bodens im Externlobus JEr Bei Oxynoticeras dagegen wird bereits in der zweiten Sutur der Externsattel e , der Primärsutur und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 567 durch einen tiefen, von einem Mediansattel geteilten Externlobus abgelöst. Auch in diesem Falle nimmt Knapp (1. c. p. 11) an, daß ein ungeteilter Externlobus bereits früher vorhanden gewesen sein müsse, da nur durch Emporwölben des Lobengrundes in einem bereits vorhandenen Lobus der Mediansattel entstanden sein könne. Mit solchen Annahmen wird das Gebiet exakter Forschung meines Erachtens vollkommen verlassen. Die Ammonitensutur ist eine Linie, der entlang das Septum an die Innenwand der Am- monitenschale anschließt. Wenn in der Beschreibung der Ver- änderungen, die eine solche Linie in aufeinanderfolgenden Stadien erfährt, Verba der Betätigung angewendet werden, indem von einem Emporwölben des Lobengrundes im Externlobus oder von der Ein- tiefung eines Lobus im primären Internsattel gesprochen wird, so darf man doch nicht an einen realen Umbildungsprozeß mit allen seinen Zwischenstadien denken. Man wird doch nicht im Ernst glauben wollen, es habe sich wirklich der Lobengrund im Extern- lobus einer bestimmten Sutur allmählich emporgewölbt und so den Median sattel in der nächstfolgenden Sutur gebildet. Da die ein- zelnen Septen mit ihren Suturen ruckweise in Zeitintervallen von recht verschiedener Länge zur Bildung gelangen — man beachte das Verhalten bei angustisellaten Ammoniten — i so sind Sprünge in der Entwicklung der Suturen unvermeidlich. Das Ausmaß dieser, selbstverständlich durch keinerlei Übergänge überbrückten Sprünge hing lediglich von der spezifischen Disposition des die Septen absondernden Ammonitentieres ab. Warum sollte ein Ammonitentier seine zweite Sutur nicht sogleich mit Externlobus und Medianhöcker ausgestattet bilden können und dazu erst des Umweges über ein vorausgehendes Stadium mit ungeteiltem Externlobus bedürfen? Warum darf der Internlobus bei Polycychis nur deshalb kein primäres Suturelement sein, weil er es bei Indoceras nicht ist? Theoretische Kombina- tionen solcher Art, die aus einer maßlosen Übertreibung deszendenz- theoretischer Vorstellungen entspringen, haben nicht den geringsten positiven Wert, obwohl sie leider zum eisernen Bestände der modernen Paläobiologie zu gehören scheinen. An der Weiterbildung einer Theorie der Differenzierung der Lobenlinie auf der Grundlage der Untersuchungen Noetling’s hat in den letzten Jahren insbesondere R. Wedekind 1 gearbeitet. Er 1 K. Wedekind, Die Goniatitenkalke des unteren Oberdevon von Martenberg bei Adorf. Sitzungsber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin. 1913. p. 23 — 77. — Beiträge zur Kenntnis des Oberdevons am Nordrande des Rheinischen Gebirges. 2. Zur Kenntnis der Prolobitiden. N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. I. p. 78 — 95. - — Beiträge zur Kenntnis der obercarbo- nischen Goniatiten. Mitteil, aus dem Museum der Stadt Essen. I. 1914. p. 5 — 23. — Über Lobus, Suturallobus und Inzision. Dies. Centralbl. 1916. p. 185—195. 568 C. Diener, Einiges über Terminologie etc. — Mitteilung. hat auch eine Noetling’s Terminologie gegenüber vereinfachte Bezeichnungsweise der Lobenelemente in Vorschlag gebracht. In Wedekind’s Suturformeln finden nur die Loben Platz, indem er von der Annahme ausgeht , daß durch die Angabe der Loben auch die Sättel bestimmt seien. Als primäre Elemente werden der Laterallobus L , der Externlobus E 1 und der Intern- lobus I angesehen. Die ursprüngliche Lage des primären Lateral- lobus als umbonal, subumbonal oder lateral läßt sich durch An- fügung eines kleinen Buchstabens (Lu, Ls , Li) ausdriicken. Den nabelwärts zwischen L und I gelegenen Teil der Septalfläche nennt Wedekind „Umschlag“ und bezeichnet demgemäß alle aus einer Spaltung des primären Internsattels hervorgegangenen Loben als „Umschlagloben“ mit der Signatur U und den dem Zeitpunkt ihrer Entstehung entsprechenden Ordnungsindizes. Desgleichen werden Mediansättel, bezw. Adventivsättel durch die sie teilenden Loben mit den Signaturen M, bezw. A bezeichnet. Eine Kritik dieser Terminologie erscheint mir nach verschie- denen Richtungen hin gerechtfertigt. (Schluß folgt.) 1 Wedekind’s Behauptung (dies. Centralbl. 1916. p. 186), der Außen- lobus E sei durch die ländlich ventrale Lage des Sipho bedingt, steht mit dem Auftreten dieses Lobus bei Nautiloideen und intrasiphonaten Clymenien im Widerspruch. Auch verträgt sich ein zuweilen mächtig entwickelter Mediansattel sehr wohl mit der randlich ventralen Lage des Sipho extra- siphonater Ammoniten. Mitteilung. Die Königliche Bergakademie in Berlin ist vom 1. Oktober d. J. ab an die Königliche Technische Hochschule zu Berlin (Charlotten- burg, Berliner Straße 171/172) als besondere „Abteilung für Bergbau“ angegliedert und mit Einschluß der Hauptbestände des bisherigen „Museums für Berg- und Hüttenwesen“ in einen neuen westlichen Erweiterungsbau der Technischen Hochschule (Charlotten- burg, Berliner Straße Nr. 1 7 0), sowie in neue Laboratoriumsgebäude (Hardenbergstraße Nr. 34) übergesiedelt. Ihre neue Anschrift lautet: „Königliche Technische Hochschule zu Berlin, Abteilung für Bergbau, Char- lottenburg“. F. E. Suess, Können die Tektite als Kunstprodukte etc. 569 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden ? Von Franz E. Suess. Vor zwei Jahren suchte ich in einer zusammenfassenden Über- sicht zu zeigen, wie sich die neueren Erfahrungen über die Tektite anpassen an die Vorstellung der kosmischen Herkunft dieser Gläser1; ältere Gründe gegen deren Herleitung von irdischen Vulkanen konnten durch neue gestützt werden. Die seinerzeit von Makowsky vertretene Anschauung, daß eine der Tektitgruppen , und zwar die Moldavite, Nebenprodukte aus alten Glasschmelzen seien, habe ich nicht mehr berücksichtigt; denn Meinungen dieser Art waren in den letzten Jahren verstummt, und ich glaubte nicht, daß dieser — anscheinend überwundene — Erklärungsversuch noch einmal vorgebracht werden würde. Da nun jüngst einer der besten Kenner der Meteoriten, Prof. F. Berwerth2, in einer viel gelesenen Fachzeitschrift die Lösung des „Tektitproblems“ von einer fachmännischen Prüfung der Tektite auf „Kunstprodukte“ erwartet und sich versucht fühlt, die Australite für „mögliche Nebenprodukte irgend eines Schmelzprozesses“, für die „einzigen Überreste einer auf den australischen Ländern in einer weit zurückliegenden Urzeit bestandenen Kulturepoche“ zu halten, sehe ich mich veranlaßt, alle in Betracht kommenden Tat- sachen auch nach diesem Gesichtspunkte zu erläutern. Die wich- tigsten Gründe für und wider diese Anschauung waren natürlich schon zur Zeit meiner ersten Publikation über den Gegenstand wohl erwogen worden 3. Was ich hier gebe, sind vornehmlich die alten Gründe z. T. in vervollständigter und — wie ich glaube — verbesserter Fassung. In manchen Punkten, namentlich hinsicht- lich der chemischen Beschaffenheit, gestatten unsere heutigen Kennt- nisse ein noch bestimmteres Urteil als damals. Die Ausführungen werden zugleich zeigen , daß Berwerth in seinen kurzen Be- merkungen die Eigenschaften der Tektite nicht richtig gekenn- zeichnet hat. 1 Rückschau und Neueres über die Tektitfrage. Mitteil. d. geol. Ges. in Wien. 7. 1914. p. 51. 2 F. Berwerth, Fortschritte der Meteoritenkunde seit 1900. In Fort- schritte der Mineralogie etc., herausgeg. im Aufträge der Mineralog. Ges. von G'. Linck. Jena 1916. p. 288. 3 Die Herkunft der Moldavite und verwandter Gläser. Jahrb. d. geol. Reichsanst. Wien. 50. 1900. p. 193. — Weitere Tektitliteratur habe ich hier nicht genauer zitiert; ich verweise auf die Literaturverzeichnisse in meinen beiden hier angeführten Arbeiten. 36* 570 F. E. Suess, Verbreitung. Die drei Haupttektitgruppen , Moldavite, Billitonite und Australite, sind über bestimmte große Gebiete ver- breitet und fehlen in anderen Erdteilen. Die Moldavite finden sich ziemlich häufig in einer Zone bei Budweis in Südböhmen und an gewissen Stellen in Südmähren. Ausläufer reichen vielleicht bis Niederösterreich und bis in die Gegend von Graz, doch ist für die vereinzelten Stücke Verschleppung nicht ausgeschlossen. Die wichtigsten Fundpunkte der Billitonite befinden sich auf der malayischen Halbinsel, auf Billiton und im Natuna-Archipel ; die östlichsten Funde, im südlichen Borneo, ergänzen die Zone auf eine Länge von ca. 1500 km. Australite fand man an vielen Punkten quer über den ganzen Süden des australischen Kontinentes verstreut und in Tasmanien. Die Fundstücke der einzelnen Ge- biete sind nach Gestalt und chemischer Zusammensetzung vortrefflich charakterisiert ; sie können niemals untereinander verwechselt werden. Kein Produkt alter menschlicher Kultur zeigt ein so eigen- tümliches, einerseits weltweites und anderseits doch launisches, auf große Zonen beschränktes Vorkommen. Es steht in keiner Be- ziehung zu irgendwelchen ethnographischen oder kulturgeographi- schen Bezirken älterer oder neuerer Zeit. Sollte man annehmen , daß die überaus schwierige Technik, Gläser von höchstem Schmelzpunkt zu erzeugen, in den drei ethno- graphisch so gänzlich heterogenen Gebieten Böhmen, Malayischer Archipel und Südaustralien in ferner Urzeit dreimal selbständig entstanden sein sollte, während die übrigen Erdteile davon frei- geblieben sind? Zwischen den drei Haupttektitgebieten wird kaum eine andere Beziehung aufzufinden seiü als der reine Zufall; und als zufällig, weil in ihren Bedingungen nicht übersehbar, betrachten wir die Örtlichkeiten, an denen Meteoritenschwärme niedergehen. Lagerung und Alter. Bisher sind Moldavitstücke zwei- mal an prähistorischen Kulturstätten gefunden worden. Ein kleines gefurchtes Stück und ein „Geschiebe“ von Moldavit hatte Herr J. Knies in einer der zahlreichen neolithischen Stationen West- mährens, und zwar unweit Oslawan zusammen mit zahlreichen behauenen Splittern von dunklem Obsidian, bemalten Gefäßen und Werkzeugen aller Art gefunden1. Zwei bis drei Wegstunden von diesem Punkte finden sich die Moldavite häufiger auf ihrer natür- lichen Lagerstätte in den Schottern. Der zweite Fund stammt aus der reichen paläolithischen Lager- stätte des Löß von Willendorf an der Donau in Niederösterreich. J. Bayer hat sie ausgebeutet und beschrieben. Von dort stammt auch die merkwürdige weibliche Skulptur aus weißem Marmor, die 1 J. Palliardi, Die neolithischen Ansiedelungen mit bemalter Keramik in Mähren und Niederösterreich. Mitteil. d. prähistor. Kommission d. k. Akad. d. Wiss. Wien. 1. No. 4. 1897. p. 249. Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden? 571 unter dem Namen der Venus von Willendorf in der Literatur be- kannt geworden ist. Zusammen mit zahlreichen Splittern und Werkzeugen der Aurignacienkultur fanden sich dort drei künstlich abgesprengte Moldavitsplitter. Der Mensch der Steinzeit hatte augenscheinlich auch an diesem auffallenden Stoffe seine Kunst versucht. Nichts wird gemeldet von irgendeiner Häufung der Moldavite an sonstigen alten Kulturstätten. In beiden angeführten Fällen waren die durch ihre Farbe und Durchsichtigkeit auffälligen Steine vom Menschen verschleppt worden , und zwar das eine Mal in der älteren und dann wieder in der jüngeren Steinzeit. Die eigentlichen Fundstätten der Moldavite sind gewisse Stellen und Zonen in den ausgedehnten Schotterflächen auf dem böhmisch- mährischen Hochlande und am Rande des Tertiärbeckens von Bud- weis. Das genaue Alter dieser Schotter wird nicht leicht fest- zustellen sein. Es wurde seinerzeit nach Ähnlichkeit und an- scheinenden Übergängen auf Beziehungen zu den Sanden und Schottern mit Oncopliora socialis bei Oslawan und Mährisch-Kromau geschlossen und ein mittelmiocänes Alter der Schotter vermutet. Seither hat man noch gelernt, die morphologischen Verhält- nisse besser zu beurteilen. Die mährischen Moldavitschotter liegen auf der miocänen Abrasionsterrasse; ihre Aufschüttung mag dem Rückzüge des mittelmiocänen Meeres bald gefolgt sein. Sicherlich sind sie älter als die epigenetischen Flußtäler der Iglawa, Oslawa u. a., welche in die Hochflächen tief eingesenkt sind und da und dort in örtlichen Talweitungen von niedrigen diluvialen Schotter- terrassen begleitet werden. Die Moldavitschotter sind demnach mittel- oder Jungtertiär und ganz sicher vordiluvialen Alters. J. N. Woldrich meldete vor Jahren einen Fund von drei Moldavitstücken aus „konglomeratartig verbundenem Gerolle“ über tertiärem Sand, 50 cm unter der Oberfläche bei Radomilitz in Böhmen ; und Dvorsky einen solchen aus einer Schottergrube von Daleschitz in Mähren aus 2 m Tiefe. An Sammlungsstücken von Moldaviten haftet oft noch der verhärtete Sand aus den Bänken des ursprünglichen Lagers. Viele Stücke sind in der gleichen Weise abgerollt wie die Quarz- und Grundgebirgsgerölle des Schotters. Wenn auch die Einreihung der Moldavit führenden Schotter in einen engeren stratigraphischen Horizont noch nicht durch- geführt werden kann , so ist doch nach unseren heutigen Kennt- nissen mit Bestimmtheit anzunehmen, daß sie älter sind als das Auftreten des Menschen in Mitteleuropa. Die Billitonite liegen auf Billiton, nach Verbeek’s An- gaben, niemals auf der heutigen Gesteinsoberfläche, sondern unter den Sandlagen, die als Zinnseifen abgebaut werden, auf der alten verwitterten oder frischen sedimentären oder granitischen Gesteins- 572 F. E. Suess, Oberfläche. Die Sande sind, nach Verbeek, mindestens diluvial, wenn nicht pliocän. Die Australite werden allerdings nicht selten freiliegend an der Oberfläche in verschiedenen Höhen gefunden; häutiger aber sind die Angaben über Funde in größeren oder geringeren Tiefen, bis zu 30' unter Tag. In Neu-Siidwales, in Victoria und ander- wärts sind die als Gold- und Zinnseifen ausgebeuteten Sande die häufigsten Fundstellen. Die Australite sind wahrscheinlich jünger als die Moldavite. Aber auch hier weisen die Lagerungsverhältnisse, ebenso wie bei den Billitoniten, auf ein Alter, das höher ist als das der primitiv- sten menschlichen Kultur. Im übrigen lassen sich auch die Einzelheiten der Verbreitung der Moldavite schwer vereinigen mit deren Deutung als Kunst- produkte. Ein fast ununterbrochenes Fundgebiet von Moldavit- scherben begleitet auf ca. 30 km Länge den Westrand der Bud- weiser Ebene. Aus dieser Strecke stammen die meisten Moldavit- funde; es sind fast durchweg Bruchstücke. Eine solche Häufung in einer räumlich beschränkten Zone, zusammen mit dem Fehlen in der weiteren Umgebung, bleibt völlig rätselhaft für ein Kunstprodukt. Sie ist aber leicht zu erklären durch die Annahme, daß die zahl- reichen Scherben der Budweiser Strecke von einer oder von wenigen großen Glasmassen stammen , die in dieser Gegend zur Erde ge- langten und im Sturze zersplittert wurden. Gestalt. Prof. Berwerth findet die Australite „gepreßten Gußformen“ ähnlich, und erkennt hierin offenbar einen Hinweis auf die künstliche Herkunft dieser Stücke. Die knopfförmigen und sanduhrförmigen Gestalten haben ihre Regelmäßigkeit und einfache Symmetrie allerdings gemein mit vielen Gegenständen , die der Mensch zum Schmuck , zum Spiel oder zu sonstigem Gebrauche erzeugt; es mag auch die Betrachtung eines einzelnen oder weniger Exemplare zunächst den Eindruck einer künstlichen Gestaltung erwecken; aber bei einem Überblick über die ganze Formenmannig- faltigkeit der Australite , wie er den zahlreichen Abbildungen in den Arbeiten von Walcott, Stelzner, Twelvetrees und Petterd, Simpson, Dünn zu entnehmen ist, wird man bald eines Besseren belehrt werden. Der Mensch formt bestimmte Typen, die in Größe und Gestalt bestimmten Zwecken angemessen sind. Die Natur aber bringt alle denkbaren Übergänge hervor. Die kleinsten Australite sind kaum erbsengroß, und die größten, wie z. B. die merkwürdigen Hohl- kugeln von Horsham und vom Kangaroo Island, erreichen Apfel- größe1. Von schlanken zweiköpfigen Sanduhrformen findet man 1 Siehe die Abbildungen Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1900. p. 335 u. Taf. VIII. Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden? 573 allerlei Zwischenglieder zu plumperen Gestaltungen, zum gestreckten Oval und bis zu den kreisrunden Knöpfen. Die Knöpfe sind bald dick und hoch, fast kugelig, bald flach scheibenförmig zusammen- gedrückt. Der „Rückstauwulst“ ist manchmal kaum durch eine Kante angedeutet ; im anderen Extrem wird er sehr breit , dünn und scharfrandig , sogar einem weiten, faltigen Schirme ähnlich ; manchmal liegt der kleine rundliche Körper der Knopfform gleich- sam in einer flachen Schüssel. Manchmal ist der mächtig an- geschwollene Rückstauwulst über den Knopf zurückgebogen und umwickelt ihn. Ist es denkbar, daß der Urmensch solche fast chaotische Vielfältigkeit von Gußformen zu unbekanntem Zwecke verfertigte ? Solche ungeregelte Mannigfaltigkeit mit schrankenloser Varia- tionskurve, in der kein Grundtypus festgehalten wird, zeigen nur Naturgestalten unorganischer Herkunft. Wo Lebendiges schafft, sucht es bestimmte Typen mit dem Eindrücke des Beabsichtigten festzuhalten. Während Zweck und Sinn künstlicher Australitformen nicht zu erraten wäre, können sie nach der bereits von Stelzner 1893 und W7alcott 1898 gegebenen Erklärung in allen Einzelheiten sehr gut verstanden werden. Die Regelmäßigkeit der Hauptumrisse, die in gleicher Vollkommenheit bei anorganischen Naturkörpern gewiß selten angetroffen wird , ist die der Rotationsformen. Für den kugeligen Umriß ist dies unmittelbar zu ersehen; und die Sanduhrformen hat Walcott zuerst als Rotationsgestalten richtig gedeutet. Ich habe bei Besprechung derselben auf die Analogie mit der vom Astronomen J. J. See theoretisch geforderten Aus- gangsform für die Bildung der Doppelsterne hio gewiesen und Kerr Grant (Adelaide) hat in einer neueren Besprechung der Australit- gestalten abermals die theoretische Wichtigkeit der zigarrenförmigen und sanduhrförmigen Gestalten unter den Australiten hervorgehoben, da die Stabilität solcher Rotationsformen noch heute ein Gegen- stand der Meinungsverschiedenheit zwischen Mathematikern ist. Den Randwulst hat Stelzner schon mit dem zurückgeschobenen Schmelzrande der Stannern-Meteoriten verglichen. Die Wirkung des Luftwiderstandes im raschen Sturze bewirkte an dem Glase noch viel auffälligere Umgestaltungen als an dem kristallinischen Steine. Das amorphe Glas besitzt ein viel größeres Sclimelzinter- wall als der Stein; es wurde beim Aufschmelzen allmählich erweicht und hat eine größere Menge beweglicher Substanz geliefert; der Körper des WTulstes wurde deshalb viel größer , das Glas selbst an der Stirne abgeschmolzen und abgeflacht. Knopfformen und Sanduhrformen zeigen die gleiche einseitige Deformation und Wulst- bildung. Wäre es auch immerhin denkbar, daß die einfachen Rotations- formen in ihrem Hauptumriß zu irgendeinem Zwecke künstlich 574 F. E. Suess, nachgeahmt wurden, so würden doch die feineren Einzelheiten ihrer Oberflächenskulptur auf künstlichen Formen nicht zu er- klären sein. Ich habe zu zeigen gesucht, wie in diesen Einzel- heiten der Sinn der Drehung während des Falles an zweierlei Merkzeichen zu erkennen ist. Das eine liefert der spirale Ver- lauf der Stauwellen auf der Stirnseite , und das zweite ist die eigentümliche gegenständige Symmetrie, eine eigentümliche geringe Schiefstellung des Hauptgrades vieler Sanduhrformen, dadurch her- vorgerufen, daß bei der Rotation dieser Körper die diagonal gegen - iiberätelienden Außenenden durch den Luftwiderstand ungleich be- einflußt werden. Ich verwies ferner auf die zarte Fluidalstruktur im Innern des Außenwulstes, die Dünn abgebildet hat; das Zurückfließen der aufgeschmolzenen Glasmasse kann hier deutlich gesehen werden. Die dunklere Farbe des rückgeflossenen Glases erklärt sich durch höhere Oxydation infolge innigeren Kontaktes mit der Luft. Ist so den Australiten der Stempel ihrer Herkunft mit be- friedigender Deutlichkeit aufgeprägt , so bieten anderseits weder die Gestalten der Moldavite noch die der Billitonite irgendeinen Anhaltspunkt , der auf künstliche Abstammung hinweisen würde. Die Größe vieler Stücke — manche wiegen über 100 g — spricht gewiß dagegen ; denn die Herstellung so schwer schmelzbarer Gläser in voller Reinheit in diesen Dimensionen würde eine kaum erreichbare technische Vollkommenheit verlangen. Nur die zuletzt entdeckten Queenstownite von Tasmanien sind schlackenähnliche Fetzen, wie sie bei zufälligen Schmelzen künst- lichen oder natürlichen Ursprungs Vorkommen können. Sie allein könnten, was die Gestalt betrifft, als zufällige Kunsterzeugnisse gelten , wenn nicht andere gewichtige Gründe dagegen sprechen würden. Physikalische Eigenschaften. Der Weg, den Prof. Berwerth zur Lösung des Tektitproblemes vorschlägt, die „Vor- nahme einer fachmännischen Prüfung auf Kunstprodukte“, ist vor vielen Jahren bereits betreten worden. Von Geologen war zuerst die Meinung geäußert worden , daß die Moldavite Kunstprodukte seien. Fachchemiker haben sich sogleich energisch dagegen ge- wendet. Habermann und Wenzliczke in Brünn wiesen bereits 1880 auf die von allen Kunstgläsern verschiedene chemische Zu- sammensetzung und den durch sie bedingten hohen Schmelzpunkt hin. Nach den Ergebnissen ihrer Versuche im Lampenofen mit Wasserstrahl-Gebläseflamme hielten sie den künstlichen Ursprung für ausgeschlossen. Herrn Bares gelang es bei seinen Versuchen in den Schmelzöfen einer Ton Warenfabrik, Moldavite erst bei einer Temperatur von 1400° vollkommen niederzuschmelzen. Im Jahre 1900 konnte ich mich außerdem auf eine mir von Herrn Prof. J. Walther übermittelte Äußerung von Prof. E. Abbe Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden? 575 berufen. Dieser hatte damals im glasteclinischen Laboratorium zu Jena Versuche über die Möglichkeit einer synthetischen Herstellung des Moldavitglases durchführen lassen. Die vollkommene Nieder- schmelzung war auch nahe beim Schmelzgrad des Platins nicht gelungen. Prof. Abbe und Prof. Walther urteilten, daß vor Er- findung der Siemens-Regenerativöfen Moldavitglas künstlich nicht hergestellt werden konnte , und schlossen aus dem Charakter der Fluidalstruktur, daß die Moldavite Stücke einer größeren, natürlich entstandenen Glasmasse seien. Und noch eine Eigenschaft verbietet schon allein für sich die Deutung der Moldavite als zufällige „Nebenprodukte eines Schmelz- prozesses“. Es ist die vollkommene Reinheit des Glases. In vielen Hunderten Moldaviten, die ich gesehen habe, war niemals irgendeine Trübung oder schlackige Unreinigkeit, niemals ein- oder angeschmolzener Sand oder ähnliches wahrzunehmen. Das gleiche gilt nach übereinstimmendem Urteil aller Beobachter für die Billi- tonite und die Australite. Aber auch die Queenstownite sind trotz ihres äußerlich schlacken- ähnlichen Aussehens vollkommen durchschmolzene Gläser. Sie ent- halten keine Mikrolithen, keine eingeschmolzenen oder anhaftenden fremden mineralischen oder kohligen Bestandteile. Das schlacken- ähnliche Äußere wird allein durch den Blasenreichtum bedingt, und der seidenartige und lackartige, streifige Glanz ist eine Folge der starken Zerrung, Streckung und Zerreißung der Blasenräume. Die schmutzigweiße Farbe und die emailartige Beschaffenheit mancher Stücke hängt wohl mit chemischen Angriffen zusammen, denen das hochgradig blasige und gezerrte Glas vermutlich in höherem Grade" ausgesetzt war, als die kompakteren Haupttektit- arten ; wie ja auch die chemische Analyse, insbesondere das höchst auffällige Fehlen des Kaliums in diesen Gläsern, auf Zersetzungs- vorgänge hinweist. Berwerth zitiert meine Bemerkung, daß man in Europa „solche schlackenartige Gläser sicherlich zunächst nach dem äußeren Habitus für irgendwelche Kunstprodukte“ halten würde. „Zu- nächst“ wäre dies gewiß der Fall; ich habe jedoch dazugesetzt, daß man bei genauerer Untersuchung, insbesondere durch die chemische Analyse eines Besseren belehrt werden würde. Bei einem Funde in so kulturfernem Gebiete wird man auch nicht „zunächst“ auf eine solche Deutung verfallen. In keinem der Fundgebiete der Tektite wurde je irgendein Schmelzprodukt gefunden, mit dem die Tektite als zufällige Neben- produkte Zusammenhängen könnten. Man kennt keine Übergänge zu irgendwelchen anderen Schlacken oder Gläsern. Die Moldavite bleiben , wie lange bekannt ist , nach Form und Stoff streng ge- sondert von allen sonst bekannten Schlacken und Gläsern , und haben außer der nahen chemischen Verwandtschaft auch die Rein- 576 F. E. Suess, heit des Glases mit den Vorkommnissen der außereuropäischen, kulturfernen Gebiete gemein h Ist es denkbar , daß der primitive Mensch Australiens in diluvialer oder vordiluvialer Zeit die Mittel besaß , so schwer schmelzbare Gläser zu erzeugen, und zwar in solcher Vollkommen- heit , daß niemals eine Spur des Ausgangsmaterials zurückblieb ?, daß er die Fähigkeit und die eigenartige Laune besessen haben sollte, gerade diese, und immer nur diese eigenartige chemische Mischung herzustellen ? Stoffliche Zusammensetzung. Anschließend an die Wiedergabe der Queenstownitaualysen in seinem Referate betont Prof. Berwerth folgenden Satz durch Ausruf: „Der Kieselsäure- gehalt der Tektite schwankt demnach zwischen 69 und 89%!“; auf der nächstfolgenden Seite spricht er von „der schwankenden, stöchiometrischen Gesetzen abgewandten Zusammensetzung der Tektite“. Beide Äußerungen zielen auf den Eindruck, daß die chemische Zusammensetzung der Tektite in weiten Grenzen un- bestimmt und regellos schwanke. Diese Meinung ist verwunder- lich, da das genaue Gegenteil aus den Analysen klar zu er- sehen ist. Die Tektite sind Körper von sehr scharfer chemischer Cha- rakteristik. Die allgemeine Verteilung der Stoffe, die Verhältnis- zahlen von Kieselsäure, Tonerde und Metallen ist im allgemeinen die gleiche wie in sauren Eruptivgesteinen, und genau nach den bei diesen herrschenden Gesetzen vollziehen sich die Verschiebungen der übrigen Stoffmengen, wenn der Säuregehalt zu- oder abnimmt. Die Stücke von einem Fundgebiete sind stofflich nicht mehr unter- schieden, als Proben von einem größeren Eruptivkörper, etwa von einem Lavastrom. Die Stoffmengen schwanken keineswegs zufällig, wie das an künstlichen Gläsern zu erwarten wäre. Dies darzutun, war das vornehmliche Ziel meiner Besprechung der Tektitanalysen im Jahre 1901, als noch die künstliche Deutung’ dieser Gläser im Vordergründe stand. Meine spätere Kritik (1914) wandte sich wieder gegen die andere Seite, gegen die neuerlich geäußerten Versuche, die Tektite für vulkanische Gläser zu erklären. Bereits Gesagtes soll hier nicht abermals ausgeführt werden ; ich verweise auf die ergänzten und z. T. richtiggestellten Analysen- tabellen und Diagramme, mit denen ich die Verwandtschafts- beziehungen der Tektite in den Mitteil. d. geol. Ges. 1914 dar- gestellt habe. Aber die Bemerkungen Prof. Berwerth’s veranlassen mich, wenigstens die Hauptpunkte an dieser Stelle besonders her- vorzuheben. 1 Wie mir Prof. R. Poch mitteilt, fehlt in der ganzen Südsee jede Spur von Metallschmelzung und Töpfereien, der beiden Fertigkeiten, welche als unerläßliche Vorstufen der Glaserzeugung gelten. Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden? 577 Die Zahlen für Kieselsäure in den einzelnen Tektitarten schwanken um folgende Werte: 8 Analysen von Australiten enthalten 69,80—77,72 % Si02. 2 „ „ Billitoniten „ 70, 92 u. 71,14 „ „ 7 „ „ Moldaviten „ 77,69—82,28 „ ,, 2 „ „ Queenstowniten „ 88,76—89,81 „ ,, 1 Man sieht, daß zum Zwecke einer richtigen Beurteilung der chemischen Verhältnisse die natürlichen Zusammenhänge im Auge zu behalten sind. Innerhalb der einzelnen Tektitarten sind die Schwankungen im Kieselsäuregehalte nicht größer, als innerhalb ■eines größeren einheitlichen Eruptivkörpers. Auch die Differenz von 8% Si0o zwischen den extremsten Australitanalysen über- schreitet nicht diese Grenze. Innige Gauverwandtschaft verbindet die drei Hauptarten der Tektite. Sie wird vor allem durch eben dieselben bezeichnenden chemischen Eigenheiten ausgedrückt, welche die Tektite von den irdischen Magmen unterscheiden. Zwei Merkmale stehen hier im Vordergründe. Das eine, schon von Högbohm bemerkt, ist der höhere Gehalt an Oxyden, von Magnesium und Eisen, als er irdischen Magmen von gleicher Azidität zukommt. Das zweite, noch auf- fälliger, schon von Hillebrand gelegentlich einer Australitanalyse bemerkt und auch von Summers beobachtet, betrifft das Verhältnis von Kalk und Alkalien. Durch das Überwiegen von Kali und Kalk über Natron, verbunden mit hohem Kieselsäuregehalt, ist jede Tektitanalyse von Analysen irdischer Eruptivgesteine sogleich zu unterscheiden. Es ist nicht möglich, daß alte Glasschmelzen aus den drei weit entfernten Gebieten in diesen feinsten Merkmalen so beharr- lich übereinstimmen. An eine zufällige Wiederkehr der gleichen Mischung kann nicht gedacht werden, und eine absichtliche Dar- stellung (zu einem unbekannten Zwecke) würde vollendetste che- mische Kenntnisse und Methoden verlangen. Bereits jede einzelne Eigenschaft der Tektite für sich: Ver- breitung, Lagerungsverhältnisse , geologisches Alter, Gestalt und Größe der Stücke, wie der hohe Schmelzpunkt des Glases und seine vollkommene Reinheit in allen Stücken und die Beständigkeit und Eigenart der stofflichen Zusammensetzung, die verschieden ist von der aller künstlichen Glasflüsse, widerspricht ihrer Deutung als beabsichtigte oder zufällige Erzeugnisse aus einer künstlichen Schmelze. 1 Wie bemerkt, ist der Kieselsäuregehalt der Queenstownite wahr- scheinlich durch Auslaugungsvorgänge erhöht. Ihre chemischen Beziehungen sind deshalb nicht so klar festzustellen. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1916. 37 578 E. Hennig, Kentrurosaurus, non Doryphorosaurus. Aber daß liier ein so erfahrener Gesteinskundiger noch einmal versucht hat, den künstlichen Ursprung für die Tektite in Anspruch zu nehmen, ist in anderer Hinsicht bemerkenswert. Man wird da- durch neuerlich darauf hingewiesen, welche Schwierigkeiten der Herleitung der Tektite von irdischen Vulkanen entgegenstehen. Gewiß, erst nach voller Würdigung dieser Schwierigkeiten hat sich Berwerth entschlossen, den anderen Erklärungsversuch heranzu- ziehen. Kentrurosaurus, non Doryphorosaurus. Von Edw. Hennig. Auf p. 511/12 dies. Centralbl. (Nr. 21 vom 1. Nov. 1916} bringt Fr. Baron Nopcsa für den von mir nur kurz und vorläufig bekanntgegebenen deutsch-ostafrikanischen Stegosaurier (der übrigens weniger der Unterkreide als hauptsächlich dem oberen Jura ent- stammt!) den Namen Doryphorosaurus in Vorschlag. Den vorher von mir aufgestellten Namen Kentrosaurus habe ich selbst aber in einer zweiten Mitteilung (Juni/Juli-Heft der Sitz.-Ber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin, p. 175 — 182) bereits in Kentrurosaurus abgeändert.. Der NopcsA’sche Gattungsname Doryphorosaurus wird dadurch also überflüssig und hinfällig. Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit die Anregung, daß grundsätzlich keine Namen oder Namenänderungen gegeben werden sollten ohne gleichzeitige Be- oder Überarbeitung bezw. gar ohne Kenntnis des Objekts. Ein bloßer Zufall hat diesmal mir die klare Priorität gewahrt. Andernfalls wäre Verwirrung in der Nomenklatur unvermeidlich gewesen. Einiges über Terminologie und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. Von C. Diener in Wien. Mit 12 Textfiguren. (Schluß.) Eine Suturformel , die nur die Loben verzeichnet , halte ich insofern für lückenhaft, als sie über das Auftreten eines Median- sattels erst dann Auskunft gibt, wenn in dessen Kopf ein Lobus erscheint, was bekanntlich in zahlreichen Fällen keineswegs zu- trifft. Es würde beispielsweise die Suturformel für Prodromites ■ C. Diener, Einiges über Terminologie etc. 579 ornatus Smith 1 und Hungarites Yatesi Hyatt et Smith 2 in Wede- kind’s Schreibweise nur die Signatur K für den Externlobus ent- halten, obwohl bei der ersteren Spezies ein Mediansattel fehlt, bei der zweiten stark entwickelt ist. Die Bezeichnung des Intern - lobus I ohne Ordnungsindex läßt uns darüber im unklaren, ob I als ein wirklich primäres Suturelement wie bei Oxynoticeras auf- tritt, oder relativ spät aus dem Zerfall eines Internsattels ent- standen ist, wie bei Indoceras. In der Einführung des Terminus „Umschlagloben“ liegt eine Inkonsequenz. Noetling hat durchaus folgerichtig den Internlobus und alle aus der Spaltung des primären Internsattels hervorgegangenen Lobenelemente bis zum primären Laterallobus mit der gleichen Signatur I bezeichnet. Da die Um- schlagloben vom Internlobus bei Indoceras genetisch nicht ver- schieden sind, so bedeutet die Einführung einer besonderen Signatur für die ersteren keine Verbesserung der NoETLiNG’schen Sutur- formel, durchbricht vielmehr die Konsequenz der ausschließlich auf das genetische Moment begründeten Bezeichnungsweise in der letzteren. Auch tragen Name und Signatur den Bedürfnissen einer wissenschaftlichen Nomenklatur, die für derartige Termini den klassischen Sprachen entlehnte Bezeichnungen fordert, keine Rech- nung. Dazu kommt noch, daß die Signatur U direkt mit der- jenigen in Konkurrenz tritt, die sich als die für den Umbilikallobus natürliche ergibt, über dessen Bedeutung sogleich noch zu sprechen sein wird. Im übrigen leidet Wedekind’s Terminologie an der gleichen Un Vollständigkeit wie jene Noetling’s , indem sie dem Auftreten primärer Lateralsättel und primärer interner Lateralloben bei der Mehrzahl angustisellater Ammoniten und dem gleichzeitigen Er- scheinen von acht Suturelementen in der zweiten Lobenlinie des Proarcestes bicarinatus unter den latisellaten Ammoniten keine Rech- nung trägt. In einem Punkte bezeichnet Wedekind’s Theorie der Diffe- renzierung der Suturlinie einen erheblichen Fortschritt gegenüber Noetling, in dem Nachweise der Bedeutung des Umbilikallobus. Wedekind hat zuerst im Jahre 1910 bei Simbirsbites gezeigt, daß von dem vierten Stadium der Suturentwicklung ab die weitere Vermehrung der Suturelemente nicht mehr durch Sattelspaltung, sondern durch Teilung eines Lobus entsteht, der sich mit dem primären Intern- , Lateral- und Externlobus in keinem morpho- genetischen Zusammenhang befindet, sich jedoch vor den übrigen Loben durch seine Lage auszeichnet , indem er durch die Naht 1 J. P. Smith, Carboniferous Ammonoids of North America. U. S. Geol Surv. Monographs. XLII. Washington 1903. PI. XXV fig. 8. 2 A. Hyatt et J. P. Smith, Triassic Cephalopod genera of America. U. S. Geol. Surv. Prof. Pap. No. 40. Washington 1905. PI. XX fig. 4. 37* 580 C. Diener, Einiges über Terminologie halbiert wird. Er hat später diesen unmittelbar auf oder an der Naht gelegenen Lobus, der durch Lobenspaltung differenziert wird, bei zahlreichen anderen Ammoniten nachgewiesen und als „Sutural- lobus“ bezeichnet. Dieser Name scheint mir nicht eben glücklich gewählt zu sein, da ja strenge genommen jeder Lobus als ein Abschnitt der ganzen Sutur des Septums ein Suturallobus ist. Es gibt zu Mißverständnissen Anlaß, wenn man in dem einen Falle unter Sutur die Grenzlinie des Septums gegen die Innenwand der äußeren Schale, im anderen Falle die Grenzlinie zwischen zwei Windungen des Gehäuses in der Nabelregion versteht. Auch die Signatur S ist irreführend, da sie von Noetling in seiner Abhandlung über Pseudosagecer as multi- lobatum in einem ganz anderen Sinne, nämlich zur Bezeichnung des zweiten Primärlobus angustisellater Ammoniten (interner Lateral- lobus Branca) verwendet worden ist. Besser dürfte daher die von Waagen und mir wiederholt angewendete Bezeichnung „Umbilikal- lobus“ (Signatur U) sich für diesen Lobus als lateinische Form des nur in deutscher Sprache üblichen Terminus „Nahtlobus“ empfehlen. Wedekind hält den „Suspensivlobus“ älterer Autoren für eine Modifikation des von ihm auf genetischer Grundlage definierten neuen Lobentypus. Er schreibt (dies. Centralbl. 1916, p. 189): „Der Lobus ZJX mit seinen so entstehenden Komponenten hat häufig ein so auffallendes Gepräge, daß er den meisten Ammonitenforschern nicht entgangen ist, die ihn indessen nur morphologisch betrachtet haben. Er entspricht dem Suspensivlobus vieler Ammoniten. Da aber als Suspensivlobus nur das Herabhängen bezw. Zurückspringen der Nahtloben bezeichnet wird, schlage ich vor, diesen Lobus als Suturallobus zu bezeichnen. Ich bemerke, daß der Suturallobus hängend, also suspensiv ist ( Stephanoceras , Perisphinctes), oder nicht hängend sein kann ( Oppelia , manche Parkinsonien).“ Geht man auf die ursprüngliche Definition des Terminus „Suspensivlobus“ zurück, so findet man, daß er für einen Loben- typus aufgestellt worden ist, dessen Hauptmerkmal keineswegs in der schräg herabhängenden Gestalt des Nahtlobus liegt. Der Name selbst ist 1882 von E. v. Mojsisovics für jenen Suturabschnitt bei Psiloceras und Schlotheimia in Vorschlag gebracht worden, bei dem nach Neümayr’s Erfahrungen die Senkung der Loben nach rück- wärts gegen die Naht sich nicht auf die Hilfsloben beschränkt, sondern auch noch den zweiten Laterallobus mit umfaßt. „Der zweite Laterallobus verschmilzt mit den Hilfsloben zu dem so- genannten Nahtlobus , als dessen • erste Einbiegung der zweite Laterallobus sonach erscheint. Es ist dies eine sehr bemerkens- werte Ausnahme von der Regel, daß der zweite Laterallobus die Form und Stellung besitzt wie der erste Laterallobus . . . und scheint die Bezeichnung „Suspensivlobus“ für solche aus verschieden- und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 581 artigen Elementen zusammengesetzte Nalitloben nicht unpassend zu sein“ L Von Gymnites, der ebenfalls einen lierabhängenden Nahtlobus besitzt, sagt E. v. Mojsisovics ausdrücklich: „Der zweite Lateral- lobus ist stets deutlich individualisiert. Suspensivloben sind daher nicht vorhanden. Wenn auf der Umbilikalseite eine Senkung der Loben eintritt, so umfaßt dieselbe, wie bei Pinacoceras , bloß die Auxiliarloben. “ Eine ähnliche Definition des Terminus „Suspensivloben“ wie E. v. Mojsisovics gibt Steinmann1 2. „Wenn der zweite Seiten- lobus“ — sagt er — „an Größe hinter dem ersten beträchtlich zuriickbleibt, dadurch den Charakter eines Hilfslobus annimmt und der Septalumschlag weit nach hinten zurückgeschlagen ist, so faßt man den zweiten Laterallobus und die äußeren Hilfsloben unter der Bezeichnung „Suspensivlobus“ zusammen.“ Das Wesen des Suspensivlobus besteht also nicht so sehr in der Anlage der Auxiliarelemente, die auffallend nach hinten ge- zogen zur Naht herabhängen, als in deren Verschmelzung mit dem zweiten Laterallobus. Wenn Wedekind betont, es sei ihm keine einzige der zahlreichen Ammonitenarbeiten bekannt, die „wissen- schaftlich“ auf den Suspensivlobus eingehe, so kann man ihm mit Recht entgegenhalten, daß er selbst das Hauptmerkmal eines Suspensivlobus nicht erkannt und durch seine Verwechslung mit dem Suturallobus nur Ver- wirrung angerichtet hat, wie sogleich gezeigt werden soll. Zu den mit einem echten Suspensivlobus versehenen Am- moniten gehören auch zahl- reiche Arten des Genus Peri- sphindes Waag.3. Als ein Bei- spiel greife ich Perisphindes Martelli Opp. heraus , dessen Suturlinie in der nebenstehen- den Figur nach Siemiradzki (1. c. p. 268, Fig. 61) reproduziert ist. Das bezeichnende Moment der innigen Verschmelzung des zweiten Laterallobus mit den Auxiliären 1 E. v Mojsisovics, Cephalopoden der Mediterr. Triasprovinz. Abhandl. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. X. 1882. p. 231. 2 Elemente der Paläontologie. 1890. p. 383. 3 Vergl. insbesondere Siemiradzki, Monographische Beschreibung der Ammonitengattung Perisphindes. Palaeontographica. XLV. 1898/99. Textfig. 2, 3, 4, 5, 7, 8, 16, 19, 22, 29, 30, 32, 35, 46, 48, 51, 53, 55, 56, 57, 61, 62, 69, 71, 72, 74, 75, 80, 82. Fig. 7. Suturlinie eines erwachsenen Exem- plars von Perisphindes Martelli Opp. Nach Siemiradzki. 582 C. Diener, Einiges über Terminologie fällt auf den ersten Blick ins Auge. Vergleicht, man mit dieser Figur die Entwicklung der Sutur eines mitteljurassisclien Peri- sphinctes, wie sie Wedekind in Fig. 4 (p. 190) seiner oben zitierten Arbeit zur Abbildung bringt, so sieht man, daß die Entstehung des zweiten Laterallobus Un von jener des Suturallobus Ul ganz unabhängig ist, daß somit gerade die Herausbildung jenes Merk- mals, das den Nahtlobus von Perisphincte s überhaupt erst zu einem Suspensivlobus macht, nämlich die Verschmelzung des zweiten Laterallobus Un mit der Auxiliarserie, in keinerlei Beziehung zu dem Suturallobus steht. Die Entwicklung eines Suspensivlobus hat daher mit einer Differenzierung des Suturallobus nichts zu tun1. Fig. 8. Entstehung eines suspensiven Suturallobus bei Perisphinctes. Ui wird zum Suturallobus. Nach Wedekind (dies. Centralbl. 1916, p. 190). Ebensowenig als in bezug auf die Deutung des Suspensiv- lobus vermag ich Wedekind in seiner Auffassung des Terminus „Adventivloben“ beizustimmen. Er sagt (1. c. p. 191): „Wo der Außensattel sich differenziert, spaltet er nach der einfachen, ventro- partiten Lobenspaltung. Alle diese aus dem Außensattel hervor- gegangenen Loben nenne ich , dem allgemeinen Brauche folgend, Adventivloben und bezeichne sie mit A I} An usw.“ Wedekind ist im Irrtum, wenn er glaubt, in seiner Noetling entlehnten Beschränkung des Terminus „Adventivloben“ auf die 1 E. v. Mojsisovics ist durch seine klare Definition des Suspensivlobus auf diesen „wissenschaftlich“ wohl näher eingegangen als Wedekind, dessen Versuch einer genetischen Deutung des Suspensivlobus einen ganz anderen Suturabschnitt im Auge hat. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 583 ■aus dem Zerfall des Externsattels hervorgegangenen Suturelemente einem allgemeinen Brauche zu folgen. Die überwiegende Mehrzahl der Ammonitenforscher — ich nenne nur E. v. Mojsisovics, Holz- apfel, Clarke, Frech, Waagen, Gr. v. Arthaber, F. v. Hauer, Hyatt, J. P. Smith, A. v. Krafft, Simionescu, Kossmat, J. Boehm, Douville, Pervinqiere und mich — haben stets den Terminus ,, Adventivloben“ gleichmäßig auf alle wohlentwickelten über- zähligen externen Seitenloben angewendet, gleichgültig, aus welchen Abschnitten der Normalsutur dieselben hervorgegangen sind. In meiner Abhandlung „Über Ammoniten mit Adventivloben“ 1 habe ich gezeigt, daß Noetling’s Übertragung des Terminus „Adventiv- loben“ auf die aus einer Teilung des primären Externsattels ent- standenen Suturelemente 2 den Pegeln der historischen Priorität widerstreitet und daß es , von der ursprünglichen Definition des Ausdruckes „Adventivloben“ durch E. v. Mojsisovics im Jahre 1873 ausgehend, unzulässig ist, überhaupt ein genetisches Moment in diese Definition hineinzutragen. Adventivelemente können in sehr verschiedenen Abschnitten der normalen Suturlinie ihren Ursprung haben. Eine mit ihnen ausgestattete Ammonitensutur habe ich als „hochspezialisiert“ bezeichnet. Als maßgebend für eine wissenschaft- lich begründete Terminologie der einzelnen Abschnitte einer solchen hochspezialisierten Suturlinie erachte ich die Tatsache, daß Adventiv- elemente, wie schon im Sinne des Wortes liegt, gegenüber den Haupt- lohen neu hinzugekommene jüngere Suturelemente darstellen. Einem Ammoniten mit Adventivelementen können Hauptloben als die älteren primären Suturelemente niemals fehlen und müssen daher als solche in der Terminologie der Suturlinie zunächst gekennzeichnet werden. Was die Behauptung betrifft, daß der Außensattel sich bei seiner Differenzierung nach dem Gesetz der einfachen ventropartiten Lobenspaltung teile, so ist sie vorläufig noch unerwiesen. An Präparaten von Pompeckjites Layeri Hau. konnte ich die Suturlinie bis zu einer Windungshöhe von 7 mm verfolgen. In diesem Stadium sind außerhalb des dimeroid geteilten Sattelgipfels zwei gleichfalls dimeroide, wohl individualisierte Adventivsättel vorhanden. Aus der dimeroiden Spaltung des Sattelgipfels geht bei einer Win- dungshöhe von 8 mm ein dritter Adventivsattel hervor3. Diese Beobachtung spricht viel mehr für eine dorsopartite als für eine ventropartite Sattelspaltung. Wahrscheinlich ist auch in dieser Pichtung die Mannigfaltigkeit sehr groß, so daß sich mit den von Noetling formulierten „Gesetzen“ der Lobenspaltung in der Praxis wenig anfangen lassen dürfte. 1 Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien. XCIII. 1915. p. 1—61. 2 F. Noetling, Palaeontographica. LI. p. 285. 3 C. Diener, Über Ammoniten mit Adventivloben. Denkschr. 1. c. p. 51. Taf. II, Fig. 14. 584 C. Diener, Einiges über Terminologie Steht Wedekind’s Beschränkung des Terminus „Adventiv- loben“ auf Elemente eines primären Externsattels mit der ursprüng- lichen Definition dieses Ausdruckes in Widerspruch, so liegt in seiner Einführung einer besonderen Signatur A ein Verstoß gegen das angeblich so hoch gehaltene genetische Prinzip in der Termino- logie der Suturabschnitte. Noetling war in dieser Hinsicht durchaus konsequent, indem er alle aus dem Zerfall des primären Externsattels e entstandenen Loben mit der Signatur E bezeiclinete. In der Tat sind alle aus einem Zerfall des primären Externsattels, bezw. aus dessen Dependenzen hervorgegangenen Suturelemente ihrer Entstehung nach ebenso gleichwertig wie jene, die aus einer Teilung des primären Internsattels hervorgehen. Die Ablehnung' einer Trennung externer und interner Auxiliarloben oder der Schei- dung von Lateral- und Hilfssätteln mit Berufung auf das genetische Moment als das für eine wissenschaftliche Terminologie der Am- monitensutur allein maßgebende Prinzip entbehrt jeder Begründung, wenn man auf der anderen Seite nur einen der aus dem Zerfall des primären Externsattels c entstandenen Loben mit E, die übrigen mit A bezeichnet. Von einer Terminologie, die der bisher üblichen an Wissenschaftlichkeit angeblich überlegen sein soll, darf doch zum mindesten erwartet werden, daß sie die Suturabschnitte inner- halb und außerhalb des primären Laterallobus mit dem gleichen Maße mißt. Noetling und Wedekind rühmen als den Hauptvorzug ihrer neuen Terminologie der Ammon itensutur , daß sie die wirklich homologen von den nur analogen Lobenelementen zu unterscheiden gestatte, weil sie ausschließlich auf das Studium der ontogeneti- schen Entwicklung der Suturlinie begründet sei. Daß das Studium der letzteren keineswegs zu durchaus eindeutigen Ergebnissen führt, konnte schon aus der Kritik ersehen werden, die ich an Noet- ling’s Theorie der Differenzierung der Suturlinie bei angustisellaten Ammoniten zu üben Veranlassung hatte. Wer sich einmal selbst mit der Präparation von Suturen auf den innersten Windungen eines Ammoniten versucht hat, wird in gar manchen Fällen an der Möglichkeit einer sicheren Entscheidung über den Ursprung eines neuauftretenden Suturelements zu zweifeln geneigt sein. Da Wedekind’s Untersuchungen vorwiegend Goniatiten zum Gegen- stand haben, sollen hier einige Fälle erörtert werden, in denen man über die Deutung der goniati tischen Suturlinie sehr verschie- dener Meinung sein kann. Noetling und Wedekind gehen bei ihrer Terminologie der Ammonitensutur von der Voraussetzung aus, daß ein neues Sutur- element entweder aus der Teilung eines primären Lobus oder Sattels entstehe, und daß zwischen diesen beiden Arten der Spaltung stets eine reinliche Scheidung möglich sei. Die letztere Voraussetzung trifft indessen nur in jenen Fällen zu, in denen die Spaltung sich und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 585 im Grunde des Lobus oder am Kopf des Sattels vollzieht. Wenn jedoch das neuauftretende Suturelement in der den Lobengrund mit dem anstoßenden Sattel verbindenden Flanke erscheint, so wird die Entscheidung der Frage, ob Loben- oder Sattelspaltung vorliegt, von der subjektiven Auffassung, oder — wie E. v. Mojsisovics das zarter umschrieben hätte — von dem paläontologischen Takt- gefühl des Beobachters abhängig. Einige Beispiele werden am besten dazu dienen, dem Leser die Sache klar zu machen. Branca hat in seinen wiederholt zitierten „Beiträgen zur Ent- wicklungsgeschichte der fossilen Cephalopoden“ auf Taf. IV, Fig. I (Palaeontographica. XXVII. 1890) eine Darstellung der ersten Suturen von Glyphioceras diadcma Gdf. gegeben. Wedekind (Ober- carbonische Goniatiten, 1. c. p. 9) sagt mit Bezug auf diese Ab- bildungen ( l , m, n bei Branca), daß sie ein sehr deutliches Bild der Entstehung der verschiedenen Loben geben. „Der lateral ge- legene primäre Laterallobus tritt deutlich hervor. Zunächst ent- steht ein innerer Lobus durch Teilung des Innensattels und dann ein kleiner und jüngster Lobus, der auf der Naht liegt.“ Die Lage des Laterallobus in der zweiten Sutur erscheint mir eher umbonal als lateral. Die Deutung der Entstehung der Suturelemente in der Sutur m ist insofern unsicher, als l zwar die dritte, m aber nicht die vierte, sondern eine spätere Sutur dar- stellt, wir also über das Verhältnis des hohen, dem Internlobus benachbarten Sattels und des niedrigen, an den primären Lateral- lobus L anschließenden, durch den Umbilikallobus geteilten Sattels nichts Bestimmtes aussagen können. Fig. 9. Die vier ersten Suturen von Glyphioceras incisum Hyatt. Nach J. P. Smith. Vergleichen wir nun diese Verhältnisse mit jenen bei Glyphio- ceras incisum Hyatt, die J. P. Smith 1 in der hier reproduzierten Abbildung dargestellt hat, so gelangen wir zu wesentlich anderen 1 J. P. Smith, The development of Glyphioceras and the phylogeny of the Glyphioceratidae. Proceed. Californ. Ac.ad. sei. 3. ser. Vol. I. San Francisco 1897. PI. XV. 586 C. Diener, Einiges über Terminologie Ergebnissen. Der Laterallobus hat in der zweiten Sutur eine aus- gesprochen umbilikale Lage. Aus seinem Boden wächst in der dritten Sutur der flache Lateralsattel empor. Daß dieser Lateral- sattel als eine Dependenz des Laterallobus und nicht als Spaltungs- produkt eines Internsattels aufzufassen ist, geht schon aus der Tatsache hervor, daß der ihn nabelwärts begrenzende Lobus ein wenig tiefer steht als der Laterallobus. Übrigens kann ich mich für meine Auffassung dieses in der dritten Sutur neuauftretenden Sattels als eines Zerfallsproduktes des primären Laterallobus auf J. P. Smith selbst berufen, der (1. c. p. 117) das paranepionische Stadium in der Sutur von Glijphioceras incisum als dasjenige be- zeichnet, „when the broad lateral lobes become indented with a pair of lateral saddles“. Ich schreibe demgemäß die Suturformel des vierten Septums von Glyphioceras incisum , wie folgt : Bei Manticoceras calculiforme Beyr. bildet sich der Lateral- sattel, wie Branca’s Abbildungen (Palaeontographica. XXVII. Taf. VI, Fig. I) zeigen, nicht aus dem Kopf, sondern aus der Flanke des Internsattels , allerdings in so bedeutender Höhe über dem Grunde des Laterallobus , daß man ihn als eine Dependenz des Internsattels auffassen muß. Dagegen scheint mir bei der von Branca (1. c. Taf. VI, Fig. III) unter dem Namen Goniatites bisiilcatus Poem, abgebildeten Spezies die Frage der Entstehung des Lateralsattels eher zugunsten einer Spaltung des Laterallobus entschieden werden zu müssen. Ich glaube nicht, daß es möglich sein dürfte, aus der nebenstehenden Abbildung einen Beweis gegen die Richtigkeit meiner Auffassung herzuleiten, daß der Lateral- sattel in der Sutur i aus einer Teilung des Laterallobus und nicht aus einer solchen des Internsattels in der Sutur h hervorgegangen sei. Ich halte mich daher berechtigt , die Suturformel für diesen Goniatiten 2 + ei + A2 -j- l2 -j- L2 etc. Fig. 10. Drei Suturen des Goniatites bisiilcatus Roem. Nach Branca. und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 5£7 2 “h ei "I- A + h + -^3 + h ~b zu schreiben. Sehr interessant ist die Entwicklung der Suturlinie bei Gonia- tites ( Beyrichoceras) micronotus Phel. Wedekind hat sie nach Bramca’s Darstellung vollkommen zutreffend gedeutet. Es kann für diese Form wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der primäre Laterallobus als Umbilikallobus angelegt wird und daß der erste Laterallobus im Sinne L. v. Buch’s aus einer späteren Teilung des zu gewaltiger Breite anschwellenden Externsattels hervorgeht. Die Lage des Einschnittes im Sattelkopf der Sutur h in Branca’s Fig. IV (Taf. VI) läßt keine andere Deutung zu. Nicht angemessen Fig.ll. I., 1L, III., VII. u. VIII. Sutur Fig. 12. Die vier ersten Suturen von Beyrichoceras micronotus Phil. von Goniatites crenistria Phil. erscheint mir dagegen die gleiche Deutung für die Entstehung des analogen Laterallobus bei Goniatites crenistria Phil. Auch hier liegt nach der Darstellung von J. P. Smith1 2 der primäre Lateral- lobus umbonal. Der auf der Seitenfläche gelegene Lobus erwach- sener Exemplare entwickelt sich jedoch nicht aus einer Teilung des Externsattels, sondern schon im dritten Septum aus dem primären Laterallobus selbst. Wenigstens erhalte ich diesen Ein- druck aus der Darstellung von J. P. Smith, die den Externsattel ganz unverändert läßt. Da noch in der vierten Sutur (ß) der den neugebildeten Sattel am Nabelrand begrenzende Lobus der tiefere 1 Der Externlobus ist bei dieser Form wie auch sonst bei einzelnen asellaten Goniatiten ein primäres, schon in der Embryonalsutur angedeutetes Lobenelement (vergl. Branca, 1. c. p. 25). 2 J. P. Smith, Carboniferous Ammonoids of America. 1. c. PI. XVI fig. 1. Nach Branca. Nach J. P. Smith, 588 C. Diener, Einiges über Terminologie ist, so darf man ihn wohl mit Recht als den primären, umbilikal gelegenen Laterallobus an sprechen. Wäre er aus einer Teilung* des Internsattels hervorgegangen , so müßte er als ein jüngerer Lobus weniger tief sein 1. Dieser Ansicht ist offenbar auch J. P. Smith, da er (1. c. p. 72) bemerkt, daß im paranepionischen Stadium die breiten Lateralloben eine Teilung durch Sättel erfahren. Die Suturformel wäre also in diesem Stadium folgendermaßen zu schreiben : *f + e, + L3 + h + Ls etc., bei Beyrichoceras micronotus hingegen : ^ + es + Es + e3 + L, etc. Die Schwierigkeit einer sicheren Deutung der neu entstandenen Suturelemente liegt, abgesehen von der Kleinheit der Objekte, in der sprunghaften Entwicklung der Lobenlinie. Gelegentlich er- scheint ein neues Element in einem bestimmten Septum , ohne in dem vorhergehenden Septum angedeutet zu sein. Dann ist seine Deutung als eine Dependenz eines älteren Lobus oder Sattels mehr oder weniger dem subjektiven Ermessen des Beobachters anheim- gestellt. Es darf aber wohl überhaupt die Frage aufgeworfen werden, ob den kleinen Abweichungen in der Entstehung der ersten Sutur- elemente nicht ein zu hoher systematischer Wert beigemessen wird, wenn man sie wie Wedekind sogar zur Abtrennung von Familien (Glyphioceratidae — Gastriocer atidae) heranziehen will. Auch ist bisher der Beweis noch nicht erbracht worden, bei der Schwierig- keit der Präparation der innersten Windungen eines Ammoniten in absehbarer Zeit wohl auch kaum zu erbringen, daß der Art der Lobenentwicklung in den ersten Septen wirklich ein so hoher Grad von Beständigkeit zukommt, um ihre, andere systematische Merkmale überragende Bewertung zu rechtfertigen. Wenn man annimmt, daß in diesem Punkte geringere Variabilität herrsche als in anderen Beziehungen, so ist eine ausreichende Grundlage für diese Annahme, strenge genommen, nicht vorhanden, da es vorläufig wenigstens noch an Anhaltspunkten für eine Beurteilung des Grades von Beständigkeit fehlt, welche in dieser Hinsicht bei äußerlich ähnlichen Formen herrscht. Bei dieser Gelegenheit mag noch ein Punkt erörtert werden, in dem Wedekind’s Terminologie der Ammonitensutur mit der 1 Vergl. Wedekind’s Bemerkungen über die Lobenentwicklung bei Simbirsicües (1. c. p. 98). „Da bei Jugendwindungen der zuletzt gebildete Lobus naturgemäß der kleinste ist, so kann er auch auf der Septalfläche ohne weiteres als neues Lobenelement erkannt werden.“ und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 589 sonst üblichen in Konflikt gerät. Er betrifft die Bezeichnung des Laterallobus im Sinne L. v. Buch’s bei Beyriclioceras micronotus und Tornoceras simplex, d. h. bei Formen mit umbonal gelegenem pri- märem Laterallobus, deren eigentlicher Seitenlobus aus einer Spal- tung des Externsattels in sehr frühen Entwicklungsstadien der Sutur hervorgeht. Wedekind 1 bezeichnet diesen Lobus, der schon im Adoleszenten- stadium an Tiefe dem Externlobus gleich ist und die Funktion eines einzigen wirklichen Seitenlobus übernimmt , als Adventivlobus. Legen wir Branca’s Abbildung der Suturlinie von Beyriclioceras micronotus bei einem Durchmesser von 13 mm (Taf. IY, Fig. IV 1) unseren Betrachtungen zugrunde, so würde die Suturformel nach Wedekind lauten : M, E, AI: Lu, bezw. nach Noetling: m4 -j- Ea ez-\- Es -j- e3 + L{ Auch hier verdient Noetling’s Terminologie den Vorzug, weil sie ganz klar die Entstehung des Lobus Es aus dem Externsattel zum Ausdruck bringt und in der Suturformel eine besondere Signatur vermeidet. Bei der Aufstellung des Terminus „Adventivloben“ ist zunächst so wenig als bei L. v. Buch’s und A. d’Orbigny’s Be- zeichnungen „Lateralloben“ oder „Hilfsloben“ ein genetisches Moment ins Auge gefaßt worden. Die Anwendung der Termino- logie Wedekind’s würde in diesem Falle zur Folge haben, daß beyriclioceras micronotus bei einem Durchmesser von 13 mm gar keinen Laterallobus außerhalb der Naht besitzt, also überhaupt nur einen einzigen Hauptlobus im Sinne L. v. Buch’s, nämlich den Externlobus. Kein Ammonitenforscher hat bisher den Terminus Adventivlobus“ in einem solchen Sinne ausgelegt. Man hat von Adventivelementen genau wie von Auxiliarelementen stets nur als von Sutureleinenten gesprochen, die neben den Hauptelementen auftreten, nicht aber diese ersetzen. Unsere bisher übliche Ter- minologie und Einteilung der Ammonitensutur geht von morpho- logischen Merkmalen aus; es ist daher nicht statthaft, den bisher in einem ganz bestimmten Sinne verwendeten Bezeichnungen eine andere Bedeutung unterzuschieben, indem man an Stelle der bis- herigen morphologischen die genetische Betrachtungsweise setzt. Der Seitenlobus eines ausgewachsenen Exemplars von Beyriclio- ceras micronotus ist unzweifelhaft der erste Laterallobus im Sinne L. v. Buch’s, funktioniert auch in der Sutur als solcher und kann daher dieser Bezeichnung in der Diagnose nicht aus dem Grunde verlustig gehen, weil seine Entstehung eine andere ist als bei Goniatites crenistria oder bei Glypliioceras diadema. Wohl aber 1 Beiträge zur Kenntnis der oberkarbonischen Goniatiten. 1. c. p. 11. 590 C. Diener, Einiges über Terminologie kann die verschiedene Entstelmngsweise in einer Suturformel ihren Ausdruck finden, die wie jene Noktling’s ausschließlich das gene- tische Moment berücksichtigt, in der aber dann Adventivelemente ebensowenig wie Auxiliarelemente durch besondere Signaturen ge- kennzeichnet werden dürfen. Mit anderen Worten: Berechtigt sind beide Einteilungen der Ammonitensutur, jene L. v. Buch’s, die von der fertigen Loben- linie ausgeht und deren morphologische bezw. ethologische Ver- hältnisse der Diagnose zugrunde legt, und jene Noetling’s, die allein das genetische Moment berücksichtigt und jedes einzelne Lobenelement nur mit Rücksicht auf die Art und Zeit seiner Ent- stehung mit einer entsprechenden Signatur bezeichnet. Unstatthaft aber ist die von Wedekind versuchte, angeblich zur Vereinfachung' der NoETLiNG’schen Suturformel ersonnene Vermischung beider Einteilungsprinzipien . Ich kann in einer Suturformel sehr wohl zum Ausdruck bringen, daß der erste Laterallobus von Beyrichoceras micronotus, der auf diese Bezeichnung genau denselben Anspruch hat wie der erste Laterallobus von Goniatites crenistria, aus einem Zerfall des primären Externsattels hervorgegangen und nicht mit dem primären Lateral- lobus identisch ist, aber ich darf ihn so wenig einen Adventiv- lobus nennen, als ich dem Nabellobus, d. i. dem primären Lateral- lobus, den Namen „Erster Laterallobus“ im Sinne der üblichen Terminologie beilegen darf. Morphologisch betrachtet besitzen beide hier genannten Ammonitenspezies ganz gleichmäßig einen Externlobus, einen Externsattel, einen Laterallobus, einen Lateral- sattel und einen Naht- oder Umbilikallobus. Die genetische Betrachtungsweise ergibt für die äußere Schalenhälfte des Goniatites crenistria den Besitz eines aus der Teilung eines primären Extern- sattels hervorgegangenen Externlobus, eines Externsattels, eines primären Laterallobus und eines aus der Spaltung eines ursprüng- lichen Internsattels entstandenen Sattels und Lobus (des Umbilikal- lobus), für Beyrichoceras micronotus hingegen den Besitz von zwei aus dem primären Externsattel in zwei verschiedenen Entwicklungs- stadien der Sutur hervorgegangenen Loben und Sätteln und des primären Laterallobus (des Umbilikallobus). Fassen wir die Ergebnisse dieser kritischen Untersuchungen zusammen, so scheinen mir aus denselben die folgenden Tatsachen hervorzugehen. Für die Diagnose der Ammonitengenera dürfte auch fernerhin die bisher übliche auf den Arbeiten L. v. Buch’s und A. d’Orbigny’s beruhende Einteilung und Terminologie der Suturlinien beizubehalten sein. Sie wird gelegentlich mit Vorteil durch die neue, ausschließlich das genetische Moment berücksichtigende Einteilung und Terminologie Noetling’s ergänzt, aber keineswegs ersetzt werden können. Un- zweckmäßig erscheint mir dagegen eine Terminologie, die durch und Entwicklung der Lobenelemente in der Ammonitensutur. 591 die Einführung von Bezeichnungen wie Umschlagloben, Adventiv- loben die Einheitlichkeit der genetischen Betrachtungsweise stört. Eine bemerkenswerte Schwäche der auf das genetische Moment gegründeten Terminologie der Suturelemente liegt — abgesehen von den Schwierigkeiten in der Praxis — in der Unmöglichkeit, auf diesem Wege nur wirklich homologe Elemente zu erhalten, wie dies von Noetling und Wedekind erwartet worden ist. Die Lateral- elemente latisellater und angustisellater Ammoniten sind nicht homolog. Auch die primären Externloben gewisser asellater Goniatiten sind den Externloben aller übrigen Ammoniten nicht homolog, bei denen der Externlobus erst in der zweiten Sutur aus einem Zerfall des primären Externsattels sich bildet. Denn bei den letzteren ist der Extern- sattel, bei den ersteren der Externlobus das primäre Suturelement. Eine weitere Schwäche liegt darin, daß in nicht wenigen Fällen dem paläontologischen Taktgefühl des Beobachters die Entscheidung der Frage überlassen bleiben muß, ob ein neu gebildetes Sutur- element der Spaltung eines Sattels oder eines Lobus seine Ent- stehung verdankt. Für die Exaktheit einer Suturformel erscheinen mir Ordnungs- indizes unerlässlich. In Anbetracht des sehr verschiedenen Ver- haltens der Ammonitengenera in dieser Richtung ist es keineswegs gleichgültig, festzustellen, in welcher Entwicklungsphase der Sutur Mediansattel oder Internlobus sich gebildet haben. Auch in diesem Punkte verdient daher Noetling’s nach den hier mitgeteilten Vor- schlägen modifizierte Bezeichnungsweise vor jener Wedekind’s den Vorzug. Unbedingt notwendig jedoch erscheint es mir, die aus der alten und neuen Einteilung und Terminologie der Ammonitensutur sich ergebenden Bezeichnungsweisen strenge getrennt zu halten und keinen der guten alten Termini seiner ursprünglichen Bedeutung durch Verwendung in einem abweichenden Sinne zu berauben. Das gilt vor allem für die Ausdrücke : Erster Laterallobus und Adventivloben. Nicht jeder erste Laterallobus ist zugleich der primäre Laterallobus. Von Gesetzen der Lobenentwicklung im Sinne Noetling’s zu sprechen, scheint mir in Anbetracht der Mannigfaltigkeit der Er- scheinungen, die ein bestimmtes Gesetz beinahe ausschließen, nicht am Platze. Sattelspaltungen vollziehen sich bald nach dem ventro- partiten, bald nach dem dorsopartiten, bald nach dem alternierenden Typus. Hauptelemente treten teils in derPrimärsutur, teils in jüngeren Entwicklungsstadien zu verschiedenen Zeiten zum ersten Male auf. Die Entstehung des Externlobus ist in der Regel an die zwreite Sutur gebunden, dennoch ist bei manchen asellaten Goniatiten der Extern- lobus das erste und einzige primäre Suturelement. Der Internlobus tritt bald als ein primäres, bald als ein Suturelement jüngerer Ordnung auf. Der Mediansattel wird manchmal schon in der zweiten Sutur zu- 592 C. Diener, Einiges über Terminologie etc. gleich mit dem Externlobus sichtbar, in der Regel jedoch erst später. Vielen paläozoischen Goniatiten fehlt er bekanntlich vollständig. Ein Lateralsattel und ein interner Laterallobus können bei angusti- sellaten Ammoniten primäre Suturelemente sein und dann entweder persistieren oder in der zweiten Sutur wieder verschwinden. Aus jedem primären Lobus und Sattel — mit alleiniger Ausnahme des Internlobus, dessen Gegensattel doch kaum jemals die Bedeutung eines selbständigen Suturelements erreicht — können durch Teilung neue Suturelemente zu sehr verschiedenen Zeiten hervorgehen. Aber auch unter den aus einem Zerfall des primären Internsattels entstandenen Loben besitzt mindestens einer — Wedekend’s Sutural- lobus — die Fähigkeit, sich weiter zu spalten, während sonst in der Region zwischen Laterallobus und Internlobus die Teilung ein Vorrecht der Sättel zu sein scheint. Dabei muß stets die Tatsache im Auge behalten werden, daß es ontogenetische Beobachtungen an einer im Vergleich zur Gesamt- zahl der Ammoniten verschwindenden Menge von Spezies sind, die uns bereits eine solche Mannigfaltigkeit des Modus der Loben- entwicklung kennen gelehrt haben. Man darf daher wohl mit Recht annehmen, daß diese Mannigfaltigkeit durch die bisher bekannten Typen noch keineswegs erschöpft ist. Nachschrift. In der am 1. November 1916 ausgegebenen No. 22 dieses Centralblattes finde ich in einer Arbeit Wedekind’s „Zur Systematik der x\mmonoidea“ eine Erwiderung auf meine Kritik seines Entwurfes einer Ammoniten Systematik. Da es mir nach der Meinung des Autors leider versagt blieb, den eigentlichen Sinn seiner Ausführungen zu verstehen (p. 534), erscheint mir eine Polemik mit ihm zwecklos. Der Leser, der unsere beiden Ab- handlungen aufmerksam miteinander vergleicht, wird ohnehin finden, daß Wedekind nur in unwesentlichen Punkten einen Widerspruch erhebt, der zumeist einen Streit um Worte (Adventivkerben!) dar- stellt, jedoch gerade auf die wichtigsten Einwände gegen seine Systematik überhaupt nicht eingeht. Ich sehe keinen Anlaß, von den Grundgedanken meiner Arbeit abzugehen, nämlich: 1. Die Hauptabteilungen der Ammoniten können nur auf Grund ihrer stammesgeschichtlichen Entwicklung ermittelt werden und lassen sich nicht in den Rahmen von Diagnosen einpressen, die aus dem Studium eines Einzelmerkmals abgeleitet worden sind. 2. Zwischen Sutur und Inzision besteht nur ein gradueller Unterschied. Adventiv- loben gehen aus ursprünglichen Inzisionen der Hauptelemente her- vor, und es ist lediglich Sache des Sprachgebrauches, ob man in Grenzfällen den einen oder anderen Terminus zur Anwendung bringen will. 3. Die Mannigfaltigkeit der Inzisionen wird durch die Aufstellung eines unipolaren und bipolaren Typus nicht er- schöpft. Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie in Verbindung mit dem Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie Herausgegeben von M. Bauer f, Fr. Frech f, Th. Liebisch in Marburg in Breslau in Berlin Jahrgang 1917 Mit zahlreichen Figuren im Text STUTTGART 1917 E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhan dlung (Erwin Nägele) Alle Rechte, auch das der Übersetzung, Vorbehalten. Druck der K. Hofbuchdruckerei Zu Gutenberg (Klett & Hartmann), Stuttgart- Inhalt. Original-Mitteilungen an die Redaktion. Seite Beckenkamp, J. : Kristallstruktur and chemische Valenz .... 97 — Ueber die Struktur der kristallisierten Formen des Silicium- dioxyds Si02, des Eisenbisulfids FeS,, des Zinksulfids ZnS und des Calciumcarbonats 353. 393 — Zur Struktur der Mineralien der Calcit- und der Aragonit- Reihe ... 25 Berberich, Paul: Ueber Justierung schlecht reflektierender Kristalle 1 Bergt, W. : Die Stellung der Gabbroamphibolite des sächsischen Granulitgebirges im System der Eruptivgesteine 487 B er werth, F. : Können die Tektite als Kunstprodukte gedeutet werden? (Eine Bejahung) 240 Blanck, E. : Ueber den Stickstoffgehalt des Phonoliths 308 Bock, Hermann: Der Korallenfundpunkt im Lurloch bei Semriach 137 Broil i, F. : Eine neue Crustaceen- (Mysidaceen-) Form aus dem litho- graphischen Schiefer des oberen Jura von Franken 426 Brouwer, H. A. : Studien über Kontaktmetamorphose in Nieder! - Ostindien 477 Bruhns. W. und Werner Mecklenburg: Ueber die sogenannte Kristallisationskraft 123 Busz, K. und M. Water kamp: Monazitführender Granit aus dem Trachyttuff von Königs winter 169 Deecke, W.: Die Trias der Schweizer Alpen und damit zusammen- hängende Fragen 5 Diener, C. : Ueber eine neue Art des Genus Gymnites (G. spiniger) aus dem bosnischen Muschelkalk 110 Doelter, C.: Zur Frage nach der Zusammensetzung der Pyroxene 185 Dornyay, Bela: Zur Altersfrage des „Chocsdolomites“ ..... 179 Friren, Nachruf für August 310 Fromme, J. : Analyse des Gadolinits des Badautals . 305 Grandinger, H.: Ein neues Vorkommen von Kieseritkristallen . 49 Grühn, A. und A. Johnsen: Künstliche Schiebung im Rutil . . 366 Haarmann, Erich: Zur tektonischen Geschichte Mexikos .... 176 Hilber, V.: Das Geschlecht der Gattungsnamen auf ites .... 310 Huene, F. v. : Eine interessante Wirbeltierfauna im Buntsandstein des Schwarzwaldes 89 J aekel, Otto: Mein Schlußwort zu den Angriffen der Herren Branca und Pompeckj gegen mich und meine Richtung in der Palä- ontologie 374 IV Inhalt. Seite Johnsen, A. : Die einfachsten Bahnen der Atome während der Schiebungen im Eisenglanz und Korund 433- — Ueber die Bedeutung der OsTWALD’schen Impfschwelle ... 87 Kalb, Georg: Gesetzmäßige Kristallisation des Natriumchlorids auf Glimmer 145 K r ä u s e 1 , R. : Heber die Variation der Blattform von Ginkgo biloba L. und ihre Bedeutung für die Paläobotanik 63 Lach mann f, R. : Ekzeme und Tektonik 414 Lange, Erich: Trigonia Smeei Sowerby und ihre horizontale Ver- breitung 492 Leidhold, Gl.: Ueber die Verbreitung der Ostrakoden im Unter- devon rheinischer Fazies 163 Leitmeier, Hans: Die Genesis des kristallinen Magnesites . . . 446- — Pisanit vom Lading in Kärnten 321 Leitmeier, H. und M. Goldschlag: Xanthosiderit von Schend- legg. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bildung von braunem Glaskopf 473 Meyer, Hermann L. F. : Hilfsmittel bei Benutzung geologischer Karten 20' Mügge, 0.: Ueber die einfachen Schiebungen am Zinn und seine Zustandsänderung bei 161° 233 — Ueber die Ursache des damaszierten Schimmers beim Lievrit 82 — Weiterwachsen von Orthoklas im Ackerboden 121 Mylius, H. : Schraubstock oder Brandung in den Alpen? .... 454 Nack en , R.: Beobachtungen über die Kristallisationsgeschwindigkeit in unterkühlten reinen Schmelzen 191 Niggli, Paul: Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums (ver- allgemeinerte Symmetrielehre) 313 Nopcsa, Franz Baron: Ueber Dinosaurier 203. 332 Oppenheim, Paul: Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s und eine neue Stephanophyllia (St. Schweinfurthii n. sp.) aus den Blättertonen des Danien in Aegypten 41. 55 Redlich, K. A. : Zu H. Leitmeier’s Artikel: Zur Kenntnis der Carbonate. II 52 Richter, Rud. und E. : Bemerkungen über das Schnauzenschild (Scutum rostrale) bei Homalonoten 114 Ueber die Einteilung der Familie Acidaspidae und über einige ihrer devonischen Vertreter. (Vorläufige Mitteilung.) .... 462 Rinne, F. : Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe beim Wechsel der Temperatur. II 73 Rose, Herrn.: Kristallographische Konstanten einiger künstlicher Kristalle 85 Rözsa, M. : Die Entstehung der Zechsteinsalzlager aus chemisch- geologischen Gesichtspunkten 35 — Jodgehalt und Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalzlager . . . 172 — Ueber die Entstehung des Südharzer anhydri tischen Sylvin- Halits 490 Scharizer, Rudolf: Einfache Demonstration der Refiexkegel beim Lauephotogramm mittels gewöhnlichen Lichtes 127 Schumoff-Deleano, V era : Synthetische V ersuche zur Pyroxen- gruppe 290 Semper, Max: Was ist eine Arbeitshypothese? 146 Soergel, W. : Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. . 213. 254 Stiny. Josef: Basaltglas vom Steinberge bei Feldbach 128 — Porphyrabkömmlinge aus der Umgebung von Bruck a. d. Murr 407 Tertsch, Herrn.: Trachtstudien an einem geschichteten Turmalin- kristall 273 Inhalt. V Seite Weiler, Wilhelm: Ueber das Vorkommen von Mosbacher Sanden am Eingang ins Pfrimmtal bei Worms 496 Wold rieh, Jos.: Machairodus im Höhlendiluviuin von Mähren und Niederösterreich 134 B ücherb esprechun gen . Diener, C. : Untersuchungen über die Wohnkammerlänge als Grund- lage einer natürlichen Systematik der Ammoniten ..... 267 Do eit er, C.: Handbuch der Mineralchemie 23 Ehrenberg. P. : Die Bodenkolloide 429 Groth, P. : Chemische Kristallographie 432 Halle, Bernhard: Handbuch der praktischen Optik 95 Kieke, Reinhold: Die Arbeitsmethoden der Silikatchemie .... 351 Sachs, A.: Die Bodenschätze der Erde : Salze, Kohlen, Erze, Edelsteine 390 — Die Grundlagen der schlesischen Montanindustrie 39 L Schaffer, F. X.: Grundzüge der allgemeinen Geologie 498 Tornquist: Geologie I 498 — Grundzüge der allgemeinen Geologie 498 Vetter, Rudolf: Beiträge zur Kenntnis der analytischen Eigen- schaften der Kohlenstoffmodifikationen und orientierende Ver- suche über ihre Existenzbedingungen 139 Personalia. Abel, Othenio . 392 Andröe. Adolf . 168 Benecke, Ernst Wilhelm . . . 144 Branca, Wilh Bücking, Hugo ...... . 144 Henglein, M. . 392 Hezner, Laura . 24 Hintze, C. t . 72 Kossmat, Fi' . 272 Kranz, W 23 Lachmann, Richard j ... . 68 Milch, L. 232 Nacken, Rieh. 432 Pompeckj, J. F. .... 183. 312 Simon, Maximilian 183 Versluys, Jan 96 Wedekind, R. 392. 472 Wepfer, E 24 VI Sachregister. Sachregister zum Central blatt für Mineralogie etc. 1917. Die Original-Mitteilungen sind kursiv gedruckt. Acidaspiden , Einteilung 462. Ackerboden, Weiterwachsen von Orthoklas 121. Aegypten Danien, Steplianophyllia 41. 55. Notidanus microdon , ob. Kreide 60. Akromegalie 333. Alaunkristalle , Wachstum 125. Alpen Schraubstock oder Brandung 454. Schweiz, Trias 5. Alpine Faltenbildung 459. Ammoniten Gymnites spiniger, Bosnischer Muschelkalk 110. Wohnkammerlänge als Grundlage einer natürlichen Systematik 267. Ancyropyge, Devon 463. Anhydritischer Sylvin-Halit , Süd- harz 490. Apparate, Justierung schlecht reflek- tierender Kristalle 1. Aragonitreihe, Struktur 25. Arbeitshypothese 146. Arbeitsmethoden der Silikatchemie 35 1 . Atom, Kristall Struktur 110. Atomanordnung beim Kalkspat 34. Atome, Bahnen während der Schie- bungen im Eisenglanz u. Korund 433. Augit, Kristallwinkelveränderung bei Temperatur Wechsel 73. Auriapraeziczac, Kreide, Aegypten 55. Anstralü 245. Bahnen der Atome während der Schiebungen im Eisenglanz u. Korund 433. Bakony, Trias, Fossilien 181. Basaltglas, Steinberg bei Feldbach, Steiermark 128 . Bergbau Schlesiens 391. Beyrichia, Unt. Devon 167. Biancone, Kreide, Giswyler Stöcke 16. Blattform von Ginkgo biloba, Varia- tion 63. Bleicherode, anhydritischer Sylvin- Halit, Entstehung 492. Bodenkolloide 429. Bodenkunde, Kolloidchemie 430. Bodenschätze der Erde 390. Bollia varians 167. Bosnien, Gymnites spiniger, Muschel- kalk 110. Brandung oder Schraubstock, Alpen 454. Bi'uclc a. d. Murr, Porphyr abkömm- linge 407. Buntsandstein, Schwarzwald, Wirbel- tierfauna 89. Caesium dithionat , Kristalle 85. Calcitreihe, Struktur 30. Calciumcarbonat, Struktur 353. 393. Carbonate, Bildung 52. Ceratocephala 462. Chemische Kristallographie, P. Groth, 4. Teil 432. Chemische Valenz u. Kristallsstruktur 97. Chocsdolomit, Altersfrage 179. Cidaris dorsata , Trias, Bakony 81. Crinoidenreste , in Magnesit um ge- wandelt 453. Cristobalit , Kristallstruktur 353. 393: Crustaceen-Forni (neu), ob. Jura, Franken 426. Cryphaeus, Gees 472. Danien, Aegypten, F'auna 4S. Daonella cf. Pichleri u. cf. tyrolensis, Trias, Rosenberg 181. Deckentheorie, Alpen 461. Sachregister. VII Deformation, Kristallschiebung 433. Devon Acidaspiden 462. Ancyropyge 463. Lichatiden, Gees 471. Ostrakoden 163. Diamant, Existenzbedingungen 139. Diceras-Kalk, Mythen 16. Dicranurus, Devon 463. Diluvium , Mähren u. Niederösterreich, Machairodus moravicus 134. Dinosaurier Riesen formen 332. Systematik 203. Diskontinuum, Kristallsymmetrielehre 313. Dolomitbildung 53. 447. Dolomit, Gitter 406. Drepanella serotina 167. Diinnschliftherstellung 96. Edelsteine der Erde 390. Kinschlüsse von Laugen u. Jodgehalt im Zechsteinsalzlager 172. Kisenbisulfid, Struktur der krist. Formen 353. 393. Eisenerze, Schendlegg 473. Eisenglanz u. Korund , Bahnen wäh- rend der Schiebungen 433. Ekzeme u. Tektonik 414. Elephas antiquus, Abstammung 213. 254. Encrinus cassianus , Trias, Rosen- berg 181. Eocän, Niltal, Gliederung 43. Epidot, Bruck a. d. Murr , Vork. 409. Erze der Erde 390. Erzlagerstätten Eisenerze, Schendlegg 479. Schlesien 392 Lading, Kärnten, Kupfererze 321. Faltenbildung, Alpen 459. Feldbach, Basaltglas vom Steinberg, Analyse 12S. Feldspat (Orthoklas), Weiterwachsen im Ackerboden 121. Francocaris Grimmi, ob. Jura, Fran- ken 426. Franken, ob. Jura, Francocaris Grimmi 427. Fuldagebiet , Ekzeme u. Tektonik 425. Gabbroamphibolite, sächs. Granulit- gebirge 487. Gebirgsbildung, Mexiko 176. Geister Talgraben, Ekzeme u. Tek- tonik 420. Geologie allgemeine, Tornquist 1916. 498. Grundzüge, F. X. Schaffer 498. Geologische Karten, Hilfsmittel bei Benutzung 20. Gesteine, nutzbare, Schlesiens 392. Ginkgo biloba L., Variation der Blatt- form 63. Giswyler Stöcke, Stratigraphie 16. Gitter Schiebung 434. Glasschlieren im Basalt 129. Gleitflächen, Zinn 236. Glimmer, Auskristallisation von Na- triumchlorid darauf 146. Gräben, nichttektonische, im Harz, Thüringer Wald und Rhein. Schiefergebirge 417. Granitkontakte, Pamusia , Sumatra 477. Graphit, Existenzbedingungen 139. Grenzflächenspannungen 88. Gymnites spiniger, Muschelkalk, Bos- nien 110. Gyroporella, Trias, Bosenberg 181. Handbuch derprakt. Optik (B. Halle) 95. Harz (Süd-), Anhydritischer Sylvin-Ha- lit, Entstehung 490. nichttektonische Gräben 417. Harzgebiet , ekzematische Erhebung 426. Helix arbustorum, bidens, hispida ü. pulchella , Mosbacher Sand bei Worms 498. Hildesheim, Kieseritkristalle 49. Hilfsmittel bei Benutzung geol. Kar- ten 20. Homalonoten, Schnauzenschild 114. Hornblende , Kristallwinkelverände- rung bei Temperaturwechsel 73. Hornfelse, Sinamarfluß, Sumatra 483. Hundelshausen, Zechsteingips 419. Hypostom von Homalonotus 118. Hypsilophodon, Schädelbasis 339. Iguanodon 339. Impfsehwelle Ostwalds, Bedeutung 87. Jodgehalt u. Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalzlager 172. Justierung schlecht reflektierender Kri- stalle 1. Kalisalze Kieseritkristalle, Hildesheim 49. Zechstein, Entstehung 35. Karlsbad, Orthoklas, Weiterivachsen im Ackerboden 121. Kärnten, Lading, Pisanit, Analysen 321. Kieserit, Hildesia, Hildesheim, Krist. 49. Kinetische Kristalltheorie 403. VIII Sachregister. Klippen, Schweizer Alpen 17. Kloedenia Kayseri 167. Kohlenlager der Erde 390. Kohlenstoffmodifikationen, analyt. Eigenschaften, Existenzbedingun- gen 139. Kolloide in Land- u. Forstwirtschaft 429. Königswinter, monazitführender Gra- nit aus dem Trachyttuff 169. Kontaktmetamorphose, Niederl.- Ost- indien 477. Kontinentalverschiebungen 147. Korallen, Lurloch bei Semriach 137. Korund, Schiebung u. Struktur 436. Kreide, Danien, Aegypten, Fossilien 55. Kristallbearbeitung unter Berück- sichtigung ihrer optischen Eigen- schaften 95. Kristalle, Justierung schlecht reflek- tierender 1. Kr ist all is ationsg esch w indig keit in unterkühlten reinen Schmelzen 191. Kristallisationskraft 123. Kristallographie , chemische , von P. Groth. 4. Teil 432. Kristallogr. Konstanten künstlicher Kristalle 85. Kristallschiebungen im Eisenglanz u. Korund 439. Kristallstruktur u. chemische Valenz 97. Kristallsymmetrielehre des Diskon- tinuums 313. Kristalltheorie, kinetische 403. Krista llwinkelveränderung verwand- ter Stoffe bei Temperatur Wechsel 73. Kupfer-Eisensulfate, Lading, Kärn- ten 326. Labyrintliodonten , Buntsandstein, Schwärzte old 90. Lading, Kärnten, Pisanit, Analyse 321. Lauephotogramm, Beflexkegel 127. Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalz- lager 172. Leinetal, atektonischn Ursprung 426. Libysche Stufe, Alter 41. 55. Lichas armatus u. caudimirus, Devon, Gees 471. Lievrit, Ursache des damas zierten Schimmers 82. Limnaea stagnalis u. truncatula 498. Lithographie-Schiefer, ob. Jura, Fran- ken, neue Crustaceen-Form 426. | Lurloch bei Semriach, Korallenfund- punkt 137. Machairodus moravicus, Diluvium, Mähren u. Niederösterreich 134. Magnesit ( kristallin ), Genesis 446. Sattlerkogel, Veitsch, Bildung 53. Magnesitlagerstätten , Bildung 54. Mähren, Diluvium, Machairodus 134. Marginella cretacea, Libysche Stufe , Aegypten 57. Megalosaurus, Schädel 338. Meteorite, Tektit, ein Kunstprodukt ? 240. Metriodome Ammoniten 271. Mexiko, Tektonik 176. Militärgeölogie, Dissertation 23. Mineralchemie, Handbuch 23. Mineralien, Calcit- u. Aragonitreihe, Struktur 25. Mitteldeutsche Gräben, Tektonik 422. Molduwit 248. Monazitführender Granit, Königs- winter 169. Montanindustrie Schlesiens, Grund- lagen 391. Mosbacher Sande, Pfrimmtal bei Worms, Vork. 496. Murrgebiet , Porphyrabkömmlinge, Analysen 408. Mysidaceen-Form, (neu), ob. Jura, Franken 426. Mythen, Tektonik 13. Natrium chlor at, Impfschwelle 87. Natriumchlorid auf Glimmer, gesetz- mäßige Kristallisation 145. Nautilus, Wohnkammer 268. Nekrolog Andrüe, Adolf 168. Hintze, C. 72. Lachmann, Richard, gefallen 68. Simon, Maximilian 183. Neubildung, Feldspat im Ackerboden 123. Nieder ländisch-Ostindien , Kontakt- metamorphose 477. Niederösterreich, Diluvium , Machai- rodus moravicus 134. Notidanus microdon, ob. Kreide, Aegypten 60. Odontopleura = Acidaspis 462. Optik, prakt. Handbuch (B. Halle) 95. Orthoklas, Weiterwachsen im Acker- boden 121 Orthomerus, Schädelbasis 340. Orthopoda, Schädel 339. Oesterreich- Ungarn, Bosnien, Muschel- kalk, Gyrnnites spiniger 110. Sachregister. IX Oesterreich- Ungarn Ladin g in Kärnten, Pisanit, Ana- lyse 321. Mährenu. Niederösterreich, Machai- rodus moravicus 134. Schendlegg , Xanthosiderit , Ana- lyse 477. Semriach, Korallenfundpunkt im Lurloch 137. Steiermark, Steinberg bei Feldbach, Basaltglas 128. Ostrakoden, Unterdevon, rheinische Fazies 163. Pa läontologie , Bra n ca - Pompeckj- Jaekeldisput 374. Palaeopsammia Zitteli, Kreide, Aegyp- ten 58. Pamnsian, Sumatra, Granitkontakte 477. Pattalophyllici aegyptiaca 59. Patula ruderata, Mosbacher Sande, Pfrimmtal bei Worms 498. Pecttn f Parvamussium) , Kreide, Aegypten 57. — Valonensis, Freiburger Alpen 13. Perm, Zechstein salze , Entstehung 35. Perugia, Elephas meridionalis, Mo- lare u. Zähne 254. Pflanzen, Ginkgo biloba, Variation der Blattform 63. Pfrimmtal bei Worms, Mosbacher Sande, Vorkommen 496. Pisanit, Lading, Kärnten, Analyse 321. Pisidium amnicum, Mosbacher Sande, Wormser Gegend 498. Planorbis- Arten , Mosbacher Sande, Pfrimmtal bei Worms 498. Plataeosaurus 337. Pleurotoma hbyca, Kreide, Aegypten 57. Polierbänke 96. Porphyrabkömmlinge , Bruck a. d. Murr, Analysen 407. Präpubis, abgelehnter Ausdruck 351. Primita Jonesi u. mundula, Unter- devon 167. Pubis der Orthopoden 348. Pyroelektrizität, zentrisch , sym. Kri- stalle 403. Pyroxene, Zusammensetzung 185. Quartenschiefer , Trias, Schweizer Alpen 5. Quarz, Struktur 353. 593. Queenstownite, Kunstprodukte 240. JReflexkegel beim Lauephotogramm, Demonstration 127. Betzia trigonella, Trias, Schweizer Alpen 7. Bhät, Schweizer Alpen 14. Bosenberg , Chocsdolomit, Trias 179. Bötidolomit, Schweizer Alpen 5. Bubinglimmer , Wasserabgabe beim Erhitzen 84. Butil, künstliche Schiebung 366. Butilstruktur 370. Sächsisches Mittelgebirge , Gabbro- amphibolite 487. Salol, Kristallisationsgeschwindigkeit 200. Sälzformung, Ekzemen. Tektonik 414. Salzlager der Erde 390. Laugeneinschlüsse u. Joclgehalt 1 72. Zechstein, Entstehung 35. Saurischia 337. Sauropoden 338. Saxonische Faltung 426. Scalaria desertorum, Kreide, Aegyp- ten 56. Schendlegg, N. -Oesterreich, Xantho- siderit 473. Schiebungen Eisenglanz u. Korund 433. Butil 369. Zinn u. seine Zustandsänderung bei 161° 233. Schimmer bei Lievrit, Ursache 82. Schleifen u. Schleifmittel 95. Schlesische Montanindustrie, Grund- lagen 391. Schmelzen , Kristallisationsgeschwin- digkeit 191. Schmelztemperatur, Bestimmung 194. Schnauzenschild bei Homalonoten 114. Schraubstock oder Brandung in den Alpen? 454. Schriftenverzeichnis von R. Lachmann 71. Schweizer Alpen, Trias 5. Scutum rostrale bei Homalonoten 114. Selenopeltis, Devon 463. Sideromelan (Basaltglas), Oststeier- mark 128. Siliciumdioxyd, Struktur der krist. Formen 353. 393. Silikatchemie, Arbeitsmethoden 351. Sinamarfluß, Sumatra, Granitkontakte 477. Sphaerium rivicola, Mosbacher Sande, Wormser Gegend 498. Stegosaurus , Knochenbau 344. Steiermark, Steinberg bei Feldbach, Basaltglasvorkommen u. Analyse 128. Steinberg bei Feldbach, Basaltglas: Vorkommen u. Analyse 128. X Sachregister. Stephanophyllia, Hanien, Aegypten 41. 55. Streptospondylus, Schädelbasis 337. Strepula annulata 167. Struktur Calcit - u. Aragonitreihe 25. kristallisierter Formen von Si 02, FeS2, ZnS u. CaCO% 353. 393. Struktur Schiebung 435. Sumatra, Granitkontakte a. d. West- küste 477. Sylvin - Halit , Südharz, Entstehung 49,0. Tatragebirge, Chocsdolomit, Trias 179. Tektite als Kunstprodukte 240. Tektonik und Ekzeme 414. Tektonische Geschichte Mexikos 176. T emnospondyle , Buntsandstein, Schwarzwald 90. Terpin, Kristalle 86. Thecodontosaurus, Schädelbasis 337. Thermo goniometrische Messungen von Augit u. Hornblende 73. Theromorphen , Buntsandstein , Schwarzwald 91. Thyreopliora 340. Trachyttuff mit Monazit granit, Kö- nigswinter 169. Translation, Baumgitter 316. Trias Bosnien, Gymnites spiniger HO. Fuldagebiet, Tektonik 421. Karpathen, Chocsdolomit 180. Bosenberg, Gyroporella 181. Schwarzwald, Wirbeltier fauna im Buntsandstein 89. Schweizer Alpen 5. Tridymit, Kristallstruktur 353. 393. Trigonia Smeei Sowerby, horizontale Verbreitung 493. Tyrannosaurus, Schädelbasis 338. Unterkühlung , Wachstumsgeschwin- digkeit 199. Utschgraben, Murr gebiet , Porphyr- abkömmlinge 407. Valenz u. Kristallstruktur 97. Valvata antiqua, alpestris, piscinalis u. pulchella, Mosbacher Sande, Wormser Gegend 498. Variation der BlaUform von Ginkgo biloba 63. Veitsch, Magnesit, Bildung 53. Verrucano, Schweizer Alpen 6. V ertebrata, Buntsandstein, Schwarz- wald 90. Wachstumsgeschwindigkeit von Flä- chenarten 197. Westalpen, Schraubstockwirkung 460. Wirbeltier fauna , Buntsandstein, Schwarzwald 89. WohnkammerlängebeiAmmomten270. Wormser Gegend, Mosbacher Sande im Pfrirnmtal 496. Wunsiedel, Feldspate, Weiterwachsen im Ackerboden 121. Xanthosiderit, Schendlegg, Analyse 473. Zechsteingips, Hundelshausen 419. Zechsteinsalze, Tektonik u. Ekzeme 417. Zechsteinsalzlager Entstehung 35. Jodgehalt u. Laugeneinschlüsse 172. Zinksulfid, Struktur der krist. Formen 353. 393. Zinn u. seine Zustandsänderungen bei 161°, Schiebungen 233. P. Berberich, Ueber Justierung schlecht reflektierender Kristalle. 1 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Über Justierung schlecht reflektierender Kristalle. Mitteilungen aus dem Mineralogischen Institut der Bergakademie Freiberg. Von Paul Berberich in Freiberg. Mit 6 Textfiguren. Bei goniometrischen Beobachtungen von Kristallen, die mehr oder weniger stark mit Wachstums- oder Lösungsakzessorien be- deckt sind, kann es manchmal zweckmäßig erscheinen, die einem bestimmten Reflex entsprechende Oberflächenstelle gleich im An- schluß an die Messung auch unter dem Mikroskop zu studieren und erst nachher weiter zu messen. Wenn es sich dabei um einen Kristall handelt, der wegen starker Rundung oder Mattheit der Flächen oder anderer Umstände nur mit großer Mühe justiert werden konnte, so wird man aus Scheu vor einer zweiten derartigen Justierung diese wünschens- werte Untersuchung am Mikroskop leicht unterlassen. Es wird daher von Vorteil sein, eine Vorrichtung zu besitzen, welche gestattet, den einmal mühsam justierten Kristall vom Gonio- meter abzunehmen und ihn später dort rasch wieder zu orientieren. Dies wird durch eine Methode erreicht, deren Prinzip folgendes ist : Man kittet den Kristall auf einen Kristallträger (siehe schematische Fig. 1), dessen Platte p nach allen Richtungen gegen den Stiel z geneigt werden kann und auch bei jeder Neigung genügend fest stehenbleibt. Dieser Stiel g ist genau zylindrisch geschliffen und hochpoliert. Infolgedessen ergibt er ganz analog einem z. B. in der Prismenzone ge- krümmten Kristall als Reflex einen je nach der Güte der Politur scharfen Lichtzug. Mittels dieses Reflexzuges justiert man bei der erstmaligen Aufsetzung des Kristalls an das Goniometer zu- nächst auf leichte Weise den Stiel z mit Hilfe der Justierschlitten. Unter Beibehaltung dieser Justierung justiert man darauf durch geeignetes Neigen der Platte p den Kristall selbst nach der zu messenden Zone. Nach diesen beiden Operationen liegt diese Kristallzone parallel zur Krümmung des Stieles z. Nimmt man nun — etwa zum Zwecke der Untersuchung unter dem Mikroskop — den Träger samt Kristall vom Goniometer ab, so ist der schlecht reflektierende und an sich schwer zu justierende Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 1 r Fig. 1. P. Berberich, Kristall bei der zweiten Aufsetzung- an das Goniometer rasch und sicher wieder justiert, wenn man einfach den gut reflektierenden Trägerstiel z justiert. Nach diesem Prinzip ließ Verfasser den in Fig. 2 abgebildeten Kristallträger anfertigen. Länge 30 mm, Dicke 6 mm. Er besteht aus zwei Teilen. Der äußere, zylindrisch geschliffene Teil (Fig. 3) ist an einer schmalen Stelle z hochpoliert und ist der Länge nach zur Auf- nahme des inneren Teiles durchbohrt. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Dieser innere Teil (Fig. 4) besteht im wesentlichen aus einem die Platte p tragenden Kugelgelenk Je *) und läuft nach unten in einen langen Stiel s aus. Mittels der Schraube r wird dieser innere Teil an den äußeren fest angezogen und zugleich auch das Kugel- gelenk arretiert (Fig. 2). Bei Benützung wird dieser Kristallträger (Fig. 2) an seinem Stiel s samt dem auf die Platte p gekitteten Kristall an das Goniometer geklemmt, nachdem die Schraube r gerade so fest an- gezogen wurde, daß p einerseits leicht genug geneigt werden kann ohne Störung des festgeklemmten Trägers und andererseits in jeder Lage auch fest genug stehenbleibt. Mittels der hochpolierten Stelle z wird der Kristallträger justiert. Der eben beschriebene Kristallträger diente in Verbindung mit einem einfachen Drehapparat dem Verfasser auch zur raschen *) Ein Ersatz des Kugelgelenkes durch zwei kleine Kreisschlitten würde natürlich die Justierung des Kristalls erheblich erleichtern. Die Schlitten könnten auf einen massiven Zylinder aufgeschraubt werden, wodurch der ganze Apparat vereinfacht würde. Ueber Justierung schlecht reflektierender Kristalle. 3 Orientierung der Kristalle unter dem Mikroskop. Achse des Dreli- apparates (Fig. 5) ist der beschriebene Kristallträger. Wird der Apparat mit seinen beiden leicht abnehmbaren Füßchen (/ in Fig. 6, von unten gesehen) auf den Objekttisch des Mikroskops gestellt, so liegt die Achse senkrecht zum Objektiv. Mit Hilfe des die Achse leicht umklammernden und mit einem Nonius versehenen Zeigers lassen sich die Achsendrehungswinkel am Teilkreis auf 5' genau ablesen, auf 2' schätzen. Unter der Achse, zwischen den Füßchen /, ist ein Spiegel sp angebracht, der beim Aufsitzen des Apparates auf dem Objekttisch ebenfalls senkrecht zum Objektiv liegt (Fig. 6). Folgende Aufgaben sind nun leicht auszuführen : 1. Die am Goniometer eben gemessene Kristallzone soll unter dem Mikroskop senkrecht zum Objektiv orientiert werden. 4 P. Berberich, Ueber Justierung schlecht reflektierender Kristalle. Lösung: Man nimmt den Kristallträger samt Kristall vom Goniometer ab und steckt ihn als Achse in den auf dem Mikroskop- tisch stehenden Drehapparat. 2. Ein bestimmtes Flächenelement dieser Zone (das vielleicht auch für Autokollimation am Mikroskop zu schlecht reflektiert) soll unter dem Mikroskop in eine zum Objektiv senkrechte Lage gebracht werden. Lösung : Man nimmt den Kristallträger samt Kristall vom Gonio- meter ab, steckt ihn als Achse in den Dreliapparat und klemmt ihn dann mit dem Apparat wieder an das Goniometer. Mit Hilfe der Goniometerjustiersclilitten (beim zweikreisigen Instrument be- quemer mit den Goniometerkreisen) bringt man dann den Reflex der in Frage stehenden Oberflächenstelle des Kristalls in den Faden- kreuzmittelpunkt, worauf man das Goniometer arretiert. Sodann dreht man den Drehapparat um seine am Goniometer feststehende Achse, bis der Reflex des Spiegels sp ebenfalls im Fadenkreuz- mittelpunkt erscheint und arretiert mit der in Fig. 5 sichtbaren Schraube Apparat und Achse gegenseitig. Jetzt deckt sich also der Reflex des Spiegels mit dem Reflex der betreffenden Stelle des Kristalls. Spiegel und diese Stelle (Flächenelement) liegen somit parallel. Nach Abnahme des ganzen Apparates vom Goniometer und Aufstellen desselben auf den Mikro- skoptisch liegt also das betreffende Flächenelement senkrecht zum Objektiv, nach unten gewandt. Eine einfache Drehung der Achse um 180° bringt den Kristall in die gewünschte Stellung1. 3. Nach den am Goniometer abgelesenen Winkeln läßt sich jetzt jede andere Stelle der betreffenden Kristallzone durch ein- fache Drehung in diese Lage bringen. 4. Handelt es sich nicht um die Orientierung einer Kristall- zone unter dem Mikroskop, sondern soll ganz unabhängig von den goniometrischen Messungen irgendein beliebiges, vielleicht sehr kleines Oberflächenelement in eine zum Mikroskop objektiv senk- rechte Lage gebracht werden, so verfährt man schnell und sicher auf folgende Weise : Man unterläßt völlig das Justieren des Trägers und des Kristalls und klemmt ohne weiteres wie unter 2. den Drehapparat samt Kristall an das Goniometer. Dort bringt man mit den Justier- schlitten (oder den Goniometerkreisen) den Reflex des Spiegels sp ins Fadenkreuz und darauf durch Neigung der Platte p den Reflex der betreffenden Kristalloberflächenstelle. Diese letzte einfache Methode hat Verfasser auch bei der photographischen Aufnahme von „Ätzfiguren“ angewandt. 1 Diese Drehung käme in Wegfall, wenn auch auf der Oberseite des Apparates ein kleiner Spiegel angebracht wäre. W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen etc. 5 Die Trias der Schweizer Alpen und damit zusammenhängende Fragen. Von W. Deecke. Die Trias der schweizerischen Alpen ist im Verhältnis zu der Massengestaltung des ganzen Gebirges und ebenso verglichen mit der Entwicklung dieser Formation in den Ostalpen ein höchst un- bedeutendes Sedimentglied. Sie besitzt indessen großen Wert für die Tektonik, weil sie weithin als erstes leicht erkennbares Schiclit- paket (Eötidolomit) über dem Grundgebirge die Lagerung sicher- stellt. Neuerdings hat ihre verschiedene Ausbildungsart in den Voralpen , als sogen, alpine Fazies , als ein Hauptbeweis für die Deckentheorie mit ihren enormen Überschiebungen dienen müssen. Gerade deswegen hat mich das Problem der schweizerischen Trias immer interessiert, und ich habe, seit ich mich wieder mit den alpinen Fragen befasse, gerade ihr meine Aufmerksamkeit geschenkt. Ich glaube im Laufe eines Jahrzehnts genug an Ort und Stelle gesehen zu haben , um meine Ansichten aussprechen zu dürfen, d. h. um eine kritische Darstellung der landläufigen Auffassung zu geben. Im Winter 1914 habe ich schon den Kern dieser Aus- führungen bei einem unserer Colloquien in Basel vorgetragen, frei- lich nicht mit dem gewünschten Erfolg, weil die Deckentheorie alles Denken beherrschte. Darüber muß man sich aber dennoch klar werden: läßt sich die sogen, alpine Fazies der Voralpen einigermaßen in ein bekanntes Schema eingliedern, so hört sie auf, als Stütze für große Überschiebungen von Süden her brauchbar zu sein. Die Trias der Schweizer Zentralalpen gliedert sich in Verru- cano, Eötidolomit, Quartenschiefer, wobei man den ersten als Perm und Buntsandstein aufgefaßt hat. Der Eötidolomit ist als Muschel- kalk, der Quartenschiefer als Keuper angesehen worden. Über dem letzten ruht Lias mit Belemniten, wodurch das relative Alter sicher- gestellt ist. Der ganze Komplex tritt in den Glarner Alpen und im Berner Oberlande auf und keilt westlich gegen eine andere, aus Gips, Eauchwacke und hangenden Dolomiten bestehende Serie in den französischen Westalpen aus. Ebenso wird er in den Bündener Alpen durch eine aus Sandstein, Gips- und Dolomit- horizonten zusammengesetzte, bisweilen mächtig anschwellende Serie ersetzt. Wie die Simplon- und Gotthardkarte von Schmidt und Preis- wterk dartut, ist südlich der Khöne ein Eauchwackenband als inte- grierender Bestandteil an der Basis der jüngeren Sedimente erhalten, begleitet von marmorisiertem , stellenweise recht mächtigem Dolo- mit, beide viel gefaltet, überschoben oder ausgewalzt. Noch weiter im Süden bei Lugano und Como, sowie in Fetzen am Ausgange des Langen Sees steht südalpine Trias an mit Verrucano, Muschel- kalk, Esinodolomit, Eaibler Schichten, die einen Gipshorizont um- 0 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen schließen, Hauptdolomit, Rhät. Die Aufnahmen der italienischen Geologen in den Piemonteser Alpen haben schließlich dargetan, daß zum mindesten der Hauptdolomit in den Cotti sehen und See- alpen mit Gipshorizonten existiert und damit den Anschluß an die Ausbildungsform der westalpinen Trias ermöglicht. Niemand wird im Zweifel sein, daß die von den Ostalpen über das Seengebiet bis Piemont reichende Fazies etwas anderes ist als die in der Zentralschweiz vorhandene Serie, daß wirklich zwei Faziesgebiete vorliegen , von denen das südliche durch die Gipse und Rauchwacken und die Dolomite besonders gut gekenn- zeichnet erscheint. Während nun so von Westen über Süden nach Osten sich im großen und ganzen, wenn auch auf Umwegen, eine Verbindung der verschiedenartigen Triasschichten hersteilen läßt, trennt das diluvial bedeckte Molasseland absolut die Alpen von der germanischen Pro- vinz. Diese reicht bis in das schweizerische Juragebirge und trägt in diesem durchweg den normalen süddeutschen Charakter ; nur kennen wir die Schichten unterhalb der Anhydritgruppe in- folge der tektonischen Prozesse (Abscherung) nicht mehr, wenn sie überhaupt vorhanden waren. Ein unmittelbarer Anschluß der Schweizeralpen-Trias nach Norden war bisher nicht zu gewinnen und die Parallelisierung von Rötidolomit und Quartenschiefer mit Muschelkalk und Keuper war lediglich wegen ihrer petrographischen gleichartigen Aufeinanderfolge mit jenen geschehen. Am Südrande der breiten Lücke, in der Flyschzone der Kalkalpen , entdeckte man nun triadische Sedimente in den Klippenbergen von Giswyl, in den Mythen und bei Iberg und konstatierte dort Gipshorizonte, Muschelkalk, mächtige Kalkaigen- Dolomite und sogen. Raibler Schichten, deren Gesteine und Folge an die südalpine Fazies erinnern. Daneben wurde aber bei Iberg Rötidolomit beobachtet, und zwar getrennt von jenen ersten. Die südalpinen Schichtentrümmer sollten über das Aaremassiv nach Norden geschoben und mit Tauchfalte an den Nordrand der Alpen- kette gelangt sein. Das perlschnurartige Auftreten dieser „Klippen“ längs des nördlichen Alpenrandes, ihre tektonische Verbindung mit dem Flysch und lokal mit sogen, südalpinen Jura- und Kreide- schollen gab oft genug den „sicheren Beweis“ für den ge- schilderten tektonischen Prozeß. Untersuchen wir nun ohne alle Voreingenommenheit , was eigentlich sicher bekannt ist, und ob sich nicht doch eine An- lehnung dieser Klippenfazies an nördlichere Vorkommen ermög- lichen läßt. Am klarsten sind wir über den Verrucano. Mit Recht sagte C. Schmidt, es sei der nach Norden und Süden abgeschüttelte Schutt der carbonischen Alpenketten. Da aber der Komplex im Norden wesentlich mächtiger ist als im Süden, deutet er an, daß und damit zusammenhängende Fragen. 7 dort wie bei Beginn der tertiären Alpenfaltnng eine tiefere Senke lag zum mindesten die Höhendifferenzen bedeutender waren. Der Verrucano keilt vom Walensee gegen Süden rasch aus, was man bisher immer als Auswalzungserscheinung gedeutet hat, was aber bei solchen klastischen Gesteinen vielfach durchaus eine primäre Erscheinung sein kann und an vielen Stellen zweifellos ist. Die ihm in jeder Weise homologen Massen des süddeutschen und lliu- ringer Rotliegenden zeigen dasselbe Verhalten. Ja, sogar der süd- deutsche Buntsandstein besitzt noch kräftige Differenzen, da er z B. in seinem mittleren und unteren Teil bei Freiburg nur 10 m, etwa 20 km nördlich über 120 m Dicke mißt. Da der Verrucano aus den Alpen sich ableitet, verschwindet er in den Zentralmassiven mehr und mehr und zeigt sich erst wieder auf dem Sudhange bei Lugano und am Corner See als eine keineswegs bedeutende Schicht , (20—30 m) und wird nur dort mächtiger, wo Eruptiva ihm ein- geschaltet sind. Auf dieser Südseite ist Zunahme der Mächtigkeit (in der oberen Val Brembana oder mittleren Val Cammomca) be- stimmt eine ursprüngliche Sache. Nur auf diesem Südhange ver- mögen wir nach oben hin das Alter leicht zu begrenzen. Der Schutt wird durchweg feiner, nimmt sandsteinartigen Habitus an und geht in den Komplex über, den wir Servino nennen. Dieser führt an einigen Stellen Gips, also den Gipshorizont I, an anderen liegt darin eine typische Fauna der Werfener Schichten. Diese aus den Venezianer Alpen näher bekannt gewordenen Formen sind kürzlich von Reich am Luganer See nachgewiesen und finden sich überall deutlich unter dem hangenden Kalkhorizont. Dagegen fehlt bei Lugano der Gips. Im Norden ist nirgends eine ähnlich sichere ■Obergrenze bisher gefunden worden ; denn der Rötidolomit gestattet verschiedenartige Deutung. Anderswo, z. B. im Rhatikon un Bünden, ruhen auf den Sandsteinen Gipse und Rauchwacken und Dolomite von nicht näher bestimmtem triadischem Alter. Die Verru- canobildung kann also bis weit in die Trias hineingereicht haben. Den Verrucano bedecken im Süden Glieder des Muschelkalkes, im Norden der Rötidolomit. Nur der erste ist sicher einzuordnen. Bei Lugano fand C. Schmidt in den grauen dicken Kalkbänken Betzia trigonella Schaur. Aber es zeigt sich, daß wie der Servino stark reduziert ist, so auch der Muschelkalk dort nur der Auslaufei •östlich gelegener mannigfaltigerer Schichten ist. Wir haben dort nichts von Bernocoluto, nichts von den Perledokalken , dem Tn- nodosus- Niveau, den Lommelli- Schichten und der Pietra verde. Die Luganer Gegend wurde damals eben erst vom Meere uberspült, und das westlicher gelegene Gebiet war wohl sicher noch Land, höch- stens eine Gipspfannenzone. Erst mit der Dolomitbildung des Esinokalkes setzt die Senkung- gründlich ein und greift westlich und nordwestlich vom Luganer See über die alten Massen über (Gipshorizont III). 8 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen Bei dieser Gelegenheit ist sofort über die Bedeutung der Retzia trigonella als Leitform zu reden. Sie charakterisiert bei Recoaro, in den steirischen Alpen und in Oberschlesien den unteren Muschelkalk; sie dringt in die germanische Trias ein, kommt aber in dieser nur im Trocliitenkalk vor (Würzburg, Schwaben, Grötzingen bei Durlach , Heidelberg). Daher darf sie an den Grenzen der deutschen Fazies, also auch in den Iberger Klippen, nur als Muschel- kalkfossil , nicht als Leitform für eine bestimmte Stufe desselben benutzt werden. Bei Lugano wird die Sache ähnlich liegen, da die 10 m Kalk dort den ganzen eigentlichen Muschelkalk vertreten. Von den Gyroporellen gilt das gleiche, da sie in Oberschlesien dem Schaumkalk, in Venetien dem Wellenkalk, in Lothringen und Schwaben der Basis des Trocliitenkalkes, in den Südalpen erst dem Esinodolomit angeboren. Schon diese zwei wichtigen Leitfossilien zeigen, wie es mit der Sicherheit der bisherigen Altersbestimmungen beschaffen ist. Der Rötidolomit hat bisher gar keine brauchbaren Fossilien geliefert. Er ist ein fossilleerer gelblicher, rötlich verwitterndeiv kryptokristalliner, in der Mächtigkeit nicht bedeutender Kalk, der häufig stark gedrückt und gequält erscheint. Am Kirchhof bei Innertkirchen oberhalb Meiringen hat Paulcke vor einigen Jahren in ihm einige dürftige Versteinerungen entdeckt, so schlecht er- halten, daß sie noch immer nicht anders als annähernd gattungs- weise bestimmbar waren; es soll sich um Myophoria , Nucula, G-ervillia, vielleicht auch Anoplophora handeln, was gar nichts be- sagt, außer daß der Rötidolomit mariner Natur ist. Kleine Nucu- liden, Gervillien und Anoploplioren-artige Dinge gibt es genug im Rhät; die Myophorie ist nur mit cf. vulgaris bestimmt. Verglichen mit der germanischen Fazies kommen Muschelkalk, Lettenkohle und Rhät in Betracht, von denen ich mich, wie im folgenden erörtert werden soll, für rhätisches Alter entscheide. Dann wäre der Röti- dolomit kein Äquivalent des Muschelkalkes, sondern eine Kalkbank des allgemein in Mitteleuropa und besonders im Bereiche des varis- kischen Gebirges transgredierenden obertriadischen Meeres. Die ihn bedeckenden Quartenschiefer stellen den süddeutschen Zanclodon- Mergeln oder den südalpinen Azzarola-Schichten gleichartige Ge- bilde dar und unterteufen den durch Fossilien wieder kenntlichen Lias. Da sie oft unter Belemniten-führendem Lias liegen, ist eine Gleichalterigkeit mit den „Scliwaicliel“ genannten Lias-a-Schichten keineswegs ausgeschlossen, wenigstens an manchen Stellen. Ehe wir aber darauf eingehen, wie ich zu dieser Deutung gelangt bin, müssen wir die Klippenfazies besprechen. Zwischen den Mythen und Iberg kennt man seit langem einen gips- und raucliwackehaltigen Horizont. In ihm stoßen auf der Zweckenalp dunkle Kalke heraus, meistens in Blöcken sichtbar, und enthalten nach Quereau verkieselte Gyroporellen nebst und damit zusammenhängende Fragen. 9 Dadocrinus gracilis Schaur. Retzia trigonella Schaur. Spiriferina Mentzeli Terebratula vulgaris Schl. Isoliert davon beobachten wir im Roggenstock bei Iberg eine gewaltige Masse von fossilleerem grauem Dolomit , unter diesem einen grauschwarzen, arg gedrückten Kalkschiefer, und wieder iso- liert, aber im allgemeinen tiefer liegend, an der Mördergrube Röti- dolomit, den Hoeck dort zuerst konstatierte, während Quereau ihn schon aus dem Käswalddobel angeführt hatte. Daß hier im Klippengebiet Rötidolomit neben den anderen Schichten vorkommt, ist sehr wichtig. — Die zweite, bis zu gewissem Grade klare Stelle sind die Klippen von Giswyl, welche Hugi untersuchte. Dort er- scheinen an der Basis ebenfalls Gipse und Rauchwacke, und zwar in recht bedeutender Ausdehnung. Abermals liegen auf oder in ihnen Blöcke eines Kalkes mit Retzia trigonella , und erst darüber erheben sich die klotzigen Massen der Dolomitberge (Schafnase, Gr. Roßfluh, Mändli) mit 500 — 600 m Höhe, in der Gr. Roßfluh die prachtvolle C-Falte bildend. Der Dolomit mißt ca. 300 m Mächtigkeit und führt an der Basis Gyroporellen oder, sagen wir lieber, schlechte Kalkalgen. — Wieder anders sehen die Fetzen von Trias aus , welche unter dem Jura der Mythenstöcke in der Scharte zwischen Großer und Kleiner Mythe hervorscliauen ; es sind nämlich bunte oder graue Griffelmergel mit einzelnen kohlige Reste führenden , dünnen , gelblichen Sandsteinbänken und weiß- lichen knolligen, an Steinmergel des deutschen Keupers erinnernden Schichten. In der Literatur hat man sie „Raibler Schichten“ ge- nannt , und auf manchen Diapositiven unseres Instituts , die von Schülern Steinmann’s herrühren, sind sie so bezeichnet, auch mir gegenüber von Schweizer Kollegen oft im Gespräche so benannt worden. Wie diese letzte Parallelisierung zeigt, hat man diese Klippen- trias als alpine und im besonderen als südalpine Fazies aufgefaßt. Wie steht es zunächst damit? Nur die mächtige Dolomitbildung läßt sich so erklären, ist aber ganz und gar nichts rein Süd- alpines, sondern geht von Tirol bis in die Westalpen ganz gleich- artig weiter und reicht aus den letzten bis in den Unter-Wallis, wo bei Plex von Lugeon dem Giswyler Kalkalgendolomit gleiche Gesteine nachgewiesen wurden. Höchst irreführend hat die Be- zeichnung „Raibler Schichten“ gewirkt. Nichts, aber auch gar nichts spricht für eine Identität dieser nordschweizerischen Mergel mit den Vorkommen in der Lombardei. Es fehlen die bunten Tuffsandsteine, die Gipse und Rauchwacke, die gesamte Fauna. Irgend welche Mergel unter einem Dolomit wie am Roggenstock darf man doch nicht nur wegen dieser, vielleicht nicht einmal primären Lage so parallelisieren ! Die Schichten in der Mythen- 10 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen scharte haben weit mehr Ähnlichkeit mit verdünntem normalen germanischen Keuper, die Mergel des Roggenstocks können Lommelli- Zone, Raibler Schichten, Azzarolaschiefer sein, je nachdem man den fossilleeren Dolomit als Esino-, Haupt- oder Conchodon- Dolomit auffaßt, ferner in normaler Stellung befindlich oder überkippt an- sieht. Der Rötidolomit des Iberger Gebietes paßt vollends nicht in das Bild. Die tieferen Lagen mit Rauchwacken und Gips werden mit Servino zusammengebracht, wobei immerhin zu bedenken ist, daß in der Luganer Gegend, woher diese Massen überschoben sein sollten, diese Ausbildung fehlt. Deshalb wurde an die Raibler Gipse (Horizont IV) gedacht, die dort noch Vorkommen, und der Dolomit über ihnen bei Iberg als Hauptdolomit bezeichnet. Dann fehlt frei- lich wieder der mächtige südalpine Esinodolomit zwischen Gips und Muschelkalk. Irgend etwas stimmt bei diesem Vergleich immer nicht. An solchen salinaren Sedimenten haben wir jedoch viel näher, in der germanischen Trias, auch keinen Mangel, da ja der Röt, die Anhydritgruppe und der mittlere Keuper Salz und Gips führen können und die beiden letzten mit solchen Ausscheidungen bis in den Schweizer Jura reichen. Im übrigen gilt von diesem Salzkomplex dasselbe wie von dem Dolomit: er ist eine in den Alpen südlich der Hauptwasserscheide und in den Westalpen all- gemeine, nur keine charakteristische süd- oder ostalpine Erschei- nung. Schließlich bleibt zu bedenken , daß in den hier als Ur- sprungsgebiet in Betracht kommenden italienischen Alpen nur die Raibler Schichten Gipse bergen, womit wieder die Verbindung dieser letzten bei Iberg und Giswyl mit Muschelkalk nicht stimmt. Also bleibt eigentlich für wirklich südalpine Trias nichts übrig als der in Blöcken beobachtete Muschelkalk mit Retzia trigonella und Dadocrinus gracilis. Wie es mit der Retzia und den Gyro- porellen als Leitformen alpiner Fazies steht, ist oben ausein- andergesetzt. Der Crinoid ist nach kleinen, isolierten Gliedern der Zweckenalpe benannt , und da solche selbst im deutschen Muschelkalke bis zur Keupergrenze auftreten, ein recht unsicheres Leitfossil. Nur Spiriferina Mentzeli hat wirklich als solches Wert, erscheint jedoch auch in Oberschlesien. Ich halte diese Klippen- kalke trotzdem für unteren Muschelkalk, für ein Äquivalent des Wellenkalkes in einer der schlesischen Ausbildung nahestehenden Fazies, nicht für südalpin, weil alle anderen Merkmale fehlen. Von diesem endlich einigermaßen gesicherten Haltepunkte aus werde ich versuchen, den Knoten der anderen Schichten zu entwirren. Auf der Zweckenalp macht der Diploporenkalk den Eindruck, als sei er die Unterlage der Gipse und Rauchwacke und an dem höchsten Punkte, der zugleich die stärkste Druckstelle ist, durch- gedrückt und zerrissen. Wenn dem so ist, wäre der Gipshorizont jünger und ein normaler Repräsentant der germanischen, im be- sonderen der süddeutschen Anhydritgruppe (Gipshorizont II). und damit zusammenhängende Fragen. 11 Auch an den Gis wyler Stöcken findet man den Diploporenkalk mit Retzien nur in Blöcken (Alpboglen) immer in der unmittelbaren Nähe der Rauchwackenzone. Jetzt kommt es darauf an, zu beweisen, daß die Anhydrit- gruppe soweit südlich angenommen werden darf. Gehen wir in Baden von Norden nach Süden, so sehen wir, wie der Buntsand- stein ziemlich rasch auskeilt und am Schwarzwaldende bei Waldshut und Stiihlingen auf wenige Meter sich reduziert. Der Wellenkalk ist anfangs eine rein marine Ablagerung, die ganz Südwestdeutsch- land gleichmäßig überdeckte und nach Süden die Grenzen des Sandsteins überschritt. Im Dinkelberg mißt er noch 40 m und, wie die Bohrung bei Rietheim im Kanton Aargau dartat, sogar 74 m und zeigt keine Spuren raschen Auskeilens. Nur im west- lichen Schweizer Jura tritt er in den Gewölben nicht mehr hervor, weniger deswegen, weil er nicht vorhanden sein kann, sondern weil die Gipse und Salze nebst den Tonen der Anhydritgruppe eine Abscherung beim Faltenwurf erzeugten. Viel mächtiger aber als der Wellenkalk ist in diesem Grenzgebiete des Rheins der mittlere Muschelkalk, der bis 130 m mißt, wenn seine chemischen Aus- scheidungen noch darin stecken. Diesen Horizont können wir aber durch den ganzen westlichen Jura verfolgen, von dem Vogesen- fuße her längs des Doubs bis fast nach Salins. Damit sind wir schon in die Breite der Luzerner Klippenregion gelangt und haben sie sogar überschritten. Erst am Plateau de la Serre tritt die Verringerung des ganzen Muschelkalkes auf 40 m ein. Man wird dagegen einwenden, der französische Jura sei weit weg; indessen darf dieser Grund kaum von denjenigen Herren vorgebracht werden, welche für alpinen Jura und Kreide regelmäßige streifenförmige 0 — W-Verteilung der Fazies annehmen und die Klippen aus einem Gebiete der Siidalpen herholen, das weiter entfernt ist. Wir hätten also anzunehmen : Am Nordrande der Alpen ent- wickelte sich bei der allgemeinen mitteleuropäischen Senkung in der Untertrias eine Rinne , in welche Meer eindrang vom Osten her und dort eine der schlesischen verwandte Muschelkalkfauna aufkommen ließ. Die Reliefveränderungen im mittleren Muschel- kalk brachten diese Furche in den Bereich der süddeutschen Salz- pfannen , welche in diesem Streifen bis zum Beginn der Dolomit- bildung anhielt. Es kann aber auch sehr wohl insofern umgekehrt sein, als unsere Anhydritgruppe ein Übergreifen der nördlich vor den Alpen bestehenden übersättigten Salzwasser darstellt; denn Trockenzeit war dieser mittlere Muschelkalk nicht; er verhält sich ganz anders als der obere Keuper mit seinen Sandsteinbänken, Landpflanzen und Sumpftieren. Wäre dem so , ist der Gang der Triasentwicklung zu beiden Seiten der Schweizer Alpen viel gleich- mäßiger, als man bisher annahm. Unseren deutschen Hauptmuscliel- kalk haben wir zwar im ganzen Alpengebirge nicht; er ist etwas 12 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen Besonderes und keilt auch in Süddeutschland merklich gegen Süden aus , nimmt im französischen Jura nach Süden hin ab und wird in seinen oberen Teilen in Südbaden und im Basler Jura als Trigonodus- Dolomit auffällig dolomitisch. Die Monographie von Gr. Wagner über den schwäbischen oberen Hauptmuschelkalk zeigt sehr schön, wie sich diese petrographische Fazies von Süden und Südosten nach Norden und Westen in das schwäbische Triasbecken vorschiebt. Von Südosten und Osten her greift aber auch in den Alpen die Dolomitausscheidung vom oberen Muschelkalk an immer weiter nach Westen über, bis sie schließlich im Keuper das Zentral- plateau erreicht. So kommt es, daß wir in den Ostalpen die enorm mächtige Serie der obertriadischen Sedimente finden und , was für unser Problem in Betracht kommt, am Nordrande in den Bayrisch-Salzburger Alpen desgleichen mit einem Salzhorizont an der Basis. Von größter Bedeutung für unsere Frage ist die Transgression der oberen Trias am französischen Zentralplateau. Dort sehen wir bei Valence die Lettenkohle als typischen Grenzdolomit mit Myophoria Goldfussi auf Granit auflagern, dann folgt Stubensand- stein, Mergel etc. Ebenso ist es am Morvan. Aber dort grenzt bei Couches-les-Mines ein rosafarbiger dolomitischer Kalk den Keuper nach oben ab und führt neben Myophorien die Leitform des Hauptdolomits, die G-ervillia exilis Stopp. Damit haben wir den Einschlag der oberen alpinen Trias bis in die Keupermergel des alten Horstrandes , und zwar ebenfalls mit Dolomit als Gestein ; damit ist zugleich eine Pforte des ausgedehnten Keuperbeckens zur offenen See angedeutet , deren wir bedürfen , um Formen wie Myophoria Raibliana bei Würzburg zu erklären. In den Südalpen beobachten wir östlich des Luganer Sees über normalem Muschelkalk ein plötzliches Einsetzen der Dolomit- riffe, westlich beobachten wir bis zum Simplon und Gotthard nach Norden eine Kauchwackenzone mit Dolomit, also flaches Wasser, dann Senkung und ein Übergreifen der Dolomite tief in den heutigen Alpenkörper hinein. Mag manches in der Verbreitung dieser Schichten erst Folge der tertiären Faltung sein, sie müssen doch im benach- barten Gebiete und ebenso dort existiert und Fortsetzung bis in die piemontesisch-französischen Alpen gefunden haben. Falls nun für den Nordrand des alten variskischen Alpenmassivs das Gleiche zugegeben wird , ist das Auftreten der Dolomitklötze in den Klippen gar nichts Besonderes. Sie können über die Westalpen und Wallis mit dem südalpinen Meeresteil zusammengehangen haben. Der Rand der Transgression wird uns im Westen durch Sardinien und das Zentralplateau wenigstens stückweise angegebeü. Unberührt blieb ein Kern, der das westliche Graubünden, die Glarner, Berner und Freiburger Alpen umfaßte und als Grenze der Salzpfannen nach Süden und auf der anderen Seite nach und damit zusammenhängende Fragen. 13 Norden diente. Nur können wir am Aarmassiv wegen der Schuppen- struktur die Südgrenze nicht mehr ermitteln; immerhin kommen Kauchwacken auf Verrucano oder Sandstein vor. Wie sich das nördliche Voralpenland senkte, wurde das schwäbische Becken trockener, eine Wechselwirkung, die wir später in der Unterkreide genau sich wiederholen sehen. Die Dolomitbildung setzt natürlich wie in den Ostalpen wegen ihrer Dicke erhebliche Senkung des Alpenkörpers voraus. Nun, daran können wir nach den Erfahrungen in den steirischen, Tiroler und lombardischen Abschnitten nicht zweifeln, obwohl auch dort ein zentraler Kern vorher vorhanden war. Die Dicke der Iberger und Giswyler Dolomite macht mir gar keine Sorge ; denn gerade das plötzliche, lokale Anschwellen ist ein wesentliches Merkmal der Kalkalgenriffe. Geben wir die Verbindung mit den Ostalpen zu, etwa über das Rhätikon und die Bayrischen Alpen, müssen wir diese Eigenschaft gerade erwarten. Die Riffe sind heute für uns Kennzeichen einer sich langsam und stetig ver- tiefenden Stelle, und so etwas würde in der Schweiz zu dem sinken- den Alpenkörper sehr gut passen. Damit wären die Giswyler Stöcke für die Trias abgefunden, d. h. ihre Trias wäre: Unterer Muschelkalk, eine der Anhydrit- gruppe + Hauptmuschelkalk entsprechende Gipsserie, etwa von der Lettenkohle an alpine Kalkalgenriffe. Etwas Schwierigkeit machen die Iberger Klippen und die Mythen, weil in beiden an Rötidolomit anklingende Bänke bekannt sind. Ich halte die Roggenstock-, Mördergrube- und Schynklippen mit Quereau für überkippt. Dann wäre die ursprüngliche Gliederung: Dolomit, dunkle Mergelschiefer, Rötidolomit. Die Mythen liegen normal, weil der Lias, Dogger, Malm regelmäßig aufeinanderfolgen. Wir haben dort, wie gesagt, bunte Mergel mit Sandsteinbänken, Stein- mergelschichten, Rötidolomit oder wenigstens eine gelbrötliche Kalk- bank an der Basis des als Lias angesehenen Kieselkalkes. Es wurde aus dem Lauterbrunnental vom Tschingelgletscher durch Gerber eine ähnliche Gliederung angegeben, nämlich unten Verru- cano (2 — 3 m), Dolomit und Rauchwacke 20 — 30 m, helle Quarzite und schwarze Schiefer mit Equiseten, bunte dolomitische Schiefer, Rhätkalk (20 m) mit Avicula contorta , Schiefer und gelbe dolo- mitische Bänke. Dort haben wir es also zweifellos mit trans- gredierendem Rhät zu tun , an dessen Basis ein Rauchwacken- Dolomit-Horizont über ganz dünnem Strandschutt erscheint. Tobler hat am Stanserhorn Rhät als schwarze Schiefer mit Kalkeinlage- rungen, sogar mit Korallen beobachtet. Schwarze Schiefer würden auch auf dem Dolomit des Roggenstocks und unter dem sogen. Röti- dolomit liegen, wenn wir die Serie, wie gesagt, umdrehen, was erlaubt ist, da ja Jura und Kreide verkehrt unter dem Dolomit ruhen. In den Freiburger Alpen wurde eine reichere Fauna mit Pecten Valonensis 14 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen als Leitform gefunden, und Avicula contorta ist in den westlichen Alpen ziemlich direkt über Dolomit nachgewiesen ; im Osten reichen die Kössener Schichten in den Prättigau hinein. Das Band nörd- lich der Alpen ist also fast vollständig. Damit harmoniert ferner das Mythenprofil ohne Schwierigkeit: bunte Mergel, Sandsteinbänke mit Pflanzen, eine hangende Dolomitbank, Lias. Schließlich können die von Paulcke gefundenen schlechten Fossilien rhätisch sein. Wichtig in diesem Zusammenhang und dadurch eigentlich erst er- klärbar wird der Fund von Avicula contorta, den Quereau schon bei Iberg machte. Es handelt sich nur um Trümmer von dunklem Kalk, jedoch passen sie nun hinein. — Damit sind alle Schwierig- keiten der triadischen Klippen behoben. In dem Kerne der Zentralalpen erfolgte die Triasbedeckung' erst im oberen Keuper, und das Meer schob sich bis zum Rhät langsam über die Reste des carbonischen Gebirges vor, bis mit dem Rötidolomit eine Art Maximum erreicht war. In diesen Teilen kann der Yerrucano noch bis in den Keuper gebildet sein; denn es ist ja nur Schutt bestehender Höhen und ohne jeden Alters- charakter. Ein solches transgredierendes Meer hat sehr wechselnde Fazies. Wo die Verhältnisse günstig, siedelt sich die an eine bestimmte Sedimentgruppe gebundene Rhätfauna an; dann haben wir typisches Rhät und erkennen es als solches. Daneben herrscht anderswo eine Dolomitbildung, die als solche versteinerungsleer und arm ist; denn auch der Trigonodus-'Dolomit unserer Gebiete führt nur lokal Fossilien, und zwar gerade Myophorien und Ger- villien oder Corbula- und A^cwZa-ähnliche Dinge, wie Lettenkohle und einzelne dolomitische Bänke des Keupers. Wir haben die gleiche Erscheinung im Servino der Südalpen, wo nur bei günstiger Fazies in Sandschiefern die charakteristische Fauna sich einstellt neben Dolomit, Rauchwacken und Gips an anderen Punkten. Daß. Dolomitabsatz im Rhät weitergehen konnte, beweist der Conchodon- Dolomit. Somit steht als Ganzes die Schweizer Trias normal zwi- schen der germanischen und der rein alpinen Provinz, da der untere Teil an die deutsche, der obere an die andere Fazies an- klingt; das übergreifende Rhät paßt zu beiden Gebieten. Dies Re- sultat ist anscheinend ein allgemein gültiges. Denn betrachten wir die alpine und germanische Trias insgesamt, so haben wir in beiden Provinzen unten eine Serie von klastischen Gesteinen (Verrucano — Buntsandstein — Werfen er Schichten) , dann einen lokal deutlich ausgeprägten Gipshorizont (Röt — Servino), drittens eine trans- gredierende marine Bildung, den Wellenkalk, der ja eine Fauna hat, die uns überhaupt die Parallelisierung erst ermöglichte. Die Tiefe liegt im Osten, das Meer dringt westlich vor. Erst mit der Anhydritgruppe setzen die Differenzen ein, die deutlich die beiden Provinzen in Zentraleuropa trennen, bis im Rhät wieder die Gleich- und damit zusammenhängende Fragen. 15 artigkeit Platz gewinnt. Die Differenz tritt vor allem in dem Verhalten der Alpen hervor, und so reiht sich die Gliederung un- gezwungen in ein größeres Ganzes ein. In dem Maße wie der Alpenkörper in der mittleren Trias sinkt, hebt sich das nördlich vorgelagerte Land und liefert den Keuper, wenigstens die Letten- kohlenfazies. Analog ist im Malm und Unterkreide dasselbe süd- deutsche Gebiet trocken, wo in dem Alpenkern die tiefe Meeres- bedeckung nachweisbar wird. Sobald die Alpen anfangen, wieder energisch aufzusteigen, bricht umgekehrt der Rheintalgraben ein und greift das Miocänmeer weit über die schwäbische Platte hinüber. Darin liegt jedenfalls ein innerer Zusammenhang. Dieser triadische Meeresteil am Nordrande der Alpen wäre ein getreues Gegenstück zum Molassemeer, das ja auch vom Zen- tralplateau an bis Bayern herumgriff und sich ständig gerade am Alpenrande vertiefte. Solche Vertiefung ging weiter in der Jura- formation, dann nach vorübergehender Hebung während des Doggers in Malm und Unterkreide. Daß im Lias nicht alles untertaucht war, zeigt der Gesamthabitus dieser Stufe im Berner Oberland; das Auftauchen oder Vorhandensein von Inselkernen beweist der eisenschüssige, oft grobklastische Dogger mit Korallenriffen, Austern- bänken und Spatkalken , die nur in flachem Wasser entstanden sein können. Ich muß diese Frage streifen, weil meine Gegner sofort sagen werden: „Wie darf man die Trias allein behandeln, ohne die mit den Klippen vorkommenden ganz , fremden' Jura- und Kreideschichten von südalpinem Charakter ebenfalls zu er- ledigen ? “ Da kommen wir auf einen sehr dunklen Punkt der neueren Alpengeologie zu sprechen, auf die Versuche, Tektonik zu machen auf Grund der Fazies. Niemand wird den außerordentlichen Zu- sammenschub der alpinen Masse leugnen, niemand, daß Überschie- bungen, Überfaltungen usw. existieren; aber anzunehmen, daß der Verlauf mesozoischer und alttertiärer Fazies parallel dem Falten- wurf des Tertiärs gegangen sei, ist doch mehr als gewagt. Ging die Verteilung der Faziesbedingungen in Jura und Trias aber z. B. nur schief und dabei gar nicht einmal unregelmäßig, so wird bei der modernen Betrachtungsweise tektonisch Ungleichartiges wregen gleichen Aussehens zu bestimmten Decken vereinigt und umgekehrt. Alles, was wir aus dem sogen. Autochthonen kennen, spricht für sehr wechselnde Verhältnisse, bald fehlt der Lias oder Dogger, bald ist der Malm koralligen, bald tonig. Tobler hat für das Aarmassiv schon recht verschiedene Profile angegeben ; seitdem hat sich die Mannigfaltigkeit noch gemehrt. Was im Jura nördlich vor dem Aar- massiv sich ablagerte, kennen wir meistens nicht, brauchen jedoch nur an die Mythenklötze und den Mytilns-Dogger der Freiburger Alpen mit seinen kohligen Lagen und der brackischen Fauna zu denken , um gewisse Extreme sofort vor Augen zu haben. Nur 16 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen bei Iberg ist die Juraformation recht wenig exotisch, wenigstens was in zusammenhängenden Massen zu beobachten ist. Auf die Flyscligerölle darf man tektonisch keinen Wert legen, die können, wer weiß wie weit, herkommen. Selbst diese fallen gar nicht aus dem Rahmen heraus, den der Lias des Allgäus zeigt. Es handelt sich im Malm um Aptychenmergel und weiße , recht fossilleere Kalke oder um etwas rötliche Breccienkalke. Warum wir diese nicht mit den Mythen sollen vereinigen dürfen, als Trümmer einer Malmserie, sehe ich wirklich nicht ein ; denn oben auf den Mythen fehlt unter den Couclies rouges eine Serie, die sehr wohl das Iberger sogen. Tithon sein kann. Die Mythen sind Diceras- Kalke, die genannten Breccienkalke treten vielfach im Tithon auf, beide passen als Ergänzung sogar sehr gut zusammen. Außerdem wechselt ja solcher Nerineen- und Diceras-Ka.lk sehr rasch, so daß ein Fehlen im Autochthonen am Aarmassiv ganz möglich ist. Im Berner Jura ist die Gegend von Noirmont dafür ein geradezu typisches Beispiel. Nur 3 km in Luftlinie voneinander entfernt, haben wir Rauracien und Argovieo. Am Ausgange des Iseretales steht bei l’Echaillon mächtiger weißer Kalk mit Diceras Lucii an , wenige Kilometer oberhalb ist nur kalkig-plattiges Tithon mit zahlreichen Hoplites und P er isph, indes entwickelt. Anderswo haben wir seit dem Streit um die BARRANDE’schen Kolonien und der Diskussion über das Corallien von Valfin uns an die Betrachtungsweise rasch wechselnder Fazies gewöhnt. Hier in den Voralpen soll das alles keine Gültigkeit haben , sondern diese verschiedenen Sedimente sollen regelmäßig angeordnet gewesen sein, ehe der große Schub sie erfaßte ! An den Giswyler Stöcken gibt es sogen. Biancone, d. li. einen weißlichen Kreidemergel mit Aptychen. Ich habe mir den Luganer Biancone wieder angesehen vor 3 Jahren und kann nicht sagen, daß ich eine andere Ähnlichkeit finde als die relative Helligkeit des Gesteins. Mergelschiefer mit Aptychen gibt es auch sonst nördlich der Alpen, z. B. im Fläscherberg und vor allem in den bayrischen Ketten. — Die Couches rouges des Iberger Plateaus und der Giswyler Klippen können normal auf der älteren Kreide liegen und sind auch anderswo wie im Mythengipfel vielfach transgredierende Komplexe, da sie im Thuner Gebiet Gaultkonglomerate an der Basis führen. Sie beweisen eben, daß die Alpenbewegung schon in der oberen Kreide im Gange war, ältere Schichten lokal entblößt waren und daher von Turon oder Senon bedeckt werden konnten. Daß die Couches rouges an anderen Stellen in Seewerkalke übergehen, schadet doch nichts, oder in Wangschichten, die unmittelbar unter dem Flysch an st eben. Weiterhin, wenn ich derartige Fragen besprach, ist mir ge- antwortet: Wir haben den Beweis an der Hand, daß die Decken von Süden her in weitem Umfange überschoben sind durch die und damit zusammenhängende Fragen. 17 Verteilung der Fazies in den Decken der helvetischen Kreide. Man hat am Walensee durch die Gliederung der unteren Kreide in den verschiedenen Decken (Miirtschendecke, Churfirsten, Säntis) „direkt bewiesen“, daß die isolierten Kreideplatten rückwärts an- einanderpassen. Arn. Heim hat diesen geistreichen Versuch vom Säntis bis zum Kistenstöckli im Glarner Gebirge durchgeführt. Damit soll dargetan werden, daß diese gesamten Massen aus der Itheintalfurche ausgequetscht sind, daß die am weitesten vorn lie- genden nach hinten ursprünglich gehören. Der Versuch hat viel Bestechendes an sich; aber er krankt daran, daß er nicht die Ver- änderung der Fazies in verschiedenen Richtungen, sondern nur in einer einzigen berücksichtigt. Die Zunahme des Urgons und der Unterkreide überhaupt kann statt nach SO oder S nach 0 oder NO erfolgt sein; dann paßt der vorgeschobene Säntis nicht minder zu den Churfirsten, und er liegt in Wirklichkeit östlich von denselben. Nebenbei sei bemerkt, daß wegen der ausge- sprochenen Richtung der Ketten und des dazu senkrechten Schubes das Ursprungsgebiet des Säntis niemals das Hinter-Rheintal sein kann, daß er nie und nimmer mit Schild, Wiggis etc. kombiniert werden darf. Gerade wenn man ihn in der Schubrichtung zurück- legen würde, käme er weit neben Schild und Kistenstöckli und Miirtschendecke zu liegen und w'ürde klar dartun, daß die Fazies sich ostwärts, nicht südwärts geändert hat, und das harmoniert wieder mit dem Urgon in Vorarlberg und Allgäu und zeigt keine weite Horizontverschiebung an. Schließlich hat man den Flysch in seinen verschiedenen Formen als Beweis für die Deckentheorie herangezogen. Ich möchte ein anderes Gebiet als Beispiel erst einmal vorführen. Im Rheintal- graben haben wir oligocäne Jurakonglomerate an den Rändern und in der Mitte Septarientone, Fischschiefer, bunte Mergel mit Salzen als gleichzeitige Absätze. Schieben wir nun den Graben schief zusammen, so daß große Schuppen von dem Vogesenkern bis zum Schwarzwalde entstehen , so dürfen wir unmöglich die Jura- und Triasschollen, die auf Konglomerate heraufgedrückt sind, als gleich- wertige Decken betrachten, weil sie auf diesen liegen, oder gleich- artige Konglomerate an der Basis als Reste von Tauchdecken be- trachten. Es wird mit Facies in einer so wechselnden Schuttserie, wie es der Flysch ist und sein muß, Tektonik gemacht. Einzelne am Nordrande des Säntis usw. im Flysch gefundene Serpentine sind als Beweis für eine versteckte Decke angesehen worden. Um so etwas mit Recht zu dürfen , müßte man doch erst einmal den Flysch des Molasselandes und seine Unterlage kennen. An der Oberkante des marinen Miocäns und unter der oberen Molasse kennen wir nördlich vom Bodensee erhebliche Geröllschichten mit über kopfgroßen Steinen, die nach ihrer Beschaffenheit aus den Bündner Alpen herrühren. Also mitten in einem weiten Becken Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 2 18 W. Deecke, Die Trias der Schweizer Alpen liegen diese Flußschotter ! Wie war es nun im Flyscli in den Gegenden des Voralpenrandes ? Im Hegau usw. existiert er ja nicht. Aber wer kann die Verteilung solcher Schotter a priori beurteilen? Im Flyscli erfolgte eine rasche Reliefbildung, Ketten wölbten sich, Mulden entstanden, Horste blieben stehen und Gräben senkten sich ein. Schutt bezeichnet die Ränder, Mergel und Tone die Tiefen , wobei die schlammigen Gesteine durch Strömungen zwischen den Inseln verschleppt wurden. Es macht den Eindruck,, als seien diese ersten alttertiären tektonischen Prozesse mehr in 0 — W- oder in WNW — OSO-Richtung gegangen. In der Schweiz hat dann die miocäne Faltung diese Senken alle völlig zugedrückt und so die Flyscliplatten zwischen den Decken geschaffen. Eine Aufgabe wäre es, diese alten Rinnen festzulegen nicht bloß in der Längs- erstreckung, welche das Flyschband an sich gibt, sondern auch mit ihren Rändern , die durch Konglomerate usw. charakterisiert werden; dann kann der Prozeß der Verdrückung und die Ent- stehung der deckenartigen Schuppen viel besser ermittelt werden. Derselbe konglomeratische Flyscli vom Rande eines Grabens gehört oft zwei oder drei Teilen an , die durch den tonigen Flyscli der Mitte getrennt werden, wenn sich die Schollen mit ihm verzahnten. Schließlich wurde das Ganze als ein einheitliches Paket nochmals gefaltet. Damit erklären sich drei Beobachtungen : 1 . die oft ver- kehrte Lage; 2. das so viel konstatierte Auskeilen mächtiger Flyschbänder und ihr Zerteilen in der Streichrichtung der Falten : 3. das Untertauchen der Decken nach Norden und Herauskommen am Rande des Miocäns. Dabei muß unbedingt berücksichtigt wer- den, daß Druck Gegendruck erzeugt. Die hoch aufgerichteten Nagelfluhen des Pilatusrandes, Rigi, Speer haben alpenwärts dem gleichen Druck geübt wie die aufsteigenden Zentralmassive. Sonst wären die zwischenliegenden Massen weiter vorgeschoben. Dies mechanisch notwendige Moment tritt bei der Ausquetschungstheorie ganz zurück, obwohl es durch Rückstau ein Untertauchen nach Norden in den vordersten Deckenteilen gut erklären würde und auch das Hochkommen von Teilen der Unterlage in der Klippen- region verständlich macht. Bei dieser randlichen Aufpressung sind die Klippen hoch gekommen mit dem Flyscli. Daher stellt sich jetzt die Reihenfolge bei Iberg oder Giswyl von Norden her ganz einfach dar: Miocän, Flysch, in diesem letzten aufgepreßte Gipszone der unteren und mittleren Trias, obertriadische Dolomite, Juragesteine, Kreide. Es ist genau dasselbe wie die Auspressung' der Anhydritgruppe mit Lias- und Doggerschollen an der bekannten Hauenstein — Paßwang-Überschiebung , befördert durch die nach- giebigen, plastischen und löslichen salinaren Sedimente. Ich fasse die Klippen also bis zu gewissem Grade als autochthon auf, nicht als Reste des variskischen Gebirges, nicht als „fossile und damit zusammenhängende Fragen. 19 Berge“ mit Rollier, sondern als Teile des Alpennord- randes, als zerbrochen im Tertiär, lind zwar bei der Entstehung der Flyschgräben und -horste. Wenn in diesen der Untergrund der mesozoischen Schichten soweit irgendwie entblößt wurde, daß die triadischen Salze ausgelaugt wurden und die Tone ins Rutschen kamen, konnten große Schollen in die Flyscli- rinnen absinken , teils aufrecht , teils überstürzt , und mit dem Flysch später emporgepreßt, z. T. direkt aus ihm herausgedrückt werden. Nach dieser Auffassung haben wir einen in der Trias lang- sam untertauchenden Alpenkörper, längs dessen Achse sich nördlich und südlich das Meer nach Westen vorschiebt, im Muschelkalk bis an die Linie Lugano — Brienz vorgedrungen ist, seit dem unteren Keuper diese Bewegung fortsetzt und schließlich, bis zum Zentral- plateau vollendet. Dabei entstehen in den neu eroberten Gebieten erst Salz, Gips, Rauch wacken, dann Dolomite, die Rauchwacken bergen durchweg sandig-konglomeratischen Strandschutt. Nördlich und südlich des Alpenrestes herrschen annähernd gleiche Verhält- nisse. Der deutsche Muschelkalk fehlt, der deutsche Keuper greift weit nach SW über bis nach Mittelfrankreich , bis in den Süden des südfranzösischen Jura und wohl auch bis in die Freiburger Alpen , in denen Collet und Sarassin bunte Mergel mit Gipsen und Rauchwacken konstatierten. Die rhätische Periode bringt die Serie des Rötidolomites und zieht den übriggebliebenen Kern in den Bereich des Meeres. Es kann jedoch keine volle Überflutung eingetreten sein, weil an vielen Stellen Lias fehlt und der Dogger Strandfazies besitzt. Immerhin erweitert sich die Furche am Nord- rande, und im Malm haben wir unten die volle Mannigfaltigkeit von Tonen, Zh'ceras-Kalken, Korallenrilfen. Der obere Malm und die unterste Kreide bezeichnen den Höhepunkt der Senkung, wenig- stens für den Norden, während im Süden bereits rückläufige Phase einsetzt und im Westabschnitte stellenweise sogar grobe Breccien (Hornfluhbreccie) gebildet werden. Schon oberes Neocom mit dem Urgon bezeichnet den Beginn der negativen Phase, da sich diese Riffbildung um den ganzen Alpenkörper von der Provence bis Ober- bayern herumzieht und bald wechselnden Verhältnissen Platz macht. Die verschiedenen glaukonitischen Sandkalke deuten Flachsee an. die Senkung geht aber zonenweise noch ruckweise weiter, weil sonst die Urgonkalke nicht verständlich wären. Die allgemeine cenomane Transgression macht sich z. T. auch bemerkbar, in der senonen Phase versucht das Meer mit der Gosauformation von Osten her die alte Rinne zu benutzen, was jedoch nicht ganz glückt. Alle diese Be- wegungen waren Vorläufer der tertiären Hauptverschiebungen, die ich nicht mehr zu schildern brauche. Die miocäne Auffüllung der Mittelschweiz bis zur Gegenwart ist dem Verrucano in Dyas und Trias genetisch vergleichbar. 20 H. L. F. Meyer, So stellt sich die schweizerische Trias durchaus in einen be- kannten Rahmen. Die Konstanz der Meere und Senken macht sich klar geltend. Wie südlich des skandinavischen Schildes immer wieder die baltische Straße auflebt (im mittleren Jura, im Ceno- man, im Alttertiär, z. T. im Diluvium), so hier die Furche am Nordrande der Alpen von der Trias bis zum Miocän. Sie wird aber sachte nach Norden geschoben, vor allem im Miocän durch die endlich nach all den Vorbereitungen einsetzende Faltung, dabei an die Kerne von Schwarzwald und Vogesen gedrückt, und ruft damit' die Juraketten hervor. Die Hauensteinabscherung ist prin- zipiell nichts anderes als die Aufpressung der Gipsmassen bei Iberg* und Giswyl, der Rigi gleicht der geneigten Jura- und Nagelfiuh- tafel von Läufelüngen, nur daß alles gewaltiger ist als im Jura- gebirge. Die bisher geltende Deckentheorie hantiert mit einem intakten Alpenkörper und einer gleichmäßigen Sedimentdecke. Beides hat nicht existiert, ganz sicher nicht im Flysch, und im Miocän erst recht nicht mehr. Dann hat also der Südsclmb Diskontinuitäten, Rinnen , Gräben , Fugen aller Art vorgefunden , welche Einzcl- bewegungen der Schollen gestatteten, und dadurch die Schuppen- struktur geschaffen. Es handelt sich um ein immer wieder bewegtes Gebiet, dessen Aussehen in den einzelnen früheren Zeit- abschnitten durch die jüngste Faltung und Zusammenschiebung recht dunkel geworden ist. Niemals darf man unter solchen Umständen Faziesdifferenzen tektonisch verwerten. Hilfsmittel bei Benutzung geologischer Karten. Von Hermann L. F. SVSeyer in Gießen. Bei Benutzung geologischer Karten für irgend welche Zwecke erhebt sich häufig der Wunsch , bestimmte Gebiete oder Linien zeitweilig besonders hervorzuheben, um sie einheitlich übersehen zu können , etwa die Tektonik , Quellenlinien u. a. Wenn man für diese Zwecke Pauspapier benutzt, so hat man den Nachteil, daß man dann zwar die gewünschte Zeichnung deutlich erhält, dafür die Originalkarte aber nicht mehr deutlich erkennen kann. Auf verschiedenen Wegen kann man diesem Übelstande begegnen und vor allen Dingen eine für den Unterricht außerordentlich brauchbare Methode gewinnen. In dem letzteren Falle muß man allerdings von vornherein verzichten, daß Einzelheiten einer Karte noch zu erkennen sind , was aber bei der in Frage kommenden größeren Entfernung im Hörsaal sowieso ausgeschlossen ist. Man kann die fraglichen Punkte direkt auf der Karte aus- zeichnen. indem man abwischbare Farbstifte benutzt, wie Hilfsmittel bei Benutzung geologischer Karten. 21 sie für militärische Zwecke bekannt sind , und z. ß. von der Firma G. Heinicke, Berlin 7, Dorotheenstr. 29, als Ge-Ha-Stifte vertrieben werden. Mit der Benutzung sind aber, abgesehen von der Zerbrechlichkeit der Stifte, verschiedene Nachteile verbunden. So kann der Farbstift nur zu dicken Linien benutzt werden, da das Material erst dann genügend Deckkraft besitzt. Feine Zeich- nungen und etwa Beschriftungen lassen sich dadurch nur schlecht anbringen. Außerdem ist die Farbe nicht spurlos abzuwischen, so daß sich bei wertvollen oder entliehenen Karten das einfache Verfahren von selbst verbietet. Trotzdem habe ich es in vielen Fällen mit Erfolg benutzen können , wenn man z. B. Streich- richtungen verdeutlichen will. Ein weiterer Ausweg besteht darin , daß man an Stelle des Pauspapieres ein durchsichtiges Material an wendet. In Frage kommt Celluloid, das von den Lithographen benutzte Gelatine- papier oder auch bei kleineren Flächen eine photographische Trockenplatte, sei es, daß man die letztere unbelichtet ver- wendet und ausfixiert, oder belichtet und dann mit Blutlaugensalz abgeschwächt verwendet. Zur ersten Übersicht kann man mit den für Glasgefäße verwendeten Fettstiften arbeiten, die sich von Celluloid leicht abwischen lassen , aber freilich nur einen dicken und nicht immer gleichmäßigen Strich liefern. Auf allen drei Materialien kann man aber mit Tusche arbeiten und dann Unter- grund und Zeichnung dauernd übersehen. Ich benutze diese Me- thode bei Übungen über geologische Karten und lasse besonders die Strukturisohypsen auf diesen Unterlagen entwerfen , wodurch das Kartenbild auf das glücklichste unterstützt wird. Die erwähnten Methoden sind alle nur für den Schreibtisch verwendbar, einem größeren Hörerkreis kann man die Eintragungen nicht sichtbar genug anbringen. Gerade in Vorlesungen tritt aber außerordentlich häufig der Drang nach einer lebendigeren Verwendung der Karte heraus, wenn etwa die Verbreitung der Mineralquellen in Deutschland 1, die Grundzüge des tektonischen Baues eines Gebietes oder die geologische Geschichte einer Land- schaft erörtert werden soll. Gerade die geschichtlichen Dar- stellungen verlangen , daß man die eingetretenen Veränderungen nicht nur aufzählt, sondern auch zeichnerisch aufweist. Man sucht dem nachzukommen, indem man die betreffenden Punkte mit einem Zeigestock zeigt, Lichtbilder oder besondere Tafeln anfertigt. In allen diesen Fällen ist es aber nicht möglich, dem Studierenden ein bleibendes Bild einzuprägen und das gegenseitige Verhältnis der Begrenzungen verschiedener Zeiten vorzuführen. Eine paläo- geographische Entwicklung ist auf den erwähnten Wegen überhaupt 1 Vergl. u. a. die tektonisch-balneologische Karte der schlesischen Heilquellen von FrecU. 22 H. L. F. Meyer, Hilfsmittel bei Benutzung geologischer Karten. nicht fruchtbringend darzustellen. Das Problem ist offenbar, eine Unterlage zu haben, auf der man dauernd mit abwischbaren Farben zeichnen kann , so daß vor allen Dingen zeitlich verschiedene Erscheinungen vergleichbar sind. In dem Geol. -Pal. -Institut der Universität Leipzig sah ich einen Ausweg angedeutet. Auf einer schwarzen Wandtafel war mit roter Farbe die tektonische Gliederung Deutschlands und auf der Rückseite die Mittel- deutschlands vorgezeichnet *. Beliebige Eintragungen waren auf dem festen Untergrund also möglich. Für die sich dauernd wieder- holenden Demonstrationen der geologischen Geschichte Deutschlands und der geologischen Heimatskunde wird dieses Hilfsmittel ent- schieden von Bedeutung sein, eine allgemeine Verwendung ist aber nicht möglich , da es sich um eine dauernd fixierte Unterlage handelt. Auf mehreren derartigen Tafeln verschiedene Gebiete dar- zustellen , dürfte zu kostspielig und zu raumverschwendend sein. Ein schnelles Umwechseln beliebiger Unterlagen ist überhaupt nicht möglich. (Die Leipziger Tafel war zum Umklappen um eine hori- zontale Achse eingerichtet und ermöglichte dadurch ein schnelles Wechseln der beiden in Frage kommenden Seiten der Tafel.) Ich habe den erwähnten Schwierigkeiten dadurch abgeholfen, daß ich auf einer Mattglasscheibe zeichne, unter die ich eine Karte einschiebe. Um Kosten zu sparen, habe ich bisher von dem Bau eines eigenen Gestelles abgesehen und benutze die bekannte WüLFiNG’sche Wandtafel für die stereographische Pro- jektion (vergl. die Abbildung in dies. Centralbl. 1911, p. 275). Sie ermöglicht ein schnelles Einlegen und Wechseln der Karten und ein Vorklappen der Zeichenfläche , falls man etwa die entworfene Zeichnung allein sichtbar machen will. Als Karteneinlage be- nütze ich teils beliebige geologische Karten, soweit sie in der Größe passend sind. Vor allen Dingen verwende ich aber Um- zeichnungen solcher, die mit kräftigen farbigen Strichen die tektonischen und hydrographischen Hauptzüge des betreffenden Gebietes wieder geben. Über diesen kann man alle beliebigen Erscheinungen zur Darstellung bringen. Bei geologischen Vorlesungen allgemeiner Art habe ich in der Regel eine Karte Deutschlands dauernd im Gestell, um sie je nach Wunsch zu benutzen. Bei speziellen Vorlesungen ist es die jeweils entsprechende, dies bedeutet dem Studierenden eine wesent- liche Erleichterung für eine Durchdringung des Stoffes. An Stelle einer flüchtigen Beschreibung ist ein festes Bild getreten. 1 In Breslau befindet sich u. a. eine Karte Schlesiens, in der die tektonischen Leitlinien rot, die Heilquellen blau, das Gelände schwarz dargestellt ist. Vielfarbige Weltkarten veranschaulichen Tektonik, Erd- und Seebeben sowie die Meerestiefen (n. d. Karte von Frech in Peter- mann’s Mitteilungen 1906). (Einfügung von Herrn Geheimrat Frech.) Besprechungen. — Personalia. 23 Für kleinere Gebiete wird man immer darauf angewiesen sein , sich die Grundlage selbst herzustellen , doch bedeutet dies bei einer verständnisvollen Benutzung des Gradnetzes zur Ver- größerung oder Verkleinerung keine Schwierigkeit. Für die einzelnen Erdteile kann man sich mit großem Vorteil der von Perthes heraus- gegebenen Umrißkarten bedienen, von denen meines Wissens bisher in kleiner Ausgabe (rund 80. 1 10 cm groß) die Erdkarte in 2 Projek- tionen, Europa, Asien, Afrika, Nordamerika, Südamerika, Australien und Polynesien erschienen sind. Außerdem gibt es eine größere Ausgabe, bei der die Erdteile in 4 — 6 Blättern erschienen sind. Auch Deutschland ist in dieser Größe erschienen und ermöglicht dadurch wenigstens die Verwendung von einzelnen Teilen. Die oben angegebene WüLFiNG’sche Wandtafel ist leider etwas zu klein für diese Karten, doch sind es immerhin nur geringe Teile, die zum Wegfallen kommen. Eine Verwendung von Umrißkarten unter einer Mattscheibe wird es überhaupt erst ermöglichen, die bekannten Serien paläo- geographischer Karten etwa von Frech, Haug, Uhlig, Schuchert u. v. a. nutzbringend und anschaulich im Unterricht zu verwerten. Über einer eingelegten Karte , etwa von Europa , kann man die jeweiligen geographischen Veränderungen einer Zeit weithin sicht- bar auftragen. Besprechungen. C. Doelter : Handbuch der Mineralchemie. 2. 11. Abt. p. 801 — 960. Mit vielen Abbildungen, Tabellen, Diagrammen un Tafeln. Dresden und Leipzig bei Theodor Steinkopff. 1916. Die vorliegende Lieferung enthält : Epidot (Schluß) (M. Gold- schlag); Piemontit (C. Doelter); Analysenmethoden des Orthit (R. J. Meyer); Orthit, Granatgruppe, Calcium-Aluminium-Granat, Calcium -Ferrigranat, Kalkchromgranat (Uwarowit) und Prehnit (C. Doelter) ; die Analysen des Vesuvian (Paul Jannasch) ; Gehlenit und Melilith (Anfang) (C. Doelter). Max Bauer. Personalia. Eine Doktor - Dissertation über Militärgeologie. Major W. Kranz, in Friedensstellung Stabsoffizier z. D. der Forti- fikation Straßburg, promovierte kürzlich in Geologie bei der philo- sophischen Fakultät der Universität München. Dr. W. Kranz ist den Lesern durch zahlreiche geologische und geographische Arbeiten bekannt und gilt als einer der Begründer und verdienstvollsten 24 Personalia. Förderer der Militärgeologie. Aus diesem neuen Sonderfacli stammt auch seine, demnächst bei der E. ScHWEizERBART’schen Verlagsbuch- handlung-, Nägele & Dr. Sproesser, in Stuttgart erscheinende Doktor-Dissertation: Über Bodenfiltration, Lage und Schutz von Wasserfassungen, mit besonderer Berücksichtigung militärischer Erfordernisse. Ernannt: Privatdozent Dr. E. Wepfer in Freiburg zum a.o. Professor für Geologie und Paläontologie an der dortigen Universität. Gestorben: Fräulein Dr. Laura Hezner, Privatdozentin für chemische Mineralogie und Petrographie an der Eidgenössischen technischen Hochschule in Zürich und Assistentin des chemisch- mineralogischen Laboratoriums, am 10. Oktober 1916 zu Pfronten- Halden in Bayern. J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien etc. 25 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Struktur der Mineralien der Calcit- und der Aragonit-Reihe. Von J. Beckenkamp, Würzburg. Mit 6 Textfiguren. Sowohl die Mineralien der Aragonitreihe als die der Calcit- reihe müssen als deformiert regulär gelten. a) Aragonitreihe. In dem Achsen Verhältnis des Aragonits a:b:c = 0,6228: 1: 0,7206 = 1:1 ,6056 : 1,1567 entspricht der Wert a : b = 0,6228 : 1 ungefähr dem Wert tg 30° : 1 = 0,57735 : 1 und deshalb wird der Aragonit allgemein als pseudohexagonal angesehen. Der Wert b : c = 1 : 0,7206 entspricht aber noch viel mehr dem Werte 1 : J\/ 2 = 1: 0,7071, d. h. dem Verhältnisse der Flächendiagonalen zur Kante des Würfels. Die Fläche k(011) (Fig. 1) kann nach ihrer Neigung zur Vertikalachse sowohl als 404 {114} oder auch als ooO {110} ge- deutet werden, welche beide gegen die Oktaedernormale, welche Fig. 1. Aragonit von Bilin (ein- facher Kristall). Fig. 2. Schnittlinien der Flächen (111), (114), (001) und (110) mit der Granatoederfläche (HO); senkrecht zur Zeichnungsebene geht durch die Achse o die Leucito- ederfläche (T12). ß- der rhombischen vertikalen Achse c entspricht, unter dem gleichen Winkel von 54° 44' geneigt sind und sich dadurch unterscheiden, daß sie um 180° gegeneinander um die Oktaedernormale gedreht sind (vergl. Fig. 2 u. 3). Beim Aragonit beträgt die Neigung der Fläche k gegen die vertikale Achse 54° 14', beim Strontianit 54° 06', beim Whiterit 53° 52', beim Cerussit 54° 08'. 9* J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien 26 Beim Aragonit deuten vom Verfasser beschriebene „anomale Ätzfiguren“1 und auch die Spaltung nach k auf eine submikro- skopische Lamellierung nach der Fläche k(Oll); dieses spricht dafür, daß die Lamellen abwechselnd den regulären Flächen (01 1) und (114) entsprechen. Fig. 3. Schnitt durch den Mittelpunkt eines Granatoeders parallel zu einer Granatoederfläche. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch , daß die Fläche 2Poo (021) des Aragonits identisch wird mit der regulären Form ooOoo (001), wenn wir k mit der regulären Form 404 (114) identi- fizieren, während die rhombische Grrundpyramide P(lll) mit der regulären Form ooOoo (001) identisch wird, wenn wir k mit der regulären Form ooO (011) identifizieren. Im ersten Falle finden wir für die rhombische Form P auf den Zonen (111) : (011) bezwr. (111): (101), und zwar jenseits (011) bezw. (101), keine ent- sprechenden einfachen regulären Formen ; im zweiten Falle fehlt eine reguläre Form für 2Poo (vergl. Fig. 4). Das häufige Vor- kommen dieser beiden Formen beim Aragonit spricht aber dafür, daß diese auch in der regulären Struktur begründet sind ; die eine Form muß demnach der einen Art von Lamellen entsprechen, die andere Form der anderen Art. 1 Vergl. Zeitschr. f. Frist. 1891. 19. p. 249. der Calcit- und der Aragonit-Reihe. 27 Die beiden Flächendiagonalen eines Rhomboeders, welches zur trigonalen Achse die gleiche Neigung hat wie das Rhombendodeka- eder, bezw. das Ikositetraeder { 1 1 4}, verhalten sich zur Kante des Rhomboeders wie 1 : 0,7071 : 0,6123. ioo Fig. 4. Bei einem Rhomboeder, dessen Neigung gegen die trigonale Achse gleich der Neigung der Fläche k ist, sind die entsprechenden Werte für Aragonit 1 : 0,7114 : 0,6136, Strontianit 1 : 0,7128 : 0,6140, Witherit 1 : 0,7148 : 0,6146, Cerussit 1 : 0,7124 : 0,6139. Die Fläche a = ooPöo {100} des Aragonits entspricht einer Granatoederfläche, b = ooPoc {010} einer Leucitoederfläche, ebenso die Fläche m = ooP (Fig. 1). In der rechten Hälfte eines Aragonit- kristalls steht die Lamellierung zu der der linken spiegelbildlich in bezug auf die Leucitoederfläche; fehlt die eine Hälfte, dann wird der Kristall hemimorph nach der Achse b l. n A0 Setzen wir Rx = — , wobei n eine Ordnungszahl der Reihe X des periodischen Systems, A0 das Atomgewicht des Sauerstoffs und Ax das Atomgewicht eines anderen Elementes x bedeutet, so werden für die in Frage kommenden Mineralien, bei n = J für C, n = 1 für 0; n = | für Mg, n = 2 für Ca; n = 3 für Zn, Mn und Fe (für Mn und Fe ist n = 2 zu setzen), n = 4 für Sr, n = 6 für Ba und n = 9 für Pb, 1 Vergl. J. Beckenkamp, Zeitschr. f. Krist. 1888. 14. p. 69. 28 J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien wenn RQ = 1 gesetzt wird : oder, wenn Rc == 1 gesetzt wird : RMg ==0,880 : also ann. 7:8 = 0.875 ^Mg = = 1,320 also ann. 4:3: = 1,333 *Mn = 0,871 „ » n ^Mn = = 1,311 ,, » 7) RFe = 0,860 „ „ V *Fe = = 1,290 „ » ?5 ^Zn = 0,734 n 3:4 = 0,750 EZn = - 1,100 „ „ 1:1 = 1,00 ^ea = 0,798 ,, 4:5 = 0,800 ECa = = 1.197 „ „ 6:5 = 1.200 Bc = 0,666 . = 2:3 = 0,666.. B0 - = 1,500 .. „ 3:2: = 1,500 Ferner wir d, wpnn Rq = 1 gesetzt wird : oder, wenn Bc = 1 gesetzt wird : «Sr = 0,731 also ann. •*V2 = = 0,707 *Sr = = 1,0965 also ann. = 1,00 *Ba = 0,699 „ „ „ Rna = = 1,0485 „ „ Rpb = 0,6986 „ „ ®'Pb = = 1,0479 „ r> In der Fläche k entspricht bei den Mineralien der Aragonit- reihe die Verbindungslinie der Achsenenden b und c der Hexaeder- normalen h, die Kante (Oll) : (Oll) der Granatoedernormalen g. Bei den kubischen Gittern stehen die Punktabstände in den Rich- tungen li und g, in dem Verhältnisse 1 : |y2, wie aus der nachstehenden Tabelle ersehen läßt. Die Punkt ebenen parallel zu einer Würfelfläche haben beim einfach kubischen Gitter den Abstand h, , beim doppelt und beim vierfach kubischen Gitter den Abstand h2 bezw. h4. Die Punktebenen parallel zu einer Oktaederfläche haben bei den drei kubischen Gittern die Abstände o: bezw. o2 bezw. o4 und ent- sprechend sind die Abstände der Punktebenen parallel zu den Granatoederflächen gx bezw. g2 bezw. g4. Bei allen drei kubischen Gittern hat die Projektion der Massen- punkte auf eine Oktaederfläche die gleiche Form. Der Unterschied besteht in dem Verhältnisse der Schichtabstände zur Dreiecksseite, d. h. in dem Verhältnisse o : g. Es kann daraus geschlossen werden , daß in die eine der beiden genannten Richtungen die Hauptwirkung des Sauerstoffs fällt, in die andere die des betreffenden Metalls Sr, Ba oder Pb, und daß wegen der nahen Übereinstimmung der Fundamentalbereiche R mit den regulären Punktabständen diese beiden Richtungen Haupt- strukturlinien bei Strontianit, Witherit und Cerussit sind. Bei Aragonit entfernt sich R sehr weit vom Werte ^V2, während gerade das Verhältnis der beiden Diagonalen und der Kante des gedachten Rhomboeders beim Aragonit dem regulären Verhältnisse am nächsten steht. Das Ca hat demnach beim Ara- gonit keinen oder nur sehr geringen deformierenden Einfluß auf die regulären geometrischen Dimensionen. Wegen des sehr nahen Verhältnisses des Wertes Rca : Ro = 4 : 5 scheint beim Aragonit die Hauptwirkung des Ca mit der des 0 zusammenzufallen. Tabelle der Punktabstände in der Richtung der 4 Hauptdimensionen der drei kubischen Gitter. der Calcit- und der Aragonit-Reihe. 29 05 1-1 >o 03 O 05 ^ 03 Tf H P3 C- 03 03 ICO —i 05 03 tJH CD 103 CD > 'r- ICO CD i 03 t-*" n| O O cT o' W Z 11 ii 1 03 I CO ii .CO >- Suo 05 03 IC m o 05 00 03 ^ 03 CO oq of oi i—T ICD 103 ICO > >■ 03 1 03 ICD !cO r-^ r-*- 'r~*~ - h| 00 iO o o T- 1 O r(f O O !co 1 03 ko 1— - "i-— A-*- >» O lO 1-H 03 O- GO o o l> TjH cT cT 1 03 IcD 'CO '> r- "> H®* H|«0 ri|s5 05 _| ^ C\1 05 -Jl ICO >- CD |03 > > 30 i-l 05 CO 03 ^ i> ^ co 'Cf! CO t-T cf ico 103 i CD O 30 J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien Es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung', daß Aragonit auch nicht die stabile Form des CaC03 ist, und daß Aragonit besonders dann entsteht, wenn Sr-, Ba- oder Pb-Verbindungen Lösungs- genossen sind. b) Calcitreihe. Bei den rhomboedrischen Carbonaten sind Hauptzonenachsen : 1. die Kante des Spaltungsrhomboeders R {100}* zu dieser Zone gehören: ooP2 {101}, R3{201}, R{100}, |R3{301}, — iR{101}; 2. flie längere Diagonale des Spaltungsrhomboeders; in dieser Zone liegen: ocR{2Il}, 4R {3TT}, R {100}, OR {1 1 1}, — iR {Oll}, — 2R {110} ; 3. die kürzere Diagonale des Spaltungsrhomboeders; in dieser Zone liegen: R {100}, — 2R {111}, ooP2 {Oll}; 4. die vertikale Achse ; in dieser Zone liegen: ooR{2ll} und ooP2 {101}. Nach der Neigung a der Rhomboederflächen gegen die Haupt- achse kann man die in bezug auf ihre Winkel sichergestellten ein- fachen Mineralien der Calcitreihe folgenderweise gruppieren : a) Mg C 03, « = 46° 54' a : c = 1 : 0,8095 Mn C 03, « = 46 37 = 1 : 0,8259 Fe C 03, « — 46 39 = 1:0,8191 b) ZnC03, « = 47 03 = 1 : 0,8062 c) Ca C 03, « = 45 24 = 1 : 0,8543 Die Neigung der drei Rhomboederebenen gegen die Haupt- achse ist bei den unter a) genannten Mineralien fast genau dieselbe wie die von drei Flächen eines unter 11° 25' 10" gegen (100) geneigten Ikositetraeders 707 {117} gegen die von ihnen ein- geschlossene trigonale Achse; dieser reguläre Wert ist 46° 41' 10"; der Mittelwert der unter a) genannten Mineralien ist 46° 43'. Man kann also das Spaltungsrhomboeder als eine tetarto- edrische Form des Ikositetraeders {117} auffassen, wobei von den vier, beim regulären Ikositetraeder gleichwertigen trigonalen Achsen die eine eine Sonderstellung erhält, indem nur diejenigen 6 Flächen des Ikositetraeders zur Ausbildung gelangen, welche an beiden Enden der einen trigonalen Achse liegen. Die gleiche Neigung gegen die trigonale Achse wie das Ikosi- tetraeder 707 {117} hat auch das Triakisoktaeder 50 {155}; man könnte daher auch dieses als das reguläre Äquivalent des Spaltungs- rhomboeders ansehen, oder mit anderen Worten : Man kann sowohl (117} als positives und {155} als negatives Rhomboeder ansehen, wie auch die umgekehrte Annahme machen. Als positive Form ist jedoch {117} vorzuziehen, weil dann die häufigste Form — das reguläre Zeichen {144} erhält, während dieselbe Form bei der anderen Wahl das weniger einfache Zeichen {522} erhält. der Calcit- und der Aragonit-Reihe. 31 Die Annahme liegt jedoch nahe, daß auch beim Calcit Schichten nach dem Ikositetraeder {117} mit Schichten nach {155} alternieren, welch letztere demnach um 180° aus ihrer eigenen Lage gedreht sind. Die beiderseits ausgebildeten Aragonitkristalle würden dann den bekannten Zwillingen des Calcits nach der Basis entsprechen, wenn man diesem Zwillingsgesetze die Definition zugrunde legt : Zwillingsachse ist die Hauptachse, Verwachsungsebene die Basis. Das Zeichen {117} ist allerdings kein einfaches, und man könnte deshalb entgegnen, daß man immer eine komplizierte reguläre Form finden könne, deren Winkelwerte der rhomboedrischen Form be- liebig nahekommen. Dagegen ist jedoch zu bemerken, daß das Zeichen {117} sich auf die drei regulären Hauptachsen h bezieht, welche als bevorzugte Richtungen bei den rhomboedrischen Car- bonaten nicht in Betracht kommen ; neben der Polkante und der kurzen Diagonalen des Spaltungsrhomboeders kommen hier vielmehr die lange Diagonale g und die hexagonale Hauptachse c, oder in regulärer Deutung o, in Betracht. Betrachten wir aber einen regulären Würfel als Rhomboeder, so hat er das Achsenverhältnis a:cw=^ 1: 1,22476, das genannte Ikositetraeder erhält in bezug auf dieselben Achsen genau das Verhältnis a : c = 1 : 0,8164 9 = 1 : J-cw und beim Aragonit erhält man bezüglich der Fläche k das Verhältnis a:^cw. Betrachten wir also den regulären Würfel als ein Grundrhomboeder R, so erhält die Fläche k des Aragonits das Zeichen — ^R und das Spaltungsrhomboeder der rhomboedrischen Carbonate das Zeichen f R. Die beiden Flächendiagonalen eines Rhomboeders, welches zur trigonalen Achse dieselbe Neigung hat wie die Flächen des Ikosi- tetraeders {l 17}, verhalten sich zu den Kanten desselben Rhombo- eders wie 1 : 0,7935 : 0,6383 — 1,2602 : 1 : 0,8044. Bezeichnen wir die große Diagonale mit D, die kleine mit d und die Kante mit K, so verhalten sich mit großer Annäherung D : d = d : K = 5 : 4. Bei den hier in Betracht kommenden Mineralien sind die Werte D : d : K folgende : MgC03 1 : 0,79046 : 0,6373 - 1,2651 : 1 : 0,8061 MnC03 1 : 0,79781 : 0,6396 = 1,2532 : 1 : 0.8017 FeC 03 1 : 0,79449 : 0,6386 = 1.2587 : 1 : 0,8038 ZnC 03 1 : 0,78881 : 0,6368 = 1.2677 : 1 : 0.8070 CaC03 1 : 0,81099 : 0,6437 = R2330 : 1 : 0,7937 Bei ZnC03 unterscheidet sich dieses Verhältnis nur wenig* von dem regulären, und zwar ist der mittlere Wert, d. li. der der kleineren Diagonalen kleiner; bei CaC03 unterscheidet es sich beträchtlich von dem regulären Wert, und zwar ist der mittlere Wert größer als der reguläre Wert, während bei den drei ersten Mineralien D:d:K sich fast gar nicht von dem regulären Wert unterscheidet. Beim Kalkspat verhalten sich die beiden Flächen- 32 J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien diagonalen zur Polkante wie 1:0,8107:0,6438; da 1:0,803 = 0,803:0,644, so ist also auch hier wie bei dem Rhomboeder mit genau regulären Dimensionen die kleine Diagonale annähernd die mittlere Proportionale zwischen der größeren Diagonalen und der Kante. Das Verhältnis der Atombereiche R des C, Ca und 0 ist: Rc : RCa : Ro = 1 : 0,798 : 0,666 .. . und da 1:0,816 = 0,816: 0,666..., so ist auch der Wert Rca annähernd mittlere Pro- portionale zwischen R0 und Rc. Beim Kalkspat scheint somit eine gegenseitige Anpassung der drei Atombereiche die Ursache der stärkeren Abweichung von dem regulären Werte zu sein, so daß in der kürzeren Diagonalen des Spaltungsrhomboeders die Wirkung des Ca, in der Kante die des C und in der längeren Diagonalen die des 0 hauptsächlich zur Geltung kommt (vergl. Fig. 5). Fig. 5. Längenverhältnisse der Kante und der beiden Diagonalen der Rhomboederfläche des Kalkspates, verglichen mit den Radien Rc, RCa und Rq. Die Buchstaben I3, I4 usw. sind die betreffenden Längen der Kalkspatkanten. Hierbei ergibt sich wieder die gleiche Erscheinung wie bei den Mineralien der Aragonitreihe. Diejenigen Mineralien, deren Metall, Mg, Mn, Fe und Zn, in bezug auf den Wert Rx am meisten von dem regulären Verhältnisse, in diesem Falle 4:5, ab weicht, haben Winkelwerte, welche den regulären am nächsten stehen, während der Calcit eine viel größere Abweichung hiervon erkennen läßt. Es scheint also, daß die Metalle Mg, Mn und Fe fast keinen, Zn nur einen geringen deformierenden Wert haben, weil ihr Wert R von dem regulären Werte 4:5 zu weit abweicht, und daß die Hauptwirkung der Metalle Mg, Mn, Fe, Zn in die gleiche Richtung fällt wie die des Kohlenstoffs. Das Verhältnis der Werte R der Metalle Mg, Mn, Fe zum Wert Rc ist annähernd = 4:3. Müssen wir hiernach das Spaltungsrhomboeder R {100} der Mineralien der Calcitreihe mit den Flächen des regulären Ikosi- tetraeders {117} identifizieren, so entspricht das Rhomboeder — |R des Kalkspats der regulären Form 40 {44l}, das Prisma ooR{21l} der Calcit- und der Aragonit-Reihe. 33 wie beim Aragonit Flächen des Leucitoeders {112} und das Prisma ooP2{l0l} Flächen des regulären Granatoeders. Die Rhomboeder- kanten, welche nach dem Vorhergehenden als Hauptstrukturlinien erkannt wurden, fallen bei regulärer Aufstellung in die Ebenen des Granatoeders. Liegen drei Gerade unter gleichen Winkeln gegen eine trigonale Achse in je einer durch diese Achse gehenden Granatoederfläche, so verlangen die durch diese Achse gehenden regulären Spiegelebenen keine weiteren zu jenen drei Geraden gleichwertigen Kanten. Die Mineralien der Kalkspat reihe gehören somit im Gegensätze zum Quarze zur rhomboed rischen (trigonalen) Hyposyngonie. Von den sämtlichen ein reguläres Gitter bildenden Knoten- punkten scheinen diejenigen bevorzugt zu sein, welche einem und demselben rhomboedrischen Gitter mit den Dimensionen der Mineralien der Calcitreihe angehören, weil dessen Netzlinien eine auch über die Lamellengrenze hinaus homogen 1 bleibende Anordnung besitzen. Das System der bevorzugten Knotenpunkte besitzt bei den einfachen rhomboedrischen Carbonaten die Symmetrie der ditrigonal- skalenoedrischen Klasse, das Gesamtsystem aber eine niedrigere Symmetrie. Durch entsprechende Zwillingsbildung kommt eine quasi homogene Masse zustande, deren Symmetrie die gleiche ist wie die der bevorzugten Punkte. Ist die Zwillingsbildung nur unvollkommen, dann erscheint die quasi homogene Masse niedriger symmetrisch. Bei den Doppelsalzen, z. B. CaMg(C03)2 (Dolomit), hat sowohl das System der bevorzugten Punkte als das der quasi homogenen Masse nur die Symmetrie der rhomboedrischen Klasse. Bei den Mineralien der Aragonit- und der Calcitreihe wieder- holen sich somit die gleichen Verhältnisse, welche vom Verfasser schon früher in seiner Kristalloptik für den Quarz und den Pyrit abgeleitet wurden. Auch beim Quarz und Pyrit wurde angenommen, daß die von W. H. und W. L. Bragg abgeleitete Atomanordnung nur ein be- vorzugtes Teilsystem der gesamten deformiert regulären Atom- anordnung darstelle. Wenn alle Knotenpunkte des deformiert regulären Gitters mit Atomschwerpunkten besetzt sind, dann müssen bei isomorphen Körpern die Werte Rx der sich gegenseitig ver- tretenden Elemente annähernd gleich sein ; und dies ist auch bei den bisher untersuchten isomorphen Reihen tatsächlich der Fall. Der weiteren Vermutung, daß dann allgemein bei kristalli- sierten Elementen das Atomvolumen dem Werte Rx proportional sein müsse , widerspricht aber die bekannte Kurve der Atom- volumina. Wir müssen daher wohl annehmen, daß nur ein Teil der Knotenpunkte des regulären Gitters mit Atomschwerpunkten besetzt 1 Im Sinne der vom Verf. in dessen geometrischen Kristallographie, p. 4. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 3 34 J. Beckenkamp, Zur Struktur der Mineralien etc. ist. Sollten etwa die BuAGG’schen Strukturbilder tatsächlich die ge- samte Atomanordnung darstellen, dann sind zwar nur die bevorzugten Knotenpunkte des deformiert regulären Punktsystems mit Atomen besetzt. Für das geometrische und physikalische Verhalten (optische Drehung usw.) müssen dann aber auch die nicht besetzten Knoten- punkte der deformiert regulären Anordnung zur Geltung kommen. Denn abgesehen davon, daß die hier abgeleiteten Beziehungen zwischen Atomgewicht und Atomabstand wohl kaum zufällige sein könneu, läßt das BRAGG’sche Strukturbild des Quarzes, welches mit dem SoHNCKE’schen identisch ist, optische Drehung nur für Strahlen parallel der Hauptachse erkennen, während die Beobachtung ebenso wie das vom Verfasser für den Quarz abgeleitete deformiert reguläre Bild auch Drehung senkrecht zu dieser ergeben hat. Fig. 6. Atomanordnung beim Kalkspat nach W. L. Bragg. Auch bei Calcit läßt das BRAGG’sche Strukturbild (Fig. 6) keine Beziehung zum regulären System erkennen ; sowohl die Ca- als die C-Atome bilden in diesem Bilde die Schnittpunkte je eines rhomboedrischen Gitters mit den Dimensionen des Spaltungsrhombo- eders, und es gilt demnach hier dasselbe, was bereits bezüglich des Quarzes erwähnt wurde. Wie beim Quarz die Polkante T zwischen den positiven und negativen Rhomboederflächen ihre bevorzugte Bedeutung als Struktur- linie ihrem Längenverhältnisse 3 : 2 in bezug auf die Lateralkante1 verdankt, so verdankt bei den Mineralien der Calcitreihe die Rhombo- ederkante ihre bevorzugte Stellung dem Verhältnisse 4 : 5 in bezug auf die kleinere Diagonale des Spaltungsrhomboeders. 1 Vergl. J. Beckenkamp, Kristalloptik, p. 604. M. Rözsa, Die Entstehung der Zechsteinsalzlager etc. 35 Die Achsen Verhältnisse des Pyrargyrits Sb (S Ag)3 , a:c = 1:0,7892, und des Proustits As(SAg)3, a:c = 1:0,8039 lassen vermuten, daß die beiden Potgültigerze die gleiche Struktur besitzen wie die Mineralien der Calcitreihe. Setzen wir für Schwefel n = 2, für As n = 3, für Silber und Antimon n — 5, dann ergeben sich die Verhältnisse: Rs : Ibs — 3,10 : : 2 Rg : RSb “ 3 : 2,005 RSb: EAg = 9 : 10,025 Ras ■ : Ra6 = 7 8,11 also annähernd wie 3:2 — Rq : Rc Es bestehen also ähnliche Verhältnisse wie etwa beim Magnesit. Jedoch ist bei den Rotgültigerzen die Hemimorpliie nach der Haupt- achse stärker ausgeprägt als bei den Mineralien der Calcitreihe. Schon lange bekannt ist ferner die fast genaue Übereinstim- mung der geometrischen und physikalischen Eigenschaften der stabilen Form des Natriumnitrates NaN03 mit denen des Calcits und der Eigenschaften der stabilen Form des Kaliumsalpeters KN03 mit denen des Aragonits. Beim Natriumnitrat ist a : c == 1 : 0,8297, beim Kaliumnitrat a : b : c = 0,5910 : 1 : 0,7011. Setzen wir für Natrium und für Stickstoff n = 1, für Kalium n — 2, dann wird RNa : Rn — Ü214 und wir fanden früher RCa : Rc = 1,197 Rk • Ro = 0,7175 „ „ „ „ RBa ■ Rq — 0,699; RSr ; Rq = 0,731 Die Entstehung der Zechsteinsalzlager aus chemisch-geologischen Gesichtspunkten. Von IVS. Rözsa in Budapest. Zwischen den zahlreichen Theorien, die über die Entstehung* der Salzlager aufgestellt wurden, haben die OcHSENius’selie Barren- theorie und die Wüstentheorie Walther’s den stärksten Wider- hall gefunden. Nach der OcHSENius’schen Barrenhypothese, welche sich auf die bekannten Verhältnisse des Kara Bugas stützt , bildeten sich mächtige Salzlager hauptsächlich in solchen Binnenseen, die durch eine Landesbarre vom Ozean mehr oder weniger abgetrennt waren. Der Zufluß von Meerwasser erfolgte demnach nur in solch geringem Maße , daß infolge des herrschenden Steppenklimas starke Kon- zentrierung der Salzlösung und Ausscheidung von Salzen in den- selben erfolgen konnten. Der Umstand, daß in den Steinsalz- ablagerungen die Kalisalze selten vorhanden sind, wird mit Hilfe 3* 36 M. Rozsa, Die Entstehung der Zechsteinsalzlager dieser Hypothese dadurch erklärt, daß die Absätze der Binnenseen schließlich das Niveau der Barrenhöhe erreichten, wodurch die kalireichen Mutterlaugen in den Ozean zurückfließen mußten. Ein Zurückbleiben dieser Laugen konnte demnach nur infolge jener Gestaltungen des Untergrundes erfolgen, welche zur Erhöhung der Barre führten und den Busen vom Ozean abschließen. Bei der Prüfung der OcHSENius’schen Hypothese dürfte man durch folgende Gesichtspunkte geleitet werden: I. Die horizontale und vertikale Verbreitung und Gliederung des Salzkörpers. II. Die chemische Beschaffenheit jener Laugen, deren Ein- trocknung den vorhandenen Schichtungsverhältnissen entsprechen würde. 1. Es hätte bei dem vorausgesetzten Zufluß von Ozean- wasser, infolge der sukzessiven Zunahme der Eintrocknung gegen die Ränder des Zeclisteinsees, entsprechende Differenzierung in der Ablagerung des Carbonats , des Gipses und des Steinsalzes stattfinden müssen. Diese Differenzierung tritt indessen nicht auf. Bereits der Umstand, daß im ersten Stadium der Ausscheidung über dem Carbonat sich homogene Mengen des Anhydrits ablagern konnten, schließt die Hypothese der ständigen Verbindung mit dem Ozean gänzlich aus. 2. Aus der Tatsache, daß die Zusammensetzung des anhydri- tischen Steinsalzes annähernd jenem Verhältnisse entspricht, in welchem die Salze Calciumsulfat und Natriumchlorid im Meerwasser Vorkommen, kann keine Bestätigung der OcHSENius’schen Theorie abgeleitet werden. Abgesehen davon, daß die Jahrtausende an- dauernde , gleichartige Ausbildung des Staßfurter anhydritischen Steinsalzes schon an und für sich das Bestehen eines vom Meere isolierten Beckens voraussetzt, muß die Entstehung der periodischen Anhydritschichten in der Weise erklärt werden , daß nach der Bildung des Gips- Anhydrithauptlagers die Lauge schließlich das Stadium der konstanten Lösung von schwefelsaurem Calcium und von Chlornatrium erreichte, und unter der Dehydratationstemperatur des Gipses sich Steinsalz und geringe Mengen von Gips — später infolge von Temperaturerhöhungen des Bodens in Anhydrit um- gewandelt — gemeinschaftlich ausscheiden konnten. Stieg nun in der warmen Jahreszeit die Temperatur der Lauge über die Dehydratationsgrenze des Gipses (ungefähr 25° bei dieser Kon- zentration und Zusammensetzung), so schied sich infolge der Lös- lichkeitsabnahme des entstandenen Anhydrits der Überschuß des- selben aus und bildete die anhydritischen Jahresschichten. Nach der Ausfüllung des überschüssigen Anhydrits, jedoch während der warmen Jahreszeit, erreichte die Lösung auch den Gleichgewichts- zustand der gemeinschaftlichen Ausscheidung von Steinsalz und von Anhydrit. Während dieser Zeit, also noch in der warmen aus chemisch-geologischen Gesichtspunkten. 37 Jahreszeit, schied sich daher die Hauptmenge des Steinsalzes aus, mit minimaler Beimengung von Anhydrit. Bei Abnahme der Lufttemperatur nahm auch die Temperatur der Lauge ab , die Löslichkeit des Anhydrits aber bis zum Hydratationsgrade zu, demzufolge sich fast reines Steinsalz ausschied. Bei weiterer Ab- nahme der Temperatur, bis unter den Dehydratationsgrad des schwefelsauren Calciums, nimmt sowohl die Löslichkeit des Gipses als auch jene des Steinsalzes ab, weshalb bei diesen Temperaturen sich ebenfalls Steinsalz ausschied, und zwar im Zusammenhänge mit den Temperaturverhältnissen und je nach den Tiefen, in welchen die Lokalisationen der sättigenden Konzentrationsströme statt- gefunden haben, mit variierenden geringen Mengen des Gipses. Während der kühlen, regnerischen Witterung konnten sich infolge der Verlangsamung, eventuell infolge des temporären Aus- bleibens des Sättigungsprozesses relativ größere Mengen schwebender Ton- und Sandteilchen aus der Lauge ablagern. Erwärmten sich aber in der nachfolgenden neuen Periode der trockenen, warmen Jahreszeit die oberen Seeschichten, so kam es infolge der Ver- schiebung des Gleichgewichtszustandes zwischen dem Chlornatrium und dem schwefelsauren Calcium, bei über der Dehydratations- grenze des Gipses liegenden Temperaturen, zu neuer Differenzierung der Ausscheidung beider Verbindungen und demnach zur isolierten Ausscheidung des überschüssigen Anhydrits. Mit dieser unmittel- baren Aufeinanderfolge der Ausscheidungen bezw. der Jahreszeiten hängt offenbar das gesteigerte Vorkommen von Ton, Sand und Bitumen in den periodischen Schichten zusammen l. Die Resultate der über die Zusammensetzung einzelner Anhydrit- schnüre und Steinsalzschichten des Staßfurter anhydritischen Stein- salzes bisher ausgeführten Analysen sind in Tabelle 1 zusammengefaßt. Tabelle 1. Staßfurt Anhydritschnur Steinsalzschicht 1 2 1 3 4 j 5 | 6 1 1 2 | 3 | 4 Ca S 04 . 87,09 94,10 72,31 98,72: 78,70 98,96 0,73 0,82 0,52 1,44 Na CI. . 11,92 5,24 26,85 0,32 20,46 0,22 98,93 99,17 99,28 98,55 A12 03 1 Fe2 03 / | 0,41 0,28 0,36 0,38 0,32 0,35 0,14 Spuren 0,08 Spuren Si02 . . , 0,50 0,31 0,39 0,49 0,44 0,40 0,15 Spuren 0,12 Spuren Bitumen 0,08 0,07 0,09 0,09 0,08 0,07 0,05 | Spuren Spuren Spuren Oft enthalten die Anhydritschichten dünne Steinsalzschnüre, den Oscillationen der Ausscheidungstemperatur entsprechend, wo* 1 M. Rözsa, Zeitschr. f. anorg.- Chemie. 90. p. 380 — 381. 38 M. Rozsa, Die Entstehung der Zechsteinsalzlager gegen an vielen Stellen das plastischere Steinsalz infolge dyna- mischer Vorgänge in die Risse der Anhydritschichten eingepreßt wurde. Diesen beiden Umständen muß der in vielen Fällen große Steinsalzgehalt der analysierten Anhydritschichten zugeschrieben werden. Die von beigemengtem Steinsalz befreite Anhydritschnur enthielt nur geringe Mengen (0,22 % bis 0,86 %) des Steinsalzes. Hauptsächlich zur Erklärung der stellenweise bedeutenden Mächtigkeiten des Zechsteinsalzes stellte Ochsenius die Barren- theorie auf. Nehmen wir indessen in Betracht, daß — von den nachträglich ausgelaugten Stellen abgesehen — Salzablagerungen von den' russischen Grenzen bis nach Holland hinein und von den Nord- und Ostseen bis an den Fuß der deutschen Mittelgebirge fast überall vorzufinden sind, weshalb in den tiefer gesunkenen Beckenteilen die Zusammenschrumpfung eintrocknender Laugen sich von großen Flächen vollzog, so ergibt sich die natürliche Erklärung sowohl für die große Mächtigkeit des Steinsalzes, als auch für jene des Anhydritlagers. Die während des Eintrocknungsprozesses vor sich gehende Gestaltung dieses mächtigen Beckens war indessen mit keiner gleichmäßigen Senkung der einzelnen Beckenteile verbunden, sondern es fanden stellen- weise auch relative Erhebungen der Beckensohle statt. Mit dieser ungleichmäßigen Gestaltung des Eintrocknungsgebietes hängen wohl jene Erscheinungen zusammen, daß die Laugen einzelner isoliert gewordener Beckenteile, die infolge der verschiedenen Tiefenverhältnisse sich in abweichenden Stadien der Ein- trocknung befanden, stellenweise übereinanderfloßen. So kommen in der Werra gegend drei Steinsalzlager und zwei isolierte Lager der Kali- und Magnesiasalze vor, als Beweise stattgefundener Über- lagerungen von Laugen verschiedenen Eintrocknungsstadiums. Die in den liegenden Teilen des mittleren und oberen Steinsalzes be- findlichen Carnallitschichten beweisen ferner, daß die Überflutungen mit sukzessive erfolgter relativer Erhebung des benachbarten tieferen Beckens verbunden waren. Es wanderten bei diesen Bodengestal- tungen nicht bloß die bis zur Steinsalzausscheidung gesättigten Laugen, sondern auch die in vorgeschrittenerem Stadium gewesenen, spezifisch schweren und chlormagnesiumreichen Laugen, die sich dann in den tieferen Beckenteilen ansammelten und die periodische Entstehung von Sättigungszonen für Carnallit und diskordante Auflagerungen desselben verursachten L Die regelmäßig gleich- artige Entwicklung des Werrasteinsalzes und der Mangel an Ton- und Sandschichten schließen jene Erklärung, daß diese Steinsalz- lager den Eintrocknungsprodukten periodisch zusammengewaschener Laugen entsprechen würden, vollständig aus. Ähnliche Verhält- nisse lassen sich auch in den hannoverschen Kalisalzlagern 1 M. Rozsa, Zeitschr. f. anorg. Chemie. 88. p. 323. aus chemisch-geologischen Gesichtspunkten. 39 teststellen. Über den jüngeren Kalisalzlagern haben sich mächtige Steinsalzlager ausgebildet, und zwar in derselben Regelmäßigkeit und Stetigkeit wie jene unter diesen Kalisalzlagern. An diesen Stellen war daher die Lösung bereits bis zur Ausscheidung der Kalisalze eingetrocknet , während in dem benachbarten tiefer lie- genden Becken, mit welchem die Verbindung unterbrochen war, der Eintrocknungsprozeß nur bis zur Steinsalzausscheidung erfolgte. In diesem Stadium der Kalisalzausscheidung konnten nun tektonische Verschiebungen derartige Gestaltungen der Beckensohlen verur- sachen , daß die bis zur Kalisalzaussclieidung gesättigte Lösung von der weniger konzentrierten und nur bis zur Steinsalzausschei- dung gesättigten Lauge des tieferen Beckens überlagert wurde, weshalb über den Kalisalzen die Steinsalzausscheidung von neuem begann. Der Eintrocknungsprozeß erlitt demnach keine Unter- brechung, sondern es erfolgte nur ein wesentlicher Rückgang in der Zusammensetzung der über den abgelagerten Kalisalzen befindlichen Lösung. Indessen erfolgte aus dieser Lauge keine neuere Ausscheidung der Kalisalze, da inzwischen, noch während der Steinsalzausscheidung, beide Beckenteile mit dem Ozean in neuere Verbindung traten, wie dies die über dem hangenden Steinsalz von neuem auftretenden Ton-Anhydrit-Steinsalzschichten beweisen1. Wenn auch die auf die ursprüngliche Mächtigkeit des ab- gelagerten älteren Anhydrits und Steinsalzes bezüglichen Angaben, infolge mangelhafter Aufschlüsse und tektonischer Deformationen, weitere Ergänzung benötigen , so kann trotzdem bereits voraus- gesetzt werden, daß die Mächtigkeit des Staßfurter Anhydrits, im Vergleiche zum Steinsalz, eine viel zu große ist. Dieser Um- stand hängt offenbar ebenso mit den abweichenden Niveauände- rungen der einzelnen Teile des Senkungsgebietes zusammen, als jene andere Erscheinung, daß in den Südliarz lagern die Hauptsalz- und Hartsalzschichten, die in ihrer Mächtigkeit ungefähr dem Staß- furter Hauptsalz- und Hartsalzlager entsprechen, eine verhältnismäßig ganz schwache Unterlage von anhydritischem Steinsalz besitzen. Die zwei Umstände, nämlich die in den tiefer gesunke- nen Beckenteilen von großen Flächen stattgefundene Zusammenschrumpfung bereits konzentri erter Laugen und die mit den lokalen Niveauveränderungen der Beckensohle verbundenen Überlagerungen der Lau- gen, ergeben demnach eine den Naturerscheinungen am nächsten stehende Erklärung über die außer- ordentliche Mächtigkeit des Anhydrits und des Stein- salzes. Daß diese vorausgesetzten Niveauveränderungen der ein- zelnen Teile des Senkungsgebietes keine größere Störung in den bereits 1 M. Rözsa, Über den organischen Aufbau der Staßfurter Salz- ablagerungen. Berlin 1914. p. 34 — 35. 40 M. Rözsa, Die Entstehung der Zechsteinsalzlager etc. abgelagerten Schichten (bisher untersuchter Salzlager) verursachten , findet wohl darin seine Erklärung, daß an diesen Stellen die verhältnismäßigen Verschiebungen des Niveaus mit den Gestaltungen entfernt liegender Beckenteile im Zusammenhänge stehen konnten. Die in gewissen Tiefen erfolgten Lokalisationen der sätti- genden Konzentrationsströme haben zu den quantitativen Abwei- chungen der Steinsalzablagerung ebenfalls beigetragen, besonders an jenen Stellen , wo sich chlormagnesiareiche Bodenlaugen in größerer Menge ansammeln konnten. Die Unhaltbarkeit der Barrentheorie bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen und es kann daher die Hypothese der wiederholten Entstehung einer Barre , die zur Erklärung der jüngeren Zechsteinsalzlager vorausgesetzt werden müßte, einfach übergangen werden. Dieselben dürften mit der von großen Flächen stattgefundenen , bereits erwähnten Zusammenschrumpfung ein- trocknender Laugen und Überlagerungen von Laugen isoliert ge- wordener Beckenteile ebenfalls am entsprechendsten erklärt werden. Jene Variation der Barrentheorie, welche, analog den Er- scheinungen der Karabugasbucht und des Kaspisees, die äußerst große Menge des abgelagerten Steinsalzes dem Umstande zuschreibt, daß die Ausscheidung an diesen Stellen in flachen Buchten erfolgte, die mit einem tieferen See, aus welchem dauernd See- wasser zufloß, in Verbindung standen, hat ebenfalls wenig für sich. Man müßte nämlich in diesem Falle eine Jahrtausende hindurch beständig unveränderliche Wasserhöhe im Zechsteinsee annehmen und auf diese Weise solche Mengen fremder Zuflüsse voraussetzen, die sich weder im qualitativen noch im quantitativen Aufbau des Salzkörpers erkennen lassen L Die OcHSENius’sche Barrentheorie wurde bereits von Walther abgelehnt1 2. Nach seiner bekannten Wüsten theorie entstanden die Zechsteinsalzlager infolge der von großen Flächen stattgefundenen Zusammenschrumpfung eintrocknender Me.ereslaugen , wobei ein dauernder Senkungsvorgang des Untergrundes vorausgesetzt wird. Die während der Zusammenschrumpfung bereits trockengelegten Salzgebiete wurden durch Niederschläge z. T. wieder aufgelöst und die zusammengewaschenen Laugen gerieten in die tieferen Becken- teile, wo sie zur Bildung des Salzkörpers wesentlich beitrugen. Wie es demnach aus meinen jetzigen und früheren Aus- führungen3 ersichtlich ist, decken meine Beobachtungsdaten und 1 Es wäre sehr wünschenswert, sobald wieder normale Verhältnisse eintreten, die Ablagerungen des Kaspisees einer systematischen Unter- suchung zu unterwerfen. 2 J. Walther, Geologie Deutschlands, p. 94 — 98. — E. Erdmann, Zeitschr. f. angew. Chemie. 1908. p. 1685. 3 M. Rözsa, Über den organischen Aufbau der Staßfurter Salz- ablagerungen. Berlin, 1914. p. 10. Zeitschr. f. anorg. Chemie. 90. p. 377. P. Oppenheim, Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 41 Ansichten in vielem die Auffassung1 Walther’s. Die ununter- brochen regelmäßige Ausbildung des anhydritischen Stein- salzes widerspricht jedoch jener Voraussetzung, daß zur Entstehung desselben die Niederschläge, bezw. die zusammengewaschenen Laugen, wesentlich beigetragen haben. Der Eintrocknungsprozeß zusammen- gewaschener, nicht gesättigter Laugen wäre mit der Ausbildung stärkerer Ton- und Sandschichten verbunden gewesen und die Anhydrit- und Steinsalzlager könnten nicht in ihrer Regelmäßig- keit und Reinheit Vorkommen. Bei Beurteilung der quantitativen Verhältnisse des Anhydrits und des anhydritischen Steinsalzes muß demnach, außer der Zusammenschrumpfung eintrocknender Laugen, hauptsächlich jene ungleichmäßige Verteilung der Zechsteinlaugen in Betracht gezogen werden, die mit den erwähnten, lokal ver- schiedenen Niveauänderungen des Untergrundes im Zusammenhänge standen. Die Mitwirkung zusammengewaschener Laugen war bei weiterer Zusammenschrumpfung des Laugengebietes, also zur Zeit der Kalisalzausscheidung, von größerem Belang, als die Kontinuität der Ausscheidungen nicht bloß durch einzelne Steinsalzbänke unter- brochen wurde, sondern auch der Ton- und Sandgelialt bedeutend zunahm. Über das Alter der Libyschen Stufe Zitters und eine neue Stephanopliyllia (St. Schweinfit rthii n. sp.) aus den Blättertonen des Danien in Ägypten. Von Paul Oppenheim. Eines der wichtigsten Resultate der Arbeiten Zittel’s bei der RoHLF’schen Expedition, welche sich neben anderem die geologische Erforschung des Nillandes zur Aufgabe stellte, ist, wie Zittel1 damals selbst betonte, die Aufstellung und Begrenzung der „Liby- schen Stufe“ gewesen. Diese sollte die untersten Tertiärschichten umfassen, welche sich zwischen die oberste Kreide einer- und die Ablagerungen des Mokattam bei Kairo andererseits einschöben, und welche nach unten direkt ohne Pause im Absätze in die Kreide selbst verlaufen sollten. Das genaue Alter dieser Formation wurde naturgemäß noch nicht bestimmt und ihr Verhältnis zu denjenigen des westlichen Europas und des Mittelmeerbeckens noch nicht fest- gelegt; es wäre dies auch ohne weitgehende Einzeluntersuchungen nicht möglich gewesen. Das Hauptmoment für Zittel, welches er wiederholt betont, ist und bleibt, daß zwischen diesem unteren Eocän und der oberen. Kreide ein kontinuierlicher Verlauf statt- findet, daß hier keine natürliche Trennlinie gezogen werden kann und daß sich ganz allmählich die ersten Operculinen und Num- 1 Geologie und Paläontologie der Libyschen Wüste. Palaeonto- graphica. 30, 1. Cassel 1883. p. XC. 42 P. Oppenheim, muliten einstellen als Zeugen einer in ihren Daseinsbedingungen und in ihrer tierischen Bevölkerung vollständig veränderten Zeit- epoche unseres Planeten. Dabei hat keine wesentliche Verschie- bung der Grenzen zwischen Land und Meer stattgefunden und Süßwasser- und Landabsätze mit Ligniten fehlen daher durchaus. Auf Grund eingehender Kenntnis der Eocänabsätze auf anderen Gebieten und unter Beibringung eines großen Materials an Tat- sachen und Beobachtungen aus den übrigen Eocänbereichen glaubt Zittel für diese Libysche Stufe eine ganz besondere Stellung und eine ganz heterogene Entwicklung in Anspruch nehmen zu dürfen. Ztttel’s Ansichten gründen sich in erster Linie auf seine Begehungen der Oasen Farafrah und Dachl und der angrenzenden Wüstenteile; und hier sind seine diesbezüglichen Untersuchungen lange von keiner Seite wieder aufgenommen worden 1 ; auch von Blanckenhorn nicht, der später wohl am eingehendsten die geo- logischen Verhältnisse Ägyptens durchforscht hat. In seinem der Kenntnis des Palaeogen in Ägypten gewidmeten Aufsatze geht dieser Forscher2 zwar von Beobachtungen aus, durch welche Zittel zur Errichtung seiner Libyschen Stufe geführt wurde, und gibt diese sorgfältig wieder. Blanckenhorn fügt aber sogleich hinzu : „Diese Sätze gelten auch heute noch, aber nur für den Teil Ägyptens, den v. Zittel selbst bereist hat, die südliche Libysche Wüste. Für die übrigen Gebiete Ägyptens bedürfen sie einiger Modifikationen.“ Diese Veränderungen nun, welche Blanckenhorn für die Auffassung Zittel’,s beibringt, bestehen im wesentlichen darin, daß er die kontinuierliche Entwicklung zwischen Kreide und Eocän nur auf den südlichen Teil der Libyschen Wüste be- schränkt wissen will , für das Niltal selbst und überhaupt die nördlicheren Gebiete sie aber direkt ausschließt. „Jedenfalls zeigt sich im größten Teil Ägyptens eine mehr oder weniger große Lücke in der Sedimentation an der Basis des Eocän.“ Für die Gebiete, deren geologische Zusammensetzung Zittel’s systematische Anschauungen bestimmte, hat nun Blanckenhorn — soweit diese wenigstens das Eocän betreffen — kaum etwas an tatsächlich Neuem beigebracht, da er diese entlegenen Oasen kaum persönlich 1 Bis 1894, wo Lyons im Quat. Journ. geol. Soc. of London, 4, p. 535 seine Mitteilungen über die Libysche Wüste herausgab, war, wie der Verf. selbst betont, in der Fortsetzung und Erweiterung der Untersuchungen Zittel’s nichts geschehen. Die Untersuchungen von Lyons selbst, des langjährigen Leiters der Geolog. Survey of Egypt, gehen auf das hier in Frage stehende Thema, die Frage des Zusammenhanges zwischen Kreide und Eocän, nicht näher ein. Auf die späteren Arbeiten anderer Mit- glieder der anglo-ägyptischen Organisation werden wir weiter unten zurück- zukommen haben. 2 Vergl. M. Blanckenhorn, „Neues zur Geologie und Paläontologie Ägyptens. II. Das Palaeogen. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1900. p. 403 ff. Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 43 besucht haben dürfte. Seine Gliederung des unteren Eocän in den anderen Regionen, zumal im Niltale selbst, ist dagegen die folgende: I. Unteres Suessonien oder Kurkur stufe. II. Mittleres Suessonien oder untere Abteilung der Li- byschen Stufe. III. Oberes Suessonien oder obere Abteilung des Liby- schen Stufe. Ein Vergleich mit anderen Eocänbereichen — soweit es sich nicht um die angrenzenden Eocängebiete von Syrien und Palästina handelt — wird nicht versucht. Die ganze Gliederung krankt — rein prinzipiell genommen — etwas an der Anwendung der schon damals etwas veralteten D’OiiBiGNY’schen Etagenbezeiclmung „Suessonien“ . Dieser Nachteil der BLANCKENHORN’schen Systematik hat sich seither noch verstärkt. Einmal muß , seitdem Fourtau 1 und Leuchs1 2 ziemlich gleichzeitig nachgewiesen haben, daß die Kurkur- stufe in Wirklichkeit nicht besteht und ihre Anwesenheit durch die zufällige Vermengung von Fossilien des Eocänkalkes mit solchen der darunter lagernden Blättertone der Kreide vorgetäuscht wird, diese augenscheinlich in Wegfall kommen; andererseits gehören die Blättertone bei Theben, wie bereits Zittel vorahnend meinte, und wie ich selbst3 später paläontologisch nachgewiesen habe, im Gegensatz zu der früheren Auffassung von Delanoüe und d’Archiac nicht dem unteren Eocän, sondern schon dem Danien an. Damit wird der Begriff des unteren Suessonien bei Blanckenhorn inhaltslos und hat somit in Wegfall zu kommen. Im Einklänge damit steht, daß die Mitglieder der Geol. Survey of Egypt, zumal H. J. L. Beadnell4, auch für das Gebiet der südlichen Oasen aus stratigraphischen Momenten die Kontinuität zwischen Kreide und Eocän leugnen, und die Konkordanz zwischen beiden Formationen da, wo sie, wie z. B. im N der Oase Beharich, auch für sie be- steht, als eine nur scheinbare auffassen 5, während weiter im Süden anscheinend eine kontinuierliche Entwicklung zwischen oberster Kreide und ältestem Tertiär im Sinne der ZiTTEL’schen These angenommen wird 6. Im N, NO und W der Oase soll dagegen der 1 Les Gara-Kurkur Series. Bull, de lTnstitut egyptien. (V.) 7. Le Caire 1913. p. 20 ff. 2 Geologisches aus der südlichen Libyschen Wüste (Gebel Gurra, Oase Kurkur, Gebel Borga). N. Jahrb. f. Min. etc. 1913. II. p. 83—48. 3 Über die Fossilien der Blättermergel von Theben. Sitzungsberichte in math.-phys. Klasse d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wissensch. 32 1902. p. 435 ff. 4 Decouvert.es geologiques recentes dans la Vallee du Nil et le desert Libyen. Congrös geologique international. VIIIe Session, en France. Comptes Rendus. II. Paris 1901. p. 839 ff. 5 a. a. 0. p. 851. Anmerkung. 6 a. a. 0. p. 853. 44 P. Oppenheim, Kalk der Libyschen Stufe direkt und ohne Zwischenglieder auf dem Cenoman liegen, so daß der Autor abschließend feststellt: „II resulte clairement de ces faits, qu’il y a, entre le Cretace et l’Eocene une remarquable discordance, les depöts eo eenes re- couyrant successivement les differents etages du Cretace/- Das Umgekehrte, also der volle lückenlose Übergang beider For- mationen im Sinne Zittel’s , wird allerdings in einer späteren Publikation im Hinblick auf die Verhältnisse am Gebel Awaina bei Sabaia (N von Efu) von dem gleichen Autor für die südlicheren Gebiete vorausgesetzt 1. Es werden aber hier die Blättertone („Esneli Shales“) noch als Eocän aufgefaßt, trotzdem ihre Kreide- natur bereits erkannt war. Als Untereocän bleiben somit nach wie vor nur die Nummulitenkalke der Libyschen Stufe übrig und somit die Frage offen: „Welches ist das Alter dieser Formation ?“ und „Mit welchen Bildungen Nordeuropas und des Mittelmeer- beckens ist sie zeitlich zu identifizieren?“ Zittel hat — wie wir bereits sahen — nie daran gez weif eit, daß es sich in seiner Libyschen Stufe um Untereocän handle. Die späteren Bearbeiter ihres Fossilinhaltes sind ihm in diesem Punkte bisher gänzlich gefolgt, so P. de Loriol für die Eclii- n i d e n , de la Harpe und Schwager für die Foraminiferen, ich selbst für die Mollusken. Mayer-Eymar, der sie vielfach auch geologisch durchforscht hat, hat sie zu seinem Londinien gestellt, also für gleichwertig gehalten den Sanden von Cuise-la- Motte mit Nammulites planulatus = elegans und den Tonen des Beckens von London. Wenn die letztere Auffassung die richtige wäre, so würde sie damit höher hinaufriicken , und es würden mithin in Ägypten Äquivalente des Montien und des Thanetien, mithin des Paleocän gänzlich fehlen. Es würde dann aber gerade auch hier in Ägypten dieselbe Lücke zwischen Kreide und Eocän bestehen, deren Vor- handensein Zittel mit solcher Energie bestritten hat. Man sieht also , daß hier noch mehr Schwierigkeiten verborgen liegen, als dies der dem Gegenstände ferner Stehende vermutet! Während alle die bisherigen Beobachter aber an dem unter- eocän en Charakter der Sedimente festhielten, ist auch dieser in neuerer Zeit in Zweifel gezogen worden. Boussac2 hat behauptet, daß die ganze Libysche Stufe Zittel’s transgredierendes Lutetien, also Mitteleocän sei. Der französische Autor stützt seine Behauptungen zuvörderst darauf, daß er selbst in der Umgegend 1 H. J. L. Beadnell, On the Eocene and Cretaceous Systems of the Nile Valley. The Quaterly Journal of the Geological Society of London. 61. 1905. p. 673 u. 676. 2 Vergl. „Observations nou veiles sur le Nummulitique de la Haute- Egypte“. Compte rendu sommaire des seances de la Soc. geol. de France. 1913. p. 63 ff. (Söance du 7 Avril.) Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 45 von Theben den allmählichen Übergang zwischen Kreide und Tertiär nicht aufzufinden vermochte. Überall, wo er an dieser Stelle den Kontakt wahrzunehmen vermochte, bestände zwischen dem Blättermergel des Danien und den sie bedeckenden, an Feuer- stein reichen kreidigen Kalken ein plötzlicher Kontrast und eine sehr scharf gezogene Grenze. Boussac bekämpft liier Dinge , die nie behauptet wurden. Die Grenze zwischen Blättermergeln und festen Kalken muß natürlich stets leicht zu ziehen sein. Zittel hat auch nie das Gegenteil behauptet und seine Libysche Stufe nie auf die Ver- hältnisse des Niltales bei Theben begründet. Die Gliederung stützt sich auf die stratigrapliisclien Verhältnisse der beiden Oasen in der Libyschen Wüste, und hier sollen an zahlreichen Punkten Kalke der Kreide in diejenigen des Eocäns übergehen. Es lagert hier im allgemeinen auf den Blättertonen eine Kalkformation, die sich durch ihre Fauna noch als typisch cretacisch erweist und die Zittel als „schneeweißen, wohlgeschichteten Kalkstein oder erdige Kreide“ bezeichnet. Erst über dieser Kreidestufe, dem obersten Danien, baut sich der Kalkstein der Libyschen Stufe auf, und somit vollzieht sich der Übergang inmitten einer in ihrer petro- graphischen Ausbildung im wesentlichen gleichartigen Kalkmasse. Es ist sogar anzunehmen, daß diese oberste Kreide im Niltal bei Theben nicht einmal fehlt. Wahrscheinlich entspricht sie dem „quatrieme etage“ des von Delanoüe 1 bei Theben gegebenen Profiles. Dafür spricht der petrographische Charakter, den diese Formation nach den Angaben Delanoüe’s besitzen soll. Fossilien sind in ihr, trotzdem sie 116 m Mächtigkeit besitzen soll, in der Umgegend von Theben anscheinend bisher nicht aufgefunden worden. Delanoüe schweigt über diesen Punkt, aber d’Archiac, der die paläontologischen Stützen des Aufsatzes lieferte, fügt auf p. 11 a. a. 0. ausdrücklich hinzu: „On a vu que le quatrieme etage, malgre sa grande epaisseur, n’avait offert ä M. Delanoüe aucun fossile determinable. “ Auch Boussac hat in diesen wohl noch dem Danien angehörenden kreidigen Kalken anscheinend keine organischen Beste gesehen; die Fossilien, die er bei Chaghab, „d. h. ein wenig stromaufwärts von Theben“ gefunden haben will, liegen jedenfalls höher und gehören schon der dritten Etage Delanoüe’s an, welche der Libyschen Stufe Zittel’s entsprechen dürfte1 2. 1 Note sur la Constitution göologique des environs de Thebes. Comptes rendus des seances de l’Academie des Sciences. 67. p. 701. Seance du 5 Octobre 1868. p. 705. 2 Die Angaben über Alter und Äquivalenz des die Blättertone bei Theben-Luxor bedeckenden Kalkhorizontes sind einigermaßen widerspruchs- voll. Zittel (Beiträge zur Geologie und Paläontologie der Libyschen Wüste. Palaeontographica. 30, 1. p. LXXVIII) hält es für am wahrscheinlichsten, daß bei Esneh beide Horizonte, derjenige der obersten Kreide und der- 46 P. Oppenheim, Wir sehen also schon in diesem Punkte bei Boussac ein Mißverständnis an das andere sich reihen und beobachten kein allzu tiefes Eindringen in die tatsächlichen Unterlagen der Frage L Was nun die Fossilien selbst anlangt, welche Boussac bei Chaghab, also — wie wir annehmen dürfen — in den Kalken der Libyschen Stufe gefunden haben will, so beschränken sich diese, wenn man von einer stratigraphisch nichtssagenden Operculina sp. absieht, auf einen Nummuliten, N. atacicus Leymerie, und auf einen Echi- niden, Conoclypeus conoideus Leske sp. Was die letztere Form anlangt, so muß sie sehr gut erhalten sein, oder es muß seitens des Beobachters eine recht genaue Kenntnis dieser Formen vor- liegen, damit sie scharf und mit Sicherheit von verwandten Arten, wie z. B. dem C. Delanoüei P. de Loriol der Libyschen Stufe ge- trennt werden kann. Nummidites atacicus Leymerie wird schon von de la Harpe aus der Libyschen Stufe als leitend angegeben. Er findet sich aber auch in Algerien und im Südosten Frankreichs (Corbieres) im Untereocän (Ypresien). Man kann sich in diesem Punkte Herrn Boussac gegenüber auf französische Arbeiten stützen 2. Die Anwesen- heit von Nummidites atacicus spricht also nicht gegen das untereocäne Alter der Kalke von Chaghab, respektive der Libyschen Stufe. Was nun die Hügel um Theben selbst anlangt, so soll man nach Boussac in ihnen Fossilien nur etwa 100 m über der Basis finden. Dieses ist im Momente natürlich und selbstverständlich, wo man das Profil Delanoüe’s im Auge hat und sich bewußt ist, jenige der eocänen Libyschen Stufe derartig verschmolzen seien , daß die Trennung zwischen ihnen kaum möglich sei. Blanckenhorn (Neue geo- logisch-stratigraphische Beobachtungen in Ägypten. Sitzungsberichte der Kgl. Bayer. Akad. d. Wissensch. Math.-Phys. Kl. 32. München 1903. p. 360) bezeichnet jene die Blättertone von Theben bedeckende Kalkmasse nur als L = Knollenkalk der Libyschen Stufe. Hume endlich (The effects of secular oscillation in Egypt during the Cretaceous and Eocene Periods. Quat. Journ. of the Geol. Soc. of London. 67. 1911. p. 118 ff.) bezeichnet ebenfalls auf der Tabelle p. 128 den Kalk als „Lower Libyan Limestone“, schreibt aber auf p. 131 : „In the first, of Luxor type, the shales, containing a typical fauna of small gasteropoda, pelecypoda etc., presenting a Danian cha- racter, are separated by only a few metres of a white chalk from more massive Eocene Limestone containing large forms of Rhabdocidaris, Linthia and Lucina tliebaica Zitt.“ Danach würde also, wie Zittel ver- mutete, die über den Blättertonen liegende Basis des Kalkhorizontes noch der Kreide angehören! 1 Die vorher erwähnten Untersuchungen Hume’s müssen Boussac unbekannt geblieben sein, sonst würde er nicht gerade diesen Autor auf p. 110 a. a. 0. als Stütze für seine Anschauungen heranziehen. 2 Yergl. Dep£ret und Fischeur in: „Bulletin de la Soc. Geol. de France“. UI. Serie. 27. p. 697, und Louis Doncieux: „Monographie geo- logique et palöontologique des Corbieres orientales“. Annales de l’universite de Lyon. Nouvelle Serie. Fascicule 11. 1903. p. 342. Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 47 daß, wie wir oben bemerkten, die unteren 100 m Kalk mit aller- größter Wahrscheinlichkeit noch der Kreide angehören , die an diesem Punkte nahezu versteinerungslos ist. Boussac fährt aber fort: „Die Fossilien, welche man etwa 100 m über der Talsohle findet, sind besonders Mollusken, welche ohne großen stratigraplii- sclien Wert zu sein scheinen oder die man wenigstens zu diesem Zwecke schwer benutzen kann.“ (Ce sont surtout des Mollusques, qui paraissent sans grande valeur stratigraphique, ou tout au moins difficiles ä utiliser L) P. de Loriol soll aber früher von dieser Örtlichkeit Amblypygus dilatatus Aoassiz und Linthia ari- zensis Cotteau angegeben haben, von denen wenigstens der erstere zu den Leitfossilien des Lutetien gehöre. Was diese beiden Seeigel anlangt, so hat P. de Loriol selbst a. a. 0.1 2 3 gerade für die von Theben stammenden Exemplare Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit seiner Bestimmungen ausgesprochen , zumal gilt dies für Amblypygus dilatatus , von dem der Autor selbst für das Exem- plar von Theben schreibt: „toutefois il nie reste encore, relative- ment ä cet individu, quelques doutes qui ne pourront etre dissipcs que par la decouverte d’autres echantillons bien intacts.“ Diese Zweifel finden sich in der von Fourtau mit Unterstützung von Victor Gauthier herausgegebenen Monographie 8 wiederholt und unterstrichen. Man muß mit sehr vorgefaßten Ansichten an ein Thema herangehen, wenn man diese — wie wir sahen — durch- aus zweifelhaften Seeigelreste als ausschlaggebend betrachtet und den sonst in erster Linie als leitend betrachteten Mollusken- resten den stratigraphischen Wert absprechen will. Ebenso wunder- lich ist das Verfahren hinsichtlich des Gebel Haridi bei Soliag, von welchem Fourtau eine der besterlialtensten Echinidenfaunen, welche die Libysche Stufe enthält, bekannt gemacht hat4. Selbst wenn sich hier zwischen den zahlreichen für die Stufe charakte- ristischen Formen zwei mitteleocäne Typen eingestreut finden sollten, was würde dies beweisen? Denn, wie Boussac an anderer Stelle sagt 5, wieviele Arten kennt man nicht, die von den Sanden von Cuise in den Grobkalk heraufreichen? Was nun die Molluskenfauna der Libyschen Stufe anlangt, so war ich seinerzeit 6 * in der Lage, trotz ihrer im allgemeinen recht 1 Boussac, a. a. 0. p. 64. 2 Monographie des Echinides contenus dans les couches nummuliti- ques de TEgypte. Genöve 1880. p. 85 und 117. 3 Revision des Echinides fossiles de l’Egypte. Memoires de Tlnstitut Egyptien. Le Caire 1899. p. 647. 4 Rene Fourtau, Note sur les Echinides fossiles de l’Egypte. Le Caire 1900. p. 26 ff. 5 a. a. 0. p. 110. 6 Zur Kenntnis alttertiärer Faunen in Ägypten. Palaeontographica. 30, 3. Stuttgart 1903—6. Vergl. u. a. p. 348. 48 P- Oppenheim, Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. ungünstigen Erhaltung eine Reihe von Typen aufzufinden, welche in dem oberen Niveau des Mokattam nicht mehr Vorkommen und daher für die Libysche Stufe in hohem Maße charakteristisch sind. Diese Formen hat aber J. Dareste de la Chavanne 1 größtenteils in Algerien nachzuweisen vermocht; und hier finden sie sich in der Zone und in Vergesellschaftung des typischen Nummulites planu- latus. Es wird jedem klar sein, daß Schichten mit Nummulites planulatus Lamk. nicht demLutetien angehören können, und dies zumal einem Autor, der wie Boüssac von der Niveaubeständig- keit der einzelnen Nummulitenarten so überzeugt ist. Boüssac scheint an anderer Stelle2 das untereocäne Alter der algerischen Schichten mit Nummulites planulatus auch zuzugeben und damit sich hier auf demselben Standpunkte zu beünden, den auch Dareste de la Chavanne diesen Fragen gegenüber einnimmt. Er hält es nur nicht für erstaunlich, daß die Molluskenarten der Libyschen Stufe hier schon im älteren Niveau erscheinen. Man frägt sich dann , weshalb unter dieser Voraussetzung nicht auch die Arten des Mokattam in Algerien in diesem unteren Niveau auftreten, warum gerade und ausschließlich die Arten der Libyschen Stufe? Aus allen diesen Erwägungen ist es für mich nicht zweifel- haft, daß die Theorie Boussac’s, die Libysche Stufe Zittel’s sei bereits Mitteleocän und entspräche dem Lutetien , als mit allen bisher ermittelten Tatsachen im Widerspruche unbedingt abzulehnen ist. Dagegen bin auch ich, und zwar in erster Linie aus paläonto- logischen Gesichtspunkten , der Ansicht , daß ein Beweis für die Theorien Zittel’s von der lückenlosen Aufeinanderfolge von Kreide und Tertiär in Ägypten noch zu führen sei. Es sind bisher die Niveaus des Montien und Thanetien , mithin des Paleocän , an keiner Stelle durch charakteristische Fossilien belegt worden. Der Komplex, welcher in Algerien und Tunesien die Phosphate und mit ihnen die Wirbeltierfauna des Dyrosaurus phosphaticus Pomel sp. enthält, und welchen H. Douville 3 in das Landenien stellt, fehlt bisher in Ägypten. Das, was bisher durch Fossilien belegt ist, spricht für Gleichaltrigkeit mit der Stufe des N ummulites planulatus Lamk., für Londinien (= Ypresien = Cuisien). (Schluß folgt.) 1 La rögion de Guelma. Etüde speciale des terrains tertiaires. Gou- vernement general de l’Algerie. Bull, du Service de la carte geologique de l’Algerie. II. Serie. 5. Alger 1910. p. 131 ff. 2 a. a. 0. p. 110. Vergl. auch J. Boüssac, Etudes palöontologiques sur le Nummulitique alpin. Mem. pour servir ä l’explication de la carte geologique de France. Paris 1911. p. 14. 3 Roux et Henri Douville, „La Geologie des environs de Redeyef (Tunisie).“ Bull, de la Soc. geol. de France. Quatrieme sörie. 10. 1910. p. 655 — 657. H. Grandinger, Ein neues Vorkommen von Kieseritkristallen. 49 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Ein neues Vorkommen von Kieseritkristallen. Von H. Grandinger in Leipzig. Mit 3 Textfiguren. Durch Vermittlung von Prof. Dr. Rinne erhielt ich von Prof. Dr. H. Precht in Hannover und Bergwerksdirektor Gräfe in Hildesheini eine Anzahl klarer bezw. weißlicher Kie- seritkristalle, die dem Kali- salzvorkommen Hildesia bei Hildesheim entstammen. Die Ergebnisse der goniometri- schen Untersuchung des Ma- terials seien im folgenden kurz dargelegt. Die Hildesheimer Kri- stalle sind teils, wie es in Fig. 1 und 2 dargestellt ist, ausgebildet, zumeist aber stark in Richtung der Kante [110] oder [110] gestreckt. Ihre Dimensionen betragen bei Fig. 1 in Richtung der c- Achse ca. 4 cm, bei Fig. 2 ca. 3 cm. An Flächen wurden von mir festgestellt (Fig. 3) 3 : p - {in}; {113}; e = (111); v = {113}; y {335}; z = {112}; u = {012}; m = {010} {Oll}; s = {774}. 1 Die durch einfachen Kreis angedeuteten Flächen sind von anderen Autoren festgestellt. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 4 50 H. Grandinger, Von diesen sind neu: w, m, z, s. Die von Tschermak1 ge- fundene Form {229}, ferner das auch von Bücking2 festgestellte t = {101} treten an den Hildesheimer Kristallen nicht auf, eben- sowenig die bei den von Bücking untersuchten Kristallen in den Hintergrund tretende Gestalt c = {001}. e und v sind, wie bei den Hallstätter und Westeregeiner Kristallen, glatt und liefern gute Signale. Weniger gut aus- gebildet zeigen sich im allgemeinen die p- und x-Flächen; oft sind sie etwas schlierig, p, e und x sind stets vorhanden, v fast immer. In vielen Fällen tritt noch z hinzu. Diese Fläche, die immer Fig. 3. gewölbt und parallel den Kanten der Zone gestreift ist, daher also nur Handmessungen gestattet, verdrängt dann v oft ganz. Große Kristalle neigen überhaupt in der Zone der Kante [HO] oder [110] zur Bildung von Vizinalflächen, die dann fast immer gestreift sind. Nicht selten treten die Flächen u und w auf. Sie sind gut aus- gebildet, u sehr glatt und spiegelnd, manchmal sehr groß und dann mit ganz feiner Strichelung parallel der Zonenachse, w weniger glatt und etwas gestreift in derselben Richtung. Hauptsächlich an gedrungeneren Kristallen (Fig. 1) zeigt sich das seitliche Pinakoid m; seine Oberfläche ist etwas drüsig mit aufgewölbten' Kanten, s (Fig. 1) trat nur einmal auf. Es bildete mit einer e-Fläche einen ein- springenden Winkel. Die Oberfläche war uneben und gab nur 1 Ber. d. Ak. Wien. 63. (1.) 317. 1871. 2 Sitz. -Ber. d. k. preuß. Ak. d. Wiss. Berlin 1895. Ein neues Vorkommen von Kieseritkristallen. 51 einen undeutlichen Reflex. Der gemessene Winkel entsprach ziem- lich gut der Gestalt {774}. Auch an den Hildesheimer Kristallen Anden sich die von Tschermak erwähnten Zwillingslamellen in polysynthetischer Wieder- holung. Die optische Untersuchung zeigt keine Symmetrie zu der Verwachsungsebene; sie ist an den Hildesheimer Kristallen um 9 — 10° steiler als p, was annähernd einer Fläche {221} oder {221} entspricht. Die Zwillingsachse liegt, wie Tschermak am Hallstätter Material auch fand, in p, und zwar hat sie nach meinem Dafür- halten die Richtung der Kante [110] oder [HO]. Die in Rede stehende Zwillingsbildung nach [HO] im Zusammenhang mit der prismatischen Erstreckung der betreffenden Kristalle in Richtung der Zwillingsachse ist von allgemeinem Interesse: es zeigt sich auch hier (wie z. B. beim Periklingesetz) eine Korrelation zwischen Zwillingsbildung und bevorzugtem Wachstum. Die von Bücking erwähnten lazulithähnlichen Zwillinge nach der Basis lagen vermutlich in 2 Exemplaren vor. Gewißheit hier- über zu erlangen, war ohne optische Untersuchung nicht möglich, von der zur Schonung des Materials abgesehen werden mußte. Die folgenden Berechnungen basieren auf den von Bücking fest- gelegten Werten: a : b : c = 0,9046 : 1 : 1,7739 und ß == 88° 52!'. ■ Berechnet Gefunden 1 e : : e TU : IT1 78° 10' 78° 10' P : : p 111 : : 1T1 77 16i 77 H x : X 113 : 1T3 52 25| 52 n e ; : v TU : T13 bO 00 16 28 20 P : : x 111 : : 113 27 32 27 29| P : : e 111 : ITT 41 26 41 35 e : P TU : 111 1 87 51 88 — 1 u : : v 012 : : T13 31 17| 31 7 u : : P 012 : 111 46 32| 46 29 u : e 012 : TU 47 37i 47 37 v : : e T 13 : : TT1 71 29 71 17! e : : y TU : : 335 11 23 11 30 u : : w 012 : : 011 19 1 18 49 u : : m 012 : : 010 29 25 29 30 e : : z TU : : T12 16 35 17 — e : : s Ul : 774 8 46 8,5 — Institut für Mineral, u. Petrogr. d. Universität Leipzig. 1 Die Winkel ohne Minutenangabe sind Handmessungen. K. A. Redlich. 52 Zu H. Leitmeier’s Artikel : Zur Kenntnis der Carbonate. II. Von K. A. Redlich in Prag. Vor kurzem hat H. Leitmeier1 in einer Studie „Zur Kenntnis der Carbonate“ auch die Bildungsmöglichkeit der Magnesite kritisch beleuchtet. Ich will aus dieser Arbeit nur das Kapitel der kristallinen Magnesite herausgreifen, in welchem die metamorphe Natur derselben abermals bezweifelt wird und Entstehungsmöglichkeiten angenommen werden, die im Widerspruch zur Naturbeobachtung stehen. Herr Leitmeier geht von meinen Typen der Magnesitlager- stätten, die im Jahre 1909 erschienen sind, aus, und übergeht die ganzen späteren Arbeiten der Jahre 1913 2 und 19143, obwohl sie ihm doch bekannt sein mußten, da er selbst bei dem Vortrag über diesen Gegenstand in der 6. Jahresversammlung der Deutschen minera- logischen Gesellschaft anwesend war. Im Jahre 1909 habe ich folgende Gleichungen für die Bildung der Magnesite der Veitscli aufgestellt: Ca C 03 -f- Mg C 03 = Ca Mg (C 03)2, Ca Mg (C 03)2 -j- Mg C 03 = 2MgC03CaC03. Über diese Gleichungen sagt Leitmeier: „Jedenfalls könnte aber die Bildung des Magnesites durch Dolomit als Zwischenstufe ■etwas gezwungen erscheinen. Viel wahrscheinlicher könnte es vom Standpunkte des Chemikers scheinen, daß sich durch die Einwirkung irgend eines Magnesiumsalzes auf den leichter löslichen Calcit direkt der Magnesit gebildet hat. Durch das Eindringen einer Lösung von Magnesiumcarbonat auf das leichter lösliche Calciumcarbonat, also ein Salz mit einem gemeinschaftlichen Ion, ist die Löslichkeit für das an und für sich schwerer löslichere Magnesiumcarbonat verringert worden, es mußte sich dieses Carbonat auf Kosten des Calciumcarbonates ausscheiden; dieser Prozeß nun kann sich so lange wiederholen, bis kein Calciumcarbonat mehr vorhanden ist, ein Vorgang, der gerade in schwach zirkulierenden Wässern leicht denkbar wäre. Für eine solche Bildung spricht auch sehr der Umstand, daß sich im kristallisierten Magnesit, dem sogen. Pinolit- magnesit, stets ein sehr geringer Prozentsatz Calciumcarbonat bei- gemengt findet, der an Größe vollkommen der geringen Menge Magnesiumcarbonat entspricht, welche mit der Menge des Magnesium- earbonates, die dem Calcit beigemengt sein kann, übereinstimmt. Man hat somit vom Calciumcarbonat zum Magnesiumcarbonat eine 1 Hans Leitmeier. Zur Kenntnis der Carbonate. II. p. 1. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XL. p. 655. 2 K. A. Redlich und 0. Grosspietsch, Die Genesis der kristallinen Magnesite und Siderite. Zeitschr. f. prakt. Geol. 21. Jahrg. 1913. Heft 2. 3 K. A. Redlich, Die Bildung der Magnesite und sein natürliches Vorkommen. Fortschritte der Mineralogie etc. Über Auftrag der mineral. Gesellschaft. 4. 1914. p. 10. Zu H. Leitmeier’s Artikel: Zur Kenntnis der Carbonate. II. ,53 isomorphe Reihe mit sehr beschränkter Mischbarkeit, wie sie im Mineralreiche so häufig sind. Das Doppelsalz Dolomit konnte sich daneben bei einer ganz bestimmten Konzentration bilden, die ab und zu verwirklicht erscheint, „dann bildet sich die geringe Menge Dolomit“, die z. B. in der Magnesitlagerstätte des Sattlerkogels in der Veitsch in Steiermark stets zu beobachten ist“. Nun habe ich bereits in meiner Arbeit 1913 und 1914 das gleiche gesagt, nachdem Grosspietsch und ich auf Grund des analytischen Materiales die größere Wahrscheinlichkeit des Vor- ganges erkannt hatten, daß sich erst Magnesit, dann — vielleicht aber auch fast gleichzeitig — Dolomit nach den folgenden Glei- chungen gebildet haben. I. CaC03 + Mg H2 (C03\ = MgC03 + CaH2(C03V II. Ca H2 (C 03)2 + Mg II2 (C 03)2 = Ca Mg (C 03)2 + 2Ha0 2C0a. Die mir seinerzeit nach dieser Richtung gesprächsweise ge- gebene Anregung Leitmeier’s habe ich vollinhaltlich in meine Arbeit des Jahres 1913 aufgenommen. Wenn Leitmeier zum Schluß des obenerwähnten Kapitels von den geringen Mengen Dolomit, die z. B. in der Magnesit- lagerstätte des Sattle r ko g eis in der Veitsch zu be- obachten sind, spricht, so ist dies eine große Vernachlässigung einer äußerst wichtigen Naturbeobachtung, die nicht nur für die Theorie, sondern auch für die Praxis einige Bedeutung hat, da in der Veitsch mindestens 50% reiner Dolomit in der Gesamtheit der Lagerstätte auftritt. Weiter sagt Leitmeier: „Nimmt man eine marine Bildung des Magnesites, so kann man sich die Einwirkung des Magnesium- chlorides oder Magnesiumsulfates auf die vorgebildeten Calcium- carbonate denken. Auch bei diesen kann sich in der früher an- gegebenen Weise das Magnesium carbonat bilden. So kann durch Konzentrationswechsel an MgCl2 und CaCl2 einmal das eine, einmal das andere Carbonat entstehen, auch der Umstand findet darin seine Erklärung, daß sich so oft Mg-haltige Kalksteine bilden. Wenn nun gerade die Konzentration die entsprechende ist, so wird sich auch das Doppelsalz abscheiden, das ja als das energieärmste Mineral dieser Gruppe wiederum ein Bildungsbestreben hat. Daher findet man in den dolomitischen Gesteinen oft reine Dolomiteinlagerungen.“ Auch dieser Erklärungsversuch ist nicht neu, er wurde von mir und Görgey1 für den Typus Hall gegeben, für den er wohl am Platze ist, nicht aber für den Typus Veitsch. Das Fehlen jeglicher Sulfate (Gips und Anhydrit) in der Veitsch etc. spricht gegen die Bildung aus Magnesiumsulfat. Die primären Sulfide sind äußerst sporadisch, so daß sie gewiß nicht als Residua des 1 R. Görgey, Zur Kenntnis der Kalisalzlager von Wittelsheim. Tscherm. Min. u. petr. Mitt. 31. p. 389. 54 K. A. Redlich, Zu H. Leitmeier’s Artikel etc. Magnesiumsulfates angesehen werden können, die Gangtrümmer im Magnesit mit Fahlerz etc. stehen aber mit der eigentlichen Bildung des Magnesitstockes nur in indirektem Zusammenhang. Viel eher könnte man an Magnesiumchlorid denken. Warum ich diese auch aus dem Laboratorium bekannte Bildungs weise nicht gewählt habe, hat seinen Grund in dem Umstand, daß bei den metamorphen Lagerstätten des MgC03 und FeC03 Gangfiillungen eine große Rolle spielen, die wohl am ungezwungensten aus dem direkten Absatz des Magnesium- bezw. Eisenbicarbonats erklärt werden können. Ist nun die Gaugausfiillung aus dem Bicarbonat entstanden, dann wird wohl auch die nachbarliche Umbildung diesem Prozeß ihre Entstehung verdanken. Aus dem Folgenden klingt der Gedanke der Sedimentbildung durch, ähnlich der direkten Dolomitbildung im Meere. Dieser An- nahme widersprechen alle von mir gemachten Beobachtungen an den Magnesitlagerstätten der Alpen. Die Umwandlung von Crinoiden- stielgliedern, welche entweder in der kalkigen Urform oder als Dolomit und Magnesit in der Lagerstätte selbst auftreten etc. etc., stehen im direkten Widerspruch zu diesem Erklärungsversuch. Die Möglichkeit des Auftretens solcher Magnesittypen, wie sie Leit- meier annimmt, zwingt uns um so mehr, die einzelnen Typen auseinanderzuhalten und nicht sie zusammenzuwerfen. Eine neuere Beobachtung, daß sogar Konglomerate der Werfener Schiefer der allmählichen Ersetzung durch magnesiahaltige Eisen- carbonate 1 unterliegen, mag hier als Beweis für die spätere Meta- morphose noch eingeschaltet werden. Die enormen Magnesia- lösungen, welche zur Bildung der Magnesitlagerstätten notwendig sind, dürfen uns nicht mehr in Erstaunen setzen, als die riesige Menge, welche zur Bildung der Gänge des Siegenerlandes etc. etc. notwendig waren. Auch die Lösungsverhältnisse, wie sie aus den Laboratoriums- versuchen hervorgehen, sind mir und Grosspietsch wohl bekannt gewesen, wie weit sie sich auf die geänderten Verhältnisse in der Natur anwenden lassen, ist derzeit noch nicht festzustellen. Kurz wiederholt kann gesagt werden, daß die im Laboratorium bis jetzt gefundenen Synthesen, wie sie Leitmeier in seiner Arbeit rekapitulierend anführt, in keiner Weise mit der Naturbeobachtung übereinstimmen, daß für die von Leitmeier angegebenen Möglich- keiten schon lange von mir einzelne Typen gefunden wurden, bei dem Typus Veitsch aber die einzige Erklärungsmöglichkeit die Metamorphose im Verein mit Gängen ist. Die bis jetzt hypo- thetischen Schlußgleichungen werden wohl erst durch das Experiment unter Hinzuziehung der Naturbeobachtung zu finden sein, eine Arbeit, die, wie Leitmeier selbst sagt, noch nicht gelungen ist. 1 K. A. Redlich, Der steirische Erzberg. Mitt. d. geol. Ges. in Wien. 9. 1916. Heft 1. P. Oppenheim, Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 55 Über das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s und eine neue Stephanophyllia (St. Schweinfurthii n. sp.) aus den Blättertonen des Danien in Ägypten. Von Paul Oppenheim. (Schluß.) Es war vorher wiederholt von den Blättermergeln von Theben, dem „cinquieme etage“ Delanoüe’s die Rede. Ich habe im Jahre 1901 die Eaunula dieser Schichten eingehend behandelt1 und nach- gewiesen, daß es sich in ihnen um Danien handle. Dieses Resultat ist also auf mich zurückzuführen, nicht auf Wanner, Quaas und Blanckenhorn , wie Boussac 2 schreibt. Es sind seither durch weitere Aufsammlungen — zumal von Schweinfurth’s und Blancken- horn’s Seite — schon seit dem Jahre 1906 neue Materialien aus diesem Komplexe in meine Hände gelangt, welche, des Wieder- holten inzwischen vorgenommen und immer wieder hinter dringen- deren Arbeiten zurückgestellt, nunmehr endlich hier im folgenden ihre Behandlung finden sollen. Eine neue, recht interessante Stephanophyllia aus diesem Komplexe wird am Schlüsse zu ein- gehenderer Darstellung gelangen3. Die Bemerkungen zu den ein- zelnen Arten gebe ich in der Reihenfolge meiner früheren Arbeit und setze als Fußnote den Hinweis auf diese. Eine Veränderung der von mir früher a. a. 0. erlangten Resultate, denen zufolge die Fauna dieser Blättermergel eine spezifisch und ausschließlich cretacische ist, wird, wie ich vorausschicke, durch diese neuen Formen nicht herbeigeführt. — Aturia praeziczac 4. Es liegt eine weitere allerdings nahe verwandte Aturienart vor, welche sich durch größere Wölbung und geringere Tiefe des Laterallobus auch von gleichgroßen Indi- viduen der A. praeziczac gut unterscheidet. Ich besitze von dieser Form, welche ich A. thebensis nenne , allerdings nur zwei kleine, aber sehr wohlerhaltene Exemplare , deren Mündung 7 mm breit und nur 4 mm hoch ist, während ich bei gleichgroßen Stücken der häufigen Form nur 5 : 4 mm messe. Die großen Stücke meiner Sammlung gehören alle der hochmündigen Art an. 1 Über die Fossilien der Blättermergel von Theben. Sitzungsber. der Kgl. Bayer. Akad. d. Wissensch. Math.-phys. Kl. 32. 1902. München 1903. p. 435 ff. 2 a. a. 0. p. 64. — Vergl. auch meine kurze Entgegnung a. a. 0. p. 107 ff. 3 Die Abbildung dieser interessanten Form wird aus technischen, mit den Kriegsverhältnissen im Zusammenhänge stehenden Gründen im Neuen Jahrbuche f. Min. etc. erfolgen. 4 a. a. 0. p. 436. T. VII Fig. 1—3. 56 P. Oppenheim, Neaera aegyptiaca Opph. l. Neben mehreren Steinkernen besitze ich neuerdings ein relativ gut erhaltenes Schalenexemplar. Die Oberfläche trägt erhabene, sehr gedrängte, ziemlich gleiche Anwacliskämme, die auf dem kurzen Flügel mehr auseinanderrücken. Radialskulptur ist sicher nicht vorhanden. Scalaria desertorum Wanner2. Die mir in vier, größten- teils beschälten Stücken vorliegende Type ist neu für die Blätter- tone von Theben. Ein Exemplar erreicht die verhältnismäßig bedeutende Höhe von 25 mm. Die Spiralrippen sind gelegentlich sehr deutlich. Die Längsskulptur scheint bei dem größten Exemplar stärker entwickelt und ihre einzelnen Elemente gedrängter zu stehen , was aber augenscheinlich nur eine Folge des Absatzes sekundären Brauneisensteins ist. Soweit an dem einen Stücke erkennbar, scheint Diskus und Wulst zu fehlen. Das letztere Moment scheint auch Wanner beobachtet zu haben, da er von einem einfachen inneren Mundsaum spricht. Dagegen schreibt er, daß die Basis längs eines spiralen Kieles von der Oberfläche ab- setze, was, wenn es sich bewahrheitete, für die Anwesenheit eines Diskus sprechen würde. Ich kann diesen Kiel an meinem Exem- plare nicht mit Deutlichkeit erkennen. Cossmann rechnet3 4 unsere Form mit Wahrscheinlichkeit zu der Gattung Acrilla H. u. A. Adams, mit deren eocänen Typen, der Scalaria retiaäata Sol. 4 und S. gallica de Boury5, sie allerdings habituell manche Ähnlichkeit besitzt. Sollte sich das Fehlen von Diskus und Wulst bestätigen, so wäre sie nur an die Seite der bisher allerdings ausschließlich rezenten Sektion Limiscala de Boury6 zu stellen, die andererseits aber in ihrer mehr untersetzten Ge- stalt durchaus abweicht. Alaria sp. 7. Zahlreiche Steinkerne, durchaus den Angaben bei Quaas entsprechend. Ein neues Bindeglied zwischen der Fauna der Blättertone von Theben und derjenigen der Libyschen Wüste. Mar g inella (Stazzania) cretacea n. sp. Schale klein, sehr gedrungen, mit ebenem Embryonalende, vorn deutlich zu- gespitzt, mit sehr ausgesprochenem , schief nach der Seite ge- drehtem vorderen Kanäle; vier sehr konvexe, von linearen Nähten 1 a. a. 0. p. 441. T. VII Fig. 6-6 a. 2 Vergl. J. Wanner , „Die Fauna der obersten weißen Kreide der Libyschen Wüste“. Palaeontographica. 30, 2 1902. p. 91 ff. Vergl. p. 126. T. XVIII Fig. 16, und A. Quaas, „Die Fauna der Ormoe^u-Schichten und der Blättertone in der Libyschen Wüste“. Palaeontographica. 30, II. p. 153 ff. Vergl. p. 243. T. XXXII Fig. 29. 3 „Essais de Palöoconchologie comparee.“ 9. 1912. p. 58. 4 Cossmann, a. a. 0. T. III Fig. 7. 5 Cossmann, ebendort. T. III Fig. 12—13. 6 Cossmann, a. a. 0. T. IV Fig. 33 — 36. 7 Quaas, a. a. 0. p. 265. T. XXXIII Fig. 38-40. Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 57 getrennte Windungen, die doppelt so breit als hoch sind und deren letzte, nach außen stark hervorragende, ebenfalls über das Doppelte der Spira mißt. Außenrand sehr verdickt und um- geschlagen; Mündung schmal und niedrig, vorderer Kanal schief abgestutzt, hinten ganzrandig; Columella mit den Spuren einiger Falten, die möglicherweise sich außen auf dem Spindelbleche teilen; vielleicht auch ein Zahn am Außenrande. Höhe 8|, Breite 4 mm. Es ist dies bisher einer der ältesten 1 Vertreter der Gattung. Nur Pervinquiere 2 hat bisher aus etwa gleichaltrigen Bildungen vom Garat Temblili bei Ghadames in Siidtunesien eine weitere Marginella (Gibberula) aramantica beschrieben, die in die Nähe der M. ovulata Lk. des Pariser Beckens, also in eine gänzlich ver- schiedene Sektion gehört und als Art jedenfalls durchaus ab- weicht. P eclen (V arvamussium) sp. Der Steinkern eines kleinen, glatten Veden mit annähernd gleichen , gewölbten Klappen und beiderseits sieben Rippen. Höhe nur 7, Breite 9 mm. Am nächsten steht der untereocäne P. squamula Lamk., für welchen Cossmann 3 aber 8 — 9 innere Rippen angibt. Sacco4 nennt diese letztere Art auch aus der Kreide und verwechselt sie hier augenscheinlich mit Veden inversus Nilsson 5 *, der aber 15 — 16 innere Rippen besitzt und sich durch dieses Merkmal, wie schon Nilsson5 richtig betont, von dem eocänen Veden squamula Lk. unterscheidet. Die Unter- schiede zwischen diesen verwandten Formen finden sich auch bei Wood 6 wie bei mir selbst 7 eingehender behandelt. In den Ar- beiten von Wanner und Quaas findet sich keine derartige Form aufgeführt. Auch E. Philippi hat die ganze Gruppe in seiner aus- gezeichneten Stammesgeschichte der Pectiniden nicht behandelt 8. Vlear otoma libyca Quaas9. Drei Exemplare, von denen zwei mit Sicherheit hierher gehören, das dritte, kleinste und 1 Vergl. M. Cossmann, „Paleoconchologie comparöe“. III. 1899. p. 79 u. 88. 2 Vergl. „Etudes de Paleontologie tunesienne“. II. Paris (Regence de Tunis, Direction generale des Traveaux publics) 1912. p. 82. T. V Fig. 8—9. 3 Catalogue illustre des coquilles fossiles de Teocene des environs de Paris. II. p. 188. 4 I Molluschi dei terreni terziarii del Piemonte e della Liguria. 24. 1897. p. 49. 5 Petrificata Suecana. Londini Gothorum 1827. p. 24. T. IX Fig. 18. 3 A monograph of the eocene mollusca etc. of England. London, Palaeontographical society, 1861. p. 44 — 45. 7 Über einige alttertiäre Faunen der österreichisch- ungarischen Monarchie. Beiträge zur Paläontologie Österreich-Ungarns und des Orients. 13. 1901. p. 231 (87 j. 8 Vergl. Zeitschr. d. deutsch, geol. Gesellsch. 1900. p. 64 ff. 9 a. a. 0. p. 294. T. XXVII Fig. 17, T. XXXIII Fig. 22. 58 P. Oppenheim, jüngste zugleich, zeigt breitere Knoten an der Naht und auf dem Kiele und ist daher nur mit Vorbehalt hierherzustellen. Ich halte es für fraglich, ob Formen mit einem so zurück- tretenden Sinus wie die vorliegende, und die zugleich geologisch so alt sind, zu der mehr modernen Sektion Surcula H. u. A. Adams zu ziehen sind. Aus dem Paleocän von Kopenhagen beschrieb von Koenen Typen, welche in diesem Punkte gleichen, so be- sonders Pl. inconspicua v. Koenen K Palaeopsammia Zitteli Wanner1 2. Mir liegen auch jetzt nur Gestalten vor, wie sie Wanner3 abbildet, d. h. kleine, breite, niedergedrückte , schüsselförmige Gestalten , bei denen übrigens die Epithek gänzlich fehlt. Diese sehr wohl erhaltenen Individuen, von denen ich elf augenblicklich vor mir habe, entsprechen durchaus meiner früheren Figur 18; mehr kreiselförmige Typen, wie das damals auf Fig. 17 gezeichnete, haben die neueren Aufsammlungen nur in geringerem Maße und schlechterer Erhaltung ergeben. Dies vorausgeschickt, bemerke ich ferner, daß ich von einer randlichen Zerteilung der Septen , wie sie Wanner a. a. 0. behauptet und auf Fig. 4 a. a. 0. zu zeichnen unternimmt, bei meinen Stücken nichts wahrnehme. Die Septen sind hier am Rande unregelmäßig durchlöchert und mehr trabekulär. Man kann hier vielleicht bei undeutlichen Bildern auf eine Zerteilung schließen. Diese ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil das Septum in seiner verhältnis- mäßig sehr großen Breite — und zwar in der ganzen Ausdehnung - — in die Rippe übergeht. Ich halte daher die ohnehin etwas unnatürliche Zeichnung, welche die Beschreibung Wanner’s begleitet (a. a. 0. Fig. 4) in diesem Punkte für verfehlt, und werde in dieser An- nahme noch dadurch bestärkt, daß Fig. 10 auf T. XXXI bei Quaas, welche jedenfalls generisch Gleiches darstellen soll, nichts von dieser randlichen Septalteiluug erkennen läßt. Allerdings sind diese von Quaas gezeichneten Formen auch sonst sehr abweichend gebaut. Sie wechseln ungemein in der Gestalt und lassen — auf der Abbildung wenigstens — nichts von dem trabekulären Charakter der Septocostalien erkennen. Man würde daher unter Umständen geneigt sein , sie bei ganz anderen Formen unterzu- bringen, wenn nicht der Verfasser ausdrücklich — allerdings nur an einer Stelle auf p. 161 — von der „netzförmig unregel- mäßigen Anordnung der Wandbälkchen “ sprechen würde. Ich glaube aber trotzdem annehmen zu dürfen , daß hier mehrere Formen miteinander vermengt wurden. Der Verfasser spricht selbst von 600 Individuen , die ihm ausschließlich aus dem Blättertone 1 Über eine paleocäne Fauna von Kopenhagen. Abhandl. d. König!. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1885. p. 33. T. II Fig. 4. 2 Vergl. meinen Aufsatz, a. a. 0. p. 448. T. VII Fig. 17 — 18 a. 3 a. a. 0. T. XV Fig. 3—4. Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 59 zur Verfügung standen, und ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es nicht leicht ist , hier die Formen auseinanderzuhalten , und dies selbst für ein an Korallen geübtes Auge. Unter den mir jetzt zur Verfügung stehenden Formen, wie auch unter den früheren (vergl. a. a. 0.) habe ich selbst nicht die Vielgestaltheit beobachten können, von der Wanner und Quaas sprechen. Aus den bei der ersten flüchtigeren Sortierung zu unserer Art gelegten Materialien hat sich später, auch auf Grund der Septalstruktur, alles aussondern lassen, was nicht die niedrige, schüsselförmige Gestalt der Type besaß. Es bleibt nur die von mir selbst auf Fig. 1 7 dargestellte Type übrig, und bei dieser hege ich jetzt selbst Zweifel, daß sie nicht hierher gehört, sondern vielleicht mit dem von Quaas in Fig. 10 abgebildeten Stücke, falls dieses wirklich zu Palaeopsammia gehört, eine Form für sich bildet. Ob diese Art dann mit der im wesentlichen weit schmäleren P. multiformis Wanner spezifisch übereinstimmt, wäre eine weitere, noch offene Frage. An und für sich finde ich diese Type durchaus nicht so „multiform“, wie Wanner angibt, sondern die Verschiedenheit in der Ausbildung der einzelnen Individuen in einem gut abgeschlossenen Bauplane bedingt. Es scheint sich hier, trotz gelegentlicher Verzerrungen, im wesentlichen auf steil nach aufwärts wachsende, schmale Indi- viduen zu handeln. Ich bin auf diese Verhältnisse näher eingegangen, nicht nur, weil mir selbst die Abgrenzung dieser Formen manche Schwierig- keit bereitet hat, sondern auch, weil Hume 1 der Möglichkeit Raum gibt, daß sich P. multiformis und Zitteli, sei es faziell, sei es stratigraphisch, gegenseitig ausschließen könnten. Dagegen würde allerdings sprechen, daß beide Arten von Wanner1 2 aus der „Wüste zwischen den Oasen Farafrah und Dachl“ angegeben werden. Pattalopliyll ia aegyptiaca Wanner sp.3. Das neue, sehr große Material , welches mir nunmehr von dieser in dem Blätterton von Theben häufigsten Koralle vorliegt , beweist vor allem, daß diese Form regelmäßig eine dichte, dicke Epithek be- sitzt, welche sich als fortlaufende, die Rippen verhüllende Decke bis an den Sternrand verfolgen läßt. Sie ist gedrängt warzig gekörnelt, und die Rippen treten mit mehr oder weniger großer Deutlichkeit unter ihr hervor. Gelegentlich ist dieses Moment so stark , daß man nur unregelmäßige , mehr reihig gekörnelte Rippen vor sich zu haben glaubt, und es gehört der Vergleich einer großen Reihe von Stücken dazu , um hier zur Klarheit zu gelangen. Die Gestalt der Type ist im übrigen sehr wechselnd, 1 a. a. 0. p. 127. * a. a. 0. p. 105. 3 a. a. 0. p. 99. T. XIV Fig. 1. — Quaas, a. a. 0. p. 111—159. - Mein früherer Aufsatz p. 449. T. VII Fig. 10 — 10 b. 60 P. Oppenheim, meist ist sie niedrig kreiselförmig; doch gibt es auch mehr scheiben- förmige Individuen, welche dann Brachycyathus daniensis Wanner 1 hin vermitteln. Was die generische Stellung der häufigen Form anlangt, so- waren mir selbst nach meiner früheren Publikation Zweifel ge- kommen, ob sie nicht doch bei den Turbinoliden einzureihen sei, zu welchen sie habituell so gut hinpaßt. Ich glaube mich aber von neuem überzeugt zu haben, daß der freie Rand ihrer Septen in grobe Körner zerschnitten ist; demnach muß es also bei meiner früheren Bestimmung sein Bewenden haben. P att alophyllia epicharis Wanner sp.2. Mehrere Stücke, an der gleichmäßig halbkugeligen Gestalt und der starken Körne- lung der Rippen gut zu unterscheiden. Die Form steht der vorher- gehenden so nahe, daß ich früher in ihr3 nur ein Jugendstadium von dieser vermutet habe. Sie scheint sich aber doch durch das Fehlen der Epithek und durch die stärkere Körnelung der Rippe unterscheiden zu lassen. Notiäanus microdon Ag.4. Die artliche Bestimmung' rührt von Herrn Prof. Dr. Edwin Hennig her. Die Form ist leitend für die obere Kreide, in welcher sie sich in England, Sachsen und Böhmen findet. Aus Ägypten wurde sie bisher weder von Wanner noch von Quaas angegeben; aus dem Alttertiär sind zu ver- wechselnde Formen nicht bekannt. Stephanophyllia Sclaveinfurtlti n. sp. ? = St. discoideci M. Edw. u. H. d’Archiac, Constitution geologique des environs de Thebes. a. a. 0. p. 707 u. 714, Fundort : Scheck abd el Durna und Chor el Asab bei Theben (Ober-Ägypten). Polypar verhältnismäßig klein, schüsselförmig, unten mäßig gewölbt, oben flach. Die Basis zeigt keine Spur einer Anheftung. Sie trägt etwa 5 Zyklen von Rippen, von denen die ersten 12 zum Mittelpunkt gelangen. Der dritte und vierte Zyklus verbinden sich schon nahe dem Zentrum mit dem Hauptseptum. Der fünfte ist mehr auf die Peripherie beschränkt. Zwischen den Rippen ver- laufen bogenförmig gedrängte Synaptikel, welche die Gestalt eines „accent circonflexe“ besitzen, dessen Scheitel der Mitte zugewandt ist. Sie schließen deutliche Wandporen zwischen sich ein. Die 1 a. a. 0. p. 98. T. XIII Fig. 10. 2 a. a. 0. p. 99. T. XIV Fig. 5 — 7. — Quaas, a. a. 0. p. 158. 3 a. a. 0. p. 450. 4 Dixon, Geology of Sussex. London 1850. T. 30 fig. 30. — Arthur Smith Woodward, On the Genus Notidanus. Geolog. Magazine. (III) 3. p. 213. T. VI fig. 10—15, und derselbe : Catalogue of the fossil Fishes in the British Museum (Nat. Hist.) I. London 1889. p. 160. Ueber das Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. 61 Mitte der etwas unregelmäßigen, seitlich stark konvex ansteigenden Oberseite wird von einer sehr deutlich ausgesprochenen, oblongen, stark in die Quere ausgezogenen Kelchgrube eingenommen. Die Septen springen nicht über den Rand hervor; sie sind auffallend kräftig und ziemlich gleich stark entwickelt. Ihr freier Rand ist in einzelne grobe Körner zerschnitten. Die seitlichen Verbindungen sind zumal gegen die Peripherie hin deutlich. 24, also drei Zyklen, gelangen bis zur Mundspalte. Die letztere ist bei jugendlichen Individuen schwächer ausgebildet, auch ist hier die Oberseite kon- vexer. Das nach Analogie mit den übrigen Arten des Geschlechtes sehr wahrscheinliche Vorhandensein der Achse läßt sich an den vorhandenen Materialien nicht mit Sicherheit feststellen. Die Breite ist im Durchschnitt 10 mm bei 3 — 4 mm Höhe. Ein Exemplar erreicht sogar den Durchmesser von 15 mm. Milne Edwards und Haime haben 1 unter den Stephan ophyllien zwei Gruppen unterschieden. Die einen, die eigentlichen Ste- ph anophyllien, sollen eine deutlich ausgesprochene Kelchgrube besitzen, dazu eine Columella und eckige und zerrissene Septen; sie seien Fossilien des Tertiärs. Die anderen, welche sie linsenförmige Steplianophyllien, Stephanophyllies lentilles, nennen, und für welche d’Orbigny das Geschlecht Discopsammia2 3 aufgestellt hat, hätten eine oberflächliche oder gar keine Kelchgrube, die Columella sei ganz rudimentär, die Septen abgerundet und mit fein gezähneltem Rande versehen; diese seien Fossilien der Kreide. Es verdient bemerkt zu werden, daß die Autoren hier ihre Gliederung nicht ganz streng und durchgreifend innegehalten haben , indem ihre Discopsammien oder Stephanophyllies lentilles eine Art unter sich bergen, die St. radiata Goldf. 3 aus dem Untersenon von Aachen, welche eine große Kelchgrube und eine wohlentwickelte Columella besitzen soll. Immerhin sind im großen und ganzen beide Gruppen voneinander zu trennen. Es ist einleuchtend, daß die Art von Theben sich im großen und ganzen mehr der zweiten Gruppe, den Discopsammien, anschließt, und sie würde, da ihre Septen denen dieser Untergruppe gut entsprechen, und sie andererseits eine Kelchgrube, wie die typischen Steplianophyllien, besitzt, sich am passendsten in die Nähe der St. radiata Goldf. aus dem Unter- senon von Aachen stellen, während sie hinsichtlich der Synaptikel auf der Unterseite wieder Beziehungen zu der St. clathrata Hagenow aus der oberen Kreide von Rügen darbieten würde ; diese letztere, für welche man am ersten an eine Identität zu denken versucht sein könnte, unterscheidet sich indessen schon durch das gänzliche 1 Histoire naturelle des Coralliaires. III. p. 109. 2 a. a. 0. p. 111. Vergl. auch d’Orbigny, Note sur les polypiers fossiles. 1849. p. 10. 3 a. a. 0. p. 111 — 112. — Goldfuss, Petr. Germ. I. p. 47. T. XIV Fig. 1. 62 P. Oppenheim, Ueber (las Alter der Libyschen Stufe Zittel’s etc. Fehlen der Mundspalte; Hagenow 1 gibt selbst an: „eine Quer- furche ist kaum bemerkbar“. Diese beiden Kreidearten scheinen übrigens sehr selten und im allgemeinen noch recht ungenügend bekannt zu sein. Die letztere, die Art von Rügen, wird von Deecke1 2 3 in seinem Verzeichnis der Kreideversteinerungen des dortigen Senon nicht einmal mehr zitiert. Es geht immerhin das eine aus den obigen Ausführungen hervor, daß diese Stephanophyllia, welche man gar zu leicht geneigt sein könnte, als ein tertiäres Element in der Fauna der Blätter- mergel von Theben aufzufassen, dieses keineswegs ist, sondern ihrerseits einer Reihe angehört, welche in der unteren Kreide von Dover (Gault) einsetzt und dann weiter im Senon vertreten ist. Die Form bildet also geradezu ein ausgesprochenes Kreideelement in unserer Fauna. Es verdient dies um so mehr hervorgehoben zu werden, als d’Archiac 3 sie restlos mit der St. cliscoidea oder besser discoides Miene Edwards und Haime4 aus dem Londontone vereinigt und in ihr geradezu ein Bindeglied sieht, welches die Mergel an den Ufern des Nils mit den Tonen im Becken der Themse vereinigt. Die starken Unterschiede in der Gestalt wie im Verhalten der Septen und der Kelchgrube5 6 dürften durch den Vergleich der hier gegebenen Beschreibung und Figuren mit dem, was Edwards und Haime über die englische Art mitteilen, deutlich hervortreten. Wenn ich selbst in meinem früheren Aufsatze0 diese Stephanophyllia discoidea bei d’Archiac als Synonym zu Palaeopsammia Zitteli Wanner gestellt habe, so ist dies ein Irrtum, der hiermit ver- bessert wird, der aber wiederum beweist, daß man ohne Autopsie der Originale nicht vorsichtig genug in der Aufstellung der Syno- nymie-Register sein kann. 1 Dies. Jahrb. 1840. p. 648. T. IX Fig. 3 a — c. 2 Die mesozoischen Formationen der Provinz Pommern. Mitteilungen des naturwissenschaftl. Vereins von Neu-Vorpommern und Rügen. 26. Jahrg. Greifswald 1894. p. 70 — 71. 3 In J. Delanoüe: Note sur la Constitution geologique des environs de Thebes. Comptes rendus des söances de l’Academie des Sciences. 67. Seance du 5 octobre 1868. p. 714. 4 Vergl. British fossil Corals. London (Palaeontograph. Society) 1850. p. 34. T. VI Fig. 3— 3 b. 5 Die französischen Autoren beschreiben diese a. a. 0. als „a small, narrow fossula in the centre“, während sie bei der ägyptischen Form groß und schief in die Quere ausgezogen ist. 6 Fossilien der Blättermergel von Theben. Sitzungsber. der Königl. Bayr. Akademie der Wissensch. Mathem.-physikal. Klasse. 32. München 1903. p. 448. R. Kräusel, Ueber die Variation der Blattform etc. 63 Über die Variation der Blattform von Ginkgo biloba L. und ihre Bedeutung für die Paläobotanik. Von Dr. R. Kräusel, Breslau. Mit 14 Textfiguren. Als Zeuge längst vergangener Zeiten und seltsames Relikt steht der ostasiatisclie Tempelbaum, Ginkgo biloba L., einsam und ohne nähere Verwandte in der heutigen Flora. Es kann uns daher nicht überraschen, daß wir in den verschiedensten Schichten ihm nahe- stehende Pflanzenreste gefunden haben. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Blattabdrücke, deren charakteristischer Nervenverlauf eine sichere Deutung ermöglicht. Nur einige Farne zeigen ähnliches (vergl. Seward-Gowan, The Maidenhair Tree. Ann. of Bot. 14. 1900). Ist dadurch die Existenz Ginkgo- ähnlich er Bäume in früheren Perioden ohne Zweifel erwiesen, so fragt es sich doch, ob die zahlreichen fossilen „Arten“ von Ginkgo und ver- wandten Gattungen wie Beiera , Saportae, Ginkgo phylhim , Ginkgodium , zu Recht aufgestellt worden sind. Mit dieser Frage be- schäftigt sich eingehend Seward (Jurassic Flora. I. Brit. Mus. Catal. 1901. p. 250), der darauf hinweist, daß der lebende Baum in seiner Blattform sehr stark variiert. Viele der fossilen „Arten“ finden ein Analogon in gewissen an den Blättern von G. biloba L. beobachteten Formen, weshalb Seward ihren spezifischen Wert an- zweifelt. Insbesondere zieht er G. digitata (Brgt.) Heer, wozu ganzrandige oder wenig gelappte Blätter gestellt werden , und G. Hattoni Sternb. zusammen und zeigt, daß auch die Abgrenzung von Ginkgo und Baiera nach der Blattform willkürlich zu sein scheint. Im Bau der Fruktifikationsorgane sind beide Gruppen nur wenig verschieden (vergl. Berry, The Geological History of Gynino- sperms. Plant world. 19,2. p. 37. 1916). Leider geht Seward auf die Blattform des lebenden Vertreters der Gruppe nicht näher ein, sondern begnügt sich mit einem Hin- weis auf die häufig beobachteten Abweichungserscheinungen. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb seine Ansicht bei den meisten Paläontologen keinen Anklang gefunden hat. So wendet sich Sal- feld in einer neueren Arbeit gegen sie (Salfeld, Fossile Landpfl. d. Rät u. Juraformation SW. -Deutschlands. Palaeontographica. 54,4. 1907. p. 107). Er leugnet zwar das Auftreten abweichend ge- formter, gelappter Blätter bei G. biloba nicht, meint aber, Seward habe diese Variationen „sehr überschätzt“. Zudem spricht er ihnen, weil nur als Krankheitserscheinung an kultivierten Exemplaren auf- tretend, jeden systematischen Wert ab. Er scheint der Ansicht zu sein, daß abweichend gebaute, tiefgelappte Formen nur sehr selten und dann als anormale Erscheinung zu beobachten seien. Das ist nicht richtig. Den gleichen Irrtum scheint auch Johnson zu begehen ( Ginkgophglhim kiltorkense, Scient. Proceed. Roy. Dublin 64 R. Kräusel p1jg< 1 ß. Dr. Kräusel phot. Erklärung der Abbildungen. Das Material stammt teils aus dem Herbarium des Breslauer Botanischen Gartens, teils aus Hesse’s Baumschulen, Weener. Fig. 1 —4. Ganzrandige Blätter ; 1 von Genua, 2 von Flushing, Long Island, 3 u. 4 von Tschekiang, Hangtschou, China. „ 5 u. 6. Blätter von mehrjährigen Trieben, Weener. „ 7—9, 11 — 13. Blätter von einjährigen Trieben, Weener. 3 10. Gelapptes Blatt eines mehrjährigen Zweiges, Bot. Garten, Breslau, ., 14. Derselbe, Normalform des Blattes. Ueber die Variation der Blattform von Ginkgo biloba L. etc. 65 Fig. 7 — 13. Dr. Kräusel phot. Soc. 14. Dublin 1914). Um die Ähnlichkeit seines Ginkgophyllum kiltorkense, eines devonischen, im übrigen sehr zweifelhaften Eestes, mit den Blättern von Ginkgo biloba zu erweisen, bildet er Taf. XI Fig. 1 ein künstlich durch Einschnitte „gelappt“ gemachtes Blatt ab. Die Wiedergabe eines Blattes, wie sie hier Fig. 12 oder 13 gibt, hätte dem gleichen Zwecke doch besser entsprochen. Solche Formen treten an vielen Bäumen oft ganz unvermittelt auf, wobei Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 5 66 R. Klausel, Rig. 14. Dr. Kräusel phot. von irgendeiner „krankhaften“ Ursache keine Spur nachzuweisen ist. Salfeld’s Frage, wie man denn den Begriff einer anormalen Blattform in die Paläobotanik einführen solle, macht daher eine Antwort in diesem Falle gar nicht notwendig. Daß Änderungen des Bodens und Klimas auch Veränderungen im Blattbau nach sich ziehen können, ist einleuchtend. Hieraus aber, und weil es sich um kultivierte Varietäten handelt, auf die systematische Wertlosig- keit der genannten Abweichungen schließen zu wollen, scheint mir verfehlt. Einem Wechsel der Lebensbedingungen sind auch wild- wachsende Pflanzen in gleichem Grade ausgesetzt, und gerade ex- perimentell hervorgerufene Variationen gelten heute in der Biologie als wichtige Fingerzeige für Systematik und Abstammung. Bei G. biloba L. sind abweichende Blattformen sehr häufig. So entwickelte ein Zweig eines älteren Baumes im Breslauer Botanischen Garten in diesem Jahre plötzlich Blätter, wie sie Fig. 10 zeigt, die ganz Gr. Huttoni Sternb. oder G. pluripartida Schimp. entsprechen. Fankhauser (Entwicklung des Stengels und Blattes von G. biloba. Bern 1882) bildet in Fig. 4 ein ähnliches Ueber die Variation der Blattform von Ginkgo biloba L. etc. 67 Blatt ab. Der gärtnerischen Kultur ist es gelungen, diese Formen rein zu züchten, die unter verschiedenen Namen beschrieben worden sind ( Salisburia macrophylla Reynier, S. adiantifolia laciniata Carr. Conif. 1. Aufl. p. 504, S. a. macrophylla Gordon, Pinet. 299, 8. a. m. incisa Hort., S. a. dissecta Hort.; vergl. Beissner, Hand- buch der Nadelholzkunde. 2. Aufl. 1909. p. 39) und sich heute als G. biloba laciniata Hort, im Handel befinden. Herr Kommerzienrat Hesse, der Inhaber der rühmlichst bekannten Baumschulen in Weener (Hannover), dem ich für Überlassung reichen Materials zu Dank verpflichtet bin, teilt mit, daß „tiefgeschlitzte Blätter an jungen Sämlingen und einjährigen Pflanzen sehr häufig sind, wäh- rend bei den Blättern mehrjähriger Zweige oft auch der mittlere Einschnitt ganz vernarbt“. Daß solche abweichende Formen auch an ostasiatischen Bäumen auftreten, lehrt die Durchsicht eines jeden größeren Herbarmaterials. Alle Übergänge von völlig ganzrandigen Formen, wie sie in Fig. 1—4 in wechselnder Ausbildung dargestellt sind, über die Normalform (Fig. 14, vergl. auch Beissner, a. a. 0. p. 38. Fig. 2) bis zu ganz zerschlitzten Blättern (Fig. 11 — 13) lassen sich nachweisen. Das Blatt (Fig. 2) stimmt völlig mit G. antarctica Saporta (etwa in Shirley, Additions to the Foss. Fl. of Queensland. Geol. Surv. Queensland. Bull. 7. 1898. Taf. I Fig. 1), Fig. 7 — 11 mit den als G. Huttoni Sternb. beschriebenen Abdrücken überein, wie sie Seward abbildet (a. a. 0. Taf. IX Fig. 2 u. 10). Die in Fig. 12 und 13 wiedergegebenen Blätter aber müßten, wenn sie als Fossile vorlägen, gar zu Baiera ge- stellt werden. Man vergleiche sie nur mit B. Phillipsi Nath. (Seward, a. a. 0. Taf. IX Fig. 4 und Textfig. 47)! Es kann daher kein Zweifel herrschen, daß mehrere oder auf Blattreste hin aufgestellten Arten Gm/^o-ähnlicher Pflanzen ihr Analogon innerhalb des rezenten G. biloba finden. Welche Folgerung hieraus zu ziehen ist, hängt allerdings von dem prinzipiellen Stand- punkt ab, den man bezüglich der paläobotanischen Artbegrenzung überhaupt einnimmt. Heute wird der Artbegriff von den meisten Paläobotanikern äußerst eng gefaßt. Die geringste Abweichung genügt zur Aufstellung neuer „Arten“, wobei auf die Variations- möglichkeiten der rezenten Pflanzen wenig oder gar keine Rück- sicht genommen wird. Die Folge ist eine verwirrende Fülle fossiler „Arten“, die jeden, der sich zuerst mit paläobotanischen Fragen beschäftigt, abschrecken, die aber oft nichts als leere Namen ohne Inhalt sind. Dieser Zustand, der das Zusammenarbeiten von Botanik und Paläobotanik sehr erschwert, ist von botanischer Seite schon mehrfach beklagt worden; man denke an den drastischen „paläo- botanischen Stoßseufzer“ Potonie’s (Naturw. Wochenschrift. N. F. 3. 1909). Dennoch haben diese Bestrebungen bisher wenigstens nur geringen Eingang in die Paläobotanik gefunden. Noch 1913 wendet sich Halle (Wissensch. Ergebnisse d. Schwed. Südpolarexp. 68 Richard Lachmann *j\ 1901 — 03. 3. p. 14 und Geol. Foren. Förhandl. 35. p. 367) gegen die von Seward vertretene weitere Fassung des Artbegriffs , wie sie, können wir hinzufügen, dem in der Botanik der rezenten Pflanzen geltenden Gebrauche näher kommen würde. Er erkennt dies aber selbst als ein durch die Lückenhaftigkeit des fossilen Materials bedingtes Verfahren an. Es soll dadurch vermieden werden, daß Pflanzen, die nicht zusammengehören, unter ein und demselben Namen beschrieben werden. Dies Bestreben ist löblich; es fragt sich nur, ob der Nachteil einer solchen Methode, die oft sogar verschiedene Teile einer Pflanze unter verschiedenem Art- oder Gattungsnamen beschreibt, nicht überwiegt. Sie täuscht, besonders dem Fernerstehenden gegenüber, eingehende Kenntnis und Pflanzen- reichtum vor, wo in Wirklichkeit nur dürftige, nichtssagende Bruch- stücke vorhanden sind. Dessen ist sich Halle auch wohl bewußt, wenn er andeutet, daß „später“ einmal, d. h., wenn unsere Kenntnis fossiler Reste eingehender sein wird, viele „Arten“ vielleicht zu- sammengefaßt werden können. Warum erst später? Daß es für manche Pflanzengruppe sehr wohl schon heute möglich ist, haben z. B. einige neuere Arbeiten über die Tertiärflora (Menzel, Die Flora d. Senftenberger Braun- kohlenablag. Abhandl. preuß. geol. Landesanst. N. F. 46. 1906; Meyer, Beiträge zur Kenntnis der Tertiärflora Schlesiens. 1913; Reichenbach, Die Coniferen u. Fagaceen des schles. Tertiärs. 1912; Reimann, Die Betulaceen und Ulmaceen des schles. Tertiärs. 1912) gezeigt, und es scheint mir, daß auch die fossilen Ginkgoaceen einer Revision im Sinne Seward’s zugänglich sind. Richard Lachmann *j\ Für die geologische Jugend Deutschlands gilt das Dichter- wort „Ja, der Krieg verschlingt die Besten“. Nachdem F. F. Hahn in den ersten Monaten in Frankreich gefallen und H. v. Staff in Südwest ein Opfer des Krieges geworden war, stehen wir jetzt an dem Karpathengrabe Richard Lachmann’s, dessen Name mit einem weitreichenden Fortschritt der geologischen Erkenntnis ver- knüpft ist. Neben seiner stets klaren und Neues bringenden Be- obachtungsgabe, neben den anregenden Gedanken über Erzlager- stätten, die Tektonik des Steinkohlengebirges und der Alpen, über die Entstehung der Tuffkanäle (Hemidiatremen) in Ungarn und den Vulkanismus der Euganeen sind besonders Lachmann’s Forschungen über die Entstehung und Umformung der Salzlagerstätten von bahnbrechender Bedeutung. Die Entstehung der in der Form an Eruptivschlote erinnernde, das auf lagernde Gebirge durchbrechenden Salzmassen war vor 8 Jahren, d. h. vor Lach- mann’s Auftreten, derart dunkel, daß im Kolleg das Vorkommen Richard Lachmaim f. 69 als unerklärt bezeichnet werden mußte. Denn daß sich allein durcli gebirgsbildende Kräfte kein „Salzhorst“ bilden konnte, mochte man das umgebende Gebirge absinken oder das Salz als „Auf- pressungsgebilde“ emporsteigen lassen, war ohne weiteres klar. Schon die leichte Löslichkeit der Stein- und Kalisalze in unserem niederschlagsreichen Klima stand diesem Deutungsversuch entgegen. Und wenn man gar die eigenartigen Verschlingungen der Carnallit- schnüre auf tektonische „Faltung“ zurückführen würde, wenn gar vor den Augen eines vorstellungskühnen Geologen in der Lüne- burger Heide ein Himalaya emporsteigen konnte, so weiß die Wissenschaft dem Scharfblick des zu früh dahingegangenen Forschers Dank , welcher diese leeren Phantasiegebilde mit energischem Schnitte entfernt hat. Doch verdanken wir Lachmann nicht nur die Beseitigung der Auswüchse der Tektonik — von denen sich übrigens der Altmeister Eduard Suess noch selbst in einem Briefe an den Unterzeichneten energisch abgewandt hatte — , sondern vor allem auch die Auf- richtung eines durch zahlreiche Beobachtungen gefestigten Gedanken- baus — die Ekzemtheorie — , zu deren Begründung der berühmte schwedische Physiker Svante Arrhenius wertvolle Bausteine bei- getragen hat. Wie hoch der schwedische Nobelpreisträger die Arbeit des jungen deutschen Fachgenossen einschätzte, geht aus seinem im folgenden wiedergegebenen Schreiben hervor: „Zu meinem großen Bedauern habe ich erfahren, daß Prof. Richard Lachmann, ein Opfer dieses schrecklichen Krieges, gefallen ist. Da ich seine Tüchtigkeit hoch schätzte, nehme ich lebhaft an der Trauer über sein tragisches Schicksal teil, in der blühenden Kraft seines ersten Mannesalters hinweggerafft worden zu sein.“ Richard Lachmann wurde am 23. Februar 1885 in Hamburg geboren. Nachdem er Ostern 1903 das Reifezeugnis erhalten hatte, wurde er Bergbaubeflissener und lag zunächst ein Jahr lang prak- tischen Studien in den Bergwerken des preußischen Staates ob. Von 1904 — 1907 studierte er an den Universitäten München und Berlin. An letzterer promovierte er am 23. November 1907 (In- auguraldissertation: Der Bau des Jäckel im Obervintschgau). Am 29. November desselben Jahres bestand er das Staatsexamen, wurde Bergreferendar und war als solcher in den nächsten Jahren tätig. Da er sich jedoch besonders für die Geologie als Wissenschaft interessierte, nahm er 1911 eine Assistentenstelle am geologischen Institut der Universität Breslau an. Hier erhielt er auf Grund seiner Habilitationsschrift: „Der Bau des niederhessischen Berg- landes bei Hundelshausen“ im November 1912 die venia legendi. Nach Ausbruch des Krieges von August 1914 bis Februar 1915 war er als Zivilbauleiter bei der Fortifikation Breslau und in Polen tätig. Im September 1915 trat er als Freiwilliger-Schütze in die Schneeschuh-Ersatz-Abteilung in Immenstadt ein. Im Juni 1916 70 Richard Lachmann f. kam er als Gefreiter des 3. Jäger-Regiments ins Feld und machte die Stürme auf Douaumont vor Verdun mit. Er erhielt das Eiserne Kreuz für das Eindringen in das französische Fort Souville, über das er seinem Regimentskommandeur Meldung erstattete. Am 7. September ist er in den Karpathenkämpfen durch Kopfschuß beim siegreichen Sturmangriff am Carny Czeremosz gefallen. R. Lachmann war in Krieg und Frieden als Forscher und als akademischer Lehrer ein frischer, stets angeregt und anregend voller Lebensmut und Unerschrockenheit; „Er ist ein Mensch ge- wesen und das heißt ein Kämpfer sein“. Wie er aus Liebe zur wissenschaftlichen Wahrheit mit seiner Ekzemtheorie der damaligen offiziellen Geologie Fehde ansagte und siegreich durchfocht, so litt es ihn im Kriege nicht hinter der Front, trotzdem eine Betätigung als Kriegsgeologe die naturgemäße Fortsetzung seiner Stellung als Bauleiter bei den Fortifikationsarbeiten gewesen wäre. Aber auch in die Stürme des Krieges hinein begleitete ihn wieder die glühende Liebe zu seiner Wissenschaft. Der ganze Lachmann, der scharfe Beobachter, der frische Mensch, der gute Kamerad steht vor uns in einem Briefe an den Unterzeichneten, der am Morgen des letzten Sturmes geschrieben und in der Brief- tasche des Gefallenen gefunden worden ist: In den Karpathen, 6. September 1916. „Ich liege hier mit meiner bayrischen Jäger- früheren Schnee- schuh-Kompagnie am ungarischen Grenzkamm in ca. 1800 m Höhe bei schönster Morgensonne. Die Hochkämme hier bestehen aus Verrucano, sind beiderseits von Klippenzonen eingefaßt und morpho- logisch ein vergrößertes Riesengebirge. An der Auffassung der Hochfläche als Peneplain werde ich von Tag zu Tag mehr schwankend. Das Wiesen-Phänomen westlich der Schneekoppe ist die Ausnahme, nicht die Regel bei diesen Hochflächen. Ich habe zwei Karpathenkamm-Querprofile, einige Glazialbeobachtungen (Kar- bodenhöhe 1500 — 1600 m) sowie manches Morphologische festlegen können. Ich bin jetzt seit 21 Monaten im Felde. Habe zwei böse Tage vor Verdun (wir sind am 12. Juli am weitesten von allen Truppen bisher gegen Souville vorgedrungen mit ca. 80% blutigen Aferlusten) glücklich nicht nur überstanden, sondern auch tüchtig dekoriert worden, weil ich den Zustand vorne als Erster dem Regiments-Kommandeur beschreiben konnte. So wird man zum Kriegshelden, ehe man sich’s versieht. Verdun ist damals, wo der Kampf auf dem Höhepunkt stand, eine Klasse Weltkrieg für sich, die schärfste Probe auf Selbst- beherrschung. Deshalb bewähren sich gerade die Gebildeten und unsere bayrischen Bauernburschen wegen ihrer animalischen Kalt- blütigkeit an solchen Stellen am besten. Richard Lachmann f. 71 Auch dieser Karpathen-Gebirgsfeldzug ist etwas Einziges, steht in denkbar schärfstem Kontrast zum Fleischhacken bei Verdun. Auf der positiven Seite: eine herrliche Natur, interessante Siedlungs- formen, Kriegführung häufig ä la Lederstrumpf, wenig Artillerie- gefahr und ein minderwertiger Gegner. Auf der negativen : Tage ohne hinreichende Verpflegung, wenig regelmäßige Post und kein Mittel, der Läuse Herr zu werden. Ferner die Last des schweren Gepäcks. Ich fühle mich recht wohl als Krieger, würde aber natürlich auch mal wieder eine wissenschaftliche Tätigkeit nicht ausschlagen. “ „Er ist ein Mensch gewesen und das heißt ein Kämpfer sein.“ F. Frech. Schriftenverzeichnis. 1908. 1. Der Bau des Jäckel im Obervintschgau. Beitr. zur Paläonto- logie u. Geologie Österreich-Ungarns. 21. 1908. 2. Neue ostungarische Beauxitkörper und Beauxitbildung überhaupt. Zeitschr. f. prakt. Geol. 1908. Sept. 1909. 3. Vorläufiger Bericht über Vulkanstudien. 1908. I. Die systematische Bedeutung eines neuen Vulkantyps (Hemidiatrema) aus dem Rezgebirge. II. Der Eruptionsmechanismus bei den Euganeentrachyten. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 61. 1909. 7. 1910. 4. Das Faltungsproblem des westfälischen Steinkohlengebirges. Glückauf. 1910. 43. 5. Studien über den Bau von Salzmassen. Kali. 1910. Heft 8, 9, 24. 6. Überschiebungen und listrische Flächen im westfälischen Carbon. Glückauf. 1910. 6. 7. Über autoplaste (nicht tektonische) Formelemente im Bau der Salzlagerstätten Norddeutschlands. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 62. 1910. 2. 8. Über die Natur des EvERDiNG’schen deszendenten Hauptsalz- konglomerats. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 62. 1910. 4. 9. Salinare Spalteneruption gegen Ekzemtheorie. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 62. 1910. 8/10. 1911. 10. Hauptprobleme der Kaligeologie. Monatshefte. 6. 1911. 5. 11. Erich Harbort im Streit gegen die Ekzeme. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 63. 1911. 8/10. 12. Der Salzauftrieb. 1. u. 2. Folge. Kali. 1911. 8, 9, 22, 23, 24. 3. Folge. Kali. 1912. 14, 15, 16, 17. 13. Über diagenetische Deformationen von Salzgesteinen. Dies. Centralbl. 1911. 17. 14. W. Kranz’ Einwürfe gegen meine Beobachtungen in den Eu- ganeen. Dies. Centralbl. 1911. 21. 1912. 15. Über die Bildung und Umbildung von Salzgesteinen. Jahresber. d. schl. Ges. f. vaterl. Kultur. 1912. 16. Der Bau des niederhessischen Berglandes bei Hundelshausen. Jahresber. d. schl. Ges. 1912. 17. Zur Tektonik Norddeutschlands. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 64. 1912. 8/10. 72 C. Hintze f. 1912. 18. Ekzeme als geologische Chronometer. Monatsber. d. deutsch. geol. Ges. 64. 1912. 19. Arrhenius und Lachmann : Die physikalisch-chemischen Be- dingungen bei der Bildung der Salzlagerstätten und ihre An- wendung auf geologische Probleme. Geol. Rundschau. 1912. III, 3. 20. Weiteres zur Frage der Autoplastie der Salzgesteine. Dies. Centralbl. 1912. 2. 21. Beiträge zur Plastizitätsfrage. Dies. Centralbl. 1912. 24. 1913. 22. Über einen vollkommen plastisch deformierten Steinsalzkristall aus Boryslaw in Galizien. Zeitschr. f. Krist. 1913. 52, 2 und Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 66. 1912. 8/10. 23. Über den Bau alpiner Gebirge. Monatsber. d. deutsch, geol. Ges. 65. 1913. 3. 24. Über den heutigen Stand der Ekzemfrage. Kali. 1913. 7. 1914. 25. Zur Klärung tektonischer Grundbegriffe. Monatsber. d. deutsch. geol. Ges. 66. 1914. 4. 26. Eine bemerkenswerte Störung des Steinkohlengebirges bei Schlegel in Niederschlesien. BRANCA-Festschrift. 1914. C. Hintze f. Geh. Regierungsrat Professor Dr. Carl Hintze, ordentlicher Professor der Mineralogie und Direktor des mineralogischen Instituts und Museums der Universität Breslau, ist am 28. De- zember 1916, mittags, einem Herzschlage erlegen. Der Verstorbene war in Breslau am 17. August 1851 ge- boren und hat den größten Teil seiner akademischen Laufbahn liier zurückgelegt. Nachdem er das Magdalenen-Gymnasium in Breslau absolviert hatte, begann Hintze sein Studium in seiner Vaterstadt, um es dann in Bonn und Berlin fortzusetzen. Von Berlin ging er 1872 als Assistent seines Lehrers P. Groth mit diesem an die neugegründete Universität Straßburg, wo er 1873 promovierte. Im Herbst 1880 übernahm er die wissenschaftliche Leitung des Dr. KRANTz’schen Mineralienkomptoirs in Bonn und habilitierte sich vier Jahre später an der dortigen Universität für Mineralogie und Kristallographie. 1886 folgte er einem Rufe als außerordentlicher Professor nach Breslau an die Seite seines Lehrers Ferdinand Roemer, nach dessen Tode er im Jahre 1892 Ordinarius für Mineralogie wurde. Seiner Heimatstadt blieb er auch in der Folge treu; 1909 erhielt er den Charakter als Ge- heimer Regierungsrat. Vor einigen Jahren bekleidete er das Dekanat der philosophischen Fakultät. Hintze war eine der ersten Autoritäten in dem Fache der Mineralienkunde und ein akademischer Lehrer von ausgezeichneten Eigenschaften. In der Wissenschaft aber hat er sich ein Denkmal gesetzt durch sein großes und treff- liches „Handbuch der Mineralogie“. F. Rinne, Die Kristall winkelveränderung etc. 73 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe beim Wechsel der Temperatur. II. Von F. Rinne in Leipzig. Mit 4 Textfiguren. 3. Augit und Hornblende. Von F. Rinne und R. Grossmann. Die thermogoniometrischen Untersuchungen an Augit und Horn- blende, über die nachstehend berichtet werden soll, wurden unter dem Gesichtspunkte ausgeführt, einen weiteren Anhalt für die ver- wandtschaftliche Stellung dieser Minerale zu gewinnen. Er findet seinen Ausdruck in der kristallographisehen Orientierung der Stoffe zueinander. Im vorliegenden Falle handelt es sich einmal um die Frage, welcher vertikale Hauptschnitt bei den Orthaugiten der Ebene {010} der monoklinen Glieder entspricht und weiterhin hin- sichtlich der monoklinen Augite und monoklinen Hornblenden um die Wahl einer in natürlicher Weise korrespondierenden Achse a. Bekanntermaßen ist in der Hinsicht noch keine volle Einigkeit der Auffassungen erzielt. Ein Vergleich der thermischen Bewegungen in den Kristallgebäuden könnte sehr wohl, so erschien es, zur weiteren Klärung der Verhältnisse beitragen. Es zeigte sich, daß dabei in der Tat deutliche Hinweise über die naturgemäße Orien- tierung sich herausheben; sie seien am Schluß dieser Veröffent- lichung, nach Darlegung des Tatsachenbestandes, zusammengestellt. Die benutzte thermogoniometrische Apparatur war die näm- liche, wie sie zum Studium der rhomboedrischen Carbonate und des Winkels P:M der Plagioklase benutzt wurde1. Die Genauig- keit der Messungen betrug im Intervall 200 — 300° durchschnitt- lich 6 Sekunden, von 300 — 700° 10 Sekunden, darüber hinaus 15 Sekunden. Bei jeder Winkelfeststellung wurde die Temperatur 1 — li Stunden lang innerhalb einer Schwankung von 5° gehalten und dann jeweils das Mittel aus drei unmittelbar aufeinanderfolgenden Messungen genommen, die sich innerhalb der obigen Fehlergrenzen bewegten. Die natürlichen Kristallflächen erwiesen sich für genaue Messung nie gleichmäßig genug; sie wurden daher für den Ver- such stets anpoliert. Natürlich änderte sich dabei ihre Winkel- neigung ein wenig. Das macht aber für das Ergebnis nichts aus, da es sich beim Versuch lediglich um die Veränderung der Flächen- lagen handelt, die innerhalb der Fehlergrenzen gleich groß isl: wie die Veränderung einer genau liegenden Ebene. Die thermo- goniometrische Wandlung wurde auf den Idealwert aufgetragen. 1 Vergl. I, dies. Centralbl. 1914. p. 705. 5* 74 F. Rinne, Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe Diopsid von der Mussa-Alp, Piemont als Beispiel für die Klinaugite. Als Fundamentalwinkel dienten die Werte nach G. vom Rath: (110) (010) =' 43° 35' (111) (010) = 65° 45' 30" (001) (100) = 105° 49' 51". Aus ihnen folgt : a : b : c = 1,09213 : 1 : 0,58931 p = 74° 10' 9". Äußer (100), (010), (001), (110) und (111) wurden noch an poliert die Flächen (100) und (221). Die (wie erwähnt, für die verfolgten Zwecke belanglosen) Unterschiede der Flächenlage von den normalen Werten betrugen 4—36'. Die Zusammenstellung der Ergebnisse bieten die folgenden Tabellen und Figuren dar. Im allgemeinen machte sich beim Diopsid die Spaltbarkeit nach { 1 1 0} bereits bei 350° störend durch Rißbildung geltend; gegen 500° zersprangen die Präparate oft in Lamellen nach { 1 1 0}. (110) : (010) 18° . . 43° 35' 0" 139 . . 43 37 1 235 . . 43 39 19 327 . . 43 40 41 435 . . 43 42 13 524 . . 43 43 49 644 . . 43 46 9 755 . . 43 48 34 Intervall 737° Änderung + 0° 13' 34" (001) : (100) 17° . . 105°49' 51" 121 . . 105 51 25 222 . . 105 53 9 315 . . 105 54 7 416 . . 105 55 11 529 . . 105 56 26 Intervall 512° Änderung + 0° 6' 35" (111) : (010) 18° . . 65° 45' 30" 114 . 65 47 30 223 . . 65 48 56 335 . . 65 50 56 416 . . 65 52 26 517 . . 65 53 54 Intervall 499° Änderung + 0° 8' 24" beim Wechsel der Temperatur. II. 75 (111):(100) 18° 53° 58' 0" 112 53 56 4 223 53 54 42 318 53 53 46 446 53 52 36 521 53 51 59 Intervall 503° Änderung —0° 6' 1" (221) : (100) 61° 32' 0" 107 61 32 3 215 61 32 4 312 61 32 0 419 61 31 57 533 . Intervall 516° 17° 61 31 53 Änderung — 0° 0' 7" (221) : (010) 18° 47° 54' 30" 123 47 56 1 243 47 57 33 357 47 59 44 472 48 2 21 513 48 3 23 Intervall 495° Änderung -f- 0° 8' 53" Aus den drei Fundamentalwinkeln (110): (010), (111): (010) und (001) : (100) bei 17°, 300° und 500° (letztere Werte durch graphische Interpolation) berechnen sich folgende Größen : 17° . . . . a : b : c .= .1,09213 : 1 : 0,58931 ß = 74° 10' 9" 300 .... a : b : c = 1,08945 : 1 : 0,58760 £=74 6 9 500 ... . a : b : c — 1,08762 : 1 : 0,58604 ß == 74 3 57 Leitet man nunmehr aus diesen Achsenverhältnissen die Kontroll- winkelwerte bei 18°, 300° und 500°, sowie die theoretischen Winkel- veränderungen bezüglich der Intervalle 18 — 300°, 300 — 500° ab, so lassen sich die goniometrischen Wandlungen mit den beobachteten vergleichen. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung, mit Aus- nahme der Daten für 500°. Wahrscheinlich ist die Differenz von 1' auf die bei dieser Temperatur störende Rißbildung zufolge der Spaltbarkeit nach {110} zurückzuführen. Bei 472° waren Beob- achtung und Kurve sich noch auf 10" nahe. W inkel verän d eru n g Berechnet Ber. Beob. Ber. Beob. 18° 300° 500° 18—300° 300—500° (111): (100) 53°58/ll" 53°53'58" 53°52' 1" 4' 13" 4' 10" 1' 57" 1' 50" ( 221) : (010) 47 54 30 47 58 35 48 1 50 4 5 4 0 3 15 4 6 (221) : (100) 61 32 2 61 31 50 61 31 40 0 10 0 0 0 10 0 8 76 F. Rinne, Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe Von Interesse ist die fast völlige Unveränderliclikeit von (221) : (100) im Gebiete von 17° bis 533°. Die berechnete Wand- lung beträgt nur 22", die beobachtete sogar nur 7". (in>(oio) (m>(ioo) 6' 5 ' V 3‘ 2‘ 1’ o'i-o- *■ 3 * V 0® 100° ZOO0 300° V00° 500° 600° (22l)(lOO) Fig. 1. Thermogoniometrische Änderungen des Diopsid. beim Wechsel der Temperatur. II. 77 Hyperstlien von der Pauls-Insel als Beispiel für die Orthaugite. Richtet man den inneren spitzen Prismenwinkel des Hyperstlien s nach vorn — hinten1, so entspricht dem das Achsen Verhältnis vom Rath’s : a : b : c = 1,02952 : 1 : 0,58685. Die Normalenwinkel der wichtigsten Formen sind : (110) : (110) = 91° 40' (001) : (111) = 39° 17' 15" Diese Flächen, sowie (010) und (100), wurden' am Material angeschliffen, und zwar betrugen die (belanglosen) Abweichungen von den Normal werten 0' '10" bis 21' 45". Die Winkeländerung, bezogen auf die Normalwerte, stellt sich folgendermaßen dar. (110) : (010) 17° . . 44° 10' 0" 110 . . 44 11 3 215 . . 44 11 55 351 . . 44 14 0 435 . . 44 15 8 519 . . 44 16 9 Intervall 502° Änderung -|-00 6' 9" Ganz diesen Zahlen innerhalb der Fehlergrenzen entsprechend sind die von (110): (100) als Komplement von (010): (110). (110) : (100) 17° . . 45° 50' 0" 110 . . 45 48 55 215 . . 45 47 58 351 . . ...... 45 45 54 435 . . 45 44 56 519 . . 45 43 58 Intervall 502° Änderung — 0° 6' 2" (001): (111) 18° . . 39° 17' 15" 111 . . 39 17 29 229 . . 39 17 53 334 . . 39 18 7 448 . . 39 18 31 553 " . . 39 18 52 Intervall 535° Änderung -f- 0° 1' 37" Die Beobachtung am theoretischen Komplement zu (001): (111) ergab gleichfalls vortreffliche Kongruenz. 1 Die 1. Mittellinie liegt dann in Achse b. 78 F. Rinne, Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe 18° . (111) : (110) 50° 42' 45" 111 . 50 42 33 229 . , 50 42 13 334 . , 448 . 50 41 84 553 . 50 41 13 Intervall 535° Änderung — 0° 1' 32" Es handelt sich also hier um eine bemerkenswert sehr kleine Veränderung der Lage von {lll}; sie beträgt nur 0°1'35“ im Mittel. (OOl)(lil) Fig. 2. Thermogoniometrische Änderungen des Hypersthen. Hieraus berechnen sich folgende Größen : 17° a : b : c = 1,02952 : 1 : 0,58685 300 a : b : c = 1,02748 : 1 : 0,58654 500 a : b : c == 1 ,02593 : 1 : 0,58629 Hornblende von Monte Somma, Vesuv als Beispiel der monoklinen Amphibole. Die Formen wurden auf die TscHERMAK’sche Aufstellung (mit r = {0 1 1 }) bezogen. Danach sind : a : b : c ■= 0,55108 : 1 : 0,29377 ß = 73° 58' 12" (110) : (1T0) = 55° 49' (101) : (Oll) Ü 34 25 (011) : (01 1) = 31 32 (011) : (110) = 68 46 30" Wie sonst wurden Flächen anpoliert, und zwar mit einer An- näherung an die theoretischen Lagen von 0'30“ bis 14' 34“. Die Veränderung der Hornblendegestalt mit der Temperatur stellt sich wie folgt dar : beim Wechsel der Temperatur. II. 79 18° (110) : (110) 55° 49' 0" 113 55 48 52 213 55 48 39 324 55 48 25 418 55 48 13 521 55 47 58 647 Intervall 629° Änderung —0° 1' 19" befriedigend entsprechender Weise änderte r 17° (110) : (010) 62° 5' 30" 119 62 5 44 212 62 5 54 335 62 5 58 416 62 6 14 Intervall 399» Änderung -f- 0° 0' 44" 18° (TOI) : (Oll) 34° 25' 0" 108 34 24 14 210 34 23 34 306 34 22 46 413 34 21 56 538 34 21 4 Intervall 520° Änderung — G° 3' 56" 18° (Oll) : (110) 68° 46' 30" 108 68 45 46 210 68 44 51 306 68 44 2 413 68 43 13 538 68 42 15 Intervall 520° Änderung — 0° 4' 15" (Oll) : (Oll) 18» ... . . . . . 31»32' 0' 104 ... . . ... 31 31 26 218 ... . .... 31 30 40 334 ... . .... 31 29 46 416 ... . .... 31 29 3 518 ... . .... 31 28 21 Intervall 500° Änderung — 0° 3' 39' 80 F. Rinne, Die Kristallwinkelveränderung verwandter Stoffe (iio>(no) (01l):(0Jj) Fig. 3. Thermogoniometrische Änderungen der monoklinen Hornblende. Die Änderung des Aclisenverhältnisses und /J-Winkels wird durch folgende Zusammenstellung bekundet: 18° a : b : c = 0,55108 : 1 : 0,29377 ß = 73° 58' 12" 300 a : b : c = 0,55101 : 1 : 0,29350 ß = 73 56 18 500 a : b : c = 0,55099 : 1 : 0,29331 ß = 73 52 38 Anthophyllit von Labrador als Beispiel für die Orthamphibole. Es wurden zwei Spaltprismen poliert. Ihre Winkel ergaben sich zu 54° 14' 27" und 54° 34' 5". Der Normalwert für Antho- phyllit ist noch nicht bekannt, so daß es hier nur auf die Ver- änderungen mit der Temperatur ankommt; sie betrugen: 1. 20° 0' 0" (Ausgang) 101 —0 27 200 —0 52 311 . —1 22 408 — 1 45 503 , . —27 beim Wechsel der Temperatur. II. 81 20° .... 0' 0' 100 . . • . — 0 21 206 . . . . — 0 53 308 . . . . — 1 23 412 . . . . — 1 58 509 2 25 (no)(iio) Fig. 4. Thermogoniometrische Änderungen des Anthophyllits. Zum Vergleich der thermogonio metrischen Ver- hältnisse bei den hier studierten Mineralen seien zunächst temperatur-extreme Werte für den wirklichen inneren Winkel (110): (HO) zusammengestellt. Diopsid Hypersthen Hornblende Anthophyllit 20° ... . 87° 10' 0" 88°20'0" 124°ll/0// 125° 45' 33" 500 87 26 30 88 32 0 124 12 0 125 47 40 Es ergibt sich, daß dieser kristallstrukturell besonders be- deutsame Winkel sich bei allen vier Typen der Augit-Hornblende- familie gleichsinnig ändert, wenn man, wie hier geschehen, beim Orthaugit den inneren spitzen Prismenwinkel vorn — hinten stellt. Das ist also auch nach den vorliegenden Feststellungen die natur- gemäße Orientierung. Kennzeichnend ist im speziellen, daß- der thermogoniometrische Effekt gerade auf diesen Winkel bei Augit sehr viel kräftiger ist als bei Hornblende. Man erkennt das aus dem Vergleich der Kurven und aus nachstehender Zusammenstellung bezüglich des Intervalls von 20° bis 500° — - 480°. Winkel Diopsid (110) : (HO) Hypersthen (110) : (HO) Vesuvische Hornblende . (110) : (1T0) Anthophyllit (1 10) : (1T0) Gesamt- änderung + 0°16' 30‘ + 0 12 0 + 010 + 0 2 7 Änderung für je 100° + 0°3/ 26" + 0 2 30 + 00 12,5 + 0 0 26,4 Auch in der Frage über die verwandtschaftlich richtige Stellung von monoklinem Augit und monokliner Hornblende liefert die thermo- Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 6 82 0. Mügge, goniometrische Untersuchung ein wirksames Moment. Nimmt man den Augit mit der Fixierung von s = {Ill} als gegeben an, so fragt sich, ob bei der Hornblende die Form r dieser Form s bei Augit entspricht oder ob r als (Oll) zu nehmen ist. Zugunsten letzterer Auffassung haben sich Tschermak, Williams, Cross und Mügge mit näheren Überlegungen über die Geometrie, Optik, Ver- wachsung, Uralitbildung und Absonderungs Verhältnisse ausgesprochen. Bei Annahme dieser Stellung würde ß der Hornblende = 73° 58' 12" sein, andernfalls erschiene als ß der in bezug auf Achse c gegen- seitige Winkel von 75° 2'. Es frägt sich somit, ob ersterer oder letzterer mit ß des Augits eine gleichsinnige thermogoniometrische Änderung durchmacht. Man findet: ß bei Diopsid .... Winkel 73° 58' 12" | bei Hornblende / Winkel 75° 2' bei \ Hornblende / 18° 300° 500° 74° 10' 9" 74° 6' 9" 74° 3' 57' 73 58 12 73 56 18 73 52 38 75 2 75 4 53 75 9 15 Es verhält sich also der Winkel 73° 58' 12" gleichsinnig mit ß des Augits : beide werden bei Temperaturerhöhung kleiner, während der Winkel 75° 2' der Hornblende sich dabei vergrößert. Somit spricht auch die thermogoniometrische Untersuchung für die Tscher- MAK’sche Aufstellung der Hornblende. Einen Überblick über die Gesamtänderung des monoklinen Augits und der monoklinen Hornblende, letztere in der besagten naturgemäßen Stellung, geben folgende Zahlen : Diopsid Vesuvische Hornblende 20° . . . a : b : c = 1,09213 : 1 : 0,58931 a : b : c = 0,54826 : 1 : 0,29377 ß = 74® 10' 9" ß = 73° 58' 12" 500 . . . a : b : c = 1,08762 : 1 : 0,58604 a : b : c = 0,54766 : 1 : 0,29333 ß 74° 3' 57" ß = 73° 52' 38" Institut für Min. und Petrogr. der Universität Leipzig. Über die Ursache des damaszierten Schimmers beim Lievrit. Von O. Mügge in Göttingen. Es ist bekannt, daß manche Kristalle von Lievrit, wenn das Licht in bestimmter Richtung auf sie fällt, einen Schimmer wie schön blau angelaufener Stahl wahrnehmen lassen. Er bezeichnet nach Blum 1 die ersten Anfänge der Umwandlung des Lievrit in 1 Blum, Pseudom. 3. Nachtr. 187. 1863. Uelber die Ursache des damaszierten Schimmers beim Lievrit. 83 Eisenglanz und Brauneisen. Blum beobachtete ihn an Kristallen von Elba, B0GGild 1 auch an Kristallen von Grönland, wenn auch weniger stark. Der Schimmer tritt nach meinen Beobachtungen an Elbaner Kristallen nur auf bei solchen , die oberflächlich zersetzt sind, und zwar auf allen Endflächen mit Ausnahme von (001); auf sämtlichen Flächen von (111), (101) und (021), ebenso auf un- regelmäßigen Abdruckflächen und auch auf etwas muschligen un- frischen Absonderungsflächen ungefähr // (001), aber gleichzeitig, am stärksten dann , wenn das Licht so auffällt, daß es von der Basis reflektiert wird. Daraus geht hervor, daß die kleinen Flächen- elemente, die den Schimmer verursachen, auf allen Kristall- und Bruchflächen die Lage (001) haben, sie sind aber so außerordent- lich fein, daß sie ihrer Lage und ihrem Umriß nach auch u. d. M. nicht mehr zu erkennen sind, auch mittelst Vertikal-Illuminator nimmt man nur den schön blauen Schimmer wahr. Dieser rührt nun keineswegs von den ersten Spuren der die Kristalle bedeckenden Zersetzungsprodukte her, er tritt vielmehr erst da auf, wo diese in feinen Häutchen sich von der Oberfläche losgelöst haben, am lebhaftesten dann, wenn diese frisch abgehoben sind, während er da fehlt , wo die Fläche nach Entfernung der Zersetzungshaut schon längere Zeit wieder freigelegen hat. Auf den Flächen (hkO) bildet der Überzug meist besonders dicke Krusten, darunter erscheinen diese ganz glanzlos, meist mit tiefen Rillen I! (001), der Schimmer fehlt hier stets. Danach sind die schimmernden Flächenelemente von der Lage (001) wahrscheinlich sehr feine Ätzflächen; daß nicht eine unter der abgehobenen Haut liegende andere Neubildung die Ursache ist, scheint auch daraus hervorzugehen , daß stärkere Erhitzung der Kristalle (über 300°), welche diese doch wohl hydratische Neubildung zerstören würde, an dem Schimmer nichts ändert. An manchen Stellen erscheinen die Kristalle übrigens in der Schimmer- stellung wie von feinem braunem Sammet überzogen; hier ist auf den abgedeckten Flächen schon wieder ein neues, und zwar kollo- ides , hellbraungelb durchsichtiges Zersetzungshäutchen zum Ab- satz gekommen ; hebt man es ab , so tritt der blaue Schimmer zutage. Die Zersetzungshäutchen sind meist dunkelbraun , doppel- brechend, und zwar mit überall einheitlicher Orientierung. Auf allen Flächen (hkO), auch (100) und (010), löscht ihre Substanz // c des Lievrit aus; auf (101), (021) und (001) parallel den Symmetrielinien dieser Flächen, auf (111) und (hkh) dagegen schief unter 10 — 22° geneigt zur Kante zu (010). Hebt man an einer von verschiedenen Flächen der genannten Art begrenzten 1 Boggild, Meddelelser om Grönland. 25. 84. 1902. 6* 84 0. Mügge, Ueber die Ursache des damaszierten Schimmers etc. Ecke eine kleine Kappe der Zersetzungshaut ab, so läßt sich nach Einbetten in Kanadabalsam erkennen , daß die ganze Kappe im parallelen Licht sich optisch einheitlich verhält. Die Stärke der Doppelbrechung ist beträchtlich, aber wegen der Tiefe der Färbung nicht zu bestimmen, die beiden Auslöschungsrichtungen nicht zu unterscheiden ; auch im konvergenten Licht sind die Erscheinungen nicht hinreichend deutlich, Pleochroismus fehlt. Eine feine Punk- tierung und Riefung auf den Häutchen scheint der Spur der Ätz- fläche (001) zu entsprechen. Bei mäßigem Erhitzen wird das Zersetzungsprodukt vorüber- gehend undurchsichtig, nach lßstündigem Erhitzen auf 250° war es tief rot geworden, aber noch optisch einheitlich doppelbrechend und die Auslöschungsrichtung wie vorher, es verhält sich also in dieser Hinsicht wie Goethit und nicht wie Rubinglimmer1. Für letzteren konnte nämlich festgestellt werden , daß er schon nach längerem Erhitzen (6 St.) auf 220° anfängt Wasser zu ver- lieren, und zwar zum weiteren Unterschied von Goethit, unter Bildung einer neuen Phase. Es entstehen Verwitterungsfiguren in der Form von Sechsecken, von denen zwei, meist etwas längere Seiten // c, die anderen vier zu je zwei nach beiden Seiten dazu unter etwa 45° geneigt verlaufen. Ihre Zahl nimmt bei längerem Erhitzen auf 220° erheblich zu, auch vergrößern sie sich etwas; bei raschem Erhitzen entstehen sehr zahlreiche und daher sich gegenseitig störende Figuren, so daß ihre Form undeutlich wird. Die die Figuren füllende wasserärmere Substanz ist dunkler rot, optisch nicht einheitlich, besteht vielmehr anscheinend aus sphäro- lithisch geordneten, stark doppelbrechenden Fäserchen. Von alle diesem ist beim Erhitzen der Zersetzungshäutchen des Lievrit nichts zu erkennen, vielmehr verlieren sie Wasser erst bei höherer Tem- peratur und ohne Bildung einer neuen Phase. Welches die kristallographische Orientierung des Goethit zum Lievrit ist, läßt sich einstweilen nicht näher bestimmen. Vom Rubin glimm er kamen bei dieser Gelegenheit Blättchen zur Beobachtung, die an den Rändern äußerst dünn und daher fast farblos , ganz hellgelb durchsichtig waren. Sie sind von Interesse wegen ihrer stark übernormalen Interferenzfarben. Sie sind an den dünnsten Stellen lavendelblau ins Violette, gehen dann über in schön grün , dann in gelb und orange. Bei größerer Dicke macht sich dann die Eigenfarbe schon störend bemerklich. Die Doppelbrechung ist, wie 1. c. angegeben, jedenfalls sehr stark. 1 Vergl. N. Jahrb. f. Min. etc. 1916. I. p. 66. H. Rose, Kristallographische Konstanten etc. 85 Kristallographische Konstanten einiger künstlicher Kristalle. Von Herrn. Rose, Göttingen, z. Z. im Felde. Mit 2 Textfiguren. 1. Caesiumdithionat, Cs2S206. Die Kristalle erscheinen holoedrisch oder rhomboedrisch-hemi- edrisch, sind aber wohl als trapezoedrisch-tetartoedrisch zu be- trachten und als isomorph mit den analogen von Kalium Rubidium. Hexag. trapez. tetart. c = 0,6316. Beobachtet sind die Formen : {0001} . <1011} . {1010} . (5 . IÖ . 5 . 6} . {1211} . . <5.IÖ.5.3}.{1210; *1121 : 0001 = 51° 38' beob., — ber. 5 . IÖ . 5 . 6 : 0001 = 46 30 46° 29' 5 . TÖ . 5 . 3 : 0001 = 64 30 64 36 1011 : 0001 = 36 04 36 06 1T00 : 1121 = 47 11 47 14 10T1 : 1121 = 25 38 25 38 1011 : 01T1 = 34 13 33 51 Die Kristalle stimmen danach in den Winkeln sehr nahe überein mit denen des Rubidiumsalzes. Optisch einachsig positiv, zirkularpolarisierend, indem durch die Basis zwischen gekreuzten Nicols bei Drehung keine merkliehe Änderung der Helligkeit eintritt, wohl aber die Farben beim Drehen des Analysators sich ändern. An einem Prisma mit zwei natür- lichen Flächen II c wurde gemessen: co = 1,444, £ = 1,491 (für gelb). 2. Caesiumdithionat, 2 Cs2 S2 06 . H2 0. Rhombisch, holoedrisch. a : b : c = 0,8832 : 1 : 0,5058. Beobachtete Formen (Fig. 1): (010). {100} .{120}. (110}. {201} .{111}. b a d m e p *100 : : 110 = T— 1 1! 27' beob., ber 110 : : 120 = = 19 05 19° 02' 010 : : 120 - = 29 28 29 31 *110 : 111 = = 52 37 T10 : 20 T = = 55 37 55 38 20T : 111 = = 30 07 30 04 120 : 111 = = 54 58 54 59 120 : : 111 = = 97 14 97 13 110 : : 111 = = 85 43 85 42 86 H. Rose, Kristallographische Konstanten etc. Ebene der optischen Achsen (010), spitze positive Bisektrix ± (010), 2Esa = 51,5°, V>Q. Das entsprechende Rubidiumsalz wurde nur in mikroskopischen, nicht meßbaren Nadeln erhalten. 3. Terpin, C10H18(OH)2. Rhombisch, holoedrisch. a : b : c = 0,7888 : 1 : 0,8224. Die wasserhellen, bis 5 mm großen Kristalle sind z. T. tafelig nach (001), z. T. pyramidal durch {lll} (Fig. 2); außerdem sind c p beobachtet {221} und {Oll}. q d *001 : 111 = 53° 01' beob., — *111 : 111 = 59 19 001:221 = 69 25 69° 22' 111 : 111 = 102 24 102 19 111 : 011 = 38 53 38 51 001 : 011 = 39 29 39 26 ber. A. Johnsen, Ueber die Bedeutung etc. 87 Die Ätzfiguren (mit Wasser, Alkohol; die besten mit Monobrom- naphthalin) auf (001) und (111) bestätigen die rhombische Holoedrie. Spaltung sehr vollkommen nach (001), muscheliger Bruch nach (010), unvollkommene Spaltung nach (HO). Durch (010) Austritt der spitzen positiven Mittellinie, Achsen- ebene II (001), Achsenwinkel in Monobromnaphthalin für die grüne Quecksilberlinie l = 546,1 /u/r. 2 H = 72° 5'. An einer Spaltplatte nach (001) wurde mittels AnBE’schem Refraktometer für dieselbe Linie (mit verkleinerndem Fernrohr) bestimmt : « = 1.5209, ß = 1,5292, y = 1,5416. daraus 2 V = 79°0', während aus 2H und ß folgt 2Y = 79°42'. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß Rud. Klein in seiner Dissertation (Göttingen 1912, p. 12) die ihm von mir über die Kristallform des aktiven Carvotanacetoxim gemachten Angaben falsch wiedergegeben hat; nicht die rhombischen Kristalle sind hemimorph, sondern die monoklinen. Über die Bedeutung der Ostwald’schen Impfschwelle. Von A. Johnsen in Kiel. Wilh. Ostwald 1 fand als untere Grenze der Natriumchlorat- mengen, die eine bestimmte metastabile Na CI 03-Lösung zur Kri- stallisation veranlassen, 10~ 10 g; das ergibt, da die Dichte des kristallisierten Natriumchlorates gleich D= 2,49 ist, 4 x IO-11 cm3. Dieses Volumen kann keineswegs die Bedeutung des kleinstmög- lichen Na CI 03-Kristalles haben, da nach röntgenometrischem Be- fund die Inhalte der primitiven Gitterparallelepipeda von der Größen- ordnung 10-24 bis 10-22 cm3 sind. Das Volumen IO-11 cm3 mag „Impfschwelle“ heißen. Jene 4 x IO-11 cm3 NaC103, die noch gerade wirkten, waren durch Verdunstung eines Tropfens verdünnter Lösung in einer Platinöse entstanden und stellten offenbar einen sehr kleinen Würfel oder einige wenige solche dar. Weil nun winzige Kristalle eine größere Sättigungskonzentration liefern als makroskopische Indi- viduen, so liegt die übrigens schon von Ostwald (1. c.) geäußerte Vermutung nahe, daß Ostwald’s in bezug auf große Kristalle metastabile Lösung gegenüber Individuen von 10~12 cm3 nicht mehr übersättigt war, so daß letztere nicht mehr zu wirken vermochten. 1 Wilh. Ostwald, Zeitschr. f. phys. Chem. 22. 289. 1897. 88 A. Johnsen, Ueber die Bedeutung etc. Man kann diese Annahme mittels folgender Formel prüfen, die ebenfalls von Wilh. Ostwald 1, aber bei anderer Gelegenheit, abgeleitet wurde. 2 r M r “ Lr • ETDln r L Hierin bedeutet r die halbe Kantenlänge eines sehr kleinen Würfels2 einer Kristallart in cm, M deren Molgewicht in g, T die absolute Temperatur in Celsiusgraden, R = 8,3 x 107 die absolute Gaskonstante in Erg, D das „spez. Gewicht“ der Kristallart, L die Löslichkeit großer Kristalle, Lr diejenige kleiner Würfel von der Kantenlänge 2 r und y die Grenzflächenspannung zwischen Kristall- würfeln und Mutterlauge in Dynen/cm. Wir betrachten nun die Konzentration von Ostwald’s meta- stabiler Lösung als Sättigungskonzentration Lr jener NaC103- Wiirfel von 10~ 12 cm3 Inhalt, die nicht mehr zu wirken vermochten ; ist unsere Betrachtungsweise richtig, so muß obige Formel ein r ergeben derart, daß (2 r)3 = 10~ 12 ist. Zur Berechnung setzen wir für Natriumchlorat M = 106,5, T = 273 + 18, D = 2,5, L = 95 (g pro 100 g Wasser)3, Lr= 107, d. i. die Konzentration der von Ostwald bei Zimmertemperatur geimpften metastabilen Lösung, und y= 2000; letztere Zahl liegt zwischen den y-Werten, die G. Hulett4 für Gips und für Schwerspat ermittelte (1100 bezw. 4000 Dynen/cm). Dann ergibt sich aus obiger Formel r = 6 x 10~5cm und somit (2r)3 = 2 x 10~ 12 cm3 als Volumen des Na C103-Wiirfels, dessen Sättigungskonzentration Lr = 107 g pro 100 g H2 0 ist; in der Tat wirken bei dieser Konzentration nach Ostwald nur Kristalle, deren Volumen mehr als IO-12 cm3 beträgt. Unsere Auffassung des Wesens der Impfschwelle wird also vorzüglich bestätigt. Die Richtigkeit dieser Deutung kann künftig dadurch genauer geprüft werden, daß man die Impfschwellen für verschiedene metastabile Konzentrationen Lr einer und derselben Lösungsart experimentell feststellt. Solche Feststellungen können ferner, wenn jene Erklärung sich bewährt, auf viele Kristallarten zur Berechnung ihrer Grenzflächenspannungen ausgedehnt werden. 1 Wilh. Ostwald, Zeitschr. f. phys. Chem. 34. 503. 1900; vergl. die Korrektur von H. Freundlich, Kapillarchemie, p. 144. Leipzig 1909. Streng gilt diese Formel nur für ver d ünnte Lösungen. 2 Bei Ostwald bedeutet r den Radius einer Kugel ; es läßt sich aber leicht zeigen, daß die Kantenlänge 2 r eines Würfels ebenfalls zu obiger Formel führt. 3 Vergl. Landolt-Börnstein’s Tabellen, p. 557. 1905. 4 G. Hulett, Zeitschr. f. phys. Chem. 37. 385. 1901 ; vergl. die Korrektur von H. Freundlich, Kapillarchemie, p. 144. Leipzig 1909. F. y. Huene, Eine interessante Wirbeltierfauna etc. 89 Eine interessante Wirbeltierfauna im Buntsandstein des Schwarz- waldes. Von F. v. Huene in Tübingen. Mit 8 Abbildungen im Text. Der im allgemeinen fossilarme deutsche Buntsandstein hat immerhin schon eine kleine Anzahl von Stegocephalen- und Reptil- resten geliefert. Erstere sind viel häufiger als letztere. Sie wurden hauptsächlich von Helgoland, Bernburg, mehreren Orten der Vogesen und des Schwarzwaldes beschrieben oder erwähnt. Reptilien sind aus der Gegend von Göttingen, Bernburg, Coburg, der Eifel und Basel beschrieben. Es seien nur genannt: Trematosaurus JBraunii u. ocella Capitosaurus nasutus , Fronto, Helgolandiae, ? Fuerstember- ganus, ? Vaslenensis ? Odontosaurus Völtzii KoilosMosaurus coburgiensis Fifelosaurus triadicus Sclerosaurus armatus ? Basileosaurus Freyi Ctenosaurus Koeneni Mesorhinus Fraasi Das Vorhandensein einer reichen weiteren Fauna ist durch die zahlreichen fossilen Fährten erwiesen. Da man also noch so wenige der Formen faktisch kennt, dürfte jeder neue Beitrag von Interesse sein. In den letzten Jahren sind namentlich im württem- bergischen Schwarzwalde eine Anzahl von z. T. neuen Fundorten von Knochenspuren im obersten Horizont des mittleren Buntsand- steins bekannt geworden. Ich verweise auf die Zusammenstellung von Axel Schmidt : Über Fossilhorizonte im Buntsandstein des öst- lichen Schwarzwaldes. Mitt. geol. Abt. k. wlirtt. stat. Landesamts. No. 7. 1910 (in den Württ. Jahresh.). Aus diesem Horizont besitzt Herr Bergrat Schüz in Calw eine umfangreiche Sammlung, die wertvolle Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Fauna zu liefern imstande ist. Es sind aber zu einer Bearbeitung der Fauna verschiedene technische Vorarbeiten nötig, die ich teils aus Zeitmangel, teils aus anderen Gründen jetzt während des Krieges nicht ausführen kann. In dankenswertester Weise hat Herr Bergrat Schüz mir die Benützung seiner Sammlung gestattet. Da ich infolge von Kriegsverwundung in Wildbad war, konnte ich einige Male im nahen Calw mir die Sachen ansehen und einiges zeichnen. Dabei fanden sich so überraschende Tat- sachen, daß es mir angezeigt scheint, sie doch schon jetzt in dieser kurzen und unvollständigen Weise bekannt zu geben. Ich greife hier nur einzelne Knochen heraus. Es sind dreierlei Gruppen von Knochen vorhanden, sie re- präsentieren 1 . Labyrinthodonten (Stereospondyli), 2. temnospondyle Formen und 3. altertümliche Reptilien. 90 F. v. Huene, Eine interessante Wirbeltierfauna 1. Kieferstücke von Labyrinthodonten, wie sie auch von Mart. Schmidt 1907 beschrieben wurden, sowie Schädelteile und — z. T. wundervoll erhaltene — Panzerplatten finden sich in der Schüz- schen Sammlung’. Ihre genaue Bearbeitung wird manches Neue bieten, aber von grundlegender Bedeutung sind diese Formen nicht, da Labyrinthodonten gleichen Alters in guter Erhaltung aus anderen Gegenden bekannt sind. Ich habe deutlich Labyrinthodonten von zwei verschiedenen Größen erkennen können. Es sind also wohl mindestens zwei Arten oder Gattungen vorhanden. Sehr schöne Clavikeln und ein vorzüglicher oberer Wirbelbogen sind u. a. da. 2. Temnospondyle Stegocephalen von sehr bedeutender Größe sind durch Wirbel — wie mir scheint — einwandfrei nachzuweisen. Sie sind sehr viel weniger zahlreich als die sicheren Labyrintho- donten-Reste. Am beweiskräftigsten scheint mir das apfelschnitz- förmige Intercentrum mit Parapophysen zu sein (Fig. 1). Ein Ver- Fig. 1. Intercentrum eines Temnospondylen mit beiden Parapophysen (nur eine auf der Figur deutlich sichtbar). \ nat. Gr. a Hohlraum von hinten, b seitliche Ansicht, positiv gedacht. (No. 14 der ScHüz’schen Sammlung.) gleich mit den gut bekannten Wirbeln von Eryops wirkt am überzeugendsten. Das Intercentrum ist in der Mitte oben tief aus- geschnitten. Unten ist es stark eingezogen, so daß beide Gelenk- ränder weit vorragen. Die wenig erhöhte Parapophyse ist apfel- kernförmig. Maße des abgebildeten Stückes : Transversaldurchmesser 5 cm Höhe 4,5 „ Länge 2,8 „ Höhe der Parapophyse 1,9 „ Breite „ „ unten ... 1 „ Die Temnospondyli, die ihre Hauptverbreitung im Carbon und Perm haben, sind aus Amerika bisher noch nicht aus der Trias bekannt. Nur ganz vereinzelte Nachzügler ( Micropliolis, Batracho- suchus, Brachyops, Gondwanosaurus, Bothriceps) kennt man aus trias- sischen Schichten von Gondwanaland (S. -Afrika, Indien, Australien). im Buntsandstein des Schwarzwaldes. 91 Von Europa sind temnospondyle Stegocephalen in der Trias bisher nicht bekannt. Hier ist ihr Vorkommen zum erstenmal festgestellt. 3. Auf Theromorphen (in Williston’s Sinn 1916) oder doch nicht allzuweit verwandte Reptilien deuten eine größere Anzahl von Knochen, resp. Hohldrücke der ScHüz’schen Sammlung. Es sind namentlich Wirbel, ein Femur, Beckenknochen u. a. Die vor- handenen Wirbelkörper, z. T. mit einem kleinen Teil des oberen Bogens noch daran, sind mäßig gestreckt, in der Mitte stark ein- geschnürt, mit scharf vorragenden Gelenkrändern, mehr oder weniger stark amphicöl und mit oben längs sehr tief in den Wirbelkörper eingefurchtem Rückenmarkskanal, dessen Höhlung sich nach unten keilförmig verengert. Ich will einige Wirbel zunächst einzeln kurz vorführen. Ein halber Wirbelkörper, der körperlich erhalten ist (Fig. 2), zeigt den nach der Mitte hin tief eingesenkten Rückenmarkskanal. Der in der Mitte sehr stark eingeschnürte Wirbelkörper ist seitlich komprimiert und unten in einer scharfen Längskante zugeschärft. Fig. 2. Halber Wirbelkörper eines Theromorphen in drei Ansichten, v nat. Gr. Plastisch erhalten. (No. 5 der ScHüz’schen Sammlung.) Fig. 3. Plastisch erhaltener Wirbel- körper eines Theromorphen im Ge- stein. \ nat. Gr. (No. 6 der Schüz- schen Sammlung.) Die Gelenkfläche ist mit dickem und unten stark umgeschlagenem Rand versehen, so daß man mit Sicherheit auf das Vorhandensein von Intercentra schließen kann; ihr Umriß ist schmal herzförmig, mit scharfer Spitze nach unten. Höhe 2,6 und Breite 1,9 cm. Die Gelenkfläche selbst ist mäßig vertieft. Der ganze Wirbeltypus erinnert mich sehr stark an einen solchen aus dem unteren Muschel- kalk von Gogolin, den ich 1905 (N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XX. p. 351. Fig. 43 u. Taf. VI, 3) abgebildet habe. Ein anderer, ebenfalls plastisch erhaltener Wirbelkörper ge- hört zweifellos derselben Art an (Fig. 3). Er zeigt den gleichen dicken und umgeschlagenen Rand an der Gelenk'fläche. Letztere ist aber unten nicht zugespitzt. Der Wirbelkörper ist ca. 2 cm lang und ebenso hoch, seitlich komprimiert. Ein weiterer Wirbel steckt ebenfalls körperlich im Gestein, und zwar mit dem oberen Bogen (Fig. 4). Es ragt aber nur das eine Ende des Wirbels in schlechter Erhaltung aus dem Gestein. 92 F. v. Huene, Eine interessante Wirbeltierfauna Man erkennt einen ziemlich kurzen dünnen Dornfortsatz, eine sehr große fünfeckige Öffnung des Kückenmarkskanals, darüber zwei dicke Postzygapophysen, die aber wahrscheinlich von einem hier nicht erhaltenen, davor liegenden Wirbel stammen. Es wäre also die Vorderansicht des Wirbels. Darunter sind unvollständig Teile der vorderen Gelenkfläche des Wirbelkörpers zu sehen. Fig. 4. Plastisch erhaltener Wirbelkörper eines Theromor- phen im Gestein. | nat. Gr. Dornfortsatz mit natürlichem Oberende , Postzygapophysen, Rückenmarksloch und Teil der Gelenkfläche sichtbar. (No. 3 der ScHüz’schen Sammlung.) Fig. 5. Hohldruck des Wirbelkörpers eines Theromorphen in \ nat. Gr. a Seit- liche Ansicht, Ausfüllung des Rücken- markskanals und Hohlkegel der amphicölen Gelenkflächen sichtbar; b eine Gelenk- fläche ; c Abdruck der lateralen Außen- seite mit Teil des Rippenansatzes. (No. 1 der ScHüz’schen Sammlung.) Die anderen Wirbelcentra, die ich hier erwähnen will, sind nur als scharfe Hohldrücke erhalten. Derjenige Fig. 5 ist auch etwas seitlich komprimiert, deutlich amphicöl, mit eingefurchtem Rückenmarkskanal. Er zeigt rechts den Ansatz des oberen Bogens mit einer vorn gelegenen scharfen Strebe, die nach oben zieht; diese erinnert mich auch sehr an den schon erwähnten Wirbel von Gogolin. Der Wirbelkörper ist 3 cm lang, 2,5 cm hoch und ca. 1,8 cm breit. Ein anderer, etwas größerer, aber relativ kürzerer Wirbel zeigt ebenfalls eine scharfe Strebe am beginnenden oberen Bogen (No. 7 in der ScHüz’schen Sammlung). Das Centrum ist 3,5 cm lang und ebenso hoch. Die größeren W7irbel sind stärker eingeschnürt und mit tiefer eingefurchtem Rückenmarkskanal versehen (Fig. 6 u. 7). Die Maße der beiden hier abgebildeten sind: Fig. 6. Länge des Wirbels 4, Höhe 3,5 und Breite 2.8 der Gelenkfläche. Der größere dieser beiden Wirbel (No. 4 der ScHüz’schen Sammlung) ist an der vorderen Gelenkfläche wesentlich schmäler als an der gemessenen hinteren. Hieraus und in Zusammenhang mit der relativen Größe (falls es sich um die gleiche Art wie die vorhin beschriebenen Wirbel handelt) ergibt sich, daß dieser Wirbel dicht vor dem Sacrum gelegen war. Diese Tatsache deutet auf im Buntsandstein des Schwarzwaldes. 93 ein starkes Sacrum und Becken und somit auf ein ausgesprochenes Landreptil. Bei Deuterosaurus aus dem Perm des Ural ist z. B. auch zu beobachten, wie die vorne schlanken Wirbelkörper nach hinten nicht nur an Größe, sondern namentlich an relativer Breite sehr bedeutend zunehmen. Fig. 7. Wie Fig. 5. Fig. 8. Hohldruck des linken Femur a Negativ von vorn, b von oben. eines Theromorphen, positiv gedacht. (No. 4 der ScHüz’schen Sammlung.) inat.Gr. (No.lßd.ScHüz’schenSamml.) Von anderen Knochen ist in erster Linie ein linkes Femur wichtig und als Hohlraum gut erhalten. Die distale Epiphyse fehlt (Fig. 8). Es ist ein für so altertümliche Reptilien recht schlanker Knochen. Der mittlere und distale Teil ist im Gestein flachgedrückt, dagegen der proximale Teil recht dick und kräftig. Durch den proximalen, medial plattenförmig vorragenden Trochanter ist der Knochen osteologisch sicher zu bestimmen. Der Knochen erinnert am meisten an Dimetrodon und Sphenacodon. Die Maße sind : 94 F. v. Huene, Eine interessante Wirlbeltierfauna etc. Länge 18 cm Größte Breite, proximal .... 6 „ Durchmesser, Mitte 2,5 „ Zahlreiche große lind gut erhaltene Rumpf- und Schwanzrippen lasse ich hier unberücksichtigt, weil ich sie zunächst nicht sicher von Temnospondylen unterscheiden kann. Auch große bezahnte, aber schlecht erhaltene Kieferstücke sind da, von denen ich aber auch - momentan nicht entscheiden kann, ob sie hierher oder zu Temnospondylen gehören. Zu den Wirbeln und dem Femur gehören ein Stück einer Scapula (No. 23), ein flacher Längsschnitt durch ein ganzes Ilium (No. 19), die beide sehr an Sphenacodon erinnern, ferner ein ganzer Knochen, der ein Ischium (No. 18) sein dürfte. Soviel ich vorläufig beurteilen kann, hat die im Buntsandstein der Cal wer Gegend repräsentierte Reptilform ihre nächsten Ver- wandten in den nordamerikanischen Theromorphen (wie Williston sie 1916 definiert). Die genauere Ausführung möchte ich auf ruhigere Zeiten verschieben. Es ist dies eine noch nicht so extrem spezialisierte Form wie Ctenosaurus. Es ist auffallend und bedauerlich, daß diese im mittleren Buntsandstein des Schwarzwaldes so sehr verbreitete Fauna noch so gut wie völlig unbekannt ist. Ebensolche Abdrücke von Kiefer- alveolen, wie E. Fraas sie 1901 (Württ. Jahresh. p. 318) von Teinach beschrieb, werden auch bei Calw gefunden (s. ScHüz’sche Sammlung), und es befinden sich genau solche und von ebenso bedeutender Größe im naturhistorischen Museum in Basel von Warm- bach bei Rheinfelden (? mittlerer Buntsandstein). Fraas deutete sie als Labyrinthodonten, sollten es nicht eher Temnospondyle sein? Ich kann jedoch eben der Frage nicht nachgehen. Man sieht nur aus der Verbreitung, daß diese Fauna durch den ganzen Schwarz- wald geht. Ihre besondere Wichtigkeit liegt in dem Vorkommen von Temnospondylen und Theromorphen. Erstere sind die aller- letzten Ausläufer ihrer Ordnung in Europa. Letztere sind als Beitrag zur Kenntnis der jüngsten Vertreter der altertümlichen Reptilien in der germanischen Trias höchst willkommen. Denn irgendwo in dieser Gegend muß man den Anschluß der eigen- artigen, vom tiefsten Muschelkalk bis in die jüngste Trias ver- breiteten Placodontier suchen, vielleicht auch den der Sauropterygier. Ich vermute, daß die Deuterosauriden des uralischen Perm hierbei eine nicht unwichtige Rolle spielen. Diese höchst wichtigen und interessanten Fragen müssen aber leider noch der Zukunft über- lassen bleiben. Besprechungen. 95 Besprechungen. Bernhard Halle: Handbuch der praktischen Optik. 128 p. 104 Abb. Verlag: Administration der Fachzeitschrift „Der Mechaniker“, Berlin-Nikolassee. 1913. Das Werk ist von einem praktischen Optiker auf Grund von Erfahrungen verfaßt worden, die in mehr als vierzigjähriger Tätig- keit gesammelt wurden. Es will den Fachmann in der Werkstatt unterstützen, indem es Regeln für die Ausführung bestimmter Ar- beiten gibt und Ratschläge zur Verhütung von Mißgriffen erteilt. Der Stoff gelangt in nachstehenden Abschnitten zur Darstellung. 1. Prüfung des Rohglases auf seine Fehler (p. 7 — 10). — 2. Über das Schlämmen der Schleifmittel (p. 10 — 15). — 3, Herstellung der Lehren (p. 15 — 19). — 4. Herstellung der Schleifschalen (p. 19 — 23). — 5. Die gebräuchlichsten Kitte für optische Zwecke (p. 23 — 26). — 6. Das Glasschneiden (p. 26 — 30). — 7. Die Schleif- und Polierbänke (p. 30 — 38). — 8. Die Zentrierbank (p. 39 — 40). — 9. Das Schleifen und Polieren (p. 40 — 48). — 10. Über das Schleifen sphärischer Flächen (p. 49 — 57). - — -11. Das Zentrieren (p. 57 — 60). — - 12. Die Achromate (p. 61 — 65). — 13. Fernrohr- Objektive und Teleskop - Spiegel (p. 66—75). — 14. Über Brillengläser (p. 76 — 79). — 15. Planparallel-Spiegel und -Platten (p. 80 — 86). — 16. Glasprismen (p. 86 — 95). — 17. Die Kristalle: a) Einiges über die Härte verschiedener Kristalle, b) Die Prüfung auf Reinheit, c) Optische Eigenschaften einiger der wichtigeren Kristalle der praktischen Optik, d) Die gebräuchlichsten Polarisations-Prismen (p. 95 — 113). — 18. Die Bearbeitung der Kristalle unter Berücksichtigung ihrer optischen Eigenschaften : Die Bearbeitung von a) Kalkspat, b) Natronsalpeter, c) Quarz, d) Turmalin, e) Steinsalz und Alaun (p. 113 — 119). — 19. Über die Orientierung der Kristallschliffe (p. 119 — 120). — 20. Die Gesteinsdünnschliffe (p. 120 — 124). — 21. Anhang: a) Die Ver- silberung von Glas, b) Herstellung von Leinölkitt (p. 124 — 128). Der Mineraloge, der entweder selbst Kristall-Präparate her- stellt oder sie durch andere herstellen lassen will, findet in dem Werke zahlreiche nützliche Ratschläge, die in der einschlägigen mineralogischen Literatur z. T. gar nicht, z. T. nicht in der hier gebotenen Art erteilt werden. Von besonderer Wichtigkeit sind die Darlegungen in nachstehenden Kapiteln. Im Abschnitt 1 werden die Zerkleinerung, die Aufbewahrung der Schleifmittel, ihre Ent- fernung von der Schleifplatte, die Verhütung der Mischung von Schleifmitteln verschiedener Korngröße und die bei der Wahl der 96 Personalia. Schleifmittel zu beachtenden Gesichtspunkte geschildert. Abschnitt 5 handelt von den zu benutzenden Kitten, der Dicke der aufzutragenden Kittschicht, der Herstellung und der Aufbewahrung der Kitte. Bei der Beschreibung des Glasschneidens wird über die Behandlung der Diamantscheibe, über andere Schneidewerkzeuge (Kreissäge, Uhr- machersäge, gespanntes Messingblech) und deren Anwendung beim Zerkleinern von Gips, Glimmer, Aragonit, Flußspat, Kalkspat, Stein- salz und Alaun gesprochen. Abschnitt 7 befaßt sich eingehend mit dem Bau von Schleif- und Polierbänken und wäre bei An- schaffungen derartiger Vorrichtungen zu Kate zu ziehen. Das Schleifen und Polieren ebener Flächen schildert Abschnitt 9 be- sonders eingehend, indem die Fertigstellung eines Glasprismas in ihm erläutert wird; ebenso gibt Abschnitt 15 wertvolle Aufschlüsse über die Behandlung derartiger Flächen. Was im Kapitel 16 über Glasprismen gesagt wird, bietet auch nützliche Winke für die Herstellung von Prismen aus anderen Substanzen. Aus dem für Mineralogen sehr wichtigen Abschnitt 17 seien die Erörterungen über die Prüfung der Feinheit der Kristalle und die eingehenden, durch Abbildungen ergänzten Beschreibungen der verschiedenen Arten von Polarisationsprismen hervorgehoben. Für jedes Prisma ist der mit seiner Herstellung verknüpfte Materialverlust angegeben, ebenso ist ersichtlich gemacht, wieweit eine bestimmte Prismen- kombination für konvergentes Licht verwendbar ist. Abschnitt 18 vervollständigt die Angaben des Abschnittes 6 über die Zerkleine- rung von Kristallen und schildert deren weitere Bearbeitung. Neben der Herstellung einzelner Gesteins-Dünnschliffe wird im 20. Ab- schnitt auch deren Massenerzeugung behandelt und ein Wärmeofen beschrieben, der beim Auflegen der Gesteinsbruchstücke auf die Objektträger benutzt wird. Karl Schulz. Personalia. Habilitiert : Dr. Jan V ersluys für Hydrologie an der Technischen Hochschule in Delft (Holland). J. Beckenkamp, Kristallstruktur und chemische Valenz. 97 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Kristallstruktur und chemische Valenz. Von J. Beckenkamp in Würzburg. Mit 10 Textfiguren. L. Meyer 1 hat zuerst die Meinung ausgesprochen, daß bei den kristallisierten Körpern der Begriff des Moleküls sich nicht so scharf definieren lasse wie bei den Gasen. Als regelmäßiges Punktsystem bezeichnet man ein solches, in welchem die Verteilung um jeden Massenpunkt dieselbe ist wie um jeden anderen. Die 65 regelmäßigen Punktsysteme Sohncke’s setzten einen Kristall mit lauter kongruenten Bausteinen voraus, bestehend entweder aus je einem chemischen Molekül oder aus einem Vielfachen von solchen ; doch waren nur die S c h w e r p u n k t e der Bausteine in Betracht gezogen und diese bildeten ein solches System, daß um jeden Punkt die Anordnung der übrigen dieselbe war wie um jeden anderen. Faßt man aber in einem solchen Sy- stem die einzelnen Atome ins Auge, welche die Bausteine zusammen- setzen, so ist keineswegs um jedes Atom die Anordnung aller anderen Atome des ganzen Systems dieselbe wie um jedes andere. Wohl aber bilden die analogen Atome aller Kristallbausteine für sich ein regelmäßiges Punktsystem. Sobald man also in der früheren Theorie die ein Kristallelement zusammensetzenden Atome als selbständige Bestandteile des Systems auffaßt und nicht mehr als Unterbestandteile eines Kristallbausteins, wenn man sie z. B., um dieser Selbständigkeit Ausdruck zu geben, weiter auseinander- rückt, so ist die frühere Theorie bereits in die „verallgemeinerte Theorie“ übergegangen. Nach der erweiterten Theorie Sohncke’s finden alle bekannten Kristallgestalten ihre unmittelbare Erklärung in der Struktur1 2 und der Begriff des chemischen Moleküls und der Valenz ist dabei bedeutungslos geworden. Groth definiert dementsprechend den kristallisierten Zustand in folgender Weise: „Ein Kristall ist ein homogener (d. li. in sehr kleinen Abständen periodisch gleich beschaffener) Körper, welcher aus den Atomen in der Art aufgebaut ist, daß deren Schwerpunkte (ruhend gedacht) ein aus einer Anzahl ineinander gestellter Raum- gitter bestehendes regelmäßiges Punktsystem bilden“. „Moleküle existieren nur in den amorphen Körpern (Gasen, Flüssigkeiten Kolloiden)“3. 1 L. Meyer, Moderne Theorien der Chemie. 4. Aufl. 1883. p. 303. 2 Vergl. J. Beckenkamp, Stat. u. kinet. Kristalltheorien. I. Teil. (Geometr. Eigensch. d. Kr.) Berlin 1913. 3 Zeitschr. f. Krist. 1915. 54. p. 73. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 7 98 J. Beckenkamp, In einer weiteren Veröffentlichung1 äußert sich Groth wie folgt: „Die im Gase, der Schmelz- oder der gesättigten bezw. übersättigten Lösung vorhandenen Moleküle werden, sobald sie sich einander so nähern, daß sie richtende Kräfte aufeinander ausüben, eine dem Gleichgewichte dieser Kräfte entsprechende gegenseitige Orientierung annehmen, entweder die parallele oder, wenn ihrer Drehung größere Widerstände entgegenwirken (Viskosität der Lösung u. dergl.), eine sogen. Zwillingsstellung. Bei der nun erfolgenden Vereinigung von zwei und mehr Molekülen zu einer Kristallpartikel treten an Stelle eines Teils der bisherigen inneren Atomverbindungen solche zwischen den Atomen benachbarter Moleküle, um die unter den obwaltenden Verhältnissen (Temperatur, Druck) stabile Kristall- struktur zustande zu bringen. Offenbar muß es von der Struktur der betreffenden Moleküle abhängen, welche ihrer Atom Verbindungen in dem neuen Gleichgewichtszustände erhalten bleiben und welche durch andere ersetzt werden. Daß in der Tat ein Teil der im Molekül vorhandenen inneren Bindungen auch in den Kristallbau übergeht, beweisen die mannigfachen, bisher erkannten Beziehungen zwischen der Struktur des chemischen Moleküls und der Kristallstruktur bezw. Kristallform“. „Zunächst kommt hier in Betracht die Tatsache, daß zwei analoge Salze wie Kaliumsulfat und -Selenat, welche zweifellos eine übereinstimmende chemische Struktur besitzen, auch eine Übereinstimmung ihrer Kristallstruktur und infolgedessen ihrer Kristallform zeigen, wie es durch die Entdeckung der Iso- morphie von Mitscherlich nachgewiesen wurde. Ein zweiter für das Fortbestehen intramolekularer Atombindungen in der Kristall- struktur sprechender Umstand ist der, daß die letztere und somit auch die Kristallform in vielen Fällen Symmetrieverhältnisse zeigt, welche unzweifelhaft schon im Molekül vorhanden waren, z. B. eine trigonale Hauptachse bei Substanzen, deren Konstitutionsformel einen deutlich drei- oder sechszähligen Charakter hat, wie Al2 03, Fe9 03, Al Cl3 • 6 H2 0, As (S Ag)3, NaN03, CaC03, MgSiF6-6H20, CHJ3, NH(C2H5)3J, C6H3 (COOC2H5)3 u. a. Enthält eine Verbindung ein oder mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome und existiert sie daher in zwei Arten von Molekülen, welche zueinander im Ver- hältnisse der Enantiomorphie stehen , so überträgt sich dieser Charakter stets auch auf die Kristallstruktur und es entstehen aus ihnen zweierlei, nicht deckbar, sondern nur spiegelbildlich gleiche Strukturen bezw. Kristallformen (PASTEUR’sches Gesetz)“. In den Strukturbildern von W. H. und W. L. Bragg sind in der Tat keine Moleküle mehr zu erkennen2. Fig. 1 stellt z. B. nach W. L. Bragg die Struktur des Na CI und des KCl dar, 1 Über Ringbildung und Kristallstruktur. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 1914. 47. p. 2063. 2 Zeitschr. f. Krist. 1915. 54. p. 67. Kristallstruktur und chemische Valenz. 99 wenn man etwa die für sich ein vierfach-kubisches Gitter dar- stellenden (vollen) Punkte als die Schwerpunkte der Cl-Atome und die für sich ebenfalls ein vierfach-kubisches Gitter dar- stellenden Ringe als die der Na- bezw. K-Atome betrachtet. Da beim KCl der Unterschied zwischen den Atomgewichten von K und CI nur gering ist, so hat das BRAGG’sche Strukturbild des Sylvins mit großer Annäherung die Eigenschaften eines einfach- kubischen 1 Gitters. Es läßt sich in der Tat aus dem BRAGG’schen Bilde (Fig. 1) nicht ersehen, ob z. B. das die Mitte des dargestellten NaCl NaU N&Cl NaCl Nafl. N&Cl NaQ Na. Q Na Q Na ^(ioo) — a — ®A/2 d(uu = 2 K/va kV 3 _ £j g Na Na Fig. 5. streng genommen trikline, aber pseudoreguläre Anordnung kann durch Zwillingsbildungen, bei welchen die Symmetrieelemente der regulär-lioloedrischen Klasse Zwillingselemente werden, kompensiert werden, und wenn der Abstand der aufeinanderfolgenden Moleküle der homogenen Teile nicht größer ist als 10 000 Moleküldurch- messer , dann kann man einen derartigen Zwilling durch kein Mittel von einem regulär-lioloedrischen Kristall unterscheiden. Der Habitus der Na Cl-Kristalle ist gewöhnlich würfelig, meist ohne andere Flächen, selten oktaedrisch. Der Habitus der K Cl- Kristalle ist ebenfalls gewöhnlich würfelig, jedoch haben die Kri- stalle von Staßfurt meist auch das Oktaeder und nicht selten die Oktaeder- und Würfelflächen gleich groß entwickelt. Die Oktaeder- flächen scheinen also beim Sylvin etwas mehr begünstigt zu sein als beim Steinsalz. Mehr noch wie aus der Ausbildung der Flächenformen geht die Bevorzugung des Oktaeders beim Sylvin aus dessen piezo-optischem Verhalten 1 hervor. Dem entspricht 1 Vergl. J. Beckenkamp, Über die Struktur von Steinsalz, Sylvin und Flußspat. Zeitschr. f. Krist. 1901. 34. p. 605 ff. 104 J. Beckenkamp, das Verhältnis der Radien der Atombereiclie des K zu denen des CI gleich 7,17 : 4, also annähernd 6,928:4 = 1 : tg 30°. Wirkt also das Chloratom hauptsächlich in der Richtung der Granatoeder- normalen g, so paßt der Radius des Atombereiches von K fast genau zu dem Abstande in der Richtung der Leucitoedernormalen 1 und ähnlich wie bei Na CI können auch bei KCl und zwar hier in- folge des einfachen Verhältnisses 4:7 K und CI auch in der gleichen Richtung wirken, ohne sich gegenseitig beträchtlich zu stören. Die Spaltbarkeit nach den Wiirf eiflächen spricht dafür, daß bei beiden Mineralien die Zwillingsverwachsung nach den Würfel- flächen stattfindet. Nehmen wir an, daß in beiden Fällen das System der Chloratome über die Zwillingsgrenzen hinaus homogen bleibe, so setzen die schwereren K-Atome einer Störung ihrer homogenen Anordnung einen größeren Widerstand entgegen als die leichteren Na-Atome; denn die quasi homogene Masse des Na CI zeigt regulär-holoedrische, die des KCl nur pentagonikositetra- edrische Symmetrie. Nach dieser Auffassung gibt die regulär - holo- edrische Anordnung des Bragg ’schen Bildes nur eine mittlere Lage des Alkaliatoms an; in den submikro- skopischen homogenen Teilen kann die Anordnung nur pseudo regulär sein. Zu einem ähnlichen Resultat kommt neuerdings J. Stark 1 auf Grund seiner Theorie der Elektroaffinität. Er bemerkt: „Der Satz, daß , Moleküle in den Kristallen nicht existieren', kann darum keinesfalls allgemein in dem Sinne gültig sein, daß in Kristallen keine innermolekulare Bindung oder kein chemisches Molekül mehr zu unterscheiden sei. Will man für Kristalle wie Steinsalz jenen Satz gelten lassen, für Kristalle organischer Verbindungen dagegen nicht, so entsteht folgende schwierige Frage: Warum soll eine chemische Bindung zwischen den Atomen in jenem Falle nicht be- stehen, wenn doch die Wärmetönung der Bildung von Na CI aus Na und CI für das Paar sich absättigender Valenzen von derselben Ord- nung ist wie für die C-H oder C-C-Bindung?“ „Es muß von einer Valenzhypothese , welche uns die innermolekulare Anordnung von Atomen zu beschreiben ermöglicht, verlangt werden, daß sie von selbst und ohne Mitwirkung neuer Hypothesen Aufklärung bringt über die Zusammenlagerung von Molekülen in Aggregaten. Diesem Verlangen wird unsere Valenzhypothese mühelos gerecht.“ „Sie ergibt nämlich die Folgerung, daß in den Kristallen elektrolyti- scher Moleküle, z. B. im Steinsalz, als Punkte des Kristallgitters nicht neutrale Atome, sondern positive und negative Ionen ein- zuführen sind.“ 1 „Neuere Ansichten über die zwischen- und innermolekulare Bindung in Kristallen“. Jahrb. d. Radioakt. u. Elektronik. 1915. 12. p. 280 ff. Kristallstruktur und chemische Valenz. 105 „Bei dem elektropositiven Atom (Fig. 6) ist das Valenzelektron weit von der positiven Fläche entfernt; bei dem elektronegativen Atom (Fig. 7) ist es ihr näher und hat stark gekrümmte Kraft- linien. Zudem ist angenommen, daß es beim elektropositiven Atom entlang der positiven Fläche kräftefrei verschoben werden kann, während es beim elektronegativen Atom an eine bestimmte Ober- flächenstelle durch rücktreibende Kräfte gebunden ist; dieser Unterschied ist zeichnerisch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die positive Fläche des elektronegativen Atoms gegenüber ihrem Valenzelektron eingebuchtet, diejenige des elektropositiven Atoms dagegen kugelförmig ohne ausgezeichnete Stelle ist“. „Die Bin- dung zwischen einem elektropositiven und einem elektronegativen Atom in einem chemischen Molekül außerhalb der zwischenmole- kularen Bindung ist in Fig. 8 dargestellt. Das elektronegative Atom An hat das Valenzelektron Ep des elektropositiven Atoms Ap dicht an seine positive Fläche herangeholt; Ep hat von An einen kleineren Abstand als von Ap. Wir können demnach das An — Ap in räumlicher Hinsicht als eine Koppelung eines positiven (Ap) und eines negativen Bestandteils [En — (An — Ep)] auffassen, deren Abstand erheblich größer ist als ihr Durchmesser.“ Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. 106 J. Beckenkamp, Bei dem einfach-kubischen Raumgitter soll nun jede Netzlinie parallel zur Wiirfelnormalen abwechselnd mit positiven und nega- tiven Massenteilen in gleichen Abständen besetzt werden. Dabei wird „ein jedes Ion in drei senkrecht zueinander stehenden Achsen mit sechs entgegengesetzt geladenen Ionen gleich stark gebunden.“ „W. H. und W. L. Bragg sprechen freilich nicht von Na- und Cl-Ionen, sondern von Atomen.“ Wenn aber die Theorie „nicht neutrale Atome , sondern positive und negative Atomionen im Kristallgitter anordnet, so wird der Chemiker ebenfalls mehr dieser als jener Auffassung zuneigen. Denn daß neutrale Na- und Cl- Atome in der angegebenen Weise sich anordnen lassen, ohne in eine wechselseitige Bindung za treten, welche die Eigenschaften der einzelnen neutralen Atome verschwinden läßt, wird ihm ent- schieden wider das Gefühl gehen. Und es wird ihm Schwierig- keiten machen , sich vorzustellen , daß in einem Kristall von der Art des Steinsalzes jedes Kennzeichen verschwunden sein soll, welches die Einordnung der Atome in Moleküle ermöglichte.“ „In Fig. 9 sind in einer Ebene durch ein Cl-Ion und vier benachbarte Na-Ionen die Teilvalenzfelder zwischen jenem und diesen eingezeichnet. Wie man sieht, hat die positive Fläche des Cl- Atoms äußer seinem eigenen Valenzelektron, das gegenüber von deren Einbuchtung liegt , von Seite eines benachbarten Na-Atoms (Na-,-) ein Valenzelektron dicht an sich herangeholt. Infolge der zwischenmolekularen Bindung im Kristallgitter ist freilich die inner- molekulare Bindung zwischen Nax und CI gegenüber der Bindung im vereinzelten Na Cl-Molekül , wie sie durch Fig. 8 dargestellt wird, stark geändert. Immerhin aber läßt sich aus der Lage der Valenzelektronen entnehmen, daß Naz und CI zu einem chemischen Kristallstruktur und chemische Valenz. 107 Molekül innerhalb des Kristallgitters miteinander verbunden sind. Und wie zu Nal5 so gehört auch zu jedem der drei anderen ein- gezeichneten Na-Ionen je ein Cl-Ion als Radikal eines chemischen Moleküls.“ Stark nimmt an , „ daß bei den elektronegativen Elementen die Valenzelektronen an bestimmten Stellen der positiven Atom- flachen durch riicktreibende Kräfte festgehalten werden.“ „Wie an der Hand der Fig. 9 leicht zu ersehen ist, befindet sich das Cl-Ion in einer stabilen Gleichgewichtslage, wenn seine elektrische Hauptachse (Achse durch zwei Valenzelektronen und seinen Mittel- punkt) in die Achse Naz — Nam oder in die zwei dazu senkrecht stehenden Achsen fällt; wird seine Achse um einen kleinen Winkel aus diesen Achsen herausgedreht, so tritt eine riicktreibende Dreh- kraft in Wirkung. Bildet die Achse des Cl-Ions einen Winkel von 45° mit einer der drei Hauptachsen des Kristalls, so befindet sie sich ebenfalls in einer Gleichgewichtslage, aber diese ist nun- mehr labil; bei einer kleinen Abweichung von ihr begibt sie sich von selbst in eine der drei Hauptachsen. Um die Achse des Cl- Ions aus einer stabilen in eine labile Gleichgewichtslage zu drehen, ist ein gewisser Betrag von Arbeit notwendig. Infolge des ther- mischen Zustandes haben wir uns die Cl-Ionen beständig in Dreh- schwingungen um die Hauptachse des Kristalls zu denken ; wird die Energie dieser Schwingung des einzelnen Cl-Ions größer als jener Arbeitsbetrag, so vermag seine Achse bis zur labilen Gleich- gewichtslage zu schwingen und darüber hinaus nach einer anderen Hauptachse als neuer Gleichgewichtslage zu klappen. Dieser Fall wird in ungeordneter Weise bald an dem einen , bald an dem anderen Cl-Ion eintreten. Infolge des thermischen Zustandes bleibt also an einem jeden Cl-Ion das einem Na-Atom entrissene Valenz- elektron nicht dauernd demselben Na-Ion gegenüber stehen, sondern wechselt in seiner Stellung gegenüber 6 verschiedenen Na-Ionen. So hält zwar innerhalb der Kristallstruktur ein jedes Cl-Ion dauernd dasselbe fremde Valenzelektron an sich fest, dagegen kann es nicht dauernd mit demselben Na-Ion zu einem chemischen Molekül zu- sammengefaßt werden.“ In jedem kurzen Zeitmoment zerfällt somit nach der Stark- schen Annahme der Kristall in bezug auf die Orientierung der Molekülachse in verschiedene Komplexe, welche zueinander in Zwillingsstellung sich befinden. Jeder einzelne Komplex müßte infolge der Bevorzugung einer der drei Hauptachsen tetragonal- lieinimorphe Symmetrie haben. Infolge der isomorphen Mischung dieser submikroskopischen Komplexe kommt dann eine quasi homo- gene Masse mit regulär-holoedrischer Symmetrie zustande. Daß thermische Änderungen (Temperaturerhöhungen) Zwillings- bildungen zur Folge haben können, ist bekannt; bei gleichbleibender Temperatur hat indessen die Beobachtung bisher wenigstens keine 108 J. Beckenkamp, derartigen Änderungen der Orientierung nachgewiesen. Die An- nahme einer fortwährenden Änderung der gegenseitigen Orientierung der Komplexe ist aber auch nicht erforderlich zur Erklärung der regulär-holoedrischen Symmetrie. Beschränkt man die Änderung der Orientierung auf eintretende Temperaturänderungen, dann deckt sich die von Stark abgeleitete Erklärung mit der vom Verfasser schon seit vielen Jahren vertretenen Auffassung, daß die Kristalle im allgemeinen als Zwillinge von submikroskopischen Partikeln mit niedrigerer Symmetrie aufgebaut sind. (Vergl. Fig. 10. An Stelle des mittleren CI- Atoms könnte auch ein nicht mit einem Atome besetzter Knotenpunkt gedacht werden.) Die Tatsache, daß bei dem BRAGG’schen Strukturbilde die chemische Valenz nicht zum Ausdrucke kommt, kann auch nach dieser Auffassung die Möglichkeit einer chemischen Valenz zwischen je einem Na- und CI- Atom nicht ausschließen. (n)® (ö) © (ci) ©(a) © (a) Fig. 10. Läßt man Röntgenstrahlen ein inniges Aggregat von sehr kleinen Kristallfragmenten durchsetzen, so superponieren sich die Interferenzpunkte, welche man von jedem einzelnen Fragment er- halten würde. Die Abweichungen der einzelnen Fragmente des Steinsalzes und des Sylvins von der holoedrisch-regulären Symmetrie sind jedenfalls nur gering, und die Interferenzpunkte der einzelnen Partikeln können deshalb räumlich nur wenig voneinander ab- weichen. Es scheint daher nicht ausgeschlossen, daß die Inter- ferenzflecken der LAUE’schen Bilder die Summe der Interferenz- punkte einer Anzahl nur wenig voneinander verschieden orientierter Partikel darstellen. Die vom Verfasser gemachte Voraussetzung, daß die Punkte des doppelt kubischen Gitters beim Quarz die Schwerpunkte der Si-Atome darstellen, führt im Zusammenhang mit der p. 102 an- geführten Formel Rn = A0 zu einer Schwierigkeit bezüglich der Kurven der Atomvolumina des periodischen Systems der Ele- mente. Nach dieser Formel sollte man erwarten, daß in allen horizontalen Reihen des periodischen Systems das Atomvolumen mit steigendem Atomgewicht abnehme. Bekanntlich nimmt aber das Atomvolumen abwechsend in einer Reihe zu, in der anderen ab. Eine große Reihe nicht regulärer kristallisierter Körper, z. B. Quarz, Kalkspat, Feldspat usw7., zeigt unverkennbare Beziehungen Kristallstruktur und chemische Valenz. 109 zur regulären Syngonie. Wir müssen deshalb auch wohl bei diesen ein reguläres Punktsystem zugrunde legen. Dieses reguläre Punkt- system muß aber nicht notwendig das System der Schwerpunkte der Atome sein. Nehmen wir an, daß das System der Si-Schwerpunkte der Atome identisch sei mit dem System der früher als bevorzugt bezeiehneten Punkte (eines Dreipunktschraubensystems), so kann sich zwischen diesen ein System stehender Wellen bilden, dessen Knotenpunkte identisch sind mit den früher für die Schwerpunkte der Si (bei Si02) und der Fe (bei FeS2) angenommenen Stellen. Diese Knotenpunkte bilden dann also bei Quarz, Tridymit und Pyrit ein doppelt kubisches Gitter. Da das System der O-Atome beim Quarz aus zwei Systemen besteht, von welchen jedes dem der Si kongruent sein muß, so kann sich innerhalb eines jeden Systems der O-Atome dasselbe System von Knotenpunkten bilden wie zwischen dem System der Si-Schwerpunkte. Da aber Rn für Si und für 0 im Verhältnisse von tg 30°: 1 stehen, so werden sich die zu ersteren gehörigen Wellen vorwiegend in der Richtung der Granatoedernormalen g, die zu letzteren gehörigen vorwiegend in der Richtung der Leucitoedernormalen 1 bilden. Das System der zu Si gehörigen Knotenpunkte hat zu dem System der zu 0 gehörigen Knotenpunkte die gleiche Lage, wie sie früher für die gegenseitige Lage der betreffenden Atomschwerpunkte angenommen wurde. Diese gegenseitige Lage hat bei Quarz (nicht aber bei der Anordnung von Fe und S bei FeS2) optische Drehung zur Folge, und zwar nicht nur für Strahlen , welche parallel zur Hauptachse durch den Quarz gehen, sondern auch, der tatsächlichen Beobachtung entsprechend, für solche Strahlen, welche senkrecht dazu ver- laufen. Das von Sohncke und Bragg abgeleitete System vermag weder die durch die Beobachtung festgestellte optische Drehung des Quarzes für Strahlen senkrecht zur Hauptachse noch die bei der Annahme des Verfassers zum Ausdruck kommenden Beziehungen in der Anordnung von FeS2 und Si02 zu erklären. Die stärkere optische Drehung für Strahlen parallel zur Hauptachse ist wohl auf die Anordnung der Atome zurückzuführen. Wie beim KCl, so hat auch bei der kristallisierten Kiesel- säure die unvollkommene Erfüllung der theoretischen Beziehung zwischen RSi und Ro eine wahrnehmbare Störung der Symmetrie zur Folge, so daß die homogene Masse derselben optisch zwei- achsig ist (Quarzin und «-Tridymit) 1. Auch die durchaus sicher- gestellte Hemimorphie von Quarz und Tridymit kann sowohl auf diese Ursache, oder aber auch auf azentrischen Bau der Atome zurückgeführt werden. 1 Vergl. ,T. Beckenkamp. Kristalloptik, p. 588. 110 C. Diener, Eine der früher vorausgesetzten Anordnung der chemischen Moleküle entsprechende räumliche Beziehung (vergl. p. 100) kommt nach dieser Deutung zwischen den Knotenpunkten des Si-Systems (bezw. Fe-) und den nächst benachbarten Knotenpunkten der beiden 0- (bezw. S-) Systeme zum Ausdruck. Nehmen wir an, daß ein Atom aus einzelnen kleineren Bestand- teilen (Uratomen) aufgebaut sei, so muß der Zusammenhang zwischen den Uratomen durch dieselben Kräfte vermittelt werden wie der Zusammenhang der Atome im Molekül und der Moleküle im homo- genen Kristall. In denjenigen horizontalen Reihen des periodischen Systems der Elemente, in welchen das Atomvolumen mit dem Atom- gewicht abnimmt, überwiegt der Einfluß von Rn, welches nunmehr die Seitenlängen der Maschen des regulären Gitters bestimmt; da- gegen in den anderen Reihen überwiegt der Einfluß der Ver- mehrung der Anzahl derjenigen Elementarmaschen des Gitters, welche zum unmittelbaren Bereich des Atoms gehören. Über eine neue Art des Genus Gymnites (G. spiniger) aus dem bosnischen Muschelkalk. Von C. Diener in Wien. Mit 1 Textfigur. Bei einer Durchsicht des von dem verstorbenen Direktor der Geol. Paläontol. Abteilung des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums in Wien, E. Kittl, auf seinen Reisen in Bosnien gesammelten, zum größten Teil noch unbearbeiteten Fossilmaterials fiel mir ein Exemplar eines Gymnites durch die Anwesenheit eines wohlerhal- tenen Stachels in der Medianlinie des Externteiles auf. Da ein solches Merkmal mir bisher an keinem triadischen Ammoniten zur Beobachtung gekommen war, erbat ich mir das Stück von dem derzeitigen Leiter jener Abteilung, Prof. F. X. Schaffer, zur näheren Untersuchung. Die Ergebnisse der letzteren, illustriert durch die nebenstehende photographische Reproduktion einer Seiten- ansicht unseres Ammoniten, lege ich hier den Fachgenossen vor. Das meiner Beschreibung zugrunde liegende Exemplar stammt aus dem Muschelkalk (Bulogkalk der anisischen Stufe) von Blizanac in der Trebevic- Gruppe bei Sarajevo und stimmt in allen äußeren Merkmalen seines Gehäuses mit typischen Vertretern des in den Bulogkalken Bosniens überaus häufigen 1 Gymnites incultus Beyrich (Über einige Cephalopoden aus dem Muschelkalk der Alpen etc. Abhandl. phys. Klasse d. kgl. Akad. d. Wissensch. Berlin. 1866/67. 1 Vergl. F. v. Hauer, Die Cephalopoden des bosnischen Muschelkalkes von Han Bulog etc. Denkschr. k. Akad. d. Wiss. Wien. 54. 1887. p. 34. Heber eine neue Art des Genus Gymnites (G. spiniger) etc. Hl p. 132. Taf. III Fig. I)1 so genau überein, daß nur der Besitz des erwähnten Stachels mich von einer direkten Identifizierung mit Beyrich’s Art abhalten könnte. Die Dimensionen unseres Exemplars sind die folgenden : Durchmesser 78 mm Höhe I o t i ß • i I • 23 „ 1 der Schlußwmdung i£JX Dicke ) | • 16,5 „ Nabelweite 35 „ 5 Gymnites sinniger Dien, aus dem Muschelkalk (Bulogkalk) von Blizanac (Bosnien). Seitenansicht. Nach einer Photographie von Frl. Lotte Adametz (Wien). In der unmittelbaren Nähe des Peristoms, das mit Rücksicht auf seine unregelmäßige, durch Gesteinsbrüche gebildete Umgrenzung keinesfalls mit dem ursprünglichen Mundrand des Gehäuses zusammen- fällt, macht sich eine deutliche Ausschnürung (Egression) der Schluß- windung bemerkbar, so daß der vorletzte Umgang von dem letzten am Peristom erheblich weniger weit umhüllt wird als in den voran- gehenden Wachstumsstadien. Auch dieses Merkmal ist an erwach- senen Exemplaren des Gymnites incultus gelegentlich zu beobachten. 1 Yergl. auch E. v. Mojsisovics, Die Ceplialopoden d. Mediterr. Trias- provinz. Abhandl. k. k. Geol. Reichsanst. 10. 1882. p. 233. Taf. LIV Fig. 1 — 3. 112 C. Diener, Genau im Abstand eines halben Umganges vom Peristom er- hebt sich in der Medianebene des Externteils auf der hier über dem Steinkern erhaltenen Schale ein schlanker Dorn oder Stachel. Seine Basis weist einen Durchmesser von 4.5 mm auf, seine Höhe beträgt 7 mm, entsprechend einer Windungshöhe von 18 mm. Seine Spitze ist ein wenig nach vorwärts gerichtet, so daß der vordere Abfall steiler erscheint als der hintere. Die äußerste, leicht abgerundete Spitze hängt sogar ganz schwach nach vorne über. Auf der in der Illustration dargestellten Seite ist die Schale des Dorns abgebrochen. Sie scheint sehr dünn gewesen zu sein, zarter als an den übrigen Teilen des Gehäuses. Der Dorn war ohne Zweifel hohl, doch vermochte ich keine Gewißheit darüber zu gewinnen, ob er an der Basis durch die Schale des Externteils abgekammert oder offen blieb. Außer diesem auf den eisten Blick ins Auge fallenden Dorn trug unser Ammonit noch einen zweiten Stachel ( b der neben- stehenden Illustration), der jedoch nahe der Basis abgebrochen ist, so daß von ihm nur Spuren erhalten sind. Die basale Erweiterung dieses zweiten, dem Peristom nahe gelegenen Stachels fällt — ebenso wie jene des ersten Stachels (< a ) — mit einer sehr geringen Auftreibung der Schale in der Externregion zusammen. Dieser Auftreibung folgt in der Richtung gegen das Peristom eine sehr schwache Einschnürung der Schale, deren sigmoider Verlauf genau mit jenem der An wachsstreifen übereinstimmt. Fragt man nach der Bedeutung der beiden auffallenden Dornen oder Stacheln, so sind bei einer Beantwortung dieser Frage die folgenden Gesichtspunkte im Auge zu behalten. Die Hauptmasse der Gymniten gehört zu den ganz oder fast ganz skulpturlosen Ammoniten, deren Schale glatt bleibt. Bei einigen Arten stellen sich mehr oder weniger kräftige, plumpe Rippen auf den Seitenteilen vollständig erwachsener Individuen ( Gymnites obliquus Mojs., Gr. Palmai Mojs.) oder zarte Knotenspiralen (6r. Moelleri Mojs.), bezw. aus zusammenfließenden Knoten gebildete Spiralleisten (6r. bosnensis Hau.) ein. Niemals jedoch ist bisher eine in der Medianebene des Externteils aufragende Verzierung bei dieser noch bei einer anderen Gattung leiostraker Ammoniten bekannt geworden. Aber auch unter den trachyostraken Ammoniten- gattungen der Trias wird man vergebens nach einer Form mit einzelnen median gelagerten Stacheln auf dem Externteil suchen. Wenn bei trachyostraken Ammoniten — dies gilt ebensogut für solche des Jura und der Kreide, als von jenen der Trias — Dornen oder Stacheln entwickelt sind, so treten sie stets am stärksten auf den Seitenteilen oder entlang den Marginalrändern, d. h. symmetrisch zu beiden Seiten der Medianebene auf. Das ist z. B. der Fall bei den Tirolites spinosi , bei den Margarites bispinosi , bei Protrachyceras Reitzi Böckh, Trachyceras duplex Mojs. und Ueber eine neue Art des Genus Gymnites (G. spiniger) etc. H3 T. Aon Mstr. im Bröthens- Stadium in der Trias, bei Dcroceras densinoclum Quenst. und I). nodcgigas Quenst., ferner bei der Gruppe des T). Taylor i Sow. im Lias, bei Sonninia Sowerbyi Mill., Cosmo- ceras JDuncani Sow., Peltoceras athleta Phill., Aspidoceras perarmatum Sow. und A. bispinosum Ziet. im Jura, bei Crioceras Strom beeid Koen., C. horridum Koen. und Hoplites G-osseleti Gross, in der Kreide, um nur einige, durch die Entwicklung besonders kräftiger Stacheln ausgezeichnete Arten zu nennen. Man wird solche weit vom Gehäuse abstehende, hohle Stacheln, die an verschiedenen Stellen des Gehäuses aber stets in größerer Zahl und in Spiral- reihen angeordnet auftreten, wohl als Schwebevorrichtungen deuten dürfen, die ihren Trägern das Flottieren im Wasser erleichtert haben. Vielleicht mögen sie auch zur Anheftung in Tangwiesen dienlich gewesen sein, eine Bestimmung, die allerdings mit der Voraussetzung einer benthonischen Lebensweise für die Mehrzahl der Ammoniten nicht in Einklang gebracht werden könnte. In der Medianebene eines Ammonitengehäuses gelegene Skulptur- elemente dagegen sind entweder Furchen, die nach außen von Dornen, glatten oder beknoteten Kielen begleitet sein können, oder Kiele. Diese Kiele erscheinen zugeschärft oder gerundet, oder zart beknotet (Zopfkiele von Amaltheus margaritatus d’Orb., Cardioceras alternans v. Buch) oder sie lösen sich in einzelne langgezogene Buckel (Strigoceras pustulatum Bein., Barroisiceras, Mortoniceras) , bezw. Knötchen ( Oppelia , Oecotraustes) auf. In dem letzteren Falle aber tritt stets eine größere Zahl solcher Buckel oder Knoten in kurzen Abständen auf. so daß ihr Charakter als Teile eines Mediankieles unverkennbar bleibt. Ein Ammonit mit vereinzelten, fast durch die halbe Peripherie des letzten Umganges getrennten, dabei verhältnismäßig hohen Stacheln in der Medianebene des Externteils, wie der hier vor- liegende, ist mir bisher nicht bekannt geworden. Auch ist die ethologisclie Bedeutung solcher vereinzelter hoher Stacheln schwer verständlich. Während ein scharfer Externkiel seinem Besitzer zu rascher Fortbewegung beim Durchschneiden des Wassers dienlich war, kommt ein solcher Vorteil bei der eigentümlichen Ornamen- tierung unseres Ammoniten nicht in Betracht. Man kann sich kaum vorstellen, welcher Art die Lebensbedingungen gewesen sein sollen, denen dieser Gymnit durch den Besitz von nur zwei Extern- dornen bei sonst völlig glatter Schale vorteilhaft angepaßt war. Vielmehr scheinen die beiden Dornen in jene Kategorie von Merk- malen zu gehören, die man als ateliscli bezeichnet und denen in neuester Zeit insbesondere von Handlirsch erhöhte Beachtung geschenkt worden ist. Ich vermag die Externstacheln unseres Gymniten nur mit jenen spornartigen Vorsprüngen zu vergleichen, die sich gelegentlich als Verzierung der Mündungsränder von Ammoniten finden, so bei Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 8 114 ß. und E. Richter. Schloenbachia inßata Sow. und Oecoptychius refractus Rein. In dieser Auffassung1 bestärkt mich die Verbindung des vorderen ab- gebrochenen Stachels b mit einer Kontraktion, die wohl am besten als eine Paulostomfurche zu deuten sein dürfte. Ich bin daher geneigt, jene Kontraktionsfurche als einen transitorischen Mundrand, als ein Paulostom, und die Stacheln als eine Verzierung jenes Mundrandes anzusprechen, die sich lediglich durch ihre Dornen- gestalt von den seitlich stärker komprimierten Externvorsprüngen bei Schloenbachia inßata und Oecoptychius refractus unterscheidet. Der Stachel a steht allerdings mit keiner Kontraktionsfurche des Gehäuses in Verbindung, jedoch mit einer transversal über die Schale hinweg verlaufenden Zone einer sehr schwachen Anschwellung, die immerhin als Anzeichen eines Paulostoms angesehen werden könnte. Für die Bildung jener beiden Stacheln müßte man die Periode eines längere Zeit hindurch andauernden Stillstandes im Wachstum des Gehäuses in Anspruch nehmen. Noch bleibt die Frage zu erörtern, ob man unseren Ammoniten unmittelbar an Gymnites incultus Beyr. als ein aus unbekannten Gründen durch die Entwicklung der beiden Externstacheln vom Arttypus abweichendes Exemplar anschließen oder als den Vertreter einer neuen Spezies mit einem besonderen Artnamen auszeichnen soll. Ich halte eine Entscheidung im Sinne der zweiten Alternative für richtiger. In der Überzeugung, daß unsere paläontologischen Arten zunächst nur deskriptive, nicht physiologische Arten sind und in ihrer weitaus überwiegenden Mehrzahl nur solche sein können, betrachte ich, in Übereinstimmung mit W. Waagen, jede Form, die durch Beschreibung und Abbildung gekennzeichnet und von anderen unterschieden werden kann, als eine besondere Art. Da der Besitz der allen bisher beschriebenen Gymniten fehlenden Extern- stacheln ein Merkmal ist, das unseren Ammoniten von Gymnites incultus zu unterscheiden erlaubt, so trage ich kein Bedenken, den- selben mit einer besonderen Speziesbezeichnung zu versehen und schlage als solche Gymnites spiniger vor. Bemerkungen über das Schnauzenschild (Scutum rostrale) bei Homalonoten. Von Rud. und E. Richter in Frankfurt a. M. (Oktober 1916). Mit 3 Textfiguren. Das Schnauzenschild der Homalonoten hat in den letzten großen Arbeiten J. M. Clarke’s über das Devon der südlichen Halb- kugel besondere Beachtung gefunden und ist zum Ausgang weit- führender Betrachtungen geworden. Als eine der Besonderheiten der unterdevonischen Südfauna wird dort hervorgehoben, daß die Homalonoten der Südfestländer, Homalonotus Herscheli Murch. und Bemerkungen über das Schnauzenschild (Scutum rostrale) etc. H5 II. noticus Clarke, durch „einen ansehnlichen Stachel auf dem Epistoma“ ausgezeichnet seien, „der allen Arten der nördlichen Erdhälfte fehle“. Dieser Stachel wird als „apiculus, epistomal pro- jection oder prorate process on the epistomale plate“ von Clarke zum erstenmal beschrieben und abgebildet, (2) p. 138; (3) p. 21, 92, 94, 97. In der Tat haben alle aus Nordamerika abgebildeten Homalo- noten ein glattes Schnauzenschild (Rostrale), denn dieses ist mit dem „Epistoma“ gemeint. Ziehen wir aber Europa mit in Betracht, so zeigt es sich, daß der Besitz eines solchen Schnauzen- stachels keineswegs ein Vorrecht der südweltlichen Arten der Gattung ist. Wir geben hier aus den Zeichnungen zu einer in Arbeit befindlichen Monographie vorderhand zwei ver- schiedene Grundformen von bestachelten Schnauzenschildern wieder, wie sie im Rheinland Vorkommen; beide stammen aus dem Unterkoblenz von Oberstadtfeld in der Eifel. Sie tragen einen aus einem Kiel hervorgehenden Fortsatz, der den von H. 'noticus Clarke (3) Taf. II Fig. 8 an Stärke und Höhe noch zu übertreffen scheint. Im übrigen bestehen zwischen beiden unter sich und gegen- über anderen Schildern erhebliche Abweichungen. Der von der Schnauzennaht gebildete Vorderrand ist bei der südamerikanischen Form geradlinig, bei der rheinischen winklig gebrochen, so daß das Schild hier nicht die Gestalt eines Dreiecks annimmt, sondern die eines Drachen- Vierecks (Deltoid). Die eine unserer Formen (Fig. 1) ist lang und schmal, ihr Stachel stellt sich als das letzte und höchste Ende eines stetig ansteigenden Kiels dar und ragt wie ein nach auswärts gekrümmter Schnabel vorn über das Schild hinaus. Der Umriß der anderen Form (Fig. 2) ist kurz und breit; bei ihr trägt der Kiel den Fortsatz an seinem hinteren Ende, wo er seinen höchsten Punkt erreicht und dann im Bogen nach vorn absinkt; der Schnabel ist einwärts gekrümmt. Die Aufgabe dieser Schnauzenhörner mag man sehr wohl mit Clarke (3) p. 91 darin sehen, daß sie dem schaufelförmigen Kopfende als Hilfswerkzeug beim Wühlen gedient haben können; sie nehmen die gleiche Lage ein wie die Stacheln auf dem Hypostom mancher Proetiden. Welchen Arten die beiden abgebildeten und andere ähnliche Schildformen zuzurechnen sind, darüber versparen wir uns die Entscheidung auf später. Leider fand sich nämlich in den deutschen Sammlungen nur ein äußerst geringes Material von diesem wichtigen Schilde, und Homalonoten-Köpfe mit ihren im Zusammenhang freigelegten Teil- stücken fehlen überhaupt. Auch der Beobachtungsstoff, den wir seit langem im Senckenbergischen Museum zu vereinigen bestrebt sind, bedarf in solcher Hinsicht noch sehr der Vervollständigung. Man hat eben auf solche Dinge nirgends geachtet. Ja, das Vor- handensein eines Schnauzenschildes bei Homalonotus 116 R. und E. Richter, ist in Europa überhaupt in Vergessenheit geraten, und die davon ganz vereinzelt gesammelten Reste sind nicht bei dieser Gattung untergebracht, sondern liegen als „Problematica“ irgendwo versteckt. Und doch ist diese Erkenntnis auch in Europa früher vor- handen gewesen, ja sie ist gerade von hier ausgegangen. Bronn war es, der schon lö40 p. 449 f. mitteilte, daß bei Homalonoten zwei Nähte (die Äste der Gesichtsnaht, wie er glaubte) auf den Umschlag des Kopfes fortsetzen und aufeinander zulaufen. Burmeister, p. 25, kannte zwar dieses Verhalten bei Homalo- notus nicht, lehrte aber den Bau der Kopf Unterseite bei Trilobiten Fig. 1 u. 2. Bestachelte Schnauzenschilder von rheinischen Homalonoten. Unter-Koblenzstufe von Oberstadtfeld. Nat. Größe. Senckenberg. Museum, Frankfurt a. M. a Aufsicht auf die beiden Schilder von der Bauchseite her. b Seitenansichten. im allgemeinen verstehen. Er nannte eine Platte, die er häufig zwischen Mittelschild und Hypostom eingeschaltet fand, Schnauzen- schild oder Scutum rostrale. Dieses dachte er sich an den .Seiten von der Gesichtsnaht begrenzt, vorne aber von einer besonderen Quernaht, die er Schnauzennaht (Sutura rostralis) nannte. Barrande (2), p. 113 ff., stellte fest, daß diese Schnauzen- naht nichts anderes als der vorderste Teil der Gesichtsnaht ist, während die zur Umschlagsgrenze („Hypostomnaht“) weiterlaufenden Nähte selbständig sind (Verbindungsnähte, „sutures de jonction“). Burmeister’s Namen für das Schild hielt er als „piece rostrale“ fest. Für Homalonotus gab er eine Zeichnung (Taf. 2A Fig. 7) Bemerkungen über das Schnauzenschild (Scutum rostrale) etc. 117 von H. Dekayi Green wieder, die freilich nicht zutrifft, insofern sich die Verbindungsnähte am Hypostomrand nicht treffen, das ein- geschlossene Schild sich also nicht zuspitzt, sondern sich dem rechteckigen Umriß anderer Gattungen nähert. Fig. 3. Homalonotus noticus Clarke. Unterdevon von Ponta Grossa, Parana. Skizzen nach den Figuren 1, 7, 8 auf Taf. 2 in Clarke (3). a Aufsicht von der Bückenseite her. Der vordere Teil des Kopfes ist entfernt, um den Umschlag und das Schnauzenschild zu zeigen, b Stirnansicht. Der Schnauzenstachel, springt deutlich hervor, c Aufsicht auf die vordere Kopfgegend von der Bauchseite her. Die Verbindungsnähte vereinigen sich am Hypostomrande und schneiden das (bestachelte !) Schnauzenschild aus dem Umschlag heraus. Die Brüder Sandberger brachten dann (Taf. II Fig. 6) eine zutreffende Darstellung des Schnauzenschildes für H. obtusus Sandb., und später Salter (Taf. 13 Fig. 2, 7) eine Berichtigung für II. Dekayi Green, wobei er ebenfalls die Bezeichnung „rostral shield “ gebrauchte. Clarke bildete mit Hall (1) Taf. III Fig. 1, 2 und Taf. IV Fig. 5 die — wie erwähnt glatten — Schnauzenschilder von nord- amerikanischen Homalonotus- Arten ab, als eine von den Zweigen 118 R. und E. Richter, der Gesichtsnaht eingeschlossene „mittlere Platte auf dem Epistoma“. Die Quernaht, welche diese Platte vom Mittelschild trenne, wird wieder wie bei Bronn und bei Burmeister als eigene Naht („Stirn- naht“) auf gef aßt. Koch übernahm auf Taf. VI Fig. 3 seiner Homalonoten- Monographie die genannte Figur Sandberger’s, welche den Bau der Kopfunterseite eindeutig zeigt. Er erwähnt daraufhin auch im Text p. 6 das Vorhandensein eines herzförmigen Schalenstückes, das von der Gesichtsnaht eingeschlossen werde, so daß man glauben möchte, Koch sei sich über das Schnauzenschild seiner Gattung klar gewesen. Das war indessen nicht der Fall, und jener An- gabe lag eigene Beobachtung nicht zugrunde. Denn die einzigen Stücke, die ihm von diesem Panzerteil wirklich zu Gesicht kamen, hielt er, wie er p. 44 und 49 ausdrücklich betont, für Hypostome. Und auf Taf. IV Fig. 4 bildet er ein derartiges Schnauzenschild als Hypostom von H. scabrosus Koch == H. gigas A. Römer ab. Aber schon bei der Herausgabe der KocH’schen Arbeit erkannte E. Kayser (Tafelerklärung) sofort, daß der „abgebildete Körper so sehr in seiner Gestalt von sonstigen Homalonotus- Hypostomen abwreicht, daß seine Deutung als ein solches zweifelhaft erscheint“. Das wirkliche Hypostom von Homalonotus — in England und anderwärts längst aufgefunden — wurde dann durch Mitteilungen von Beushausen und von Maillieux endlich auch bei rheinischen und belgischen Formen bekanntgemacht. Das vergessene Schnauzen- schild blieb aber auch in diesen Studien (p. 155 bezw. p. 113) rätselhaft. Es wurde der Gattung schließlich überhaupt abgestritten, und obwohl manches Lehrbuch noch die in Zittel’s Handbuch (p. 605) enthaltenen Bemerkungen über den Aufbau des Homalonotus- Kopfes übernahm, ging diese Erkenntnis in den neueren Sonder- schriften merkwürdigerweise mehr und mehr verloren. Aus diesem Grunde bringen wir hier drei Skizzen (Fig. 3 a — c) nach Clarke’s (3) Figuren Taf. 2 Fig. 1, 7 u. 8, welche die Lage des Schnauzenschildes und die Zusammensetzung der Panzerteile auf der Unterseite des Kopfes klarer veranschaulichen als jede frühere Darstellung. Wir hoffen, dadurch die Aufmerksamkeit auf diese Panzerteile zu lenken und einen vollständigeren Beobachtungs- stoff zu gewinnen. Zunächst zur Verbesserung der Systematik, denn das formenreiche Schnauzenschild unserer Gattung wird viel- leicht — wie schon Koch erwartete — ein brauchbares Trennmal der Arten und Untergattungen werden, wenn es öfter im Verband untersucht werden kann. Außerdem knüpfen sich Fragen von all- gemeiner Bedeutung daran, wie die eingangs berührte über Be- ziehungen der unterdevonischen Faunen der Nord- und Südhalbkugel. Nach Clarke hätten sich diese beiden Faunen nördlich und süd- lich des Gleichers völlig verschieden und unabhängig entwickelt, sie besäßen aber gerade unter den Homalonoten eines der wenigen Bemerkungen über das Schnauzenschild (Scutum rostrale) etc. H9 Bindeglieder, nämlich in Gestalt der mit stacheligem Schalen- schmuck verzierten (armate) Arten. Die bestachelten Arten (auch der glatte H. noticus wird wegen seines Schnauzenstachels dazu- gezählt) seien „ganz ausgesprochene“ Kennformen für die devonische Südwelt, hätten aber einen Auswandererzug auf die nördliche Erd- hälfte, über die Sahara nach Mitteleuropa, abgezweigt. Nur der Schnauzenstachel fehle wie allen (glatten) Nordarten so auch den vom Süden nach Europa eingedrungenen stachelschaligen Formen. Wir haben oben gezeigt, daß der Schnauzenfortsatz auch in Europa vorhanden ist. Sollte es sich aber herausstellen, daß dieses süd- liche Merkmal im Norden nur solchen Formen zukäme, die auch im Schalenschmuck ein von Clarke als südlich angesprochenes Gepräge tragen, so würde seine Ansicht über die Wanderungs- zusammenhänge neu unterstrichen werden. Es ist aber zu beachten, daß ein Schnauzenstachel nach dem beschädigten Schildrest auf Koch’s Fig. 3 Taf. VI auch II. gigas A. Römer zuzukommen scheint. Nur möchten wir, um die durch Clarke’s Arbeiten ins Ge- dächtnis zurückgerufenen wichtigen Verhältnisse nicht erneutem Mißverständnis ausgesetzt zu sehen, davor warnen, das hier behandelte Schild als Epistom zu bezeichnen. Dieses Schild entspricht trotz seines abweichenden Baues durchaus dem Schnauzenschild oder Rostrale, wie es Bur- meister zuerst gesehen und Jaekel morphologisch gedeutet hat, und zwar als den Spindelteil jenes Segmentes, dem die Freien Wangen als Schienen zuzurechnen seien (p. 158). Die Nähte er- halten dadurch die ihnen von Barrande (s. o.) gegebene Bewertung, und die Verbindungsnähte müssen von Jaekel’s Standpunkt aus die Stelle der Rückenfurchen des gesamten Segmentes Schnauzen- schild -f- Freie Wangen innehaben. Die Eigentümlichkeit des Homalonoten-Rostrale ist seine Zu- spitzung, welche die Verbindungsnähte mit ihren Endpunkten an der Grenze des Umschlages aufeinanderfallen läßt. Dieses Zu- sammenlaufen der bei den meisten anderen Gattungen getrennten Verbindungsnähte könnte vielleicht zur Erklärung der unpaaren Verbindungsnaht bei Asaphus hinführen, wenn man an eine weitere Steigerung in demselben Sinne denken will : die Verbindungsnähte wären dann in ihrem ganzen Verlauf auf einandergefallen und hätten das Herzstück zwischen sich durch Auskeilen zum Verschwinden gebracht. Das Epistom dagegen ist ein Schild, das Barrande (1) p. 385 im Inneren des Kopfschildes nachgewiesen zu haben glaubte. Es sei, völlig im Weichkörper eingeschlossen, unter dem Hypostom angebracht und ihm äußerst ähnlich gebaut. Obgleich er (2) das als sichere Tatsache bei Phacops (1847 auch bei Cheirums) be- tonte und F. Roemer (p. 544) ihm darin folgte, war es doch eine Täuschung. Barrande’s eigene Belegzeichnungen (vergl. Phacops 120 K- und E. Richter, Bemerkungen über das Schnauzenschild etc. cephalotes [2] Taf. 20 Fig. 7 mit Fig. 11 und Ph . breviceps Taf. 22 Fig. 28 mit Fig. 30) beweisen, daß er nichts anderes als Hypo- stome, die in das Kopfinnere verschoben und verdrückt sind, für jenes neue Innenschild gehalten hat, wie auch Zittel schon ähn- lich erkannte (p. 574 i. Die Bezeichnung Epistom besteht also nur noch als die Er- innerung an einen Beobachtungsfehler Barrande’s. Und wenn auch die Gesetze der formenkundlichen Namengebung weniger streng sind als die der Systematik, so sollte dieser Name doch nicht stillschweigend in neuem Sinne wiederbelebt werden, am wenigsten für ein Panzerstück, das durch seine ähnliche Lage und die häufigen früheren Verwechslungen besonders der Verkennung ausgesetzt ist und überdies längst eine internationale Bezeichnung besitzt. Schriften. Barrande, J. : 1. Über das Hypostoma und Epistoma, zwei analoge, aber verschiedene Organe der Trilobiten. N. Jahrb. f. Min etc. 1847. p. 384. Taf. VIII. — 2. Systeme silurien du centre de la Boheme. Prag — Paris 1852. Beushausen, L. : Über Hypostome von Romalonoten. Jahrb. d. k. preuß. geol. Landesanst. f. 1891. p. 154. Bronn, H. S. : Note über die mit Homcilonotus verwandten Trilobiten- genera. N. Jahrb. f. Mm. etc. 1840. p. 445. Burmeister, H.: Die Organisation der Trilobiten aus ihren lebenden Ver- wandten entwickelt. Berlin 1843. Clarke, J. M. : 1. In Hall and Clarke, Natural History of New York. Paleontology. Albany 1888. 7. — 2. A notable Trilobite from the Perce Rock. New York State Museum. Bulletin 164. Ninth Report of the Director. Albany 1913. — 3. Fosseis devonianos do Parana. Monographias do Servigo geol. e min. do Brasil. Rio de Janeiro 1913. Jaekel, 0. : Beiträge zur Beurteilung der Trilobiten. I. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 53. Merlin 1901. Koch, C. : Monographie der Homalonotus-^Yten des Rheinischen Unter- devons. Kgl preuß. geol. Landesanst. Berlin 1883 (mit Atlas). Maillieux, E. : Note sur Phypostome de V Homalonotus rhencinus Koch. Bull. d. 1. Soc. beige de Geol. 25. Brüssel 1911. Proc.-verb. p. 113. Roemer, Ferd., in Bronn und Roemer, Lethaea geognostica. 1. Stuttgart 1851—56. Salter, J. W. : A Monograph of British Trilobites. Palaeontographical Soc. London 1864. Sandberger. G. u. F. : Die Versteinerungen des Rheinischen Schichten- systems in Nassau. Wiesbaden 1856. Zittel, K. A. : Handbuch der Paläontologie. I. Abt. 2. München — Leipzig 1881—85. 0. Mügge, Weiterwachsen von Orthoklas im Ackerboden. 121 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Weiterwachsen von Orthoklas im Ackerboden. Von O. Mügge in Göttingen. Nach allgemeiner Ansicht verwittert Kalifeldspat im Acker- boden; die folgende Beobachtung zeigt aber, daß auch Neubildung vorkommt. Beim Horner’s-Bauer auf dem linken Ufer der Eger westlich Karlsbad konnte man vor ca. 20 Jahren reichlich Karlsbader Zwil- linge in den Äckern sammeln, meist allerdings nur Bruchstücke mit unebener, zerfressener oder wenigstens zerfressen aussehender Oberfläche, die aber zur Erläuterung des Zwillingsgesetzes nach der Lage der Spaltflächen gut geeignet waren. Die Spaltfläche (001) des einen Individuums setzt sich dann öfter als unebene Bruch- fläche ungefähr von der Lage (101) des zweiten fort. Bei der Betrachtung einer solchen alten, vielleicht von der Pflugschar herrührenden, vielleicht schon älteren Bruchfläche fiel es auf, daß zahlreiche, immer nur kleine Stellen auf ihr gleichzeitig mit (001) des Hauptkristalls aufschimmerten. Dies rührt nicht von einer ver- steckten Spaltbarkeit nach (TOI) her, auch nicht davon, daß der Zwillingsteil viele kleine Partien in Parallelstellung zum Hauptteil enthält — denn Schliffe nach (001) und (010) verraten nichts von letzteren und die schimmernden Partien fehlen auf frisch her- gestellten Bruchflächen — , vielmehr zeigte sich, daß solche schim- mernde alte Bruchflächen einen Überzug von neugebildetem Feld- spat tragen, der kleine mugelige, aber glänzende Erhöhungen bildet, die annähernd mit (001) des Hauptkristalls einspiegeln. Eine Untersuchung der rauhen Kristallflächen dieser Feldspate ergab dann bald, daß auch sie an vielen Stellen von Feldspat- neubildungen überwachsen sind, namentlich (110) und (010) (mit der charakteristischen Streifung // c, wie bei Adular), ebenso ältere Spaltflächen (001), wo der Überzug deutliche Flächenzeichnung bewirkt (Rhomben nach den Kanten zu 110). Ebenso wie die Feldspate von Karlsbad verhalten sich solche vom Schneekopf und Ochsenkopf im Fichtelgebirge und von Wunsiedel, soweit sie aus- gewittert sind, die Neubildungen fehlen dagegen auf den frisch aus dem Gestein herausgeschlagenen Einsprenglingen dieser und ähnlicher schlesischer und anderer Vorkommen mit nahezu ebenen, wenn auch nicht reflektierenden Kristallflächen, ebenso den ganz zersetzten (z. T. carbonatisierten), aber scharfen Kristallen der Thüringer-Wald-Porphyre und den in Drusen aufgewachsenen Kri- stallen von Striegau u. a. 0. in Schlesien, von Baveno und ähn- 8* 122 0- Mügge, Weiterwachsen von Orthoklas im Ackerboden. liehen. Es ist dabei natürlich abzusehen von den bekannten Albit- Überwachsungen der letzten, die wohl schon zur Zeit der Drusen- fiülung entstanden, denn der Überzug der Karlsbader Zwillinge bestellt aus Orthoklas (vielleicht Mikroklin). Von (110) ab- gesprengte Teile des Überzuges ergaben den für Orthoklas charakte- ristischen Winkel 001:110= 11 2° 27' (ber. 112° 13', dagegen bei Albit 114° 43' und 110° 50'), ferner das für Orthoklas charakte- ristische Interferenzbild: eine optische Achse nicht weit von der Flächennormale, Achsenebene ungefähr parallel der Kante zu (001). Ferner zeigte der Überzug auf (001) niemals Zwillingsbildung nach (010), die auf den Albitüberzügen der Kristalle von Hirschberg und ähnlichen, auch wenn sie nur fein sind, sehr gut zu erkennen ist. Von (010) abgehobene Teile gaben für die Neigung 010: 001 nicht mehr als 1° Abweichung von 90° und die für Orthoklas (und Mikroklin) charakteristische Auslöschungsschiefe von +6°. Be- sonders auch zeigte ein z. T. durch die Neubildung auf (010) ge- legter Dünnschliff keine anderen optisch abweichend von Orthoklas orientierten Teile als die auch im Hauptteil (vergl. unten) vor- handenen mikroskopisch feinen Albitadern, die von sehr viel kleineren Dimensionen sind als die Überwachsungen. Der Feldspat von Ellenbogen bei Karlsbad und speziell der von Hornberg, der mit den eingangs erwähnten identisch sein dürfte, zeigt in seiner Zusammensetzung nach der Analyse von Thugutt (bei Doelter, Handbuch der Mineralchemie. II. p. 529) nichts Be- sonderes; der Gehalt an Na20 beträgt nur 2,53% und damit stimmt der mikroskopische Befund im Schliff nach (010), wo zahlreiche, besonders feine, fast geradlinige Äderchen von Albit unter 9,2° im stumpfen Winkel ß zu c geneigt verlaufen, wenig anastomosieren und mit etwas breiteren Albitschniiren Zusammenhängen. Ob diese großen, aus dem Granit herausgewitterten Kristalle zu irgendeiner Zeit an der Oberfläche eine Zersetzung erfahren haben, scheint trotz ihrer sehr rauhen, löcherigen Oberfläche zweifelhaft. Schon Breithaupt1 fiel es auf, „daß er, ursprünglich im Granit vor- kommend, der oft ganz verwittert und zerfallen ist, selbst eine ziemliche Frische bewahrt hat“. Es scheint möglich, daß die trüb gelblich weißen, anscheinend stark kaolinisierten Körner, die zu- sammen mit Quarz und Biotit in seine Oberfläche eingewachsen sind, Plagioklas waren ; solcher gelblicher Plagioklas umgibt z. B. den Orthoklas im Dreikreuzberg-Granit bei Karlsbad kranzförmig, ähnlich wie im Rapakiwi. Wenn dieser Plagioklas kalihaltig war, könnte dieser die Quelle der Neubildung von Orthoklas in der Hülle 1 A. Breithaupt, Min. Studien. Leipzig 1866. p. 65. Breithaupt hat diesem Feldspat (vermutlich auch wegen seines angeblich hohen, durch die spätere Analyse von Thügutt nicht bestätigten Natrongehalts) einen besonderen Namen, Cottait, gegeben. W. Bruhns u. W. Mecklenburg, Ueber Kristallisationskraft. 123 nach Entfernung seines Kalkes und Natrons sein, dafür spricht noch, daß die gelblichen, kaolinähnlichen Körner öfter von glitzerndem, neuem Orthoklas (immer in Parallelstellung zum alten Kristall) wie durch trän kt erscheinen. Vielleicht liefert die nähere Untersuchung der Art des Vor- kommens im ursprünglichen und verwitterten Gestein, von denen Proben einstweilen nicht zugänglich sind, näheren Aufschluß über die Neubildung des Orthoklases. Einstweilen sei nur darauf hin- gewiesen , daß auch sonst Neubildungen von Feldspat unter Be- dingungen beobachtet sind, welche wenigstens die Mitwirkung hoher Temperatur ganz ausschließen. F. Grandjean 1 hat solche in zahl- reichen Kalken von carbonischem bis tertiärem Alter beobachtet, die sonst keinerlei Merkmale von Metamorphose tragen ; er hält es für möglich, daß sie z. T. gleichzeitig mit den Sedimenten ent- standen sind, z. T. wohl als Fortwachsungen detritischer Feldspat- reste. Ebenso hat nach van Hise1 2 in allerdings schon sehr alten und also möglicherweise etwas metamorphosierten Sandsteinen von Eagle Harbour (Mich.) ein Weiterwachsen von Feldspat statt- gefunden. Über die sogenannte Kristallisationskraft. Von W. Bruhns (Clausthal) und Werner Mecklenburg (Berlin-Lichterfelde W). In einer vor kurzem erschienenen Abhandlung3 „Bemerkungen über die lineare Kraft wachsender Kristalle“ haben George W. Becker und Arthur L. Day die Bedenken4 zu widerlegen versucht, die wir gegen ihre im Jahre 1905 veröffentlichte Theorie5 von der Existenz einer besonderen, größere geologische Bedeutung be- sitzenden, jetzt meist als „Kristallisationskraft“ bezeichneten Kraft, die linear gepreßte Kristalle befähigen sojl, gegen die pressende Kraft Arbeit zu leisten, geltend machten. Da wir die „Bemerkungen“ von Becker und Day nicht als zutreffend anerkennen können, sehen wir uns zu den folgenden Gegenäußerungen gezwungen : 1. Becker und Day werfen uns vor, daß wir ihren ent- scheidenden Versuch bei der Wiederholung nicht richtig ausgeführt hätten. Sie hätten bei ihrer Versuchsanordnung einen belasteten Kristall, wir dagegen hätten zwei Kristalle in derselben Kristallisier- schale, und zwar einen belasteten und einen unbelasteten, nebeneinander wachsen lassen, und das bedeute eine grundsätzliche 1 N. Jahrb. f. Min. etc. 1911. I. -350- u. II. -182-. 2 Das. 1887. I. -68-. * Dies. Centralbl. 1916. p. 337—346, 364—373. 4 Jahresber. d. Niedersächs. Geol. Ver. Hannover. 6. 1913. p. 92—115. 5 Proc. of the Wash. Acad. of Science. 7. 1905. p. 283 — 288. 124 W. Bruhns und W. Mecklenburg. und fehlerhafte Abweichung von ihren Versuchsbedingungen, denn die Löslichkeit des gewöhnlichen Alauns — diesen hatten wir nach dem Vorgänge von Becker und Day als Versuchsmaterial benutzt — werde durch „Druck“ erhöht. Wenn sich also nebeneinander in derselben Lösung zwei Kristalle, ein belasteter und ein un- belasteter, befänden, so könne die Lösung gegenüber dem unbelasteten Kristall übersättigt sein, dieser also wachsen und sich gleichzeitig dem belasteten Kristall gegenüber als nur gerade gesättigt oder sogar als ungesättigt erweisen, und das sei bei unseren Versuchen offenbär der Fall gewesen. Hier ist — von allem übrigen abgesehen — den beiden Autoren insofern ein Irrtum untergelaufen, als sie die Wirkung eines allseitigen, gleichzeitig auf Kristall und Lösung wirkenden Druckes mit der Wirkung einer nur in einer Richtung und auf den Kristall allein wirkenden „Pressung“ verwechselt haben. Es ist unzulässig, die Erfahrungen, die an unter allseitigem Druck stehenden Systemen gemacht sind, auf den Fall gepreßter Kristalle zu übertragen. Insbesondere ist, wie M. Hasselblatt vor kurzem gezeigt hat 1, der Einfluß einer Pressung auf den Schmelzpunkt und damit auch auf die Löslichkeit, für die ja in dieser Hinsicht das gleiche gelten muß, praktisch gleich Null. In der Tat zeigten denn auch die belasteten Kristalle bei unseren Versuchen nur insofern ein geringeres Wachstum, „als weniger freie Fläche vorhanden war“. Damit entfallen die von Becker und Day gegen unsere Versuchsanordnung ausgesprochenen Bedenken2, und so können wir auch von einer Diskussion ihrer zahlreichen weiteren sich daran anschließenden, z. T. recht eigentümlichen Betrachtungen über die verschiedene Löslichkeit von Unter-, Seiten- und Deckfläche eines Kristalles hier absehen. 2. Erfreulich ist es, daß Becker und Day der von uns gegebenen Erklärung über die Entstehung des randlichen „Wulstes“ au der Unterseite der wachserfden Kristalle, der ja für die Theorie ihrer und unserer Versuche eine grundlegende Bedeutung hat, im wesent- lichen zustimmen und insbesondere die Tatsache, daß ein am Boden des Kristallisationsgefäßes wachsender Kristall dem Boden nicht un- mittelbar aufliegt, sondern auf einer Flüssigkeitsschicht schwimmt, anerkennen. Das ist von Wichtigkeit. Denn wenn ein Kristall nicht auf dem Boden aufliegt, sondern auf einer Flüssigkeitsschicht 1 Meinhard Hasselblatt, Über den Schmelzpunkt gepreßter Kristalle. Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chemie. 93. 75 — 83. 1915. 2 übrigens auch ein Teil der von uns über das „Wandern des Wulstes“ geäußerten Vermutungen. Diese Erscheinung, deren Gründe uns noch nicht vollkommen klar sind, halten wir für die Frage der spaltenerweitern- den oder Gebirgsteile hebenden Kristallisationskraft zurzeit für unwesent- lich, weil bisher in der Natur Anzeichen für ihr Auftreten unter ent- sprechenden Umständen unseres Wissens überhaupt nicht vorliegen. Ueber die sogenannte Kristallisationskraft. 125 schwimmt, so kann man auch nicht behaupten, daß das Gewicht des Kristalles und der auf ihm ruhenden Last allein von der Schneide des Wulstes getragen werde, und damit entfallen die Grundlagen der von Becker und Day angestellten Berechnungen über die Größe der von dem wachsenden Kristall gegen die auf ihm ruhende Last geleisteten Arbeit. 3. Die Höhe des Wulstes hatten wir in unserer Mitteilung zu 0,1 — 0,2 mm angegeben. Hiermit stimmen die Messungen von Becker und Day überein, denn bei den von ihnen angeführten Versuchen betrug die totale Dickenzunahme der an der Oberfläche bedeckten Kristalle im Höchstfälle 0,131 mm. Unsere Versuche haben aber ergeben, daß der Wulst nicht beliebig weiterwächst, sondern in dem Maße, wie der wachsende Kristall sich verbreitert, mit annähernd konstanter Höhe nach außen wandert. Diesen, unseres Erachtens sehr wesentlichen Punkt übergehen Becker und Day in ihrer Entgegnung vollständig. Offenbar ist es ihnen auch entgangen, daß auch bei ihren Versuchen das Dickenwachstum der Kristalle, d. h. die Erhöhung des Wulstes nicht weiter fortzu- schreiten, sondern sich einem Grenzwert zu nähern scheint, wie man leicht erkennen kann, wenn man das Dicken Wachstum der Kristalle als Funktion der Zeit in ein Koordinatensystem einträgt. 4. Ähnlich wie bei der Besprechung des Einflusses, den ein „Druck“ auf die Löslichkeit eines Kristalles hat, ist den beiden Autoren auch bei der Erörterung unseres „Tonplattenversuchs“ ein Versehen untergelaufen, indem sie bei ihren gegen unsere Auf- fassung gerichteten Betrachtungen, offenbar ohne es zu merken, die prinzipielle Richtigkeit unserer Auffassung voraussetzen. Der von ihnen als Beweis gegen die Richtigkeit unserer Anschauung angeführte Kapillaritätseffekt — scheinbare Anziehung zweier durch eine dünne Flüssigkeitsschicht getrennter Platten — kann nämlich nur eintreten, wenn die Flüssigkeit, wie Becker und Day selbst angeben, beide Platten benetzt. Benetzung aber setzt voraus die Entstehung einer dünnen Flüssigkeitsschicht in dem kapillaren Raum zwischen den beiden Platten. Becker und Day geben also selbst zu, daß sich zwischen dem Boden der Kristallisierschale und den Tonscherben und zwischen diesen und den Bechergläsern eine Flüssigkeitsschicht befunden, daß also, da diese Flüssigkeitsschicht vorher nicht vorhanden war, eine Hebung der Platten bezw. der Bechergläschen um die Dicke der Flüssigkeitsschicht stattgefunden hat. Sie werden also wohl auch zugeben, daß, wenn die Flüssig- keitsschicht verdunstet, an deren Stelle eine Kristallschicht Zurück- bleiben, und daß eine häufige Wiederholung des Vorganges im Laufe der Zeit — wir haben für unseren Versuch 5 Monate, nicht, wie Becker und Day fälschlicherweise angeben, nur wenige Tage gebraucht — eine Verstärkung der Kristallschicht zur Folge haben kann. Daß der von Becker und Day angeführte Kapillaritätseffekt 126 W. Bruhns u. W. Mecklenburg, Ueber Kristallisationskraft. bei der Verdunstung der Flüssigkeit eine Anziehung der einander gegenüberstehenden Flächen bewirkt, d. h. das Gewicht der Ton- scherben sowie der Bechergläschen scheinbar erhöht, ist ein sekun- därer Effekt, der die in unserer Mitteilung kurz und, wie wir glaubten, unmißverständlich als Kapillaritäts- und Adsorptionskräfte bezeichneten Kräfte in ihrer Wirkung wohl abschwächen, aber nicht aufheben kann. 5. Eine Diskussion der Frage, warum Becker und Day bei Verdunstung einer 2%igen Lösung von Gummi arabicum keine merkliche Hebung des Glasblocks erzielt haben, scheint überflüssig. Braucht man sich doch nur einmal auszurechnen, um welchen Be- trag der Glasblock bei Bildung einer Benetzungsschicht von z. B. 0,1 mm Dicke durch die Verdunstung einer 2 %-Gummilösung im günstigsten Fall gehoben sein kann, und die errechneten Werte mit den in Tabelle 7 der BECKER-DAY’schen Arbeit enthaltenen Angaben über die tatsächlich beobachtete „Dickenzunahme“ zu vergleichen, um sich ein ungefähres Bild von dem wahren Sach- verhalt zu machen. Auch erscheint es wohl kaum erstaunlich, daß Becker und Day, als sie anstatt einer 2 %-Gummilösung eine gesättigte Alaun- lösung zwischen einem Glasblock und einer Glasplatte verdunsten ließen, einen größeren Effekt wahrgenommen haben. Muß doch nicht nur die hier erheblich größere Menge des Trockenrückstandes der Lösung, sondern auch der bei unseren Versuchen seinerzeit sehr stark in Erscheinung getretene Umstand, daß die zuerst ent- standenen, nach dem früher Gesagten von der Unterlage und der Auflage durch Flüssigkeitsschichten getrennten kleinen Kristalle kristallisationsfähige Masse aus der Umgebung „anziehen“, also gewissermaßen konzentrierend wirken, den Effekt verstärken. Dali die „Dickenzunahme“ sich auch hier asymptotisch einem Grenz- werte nähert, und zwar einem Grenzwerte, der hinter der in kristallisationsfähigeren Lösungen beobachteten „Wulsthöhe“ merk- lich zurückzubleiben scheint, sei nur im Vorübergehen bemerkt. Eine eingehendere Erörterung der BECKER-DAY’schen „Be- merkungen“ dürfte bei der gegenwärtigen Sachlage überflüssig sein. Wir sehen* daher hier von der Besprechung der Frage ab, ob nicht im Gebirge eher die für das Wachstum eines Kristalls gegen eine Pressung wesentliche flüssige Zwischenschicht zwischen Kristall und Spaltenwand weggedrängt, als die Spalte selbst erweitert werden dürfte. Wir glauben auch den in unserer Mitteilung bereits gemachten Hinweis, daß der für die Lehre von der „Kristallisations- kraft“ so wichtige Wulst unseres Wissens in der Natur bisher nicht beobachtet worden ist, hier nicht zu diskutieren zu brauchen. Betonen möchten wir aber, daß uns auch nach der neuen Ver- öffentlichung von Becker und Day die „lineare Kraft wachsender Kristalle“ noch keineswegs als „ein scharf definierter physikalischer R. Scharizer, Einfache Demonstration der Reflexkegel etc. 127 Prozeß“ erscheint, und daß wir die von Becker und Day be- schriebenen, im wesentlichen mit unseren Erfahrungen überein- stimmenden Versuche nicht als eine genügend sichere Grundlage für die Einführung eines so bedeutungsvollen Begriffes ansehen können, wie der Begriff „Kristallisationskraft“ zu sein beansprucht und im Falle genügender Begründung auch mit Recht beanspruchen würde. Anfang Dezember 1916. Einfache Demonstration der Reflexkegel beim Lauephotogramm mittels gewöhnlichen Lichtes. Von Rudoif Scharizer in Graz. Professor Fr. Rinne hat in diesem Centralblatt 1916 p. 545 ein einfaches Mittel zur Demonstration der Reflexionskegel bei den Röntgen-Lauepliotogrammen mit Hilfe des gewöhnlichen Lichtes angegeben. Dies veranlaßt mich, ein noch einfacheres Mittel für den gleichen Zweck hier zu beschreiben, das ich bei meinen Vor- trägen über die Lauephotogramme, die ich im Winter 1915/16 in der morphologischen Gesellschaft und dem naturwissenschaftlichen Verein zu Graz hielt, zur Erläuterung dieser Erscheinung verwendete. Da die Zonen eines Kristalles mit fazettierten Glasstäben ver- glichen werden können, nahm ich einfach einen Glasstab — gewisser- maßen eine Zone mit unendlich vielen Flächen — und stellte ihn in den Gang eines dünnen parallelen Strahlenbüschels, das mir ein Zeiß’scher Projektionsapparat lieferte, und erhielt auf der Projektions- wand den Querschnitt des Reflexionskegels in den verschiedensten Formen je nach der Lage des Glasstabes zum einfallenden Lichtstrahl. Ich versuchte nun auch ein ganzes Lauephotogramm auf diese Weise nachzuahmen, indem ich auf eine Glasplatte dünne Glas- stäbe unter den Winkeln, welche die Zonenachsen der oktaedrischen und dodekaedrischen Zonen im regulären Systeme bilden, so auf- kittete, daß sie sich in einem Punkte berührten. Als ich nun dieses Gebilde in den Gang eines dünnen parallelen Lichtbündels stellte, erhielt ich auf der Projektionswand ein Bild, das über- raschend einem Lauephotogramm glich. Es bestand aus verschieden dimensionierten Kreisen, die alle durch einen Punkt gingen, der dort lag, wo der Primärstrahl die Projektionswand traf. Da die Glasstäbe Zonen mit unendlich vielen Flächen darstellten, enthielt das Projektionsbild keine Punkte, sondern nur Kreise. Durch Drehen der Platte konnten auch alle Verzerrungen nachgeahmt werden, die das Lauephotogramm zeigt, wenn der Primärstrahl nicht senkrecht zur Kristallfläche — hier stellte die Glasplatte die Würfelfläche dar — auf fällt. Dieses Demonstrationsmittel kann von jedermann ohne große Kosten an gefertigt werden. Min.-petr. Institut der Universität Graz zu Weihnachten 1916. 128 J. Stiny, Basaltglas vom Steinberge bei Feldbach. Von Josef Stiny in Feldbach. Mit einer Figur. Über Brocken von Basaltglas („Sideromelan“) in oststeirischen Basalttuffen hat neben anderen besonders A. Sigmund1 in seiner schönen Untersuchung über die Basalte der Steiermark ausführlich berichtet. Eine chemische Analyse des Sideromelans lag ihm nicht vor; meines Wissens wurde eine solche auch seither nicht vor- genom'men. Es gelang mir nun im vorigen Sommer, basaltisches Glas auch im Basalt fei s aufzutinden. Es bildet Schlieren in den mittleren Lagen des neuen, erst im Spätfrühling des Jahres 1915 auf- geschlossenen Steinbruches am Nordwestabhange des Steinberges bei Feldbach. Die Glasschlieren zeigen unregelmäßige Form, un- scharfe Begrenzung, sind verschieden groß und erreichen bisweilen die Ausmaße einer Männerfaust. Trümmer dieser glasigen Partien finden sich auch außerhalb des Steinbruches im Gehängschutte. Das Glas ist obsidianartig, pechschwarz, mit firnisähnlichem Glanze, und bricht muschelig mit sehr scharfen Kanten. Sein Vor- kommen bildet ein Seitenstück zu den Funden zahlreicher, bims- steinähnlicher Abänderungen des Basaltes, welche teils im alten, verlassenen Steinbruche nahe der Südwestkuppe des Steinberges anstehen, teils dem Gehängschutte an vielen Stellen des Berges beigemengt sind; schon Sigmund (a. a. 0. 18. p. 387) erwähnt „schlackige“ Gesteine vom Steinberge. Gepulvert zeigt das Glas olivgrüne Farbe; in roher, konz. Salzsäure löst es sich nur teilweise. Vom Hufeisenmagnet wird es im allgemeinen nicht angezogen; nur einzelne, wahrscheinlich an Magneteisen reichere Körnchen bleiben am Magneten haften. U. d. M. zeigt die Glasmasse eine lichtbraune Farbe. Farb- lose Flasern (längliche Höfe) treten häufig auf ; sie sind fast immer langgestreckt und schließen zumeist einen mit ihrer Längsachse gleichgerichteten Trichit ein. Als Ausscheidungen finden sich in der Glasmasse spärlich Mikrolithe, bezw. Kristallite, so z. B. von Nephelin, Olivin, Augit, Zirkon ; diese Einschlüsse vereinigen sich teils zu biischel- oder morgensternähnlichen Gruppen, teils liegen sie einzeln verstreut in der Glasmasse. Die größeren zeigen nicht selten regelmäßige Kristallformen, bei den kleineren herrscht End- flächenlosigkeit vor. Die Enden der Nephelinnadeln sind meist zu gabeligen Spitzen ausgezogen, so wie dies z. B. A. Penck2 von 1 A. Sigmund, Die Basalte der Steiermark. Min.-petr. Mitt. 15. 1896, 16. 1897, 17. 1898, 18. 1899. 2 A. Penck, Über Palagonite und Basalttuffe. Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1879. 539. Basaltglas vom Steinberge bei Feldbach. 129 den Nephelinsäulchen in der glasigen Grnndinasse der Auswürflinge des Palagonittuffes vom Hohenliöwen im Hegau beschreibt. Spär- liches Eisenerz, vermutlich Titaneisen und Magnetit, bildet iii Form feinen Staubes mit wenigen größeren Körnern stellenweise kometen- schweifähnliche Streifen im Schlitfbilde. Ähnliche Ausscheidungen von Mineralien hat A. Sigmund (a. a. 0.) in der Glasmasse des Nephelinbasanites vom Seindl, des Magma- basaltes von Stein bei Fürstenfeld und vom Nephelinbasanite des Steinberges bei Feldbach beschrieben. Bis jetzt habe ich die Glasschlieren in zweierlei Basaltabarten gefunden. Die erste x\bart ist ein dichtes, grauschwarzes, zart weiß- getupftes Gestein, in dem man mit freiem Auge zahlreiche feine Poren und bisweilen Körner von Olivin und Augit feststellen kann. Dünnschliffe, welche sowohl Teile der Glasmasse als auch den angrenzenden Basaltfels treffen, lassen erkennen, daß gegen den Band der Glasschliere zu die Einschlüsse im Glase an Zahl und an Größe zunehmen. Unter die Mikrolithe und Kristallite mischen sich immer häufiger deutlich bestimmbare Kristalle, unter denen zumal die meist zonar gebauten Augite mit ihren prachtvollen Farbenerscheinungen unter gekreuzten Nicols das Schliffbild be- leben. Den eigentlichen Rand der Glasmasse bildet eine dunkle Rinde, welche in einer trüben, tiefgefärbten und stark entglasten Glasmasse verwaschen begrenzte Kristalle enthält. Auf diese Rand- zone folgt mit allmählich heller werdender Farbe das Muttergestein. Nahe dem Rande sind in ihm reichliche Körner von Erzen (Magnetit und Ilmenit) über den Schliff zerstreut. Die Grundmasse bildet der Hauptsache nach Glas, dessen Entglasung um so weiter fortgeschritten ist, je näher die beobachteten Schliffstellen dem Rande der Schliere zu liegen. In der vorwiegend glasigen Grundmasse fallen an Ein- schlüssen namentlich blaßbraune Augite und rötlichbraune Olivine auf. Das Gefüge ist vitrophyrisch. Auf die Schlieren in diesem Gesteine bezieht sich die eingangs gegebene Schilderung des Schliff- bildes der Glasmasse. Die zweite, Glas einschließende Basaltabart hat rauhere Bruchflächen und ist grobkörniger als die erste; das unbewaffnete Auge erblickt auf grauschwarzem Untergründe zahlreiche weiße, strichförmige Feldspatleistchen von 2 — 6 mm Länge. U. d. M. er- scheint die Glasmasse der Schliere aus dieser Basaltabart dunkel- braun gefärbt und voll ähnlicher lichter, länglicher Flecken, wie das Glas der erstgenannten Abart; in den helleren, blaßgelben bis fast farblosen „Fenstern“ aber liegen Entglasungsgebilde von zierlicher, an Ähren, Farrenwedel u. dgl. erinnernder Anordnung. Solche farrenkrautähnliche Entglasungsgebilde erwähnt Sigmund (a. a. 0. 17. p. 531) vom Magmabasalt von Stein in der Nähe von Fürstenfeld. Von außersteirischen Vorkommen schildern zahlreiche Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 9 130 J. Stiny, Forscher hellere Entglasungsflecke mit farrenähnlichen Mikrolith- gruppen in Basaltgläsern. Die Bandzone des normalen Gesteines enthält gegen die Glasschliere zu in einer glasigen Grundmasse hauptsächlich Einsprenglinge von Feldspat, Olivin und Augit. Der Feldspat gehört der Reihe Bytownit — Anorthit an und zeigt pracht- volle Leistenform ; in der Nähe der Schliere sind die Leistchen häufig in zwei gabelartige Spitzen ausgezogen. Die Olivine sind am Rande lebhaft rot oder rotbraun gefärbt 1 ; seltener hat die Rotfärbung auch schon den gewöhnlich helleren Kern erfaßt. Der blaßbräune, reichlich vorhandene Augit zeigt Zwillings- und Sand- uhrbau. Von dem firnisartig glänzenden Basaltglase, wie es sich in der zuerst erwähnten dichten Basaltabart findet, wurde eine Ana- lyse ausgeführt : Gewichts - Molekular- hundertstel hundertstel Si 02 . 60,29 Säuren . 68,66 A1303 . 17,59 Tonerde . 11,61 Fe,03 . 1.28 Eisen usw FeO . 3,15 CaO . 1.89 Ca 0 . 2,28 MgO . 0,29 MgO . 0,49 K2 0 . 6,22 k2o Naa 0 7.68 Na2 0 8,36 Ti 02 . 1,14 zusammen . . 100,00 Mn 0 . 0,08 H, 0 von 110ü— 1250° . 0,17 zusammen . 99,78 Daraus ergeben sich die Werte: s = 68,66 a = 13,83 n = 6,52 c = 0 k = 0,83 f = 6,17 Keines der Ergebnisse von acht Analysen basaltischer, obsidian- artiger Gläser, die Zirkel2 anführt, enthält so viel Kieselsäure, wie das Basaltglas vom Steinberge. Auch sonst räumen ihm die Mengenverhältnisse, in denen Wasser, Alkalien, alkalische Erden und Eisenverbindungen auftreten, eine Art Sonderstellung gegen- über den angezogenen Gesteinsgläsern ein, obwohl die Beschrei- bungen, welche z. B. über den Hyalomelan von der Sababurg, den Tachylit von Bobenhausen und das tachylitartige Basaltglas von der im Jahre 1891 bei Pantellaria entstandenen Vulkaninsel vor- 1 Die Rotfärbung der Olivine hat H. Möhl (Die Basalte und Phono- lithe Sachsens. Nova acta d. Leop.-Carol. Akad. d. Naturf. 36. No. 4) aucü bei sächsischen Basalten häufig beobachtet. 2 Zirkel, Lehrb. d. Petrographie. (2.) 3. 91 ff. Basaltglas vom Stein berge bei Feldbach. 131 liegen, im allgemeinen recht gut mit jener des obsidianartigen Glases vom Steinberge stimmen. Vergleichshalber wurde auch das dichte, grauschwarze Basalt- Muttergestein (erster Abart) analysiert. Die Probe wurde jedoch nicht der nächsten Umgebung der Glasschliere entnommen, sondern von dem Durchschnittstypus des Basaltes ungefähr in der Stein- bruchmitte gewählt. Bevor ich das Ergebnis der Bauschanalyse wiedergebe, will ich das Schliff bild des Gesteines, dessen Tracht bereits weiter vor geschildert wurde, kurz beschreiben. Der Schliff erscheint dem unbewaffneten Auge im auffallenden Lichte hellaschgrau. U. d. M. bilden Nephelin und Glas eine Art Grundmasse. Ersterer entbehrt der Eigenform und der gleich- mäßigen Verteilung über den Dünnschliff; nephelinreichere Stellen wechseln mit nephelinärmeren ab. Im umgekehrten Verhältnisse zur Nephelinmenge steht der örtliche Anteil der Glasmasse an der Zwischenfülle. Das Glas ist meist lichtbraun gefärbt, seltener farb- los und zeigt fortschreitende Entglasung. An Einsprenglingen erkennt man Augit, Olivin, Feldspat und Erze. Der Augit zeigt blaßbraune Farbe, häufig Zonenbau und Zwillingsbildung nach (100); auch Berührungszwillinge kommen vor. Die Auslöschungsschiefe ist oft schwer festzustellen ; sie er- reicht Werte von 50 Grad und darüber. Olivin tritt spärlich auf. Magmatische Einwirkung hat oft die Ränder seiner Körner verunstaltet. Kleinere Körner zeigen oft zur Gänze rötlichbraune Färbung, bei größeren beschränkt sich die Bräunung auf den Rand und entsendet höchstens längs Rissen gefärbte Äste in das Innere des Kristalls, der häufig Erzkörnchen einschließt. Der Feldspat bildet farblose Leistchen, deren optisches Verhaften sie der Reihe Labradorit — Bytownit — Anorthit zuweist. Die Erze sind in spär- licher Menge über den ganzen Schliff verstreut ; Magnetit herrscht gegenüber dem Ilmenit vor. Trotzdem Nephelinfülle und Glastümpel als eine Art von Grundmasse aufgefaßt werden können, wird das Gefüge doch am besten als hypidiomorph-körnig bezeichnet. Die Zusammensetzung weist das Gestein den Nephelinbasaniten zu. Die Druckfestigkeit des Gesteines wurde mit 2657 kg/cm2 bestimmt, das Raumgewicht mit 2,91. Die mikroskopische Untersuchung zeigt also die völlige Über- einstimmung mit dem Nephelinbasanite, den A. Sigmund (a. a. 0.) aus dem alten, sog. Krenn’schen Steinbruche beschrieben hat. Dieser Bruch liegt einige hundert Meter südwestlich des neuen, großen Aufschlusses. Lagerungsverhältnisse und Gesteinsbeschaffen- heit lassen den Schluß zu, daß das neu aufgedeckte, früher unter Gehängschutt begraben gewesene Gestein mit abnehmender Mächtig- keit zum alten Steinbruch hinüberstreicht. Interessant sind die Absonderungsformen des Basaltes im neuen Steinbruche. Zu unterst 9* 132 J. Stiny, beobachtet man eine Fluidalstruktur, ins Große übertragen ; lange, drei- und mehrkantige, dünne Stengel sind zu Strahlenbüscheln und wellig gebogenen Strahlenzügen vereinigt. Darüber macht sich eine unregelmäßig parallelepipedisclie Zerklüftung bemerkbar. Ungefähr in halber Höhe des Bruches herrscht die gewöhnlich beim Basalte beobachtete säulige Absonderung vor; diese wird wiederum von einer eben- bis schalig-plattigen, stellenweise von einer kugelig- schaligen abgelöst. Gegen den Abraum im Hangenden zu wird wieder eine unregelmäßig parallelepipedisclie Zerklüftung herrschend. Die Analyse ergab : Gewichtshundertstel Si02 Al2 o8 Fe2 03 Fe 0 CaO Mg 0 K20 Na,0 Ti02 MnO H20 bis 110° . . . . H20 von 110°— 1250° 45,88 18,99 s = 51,92 2,22 a = 4,15 6,61 c = 2,62 9,93 f - 13,23 5,36 n = 7,82 2,34 k M 0,67 5.52 2.52 0,31 0,16 0,10 zusammen . . 99,94 Zum Vergleiche wurden die Analysen dreier steirischer Basalte ausgewertet. Es wurde gefunden : Feldspatbasalt von Weit endo rf (Analyse von H. Leitmeier nach C. Preiss) 1 : s = 53,88 a = 1,99 n = 6,44 c - 5,06 k == 0,64 f = 12,95 Magmabasalt von Stein bei Fürstenfeld (Analyse von B. v. Zeynek nach A. Sigmund, a. a. 0.): s = 51,55 a — 2,90 n — 7,09 c = 3,44 k = 0,74 f = 13,66 Ha uyn reich er Neplielinit vom Hochstraden, Gleichen- berg Süd (Analyse von A. Jäger nach A. Sigmund, a. a. 0.): s j= 48,41 a = 4,01 n = 7,93 c = 1,34 k = 0,57 f = 14,65 (Rechnungsergebnisse etwas von jenen abweichend, welche Reinisch, Petrographisches Praktikum, II. Teil, angibt.) 1 C. Preiss, Die Basalte vom Plattensee, verglichen mit denen Steier- marks. Mitt. naturw. Ver. f. Steiermark. 45. 55. Basaltglas vom Steinberge bei Feldbach. 133 Die Analysenwerte des Gesteines vom Stradnerkogel zeigen eine ziemlich gute Übereinstimmung mit jenen des Basaltes vom Steinberge bei Feldbach. Die Unterschiede liegen nur in der kleineren Säureziffer des Nephelinites, der etwas geringeren Ton- erde und Magnesiafülirung und des größeren Kalkgehaltes (Hauyn- führung!). Größer noch sind die Ähnlichkeiten zwischen dem Magmabasalte von Stein und dem ja gleichfalls glasführenden Feld- bacher Gesteine. Etwas weiter abseits steht der Basalt von Weiten- dorf, eine Feststellung, die im Schrifttume bereits auf Grund des mikroskopischen Befundes gemacht wurde. Die enge Zusammen- gehörigkeit der erstgenannten drei Gesteine zu einem Gau zeigt auch ein Blick auf das am Schlüsse wiedergegebene OsANN’sche Dreieck. X ■ = Basalt vom Steinberge bei Feldbach, neuer Steinbruch. 1 =' basaltischer Trachybasalt, Volvic, Auvergne (mit 0,44 MnO). 2 = Trachydolerit, Löwenburg im Siebengebirge. 3 = phonolithoider Nephelinbasanit, Chajorra auf Teneriffa. 4 = basaltischer Nephelintephrit, Dobrankatal im böhmischen Mittel- gebirge (mit 1,78 Ti02, 1,55 P205). 5 — olivinarmer Leucitbasanit, Vesuv; Mittel aus 49 Analysen. 6 = basaltischer Leucittephrit, Falkendorf im böhmischen Mittelgebirge (mit 2,27 Ti02, 1,33 P203). 7 == basaltischer Nephelinit, Hochstraden, Steiermark (mit 2,41 Ti02, 0,89 P,05, 0,35 MnO, 0,36 CI, 0,64 S03); fällt mit No. 6 zusammen. 8 = Magmabasalt, Stein bei Fürstenfeld (Steiermark). 9 = Feldspatbasalt von Weitendorf (Steiermark). 10 = basaltisches Glas vom Steinberge bei Feldbach, neuer Steinbruch. No. 1 — 7 nach R. Reinisch, Petrographisches Praktikum. II. Teil. Berlin 1912; No. 8 nach A. Sigmund, a. a. 0.; No. 9 nach H. Leitmeier in C. Preiss, a. a. 0. 134 J.'WoldHch, Machairodus im Höhlendiluvium Im Dreieck liegt von den dem Petrographischen Praktikum von Reinisch, II. Teil, II. Auflage, entnommenen Werten aus- wärtiger Gesteine der Analysenpunkt des Leucitbasanites vom Vesuv jenem des Steinbergbasanites sehr nahe. Wie hier der Nephelin- gehalt in dem höheren Werte für Na20 zum Ausdrucke kommt, so verursacht dort der Leucitreichtum das Vorherrschen von K20 gegenüber dem Natron in den sonst recht ähnlichen Analysenwerten. Auch der Tracliydolerit von der Löwenburg im Siebengebirge zeigt gewisse chemische Verwandtschaften; auf die petrographische Ähn- lichkeit' hat bereits A. Sigmund (a. a. 0.) hingewiesen. Nahe steht auch der basaltische Trachybasalt von Volvic in der Auvergne und der basaltische Leucittephrit von Falkendorf im böhmischen Mittel- gebirge. Der Analysenpunkt des phonolithoiden Nephelinbasanites von Chajorra auf Teneriffa fällt sogar trotz mancher Unterschiede in den Mengenverhältnissen der einzelnen chemischen Verbindungen mit jenem des Nephelinbasanites vom Steinberge nahezu zusammen. Die Untersuchung der Gesteine des Steinberges bei Feldbach und ihrer Lagerungsverhältnisse soll fortgesetzt werden. Für Über- sehen im Schrifttume bei der vorliegenden Arbeit wolle der Umstand als Entschuldigung gelten, daß der Verfasser Kriegsdienste leistet. Feldbach, im Jänner 1917. Machairodus im Höhlendiluvium von Mähren und Niederösterreich1. Von Privatdozent Dr. Jos. Wold rieh in Prag. Mit 2 Texliiguven. Bei Brünn in Mähren fand ich im untersten Höhlenlehme einer Höhle der Stranskä skäla (Malm ß) nebst zahlreichen anderen diluvialen Säugetierzähnen und -knochen einen durch seine Platt- heit auffallenden Felidenreißzahn in Gesellschaft von Felis spelaea , JJyaena spelaea, Ursus spelaeus , Elephas primigenius , wahrscheinlich auch Elephas antiquus. Er gehört einer diluvialen Machair odus- Art an und wurde bereits während meines Studienaufenthaltes in Berlin bestimmt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit Herrn Geheim- rat Prof. W. Branca sowie Herrn Prof. Stremme (damals Privat- dozent und Assistent) für ihre werte Zuvorkommenheit, die sie mir entgegenbrachten, meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Nach Boule2 tritt die Gattung Machairodus in Europa zum ersten Male im Eocän auf; aus dem mittleren Miocän kennt 1 Eine eingehende Beschreibung veröffentlichte ich in den Publi- kationen der böhmischen Akademie der Wissenschaften zu Prag, 1916. 2 M. Boule , Revision des especes europeennes de Machairodus. Bullet, de la soc. geol. de France. 1901. p. 551. — Derselbe: Les grands chats de Cavernes. Annales de Palöont. Paris 1906. von Mähren und Niederösterreich. 135 man M. palmidens Blainv. und M. Jourdani Filh., aus dem oberen Miocän M. aphanistus Kaup. Aus dem Pliocän sind bekannt die Arten M. cültridens Cuv. und M. crenatidens Weith. sowie M. Nestianus , während aus dem Diluvium eine einzige Art, nämlich M. latidens Owen (England, Frankreich, Ligurien) angeführt wird. In Mitteleuropa fand wohl zum ersten Male Überreste dieser Art Freudenberg 1 im Höhlendiluvium von Hundsheim in Nieder- österreich. Im Diluvium Amerikas ist der parallele Ast der Smilodonten bei weitem mehr spezialisiert; man kennt hier einige diluviale Arten. Die Krone der oberen Beißzähne von Machairodus besteht aus 3 Loben , dem vorderen Protostyl , mittleren Paracon und hinteren Metacon. Bei den miocänen Arten ist der Protostyl durch eine tiefe Binne in 2 selbständige Spitzen geteilt (z. B. bei M. aphanistus) , bei pliocänen Arten ist er nicht geteilt, während bei den diluvialen Nachkommen diese Zweiteilung, wie wir zum ersten Male hier feststellen können, abermals auftritt. Es sind eben die von uns hier beschriebenen oberen Beiß- zähne von diluvialen Machai roden die ersten und wohl einzigen, die man aus Europa kennt. Die Zugehörigkeit des mährischen Beißzahnes zur Gattung Machairodus verrät sich durch seine auffallende und charakteristische Plattheit, die ungewöhnliche Schärfe seiner Zahnschneide, die teil- weise Kerbung an den distalen und proximalen Bändern der einzelnen Loben, das Fehlen des Protocon an der Innenseite der Krone (vergl. Fig. 1). In seinen Dimensionen und nach seiner rauhen Oberfläche erinnert unser Zahn am ehesten an die pliocäne Art M. crenatidens aus dem Val d’Arno, die von Fabrini1 2 beschrieben wurde; ihre Kronenlänge ist gleich , der mittlere Lobus ist in unserem Falle etwas höher, die Zahndicke noch geringer als bei der pliocänen Art. Was jedoch den mährischen Zahn von M. crenatidens wesent- lich unterscheidet, ist die Zweiteilung des Protostyls (siehe Fig. 1). In dieser Beziehung stimmt er jedoch mit dem von Freuden- berg gefundenen oberen Beißzahn3 von M. latidens Owen überein (Fig. 2). Er unterscheidet sich von letzterem wiederum durch die Bauhheit der Kronenoberfläche, seine größeren Dimensionen und die Kerbung an den Lobenrändern , wie ich gelegentlich am Originale im Hofmuseum4 zu Wien feststellen konnte. 1 W. Freudenberg, Die Fauna von Hundsheim in Niederösterreich. Jahrb. d. geol. Eeichsanst. Wien 1908. p. 197. 2 M. Fabrini, I Machairodus del Val d’Arno sup. Bollet. del B. Com. geol. d’Italia. 1890. Taf. 4—6. p. 121, 161. 3 Am Gipsabgüsse ist die Zweiteilung nicht zu sehen. 4 Dasselbe wurde mir bereitwilligst von Herrn Kustos Prof. F. X. Schaffer zum Vergleich zur Verfügung gestellt. 136 J. Woldrich, Machairodus im Höhlendiluvium etc. Kronen- länge i i Höhe des mittl. Lobus 1 Zahndicke beim hint. Lobus Kronen- oberfläche M. crenatidens mm mm mm Yal d’Arno . . . 45 18 13 rauh Machairodus n. sp. Stränska skäla . 43 20 10 rauh M. latidens Hundsheim . . . 40 16 12 vollständig glatt Fig. 1. Machairodus moravicus n. sp. Oberer linker Reißzahn von der Außenseite. (Natürl. Größe.) Alt-Quartär (n. Ei. antiquus), Höhle Stranskä Skala b. Brünn. Mähren. Fig. 2. Machairodus latidens Owen. Oberer rechter Beißzahn von der Außenseite. (Natürl. Größe.) Alt-Quartär, Hundsheim, N.-Österreich. Eine Zweiteilung des Protostyls der oberen Reißzähne kommt bei den miocänen Machairodus- Arten vor, während sie den pliocänen Arten fehlt. Sie tritt aber abermals bei den von uns beschriebenen H. Bock, Der Korallenfundpunkt im Lurloch bei Semriach. 1B7 diluvialen Arten auf. Wohl handelt es sich hier um ein atavistisches Merkmal, welches an einen ursprünglich primitiveren Stand dieser Feliden erinnert. Es ist gewiß interessant , daß dasselbe auch bei amerikanischen diluvialen Smilodontenarten auftritt , so bei Smiloclon neogaeus \ wahrscheinlich auch bei S. californicus , schließ- lich auch bei einer kleineren Art S. gracilis1 2. Aus einem Vergleiche des mährischen und Hundsheimer Beiß- zahnes erhellt, daß sie zwar in der atavistischen Zweiteilung des vorderen Lobus überein stimmen, sonst jedoch vielfach sich von- einander unterscheiden , wie oben angeführt wurde. Da die Zu- gehörigkeit des Hundsheimer Oberkiefers zum diluvialen Machairodus latidens Owen infolge des gleichzeitigen Auffindens von unzweifel- haften Skelettresten dieser Art feststeht, bin ich der Ansicht, daß der durch die rauhe Kronenoberfläche, seine Dimensionen und noch anders von jenem abweichende Reißz,ahn aus der Höhle bei Brünn einer anderen , neuen diluvialen Art angehört , die ich M. moravicus n. sp. benennen will. Die Vergesellschaftung von M. moravicus mit Elephas antiquus läßt wohl auf ein hohes diluviales Alter schließen. Geolog. -paläontol. Institut der bölim. Universität in Prag. Der Korallenfundpunkt im Lurloch bei Semriach. Von Ingenieur Hermann Bock (Graz, derzeit im Felde). Mit 1 Profil. Mit Beziehung auf die von Penecke3 angeführten Korallen aus dem Schöckelkalk des Lurloches bei Semriach gebe ich be- kannt, daß sich der im Lurloch befindliche Aufschluß der korallen- führenden Schichten in 3000 m Entfernung vom Eingänge in dem mit Walhalla bezeichneten Riesendome der Höhle befindet, und zwar dort, wo das periodische Höhlengerinne mit steiler Block- halde zum ständigen unterirdischen Bachlauf abbriclit4. In den Felsen der Sohle zeigen sich dunkle, vom Hochwasser glatt ge- scheuerte Kalke, in welchen man die Zeichnung von Korallen wahrnimmt. Das Liegende ist ein dunkler , gestreifter Kalk 1 Nach einem Gipsabguß zu urteilen, der mir freundlichst von Herrn Kustos Prof. Drevermann aus dem Senckenberg’schen Museum in Frank- furt zugeschickt wurde. Ich verdanke ihm auch eine Photographie von Smil. californicus. 2 E. D. Cope, The fossil Vertebrata from the fissure at Port Kennedy. Proceed. Acad. natur. Sciences. Philadelphia 1895. p. 446. 3 Dies. Centralbl. 1915. p. 243. 4 Hierfür muß auf meine in Aussicht stehende Monographie des Lurloches bei Semriach verwiesen werden. 13g H. Bock, Der Korallenfundpunkt im Lurloch bei Semriach. (JT8 und Ky im beigegebenen Profile); zwischen den Bänken des Korallenkalkes (S2 im Profile) zeigt sich an einer Stelle grau- grüner phyllitischer Schiefer (S^) und die im Profile schwarz ein- gezeichneten Quarzite. Die Schichten streichen nur Ost — West und fallen bei a unter 28°, bei b unter 82° gegen Süden. Die dunklen korallenführenden Kalke lassen sich nach aufwärts gegen Semriach zu an mehreren Stellen nach weisen, ohne daß es bisher gelungen wäre, auch nur annähernd bestimmbare Fossilien darin zu finden. Hlassteb v£o Profil durch den Korallenaufschluß im Luvloch. In einzelnen Profilen läßt sich deutlich erkennen, daß der dunkle Kalk, der den Korallenbänken des Lurloches und des Badeigrabens (siehe Penecke, 1. c. p. 243) entspricht, von grauen Bänderkalken und lichtgelben kristallinen Kalken unterlagert wird; das ist typischer Scliöckelkalk. Über den korallenführenden Bänken des Lurloches liegt bis über 300 m mächtig die große Sehöckelkalk- masse der Tanneben bei Peggau, die in jeder Beziehung dem Schöckelkalk entspricht. Das Liegende und das Hangende der Korallenschichten ist petrographisch vollständig gleich und die korallenführeuden Bänke sind eine Einlagerung im Schöckelkalk und können nicht von ihm getrennt werden. Besprechungen. 139 Besprechungen. Rudolf Vetter: Beiträge zur Kenntnis der ana- lytischen Eigenschaften der Kohlenstoffmodifikationen und orientierende Versuche über ihre Existenz- bedingungen. (Technische Studien, herausgegeben von H. Simon. Heft 18. Berlin-Oldenburg bei Gerhard Stalling. 1916. 79 p. ; auch Dr.-Ing.-Dissertation der Techn. Hochschule, Berlin.) Verf. beginnt seine interessante Arbeit mit vorläufigen Mit- teilungen, in denen er an der Hand der bisherigen Literatur die analytischen Eigenschaften und die Trennung der Kohlenstoffmodi- fikationen, sowie die Entstehungsursachen der letzteren eingehend bespricht. Er hebt hervor, daß man nicht nur über den mole- kularen Aufbau von Diamant, Graphit und amorpher Kohle sehr unvollkommen unterrichtet ist, sondern daß man auch von ihrem chemischen Verhalten noch zu wenig weiß, um auf diesem Wege mit Sicherheit die verschiedenen Modifikationen des Kohlenstoffs kennzeichnen zu können. Deren chemische Natur genügend auf- zuklären, ist Verf. bestrebt; es erwies sich aber als hierzu er- forderlich, die chemischen Methoden der Unterscheidung und Trennung besser als bisher auszubilden und sich ferner über die Entstehungs- bedingungen der einzelnen Modifikationen ein möglichst vollkommenes Bild zu machen. Am genauesten bekannt geworden ist nach den bisherigen Arbeiten der Diamant, der wegen seiner Reinheit und ausgezeichneten Kristallisation für die mineralogische, physikalische und chemische Untersuchung am geeignetsten ist und der anderer- seits wegen seiner Kostbarkeit am meisten Anreiz zur synthetischen Nachbildung bietet. Viel zahlreicher als beim Diamant, aber sich vielfach widersprechend, sind die analytischen Angaben über den Graphit, seltener wieder die Versuche, die eine Trennung von Graphit und amorphem Kohlenstoff anstreben. Bei der Be- sprechung des letzteren wird hervorgehoben, daß es sich hierbei vielfach um hochmolekulare Kohlenstoffverbindungen mit außer- ordentlich wenig Wasserstoff und außerordentlich hohem Äquivalent- gewicht handle und daß die Kohlen, je reiner sie sind, desto widerstandsfähiger gegen chemische Einflüsse werden. Der Ein- druck, den Verf. von seinen eingehenden Literaturstudien gewonnen hat, ist der, daß trotz aller bisherigen Arbeiten unsere Kenntnisse über die Natur der amorphen Kohle und des Graphits — bei Diamant sind die Verhältnisse günstiger — noch derart lückenhaft sind, daß es durchaus notwendig ist, sich weiter mit ihrer Ent- stehung zu befassen, sei es auf mehr analytischem Weg, von dem bisher zunächst allein die Rede war, sei es durch Untersuchung der 140 Besprechungen. Existenzbedingungen der Modifikationen des Kohlenstoffs, über die I wir uns ebenfalls noch vielfach sehr im unklaren befinden. Über das Gleichgewicht amorphe Kohle — Graphit | läßt sich leider nach unseren heutigen Kenntnissen nichts Näheres i feststellen. Daß Graphit die bei den höchsten Temperaturen stabilste Modifikation des Kohlenstoffs ist, ist bekannt. Es ist aber wohl leichter Graphit aus Kohlenstoffverbindungen abzuscheiden, als amorphen Kohlenstoff in Graphit umzu wandeln. Diese Verbindungen i müssen aber sehr einfach sein, wie die Karbide, da bei höheren j organischen Substanzen stets die Gefahr einer Bildung schwer j sich weiter umwandelnder, unter dem Namen „amorpher Kohlenstoff“ zusammengefaßter, sehr Sauerstoff- und wasserstoffarmer Komplexe besteht. Tatsächlich ist auch schon häufig Graphit aus Karbiden \ oder ähnlichen Verbindungen abgeschieden worden, und zwar bei verhältnismäßig niedriger Temperatur. Sehr unsicher ist es, ob Diamant direkt in Graphit übergeht. Interessanter, aber kaum besser geklärt ist das Gleich- gewicht Diamant — Graphit vom Standpunkt der Diamanten- bildung aus betrachtet. Verf. geht hier aus von den Untersuchungen von Baur, Sichling und Schenker (N. Jahrb. f. Min. etc. 1916. II. -145-), gelangt jedoch zu der Ansicht, daß man entweder die Hypothese von Baur ganz fallen lassen oder oft eine darnach metastabile Bildung des Diamants annehmen müsse, wobei er sich für das letztere entscheidet. Versuche, Graphit oder amorphe Kohle unter hohem Druck und hoher Temperatur in Diamant um- zuwandeln, scheinen ihm aussichtslos, etwas günstiger wären die Versuche zur Abscheidung von Diamanten aus Gasen. Bei der Bildung von Diamant in Schmelzflüssen wird festgestellt, daß die Schmelzen stets Elemente enthalten, die zu einer Karbidbildung befähigt sind, und daß es scheint, als ob sich bei allen diesen Schmelzflüssen zur Lösung von Kohlenstoff (Moissan, v. Hass- linger, Friedländer etc.) Karbide bilden, die entweder noch weiteren Kohlenstoff zu lösen vermögen oder bei tieferer Tem- peratur in kohlenstoffärmere Verbindungen übergehen. Dies ist für die Entstehung von Diamant wichtiger, als die rasche Ab- kühlung. Diesem ersten mehr referierenden Teil folgt der zweite experi- mentierende, bei dem aber bezüglich der Einzelheiten noch mehr auf die Arbeit selbst verwiesen werden muß, als dort. Die aus- geführten Versuche sind folgendermaßen zusammengestellt: I. Beiträge zur Kenntnis der analytischen Eigenschaften der Kohlenstoffmodifikationen. A. Zur Charakteristik von Diamant. 1. Die Wirkung verschiedener Schmelzen auf Diamant und Siliciumkarbid (Analyse der verschiedenen Materialien; Einwirkung von Kaliumhydroxyd, Alkalicarbonat, Cyanid, Besprechungen. 141 €yanat und Rhodanat, Magnesiumchlorid, Natrium wolframat,-molybdat und -borat, Schwefelnatrium und Natriumsulfaten). 2. Trennung von Diamant und Silicium karbid. Faßt man die in diesem Abschnitte beschriebenen Beobachtungen über Diamant kurz zusammen, so ergibt sich, daß er von einer Ätzkalischmelze auch unter Zusatz von Bleioxyd nicht angegriffen wird, während Alkalicarbonate bei Gegenwart von Nitrat schon bei viel tieferer Temperatur als Moissan und in neuester Zeit Oolomba gefunden haben, d. h. gleich über ihrem Schmelzpunkte, darauf einwirken. Auffallend rasch wird Diamant ferner von geschmolzenem Kaliumcyanat zerstört, und auch eine Schmelze von Natriumbisulfat ist im Gegensätze zu den bisherigen Literatur- angaben durchaus nicht wirkungslos. Von beigemischtem Siliciumkarbid läßt sich Diamant durch Schmelzen mit einem Gemisch von Natriumthiosulfat und Natrium- fluorid reinigen; denn er ist dagegen vollständig passiv, während Karborundum davon glatt aufgeschlossen wird. Dieses letztere zeigt außerdem eine geringere Widerstandskraft als Diamant gegen Kalilauge bei Anwesenheit von Bleiglätte und gegen ein Schmelzgemisch von Natriumwolframat und -molybdat. Als Ergänzung zu den bis jetzt bekannten Eigenschaften von Siliciumkarbid konnte ferner festgestellt werden, daß dasselbe von einer Kaliumcyanatschmelze angegriffen wird, während Kaliumcyanid und Rhodanat sowie geschmolzenes wasserfreies Magnesiumchlorid, Kaliummetall bei 600° und Bariumsuperoxyd bei Rotglut darauf ohne jede Einwirkung sind. B. Zur Charakteristik von Graphit und amorpher Kohle. 1 . Die Einwirkung von konzentrierter Schwefel- säure. (Reine Schwefelsäure, Verwendung von Überträgern, Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure). 2. Einwirkung von Kalilauge auf Graphit und amorphe Kohle. 3. Einwirkung von Kohle auf Silber - und Kupfer- nitrat. Kurz zusammen gestellt ergibt sich aus dem vorstehenden Ab- schnitte das Folgende: Durch die Einwirkung von konz. Schwefelsäure bei Gegenwart von Quecksilbersulfat ist es möglich, die aus hochorganischen Stoffen entstandenen amorphen Kohlen zu zerstören, während andere, reinere und sicher weniger hochmolekulare Kohlen sowie Graphit un- angegriffen bleiben. Diese Methode kann in den Fällen zur Be- stimmung des Graphitgehaltes eines Kohlengemisches dienen, wo nach ihrer Anwendung nur deutlich kristallisierter Graphit übrig bleibt. Dessen Reinheit läßt sich dann wenigstens qualitativ bestätigen durch Kochen mit konz. Schwefelsäure und Salpetersäure, wenn 142 Besprechungen. nach Verdünnen mit Wasser und Filtrieren beim Waschen mit Ammoniak kein schwarzes Filtrat entsteht. Ein Beweis dafür, daß die Reaktionsfähigkeit mit Schwefel- säure von rein physikalischen Unterschieden oder solchen in der Struktur der verschiedenen Kohlenmoleküle abhängt, und nicht von Verunreinigungen bedingt wird, die einen mehr oder weniger basischen Charakter der betreffenden Kohle veranlassen könnten, liegt darin, daß sich auch mit Kalilauge genau dieselbe Reihen- folge für die Reaktionsfähigkeit der einzelnen Kohlenarten auf- stellen läßt; nur sind die Unterschiede hier nicht so markant wie bei Schwefelsäure. Für die feinere Differenzierung der amorphen Kohlen hat sich dagegen eine Reduktion von Silbernitrat in wässeriger Lösung als sehr bequem gezeigt. Sie ist viel leichter und rascher ausführbar als die Messung der mittels Hypochlorit gebildeten Kohlensäure oder als die Bestimmung der Ausbeute an Mellithsäure nach H. Meyer. II. Orientierende Versuche über die Entstehungsbedin- gnngen der Kohlenstoff modifikationen. A. Abscheidung von Kohle aus Karbiden und anderen einfachen Kohlenstoffverbindungen. 1. Zersetzung von Karbiden mit Schwefel. 2. Zersetzung von Karbiden mit Metallchloriden. Eiseu als Lösungsmittel. 3. Einwirkung von Karbiden auf .Cyan- und Rhodan- verbindungen. 4. Kohle aus Rhodanat, Ferro cyankalium oder Kohlensäure. Zusammenfassend läßt sich aus den beschriebenen Reaktionen feststellen, daß eine Graphitbildung aus Aluminium- oder Calcium- karbid bei Wärmegraden, die tiefer als die bekannten Bildungs- temperaturen des Graphits liegen, im allgemeinen mit den ver- wendeten Zersetzungsmitteln nicht möglich war. Einzig Schwefel und Magnesiumchlorid machen davon eine Ausnahme. Eine Be- gründung dafür läßt sich noch nicht angeben; denn die einzige Möglichkeit, daß nämlich diese Stoffe in geschmolzenem Zustande Lösungsmittel für Kohlenstoff sind, ist nach den im ersten Teil über die Angreifbarkeit von Diamant gemachten Beobachtungen wenigstens für Magnesiumchlorid ausgeschlossen. Trotzdem scheint dieses wie so viele andere Kristallisations- vorgänge auch die Graphitbildung zu begünstigen, denn aus Ferro- cyankalium entsteht ebenso in Magnesiumchlorid eine stark graphit- haltige Kohle. Im übrigen ist der Schluß wohl erlaubt, daß ein Druck bis zu 400 Atm. die Graphitbildung nicht merklich fördert, denn es entstanden in der Bombe nur dann Graphite, wenn die Temperatur zum mindesten diejenige von schmelzendem Eisen erreicht hatte ; Besprechungen. 143 bei dieser ist aber auch jederzeit eine Graphitbildung' ohne Druck möglich. Daß Cyanat und Rhodanat mit den Karbiden keine oder nur sehr wenig, Cyanid aber eine acetylenrußartige Kohle abscheidet, war zu erwarten ; viel auffallender ist, daß Calciumkarbid und Aluminiumkarbid mit rein anorganischen Reagenzien wie Kupfer- chlorid oder Eisenchlorür eine leicht zerstörbare, also hochmole- kulare amorphe Kohle geben. Es erscheint infolgedessen wahr- scheinlich, daß die Reaktion nicht direkt, sondern unter Bildung von organischen Zwischenprodukten verläuft. Leider führten die Bemühungen, bei der Reaktion Kupferchlorid- Calciumkarbid die- selben zu fassen, zu keinem Resultat; doch es dürfte ihre Isolierung eine der Hauptaufgaben weiterer Versuche zur Erforschung der Entstehungsbedingungen von Graphit sein. B. Versuche zur Umwandlung von amorpher Kohle in eine kristallisierte Form. 1. Versuche in Salzschmelzen. C. Versuche zur Darstellung von Diamanten. 1. Nachprüfung der Versuche von Moissan. 2. Untersuchung von Calcium- und Aluminium- karbid. 3. Diamanten aus Karbiden. Prüfung der unter A dargestellten Kohlen auf Diamant. Thermit- schmelzen mit Zugabe von Pyrit. Zum Schluß gibt Verf. noch die folgende kurze Zusammen- fassung seiner ganzen Untersuchung: Im ersten Teile der Arbeit wurde die Beständigkeit von Diamant und Siliciumkarbid gegen eine ganze Reihe von Schmelzen geprüft und dabei festgestellt, daß Siliciumkarbid gegen Kalilauge, besonders bei Zusatz von Bleioxyd, ein Gemisch von Natrium- wolframat und -molybdat und vor allem gegen Natriumthiosulfat viel weniger beständig ist als Diamant. Mit Hilfe dieser letzteren Schmelze ließ sich eine quantitative Trennung für Siliciumkarbid und Diamant ausarbeiten, die ge- stattet, aus einem Gemisch der beiden Körper das Siliciumkarbid sicher zu entfernen, und die bei der Aufarbeitung von Reaktions- produkten zur Herstellung künstlicher Diamanten gute Dienste leistet. Ferner zeigte sich, daß gewisse Sorten amorpher Kohle, und zwar die aus hochorganischen Stoffen entstandenen, also sicher hochmolekularen und noch etwas Sauerstoff- oder wasserstoffhaltigen, von Schwefelsäure in Gegenwart von Merkurisulfat gelöst werden, während andere, wie Acetylenruß, sich völlig passiv verhalten, und auch Graphit nicht im geringsten angegriffen wird. — Mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure ist es dagegen möglich, qualitativ alle amorphen Kohlen von .Graphit zu unterscheiden, 144 Personalia. während Kalilauge keine für die Analyse von Graphit und amorphen Kohlen brauchbaren Reaktionen gibt. Ein weiteres Charakteristikum für amorphe Kohle ist schließlich ihre starke Reduktionswirkung. Sie ist sogar imstande, eine ver- dünnte wässerige Silber- oder Kupfernitratlösung unter Bildung von Kohlensäure bis zum Metall zu reduzieren und macht dabei äquivalente Mengen von Silber oder Kupfer frei. Diese scheiden sich meist als schöne glänzende Flitter in der Lösung aus. — Mittels dieser Reaktion wurden verschiedene amorphe Kohlen charakterisiert und dabei wieder eine größere Reaktionsfähigkeit der hochmole- kularen, weniger reinen Arten festgestellt. Im zweiten Teile werden Kohlenabscheidungen aus Karbiden, Cyan- und Rhodanverbindungen beschrieben. Die Wahl eines ge- eigneten Lösungsmittels ermöglicht dabei auch bei mittlerer Tem- peratur die Bildung von Graphit. Als besonders günstige Fälle wurden so z. B. aus Aluminiumkarbid bei der Zersetzung in ge- schmolzenem Schwefel bei 400 — 500° eine fast theoretische Kohlen- ausbeute mit 40% Graphitgehalt erzielt und bei Verwendung von wasserfreiem Magnesiumchlorid bei 750° sogar eine zu drei Vierteln aus Graphit bestehende Kohle. Zum Schlüsse wurden noch Versuche unternommen, die gleich- falls auf dem Weg über die Karbide zur Bildung von Diamant führen sollten. Eine solche wurde wahrscheinlich erreicht, als bei der Temperatur einer Thermitschmelze Calciumkarbid oder inter- mediär gebildetes Eisenkarbid auf Pyrit wirkten. Es ist in dem vorliegenden Aufsatz nicht nur der gegenwärtige Stand der wichtigen in Rede stehenden Frage übersichtlich kritisch dargelegt, sondern es ist auch wohl mancher bisher dunkle Punkt aufgehellt oder doch der Aufklärung näher geführt. Besonders nützlich ist auch im 1 . Teil die recht vollständige Zusammenstellung der einschlägigen Literatur. Noch viel besser wäre es aber ge- wesen, wenn Verf. jedem Zitat die Jahreszahl des Erscheinens der betreffenden Arbeit beigefügt hätte, was er leider durchweg unter- lassen hat. Max Bauer. Personalia. Gestorben: Am 6. März d. J. Prof. Dr. Ernst Wilhelm Benecke in Straßburg i. E., der während der Jahre 1879 — 1884 die Redaktion des Neuen Jahrbuchs f. Min. etc. geführt hat. Geh. Bergrat Dr. Wilh. Branca, o. Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Berlin tritt von seinem Lehramte zurück. G. Kalb, Gesetzmäßige Kristallisation etc. 145 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Gesetzmäßige Kristallisation des Natriumchlorids auf Glimmer. Von Georg Kalb, Greifswald. Mit 1 Textfigur. Jeder kennt den grundlegenden Versuch der Kristallisation des Kaliumjodids auf Glimmer, der zuerst von Frankenheim 1 aus- geführt wurde. Später haben sich Mügge 2 und Barker 3 mit dieser Erscheinung beschäftigt. Diese Forscher haben auch den 16:1. Na CI mit Na OH auf Glimmer. naheliegenden Versuch der Kristallisation des Natriumchlorids auf Glimmer gemacht, doch ohne Erfolg. Bei der Wiederholung dieser Versuche fiel es mir auf, daß die Kaliumjodidlösung den Glimmer sehr stark benetzt, während die Tropfen der Natriumchloridlösung sich nur wenig auf dem 1 Ann. d. Phys. u. Chem. 1836. 37. p. 520. 2 Dies. Centralbl. 1902. p. 353. 3 Zeitschr. f. Krist. 45. p. 1. 1908. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 10 146 M. Semper, Glimmer ausbreiten oder nach der Ausbreitung- mit dem Glasstab sich wieder stark zusammenziehen. Durch Hinzufügung von Natron- lauge zur Natriumchloridlösung gelang es mir, diesen Unterschied bei den Versuchen auszuschalten; jetzt zeigte sich das gleiche Ergebnis wie bei der Kristallisation von Kaliumjodid auf Glimmer. Natriumchlorid kristallisiert also aus Natronlauge auf Glimmer so aus, daß eine dreizählige Achse des Würfels senkrecht zur Glimmerbasis steht und eine Zone (100): (111) des Natriumchlorids, mit der Zone (001): (010) des Glimmers zusammenfällt. Was ist eine Arbeitshypothese? Von Max Semper in Aachen. Mit 1 Textfigur. Bei einer mehr durch Zufall als durch zielbewußte Absicht geleiteten Umschau in der jüngsten geologischen Literatur fiel mir die häufige Heranziehung des Begriffs „Arbeitshypothese“ auf und zugleich schien nicht genügend bekannt zu sein, unter welchen Bedingungen und innerhalb welcher Grenzen dieser Begriff ver- wendbar ist. Die von Herrn Alfred Wegener aufgestellte Theorie der Kontinentalverschiebungen eignet sich, nicht ihrer selbst wegen, sondern wegen der Zustimmung, die sie gefunden hat, hervorragend gut dazu, das Wesen einer Arbeitshypothese am Gegenbeispiel auseinanderzusetzen und soll deshalb hier eingehend besprochen werden. Herr Wegener ging von der Annahme aus, daß der Massen- überschuß der Meeresboden durch die Gesteinsbeschaffenheit dieser Teile der Erdkruste zu erklären sei. Das „Sal“ sei nicht eine geschlossene Hülle, mächtiger unter den Kontinenten, dünner unter den Ozeanen, sondern es sei zerstückelt und durch die wieder- holten Gebirgsfaltungen unter Verstärkung seiner Mächtigkeit zu- sammengeschoben; es bilde nur die Kontinentalblöcke und ließe unter den Ozeanen die zweite, tiefere Schale der Lithosphäre, die spezifisch schwereren Gesteine des Sima, frei hervortreten. Den eigentlichen Ausgangspunkt der Theorie bildet der bekannte, seit langem zu Spekulationen anreizende Parallelismus der atlan- tischen Küsten, besonders Südamerikas und Afrikas. Herr Wegener erklärt diesen durch die Annahme, daß der Atlantische Ozean eine riesige Spalte sei ; Amerika einerseits, Europa und Afrika anderer- seits hätten danach einstmals einen einzigen Kontinent gebildet und seien nach der Spaltung auseinandergerückt. Die atlantischen Küsten beider Schollen würden dann die ursprüngliche, durch den Verlauf des Trennungsrisses bestimmte Gestalt bewahrt haben, dagegen zeige das Faltengebirge an der pazifischen Küste Amerikas, Was ist eine Arbeitshypothese V 147 daß hier eine Stauchung- stattfand. Amerika sei also nach Westen verschoben und durch den Widerstand des uralten pazifischen Ozeanbodens am vorwärts bewegten Rand zusammengedrückt worden. Faßt man verallgemeinernd alle Faltengebirge auf als Stauchungen am Vorderrand verschobener Kontinentaltafeln, so stellt sich der Himalaja dar als Zeuge für die Anpressung Vorderindiens an den asiatischen Block, und ähnliche Vorstellungen ergeben sich für die Alpen, sowie für die Gebirge und Meerestiefen des australisch- malayischen Gebiets. Die Einzeldurchführung des Gedankens macht noch zahlreiche Hilfshypothesen nötig, auf die nicht eingegangen zu werden braucht, weil sie doch mit der Anerkennung des Grund- gedankens stehen und fallen. Als Ursachen der Kontinental- verschiebungen werden Strömungen im Sima genannt, und die Frage nach den Ursachen dieser Strömungen wird nach einigem Umschweif beantwortet durch den Hinweis auf einen „roten Fleck“ im Jupiter, der Bewegungen, ähnlich denen der für irdische Konti- nente angenommenen, zu erkennen gäbe1. Der Gedanke an Kontinentalverschiebungen ist keineswegs neu, wie denn überhaupt in paläogeographischen Dingen schwerlich noch irgendwelche Gedanken ausgesprochen werden können, denen die Geschichte der paläoklimatischen Spekulation nicht irgendwelche Vorgänger zuweist. Die Durchführung scheiterte stets am Wider- spruch geologischer Erfahrungen , denn es stellte sich meistens heraus, daß man für alle vermiedenen Schwierigkeiten nur andere, noch unauflöslichere eingetauscht hatte, daß also die Verschiebungs- theorie trotz aller Einzelheiten, die für sie sprachen, als Ganzes unförderlich und deshalb unhaltbar war. Dasselbe gilt für die von Herrn Wegener entworfene Gestaltung: wenn die Geologie nicht Beobachtungen anliefert, die nur durch Kontinentalverschiebung ver- ständlich gemacht werden, sondern Erfahrungen enthält, die solcher Annahme grundsätzlich widersprechen, so erweist diese Theorie sich abermals als Irrtum, und für die sonstigen Zustände der heutigen Erdkruste, für den Parallelismus der atlantischen Küsten, sowie für anderes, das mit in diesen Zusammenhang einbezogen werden kann, muß eben anderweitige Erklärung beschafft werden. Herr Wegener sieht den entscheidenden Beweis, das „experi- mentum crucis“ seiner Theorie in Messungen, aus denen eine jährlich 1 Alfred Wegener, a) Die Entstehung der Kontinente. Geol. Rundsch, 3. p. 276 ff. 1912; — b) Die Entstehung der Kontinente. Peterm. Mitt, 1912. p. 185, 253, 305 ; — c) Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Samml. Vieweg, Heft 23. 1915. Im Vorwort seiner letztgenannten Schrift bemerkt Herr Wegener, er habe die Schrift während eines nach Ver- wundung im Kriege gewährten Erholungsurlaubes verfaßt, um sich früher übernommener Verpflichtungen zu entledigen. Man kann trotzdem nicht daran zweifeln, daß Herr Wegener seine Arbeit für durchaus zur Ver- öffentlichung geeignet hielt. 10* 148 M. Semper, 4 m betragende Vergrößerung des Abstands zwischen Europa und Grönland • hervorgehen soll. Vom geologischen Standpunkt aus betrachtet, sind diese Beobachtungen aber für die Verschiebungs- theorie gleichgültig, da niemand sagen kann, seit wie lange diese Veränderung statthat. Horizontalverschiebungen solcher Größen- ordnung sind außerdem an Spaltenrändern nichts Ungewöhnliches, und zwischen Europa und Grönland ist Platz und Gelegenheit genug, die zu fordernden Spalten anzusiedeln. Wenn man nun die geologische Begründung betrachtet, die Herr Wegener seiner Theorie zuteil werden ließ, so begreift man nicht, wie solche Unzulänglichkeit verkannt werden konnte. Mit einer genauen Analyse des über die Geschichte des Indischen Ozeans, des Gondwanalandes und über die spätpaläozoische Eiszeit Gesagten kann man niemanden behelligen wollen. Eine abgekürzte Zusammen- fassung genügt überreichlich: Zwischen Australien und Neuseeland bestand noch im Tertiär landfester Zusammenhang, und zwar lag Australien weiter südöstlich, so daß Neuseeland sich ungefähr an seiner heutigen Stelle befand, aber an Neuguinea und die heutige Nordostküste Australiens anstieß. Tasmanien, das bei der späteren Nordwestwanderung des Komplexes etwas zurückblieb, bildete damals eine Brücke zwischen Australien und dem antarktischen Kontinent. Während der spätpaläozoischen Eiszeit lag Südamerika noch westlich an Südafrika angeschlossen, Madagascar, Vorderindien und Australien mit Neuseeland, landfest in dieser Reihenfolge verbunden, östlich daran herangerückt. Dieser Festlandsblock bildete ein Vereisungsgebiet nicht größer als das der nordpolaren Eiszeit im Diluvium nach Auffassung Herrn Wegener’s. Madagascar trennte sich erst im Tertiär von Afrika ; der triassische und jurassische Meeresarm, dessen Sedimente sich im westlichen Teil der Insel finden, war nur epikontinental und nicht durch eine das Sima bloßlegende Spalte verursacht. Wenn der Himalaja ein im Tertiär gefaltetes Gebirge ist, so kann die Nordwanderung Indiens erst zu dieser Zeit begonnen haben. Dafür zeugt auch die Jugend der bei dieser Abtrennung entstandenen Bruchlinien in Ostmada- gascar. Außerdem muß Indien beim Abtrieb eine Drehung erfahren haben , denn ohne solche Annahme würden die Streichrichtungen der alten Falten in Indien und Madagascar nicht in Parallele zu bringen sein. Die Schicksale Australiens läßt Herr Wegener etwas im dunklen. Er berichtet, in welchen Himmelsrichtungen jetzt die Gleitspuren des australischen, indischen und südafrikanischen Inland- eises verlaufen, erwähnt aber nicht, daß, wenn dieses radial von einem in Afrika gelegenen Mittelpunkt ausgegangen sein soll, Australien sich während seiner mesozoischen Ostwanderung um •etwa 135° gedreht haben muß. Zu einer weiteren Ergänzung zwingt die außer acht gelassene Tatsache, daß einer der best Was ist eine Arbeitshypothese? 149 nachgewiesenen vorzeitlichen Kontinente im Jura und in der Kreide westlich vom heutigen Südamerika zwischen dem Wende- kreis und 50° Südbreite lag1, also bei dem damaligen Anschluß von Südamerika und Afrika nach Herrn Wegener noch ein gutes Stück weiter westlich. Mag dieser Kontinent, wie von mancher Seite behauptet wird , auch nur klein gewesen sein , so hatte er doch in meridionaler Richtung ungefähr die Größe Australiens. Da kein Kontinent versunken sein soll, so müßte entweder Austra- lien oder der antarktische Kontinent mit dem verschwundenen süd- pazifischen „identisch sein“, und da der antarktische seiner Größe und Gestalt nach kaum in Frage kommt, so ergibt sich, daß Australien in der Trias um etwa 240 Längengrade nach Osten, in der Kreide wieder etwa 180 Längengrade nach Westen und dann seit Beginn des Tertiärs etwa 20 Breitengrade nach Nord- westen gewandert sein muß. Von dieser erweiterten Ost- und West Wanderung hat freilich Herr Wegener kein Wörtchen mitgeteilt, ebensowenig davon, daß er in seinen Quellen, etwa in Herrn Dacque’s Grundlagen und Methoden der Paläogeographie oder in Suess’ Antlitz der Erde etwas von dem südpazifischen Kontinent gefunden habe. Mit der Erkenntnis, daß der Leser bereit sein muß, aus seinem Wissen das beigebrachte Tatsachenmaterial zu ergänzen, treten wir nun in eine etwas eingehendere Prüfung der Gründe für die Spalten- natur des Atlantischen Ozeans ein. Dafür gibt Herr Wegener die Grundlage in Gestalt einer Rekonstruktion des voratlantischen Kontinentalblocks, die also für die Zeit zwischen hercynischer und alpiner Faltung gültig ist und die Zusammengehörigkeit der tek- tonischen Linien beiderseits des Atlantik erweisen soll. Dabei ist Amerika so an Europa und Afrika herangelegt, daß die Westsahara sich in den mittelamerikanischen Golf hineinschiebt und Brasilien in den Golf von Guinea. Der Vergleich der tektonischen Linien zeigt dann das Folgende, wobei in jedem Fall Herr Wegener’s Äußerungen2 vorangestellt sind und die Ein wände sowie die Ergänzungen sich anschließen. 1. Die algonkischen Gneisgebirge der Lofoten, Hebriden und von Nordschottland entsprechen denen von Cumberland und Labrador. Die amerikanische Fortsetzung liegt heute nicht in der Verlängerung des europäischen Gebirgszugs ; fügt 1 Von den als Beleg in Frage kommenden Schriften K. Burckhardt’s (Revista del Museo de la Plata. 10. 1900, und Palaeontographica. 50. 1903) ist mir nur die letztere zugänglich, in der nur von einem Südpazifischen Kontinent die Rede ist. Die im Text genannte Erstreckung findet sich bei Suess (Antlitz der Erde. 32. p. 359) und Uhlig (Mitt. d. geol. Ges. Wien. 4. 1911. p. 418) und ist daraufhin hier übernommen. 2 A. Wegener, 1. c. c) p. 63—69. 150 M. Semper, man aber die Stücke der vorzeitlichen Kontinentalscholle wieder aneinander, so schließt sich das algonkische Gebirge in Canada an das nordeuropäische als unmittelbare Verlänge- rung an. (Über die algonkischen Gebirge weiß man im ganzen so wenig, daß Vermutungen über die Zusammengehörigkeit der Linien nicht allzuviel Beweiskraft haben. Die Äußerung- Herrn Dacque’s, auf die Herr Wegener sich als Quelle be- ruft1, ist ganz gelegentlich getan, und wenn tatsächlich ohne Kontinentalverschiebung die Bruchstücke algonkischer Ketten sich nicht aneinanderschließen lassen, so könnte man eben in diesen Strecken nur selbständige, parallel streichende Gebirge sehen, Zeugnisse für eine Erscheinung, die Suess gerade bei den ältesten Faltungen mehrfach hervorhob.) 2. Das „etwas jüngere“ kaledonische Gebirge findet auf ameri- kanischer Seite seine Fortsetzung in der nördlichen Hälfte Neufundlands, welche sich bei der vorgenommenen Verschie- bung Nordamerikas genau an das europäische Ende des Gebirges anschließt. (Auch mit diesem Argument ist nichts anzufangen. Nach Suess tauchen die kaledonischen Falten in Irland und Wales unter die armorikanischen unter, und wenn man eine Fort- setzung sucht, denkt man eher an die kaledonischen Gebirge der Sahara als an Neufundland. Herr Wegener ist die geologische Begründung seiner These, für die er keine Quelle nennt, schuldig geblieben.) 3. Die Darstellung der armorikanischen Falten schließt sich an Suess an, doch wird an der Annahme, daß nach dieser Meinung ja ein größeres Gebirgsstiick versunken sei, als in Europa und Nordamerika erhalten blieb, im Anschluß an Penck Anstoß genommen. Suess glaubte Spuren des ver- senkten Gebirges aus Tiefenmessungen ablesen zu können 2. Er wird wie folgt abgefertigt: „Auf der Verbindungslinie liegen einige vereinzelte Erhöhungen des Meeresbodens, die man bisher als Gipfel der versunkenen Kette betrachtet hat; ein Argument gegen die Verschiebungstheorie läßt sich hieraus nicht ableiten, da es gerade bei Riasküsten sehr plausibel erscheint , daß sich während der Verschiebung von ihnen kleinere Brocken ablösen und steckenbleiben“ 3. (In derselben Reihenfolge beantwortet: Es gibt auch her- cynisclie Gebirge in Spanien. Diese bleiben bis auf eine mehr als flüchtige Erwähnung von Herrn Wegener unbe- 1 E. Dacque, Grundlagen u. Methoden der Paläogeographie. Jena 1915. 2 Suess, Antlitz der Erde. 3Vp. 61. 3 A. Wegener 1. c. c) p. 64. Was ist eine Arbeitshypothese? 151 achtet, sind aber wichtig-, weil die Fortsetzung-, die sie nach Norden und Nordwesten gehabt haben müssen, bei der Zu- sammenschiebung von Irland und Neufundland nirgends unter- zubringen ist. Bei einem vom Altai bis zur Grenze von Mexiko, also durch 200 Längengrade ausgedehnten Gebirgs- zug, bedeuten die 50 Längengrade des Atlantischen Ozeans, auf denen es versenkt ist , nicht gar so viel. Nach der Methode des letzten Arguments kann man die unmöglichsten Behauptungen vor Angriffen schützen wollen. Wir schließen aus vielfachen Beobachtungen, daß Senkungen, wie sie für das interkontinentale Stück des armorikanischen Gebirgs an- genommen werden, tatsächlich vorgekommen sein müssen. Dagegen ist die sehr vielen Köpfen höchst unplausible Vor- stellung der Kontinentalverschiebungen und des Stecken- bleibens abgesprengter Brocken bisher nur eine Behauptung. Wo sind denn die Beobachtungen, aus denen man nur auf das Steckengebliebensein solcher Brocken schließen könnte? Bei der Autorität, die Herr Wegener sich durch seine bisherigen Äußerungen über geologische Fragen erworben hat, ist es ohne Einfluß auf die Überzeugungen anderer, ob ihm etwas plausibel erscheint oder nicht.) 4. Die Endmoränen der diluvialen Inlandeiskappen Nordamerikas und Europas fügen sich bei der Zusammenschiebung aneinander ohne Knick, „was sehr unwahrscheinlich wäre, wenn die Küsten nicht zur Zeit ihrer Ablagerung wirklich zusammen- gehangen hätten“. (Da Herr Wegener dieses Thema für eingehendere Be- handlung in einem späteren Kapitel aufhebt, kann man sich hier mit der Feststellung begnügen, daß nach ihm die bis- herige Geologie für das Diluvium eine den ganzen nördlichen Atlantik eindeckende Inlandeiskappe annahm 1.) 5. „Das Atlasgebirge in Afrika ist das einzige Gebirge, bei welchem eine solche Fortsetzung auf amerikanischer Seite nicht zu finden ist. Indessen gibt das Fehlen einer Ver- bindung hier nicht nur kein Argument gegen die Verschie- bungstheorie, sondern eher eine Bestätigung; die Faltung des Atlas ist ebenso wie die der Antillen tertiären Ursprungs. Ein Hinüberreichen von der einen Seite zur andern können wir natürlich nur bei solchen Strukturen erwarten , deren Entstehung vor der Trennung der Schollen lag.“ (Inwiefern wird eine Ansicht dadurch bestätigt, daß eine gar nicht in den Zusammenhang gehörige Erscheinung nichts gegen sie beweist? Solcher „Bestätigungen“ gibt es noch zahllose.) A. Wegener, 1. c. c) p. 6. 152 M. Semper, 6. Es werden verglichen die Streichrichtungen der Gebirge in der westlichen Sahara nach der Karte Lemoine’s von 1 9 1 3 1 und in Südamerika nach 1 2 Zeilen aus dem Antlitz der Erde von 18882. Um Südamerika an Afrika heranzubringen, mußte es etwas gedreht werden. Die Streichrichtungen sind nicht in die Rekonstruktion eingetragen, sondern Herr Wegener versichert nur, daß das jetzt ost-westliche Streichen in Südamerika durch die Drehung zu einer natürlichen Fort- setzung des sudanischen werde, sowie daß diese Überein- stimmung unverständlich sei, wenn keine Drehung statt- gefunden habe und die Lücke zwischen Afrika und Südamerika durch Versinken eines dazwischen gelegenen Landes ent- standen sei. (Man kann in diesem Fall nicht beliebig drehen, bis sich die geforderte Übereinstimmung der Streichrichtungen her- stellt, sondern das Maß der Drehung ist durch die Form der Kontinente vorgeschrieben. Die Wichtigkeit dieses Argu- ments beruht darauf, daß mehr als sonst alle Willkür aus- geschlossen ist. Wie gering die hergestellte Übereinstimmung* ist, zeigt die hier beigegebene Figur, hergestellt nach einer Photographie der WEGENER’schen Rekonstruktion, in die neben anderem, das später zu besprechen, die nötigen tektonischen Ergänzungen eingetragen sind.) 7. Das ostwestlich streichende südliche Grenzgebirge des Kap- landes findet eine unmittelbare Fortsetzung in den auch sonst übereinstimmenden Sierren südlich von Buenos Aires. (Herr Wegener hat das NNW streichende Gebirge der kapländischen Westküste fortgelassen, das sich wie ein Grenz- wall zwischen die beiden ost — westlich streichenden legt und jede Verbindungsmöglichkeit abschneidet.) So bleibt von der ganzen Argumentenreihe, die Herr Wegener auf marschieren läßt, nur eines bestehen , die zwischen Grönland und Grinnelland beobachtete Horizontalverschiebung3, und diese ist nach seiner eigenen Äußerung für das Thema unerheblich, wie denn auch niemand bestreitet, daß im Zusammenhang mit Gebirgs- faltungen Horizontalverschiebungen von vorläufig unbestimmbarer, aber jedenfalls geringerer Größenordnung vorgekommen sind. Weitere Analysen glaube ich mir ersparen zu dürfen, denn wenn sich an so wichtiger Stelle ein so geringes Verständnis für die Bedingungen geologischer Beweisführung zeigt, dann ist es wohl erlaubt, auf die Beschaffenheit des übrigen zu schließen und 1 Paul Lemoine, Afrique occidentale. Handb. d. regionalen Geologie. 7. Abt. 6 a. 1913. 2 Suess. Antlitz der Erde. 2. p. 161. 3 A. Wegener, 1. c. c) p. 62. Was ist eine Arbeitshypotliese V 153 zu urteilen, daß der Versuch, die Tatsächlichkeit der Kontinental- verschieb ungen und aller weiter damit in Zusammenhang gesetzten angeblichen Vorgänge durch Beobachtungen zu belegen, mit unzu- länglichen Mitteln unternommen und völlig mißglückt ist. Ich wende mich also zur Analyse der Beweisführung, die Herr Wegener Der vortertiäre Block der atlantischen Kontinente. Nach A. Wegener. Mit Nachträgen: Ungefähre Streichrichtung der Gebirge. > Grenzen der jurassischen Kontinente nach V. Uhlig. nW7T I J dem ersten Teil seiner Theorie hat angedeihen lassen, der Lehre, daß die Ozeanböden aus freiliegendem „Sima“, die Kontinente aus zusammengezogenem „Sal“ beständen. Er meint: „Die im nächsten Kapitel zu besprechenden Schweremessungen haben den zahlenmäßig strengen Nachweis erbracht, daß unter den Ozeanen schwereres Gestein liegt als unter den Festländern, und 154 M. Semper, zwar gerade um so viel schwereres , daß das räumliche Defizit kompensiert wird; wie eine Eistafel im Wasser schwimmt, so sind die Kontinentaltafeln in die schwerere Materie eingebettet, die sich unter den Ozeanen ausbreitet. Daraus folgt aber, daß die Tief- seeböden nicht abgesunkene Kontinente sein können1.“ Und weiter: „Im dritten Bande seines großen Werks: Das Antlitz der Erde (p. 226) zeigt Suess, daß die nicht sedimentären Gesteine in zwei Gruppen zerfallen, nämlich in gneisartige Urgesteine und vulka- nische Eruptivgesteine. Erstere nennt er „Sal“ nach den Anfangs- buchstaben der Hauptkomponenten Silicium und Aluminium, letztere „Sima“ nach Silicium und Magnesium. Da die Kontinentalschollen aus salischen Gesteinen bestehen, liegt es nahe, das Material der Ozeanböden mit dem Sima zu identifizieren, welches ja als Tiefen- gestein gleichfalls den Schichten unter den Kontinentalschollen entstammt. Natürlich soll damit nicht gesagt sein, daß nicht mög- licherweise auch noch mineralogische Unterschiede zwischen ozea- nischem Bodenmaterial und den Eruptivgesteinen bestehen können: dies ist sogar recht wahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß sich derartige Unterschiede ja auch schon zwischen den atlantischen und pazifischen Laven gezeigt haben2.“ Es ist sehr viel Schiefes in diesen wenigen Sätzen enthalten, doch hat es keinen Zweck, bei unwesentlichen Mißverständnissen zu verweilen. Bedenklich ist dagegen , daß die Geophysik sich über die Ergebnisse der Schweremessungen ganz anders als Herr Wegener ausdrückt: „Für die Untersuchung der geographischen Verteilung der Schwerkraft geben — die Differenzen zwischen der beobachteten und der aus vielen Beobachtungen abgeleiteten mitt- leren Schwerkraft — am besten Auskunft über die auftretenden Anomalien. — Wird die Schwere größer als normal gefunden, so spricht man von einem Massenüberschuß, wird sie kleiner gefunden, von einem Massendefekt, ohne aber damit ein Urteil über die wirk- liche Verteilung der Massen im Erdinnern angeben zu wollen3.“ Was also nach Herrn Wegener die Geophysik „zahlenmäßig streng“ nachgewiesen haben soll, das will diese selbst nicht ein- mal behauptet haben. Es kann auch offenbar gar nicht errechnet, sondern nur beobachtet werden, was für ein Gestein sich an irgend einer Stelle der Erde befindet. Die Schwerkraftbeobachtungen würden sich , für sich allein genommen, auch mit der Annahme vertragen, daß auf den Meeresboden Eisenplatten versenkt lägen, und man würde auf Grund dieser Hypothese dann die Dicke dieser 1 A. Wegener, 1. c. c) p. 3. 2 A. Wegener, 1. c. c) p. 23. 3 J. B. Messerschmitt, Die Schwerebestimmungen an der Erdober- fläche. Die Wissenschaft. Heft 27. Braunschweig 1908. Was ist eine Arbeitshypothese ? 155 Platten berechnen können. Herr Wegener aber hätte in diesen Berechnungen den Beweis für das Vorhandensein von Eisenplatten zu erblicken. Wenn er annimmt , daß dort schwerere Gesteine liegen, so bedarf diese Hypothese, ehe sie zu geologischen Zwecken verwendbar wird, einer Bestätigung durch geologische Beobach- tungen. Aber — man möchte beinahe sagen : selbstverständlich — hat Herr Wegener diesen Weg nicht beschritten, obwohl er sich vor ihm auftat bei der Erwähnung der beiden Sippen von Eruptiv- gesteinen. Freilich wäre es ein mühevoller Weg gewesen, denn zuerst mußten die verschiedenen Gruppierungsarten nach Sal und Fern, Sal und Sima, Alkalireihe und Alkalikalkreihe, atlantische und pazifische Sippe miteinander in Einklang gebracht wrerden, und dann konnte man untersuchen, ob simatische Eruptivgesteine überall da aufträten, wo Sima in den Ozeanböden oder innerhalb der Spalten des Salblocks vermutet wurde. Ich habe diese Aufgabe nicht zu lösen, glaube auch nicht, daß sie zurzeit gelöst werden kann, sondern ich habe nur zu prüfen, wieweit Herr Wegener seine Theorie durch Beobachtungen gestützt und an „Beobach- tungen zweiter Reihe“ konsistent gefunden hat1. Nur zur Kenn- zeichnung der Arbeitsweise Herrn Wegener’s sei erwähnt , daß die überall zitierte und leicht auffindbare Arbeit Becke’s, in der zuerst eine atlantische und ^eine pazifische Sippe von Eruptiv- gesteinen unterschieden wird, erklärt, die atlantische, vorwiegend innerhalb der Kontinente verbreitete Sippe entstamme den tieferen, die pazifische, vorwiegend am Rand des Stillen Ozeans verbreitete, aber den höheren Schichten der Erdkruste 2. Zweifellos lassen sich diese Tatsachen durch Hilfshypothesen mit der Theorie vom sima- tischen Meeresboden zusammenreimen , aber was läßt sich denn mittels einiger Phantasie nicht in Reime zwingen ! Welcher Gruppe gehören denn die Eruptivgesteine von Hawai an ? Sie liegen inmitten des Stillen Ozeans und können noch am ehesten davon zeugen, ob dessen Boden aus Sima oder Sal besteht. Statt dessen schlägt Herr Wegener den Weg geomorpho- logischer Betrachtungen ein, jedoch in der absonderlichen Weise, daß er dem Leser überläßt, den Gedankengang zielstrebig zu 1 Die hier und später angewandten Benennungen der in der Geologie vorkommenden logischen Operationen , sowie deren Anwendbarkeit und Erkenntniswert sind in meiner Arbeit über „die geologischen Studien Goethe’s“ (Leipzig 1914. p. 264 u. ff.) besprochen. Ob die geplante Er- weiterung und Vertiefung des dort nur Skizzierten zur Ausführung und zum Abschluß kommt, läßt sich nicht absehen. 2 F. Becke, Die Eruptivgebiete des böhmischen Mittelgebirgs und der amerikanischen Andes. Tschermak’s Miner, u. petr. Mitt. 22. 1903. p. 247, 248 u. ff. Verwiesen sei auch auf die abweichende DejEinition bei Osann, Petrochemie der Eruptivgesteine. Handwörterbuch der Naturwissen- schaften. 9. p. 600 f. 156 M. Semper, machen 1. Jedenfalls vermute ich, daß er mit den Berechnungen, die er anstellt , und mit den begleitenden Diagrammen beweisen wollte, die Kontinentaltafeln hätten genau die Höhe, die sie nach dem Verhältnis der spezifischen Gewichte haben müßten, wenn sie im Sima schwimmende Sal-Blöcke wären. Deshalb werden zu- nächst die Umrisse der Kontinentalsockel in eine Karte eingetragen, und zwar im allgemeinen nach der Tiefenstufe von 200 m, von der auch die Berechnungen ausgehen. In einigen Fällen, z. B. um eine Verbindung zwischen Schottland , Irland und Grönland herzustellen, wurde auf die Tiefenstufe von 1000 m hinabgegriffen in stillschweigender Befolgung eines Grundsatzes, die Tiefenstufe von 200 m nicht überall als maßgebend zu betrachten2, der in einer der früheren Arbeiten ausgesprochen, dort aber erst zaghaft befolgt, war. Außerdem sind auch einige wichtige Risse in den Kontinentalsockeln eingetragen; unter ihnen steht als auffallender Geselle auch die Senke im Skagerrag. Zur Berechnung, wie hoch ein schwimmender Block hervor- ragt, braucht man aber nicht nur Angaben über die Lage der oberen Kante, sondern muß auch wissen, wo sich die untere Grenz- linie zwischen schwimmender und tragender Materie befindet. Hier hat nun die geistige Mitarbeit des Lesers einzusetzen und man hat zunächst auf irgend einer Weltkarte abzulesen , daß die Bö- schungen der Kontinentalsockel in etwa 3000 — 4000 m Tiefe sich abzuheben beginnen. Dann muß man sich auf den Boden der Theorie Herrn Wegener’s stellen und annehmen , daß die Ober- fläche der simatischen Meeresboden etwa bei 3000 m Tiefe liegt und daß ein etwas höher oder tiefer beginnendes Herausheben der Kontinentalböschungen auf Terrainwellen der Simaoberfläche beruht. Schließlich braucht man nur noch Herrn Wegener’s Berechnungen, die von der 200 m-Tiefenstufe, der hier völlig gleichgültigen Ober- kante der Kontinentalblöcke, ausgehen, an Hand seiner Angaben umzurechnen auf die untere Grenzlinie und findet dann heraus, was es mit den Beziehungen zwischen Durchschnittshöhe und häu- figster Höhe der Festländer und zwischen Durchschnittstiefe und häufigster Tiefe der Weltmeere auf sich hat. Geht man nämlich vom Meeresspiegel oder der 200 m-Tiefe als Nullpunkt aus, so liegt die mittlere Höhe der Festlandsoberfläche bei 700 m, die häufigste Höhe bei 100 m über dem Meeresspiegel, die mittlere Tiefe des Weltmeers bei — 3600 m, die häufigste bei —4700 m. Zieht man alle Erhebungen über — 3000 m zum Festland, zum Sal-Block, so ergibt sich als mittlere Höhe seiner Oberfläche ungefähr 100 m über den Meeresspiegel und als mittlere Tiefe des Weltmeers etwa — 4500 m. Also verschwindet dann die Differenz der zusammen- 1 A. Wegener, 1. c. c) p. 18. 2 A. Wegener, 1. c. b) p. 186 u. Taf. 36. Was ist eine Arbeitshypothese? 157 gehörigen Werte. Die Methode, dem Leser die Ausarbeitung wesentlicher Teile des Gedankengangs frei zu überlassen, ist kaum nachahmenswert, denn die meisten werden den Zusammenhang nicht verstehen, und wenn sie am Ende der nach einem unzulässigen Nullpunkt orientierten Eechnung gesagt finden , die einzige zu- lässige Erklärung sei, daß die Lithosphäre nicht mehr die ganze Erde in geschlossener Schicht umhülle, sondern daß die Kontinental- tafeln nur noch die zerstückelten und durch Zusammenschub stark verkleinerten Reste einer solchen seien , so werden sie das eine vollständig unbegründete und im übrigen auch unverständliche Be- hauptung nennen. Aber auch wenn man die Rechnung auf den richtigen Nullpunkt bei etwa — 3000 m einstellt, beweist sie nichts für Herrn Wegener’s These. Geht denn etwa aus der Beobachtung, daß eine Eisscholle 10 cm aus dem Wasser ragt, hervor, daß auf dem Wasser nebenan keine Eiskruste sei? Sollten die beigebrachten Proben noch nicht genügend be- legen , daß die unzulängliche Begründung , die Herr Wegener seiner Theorie beigegeben hat, bei irgendwie näherer Betrachtung in die Augen springt, und daß die ganze Theorie nur aufgestellt werden konnte infolge von leichtfertiger Handhabung der wissen- schaftlichen Methoden und Unkenntnis des geologischen Fachgebiets, so bin ich in der Lage — zwar keineswegs „gern bereit“ — , seine Argumente Schritt für Schritt durchzugehen und nachzu- weisen, daß die Gelegenheiten, einen hochtrabenden Gallimathias an- zubringen, ausgiebig und mit Erfolg benutzt sind, daß die vor- gebrachten Argumente teils auf Mißverstand beruhen , teils nicht das beweisen, was bewiesen werden soll, und daß drittens das, was eigentlich in Betracht zu ziehen war, fast regelmäßig unbe- achtet geblieben ist. Wenn man dann weiter findet, daß auf Grund solcher eigenen Leistungen der Verfasser bemerkt , die „ältere Theorie“ habe in ihrer Darstellung bei Suess zu „unge- reimten“ Konsequenzen geführt1 und Koken habe bei der Betrach- tung der permischen Eiszeit „etwas verzweifelte“ Auswege ein- geschlagen 2, so kann man nur um Innehaltung der nötigen Distanz ersuchen und die Bitte daran schließen, doch künftig die Geologie nicht weiter zu beehren, sondern Fachgebiete aufzusuchen, die bisher noch vergaßen, über ihr Tor zu schreiben: 0 heiliger Sankt Florian, Verschon’ dies Haus, zünd’ andre an! Wegen der stets wiederholten Entschuldigungen aber, daß die Theorie noch abänderungsbedürftig und noch nicht fertig sei, vergleiche man einen Ausspruch Goethe’s, der von Dilettanten 1 A. Wegener, 1. c. c) p. 81. 2 Ebenda c) p. 83. 158 M. Semper, handelt, die niemals fertig' werden können, weil sie nicht richtig* anzufangen verstehen. Es wäre auch nicht nötig gewesen , auf diesen mißglückten Versuch, „der Erde das Fell über die Ohren zu ziehen“ so breit einzugehen, wenn die Theorie nicht inzwischen Anhänger gefunden hätte, die entweder nicht bemerkten, wie schlecht sie begründet ist, oder sie trotzdem für erwägenswert hielten. Ich vermute zwar, daß diese Herren sämtlich nach Kenntnisnahme von Herrn Wegener’s jüngster Veröffentlichung von ihm abrlicken werden, denn diese zeigt in unverhüllter Nacktheit die Schwächen, die bei den ersten Aufsätzen nicht so erkennbar waren oder durch Rücksichten auf die beschränkte Dauer eines Vortrags oder auf den knappen Raum einer überlasteten Zeitschrift entschuldigt werden konnten. Trotzdem ist die Tatsache bemerkenswert, daß ganz in den luf- tigen Höhen der Phantasie schwebende Gedanken Zustimmung* fanden. So nahm Herr Dacque die Theorie ganz und gar und mit offenen Armen auf, stellte sie sogar auf einen Ehrenplatz unter den paläogeographischen Lehren1 2. Herr K. Andree erblickte in der Vorstellung, daß die Ozeanböden aus Sima beständen, eine brauchbare Arbeitshypothese, verhielt sich gegen den Gedanken an Kontinental Verschiebungen aber „skeptisch“ 3, während Herr Franz X. Schaffer den letzteren Gedanken ganz und gar ab- lehnte und jenen ersteren nur als möglich unter großer Zurück- haltung erwähnte4. Die Frage ist nun zunächst , ob von diesen Herren etwa Beobachtungen zur Stütze der Theorien angeführt sind. In dem Lehrbuch Herrn Schaffer’s war dafür kein Raum , und die Aufmerksamkeit richtet sich zunächst auf Herrn Dacque , der diesem Thema beträchtlichen Raum widmet. Die Frage der Kon- tinentalverschiebungen wird da besprochen im Zusammenhang mit 1 Mit diesem Ausspruch und einem freundlichen Lächeln fertigte Zittel meine, gegen die Herrn Wegener’s gehalten, sehr bescheidenen Ideen über Kontinentalverschiebungen ab, die in der ersten, 1893 verfaßten. Entwurfskizze zu meiner Inauguraldissertation über die klimatischen Ver- hältnisse des Eocän enthalten waren. Die Einzelheiten der Theorie, die so begraben wurde, haben kein Interesse, aber ich darf wohl bemerken, daß die Entstehung der tertiären Faltungen in ein System gebracht und immerhin um einiges genauer durchgearbeitet war als die einschlägigen Theorien Herrn Wegener's. Schade, daß seinen Theorien nicht ein ebenso glückliches Ende zuteil wurde. Er hätte dann, ebenso wie ich, eine ver- gnügte Erinnerung an die fröhliche Feier des Leichenbegängnisses. 2 E. Dacque, Grundlagen und Methoden der Paläogeographie. Jena 1915. Besonders p. 93 und 182. 3 K. Andree, Über die Bedingungen der Gebirgsbildung. Berlin 1914. Besonders p. 55 — 58. 4 Franz X. Schaffer, Grundzüge der allgemeinen Geologie. Leipzig und Wien 1915. p. 10—12. Was ist eine Arbeitshypothese? 159 dem Problem der Permanenz der Ozeane, also des vorläufig- un- lösbaren Widerspruchs zwischen den geologischen Erfahrungen, die zur Annahme von Landverbindungen hinweg über heutige Tiefseeregionen zwingen, ohne genügend ausgedehnte vorzeitliche Tiefseeregionen sicher aufzeigen zu können, und andern mehr geo- graphisch-geophysikalischen Erwägungen , die u. a. von der Not- wendigkeit ausgehen, die durch jene Landbrücken gewissermaßen obdachlos gewordenen Tiefseegewässer irgendwo unterzubringen. Herr Dacque fand, daß die WEGENER’schen Theorien dem Per- manenzproblem seine Widersprüche nähmen, war sich aber bewußt, zunächst die Konsistenz der Theorie mit beobachtungsmäßig ge- wonnenen andern Lehren der Paläogeographie prüfen zu müssen. Seine Worte lauten: „Konstruieren wir uns nun auf Grund der WEGENER’schen Anschauungen eine Erdkarte , auf der Amerika dem euro- päisch-afrikanischen Kontinent genähert erscheint und auch Australien samt Neuguinea in seine vermutliche frühere Lage zurückgebracht ist; sehen wir ferner ab von den ganz unter- geordneten Elementen und nehmen wir zudem an , daß bei diesem Auseinanderrücken der Kontinente immerhin Teile in die Tiefe sanken; zeichnen wir uns auf dieser Unterlage etwa die nach althergebrachter Weise nachgewiesenen juras- sischen Kontinentalmassen — nordatlantischen und südatlan- tischen Kontinent, Lemuria und die notwendigerweise aus den stratigraphischen Verhältnissen der südamerikanischen Anden zu fordernden kleineren pazifischen Landmassen — ein, dann bekommen wir in ostwestlicher Richtung wesent- lich verkürzte Nord- und Südkontinente in früherer Zeit; die Landmassen der Nord- und Südatlantis und des Gond- wanakontinents rücken eng zusammen. Als Gegenstück zu dieser Landhalbkugel erhalten wir eine pazifische Wasser- kugel, groß genug, um alle Wassermassen aufzunehmen, und geeignet, den wahren Ort der Tiefsee seit paläozoischer Zeit zu bilden“ L Indessen wird Herr Dacque zugeben, daß damit noch keines- wegs alle Möglichkeiten der Prüfung erschöpft sind, sondern daß man außer den Streichriclitungen der Gebirge , die oben bereits besprochen wurden, noch die maringeographischen Verhältnisse in den verschiedenen Perioden in Betracht ziehen kann. Es liegen ja zwei darauf bezügliche Darstellungen bequem zur Hand, näm- lich Koken’s Studie über das indische Perm und die permische Eiszeit1 2 und Uhlig’s umfangreicher Aufsatz über die marinen 1 E. Dacque, 1. c. p. 182. 2 E. Koken, Indisches Perm und die permische Eiszeit. N. Jalirb. f. Min. etc. Festband 1907. Besonders p. 526 und Taf. XIX. 160 M. Semper, Reiche des Jura und der Kreide *, und da sich aus ihrer Heran- ziehung allerlei Erwägenswertes ergibt, so wäre ein kurzer Hinweis darauf nicht unangebracht gewesen, selbst in einem Werke, das sich nicht auf paläogeographische Einzelheiten , sondern auf Me- thoden und Grundlagen bezieht. Leider hat Herr Dacqu:e seinen Kartenentwurf nicht mitgeteilt, und so muß man auf dem Entwurf Herrn Wegener’s fußen , der die Kontinente beiderseits des At- lantik nicht bloß nähert, sondern sie aneinanderpreßt, und hat dann nachträglich zu bedenken, daß manches wohl abgeschwächter zu denken ist, als es nach der extrem durchgeführten Karte er- scheint. Trägt man nun , wie auf der obigen Figur geschehen, nach Uhlig die Jurakontinente ein, so ergibt sich eine starke Einengung des Verbindungsmeers zwischen der Tethys und dem südandinen Gebiet. Der schmale und lange Kanal, der vom mitt- leren Atlantischen Ozean iibrigbleibt , mag auch etwas breiter angenommen werden können , auf keinen Fall darf man ihn aber auf die Kontinentalkörper ausdehnen , da sowohl in der westlichen Sahara wie an der atlantischen Küste der Vereinigten Staaten erst die Kreidezeit eine marine Invasion brachte. Diese geographische Gestaltung der Meere macht nun keineswegs die enge faunistische Verwandtschaft zwischen Lias, Dogger und un- terer Kreide der Tethys und der südandinen Provinz begreiflicher, und es ist auch nicht ersichtlich, daß irgend ein Umstand tier- geographischer oder sonst paläontologischer Art bei Annahme dieser Zusammenschiebung klarer zu durchschauen wäre als bei der heu- tigen Lage der Kontinente. Günstiger für die Verschiebungstheorie sieht die Eintragung der permischen Festländer aus. Das isolierte Zechsteinmeer in Neuschottland rückt ganz in die Nähe des europäischen, würde also, wenn die Fauna oder etwas anderes nicht widerspricht, mit diesem in Anschluß gebracht werden können. Zwischen Tethys und südamerikanischem Perm besteht kein engerer Zusammenhang, sondern die südamerikanischen Beziehungen weisen zum Stillen Ozean und nach Indien , so daß also kaum Anlaß besteht , eine Meeresverbindung nach Nordosten, nicht einmal durch einen engen Kanal, anzunehmen. Aber dafür taucht die Schwierigkeit auf, daß Koken sich veranlaßt sah , die Existenz einer permischen Land- verbindung zwischen Südamerika und Afrika zu bezweifeln. Ich habe hier nicht diese Schwierigkeiten zu besprechen, sondern nur darauf hinzuweisen, daß sie bestehen und daß noch viel zu untersuchen und zu ordnen ist, ehe man in der Paläo- geographie mit der Kontinentalverschiebung als einer gültigen Hypothese rechnen kann. Aber — so wird Herr Dacque viel- 1 V. Uhlig, Die marinen Reiche des Jura und der Unterkreide. Mitteil. d. Geol. Ges. Wien. 4. 1911. Besonders p. 247 ff. und Taf'. XIII. \ Was ist eine Arbeitshypothese? 161 leicht entgegnen — sie soll ja auch nur eine Arbeitshypothese sein und hat sich als solche bewährt, da man sich mit ihr vieler und großer Schwierigkeiten wenigstens vorläufig entledigen kann. Für eine Arbeitshypothese wird ja der Nachweis völliger Kon- sistenz nicht gefordert und er ist auch nicht anzuliefern. „Arbeitshypothese“ ist eine nicht besonders glückliche Über- setzung von „working hypothesis“, eine zuerst im Bereich der englischen Forschungs- und Denkungsweise nach ihrem logischen Wesen erkannte Art von wissenschaftlicher Annahme. Die eng- lische Denkweise ist, was hier nicht näher besprochen werden kann, aber auch kaum viel bezweifelt werden wird, vorzugsweise auf das Beobachten gerichtet, weniger auf das theoretische Ver- arbeiten der Beobachtungsergebnisse. Der Hauptzweck der working hypothesis besteht darin , daß sie alle Erwägungen theoretischer Art aus dem Gesichtskreis des Beobachters verbannt, damit er sich ungestört dem Beobachten hingeben kann. Eine weitere Eigen- tümlichkeit des englischen Geistes ist die Neigung, die Beobach- tungsgebiete zu isolieren und auf die Herstellung von Konsistenz zwischen verschiedenen Beobachtungsgebieten so wenig wie mög- lich Aufmerksamkeit zu verwenden. Keine dieser Voraussetzungen, die das eigentliche Wesen des für Arbeitshypothesen geeigneten Bodens ausmachen und die auch allein die Anwendung von Arbeits- hypothesen rechtfertigen , trifft zu für Fragen , die seitens der Herren Andree und Dacque mit der Theorie der simatischen Meeresboden und der Kontinentalverschiebungen behandelt werden sollen. Die Lehre vom Massenüberschuß und Massendefekt ist in der Geophysik eine unverkennbare und vollberechtigte Arbeitshypothese : sie liefert eine handliche Ausdrucksweise für die Erfahrungen über die geographische Verteilung der Schwerkraft. Es wird ja auch bei der Arbeit, bei der Messung der Schwere, gar nicht nach den Ursachen, der verschiedenen Schwere, sondern nur nach der Größe und dem Ort der Abweichung gefragt, und deshalb wird auch nur Handlichkeit und eine gewisse Anschaulichkeit, Einfach- heit und allgemeine Verständlichkeit von der Hypothese verlangt. Übernimmt man nun diese Arbeitshypothese in ein benachbartes Arbeitsgebiet, zieht aus ihr theoretische Schlüsse, obwohl sie ge- rade gewählt wurde, um theoretische Schlüsse dem Beobachter zu ersparen, und verwendet man ein nur zu analytischen Zwecken geeignetes Werkzeug nun gerade bei synthetischer Arbeit, so hat man wahrlich einen „guten Zwirn in die bösen Säcke vernäht“. Die Hypothese hört dann sofort auf, eine Arbeitshj^pothese zu sein, wird als allgemeingültige Hypothese aufgestellt und bedarf nun auch der Konsistenzprüfung, die früher, als auf ihren Inhalt nichts, sondern alles auf ihre Handlichkeit ankam , ruhig unterbleiben konnte. Deshalb ist die Hypothese vom Massenüberschuß und Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 11 162 M. Semper, Was ist eine Arbeitshypothese V Massendefekt, wenn sie auf geologische Fragen angewendet wird, keineswegs von einer auf geophysikalischem Gebiet erworbenen Autorität umstrahlt, denn es hat ihr dort ja niemand für theo- retische Zwecke Autorität zugeschrieben. Deshalb hat auch der Begriff „Arbeitshypothese“ in synthetischen Untersuchungen, wie die Schriften der Herren Andree und Dacque solche darstellen, durchaus keine Existenzberechtigung. Bei Synthesen gibt es nur konsistente oder inkonsistente Hypothesen ; Synthesen sind über- haupt nur möglich insoweit, als die verarbeiteten Hypothesen für das ganze in Betracht kommende Gebiet nachweislich konsistent sind oder als konsistent vermutet werden können. Ein Mittelding, das etwa „vorläufige und nicht einwandfreie, aber wegen teilweiser Brauchbarkeit allgemeine Bedeutung erstrebende Hypothese“ be- deutete, also das, was sehr oft, aber mißverständlich als Arbeits- hypothese bezeichnet wird, ist für synthetische Arbeit einfach eine inkonsistente, demnach untaugliche Hypothese, und wenn im Rahmen der bisherigen Kenntnisse für sie kein besserer Ersatz zu schaffen ist, so müssen die Probleme eben als unlösbar stehenbleiben, und die wissenschaftliche Synthese ist am Ende ihrer Arbeit angelangt, wenn sie die vorhandenen Widersprüche allseitig klargestellt hat. Psychologisch begreiflich ist es ja, daß der einzelne, bedrängt von solchen Problemen, seine Anforderungen an die Konsistenz der Hypothesen unwillkürlich und unbewußt etwas herabschraubt, wenn sich so eine Möglichkeit zeigt, der Schwierigkeiten den- noch Herr zu werden. Aber auch hier ist es empfehlenswert, dann das Kind beim rechten Namen zu nennen und nicht der Duldsam- keit ein Mäntelchen umzuhängen durch Umdeutung des Begriffs „Arbeitshypothese“. Sonst besteht unweigerlich die Gefahr, daß eine nirgends auf ihre Konsistenz geprüfte Hypothese Autorität gewinnt, nur weil jeder glaubt, der Nachbar wisse sie zu stützen, eine Gefahr, die im Falle der Kontinentalverschiebungstheorie be- reits akut zu werden drohte. Es gibt Denkoperationen, die wie „absteigende Umformung des Gedankengangs“ nur in der Synthese, andere, wie die Ver- wendung von Arbeitshypothesen, die nur in der Analyse statthaft und erfolgreich sind. Der „gesunde Menschenverstand“ hat keinen Anlaß, sich um solche Unterscheidungen zu kümmern, aber er reicht für sich allein auch nicht immer aus zur richtigen Hand- habung der wissenschaftlichen Methoden. Es ist unvermeidlich, daß eine Forschung, die in jahrzehntelanger rein analytischer Arbeit ohne besondere Schulung mit dem „gesunden Menschenverstand“ auskam, nun bei Hinwendung zu Synthesen sich zuweilen im Hand- werkszeug vergreift. Ein Tischler, der einen groben Hobel nimmt, wo er eine feine Feile nötig hätte, versieht sich nicht ärger, als ein Synthetiker, der glaubt, seine Aufgabe mit Arbeitshypothesen lösen zu können. CI. Leidhold, Ueher die Verbreitung der Ostrakoden etc. 163 Nachschrift. Vorstehendes war bereits zum Druck eingesandt, als Herrn Soergel’s ausführliche Arbeit über dasselbe Thema erschien L Aus dieser ersah ich, daß Herr C. Diener bereits die geologischen Erfahrungen zusammengestellt hatte, an denen die Theorie Herrn Wegener’s scheitert1 2. In einem Aufsatz Herrn Molengraaff’s, den ich während der Korrektur erhalte , werden nun gleichfalls Irrtümer Herrn Wegener’s aufgedeckt; dennoch aber wird schließ- lich die „kühne“ Theorie über die Horizontalverschiebung der Kontinente als möglich zugelassen und die der simatischen Meeres- boden voll anerkannt3. Man entschließt sich eben schwer zum Verdacht, es könne jemand mit solcher Überzeugungssiclierheit doch nur ganz unzulänglich verarbeitete Ideen vorgetragen haben. Ich bekenne also, daß ich in geologischer Beziehung nichts Neues beizutragen hatte, daß es aber nützlich schien, die methodologische Seite der Frage zu beleuchten, was nicht ohne Eingehen auf jene geologischen Erfahrungen geschehen konnte. Für die Tatsachen, die Herr Molengraaff mit der WEGENER’schen Thorie in Einklang findet, muß eben eine andere Erklärung gesucht werden, solange diese Theorie als bloßes Phantasiespiel und ohne die unbedingt erforderten eigenen Beobachtungsgrundlagen dasteht. Über die Verbreitung der Ostrakoden im Unterdevon rheinischer Fazies. Von CI. Leidhold in Straßburg i. E. In den folgenden Zeilen sind einige Bemerkungen gebracht über die Verbreitung der Ostrakoden im Unterdevon rheinischer Fazies, wie ich sie ursprünglich in anderem Zusammenhang für eine Arbeit zusammengestellt hatte. Da die Vollendung dieser Arbeit mir nicht mehr möglich ist, seien die betreffenden Angaben hier mitgeteilt, zumal über die Bedeutung dieser Tierordnung innerhalb der rheinischen Unterdevon-Fauna verschiedentlich Vor- stellungen bestehen, die unserer wirklichen Kenntnis nicht ent- sprechen. So erwähnt auch H. L. F. Meyer neuerdings in einer 1 W. Soergel , Die atlantische Spalte. Kritische Bemerkungen zu A. Wegener’s Theorie von der Kontinentalverschiebung. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1917. Monatsberichte, p. 200 — 239. 2 C. Diener, Die Großformen der Erdoberfläche. Mitt. d. k. k. geogr. Ges. Wien. 1915. p. 329—349. 3 G. A. F. Molengraaff, The coral reef problem and isostasy. Proc. Kon. Akad. Wetenschappen te Amsterdam. 19. p. 610—627; besonders p. 612, 618, 619, 621, 625, 626. 164 CI. Leidhold, Ueber die Verbreitung der Ostrakoden Arbeit über den Lahnporphyr bei Diez gelegentlich des Vorkommens von zahlreichen Ostrakoden in den Diezer Schiefern der westlichen Lahnmulde1, die von ihm hauptsächlich auf Grund ihrer Fauna in das untere Mitteldevon gestellt werden, nur zwei unterdevonische Vorkommen: „Als neritisch müssen wir die zwei bisher bekannten unterdevonischen Vorkommen (von Ostrakoden) im Rheinischen Schiefergebirge bezeichnen“ etc. (1. c. p. 507). Derartige Angaben können leicht zu der Vorstellung verleiten, daß Ostrakoden im rheinischen Unterdevon große Seltenheiten sind. Demgegenüber sei festgestellt, daß unterdevonische Ostrakoden von einer ganzen Reihe Örtlichkeiten des Schiefergebirges bekannt sind und hier in allen Unterdevonstufen auftreten. Es ist erklärlich, daß diese kleinen Fossilien oft übersehen wurden ; auch sind die Angaben in der Literatur hierüber weit zerstreut, z. T. in Anmerkungen nieder- gelegt, und daher weniger beachtet. Sie sind indessen für einige Gebiete und in manchen Lagen recht charakterisiert und wohl beachtenswert. Als bekanntestes und ältestes ist das auch von Meyer er- wähnte Vorkommen in der Coblenz-Stufe von Offdilln im Dillen- burgischen zu nennen 2. Hier liegen nach Sandberger die Ostra- koden, stellenweise massenhaft auftretend, in „hellgrauen, durch Eisenspat verkitteten , aber meist schon stark ausgelaugten und mit Quarzsubstanz imprägnierten Sandsteinbänkchen“. R. Jones3, der die von Sandberger neu aufgestellten Arten beschrieben hat. gibt von Offdilln an : Primitia mundula var. sacculus Jones, Bey- ricliia devonica Jones, Beyrichia strictisulcata Jones, Bollia varians. Strepula ? annulata Jones4, Brepanella serotina Jones. Bald darauf beschrieb E. Kayser5 die bereits von Roemer und anderen ge- fundenen Beyrichien des türkischen Unterdevon. Da sich das Unterdevon des Bosporus faziell teilweise eng an das rheinische anschließt, sei auch hier auf die türkischen Beyrichien hingewiesen. 1 Der Lahnporphyr bei Diez und eine begleitende Fauna. Dies. Centralbl. 1914. p. 469—473 u. p. 503—511. 2 Jahrb. Nass. Ver. f. Naturk. 1889. 42. p. 33. — Zur Bezeichnung der einzelnen Unterdevonstufen verwende ich die von Holzapfel vor- geschlagene Benennung nach Örtlichkeiten unter Zugrundelage der von A. Dumont gebrauchten Namen. Demgemäß wird das Unterdevon ge- gliedert in: 1. Gedinne-Stufe, 2. Siegen-Stufe, 3. Coblenz-Stufe (Untere Coblenzschichten), 4. Ems-Stufe (Coblenzquarzit, Obere Coblenzschichten, Oberste Coblenzschichten). 3 Annals a. magazine of Natur. Hist. 6. Ser. 15. 1895. p. 59—67. PI. VII. 4 Von Sandberger aus der Coblenz-Stufe erwähnt; nach Jones aus Orthoceras- Schiefer. 5 Devon-Fossilien vom Bosporus. Beiträge z. Paläont. u. Geologie Österr.-Ung. 1898. 12. p. 27 ff. PI. I. im Unterdevon rheinischer Fazies. 165 Kayser gab der Form den neuen Namen Beyrichia Roemeri Kays. Es muß vermerkt werden, daß schon früher R. Jones 1 die von Dumont aus der Türkei mitgebrachten Beyrichien als Beyrichia devonica Jones bestimmt hatte ; immerhin ist seine Abbildung recht mäßig. Die Angaben Kayser’s über das Vorkommen der Art am Bosporus ist dahin zu ergänzen, daß sie dort an den verschiedensten Fundpunkten auftritt und zusammen mit Pleurodictyum Constcmtino- pölitanum F. Roem. eine Charakterform des türkischen Unterdevon bildet. Sie tritt hier sowohl in Grauwackenschiefern, als auch in kalkigen Ablagerungen vom Alter der Ems-Stufe auf. An einer anderen Stelle (Yakadjik) findet sie sich in kalkig mergeligen Schichten, die einen starken Einschlag böhmischer Formen wie Hercynella und Troclioceras aufweisen2. Weiterhin beobachtet Holzapfel bei seinen Kartierungen auf Blatt St. Goarshausen3 das Vorkommen von Beyrichia devonica J. in dünnen, Brauneisenstein führenden Sandsteinbänken zwischen Schiefern vom Alter der Coblenz-Stufe. Wie ich mich an Hand- stücken von der Rödershell überzeugen konnte, ist auch hier das Gestein, ähnlich wie bei dem Vorkommen von Offdilln, erfüllt von Steinkernen der betreffenden Beyrichia. A. Fuchs 4, der die Gliede- rung der Hunsrückschiefer und der Untercoblenzschicliten des Mittelrheingebietes nach eingehenden Untersuchungen dargelegt hat, stellt die Anwesenheit von Beyrichia devonica J. noch von vielen anderen Örtlichkeiten fest. Bei der Einteilung der Coblenz-Stufe dieses Gebietes spricht er direkt von einer „Zone der Beyrichia devonica11. Bei vergleichenden Studien im Siegener Faziesgebiet hebt derselbe Forscher5 das Vorkommen von „Beyrichienbänken“ in den Daadener Schichten (Coblenz-Stufe) hervor; eine hier neu erscheinende Art, Beyrichia tetrapleura Fuchs, ist letzthin von ihm beschrieben und abgebildet worden 6. Die Aufnähmearbeiten Denck- mann’s im Siegerland führten auch hier, besonders auf Blatt Siegen, zur Entdeckung neuer Fundstellen von Beyrichien. W. E. Schmidt7, der das reiche Material vervollständigt und bestimmt hat, führt aus den von Denckmann unterschiedenen Horizonten 3 bis 6 der Siegener Schichten eine neue Beyrichia von den verschiedensten Aufschlüssen an. Gleichzeitig berichtet Koehne 8 u. a. über Fund- 1 Quaterly Journal. 1890. 46. p. 536. PI. XX fig. 1. a Cl. Leidhold, dies. Centralbl. 1912. p. 721. 3 Erläuterungen zu Blatt St. Goarshausen der Kgl. preuß. geol. Landesaufnahme. 1904. p. 16. 4 Besonders in: Stratigraphie des Hunsrückschiefers etc. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1907. p. 96 — 119. 5 Dies. Centralbl. 1911. p. 712 ff. 6 Abhandl. d. preuß. geol. Landesanst. N. F. 79. p. 77. Taf. 18 Fig. 11 — 13- 7 Jahrb. d. k. preuß. geol. Landesanst. 28. p. 429 — 456. 8 Vorläufige Mitteilung über eine Obercoblenzfauna etc. Ebenda, p.219. 166 CI. Leidhold, Ueber die Verbreitung der Ostrakoden punkte von zwei neuen häufig auftretenden Beyrichia- Arten in der Ems-Stufe des südlichen Sauerlandes. Von allen diesen neuen Arten stehen indessen Beschreibungen und Abbildungen noch aus. Das zweite von H. L. F. Meyer erwähnte Vorkommen bezieht sich auf Bollia varians Jones und Beyrichia strictisulcata Jones, die von K. Walther 1 aus den Kieselgallenschichten der Ems-Stufe von Boßbach angegeben werden. Vom Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges sind aus den Remscheider Schichten des Bergischen Landes durch Fuchs und Spriestersbach 2 Anhäufungen von Beyrichien, Beyrichia montana Spriest. und Beyrichia embryoniformis Spriest. bekannt geworden. Die Remscheider Schichten gehören faunistisch zum Unterdevon ; die genannten Autoren stellen die Fauna in die Nähe der Ems- Stufe. Interessant ist die Art des Vorkommens. Es heißt in der betreffenden Arbeit bei Beyrichia montana : „Die Art kommt an fast allen Fundorten des Gebietes in ungeheurer Zahl vor, so daß die damit bedeckten glatten Schiefer wie feinkörniges, etwas zer- riebenes, sandiges Gestein aussehen.“ Die Kenntnis weiterer Vorkommen verdanken wir W. Kegel, der in seiner Arbeit über den Taunusquarzit von Katzenelnbogen 1 * 3 sowohl aus dem Taunusquarzit, als auch aus Siegener Schichten und unteren Coblenzschichten einige Formen neu beschreibt oder Angaben über Ostrakoden aus diesen Ablagerungen gibt; er ver- merkt übrigens bereits die weitere Verbreitung mancher Arten. Es wurden gefunden : Kloedenia Kayseri Kegel, Beyrichia nasso- viensis Kegel, Beyrichia cf. nassoviensis Kegel, Beyrichia Boemeri Kays. Immerhin möchte ich nicht so weit gehen wie Kegel und nun gleich Beyrichia nassoviensis Kegel als Leitform des Taunus- quarzits ansehen. Seit langem bekannt sind die Ostrakoden der unteren Gedinne- Stufe der Ardennen, deren Fauna neuerdings M. Leriche4 revidiert hat. Es sind hier die gelegentlich fossilführenden Schiefer von Mondrepuis, in denen einige Arten, nämlich Primitia Jonesi de Kon., Beyrichia Kloedeni Mac Coy, Beyrichia sp. gefunden werden. Die erste Art ist in manchen Lagen der Schiefer von Mondrepuis5 recht häufig. 1 N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XVII. p. 34, 35. 3 Abhandl. d. k. preuß. geol. Landesanst. N. F. Heft 58. p. 48 ff. 3 Abhandl. d. k. preuß. geol. Landesanst. N. F. Heft 76. 4 La faune du Gedinnien inför. de l’Ardenne. Möm. du Musee royal d’Hist. natur. de Belg. 1912. 6. 5 In betreff der stratigraphischen Stellung der Schiefer von Mond- repuis wie überhaupt der ganzen unteren Gedinne-Stufe muß bemerkt werden, daß nach Angabe von Leriche und anderen belgischen Autoren letztere faunistisch durchaus dem oberen Ludlow zuzurechnen ist; als tiefstes Devon wären dann die Schiefer von Oignies der „oberen“ Gedinne- im Unterdevon rheinischer Fazies. 167 Im Luxemburger Unterdevon fand ich Beyrichia Bocmeri Kays. im Coblenzquarzit von Munshausen, und massenhafte, allerdings meist schlecht bestimmbare Ostrakoden in dünnschieferigen, Pflanzen- reste führenden Obercoblenz-Tonschiefern zusammen mit zahlreichen Exemplaren von großen Paracyclas rugosa und Spiriferen bei Roders- hausen im Ourtal an der preußisch-luxemburgischen Grenze. Aus der höheren Ems - Stufe der Dinant - Mulde sind mir Beyrichien bekannt von Couvin und Jemelle. An letzterem Ort liegt die betreffende Form, Beyrichia cf. devonica, neben Crinoiden- stielgliedern, kleinen Homalonotus- und (7r^p7mews-Schwanzschildern und einer kleinen Centronclla Guerangeri de Vern. in einem eisen- schüssigen Sandstein. Eine Übersicht über die verschiedenen rheinischen Unterdevon- Ostrakoden und ihre Verteilung in den einzelnen Stufen gibt die folgende Tabelle: Gedinne- Stufe Siegen- ; Stufe ! I Coblenz- Stufe Ems- Stufe Primita Jonesi de Kon + 1 „ mundulav&Y. sacculus Jones + 1 Beyrichia Kloedeni Mac Coy . . 4- * * ,, strictisulcata Jones . . + + Boemeri Kays i ' + + 1 + devonica J + + ,, nassoviensis Kegel . . 4 cf. nassoviensis Kegel + „ montana Spriestersb. + + tetrapleara Fuchs . . + „ embryoniformis Spriest. + Beyrichia sp. nov. auctorum . . + + Bollia varians Jones + Drepanella serotina Jones . . . + • ? Strepula annulata Jones .... + Kloedenia Kayseri Kegel . . . ! | Im ganzen sind einstweilen 15 Arten festgestellt, und zwar sowohl im rechtsrheinischen als auch linksrheinischen Unterdevon. Inwieweit die einzelnen, anscheinend nur in bestimmten Stufen vorkommenden Arten auf diese beschränkt sind, bleibt abzuwarten. Stufe anzusprechen. Die von den Lagerungsverhältnissen ausgehende ältere Einteilung ließ die Formation in den Ardennen natürlich und mit Recht mit dem diskordant gelagerten Konglomerat von Fepin der unteren Gedinne-Stufe beginnen. 1 u. a. Oberstadtfeld. 168 Personalia. Wenn auch die Verbreitung* und Bedeutung der Ostrakoden des rheinischen Unterdevons nicht eine derart allgemeine ist, wie z. B. in manchen Silurstufen, so erlangen sie doch eine weitere Ver- breitung und sind für bestimmte kleinere Faziesgebiete recht charakteristisch; sei es, daß sie, dünne Bänkchen erfüllend, in be- stimmten Horizonten auftreten, sei es, daß sie vereinzelter Vor- kommen. In ersterem Fall zeichnen sie sich dann durch große Individuen und geringe Artzahl aus. Immerhin sollten sie bei der Gesamtbetrachtung der Unterdevonfauna nicht außer acht gelassen werden. Sie finden sich gern mit wenigen gewissen Formen ver- gesellschaftet, z. T. mit eintönigen Tentaculiten, andernorts, wie am Mittelrhein und in den Daadener Schichten mit Limoptera bifida. An eine bestimmte Gesteinsfazies sind die rheinischen Unterdevon-Ostrakoden nicht gebunden. Sie treten sowohl in rein- sandigen Ablagerungen, wie in eisenschüssigen Lagen, als auch in Tonschiefern und Kalkbildungen auf. Man kann m. E. ebenso wie von einer Ostrakodenfazies des Oberdevon (Cypridinenschiefern) mit gutem Recht auch von einer Ostrakodenfazies des rheinischen Unterdevon sprechen. Schon Frech2 erwähnt bei Besprechung der Faziesbildungen im Unterdevon die Ostrakoden, bemerkt aber dazu: Ostrakodenschiefer, nur im tiefsten Unterdevon Belgiens. Die Aufmerksamkeit auch auf die Ostrakodenfazies der anderen Unterdevonstufen zu lenken, mag durch vorstehende Literaturstudie dargetan sein. Personalia. Am 25. Februar d. J. starb in Hannover im 76. Lebensjahre der langjährige Leiter der Mineralogischen Abteilung des Provinzial- museums in Hannover, Adolf Andree. Von Beruf Apotheker, zogen ihn seine Neigungen vor allem zur Botanik und Mineralogie. Zahlreiche Reisen in Deutschland und im Mittelmeergebiet er- weiterten seinen auf breitester naturwissenschaftlicher Basis be- ruhenden Gesichtskreis, manche Veröffentlichungen pharmazeutisch- chemischen, botanischen und mineralogischen Inhaltes entstammen seiner Feder. Niedersächsischer botanischer und geologischer Verein verdanken mit seiner Initiative ihr Entstehen, welches der Natur- historischen Gesellschaft in Hannover zu neuem Leben verhalf. Der Verstorbene zählte zu den besten Kennern der nordwest- deutschen Flora, und seine mehr als 20jährige ehrenamtliche Tätig- keit an den mineralogischen Sammlungen des hannoverschen Pro- vinzialmuseums hat dieselben zu hoher Blüte gebracht. 1 Fuchs, 1. c. p. 713. 5 Lethaea geognostica. 2. p. 130. K. Busz und M. Waterkamp, Monazitführender Granit etc. 169 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Monazitführender Granit aus dem Trachyttufi von Königswinter. Von K. Busz und M. Waterkamp. Mit 1 Textfigur. Bei der weiteren Untersuchung' der Auswürflinge aus dem Trachyttuff der Hölle bei Königswinter fiel uns ein Gestein auf, das makroskopisch große Ähnlichkeit mit den dort häufiger auf- gefundenen Sanidiniten zeigte, aber gleichzeitig durch die zahl- reichen darin enthaltenen Bruchstücke eines kristallinen Schiefers besonderes Interesse erregte. Die nähere Untersuchung ergab, daß hier ein Granit vorliegt, der im wesentlichen aus Feldspat, Quarz, Eisenerz — hauptsächlich Pyrit — und Biotit besteht und besonders dadurch bemerkenswert ist, daß er Monazit enthält, und zwar in beträchtlicher Menge. Das Gestein ist von hellgrauer Farbe, stellenweise durch Eisenhydroxyd gelblich gefärbt. Es hat eine feinkörnige, kompakte Struktur, ist aber von zahlreichen Hohlräumen durchsetzt, die durch Auslaugung der Pyritkristalle entstanden sind, was sich aus der Würfelform der Hohlräume und deren teilweisen Ausfüllung mit Eisenhydroxyd oder Brauneisen erkennen läßt. Der bei weitem vorherrschende Gemengteil — Feldspat — ist stark durchtränkt mit einer bräunlichen, fast schwarzen Masse, die in annähernd parallelen Zügen den Kristallen eingelagert ist, und die auf das polarisierte Licht nicht einwirkt. Als Einschlüsse finden sich gut pleochroitische, kleine Biotitblättchen. Die hellen, klar durchsichtigen rundlichen Quarzkörner, die außer vereinzelten Einschlüssen nur auf den unregelmäßig ver- laufenden, scharf hervortretenden Spaltrissen Infiltrationsprodukte, meist Eisenhydroxyd, aufweisen, treten durch diese Eigenschaften sowie durch die etwas höhere Doppelbrechung recht deutlich neben dem Feldspat hervor. Sie zeigen stets einheitliche Auslöschung. Biotitblättchen treten auch hier als Einschluß auf. Der Quarz füllt teilweise die Lücken zwischen den Feldspatkristallen aus. Doch wurden auch deutlich sechsseitige Querschnitte beobachtet. Er tritt an Menge und Größe sehr gegen Feldspat zurück. Biotit ist ziemlich spärlich vorhanden und nur z. T. in gut- erhaltenen Kristallen zu beobachten. Er wurde fast nur in Ge- meinschaft mit Pyrit gefunden und ist bisweilen ganz von diesem eingeschlossen. 11* 170 K. Busz und M. Waterkamp, Pyrit ist ein ziemlich häufiger Gemengteil und tritt sowohl in unregelmäßig begrenzten Körnern als auch in Kristallen auf. Im Dünnschliff ist er an seiner messinggelben Farbe, verbunden mit Metallglanz, leicht erkennbar. Manche Individuen zeigen noch deutlich viereckige Begrenzung. Auch die bereits erwähnte Um- wandlung in Brauneisen ist mikroskopisch zu erkennen. Außer diesen Gemengteilen wurden in den Dünnschliffen kleine, scharf begrenzte Kristalle eines mit hellgelber Farbe durchsichtigen Minerales von hoher Licht- und Doppelbrechung beobachtet, welche dem Epidot ähnlich sind und anfangs für solchen gehalten wurden. Im konvergenten Licht erwiesen sie sich als zweiachsig. Eine sichere Bestimmung war auf mikroskopischem Wege allein nicht zu erzielen. Die Behandlung des Gesteins mit Flußsäure ermöglichte jedoch eine Isolierung der vorzüglich ausgebildeten Kriställchen, die im Durchschnitt etwa eine Länge von 0,24 mm und eine Breite von 0,14 mm haben. Sie sind meist tafelförmig ausgebildet, nur einzelne Individuen zeigen eine prismatische Ausbildungsweise. Die Aus- löschung auf allen Flächen dieser Zone ist parallel der Längs- richtung. Trotz der winzigen Größe konnten die Kristalle bei der scharfen und glänzenden Beschaffenheit der einzelnen Flächen mit dem Reflexionsgoniometer gemessen werden, mit dem Ergebnis, daß hier Monazit vorliegt. Die Kristalle sind gestreckt nach der b-Achse und tafelig nach ooPoo = a (100). In dieser Zone treten außer a (100) untergeordnet Poo = x (101) und — Poo = w (101) auf. Diese drei Flächen wurden an allen untersuchten Kristallen beobachtet. Die Messungen ergaben : Gemessen Berechnet 1 a : w = (100) : (101) = 39° 20' 39° 16' 30" a : x — (TOO) : (TOI) = 53 30 53 28 44 Außerdem wurde in dieser Zone noch ein Doma beobachtet, das etwa dem Symbol 9Poo (901) entsprechen würde. Doch ist die Fläche, da die Signale breit und verwaschen waren, nicht sicher. Sie wurde berechnet aus dem Winkel: Gemessen Berechnet (100) : (901) — 6° 31 6° 17' Die Fläche x (TOI) ist stets besser und größer ausgebildet als w (101) und gibt sehr deutliche Spaltbilder. Die seitliche Begrenzung wird durch das Klinopinakoid ooPoo = b (010) gebildet. Nur an einzelnen Kristallen treten äußerst kleine Flächen von 1 Berechnet aus dem Achsenverhältnis nach K. Busz: a : b : c = 0,97224 : 1 : 0,92784, ß — 76° 26' 30". N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXXIX. p. 484. Monazitführender Granit aus dem Trachyttuff von Künigswinter. 171 Pyramiden auf. Bei starker Vergrößerung im Mikroskop sind sie als Abstumpfungen der Kanten von -f- Poo und — Poo mit 00P00 zu erkennen, und ihr Symbol konnte durch Messung des ebenen Winkels, den die Kombinationskante von Pyramidenfläche und Ortho- pinakoid mit der b-Achse bildet, bestimmt werden. Daraus ergab sich, daß die Pyramiden -f-P = v (111) und — P = r (1 1 1) vorliegen. Auch die Zwillingsbildung nach a (100) konnte an einem Kristall nachgewiesen werden. Durch Reiben einiger Kriställchen zwischen Glasplatten wurde erkannt, daß ihre Härte geringer ist als die des Glases. In kon- zentrierter THOULET’scher Lösung sinken dieselben schnell zu Boden. Das spezifische Gewicht ist also höher als 3,2. Beide Beobachtungen treffen also für Monazit zu. Die Art des Auftretens der Monazitkristalle im Gestein ist im Dünnschliff recht gut zu erkennen. Besonders häufig wurden die Kristalle an den Rändern der oben erwähnten Hohlräume be- obachtet. Doch ist an eine nachträgliche Bildung nicht zu denken, da sie in vollkommen idiomorpher Ausbildung in Quarz- und Feldspatindividuen hineinragen (vergl. die nebenstehende Mikro- photographie *). In den Hohlraum (a) ragen mehrere Monazitkristalle 1 In der Figur ist bei a die rechte, bei b die linke Hinweisungs- linie wegzudenken, da irrtümlich angebracht. 172 M. Rözsa, hinein; ein größerer ist mit b bezeichnet. Die dunklere Umgrenzung, die aus bräunlichem Zersetzungsprodukt von ausgelaugtem Pyrit gebildet wird, enthält ebenfalls noch zahlreiche kleine, wenn auch nicht so scharf begrenzte Kristalle. Die etwas mehr hervortretenden rundlichen Partien (c) sind Quarzkörner. Das übrige ist Feldspat mit z. T. parallel angeordneten Zersetzungsprodukten {d). Das mikroskopische Bild stimmt mit der makroskopischen Beobachtung gut überein. In dem nach Behandlung mit Flußsäure erhaltenen Rückstand erkennt man deutlich, wie einzelne Monazit- kristalle aus noch unzersetzten Pyritkörnern herausragen. Außerdem finden sich mit dem Pyrit verwachsen sehr scharf ausgebildete, sechsseitige, undurchsichtige Blättchen mit lebhaftem Metallglanz. Sie sind äußerst dünn, biegsam, gut spaltbar, und wurden durch die olivengrüne Farbe des Strichpulvers, sowie durch das spezifische Gewicht — höher als konzentrierte THOULET’sche Lösung — als M o 1 y b d ä n g 1 a n z erkannt. Graphit, an den man zunächst hätte denken können, ist bei diesen Eigenschaften aus- geschlossen. Nach den Beobachtungen von R. Brauns 1 ist Molybdänglanz bisher nur in den ältesten Gesteinen beobachtet worden. Er hält die Einschlüsse von Eisenkies in den rheinischen Basalten, die mit Kupferkies und Molybdänglanz vergesellschaftet sind, für, solche, die aus dem Grundgebirge stammen. Das gemeinschaftliche Vor- kommen von Pyrit und Molybdänglanz in dem Granitauswürfling entspricht ebenfalls dieser Auffassung. Mineralogisches Institut der Universität Münster i.Westf. 1917. Jodgehalt und Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalzlager. Von M. Rözsa in Budapest. Anschließend an die Untersuchung posthumer Einlagerungen1 2 prüfte ich einige Proben sehr reinen Halits, Sylvins und Carnallits auch auf ihren Jodgehalt. Bei Aufbewahrung der zur Jodbestim- mung ausgewählten Salzstiicke wurde — um eventueller Jodzufuhr vorzubeugen — mit besonderer Vorsicht verfahren. Die Behand- lung erfolgte nach den Angaben E. Erdmann’s 3, indem die nach der 1 Sitz.-Ber. d. naturh. Ver. 1913. p. 13 — 14. 3 M. Rözsa, Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chemie. 98. p. 327 — 332. 3 E. Erdmann, Kali. 1910. p. 117. — K. Kraze, Vorkommen und Nachweis von Jod in einigen natürlichen Salzmineralien. Halle a. S. Jodgehalt und Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalzlager. 173 gewichtsanalytischen Methode liergestellten Endlösungen kolori- metrisch geprüft wurden. Bei ungünstigem Resultat der Vor- versuclie benützte ich in einigen Fällen auch die Destillations- methode. Über manche Erfahrungen bei Anwendung des kolori- metrischen Verfahrens wird nach der Ausführung weiterer Jod- prüfungen, bei gleichzeitiger Anwendung der Methode Winkler’s und in möglichen Fällen des gewichtsanalytischen Verfahrens, aus- führlich berichtet. Die Mengen der angewendeten Salze und die Resultate bisheriger Untersuchungen sind in Tabelle 1 angegeben. Mit Ausnahme der Sylvinproben II und III und der Carnallit- probe IV wurden die übrigen Proben aus den Spaltprodukten des Hauptanhydrits genommen. Carnallit IV stammt aus jenen post- humen Einlagerungen im Berlepschwerk, die sich zwischen dem Hauptanhydrit und dem jüngeren Steinsalz vorfinden. Im Schliff durchkreuzen unzählige Flüssigkeitseinschlüsse, sehr häufig mit Libellen, das Gesichtsfeld. Sylvin II und III brachte ich aus den posthum entstandenen Sylvinnestern des Staßfurter Hangend-Hart- salzes mit. Die Zahl der Flüssigkeitseinschlüsse war in der jod- haltigen Probe II auffallend größer als in der jodfrei gefundenen Probe III, trotzdem beide Handstücke demselben Horizont zuge- hören 1. Wenn auch die als jodfrei gefundenen Carnallite zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse enthielten, so kennzeichneten sich die jod- haltigen Salzstücke dennoch durch die stets auftretende, besonders große Anzahl dieser Einschlüsse. Den Nachweis von Jod in Kalisalzen, bezw. die quantitative Bestimmung desselben hat zuerst K. Kraze unternommen. Nach seinen Untersuchungen kommen geringe Jodmengen in folgenden Zechsteinkalisalzen vor : Hartsalz von Bleicherode (0,1 mg in 10 kg), Sylvin des Hartsalzes von Neustaßfurt (0,4 mg in 10 kg). Bei der Untersuchung einer im Salzlager der Mecklenburgischen Gewerkschaft Friedrich Franz zu Lübtheen gewonnenen Lauge, welche aus der zwischen dem graugrünen und dem rotbraunen Salzton gelagerten Steinsalzbank austritt, stellte vor einigen Jahren K. Koelichen fest, daß diese Lauge außer Brom noch geringe Mengen Jod enthielt (3960 mg Brom und 2,7 mg Jod im Liter)2. Die Lauge besaß einen hohen Gehalt an Chlormagnesia (386,9 g im Liter) und bedeutende Mengen von FeCl2 (1,32 g im Liter) und MgB407 (4,6 g im Liter). Bei vorsichtiger Behandlung mit einigen Tropfen verdünnten Chlorwassers und Ausschütteln mit 1 Dieser Umstand hängt offenbar mit den statischen Druckverhältnissen zirkulierender Laugen zusammen, indem an einzelnen Stellen Laugenstauung erfolgte, wo- gegen in anderen Teilen desselben Horizontes die Laugen rascher Austritt fanden. Dies. Centralbl. Jahrg. 1916. p. 508. 2 K. Koelichen, Kali. 1913. p. 457. 174 M. Rözsa, Schwefelkohlenstoff trat die charakteristische Jodfärbung bereits auf, die bei weiterer Behandlung in die Bromfärbung überging. Unlängst prüfte auch L. W. Winkler einige Laugen der deutschen Kalisalzlager auf ihren Jodgehalt und fand im Liter 17 mg (Mecklenburg), bezw. 1,8 mg (Staßfurt) und 2,2 mg (Hain- leite) Jod, wogegen in den eingesendeten Salzproben und Fabriks- endlaugen ein Jodgehalt nicht nachweisbar war 1. Die bei der Erörterung der jodhaltigen Salzproben erwähnte Beobachtung, daß Laugeneinschlüsse auch in den jodfrei gefundenen Salzen in großer Zahl auftreten, wirft die Frage über die Genesis der intern entstandenen Laugen auf: A. Die ersten Laugeneinschlüsse dürften die Salze bereits bei ihrer Ausscheidung und Ablagerung aufgenommen haben. Die Be- zeichnung „Uriauge“ könnte hier am entsprechendsten angewendet werden. Während der Auspressung und Zirkulation dieser Laugen- teile fanden örtliche Differenzierungen der Zusammensetzung statt, wobei sukzessive Anreicherung der löslichsten Bestandteile in den schließlich zurückgebliebenen Laugenresten erfolgte. Die Wahr- scheinlichkeit des Jodvorkommens ist wohl bei diesen Laugen- einschlüssen die größte. Auch die Entstehung der Borazitkugeln mußte mit der Zirkulation dieser Laugenreste verbunden gewesen sein, da das gleichartige Vorkommen im Hauptsalz- und Hartsalz- lager mit Bestimmtheit erkennen läßt, daß die Borazitbildung der Hartsalzbildung voranging und sich noch im unveränderten Haupt- salzlager vollzog. B. Bei den thermalen und hydrothermalen Umwandlungs- vorgängen abgelagerter Salze zirkulierten die entstandenen Schmelzen und Laugen in die Richtung des Druckgefälles. Die bedeutenden Mengen ausgeschiedener Laugen des unteren Gipslagers drangen 1 L. W. Winkler, Über das Vorkommen des Jods in den deutschen Kalilagern. Zeitschr. f. angew. Chemie. 1916. No. 102 u. 103. Jodgehalt und Laugeneinschlüsse im Zechsteinsalzlager. 175 hiebei in die höher gelegenen Salzschichten und haben zu den hydrothermal rückgängig erfolgten Gleichgewichtsveränderungen wesentlich beigetragen. Stellenweise konnten indessen auch Laugen höherer Horizonte, durch Risse und Sprünge, in die tiefer liegenden Schichten gelangen. Je nach den statischen Druckverhältnissen durchtränkten die zirkulierenden Laugen einzelne Teile der Salz- lager und führten zu den mannigfaltigen Umwandlungsvorgängen derselben h Ein nachweisbarer Jodgehalt ist bei diesen nachträg- lich entstandenen Laugen nur in jenen Fällen zu vermuten, als dieselben die ursprünglich vorhanden gewesenen Laugenreste auf- nahmen und infolge der erwähnten Differenzierungs Vorgänge sich an Jod anreicherten. Die äußere Zufuhr jodhaltiger Laugen kann ebenfalls in Betracht kommen, auch bei den Umwandlungsvorgängen mancher Kainitgebiete. Die Untersuchungen werden, sobald es möglich wird, auch in dieser Richtung fortgesetzt. Die Ursache der äußerst geringen Jodführung im Zechstein- salzlager hat bereits H. E. Boeke angegeben1 2. Während nämlich der Bromcarnallit mit dem gewöhnlichen Carnallit Mischkristalle bildet, zeigt hiezu der Jodcarnallit keine Neigung. Bereits bei der Bildung der Carnallitlager mußte demnach eine Verschiebung des Brom-Jodverhältnisses eintreten, indem bei der Ausscheidung des Carnallits sich gleichzeitig auch Bromcarnallit ablagerte, wo- gegen Jodsalz nur in den durch tränkenden und anhaftenden Laugen- teilen vorhanden war. Diese Verschiebung läßt sich im Carnallit tatsächlich nachweisen. Auch in Carnallitproben, die aus Elsaß und aus Galizien herstammen, fand ich Brom, wogegen Jod nur in einem Falle nachweisbar war. Das festgestellte Brom- Jodverhältnis der jodhaltigen Carnallite 1 (1: 0,0008) und IV (1 : 0,0014), gegen- über dem Brom- Jodverhältnis im Meerwasser (1 : 0,034), bestätigt ebenfalls diese Erklärung. Die marinen Versteinerungen des Salztones, als auch der Um- stand, daß sich unmittelbar über dem Hauptsalzlager zahlreiche Anhydritschichten ausbilden konnten und dann von neueinbrechendem Meerwasser, bezw. vom entstandenen Laugengemisch, bedeutende Mengen des Magnesits ausgeschieden wurden, schließen das Be- stehen einer jodhaltigen und hygroskopischen Deckschicht, die aus der vollständigen Eintrocknung der Laugen herrührte, gänzlich aus. Die letzten Laugenreste gelangten in das neueinbrechende Ozean wasser, vermehrten den Jodgehalt im entstandenen Laugen- 1 M. Rözsa, Über den chemischen Aufbau der Kalisalzablagerungen im Tertiär des Oberelsaß. Zeitschr. f. anorg. Chemie. 93. p. 146 ; — Über die Ausscheidung und Thermometamorphose der Zechsteinsalze Bischofit, Kainit und Astrakanit. Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chemie. 97. p. 41 — 55. 2 H. E. Boeke, Zeitschr. f. Kristallogr. 45. p. 388. 176 E. Haarmann, gemisch, führten jedoch, infolge der wiederholten Überlagerungen durch verdünnte Laugen, in keinem Falle zum Bestehen von Bischofitlagern und jodhaltigen Deckschichten. Hiedurch wird so- wohl die Annahme der gänzlichen Assimilierung des Jodgehaltes durch Seepflanzen, als auch jene Voraussetzung, daß infolge der Zersetzung von Jodverbindungen das Jod an die Atmosphäre ab- gegeben wurde, hinfällig. Zur tektonischen Geschichte Mexikos. Von Erich Haarmann. Nachdem ich 1913 einiges zur Zeitbestimmung der tektoni- schen und vulkanischen Vorgänge in Mexiko beitragen konnte \ möchte ich heute die tektonische Geschichte Mexikos zusammen- fassend in ein schärferes Licht stellen. Ich habe in Mexiko eine alte, scharfe Faltung des Devons1 2 (meiner „Delicias-Schichten“) nachgewiesen, auf dem diskordant Perm liegt. Wie in anderen heute festländischen Gebieten der Erde fand nach den paläozoischen Faltungen, im Mesozoicum, eine lang andauernde Senkung statt. Dies zeigen die mächtigen mesozoischen Schichtenfolgen , von denen am besten Jura und Kreide bekannt geworden sind. Die fazielle Übereinstimmung der Ablagerungen auf dem mexikanischen Hochlande (der Mesa Central) und in den tiefer gelegenen Randgebieten, welche in der Kreide bis zum Unterturon anhält , zeigt die bis dahin gleichmäßige Meeresbedeckung des Gebiets. Soviel mir bekannt ist, liegen die mesozoischen Schichten bis zum Unterturon im wesentlichen konkordant; eine Störung der Ablagerungen hat also nicht viel früher eingesetzt. Um jene Zeit muß eine Umkehrung in der Bewegung des bis dahin sinkenden Gebiets stattgefunden haben: es setzte eine Hebung ein. Mit dem Bewegungswechsel fällt die Faltung der tief gesunkenen und schließlich bis in Zonen merklicher Pla- stizität gelangten Schichten zusammen, und augenscheinlich war dieser Be wegungs Wechsel die Ursache der Fal- tung. Denn die naturgemäß nicht ganz gleichmäßige Hebung 1 E. Haarmann, Geologische Streifzüge im Staate Coahuila. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 65. 1913. Monatsber. p. 18 — 47. a W. Haack, Über eine marine Permfauna aus Nordmexiko etc. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 66. 1914. p. 482—504. Zur tektonischen Geschichte Mexikos. 177 konnte eine der wichtigsten Vorbedingungen für Fal- tung, ein Schweregefälle, schaffen. Wie aus der Überkippung der Falten nach Norden und Nord- osten zu entnehmen ist, hatte das Schweregefälle nördliche bis nordöstliche Richtung. Es ist eine auffällige Tatsache, daß die Richtung dieses bei der Faltung vorhandenen Schwere- gefälles sich mit der des auch heute noch bestehenden Oberflächen- gefälles deckt: der südliche Teil der Mesa Central liegt wesentlich höher als der nördliche. Im Süden bestand also seit Beginn des Aufstiegs eine stärkere Hebung. Bei vielleicht zunächst noch fortschreitender Faltung stieg das Land immer weiter, wie aus den immer größer werdenden Unterschieden in der Ausbildung der Schichten im Gebiet der heutigen Mesa Central und ihrem Vorlande ersichtlich ist. Die Oberfläche des sich hebenden Blocks wurde in der Nähe des Wasserspiegels vom Meere angehobelt, bis dieser sich aus den Fluten hob — damals wirklich als „Mesa“, als „Tisch“. Bald aber wurde die mehr oder weniger geglättete Oberfläche des Blocks von der Erosion zerfurcht, und aus dieser frühen Zeit, oder auch aus der kurz vorhergegangenen der Abtragung durch das Meer, entstammt die Bildung jener wasserbewegten Gerolle, die auf Bergen oft anderen Gesteins gelegentlich gefunden wurden. In den seichten, sumpfigen Niederungen des eben empor- getauchten und flach zerfurchten Festlandsblocks konnten im Aus- gange der Kreidezeit Dinosaurier leben, deren Reste ich bei etwa 1200 m Meereshöhe im nördlichen Teil der Mesa Central zusammen mit Pflanzenresten in den „Soledad-Schichten“ gefunden habe. Diese Schichten, die bei jüngeren Krustenbewegungen geneigt wurden, füllen Becken aus und enthalten außer jenen Fossilien auch Gerolle nicht nur von Kreidekalken, sondern auch von Eruptiv- gesteinen — so zeigend, daß Material der schwellenden Unterlage sich schon in verhältnismäßig frühem Stadium der Hebung durch die sich faltende Decke Bahn gebrochen hat. Ebenfalls im Ausgange der Kreidezeit entstanden an der Schwelle des aufsteigenden Blocks Kohlen, die ja immer ein gutes Zeichen voraufgegangener Krustenbewegungen sind. Besonders in der Nähe des Hochlandssockels sind auch sie noch von den späteren Bewegungen betroffen worden. Der Mesablock hebt sich weiter; die Täler schneiden sich dabei tiefer in die durch das Meer geschaffene Abtragungsfläche. Der Erosion wurden durch die dem Gestein bei der Faltung ge- gebene Struktur die Wege gewiesen und diese, aber auch nur diese Bedeutung hat die Faltung für die heutige Gestalt Mexikos, so daß man keineswegs von einer Emporfaltung sprechen darf. Bald macht sich im weiteren Verlauf von Hebung und Erosion ein Unterschied bemerkbar zwischen den Tälern, die an den Rändern Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 12 178 E. Haarmann, Zur tektonischen Geschichte Mexikos. des Blocks verlaufen, und denen, die in seiner Mitte liegen. Jene randlichen Täler hatten Abfluß nach dem Meere: sie wurden stets ausgeräumt und mit der Hebung der Mesa immer tiefer ein- geschnitten. Die Mittentäler dagegen hatten keinen Abfluß zum Meere : sie wurden immer höher aufgefüllt, immer tiefer wurden die Gebirgsrippen im eigenen Schutt begraben und zwischen ihnen dehnen sich heute weite Bolson-Ebenen, Auffüllungstäler. So er- scheinen uns die Ränder des mexikanischen Hochlands mit ihren großen Höhenunterschieden zwischen Gebirgskamm und Talsohle weit großartiger, als die ebenso hochragenden, aber zum großen Teil verschütteten Gebirgszüge des Innern. Die Hebung des riesigen mexikanischen Blocks dauert noch heute an, wie durch Beobachtungen an der Golfküste und in Nieder- kalifornien sichergestellt ist. Auch die Übereinstimmung zwischen der Richtung des bei der Faltung bestehenden Schwere- und des heutigen Oberflächengefälles zeigt die Einheitlichkeit und Jugend- lichkeit der Hebung. Am höchstgehobenen Südrande der Scholle Anden wir noch heute vulkanische und seismische Tätigkeit. Augen- scheinlich ist hier die Erdkruste am meisten geschwächt und da- durch der Magmaaufstieg besonders erleichtert. Verallgemeinernd läßt sich sagen, daß immer, wenn das die Faltung hervorrufende Schweregefälle durch Hebung entstand, der Teil des aufsteigenden Blocks, welcher rückwärts der Überkippung liegt, stärker gehoben worden sein muß. Hier muß also auch stärkere Zerreißung der Erdkruste stattgefunden haben, die dem Magma Aufstiegserleichterung bot.' Tatsächlich beobachten wir ja auch so häufig Zeugnisse vulkanischer Tätigkeit im Rücken der Faltengebirge. Man wird dies als Anhalt für Entstehung der Faltung bei Hebung ansehen dürfen. Möglich, daß gleichzeitig mit dem Emporsteigen der mexi- kanischen Scholle Senkungen der Umgebung, besonders im Osten und Westen, stattgefunden haben. Jedenfalls: je mehr der Block über seine Umgebung emporwuchs, um so mehr verloren seine Steilränder an Stütze; es entstanden Abklüftungen, die sich im weiteren Verlauf zu Spalten erweiterten. Spalten kennzeichnen Zerfall, der besonders im oberen Teile der aufsteigenden Scholle auftrat. Mit der Wirkung von Zugspannungen hat diese „Zerrung“ natürlich nichts zu tun; sie geht lediglich auf die Wirkung der Schwere zurück. Die Spalten wurden nicht nur von oben mit hereinbrechenden Gesteinsbrocken versetzt, sondern sie wurden auch von unten teils mit eruptiven Gesteinen, teils mit Erzen ausgefüllt. Einige der Spalten nämlich, und zwar besonders die, an welchen verschieden starke Hebungen der angrenzenden Gebirgskörper vor sich gingen, reichten bis in die Schollenunterlage und boten Magma und Thermal- wassern Aufstiegs wege. Von diesen Tiefspalten aus wurde auch B. Dornyay. Zur Altersfrage des „Chocsdolomites“. 179 ein Teil der zahlreichen Flach sp alten mit Magma lind Mineral- lösungen verfällt, und es entstand so der ungemeine Reichtum Mexikos an Erz- und Eruptivgängen. Faltung und Gang- bildung treten hier als aufeinanderfolgende Wir- kungen von Hebung auf, während sie zunächst in Gegensatz zu stehen scheinen : die eine als Stau-, die andere als Zerrwirkung. Es liegen gewisse Anhaltspunkte dafür vor, daß auch in andern Ganggebieten dieser bemerkenswerte Zusammenhang zwischen Hebung und Gangbildung besteht, so z. B. in Nordamerika. Je- doch bleibt zu untersuchen, ob nur die bei schwellender, oder auch die bei sinkender Unterlage sich bildenden Spalten von unten her ausgefüllt und also Gänge werden können. In vielen Fällen werden Hebungen mit Senkungen von Nachbarschollen Hand in Hand gehen. Auf Faltung folgende Gangbildung ist auch anderwärts nach- gewiesen worden, ohne daß freilich der Zusammenhang erkannt worden wäre. Besonders sind in dieser Beziehung die eingehenden Untersuchungen Bornhardt’s und Denckmann’s im Siegerlande be- merkenswert. Dort ist sichergestellt, daß die Entstehung der Gänge „nur an den Schluß des Gebirgsfaltungsvorgangs gesetzt werden“ kann und „daß die Gangbildung jünger ist als die Aufrichtung und Faltung der Schichten“. Hier linden wir also Verhältnisse, die sich mit den mexikanischen vollkommen decken. Zur Altersfrage des „Chocsdolomites“. Von Bela Dornyay in Veszprem. W. Goetel gelangt in seiner 1916 erschienenen ausgezeich- neten Studie 1 nach Behandlung der geschichtlichen Entwicklung der Chocsdolomit-Frage in bezug auf den im allgemeinen für cretacisch (neocom) gehaltenen Chocsdolomit — welcher Auffassung einzelne nur schwach widersprachen — auf Grund der Daonella- Funde von Dr. Julius Vigh und eigenen Beobachtungen in der Tatra im Endergebnis zu folgenden Feststellungen : „1. Der ,Chocsdolomit£ des Tatragebirges gehört nicht zur Kreide, sondern zur Trias und ist mit den in 1 Zur Liasstratigraphie und Lösung der Chocsdolomitfrage in der Tatra. Extr. du Bullet, de l’Acad. d. Science de Cracovie. 180 B. Dornyay, der Hauptmasse mitte ltriadischen, subtatrischen Kalken und Dolomiten identisch. 2. Er bildet eine große, diskordant über den jüngeren Schichten liegende Decke, die an einzelnen Stellen mit der Hauptmasse der Dolomite noch in ursprünglicher Verbindung steht, größtenteils aber in der Form von isolierten Massen auf den jüngeren Schichten schwimmt.“ Mit der Untersuchung des Alters , der Beschaffenheit und stratigraphischen Stellung des „Chocsdolomites“ befaßte ich mich von 1909 bis 1913 auch eingehend und veröffentlichte die während meiner 'Mittelschullehrerzeit in der Stadt Rosenberg (Rözsahegy) gemachten geologischen Beobachtungen in meiner 1913 in unga- rischer Sprache erschienenen Dissertation h Obwohl von meiner ungarisch veröffentlichten Dissertation auch einige nicht ungarische Fachblätter, wie die Revue critique de Paleozoologie1 2 und diese Zeitschrift3 Notiz nahmen, haben doch nichtungarische Fachleute, die sich mit der Altersfrage des Chocsdolomites befaßten, unter ihnen auch W. Goetel, meine Arbeit, eben weil sie leider nur ungarisch erschienen und daher ausländischen Fachleuten unzu- gänglich ist, nicht zur Kenntnis genommen. Daher halte ich es für zeitgemäß, meine Auffassung über das Alter des Chocsdolomites auf Grund meiner geologischen Beobachtungen in der Umgebung von Rözsahegy kurz zu veröffentlichen. Die ältesten Bildungen in der unmittelbaren Umgebung der Stadt Rosenberg (Rözsahegy) im westlichsten Winkel des süd- westlich der Hohen Tatra sich erstreckenden Beckens von Liptö werden von der aus Dolomit und Kalk bestehenden mächtigen Schichtenserie gebildet, die die Berge in der Umgebung von Rosen- berg4 zusammensetzt und auf die an mehreren Orten jüngere Bildungen sich legen. Organische Reste sind sowohl im grau- weißen Dolomit, als auch im dunkelgrauen, manchmal schwarzen, von Calcitadern durchsetzten, hie und da hornsteinführenden Kalk sehr selten und beschränken sich scheinbar auf den Dolomit. Der vollständige Mangel — richtiger die große Seltenheit — der Ver- steinerungen im Dolomit sowie seine eigenartigen und viel erörterten Lagerungsverhältnisse dem Neocommergel gegenüber war die Ur- sache davon, daß seit den Beobachtungen von D. Stur (1859) bis 1 Dornyay, Bela: Rözsahegy környekenek földtani viszonyairöl. Budapest 1913. (Über die geologischen "Verhältnisse der Umgebung von Rözsahegy. p. 51. Mit 6 Abbild., 2 Taf., 4 geol. Profilen u. 1 geol. Karte.) 2 Paris 1914. Avril. No. 2. p. 95. No. 3. p. 111 — 112. 3 Dies. Centralbl. 1914. No. 9. p. 288. 4 Unter ihnen auch der Velki Chocs (1613 m), der dem Chocsdolomit den Namen gab. Seine Hauptspitze liegt in der Luftlinie nur 8 km nord- östlich von Rosenberg, doch liegt er schon außerhalb des von mir genauer untersuchten Gebietes. Zur Altersfrage des „Chocsdolomites“. 181 in die neuesten Zeiten (V. Uhlig 1907, H. Vetters 1909) die hervorragendsten Geologen den „Chocsdolomit“ für neocom hielten. Einzelne zogen hieraus auch weitgehende Folgerungen. Nach langem und mühseligem Suchen gelang es mir, in dem für neocom gehaltenen „Chocsdolomit“ in Rosenberg (Rözsahegy) und der Um- gebung die folgende kleine Fauna zu sammeln: Daonella cfr. Pichleri M'ojs. (Barathegy) „ cfr. tyrolensis „ „ Encrinus cassianus Klipst. sp. Rosenberg (Rözsahegy, Dolomitvorsprung des „Ring“) Entrochus silesiacus Beyr. (Barathegy ; Faith-Haus) Cidaris dorsata Münst. . „ Gyroporella ( Dactyloporus ?), (Oszada, siidl. von Rosenberg). Diese Versteinerungen beweisen, daß die Dolomite und Kalke der Umgebung von Rosenberg — - demnach die sogen. „Chocs- dolomite“ — , die nach den Wiener Geologen bis 1913 für neocom gehalten wurden, zweifellos der Trias angehören und wahrscheinlich mehrere Horizonte umfassen, die aber auf Grund der in der Um- gebung von Rosenberg bisher gesammelten kleinen Fauna vorläufig nicht gegliedert werden können. Die erwähnten Arten der Fauna sind im allgemeinen für die ladinische Stufe der mittleren Trias bezeichnend, da die erwähnten Daonellen in den Wengener und Buchensteiner Schichten, Cidaris dorsata und Encrinus cassiamis dagegen in den Cassianer Schichten sowohl der Alpen als auch des Bakony (Veszprem) Vorkommen. Daher sind die Feststellungen der Wiener Geologen, unter ihnen auch Uhlig’s, daß in der Umgebung von Rosenberg Trias- bildungen niefit Vorkommen, sondern nur der auf „Neocommergel gelagerte“, versteinerungslose „Karpathische oder Chocsdolomit“, falsch. Am östlichen Hang des Szidor-Bergzuges bei Rösenberg, in der Umgebung des Djelec-Steinbruches fanden sich nämlich Triasversteinerungen in dem Dolomit, auf dem in kleineren Vor- kommen Neocommergel des Nagy-Kalväria liegen, die mit den da- zwischengelagerten Kalken in ununterbrochenem Zuge vom „Ring“ genannten Dolomitvorsprung angefangen über den Djelec- Steinbruch bis zur Spitze des Nagyszikla und Szidorhegy verfolgt werden können. In einem kleinen Vorkommen liegt Neocommergel auf den Triasbildungen auch im mittleren Teil der Täler Kundratova und Micsino , wo wir also von unten nach oben die folgende Schichtenfolge beobachten : Triasdolomit, Neocommergel und über diesen — jedoch nicht auf ihn gelagert — ragen im Nagyszikla wieder die Triasbildungen auf. Nach meinen Beobachtungen hüllen daher die Neocommergel die mächtige Trias- masse des klippenartig auf ragenden Szidorzuges von 182 B. Dornyay, Zur Altersfrage des „Chocsdolomites“. N, W und S mantelförmig ein, während sie diese im 0 frei lassen, da liier die starke Denudation nur noch Trümmer der ehemaligen Hülle übrig ließ. Ebenso verhält es sich auch um die „Chocsdolomit “-Spitze des Csebrät. Der Dolomit der Csebrät-Spitze kann schon seiner Lagerung zufolge nicht auf Neocommergel liegender Neocomdolomit sein !, da sonst die am östlichen Hang des Csebrät liegenden petro- graphisch identischen und ebenfalls nach S fallenden, jedoch viel tiefer liegenden Dolomit- und Kalkklippen des „NaOpukach“ nicht unter den Neocommergel hätten gelangen können, wie wir das tatsächlich aber beobachten können. Alle Dolomit- und Kalk- schichten des Csebrät fallen, von wenigen lokalen Ausnahmen ab- gesehen, nach S ein und stimmen petrographisch mit den ähnlichen Bildungen des Baräthegy und Szidorzuges überein. Wir müssen daher annehmen, daß sämtliche Dolomit- und Kalkbildungen des Csebrät klippenartig aufragende Triasbildungen sind, die der Neocommergel, als bedeutend j iin ge re Bildung, bis zu einer gewissen Höhe mantelförmig von allen Seiten umgab. Da ich aber in diesem Artikel die Altersfrage des „Chocs- dolomites“ erörtern will, kann es nicht meine Aufgabe sein, hier meine endgültige Meinung über die komplizierten Lagerungsver- hältnisse des Chocsdolomites auseinanderzusetzen, um so weniger, als die mehr-weniger spekulativen tektonischen Theorien leicht wechseln. Es gilt in dieser vielumstrittenen Frage noch immer : ad indices lis est! Schließlich muß ich noch hinweisen auf die große, man kann sagen vollständige petrographische Übereinstimmung der Trias- dolomite und -kalke aus der Umgebung von Rosenberg mit den von anderen Orten der Karpathen beschriebenen und zweifellos als triassisch bekannten Bildungen, was übrigens die Wiener Geo- logen schon betonten („Rekurrenzfazies“). Meiner Meinung nach sind diese versteineruugsführenden Dolomite und Kalke mit jenen dunkeln Kalken und grauen Dolo- miten des subtatrischen Teiles der Hohen Tatra identisch, die die anisische und ladinische Stufe der mittleren Trias vertreten. Dunkelgraue, von weißen Kalkspatadern durchsetzte Kalke, die den Gutensteiner und Reichenhaller Kalken entsprechen , bilden an vielen Orten die tieferen Horizonte dieser Kalke, während sie sonst an die Reiflinger Kalke erinnern und Hornsteinknollen enthalten. Bekanntlich erstreckt sich der Reiflinger Kalk nicht nur auf die anisische, sondern auch auf die ladinische Stufe, in den nördlichen Alpen bildet sie sogar eine Hauptfazies der ladinischen Stufe. 1 Um von der zwischen ihnen vorhandenen Diskordanz gar nicht zu sprechen, da der Dolomit hauptsächlich nach S, der Mergel aber nach N fällt. Personalia. 183 Letzteres wird auch für die Umgebung- von Rosenberg durch einige für die ladinische Stufe bezeichnende Versteinerungen der an- geführten Fauna wahrscheinlich, was wieder um so interessanter ist , als in der Trias der West- und Zentralkarpathen die ladinische Stufe bisher auf Grund von Versteine- rungen nicht nach gewiesen war! An Stelle des früher für neocom gehaltenen „Chocsdolomites“ von triadischem Dolomit zu sprechen, hielt ich auf Grund eigener Beobachtungen im Jahre 1913 nur für die Umgebung von Rosen- berg für richtig, doch betonte ich schon damals, daß wir es wahr- scheinlich auch in anderen Gegenden der Karpathen mit ähnlichen Verhältnissen zu tun haben. Die Klärung und geuaue Revision dieser Frage wird die Aufgabe der 1913 von der kgl. ung. Geologischen Reichsanstalt eingeleiteten geologischen Reambulation von Ober-Ungarn sein, damit wir in dieser ver- wickelten und viele Unklarheiten in sich bergenden Frage — die Gelegenheit zur Aufstellung zahlreicher Hypothesen, die hier näher nicht erörtert werden können (Überschiebungs- , Deckentheorie, wurzellose Decke usw.) bot und auch heute noch bietet — endlich klar sehen können ! Die von Dr. Julius Vigh und W. Goetel neuerdings erreichten und meine Beobachtungen bestätigenden Ergebnisse haben, wie wir sehen, außer für die Umgebung von Rosenberg auch für andere Orte der Karpathen endgültig entschieden, daß der sogen. „Chocsdolomit“ nicht neocomen, son- dern triadischen Alters ist! Wie bisher in den Alpen und im Bakony, werden bald auch in den Karpathen, glaube ich, bessere und lehrreichere Aufschlüsse, reicheres Versteinerungsmaterial, ein- gehendere und größere Gebiete umfassende Triasstudien die genauere, detaillierte Gliederung der Schichtenserie des sogen. „Chocsdolo- mites“ ermöglichen. Personalia. Angenommen: Prof. Dr. J. F. Pompeckj in Tübingen den Ruf nach Berlin als Nachfolger von Geh. Bergrat Prof. Dr. W. Branca. Zu früh und unerwartet verschied am 19. Dezember 1916 Herr Maximilian Simon, Doktor der Philosophie und Assistent der Chemie an der Universität Innsbruck. Geboren 1869 in Schönau-Teplitz maturierte er am Gymnasium in Böhmisch-Leipa und studierte an den Universitäten Prag und Innsbruck , wo er 184 Personalia. sich auch noch der Lehramtsprüfung über Chemie und Natur- geschichte unterzog. Seine Publikationen betrafen die Chemie, Phyto- und Minerochemie, so die Dissertation über die Selencyan- propionsäure (Wiener Akad. Sitz.-Ber. 114. 1905), die Unter- suchungen über das Balanophorin (ebenda. 119. 1910), dann über die Sodaeffloreszenzen im Haller Salzberg und ihre Genese (Neues Jalirb. f. Min. etc. 1914. I. 1). Die umfangreiche Prüfungsarbeit bezog sich auf das Vorkommen und die Bildung der Soda in der Natur. Mit besonderem Interesse pflegte Simon die Mineralchemie, für welches Fach er sich auch habilitieren wollte. Im mineralogisch- petrograpliischen Institute war er ein eifriger Praktikant und be- dachte dasselbe mit Metall- und Kristallpräparaten , sowie mit instruktiven Modellen von Klassenachsenkreuzen. Auch verfaßte er ein wertvolles Referat über die 19 13 -Exkursion zum Bergwerk Dirstentritt und zur Ehrwaldit-Lagerstätte. A. Cathrein. Ü. Doelter, Zur Frage nach der Zusammensetzung der Pyroxene. 185 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Frage nach der Zusammensetzung der Pyroxene. Von C. Doelter. G. Tschermak stellte 1871 die Theorie auf, daß tonerde- haltige Pyroxene aus den Silikaten: CaMgS206, Ca Fe Si2 06 und den sesquioxydhaltigen Silikaten : Mg Al2 Si 06, Mg Fe2 Si 06 bestellen, daher Ca kleiner als Mg plus Fe ist. Diese Anschauung wurde dahin von mir und anderen erweitert, daß auch die Sesquioxydsilikate CaAl2Si06 und CaFe2Si06 vor- handen sein können und daß manchmal, wie in den Fassaiten, ein Überschuß von CaSi03 vorhanden ist, während A. Wahl -wieder einen Überschuß von MgSiOs nach wies. Komplizierter sind die natronhaltigen Pyroxene. In diesen linden sich die Silikate NaAlSi206 und NaFeSi206, welche ja sichergestellt sind. Es gibt aber auch Pyroxene, in welchen für diese letzteren Silikate nicht genügend Kieselsäure vorhanden ist, so daß man sich gezwungen sah, auch noch die Silikate Na Al2 Si 0(. bezw. NaFe2Si06 änzunehmen. Diese erweiterte TscHERMAk’sche Theorie enthält so viel Faktoren, daß die Berechnungen nicht leicht sind. C. F. Rammelsberg nahm die damals unwahrscheinliche An- schauung an, daß die Silikate RSiOs mit A1203 und Fe203 ge- mengt seien, während A. Knop Aluminate MgAl204 und MgFe204 annahm. Wie letzterer bereits bemerkt, ist dann der Unterschied zwischen der Theorie G. Tschermak’s und Rammelsberg’s mein- em theoretischer, da das Silikat MgAl2Si06 zerlegt werden kann in Mg Si 03 -f- Al2 03. H. E. Boeke hat die RAMMELSBERG’sche Anschauung wieder neuerdings aufgestellt und durch statistische Daten gestützt. Die neuerlichen Berechnungen von G. Tschermak zeigen, daß seine Forderung, daß bei Tonerde- Augiten Mg > Ca, in sehr vielen Analysen erfüllt ist. Dagegen hat vor kurzem F. Zambonini 1 ebenfalls Berech- nungen durchgeführt , welche seiner Ansicht nach zeigen , daß die Berechnung nicht den TscHERMAK’schen Ansichten , wonach 1 F. Zambonini, Atti R. Accad. Napoli. 16. (1914.) 12* 186 C. Doelter, Ca 120 <0,1 0,3 H |_| Ö t» n o w HH > eö . 40,5 — 1,5 — — — — q. - 5 _ s ° cT S k* 40,1 — 4 — — — — 11- 2 £ ^ © 39,9 — 7 — — — — ^ CS .2 S ® 39,6 39,25 38,8 — 12 18,5 30 ca. 0,1 1? ca. 0,1 1 0,96 0,87 S 'O (M -g “ 38,2 60 ? 2 1,9 1,74 ö ® ^ 4) a 38,1 — >70 4 3 2,8 2,61 o 2 -2 j» 37,7 ■ — — 11 4 3,8 3,48 37,5 — — 15 6 5,7 5,22 6 1 § £ f 37,3 — — — 9? — — pH o C M ^ 5V £ ® 37,0 — — — ' 9 8,6 7,83 H Qj w OJ 00 Sh •2 'S -g .2 36,5 — — 13 12,50 11,31 ö u a ® .2 36.3 35,8 35.3 — - — 15 19 25 14,25 18,27 24,0 13,05 16,53 21,75 .. ig ° ^ s ® .2 S ® •• ö .2 2 'S ö eö 75 2 H ^ * -p 0 35,0 — , — — 30 28,8 26,1 © © 'ZJ Sh hfi -h 5 ™ 34,5 34,2 — — — 40 49 38,5 47,1 34,8 42,6 1 q ^ 'O © ® n g> sh r s g * f 3.» 33,7 — — — 62 59,6 53,9 i® ^ > & ° 33,05 32,7 — — 82 99 78,8 95,1 71,3 86,1 »-3 P .tn ps .5 cq q Sh te-j ° ö § o 32,3 120 115,4 104,4 CQ PH cv. ’s anstellen mit den Beobachtungen anderer. H. A. Wilson1 erhielt bei seinen Versuchen in Röhrchen von 0,2 _cm Durchmesser bei 34,3° 1,10 mm/min, bei 33° 1,62 mm/min als Geschwindigkeit. Aus meiner Kurve interpoliert sich für 43,3° allerdings weniger, etwa 0,74 mm/min, dagegen für 33° 1,53 mm/min, ein Wert, der dem von Wilson bestimmten nahekommt. Berücksichtigt man, daß in den Röhrchen, wie es oben auseinandergesetzt wurde, wenig über- sichtliche Verhältnisse herrschen, so ist die Übereinstimmung recht befriedigend. 1 H. A. Wilson, Phil. Mag. 5. Ser. 50. 242. 1900. 202 R. Nacken, Beobachtungen etc. Die Versuche unter dem Mikroskop lassen nun auch noch er- kennen, daß bei verstärkten Unterkühlungen die Erscheinungen immer weniger klare werden. Schon von 39° ab und häufig bei niedrigeren Temperaturen treten, besonders wenn das Präparat längere Zeit sich selbst überlassen war, scheinbare Geschwindig- keitsänderungen auf. Die Kristalle bleiben nicht mehr einfach bei längerem Wachsen. Es bilden sich neue Kerne, aus denen dann mit beträchtlicher Geschwindigkeit Kristalle entstehen, da zunächst Flächen mit schnellem Wachstum sie begrenzen. Erst später, wenn nur noch die langsam wachsenden Flächen übrig sind, tritt die der Kurve IV entsprechende Geschwindigkeit auf. Da nun diese Erscheinung sich häufig wiederholt, so erhält man den Eindruck einer rhythmisch sich verändernden K.-G. In Fig. 6 ist ein Vor- Fig. 6. Beschleunigung der Kristallisation durch Entstehung von krummen Flächen mit großer Wachstumsgeschwindigkeit. gang gekennzeichnet, der sehr häufig auftritt. An einer Ecke des Kristalls bildet sich eine konkave Fläche aus, die mit einer Ge- schwindigkeit von mehr als 100 Teilstrichen in der Minute in dei Pfeilrichtung sich verschiebt. Hierdurch wird mit einer ganz an- deren Schnelligkeit eine scheinbare Normalenverschiebung von n be- wirkt, als wenn die Kristallisation ungestört erfolgte. Je stärker die Unterkühlungen sind, um so häufiger treten diese Erscheinungen auf. Schließlich führt die spontane Kernbildung zu einer über- hasteten Kristallisation. Eine ruhige gesetzmäßige Anlagerung der Substanz an die vorhandenen Kristalle findet nicht mehr statt und damit wird die Messung nicht mehr möglich. Die Messungen ließen sich bis ca. 32° ausdehnen; bei 32,3° herrscht eine Geschwindig- keit von 120 Teilstrichen, das sind 2 mm in 1 Minute. Es besteht bei der oben beschriebenen Versuchsanordnung wohl kein Zweifel, daß der zwischen den Deckgläsern wachsende Kristall in allen seinen Teilen, also auch seine sich verschiebende Fläche, die Temperatur des umgebenden Bades praktisch besitzen wird. 'Somit bestätigen diese Versuche für Salol die schon früher ausgesprochene Ansicht, daß die K.-G. mit wachsender Unterkühlung ansteigt und daß dieser F. B. Nopcsa, lieber Dinosaurier. 203 Anstieg kein scheinbarer ist, bedingt durch mangel- hafte Wärme wegfuhr. Welchen Einfluß die von den Flächen der Gläser ausgeübten Kapillarkräfte besitzen, läßt sich zunächst nicht angeben, da eine andere Methode zur Beobachtung nicht existiert; doch wird er wohl bestehen, da er sich ja bei Versuchen mit fließenden Kristallen deutlich zeigt. Im Gegensatz zu früheren Versuchen *, bei denen die Wärmeentziehung bei den wachsenden Kristallen nur durch die kristalline Phase hindurch erfolgte und die Schmelze stets auf Schmelztemperatur erhalten wurde, müssen sich hier unmittelbar unter der Schmelztemperatur Kristallflächen ausbilden, da sich beide Phasen in unterkühltem Zustand befinden und außerdem hier das Temperaturgefälle viel größer ist. Es konnte nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob Kristalle, wie sie Fig. 4 zeigt, ganz in der Nähe des Schmelzpunktes an den gerundeten Stellen in Richtung der c-Achse weiterwachsen unter Beibehaltung der runden Konturen, wenn auch Andeutungen dafür vorhanden zu snin schienen. Tübingen, Mineral. -petrograph. Institut der Universität. Über Dinosaurier. Von Dr. Franz Baron Nopcsa. Der Zweck der folgenden Zeilen ist, einige an verschiedenen Dinosauriern gemachte Beobachtungen in Zusammenhang zu bringen und teilweise auch von einer neuen Seite zu beleuchten. Dem durch die Militärpflicht des Verfassers bedingten vor- läufigen Charakter dieser Notizen entsprechend soll hier sowohl ein historisches Resume der einzelnen zu erörternden Punkte, als auch eine Übersicht der Erklärungsversuche, die sich an manches knüpften, entfallen. Durch die äußeren Umstände ist auch die stilistische Kürze einiger Teile dieser Notizen bedingt worden, denn es ist ja selbstverständlich, daß vieles nur mit einem Worte angedeutet werden konnte; namentlich gilt dies für den ersten Teil. Die einzelnen im folgenden zur Besprechung gelangenden Punkte betreffen erstens die Systematik der Dinosaurier, wobei verschiedene von mir an den Originalstückeü der einzelnen Genera 1 R. Nacken, N. Jahrb. f. Min. etc. 1915. II. 145. 204 F. B. Nopcsa, gemachte Beobachtungen miteingeflochten werden, zweitens den Riesenwuchs der Dinosaurier, drittens die Natur der vielbesprochenen Pubis der Orthopoden. 1. Notizen über die Systematik der Dinosaurier. Über die Systematik der Dinosaurier im allgemeinen und im besonderen gehen die Ansichten noch immer auseinander. Seit Baur in 1895 zum ersten Male die Existenzberechtigung des Aus- druckes Dinosaurier in Zweifel gezogen hat, sind diesbezüg- liche Ansichten zu wiederholten Malen geäußert worden. Das Ver- dienst, erkannt zu haben, daß alle bis dahin als Dinosaurier beschriebenen Tiere in zwei Hauptgruppen zerfallen, die sich durch den Bau ihres Beckens unterscheiden , gebührt Seeley. Marsh’ Dreiteilung hat sich, zumal nach Huene’s Nachweis, daß die Sauropoden nur einen Teil der Saurischia bilden, als unhaltbar erwiesen. Jaekel’s neue Namen für die beiden. Ordnungen der Dinosaurier lehne ich ab und glaube bei den Namen Saurischia und Orthopoda bleiben zu müssen. Neuester Zeit hat sich auf Grund der SEELEY’schen Einteilung die Tendenz entwickelt (8) \ auf den Begriff Dinosaurier überhaupt zu verzichten. Ein völliges Fallenlassen des Namens Dinosaurier scheint mir nicht angezeigt. Wie Huene (N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXXVII. p. 585) ganz richtig betont , zeigen die konservativen Teile des Dinosaurierskelettes weitgehende Ähnlichkeit. Speziell der Hirnschädel erinnert an jenen der Vögel, Pseudo- suchier und Parasuchier. Eine Ähnlichkeit mit jenem der Eusuchier vermag ich freilich nicht zu konstatieren. Anderseits zitiert Huene (1. c. p. 587) als Beispiel besonders weitgehender, aber offen- bar dennoch nicht zu systematischer Vereinigung berechtigender Konvergenz die Ähnlichkeit zwischen Para- suchiern und Krokodiliern. Ich glaube, daß es nicht statthaft sein kann, einerseits die Parasuchier und Krokodile trotz sonstiger Ähnlichkeit wegen der Verschiedenheit ihres Schädels, Beckens und Schultergürtels zu trennen, die beiden Hauptgruppen der Dino- saurier, nämlich Saurischia und Orthopoda, aber trotz der Ähn- lichkeit ihres Schädelbaues und Schultergürtels wegen sonstiger Differenzen nicht zu vereinen. Auch vom phylogenetischen Standpunkte läßt sich das Fallen- lassen des Namens Dinosaurier nicht empfehlen, denn damit nehmen wir uns die Möglichkeit, der Tatsache Ausdruck zu ver- leihen, daß die Saurischia den Orthopoden viel näher stehen als etwa den Krokodiliern, Pterosauriern oder Vögeln. Gemeinsam ist 1 Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis. Ueber Dinosaurier. 205 den Orthopoden und Saurischiern — aber im Gegensätze zu Kroko- diliern und Pterosauriern eben nur ihnen — , daß sich im Laufe der Entwicklung bei ihnen mehrfach Charakterzüge entwickeln, die man sonst nur bei den Vögeln antriift. Als vogelartige Eigen- schaften, deren Entstehung sich schon deshalb nicht bloß auf mechanische Anforderungen an den Skelettbau zurückführen lassen, weil sie bloß in der einen oder anderen Gruppe der Dinosaurier Vorkommen, sind aufzufassen: die Reduktion der Neurapophysen der Halswirbeln, sowie deren Gabelung (Sauropoden), die flach- sattelförmigen Verbindungsflächen der Sakralwirbelzentren ( Strepto - spondylus), die Bildung eines Synsacrum (Orthopoda), Apteryx- artiges Ilium (Theropoda), dorsale Iliumverbreitung (Orthopoda), säbel- förmige Gestalt der Scapula (Orthopoda), Rotation der Pubis (Ortho- poda), Processus ascendens Astragali (Theropoda). Es scheint, um sich einer freilich philosophisch unrichtigen Redewendung der älteren Paläontologen zu bedienen, „als ob die Dinosaurier wiederholt versucht hätten, sich in Vögel zu verwandeln, dies ihnen aber immer nur stückweise gelungen wäre“. Unseren modernen Anschauungen entsprechend läßt sich dies so ausdrücken, daß die Gesamtheit der hier angeführten Eigen- schaften auf eine tiefe strukturelle Gleichheit zwischen Saurischiern, Orthopoden und Vögeln hin weist; da nun aber die Vögel sich doch wohl zu einer eigenen Klasse entwickelt haben, bleibt für Saurischia und Orthopoda zusammen nur der Name Dinosauria übrig. Die etwaige Behauptung, daß der Name Dinosauria bloß dieselbe historische Berechtigung hätte wie der Ausdruck Enalosauria, den man seinerzeit als Sammel- namen für Ichthyosaurier und Sauropterygier gebrauchte, wird in- folge dieser Beobachtungen natürlich hinfällig, denn bei den Enalo- sauriern handelt es sich nicht um strukturelle Gleichheit, sondern um Konvergenz. Weitgehende, von den Vögeln abweichende Parallelismen zwischen beiden Ordnungen der Dinosaurier ergeben sich vor allem m der Umwandlung der für Systematiker wichtigen Schädelbasis, die, von einer vogelartigen Schädelbasis ausgehend, bei den Thero- poden, Ornithopodiden und Thyreophoren zu einem verkürzten Typus mit vorne stark verbreitertem Basisphenoid führt (vergl. Fig. 2 u. 7). Eine weitere Eigentümlichkeit, die sich bei vier- und zweibeinigen Dinosauriern nachweisen läßt, ist die Verlänge- rung des Femur, das im Gegensätze zu den Vögeln, wo es stets kürzer ist als die Tibia, im Laufe der Stammesgeschichte der Dinosaurier über die Länge der Tibia hinauswächst. Daß diese Größenzunahme nicht bloß die Lösung einer Gleichgewichtsfrage bedeutet und daher auch wohl kaum bloß mechanische Ursachen haben durfte, zeigt ihr Vorkommen bei dem vierfüßigen Genus Stegosaurus. Eine dritte, von den meisten Vögeln abweichende und 206 F. B. Nopcsa, nur bei wenigen Ratiten bemerkbare Eigenschaft der beiden Dino- saurier-Phyla besteht darin, daß die ursprünglich leichtgebauten Extremitätenknochen solide und massiv werden. Als Dinosaurier mit schweren Extremitätenknochen erwähne ich die Sauropoden unter den Saurischia und Claosaurus unter den Orthopoden. Die sonstigen Veränderungen der Dinosaurier dürften durch deren Lebensweise bedingt sein. Im übrigen verweise ich wegen Details auf meine Arbeit über den, freilich in bezug auf Skelettproportionen und Stellung der Fußzehen einer wesentlichen Korrektur be- dürfenden Proavis (Proc. Zool. Soc. London 190/), dessen Existenz- berechtigung ich aber im übrigen Abel gegenüber im Sinne Heil- man’s noch immer aufrecht erhalten zu müssen glaube1 2. Da ich mit Huene darin vollkommen übereinstimme, daß den Saurischiern und Ortliopoden der Wert je einer Ordnung zukommt, glaube ich dem Ausdrucke Dinosauria den Wert einer Ober- ordnung zuschreiben zu müssen. Dies läßt sich sowohl durch die zwischen einem spezialisierten Orthopoden und einem speziali- sierten Theropoden existierenden Differenzen, als auch durch die ganz hervorragende Bedeutung der Dinosaurier für das festländische Wirbeltierleben der Erde rechtfertigen, denn während des ganzen i Die Greif hand ist universeller, als Abel meint; betreffs des Fußes verweise ich auf Huene (7) p. 36. Im übrigen sind alle in meiner eben zitierten Arbeit angeführten Schwierigkeiten, die sich der Ablei g der Vögel von quadrupeden arborikolen Formen in den Weg stellen von Abel, der seine ganze Hypothese bloß auf das Hand- und Fußskelett auf- baut, einfach nicht in Betracht gezogen worden. Es sind dies. 1. dm bei Vögeln bemerkbare Differenzierung der vollkommen funktionsfähigen Hinterextremität, die allen sicher aus quadrupeden arborikolen Formen, d. h. Patagiumfliegern , hervorgegangenen Flugtieren natürlich abgeht, 2 die Unmöglichkeit, daß sich auf einem Patagium eine mechanisch wirk- same Feder entwickle; 3. die Entwicklung des Beckens und der Meta- tarsalia, die weiter vorgeschritten ist als die der für Baumvogel doc gewiß wichtigeren Flügelknochen; 4. das Vorkommen von großen Neur- apophysen und freien Rückenwirbeln bei den Ratiten, dann deren primitive Gaumenbau und deren relativ niedrige Bluttemperatur; 5 endlich d*s frühzeitige Vorkommen von bodenbewohnenden Vögeln, deren Vorder- extremität schon wieder reduziert ist (. Hesperornis und die eoeänen flug- unfähigen Vögel), denn es versteht sich, daß dies bei Vögeln, bei e die Hinterextremität an der Lokomotion bedeutend teilmmmt, leichter eintritt als bei arborikolen Formen. Nach Abel s Ansicht konnten die Palaeognathae die spezialisiertesten Vögel sein und fast mußte man erwarten, nach meiner Ansicht stehen unter allen lebenden Vögeln gerade sie den Vorfahren der Vogel weit am nächsten Zu allem demf"ge ^ noch hinzu: 6. die vogelartige Gestalt der Schädelbasis > der Vogel und primitiven Dinosaurier, deren Condylusrichtung auf vertikale Halshal g hinweist. Details sollen gelegentlich folgen. Ueber Dinosaurier. 207 Mesozoicums waren sie die Vertreter karnivoren und herbivoren Säuger. Die auch von Huene anerkannte Gruppe der Archosaurier (7), die nach meinem Dafürhalten Rhynchocephalen, Pseudosuchia (== Pseudosuchia -f- Parasuchia -f- Pelycosimia), Crocodilia, Dino- sauria und Pterosauria umfaßt, ist ja sicherlich eine natürliche Einheit, doch scheint sie mir gewiß den Wert einer Unterklasse zu haben. Die Systematik der Theropoden , wenigstens der triadischen Formen, ist in letzter Zeit von Huene eingehend erörtert worden (8), weitere Aufklärungen darüber sind wohl von den neuen Funden der Professoren Fraas, Jaekel und Huene zu erwarten. Die Sauro- podensystematik schließt sich naturgemäß an die der Theropoden, muß aber so lange unbefriedigend bleiben, bis es nicht gelingt, die primitiven Sauropoden von den spezialisierten gut zu trennen und so die Entwicklungsrichtung der einzelnen Phyla festzustellen ; die Systematik der Orthopoden läßt sich an der Hand des bisher beschriebenen Materiales hingegen schon recht gut fixieren. Die Unterscheidung zwischen den zweibeinigen unbepanzerten und den meist vierbeinigen bepanzerten Orthopoden ist schon eine alte , doch ist noch immer in beiden so entstehenden Gruppen Raum für Korrekturen vorhanden. Der erste wesentliche Punkt der Systematik der Unterordnung der zweibeinigen Ornithopoda, der stark betont werden muß, be- steht darin, daß man die Familie Kalodontidae Nopcsa (13) 'yon der Familie Trachodontidae scharf trennt. Der Unter- schied in der Entwicklungsrichtung zwischen den Kalodontidae und Trachodontidae liegt darin , daß erstere die Schneide eines jeden Zahnes stets verstärken, was durch einseitige, eine prächtige Ornamentierung bewirkende Anlage von Schmelzrippen erfolgt, während bei letzteren eine bemerkenswerte Verstärkung der ein- seitigen Schmelzschichte des einzelnen Zahnes nicht erfolgt, hingegen durch rapideren Zahnnachwuchs die Schmelzlagen ver- schieden alter Zähne gleichzeitig in Gebrauch treten, wodurch ein Zahnpflaster entsteht. Evolutionsrichtung ist natürlich scharf von Evolutionshöhe zu trennen. Gemeinsam ist beiden Familien der Ornithopoden, daß bei ihnen die Entstehung einer Mahlfläche darauf basiert, daß sich die Mahlfläche der Zähne in unökonomischer Weise durch das Abschleifen bildet, wogegen das bei den Säuge- tieren feststellbare Prinzip der Schmelzeinfaltung in das Innere des Zahnes in ökonomischerer Weise darauf hinausläuft, den Zahn trotz der Abschleifung zu konservieren (13). Nach der Trennung der Ornithopoden in Kalodontiden und Trachodontiden erübrigt es, die weitere Einteilung dieser beiden Familien zu besprechen. Die Kalodontidae scheinen in drei Unter- familien zu zerfallen. Die erste heißt Hypsilophodontidae. 208 F. B. Nopcsa, Diese ist durch Zwischenkieferzähne ausgezeichnet und es haben ihre Mitglieder eine flache, an einige triadische Theropoden ge- mahnende Schädelbasis. Diese Unterfamilie umfaßt die Genera: Hypsilophodon, Nanosaurus (5), möglicherweise auch Gercinosaurus und Priodontognathus. Letzterer erinnert stark an Rhabdodon , seine Beschreibung weist jedoch einige ab- sonderliche Eigenschaften auf, denn Seeley hat, wie ich mich persönlich überzeugte, das Stück unrichtig orientiert und vorne und hinten vertauscht. Namentlich das Vorderende der neuen Orientierung erinnert an ein jß/iaMocfow-Maxillare , da jedoch die Zähne von Priodontognathus sogar primitiver gebaut sind als bei Hypsilophodon , kann man Priodontognathus nicht zu den Campto- sauriden stellen, wohin Rhabdodon gehört. Die zweite Unterfamilie der Kalodontidae bilden die Campto- sauridae mit den gut definierbaren Genera Laosaurus, Campto- saurus. Rhabdodon. Camptonotus und Cunmoria sind Synonyma von Camptosaurus, Mochlodon ist synonym mit Rhabdodon. Einige Spezies der Genera Camptosaurus und Rhabdodon sind ebenso wie der Typus von Hypsilophodon ursprünglich unter dem Genus- namen Iguanodon beschrieben worden. Von den Hypsilophodon- tidae unterscheiden sich die Camptosauridae durch die Schädel- basis (2, 11), von den zu besprechenden Iguanodontidae durch die schwächere Entwicklung des vorderen Pubis-Astes. Die dritte Unterfamilie der Kalodontidae, namens Iguanodontidae, um- faßt vorläufig bloß die beiden Genera Iguanodon und Craspedodon. Wir gehen nun auf die Trachodontiden über. Da sich die meisten Reste von Trachodontiden in Amerika befinden, ist es namentlich während der jetzigen Verhältnisse schwer, sich in Europa ein klares Bild über die Familie Trachodontidae zu machen, für Fernerstehende wird nicht einmal das klar, daß alle die in diese Familie gehörenden Formen Trachodon, Hadro- saurus, Ortliomerus, Kritosaurus, Claosaurus , Sauro- lophus, Hypacrosaurus und Corythosaurus eigene Genera repräsentieren. Brown (1) stellt Kritosaurus, Trachodon, Hadro- saurus und Claosaurus in eine Unterfamilie, die Trachodontidae, Saurolophus, Hypacrosaurus und Corythosaurus in eine zweite, die Saurolophidae. Falls diese Klassifikation richtig ist, hat Ortliomerus (mit dem Limnosaurus Nopcsa non Marsh, Telmato- saurus und Hecatasaurus synonym sind) wegen seiner Ähnlich- keit mit Kritosaurus jedenfalls in die erste dieser beiden Unterfamilien zu gehören, doch scheint mir der Wert der BROWN’sclien Einteilung vorläufig noch zweifelhaft ; in Ermanglung einer besseren muß man freilich derzeit Brown’s Einteilung benützen. Sphenospondylus erscheint in bezug auf seine systematische Stellung fraglich. Bei der Systematik der bepanzerten Dinosaurier gehen die Ansichten stärker auseinander als bei den Ornithopoden. Selbst Ueber Dinosaurier. 209 halte ich es für zweckmäßig1, alle bepanzerten Dinosaurier .in eine einzige Unterordnung zusammenzufassen, die ich der Unterordnung Ornithopoda gegenüberstelle und die ich Tliyreophora nenne (13). Alle Mitglieder dieser Unterordnung zeichnen sich durch sekundär erworbene quadrupede Lokomotion und starke Panzerbildung aus. Je nach der Entwicklung des Schädels kann man innerhalb der Thyreophoren drei Familien, Stegosauridae, Acanthopholidae (10) und Ceratopsidae, unterscheiden. Bei den S t e go s a ur i d en ist der Schädel von zwei Formen, nämlich von Scelidosaurus und Sieg osaurus bekannt. Beide charakterisieren sich durch normal entwickelte obere Schläfen- ■öffnungen, ähneln also in diesem Punkte, sowie in der Konkavität ■des hinteren Schädelumrisses von oben, den Ornithopoden ; ihr Hinterhaupteondylus scheint in beiden Fällen schräge gegen hinten und unten gerichtet zu sein, das Foramen magnurn ist daher fast in der Verlängerung der Schädelachse gelegen. Die vorderen Extremitäten sind in dieser Unterfamilie viel kürzer als die hinteren, der Hautpanzer entwickelt sich innerhalb dieser Unterfamilie all- mählich zu großen, vertikal gestellten Rückenplatten, was dann seinerseits wieder die Gestalt der Rückenwirbel beeinflußt, deren Diapophysen aufwärts gerichtet werden. Innerhalb der Stegosauriden können wir zwei Unterfamilien : S celidosaurididae und Stegosaurididae unterscheiden. Erstere umfaßt die Genera Echinodon Owen, Scelidosaurus Owen und Sarcolestes Lydekker und hat starke Zähne und einen nicht sehr differenzierten Panzer; letztere umfaßt die Genera Steg osaurus Marsh, Anthodon Owen, Dacentrurus Lucas (= Omosaurus Owen), Graterosaurus Seeley (12), Centrur osaurus Hennig {= Doryplior osaurus Nopcsa [14]), Dir acodon Marsh. Der Grund, weshalb ich Sarcolestes (9) zu den Scelidosauridae stelle, liegt in der eigentümlichen windschiefen Krümmung der Alveolarreihe dieses Tieres, die den Theropoden fehlt, zu denen Sarcolestes, weil ihm ein Kronenfortsatz abgeht, gestellt wurde, während sie bei den Stego- sauriern vorkommt, dann in der Bepanzerung der Außenfläche des Unterkiefers, endlich in der Gestalt seiner an Scelidosaurus ge- mahnenden Zähne. Die an und für sich ja recht interessante Tat- sache, daß die Alveolen bei Sarcolestes bis an die Symphyse reichen, daher kein Prädentale vorhanden war, ist diesen Eigenschaften gegenüber phylogenetisch von großer, systematisch aber offenbar doch nur von geringer Bedeutung, denn wir wissen ja ohnehin, daß wir bei primitiven Orthopoden den Mangel eines Prädentale zu erwarten haben. Da Scelidosaurus einen Kronenfortsatz, Sarco- lestes jedoch wie Stegosaurus keinen besitzt, könnte man Sarcolestes statt zu den Scelidosauridae auch zu den Stegosauridae stellen, Joch widerspricht dem die Scelidosaurus-a,Yt\ge Gestalt der Zähne, und infolge dieser Umstände belassen wir Sarcolestes bei den Scelido- Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 14 210 F. B. Nopcsa, sauriern und betrachten ihn als der Ursprungsstelle der Stegosaurier nahestehend. Betreffs der Unterfamilie Stegosaurididae verweise ich auf Gilmore’s Monographie, hebe jedoch neuerdings hervor, daß mir die Vereinigung der Genera Stegosaurus und Dacentrurus wegen der verschiedenartigen Ausbildung des vorderen Iliumteiles unstatt- haft erscheint. Es wäre an der Zeit, daß die amerikanischen Paläontologen, z. B. Gilmore und Brown, die Beobachtungen am europäischen Materiale nicht außer acht ließen. Bei den Acanthopholidae (13) fehlen die oberen Schläfen- öffnungen, der Schädel ist oberhalb des Foramen magnum seitlich, rückwärts und oben bis zur Fronto-Nasalnaht fast kugelförmig, und deshalb erinnert sein Umriß stark an jenen eines Vogels, doch mit dem Unterschiede, daß sich am Baue dieser Kugeloberfläche seitlich nicht wie bei den Vögeln die das Hirn begrenzenden Knochen, sondern die Deckknochen, also Squamosum, Postfrontalia und Praefrontalia, beteiligen. Das Quadratum ist klein, der ge- stielte kugelförmige Condylus ist rechtwinkelig auf die Schädel- basis aufgesetzt, das Foramen magnum ist von unten sichtbar, und es ist nicht in der rückwärtigen Verlängerung der Schädelachse gelegen, sondern schaut rechtwinkelig auf diese. Von unten be- trachtet erinnert die Schädelbasis von Struthiosaarus am ehesten noch an jene von Thecodontosaurus und Hypsilopliodon, während die Schädelbasis von Stegosatirus eher eine entfernte Ähnlichkeit mit jener von Plateosaurus auf weist. Die Gestalt der Zähne, die bei Stcgopelta, Struthiosaurus und Stcgoceras bekannt sind, ist recht typisch und sowohl von den an der Basis geblähten Zähnen von Stegosaurus als auch den länglichen vielsnitzigen Zähnen von Sarco- lestes, Scelidosaurus und Tröodon verschieden. Über die Zusammen- gehörigkeit von Zähnen und Schädel von AcantJiopholis und Arikylo- saurus scheinen mir die Akten noch nicht geschlossen. Isolierte Zähne eines Acantliopholididen wurden als Palaeoscincus beschrieben. Vorder- und Hinterextremitäten sind bei allen Acanthopholidae annähernd gleichgroß. Der Panzer entwickelt sich bei vielen Formen zu einem seg- mentierten Nackenschutz, zu einem geschlossenen Lendenschild und zu Schulterstacheln, doch kann man bei den Acanthopholidae, wie mir scheint, zwei Unterfamilien erkennen, nämlich die Hylae- saurididae mit Hylaeosaurus, die bloß auf Hals und Schulter mehrere Reihen auffallend langer Stacheln aufweisen, und die Acanthopholididae, die den segmentierten Nackenschutz und bloß auf den Schultern schwere, an ihrer Basis stark verbreiterte Stacheln zeigen. Dieser segmentierte Nackenschutz hat sich bei Struthiosaurus, dann auch bei Stegopelta und Stegoceras gefunden, doch ist er bei letzterem von Lambe irrtümlicherweise Ankylosaurus Brown (= Stereocephalus Lambe) zugeschrieben worden. Uebcr Dinosaurier. 211 Die Unterfamilie Acanthopholididae enthält die Genera : Acanthopholis Huxley, Struthiosaurus Bunzel, Stegoceras Lambe, Hoplitosaurus Lucas, Polacanthus Owen, Stegopelta Williston, Palaeoscincus Leidy. Anoplosaurus Seeley, den Hennig noch selbständig an- führt, habe ich schon 1902 mit Acanthopholis vereinigt (10) und dasselbe geschah damals mit Struthiosaurus und Crataeomus. Neue siebenbürgische Funde haben seither die Richtigkeit der zweiten Vereinigung bewiesen und infolge von 1902 angeführten Gründen bildet dies nun gleichzeitig auch ein Argument für die erste. Wegen Details verweise ich auf meine damalige Arbeit. Wegen der Zugehörigkeit von Stegoceras zu den Acantho- pholididae habe ich auf meine 1915 erschienene Arbeit (13) im Jahrbuch der k. ung. Geol. Reichsanstalt zu verweisen. Hoplito- saurus stelle ich infolge der Gestalt seiner an der Basis stark verdickten Stacheln in die Nähe von Polacanthus, H oplosaurus ischyrus Seeley ist zu schlecht erhalten, als daß man hierüber etwas Positives sagen könnte. Möglicherweise ist diese Form mit Struthiosaurus ident. Die Ceratopsidae unterscheiden sich von beiden vor- genannten Familien im Schädelbau dadurch, daß sich bei ihnen ein sekundäres Schädeldach bildet. Je nach dem Grade der Entwicklung dieses Schädeldaches hat man die ursprünglicheren Nodosauridae und die speziali- sierteren Ceratopsidae zu unterscheiden. Der Panzerschutz entwickelt sich vorwiegend zu einer Nackenkrause und zu jeden- falls offensiv gebrauchten Hörnern. Die Familie Ceratopsidae um- faßt, nach meiner Auffassung, die Unterfamilien Stenopelyxidae (Stenop ely x Meyer), Nodosauridae ( Nodosaurus Marsh, Ankylosaurus Brown, Hierosaurus Wieland) und Cerato- psidae ( Monoclonius Cope, Anchic er atops Brown, Tri- ceratops Marsch etc.) Stenopelyx ist zuletzt von Huene besprochen worden, bei Ankylosaurus {= Stereocephalus Lambe) ist in Übereinstimmung mit Abel zu betonen, daß es jedenfalls unstatthaft ist, ihn mit einem Stegosaurus- Femur zu rekonstruieren, wie dies Brown getan hat. Die spätere Nackenkrause der Ceratopsidae ist hier vorerst nur durch Stacheln angedeutet, und was Hierosaurus anbelangt, so möchte ich hinzufügen, daß sich Hierosaurus- artige Panzerplatten in Südfrankreich gefunden haben. Es sind dies jene Stücke, die Deperet in 1900 im Bull. Soc. Geol. Franc, als Crataeomus sp. erwähnte, die jedoch, wie ich mich in Lyon überzeugte, viel dicker als die Platten des Struthiosaurus (= Crataeomus). Über die Cerato- psididae selbst läßt sich, da sich das Material zu dieser Familie fast ausschließlich in Amerika befindet, bloß auf Grund der Literatur nur wenig sagen, und dies ist der Grund, warum im Elenchus der 14* 212 F. B. Nopcsa, Ueber „Dinosaurier. thyreophoren Dinosaurier von einer Aufzählung der verschiedenen Genera der eigentlichen Ceratopsiden Abstand genommen wurde. Was ich als Typen der einzelnen Unterfamilien der Ceratopsidae auffasse, ist, so wie in allen anderen Unterfamilien, immerhin auch hier durch gesperrten Druck hervorgehoben wrorden. Obzwar Hennig in seiner Zusammenstellung der Stegosaui^ier und ihrer Literatur (4) in 1916 noch ausdrücklich betont hat, daß eine Klassifikation eines großen Teiles der bepanzerten Dinosaurier derzeit noch nicht möglich sei, so ist, wie ich glaube, durch obige Zeilen der Beweis des Gegenteiles erbracht worden. Für die Klassifikation sämtlicher orthopoden Dinosaurier ergibt sich auf diese Weise folgendes Schema: Oberordnung Dinosauria. Ordnung Ortliopoda. I. Unterordnung Ornithopoda. 1. Familie Kalodontidae. a) Unterfamilie Hypsilophodontidae. b) „ Camptosauridae. c) „ Iguanodontidae. 2. Familie Trachodontidae. a) Unterfamilie Trachodontidae. b) „ Saurolophidae. II. Unterordnung Thyreophora. 1. Familie Stegosauridae. a) Unterfamilie Scelidosaurididae. b) „ Stegosaurididae. 2. Familie Acanthopholidae. a) Unterfamilie Hylaeosaurididae. b) „ Acanthopholididae. 3. Familie Ceratopsidae. a) Unterfamilie Stenopelyxidae. b) „ Nodosauridae. c) „ Ceratopsidae. Literatur. Von der Literatur über Stegosauridae wurde hier nur das angeführt, was entweder in Hennig’s Zusammenstellung fehlt oder seither erschienen ist. Betreffs der Originalbeschreibungen der einzelnen orthopoden und cerato- psiden Genera sei im übrigen auf die bisherigen diesbezüglichen Biblio- graphien Hay’s, Nopcsa’s und Hatcher-Lull’s gewiesen. (1) Brown : Corythosaurus Casuarius, a new crested Dinosaur. Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 1914. (2) Gilmore: Osteology of the jurassic reptile Camptosaurus. Proc. U. S. Nat. Mus. Washington. 1909. W. Soergel, Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 213 (3) Hennig : Kentrosaurus aethiopicus, der Stegosauride des Tendaguru. Sitz.-Ber. Gesell. Naturforsch. Freunde, Berlin. 1915. (4) — Stegosauria (in Fossilium Catalogus edit. Frech. Animalia). Berlin 1915. (5) Huene-Lull : Neubeschreibung des Originals von Nanosaurus. Neues Jahrb. f. Min. etc. 1908. (6) Huene : Beiträge zur Kenntnis des Ceratopsiden-Schädels. N. Jahrb. f. Min. etc. 1911. (7) — Beiträge zur Geschichte der Archosaurier. Geolog. -Paläontolog. Abhandl. Jena. 1913. (8) — Das natürliche System der Saurischia. Dies. Centralbl. 1914. (9) Lydekker: On the jaw of a new carnivorous Dinosaur from the Oxford clay. Quart. Journ. Geol. Soc. 1893. (10) Nopcsa : Notizen über cretacische Dinosaurier. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Wien. 1902. (11) — Dinosaurierreste aus Siebenbürgen. II. Schädelreste von Mochlodon. Denkschr. d. Akad. d. Wiss. Wien. 1902. (12) — Notes on British Dinosaurus. Part V. Craterosaurus. Geol. Mag. 1913. (13) — Die Dinosaurier der Siebenbürgischen Landesteile Ungarns. Jahrb. geol. Reichsanst. Budapest. 1915. (14) — Doryphorosaurus, neuer Name für Kentrosaurus Hennig. Dies. Centralbl. 1916. (Infolge einer späteren Notiz Hennig’s 1. c. 1917 belanglos ; der heute gültige Name ist Centrurosaurus Hennig.) Zur Abstammung des Elephas antiquus Fak. Von W. Soergel. Mit 3 Textfiguren. Eine neue Arbeit G. Schlesinger’s 1, in welcher der Autor seinen Versuch wiederholt, die von ihm 1912 2 befürwortete De- szendenslinie El. planifrons — -El. antiquus zu begründen und meine Argumente für die Deszendenslinie El. mericlionalis v&r.—El. antiquus als völlig haltlos hinzustellen, veranlassen mich zu dem oft be- handelten Thema nochmals das Wort zu ergreifen. Da meine 1 G. Schlesinger, Meine Antwort in der Planifrons- Frage. I. Die Herkunft des Elephas antiquus. Dies. Centralbl. Jahrg. 1916. No. 2 u. 3. * G. Schlesinger, Studien über die Stammesgeschichte der Probo- scidier. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 62. H. 1. 1912. 214 W. Soergel, Anschauungen über die Stammesgeschichte der europäischen Ele- fanten sich seit 1912 1 in keiner Weise geändert und ich erst 1915 2 * diesem Gegenstand eine ausführliche Darstellung gewidmet habe, so darf ich mich hier auf eine kritische Beleuchtung der neuen ScHLKSiNGER’schen Beweisführung, auf Korrekturen beschränken. Und auch hierbei muß ich auf eine erschöpfende Behandlung der einzelnen Punkte verzichten, weil eine solche nur mit einem den Rahmen dieser Zeitschrift weit überschreitenden Bildermaterial möglich und vor allem ersprießlich wäre. Denn Autoren, die wie Schlesinger die Berechtigung zur Diskussion eines Themas nur aus einer gewissen Kenntnis der betreifenden Literatur herleiten können, sind leicht geneigt, von anderen an größerem Original- material gewonnene Beobachtungs- und Erfahrungstatsachen einfach als „Behauptungen“ , ja unbewiesene oder „subjektiv gefärbte“ „Behauptungen“ anzusehen, sobald sie nicht durch entsprechende bildliche Darstellungen gestützt werden. Zu gelegenerer Zeit werde ich versuchen, den Anforderungen solcher Autoren durch Veröffent- lichung eines größeren Bildermaterials zu entsprechen. I. Richtigstellung. Schlesinger schickt seinen mehr sachlichen Ausführungen eine „Berichtigung“ voraus, in der er sich um den Nachweis be- müht, daß ich in meiner 1915 erschienenen Arbeit eine Schwen- kung vollzogen hätte, „diert , meinen4 „Standpunkt von dem früher vertretenen um ein wesentliches Stück gerade in die Richtung hin entfernt, welche zu einer Vereinigung mit“ ,Schle- singer’s4 „Auffassung führen muß“. Während ich früher El. antiquus und El. trogontherii aus der Variationsbreite des El. meridionalis hergeleitet hätte, so argumentiert Schlesinger, so sähe ich jetzt den Vorfahren des El. antiquus in Formen, „welche praktisch mit dem Ahnen, den“ , Schlesinger4 „angenommen und als El. planifrons bestimmt habe, zusammen fallen“. Diesen irrigen Schluß zieht Schlesinger aus einigen von mir 1914 und 1915 publizierten Sätzen, in denen ich darauf hinweise, daß eine vorhandene und deutlich erkennbare V ariationsbreite des El. meridionalis im Sinne antiquoider und trogontheroider Meik- male selbstverständlich voraussetzt, daß die erste Anlage einer solchen Variationsbreite in den direkten Vorfahren des El. meri- dionalis, also in den zwischen dieser Art und El. planifrons stehen- 1 W. Soergel, Elephas trogontherii Pohl, und El. antiquus Falc., ihre Stammesgeschichte und ihre Bedeutung für die Gliederung des deutschen Diluviums. Palaeontogr. 60. 1912. 2 W. Soergel, Die Stammesgeschichte der Elefanten. Dies. Centralbl. Jahrg. 1915. H. 6—9. (Weiterhin zitiert als 1915. I.) Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 215 den Formen, eingesetzt haben muß. Er sucht diesem Schluß be- sonderes Gewicht dadurch zu verleihen, daß er unter weitgehender, den wahren Inhalt meiner Darlegungen verschleiernder Kürzung einen Teil der betreffenden Stelle in einer Fassung zitiert , wie ich sie niemals publiziert habe. Der ganze Satz lautet: „In unserem Falle würde die ideelle, paläontologisch nicht nachweisbare Trennung in eine Antiquus- Reihe und eine Trogontherii— Primi- genius- Reihe schon in den zwischen El. planiffons und El. meridio- nalis stehenden Formen eingesetzt und vorerst als erstes nach- weisbares Stadium der Entwicklung zu einer größeren Variations- breite des El. meridionalis geführt haben.“ Daraus entnimmt Schlesinger den Satz, daß „die Trennung in eine Antiquus- und Trogontherii — Primigenius-Reihe schon in den zwischen El. plani- frons und El. meridionalis stehenden Formen eingesetzt haben müsse“, womit der Inhalt obigen Satzes stark verstümmelt und positiver zum Ausdruck gebracht wird, als ich ihn publizierte. Im Interesse einer sachlichen Führung wissenschaftlicher Streit- fragen darf man wohl gerade von Leuten, die ihre „wissenschaft- liche Objektivität“ bei jeder Gelegenheit betonen, ein ge- naues, nicht sinnstörendes Zitieren erwarten. Darin, daß ich schon bei den zwischen El. planifrons und El. meridionalis stehenden Formen die beginnende Entwicklung einer Variabilität im Sinne antiquoider und trogontheroider Merk- male vermute, sieht Schlesinger den Beweis für meinen „Um- schwung“. Es wird sich also darum handeln, festzustellen, ob eine derartige Auffassung schon aus meiner 1912 erschienenen Arbeit hervorgeht, oder ob meine dort niedergelegten Anschauungen mit einer derartigen Auffassung in Widerspruch stehen. Das letz- tere glaubt Schlesinger bewiesen zu haben. Er stützt sich dabei auf eine Anzahl Zitate aus meiner 1915 erschienenen Arbeit, auf meine kurzen Äußerungen über die Zähne von Ferladani, Stauropol und Kouialnik und schließlich auf das 1912 von mir veröffentlichte Variationsschema zur Veranschaulichung der Stammesgeschichte der europäischen Elefanten. Den von Schlesinger aufgeführten „Daten“ für den „Wandel“ meiner Anschauungen stelle ich zu- nächst alle diejenigen Sätze aus den Arbeiten von 1912 und 1915 gegenüber, in denen von der Abstammung des El. antiquus, der Variationsbreite des El. meridionalis und von der voroberpliocänen Wanderform des Stammes El. planifrons— El. meridionalis die Bede ist. 1. 1912. p. 90. „Aus der Variationsbreite des El. meridionalis lösen sich im Laufe der phylogenetischen Entwicklung zu Beginn des Pleistocäns zwei Formen schärfer heraus: El. antiquus und El. trogontherii, zwischen denen aber immer noch, die Variationsbreite des El. meri- dionalis gleichsam fortsetzend , intermediäre Formen auftreten : El. trogontherii var. antiquus und El. antiquus var. trogontherii . “ 216 W. Soergel, 2. 1912. p. 97. „Ende Miocän, Anfang Pliocän entwickelte sich aus dem in nur engen Grenzen variierenden El. planifrons die Formengruppe des El. meridionalis — hysudricus, die im Pliocän, wohl unter dem Einfluß der kleineren, die großen Oszillationen der diluvialen Ver- eisung einleitenden Klimaschwankungen, vor allem aber unter der Einwirkung ganz bedeutender, die Art von ihrem asiatischen Stamm- land über fast ganz Europa verbreitenden Wanderungen eine größere Variationsbreite erhielt. Zu Beginn des Pleistocäns traten aus dieser Variationsbreite zwei Varietäten allmählich schärfer hervor“, etc. 3. 1915, I. p. 247. „Es ist bei Aufstellung von Stammbäumen selbstverständ- lich, daß wir ein Divergieren zweier Stämme aus einer Kollektiv- form dort eintreten lassen, wo wir beide Deszendenten schon als Varietäten des Grundtypus erkennen können, wo gewisse Unter- schiede, wenn auch schwach und durch alle Übergänge verbunden, nachweisbar sind. Daß wir uns dabei vollkommen klar sind dar- über, daß eine schwache, eben erkennbare Divergenz schon mit dem Wachsen der Variationsbreite der jeweiligen Kollektivform eingetreten sein muß, braucht kaum betont zu werden. In unserem Falle würde also die ideelle, paläontologisch nicht nachweisbare Trennung in eine Antiquus-PsWiQ und eine Trogontherii — Primigenius- Reihe schon in den zwischen El. planifrons und El. meridionalis stehenden Formen eingesetzt und vorerst als erstes nachweisbares Stadium der Entwicklung zu einer größeren Variationsbreite des El. meridionalis geführt haben. Da wir eine solche Zwischenform als eigentliche Wanderform ansehen müssen, die den asiatischen Elefantenstamm nach Europa führte , so wäre die Herausbildung einer größeren Variationsbreite gerade bei dieser Form recht ver- ständlich.“ Diese Ausführungen aus dem Jahre 1915 decken sich bezüg- lich der Variabilität der zwischen El. planifrons und El. meridio- nalis stehenden Formen, den eigentlichen Wanderformen, vollständig mit den im 2. Zitat aus dem Jahre 1912 wiedergegebenen An- schauungen, wobei die zu frühe Altersdatierung des El. planifrons gar nicht in Betracht kommt. Denn Wanderungen vor allem wer- den schon dort als Erklärung für die Anlage und Weiterentwick- lung einer größeren Variationsbreite herangezogen. Wo glaubt Schlesinger, daß diese Einflüsse wirksam gewesen sein sollen, wenn nicht bei der Wanderform, d. li. dem direkten Vorläufer des oberpliocänen El. meridionalis f Oder gelingt es seiner Inter- pretationskunst auch hier, einen Sinn in meine Ausführungen hinein- zutragen, der seinen Zwecken entspricht, einen Gegensatz zu kon- struieren? Das Auslassen des 2. Zitats von 1912 in seiner Zu- sammenstellung von „Daten“, das um so auffälliger ist, als nur an dieser Stelle der Arbeit von 1912 von den gerade in Rede Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 217 stellenden voroberpliocänen Wanderformen gehandelt wird, scheint ; nicht darauf hinzudeuten. Den wirklichen Sinn der unter 3 zitierten Sätze hat Schle- singer schließlich gar nicht verstanden, wie seine an diese Sätze anknüpfende Argumentation beweist. Er hängt bei seinen phylo- genetischen Spekulationen zu sehr an Namen, die Striche zu Stamm- reihen verbinden, sieht im Bild des dürren, verästelten Baumes, scheint mir, den höchsten Ausdruck phylogenetischen Denkens. Es fehlt ihm augenscheinlich eine vollere Vorstellung vom Vorgang der Entwicklung, ein tieferes Verständnis für seine Kontinuität, für das Nichtabzugrenzende in der Fülle der ineinanderfließenden Formen und die daraus sich ergebende Unmöglichkeit, den Ablauf einer Entwicklung durch Auflösung des Vorgangs in begrifflich eng begrenzte Namen gerecht zu werden. Das ist die Quelle aller Mißverständnisse und aller Mißdeutungen meiner Ausführungen durch Schlesinger, die damit begannen, daß er in meiner Phylogenie die „Variationsbreite des El. meridionalis“ , über deren Charakter meine Ausführungen gar keinen Zweifel ließen, mit „ El. meridio- nalis typus“ vertauschte und nun gegen die entstellte Anschauung polemisierte. Ebenso unglücklich ist Schlesinger in der Ausdeutung meines Variationsschemas aus dem Jahre 1912, das ihm einen weiteren Beweis für meinen Umschwung liefern sollte. Auch hier sind seine Folgerungen unlogisch und wenig durchdacht. Hätte ich 1912 — und das ist der Kernpunkt, an den Schlesinger’s weitere Miß- deutungen anschließen — dem direkten Vorfahren des El. meridio- nalis keine Variabilität im Sinne trogontheroider und antiquoider Merkmale zuerkannt, so hätte ich die unterste Figurenreihe für El. meridionalis offensichtlich nur in Rechtecken zeichnen müssen, dem Sinnbild trogontheroider Eigenschaften. Die sehr deutlichen rhombischen Einschläge in dieser Reihe und ihr allmähliches Zu- nehmen in den oben folgenden Reihen lassen jeden Unbefangenen erschließen, daß sich in tieferen, für den direkten Vorfahren des El. meridionalis angefügten Reihen die rhombischen Einschläge in allmählich abnehmender Stärke fortgesetzt haben würden und keinesfalls in der nächsttieferen Reihe schon ausgeklungen resp. verschwunden gewesen wären, wie es die von Schlesinger mir unterstellte Ansicht zum mindesten verlangen müßte. Schon die ältesten Formen des oberpliocänen El. meridionalis besitzen in diesem Schema eine Variationsbreite im angedeuteten Sinn , die sich eben im Laufe der Entwicklung vergrößert. Daraus geht unzweideutig hervor, daß die Anlage einer solchen Variationsbreite schon bei den nicht in das Schema einbezogenen direkten Vorfahren des El. meridionalis begonnen haben muß. Ein anderer Schluß auf die dem El. meridionalis direkt voraufgehenden Formen ist aus diesem Schema vernünftigerweise gar nicht abzuleiten. Er 218 W. Soergel, deckt sich vollkommen mit dem , was in dem Zitat 2 ans eben dieser Arbeit über diese Formen gesagt ist. Daß ich die 4 unteren, dem El. meridioncilis zugehörenden Figurenreihen als „Formen des Val d’Arno“ umschrieb, was Schle- singer merkwürdigerweise durch Fettdruck als für seine Auslegung günstig hervorhebt, hat seinen Grund darin, daß zu einer der- artigen Demonstration der Stammesgeschichte nur ihrem Alter nach gesicherte und fossilreiche Fundorte herangezogen werden durften. Mir ist bisher aus dem Oberpliocän kein Fundort bekannt, der ein auch nur annähernd so reiches Material oder überhaupt ein Material geliefert hätte, an dem über die Variabilität des El meri- dionalis in solchem Maße ein Urteil gewonnen werden könnte. Schlesiger’s Auslassungen über eine solche, in einem Alter und Formenbreite vergleichenden Schema notwendige Einschränkung ist mir deshalb völlig unverständlich, da ich doch nicht annehmen kann, er wolle mir die Ansicht unterstellen, daß gerade nur aus der Variationsbreite dieser Meridionalis-Formen die beiden Stämme , unserer diluvialen Elefanten allmählich deutlicher herausgewachsen wären. Ebenso unverständlich und grundlos ist die anschließende Behauptung, ich versuchte „die Schädelfrage von dem Material aus dem Val d’Arno abzudrängen“. Eine kritische Prüfung meiner 1912 veröffentlichten An- schauungen führt also zu dem Resultat, daß sie mit den 1915 veröffentlichten durchaus nicht im Gegensatz stehen, daß von einem „Umschwung“ in meinen Anschauungen gar nicht dieRede sein kann. Schlesinger’s Bemühungen, einen solchen Gegensatz zu konstruieren, sind als Proben einer zweifelhaften Interpretationskunst wohl eine recht stattliche Leistung, für „eine erfolgreiche, objektive Lösung“ einer wissenschaftlichen Streitfrage aber recht ungeeignet. Anschließend an die Besprechung ausgewählter Zitate aus meiner Arbeit von 1915 stützt Schlesinger seinen Beweis für eine von mir vollzogene „Schwenkung“ schließlich noch auf meine kurzen Auslassungen über die Elefantenmolaren von Stauropol, Ferladani und Kouialnik. Über diese Zähne habe ich mich zwei- mal nur ganz kursorisch geäußert : 1915, I. p. 247. „Gehören dieser Wanderform- — und dafür könnte manches geltend gemacht werden — die Funde von Ferladani, Stauropol und Kouialnik an, so ist sie als ein primitiver El. meridionalis zu bezeichnen.“ 1915, II1. p. 65. „Der von Pavlow von Ferladani als El. aff. planifrons be- schriebene Zahn gehört mit den Zähnen von Stauropol und Kouialnik 1 W. Soergel , Das vermeintliche Vorkommen von El. planifrons in Niederösterreich. Zeitschr. d. Paläont. Ges. 2. H. 1. 1915. Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 219 zu El. meridionalis, von dem sich auch im sichergestellten Ober- pliocän Italiens vereinzelt derartige Zähne finden.“ Diese kurzen, eine kritische Würdigung des Materials aus unten angegebenen Gründen vermeidenden Äußerungen über Zähne, deren genaues geologisches Alter nicht bekannt ist , veranlassen Schlesinger zu der wiederum den wahren Sachverhalt entstellen- den Behauptung, daß ich diese Zähne neuerdings für meine — ge- meint ist meine „neue“ — Meinung ins „Treffen“ geführt hätte. Die obigen Zitate widerlegen eine solche Auffassung zur Genüge. Ich benutze diese Gelegenheit aber gern zu einigen weiteren Äuße- rungen über die südrussischen Funde ; einmal , um die Bedenken vorzutragen, die damals wie heute mir diese Zähne als wesent- liche Stütze phylogenetischer Anschauungen ganz ungeeignet er- scheinen ließen, zum andern, um einen Irrtum zu berichtigen, dem ich Pavlow und Schlesinger folgend zum Opfer fiel, als mir die Möglichkeit eigener Nachprüfung fehlte. Für die Zähne von Kouialnik ist ein voroberpliocänes Alter, was neben der Lage des Fundorts für ihre Auffassung als direkte Vorläufer des El. meridionalis resp. als Vertreter einer westwärts strebenden Wanderform hauptsächlich ins Gewicht fallen könnte, nicht bewiesen. Weiterhin gestatten die von Pavlow nur in Kauflächen-, nicht in Seitenansicht abgebildeten Zähne nach mancher Kichtung keine sichere Beurteilung, zumal Pavlow’s Daten im Text sehr spärlich sind. Höhenmaße werden nur für zwei Zähne angegeben und in einer Form, die Vergleiche mit den Höhenmaßen anderer Zähne gänzlich ausschließen. Dasselbe gilt für die von Pavlow angegebenen Lamellenzahlen. Denn trotz Pavlow’s An- gabe1, die in Fig. 19 und 20 auf Taf. I abgebildeten Zähne seien komplett, erscheint mir das für den unter Fig. 20 dargestellten doch recht zweifelhaft. Derartigem Material kann in phjdogene- tischen Betrachtungen natürlich nur eine sehr bescheidene Polle zugewiesen werden, solange Artbestimmung und Alter noch nicht gesichert sind. Ob es sich in diesen Zähnen um einen primitiven El. meridionalis , wie oben gesagt, oder um einen gewöhnlichen oder gar fortgeschrittenen El. meridionalis handelt, ist für die von mir vertretene Phylogenie ohne jede Bedeutung. Eine gleiche Vorsicht ist bei der Beurteilung des Zahnes von Ferladani geboten, über den Pavlow’s Figur Taf. 1 Fig. 23 und überaus spärliche Angaben im Text kein abschließendes Urteil gestatten. Ihrer Bestimmung als M III max. setzt Pavlow ein Fragezeichen zu. Der Bestimmung des Zahnes als El. aff. plani- frons bei Pavlow und als El. planifrons bei Schlesinger steht 1 M. Pavlow, Les elephants fossiles de la Russie. Nouv. Mein. Soc. imp. Mose. 17. 1910. 220 W. Soergel, die hohe Lamelleuzahl entgegen. Nach Paylow sind 15 Lamellen vorhanden, die erste, nach der Abbildung nur in der Rückwand erhalten, ist ebenso breit als die folgende, ihr ging entweder noch ein kleiner Talon voraus, oder sie ist selbst der vordere Talon. Rechnen wir die letzte Lamelle als hinteren Talon, so erhalten wir eine Mindest-Lamellenformel von x! 13 X. Das ist für El. planifrons zu viel, zu viel eigentlich auch schon für einen primitiven El meridionalis, dem er in meinen kursorischen Äuße- rungen zugezählt wurde. Ein endgültiges Urteil oder gar eine Auswertung zu phylogenetischen Folgerungen erscheint auch hier unter den gegebenen Umständen unzulässig. Zu diesen Bedenken kam schließlich noch ein rein praktischer Grund, der mich hindern mußte, diese südrussischen Funde in ihrer Gesamtheit für meine Ansichten ins „Treffen“ zu führen. Zur Zeit der Abfassung meiner beiden oben zitierten Aufsätze stand mir Pohlig’s bekannte Monographie, in der die Zähne von Stauropol abgebildet sind, nicht zur Verfügung. Eine spätere Nachprüfung dieser Abbildungen an der Hand der von Pohlig im Text gegebenen Daten zeigte mir, daß eine Zusammenfassung dieser Zähne mit denen von Kouialnik nicht angängig ist. Zählte ich sie damals der gleichen Gruppe zu, so folgte ich Pavlow’s und Schlesinger’s Angaben im Vertrauen darauf, daß diese Autoren Gleiches gleichgeordnet hätten. Die Zähne von Stauropol können aber weder nach ihrer Zahnhöhe noch nach ihrer mutmaßlichen Vollamellenzahl zu einer zwischen El. planifrons und El. meridio- nalis stehenden Form, ja nicht einmal zu El. meridionalis gerechnet werden. Sie gehören , soweit Abbildungen und Text bei Pohlig ein Urteil gestatten, primitiven Formen des El. antiquus zu oder doch in ihre unmittelbare Nähe , worauf auch andere als die ge- nannten Merkmale hinweisen. In meinen phylogenetischen Betrachtungen haben alle diese Zähne bisher keine Rolle gespielt und werden sie vorerst auch nicht spielen, da ich im Gegensatz zu Schlesinger für diese Zwecke nur zoologisch voll auswertbares und seinem geologischen Alter nach genau festgelegtes Material heranziehe. Die eben widerlegte Behauptung Schlesinger’s von einer von mir vollzogenen „Schwenkung“ kehrt in seinem Aufsatz immer wieder, zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Arbeit. Wiederholt wird die Annäherung erwähnt, die sich zwischen un- seren beiderseitigen Ansichten vollzogen habe — und tatsächlich vollzogen hat, allerdings nur bezüglich der Abstammung des El antiquus und hier auf wesentlich andere Weise, als Schle- singer sie darzu stellen versucht. Sie ist klar zu ersehen aus einer Betrachtung von Schlesinger’s Antiquus- Stammreihe, wie sie war und wie sie heute ist. Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 221 1912 treffen wir die Reihe El. plänifrons — El. priscus — El. antiquus. 1914 1 und 1 916 verschwindet El. priscus, den ich schon 1912 gestrichen hatte aus der Stammreihe. Diese besonders für die Frage nach der Abstammung des El. afr.icanus nicht unwesent- liche Annäherung an meinen Standpunkt geschieht 1914 allerdings nicht rückhaltlos. Eine Nachprüfung der Priscus-FrsLge behält er sich vor, meine 1912 veröffentlichten, von Dietrich1 2 1913 in vollem Maße bestätigten Ausführungen über El. priscus werden — zweifel- los aus „wissenschaftlicher Objektivität“ — nicht genannt und es wird nur auf Dietrich’s Arbeit verwiesen. 1916 ist ein weiterer Schritt in der Richtung meiner Anschauung festzustellen. Die von Bortolotti3 veröffentlichten Elefantenmolaren von Perugia, die ich 1912 als einer oberpliocänen Vorfahrenform des El. antiquus zugehörig in Anspruch nahm, werden auch von Schlesinger nun in diesem Sinne gedeutet. Dabei ist es zunächst gleichgültig, daß ich in ihnen eine Varietät des El. meridionalis und er eine letzterem gegenüber selbständige Art sehen will. Da nun diese als ober- pliocäne Zwischenform zwischen El. plänifrons nnd El. antiquus in Anspruch genommenen Zähne keineswegs ident sind mit den Zähnen, die bisher unter dem Namen El. priscus gingen, so darf man wohl schließen, daß Schlesinger neuerdings — allerdings „nicht offen“ — den El. priscus definitiv aus seiner Stammreihe des El. antiquus entfernt und in diesem Punkte sich meine 1912 ausgesprochene Ansicht zu eigen gemacht hat. Ich begrüße in dieser Säuberung und in der Anerkennung der Molaren von Perugia als Vorfahrenform des El. antiquus einen nicht unwesentlichen Schritt Schlesinger’s i n der Richtung meiner seit 1912 vertretenenAnsichten. II. Korrekturen. In dem zweiten, vielfach sachlicheren Teil seiner Arbeit be- handelt Schlesinger in gleicher Stoffgliederung wie ich in meinem Aufsatz über die Stammesgeschichte der Elefanten drei für die Abstammung des El. antiquus wichtige Fragen. 1. Grad und Häufigkeit antiquusartiger Merkmale an den Zähnen von El. plänifrons. Ein erster Abschnitt ist der Untersuchung gewidmet, ob im Gebißmaterial des El. plänifrons oder in dem des El. meridionalis 1 G. Schlesinger, Ein neuerlicher Fund von El. plänifrons in Nieder- österreich. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 63. H. 4. 1914. 2 W. 0. Dietrich , Zur Stammesgeschichte des afrikanischen Ele- fanten. Zeitschr. f. ind. Abstammungslehre. 10. H. 1 u. 2. 1913. 3 C. Bortolotti, Denti di Proboscidati, di Rhinoceronte e di Ippo- potamo ect. Riv. ital. Palaeontolog. 10. 1904. 222 W. Soergel, deutlichere und häufigere Anklänge an El. antiquus gefunden wer- den. Der Besprechung der beiden pliocänen Arten schickt Schle- singer eine Erörterung voraus über die wesentlichsten Unterschiede zwischen den Molaren des El. antiquus und denen des El. trogon- therii, deren Ergebnis ihm als Basis dient zur Beurteilung antiquus- artiger Merkmale hei den pliocänen Arten. Über die Form der Schmelzfigur, die in den späteren Ausführungen eine gewichtige Rolle spielt, heißt es bei El. antiquus p. 37 : „Rhombische Form der Schmelzfiguren mit medianer Zipfelbildung vorne und hinten. Hierzu ist zu bemerken, daß ebenso häufig wie rhombische Formen breitrechteckige oder dachförmige Vorkommen, letztere mit fast gerade verlaufender Vorderkante und firstartig geknickter Hinter- kante. Dieser Typus findet sich besonders im älteren Diluvium häufig und darf beim Aufsuchen antiquoider Merkmale bei älteren Formen deshalb nicht übergangen oder als weniger charakteristisch gewertet werden als rein rhombische Figuren. Ferner ist Zipfel- bildung nach hinten und vorn keineswegs die Regel, im Gegenteil die weniger häufige Ausbildung bei El. antiquus ; deutliche Zipfel- bildung nach beiden Seiten ist kaum zahlreicher vertreten als gänzlich fehlende Zipfelbildung. Bei Besprechung des Verschmelzungstyps des El. antiquus und El. trogontherii bemüht sich Schlesinger, die zwischen beiden Elefanten seinerzeit von mir dargelegten Unterschiede als mög- lichst durchgreifende, uniiberbriickte hinzustellen. Hierin geht er viel zu weit. Bei El. antiquus heißt es p. 37: „Bei weiterem Tieferlegen der Schnitte werden sich diese seitlichen Kreise nur verhältnismäßig wenig und rasch vergrößern, dann gleich bleiben, die Mittelfigur aber wird von Anfang an ziemlich gleich- bleiben.“ Bei El. trogontherii p. 37: „Diese (die seitlichen Ringe; Einfügung d. Verf.) nehmen aber beim Tieferlegen des Schnittes stetig an Länge zu, während die mäßig starke Mittel- figur je nach dem parallelen oder konvergenten Verlauf dei Trennungsspalten gleichbleibt oder abnimmt. Es gibt nun aber recht viele Fälle, wo auch bei El. antiquus der lateral annular median lamellare Verschmelzungstyp durch Zunahme der lateralen und Abnahme der medianen Figur in einen intermediären mit drei ungefähr gleichgroßen Figuren übergeht. Ob die Ver- schmelzung mit einer sehr kleinen oder sehr großen medianen Figur, mit sehr großen oder sehr kleinen late- ralen Figuren beginnt, in jedem Falle kann kurz vor Einschmelzung der 3 Teilfiguren in die volle Schmelz- figur ein intermediärer, lat. lam. med. lam. Verschmel- zungstyp erreicht werden. An den direkt vor der Ein- schmelzung begriffenen Lamellen können sich also die Unterschiede ganz verwischen, die in diesem Merkmal die einzelnen Elefanten- arten in den schwächer angekauten Lamellen zeigen. Es ist Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 223 deshalb, wie ich schon 1915, II. p. 41 ausführte, die oberste Partie der Lamelle, „wo die Unterschiede am augenfälligsten sind, wo Vergrößerungen und Reduktionen — wie sie im Laufe der Stammesgeschichte stattgefunden haben — sich am stärksten gel- tend machen. Es ist aus diesem Grunde wichtig, bei Vergleichen des Verschmelzungstyps gleich stark abgekaute Lamellen und, wro es an- geht, wenig abgekaute zu vergleichen, an denen die 3 Teilfiguren sich eben aus der Fülle der Mammillen isoliert haben.“ Ich betone das hier noch- mals gegenüber Schlesinger’s Be- merkungen auf p. 58, Anm. 1. Die von Schlesinger auf Grund der Literatur befürwortete scharfe Scheidung zwischen El. trogontherii und El. antiquus besteht in der Tat nicht; es gibt bei beiden Formen Abweichungen von diesem Extrem und, wie Fig. 1 zeigt, auch bei El. antiquus Zähne, die gar nicht in die von Schlesinger gezogenen Grenzen sich einfügen. Im übrigen kontrastiert diese nicht berechtigte enge Fassung des Verschmelzungs- typs bei El. antiquus mit der Weit- herzigkeit, mit der Schlesinger im nächsten Abschnitt dieses Merkmal bei einigen meiner intermediären Mo- laren betrachtet. Denn bei denjenigen dieser Molaren, die er zu El. antiquus typus stellt, entspricht der Ver- schmelzungstyp oder richtiger die Art, wie bei weiterer Abkauung die Größenverhältnisse der 3 Teilfiguren sich ändern, keineswegs seiner oben ^ I max. von El. antiquus von zitierten Ansicht. Taubach. ca. f n. G. Die Voraussetzungen, mit denen Original im Museum Darmstadt. Schlesinger an die Beurteilung anti- quoider Merkmale bei El. planifrons und El. meridionalis heran- tritt, kann ich nach dem Gesagten nicht in vollem Maße billigen. Bedingt schon diese Verschiedenheit in der Auffassung des Antiquus- Charakters eine verschiedene Ausdeutung einzelner Merk- male der in der Literatur abgebildeten Zähne, so wird hier der Unterschied zwischen Schlesinger und mir noch durch zwei weitere 224 W. Soergel, Momente verschärft. Das ist einmal die nicht ganz gleich- mäßige Behandlung der Zähne des El. meridionalis und El. planifrons durch Schlesinger, zum andern augen- scheinlich ein Mangel an praktischer Erfahrung, wie er zu bescheidener Beschäftigung mit Originalmaterial ent- springt. Ad 1 führe ich folgende Beispiele auf: An dem von Weithofer 1 Taf. VI Fig. 1 abgebildeten Zahn charakterisiert Schlesinger die Zipfelbildung als „nach hinten, gering". Sie ist aber an verschiedenen Lamellen viel ausgeprägter als an dem von Falconer1 2 Taf. 6 Fig. 4 abgebildeten Zahn von El. planifrons, für den Schlesinger für die Zipfelbildung angibt: „am 4. Joch vorn und hinten typisch“. Der stärkere Grad der Verkleinerung der Meridionalis- Zähne darf doch nicht zu solchen Fehldeutungen führen, die den Wert der Merkmalsstatistiken sehr heijab drücken. Der Konstatierung des Verschmelzungstyps lat. lam. med. an. ani einem M III mand. von El. planifrons (Falconer, Taf. XII Fig. 13a) fügt Schlesinger die Bemerkung bei: „durch große Zementzwischenräume zw. d. Eli. gänzlich atypisch.“ Entsprechende Zementzwischenräume zeigt ein M II max. von El. meridionalis (Weithofer, Taf. IX Fig. 2), wo Schlesinger lediglich den Ver- schmelzungstyp lat. lam. med. an. registriert, ohne etwas Atypisches hervorzuheben. Weit bedeutendere Zementzwischenräume weist schließlich ein M III mand. von El. meridionalis auf (Weithofer, Taf. X Fig. 1); auch hier stellt Schesinger nur den Verschmel- zungstyp lat. lam. med. an. fest, ohne diese Feststellung wie bei dem Planifrons- Zahn durch eine Bemerkung einzuschränken. Solcher Ungleichmäßigkeiten in der Behandlung beider Arten ließen sich eine ganze Anzahl aufführen. Da sie praktisch jedes- mal darauf hinauslaufen, El. planifrons antiquus-a,rtiger erscheinen zu lassen als El. meridionalis, was Schlesinger beweisen will, so kann man den Gedanken an eine subjektive Färbung kaum unterdrücken, die Schlesinger selbst unbekümmert und ohne jeden Anhaltspunkt einem Autor zutraut, dessen Angaben er an Dar- stellungen nicht nachprüfen kann. In viel höherem Maße wird schließlich die Vergleichbarkeit seiner für El. planifrons und El. meridionalis aufgestellten Sta- tistiken herabgedrückt durch eine Anzahl von Fehldeutungen. Ich kann hier nicht jede der von Schlesinger untersuchten Molaren- abbildungen ausführlich besprechen. Ich beschränke mich auf die nötigsten Korrekturen und führe eine Reihe von Planifrons-Zähnen auf, deren Verschmelzungstyp Schlesinger als unklar oder nicht 1 K. A. Weithofer, Die fossilen Proboscidier des Arnotales in Tos- kana. Beitr. z. Paläont. Österreich-Ungarns u. d. Orients. 8. 1890. 2 H. Falconer, Fauna antiqua Sivalensis. Zur Abstammung des Elephas antiquus Pale. 225 feststellbar angab oder überhaupt anders bestimmte als ich. Die Zahne sind in der Fauna antiqua Sivalensis abgebildet. 1 j- , „ ’ 6- Schlesinger gibt an: „lat. Eli. schwächer als die med. Mamimllenzahlen : 1, 4, i.“ Es ist gar nicht zu entscheiden, ob dem inneren Lateralpfeiler nicht 2 Mammilleu zn- gehoren ; unter dieser Voraussetzung wäre dieser Lateralpfeiler ebenso stark als der mediane. „■„11 Tf; W ^ 7‘ ScHLES1N«EB schreibt: „zu stark abgekaut' deHrl-' m,6d' °ie l6tzte gekaute Lamelle läßt entlieh eine annulare Medianfigur erkennen, nur verwischt eine innere Lateralfigur von annularer, eine äußere Lateralfigur vou derB^rde^T i,0“* SeI“' SCllWache «edianfigur charakterisiert den Hau dei Lamelle unzweideutig’. Taf. XI Fig. 9. Diesen Zahn übergeht Schlesinger. Ich “ Ti“6 ann"!T MedianflgaL eine lamellare und eine annu- lare Lateralfigur und bezeichne diesen Verschmelzungstyp, der durch sehr schwachen Mittelpfeiler bedingt ist, als lat. lam. med. an. lat. All big. 5a. Hier bestimmt Schlesinger im Gegensatz zu seinen Angaben von 1913 1. c. den Verschmelzungstyp als aus- SnZahn e: Tt'i la“'“' Ich Sehe’ beso“ders deutlich am außen He! « t ' kleme’ annuIare Medianfigur, die weit „ach fi"ur anßfn’ “ n ^ von emer klei“en- etwas gestreckten Lateral- er außen und einer sehr lamellaren Lateralfigur innen Daß laufen d>Seipn d6r ,klei“en Mittelfignr die tiefsten Spalten ver- , lese Figur also wirklich das Abkauungsbild des Mittel- DieauLt^AT6!?’ Zdg,t der Gl'ad der iibrigea Einschmelzungen. Die aus der Mitte geruckte Lage des Mittelpfeilers ist nichts Außei- gewo nliches Taf. XI Fig. 9 zeigt dasselbe. Im übiügen pflegt böLr und kr ft “nere Lateralpfeile1' der OberkiefermoUren hoher und kräftiger zu sein als der äußere, wodurch der Mittel- pfeiler und seine Abkauungsfigur mehr oder weniger aus der Mittel- achse verschoben erscheint. Taf. XII Fig. 6 a. Schlesinger bestimmt im Gegensatz zu mZtlTf YV913!- ”lat- a“- "led- Ia>“- Verschmelzung™ Die äußere Lateralfigur ist aber deutlich lamellar und fast halb letzfef \ e MedianfiSur + innere Lateralfigur. Da die beiden chwer Al ;e;S1Chm?lzen sind’ ist eille saubere Aufteilung schwei. Am nachfolgenden, nocli in Mammillen aufgelösten Joch jedenfalls t“! T“ ^ateralPfeiler 2 Mammillen zuzugehöreu, vor, W ,gegeI1 6 mittlere“ deutlich abgesetzt. Bei dem von Weithofer 1. c. Taf. VIII Fig. 1 abgebildeten Zahn von eine ^ in Frage kominenden Lamelle die ; n fi^ zar Su""n« d«n Mittelfigur + andere Seitenfignr in ungefähr gleichem Verhältnis, die Mittelflgur ist so«-ar nicht der Abbildung). Hier konstatiert Schlesinger „lat, u. med. lam. Ccntralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 226 W. Soergel, abnehmende med. Ellips.“ , ohne die beträchtlichere Größe der Medianfigur zu erwähnen. Das kontrastiert mit seiner neuen Beurteilung des Planifrons- Zahnes, für den ich den Verschmelzungs- typ lat. lam. med. lam. bestimme. Taf. XIV Fig. 8. Schlesinger bestimmt: „bloß zwei Figuren am vorletzten Joch, am letzten unklar“. Ich sehe an dem Zahn, den ich in Fig. 2 darstelle, sehr klar die Verschmelzung lat. Fig. 2. M III max. dextr. von El planifrons , Indien, wenig kleiner als | n. G. Nach Falconer, Taf. XIV Fig. 8. lam. med. an. am letzten Joch. Auch am vorletzten ist die nach vorn und hinten ausgebuckelte Figur des Mittelpfeilers sehr deut- lich zu erkennen. In ähnlicher Weise sind, um zu vergleichbaren Resultaten zu gelangen, eine Anzahl von Schlesinger’s Angaben über die Art der Zipfelbildung, die Form der Schmelzfigur bei El planifrons und El. meridionalis (Weithofer’ s Abbildungen) zu korrigieren. Eine weitere Einzelaufführung würde diese Klarstellung aber zu „lang geraten“ lassen, obgleich eine Gegenüberstellung einiger Zähne von El. planifrons und El. meridioncdis zur Illustrierung Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 227 dei- ScHLESiNGER’schen Ausdeutungsvarianten nicht uninteressant wäre. Es ist selbstverständlich, daß unter diesen Umständen die von Schlesinger dargestellten Verhältnisse ganz wesentlich von den wirklichen abweichen. Seiner Statistik antiquoider Merkmale bei El. planifrons und El. meridionalis stelle ich die folgende gegenüber, für die mir von El. planifrons das gleiche, für El. meri- dionalis außer dem bei Weithofer abgebildeten ein anderes, aber umfangreicheres Material zu Gebote stand als Schlesinger.’ a) Der Verschmelzungstypus. In umstehender Tabelle habe ich die Verschmelzungstypen, um ein genaueres Bild zu gewinnen , stärker gegliedert , als ich es für El. planifrons 1915 II getan habe. Daraus und aus der Tatsache, daß es mir möglich war, bei noch 3 Zähnen den Ver- schmelzungstyp sicher oder ziemlich sicher festzustellen , erklärt sich der geringe Unterschied zwischen den heutigen und den 1915 II gegebenen Zahlen. In zwei Fällen hat sich meine Deu- tung um eine Nuance verschoben, erreicht aber bei keinem auch nur im entferntesten das Ausmaß des Unterschieds, der bei einigen Zähnen zwischen Schlesinger’s Ausdeutung im Jahre 1914 und derjenigen von 1916 besteht. Ich erwähne folgende Beispiele, die auch deshalb von Interesse sind, weil die ältere, unbeeinflußt von der später beginnenden Auseinandersetzung mit mir gewonnene Deutung mit der meinigen übereinstimmt. Taf. XII Fig. 5 a. 1914: „Das 2. Joch deutlich aus 6 Mammillen, welche an der nächsten Lamelle eine Verschmelzung mit schwä- cherem Mittelpfeiler aufweisen; allerdings ist die Fusion schon weiter vorgeschritten.“ 1916: „ausgesprochen lat. an. med. lam., Mammillenzahlen an diesem und den vorhergehenden Jochen : 1 2 2* 1, 3, 2; 1, 4, 2.“ ’ ’ Taf. XII Fig. 6 a. 1914. „Das 2. Joch von rückwärts aus 6 Mammillen, am III. Joch zu drei gleichen Pfeilern verschmolzen.“ 1916: „lat. an. med. lam.; Mammillenzahlen: 1, 3, 2.“ Diese neuen Deutungen begründet Schlesinger gegenüber den abweichenden alten mit keiner Silbe. Mir scheint, daß eine so bedeutende „Schwenkung“ in der Beurteilung von Tatsachen, die durch objektive Beobachtung festgestellt werden können, der von Schlesinger für sich in Anspruch genommenen „wissenschaftlichen Objektivität“ kein besonderes Vertrauen gewinnt, zumal diese Schwenkung jedesmal aus einer für Schlesinger’s Anschauungen ungünstigen, eine günstige Tatsache machte. Aus unserer Tabelle geht für El. planifrons zunächst das mit aller Deutlichkeit hervor, was ich schon 1912 feststellte, Schle- singer aber glaubte bestreiten zu können , daß nämlich ein Tabelle über den Verschmelzungstyp bei El. planifrons und El. meridionalis. 228 W. Soergel, Ul r2 « 2 :3 § igp, CQ ^ ?H * CM 1 - co CO j [ lO © CM - p^l GO 03_ © -^T xfl" ©" D-" CM CM CM t> © CM ’-1 - © CM t'- © XO^ o cm" O- o" xo" CM CM 03 er. GO i © O- 1-1 __ _,© t— 1 ^ CM O o tfT icT io" cd" ■«t O CM 1 CM j (M CD co ! ö 1 'S 1 .2 | 03 «■ft CI cG CG CO ^ <-s ft ;p 2 CÖ 03 • d 5» d bß 5 "3 ft d S 3 cö — eS ^ «ft 43 lat. » .03 1 >-§ "o 'S | | r* 1 3 03 •- 1 _C ft ÖD JJ) „ 03 Sh 03 o 45 «S "£> & | 03 .— ! rfl "3 ! o <£ eö S £ «2 *S £+ ’S Cft eö pi. -g » 03 ^ 'S BQ -t3 •2 43 Sh 43 ■ ft: s 03 MS r*5 03 *3 Cß ^ püj 5^ -+3 -s § m ! i GO Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 229 „ schwacher Mittelpfeiler “ für diese Art charakteristisch ist. Denn „sehr schwachen“ Mittelpfeiler besitzen unter den beurteilbaren Zähnen 69,3 %, „schwachen“ Mittelpfeiler 15,4 %, im ganzen also 84,7 % aller Zähne. Bei El. meridionalis des Val d’Arno bilden Zähne mit schwachem Mittelpfeiler im ganzen zwar fast ebenso- viel, nämlich 78,9 %, aber hier gehört die Hauptmasse, die bei El. planifrons mit 69,3 % die Gruppe mit „sehr schwachem Mittel- pfeiler“ bildete, mit 42,1 % der Gruppe mit nur „schwachem Mittelpfeiler“ an. Dasselbe gilt für die Statistik von Meridionalis- Zähnen aus dem gesamten italienischen Oberpliocän, wo 44,1 % mit „schwachem Mittelpfeiler“ 33,3 % mit „sehr schwachem Mittel- pfeiler" gegenüberstehen ; dasselbe schließlich für alle mir in Origi- nalen oder in der Literatur zugänglich gewesenen Meridionalis- Zähne aus europäischem Oberpliocän , für die ich entsprechende Prozentsätze von 42,2 und 33,2 berechnete. Ein Stärker wer den des Mittelpfeilers von El. planifrons nach El. meridionalis hin ist demnach gar nicht zu bestreiten und Schlesinger’s merk- würdiges Ergebnis, daß von El. planifrons nach El. meridionalis hin eine zunehmende Reduktion des Mittelpfeilers stattgehabt hätte, entspricht den Tatsachen ganz und gar nicht. Wir wer- den darauf später nochmals zurückkommen. Von einer besonderen Ähnlichkeit zwischen El. planifrons und El. antiquus in der Pfeiler- ausbildung resp. dem Verschmelzungstyp kann demnach gar keine Rede sein. In diesem Merkmal ist El. planifrons vielmehr weiter als El. meridionalis von El. antiquus entfernt. Eine wesent- liche Stütze der von Schlesinger befürworteten Phylo- genie verliert damit allen Boden. b) Die Kaufläche. Gestattet das Material des El. planifrons für die Beurteilung der Pfeilerentwicklung in gewissen Grenzen die Anwendung der statistischen Methode, so ist das nicht mehr möglich bei einem Vergleich der Kauflächenform. Denn diese hängt, wie ich 1915 II ausführte, wesentlich ab vom Abkauungsgrad eines Zahnes. Schon bei nicht verletzten Zähnen einer Zahnserie werden deshalb Ver- gleiche nur mit Vorsicht vorzunehmen sein; wie viel mehr bei Vergleichen von ganz verschiedenen Zahnserien von ganz ver- schiedenem Abkauungsgrad bei vielfach fragmentärer, das Gesamt- bild der Kaufläche wesentich beeinflussender Erhaltung. Diese Tatsachen , die jedem , der sich mit Originalmaterial beschäftigt hat, bekannt sind , halten Schlesinger nicht ab , das unter sich ganz ungleichwertige Planifrons- Material statistisch zu verarbeiten. Er findet bei El. planifrons rechteckige und ovale Formen „in fast gleicher Anzahl“. In seiner Tabelle III zähle ich allerdings 7 rechteckige und 12 ovale. An anderer Stelle p. 45 heißt es : „Die Kauflächenform zeigt zwar, wie meine Tabellen erweisen, bei El. planifrons öfter das zur Bandform überleitende Rechteck“ etc. 230 W. Soergel, Prüft man diesen Satz an Schlesinger’s eigenen Tabellen nach und läßt die als , hinten oval, vorn rechteckig4 bezeichneten Stücke fort, obwohl sie doch eher zur ovalen Gruppe gehören und nicht zur Bandform überleiten, so erhält man für die ovale Gruppe 10,, für die rechteckige 7. Mit Staunen konstatiert der Leser solche Widersprüche zwischen Text und Tabellen, viele werden sicli aller- dings im guten Glauben an die „wissenschaftliche Objektivität4' des Autors der Täuschung durch solche Beweisführung nicht haben entziehen können. Stellen wir uns auf den Boden von Schlesenger’s Molaren- kenntnis und verfahren auch wir hier statistisch! Zunächst über- wiegen schon in Schlesinger’s Zusammenstellung ovale Kauflächen. In noch stärkerem Maße ist das nach meinen Beobachtungen der Fall, 18 ovalen stehen 5 rechteckige gegenüber, von denen nur eine als fast bandförmig bezeichnet werden kann. Schlüsse dürfen aus diesem Resultat bei der Ungleichwertigkeit des Materials natür- lich nicht gezogen worden. Eines zeigt sich aber jedenfalls klar, daß auch auf dieser Basis eine besonders enge Beziehung zwi- schen El. planifrons und El. antiquus mit seinen vorwiegend band- förmigen Kauflächen nicht bewiesen werden kann. c) Die mediane Zipfelbildung. Ein weiteres starkes Argument für seine Anschauung sieht Schlesinger in einem „häufigen“ Auftreten medianer Zipfel an den Schmelzfiguren des El. planifrons. Als mediane Zipfel oder Zackenbildung zählt er aber nicht nur wirkliche Zipfel , die mit denen bei El. antiquus eine gewisse Ähnlichkeit haben, sondern auch ganz grobe, schiefe Aufwulstungen der Schmelzfigur, flache Aufbuckelungen des Mittelteils, wie sie El. meridionalis und El. tro- gontherii oft zeigen, flache Aufwölbungen des Mittelteils in 1 und 2 Wellen. Auf diese Weise wird morphologisch Vielartiges und zumeist gar nicht Antiquus - artig es zusammengefaßt und so eine hohe Zahl von Fällen herausgefunden , bei denen hinten und vorn starke „Zacken“ vorspringen. Damit kommt er zu dem Resultat : „ unter 2 1 konstatierbaren Molaren fehlen Zacken überhaupt nur an 5, von den übrigen 16 sind 2 atypisch, 2 schwach, 12 stark und vorn und hinten (distal und pro- ximal) entfaltet“. Hierzu wäre zunächst einschränkend zu be- merken, daß das nicht für alle Lamellen dieser Zähne, nicht ein- mal für die Mehrzahl ihrer Lamellen gilt. Scheidet man die Fälle aus, wo flache Wellung, einfach oder doppelt, und keine Zipfelbildung vorliegt, so erhält man folgende Übersicht : Aufwulstung, Zipfelung oder Zackung nach beiden Seiten zeigen mehr oder weniger deutlich 8 Molaren, nur nach hinten % gar nicht 10. Unter den 8 + 3 besitzen dies Merkmal stets nur 1 oder einige Lamellen und meist in einer Ausbildung, die an relativem Ausmaß, Regelmäßigkeit der Entwicklung und der Form Zur Abstammung des Elephas antiquus Falc. 231 des vorspringenden Teils mit El. antiquus gar nichts gemein hat. 5 von diesen 1 1 Molaren zeigen an einzelnen Lamellen Zipfel- bildung, die als antiquus- haft oder antiquus - ähnlich bezeichnet werden kann. In 2 Fällen, nämlich Taf. XI Fig. 1 und Taf. XII Fig. 5a, handelt es sich um Zahnpaare, und dort zeigt dieses Merkmal stets nur der eine Zahn, während die Zipfelung an der entsprechenden Schmelzfigur des anderen in recht abweichender, nicht antiquus-SLrüger Ausbildung auftritt. In diesem Merkmal antiquus- artig „gefestigt“ erscheint El. planifrons also durchaus nicht, wie Schlesinger glauben machen will. Zudem ist Zipfelung nach vorn und hinten keines- wegs ein konstantes Merkmal des El. antiquus, im Gegenteil zeigen gerade die altdiluvialen Vertreter dieser Art einseitige Zipfelung nach hinten besonders häufig, und stets in Formen, wie sie El. planifrons nur in sehr seltenen Fällen auf weist. Auch diese wesentliche Stütze Schlesinger ’scher Beweisführung erweist sich als haltlos. d) Schmelzfigur. Bleibt noch die Form der Schmelzfigur. Hier kann Schle- singer unter 21 Molaren nur „zwei Fälle“ namhaft machen, an denen „einzelne Lamellen geradezu den Ausbildungsgrad , wie er für El. antiquus bezeichnend ist“, erreichen. Für eine dieser Schmelzfiguren hebt er die Ähnlichkeit mit der Africanus-Figur hervor. In beiden Fällen handelt es sich um Zalmpaare, in beiden zeigen eine solche Rhombenform einzelner Schmelzfiguren nur Lamellen eines Zahnes, sie fehlen dem anderen. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Zähne, die neben einem solchen „Antiquus- Charakter“ auch noch weitere führten; sie entfernen sich vielmehr im Verschmelzungstyp , im massigen Bau und der ovalen Kaufläche weijt von der diluvialen Art. Bedenkt man, daß unter 78 nach Falconer’s Abbildungen beurteilbaren Schmelz- figuren des El. planifrons nur 5 oder 6 rhombischen Charakter tragen , so wird man auch für dieses Merkmal zugeben , daß El. planifrons nicht im Sinne eines direkten Vorläufers des El. an- tiquus „gefestigt“ erscheint. Die charakteristischen Merkmale der Planifrons- Mola re n sind El. antiquus durchaus fremd. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß Falcner den Zahn Taf. XIV Fig. 8, siehe unsere Abbildung 2 auf p. 226, als „charak- teristisches Stück“ bezeichnet; hier wird niemand, weder in der Form der Schmelzfiguren, noch im Verschmelzungstyp, noch in der Zipfelbildung, antiquoide Einschläge erkennen wollen. Eine unvoreingenommene Prüfung der ab gebil- deten Planifrons- Molaren ist den Schlesinger’ sch en Anschauungen sehr ungünstig. Sie zeigt uns für jedes wichtige Merkmal den weiten Abstand, der zwischen dieser Art und El. antiquus besteht, er- 232 Personalia. weist auf das deutlichste, daß in der siwali sehen Art keinesfalls der direkte Vorfahr des diluvialen Waldelefanten gesehen werden darf. Schlesinger’s Ver- such, eine solche direkte Vorfahrenschaft aus einem Vergleich der Dentitionen beider Arten zu beweisen, ist gänzlich mißglückt. Er zeigt uns wiederum, daß für den Autor eine eingehende Beschäf- tigung mit umfangreichem Originalmaterial unerläßlich ist, will er mit Erfolg an die Ausdeutung abgebildeter Molaren herantreten. Eine solche Grundlage gibt ihm zugleich einen festen Halt, Zahn- material verschiedener Arten objektiv zu beurteilen, ohne Gefahr zu laufen, in seinem Urteil vom Druck einer vor- gefaßten Meinung beeinträchtigt zu werden. (Schluß folgt.) Personalia. Angenommen: Prof. Dr. -L. M ilch in Greifswald einen Ruf als Nachfolger von Geh. Rat Prof. Dr. Carl Hintze in Breslau. 0. Mügge, Ueber die einfachen Schiebungen am Zinn etc. 233 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Über die einfachen Schiebungen am Zinn und seine Zustands- änderung bei 161°. Von O. Mügge in Göttingen. Mit 3 Textfiguren. An gegossenen Platten von Zinn wurde von mir 1899 fest- gestellt, daß das Zinn leicht einfache Schiebungen beim Hämmern etc. eingeht ; da aber inzwischen Ewing und Posenhain 1 über Be- obachtungen gleicher Art berichtet hatten und mir Kristalle von Zinn zur näheren Untersuchung nicht zur Verfügung standen, unterblieb meinerseits eine Mitteilung darüber. 1909 hat dann J. Ganten im hiesigen Institute Versuche an kleinen, elektro- lytisch abgeschiedenen Kristallen angestellt. Es gelang ihm, zu ermitteln, daß die Gleitfläche die am Zinn auch als Zwillingsfläche bekannte (331) und die zweite Kreisschnittsebene (lll) (die ge- wöhnliche Zwillingsfläche), also die Grundzone [112] sei. Auch diese Untersuchung ist nicht veröffentlicht, indessen habe ich von ihrem Ergebnis im Handwörterbuch der Naturwissenschaften (5. p. 1147. 1914) Mitteilung gemacht. Neuerdings hat nun Gaubert1 2 iu Unkenntnis der eben gemachten Angaben einige Beobachtungen an derbem Zinn mitgeteilt, die zwar gegenüber Ewing und Posen- hatn nichts Neues enthalten, mich aber veranlaßten, die Messungen an Ganten’s Kristallen zu wiederholen und weitere Versuche an- zustellen. Ganten’s Kristalle hatten wesentlich die Form {lll}, z. T. mit kleinem { 1 0 1} und sehr schmalem {110}, sie waren z. T. ähnlich jenen von v. Foullon3 eigentümlich gruppiert, zum großen Teil verzwillingt nach {lll}, z. T. auch nach {3 3 1} , letztere ähnlich den sog. herzförmigen Zwillingen des Rutils. Sie waren sehr zart und klein (nur bis etwa 2 mm) und gestatteten nur wenige und wenig genaue Messungen, da ihre Flächen uneben waren und sich 1 Phil. Trans. Roy. Soc. London. A, 193. 369. 1899. 2 Chem. Centralbl. 1915. I. 1327. Die Originalarbeit (Compt. rend. 159. 680. 1914) ist mir erst jetzt zugänglich geworden. 3 v. Foullon, Jahrb. d. geol. Reichsanst. Wien. 34. 369. 1884. Nach Rammelsberg (Kryst.-phys. H. I. 144. 1881) sollten die MiLLER’schen Kri- stalle dünne achtseitige Prismen {100} . {110} gewesen sein; mir vor- liegendes Material von Miller (aus der WöHLER’schen Sammlung), das allerdings die Form nur selten noch gut erkennen läßt, da es größtenteils in graues Zinn verwandelt ist, zeigt vorherrschend zweifellos {111} und scheint auch in der Gruppierung der Kristalle dem GANTEN’schen ähnlich. 15* 234 0. Mügge, bei Druck nicht allein nach der Gleitfläche verschoben , sondern auch unregelmäßig verbogen. Fig. 1 zeigt einen nur etwa 1 mm großen Kristall der Form {lll} mit Lamellen nach den Flächen (331) und (331), deren Grenzflächen auf (111) und (111) und z. T. auf den symmetrisch zu letzteren liegenden Pyramidenflächen meßbar waren. Für Kx == (331) und g2 — [112] lautet die Transformations- formel 1 : ebenso für Kj = (331) und o2 = [112]: q h,' rr=* — h, -j- 3 h2 — 6 h3 Q h2' = 3 h, — h, — 6 h3 Q W = hj + h2 -f- 2 h3 Danach wird in der Lamelle a (Fig. 1) verschoben : ebenso in der Lamelle ß : 1T1 in 515. Daraus berechnen sich bei Zugrundelegung des Achsenverhält- nisses von Miller2 folgende Winkel, die mit den (z. T. nur sehr unsicher meßbaren) verglichen sind: 111 : «(111) =■ 5° 39' her., 5°25' gern. TT1 : « (TT1) = 1 29 „ 2 0 „ lll : « (111) = 3 53 „ 3 21 bis 4° 22' gern. Lamellen nach Flächen einer anderen Form, besonders auch nach der gewöhnlichen Zwillingsfläche {lll} wurden nicht beob- achtet ; wohl aber ließ sich an Gußstücken, deren ebene Unterfläche 1 Vertauscht man die Formen erster und zweiter Stellung, so wird das Verschiebungsschema reziprok zu dem des Rutils und man kann die einfachere Transformationsformel des letzteren anwenden: h,' : h2' : b3' = 2h, : h, - 3h, : - (hf + h3). 2 Pogg. Ann. 58. 660. 1843. Fig. 1. ?h,' = — h, + 3 h2 +6h, o h2' ' — 3 h, — h2 -j- 6 hg p h3 = h, -j- h2 - 2 h3 lll in lll 111 in 151 lll in 51T Ueber die einfachen Schiebungen am Zinn etc. 235 sich der Lage {001} stark näherte, öfter erkennen, daß Lamellen nach allen vier Flächen {331} vorhanden waren und daß die Guß- fläche Verschiebungen in dem richtigen Sinne und annähernd von dem zu erwartenden Betrage erfahren hatte1. Da es nicht gelang, bessere Kristalle als die Ganten’s zu erhalten, die beim Erstarren auch nur kleiner Mengen von Zinn kristallisierten Massen aber sehr grobkörnig sind, wurde versucht, an diesen genauere Messungen anzustellen. Dazu wurde Zinn in parallelepipedische Formen von ungefähr 3 : 1,5 : 1,5 cm Kanten- länge gegossen, und zwar in ein Gefäß aus trübem Quarzglas, das aus einer polierten Bodenplatte und vier rechtwinklig geschliffenen und polierten Seitenwänden bestand, die während des Gusses durch eine Schraubzwinge zusammengehalten wurden; die Seitenstücke waren hinreichend rechtwinklig (und zwei davon gleich lang), um das Auslaufen von Zinn zu verhüten. Die zahlreichen Luftbläschen des Quarzglases vermindern zwar etwas die Güte der Flächen der Gußblöcke, machen sie aber nicht unbrauchbar, andererseits ist solches „Quarzgut“ viel billiger als ebenso große Stücke von tadelloser Beschaffenheit. Durch einen leichten Schlag, der am besten nicht gegen Kanten und Ecken gerichtet ist (was leicht stärkere Verbiegungen bewirkt), sondern gegen die kleinste Fläche des Gußblocks, entstehen meist zahlreiche Lamellen, die durch ihren Verlauf erkennen lassen, daß die Gußblöcke meist nur aus wenigen großen Individuen bestehen ; die Lamellen werden bis 1 mm breit und sind also gut meßbar. Um die Beobachtungen an den Kristallen bestätigen zu können, mußten die Indizes von Teilen der Seitenflächen des Blocks, die demselben Individuum angehören, ermittelt werden. 1 {001} wird stets in eine Fläche der Form {331} verschoben; es ist daher der Winkel zwischen ihr und der Fläche der Lamelle gleich 180° — 3 k = 4° 18', wenn man unter « den Winkel 001 : 331 versteht. Dieser Winkel ist also zur besonders genauen Ermittlung des Achsen- verhältnisses geeignet ; {001} ist aber bisher anscheinend nicht beobachtet. 236 0. Miigge, Die Annahme, daß die Gleitflächen tatsächlich der Form {331} angehören , kann man zunächst dadurch prüfen , daß man die Spuren solcher Lamellen zur Kante zweier Gußflächen, z. B. a und b (Fig. 2) ermittelt, welche nicht parallel laufen, aber auf beiden Flächen durch ihre Durchkreuzung anzeigen, daß sie dem- selben Individuum angehören und die sich zugleich mit Sicherheit über die Kante a : b verfolgen lassen. Die verschobenen Flächen- teile von a und b zweier derartiger Lamellen 1 und 2 sollen im folgenden mit a15 bx und a2, b2 bezeichnet werden. (Die Pfeile an den Lamellen geben die Lichtung, in der sie nach unten ein- fallen, wenn die Hauptfläche horizontal nach oben gewendet ist.) Es zeigte sich , daß die Lamellen zwar im allgemeinen ziemlich geradlinig verlaufen , aber vielfach auskeilen , so daß sich die Winkel av /?, und «2, ß2 kaum bis auf 1° genau ermitteln ließen. Es wurden deshalb der Rechnung nur Winkel der Flächen zugrunde gelegt, da sich diese bei sorgfältiger Abblendung verbogener oder zu fein gestreifter Teile bis auf 1' genau messen ließen (Normalen- winkel) : 1. a:b = 90°4'50" 2. a, : b = 92® 4' — 6. a, : a = 3° 48' 30" 3. a2 : b = 90 40 15" 7. a2 : a; = 3 19 40 4. b, : a = 90 56 — 8. \ : b — 1 58 30 5. b2 : a = 91 35 10 9. b2 : b = 3 15 20 Hieraus kann man zunächst av a2 und ß1, ß2 berechnen, und zwar genauer, als sie direkte Messung u. d. M. ergibt, voraus- gesetzt, daß die Winkel 1) — 9) bis auf wenige Minuten genau sind, denn da sich 2) — 5) nur wenig von 1) entfernen, weil 6)— 9) nur klein sind, ziehen auch kleinere Fehler in ihrer Bestimmung schon erhebliche Fehler von a,, a2 etc. nach sich. Als Neigung der beiden Gleitflächen für die Lamellen 1 und 2 wurde gefunden: 1 : 2 = 180° — 63° 42' 40" gegenüber 180 — 62 50 (Miller) (während aus den ebenen Winkeln a und/? sich ergab 180° — 64° 55'). Aus dem Winkel 1 : 2 folgt zugleich , daß die Gleitflächen 1 und 2 zwei in einer Randkante zusammenstoßenden Flächen der Form {331}, also etwa (331) und (33l) angehören, und daraus ergibt sich die Möglichkeit, die Indizes der Gußflächen a und b für das Individuum, welchem die Lamellen 1 und 2 angehören, zu be- rechnen, damit auch die Indizes ihrer verschobenen Teile und die gemessenen Winkel zwischen Lamellen und Hauptflächen mit jenen zu vergleichen, welche die Umlagerungen nach dem GANTEN’schen Schema verlangen. Die Indizes der Flächen a und b, bezogen auf das Miller’scIic Achsenverhältnis, waren danach folgende: a = — 0,5758 : 0,6891 : 0,4616 b = 1,1031 : — 1,8343 : 0,6413 Ueber die einfachen Schiebungen am Zinn etc. 237 Die Indizes ihrer mit der Lamelle 1 verschobenen Teile: at = 5,4125 : 0,2529 : — 0,8098 b, = — 2,7583 : 8,9914 : — 2,0137 ebenso der mit der Lamelle 2 verschobenen Teile : a2 = 0,1262 : 5,1858 : 1,0364 b2 = 10,4538 : — 1,2961 : 0,5514 Daraus berechnen sich glichene Winkel: folgende , mit den gemessenen ver- her. gern. Diff. a : a, = 3° 36,5' 3° 19,5' -f 0°17' b : bt = 3 30,5 3 15,5 + 0 15 a : a2 — - 4 7,5 3 48,5 + 0 19 b : b2 = 2 8 1 58,5 + 0 9,5 Die berechneten Werte sind also alle etwas größer als die gemessenen, und zwar um so mehr, je größer sie sind; daraus wird es wahrscheinlich , daß sich der Winkel Kx : K2 = K, : ag noch mehr 90° nähert, als aus Miller’s Achsenverhältnis folgt. Trotz- dem wurde davon abgesehen, ein neues Achsenverhältnis aufzu- stellen, da, wie oben bemerkt, die an den Gußblöcken meßbaren Winkel zu Fundamentalwinkeln nicht sehr geeignet sind. Im übrigen bestätigen diese Messungen an 4 Flächen allgemeinster Lage durchaus das GANTEN’sche Schema. Die Zwillingsbildungen des tetragonalen Zinns nach {111} und {331} sind wie jene des Rutils pseudohexagonal; da sie aber bei erhöhter Temperatur (bis 220°) nicht merklich leichter (oder gar „von selbst“) vor sich gehen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß sie mit der bei 161° angenommenen Zustandsänderung Zu- sammenhängen. Die einfache Schiebung konnte aber eine Mög- lichkeit bieten, das Auftreten und gegebenenfalls die Symmetrie jener neuen Modifikation zu erkennen. Werner1 nimmt an, daß sie mit der zuerst von Trechmann2 und dann von v. Foullon3 beschriebenen rhombischen Modifikation identisch sei. Wenn dies der Fall wäre, müßte man erwarten, daß mit der Umwandlung mit steigender Temperatur ein Zerfall bis dahin einheitlicher tetra- gonaler Kristalle in mehrere rhombische verknüpft wäre, so daß nach dem Wiedererkalten (und Rückverwandlung) ihre an dem Veilauf der Zwillingslamellen erkennbaren Grenzen andere ge- worden wären ; ferner wäre im Moment der Umwandlung eine un- stetige Änderung des Winkels zwischen Hauptfläche und ihren Lamellen zu erwarten. 1 Zeitschr. f. anorg. Chemie. 83. 292. 1913; das. Literatur. 2 Mineral og. Mag. 2. 186. 1879. :i Verhandl. geol. Reichsanst. Wien. 1881. 237. 238 0. Mügge, Es konnte nun zunächst festgestellt werden, daß weder bei Temperaturen zwischen 16 L° bis nahe zum Schmelzpunkt, noch unterhalb 161° die Bildung neuer Lamellen ohne mechanischen Zwang stattfindet, daß auch unstetige Änderungen der genannten Winkel ausbleiben. Um dies zu prüfen, wurden aus deformierten Gußblöcken der oben beschriebenen Art kleine Stücke mit guten Reflexen von Hauptfläche und Lamelle herausgesägt und, gegebenen- falls nach weiterer Abblendung unscharfer Reflexe, der Winkel zwischen Hauptfläche und Lamelle bei je 5 Temperaturen zwischen 18° und 224° gemessen. Es ergaben sich folgende Änderungen: I. 18° 3° 42' 30* 96 — 39 30 153.5 - 37 10 193 — 33 50 221 — 32 0 111. 18° 3° 36' 30' 84,3 - 35 0 158 ^30 0 190 — 27 0 218.5 — 25 40 II: 18° 1°52' 40" 100 — 51 50 161 — 51 0 190,5 — 49 20 224 — 47 50 IV. 21,5° 2° 52' 10" 89 — 49 15 160 ..... - 46 15 183 — 45 10 218 — 42 50 Die Fig. 3 läßt erkennen, daß in allen Fällen mit steigender Temperatur der Winkel zwischen Hauptfläche und Lamelle kleiner wird, und zwar anscheinend etwas beschleunigt, diese Verkleinerung ist zugleich der ursprünglichen Größe dieses Winkels annähernd proportional. Es weist dies, ähnlich wie bei Aragonit, auf eine Annäherung des Winkels Kx : 1^ U.). Die Ansicht F. Noetling’s, daß die relative Seltenheit der Ammoniten mit vollständig erhaltener Wohnkammer entschieden gegen eine Verwendung der Wohnkammerlänge als systematisches 268 Besprechungen. Kriteiium spricht, kann von dem zoologisch denkenden Paläonto- logen unmöglich anerkannt werden, für den bei der Beurteilung dieser Fl>age bloß die Prüfung der Beziehungen des Tieres zu seiner Wohnkammer und zwischen der Wohnkammerlänge und der i Wachstumsart der Ammonitenschalen sowie die Untersuchung der Schwankungen der Wohnkammerlänge bei Individuen derselben Art und innerhalb einzelner Gattungen entscheidend sein dürfen. Die Beziehungen des Tieres zu seiner Wohn- kämm er bei Nautilus und den Ammoniten. Die beim rezenten Nautilus gemachte Erfahrung, daß seine ! Wohnkammer von dem kontrahierten Tierkörper genau ausgefüllt ! wird und uns daher ein getreues Abbild von dessen Dimensionen liefert, darf, wie schon Zittel 1868 bemerkt hat, wegen der | inneren Organisationsdifferenzen zwischen Nautiliden und Ammoniten j wohl nicht ohne weiteres auf letztere übertragen werden. Würden auch zugunsten eines derartigen analogisierenden Vorgehens gewisse Einrichtungen an fossilen Ammonitengehäusen, wie die visierartig verengten und z. T. abgeschlossenen Mündungen einiger Genera mit anormaler Wohnkammer oder gar der Besitz der als Verschlußdeckel der Wohnkammer funktionierenden Aptychen, sprechen, so stehen dem doch andererseits mancherlei Beobachtungen gegenüber, die vor der allgemeinen Übertragung der obigen an Nautilus gemachten Feststellung auf die fossile Ordnung der Am- moniten warnen und demgemäß zu einer gewissen Vorsicht bei der biologischen Bewertung der Wohnkammerlänge auffordern. So wird man mit E. W. Benecke bei den mit Seitenohren versehenen Ammonitenschalen (z. B. Cosmoceras Jason) annehmen müssen, daß sich der Tierkörper, sollten die zarten Ohren nicht zerbrechen, höchstens bis zu deren Vorderende zurückziehen konnte und daher zwischen diesen unbedeckt lag. Und bei den ein ex- tremes Rostrum tragenden Schalen (z. B. Quenstedticeras Lamberti) macht es der fast stets zerquetschte Erhaltungszustand dieses Mündungsteiles höchst plausibel, daß er bereits außerhalb des sich beim Tode kontrahierenden Tierkörpers zu liegen kam, an dem er also keine Stütze mehr finden konnte. Auch in jenen seltenen Fällen, in denen die Wohnkammer eines Ammoniten so abnorm verkürzt erscheint, wie bei dem von A. Hyatt 1903 aus der Oberkreide von Mississippi beschriebenen Sphenodiscus lobatus Tuom. (Wohnkammerlänge = ^ U.) dürfte ein Teil des Tierkörpers wohl dauernd und selbst bei seiner stärksten Kontraktion außerhalb des Gehäuses verblieben sein. Die Wohnkammerlänge in ihren Beziehungen zur Art des Wachstums der Windungen. Daß die äußere Gestalt der Ammonitentiere nicht nur durch die verschiedene Länge und Form ihrer Wohnkammer (wurmförmiger, langer Körper eines nodosen Ceratiten einerseits, gedrungener und plumper eines intuslabiaten Arcesten andrerseits) bedingt ist, sondern Besprechungen. 269 ebensosehr durch die Wachstumsart ihrer Windungen, lehrt bei- spielsweise der Vergleich der zu demselben Genus gehörigen und durch die globosen Jugendstadien miteinander übereinstimmenden Schalen von Ptycliites tibetanus Mojs. und Pt. megalodiscus Beyr., von denen die erste Art während der Altersreife ihre breite, plumpe Gestalt beibehält, wogegen letztere schmal und hochmündig wird. Dabei dürfte sich aber wohl kaum gleichzeitig eine tiefgreifende Veränderung der inneren Organisation des Tieres vollzogen haben. Der Zusammenhang zwischen der Wohnkammerlänge der Am- moniten und der Anwachsungsart ihrer Windungen ist eine seit langem bekannte Tatsache, die aber von verschiedenen Forschern nicht gleichmäßig bewertet wird. Während E. v. Mojsisovics es als Kegel erachtet, daß hoch- mündige Gehäuse eine kürzere Wohnkammer besitzen als die niedrig- mündigen, hält F. Frech die Wohnkammerlänge in diesem Sinne geradezu für eine Funktion der Wachstumsgeschwindigkeit der Schalen, und G. Prinz glaubte sogar ganz allgemein aus der Wachs- tumsform der Phylloceraten direkt auf ihre Wohnkammerlänge schließen, d. h. die meist unbekannte Größe derselben so rekon- struieren zu dürfen. C. Diener, der gleichfalls auch den Einfluß des Windungs- wachstums auf die Wohnkammerlänge ohne weiteres zugibt, ist nach sorgfältiger Prüfung vieler auf dieses Verhältnis bezüglicher Beobachtungen zu dem Ergebnisse gelangt, daß zwar fast alle hoch- mündigen und schnellwüchsigen Ammoniten brachydom (mit kurzen oder mittellangen Wohnkammern ausgestattet) sind, wogegen bei den langsam anwachsenden Formen mit breitem Querschnitt von keinem Gesetze bezüglich der Wohnkammerlänge und folglich auch von keinerlei prognostischen Bestimmung einer solchen die Kede sein kann. Schwankungen der Wohnkammerlänge bei Indi- viduen derselben Art. Während nicht wenige Ammonitenarten durch eine auffallende Konstanz ihrer Wohnkammerlänge in allen Altersstadien ausgezeichnet sind (Hedicoceras hedicum, Ludwigia Murcliisonae, Strcblites div. sp.), bemerkt man bei anderen eine entschiedene Veränderung derselben, sei es, daß sie mit vorrückendem Alter eine Zunahme erfährt (so bei Arietites spiratissimus und Ar. latesulcatus von ca. 1- — >1|- U.), sei es, daß sie dabei eine relative Verkürzung erleidet (z. B. bei Tirolites, bei Xenodiscus sulioticus von 1 — U., bei Aulacostephanus tibetanus von > } U. — - < J U. und gewissen malayischen Macro- cephalites von { — J U.). Eine solche Verkürzung dürfte bei altersreifen Exemplaren in manchen Fällen (z. B. Metoicoceras Sivallowi von f — J U.) mit der Zunahme ihrer Hochmündigkeit Zusammenhängen, bei ParJcin- sonia (P. acris mit 1 — § U.) mit der Ausbildung der für das Alters- stadium charakteristischen Skulptureigentümlichkeit. Die Wohn- kammerlänge von JDadylioceras commune zeigt sehr auffällige und 270 Besprechungen. anscheinend vom Altersstadium unabhängige individuelle Schwan- kungen (von ca. % — lgV U.), und solchen ist sie auch bei den Macroceplialites in auffälliger Weise unterworfen. Die vom Verf. gesammelten Beobachtungen über die in ver- schiedener Richtung erfolgenden individuellen Schwankungen der Wohnkammerlänge bei verschiedenen brachy- und makrodomen Ammonitenarten mahnen jedenfalls bei der Bewertung dieses Merk- males für die Systematik zu einiger Vorsicht. Veränderlichkeit der Wohnkammerlänge inner- halb der Gattung. Hinsichtlich ihrer Involution, Skulptur und Lobenlinie so in- differente Typen wie die paläozoischen Goniatiten, deren Wolin- kammerlänge von E. Haug innerhalb gewisser Formenkreise für auffallend konstant, von F. Frech hingegen für variabel (z. B. bei Aphyllites, Tornoceras) erklärt wird, sind nach des Verf.’s Meinung überhaupt wenig für eine Klärung der Frage nach der Konstanz der Wohnkammerlänge geeignet, da bei der Gattungstrennung der- artiger, durch so wenig charakteristische Merkmale miteinander verknüpften Formen eine Differenz in der Wohnkammerlänge gewiß einen entscheidenden Ausschlag geben müßte. Ganz anders liegt hingegen die Sache bei einer durch Ornamentierung, Suturlinie und Mundsaumgestalt so hochspezialisierten Ammonitengattung wie Perisphinctes, an deren durch diese vielen Eigenschaften gut cha- rakteristischen Gattungsfassung nicht wegen ihrer wechselnden Wohnkammerlänge gerüttelt werden darf. Der großen Bedeutung gemäß, welche die Konstanz eines systematischen Merkmales innerhalb der höheren Systemkategorien (von der Gattung in weiterer Fassung angefangen) für seine Be- wertung besitzt, hat Verf. an einem besonders umfangreichen und von verschiedenen mesozoischen Gattungen gewonnenen Beobach- tungsmaterial die große generische Konstanz der Wohnkammer- länge festgestellt, deren hoher systematischer Wert durch die mit- unter vorkommenden geringen Schwankungen nicht beeinträchtigt zu werden vermag. Solche Gattungen sind: Placenticeras Meek., Wohnkammer (Wk.) regelmäßig = } U.; Oppelia Waag., Wk. = | — f U. ; Phylloceras Suess, Wk. kurz bis mittellang (^ — f U.); Aspidoceras Zitt., Wk. stets kurz (J — f U.); Haploceras Zitt., Wk. fast stets kurz (meist £ — f U., ausnahms- weise ca. 1 U.) ; Harpoceras Waag, (im weiteren Sinne) , Wk. kurz , nur aus- nahmsweise mittellang (| — § U., selten j — § U.); Ceratites nodosi, Wk. konstant kurz ; Ophiceras Griesb., Wk. konstant kurz (J — T7^ U.) ; Meekoceras Hyatt (inkl. Aspidites Waag.), WTk. konstant kurz (i-f ü.); Simoceras Zitt. („makrodome“ Gattung), Wk. = ca. 1 U. Besprechungen. 271 Diesen durch die Konstanz ihrer Wohnkammerlängen aus- gezeichneten Ammonitengenera steht eine beträchtliche Anzahl von jurassischen und triadischen Gattungen gegenüber, bei denen dieses Merkmal recht erheblichen Schwankungen unterliegt, wie z. B. : Hoplites Neum., Wk. kurz bis lang (£ — > 1 U.); Perisphindes Waag., bei welchem die geringe systematische Be- deutung der Wolmkammerlänge mit besonderer Deutlichkeit hervortritt. Es ist bei verschiedenen Arten die Wk. > 1 U., = 1 U., 1— f U., | U., f U. > Wk. > i U., § U., 1— f U. (Subgenus Virgatosphindes und Aulacosphindes), \ U. (Sub- genus Sutneria), \ U. ( Perisphindes bernensis ); Parkinsonia Bayle, Wk. = -f — 1^ U. ; Coeloceras Hyatt, Wk. = — lj U. ; Stephanoceras Waag., Wk. kurz, mittellang oder lang (A — 1^ U.); Lytoceras Suess, Wk. in der Regel \ — § U., manchmal auch bis über 1 U. (Subgenus Costidiscus Uhl.) ; Ilammatoceras Hyatt, Wk. kurz, mittellang oder lang (von Wk. < f U. bis Wk. > 1 U.); Dumortieria Haug, Wk. = f — 1 U. ; Psiloceras Hyatt, Wk. \ bis ca. 1^ U. ; Xenodiscus Waag., Wk. \ — 1 U. Daß aber auch bei den triadischen „Ammonea makrodoma“ die Wolmkammerlänge durchaus nicht ausnahmslos der generali- sierenden Angabe von E. v. Mojsisovics entspricht, der ihr einen Betrag von mindestens einem vollem Umgang zuschreiben wollte, geht aus folgender Nachprüfung hervor; es beträgt z. B. bei: Anatomites Mariäni Gemm. (Subgenus von Juvavites ) die Wk. f U., Paulotropites Hyatti Gemm. die Wk. ein wenig > f U., Stenarcestes malayieus Welt, die Wk. ^ U., Lobites Sandbergeri Mojs. die Wk. < 1 U. Metriodome Ammoniten. Für jene Ammonitengattungen , welche, wie die triadischen Styrites Mojs. (nach Mojsisovics zu den makro dornen Tropitiden gehörig), Gonionotites Gemm. und Ptychites (nach v. Arthaber zu den brachydomen Tornoceraten gestellt), eine relativ konstante Wolmkammerlänge von f bis zu ca. einem vollen Umgang besitzen und sich demgemäß weder in den Begriff der Makrodoma (Wk. = 1 — 1^ U.), noch der Brachydoma (Wk. = \ — f U.) einfügen lassen, sondern vielmehr als eine breite Grenzzone zwischen die beiden also keineswegs im Sinne von E. v. Mojsisovics und G. v. Arthaber durch eine kritische Grenze (Wk. = 1 U.) voneinander geschiedenen Typen einschieben, schlägt Verf. die neue Bezeichnung „metrio- dome“ Ammoniten vor. Die Einführung dieses Typus erscheint um so nötiger, als ihm viele und phylogenetisch wichtige Gattungen angehören. Außer den drei bereits genannten Gattungen seien von solchen noch die triadischen Genera Gymnotoceras Hyatt, Owenites Hyatt et Smith, 272 Personalia. Barrandeites Mojs., Protestes Hau. und vielleicht auch Nannites Mojs. und Inyoites Hyatt et Smith, sowie die jurassischen und unter- cretacischen Gattungen Sphaeroceras Bayle, Cadoceras Nik., Garan- tiana Buckm. , Cardioceras Neum. , Reinecläa Bayle und Holco- stephanus Neum. et Uhl. angeführt. Der phylogenetische Wert der Wohnkaminerlänge. Nachdem sich heute viele wichtige Argumente für die Ab- stammung brachydomer von makrodomen Formengruppen und um- gekehrt geltend machen lassen, erscheint die Haupteinteilung der Ammoniten in Brachydoma und Makrodoma erschüttert, da sie ja nur die Ableitung brachydomer Formen von brachydomen und makro- domer von ebensolchen zur phylogenetischen Voraussetzung hatte. Um von vielen derartigen Beweisen nur einige zu erwähnen, möge auf die innigen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der brachydomen Gattung Sagenites wie der auch durch eine relativ kurze Wohnkammer ausgezeichneten Genera Styrites und Gonio- notites zu den makrodomen Tropitoidea, ferner des eine Wohn- kammerlänge von ca. f U. besitzenden Genus Amarassites Welt. zu dem makrodomen Halorites Mojs., dann des makrodomen Costi- discus zu den übrigen, meist brachydomen Lytoceren, der durch kurze, resp. wechselndlange Wohnkammern gekennzeichneten Sub- genera Asteroceras, resp. Arnioceras zu den überwiegend makro- domen Vertretern von Arietites hingewiesen werden, desgleichen auf die mannigfachen phylogenetischen Übergänge von dieser Gat- tung zu den eine kurze bis mittellange Wohnkammer besitzenden Harpoceraten. Aus dem brachydomen, triadischen Monophyllites (resp. Mojsvarites ) ist nach der Ansicht der meisten jetzigen Am- monitenforscher das makrodome liassische Genus Psüoceras, die Stammform für Aegoceras, Schlotheimia und Arietites, abzuleiten. Übrigens sind die innerhalb vieler Ammonitengattungen fest- gestellten Schwankungen der Wolinkammerlänge so groß, daß sich der Ableitung brachydomer Formengruppen aus makrodomen und um- gekehrt auch keinerlei theoretische Schwierigkeiten entgegenstellen. Während in den devonischen Goniatitenfaunen bracliy- und makrodome Ammoniten gleichmäßig nebeneinander auftreten, er- scheinen zur Zeit der Obertrias (in den Hallstätter Kalken) die letzteren in größerem Individuenreichtum, aber in geringerer Arten- zahl als die brachydomen entwickelt. Nachdem sie im Lias den Höhepunkt ihrer Entfaltung erreicht haben , werden sie später während der Unterkreide sehr selten, um dann in der Oberkreide (sicher in der Maestrichtstufe) brachydomen Gattungen vollkommen Platz zu machen. F. Trauth. Personalia. Ernannt: Prof. Dr. Fr. Kossmat, Direktor der Kgl. Sächs. Geol. Landesuntersuchung und Ordinarius für Geologie und Palä- ontologie an der Universität Leipzig zum Geheimen Bergrat. H. Tertsch, Trachtstudien etc. 273 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristali. Von Herrn. Tertsch (Wien). Mit 6 Texlfiguren. In der ungewöhnlich reichhaltigen und wertvollen Edelstein- sammlung des Herrn Hofrates A. v. Loehr befindet sich eine in Platten zerlegte Turmalinsäule von etwa 9 cm Höhe und 4| cm Dicke. Der äußerlich faßt undurchsichtig schwarz erscheinende Kristall ist durch Schnitte normal zur Hauptachse, mit deren einem Ende er auf gewachsen war, in 10 Teile zerlegt. Von dem Basis- teil mit etwa lf cm Höhe ist bloß eine, durch einen radialen Längsschnitt begrenzte Hälfte vorhanden. Darauf folgen 8 Platten parallel der Basis mit fast durchgehends 4 mm Dicke und endlich der gut ausgebildete Kristallkopf mit etwa 2f cm Höhe1. Sowohl die 8 Platten, wie der Kopf, liefern vollständige Querschnitte durch den Kristall. Die prächtigen Zeichnungen in den Querschnitten, der bunte Wechsel von grauen, rosa, lichtgrünen, faulgrünen und fast schwarzen Schichten mit nahezu farblosen Zwischenlagen und die dank der systematischen Zerlegung des Kristalles gebotene Mög- lichkeit, jede einzelne, durch ihre Farbe charakterisierte Anwachs- schichte durch mehrere Platten zu verfolgen, ließen eine genauere Durchmessung des Kristalles im Hinblick auf die ziffernmäßige Verfolgung des Schichtbaues ungemein verlockend erscheinen. 1 Die Summe der angegebenen Höhen und Schichtdicken ist wesent- lich kleiner als die mit 9 cm bemessene Gesamthöhe. Das hat seinen •Grund darin, daß bei dem Zersägen des Kristalles mit einem nicht un- beträchtlichen Abfall zwischen je 2 Platten gerechnet werden muß. Die Ermittlung der durch das Zerschneiden verlorengegangenen Zwischen- schichten läßt sich mit ziemlicher Sicherheit durchführen. In der Prismen- zone laufen an mehreren Stellen Wachstum sunregelmäßigkeiten (Ab- fonnungsflächen anderer Körper?) schräg über die Prismenflächen weg. Eine hievon, welche, stark geneigt, außen über eine Reihe von Platten hinzieht, ist ziemlich geradlinig begrenzt. Das einfache Aufeinander- schichten der Platten läßt diese Linie treppenartig zerstückelt erscheinen. Legt man die Platten so weit auseinander, bis sich diese Störungslinie zu einer Geraden ergänzt, so sind damit die beim Zersägen und nach- folgenden Polieren verlorengegangenen Zwischenschichten ziemlich genau wieder hergestellt. Die Abstände von Platte zu Platte betragen danach «twas mehr als je 1 mm. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 18 274 H. Tertsch, Es ist dem Verfasser ein Bedürfnis, Herrn Hofrat v. Loehr auch hier noch für die Überlassung des selten schönen Unter- suchungsmateriales herzlichst zu danken. Der Kristall, dessen Fundort leider nicht genau feststeht 1, hat eine nur wenig exzentrisch gelagerte Spitze und zeigt diesen ziemlich regelmäßigen Aufbau auch in allen seinen Querschnitten, demzufolge es leicht ist, in der etwas konvex gekrümmten Ansatz- fläche der Basis den wahrscheinlichsten Keimpunkt des wachsenden Kristalles zu rekonstruieren. Wenn auch keinerlei Reste des Mutter- gesteines an dem Kristalle erhalten sind, deutet doch das Aussehen des Basisteiles darauf hin, daß der Kristall entweder wirklich 7010 Fig. 1. vollständig von der Unterlage abgehoben ist, oder der etwaige zurückgebliebene Rest nur ganz unbedeutend sein kann, weshalb man den tiefsten Basispunkt, der genau unterhalb der Spitze des Kristalles zu liegen kommt, als wahrscheinlichsten Keimpunkt an- seh en darf. Der Kopf des Kristalles wird durch das Rhomboeder 0221 ( — 2R) und durch ditrigonale Pyramiden begrenzt (Fig. 1). Die Spitze und einige Kanten sind etwas abgestoßen, aber leicht rekonstruier- bar. Das glatte, glänzende und auffallend einheitlich ausgebildete Rhomboeder wird hauptsächlich von der nur wenig schmäler ent- wickelten ditrigonalen Pyramide 1341 begleitet, welche mit (2021) und dem Prisma (1120) in Zone liegt. Die Pyramide 1341 besitzt 1 A. v. Loehr teilte mir mit, daß als Fundort „Madagaskar“ an- gegeben werde, doch ist, wie bei vielen anderen Fundortsangaben der Juwelenhändler, damit leider keine Gewähr für die Richtigkeit gegeben. Hintze (Handbuch der Mineralogie) zitiert einen Fundort „Tamawate“ in Madagaskar. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. durchgehends matte, etwas unruhig, wie eine gegossene Masse aus- sehende Flächen. Nur in der Form schmälster Kantenabstumpftmgen ist noch eine weitere ditrigonale Pyramide (2131) ausgebildet. Sie liegt in je zwei Flächen an den scharfen Kanten der Form (1341) und bildet mit letzterer parallele Kanten. Die sehr kleinen Kanten gegen das Rhomboeder laufen parallel der kurzen Diagonale dieser Fläche (// vertikale Symmetrieebene). Durch diese Angaben ist die bezeichnete Form festgelegt. Die Prismenzone ist, wie bei Turmalinen in der Regel, sehr stark vertikal gestreift. Im wesentlichen entspricht der sechseckige Querschnitt der Spur des Prismas (1120). Die theoretischen Vertikal- kanten dieses Prismas sind gerundet und lassen eine (10T0)- und (1010) -Ausbildung mehr erraten als direkt mit dem Maßstabe messen. Hiebei ist das trigonale Prisma (1010) etwas schärfer angedeutet als das analoge Prisma (1010). Die 1 1120)-Flächen- komplexe werden nur zum kleinsten Teile von dieser Form selbst gebildet. In der Hauptsache ist es ein dem (1120) nahestehendes ditrigonales Prisma (oder mehrere solche), welches in oszillierender Kombination die dichte, sehr unruhige Vertikalstreifung der Prismen- zone liefert1. Die Unmöglichkeit, die feine Oszillationsriefung für Trachtstudien zu verwenden, ließ von einer rein kristallographischen Verfolgung der einzelnen Flächenanteile in der Prismenzone Ab- stand nehmen, um so mehr, als die 1120 mit hinreichender Ge- nauigkeit als Trachtträger angesetzt werden kann. Aus den zahlreichen Einzelbeschreibungen von Türmalin- kristallen, wie solche insbesonders G, vom Rath von den Elbaner Vorkommen geliefert hat (vgl. auch hiezu Hintzk p. 345), erhellt, daß das in bezug auf die pyroelektrische Erregbarkeit antilogene Ende der Vertikalachse zumeist durch das Rhomboeder (2021 1, das analoge Ende durch das Rhomboeder (0112) ausgezeichnet ist, wobei letzteres Ende häufiger frei entwickelt sein soll. In unserem Falle ist das Ende mit (2021), also nach dem eben Gesagten der antiloge Pol frei ausgebildet. Eine Überprüfung des Basisstückes auf die Art seiner pyroelektrischen Erregbarkeit ergab in der Tat bei der Abkühlung die rauhe Basisfläche als negativ, die ge- schnittene Oberseite positiv geladen, d. h. die Unterseite entspricht dem analogen, die Spitze dem antilogen Pol des Kristalles. Es ist von vornherein selbstverständlich, daß die einzelnen verschiedenfarbigen Schichten auch in ihrer elektrischen Polarität streng parallel gerichtet sein müssen und demnach alle das antiloge Ende nach außen kehren. Tatsächlich ist auch im ganzen Ver- laufe der Untersuchung der einzelnen Platten an keiner einzigen 1 In der Literatur (vgl. hiezu die ausführliche Zusammenstellung in Hintze's „Handbuch . . .“) wird ein Prisma 8.5.T3.0 angeführt. Dieses, oder ein demselben nahestehendes Prisma ist jedenfalls am Aufbau beteiligt' 18* 276 H. Tertsch, Stelle eine Andeutung- des Grundrhomboeders (1011) und der Fläche (0112) zu beobachten gewesen; im Gegenteil beschränkten sich die inneren Schichten zumeist auf die Kombination der Prismen- zone mit (2021). Wie sich bei der ganzen Art dfes Problemes von selbst ver- steht, konnte nur jene Methode der Trachtmessung angewendet werden, wie sie zuerst in der Studie über die „Kristalltrachten des Zinnsteines“ und dann auch von F. Becke bei dem Studium der Plagioklaszwillingstrachten 1 benützt wurde, d. h. es mußten aus Kantenlängen, Flächenbreiten und ähnlichen Messungsdaten unter Verwendung vielfacher Hilfskonstruktionen die Zentraldistanzen (Zd) ausgewertet und auf den Idealkristall umgerechnet werden 2. Die nach dieser Methode ermittelten „relativen Zd“ des gesamten Kristalles sind folgende: Zd 10T0 T010 1120 2021 3141 3 2131 0001 Gemessen . 2,36 2,38 2,10 6,32 5,05 6,31 (8,92) Relativ . . 0,606 0,612 0,540 1,625 1,298 1,622 (2,293) Eingeklammerte Zahlen bedeuten virtuelle Zd. Wachstumsverliältnisse der einzelnen Schichten. Die Untersuchung gewann erst an Interesse, als der Versuch unternommen wurde, das Wachstum der einzelnen Schichten messend zu verfolgen. Um zunächst ein Bild von dem Aussehen der ein- zelnen Platten zu geben, sei auf die Figurenreihe der Abb. 2 ver- wiesen, welche jeweils die Oberseite einzelner Turmalinplatten darstellt. Raummangelshalber konnte nur jede zweite Platte ab- gebildet werden. Dabei sind die Platten von unten angefangen fortlaufend numeriert (1 — 8). Da die Rhomboeder und ditrigonalen Pyramiden schräg zur Plattenfläche liegen, sind die Unterseiten in ihren Abmessungen der verschiedenfarbigen Schichten natürlich etwas anders. Gerade durch diese leicht feststellbare Tatsache lassen sich die Pyramiden leicht von den Flächenanteilen der Prismenzone, die auf Ober- und Unterseite gleiche Abmessungen besitzen, unterscheiden. Um die Lage und noch mehr die Mächtig- 1 Tscherm. Min.-petr. Mitt. 29. p. 445. 1910. 2 Vgl. hiezu die ausführlichere Zusammenstellung über hiehergehörige Probleme in des Verfassers „Neuere Studien über Kristalltrachten“. Fort- schritte der Miner., Krist. u. Petr. 2. p. 41. 1912. 3 Für die stumpfe Kante der ditrigonalen Pyramide ist die ge- messene Zd — 5,18, die zugehörige relative Zd = 1,332. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 277 Fig. 2. Oberansicht der Platten 2, 4, 6, 8 in natürlicher Größe. (Punktiert — Eosa, strichpunktiert = Lichtbraun, vertikal schraffiert = Grau, letzteres schimmert durch die Eosa-Oberschichte durch. Das übrige sind verschiedene Abstufungen von Grün. Vgl. hiezu auch den Längsschnitt Fig. 3.) keit 1 der Einzelschichten genau einzutragen, wurde ihr jeweiliger Schnitt mit der Oberseite bezw. Unterseite sorgfältig unter der Lupe mit mm-Maf3stab gemessen und in einem Vertikalschnitt in Profilform eingetragen (Fig. 3). So ergänzten sich die über- einandergeschichteten Platten in ihren Profilen bald zu einem voll- 1 Ein gutes Mittel, die infolge der Schräglage der Flächen ver- schwommene Abgrenzung der Schichtpakete zu beseitigen, besteht darin, daß man die Platten derartig schräg gegen das Licht hält, daß die Schichte (z. B. des Ehomboeders) genau parallel zu den Lichtstrahlen liegt. Dadurch läßt sich die wahre Mächtigkeit der Schichte in voller Schärfe abmessen und gleichzeitig auch eine reinliche Scheidung der oft ungemein zarten, verschieden abgetönten Schichten vornehmen. 278 H. Tertsch. ständigen Längsdurchschnitt, der hinreichende Anhaltspunkte für die Abmessungen der einzelnen Schichten bot. Wie schon au den Platten selbst erkennbar , konnten die grünen, die farblosen und die roten Schichten ziemlich scharf ge- sondert werden. Die saftgrünen und faulgrünen Schichten boten dagegen in der Abgrenzung so bedeutende Schwierigkeiten, daß man mehrfach gezwungen war (besonders wegen der ungemein ge- lingen Prismenentwicklung), mehrere solcher zu einer gemeinsamen Schichte zu vereinigen h Fig. 3. Ein unkoruigierter Längsschnitt 1010— 1010. Eine ganz seltsame Erscheinung zeigten die Rosa schichten. Diese scheinen in den Platten 1—4 förmlich von den Rhomboeder- kanten auszustrahlen (Fig. 2). Diese Kanten sind im Gebiete dei Rosaschichten selbst intensiver gefärbt und ragen auch noch in die andersfarbigen Schichten hinein. Die intensivere Färbung in den Kanten erinnert an die analog geformte Schmutzansammlung in den Kanten mancher wachsender Gipskristalle. Eine Konzentrierung 1 Der Pleochroismus kommt dabei kaum in Frage, da alle Beobach- tungen und Messungen so vorgenommen werden mußten, daß das Licht parallel oder mindestens angenähert parallel zur Hauptachse hindurchging. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 279 des „Farbstoffes“ ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil die Farbe sicherlich nicht als Fremdkörper dem Kristalle zugehört, sondern ihm gemäß seiner chemischen Zusammensetzung eigen ist. Versucht man sich ein Bild zu machen, wie der wachsende Kristall unmittelbar nach der Ablagerung der Rosaschichte aus- geselien haben könnte, so gewinnt man den Eindruck, als wäre der Kristallkopf sehr stark skelettartig gewachsen und hätte an Stelle der Rhomboeder tiefe Kassetten besessen, die durch die folgende, anders gefärbte und anders zusammengesetzte Schichte wieder ausgeheilt wurden. Eine wirklich allseits befriedigende Er- klärung dieser lichtroten Kantenfortwachsungen ist bisnun noch nicht gelungen. Im übrigen sei hinsichtlich der Farbverteilung auf die Figuren- erklärungen von Fig. 2 und 3 verwiesen. Mit der Rekonstruktion eines aus den Einzelabmessungen ent- sprechend schematisierten Profilschnittes waren die wesentlichsten Vorbedingungen für die folgenden Auswertungen gegeben. Es ist eine logische Grundannahme, daß die Zentraldistanzen (Zd) proportional den Wachstumsgeschwindigkeiten sind, letztere sind aber bei geschichteten Kristallen proportional der Schichtdicke. Fragt man, wie der Kristall aussähe, wenn die betreffende Schichte allein von einem Keimpunkt gewachsen wäre, so hätte man sich einfach vorzustellen, daß vom Keimpunkt aus die gemessenen Schichtdicken in den entsprechenden Richtungen als Zd aufgetragen sind. Für das Wachstum ist nicht die Masse der an einer Fläche angelagerten Schichte maßgebend, sondern das Verhältnis der in derselben Zeit auf den einzelnen Oberflächenanteilen gewachsenen Schicht dicken. Anders ausgedrückt: Der Querschnitt des der Schichte entsprechenden Idealkristalles ist nicht flächengleich mit der gemessenen Quersclmittsfläche der Schichte, sondern die, be- stimmten Flächennormalen zukommenden, gemessenen Schichtbreiten geben allein die Maße für die Konstruktion des Idealschnittes. Dabei ergibt sich allerdings sehr häufig der Fall, daß die gemessenen Schichtdicken (= Zd) untereinander nicht verträglich sind. Becke unterschied bekanntlich reelle und virtuelle Flächen, welch letztere genau die Kombinationskante der zonar benachbarten Flächen tangieren, also nicht mehr als Flächen (Kanten- oder Eckenabstumpfungen) zur Ausbildung kommen. Geht man z. B. vom Querschnitt mit gegebener 1120-Zd aus, so müßte eine reelle 1010-Zd kleiner, eine virtuelle 1010-Zd genau gleich sein der halben Diagonale des von der (1120) gebildeten Sechs- eckes. In unserem Falle ist aber die Zd 1010 öfters größer als dieser höchstzulässige Wert. Es liegen keine Messungsfehler vor, ebensowenig darf aber diese Tatsache vernachlässigt werden. Die Wachstumsmechanik von Schichtkristallen gibt leicht Auf- klärung. Man darf eben nie vergessen, daß eine neue Schichte 280 H. Tertsch, nicht von einem idealen Keimpunkt aus wächst, sondern von einer schon gegebenen, ihr eigentlich fremden Kern form. Dieser Kern trägt z. B. Flächen, die für die wachsende Schichte virtuell sein sollen, d. h. gar nicht zu erwarten wären. Da muß nun zu- erst durch übertriebenes Wachstum diese schichtfremde Fläche zum Verschwinden gebracht, also der für die betreifende Schichte nor- male Zustand einer virtuellen Fläche in dieser bestimmten Richtung hergestellt werden, ehe das Wachstum so fortschreiten kann, als wäre der Kristall einheitlich vom Keimpunkt aus gewachsen. Es ist genau der gleiche Vorgang wie beim Ausheilen einer ab- gebrochenen Ecke oder Kante eines Kristalles. Eine einfache Über- legung zeigt sofort, daß z. B. die Kante eines Würfels nie völlig auszuheilen vermöchte, wenn man annähme, daß in der Diagonale die wachsende Schichtdicke bloß \/2mal so groß wäre, wie die Dickenzunahme der Würfelfläche, ein Verhältnis, welches tatsächlich bei dem unbeschädigten Würfel besteht (vgl. hiezu Fig. 5 u. 6). Es würde zwar die relative Größe der Verwundung abnehmen, zu Null würde sie aber erst dann, wenn die anderen Flächen un- endlich groß würden, was natürlich unmöglich ist. Nun sieht man aber tatsächlich an Kristallen Ausheilungen in kürzester Frist, richtiger gesagt, in kürzestem Abstande von der Wunde erfolgen, ohne eine Spur der Verletzung zu hinterlassen. Demnach muß auch hier ein Wachstum angenommen werden, welches größer ist, als dies durch die einfache virtuelle Zd dieser Richtung ge- kennzeichnet wird. Wir wollen diese übermäßig vorauseilenden, dem Ausheilen förderlichen Zd als „sup er vir tu eile Zd“ den einfach virtuellen gegenüberstellen. Für die Bestimmung der Tracht scheinen sie bei der An- fertigung der üblichen Risse keine Bedeutung zu haben Sie können einfach auf die gewöhnlichen virtuellen Zd umgerechnet werden, da sich in den supervirtuellen Zd ja nur die Beziehung zu der schichtfremden Kernform ausdrückt, nicht aber der dieser Schicht zukommende Eigencharakter rein zum Vorschein kommt. Da, wie oben auseinandergesetzt, das zur Berechnung der relativen Zd nötige „Volumen“ nicht jenes der Schichte, sondern jenes des mit den Schichtdicken (= Zd) konstruierten Schema- kristalles ist, fallen die supervirtuellen Zd aus der Berechnung aus. Sie zeigen nur an, daß in dieser Richtung der Kristall sich so verhält, als wäre er verwundet und müßte ausheilen. Das Aus- heilen kann nun höchstens dazu führen, daß die betreffende Zd endlich den echten virtuellen Grenzwert erreicht. In den einzelnen aufeinanderfolgenden Stadien des Ausheilens wäre das Verhältnis derartig, daß die zunächst miteinander nicht verträglichen reellen und supervirtuellen Zd sich allmählich in ihrem Verhältnis ver- schieben und sich das Wachstumsgleichgewicht so bis zur Aus- bildung echt virtueller Zd hinaufentwickelt. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 281 Die folgende Tabelle (p. 282) gibt die nach den angegebenen Gesichtspunkten erschlossenen reellen, virtuellen (), bezw. super- virtuellen [] Zd der einzelnen unterscheidbaren Schichten. Im einzelnen sei hiezu noch folgendes bemerkt (vgl. Fig. 3). Schichte I = Kern. Von dem grauen Kern ist nur der Kopf mit 2021 bezw. virtueller 0001 verläßlich zu ermitteln ge- wesen. Die Prismenzone ist hypothetisch. Im Basisstück sieht man bei scharfer Durchleuchtung die 2021 -Fläche und Parallele hiezu in Form scharfer Spurlinien noch ziemlich tief abwärts, schräg gegen außen verlaufen. Auf der 1010-Seite dagegen (entsprechend der 2021 -Kante) sind solche Spuren nicht zu sehen. Auf Grund dieser Wahrnehmungen sind in der Zeichnung (Fig. 3) die Um- grenzungslinien des Basisstückes eingetragen. Eine irgendwie erkennbare Andeutung trigonaler Prismen- entwicklung (1010 oder 1010) im Kerne wurde nicht beobachtet, weshalb die trachtbeherrschende 1120-Fläche auch hier als die alleinige Formträgerin angesehen wurde. Schichte II. Diese ist eigentlich aus mehreren, nicht scharf abgrenzbaren, sehr hellfarbigen Einzelschichten zusammengesetzt und gegen innen und gegen außen je durch eine deutlich rosafarbige Lage begrenzt. Im Innern wechseln sehr blaß rosa und grün gefärbte, zarte Schichten miteinander ab. Hier waren auch die tri- gonalen Prismen 1010 und 1010, ersteres in stärkerer Flächen- breite, also geringerer Schichtdicke entwickelt ; gleichzeitig war eine starke Wachstums Verminderung in der Hauptachse zu beobachten. Die Schichte II mit ihren durchwegs reellen Flächen ist auch jene, welche sich in ihrer Tracht am meisten dem Gleichgewichts- zustände nähert, d. h. bei der die einzelnen Zd nahezu gleich sind und fast den Wert = 1 aufweisen. Schichte III. Die folgende, nahezu farblose, schwach grün- liche Schichte zeigt eine Verschiebung in der Prismenzone insofern, als die 1010 im Wachstum voreilt, die 1010 dagegen zurückbleibt, so daß mit 1120 und 1010 ein neunseitiges Prisma entstünde, wäre diese Schichte allein gewachsen 1. Das Wachstum in der Hauptachse ist wieder gestiegen. Schichte IV. Diese deutlich rosafarbige Schichte ist wieder durch ein starkes Zurücktreten des Längenwachstums auffallend. Schichte V. In dieser grünen Schichte ist im Gegensatz zu IV das Längenwachstum mächtig gefördert. 1 Schon von Schichte II an, sicher aber von Schichte III an, lassen sich die Verhältnisse in der Prismenzone ganz gut messen, so daß hier keine hypothetischen Werte der Zd eingesetzt erscheinen. Die scharfen, in den einzelnen, geschliffenen Platten sichtbaren Querschnitte durch die einzelnen Prismenanteile der 12 Anwachsschichten lassen die Schwankungen in der Gewichtigkeit der die Tracht bestimmenden Prismenflächen gut verfolgen. 282 H. Tertsch, [ | 0001 23 1.077 CT 03 - 4,20 1,520 6,200 (7,128) [7.825], I> cc cc'cc rH H o co cc (7,375) [9,580] © 77 q» co" CC | 1 1 M 1 ■- 1 ' 1 •1 Th ■sh CO -t (ZD CM ^ CM CO © © uq co" ©'S1 X rH 1 ra ts: * 103 ;r^ iO roq tH CK] CO CKl -h cv H CkT cm er: i-i o ©_ © t-7 of ©'© ©_© Th i-q © . 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Die dreiseitigen Pyramidenstümpfe, gebildet aus rosa, grün und wieder rosa gefärbten, übereinandergestiilpten Kappen, ver- leihen der 4. Platte (vgl. die Fig. 3) einen ganz besonderen Farben- und Formenreiz, der sich leider in einer einfachen Obeiflächen- darstellung nicht im entferntesten wiedergeben läßt (vgl. Fig. 2). Schichte VII. Diese lichtgrüne Schichte hat einen Stich ins Braune und weicht dadurch von der Schichte V ab. Neben dem Längenwachstum ist neuerlich die Ausbildung des trigonalen Prismas 1010 bemerkenswert. Schichte VIII. Von hier ab wird insbesondere die Be- wertung des Wachstums in der Richtung der c-Achse ungemein schwierig, was teils mit der größtenteils dunkelfaulgrünen Eigen- färbung, teils mit dem raschen, aber nicht scharfen Wechsel dunkler und heller Schichten im Zusammenhang steht. So mußten trotz deutlich erkennbarer Mittelschicht in Schichte VIII zwei dunkle und eine helle Lage vereint behandelt werden. Verläßlich sind außer der Prismenzone die 2021-Messungen ; der Zdoonl haftet schon eine gewisse Unsicherheit an, immerhin dürfte aber, wie aus der Platte 7 erhellt (Fig. 3), die Bewertung nicht allzu große Fehler enthalten. Das rasche Wachstum in der c-Riclitung ist zweifellos. Der gemessene oder messend geschätzte supervirtuelle Wert unterscheidet sich nur wenig von dem echten, aus 2021 resultierenden virtuellen Wert der Zd00oi. Schichte IX. Die scharf ausgeprägte lichtgrüne Schichte ermöglichte recht gute Messungsresultate, die sich mit jenen von Schichte V decken. Schichte X. Hier ist ein ähnlicher Fall wie bei Schichte VIII. Auch bei diesem dunkelfaulgrünen Schichtpaket war eine hellere Mittelschichte erkennbar, aber zur Messung nicht verwendbar. Gleichwohl wurde sie zur sichereren Einschätzung der hypothetischen Zd 01 benützt. Ganz besonders interessant ist das erstmalige Auftreten der ditrigonalen Pyramide (3141) L Sie vor allem deutet darauf hin, daß seit der kräftigeren Entwicklung der grünen Schichten das Längenwachstum stark gesteigert wurde, treten doch nach F. Becke derartige „Notflächen“ mit Vorliebe als Vermittler zwischen einer langsam wachsenden (Prismen-) Zone und einer rasch voraneilenden Flächengruppe (Spitze) auf. Schichte XI. Innerhalb der Platten 5—8 bildet diese hell- grüne Schichte neben der Prismenzone nur noch die ditrigonale 1 Im Profil ist natürlich nur die stumpfe Kante der 3141-Pyramide zu sehen. Da die Flächennormale selbst von der Schnittebene des Profiles nicht weit abliegt, gibt diese Kantenprojektion trotzdem ein recht an- schauliches Bild von der Lage dev für unsere Kombination so bezeichnenden Fläche 3141. 284 H. Tertsch, Pyramide aus. Weder 2021 noch 0001 sind erkennbar, da diese sich in dem ganz undurchsichtigen Kopfe bergen. Die Eintragung der Schichtbegrenzung wurde hypothetisch unter der Voraussetzung vorgenommen, daß von Schichte X an bis zur äußeren Umgrenzung die ditrigonale P3^ramide ziemlich konstanten Anteil an der Tracht nimmt, also kaum noch tiefer in den Kristallkopf hineinführen kann, und daß im übrigen sich diese grüne Schichte ähnlich ver- halten werde, wie die schon unter günstigeren Bedingungen ge- messenen Schichten V und IX. Schichte XII. Auch bei der schwarzgrünen Schichte, der dunkelsten des ganzen Kristalles, ist die Bewertung von 2021 und 0001 unsicher, wogegen die anderen Werte, insbesondere die reelle 1010 sicherstehen. Da der Kopf kaum an den Kanten durchscheinend war, wurde der dunkle Anteil des Kopfes als ziem- lich dicht unter die Oberfläche reichend angenommen. Schichte XIII. Die letzte Schichte ist auffallend licht, ausgesprochen braun. Hier ist zum ersten Male die äußerlich erkennbare 2131 entwickelt. Von ihrer Auswertung hinsichtlich der Schichte XIII allein wurde abgesehen. Auch hier ist das tri- gonale Prisma 1010 auffällig. Bei allen Schichten, deren 0001 -Entwicklung innerhalb des undurchsichtigen Kopfes liegt, wurde die Annahme gemacht, daß die Größe der hypothetischen 0001 -Fläche der einzelnen Schichten sich gesetzmäßig von der letzterkennbaren Flächenbreite der 0001 (in Platte 7) zur Spitze verjüngt. Die gleiche Färbung einzelner Schichten ist von gleichartigen Verhältnissen der Zd begleitet, woraus sich schließen läßt, daß in diesem Einzelfalle den einzelnen Farben auch ganz bestimmte Wachstumstypen entsprechen. Sehr nahe übereinstimmend sind die Rosaschichten IV und VI, ebenso die grasgrünen Schichten V, IX und XI und endlich die dunkel faulgriinen Schichten VIII und X. Dadurch verringert sich die Typenzahl auf 9. Die Vereinigung der nahezu gleichen und gleichfarbigen Schichten zu Trachtmittelwerten liefert folgende Zahlen für die relativen Zd 1 : Farbe 1010 1010 1120 2021 ; 3141 0001 rosa .... (0,766) (0,766) 0,663 (1,45) — 1 1,358 grasgrün . . (0,450) (0,450) 0,390 (3,05) (2,24) 3,900 faulgrün . . (0,330) (0,330) 0,236 ! (5,56) 3,80 ^ (7,75) 1 Zur Ermittlung dieser Daten wurden jeweils die Mittelwerte der reellen Zd von 1120 und 0001 (bezw. 2021) genommen und die übrigen virtuellen Zd auf dieser Grundlage ausgewertet. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 285 Mit diesen Angaben ist die Fig. 4 gezeichnet, bei welcher durch Eintragung der Zd in den entsprechenden Richtungen inner- halb der Zonen [OOOl — 1010] und [1010 — 1010] die gegenseitigen Beziehungen zum Ausdruck gebracht werden. Dabei ist die eben geschilderte Zusammenfassung einzelner Trachten zu Mittelwerten der Konstruktion zugrunde* gelegt. Die folgende Tabelle läßt im Vergleich mit Fig. 4 (p. 286) gewisse charakteristische Trachteigentümlichkeiten der verschieden gefärbten Schichten erkennen, welche, nach Trachttypen zusammen- gestellt, etwa folgendes Bild geben. Farbeund Schicht- nummer . Prismenzone Ausbildung des Kopfes Längen- wachstum (kleinste Zd00rtl dient als Einheit) sehr blaß, rosa und grün wechselnd II neben 1120 beide tri- gonale Prismen (1010 und 1010) endigt mit 0001 und Rhomboeder (2021) 1 rosa IV, VI | 1120 allein 0001 allein fast = 1 grasgrün V, IX, XI 1120 allein 0001 allein (2021 und 3141 virtuell) 4 farblos III neben 1120 nur das negative Prisma 1010 0001 allein 2 licht bräun- lichgrün VII neben 1120 nur das negative Prisma T010 0001 allein 6 grau I 1120 allein spitz mit 2021 endigend 1 H lichtbraun XIII neben 1120 noch das positive Prisma 1010 spitz mit 2021 endigend 3| schwarzgrün XII neben 1120 noch das positive Prisma 1010 spitz mit 2021 endigend 7 faul grün VIII, X 1120 allein spitz mit 3141 endigend Die Zusammenstellung läßt erkennen , daß eine einfache, lineare Beziehung zwischen der Farbintensität oder einer bestimmten Farbenfolge und der Trachtänderung nicht besteht. Die Anord- nung nach dem Verhalten des Längenwachstums, oder der Prismen- 286 H. Tertsch, zone oder nach der Form der Kopfausbildung führen jeweils zu verschiedenen Reihen , was insofern vorauszusetzen war, als die verschiedenen durch die Färbung- markierten Turmaline ein der- artig kompliziertes chemisches System darstellen, daß eine lineare Verschie- bung der Konstanten kaum erwartet werden durfte. Leider ist die Paragenesis des Turmalinkristalls absolut unbekannt und macht es dadurch unmöglich, die liier ermittelten Trachtverschieden- heiten der Turmalinschichten an an- deren Vorkommen nachzuprüfen und zu ergänzen. Im allgemeinen wird man für hellfarbige , rosa , lichtgrüne oder farblose Turmaline eine kurze, mit 000 1 abschließende Säule erwarten dürfen. Die dunklen, mehr bräunlich getönten Kristalle pflegen langsäulig und spitz zu sein. Dem kann man freilich die Rubellitsonnen entgegen- halten , die auffallend gestreckte Formen auf weisen, wie andererseits ganz braune und schwarze Turmaline mit kurzer c-Ausdehnung bekannt sind. Die Tatsache, daß sich, wie vor- liegendes Beispiel zeigt, vielfach in den „schwarzen“ Turmalinen Schicht- kristalle kompliziertesten Aufbaues und verschiedenartigster Färbung verbergen, läßt eine Überprüfung der Sammlungskristalle um so problematischer erscheinen, da die äußere Färbung sich bei dunklen Kristallen als nicht maßgebend erwiesen hat. Ganz aussichtslos muß es aber bleiben , Schlußfolgerungen über die Trachten ableiten zu wollen, ohne durch die Paragenesis auch nur die geringste Andeutung über die während des Wachstums herrschenden Bedingungen (vor allem Lösungsgenossen) zu besitzen. Turmalintrachtstudien, welche den Zweck verfolgen, den Zusammen- hang zwischen Färbung, bezw. chemischer Zusammensetzung und Tracht einwandfrei festzustellen, müßten an ganz anderen, einfarbigen und paragenetisch gut bekannten Kristallen vorgenommen werden. Schichtenbau und Ausheilungsmechanismus. Schon an früherer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß die Fortwachsung eines bestehenden Kristalles mit einer isomorphen Schichte zu Verhältnissen führt, welche dem Ausheilen eines be- Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 287 schädigten Kristalles gleichwertig' sind. Gleichzeitig wurde aber aufmerksam gemacht, daß ein Ausheilen nicht möglich wäre, wenn man bloß die Wachstumsgeschwindigkeiterl des unbeschädigten Kristalles zugrunde legt. Die maßgebenden Verhältnisse könnten etwa folgendermaßen umschrieben werden. Nach unseren, hauptsächlich auf Curie 1 zurückgehenden Vor- stellungen von den Wachstumsvorgängen befindet sich der Kristall mit der Mutterlauge jeweils im Gleichgewicht, solange die Bildungsbedin- gungen (Temperatur, Druck, Konzentration, Lösungsgenossen usw.) nicht die geringste Veränderung erfahren haben. Für die be- stehenden Bedingungen ist dieses Gleichgewicht von der Ober- flächenformation und mithin von dem Minimum der Oberflächen- spannung abhängig, d. h. am wachsenden Kristall bleibt ceteris paribus die Form ungeändert, da nur diese eine Tracht das Gleich- gewicht unter den obwaltenden Bildungsbedingungen darstellt. Die Masse des Kristalles grenzt sich mit einer Oberfläche gegen die Lösung ab, welche nach W. Gibbs1 2 einerseits von der Flächen- größe, andererseits als unstetige Funktion von der kristallographischen Lage der einzelnen Flächen abhängt. Unter Außerachtlassung aller molekular- oder atomtheoretischen Raumgitterannahmen, welche jetzt um so unsicherer sind, seitdem wir wissen , daß der ursprüngliche Begriff des Kristallmoleküles als Gitterbaustein nicht mehr aufrecht erhalten werden kann3, läßt sich aus den obigen ganz allgemeinen Grundvorstellungen mit zwingender Notwendigkeit der Schluß ableiten, daß jede gewalt- same Formänderung des wachsenden Kristalles sofort die voll- ständige Zerstörung des Gleichgewichtes zur Folge haben muß, daß demnach die am Normalkristall geltenden Wachstums Verhält- nisse nicht direkt auf die Ausheilung übertragbar sind. Wie schon Wulff4 hervorhob, lassen sich an einer wachsen- den Kristallfläche,- ohne weitere Annahmen zu machen, zweierlei Wachstumsformen unterscheiden : 1 . in der Flächen normalen f= „Wachstum“ im engeren Sinne, 2. tangential zur Fläche = „Ausbreitung“. Erstere Form besorgt im wesentlichen die V o 1 u m s Vergrößerung (Fig. 5, ax und a2), letztere die Vergröße- rung der Oberfläche (b, und b2), durch die erst die Kanten zur Ausbildung gelangen. Während die Anlagerung entsprechend a: und a2 mechanisch leicht verständlich ist, wird die Kanten- ausbildung der Fläche F1 durch die „Ausbreitung“ KLM, jene 1 Bull. soc. min. 1885. 8. 145. 2 W. Ostwald. Allg. Chemie. 2. (2.) 141 — 147. 3 Vgl. hiezu die zahlreichen neueren Arbeiten über Kristallröntgeno- graphie von Laue, Bragg usw. 4 G. Wulff, Zeitschr. f. Frist. 34. p. 449. 1901. 288 H. Tertsch, der Fläche F2 durch KLN dargestellt. Es ist sofort ersichtlich, daß die Grenze KL in direkter Rückverlängerung zum Keimpunkt 0 führen muß, bezw. daß jede Fläche sich entsprechend der An- wach spyramide1 vorschiebt. Nun denke man sich eine Verletzung' des Kristalles. Der Einfachheit halber sei angenommen, die Verwundung gehe parallel der Kante eines prismatischen Körpers, so daß mit Verzicht auf die 3. Dimension das Querschnittsbild eine ausreichende Vorstellung des Verhaltens zu geben vermag (Fig. 6). Diesmal sind die Flächen Fj und F2 durch die Wundstelle KXK2 begrenzt. Ein Fortwachsen nach dem Normaltypus ergäbe für Fj die „Ausbreitung“ K^ILj und für F2 die „Ausbreitung“ K2NL2, d. h. die Wundstelle würde sich mit einer Fläche bedecken, welche von unveränderlicher Breite bliebe, also nie zur Ausheilung zu führen vermöchte. Diese kann nur dann erfolgen, wenn die in diesem Falle der Gleichgewichtsstörung die „Ausbreitung“ bedeutend inten- siver verläuft. Das kann etwa folgendermaßen verstanden werden. Die durch die Verwundung verringerte Masse würde für sich allein unter den gegebenen Bildungsbedingungen einer Ausbildungsform OPQR entsprechen, wobei OPQR flächengleich, bezw. volumsgleich mit dem verletzten Kristall (OAKjKjB) ist. Wäre also der Kristall mit der Lösung im Gleichgewicht, so könnte er nur an der theo- retischen Oberfläche PQR fortwachsen. Damit ist aber der „Aus- breitungs“ bereich von Kx (K2) bedeutend erweitert, das „Wachs- tum“ dagegen verzögert (von A nach S). Es wäre der Fall gar nicht undenkbar, daß die Störung des Gleichgewichtes die Ab- tragung einer Schichte und gleichzeitige Auffüllung der Wundstelle 1 F. Becke, Lotos v. 26. XI. 1892. Trachtstudien an einem geschichteten Turmalinkristall. 289 bis zur Herstellung der Normalform veranlassen könnte 1. Der hiezu nötige Energieaufwand wäre eben dadurch gegeben, daß ja infolge der Verwundung und der dadurch hinzutretenden neuen Diffusions- konstante ein Überschuß über das mögliche, den Bedingungen entsprechende Minimum der Oberflächenspannung vorliegt. Wie ein Wärmegefälle zu einem allgemeinen Wärmeausgleich führt, so müßte auch hier die überschüssige Spannungsenergie einen Aus- gleich im Sinne der theoretischen Form PQR herbeiführen. Der Vorgang wäre demnach so, daß in Übereinstimmung mit •der durch die Massenverringerung zurücktretenden kleineren, theo- retischen Oberfläche das „ Wachstum “ von Fx und F2 etwas lang- samer erfolgt (nach ST), dagegen jenes von KjK2 (== „Ausbreitung“ von F1 und F2) beschleunigt erscheint. Vielleicht steht hiemit auch •die so häufig beobachtete lockere Fügung und inhomogene Art der Ausheilung im Zusammenhang. Ganz analoge Verhältnisse bestehen auch bei dem Übereinanderwachsen isomorpher Schichten. Die Kernschichte ist mit der neu wachsenden Schichte ebensowenig im Gleichgewicht wie der verletzte Kristall mit seiner Lösung. Die Hüllschichte wächst genau so, als wäre sie an einen verwundeten Kristall eigener Zusammensetzung angeschlossen und gehorcht dem- nach den gleichen Gesetzen. Ersichtlich hat die stärkere „Ausbreitung“ der die Kanten- ausheilung besorgenden Flächen (Fx und F2) zur Folge, daß der Schichtenansatz an der Störungsstelle rascher und ausgiebiger er- folgt, als dies sonst (KL) zu erwarten wäre. Darin aber wurzelt der Begriff der supervirtuellen Zd, wie er in der vorstehenden Notiz verwendet wurde. Ob sich dieser Begriff' auch wird beim Studium von Skelett- bildungen verwenden lassen, kann erst eine dahinzielende Unter- suchung lehren. Wien, im April 1917. 1 Es sei hier an die interessanten Versuche von Przibram (Form- regulation verletzter Kristalle — Zeitschr. f. Krist. 39. p. 577. 1904) er- innert, in denen diese theoretische Möglichkeit verwirklicht erscheint. Wenn es auch zweckmäßig wäre, noch umfänglichere diesbezügliche Be,- obachtungsreihen anzustellen, um das Rätselhafte des Vorganges völlig zu klären, sei doch hier auf diese theoretisch mögliche Erscheinung neuer- lich verwiesen. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 19 290 Y. Schumoff-Deleano, Synthetische Versuche zur Pyroxengruppe. Von Vera Schumoff-Deleano (Wien). Mit 3 Textfiguren. In dem II. Band des Handbuches der Mineralchemie hat C. Doelter auf p. 533 eine dankenswerte Zusammenstellung von Pyroxenanalysen gegeben 1. Es ergibt sich, daß unter 300 Ana- lysen kaum 20 existieren, die einen Tonerdegehalt von mehr als 10 % besitzen. Am reichsten an Tonerde sind die alkalireichen Pyroxene (bis 1 0 % Alkali), da in ihnen das Silikat Na Al Si2 06 enthalten ist. Ähnliches gilt für das Eisensesquioxyd. Abgesehen von den ä g i r i n haltigen Pyroxenen, die auch Alkali (NaFeSi206) enthalten, ist der Gehalt an Fe203 zumeist ein geringer. In den alkalihaltigen Augiten wird der Gehalt von 17 % erreicht, während die alkalifreien Pyroxene nur 8 — 12 % Fe203 aufnehmen können. Eine andere Frage ist die, ob großer Tonerdegehalt neben großem Eisengehalt möglich ist. C. Doelter berechnete die Ana- lysen und fand, daß nur in den seltensten Fällen ein hoher Gehalt beider Sesquioxyde vorkommt. In einem Augit der Vulkane von Cap Verden fand C. Doelter z. B. neben 16,97% Tonerde 15,37% Eisenoxyd. Im allgemeinen zeigen Pyroxene mit sehr hohe m Tonerdegehalt einen niedrigeren Gehalt an Eisenoxyd und umgekehrt. Einige wenige Diopside existieren, die vollständig Fe-frei sind; ihr Tonerdegehalt reicht bis etwa 7% (Augite von Bathurst und Amity, New York). Der von C. Doelter analysierte Augit von Praya (Cap Verden) enthält mit 14,01% A1203 nur 2% Fe203 2; umgekehrt enthält der von A. Knop analysierte Augit aus dem Phonolith von Oberschaffhausen neben 13,23% Fe203 nur 0,53 % A1203. C. Doelter hält es für möglich, die Tonerdeaugite als der Formel n(CaMgSi206) . A1203 entsprechend aufzufassen3. E. Fixer stellte Mischungen von Diopsid mit Al2 03 und Fe2 03 her und erhielt homogene Schmelzen bis etwa 10 % A12 03 4. ,G* Tschermak5 hatte auf Grund der Analysen von Rammelsberg die Ansicht ausge- sprochen, daß der tonerdehaltige Augit als Mischkristall von Ca (Mg, Fe, Mn) Si2 06 (Diopsid in weiterem Sinne) und des hypo- thetischen Silikates (Mg, Fe, Mn) (Al, Fe)2 Si 06 aufzufassen sei. 1 C. Doelter, Handbuch der Mineralchemie. 2. 4. 533. 2 C. Doelter, Tscherm. Min.-petr. Mitt. 5. 230. (1883.) 3 C. Doelter, Handbuch der Mineralchemie. 2. 586. 4 E. Fixer, ebenda. 586. 5 G. Tschermak, Min. Mitt. 1871. 30. — Beilage des Jahrb. k. k. geol. R.A. 21. Synthetische Versuche zur Pyroxengruppe. 291 F. Zambonini 1 hat Berechnungen ausgeführt, welche seiner Ansicht nach zeigen, daß der Ca-Gehalt nicht kleiner als der Mg- und Fe-Gehalt sein muß. Auf Grund späterer Analysen mußte man aber allmählich eine große Zahl von isomorphen Silikaten heranziehen, um die chemische Natur dieser Pyroxene richtig deuten zu können1 2. Bei Tonerde- zusatz in Form des Silikates MgAl2Si06 muß der prozen tische Gehalt der Pyroxene an Kalk kleiner werden gegenüber dem von Magnesia3; bei viel Tonerde kann sich ein Teil der Tonerde auch mit dem Kalk verbinden und Kalkaluminate bilden. Die Tscher- MAK’sche Ansicht verlangt also, daß in den Pyroxenanalysen der Gehalt an Mg größer sei als im theoretisch reinen Diopsid. C. F. Rammelsberg4 * 6 meinte, daß die Tonerde mit den Metasilikaten von Ca, Mg, Fe eine isomorphe Reihe bilde. J. Morozewicz 5 ist der Ansicht, daß der Gehalt des Silikates MeR2Si06 in den Pyroxenen desto größer ist, je mehr Oxyde vom Typus R203 das Magma enthält, und daß die Tonerde in den Pyroxenen nur die Rolle eines unbeständigen und zufälligen Bestandteiles spiele. Das Magma ist an Tonerde übersättigt, wenn der Überschuß derselben als Spinell oder Korund zur Ausscheidung kommt. J. Moroze- wicz wie früher schon C. Doelter 6 stellte auch Schmelzen mit bis 73% des Silikates MeR2Si06 her und erhielt Kristalle mit einer sehr kleinen Auslöschungsschiefe auf (010) mit ca. 8°. C. Doelter und E. Dittler7 versuchten das hypothetische Silikat Mg Al2Si06 rein darzustellen; es gelang ihnen zwar, durch Sinterung rhombische Prismen mit aufgesetztem Doma zu er- halten, aber aus dem Schmelzflüsse schied sich neben Glas nur Spinell aus. Bei 1400° (Sinterung) kristallisiert neben Spinell noch ein zweites Silikat von geringerer Lichtbrechung, das in feinen, z will in gs lamellierten Nadeln (y' in der Längs- richtung) mit gerader Auslöschung in der Schmelze erscheint ; es scheint folgende Reaktion stattzuhaben: 2 Mg Al2 Si 06 = MgO . Al2 03 -f- Mg Al 2 Si2 08 (Magnesia-Anorthit). H. E. Boeke8 wählte, um die Konstitution der Pyroxene zu untersuchen, neuerdings die von Gibbs eingeführte Tetraeder- darstellung mit den Komponenten Si02, CaO, Mg 0 (Fe 0) und 1 F. Zambonini, Atti R. Accad. Napoli. 16 (1914). 2 C. Doelter, Tscherm. Min.-petr. Mitt. 283. 1877. 3 G. Tschermak, 1. c. 4 C. F. Rammelsberg, Handbuch der Mineralchemie. I. 1875. 408. 6 J. Morozewicz, Tscherm. Min.-petr. Mitt. 18. 105. 6 C. Doelter, N. Jahrb. f. Min. etc. 1884. II. 51. 7 C. Doelter und E. Dittler, Über einige Mineralsynthesen. K. Akad. d. Wissensch. Wien. Math.-naturw. Kl. 121. Abt. I. 1912. 8 H. E. Boeke, Zeitschr. f. Krist. u. Min. 53. 445. 1914. 19* 292 V. Schumoff-Deleano. Al203 (Fe2 03) und trug die Analysen der in Frage kommenden Augite als Raumpunkte in das Tetraeder ein. Als Resultat sprach H. E. Boeke die zuerst von Rammelsbercj geäußerte Ansicht aus, daß der tonerde haltige monokline Augit im wesent- lichen ein Mischkristall der Komponenten Si02, CaO, (Mg, Fe) 0 und (Al, Fe)203 ist, dessen Sättigungsgrenze in der Tetraederdarstellung ein sehr kleines Raumfeld in Gestalt einer keilförmig abgeflachten Birne ergibt, deren Längsrichtung in der Verbindungslinie Diopsid — Enstatit liegt. Nur wenige Ana- lysen entsprächen nach H. E. Boeke der TscHERMAK’schen An- nahme, und die Wahl des Silikates (Mg, Fe) (Al, Fe)2Si06 als Augit- komponente wird deshalb von H. E. Boeke abgelehnt. G. Tschermak 1 hält der BoEKE’schen Anschauung entgegen, daß die von Boeke versuchte Darstellung aus mehreren Gründen weniger geeignet sei zur Klärung der Konstitutionsfrage als die von Tschermak gewählte Rechenmethode. Der Nachweis der Exi- stenz des TscHERMAK’schen Silikates MgAl2Si06 ist vornehmlich deswegen nicht zu erbringen, weil die für die Berechnung not- wendigen Prämissen einen voreingenommenen Standpunkt enthielten, der überdies noch durch die Aufnahme der alkalihaltigen Augite wesentlich beeinflußt wird. Ohne zu dem einen oder anderen Standpunkt von vornherein Stellung zu nehmen, soll im folgenden versucht werden, auf experimentelle Grundlage gestützt, der Lösung dieser interessanten Frage näherzukommen. Mehrere Tat- sachen helfen uns über die ersten Schwierigkeiten hinweg: der mißlungene Versuch einer synthetischen Darstellung des künst- lichen Silikates Mg Al2 Si 06 und der entsprechenden Calcium Ver- bindung, die erfolgreichen Versuche über die Herstellung fester Lösungen, sowie der Nachweis natürlicher Mineralien von dem- selben Konstitutionscharakter. Außerdem ist untersucht worden, inwieweit die Silikate aCaSi03 und MgSi03 Tonerde aufnehmen können ; bei letzterem Silikat tritt aber noch sehr viel leichter als beim «CaSi03 eine Spaltung in Spinell und Sillimanit ein. Angeschlossen wurden vergleichende Versuche über die schon von J. Morozewicz studierte Löslichkeit des Spinells und Enstatites. Es ist bekannt, daß Silikate imstande sind, kleinere Mengen von H20, Si02 oder A1203 aufzunehmen und eine homogene, kristalli- sierte Masse zu bilden. Beispiele sind das Nephelin silikat, das Kieselsäure in fester Lösung aufzunehmen vermag, ferner bildet das Kalkmetasilikat feste Lösungen mit dem Orthosilikat des Kalkes, auch kann Tonerde in fester Lösung aufgenommen werden wie im Tricalciumsilikat, Enstatit vermag bis zu 5% Diopsid auf- zulösen, die Löslichkeit von CaSi03 in Diopsid geht bis zu 3%. Vom Tricalciumsilikat ist ferner bekannt geworden, daß es durch 1 G. Tschermak, dies. Centralbl. 1915. p. 225; 1916. p. 1. Synthetische Versuche zur Pyroxengruppe. 293 kleine Mengen Tonerde; die es in fester Lösung aufnimmt, erst existenzfähig und volumenbeständig wird 1. Noch viele andere Beispiele über feste Lösungen von Silikaten mit Oxyden sind be- kannt geworden. Um festzustellen, welche Menge A1203 und Fe903 der Diopsid aufzunehmen imstande ist* ohne daß sich beide Kom- ponenten gesondert ausscheiden, wurden mehrere Versuche aus- geführt : I. 1. Diopsid mit 4,5% Al2 Ov Das im Kohleofen hergestellte Kristallisationsprodukt enthält mehrere bis 2 mm große Kristalle, die nach der c- Achse ent- wickelt sind und in Schnitten parallel (010) eine Auslöschungs- schiefe c y zwischen 40—45° erkennen lassen. In Schnitten _L zur optischen Achse gewahrt man ferner positiven Charakter der Doppelbrechung. Die Lichtbrechung der Kristalle, nach / gemessen, beträgt die des Jodmethylens. Man erkennt aus dem großen Werte für c y, daß die Schmelze nicht mehr aus reinem Diopsid besteht, sondern daß der Pyroxen Tonerde aufgenommen hat. Die Schmelze ist homogen erstarrt und enthält nahezu kein Glas. Die Kristalle sind nun nicht mehr langleistenförmig, sondern mehr kurzprismatisch mit terminalen Begrenzungsflächen nach {lll}, ähnlich wie bei Diailag; der Diallag besitzt einen größeren Gehalt an Oxyden vom Typus R203 als der Diopsid, so daß die Kristalle der Schmelze als diallag- ähnliche Pyroxene bezeichnet werden können. Unter der Annahme, daß ein Teil der Tonerde lockerer an das Diopsidmolekül gebunden ist als der Rest, wurden einige chemische Versuche ausgeführt. Bei einer oberflächlichen Prüfung der Pyroxenschmelze mit Natronlauge zeigte sich nämlich, daß immer nur ganz kleine Mengen Tonerde in Lösung' gehen. Es wurde versucht, mit Hilfe von Ätznatronlösung eine wenigstens teilweise Trennung der Tonerde vom Diopsid durchzuführen. Diopsid ist in j-Normallauge beträchtlich löslich, wenn man das durch das 0,25 mm-Maschensieb gesiebte Pulver 2 Stunden am Wasserbad behandelt. Die Kristallbruchstücke sind oberflächlich stark angeätzt, und im Filtrat erhält man Magnesia und Kalk. Mehrere Versuche wurden ausgeführt, bis in der Konzentration 20 g auf 1 1 (| normal) eine geeignete Lösung gefunden wurde, die den reinen, A12 03- freien Diopsid langsam angreift, aber die zweite Komponente, das Glas, leicht löst. Ca. 0,5 g Schmelze wurden mit 50 cm3 Lösung digeriert. Die Behandlung mit 1 n Natronlauge ergab 0,54% Tonerde. 1 E. S. Shepherd und G. A. Rankin, 1. c. 294 Y. Schumoff-Deleano. Die Analyse des Rückstandes1 war:- \ Si02 49,69 k- A1203 .... 3.50 CaO 25.98 MgO 19,28 98,45 Die Zusammensetzung der Schmelze entspricht ungefähr der eines Diallages2; nur enthält der natürliche Pyroxen ca. 3 % Fe203, auch ist der Kieselsäuregehalt etwas höher, 51,45% gegenüber 49,69% der Schmelze. 2. Diopsid mit 9 Gew.-% A1203. Die Schmelze enthält in einer kleinkörnigen Grundmasse große Augitkristalle mit 40 — 45° Auslöschung gegen y. Es ist kein Glas zur Ausscheidung gekommen. Die Behandlung mit 4 u Natron- lauge ergab 0,37 % Tonerde. Die Analyse des Rückstandes ergab : SiÜ, 47,40 Alj Ö3 8,50 CaO 2 --56 MgO 19.88 Summe .... 98,34 Die Analyse des Rückstandes zeigt Ähnlichkeit mit dem von T. St. Hunt analysierten eisenfreien Augit von Bathurst3, dessen optische Eigenschaften sich denen eines Basaltaugites nähern, ü. d. M. erkennt man größtenteils unzersetzten Pyroxen, der von der Lauge nur oberflächlich schwach korrodiert wurde; die schmalen Glasleisten, die die Kristalle umgaben, wurden aufgelöst. 3. Diopsid mit 15% Tonerde. 50 g Diopsid wurden mit 15% Tonerde im Kohleofen zu einem Glase geschmolzen, das Glas gepulvert und im elektrischen Senkröhrenofen 4 — 5 Stunden langsam kristallisieren gelassen. Da die optische Untersuchung ergab, daß neben Kristallskeletten noch Glas vorhanden war, wurde danach durch ca. 14 Stunden von neuem erhitzt und ein glasfreies Produkt erhalten, das u. d. M. folgende Eigenschaften zeigte: Neben Kristallskeletten, die die zum Schluß verfestigte Zwischenmasse bilden, finden sich kleine rhombische Leisten von gerader Auslöschung und y1 in der Längs- richtung. Die Lichtbrechung dieser Kristallprismen, nach y‘ ge- messen, war 1,584. Es hatte sich ein Silikat gebildet, das neben 1 Der Rückstand wurde u. d. M. geprüft und bestand aus unzer- setztem Diopsid. __ D n * Diallag von Syssert (Ural). E Mättirolo und E. Monaco. K. C R. Acc. Torino 1884 und Zeitschr. f. Krist. 9. 581. 1884. 3 T. St. Hunt, Journ. f. prakt. Chem. 62. 496. 1854. Synthetische Versuche zur Pyroxengruppe. 295 dem Pyroxen auskristallisiert war. Dieses Silikat ist das früher beschriebene, aus zwillingslamellierten Nadeln bestehende, anorthit- ähnliche Mg Al-Silikat 1. 4. Diopsid mit 17% Al2 03. Von dieser Mischung wurde vorerst ein Vorrat von ca. 30 g im Kohleofen angefertigt und das entstandene Glas fein gepulvert ; einige Gramm davon wurden im elektrischen Senkröhrenofen und im Fourquignonofen nach dem Schmelzen einer möglichst langsamen Abkühlung unterworfen. Neben Glas erkennt man u. d. M. diallagähnliclie Pyroxene: kurzprismatische Kristalle mit terminaler Endigung, verwachsen mit einem Aggregat langer, yl in der Längsrichtung zeigender Nadeln von gerader Auslöschung und einer Lichtbrechung >> 1,66 ; die parallel verwachsenen Nadeln besitzen auch geringere Doppel- brechung gegenüber den größeren Pyroxenkristallen. Es handelt sich offenbar um Enstatit, der sich z. T. aus den Bestandteilen des Diopsides gebildet hatte. Die Auslöschung der Augitkristalle ist eine größere als bei reinem Diopsid. Auf (010) gegen die Spaltrichtung nach (HO) gemessen ergibt sich im Durchschnitt ca. 41°. Trotzdem das Pro- dukt bereits Inhomogenität erkennen läßt, wurde eine Tren- nung auf chemischem Wege versucht. Wie später erörtert werden wird, vermag auch der Enstatit mit Tonerde feste Lösungen zu bilden; da eine Trennung beider Pyroxene sich nicht durchführen ließ, so bedeutet die folgend angeführte Analyse die chemische Zusammensetzung des vom Glase getrennten Rückstandes, bestehend aus rhombischem und monoklinem Pyroxen. Vorversuche ergaben, daß die Konzentration der Lauge auf \ der Normalität herab- gesetzt werden mußte, sollte der kristallisierte Rückstand ziemlich unversehrt erhalten bleiben. Die Analyse des Rückstandes war: Si 02 . . A1,0, . C.a 0 . . Mg 0 . . . . 46,72 . . 15,31 . . 22,11 . . 17,18 Summe . . . 101,32 Die Analyse zeigt, daß Augit ca. 15% Tonerde aufnehmen kann ; bei höherem Gehalt an Tonerde entsteht ein Gemenge von Enstatit, Klinoenstatit und Anorthit neben viel Glas. Bei 20% Tonerdezusatz entsteht bei rascher Abkühlung auch das hexagonale Kalksilikat und Sillimanit. Von der oben be- stimmten Grenzzahl aufwärts gelingt es auch bei langsamer Ab- kühlung nicht mehr, homogene Tonerdeaugite zu erhalten. 1 C. Doelter und E. Dittler, Über einige Mineralsynthesen. Kais. Akad. d. Wiss. Wien. Math.-naturw. Klasse. 121. 1912. 296 V. Schumoff-Deleano, Die obige Zahl -—15% — bezieht sich sonach schon auf ein Gemenge von Diopsid und Enstatit ; doch dürfte das reine Diopsid- silikat bei entsprechend langsamer Abkühlung diese Menge Tonerde noch aufnehmen können, was in der Natur sicher der Fall ist. Die Schmelzpunkte 1200° und 1220° im Diagramm beziehen sich auf ein solches Gemisch von reinem Diopsid mit 15 % Tonerde, das im elek- trischen Ofen nach 24 ständiger Abkühlung erhalten werden konnte. Die Kurven des Diagrammes zeigen ein stetes Fallen der das Intervall be- grenzenden Punkte und deuten auf feste Lösungen ; da Schmelzen mit mehr als 1 5 % Tonerde inhomogen sind , so wäre die Lücke sehr groß ; sie reicht wahrscheinlich bis zur reinen Tonerde- komponente, die bei 2020° schmilzt. Ein eutektisches Gemisch ist nicht realisierbar. Interessant ist ein Vergleich der beiden folgenden Schmelzen : 1. MgSiOg -f- 40 Mol.- % A12 03 und 2. MgSiOs + 50 Mol.-% A12 03. Wenn man ca. 40 g der beiden Schmelzen im Kohleofen kristallisieren läßt, so erhält man bei 2 dasselbe Pro- dukt wie oben beschrieben: Spinell und Glas. Das Gemenge 2 entspricht auch tatsächlich theoretisch dem hypothetischen Silikate MgAl2Si06. Verringert man die Tonerdemenge um nur 10 %, so bildet sich neben Spinell und Glas auch Enstatit. Aus einer Schmelze von 1 Mol. MgO -f- 1 Mol. SiO„ kann sich also Enstatit nur solange ausscheiden, als die Tonerdem enge nicht über 40% beträgt im Verhältnis zum Gesamtgewichte. Schmilzt man MgAl2Si06 im Kohleofen, so erhält man neben Spinell nur Glas, das aus Si02 besteht. Das aus Spinell bestehende Produkt des Kohleofens wurde feinst gepulvert und unter Zusatz von etwas Mo03 (als Kristallisator) durch mehrere Stunden einer Temperatur von 1400 — 1450° ausgesetzt; es war stark zusammen- gesintert und bestand u. d. M. neben noch größtenteils vorhandenem Spinell aus sehr viel schwächer lichtbrechenden (n etwas bl. 1 J. Fromme, Min. u. petr. Mitt. 29. 265 — 267. 1910. 2 G. vom Rath, Pogg. Ann. 144. 576. 1872. s Ebenda. 579. 4 Luedecke, Min. des Harzes. 1896. 438. Centralblatt £. Mineralogie etc. 1917. 20 306 J. Fromme, Das spezifische Gewicht beträgt = 6 ... 7. Das Pulver ist durch Salzsäure Analyse wurde ohne den Glühverlust 0,5 g unter Alkohol gepulverter und neter Substanz ausgeführt; sie ergab 4,298 bei 15° C, die Härte vollkommen zersetzbar. Die und die FeO-Bestimmung an bei 105° C wieder getrock- Mol. -Quotienten Si02 . 23,86 0,395 1 | 0,403 ThOf . 2,26 0,008 j Y,0, . 35,86 0,159 Ce2 03 . 6,33 0,019 ■ 0,202 (Nd, Pr, La)2 03 1 . 5,49 0,017 Fe2 03 . . . . . . 1,43 0,007 FeO 0,163 1 Mn 0 . 0,14 0,002 CaO . 1,54 0,027 j MgO ...... . 0,11 0,003 ■ 0,209 k20 . 0,38 0,004 Na20 . 0,65 0,010 BeO . 8,75 °’348 X 0 414 0,066 / ’ Gliihv Summe . . . 1.20 . 99,45 Etwa vorhandene kleine Mengen Al und Er konnten nicht berücksichtigt werden. Die Mol. -Quotienten führen mit wünschenswerter Genauigkeit II auf die Gadolinitformel Fe Be2 Y2 Si2 O10, wenn der Glühverlust wenigstens zum Teil als Wasser in die Rechnung miteinbezogen wird. Es ist eine Frage, ob dieses statthaft sei, ich möchte sie aber bejahen, einmal, weil das Analysenmaterial frisch war, zum andern, weil ein Analysenfehler, der etwa durch eine ungenügende Trennung von Fe und Be sich eingeschlichen haben könnte, kaum in Betracht kommen kann, denn ihr wurde ganz besondere Sorgfalt zugewendet, auch stimmen die anderen Zahlen zu gut, um Zweifel aufkommen zu lassen. Man könnte noch annehmen, daß ein Teil des FeO Be 0 verträte und das Wasser einen Teil des FeO. Das würde am Sättigungsverhältnis zu Si02 natürlich nichts ändern. Auf jeden Fall scheint mir Wasser zur frischen Substanz zu ge- hören. — Nun bleibt bei den zweiwertigen Oxyden noch ein ganz kleiner Überschuß, der möglicherweise auf Rechnung der Alkalien zu setzen ist, die zu einem kleinen Teile immerhin aus den be- nutzten Gefäßen und Reagentien stammen könnten. Zu der Glüh- 1 Mittleres Molekulargewicht zu 330 angenommen. Analyse des Gadolinits des Radautals. 307 verlustsbestimmung standen mir 0,0748 g zur Verfügung ; sie wurde wie alle übrigen Bestimmungen an bei 105° getrocknetem Mineral vorgenommen. Die Fe O-Bestimmung geschah an 0,1254 g Substanz nach meinem Verfahren im Fluß-Schwefelsäureaufschluß mit Hilfe von gefällter Kieselsäure V Ich bestimmte dabei den kleinen, als Indikator dienenden Überschuß von Permanganatlösung durch einen besonderen Versuch, um den bei so wenig Untersuchungsmaterial ent- stehenden zu großen Fehler ausgleichen zu können. Im übrigen habe ich bei der Analyse im wesentlichen denselben Gang befolgt, welchen ich schon bei meiner Orthitanalyse1 2 angewandt hatte. Hier seien noch einige Ergänzungen angegeben. In der Regel wurden die Fällungen doppelt ausgeführt. Das Yttrium trennte ich von den Ceriterden und dem Thor durch Kaliumsulfät, das Thor von den Ceriterden durch Ammonoxalat. Das Cer wurde in ganz schwach essigsaurer Lösung mit Wasserstoffsuperoxyd als Dioxyd niedergeschlagen. Die Oxalate des Eisens und Berylliums wurden durch Schwefelsäure zerstört, der Rückstand verdünnt, und die noch vorhandene geringe Menge organischer Substanz mit etwas Salzsäure und Kaliumchlorat zerstört. Nun wurde der Säure- überschuß abgeraucht, der Rückstand mit Wasser aufgenommen, die Lösung fast neutralisiert und in überschüssige Ammonkarbonat- lösung gegossen. Der ausgewaschene Niederschlag wurde wieder in Schwefelsäure gelöst und die Fällung wiederholt, der aus- gewaschene Niederschlag erneut gelöst und gefällt und dann erst als Fe203 gewogen. Die Berylliumfiltrate wurden vereinigt, mit Essigsäure angesäuert, eingedampft und das Beryllium mit Ammoniak gefällt. Eine Spur von bei dem Be 0 verbliebenem Eisen bestimmte ich kolorimetrisch. Das Filtrat vom Beryllium prüfte ich zur Sicherheit durch Abdampfen, Verjagen der Ammonsalze usw. noch weiter auf Beryllium. Es war aber nichts mehr darin enthalten. Das Mangan fällte ich durch das Sulfidverfahren. Vor Fällung des Kalkes mit Ammonoxalat wurde die Lösung erst noch mit Ammoniak auf Spuren seltener Erden geprüft. Ein geringer Nieder- schlag konnte mit den übrigen seltenen Erden zusammen verarbeitet werden. Die durch Quecksilberoxyd abgeschiedene Magnesia wurde der geringen Menge wegen als Ammoniummagnesiumphosphat iden- tifiziert und als Pyrophosphat gewogen. 1 J. Fromme, Min. u. petr. Mitt. 28. 329. 1909. 2 Ebenda. 327. 308 E. Blanck, Über den Stickstoffgehalt des Phonoliths. Von E. Blanck in Rostock. Ans leicht ersichtlichen Gründen verfügt die chemisch- petro- graphische Literatur über fast gar keine oder doch nur sehr spär- liche Daten , welche Aufschluß über den Stickstoffgehalt der Eruptivgesteine zu geben vermögen. Von diesem Gesichtspunkt aus rechtfertigt sich vorliegende Notiz über den Stickstoffgehalt des Phonoliths bezw. der Gesteine aus der Reihe der Phonolith — Leucitophyre. Da auch anderweitiges Interesse an dem Gehalte der Eruptivgesteine an Stickstoff besteht, so z. B. seitens der Agrikulturchemie, so wurden von mir eingehende Untersuchungen in genannter Richtung ausgeführt *, die hier nur ganz kurz in ihren analytischen Ergebnissen zur Mitteilung gelangen sollen. Bei dem vorauszusehenden sehr geringen Stickstoffgehalt dieser Gesteine mußte besonderes Gewicht auf die Genauigkeit der Stick- stoffbestimmung gelegt werden und wurde dieselbe für den Ge- samtstickstoffgehalt nach der KjELLDAHL’schen Methode mit allen nur möglichen zu Gebote stehenden Kautelen ausgeführt, und zwar für jedes Gesteinsmehl unter Anwendung von je 10 g in fünf- maliger Wiederholung. Die Bestimmung des Ammoniakstickstoff- gehaltes erfolgte unter Benutzung von Magnesia usta bei Heran- ziehung der gleichen Anzahl von Parallelanalysen und derselben Ausgangsmenge. Außerdem wurden für jede Art der Stickstoff- ermittlung je 5 sogen. „Blinde Bestimmungen“ ausgeführt, um den störenden Einfluß der benutzten Chemikalien auf den Ausfall der Stickstoffbefunde auszuschalten. Drei derartig untersuchte Phonolithmehle ergaben in je 10,000 g Substanz einen Gesamtstickstoffgehalt von: I. 0,267 + 0,061 mg N II. 0,474 + 0,104 mg N III. 0,119 + 0,094 mg N gleich 0,00267 % 0,00474% 0.00119% Es läßt sich jedoch von dem Stickstoffgehalt dieser drei ver- schiedenen Gesteinsproben mit Hilfe der Wahrscheinlichkeits- rechnung der Beweis erbringen, daß keine Differenzen zwischen den einzelnen Proben bestehen dürften, nämlich weder zwischen I und II 0,207 + 0,120 mg N II „III 0,355 + 0,140 „ „ I „ III 0,149 + 0,112 „ „ Die Höhe der beigefügten wahrscheinlichen Schwankung spricht, wie ersichtlich, gegen die Sicherstellung der Differenzen als solche, so daß auf einen nahezu gleichen Gesamtstickstoffgehalt aller drei 1 Vergl. E. Blanck, Der Phonolith ein Stickstoffdünger? Landw. Versuchs-Stationen. 1917. 90. p. 33. lieber den Stickstoffgehalt des Phonoliths. 309 Proben zu schließen ist. Berücksichtigt man aber die Ermittlungen der sogen, blinden Stickstoffbestimmungen, wie dieses im nachfolgen- den unter Heranziehung der Walirscheinlichkeitslelire zum Ausdruck gebracht worden ist, und zwar durch Wiedergabe der verbrauchten ccm Titrationslauge, so zeigt sich der obige Stickstoffgehalt als nur ein illusorischer oder mindestens doch sehr fragwürdiger: I. II. III. 33,80 + 0,02 33,80 + 0,02 33,80 + 0,02 33,71 + 0,02 33,64 + 0,04 33,76 ± 0,03 0,09 + 0,029 0,16 + 0,044 0,04 + 0,036 Gleiches mit Ausnahme von für Probe II1 gilt für die Fest- stellung des Ammoniakstickstoffgehaltes in denselben Proben, wie nachstehende Gegenüberstellung der bei der Titration verbrauchten ccm Lauge ohne weiteres schon zu erkennen gibt: I. II. III. 33,96 + 0,02 33,96 + 0.02 33,96 + 0,02 33,86 + 0,02 33,83 + 0,01 33,95 + 0,00 0,10 + 0,03 0,13 + 0,02 0,01 + 0,02 Ich sehe daher auch für diesen Fall von einer Wiedergabe der Umrechnung auf Ammoniakstickstoff unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Schwankungen ab, will jedoch zugeben, daß die verbrauchten ccm Lauge einen Ammoniakstickstoffgehalt von 0,00296, 0,00385 bezw. 0,00030 % entsprechen würden. Doch ist diesen Befunden abermals keine Bedeutung beizulegen , denn auch die Befunde für Gesamtstickstoff im Vergleich zum Ammoniak- Stickstoff, ausgedriickt in ccm verbrauchter Lauge, zeigen deutlich, daß kein Unterschied zwischen den beiden Werten besteht: ccm für: I. II. III. Ges. N 0,09 + 0,03 0,16 + 0,04 0,04 + 0,04 Ammoniak N . . . . 0,10 + 0,03 0,13 + 0,02 0,01 + 0,02 Zugunsten des Ges. N — 0,01 + 0,04 -j- 0,03 + 0,04 + 0,03 + 0,04 Han gelangt daher kurz zusammenfassend zu der Ansicht, daß der in den drei untersuchten Phonolith-Leucitophyr-Proben etwa vorhandene Stickstoffgehalt nur äußerst gering veran- schlagt werden kann, ja sich sogar bei kritischer Verarbeitung des Analysenmaterials als nicht bestehend gezeigt hat. Die vorliegenden Untersuchungen geben somit keine Stütze für die Anwesenheit eines irgendwie in Be- tracht kommenden Stickstoffgehaltes der Phonolithe ab. 1 Der Befund von 0,13 mit 0,02 ccm wahrscheinlicher Schwankung liegt nämlich innerhalb der 6|fachen wahrscheinlichen Schwankung, so daß er als ausreichend sichergestellt zu betrachten ist. 310 V. Hilber. Das Geschlecht der Gattungsnamen auf ites. Das Geschlecht der Gattungsnamen auf ites. Yon V. Hilber. In den geologischen und paläontologisclien Werken findet man die Gattungsnamen auf ites (und ytes ) teils mit männlichen, teils mit weiblichen Artnamen versehen. Hier nur einige Beispiele aus Lehrbüchern (m = männlich, w = weiblich). Ammonitengenera Credner Kayser Leonhard- Hoernes Stein- mann ZlTTEL auf ites . . . m m m m m Ananchytes . . . w w w m w Favosites . . . m w w w w Halysites .... w w w — w Nummulites ■ . m m m — m, w. Im BRONN?sclien Enumerator 1849 sind die meisten Gattungs- namen auf ites männlich, einige ( Esckarites , Melicertites, Ovulites) weiblich. Es handelt sich um eine latinisierte, ursprünglich griechische Endung nach dem Muster von Abderites, Sybarites (nomina gentilia). „Das genus bleibt dasselbe wie im griechischen, daher sind die substantiva auf e feminina, die auf as und e's masculina“ (Gold- bacher, Lateinische Grammatik, p. 47) und „die griechischen sub- stautiva auf as und es sind“ (im lateinischen) „männlich“ (Kühner- Holzweissig , Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. 2. Aufl. 'p. 437). Herr Kollege Kukula macht mich aufmerksam, daß überdies die griechische Endung ites eine weibliche Form auf itis hat. Eine Ausnahme machen die Baumnamen auf ites (Pinnites, Araucarites), weil sie nach ihrer Bedeutung weiblich sind. Die Gattungsnamen auf ites (und ytes ) mit Aus- nahme der durch ihre Bedeutung weiblichen Baum- namen sind also männlich. Nachruf für August Friren. Am 18. April 1916 starb im Alter von 79 Jahren der Metzer Paläontologe August Freren. Er war aus Diedenhofen gebürtig und widmete sich dem geistlichen Stande. Mit 25 Jahren war er Pro- fessor in Bitsch. Im Jahre 1865 kam er als Hausgeistlicher ins Sacre Coeur von Monteningen bei Metz. Seit 1873 lehrte er daselbst im Kleinen Seminar (Bischöflichen Gymnasium) Physik und Mathe- matik und stand seit 1898 dieser Anstalt als Direktor vor. Im Jahre 1893 wurde er zum Ehrendomherrn ernannt. In den letzten Jahren lebte er zurückgezogen und versah nur noch das Amt eines Hausgeistlichen zu Sancta Constantia. Mit seinem Hinscheiden hat die Lothringer Heimatforschung einen herben Verlust erlitten und die paläontologische und botanische Nachruf für August Friren. 311 Wissenschaft einen treuen und verdienten Anhänger verloren. Im wesentlichen war Friren Autodidakt, aber die Liebe zur Sache, sein kritischer Scharfblick und seine Geduld verhalten ihm zu einer gründlichen Vorbildung. Er war einer der besten Vertreter jener Richtung, welche sich in Anfang und Mitte des letzten Jahrhunderts in Deutschland und mehr noch in Frankreich mit der naturwissen- schaftlichen Erforschung der Heimat befaßte. Als er nach Metz kam, begann er die reichen Aufschlüsse vor den Toren der Stadt auszubeuten. Damals kam er auch in Berührung mit Terquem, dem verdienten Metzer Paläontologen. Im Jahre 1868 erschien Friren’s erste Veröffentlichung: Quelques mots sur une Belemnite du Lias moyen. (Extrait du Bulletin de la Societe d’Histoire naturelle de la Moselle. Metz 1868. Verronnais impr. 12 p. 1 Taf.). In diesem Aufsatz beschreibt er den Phragmokon des Belemnites clamtus und des Aulacoccras elongatum aus den Blättermergeln (Amaltheentonen) von Metz und gibt Winke über die systematische Verwertung der Innenskulptur der Belemniten. Nach dem Krieg war er der einzige im Lande, der die geologisch- paläontologischen Traditionen weiterpflegte. Er setzte mit geduldiger Ausdauer seine Aufsammlungen im Lothringer Jura fort, und es elang ihm, in den untern Amaltheentonen eine neue, hochinteressante, den paläozoischen Orthiden nahestehende Bracliiopodengattung zu entdecken. Er gab ihr den bezeichnenden Namen Orthoidea liasina. Die zierliche Art, welche von Terquem und Deslongchamps mit der Jugendform der Waldheimia numismalis verwechselt worden war, ist beschrieben und abgebildet in dem Aufsatz : Melanges paleontologiques. I. (Extrait du Bulletin de la Societe d’Hi- stoire naturelle de Metz. 13. c. 2. Serie. Metz 1875. Verronnais impr. 32 p. 2 Taf.) Dieselbe Arbeit enthält Beschreibung und Abbildung einer neuen Gastropodenart Straparollus metemis Friren aus den Blättermergeln, ferner die irrtümlich als Ammonitcs Terquemi beschriebene Jugendform des Aegoceras Taglori Sow. sp. var. nodosum Qu., sowie interessante Angaben über das Vorkommen des Aidacoceras elongatum und des weitverbreiteten Problematikums Tisoa siphonalis M. d. S. Aber Friren’s Verdienst besteht noch mehr als in den eigenen Publikationen darin, daß er die Schätze seiner reichhaltigen Samm- lung mit der ihm eigenen liebenswürdigen Selbstlosigkeit jedem wissenschaftlichen Arbeiter zugänglich gemacht hat. So stammte viel Material der Werke von Branca 1, Haas2 und Stüber3 aus 1 W. Branca, Der Untere Dogger Deutsch-Lothringens. Abh. zur geol. Spezialk. v. Els.-Lothr. 2. H. 1. Straßburg 1897. 2 H. Haas u. C. Petri, Die Brachiopoden der Juraformation von Elsaß- Lothringen. Abh. z. geol. Spezialk. v. Els.-Lothr. 2. H. 2. Straßburg 1888. 3 J. A. Stüber, Die Obere Abteilung des Unteren Lias in Deutsch- Lothringen. Abh. zur geol. Spezialk. v. Els.-Lothr. 5. H. 2. Straßburg 1893 312 Personalia. der FKiKEN’sclien Sammlung'. Im Jahre 1886 erschien der zweite Teil der Melanges paleontologiques. (Extrait du Bulletin de la Societe d’Histoire naturelle de Metz. 17. c. 3. Serie. Even impr. 54 p.) Darin ist besonders die Fauna von Bevoie bei Metz behandelt Ferner finden wir Mitteilungen über seltene Brachiopodeu aus dem Metzer Jura, Ergänzungen und Berichtigungen zur HAAs’schen Monographie und Notizen über Orthoidea liasina, Aiäcicoceras elongatum und Tisoci siphonalis. Besonders wertvoll ist eine im Jahre 1892 herausgegebene kritische Besprechung über die Bryozoen der So iv erb yi-S chic liten: Melanges paleon- tologiques. III. Les bryozaires de Toolithe inferieure des environs de Metz. (Extrait du Bulletin de la Societe d’Histoire naturelle de Metz. 18. c. 2. Serie. 1892. Even impr. 82 p.) In der Folge wandte sich Friren ganz der Botanik zu, und er hat auch hier besonders durch die Untersuchung der Lothringer Moose Erhebliches geleistet. Friren’s Aufsätze verraten seine bedächtige, gründliche Art zu arbeiten. Festina lente war sein Wahlspruch. Seine übergroße Bescheidenheit hat ihn daran ge- hindert, all die Ergebnisse seiner zuverlässigen Bestimmungen zu veröffentlichen. Friren gebührt das Verdienst, die Fundstücke der vorübergehenden Aufschlüsse der Wissenschaft gerettet zu haben, und dies zu einer Zeit, als das allgemeine Interesse sich immer mehr der historischen Erforschung des Metzer Landes zuwandte. Es steht zu hoffen, daß seine Sammlung, welche die Funde aus den damals bekannten Schichten des Lias und Dogger birgt und seine Vorliebe zu Einzelstudien und biologischen Gruppen zeigt, noch manchen wertvollen Beitrag zur Kenntnis der Lothringer Jurafossilien liefern wird. Es war mir vergönnt, die Funde ein- gehend zu studieren und nach mündlichen Mitteilungen des Ver- storbenen über Fundorte und Aufschlüsse in den meisten Fällen die fehlenden Schichtbezeichnungen nachzutragen. Sicherem Ver- nehmen nach wird die wertvolle Sammlung der engeren Heimat erhalten bleiben. Dr. W. Klüpfel (Metz). 1 Inhaltsangabe in: Mitt. der Komm. f. d. geol. Landesunt. v. EIs.- Lothr. 1. H. 3. Straßburg 1888. — Stüber hat die Fauna von Bevoie kritisch auf die einzelnen Schichten (Lias ß und y) verteilt. — Der p. 41 beschriebene Best (Leptaena) hat sich als die Hälfte eines Stielglieds von JExtracrinus subanguläris aus den fortgeschwemmten Blättermergeln er- wiesen. Personalia. Ernannt: Prof. Dr. J. F. Pompeckj, der Nachfolger von Geheimrat Branca in Berlin, zum Geheimen Berg rat. P. Niggli, Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums. 313 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums (verallgemeinerte Symmetrielehre). Von Paul Niggli. Mit 2 Textfiguren. Der Kristallsymmetrielehre des Kontinuums steht die Kristall- symmetrielehre des Diskontinuums gegenüber, den 32 Kristallklassen (Kristallsymmetriegruppen) entsprechen die 230 Kristallraumsysteme (Kaum gruppen). Für die erstere gilt (im physikalischen Sinne): Alle einem Symmetrieelement (Symmetrieachse, Symmetrieebene, Symmetriezen- trum) parallelen gleichen Elemente (Geraden oder Ebenen oder Punkte) sind wiederum entsprechende Symmetrieelemente. Speziell gilt: Alle Punkte sind sich identisch. Im Gegensatz dazu stehen die folgenden Sätze, welche die Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums einleiten und von einer diskontinuierlichen Struktur der Materie bei periodischer Homo- genität verlangt werden. 1. Der Abstand paralleler gleichartiger Symmetrieelemente voneinander kann nicht unter einen endlichen Wert sinken. 2. Die Identität1 tritt erst in bestimmten Abständen wieder auf, die nicht unendlich klein werden können und die einzig von der Richtung abhängig sind. Es existiert daher um jeden Punkt ein Raum der Nichtidentität von beliebiger Gestalt, aber kon- stantem endlichen Volumen. Dieser Raum kann immer als Parallel- «piped konstruiert werden und bildet als solches den großen Fundamentalbereich einer regelmäßigen Raumteilung. Jedem Raum der Nichtidentität eines gegebenen Raumsystems gehört die gleiche und volle Zahl von nichtidentischen Symmetrieelementen an. Der Satz zwei verbürgt die periodische Homogenität und ist der Ausdruck dafür, daß jedem Raumsystem eine Translationsgruppe oder ein Raumgitter zugeordnet werden kann2. Die historische Entwicklung der Kristallstrukturlehre hat zur Folge, daß bei der 1 ^wei Punkte sind nur dann identisch, wenn die Anordnung der übrigen Punkte auch der Lage nach eine gleiche ist, ohne daß eine Drehung oder Spiegelung stattfinden muß. (Identität = Drehung Null). 2 Gleichzeitig ergibt sich daraus auch, daß die Achsen 2-,’ 3-, 4- oder ß-zählig sein müssen. 20* 314 P. Niggli, Ableitung der Raumsysteme meist so vorgegangen wird, daß man zuerst die möglichen speziellen Formen der Raumgitter bestimmt und dann mit ihnen als etwas Gegebenem weiteroperiert. Der nachstehend skizzierte Weg scheint mir konsequenter und einfacher zu sein. Die zwei mitgeteilten Sätze der Kristallsymmetrielehre des Kontinuums sagen aus, daß es zur i^bleitung der 32 Kristall - kiassen genügt, die möglichen Kombinationen von durch einen Punkt gehenden Symmetrieelementen aufzusuchen. In gleicher Weise muß* es möglich sein, die 230 Raum Systeme mathematisch ab- zuleiten, indem man für den Raum der Nichtidentität alle mit den Symmetriegesetzen in Einklang stehen- den Kombinationen von Symmetrieelementen a u f - s uclit. Die spezielle Form des Tripels primitiver Translationen ergibt sich automatisch aus der ange- wandten Kombination. Die grundliegenden Symmetrieoperationen sind Drehung um eine- Achse und Spiegelung an einer Ebene. 1. Einer n-zähligen Achse (kristallographisch n = 2, 3, 4, 6) eigen ist die Rotation um einen bestimmten Winkel derart, daß, wenn diese Rotation n-mal im gleichen Sinne ausgeführt wird, die Identität entsteht. Im Kontinuum wird diesen Bedingungen einzig' die Drehungsachse gerecht, im Diskontinuum, in dem auch in der Achsenrichtung identische Punkte einen bestimmten Abstand be- sitzen, außerdem die Schraubenachse, deren Translationskomponente- der nte Teil eines Ein- oder Vielfachen des Identitätsabstandes in Richtung der Achse ist. 2. Einer Symmetrieebene im weiteren Sinne eigen ist die Spiegelung, die zweimal ausgeführt die Identität ergeben muß. Im Diskontinuum gibt es Spiegelebenen und Gleitspiegelebenen, die diese Bedingungen erfüllen, letztere dann, wenn der Betrag der Gleitung die Hälfte einer primitiven Translation (Identitätsabstand) in der Ebene ist. (Gleitspiegelebenen und Spiegelebenen können zusammen auch als spiegelnde Ebenen bezeichnet werden.) 3. Inversion und Drehspiegelung lassen sich als Produkt zweier nacheinander ausgeführten Operationen 1 und 2 auffassen. Gleich- gültig, ob man dazu Drehungsachsen oder Schraubenachsen, Spiegel- ebenen oder Gleitspiegelebenen verwendet, entsteht im ersteren Falle- ein Symmetriezentrum, im zweiten Falle die Kombination einer zähligen Drehungsachse mit einer Drehspiegelebene. Drehungsachsen erster Art, Schraubenachsen, Spiegelebenen r Gleitspiegelebenen, Symmetriezentren, Drehungsachsen zweiter Art sind die Symmetrieelemente des Diskontinuums. Sie derart zu kombinieren, daß der Abstand paralleler gleichartiger Elemente nicht unter einen endlichen Betrag hinuntergehen kann, ist die Aufgabe- der Symmetrielehre des Diskontinuums. Die Aufgabe ist jeweilep; Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums. 315 •erledigt, wenn alle einem Raume der Nichtidentität angeliörigen Symmetrieelemente angegeben sind. Die, nach dem kristallogra- phischen Grundgesetz (das übrigens auch durch die endliche Trans- lationsgruppe gewährleistet wird) möglichen und sich gegenseitig bedingenden, Kombinationen erhält man unter Berücksichtigung einer Reihe von Sätzen, die zweckmäßig zuerst abgeleitet werden. Die meisten dieser Sätze lassen sich so formulieren, daß die Beziehungen zwischen den einfachen Symmetrieelementen (Symmetrielehre des Kontinuums) Spezialfälle davon sind. Sie stellen daher eine ganz geringe Mehrbelastung dar und zeigen auch ihrerseits, daß die Punktsymmetrie nur ein Sonderfall der Raumsymmetrie ist. Folgende seien hier erwähnt (die von Schoenflies angegebenen 'Sätze sind selbst Spezialfälle davon): 1. Zwei unter einem Winkel - stehende zweizälilige Achsen- scharen (kreuzend oder schneidend) bedingen darauf senkrecht stehende n-zählige Achsen ; gleichzeitig entstehen zweizählige Achsen- scharen von im ganzen n -Richtungen, die aller einer Ebene p parallel sind, bezw. (schneidend) in ihr liegen. Einem Projektions- punkt (0) der Kreuzungen von Achsen aller n-Richtungen auf p (bezw. deren Schnittpunkt) ist dann im Abstande OA (in p liegend) -eine senkrecht auf p stehende n-zählige Achse zugeordnet, wenn vlie von A auf die Projektion der n zweizähligen Achsen gefällten Lote jede Achsenprojektion in der Hälfte ihres Schraubungskom- ponentenabstandes von 0 aus treffen1. Die Schraubungskomponente ■der n-zähligen Achse ist dem doppelten Abstande zweier um gedrehten Achsen gleich. Von besonderer Bedeutung für die Ableitung der Vierergruppen ist der auf die zweizähligen Achsen bezügliche Spezialfall. Er 'möge daher einzeln formuliert werden: Zwei rechtwinklig zueinander stehende (windschief oder schnei- dend) zweizählige Achsenscharen bedingen auf beiden senkrecht stehende zweizählige Achsen, die von der Projektion der Kreuzung, bezw. dem Schnittpunkt, um je den halben Schraubungskomponenten- betrag entfernt sind2. Die Achsen besitzen selbst eine Schraubungs- 1 Schneiden sich die n zweizähligen Achsen in einem Punkt, so wird der Kreuzungspunkt zum Schnittpunkt selbst, die Projektionsebene zur Ebene der zweizähligen Achsen. Sind alle zweizähligen Achsen Drehungsachsen, so geht die n-zählige Achse durch den Schnittpunkt der zweizähligen Achsen, bezw. bei wind- schiefer Lage durch den Kreuzungsprojektionspunkt. 2 Stets in geometrischer Auffassung : Abstand = Diagonale eines aus den halben Schraubungskomponenten gebildeten Parallelogramms, bezw. . \ \ \ ^ \ N V ' \ \ \ C n \ />' c\ — r vs \ \ \ " v, \ V ^ _ \ \ ' ^ \ * A" 3' A* Fier. 2. X ' Schraubenachse. Dann geht durch A' (AA' = 2AB) notwendiger- weise eine mit a identische zweizählige Drehungsachse a'. Aber jetzt schon sei bemerkt, daß A' nicht ein mit A identischer Punkt ist, sondern daß ein solcher sich erst in halber Schraubenganghöhe über A 4 befindet. Die Ganghöhe von b ist natürlich wieder gleich dem Identitätsabstand auf allen zu b parallelen Achsen und Geraden. Ist c eine nächste Schraubenachse, so ist a" wieder mit a identische Drehungsachse, ebenso a'". c' und b' sind mit c und b identische Bchraubenachsen. Mitten zwischen zwei identischen zweizähligen Drehungsachsen muß notwendigerweise eine neue zweizählige Drehungsachse liegen; es ist das d. Weitere zweizählige Achsen irgendwelcher Art können nicht vorhanden sein. Hätten wir an- genommen, c sei wieder Drehungsachse, so würde d Schraubenachse geworden sein. Da die Richtungen x und z an keine Bedingungen geknüpft sind, entsteht keine prinzipiell neue Anordnung. Es gibt daher nur eine mögliche Kombination von zweizähligen Schrauben- achsen und zweizähligen Drehungsachsen (2 sind Schraubenachsen, 2 sind Drehungsachsen). Das entsprechende Raumsystem heißt GJ* Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums. 319 Diesmal sind aber weder AA' noch AA" primitive Translationen. In der Ebene der Achsen ab a' . . . schließt die primitive Trans- £ 2 lation mit den Achsen einen Winkel ein, dessen tang = A ist. (g = Ganghöhe der Schraubenachse). Die spezielle Form der Trans- lationsgruppe ergibt sich somit ohne weiteres aus der angewandten Kombination. Nur eine mögliche Parallelschar zweizähliger Achsen bleibt zur Besprechung übrig. Alle Achsen sind Drehungsachsen. Wieder gibt es 4 nichtidentische Achsen, die Ableitung führt sofort zur Gruppe G*, einem primitiven Translationstripel wie in G*. Auf gleiche Weise lassen sich die möglichen Achsenscharen drei- und vierzähliger Achsen bestimmen, wobei ebenfalls die speziellen Kombinationen von Drehungs- und Schraubenachsen die verschiedenen Formen des primitiven Translationentripels automatisch liefern. Die möglichen Kombinationen von Parallelscharen einer Symmetrieebene sind: 1. Gleitspiegelebenen verschiedener Art, 2. Gleitspiegelebenen gleicher Art der Gleitspiegeloperation. 3. Gleit- spiegelebenen und Spiegelebenen. 4. Spiegelebenen allein. Jeder Kombination entspricht ein Raumsystem, und die speziellen Formen des Translationentripels ergeben sich wieder als etwas Sekundäres.. Hat man alle Einzelparallelscharen der Symmetrieelemente abgeleitet, so lassen sich diese Scharen unter Berücksichtigung der Sätze, die das Neuauftreten von Symmetrieelementen bedingen, in der jeweilen zulässigen Weise kombinieren. Das Resultat sind die 230 Raumsysteme1. Der zu jeder Kombination gehörige Gitter- typus stellt sich von selbst ein. Vom Diskontinuitätsstandpunkte aus ist dies eine konsequente Ableitung, wie sie eine Fundamentalvorlesung über Kristallographie 1 In Frage kommen hiebei, außer dem allgemeinen Charakter der zu kombinierenden Scharen von Symmetrieelementen, die gegenseitigen Lagebeziehungen der Symmetrieoperationen und Symmetrieelemente. — So sind beispielsweise alle 4 Raumsysteme G23 * *v, G28v. G21(^, G26 *v durch die Kombinationen (G2, G2, G2) gegeben. Sie unterscheiden sich hin- sichtlich der Gleitspiegeloperation und ihrer Lage zu der Achsenrichtung. — Gg1^ und G220v besitzen beide die Kombination (G3, G3. G3), das eine Mal. gehen aber die Symmetrieebenen Achsenebenen parallel, die Drehungs- achsen und Schraubenachsen enthalten, das andere Mal sind sie parallel denjenigen Achsenebenen, die entweder lauter Drehungsachsen oder lauter Schrauben achsen führen. Das ist zugleich ein Gegensatz, der sich in verschiedenen primitiven Translationentripeln manifestiert ; G2 ^ besitzt infolgedessen das flächenzentrierte Gitter, G.2 8 das innenzentrierte Gitter als Translationsgruppe. 320 P- Niggli, Zur Kristallsymmetrielehre des Diskontinuums. vermitteln müßte. Die Reduktion auf 32 Kristallklassen für alle jene Vorgänge und Erscheinungen, bei denen praktisch mit einem Kontinuum gerechnet wird, ist leicht zum Schlüsse durchzuführen. Jedes Raumsystem ist durch die Zahl und die gegenseitige Lage aller nichtidentischen Symmetrieelemente im großen Fundamental- bereich charakterisiert, doch ist es im Anschluß an die makro- skopische Kristallographie zweckmäßiger, in allen Fällen die Symmetrieelemente anzugehen, die sich in einem Elementar - parallelepiped befinden, mit den Identitätsabständen in Richtung der kristallographischen Achsen als Kanten. In dieser Weise sind von mir die kubischen Raumsysteme dargestellt worden. (Siehe eine demnächst erscheinende Arbeit.) Wählt man den umgekehrten Weg und schickt die Ableitung der 32 Kristallklassen voraus, so erhält man die Raumsysteme, in- dem an Stelle aller Symmetrieelemente die für das homogene Dis- kontinuum möglichen Parallelscharen eingesetzt und die erhaltene Kombination auf ihre gegenseitige Bedingtheit geprüft werden. In beiden Fällen ist außer der Kenntnis der Sätze, die das Zu- sammenvorkommen von Symmetrieelementen betreffen, nur eine vorgängige Ableitung der Einzelscharen (denen übrigens auch Raum- systeme entsprechen) nötig. Irgend ein Raumsystem läßt sich dann direkt ohne weitere Kenntnis von Untergruppen ableiten. Daß dabei den speziellen Typen der Translationsgruppe keine besondere Rolle zukommt, ist durchaus richtig. Die Raumgitter- anordnung von Punkten verbürgt ja lediglich die periodische Homo- genität und hängt mit dem speziellen Symmetriecharakter nur indirekt zusammen. (Winkelgröße, Translationengleichheit etc.) Die Raumsysteme sind für das Diskontinuum das, was die Kristallklassen für das Kontinuum sind. Die speziellen Fälle, die entstehen, wenn den Schwerpunkten von Massenteilchen bestimmte Lagen 1 zukommen, sind das Analoge der verschiedenen Flächen- komplexe und Flächenkombinationen ein und derselben Kristallklasse. Für diese Zwecke muß man daher die Punkte innerhalb des großen Fundamentalbereichs oder des Elementarparallelepipeds nach ihrer Zähligkeit, nach ihrer Symmetrie und nach ihren Freiheitsgraden 1 Hier kann sich wohl zeigen, daß bestimmte Lagen als Schwer- punktslagen besonders ausgezeichnet sind, so daß die entsprechenden Ver- bindungslinien bestimmte „Gittertypen“ liefern (beispielsweise das häufige Auftreten einer flächenzentrierten Gitteranordnung im kubischen System auch dann, wenn das zugehörige Translationentripel einfach ist). Das hängt mit den Stabilitätsbedingungen der Anordnungsmöglichkeiten von Massenteilchen zusammen und enthält die eigentlichen , vielleicht nur wenig variablen, Kristallisationsgesetze (siehe einige bereits erschienene Mitteilungen). Gerade weil derartige Anordnungsmöglichkeiten nicht an bestimmte Translationsgruppen gebunden sind, müssen die Raumsysteme unter möglichster Vermeidung des Gitterbegriffes abgeleitet werden. H. Leitmeier, Pisanit vom Lading in Kärnten. 321 ordnen. (Für die kubischen Raumgruppen siehe eine demnächst erscheinende Arbeit im N. Jahrb. f. Min. etc.) Auch bei der An- nahme von nur quasihomogenem verzwillingtem Bau bleibt nichts anderes übrig als zuerst die Raumsysteme abzuleiten und die Zwil- lingsgesetze darauf wirken zu lassen. Bis jetzt sind derartige Versuche selten ins Einzelne ausgearbeitet worden, so daß sich noch nicht erkennen läßt, welchen Vorteil diese kompliziertere Auffassung bieten wird. Leipzig, Institut für Mineralogie und Petrographie. Pisanit vom Lading in Kärnten. Von H. Leitmeier in Wien. Am Lading bei St. Michael im Lavanttale in Kärnten befindet sich im Gneis und Kalkstein eine Kieslagerstätte, deren Haupterze Pyrit- und Kupferkies sind, die am reichsten im Gneis auftreten. Diese Lagerstätte und ihre Erze sind beschrieben worden von F. v. Rosthorn und J. L. Canaval Q Riedl1 2 und R. Canaval3, am eingehendsten hat sich der Letztgenannte geäußert, der auch den Gneis und seine mineralische Zusammensetzung näher unter- sucht hat. Neben den kiesigen Erzen findet sich Limonit, Granat, Quarz und Glimmer, die mit dem Pyrit zusammen auftreten. Auch ein wasserhaltiges, von Kupfer gefärbtes, grau- bis spangrünes Tonerdesilikat kommt dort vor, das namentlich R. Canaval näher beschrieben hat. Als Zersetzungsprodukte fehlen natürlich Malachit und Azurit nicht; auch Cuprit wurde in dieser Lagerstätte gefunden. Von einem Besuche mehrerer Bergwerke Kärntens brachte Herr Hofrat Prof. Dr. C. Doelter eine Eisen-Kupfersulfat- stufe mit, deren Untersuchung er mir überließ, wofür ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. Ferner übergab mir Herr Berg- rat Holler eine schöne Stufe zur Untersuchung, für die ihm auch bestens gedankt sei. Auf einer Masse, die aus zersetztem, zum größten Teile in Limonit umgewandeltem Pyrit, der auch etwas Kupferkies enthält, besteht, haben sich Sulfatkristalle gebildet. Man unterscheidet sofort zweierlei Arten dieses Sulfates : blaue, in ihrer Färbung etwas blasser als Kupfervitriol, und daneben grüne, wie Eisenvitriol ge- färbte Kristalle. Das grüne Mineral überzieht das blaue, hat sich also später gebildet. 1 F. Rosthorn und J. L. Canaval, Jahrbuch nat. Museum v. Kärnten. 1853. 173. 2 Riedl, Zeitschrift berg-hüttenmänn. Vereines f. Kärnten. 1873. 3 R. Canaval, Jahrbuch nat. Museum v. Kärnten. 1901. 1. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 21 322 H. Leitmeier, Es konnte von den beiden Mineralien genügend Material zu einer chemischen Untersuchung getrennt werden. Die qualitative Probe ergab, daß beide Bildungen Mischungen von Kupfer- und Eisensulfat, also Pisanit darstellen. Pisanite sind natürliche, isomorphe Mischungen der beiden Komponenten Ferrosulfat-Heptahydrat FeS04.7H20 und Kupfer- sulfat-Heptahydrat CuS04 . 7H20. Beide Komponenten kommen ebenfalls als Mineralien in der Natur vor; das erste Sulfat ent- spricht dem Melanterit, das zweite dem erst seit kurzem in der Natur gefundenen Boothit; sie kristallisieren beide monoklin- prismatisch und stehen einander kristallograpliisch sehr nahe. Das letztere ist schon lange vor seinem Auffinden in der Natur auf künstlichem Wege von Lecoq de Boisbaudran1 dargestellt, aber erst viel später von W. T. Schaller2 in Leona Heights, Alameda Co., Kalifornien, entdeckt worden. Die Mischungen der beiden Komponenten sind in der Natur schon lange bekannt und zuerst von Pisani3 untersucht worden. Eingehend hat die monoklin-prismatische Reihe Ferrosulfat- Heptahydrat — Kupfersulfat-Heptahydrat J.W. Eetgers4 experimentell untersucht und gefunden, daß in dieser Reihe kein Doppelsalz vorkommt. Die Kristalle vom Lading, sowohl die blauen als auch die grünen, sind sehr einfach gebaut, indem sie nur Prismenflächen und die Endfläche zeigen. Durch Vorwalten von Prismenflächen kommt die an rhomboedrische Calcit-Kristalle erinnernde Ausbildungsweise, wie sie z. B. Eetgers beschrieb, nicht ‘so sehr zum Ausdrucke. Andere Flächen wurden nicht beobachtet. Im Gegensätze dazu tritt der Pisanit an anderen Fundorten sehr flächenreich auf; so beschrieb z. B. W. T. Schaller5 von Leona Heights in Kalifornien sehr flächenreiche Kristalle (er fand dort 17 Formen). Zu kristallo- graphischen Messungen sind die Kristalle vom Lading wenig geeignet, da sie, besonders an den Prismenflächen, stark gerillt sind. Da die Winkel der beiden Komponenten einander recht ähnlich sind, so würde sich beim vorliegenden Mineral kaum der Einfluß der chemischen Zusammensetzung auf Winkel der Kristalle (etwa den Prismenwinkel) erkennen lassen, da die Fehlergrenze zu weit wäre. 1. Der blaue Pisanit. Die Dichte wurde in Methylenjodid-Benzol mit 1,950 bestimmt. Zur Analyse stand verhältnismäßig nur wenig Material zur Verfügung. An 0,7834 g wurde zuerst nach Brush-Penfield das 1 Lecoq de Boisbaudran, Compt. rend. hebd. d. Acc. de seanc. Paris. 1867. 65. 1249. 2 W. T. Schaller, Bull. Dept. Geol. Univ. Calif. 1903. 3. 3 Pisani, Compt. rend. hebd. d. Acc. de seanc. Paris. 1859. 48. 807. 4 J. W. Eetgers, Zeitschr. f. phys. Chemie. 1894. 15. 562. 5 W. T. Schaller, 1. c. Pisanit vom Lading in Kärnten. 323 Wasser bestimmt, dann das Sulfat im Wasser gelöst, in zwei gleiche Teile geteilt und an dem einen die Schwefelsäure, an dem anderen Kupfer und Eisen bestimmt. Man findet manchmal angegeben, daß man Eisen und Kupfer dadurch trennen könne, daß man beide Elemente mit Ammoniak als Hydroxyde fällt, in einem ganz ge- ringen Überschüsse des Fällungsmittels löst sich das Kupferhydroxyd. Durch mehrmaliges Fällen und Wiederauflösen des filtrierten Nieder- schlages kann man nun allerdings den Eisenhydroxydniederschlag frei von Kupfer erhalten, aber es geht dann sehr leicht ein Teil des Eisenhydroxydes bei dem öfters wiederholten Fällen seinerseits in Lösung und man bekommt zu wenig Eisen. Ich habe Proben mit Gemischen von Cu- und Fe-Sulfat gemacht, die mich veranlassten, diese Methode als nicht hinreichend genau zu erklären. Bei der vorliegenden Analyse wurde das Cu als Sulfid durch Schwefelwasser- stoff aus saurer Lösung gefällt und dann das Eisen als Hydroxyd. Die Analyse ergab : CuO FeO so3 h2o Unlösl 99,36 Nach Abzug des Unlöslichen, das aus Gesteinssubstanz Erzteilchen bestand, erhält man folgende Zahlen: CuO FeO • • . 13,43 so3 H20 46,72 100,00 Berechnet man das Molekularverhältnis aus diesen Zahlen, so kommt man angenähert auf das Verhältnis: (Fe 0 , Cü 0) : S 0, : H2 0 = 1:1:7. Die Formel lautet also: (Fe, Cu) S 04 . 7H2 0. Dabei ist das CuO auf FeO umgerechnet. Die für Wasser erhaltene Zahl ist etwas höher als 7, ungefähr 7,2. Dies hat seinen Grund darin, daß das Analysenmaterial nicht vollständig frei von zersetzter Substanz war. Da zur Analyse lufttrockenes Material verwendet worden war, so wird der Wassergehalt durch geringe Beimengungen von Zersetzungsprodukten, die aus der Luft Wasser anziehen, erhöht. Die Verwendung von Analysenmaterial, das bei 100° getrocknet ist, empfiehlt sich deshalb nicht, weil diese Sulfate schon bei 105° den weitaus größeren Teil ihres Wassers abgeben; eine ganz geringfügige Überschreitung der Trocknungs- temperatur könnte die Verhältnisse in weit merklicherWeise be- 21 * 324 H. Leitmeier. einflussen als die geringe Menge von Adsorptionswasser mechanisch nicht abtrennbarer Zersetznngsprodukte. Bei der Berechnung des Anatysenresultates auf die beiden Komponenten kommt dieser höhere Wassergehalt natürlich noch viel merklicher zum Ausdruck. Dieser Berechnung wurde zugrunde gelegt: Für FeS 04 . 7H, 0 für CuS04.7H20 FeO 25,85 CuO 27,84 S03 28,80 S03 28,02 H,0 45,35 H20 44,14 100,00 100,00 ” In dem blauen Pisanit vom Lading sind danach enthalten: FeO 13,4 CuO 11,7 S03 15,0 S03 11,8 H20 23,6 H20 18,6 52,0 42Ä Wenn man sonach vom FeO- und CuO-Gehalt ausgehend die vorliegende Mischung aus den beiden Komponenten berechnet dar- stellt, würde sich nachstehendes Verhältnis ergeben: CuO 11,7 FeO 13,4 S03 26,8 H20 42,2 94,1 Außer dem bereits erwähnten und begründeten Unterschiede im Wassergehalte ergibt sich auch eine Differenz in der S 03-Menge. Diesen Unterschied halte ich allein in einem Analysenfehler be- gründet, der seine Erklärung ja auch in der geringen Substanz - menge findet, die mir zu Gebote stand. Auf ein stöchiometrisches Verhältnis lassen sich Eisenoxydul und Kupferoxyd nicht zurückführen. Es liegt eine Mischung vor, die angegeben werden kann mit: 45 Kupfersulfat 55 Eisensulfat. 2. Das grüne Salz. Die Dichtebestimmung ergab 1,941. Zu dieser Analyse standen mir noch etwas geringere Mengen zu Gebote. CuO 7,24 FeO 15,19 NiO 0,24 S03 24,11 H2Ö 41,43 Unlösl 11,31 99,52 Pisanit vom Lading in Kärnten. 325 Die Nickelbestimmung erfolgte nach dem Verfahren -von 0. Brunos:1 mittels Dimethylgloxim, nachdem das Eisen vorher durch Natriumsuccinat ausgefällt und als Ferrihydroxyd getrocknet worden war. Nach Abzug des unlöslichen Anteiles auf 100 umgerechnet kommt man zu folgenden Zahlen: CuO 8,21 FeO . . . . . 17,23 NiO 0.27 S03 27,33 h20 46,96 100,00 Das Molekularverhältnis führt in gleicher Weise wie beim blauen Pisanit zum Verhältnis (CuO, FeO) : S 03 : H20 = 1:1:7. Rechnet man nach dem Gehalte an FeO und CuO die einzelnen Sulfate, so ergeben sich folgende Zahlen : FeO 17,2 CuO 8,2 S03 19,2 S03 8,3 H2 0 30,2 H2 0 13,0 66,6 29,5 Die Zusammensetzung der entsprechenden Mischung wäre dann : CuO • 8,2 FeO 17,2 S 08 27,5 H2 Ö 43,2 96,1 Es ergibt sich auch hier wieder der gleiche Unterschied im Wassergehalt, der indessen dadurch, daß der Nickelgehalt bei der Be- rechnung keine Berücksichtigung gefunden hat, um ein kleines sich verringert. Dafür ergibt sich hier im Gegensätze zur Analyse am blauen Pisanit ein kleiner Überschuß an S 03 , der wiederum in einem Analysenfehler seine Erklärung finden kann. Die Mischung aus den beiden Komponenten berechnet sich für das grüne Salz ungefähr zu: 31 Kupfersulfat 69 Eisensulfat. In der nachstehenden Tabelle gebe ich eine Übersicht über die nunmehr bekannt gewordenen natürlichen Mischungen von Kupfer- sulfat (Boothit) und Eisensulfat (Melanterit). Ich benütze dazu eine Zusammenstellung von W. T. Schaller ; die Analysen sind nach steigendem Kupfergehalte angeordnet: 1 0. Brunck, Zeitschr. f. angew. Chemie. 1907. 1844. 326 H. Leitmeier, 1 2 3 4 5 6 CuO . ... — 7,56 8,21 9,17 10,07 11,67 FeO . . . . 25,86 15,85 17,23 16,37 (16,15). 13,43 so3 . . . . 28,80 30,74 27,33 29,00 28,84 28,18 h2o . . . . 45,34 45,85 46,96 45,46 (44,94) 46,72 100,00 100,00 100,00 1 100,00 100,00 100,00 7 8 9 10 11 12 13 CuO. . . 12,61 15,52 15,56 17,45 17,64 18,81 27,85 FeO. . . 14,14 12,14 10,98 10,18 9,62 8,51 — so3. . '. 28,44 27,82 29,90 28,43 28,27 27,93 28,02 H20 . . 44,81 44,52 43,56 43,94 44,47 44,75 44,13 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 1. Theoretische Zusammensetzung des Melanterits (Fe S 04 . 7 H20). 2. Pisanit von Gonzales, Monterey Co., Kalifornien; analysiert von W. T. Schaller2. 3. Pisanit vom Lading in Kärnten ; analysiert von H. Leitmeier (diese Mitteilung). 4. Pisanit von Leona Heights, Alameda Co., Kalifornien; analysiert von W. T. Schaller3. 5. Pisanit von der Grube Fenice bei Massa Marittima in Toscana, analysiert C. Hintze4. C. Hintze hat nur Cu 0 und S03 bestimmt; FeO und SO, sind von W. T. Schaller berechnet. 6. Pisanit vom Lading, wie Analyse 3. 7. Pisanit vom Bingham-Minendistrikt in Utah; analysiert von W. F. Hillebrand 5. 8. Wie Analyse 4. 9. Pisanit aus der Türkei (ohne nähere Fundortangabe); analysiert von F. Pisani6. 11. Grüner Pisanit (vom Autor Salvadorit genannt) von der Grube Salvador, Quetena bei Calama, Chile; analysiert von W. Herz7. 12. Blauer Pisanit (Salvadorit) vom gleichen Fundort und vom gleichen Autor analysiert. 13. Theoretische Zusammensetzung des Boothit (Cu S04.7H20). Auch wenn man die anderen Analysen des Pisanites, wie sie im Obigen zusammengestellt sind, auf die einzelnen Sulfate berechnet, so ergibt sich aus den meisten dieser ein Wasserüberschuß ; es 1 Dazu 0,27 NiO. 2 W. T. Schaller, Amer. Journ. 1904. 17. 193. 3 Derselbe. Bull. Dep. Geol. Univ. Calif. 1903. 3. 191. 4 C. Hintze, Zeitschr. f. Krist. 1878. 2. 309. 5 W. F. Hillebrand bei J. M. Boutwell, U. S. Geol. Surv. 1905. 220. 105. ß F. Pisani, Compt. rend. hebd. Paris. 1859. 48. 807. 7 W. Herz, Zeitschr. f. Krist. 1896. 26. 16. Pisanit vom Lading in Kärnten. 327 bekommt beispielsweise Schaller für seinen Pisanit von Gonzales (Analyse No. 2) für Wasser den Molekularquotienten 7,18, während CuO + FeO nur 0,89 ergeben. Wahrscheinlich ist dieser Umstand in einer Beimengung zersetzter Partien begründet und weiteres in der leichten Wasserabgabe, die ein Trocknen bei 100° nicht zuläßt. Wie auch Schaller hervorgehoben hat, ist das Mischungs- verhältnis der einzelnen Komponenten durchaus kein konstantes, und Jiegt kein Grund zur Annahme eines Doppelsalzes vor. Auf einen Umstand glaube ich indessen hinweisen zu sollen. Der kleinste Kupfergehalt aller dieser Analysen beträgt 7|%, der kleinste Eisen- gehalt 8|%. - Ich habe die Melanteritanalysen alle durchgesehen, und in keiner ist ein nennenswerter Kupfergehalt verzeichnet. Es fehlen also Mischungen der einen Komponente (Fe-Sulfat) mit ge- ringen Mengen der andern. Die bisher bekannten wenigen Boothit- Analysen verzeichnen einen wenn auch ganz geringen Eisengehalt. Es scheint also auch hier eine Lücke in der Mischungsreihe der natürlichen Verbindungen vorzuliegen, insoferne auf Grund der wenigen Analysen ein allgemeiner Schluß zulässig sein kann. In dem mittleren Teile aber ist die Reihe in der Natur vollständig vertreten . Mit einer dieser erwähnten Lücke befinden sich die experi- mentellen Untersuchungen von J. W. Retgers in Übereinstimmung. Aus seiner Untersuchung der monoklinen Reihe Cu S 04 . 7 H2 0 — Fe S 04 . 7 H2 0 geht hervor, daß es gelingt, eine lückenlose “Dar- stellung künstlicher Mischkristalle von der Komponente Fe S04 . 7H20 bis zu Mischungen mit 53,17% CuS04 . 7H20 als Grenzwert dar- zustellen. Es gelang aber nicht, die Reihe weiter gegen die andere Komponente hin auszudehnen, trotzdem die Verbindung Cu S04 . 7H20 experimentell dargestellt wurde. In dieser Richtung angestellte Versuche ergaben neben den monoklinen Mischkristallen der eben angegebenen Zusammensetzung nur trikline Mischkristalle des tri- klinen Sulfats Cu S 04 . 5 H2 0 mit FeS04.5H20 bis zu 5% des letzteren. Also dürfte die an den natürlichen Pisaniten auftretende Lücke in der Nähe der Fe-Komponente vielleicht nur eine rein zufällige sein. Die Zahlenwerte, die Retgers angibt, sind die folgenden: Gewichtsprozente CuS04-f 7H20 FeS04 + 7Hs 0 100 2,57 97,43 3,24 96,76 5,86 94,14 6,24 93,76 7,58 92,42 8,83 91,17 328 H. Leitmeier, CuS04 + 7H20 10,78 12,11 14,51 15,30 15.76 18.93 22,47 24,08 24,32 27,82 31,49 34,81 39,63 40,23 42,95 43,90 44,36 47.94 48,04 48.76 53,17 Grenzwert. FeS04+7H20 89,22 87,89 85,49 84,70 84.24 81,07 77,53 75,92 75,68 72.18 68,51 65.19 60,37 59,77 57.05 56,10 55,64 52.06 51,96 51.24 46,83 Ich habe zum Vergleiche nicht die auf Komponenten umge- rechneten Analysen der Pisanitvorkommen gebracht, weil sich bei dieser Umrechnung, wie bereits erwähnt, gezeigt hat, daß kleine Unstimmigkeiten im Wassergehalte bei den Analysen vorliegen, daß aber auch, abgesehen davon, bei der Komponentenberechnung fast niemals die Summe 100 herauskommt. Ob dieser Umstand auf Analysenfehler zurückzuführen ist, oder in der Zusammensetzung der Sulfate selbst gelegen ist, wage ich nicht zu entscheiden, halte aber das erstere als wahrscheinlicher. Ich verzichtete daher auf eine derartige Umrechnung der Analysen. Was im folgenden gezeigt werden soll, geht auch aus den bereits mitgeteilten Zahlen hervor. Diese von Retgers bei den künstlich dargestellten Mischkristallen erhaltene Lücke zwischen der an Kupfer reichsten Mischung, die 53,17 CuS04 . 7H20 enthielt, und derCuS04-Komponente stimmt mit der aus den Pisanitanalysen hervorgehenden Lücke nicht überein. Der letzten von Retgers dargestellten Mischung von 53,17 CuS04 . 7H20 und 46,83 Fe S 04 . 7H2 0 entsprechen 15 % Cu 0 und 12,4% FeO. Die in der Tabelle auf p. 326 unter 8 bis 12 angeführten Ana- lysen fallen in diese Lücke. Zur Zeit, als Retgers seine Unter- suchungen ausführte, war nur die Analyse No. 9 bekannt, die Pjsani’s — der Urpisanit — , einem nicht näher angegebenen Fundort der Türkei entstammend. J. W. Retgers fiel diese Abweichung Pisanit vom Lading in Kärnten. 329 natürlich auf. Er führte sie auf eine schlechte Beschaffenheit des PiSANi’schen Analysenmaterials zurück und dachte an inhomogenes Material. Dazu konnte er sich vollkommen berechtigt fühlen. Die ungenaue Fundortangabe erhöhte sicher diesen Verdacht. Daß der Pisanit kein Doppelsalz ist, wie Pis an i es auf Grund seiner einzigen Analyse, die zufällig demVerhältnisse 3 CuS04.7H20 : 2FeS04.7H20 nahekam, annahm, hielt schon Retgers für unwahrscheinlich, und die Folgezeit hat seine Annahme bestätigt. Nunmehr ist aber die Zahl der Analysen ganz bedeutend gestiegen, die innerhalb diese Lücke fällt. Und namentlich kann man von einer Analyse, die ein so bewährter Analytiker wie Schaller ausführte, nicht annehmen, daß das Analysenmaterial nicht auf das sorgfältigste geprüft worden wäre. Worin nun dieser Gegensatz zwischen natürlichem Vorkommen und synthetischem Produkt liegt, läßt sich zur Zeit nicht ergründen. Möglicherweise liegt der Grund in den verschiedenen Bildungs- bedingungen. Den künstlichen Boothit, also das Kupfersulfat mit 7 Mol. Wasser, erhält man nach Lecoq des Boisbaudran (1. c.) nur, indem man in eine übersättigte Kupfersulfatlösung ein Kriställchen von Eisenvitriol einbringt. Und auch da bildet es sich nur in ganz unregelmäßigen Körnchen, so daß die Zugehörigkeit zum monoklinen System erst nach der Entdeckung des natürlichen Vorkommens — W. T. Schaller’s Boothit — mit voller Sicherheit erkannt werden konnte. Es ist nun nicht ganz unwahrscheinlich, daß auch Pisanite mit größerem Kupfergehalte, als dem Grenzwerte von Retgers entspricht, aus Kupfersulfatlösungen bei Gegenwart von Eisensulfat sich bilden. Über die Genesis des Boothits selbst wird nichts Näheres mit- geteilt und es wird sich aus seinem Auftreten auch nicht weiter auf die Art seiner Bildung schließen lassen. Der Boothit kommt in Leona Heigths zusammen mit Eisensulfat vor, und es ist daher durchaus im Bereiche der Möglichkeit, daß Beziehungen zwischen den synthetischen Versuchen von Lecoq des Boisbaudran und dem natürlichen Vorkommen des Boothits bestehen. Die Bedingungen zur Bildung derartiger Mischsalze in der Natur sind auf allen sulfidischen Lagerstätten, die Eisen- und Kupfer- erze führen, gegeben, ihre Bestandteile führen ja die Grubenwässer. Da aber diese Sulfate sich schon an der Luft zersetzen, so sind derartige Bildungen wohl meist von kurzer Lebensdauer ; dies wird wohl auch hauptsächlich ein Grund sein, warum Pisanitvorkommen verhältnismäßig so selten beschrieben worden sind. Aber auch eine gewisse praktische Bedeutung für den Berg- mann kann das Auftreten von Pisanit besitzen. Unser wichtigster und vor allem häufigster Kupferträger ist ja der Pyrit, und Pyrite, die auch nur einen verhältnismäßig geringen Kupfergehalt besitzen, 330 H. Leitmeier, kommen als abbauwürdig1 in Betracht. Es wird nun das Auftreten der blauen Pisanitkristalle darauf aufmerksam machen, daß der Pyrit Kupfer enthält, d. h. daß ein Kupfersullid gemeinsam mit dem Pyrit (oder Magnetkies) vorhanden ist. Das Auftreten von Pisanit. wird anzeigen, daß die betreffende Lagerstätte zur Kupfer- gewinnung überhaupt in Betracht kommen kann. Die Farbe und die Dichte der Pisanit e. Bei vielen analysierten Pisaniten — und nur solche können hier in Betracht kommen — fehlt die Angabe der Färbung des Materiales. Ich linde die folgenden Angaben: Der Pisanit vom Lading mit 8,21 CuO ist grün; anal, von mir. Derselbe aber mit 11,67 CuO ist hellblau wie Kupfervitriol. Pisanit vpn Bingham mit 12,61 CuO ist hell-himmelblau; anal, von Hillebrand. Der türkische Pisanit mit 15,36 CuO ist blau wie das gewöhnliche Kupfervitriol; anal, von Pisani. Der Pisanit von Salvador mit 17,64 Cu 0 ist bläulich grün ; anal, von Herz. Der vom selben Fundort mit 18,81 CuO ist blau; anal, wie der vorige. Der Boothit ist blau, der Melanterit grün. Die Angabe der Farbennuance ist sehr abhängig von sub- jektivem Farbenempfinden, auf dessen große Verschiedenheit nicht genug hingewiesen werden kann; bei den obigen Angaben handelt es sich aber doch um viel weitgehendere Verschiedenheiten, die durch derartige Unsicherheiten in der Angabe der Farbe nicht erklärt werden können. Pisanit mit CuO von 11% bis ca. 16% soll blau sein, einer mit 17| jedoch soll grün gefärbt sein, während einer mit fast 19 wieder blau ist. Dies ließe sich nur auf zwei Arten erklären. Entweder daß der CuO-Gehalt von 18,81% einem Doppelsalze angehört, das ungefähr der Formel FeCu2(S04)3. 21 H20 entspricht, oder daß die Analyse nicht richtig ist. Der Analy- tiker W. Herz scheint auch der ersteren Ansicht gewesen zu sein, denn er gab seinem Sulfat einen neuen Namen und nannte es Sal- vadorit. Hier kann eine Neuanalyse des Sulfates von der Grube Salvador Klarheit schaffen. Am wahrscheinlichsten halte ich eine unrichtige Angabe der Farbe. Leider macht auch Retgers über die von ihm künstlich dar- gestellten Pisanite keine näheren Angaben über die Farbe der einzelnen Mischungen. Er sagt nur, daß sich die monoklinen Misch- kristalle mit 7 H2 0 durch ihre viel blässer grünlichblaue Färbung von den triklinen rein- und dunkelblauen Mischkristallen der Penta- hydrate (die aber nur bis 5,12% Fe S 04 . 5 H2 0 enthalten) unter- scheiden. Das spezifische Gewicht des Pisanites scheint an analysiertem Material selten bestimmt worden zu sein. Pisanit vom Lading in Kärnten. 331 Für reinen Boothit gibt Schaller 2,1 an, „ 15,52 CuO ist die Dichte nach Schaller 1,8 — 1,9, „ 11,67 CuO nach meinen Bestimmungen 1,950, „ 8,21 CuO nach meiner Bestimmung 1,941. Für Melanterit, also reines Ferrosulfat-Heptahydrat kommen nur Bestimmungen in Betracht, die noch andere Metalle enthalten, so z. B. wurde vom Melanterit von Idria von V. v. Zepharovich1 1,79 angegeben; dieses Sulfat enthält aber nach der analytischen Untersuchung noch 4,60 MgO. Genauer ist daher 1,899, die An- gabe von Retgers2 am künstlichen Salze. Wenn man danach, also nach den Zahlen von Retgers und Schaller, an den beiden Komponenten die Dichte des blauen Pisanites vom Lading, der aus 45% Kupfersulfat und 55% Eisensulfat besteht, rechnet, so erhält man für dessen spezifisches Gewicht 1,990, während ich 1,941 bestimmte. Legt man dagegen meine Bestimmung am blauen Ladinger Pisanit zugrunde, so erhält man aus 1,899 für das reine Eisen- sulfat (nach Retgers) und aus 1,950 für eine Mischung von 45 Cu-Sulfat und 55 Fe-Sulfat 2,010 für das reine Kupfersulfat. Aus diesem Werte von 2,010 für das reine Cu-Sulfat und der RETGERs’schen Bestimmung von 1,899 für das Eisensulfat würde man dann für die Mischung von 69 Fe-Sulfat und 31 Cu- Sulfat 1,932 errechnen, während ich durch Bestimmung mittelst Methylenjodid-Benzol 1,941 fand. Umgekehrt rechnet man aus der letztgenannten Mischung von 69 Fe-Sulfat und 31 Cu-Sulfat, für die ich 1,941 durch Bestimmung fand, und aus dem von Retgers experimentell ermittelten Werte für das Eisensulfat (1,899) das spezifische Gewicht für das Cu- Sulfat, so erhält man 2,035. Daraus und aus der RETGERs’schen Zahl die Mischung von 45 Cu-Sulfat und 55 Fe-Sulfat berechnet ergibt sich 1,960, während ich durch Bestimmung 1,950 fand. Da diese Werte bessere Übereinstimmung zeigen, so wird der für den Boothit errechnete Wert genauer sein, als der von Schaller ermittelte. Nimmt man das Mittel aus den beiden so errechneten Werten, so bekommt man für CuS04 . 7H20 das spezifische Gewicht von 2,02. Mineralogisches Institut der Universität Wien. 1 Y. v. Zepharovich, Zeitschr. f. Krist. etc. 1880. 4. 106. 2 J. W. Retgers, Zeitschr. f. physik. Chemie. 1889. 3. 289. Zeitschr. f. Krist. 1891. 19. 623. 332 F. B. Nopcsa, Über Dinosaurier. Von Dr. Franz Baron Nopcsa. Mit 11 Textfiguren. 2. Die Riesenformen unter den Dinosauriern. Keine einzige Eigenschaft der Dinosaurier hat seit der Zeit ihrer Entdeckung mehr die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt als deren Größe. Unbefriedigende Erklärungsversuche sind mehrfach gegeben worden ; meist leiden diese Erklärungsversuche, wie z. B. bei Branca’s Fall (65), daran, daß die betreffenden Er- klärer der Physiologie fernestehen. Es war selbstverständlich, daß sich beim Studium der außergewöhnlichen Körpergröße der ! Dinosaurier die Aufmerksamkeit auch auf das sonstige Vorkommen außergewöhnlich großer Körper im Tierreiche richten mußte, und ; dies führte dann naturgemäß zum Studium des Riesenwuchses beim Menschen. Die Daten über Riesenwuchs und Ähnliches beim Menschen sind zusammen mit der ausgedehnten Literatur über dieses Thema in letzterer Zeit mehrfach, so von Biedel (18) und Falta (25) und früher schon von Sternberg (56) zusammengestellt worden; leider konnte jedoch von der Literatur nur ein Bruchteil, aller- dings der wesentlichste, verwendet werden. Beim Menschen kann man verschiedene Ursachen des Riesen- wuchses unterscheiden. Jene abnormen Knochen- resp. Körper- vergrößerungen , die mit ausgesprochener Mißbildung oder Ver- krümmung der Knochen einhergehen oder als Folge von Syphilis auftreten u. dgl. (28, 55), können wir außer acht lassen, wir brauchen uns daher nur um jenen regelmäßigen Riesenwuchs zu kümmern, bei dem die Funktion der mechanische Arbeit verrich- tenden Körperteile nicht gestört wird. Vor allem läßt sich be- sonderer Hoch wuchs bis 200 cm als Folge einer vor der Pubertät vorgenommenen Kastration erkennen (15, 19, 53). Dieser abnorme Wuchs kommt durch Längenwachstum der langen Röhrenknochen zustande , deren Epiphysenfugen eine abnormal lange Zeit offen bleiben (53). Auch am Schädel verzögert sich der Verschluß der Nähte, bei Menschen und Tieren wächst auch die Hypophyse (26, 27, 59), ein auffallendes Größerwerden des Schädels ist aber nicht bemerkbar (15), im Gegenteil, er scheint klein zu bleiben. Das ganze Skelett bleibt schlank und grazil (15, 24). Die langen Röhrenknochen sind zart, alle Muskelansätze, sowie die Muskulatur des ganzen Körpers sind wenig entwickelt. Der Rumpf ist wenig entwickelt und es bleibt der Körper teilweise (z. B. in bezug auf Becken, Kehle und Behaarung) auf einer infantilen Stufe. In der weiteren Umgebung der Geschlechtsteile und bei den Mammae, dann noch seitlich an den oberen Augenlidern sind in der Regel Ueber Dinosaurier. 333 abnorme Fettansammlungen bemerkbar (59, 60). Bei verschiedenen Säugetieren werden infolge frühzeitig vorgenommener Kastration die Extremitätenknochen nicht nur relativ länger, sondern auch relativ schwerer (19), die Rumpfknochen und z. T. auch die Schädelknochen leichter. Ganz ähnliche, nur weniger markante Symptome wie bei Früh- kastraten finden wir beim angeborenen oder ohne Kastration er- worbenen Eunuchoidismus (60), der ja, wie schon der Name be- sagt, stets mit einer Inferiorität der Geschlechtsdrüsen einhergeht resp. von ihr abhängt. Namentlich ist, was uns am meisten interessiert, auch hier ein langdauerndes Offenbleiben der Epiphysen der langen Röhrenknochen konstatierbar. Wegen der Ähnlichkeit des Eunuchoidismus mit dem Kastratentum kann dieser Hinweis genügen und wir können daher weitere Arten der abnormen mensch- lichen Körpervergrößerung besprechen. Eine dieser Arten der Körpervergrößerung scheint sich im Gegensätze zum Kastratentum mehr oder weniger unabhängig von den Geschlechtsdrüsen zu entwickeln. Es ist dies jene Art der Körpervergrößerung , die man als Akromegalie bezeichnet. Ob zwar durch die Akromegalie häufig kein direkter Riesenwuchs der Körperknochen erzielt wird, ist deren Besprechung für das Ver- ständnis des eigentlichen normalen Riesenwuchses beim Menschen doch sehr nötig. Manchmal ist vor dem Auftreten der Akromegalie- symptome eine Wachstumsteigerung bemerkbar. Die Akromegalie äußert sich zunächst in einem Anschwellen der Weichteile der Nase, der Lippe, der Zunge, des Unterkiefers, namentlich aber der Hände und Füße, dann geht mit diesem Anschwellen eine Veränderung der Hand- und Fußknochen einher, wobei zuweilen, und zwar vorwiegend an Rumpf und Schädel, Osteophytenbildung (35) eintritt, die Oberfläche der Knochen wird rauh, die Gefäßfurchen werden vertieft (56), die Muskelansätze stark vergrößert (56), an den Enden .der Metatarsal-, Metacarpal- und Phalangen-Knochen machen sich Verdickungen bemerkbar, die Finger und Zehen rücken daher auseinander und die Hände und Füße bekommen ein tatzen- artiges Aussehen (18). Am Schädel werden die pneumatischen Räume vergrößert (16), der Jochbogen wird verdickt, der Unter- kiefer wird stark vergrößert (16) und die Zähne rücken in extremen Fällen auseinander. Mit diesen Symptomen geht das Zunehmen einer abnorm starken Behaarung einher (25). Die generativen Funktionen werden erst beim Fortschreiten der Krankheit ver- mindert (21, 37, 39). Die Ursache der Akromegalie ist stets in einer (durch ein Adenom bewirkten [31]) temporären Hyperfunktion der Hypophyse gelegen (29); die Hypophysengrube ist dement- sprechend stets vergrößert (39) und vertieft und der Boden der Sattelgrube verdünnt. Da die Akromegalie meist erst zwischen 334 F. B. Nopcsa, Die Erklärung der Abbildungen befindet sich auf p. 351. lieber Dinosaurier. 335 dem 20. und 40. Lebensjahr, also nach Verschluß der Epiphysen- fugen der Röhrenknochen auftritt, wird durch sie das Größen- wachstum der betroffenen Individuen nicht beeinflußt. Durch operatives Entfernen von Hypophysenpartien sind bei dieser Krankheit Heilerfolge erzielt worden (50, 51, 57). Wichtig scheint, daß Fälle von hereditärer Akromegalie bekannt wurden (17, 30). Nun gehen wir auf den eigentlichen Riesenwuchs, den Gigantis- mus über; diese Art der abnormen, durch jugendliches Wachstum hervorgerufenen Körpervergrößerung des Menschen charakterisiert sich dadurch, daß bei ihr anfänglich die Körperproportionen gar nicht gestört werden. Biedl faßt diesen Riesenwuchs , den er, anderen Verfassern folgend, den infantilen Gigantismus nennt (18), als Akromegalie jener Individuen auf, deren Epiphysenknorpel nicht verknöchert sind (20), weshalb dann nicht nur ein Dickerwerden, sondern auch Längenwachstum der Knochen eintritt, und er meint, jeder infantile Riese wird, wenn er so lange lebt, bis seine Epiphysen verknöchern, akromegal werden (18, 20), was ja häufig eintritt. Falta (25) vergleicht den infantilen Riesenwuchs, da bei Riesen die generativen Funktionen häufig vermindert sind, mit dem eunuchoiden ; er meint, am infantilen Riesenwuchs seien außer der Hypophyse auch andere Blutdrüsen beteiligt. Der infantile Riesenwuchs betrifft nach Biedl in erster Linie die Extremitäten (18), namentlich die hinteren, der Rumpf ist bei der Größen- zunahme nur in geringem Maße beteiligt, der Hirnschädel erscheint oft im Vergleiche zum ganzen Körper geradezu klein (42). Die Knorpel an den Epiphysen-Diaphysengrenzen persistieren (20) und es zeigt sich überhaupt mangelhafte Verknöcherung der Nähte, daher das exzessive Wachstum. Die relative Stärke der Knochen ist normal. Zu diesen Symptomen treten bei zunehmendem Alter häufig die für Akromegalie charakteristischen Veränderungen der Knochen. Die Hypophyse der Riesen ist fast immer vergrößert (18, 21, 42). Die allgemeine Widerstandskraft des Körpers der Riesen ist eine geringe, meist folgt auf die rapide Entwicklung ein ebenso rapider Verfall der Kräfte (39, 43). Die geringe Widerstands- fähigkeit des Organismus der Riesen manifestiert sich darin, daß sie zumeist in relativ jugendlichem Alter (20—22 Jahren) akziden- tellen Erkrankungen erliegen. Riesen erreichen daher nur selten ein höheres Alter (39). Eine besondere Fettablagerung ist beim Gigantismus nicht bemerkbar. Abgesehen von infantilen Riesen mit verminderten geschlecht- lichen Funktionen sind, allerdings selten, auch Riesen mit normalem -Geschlechtsleben bekannt geworden (21, 37). Es scheint daher, als ob oft bei einem und demselben Individuum eunuchoider Riesen- wuchs mit akromegalem Hand in Hand einhergehen würde. 336 F. B. Nopcsa, Betreffs der weiteren Details beim Riesenwuchs sei auf die angeführte Literatur gewiesen. Fischer’s Arbeit (29) gibt in bestechender Weise über die bei dem Eunuchentum auf tretende Fettsucht , ferner darüber Aufschluß , welche Rolle der hintere Teil der Hypophyse bei dem mit Riesenwuchs und Akromegalie 'einhergehenden Erlöschen der Geschlechtsfunktionen zu spielen scheint1. An dieser Stelle interessiert uns weniger das Geschlechts- leben der an Hyperpituitarismus leidenden Individuen als deren Knochenbau. Da der abnorme Wuchs der Kastraten bei der Beurteilung des Riesenwuchses der Dinosaurier naturgemäß nicht in Betracht kommt und dasselbe wohl auch für die rein eunuchoide Körper- vergrößerung zutrifft, brauchen wir uns um den Riesenwuchs dieses Typuses im folgenden weiter nicht zu kümmern, wir konzentrieren daher unsere Aufmerksamkeit auf jene Formen des Riesenwuchses, die mit der Vergrößerung der vorderen drüsigen Hypophysenpartie begleitet werden, respektive von ihr ausgehen. Der bei Akromegalen und Giganten in Betracht kommende drüsige Teil des Hypophysebläschens entwickelt sich bei Säuge- tieren und Reptilien in der Ontogenie gleichartig aus einer hin- wärts gerichteten Aussackung der primitiven Mundhöhle, die sich infolge der Ausbildung der korpeligen Schädelbasis von der Mund- höhle abschniirt. Details über die Hypophysenentwicklung scheinen an dieser Stelle nicht nötig, ich weise auf Woerdeman’s Arbeit, die auch die diesbezügliche Literatur anführt (68). Der Weg, welchen die Hypophyse während ihrer Enwicklung .zurückgelegt hat, wird beim Menschen in gewissen Ausnahmsfällen, z. B. bei Fällen von Akromegalie, durch einen den Keilbeinkörper durchsetzenden knöchernen Kanal, den Canalis craniopharyngeus bezeichnet (46, 54). Der Grad der Entwicklung dieses Kanals ist bei den verschiedenen Säugetieren verschieden (45). Beim Menschen sind in dieser Zone häufig vom Rachendach bis zur Hypophyse selbst emporreichende Stücke von Hypophysengewebe konstatierbar, ja in einem Falle von Akromegalie ist ein Tumor so eines Geweberestes bei sonst normaler Hypophyse der Ausgangs- punkt der Akromegalie geworden (18). Wir erkennen aus dieser Schilderung die Wichtigkeit der gegen den Rachen ziehenden menschlichen Hypophyse und wollen nun deshalb dieses Organ auch bei den Dinosauriern betrachten. 1 Adenome des drüsigen Hypophysenteiles bewirken Akromegalie; mechanischer, durch einen beliebigen Hirntumor ausgeübter Druck auf den rückwärtigen nervösen Teil der Hypophyse jedoch Dystrophia adiposo- genitalis, d. h. mit Fettsucht einhergehendes Schwinden der Geschlechts- funktion. Während der Schwangerschaft sind bisweilen akromegaloide Symptome bemerkbar, die später wieder verschwinden. Ueber Dinosaurier. 337 Obzwar wir nichts darüber wissen, wie weit die Glandula pituitaria bei diesen Tieren die Fossa pituitaria füllte, müssen wir uns von der Annahme leiten lassen, daß eine große Fossa pituitaria auf eine große Glandula pituitaria hinweist. Eine genaue Angabe des Raumgehaltes der Hypophyse im Verhältnis zum Raumgehalt des Hirnes ist leider noch bei keinem einzigen Dinosaurier möglich, den folgenden Angaben fehlt daher die mathematische Präzisität, doch läßt sich die Tatsache, ob eine Hypophyse im Verhältnisse zum Hirn groß oder klein sei, auch mit dem Auge schätzen. Namentlich gibt die größere oder geringere Breite der Sella turcica eine gute Handhabe bei der Beurteilung dieser Frage. Raummangel nötigt, die Schilderung der Hypophyse der ein- zelnen Dinosaurier, die wir mit jener der bis in die Trias zurück- reichenden Saurischia einleiten wollen, möglichst kurz zu fassen. I. Saurischia. Wir beginnen mit den Theropoden. 1. The co dontosaurus. Zeichnungen und Photographien der Schädelbasis dieses Tieres sind von Huene (77, 78) mehr- fach publiziert worden. Die Schädelbasis ist gegen das Para- sphenoid hin stark verschmälert, die Hypophyse ist dementsprechend schmal, sie reicht nicht sehr tief und auf ihre geringe Breiten- entwicklung weist bei der Basalansicht des Schädels schon die dreieckige gegen die Hypophysenregion spitz zulaufende Form der Schädelbasis. Da die Fig. 1 die Größe der Hypophyse klar zeigt, ist eine weitere Erörterung nicht nötig. 2. Plataeosaurus. Ein anderer Triasdinosaurier, dessen Hypophyse uns bekannt ist, ist Plataeosaurus (77). Im Gegensätze zu Thecodontosaurus hat hier die Schädelbasis zwischen Condylus und Parasphenoid fast rechteckigen Umriß. In der Lateralansicht (Fig. 3) sieht man , wie sich der hintere Teil der Hypophyse ziemlich tief in den Körper des Keilbeines hinabsenkt. Die Tiefe der Hypophyse entspricht ungefähr der halben Länge der Hirn- basis von der Sella turcica bis zum Foramen magnurn. In der Vorderansicht zeigt sich, daß die Sella turcica bei Plataeosaurus breit ist, die Hypophysengrube war daher allem Gesagten zufolge groß und geräumig. 3. Str eptosp ondylus. Als ich in 1902 Streptospondylus in aller Eile untersuchte *, da fand ich, daß auch hier die Schädel- basis rechteckig und die Sella turcica breit sei, ein besonderes Herabsenken der Hypophyse in den Keilbeinkörper war aber nicht bemerkbar. Schon damals betonte ich , daß eine Ähnlichkeit zwischen dem Bau der Hypophyse dieses Tieres und jenem der Hypophyse des noch zu besprechenden Orthomerus existiere. 1 Dies erklärt das Unterlaufen der von Huene (77) betonten Fehler. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 22 338 F. B. Nopcsa, 4. Meg alosaurus- Unter dem Namen Megolosaurus hat Huene (76) einen Schädelrest beschrieben, der durch eine große, tiefe, breite Hypophyse charakterisiert ist. Sie zeigt breiten rechteckigen Hintergrund und ist im Verhältnisse zum Hirnraum ganz bedeutend entwickelt. Leider ist zwar die untere Begrenzung dieser Grube nicht vorhanden, da aber auch so ein Vergleich mit Thecodontosaurus lehrreich scheint , ist eine Reproduktion dieses Restes in Fig. 4 gegeben. 5. Tyrannosaurus. Der einzige cretacische Vertreter der Theropoden, über dessen Hypophyse einiges bekannt wurde, ist Tyrannosaurus , und zwar sind die diesbezüglichen spärlichen Daten in Osborn’s reich illustrierter Arbeit (86) enthalten. Interessanter- weise fehlt bei Tyrannosaurus eine vordere knöcherne Umgrenzung des Pituitariums. In der Unteransicht erinnert die Basis cranii von' Tyrannosaurus stark an jene von Plataeosaurus, nur senken sich die Tubera basipterygoidea viel stärker abwärts. Osborn hat auf die große Ähnlichkeit der Schädelbasis von Tyrannosaurus mit jener von Diplodocus gewiesen. Da ein Abwärtssenken der basipterygoiden Apophysen, wie wir später sehen werden, in der Regel mit einer Senkung der Hypophyse zusammenfällt, können wir annehmen, daß sich beim cretacischen Tyrannosaurus die Hypophyse gleichfalls tiefer hinab- senkte als beim triadischen Plataeosaurus. . Ob ein offener Canalis craniopliaryngeus persistierte, muß dahingestellt bleiben. Möglicher- weise war die Hypophyse ebenso groß wie bei den noch zu be- sprechenden Sauropoden und vielleicht ist die mangelnde Ver- knöcherung der Hypophysenbasis mit ihrer starken Entwicklung und mit ihrem Hinabsinken in Zusammenhang zu bringen. 6. Sauropoda. Da nur wenig über den Schädelbau der hochspezialisierten und nichts über jenen der primitiven Vertreter dieser Unterordnung bekannt ist, ist es hinreichend, die Hypophyse aller Sauropoden summarisch zu besprechen. Mit Ansichten von Längsschnitten sauropoder Schädel sind wir hinlänglich versehen; solche sind von Huene (79) und Osborn (86) publiziert worden. Was bei beiden bisher bekannten Längsschnitten sauropoder Schädel ohne weiteres auffällt, ist die Größe des Pituitarium. Die Tiefe des Pituitarium erreicht in beiden Fällen fast dieselbe Dimension wie die Länge der Medula oblonga von der Sella turcica bis zum Foramen magnum, ja bei Atlantosauriden steht das Pituitarium durch das Keilbein hindurch mit der Rachenhöhle in Verbindung (80). Ein enger Canalis craniopliaryngeus wird auch bei den Morosauriden angeführt1. Um die ungeheure Entwicklung und die taschen- 1 Die ähnliche Bildungen behandelnden Arbeiten von Dollo (bei Mosa- sauriern) und Andrews (bei Ichthyosauriern) u. a. fallen außerhalb des Rahmens dieser Notizen. Ueber Dinosaurier. 339 artige Aushöhlung des Pituitariums dieser Tiere, namentlich des Camarasaurus , klar zu demonstrieren, halte ich es für angezeigt, die diesbezüglichen Abbildungen Huene’s (Fig. 6) und Osborn’s (Fig. 5) vereinfacht zu reproduzieren: dies sagt mehr als eine ausführliche Beschreibung. II. Orthopoda. Nach der Besprechung der Saurischia gehen wir nun auf die Orthopoden über. Wir beginnen mit den Ornitho- poden. Schädel triadischer Ornithopoda sind leider noch immer ein Desideratum. Erst aus dem Wealden ist ein primitiv gebauter ornithopoder Dinosaurier, nämlich Hypsilophoäon, bekannt, über dessen Hypophysenbau wir einiges erschließen können. 7. Hypsilophoäon. Die Größe der Hypophyse dieses für die Wealdenformation als Belikt zu bezeichnenden Tieres läßt sich aus der Struktur seiner Schädelbasis erkennen. Diese ist, worauf ich schon in 1905 aufmerksam machte (83) und wie dies auch aus einem Vergleiche von Fig. 2 und Fig. 7 hervorgeht, völlig nach dem Typus Thecodontosaurns gebaut, und da sich bei Hypsilophoäon auch der Körper des Basisphenoids bei den basipterygoiden Apo- physen nicht verdickt, können wir kaum ein tieferes Pituitarium erwarten: wir sind genötigt, eine ähnliche Hypophyse anzunehmen wie bei Thecodontosaurus. 8. Rhahäodon. Hinlänglich sind wir über das Pituitarium bei Rhabdodon und dem nahe verwandten Camptosaurus unterrichtet. Die Hypophyse von Rhabdodon (82) und Camptosaurus (69) ist schmal und klein, die Sella turcica ist gleichfalls schmal, die Hypophyse senkt sich nur wenig in den Knochen. Wie schon 1905 erwähnt wurde, erinnert die Hypophyse, wie überhaupt das ganze Basioccipitale und das Basisphenoidale dieser Tiere stark an die nämlichen Knochen der Parasuchier \ wogegen die Pseudo- suchier eher an den Thecodontosaurus- Hy psilophodon Typus gemahnen. Die Ansicht eines Pituitariums so eines Rhabdodon- Schädels ist in Fig. 8 gegeben, man konstatiert leicht, daß es kleiner war als bei Plataeosaurus. 9. Iguanodon. Iguanodon unterscheidet sich von Rhabdodon in einer beträchtlichen Anzahl von Punkten. Die Schädelbasis ist vorne breiter, die Hypophyse geräumiger und senkt sich tiefer in das Basisphenoid als in der vorhergehenden Form. Die Abbildung von Andrews (64) zeigt die Verhältnisse mit wünschenswerter 1 Was ich 1. c. Gr essly osaurus nannte, entpuppte sich später als mit Gresslyosaurus zusammen gefundener Schädelrest eines Belodontiden : der damals Zanclodon genannte Rest ist jener, der später von Huene als Plataeosaurus beschrieben und als solcher in den vorhergehenden Zeilen besprochen wurde. Weshalb er 1905 noch Zanclodon genannt wurde, ist aus Huene’s Arbeit über die Nomenklatur der triadischen Theropoden zu entnehmen (dies. Centralbl. 1905). 22* 340 F. B. Nopcsa, Klarheit. Im Text erwähnt Andrews, daß die Hypophyse auf- fallend groß sei. 10. Ortliomerus. Stärker als bei Igucmodon ist die Hypophyse bei Ortliomerus entwickelt (82). Die Schädelbasis ist bei den basi- pterygoiden Apophysen fast gleich breit wie zwischen dem Condylus und den Tubera basioccipitalia, die Sella turcica ist dementsprechend breit, die Hypophyse liegt in einer geräumigen kubischen Höhle. Es fällt nicht schwer, die Ähnlichkeit zwischen diesem in Fig. 9 abgebildeten Hypophysentypus und jenem von Plataeosaurus (Fig. 3) zu entdecken. 11. Thyreophora. Trotz der zahlreichen Genusnamen fehlt uns in dieser Unterordnung dennoch das Material, um die konti- nuierliche Entwicklung der Hypophyse innerhalb der einzelnen Familien, nämlich Stegosaurididae, Acanthopliolididae und Cerato- psididae auch nur annähernd zu vergleichen. Bei den Acanthopholididae verjüngt sich, wie Struthiosaurus (Fig. 10) zeigt (87), das Basisphenoid gegen vorne, die Sella turcica ist klein, auch senkt sich das Pituitarium nur unbedeutend in den Knochen. Durch seine beiden, erst bei den Ceratopsiden wieder bemerkbaren Röhren oberhalb des eigentlichen Schädeldaches zeigt sich der Schädel von Ankylosaurus von jenem von Struthiosaurus fundamental verschieden, über seine Hypophyse ist aber bisher nichts bekannt geworden. Bei Stegosaurus (Fig. 11) ist das vordere Ende des Basisphenoids breit, aber die Hypophyse nicht übergroß oder geräumig (70), bei Anchicer atops, der eine Zwischenstellung zwischen Monoclonius und Triceratops einnimmt, ist die Hypophyse, wie die Abbildung Brown’s im Bull. Amer. Mus. Nat. hist, von 1914 zeigt, gut entwickelt, aber nicht besonders stark in den Knochen eingesenkt. Nach den Abbildungen zu schließen, scheint dieses Organ hier ungefähr die nämliche Größe zu haben wie in Stegosaurus. Bei Triceratops ist die Hypophyse, wie aus Hatcher’s Monographie (71) und anderen Arbeiten hervorgeht, ungefähr gleich stark entwickelt. Sonst ist über die Ausbildung der Hypophyse bei den Dinosauriern nichts bekannt geworden. Bekanntermaßen sind die Sauropoda die größten Formen unter den Dinosauriern, und da sie nun, wie wir gesehen haben, auch die größten Hypophysen haben, verlohnt es sich, die Körpergröße der übrigen bisher erwähnten Dinosaurier mit deren Hypophysen- größe zu vergleichen. Wir beginnen wieder mit den Theropoden. Thecodonto- saurus ist, wie wir durch Huene’s Arbeiten wissen, viel kleiner, dabei schlanker und zarter gebaut als Plataeosaurus ; der möglicher- weise ausgewachsene Pariser Streptospondylus war kleiner als Me- galosaurus , allerdings auch kleiner als die großen Plataeosau- riden, Tyrannosaurus war Osborn’s Angaben zufolge noch größer als Megalosaurus. Ueber Dinosaurier. 341 Die ungeheuere Körpergröße von Diplodocus und Camara- saums braucht kaum noch einmal hervorgehoben zu werden. Da Thecodontosaur us am Anfänge der über die Plataeosauriden zu den Sauropoden führenden Entwicklungsreihe liegt (79), ist ein direkter Vergleich dieser drei Formen ebenso gestattet wie jener von Str eptospondylus und Meg alosaurus. Es zeigt sich also, daß bei den Saurischiern im gleichen Phylum in drei Fällen mit einer Zunahme der Körpergröße und der Verdickung der Kno- chen eine Zunahme der Hypophyse, nicht aber eine Vergrößerung des Schädels oder Hirnes Hand in Hand geht. Nun gehen wir, da die Ortliopoden und die Saurischier sehr viele gemeinsame Merkmale haben, weshalb wir sie ja eben als Dinosaurier zusammenfassen und da man daher auch in bezug auf die Hypophyse eine Übereinstimmung erwarten kann, auf die Ortho- poden über. Wegen Mangel an Vergleichsmaterial ist bei den Thyreo - phora das Aufstellen einer Korrelation zwischen Hypophyse und Körpergröße noch nicht recht möglich; auf die Tatsache nämlich, daß in dieser Unterordnung der kleine Struthiosaurus möglicher- weise eine etwas kleinere Hypophyse hat als die großen Formen anderer Familien, darf man kein allzu großes Gewicht legen. Besser steht die Sache bei den Ornithopoda. Hier müssen wir die Familie Kalodontidae Nopcsa und Trachodontidae trennen. Hypsi- lophodon mit seiner flachen, vorne verschmälerten Schädelbasis ist der kleinste Ornithopode, Camptosaurus und Bliabdodon sind schon bedeutend größer und Iguanodon ist wieder größer als diese Formen. Von JRhabdodon und Camptosaurus wissen wir nun positiv, daß sie kleinere Hypophysen hatten als Iguanodon. Eine Ausnahme von der auf diese Weise schon bei mehreren Dinosauriern festgestellten Regel, daß eine große Hypophyse mit großem Körperbau einhergeht, seheint Orthomerus zu bilden, denn die relative Größe der Hypophyse ist bei diesem Tiere bedeutender als beim amerikanischen Camptosaurus, die Körperdimensionen sind aber kaum um vieles größer, ja wahrscheinlich kleiner. Diese Ausnahmestellung von Orthomerus von der allgemeinen Regel ist indessen in diesem Falle nur scheinbar, denn erstens liegt Ortho- merus nicht in der Entwicklungsreihe Hypsilophodon — Camptosaurus — Iguanodon, sondern abseits dieser in einer anderen Familie, dann ist aber die Kleinheit des Körpers von Orthomerus nicht nur bei ihm, sondern auch bei allen anderen obercretacischen Dinosauriern, die mit ihm zusammen gelebt haben, konstatierbar, und zwar ist sie bei allen diesen Formen offenbar erst sekundär durch insulare Isolation hervorgerufen wrorden (84). Infolge aller dieser Umstände darf man Orthomerus, sogar wenn man seine systematische Stellung außer acht läßt, nicht mit den großen amerikanischen Camptosauriern, sondern höchstens mit dem 342 F. B. Nopcsa, kleinen Ehabdodon vergleichen, der unter denselben ungünstigen Verhältnissen wie Ortliomerus lebte, und da zeigt sich nun beim Vergleiche des kleinen Ortliomerus mit dem noch kleineren Rhab- dodon nur neuerdings die zuvor ausgesprochene Regel, denn die Zunahme der Körpergröße geht auch in diesem Falle mit Zunahme der Hypophyse Hand in Hand. Leider ist die genauere Kenntnis des Pituitariums der großen nordamerikanischen Trachodontiden noch immer ein Desideratum, so viel ist aber gewiß, daß es größer war als bei den großen nordamerikanischen Camptosaurier- Arten. Bisher haben wir uns nur über die Größe der Skelette der einzelnen von uns besprochenen Formen gekümmert, nun müssen wir uns ihre Knochen-Struktur und den Grad der Verknöcherung ihrer ganzen Skelette in Betracht ziehen. Hier stellt sich eine größere Schwierigkeit entgegen, denn vor allem wird es oft, so- ferne nicht mehrere Individuen einer Art vorliegen, schwer, darüber zu entscheiden, ob eine jugendliche und daher knorpelreiche oder eine trotz ihres Knorpelreichtums adulte Form vorliegt; im allge- meinen werden wir uns daher nicht bloß nach den Knorpelkappen der Gelenkflächen, sondern auch nach der relativen Dicke und Poro- sität der Knochen richten müssen; außerdem gibt uns die Anzahl der Sakralwirbel freilich auch einen Anhaltspunkt zum Beurteilen des Alters mancher Tiere. Im allgemeinen fällt es bei den Dino- sauriern auf, daß ihr Sternum sehr schwer verknöchert. Bei Thecodontosaurus sind die Knochen schlank, die Wirbelbogen sind mit den Zentren verwachsen, doch die Nähte persistieren. Wie bei allen triadischen Theropoden sind die Ge- lenkflächen an den Extremitätenknochen nur schlecht ausgebildet, im Gegensätze hiezu sind aber die Nähte des Occiput gut ver- knöchert (77). Besondere Rauheit der Röhrenknochen ist bei den Muskelansätzen nicht bemerkbar. Bei Pia taeosaurus sind die Knochen bedeutend gröber, die Knorpelmassen bleiben dieselben wie bei Thecodontosaurus, die Muskel- ansätze sind relativ stärker. Da im Oxforder Streptospondylus nur ein Jugendexemplar vorliegt, ist es schwer, über die adulte Form Genaueres zu sagen, immerhin läßt sich aber das feststellen, daß die Extremitätenknochen relativ leichter und die Gelenkflächen dieses Tieres besser gerundet sind als bei den triadischen Theropoden, wogegen der größere Megalo- saurus in Wirbel und Extremitäten bedeutend gröbere Knochen- struktur und weniger markierte Gelenkflächen aufweist. Im Ver- hältnisse zu Megalosaurus ist die Oberfläche der Röhrenknochen von Streptospondylus glatt zu nennen. Ganz spezielles Interesse beanspruchen die Sauropoden. Die Wirbelsäule zeigt bei dichter Knochenstruktur und glatter äußerer Knochenwand große pneumatische Hohlräume, die sich zuweilen (z. B. Titanosaurus ) auch auf das dorsale Rippenende erstrecken, Ueber Dinosaurier. 343 die Extremitätenknochen sind außen dicht, innen jedoch spongiös und zeigen an ihren Gelenksenden, daß sie mit mächtigen Knorpel- schichten bedeckt waren. Die Oberfläche der Knochen ist rauh, die Muskelansätze sind durch tiefe Rillen markiert. Der Unter- schied, der bei den Sauropoden zwischen der Knochenstruktur des leichten Stammskelettes mit seiner glatten Knochenoberfläche und den schweren Extremitätenknochen besteht, ist schon von Matthew (81) hinlänglich betont worden. Matthew meinte, der leichte Rumpf und die schweren Füße dienten dazu, diesen Wasserbewohnern im Wasser größere Stabilität zu verleihen. Auf die Stichhaltigkeit dieser von Hay (74) angegriffenen Annahme werden wir noch zu- rückzukehren haben. Der Schädel der Sauropoden bleibt klein, möglicherweise ist die mittlere Fontanelle im Schädeldache von Diplodocus als Ossifikationsverzögerung zu deuten. Bei JDiplo- docus rücken auch die Zähne weit auseinander, und sind bloß ein- fache Stäbe. Entschiedene Ossifikationsverzögerung ist im Schulter- gürtel aller Sauropoden zu konstatieren. Verknöcherte Sterna von Sauropoden sind, obzwar diese Tiere wohlentwickelte Vorderfüße hatten, nur selten gefunden worden. Erwähnenswert scheint bei den Sauropoden auch noch die starke Verbreiterung der Metapoden und Phalangen an ihren distalen und proximalen Enden. Weniger klar als bei den Saurischia verhalten sich die Ver- hältnisse bei den Orthopoden. Der einzige Ornithopode, bei dem die Verknöcherung am Skelette normalerweise dermaßen vorge- schritten ist, daß es zur Bildung eines wohlverknöcherten Sternums kommt, ist Hy psilopho don. Seine Röhrenknochen sind dicht, glatt und relativ dünnwandig; ihre Markräume sind groß. Bhabdodon hatte, wie das aus den relativ weniger ent- wickelten Gelenkflächen erkennbar ist, schon bedeutend stärkere Knorpelmassen an den Gelenkflächen als Hypsüophodon , bei Ortho- merus treten ebensolche Gelenkflächen auf wie bei Bhabdodon , doch ist die Markhöhle im Femur relativ kleiner als bei Bhabdodon. Die konvexokonkaven Halswirbel von Orthomerus (84) zeigen im Gegensätze zu den schwach bikonkaven Halswirbeln von Bhab- dodon (84), daß in diesem Falle die bessere Ausbildung der Ge- lenkflächen der Extremitäten bloß das Resultat einer schnelleren Lokomotion ist, die sonst schwerere Bauart der Röhrenknochen von Orthomerus wird durch ihre bereits erwähnte innere Struktur bewiesen. Bei Claosaurus sind die Röhrenknochen endlich an- geblich gar massiv. Die Muskelansätze sind bei Orthomerus etwas stärker entwickelt als bei Bhabdodon, doch kann in diesem Falle auch dies gleichfalls als die bloße Folge der schnelleren Loko- motion aufgefaßt werden. Orthomerus repräsentiert auf diese Weise einen jener seltenen Fälle, wo mit Zunahme der Körpergröße die Agilität nicht abnimmt, aber die Knochenmasse zunimmt. Daß eigentlich ein Vergleich zwischen Orthomerus und Bhabdodon nicht 344 F. B. Nopcsa, ganz zulässig ist, da sie nicht in parallelen, sondern in divergie- renden Phylen des ornithopoden Stammbaumes liegen, ist schon erwähnt worden. Bei den Thyreophoren war das Skelett im allgemeinen gut entwickelt. Die einzigen Thyreophoren, bei denen wir eine mangel- hafte Verknöcherung der Gelenkflächen der langen Röhrenknochen und spongiösen Knochenbau konstatieren können, sind einige Spezies von Dacenturus und Steg osaurus (Nopcsa, Notes on british Dino- saurs. IV. Geol. Mag. London 1911). Auch bei Stegosaurus greift der Mangel der Skelettbildung nicht auf die wohlverknöcherten Rückenwirbel über, und interessanterweise läßt sich bei diesem Tiere auch dieselbe Verdickung der Metapodien- und Phalangenenden konstatieren wie bei den Sauropoden. Sternalknochen sind selten. Stegosaurus ist, wie uns sein schwerer Panzer, sein lateral komprimierter Körper und seine langen Beine zeigen, höchstens ein Sumpftier gewesen, sogar dies ist unwahrscheinlich, keineswegs war er ein Schwimmtier. Der Knochenbau der Extremitäten ist ein analoger wie bei den semiaquatischen Sauropoden, von jenem des in Sümpfen lebenden, relativ guten Schwimmers Trachoclon (96) aber sehr verschieden, wir sehen also, daß es nicht angeht, wie es bisher geschehen ist, für den schweren Knochenbau der Sauropoden-Extremitäten kurz und bündig bloß ihre aquatische Lebensweise verantwortlich zu machen. Zusammenfassung aller Ergebnisse. 1. In erster Linie zeigt es sich, daß bei diesen Tieren im großen und ganzen mit der Zunahme der Körpergröße eine Zunahme der Hypophyse ihrem Hirn gegenüber Hand in Hand geht, und diese Hypophysenveränderung wird in fast allen beobachteten Fällen von einem Massigerwerden der Extremitäten- knochen, ja in den extremsten Fällen, wie bei den Sauropoden und Stegosauriern, von einer Permanenz großer Knorpelmassen an den Extremitätengelenken begleitet. Offenbar war es diese starke Knorpelentwicklung, durch die die kolossale Größenzunahme dieser Tiere ermöglicht wurde. Die Größe des Hirnschädels bleibt fast stationär. Bei Sauropoden und Stegosauriern ist ferner auch eine Verdickung der Gelenkenden der in ihrer Mitte stark ein- geschnürten Metapodien und Phalangen festzustellen. Im Gegen- sätze zu Sternum und Extremitäten wird die Wirbelsäule von den Ossifikationsverzögerungen nicht oder nur unbedeutend betroffen. 2. Ein Vergleich dieser Beobachtungen mit den beim Gigan- tismus und bei der, wie schon früher betont wurde, zuweilen hereditär auftretenden Akromegalie gemachten , zeigt eine weitgehende Übereinstimmung : Beiden ist die in pathologischen Fällen wenigstens temporäre Zunahme der Hypophysenfunktion, resp. der Hypophysengrube, gemeinsam, bei beiden entsteht der Ueber Dinosaurier. 345 Riesenwuchs durch Persistenz des Knorpels, der Hirn raum wird nicht verändert, ja es hat sich sogar die bei Akro- megalie bemerkbare Verdickung der Phalangen bei den Dinosauriern vorgefunden. An Eunuchentum erinnert bei den Dinosauriern die Gewichtszunahme der Extremitäten. Auch das Eunuchentum wird von einer Hypophysenvergrößerung begleitet. Nach dieser Zusammenstellung liegt es an der Hand, den Riesen- wuchs vieler Dinosaurier, zumal der Sauropoden, als Resultat einer Verstärkung der Hypophysenfunktion zu deuten. 3. Das Aussterben dieser Tiere würde seine Er- klärung in der geringen Widerstandskraft eines jeden, auch des normal gebauten Riesenkörpers finden, es sei denn, daß man es vorzieht, an eine Abnahme ihrer geschlechtlichen Funktionen zu denken. In einer vorigen Arbeit mußte ich das Allssterben der Sauropoden noch eine offene Frage nennen ; durch Nahrungsmangel schien es nicht erklärbar (84) ; daß es mit der Knorpelentwicklung zusammenhängt, habe ich schon in 1911 an- gedeutet (Geol. Mag. 1911, p. 148); heute stehen wir, scheint es, der Beantwortung der Frage dieses Aussterbens bedeutend näher. Weshalb bei den Dinosauriern die Vergrößerung und die Funktions- steigerung (?) der Hypophyse eintritt, ist freilich eine noch unbe- antwortete Frage, doch ist diese ebenso dunkel wie z. B. die Frage, warum beim Menschen durch Schilddrüsendefekt bewirkter Kretinismus vorkommt. Die Frage über die Ursache des Größerwerdens der Dinosaurier ist nicht gelöst, sie ist aber durch diese Betrachtungen auf ein anderes Gebiet verschoben und der Paläontologie entzogen (?) worden. Schon 1905 habe ich auf die physiologische Wichtigkeit der verschiedenartigen Entwicklung der Basis Cranii der Dinosaurier gewiesen, damals versprach ich, dies.es Thema gelegentlich zu er- örtern, dies ist hiemit geschehen, Sache der amerikanischen Palä- ontologen wird es nun sein, uns an der Hand ihres Materials genaue Daten über die relative Größe von Hirnraum und Hypo- physenraum zu geben. Literatur. (Ausführliche Literaturverzeichnisse über das in diesem Abschnitte behandelte rezente Material findet man in den Arbeiten von Biedl, Falta, Meige, Stern- berg und Woerdemann. — Die Literatur über das fossile Material ist nahezu komplett.) a) Über rezentes Material. (15) Becker: Über das Knochensystem eines Kastraten. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1899. (16) Benda: Die Akromegalie. Deutsche Klinik. 1903. (17) Bertolotti: Contribution a l’etude du Gigantisme acromegalo-infantüe. Nouv. Iconogr. de la Salpetriere. Paris 1910. (18) Biedl: Innere Sekretion. Wien 1913. 346 F. B. Nopcsa, (19) Briau : L’influence de la Castration . . . sur le developement du squel- lette. Gazette hebdomaire de Medecine et Chirurgie. 1901. (20) Brissaud-Meige : Type infantile du Gigantisme. Nouv. Iconogr. de la Salpötriere. Paris 1904. (21) Buday-Jancso: Ein Fall von pathologischem Biesenwuchs. Deutsch. Archiv f. klinische Medizin. 1898. (22) Cagnetto: Neuer Beitrag zum Studium der Akromegalie. Virchov’s Archiv. 1907. (23) Dietrich: Knochen- und Gelenkveränderungen bei der Akromegalie. Verhandl. deutsch. Patholog. Gesellschaft. 1909. (24) Ücker: Zur Kenntnis des Körperbaues schwarzer Eunuchen. Abhandl. Senckenberg. Naturforsch. Gesellschaft. 1864. (25) Falta: Die Erkrankungen der Blutdrüsen. Berlin 1913. (26) Fichera: Ancora sulla ipertrofia della ghiandola pituitaria. Boll. real. acad. Medica. Borna 1905. (27) — Sulla ipertrofia della ghiandola pituitaria consecutiva alla castrazione. Boll. real. Acad. Medica. Borna 1905. (28) Fischer: Der Biesenwuchs. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 1880. (29) — Die Beziehungen des Hypophysentumors zur Akromegalie und Fettsucht. Frankfurter Zeitschr. f. Pathologie. 1910. (30) Franchini: Encore sur Pacromegalie. Nouv. Iconogr. de la Salpötriere. Paris 1908. (31) Fraenkel-Stadelmann-Benda : Klinische und anatomische Beiträge zur Lehre von der Akromegalie. Deutsche Medizin. Wochenschr. 1901. (32) Frantzel: Über Akromegalie. Deutsche Medizin. Wochenschr. 1888. (33) Gallais: Gigantisme acromegale sans elargissement de la seile turcique. Nouv. Iconogr. de la Salpö friere. Paris 1912. (34) Geddes: Abnormal growth in absence of functioning testicles. Proc. Boy. Soc. Edinb. 1910. (35) — Beport on an acromegalic Skeleton. Journal of Anatomy and Physiology. London 1911. (36) Hoppe: Leontiasis ossea, acromegaly and sexual infantilism. Journal of nervous and mental disturbances. 1912. (37) Huchard-Launois : Gigantisme acromegale. Soc. Medic. des höpitales. Paris 1903. (38) Hudovering-Popovits : Gigantisme precoce avec developement pr&coce des organs genitaux. Nouv. Iconogr. de la Salpötriere. 1903. (39) Hutchinson Woods: The pituitary gland as a factor in Acromegaly. New York MedicaL Journal. 1898 and 1900. (40) Keith: An inquiry into the nature of the skelettal changes in acromegaly. Lancet. London 1911. (41) Koch: Demonstration eines Schädels mit Leontiasis ossea. Zeitschr. f. Ethnologie. Berlin 1909. (42) Langer: Wachstum des menschlichen Skelettes in bezug auf Biesen. Denkschr. Akad. d. Wiss. Wien 1872. (43) Launois-Boy: Gigantisme et infantilisme. Nouv. Iconogr. de la Sal p§ friere. Paris 1902. (44) — Gigantisme et acromegalie. Nouv. Iconogr. de la Salpßtriere. Paris 1903. (45) Le Double: Le canal cranio-pharyngien. Bull, et Mem. Soc. Anthropol. Paris 1903. (46) Levi-Trachini: Contribution ä la connaissance du Gigantisme. Nouv. Iconogr. de la Salp§ friere. Paris 1909. Ueber Dinosaurier. 347 (47) ' Mayer: Über Beziehungen zwischen Keimdrüsen und Hypophysis. Archiv f. Gynäkologie. 1910. (48) Meige : Sur le Gigantisme. Archives generales de Medecine. Paris 1902. (49) Salle: Über einen Fall von angeborener Größe der Extremitäten etc. Jahrb. f. Kinderheilkunde. 1912. (50) Schloffer: Mehrere Artikel über Hypophysen-Operationen. Wiener klin. Wochenschr. 1907. / (51) Schultze-Fischer: Zur Lehre von der Akromegalie. Mitteilung d. Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie. 1912. (52) Schwoner: Über hereditäre Akromegalie. Zeitschr. f. klin. Medizin. Supplementheft 32. (53) Sellheim: Kastration und Knochenwachstum. Hegar, Beitr. z. Ge- burtshilfe und Gynäkologie. 1899. (54) Sotti-Sarteschi: Sur un cas d’agenesie du Systeme hypophisaire. Archiv italien. de Biologie. Paris 1912. (55) Sternberg: Beiträge zur Kenntnis der Akromegalie. Zeitschr. f. klin. Medizin. 1895. (56) — Die Akromegalie (in Nothnagel: Spezielle Pathologie und Therapie. Wien 1903). (57) Strumme: Akromegalie und Hypophyse. Archiv f. klin. Chirurgie. Berlin 1908. (58) Tamburini: Beitrag zur Pathogenese der Akromegalie. Zentralbl. f. Nervenheilkunde und Psychiatrie. (59) Tandler-Gross: Einfluß der Kastration auf den Organismus. Wiener klin. Wochenschr. 1907. (60) — Einfluß der Kastration auf den Organismus. Teil I — III. Archiv f. Entwicklungsmechanik. 1909 und 1910. (61) Tolken: Zur Pathologie der Hypophyse. Mitteilungen aus d. Grenz- gebiete der Medizin und Chirurgie. 1912. (62) Tschirwinsky: Entwicklung des Skelettes bei Schafen. Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1910. (63) Woerdemann: Vergleichende Ontogenie der Hypophyse. Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1914. b) Über fossiles Material. (64) Andrews: Cast of Brain cavity of Iguanodon. Annals Mag. nat. Hist. 1897. (65) Branca: Die Riesengröße sauropoder Dinosaurier etc. Archiv f. Bionto- logie. Berlin 1914. (66) Brown: Anchiceratops , a new Genus of horned Dinosaurs. Bull. Amer. Mus. Nat. hist. 1914. (67) Burckhardt: Das Gehirn von Triceratops flabellatus. N. Jahrb. f. Min. etc. 1892. (68) Dollo: Sur les epiphyses des Lacertiliens. Zoolog. Anzeiger. 1884. (69) Gillmore: Osteology of the Jurassic reptile Camptosaurus. Proc. U. S. Nat.-Mus. Washington. 1909. (70) — Osteology of the armored Dinosauria in the United States National- Museum, with spezial references to the Genus Stegosaurus. Bull. U. S. Nat.-Mus. Washington. 1914. (71) Hatcher-Lull: Ceratopsia. U. S. Geological Survey Monografs. 1909. (72) Hay: Skull and Brain of Triceratops with a remark etc. Proc. U. S. Nat.-Mus. 1909. 348 F. B. Nopcsa, (73) Hay: On the manner of locomotion of Dinosaurs. Proc. Washington Acad. of Science. 1910. (74) — Further Observations on Sauropodous Dinosaurs. American Na- turalist. 1911. (75) Holland: Osteology of Diplodocus. Memoirs Carnegie Museum. Pitts- burgh 1905. (76) Huene: Das Hinterhaupt von Megalosaurus von Stonesfield. N. Jahrb. f. Min. etc. 1906. (77) — Die Dinosaurier der europäischen Triasformation. Geol. u. Paläont. Anhandl. Jena. Suppl.-Bd. I 1907 — 1908. (78) 1 — Nachträge zu meinen früheren Beschreibungen triassischer Sau- rischia. Geol. u. Paläont. Ab landlungen. Jena 1914. (79) — Über die Zweistämmigkeit der Dinosaurier mit Beiträgen zur Kennt- nis einiger Schädel. N. Jahib. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXXVII. 1914. (80) Marsch: The Dinosaurs of North America. Annual Rep. U. S. Geol. Surv. 1896. (81) Matthew: The pose of Sauropodous Dinosaurs. Amer. Natural. 1910. (82) Nopcsa: Dinosaurierreste aus Siebenbürgen. III. Weitere Reste von Mochlodon. Denkschr. d. Akad. d. Wiss. Wien 1903. (83) — Notes on British Dinosaurs. I. Hypsüophodon. Geol. Mag. London 1905. (84) — Die Dinosaurier der siebenbürgischen Landesteile Ungarns. Jahr- buch ungar. geolog. Reichsanstalt. Budapest 1915. (85) Osborn: Tyrannosaurus, an upper cretaceous Dinosaur. Bull. Amer. Mus. Nat,. Hist. 1906. (86) — Crania of Tyrannosaurus and Allosaurus. Mem. Amer. Mus. Nat. Hist. New York 1912. (87) Seeley: The reptile fauna of the Gosauformation. Quart. Journ, geol. Soc. London 1881. 3. Über die Pubis der Orthopoden. Obzwar schon ungemein viel über die Pubis der Ortliopoden geschrieben wurde, scheint es, als ob die Frage, wie die einzelnen Teile dieses Knochens zu deuten seien , noch immer nicht ge- klärt wäre. Im großen ganzen stehen sich zwei Ansichten gegenüber: die einen halten den hinteren, die anderen den vorderen Ast der Orthopodenpubis für den der Reptilien-Pubis homologen Knochen des Beckens. Auf die morphologische Ähnlichkeit des orthopoden Beckens mit dem der Vögel ist seit jeher hingewiesen worden. Mehnert war der erste, der auf die Rotation der Vogelpubis während der Ontogenie hinwies, und dementsprechend haben wir bei den Vögeln den dem Ischium parallelen Knochen als Pubis zu deuten. Das distale Ende dieser Pubis ist gegen die Median- linie des Körpers gerichtet. Vor dem Acetabulum ist, bei manchen Vögeln, wie auch Lebendinsky (93) richtig betont, als Neu- erwerbung der Processus pectinealis zu treffen. Darauf, daß der Processus pectinealis besonders bei Lauf- und Schwimmvögeln entwickelt ist, hat schon Marsh gewiesen, Lebendinsky hat diese Beobachtung bestätigt. Ueber Dinosaurier. 349 Selbst hatte ich infolge der Liebenswürdigkeit von Dr. Pycrafft vor Jahren am britischen Museum Gelegenheit, die Entwicklung des Processus pectinealis an zahlreichen Vogelbecken zu unter- suchen. Er entwickelt sich als Knochen in der Regel erst, wenn die Beckenelemente miteinander verknöchern, und zwar hauptsäch- lich vom Ilium. Die Pubis ist an seiner Bildung bei Rhea z. B. nur durch eine ganz kleine Tuberosität beteiligt und auch dieser Pubishöcker wird von der vom Ilium ausgehenden Verknöcherung weit überwuchert, so daß sich der Processus pectinealis fast aus- schließlich als ein Produkt des Ilium darstellt. Der Processus pectinealis ist stets gegen außen und gegen die letzten Rippen gerichtet. Bei Apteryx erstreckt sich das intercostoidale Ge- webe gegen rückwärts bis an die Spitze des Processus pectinealis und ist daran befestigt. Vorne und außen befestigt sich, wie ich mich an mehreren frischen Rhea- Kadavern überzeugen konnte, an dem Processus pectinealis der Musculus ambiens, und ein mechani- sches Anziehen dieses Muskels, resp. seiner Sehne oberhalb des Knies, bewirkte bei fixiertem Ober- und Unterschenkel stets ein Zusammenziehen der Zehen. Wenn man nun einen Hahn im Hühnerhof beobachtet, so sieht man, wie er bei jedem Schritte nicht nur den Unterschenkel hebt, sondern die Zehen langsam und scheinbar bedächtig einzieht, wodurch es ihm dann möglich wird, jeden Fuß mit vorwärts ge- richteter Mittelzehe nahe zu der Mittellinie des Körpers wieder auf den Boden zu stellen, ohne daß die Zehen des betreffenden Fußes hiebei den Unterschenkel des anderen Fußes berühren. Man begreife die Wichtigkeit dieser Einrichtung bei einem zweibeinigen Lauftier, bei dem es, wie Lebendinsky (92) betonte, von Wichtig- keit ist, die beiden Extremitäten möglichst nahe zur Medianlinie auf den Boden zu setzen. (Der Abstand der beiden Acetabula voneinander ist bei Laufvögeln kleiner als bei anderen Vögeln.) Gehen wir nun auf die Orthopodenpubis über. Die Pubis dieser Tiere besteht aus zwei Ästen , einem hinteren , der mit seinem Gegenüber gegen die Mittellinie des Körpers konvergiert, und einem vorderen, der jedoch nicht gegen die Mittellinie des Körpers, sondern genau so auswärts gegen die letzten Rippen gerichtet ist wie der Processus pectinealis der Vögel. Die Richtung dieses Knochenteiles gegen vorne kann man prächtig an Osborn’s (96) Abbildung des Skelettes von Tracliodon konstatieren. Die Auswärtsrichtung dieses Pubisastes ist eine Eigenschaft, die bei keiner einzigen unzweifelhaften Reptilienpubis vorkommt, und deshalb rentiert es sich nun, die phylogenetische Geschichte dieses Pubisteiles zu verfolgen. Der vordere Pubisteil der orthopoden Dinosaurier ist am schwächsten bei den auch sonst primitiven Ornithopodiden, nämlich Hypsilophodon, Camptosaurus und Laosaurns entwickelt; hier bildet er nur einen spitzen Fortsatz und ist viel kleiner als 350 F. B. Nopcsa, Ueber Dinosaurier. der rückwärtige Ast der Pubis. Bei Iguanodon ist der vordere Pubisast , wie man an jedem Gipsabgüsse des Skelettes dieses Tieres sehen kann, der größere von beiden Pubisästen, und zwar hat er hier die Gestalt eines breiten, flachen Knochens mit gegen vorne fast divergierenden Rändern, wogegen der hintere, gegen die Medianebene gerichtete Pubisast stabförmig ist. Bei den ober- cretacischen Tracliodontiden, z. B. T r ach o dort und Saurolophus , ist der vordere Pubisast vorne verbreitert, der hintere Pubisast auf einen langgezogenen Stachel reduziert (88). Es besteht somit kein Zweifel, daß sich auf der Linie Camptosannis — Trachodon der vordere Ast der Pubis vergrößert und verbreitert, der hintere reduziert. Auch Huene erkennt in 1914 die Praepubis der Dinosaurier als eine Neuerwerbung an (91). Wir wenden uns nun zur Lebensweise der Ornithopodidae. Für die primitiven , leichten Formen haben wir festländische, kursorische Lebensweise anzunehmen ; daß Iguanodon die Fähigkeit besaß, auf zwei Beinen zu hüpfen und daß dann nur seine Zehen den Boden berührten, während er sonst den Fuß mit gespreizten Zehen niederzustellen pflegte, darauf hat Dollo gewiesen, Trachodon war endlich gar ein guter Schwimmer, der sich im Wasser mit Hilfe seines Schweifes und wohl auch mit Hilfe seiner Hinterfüße bewegte. Welche Bedeutung der Muse, ambiens für alle diese Formen haben mußte, ist schon daraus er- sichtlich. Wahrscheinlich hefteten sich aber an die Spitze des vorderen Pubisastes auch außer den Muse, ambiens noch andere Muskeln an, die zu den Rippen zogen und so die laterale Rumpfbewegung beim Laufen regulierten. Daß solche Bewegungen bei den Dinosauriern stattfanden , darauf weist die Entstehung von konvexokonkaven Cervical- und Dorsal-Wirbeln in den beiden Ordnungen der Dino- saurier (94). Auf die ähnliche Wirbelmechanik bei den Lauf- vögeln habe ich anderen Orts gewiesen. Wie weit die beiden Pubisäste der Orthopoden durch die Verschiedenheit der Geschlechter beeinflußt werden, will ich bei anderer Gelegenheit erörtern. Da der vordere Pubisast der Dinosaurier genau so gegen die Rippen gerichtet ist wie der Processus pectinealis der Vögel, da sich ferner der Processus pectinealis der Vögel gerade bei den Lauf- und Schwimmvögeln entwickelt, da die Dinosaurier als Land- und Sumpf tiere jedenfalls zu laufen und zu schwimmen pflegten und da sich endlich auch bei ihnen im Laufe der Phylogenie vor dem Acetabulum — allerdings nicht vom Ilium, sondern von der Pubis — ein gegen die Rippen gerichteter Fortsatz entwickelt, so ist man zur Annahme gezwungen, daß der Processus pectinealis der Vögel und der vordere Pubisast der Dinosaurier funktionell, aber nicht genetisch ident sind. Infolge dieser funktionellen Identität und genetischen Verschiedenheit glaube ich den vorderen Pubisast der Dinosaurier auch weiterhin, wie seit 1905, Processus pseudopectinealis nennen zu müssen. Den Ausdruck Präpubis Besprechungen. 351 lehne ich deshalb ah , weil dieser Ausdruck auch bei anderen Tieren für andere, vor dem Acetabulum liegende, gegen die Median- linie des Körpers konvergierende Beckenelemente verwendet wurde (90), die wahrscheinlich verschiedenen Ursprung haben. Erklärung der Abbildungen (zu p. 334). Fig. 1. Ansicht der Schädelhöhle von Thecodontosaurus von vorne (nach Huene). „ 2. Schädelbasis von Thecodontosaurus von unten (nach Hüene). „ 3. Lateralansicht der Schädelhöhle von Plataeosaurus (nach Huene). „ 4. Ansicht der Schädelhöhle von Megalosaurus von vorne (nach Htjene). „ 5. Längsschnitt durch den Hirnraum von Diplodöcus (nach Osborn). 6. Derselbe Längsschnitt bei Gamarasaurus (nach Huene). „ 7. Schädelbasis von Hypsilophodon von unten (nach Nopcsa). „ 8. Schädelbasis von JRhabdodon von unten (nach Nopcsa). „ 9. Schädelbasis von Orthomerus von unten (nach Nopcsa). „ 10. Schädelhöhle von Struthiosaurus von vorne (nach Seeley). 3 11. Längsschnitt durch den Hirnraum von Stegosaurus (nach Gilmore). „St“ in allen Figuren „Sella turcica“, darunter die Hypophysengrube. Literatur. (88) Brown : Skeleton of Saurolophus. Bull. Am. Mus. Nat. Hist. New York 1913. (89) Heilmann: Fuglenes Afstamning. Separat abdr. aus „Dansk Ornitho- logisk“. Kopenhagen 1912 — 16. (90) Huene: Beitrag zur Lösung der Präpubisfrage bei den Dinosauriern. Anatom. Anzeiger. 1908. (91) — Beitrag zur Geschichte der Archosaurier. Geol. u. Pal. Abh. 1913. , (92) Lebedinsky: Beitrag zur Morphologie und Entwicklungsgeschichte des Vogelbeckens. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. 1913. (93) — - Über den Processus pectinealis des Straußenbeckens. Anatom. An- zeiger. 1914. (94) Nopcsa: Synopsis und Abstammung der Dinosaurier. Földtani Köz- löny. Budapest 1902. (95) — Notes on British Dinosaurs. I. Hypsilophodon. Geol. Mag. London 1905. (96) Osborn: Integument of the Iguanodont Dinosaur Trachodon. Mem. Amer. Museum Nat. Hist. New York 1912. Besprechungen. Reinhold Rieke: Die Arbeitsmethoden der Silikat- chemie. (Sammlung Vieweg, Tagesfragen aus den Gebieten der Naturwissenschaften und der Technik. Heft 37. 100 p. Braunschweig bei Vieweg n. Sohn. 1917.) Verf. ist in dieser kurzen Abhandlung mit Erfolg bestrebt, dazu beizutragen, die vielfach in chemischen und technischen Kreisen 352 Besprechungen. noch bestehende Unklarheit über die Eigenschaften von Silikaten zu verringern, und die Gesichtspunkte, die bei ihrer Erforschung und dem Arbeiten mit Silikaten zu beachten sind, auch dem außerhalb dieses Gebiets Stehenden näher zu rücken. Da die Silikate unter den Bestandteilen der festen Erdkruste und anderer Himmelskörper eine so große Rolle spielen, so hat auch für Mineralogen die vorliegende Schrift ein hervorragendes Interesse, deren Verfasser ja mit zu den bekannteren Silikatchemikern zählt und der das Gebiet der Silikatchemie schon durch zahlreiche Spezialunter- suchungen wesentlich gefördert hat. Einzelheiten darf man in diesem kurzen Abriß nicht erwarten, es werden nur die Haupt- gesichtspunkte geboten. Die folgende Inhaltsübersicht wird einen näheren Einblick gewähren. Auf die Einleitung folgt der I. Ab- schnitt, der die Darstellung der Silikate behandelt (All- gemeines, Darstellung von Silikaten in Gegenwart von Wasser, Darstellung aus wasserfreiem Schmelzfluß, Darstellung bei Ab- wesenheit einer flüssigen Phasenbildung durch Reaktion von Gasen und durch Sublimation). Der II. Abschnitt bespricht die Trennung von Silikatgemengen und die Isolierung einzelner Verbindungen (auf mechanischem und auf chemischem Wege), der III. Abschnitt die Analyse der Silikate (Aufschluß- methoden, qualitativer Nachweis von Kieselsäure, Bestimmung des Wassergehalts in Silikaten). Der wichtigste Teil des Buches ist der IV. Abschnitt: Die physikalisch -chemische Unter- suchung der Silikate, und zwar: A. Die fester, insbesondere kristallisierter Silikate (Löslichkeit, Härte, Dichte, Schmelzpunkt, Zersetzung vor dem Schmelzen, Umwandlungen, spezifische Wärme, Bildungswärme, Kristallisations- [Schmelz-] und Umwandlungs- wärme, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeausdehnung, elektrische Leit- fähigkeit und Polarisation, mikroskopisch-optische Untersuchung). B. Untersuchung von Silikatschmelzen (Allgemeines, Viskosität, Kristallisationsvermögen , Kristallisationsgeschwindigkeit, Ober- flächenspannung, Dichte, elektrolytische Dissoziation und elektrische Leitfähigkeit). Endlicherläutert der V. Abschnitt die Versuche zur Aufklärung der Konstitution der Silikate. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur und ein Register bilden den Schluß. Das kleine Buch gibt einen deutlichen Einblick in die großen Schwierigkeiten, mit denen die Silikatchemie zu kämpfen hat, und läßt den weiten Weg erkennen, der bis zu einer be- friedigenden allseitigen Kenntnis der Silikate noch zurückzulegen ist. Max Bauer. J. Beckenkamp, lieber die Struktur etc. 353 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Über die Struktur der kristallisierten Formen des Siliciumdioxyds Si02, des Eisenbisulfids FeS2, des Zinksulfids ZnS und des Calciumcarbonats. Von J. Beckenkamp, Würzburg. Mit 18 Textfiguren. 1. Beobachtungsresultate. Das Siliciumdioxyd kristallisiert bekanntlich als Quarz und /^-Tridymit hexagonal; der Quarz gilt als trigonal-trapezoedrisch, der /?-Tridymit als dihexagonal-bipyramidal. Quarzin und a-Tridymit sind optisch zweiachsig. Der a-Cristobalit gilt als tetragonal, der /J-Cristobalit als regulär. Quarzin, «-Tridymit und a-Cristobalit unterscheiden sich von Quarz bezw. den beiden /^-Formen dadurch, daß ihnen dreizählige Deckachsen fehlen. In Alkalien sind Quarz und Quarzin schwer, Tridymit und Cristobalit leicht löslich. Tri- dymit und Cristobalit haben ungefähr das gleiche spez. Gew. 2,30, Quarz und Quarzin dagegen das spez. Gew. 2,62 *. Zwischen FeS2 und Si02 bestehen einige auffallende Be- ziehungen; die Atomgewichte der in Frage kommenden Elemente sind: Fe = 55,9, S = 32,06, Si = 28,4, 0 = 16, also sind die Molekulargewichte: FeS2 = 120,02, Si02 = 60,4. Das Mole- kulargewicht von FeS2 ist also fast genau doppelt so groß als das von Si 02 ; auch das Atomgewicht von S ist fast genau doppelt so groß als das von 0, jenes von Fe nur wenig kleiner als das doppelte Atomgewicht von Si. Das Molekularvolumen ist für Quarz 23,0, für Pyrit 23,5, für Markasit 24,0, für Tridymit 26,3. Pyrit und Quarz sind die schwerer, Markasit und Tridymit die leichter zersetzbaren Mineralien. In der vom Verf. wiederholt bestätigt gefundenen Näherungs- nA0 formelRn = — t — , wobei An das Atomgewicht eines Elements, A0 das • n des Sauerstoffs und n eine Ordnungszahl der betreffenden Reihe des periodischen Systems bedeuten, stellt R„ nach Ansicht des Verf. ’s den primären Wirkungsbereich des Atoms dar, wenn der des Sauerstoffs = 1 gesetzt wird. Hiernach ist RSi = 0,5634, RFe = 0,5724, Rs = 0,9981, R0 = 1. 1 Weitere Angaben über die kristallisierten Formen der Kieselsäure vgl. J. Beckenkamp, Kristalloptik, p. 524 und ff. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 23 354 J. Beckenkamp, Das Eisenbisulfid FeS2 kristallisiert als Pyrit regulär, als- Markasit rhombisch; der Pyrit gilt als dyakisdodekaedrisch. Das Natriummetaperjodat NaJ04.3H20 unterscheidet sich in seiner Kristallform von dem Quarz nur dadurch, daß die Haupt- achse stets ausgesprochen polar ist. In ähnlicher Beziehung steht zum Pyrit der Ullmannit Ni Sb S, bei welchem die vier trigonalen Achsen polar sind. Gewisse Beobachtungen deuten aber auch beim Quarz 1, beim Tridymit 2 und beim Pyrit 3 auf eine allerdings weit schwächere Polarität der trigonalen Achsen. Es wurde schon durch vom Rath auf die Beziehungen der Tridymitzwillinge zum regulären Oktaeder aufmerksam gemacht. Verf. hob weitere Beziehungen zwischen den Tridymitzwillingen und der regulären Syngonie hervor. Betrachten wir den regulären Würfel als ein Rhomboeder und bezeichnen die Neigung der Flächen desselben gegen die trigonale Achse mit «, so haben a und das Achsenverhältnis a:c, wenn die Achse c parallel der Oktaeder- normalen o und die Achse a parallel der Granatoedernormalen g- ist, folgende Werte. Beim Würfel: a : cw = 1 : 1,22474 « = 35° 15' 52". Geht die Achse a des Rhomboeders dagegen einer Leucitoeder- normalen 1 parallel, dann wird das Achsenverhältnis des Würfeln a: cw = 1 : 0,707105. Beim Tridymit ist : a : ctr = 1 : 1,6533 « = 27° 39'. Machen wir die Fläche JP des Tridymits zur Grundform, so wird a : Cstr = 1 : 1,22175, a — 35° 19' 50", bei einem regulären Ikositetraeder 11O11 {11,1,11} ist a : Ci = 1 : 1 ,6330, « = 27°56'30". Die Grundform des Tridymits entspricht daher mit großer An- näherung den Flächen des Ikositetraeders 11O11, die Form fP Flächen des regulären Würfels. Gilt der Würfel als ein Rhombo- eder Rw mit dem Achsen Verhältnis a:c = 1 : 1,22474, dann sind die Flächen von 11O11 Flächen eines Rhomboeders fRw ; ein Achsen- verhältnis von a: c = 1 : 0,81644 entspricht einem Rhomboeder |RW. Das Achsen Verhältnis des Quarzes ist a : c = 1 : 1,0999, a — 38° 13'. Das Grundrhomboeder des Quarzes entspricht einem Ikositetraeder 25O25 {25, 1, 25} mit a = 38° 30' 10". Das Grund- rhomboeder des Quarzes und die Tridymitform fP sind also stumpfer als der reguläre Würfel (vgl. Fig. 1). Man könnte ver- muten, daß aus dem regulären Würfel durch Kompression in der 1 Ygl. J. Beckenkamp, Kristalloptik, p. 537 und ff. 2 Ygl. J. Beckenkamp, Tridymit, Cristobalit und Quarz. Zeitscbr. f. Krist. 1901. 34. 585. 3 Ygl. J. Beckenkamp, Kristalloptik, p. 634. Ueber clie Struktur der kristallisierten Formen etc. 355 Richtung der einen trigonalen Achse das Grundrhomboeder des Quarzes, durch eine Dilatation in der Richtung a das Tridymit- rhomboederfR entstehe. Die spez. Ge- wichte von Quarz und Tridymit müß- ten sich dann verhalten wie 1,12:1; die Beobachtung ergibt aber 1,152 : 1. Die Dioxyde der dem Si02 am nächsten stehenden Elemente Ti und Sn der vierten Reihe des periodischen Systems kristallisieren tetragonal mit einem annähernden Achsenverhältnis c:a = 0,644: 1 : 1 bezw. = 0,672 : 1 : 1 , also annähernd 0,66 : 1 : 1. Be- ziehen wir die Flächen des Quarzes, des Tridymits und der regulären Form nOn auf drei zueinander senk- rechte Achsen g, 1, o, von welchen die erste die Normale zu einer Granatoeder-, die zweite zu einer Leucitoeder-, die dritte zu einer Oktaeder-Fläche ist, so ergeben sich folgende Achsenverhältnisse : Fig. 1. Grundrhomboeder des Quarzes, umgeben vom regu- lären Würfel. 1. für die Form |R des Quarzes . . . g : 1 : o = 0,57735 : 1 : 0,9522 2. für die Grundpyramide des Tridymits = 0,57735 : 1 : 0,9544 3. für das Ikositetraeder liOn .... . = 0,57735 : 1 : 0,9428 4. die tetragonalen Dioxyde der 4. Reihe ca, 0,666 . . : 1 : 1. Nehmen wir also an, für Si02 bestehe eine mit dem Cristo- balit nicht übereinstimmende tetragonale Form mit dem Ver- hältnisse g : 1 : o = 0,57735 : 1 : 1, so stehen die Verhältnisse von Quarz und Tridymit zwischen der tetragonalen und der regulären Form. Beim Quarz' und beim Tridymit hat dann also eine Annäherung an die reguläre Form stattgefunden, und zwar beim Quarz eine Verkürzung der Achse o im Verhält- nisse 1:0,9525 = 1,0499:1, beim Tridymit eine Verlängerung der Achsen g und 1 im Verhältnisse 1 : 0,9544 = 1,04781 : 1; dann muß sich das spezifische Gewicht des Quarzes zu dem des Tridymits verhalten wie 1,0499 x l,0478l2: 1 = 1,1527: 1. Die direkte Beobachtung der spezifischen Gewichte ergab das Verhältnis 2,62 : 2,30 = 1,1521 : 1. . Die Polarisationsebene eines linear polarisierten Lichtstrahls, welcher einen Quarzkristall durchsetzt, wird im Quarze gedreht, und zwar ist die „reine Drehung“ für einen Lichtstrahl, welcher parallel zur Hauptachse durch den Kristall geht, ungefähr doppelt so groß als für einen Lichtstrahl senkrecht zur Hauptachse1. Beim Tridymit findet keine optische Drehung statt. 1 Vgl. J. Beckenkamp, Kristalloptik, p. 427. 23* 356 J. Beckenkamp, Das Zinksullid ZnS kristallisiert als Zinkblende regulär und wird in die hexakistetraedrische Klasse eingereiht, als Wurtzit kristallisiert ZnS hexagonal mit dem Achsenverhältnisse a : c = 1:0,81747. Die Neigung der Grundpyramide gegen die Basis ist bei Annahme dieses Achsenverhältnisses P : OP = 43° 20'. Da aber auch die Pyramide 2P mit der Neigung 2P:0P — 62° 5' vorkommt, so könnte man auch diese spitzere Pyramide zur Grund- form wählen und erhielte dann das Achsen Verhältnis a:c=l: 1,63494. Der Wurtzit steht in dieser Hinsicht dem Tridymit sehr nahe. Beim Tridymit setzt vom Rath a : c = 1 : 1,65304 ; da aber außer der Form P mit der Neigung P:OP = 62° 21' auch die Form |P mit der Neigung |P : OP = 43° 39' vorkommt, so könnte man beim Tridymit auch die stumpfere Pyramide zur Grundform wählen und erhielte dann das Achsenverhältnis a:c= 1:0,82652. Das Molekül Zn S verhält sich zu Si 02 ähnlich wie der Ullmannit zu Pyrit und das Natriummetaperjodat zum Quarz, d. h. das chemische Molekül ermöglicht keine zentrische Anordnung der Atome, dementsprechend sind sowohl Zinkblende als Wurtzit aus- gesprochen polar nach den trigonalen Achsen. Vom Verf. wurde 1 experimentell der Nachweis geführt, daß beim Erhitzen der (regulären) Zinkblende die Zwillingslammellierung nach dem Spinellgesetz zunimmt und schließlich der (hexagonale) Wurtzit entsteht. Bei längerem Liegen an gewöhnlicher Luft geht die Umlagerung wieder teilweise zurück. Ferner wurde vom Yerf. hervorgehoben2, daß eine größere Anzahl von hexagonalen Kristallen ein ähnliches Achsen Verhältnis besitzen wie Tridymit und Wurtzit, und von Fr. Rinne 3 wurde die Reihe dieser „isotypen“ Kristalle noch beträchtlich erweitert. Auch die Reihe der rhomboedrischen Carbonate gehört in bezug auf das Achsenverhältnis hieher4. Bei Magnesit MgC03 ist die Neigung des Grundrhomboeders zur Basis a = 43° 6' und das Achsenverhältnis a : c = 1 : 0,8095. Beim Rhodochrosit MnC03 sind die entsprechenden Werte a = 43°23', a : c = 1 : 0,8259, beim Siderit FeC03 ist a = 43° 21', a : c = 1 : 0,8191. Bei Kalk- spat weicht das Achsenverhältnis a : c = 1 : 0,8543 etwas mehr von dem regulären Werte 1 : 0,81644 = 1 : § cw ab. Es wurde vom Verf. schon früher5 darauf hingewiesen, daß die rhomboedrischen Kfistalle eine beträchtlich höhere Doppel- brechung besitzen als die hexagonalen im engeren Sinne. Der damals wegen seiner starken Doppelbrechung ( v0 — ve — 0,280) als eine Ausnahme von dieser Regel bezeichnete Hämatit Fe203 1 Zeitschr. f. Krist. 1908. 44. 252. 2 Ebenda, Tridymit, Cristobalit und Quarz. 1901. 34. 571 u. f. 3 Beiträge z. Kennt, des Feinbaues der Kristalle. 4 Vgl. dies. Centralbl. 1917. p. 30. 5 Kristalloptik, p. 181 u. ff. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 357 gehört auf Grund seiner Flächenausbildung wohl mehr zur rliombo- edrischen Abteilung als der Korund Al2 03 ; denn bei ersterem kommen als Zonenachsen weit mehr die Rhomboederkanten in Betracht, bei Korund, bei welchen v0 — ve — 0,008, mehr die horizontalen Kanten und die Kante zwischen den hexagonalen Formen 2. Art. 2. Veranschaulichung der Eigenschaften der kristallisierten Formen von Si 02 und Fe S2 durch ein doppelt kubisches Gitter. Die nahen Beziehungen sowohl des Quarzes als des Tridymits zu regulären Verhältnissen veranlaßten Verf., für beide ein de- formiert reguläres Gitter zugrunde zu legen. Man kennt drei reguläre Raumgitter: 1. das einfach kubische Gitter (Fig. 2); 2. das doppelt kubische oder das zentrierte ku- bische Gitter (Fig. 3). Bei diesem durchdringen sich zwei einfach kubische Gitter in der Weise, daß je ein Massenpunkt des einen Gitters im Schwerpunkte des elementaren Würfels des andern liegt ; Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. 3. das vierfach kubische oder das flächenzentrierte kubische Gitter (Fig. 4), bei welchem die Massenpunkte von drei einfach kubischen Gittern in den Flächenmittelpunkten des elementaren Würfels des vierten einfach kubischen Gitters liegen. 1. Legen wir vier Kugeln von gleichem Radius auf einer horizontalen Ebene so nebeneinander, daß sie sich gegenseitig be- rühren, und ihre Mittelpunkte ein Quadrat bilden, legen dann ein zweites gleiches Quadrat von vier Kugeln so auf das erste, daß die Kugelmittelpunkte des zweiten Quadrats genau senkrecht über den Kugelmittelpunkten des ersten liegen, so bilden die Mittel- punkte der Kugeln ein einfach kubisches Gitter. 2. Schalten wir zwischen diese beiden Schichten eine andere so ein , daß die Kugelmittelpunkte der eingeschalteten Schicht genau senkrecht über den Mittelpunkten der Quadrate der unteren Schicht liegen, so bilden die Mittelpunkte der Kugeln ein doppelt kubisches Gitter. 3. Legen wir drei gleiche Kugeln so nebeneinander, daß sie sich berühren und ihre Mittelpunkte ein gleichseitiges Dreieck 358 J. Beckenkamp, bilden, legen dann eine vierte Kugel so darüber, daß ihr Mittel- punkt genau senkrecht über dem Schwerpunkt des gleichseitigen Dreiecks liegt, so bilden die vier Kugelmittelpunkte ein reguläres Tetraeder. Errichten wir ferner in der Mitte der vier Tetraeder- flächen Lote auf diesen und bringen vier weitere Kugeln so an, daß sie die drei Kugeln der betreffenden Tetraederseite berühren, so liegen die neuen Mittelpunkte in den ge- nannten Loten. Das Gesamtsystem der Kugel- schwerpunkte bildet ein vierfach kubisches Gitter. Das doppelt kubische Gitter kann nicht nur in zwei sich durchdringende einfach kubische, sondern auch in vier sich durch- dringende vierfach kubische Gitter zerlegt werden. Fig. 5. Kubooktaeder. Der von den nächstbenachbarten Gitter- punkten begrenzte Kaum, der „Elementar- körper“ bildet bei dem einfach kubischen Gitter ein Hexaeder, beim doppelt kubischen ein Granatoeder, beim vierfach kubischen ein Kubooktaeder (Fig. 5). Betrachten wir den regulären Würfel als ein Rhomboeder Rw, so ist der Elementarkörper des einfach kubischen Gitters wieder ein Rhomboeder Rw, der Elementarkörper des doppelt kubischen Gitters ist dann aber — |RW, der des vierfach kubischen Gitters -f- 4RW. Umgeben wir die Punkte eines regulären Gitters mit kon- gruenten Paralleloedern, welche sich gegenseitig berühren, so nennt man diese Paralleloeder die „Molekelsphäre“ des betreffenden Punktes. Bilden die Molekelschwerpunkte ein einfaches Gitter, so ist die (primäre) „Mol ekel Sphäre“ ein Hexaeder; bilden die Schwer- punkte ein doppelt kubisches Gitter, dann ist die Molekelsphäre ein Kubooktaeder, bilden sie ein vierfach kubisches Gitter, so ist die primäre Molekelsphäre ein Granatoeder. Hexaeder, Granato- eder und Kubooktaeder sind die drei einzigen regulären Körper, welche sich lückenlos nach allen Richtungen aneinander legen lassen. Bravais und die Mehrzahl der späteren Autoren waren der Ansicht, daß eine Fläche um so häufiger vorkomme, je dichter sie mit Massenpunkten besetzt sei. Bei dem einfach kubischen Gitter sind dann die Würfelflächen, beim doppelt kubischen die Granatoeder-, beim vierfach kubischen die Oktaederflächen am häufigsten zu er- warten. Aus der relativen Häufigkeit des Auftretens nicht nur der genannten, sondern auch der übrigen einfachen Formen läßt sich unter der gemachten Voraussetzung ein Rückschluß auf das zugrunde liegende Raumgitter ziehen. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 359 Setzt man das Volumen der drei regulären Körper = 1, so ist Bei derselben Größe des Volumens der Molekelspliäre ist also der Durchmesser der eingeschriebenen Kugel für das Granatoeder der größte^ während die Oberfläche des Kubooktaeders den kleinsten Wert hat. Fedorow1 schließt aus der Flächenausbildung, daß bei den Kristallen die Tendenz im Sinne einer minimalen Oberfläche der Molekelsphäre zum Ausdruck komme, weil die Tendenz be- stehe, die Molekelschwerpunkte nach einem doppelt kubischen Gitter zu ordnen und daß „keineswegs die Tendenz zu möglichst kom- pakter Lagerung die maßgebende“ sei. Von der Ansicht ausgehend, daß die einfachste Anordnung für Molekelschwerpunkte z. B. von ZnS, also auch für die Atome Zn, diejenige nach dem regulären Tetraeder sei, vermutete da- gegen Verf. 2, daß die Zinkatome bei der Zinkblende und die Si- Atome beim Cristobalit ein vierfach kubisches Gitter bildeten. Verf. vertritt die Ansicht, daß für die Flächenausbildung die Leichtigkeit der Anpassung der primären Atombereiche an die Punkt- abstände der regulären Gitter nach den betreffenden Richtungen maß- gebend sei und bei allen Kristallen das gleiche Punktsystem zugrunde liegen könne, daß dieses aber nicht mit dem System der Atomschwer- punkte übereinstimmen müsse. Für die Oktaederfläche wäre somit die Anpassungsmöglichkeit an die Punktabstände in den Richtungen g und 1 maßgebend, für die Würfelflächen in den Richtungen h und g. Das Verhältnis der Abstände der Gitterpunkte in den Richtungen g : h ist beim einfach und beim doppelt kubischen Gitter = 1 : — 1 : 0,7071, beim vierfach kubischen Gitter = 1 : yä" = 1 : 1,4142. Das Verhältnis der Abstände der Gitterpunkte innerhalb einer oktaedrischen Schicht in der Richtung einer Granatoedernormalen g und einer Leucitoedernormalen 1 ist bei allen drei regulären Gittern gleich, g : 1 = tg 30° : 1 =0,57735 : 1. Entsprechend dem von Fedorow abgeleiteten Resultate, daß das doppelt kubische System das bevorzugte sei, legte Verf. bei den kristallisierten Formen von Si 02 und Fe S2 das doppelt kubische Gitter, als Wirkungssphäre also das Kubooktaeder zugrunde. Der Zusammenhang des zentrischen oder azentrischen chemi- schen Moleküls mit der Polarität der Oktaedernormalen ließ dann 1 Über das kompakteste regelmäßige Kugelsystem. Zeitschr. f. Krist. 1897. 28. 236. 2 Sphalerit und Wurtzit. Zeitschr. f. Krist. 1908. 44. 252. die Oberflächengröße der Molekelsphäre der Durchmesser der eingeschriebenen Kugel beim Würfel = 3 X 2,00000 Granatoeder = 3 X 1,78180 Kubooktaeder = 3 X 1,62671 360 J. Beckenkamp, weiter die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß das System der 0- Atome durch Verschiebung in der Richtung der Oktaedernormalen aus dem System der Si-Atome abzuleiten sei. Dasselbe gilt be- züglich der Fe- und S-Atome beim Pyrit. Bezeichnen wir die Verbindungslinie der Schwerpunkte der zu einem Molekül vereinigt gedachten Atome als Molekülachse, so sind die Molekülachsen bei den genannten Kristallen den Oktaeder- normalen parallel. Entsprechend können wir die Verbindungs- geraden zwischen dem Atomschwerpunkte und den Schwerpunkten der zugehörigen Elektronen als „Achsen des Ions“ oder als „elek- trische Achsen“ bezeichnen. Ein zwei- oder dreiatomisches Molekül möge als zentrisch gelten, wenn die beiden Achsenenden die Schwer- punkte gleichartiger Atome sind, ohne Rücksicht auf eine etwaige Polarität des Ions oder des Atoms. Nehmen wir an, die Atome seien weder durch Punkte noch durch Kugeln darstellbar, dann können wir auch bestimmte „Achsen des Atomes“ annehmen. Die aus den Atomgewichten berechneten Werte Rn : R0 der tetragonal kristallisierenden Dioxyde der vierten Reihe des periodi- schen Systems sind bei der Mehrzahl annähernd = 0,666 . . .; da nach Vorigem RSi== 0,5634, R0 = 1, so nimmt Verf. an, daß die Annäherung des Wertes Rsi an den Wert tg 30° = 0,57735 der Grund sei, daß Quarz, Tridymit und Pyrit trigonale Deckachsen besitzen. Die Molekülachsen können bei den doppelt kubischen Gittern nur in dreifach verschiedener Weise auf den entsprechenden Oktaeder- oder besser Tetraedernormalen derart verteilt werden, daß keine der vier Normalenrichtungen vor der andern bevorzugt ist und der oktaedrische Charakter bewahrt wird. Dieselben sind in den Fig. 6, 7, 8 und 9 dargestellt; die durch die Kugelmittel- punkte gehenden Stäbe stellen die Richtung der Molekülachsen dar. 1. Betrachten wir die Netzlinien, welche nur einer der vier trigonalen Achsen parallel gehen, und schreiten auf einer solchen fort, so sollen die Molekelachsen, deren Molekelschwerpunkte auf dieser Achse liegen, alle parallel orientiert sein. Bei einem Viertel dieser Netzlinien stimmt die Richtung der Molekelachsen mit der betreffenden Netzlinie überein, bei den anderen verteilen sich diese Richtungen auf die drei anderen Oktaedernormalen. Die ersteren, die bevorzugten Netzlinien, sind dreizählige Deckachsen auch in bezug auf die Orientierung der Molekelachsen. Dabei sind zwei Fälle denkbar: entweder schneiden sich je vier Molekel- achsen in einem Molekelschwerpunkt, welcher auf einer dreizähligen Deckachse liegt, Anordnung t2a (Fig. 6), oder die Molekelachsen sind windschief, Anordnung t2b- Die Anordnung t2a besitzt drei sich unter 120° schneidende dreizählige Deckachsen enthaltende Spiegelebenen. Bei der An- ordnung t2b haben die dreizähligen Deckachsen axialen Charakter. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 361 Fig- 6‘ t2a. 4 \ * P\ .ß 'V # ! / 1^ - , ß | \ * 0 \ x 1 ä ■ ' i 'x. 1 ,4 X : \i ; 0?*' j I \ ' \ ' x d % p v 0% i N> , ■ • x X; / ■ N \. ■ # M ■ 1 xr X 7 / j Fig. 7. p2. 2. Die Anordnung besitzt in bezug auf die Molekelachsen vier Scharen von windschiefen dreizähligen Deckachsen , welche den vier Oktaedernormalen parallel gehen. Anordnung p2 (Fig. 7). Diese Anordnung wurde vom Verf. dem Pyrit zugeschrieben. 362 J. Beckenkamp, Fig. 8. q2Iy i Fig. 9. q2R 3. Innerhalb einer oktaedrischen Netzlinie ändert sich die Orientierung der Molekelachsen nicht (Fig. 8 und 9). Diese Anordnung ergibt nach jeder der vier Oktaedernormalen optisch zweiachsige Molekularschichten, welche schraubenförmig angeordnet Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 363 sind. Fig. q2R gibt eine rechte, Fig. q2i, eine linke Schraubung. Der Betrag der optischen Drehung müßte für diese beiden Anord- nungen von der Richtung unabhängig sein. Verf. führte auf diese Anordnung q die Struktur des Quarzins und des Quarzes zurück. Während das System der Molekelschwerpunkte die Symmetrie der regulären Syngonie besitzt, wird diese durch die Orientierung der Molekelachsen gestört. Bei der Anordnung t2 ist eine der vier Oktaedernormalen da- durch vor den drei anderen bevorzugt, daß parallel derselben eine Schar von Netzlinien dreizählige Deckachsen sind. Bei der Anordnung p2 sind zwar vier Scharen von asymmorphen Deckachsen vorhanden, welche den Oktaedernormalen parallel gehen, aber die Hauptachsen sind weder Deck- noch Schraubenachsen. Bei der Anordnung q2 ist eine der Hexaedernormalen zwei- zählige Schraubenachse, nicht aber die beiden anderen. Wenn die bevorzugten Oktaeder- oder Hexaedernormalen zwischen den bei regulärer Symmetrie gleichwertigen Richtungen wechseln, so muß an der Grenze eine Inhomogenität eintreten, welche durch einen geringeren Grad der Kohäsion in die Er- scheinung treten kann. Verf. neigt zu der Ansicht, daß die Spalt- ebenen solche Homogenitätsgrenzen sind, an welchen entweder die Molekülachsen oder die elektrischen Achsen ihre Richtung ändern. Die Anordnung q2 zerfällt in . vier vierfach kubische Gitter q4, jedes dieser Gitter q4 enthält nur gleich orientierte Molekelachsen. Die Anord- nung t2 zerfällt in vier vierfach kubische Gitter t4 ; jedes Gitter t4 enthält wieder alle vier Orientie- rungen der Molekelachsen und zerfällt in vier einfach kubische Gitter t1? von welchen jedes nur eine Art von Molekelachsen hat. Fig. 10 gibt die Orientierung der vier Molekelachsen von t4 in einer oktaedrischen Schicht. Die Anordnung p2 zerfällt in vier vierfach kubische mit t4 identische Gitter p4 ; jedes Gitter p4 hat alle vier Orientierungen der Molekelachsen. Nach dieser vom Verf. abgeleiteten Strukturtheorie, „deren grundlegende Mitteilungen den Beobachtungen von W. L. und W. H. Bragg um mehrere Jahre vorausgehen, wurden die Ab- stände der Massenpunkte als Funktionen der Atome und die Atome als die Elemente der Kristallstruktur nachgewiesen“ 1 und dabei bemerkt: „Die Beziehung der Atome zu den einzelnen Kubookta- edern kann in verschiedener Weise gedacht werden, und es läßt sich zurzeit noch nicht mit Sicherheit entscheiden , welche der nachstehenden Möglichkeiten verwirklicht ist 2. “ Fig. 10. 1 Kristalloptik, p. 583. 2 Ebenda, p. 584. 364 J. Beckenkamp, Man kann annehmen, 1. daß je drei oder sechs chemische Moleküle zu einem Kubooktaeder gehören, 2. daß nur ein Molekül dazu gehört. In einer späteren Mitteilung 1 wurde dann aber nachgewiesen, daß am wahrscheinlichsten die Annahme ist, daß zu je einem Atom mehrere Kubooktaeder gehören. Die beiden Annahmen, daß z. B. beim Tridymit und bei der Zinkblende ein doppelt kubisches Gitter der Struktur zugrunde liege, daß aber die Anordnung der Zn- bezw. Si-Atome nach einem vierfach kubischen Gitter erfolge, stehen dann tatsächlich nicht in Widerspruch. 3. Die von W. H. und W. L. Brigg mit. Hilfe der Durch- leuchtung mit Röntgenstrahlen abgeleiteten Atomanordnungen. W. H. Bragg leitete für das System der Si-Atome beim Quarz ein dreiseitig prismatisches Gitter ab (Fig. 11). Er konnte anfangs keine Reflexe an der Basis bekommen, später fand er schwache Reflexe, und schloß aus diesen Beobachtungen, daß drei einander durchdringende Gitter von der gegebenen Form vorhanden seien, welche durch eine Schraubenbewegung ineinander übergeführt werden können und von welchen das eine dem Si-, die beiden anderen den O-Atomen entsprechen. Das dreiseitig prismatische Gitter hat nach Bragg das Achsenverhältnis 1 : 1,100, entspricht also dem Achsen Verhältnisse der geometrischen Form. W. L. Bragg leitete für Pyrit die asymmorphe Anordnung n (Fig. 12) ab. Hienach stellen die Fe- Atome ein vierfach kubisches Gitter dar. 1 Dies. Centralbl. 1917. p. 108. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 365 Derselbe Autor leitete für die Zinkblende die in Fig. 13 dargestellte Atomanordnung ab. Die Zn-Atome bilden, entsprechend der schon früher vom Verf. ausgesprochenen Annahme, ein vier- fach kubisches Gitter. Durch dieses wird der ganze in Fig. 1 1 dargestellte Würfel in acht Teilwürfel zerlegt. Das System der S-Atome erhält man aus dem System der Zn-Atome durch Schiebung nach einer Oktaedernormalen, und zwar um den Betrag Jo4, so daß die sämtlichen Punkte S in je einem Mittelpunkte eines Teil- würfels liegen, in welche der in Fig. 13 dargestellte Würfel zer- fällt; aber nur die Hälfte der acht Teilwürfel ist in der gedachten Weise besetzt. Für Tridymit und Cristobalit liegen bisher keine Unter- suchungen mittels Durchleuchtung vor. Die BßAGG’schen Modelle lassen weder die Beziehungen zwischen Quarz und Pyrit erkennen, noch die Beziehungen des Quarzes zum regulären System. Ferner ergibt sich aus dem BnAGG’schen Modell des Quarzes optische Drehung nur für Strahlen parallel zur Hauptachse. (Schluß folgt.) 366 A. Grühn und A. Johnsen, Künstliche Schiebung im Rutil. Yon A. Grühn und A. Johnsen. Mit 2 Textfiguren. Inhalt. Einleitung p. 366. — Künstliche Schiebung mit den beiden Kreis- schnittsebenen Kx = (101), K2 = (101) p. 367. — Natürliche und künst- liche Rutilschiebung p. 369. — Zur Struktur des Rutils p. 370. — Schlußbetrachtungen p. 373. Einleitung. 0. Mügge 1 hat es wahrscheinlich gemacht, daß die manchen Rutilkristallen von Blumberg bei Adelaide u. a. parallel {101} eingelagerten Zwillingslamellen infolge von Schiebungen mit den beiden Kreisschnittsebenen Kx = (101), K2 = (301) entstanden und somit durch natürliche Drucke erzeugt sind. Daher versuchten wir, solche Schiebungen durch künstliche Drucke zu bewirken; wir preßten nach der früher1 2 beschriebenen Modifikation der TRESCA’schen Methode jedesmal einen Rutilkristall, indem wir ihn innerhalb eines stählernen Hohlzylinders in Schwefel- pulver einstampften und dann einen gut abgedichteten Stahl- stempel mittels hydraulischer Presse in den Hohlzylinder hinein- trieben. Der Pressungsdruck: oder Hauptdruck lag also in Richtung der Stempelachse und betrug 10 000 — 30 000 Atmosphären, während die auf andere Richtungen im Schwefelpulver verteilten Drucke geringer, aber nicht meßbar waren. Jener Hauptdruck wurde binnen einer Stunde erreicht, worauf wir den Kristall mit Schwefel- kohlenstoff aus dem Schwefel herauslösten. Die Rutilindividuen zeigten Wachstumsflächen von {110}, {100}, {101} und {lll} sowie Spaltungsflächen von {l 10} ; sie waren von Natur oder durch Anspalten oder durch einseitiges Anschleifen tafelig //(110) oder // (100) oder // (101). Der Hauptdruck wurde senkrecht auf diese Tafeln ausgeübt, die 1 — 3 mm dick, sowie 3 — 5 mm lang und breit waren. Wir preßten 16 Kristallfrag- mente; zwei derselben, Präparate XV und XVI, waren „Monte? Albrua am St. Gotthard“ etikettiert, während die 14 übrigen von Blumberg bei Adelaide stammten. Von 2 Präparaten wurde nach der Pressung ein Dünnschliff angefertigt. 1 0. Mügge, dies. Centralbl. 1902. p. 72. * A. Johnsen, N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXXIX. p. 500. 1914. Künstliche Schiebung im Rutil. 367 Künstliche Schiebung mit den beiden Kreisschnittsebenen K, = (101), K2 = (101). Nach der Pressung zeigten alle 16 Kristalle auf ihren ebenen glatten Flächen Systeme paralleler Streifen, deren Zahl bis über 10 pro 1 mm betrug und deren Breite von der Größenordnung /u bis 10 /u war. Die Streifen waren öfters von einer Kristallfläche auf eine anstoßende zu verfolgen und entsprachen nach ihrem Ver- lauf Lamellen, die // {101} eingelagert sind. Es ergaben sich fol- gende Winkel, deren Berechnung der MiLLEn’sche Wert c = 0,64415 zugrunde liegt. Die Spur der // (101) eingelagerten Lamellen bildet auf den Flächen (fx f2 f3) mit den Kanten [kx k2 k3] die Winkel w : 368 A. Grühn und A. Johnsen, (fl f2 f») [k, k2 k3] w gemessen ^ w berechnet Präparat No. (110) [001] 65° 46' + 20' 65°3P I 77 65 54 + 24 „ II n n 65 23 + 26 » IV n 77 66 1+44 V (100) 77 89 25 + 50 90° 0' VII (TOI) [(TOI), (011)] 49 40 + 24 49° 57' XV Der Winkel zwischen Kristallfläche (li k 1) und gekipptem Flächenstreifen (V k' 1') war nur auf ganz glatten Flächen (h k 1) zu messen. Der Sinn der Kippung war auf sämtlichen Flächen aller 16 Präparate entgegengesetzt dem- jenigen, der sich aus den Kreisschnittsebenen ^ = (101), K2 = (301) (s. Einleitung) ergibt. Sinn und Winkel weisen vielmehr, wie Fig. 1 veranschaulicht, auf ein Deformationsellipsoid mit den Kreisschnittsebenen Kx = (101), K2 = (101) hin. Hiernach geht jede Fläche (h k 1) über in (h' k' 1'), wo h'ik'd'Blikih ist; also wird (110) zu (011) und umgekehrt, (100) liefert (001) und (101) behält seinen Charakter. Die folgende Tabelle enthält die Kippungswinkel cp der Flächenpaare (h k 1), (h' k' P): (hkl), (h'k'l') tp gemessen ( p berechnet Präparat No. (110), (011) 22° 19' + 29' 22° 27' XIII 77 22 8 + 40 77 I 7? 21 21 +1° 5 II 77 22 15 +1 51 » . IV 77 77 22 26 + 54 VI n 77 23 0 + 1 23 ; 77 IX 77 22 38J + 22 X 77 22 47 + 1 43 77 XII 77 77 22 29 + 53 77 XV 77 77 22 21 + 36 . XVI (Oll), (110) 21 18 + 13 „ 79 (100), (001) 23 46 + 1 59 24° 25i' VII (TOI), (101) 49 12 + 2 36 48° 51' XV Die in der Tabelle vermerkten Flächen (110) waren nur an den Präparaten XV und XVI Wachstumsflächen, sonst Spaltungs- Künstliche Schiebung im Rutil. 869 flächen. Alle Präparate außer No. XIII gaben am Goniometer nur Schimmerreflexe. Ein Dünnschliff von Präparat XI, der // (100) orientiert war, ließ Streifen von der Breite /u erkennen, die in zwei Scharen zer- fielen. Die einen zeigten elliptische Polarisation und verliefen parallel der Spur von (101), da ihre Längsrichtung mit [001] einen Winkel von 90° 30' ± 40' gemessen, 90° 0' berechnet bildete; die andern löschten aus und verliefen // (Oll), denn die Auslöschungsr riclitung [010] des Hauptkristalls und diejenige der Lamellen bildeten Ü bzw. mit der Streifenrichtung, wo t) = 33° 15' + 30' gemessen, d‘ = 34° 15' ± 1° 15' gemessen, d — & — 32° 47' be- rechnet wurde. Natürliche und künstliche Rutilschiebung. Für unsere künstliche Rutilschiebung ergibt sich demnach ^ (Kj, K2) == ((101), (101)) = 65°34|-' ; hieraus findet man die Größe der Schiebung s = 2ctg(K1? K2) = 0,908 und die Haupt- (K K ) achsen des Deformationsellipsoides a = ctg ±'~ -1 2 = 1,552; b — 1; c = — = 0,644. a Dagegen liefert die natürliche Rutilschiebung (K1( K2) = ((101), (301)) = 84° 341'; s = 0,190; a = 1,100; b = 1 ; c = 0,909. Die Gleitrichtung der künstlichen Schiebung ist also derjenigen der natürlichen entgegengesetzt ; der Gleitbetrag der ersteren ist 4 — 5 mal so groß als derjenige der letzteren und größer als alle bisher an Kristallen ermittelten s- Werte. Die von Mügge an Rutilen von Blumberg gemessenen Winkel zwischen Kristalloberflächen und Lamellenoberflächen stimmen gut mit Mügge’s Annahme der beiden Kreisschnittsebenen Kx = (101), K2 = (301) überein, ebenso die später an analog lamellierten Zinn- steinen von Selangor auf Malakka durch Johnsen 1 festgestellten Winkel. Auch waren die Lamellen jener Rutile und Zinnsteine auf (110) des Hauptkristalls von (121), auf (Oll) von (321) be- grenzt, d. h. von Flächenarten, die dem Hauptkristall völlig fehlten ; {121} ist an Rutil und Zinnstein überhaupt noch nicht beobachtet worden. Dazu kommt, daß (301) an manchen Rutilen und zuweilen auch an künstlichem Zinnstein als Zwillingsebene fungiert, was erfahrungsgemäß Schiebungen mit K2 = (301) besonders wahr- scheinlich macht. 1 A. Johnsen, dies. Centralbl. 1908. p. 426. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 24 370 A. Griihn und A. Johnsen, Wäre die zweite Kreisschnittsebene der natürlichen Rutil- Schiebung- nach Ka = (101) nicht (301), sondern (TOI), so würde (011) in (110) statt in (321) und (110) in (Oll) statt in (121) übergegangen sein wie bei den künstlichen Schiebungen; eine nachträgliche, durch Fortwachsung oder Auflösung bewirkte Um- wandlung von (110) in (321) bzw. von (Oll) in (121) ist aber überaus unwahrscheinlich, da {110} und {0 11} im Gegensatz zu {321} und {121} die häufigsten und größten Flächen von Rutil und Zinnstein darstellen. Schließlich müssen wir erwähnen, daß im Rutil vielleicht auch künstliche Schiebungen, wenn auch vereinzelt, den Kreisschnitts- ebenen (101) und (301) statt (101) und (101) zu folgen scheinen; wenigstens traten an Präparat No. 1 auf (110) parallel zahl- reicheren, breiteren Streifen, die bei -j- 22° 8' + 40' reflektierten,, einige schmälere auf, die bei — 6° 15' + 12' ein deutliches Inten- sitätsmaximum ihrer Schimmerreflexe aufwiesen. Nach alledem darf man wohl annehmen, daß im Rutil Glei- tungen nach der Gleitfläche Kx = (101) nicht nur mit K2 = (101), sondern auch mit K2 = (30T) erfolgen können. Zur Struktur des Rutils. 0. Mügge1 zeigte, daß durch Schiebungen mit Kx = (101) nebst K2 = (301) ein tetragonales Gitter nicht in sich selbst über- geht, wenn das Netz in der Ebene der Schiebung, also in (010), primitive Rechtecke aufweist; somit kann weder die Form { 1 1 0}, {OOl}, noch die Form { 1 00}, {001} ein primitives Gitterparallel- apiped des Rutils darstellen; ebenso kann { 1 00} , {001} kein raumzentriertes Parallelepiped sein. Also bliebe nur die Möglich- keit, daß die Form {llO}, {001} ein raumzentriertes Parallelepiped darstellt. Wir wollen nun untersuchen, ob irgendwelche durch dieses raum- zentrierte Parallelepiped {llO}, {001} gekennzeichneten tetragonalen Gitter durch Schiebung nach Kj = (101) mit K2 = (301) in sich deformiert werden. Hierzu genügt es nicht, lediglich das Netz in der Ebene der Schiebung, also in (010), zu untersuchen; viel- mehr müssen auch die nicht // (010) verlaufenden Gitterlinien be- rücksichtigt werden. Daher wenden wir die neun Gleichungen der Gitterschiebung 2 an. Ist, auf ein primitives Parametertripel bezogen, die Gleit- fläche K, = (hkl) und die Grundzone o2 = [uvw] oder die Gleit- richtung o1 — [uvw] und die zweite Kreisschnittsebene K2 == (hkl). so müssen bis z9 ganzzahlig und teilerfremd sein, wo 1 0. Mügge, N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XIV. p. 308. 1901. 2 A. Johnsen, dies. Centralbl. 1916. p. 121. Künstliche Schiebung im Rutil. 371 hu — kv — 1 w 2 k u h u -f- k v -f- 1 w ’ z2 — h u — k v — |— 1 w 2 1 u z4 '= k v — 1 w — hu hu -f kv -f lw ’ hu + kv -f- lw 2 1 v Z6 = 2h v h u + k v + 1 w ’ hu + kv + 1 w lw — h u — k v 2 h w h u -j- k v -j- l*w ’ Z8 “ hu 4 kv 4 lw 2 k w Wir beziehen die Indizes auf das primitive Parametertripel OA, OB, OC der Fig. 2, die ein raumzentriertes Prisma {HO}, {00 1} veranschaulicht. Setzen wir also [0 /l //] = X = [100], [X 0 (u] = Y = [010], [0 X /li\ = Z = [001] und machen (001) zur Einheits- ebene (111), dann gehen über i^iJiX) in (100), (100) in (010), (/ii /ii X) in (001) und (001) in (111). Folglich erhalten die Gleit- fläche Kx — . (101) und die Grundzone g2 = [103] die neuen Sym- bole (hkl) = (l, -U~A, lj, bzw. [uvw] = [^i|U, 2, 24* 372 A. Grülm und A. Johnsen, Setzen wir diese 6 Indizes für li, k, 1. u, v, w in die Gleichungen I - ein, so gehen diese über in f. i — - X 4/ ' * H-j“ 2 X ’ jLl X ~Tx~’ z2 zs jxl -f- 2Xfx — 3 X2 JTju jx 2 X ' 3A-|- ji 4A ’ 3 X — fx 4 X (X 2X ’ (M* -f- 2X [x — BX2 4 X /u Bedenkt man, daß l und /u als Indizes des Symbols (/li /li l) teilerfremd sein müssen, und daß wegen zt = “ -- offenbar l ein Faktor von ji ist, so folgt I A | = 1 und somit \z1\== -u . folglich muß /li ungerade sein ; dagegen verlangt z5 = — daß (ä gerade ist. Also werden z1 bis z9 nicht sämtlich ganzzahlig, d. h. kein Gitter der betrachteten Art ist einer reinen Gitterschiebung nach Kx = (101) mit K2 = (30T) fähig. Folglich ist überhaupt kein einziges tetragonales Gitter durch Gitter Schiebung nach Kx = (101) mit K2 = (301) deformierbar. Da nun, wie man auch die Atome des Rutils zu Atomkomplexen zusammenfaßt, die Schwerpunkte dieser Komplexe (Molekeln oder Ionen) wieder ein oder mehrere tetragonale Gitter bilden müssen, so ergibt sich, daß weder die Atome noch die Schwer- punkte irgendwelcher Atomkomplexe des Rutils wäh- rend seiner natürlichen Schiebungen nach Kj = (101) mit K2 = (301) geradlinige (ihrem Abstand von der Gleit- fläche Kj proportionale) Wege durchlaufen können. Diese natürliche Rutilschiebung muß also sehr eigen- tümlicher Art und von Schiebung im mechanischen Sinne erheblich verschieden sein1. Wollte man dem Rutil eine geringere als tetragonale Sym- metrie zuschreiben, so müßte wegen seiner morphologischen und physikalischen Eigenschaften das Gitter doch als pseudotetragonal, also als einem tetragönalen Gitter affin, betrachtet werden, so daß Gitterschiebung nach wie vor ausgeschlossen wäre ; unter allen rhombischen Gittern z. B. würden nur diejenigen beiden eine Gitter- schiebung nach Kj = (101) mit K2 = (301) gestatten, in welchen die Rutilform (101), (TOI), (010), bzw. (301), (301), (010) ein primitives Parallelepiped definiert ; ein solches Gitter ist aber nicht pseudotetragonal. 1 Anm. während der Korrektur : Letzteres gilt auch für die Schiebung, die 0. Mügge soeben am tetragönalen Zinn bewirkte (dies. Centralbl. p. 233. 1917). Künstliche Schiebung im Rutil. 373 Wendet man die Gleichungen (I) auf die künstliche Rutil- schiebung nach Kx = (101) mit K2 = (101) an, so ergibt die An- nahme reiner Gitterschiebung, daß die Form {100}, {001} sowohl ein primitives als auch ein raumzentriertes Gitterparallelepiped sein kann, daß dagegen {HO}, {001} nur als raumzentriertes, nicht aber als primitives Parallelepiped fungieren darf. Die horizontalen und die vertikalen Kanten des genannten Quaders {100}, {001} müßten sich wie a : c des Rutils verhalten ; an obigem raum- zentrierten Prisma {l 10}, {001} wäre das Längenverhältnis zwischen Basisdiagonale und vertikalen Kanten wie a : c. Es sind also drei verschiedene, und zwar genau definierte tetragonale Gitter zu einer Gitterschiebung nach Kx = (101) mit K2 = (101) befähigt. Sclilußbetrachtnngen. Der experimentelle Teil vorstehender Arbeit ergab, daß in Schwefelpulver festgestampfte Rutilkristalle unter einem Pressungs- druck von 10 000 — 30 000 Atmosphären Schiebungen nach Gleit- flächen (101) eingehen, daß hierbei aber als zweite Kreisschnitts- ebene nicht, was für die natürlichen Rutilschiebungen höchst- wahrscheinlich zutrifft, (301), sondern (101) fungiert. Hiermit sind zum ersten Male einer und derselben Gleitfläche zwei verschiedene Deformationsellipsoide zugeordnet. Im theoretischen Teil wurde gezeigt, daß im ganzen drei verschiedene, genau definierte Gitter unsere künstliche Rutil- scliiebung als reine Gitterschiebung zulassen ; daß dagegen in keinem einzigen tetragonalen Gitter eine der natürlichen Rutil- schiebung entsprechende Gitterschiebung mit den Kreisschnitts- ebenen (101) und (301) eintreten kann. Somit muß dem letzt- genannten Schema Kj = (101), K2 = (301) ein sehr eigentümlicher,, von reiner Schiebung recht verschiedener Vorgang entsprechen, bei dem weder die Atome noch die Schwerpunkte irgendwelcher Atom- komplexe (Molekeln oder Ionen) geradlinige Bahnen beschreiben. Die Ursache des Unterschiedes zwischen den künst- lichen und den natürlichen Rutilschiebungen kann unseres Erachtens nur in den Druckverhältnissen gesucht werden. Bei unseren Versuchen übertraf der einseitige Hauptdruck die anders- gerichteten Drucke erheblich mehr als in der Natur. Das liegt z. T. daran, daß Schwefelpulver statt kompakter Gesteinsmasse als Einbettungsmittel diente, z. T. daran, daß die Drucksteigerung' von 1 bis 10 000 oder 30 000 Atmosphären binnen einer Stunde statt innerhalb von Jahrtausenden vor sich ging. Je langsamer solche Pressung sich vollzieht , desto gleichmäßiger und stabiler wird die Druckverteilung. Bei langsamerem Druckzuwachs und gleich- förmigerer Druckverteilung tritt also die kompliziertere, aber durch 374 0. Jaekel, geringere Schiebungsgröße ausgezeichnete (natürliche) Schiebung auf, bei schnellerem Druckzuwachs und weniger gleichmäßiger Druckverteilung die einfachere, aber durch größeren Gleitbetrag charakterisierte (künstliche) Schiebung. Die letzteren Druckbedin- gungen sind in der Natur kaum je gegeben, die ersteren hin- wiederum lassen sich experimentell nicht verwirklichen. Die natür- liche Rutilschiebung mag auch durch erhöhte Temperatur be- günstigt worden sein. Als wir einen zu pressenden Rutilkristall statt mit Schwefel- pulver' mit einer Alaunschmelze umgaben, die- zu einem viel kom- pakteren Medium erstarrt als es Schwefelpulver ist und somit eine mehr gleichmäßige Druckverteilung bedingte, erfolgte bei einem _L (110) gerichteten Pressungsdruck von über 20 000 Atmosphären keinerlei Schiebung. Dagegen ist die Rieht u n g des einseitigen Hauptdruckes ziemlich belanglos, denn in der Natur herrschen an Ort und Stelle zu verschiedenen Zeiten verschiedene Druckrichtungen, und auch in unsern Experimenten war der Pressungsdruck bald _L (HO), bald _L (100), bald _L (101) gerichtet. Mein Schlußwort zu den Angriffen der Herren Branca und Pompeckj gegen mich und meine Richtung in der Paläontologie. Von Otto Jaekel. Zur Sache brauchen wir wohl kaum noch zu diskutieren. Ich will nicht mehr als das, was anderwärts für die Paläontologie längst erreicht ist und dort bereits ausgezeichnete Früchte trägt. Neuen Fächern Bahn zu schaffen ist nicht leicht, besonders in so fest gefügten Verhältnissen, wie sie bei uns vorliegen. Vor etwa 100 Jahren erreichte die Mineralogie ihre Selbständigkeit gegenüber der Chemie, vor etwa 60 Jahren kämpfte Beyrich in Berlin den- selben Kampf für die Geologie gegenüber der Mineralogie, und nun konnte wohl die Paläontologie hoffen, endlich auch in unserem Lande an einigen Stellen freie Bahn für Forschung und Lehre zu erlangen. Das wäre nach meiner Kenntnis der Sachlage einige Jahre vor dem Kriege wohl auch geschehen, wenn nicht in letzter Stunde geologische und persönliche Strömungen wieder die Ober- hand gewonnen hätten. Darüber länger zu streiten hat wenig Wert. Schließlich wird ja wohl das, was schon in mehreren kleinen Staaten möglich war, auch im großen Deutschland gelingen, und ich hoffe nur, daß bis dahin die eigentliche, d. h. die morpho- logische und physiologische Paläontologie im Lande der Entstehung dieses Faches nicht gänzlich ausgestorben sein wird. So etwas geht schneller, als man meint: denn wenn in einer Richtung gar Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 375 nichts zu erhoffen ist, dann sind es gewöhnlich die eifrigsten, die auf andern Wegen ihr Heil versuchen. Dafür könnte ich als Belege deutlich redende Briefe einstiger Jünger der Paläontologie vorführen, die sich bei der absoluten Aussichtslosigkeit unseres Faches anderen biologischen Arbeitsgebieten zuwandten. Selbstverständlich habe ich niemals, wie meine Gegner fort- gesetzt trotz aller Proteste angeben, die Brücken zur Geologie abbrechen wollen oder gar die Berechtigung faunistisch-paläonto- logischer Forschungen bestritten, nur stehen diese letzteren zu det spezifischen Paläontologie in demselben Verhältnis wie faunistische Forschungen zu der — sagen wir kurz — akademischen Zoologie. Zudem brauchen wir uns um diesen Zweig der Paläontologie zu- nächst wirklich kaum zu sorgen, da er in Deutschland auf eine große Zahl geologischer Stellen gestützt ist und in diesen voraus- sichtlich noch auf lange Zeit hinaus vielseitige Pflege finden wird. Herrn Pompeckj brauche ich auf seine Berichtigungen nur noch wenig zu erwidern. Zur Sache behauptete er, daß meine Hinweise auf die Gliederung der paläontologischen Lehrstühle in Wien unrichtig seien, und beruft sich dazu auf einen Brief von Eduard Suess, daß in Wien der Ordinarius der Paläontologie auch die historische Geologie lese. Wenn das gelegentlich der Fall war, so muß dieses Übergangsstadium jedenfalls weit zurückliegen, denn wie mir Herr Schaffer aus Wien nach dem Lesen des Pompeckj- sclien Aufsatzes schrieb, habe der Ordinarius für Paläontologie höch- stens aushilfsweise historische Geologie gelesen; seit 1913 habe er als Geologe den Lehrauftrag für diese als „Geologie der Sedimente“, vorher habe der Ordinarius für Geologie diese Vorlesung gehalten. In Wien sind also Geologie und Paläontologie ganz getrennt und genau so besetzt, wie ich es vorgeschlagen habe und keineswegs so, wie Herr Pompeckj die Teilung wünscht. Damit erledigen sich auch entsprechende Behauptungen Branca’s, die obige Angaben Pompeckj’s aufnehmen und mit weiteren Irrtümern versehen. In Wien bestehen an der Universität zwei volle Ordinariate und ein Extraordinariat für Paläontologie der Tiere, andere Stellen für Paläontologie der Pflanzen. In ganz Deutschland gibt es dagegen meines Wissens bisher nur einen Lehrauftrag allein für Paläonto- logie, und zwar an einer technischen Hochschule. Bei dieser Sach- lage ist es wohl müßig, die Betrachtungen Branca’s näher zu prüfen, mit denen er aus dem Verhältnis des Flächeninhaltes zu der Zahl der geologischen bezw. paläontologischen Stellen in ver- schiedenen Ländern samt ihren Kolonien ein glückliches Dasein der deutschen Paläontologie herausrechnet (dies. CentralbJ. 1916, p. 304 — 310). Auch Herrn Branca’s Warnungen vor den ver- hängnisvollen Gefahren einer Errichtung selbständiger paläonto- logischer Museen können auch in ihrer neuen Aufmachung nicht zu einer Widerlegung reizen. $76 0. Jaekel Herr Pompeckj hatte in seinen ersten Angriffen gegen meine Richtung in der Paläontologie behauptet, daß mich eine Entfremdung von der Geologie dazu gebracht hätte, die wichtigen Dinosaurier- funde von Halberstadt für jurassisch zu erklären. Seine Worte mußten jedem Leser den Eindruck machen, daß ich einen solchen Irrtum literarisch oder mindestens öffentlich festgelegt und erst durch seine Belehrung aufgegeben hätte. Er unterstreicht den Vorwurf, der in dieser Anschuldigung lag, jetzt noch durch die Bemerkung, daß jeder halbwegs ausgebildete Student der Geologie über die Altersbestimmung der typischen bunten Mergel als oberen Keuper nicht im Zweifel hätte sein können. Ich hatte seinem Vorwurf gegenüber von einer böswilligen Verleumdung gesprochen und Herr Pompeckj ist nun daraufhin mit seinen Belegen für seine Beschuldigungen herausgekommen. Das erste dieser zwei sehr bemerkenswerten Dokumente soll eine mündliche private Mitteilung von mir an ihn gewesen sein. Er fügt hinzu: „Natürlich wird Jaekel das jetzt voll Entrüstung ableugnen. Ich kann mich auch nicht entsinnen, ob in Hörweite ein Zeuge zugegen war.“ Diese „Ableugnung“ habe ich zum Glück nicht nötig, denn ich hatte etwa drei Monate vor jenem Gespräch in Berlin in der Deutschen Geologischen Gesellschaft im März 1910 einen Vortrag über die neuen Dinosaurierfunde in der Trias von Halberstadt gehalten, und in dem betreffenden Sitzungsprotokol], das bekanntlich sofort ge- druckt wird, steht Jahrgang 1910, Monatsberichte p. 271, für jeden klar und deutlich nachzulesen, daß es sich um Plateosauriden aus dem obersten Keuper handele. Und nun behauptet Herr Pompeckj, noch die Worte zu wissen, mit denen ich ihm zwei oder drei Monate später — er war bei mir, als ich im Sommer 1910 das dritte Exemplar ausgrub — das Rassische Alter der Fundstelle behauptet hätte ! Fast ebenso eigenartig ist das andere Beweisstück des Herrn Kollegen, es ist der Ausschnitt eines anonymen Zeitungs- artikels einer Halberstädter Zeitung, der nach einer Mitteilung der Redaktion von einem Halberstädter Herrn T. und mir stamme, und nun behauptet Herr Pompeckj kurzweg, daß der betreffende Passus über die geologischen Verhältnisse im Süden von Halberstadt von mir herrühre. Welchen Anteil soll wohl jener Halberstädter Herr an dem Artikel gehabt haben, etwa die den zweiten Teil desselben bildenden Hinweise darauf, daß die Präparation und Erhaltung solcher fossilen Skelette äußerst schwierig sei und der Fund deshalb in ein Zentralmuseum gehöre! Selbstverständlich hatte ich diesen Beitrag zu jenem Artikel geliefert, denn darauf kam zunächst, ab- gesehen von den Bergungsarbeiten, in jenen ersten Tagen meines Halberstädter Aufenthaltes alles an, und da ich in dieser Hinsicht sehr erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden hatte, so beschränkte- ich mich darauf, den Halberstädter Herren betreffs der Altersbe- stimmung nur meine Bedenken zu äußern, bis ich zur Klarstellung Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. ■377 dieser Frage Zeit fand; das war auch nach einigen Tagen ange- strengter Bergungsarbeiten und schwieriger Verhandlungen der Fall. Zur Rechtfertigung der Halberstädter Geologen möchte ich übrigens noch bemerken, daß die charakteristischen „bunten Tone“ erst später bei dem Abbau der Grube zutage traten. Zuerst waren unter den sandigen Schichten, die vielleicht schon dem Rhät an- geboren, nur graue Tone aufgeschlossen. Etwas ähnliche graue Tone finden sich nahe bei unserem Fundort in dem unteren Lias des Kanonenberges in Halberstadt, wo zufällig darüber auch sandige Schichten des Cardinien-Horizontes liegen. Da war also ein Irrtum der dortigen Herren erklärlich, zumal die geologische Karte des nördlichen Harz Vorlandes an dem Dinosaurierfundort Lias angab, und die von Herrn Torger zuerst nach Berlin an das geologisch- paläontologische Institut und Museum gesandten Dinosaurierknochen als Plesiosaurierreste bestimmt worden waren1. Daß ich die Fund- schicht wenige Tage nach meinem Eintreffen Ende Oktober 1909 als Keuper erkannt hatte, beweist ein Brief des Herrn Torger vom 6. November 1909 und ein Protokoll der Museumskommission in Halberstadt vom 1. November desselben Jahres, in denen meine Funde als Plateosauriden ( Gresslyosaurus) erwähnt werden. Das sind die typischen Keuper-Dinosaurier, und da soll ich noch im nächstfolgenden Sommer Herrn Pompeckj von dem juras- sischen Alter der Reste gesprochen haben ! Ich kann mich bei diesem Tatbestände nun wohl jeglichen Urteils über das Vorgehen und die Beschuldigungen des Herrn Kollegen Pompeckj enthalten. Daß Herr Pompeckj meine Bemühungen um die Begründung und Richtung der Paläontologischen Gesellschaft anders ansieht als ich, ist selbstverständlich sein unbestreitbares Recht, und daß er von seinem Standpunkte aus der geologischen Seite der Paläonto- logie mehr Einfluß zuweisen wollte als ich, dem es zunächst darauf ankam, sie gerade von dem Gängelbande der Geologie auch bei uns frei zu machen, wird jeder verstehen. Es handelte sich aber in dieser Sache meinerseits um einen Einspruch gegen die Mittel, die Herr Pompeckj für seinen Zweck anwandte. Hierbei spielte auch die Frage, ob Herr Abel in den Vorstand gewählt würde, eine sehr bedeutende Rolle. Es handelte sich dabei nicht nur um ihn und seine Wiener Schule, sondern um die physiologische Richtung in unserem Fache, deren Hauptvertreter er ist. Deshalb wünschte ich sehr seine Mitwirkung, die er mir unter Zurückstellung seiner eigenen Pläne auch vorher zusagte, falls es mir gelänge, 1 Herr Branca behauptete, daß die recht auffällige Bestimmung des distalen Gelenkendes eines Dinosäurier-Femur als Plesiosaurier-Rest in seinem Institut von einem meiner Schüler herrührte. Auch diese Anschuldi- gung wird durch den mir vorliegenden Originalbrief aus Berlin wideilegt. '378 0. Jaekel, ihm und seiner Richtung- einen maßgebenden Einfluß in der Ge- sellschaft zu sichern. Das war es, worum ich auf den ersten Versammlungen unserer Gesellschaft in Greifswald und Halberstadt -gekämpft habe, und was an Einwänden des Herrn Pompeckj scheiterte. Auch das konnte noch wie ein Kampf um Richtungen in der Palä- ontologie aussehen. Nun aber schrieb Herr Pompeckj Herrn Abel, wie lebhaft er es bedaure, daß Abel bei uns nicht mit- wirken wolle, das wäre „schon Jaekel’s wegen“ doch sehr wünschens- wert gewesen (!). Da wurde ich also nun gegen Herrn Abel ausgespielt, und jetzt nach Jahren löste sich endlich durch meine Verteidigung gegen Herrn Pompeckj die Verstimmung, die Herr Abel seit dieser Zeit gegen mich hegte. Herr Pompeckj wird wohl kaum behaupten, daß er diese Trennung von uns so ganz unbewußt erregt habe und jedenfalls durfte sie ihm bei der Ver- folgung seiner Ziele sehr zustatten gekommen sein. Herr Pompeckj suchte bei jeder Gelegenheit mein Bestreben, die biologische Richtung in der paläontologischen Gesellschaft zur •Geltung zu bringen, als persönliche Neigung und Herrschsucht meinerseits hinzustellen und es sich zum besonderen Verdienst um die Gesellschaft anzurechnen, daß er meinem Einfluß in derselben möglichst entgegen arbeitete. Wenn dieser wirklich für unser Fach so bedenklich wäre, dann würden sich wohl nicht fast alle namhaften Paläontologen der Welt meiner Gründung angeschlossen haben, noch bevor die Gesellschaft und die von mir vorher be- gründete Zeitschrift Beweise ihrer Leistungsfähigkeit erbringen konnten. Daß mich dieses Vertrauen der Kollegen verpflichtet, die von mir eingeschlagene Richtung festzuhalten und energisch zu verteidigen, bis die Gesellschaft aus den Fährlichkeiten ihrer ersten Entwicklungsjahre hinaus ist, bedarf wohl bei allen, denen es lediglich auf die Förderung unseres Faches ankommt, keiner näheren Begründung. Würden wir aber, wie es Herr Pompeckj will, unsere Gesellschaft und Zeitschrift in das geologisch-faunistisclie Fahrwasser zurückleiten, so hätten wir, wie Eberhard Fr aas sehr richtig betonte, auf ihre Gründung verzichten können. Herr Branca leitet seine durch 4 Hefte dieses Centralblattes fortlaufenden Angriffe gegen mich mit der Behauptung ein, daß er von mir angegriffen, ja sogar beschimpft worden sei. Demgegenüber konstatiere ich, daß ich Herrn Branca nie angegriffen habe, sondern nur zu einigen wenigen Punkten seiner Behauptungen rein sachlich Stellung nahm. Ich vertrete meine Auffassungen über Ziele und Wege paläontologischer Forschungen seit dem Jahre 1893 in der Öffentlichkeit 1, und habe mich, das gebe ich zu, auch während ich 1 Über die Beziehungen der Paläontologie zur Zoologie. Verh. d. Deutsch. Zool. Ges. in Göttingen 1893 (Leipzig, Engelmann. 1894). Dort rsteht z. B. p. 80: „Daß der Hauptwert der Fossilien in ihnen selbst liegen Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 379 in Berlin Untergebener des Herrn Branca war, von meiner Über- zeugung nicht abbringen lassen. Ich meine, das ist mein gutes Recht, um so mehr, als der von mir vertretene Standpunkt außer- halb unserer Grenzen längst anerkannt ist. Ich habe aber erst nach meinem Weggange von Berlin, und zwar auf ausdrückliche Anregung von höherer Stelle, meine Ansicht von neuem öffentlich begründet. Wenn sich Herr Branca mit Herrn Pompeckj soweit identi- fiziert hat, daß er meine Abwehr gegen den letzteren ebenso auf .sich bezieht und „Anwürfe Jaekel’s gegen uns“ nennt, so ist das eine Verkoppelung von Interessen, mit denen ich nichts zu tun habe. Auch seine Hinweise auf einen Streit, den ich vor 15 Jahren mit Herrn Prof. L. Plate betreffs meiner dem Darwinismus scharf gegenüber gestellten Ansichten über Entwicklungslehre hatte, hat mit den uns hier beschäftigenden Fragen nicht das geringste zu tun. Auf weitgehende Übertreibungen dieser Angelegenheit will ich daher auch nicht näher eingelien. Herr Kollege Branca hat nun die Angriffe gegen mich, die Herr Pompeckj zuerst noch sachlichen Gesichtspunkten untergeordnet hatte, zum Gegenstand schärfster persönlicher Angriffe gemacht, flie nahezu 100 Seiten umfassen. Das ist wohl ein Novum in der Wissenschaft, noch mehr aber, daß Herr Branca bei diesen An- griffen mit absolutester Einseitigkeit verfährt. Er hat aus meinen ca. 140 Publikationen die Punkte herausgesucht, die er für falsch hält. Kein Wort von ihm wird der sonstigen Bedeutung der herangezogenen Arbeiten gerecht. Was an ihnen gut und schlecht ist, das wird wohl erst die Zukunft entscheiden, und ich hoffe, deren Entscheidung noch dadurch günstig beeinflussen zu können, daß ich doch noch einmal in die wissenschaftliche Lage versetzt werde, größere von mir begonnene Arbeiten zu Ende zu führen und dabei viele neue Gesichtspunkte, die ich bisher nur gelegentlich andeuten muß als Dokumenten der Entwicklung der Tierwelt, und daß ihre prak- tische Verwertung seitens der Geologie nur eine nebensächliche ist, welche mit ihrem inneren Wesen nichts zu tun hat“ und „Der Schnitt muß un- bedingt so gezogen werden, daß die Lehre vom Bau und der Entwicklung der Erde mit den Wissenschaften verschmolzen wird, welche sich das Studium der leblosen Stoffe und Kräfte zur Aufgabe gestellt haben: die Lehre aber vom Bau und der Entwicklung ihrer Bewohner bildet ein un- trennbares Ganze, welches man als Ontologie bezeichnen kann. Paläonto- logie und Neontologie sind keine natürlichen Teile derselben, wohl aber Zoologie und Botanik.“ Ferner p. 82: „Das paläontologische Sammlungs- material ist an vielen Universitäten und Museen bereits ganz von dem der historischen Geologie dienenden Leitfossil-Sammlungen getrennt, und indem es zoologisch-botanisch angeordnet ist, von allen geologischen Ge- sichtspunkten losgelöst.“ Da sind also bereits alle die Gesichtspunkte betont, deren Vertretung 15 Jahre später Herr Branca als persönlichen Angriff gegen sich auf faßt. 0. JaekeJ, 380 konnte, im Zusammenhänge darzustellen. Dann hoffe ich auch anderen, die meinen Anregungen zu neuen Ansichten wohlwollender gegenüberstehen, vieles in seinem Sinn und seiner Tragweite klar machen zu können, was ihnen wohl bisher nur eine problematische Bedeutung zu haben scheint. Das gilt z. B. von der Möglichkeit spontaner tiefgreifender Umbildungen, zu denen ich die Anregung in inneren Spannungen suchte, und die ja unabhängig von mir Hugo de Vries gleichzeitig durch seine botanischen Versuche tatsächlich, wenn auch in geringerem Umfange, als ich sie an- nehme, erwiesen hat. Herr Branca führt als weiteres Beispiel meiner zwecklosen Phantasie meine Hypothese an, daß der Knorpel wesentlich ein embryonales Präformationsmittel des Knochens sei und daher nicht die stammesgeschichtliche Bedeutung besitze, die ihm in der ver- gleichenden Anatomie und Zoologie zugeschrieben wurde. Herr Branca hat ganz recht, wenn er sagt, daß ich mit solchen Be- hauptungen „das diametrale Gegenteil von dem bisher als richtig Erkannten“ lehre, aber er hat übersehen, daß diese Auffassung inzwischen von sehr kompetenten Beurt eilern in der Anatomie be- reits angenommen ist, und von Herrn von Ebner- Wien schon bei der Eröffnung der Anatomen- Versammlung in Leipzig 1911 als eine der bemerkenswerten Neuerungen in der anatomischen Wissenschaft hervorgehoben wurde 1. Über die Genese des Innenskelettes stehen sich die Auffassungen ja seit langer Zeit scharf gegenüber. Meine vorläufig und gelegent- lich hierzu geäußerten Anschauungen nehmen in wichtigen Punkten einen vermittelnden Standpunkt ein und knüpften immer an be- obachtete Tatsachen an. Sie waren also nicht gänzlich unbegründet, wie Herr Branca sagt, aber freilich unbewiesen. Das werden solche Arbeitshypothesen ja wohl immer bleiben, schlimm ist es nur, wenn sie zu unantastbaren Lehrmeinungen erstarren. Gegen solche muß ich leider oft angehen. Herrn Branca’s Angaben über „direktes Atmen eines Gehirns“ sind durchaus entstellt. Zunächst diene folgendes zur Aufklärung des Tatbestandes. In einer Schrift „Über Tremataspis und Patten’s Ableitung der Wirbeltiere von Arthropoden“ (Zeitsclir. d. deutsch, geol. Ges. 1903. p. 84) hatte ich die eigenartige Ausbildung der Sinnesorgane am Kopf jenes silurischen Fisches besprochen und glaube dabei gegenüber der bisher ganz unsicheren Beurteilung seiner Organe die Lage der Nasen, Augen, des Parietalorganes und der Ohren klargestellt zu haben. Für das vorher ganz rätsel- hafte Organ hinter den Augen, deren bisherige Deutungen als Parietalorgan (Rohon) und Ohren (Patten) durch meine Unter- 1 Verh. d. anatom. Ges. 25. Versammlung Leipzig. 1911. Gust. Fischer, p. 12, 18. Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 381 suchung unhaltbar geworden waren, fügte ich dann folgenden Satz an: „Ich möchte dabei den Gehirnanatomen und Physiologen die Frage vorlegen, ob eine danach zu vermutende Berührung der Bautengrube des Gehirns mit der Außenwelt vielleicht auf einen primitiven Gasaustausch des viel Sauerstoff verbrauchenden Gehirnes zurückgeführt werden könnte.“ Eine vorsichtigere Form der An- nahme kann es doch wohl kaum geben. Herr Branca aber erwähnt von dieser Vorsicht nichts, sondern bezieht sich diesmal nur auf die Buchstaben, die zur Erklärung einer Textfigur dienten. Ein solches Zitieren als Basis schärfster persönlicher Angriffe dürfte wohl nicht nur mir, sondern auch anderen befremdlich erscheinen. Herr Branca aber vervollständigt es noch durch eine Angabe, die •offenbar beweisen soll, daß ein Gehirnphysiologe jene Deutung von mir lächerlich gemacht habe. Tatsächlich hatte gerade dieser Herr meine Deutung als möglich bezeichnet und ist nach dem be- treffenden Vortrage nur einem mir selbst entgangenen scherzenden Zwischenruf entgegengetreten, indem er darauf hinwies, daß selbst- verständlich der Gasaustausch durch Vermittlung eines Gefäßge- flechtes erfolgt sein müßte. Ob im Hinblick auf jenes problematische Organ der wohl witzig sein sollende Hinweis des Herrn Branca auf die Fontanelle des menschlichen Schädels irgendwie angebracht war, lasse ich dahingestellt. Ähnlich mutet mich die Belehrung des Herrn Kollegen an, die er mir betreffs des Unterschiedes eines Wirbeltierfußes und einer Krebsgliedmaße erteilt. Ich hatte in einer Arbeit über die Entstehung der paarigen Gliedmaßen den umgekehrten Weg wie bisher eingeschlagen und versucht, das Skelett der Fischfiosse aus dem des Tetrapodenfußes herzuleiten (Sitz.-Ber. d. Berl.-Akad. d. Wiss. 1909. p. 707). Ob ich gegen- über allen bisherigen mißlungenen Versuchen, auf dem entgegen- gesetzten Wege zu einem befriedigenden Resultat zu kommen, meinerseits das Richtigere getroffen habe, wird sich wohl nicht so bald entscheiden lassen, jedenfalls mußte mich aber mein Gedanken- gang bei konsequenter Durchführung schließlich zu der Endfrage leiten, woraus denn überhaupt die Wirbeltierbeine hervorgegangen sein könnten. Das habe ich am Schlüsse jener Arbeit mit aller möglichen Vorsicht getan, und Herr Branca übersieht im Eifer seiner Kritik, daß die Hypothese Gegenbaur’s, der die Gliedmaßen aus Radien von Kiemenbögen ableitete, oder diejenige Balfour’s u. a., daß sie aus Seitenfalten des Rumpfes entstanden, mindestens ebenso weitgreifende Hypothesen waren wie die meine. Ich schloß jene Schlußbetrachtung mit den Worten : „Ich bin selbstverständlich über den problematischen Charakter dieser Vergleiche nicht im Zweifel, denke aber, daß die oben angeführten Tatsachen geeignet sind, die Frage nach der Entstehung der paarigen Extremitäten aus dem bisherigen ergebnislosen Streit der Meinungen in aus- sichtsvollere Bahnen zu leiten.“ 382 0. Jaekel. Ob Herr Branca unter anderem die Momente kritisch beurteilen kann, die mich veranlaßten, den Proatlas mit dem Schulterbogen in Beziehung zu bringen, glaube ich bezweifeln zu dürfen. Dazu muß man in die Metamerie des Wirbeltierkörpers tiefer eingedrungen sein und auch die neuen Momente objektiv würdigen können, die ich über die Zugehörigkeit der Kiemen zu der Occipitalregion des Schädels beibrachte, und die sehr gründliche anatomische Ergeb- nisse älterer Autoren weiterführten. Die rückwärtige Verschiebung der Kiemenregion und des Schultergürtels sind anerkannte Tat- sachen, und nun liegt der Schluß wohl nicht so fern, daß der bisher in die Metamerie des Wirbeltierkörpers noch nicht eingereihte Schultergürtel, der sich bei niederen Wirbeltieren unmittelbar der Kiemenregion anschließt, dem ersten und einzigen Wirbel zugehörte, bei dem man bisher noch nie eine Spur peripherer Skelettanlagen gefunden hat. Solchen Forschungen gegenüber sind doch wohl höhnische Bemerkungen wie die hier von Herrn Branca gebrauchten recht wenig angebracht. Weiter hat Herr Branca eine Anzahl von Fällen gesammelt, in denen ich meine Anschauungen geändert, oder wie er sagt, ge- wechselt hätte. Ob das grundsätzlich für oder gegen die Ent- wicklungsfähigkeit eines Forschers spricht, überlasse ich dem Urteil des Lesers und will auf die Belege für obige Anklage nur mit wenig Worten eingehen. Die Deutung der Vogelhand schließt sich in meinem Handbuch der Wirbeltiere 1911 noch dem damals herr- schenden Standpunkt der vergleichenden Anatomie an, war aber von mir schon mit folgender Bemerkung begleitet: „Die Be- urteilung der Flügelbildung ist insofern noch unklar, als wir nicht wissen, welche Finger das definitive di-stale Fingerskelett zusammensetzen.“ Eben wegen dieser Unklarheit nahm ich später dieses Problem meinerseits auf und kam nun zu einer anderen Auffassung, die einige inzwischen veröffentlichte, aber anders ge- deutete embryologische Ergebnisse mit neuen paläontologischen Entdeckungen an dem Handskelett meiner Halberstädter Dinosaurier in Einklang brachte. Ob meine fortschreitenden Untersuchungen über diese Halberstädter und andere Dinosaurier einen Fortschritt gegenüber älteren Ansichten von anderen und von mir bedeuten, weiß ich nicht, und das scheint wTohl auch Herrn Branca hierbei nebensächlich. Aber der „wiederholte Wechsel der Ansicht“, der doch die ganze Dinosaurierforschung der letzten 10 Jahre bewegt und in Fluß gebracht hat, scheint ihm bei mir äußerst bedenklich. Daß ihm meine neuen Ansichten „Über den Bau des Schädels“ (Anat. Anzeiger 1913) in verschiedener Hinsicht unverständlich sind, will ich gern glauben, denn auch die hierin arbeitenden Anatomen werden, wie Herr Barfurth nach meinem Vortrage sagte, noch Schwierigkeiten haben, „sie in Einklang zu bringen mit unseren bisherigen Vorstellungen vom Primordialschädel“. Aber Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 383 er sowohl wie Herr von FRORiEP-Tübingen, der in der Diskussion einen von mir vermuteten Differenzpunkt unserer Ansichten zu meinen Gunsten berichtigte, sprachen sich nach jenem anatomischen Vortrag sehr freundlich über meine Theorie aus, die Zusammenhang in viele bisher rätselhafte Erscheinungen brächte und so manche bisherige Schwierigkeit beseitige. Und nun glaubt Herr Branca, die obigen Worte des Herrn Barfurth und die, wie gesagt, gänzlich mißgedeutete Bemerkung eines anderen Diskussionsredners betreffs jenes Gehirnorganes von Cephalaspiden als eine „ironische, voll- ständige Ablehnung dieser Hypothesen“ hinstellen zu dürfen. Da wäre für Herrn Branca doch zum allermindesten eine Rückfrage bei Herrn Barfurth am Platze gewesen ! Nicht einmal diese Rücksicht glaubte Herr Branca einer solchen Behauptung mir gegenüber schuldig zu sein. Daß die Abstammung der Wirbeltiere und Echinodermen zu den schwierigsten Kapiteln der Stammesgeschichte gehören, ist allgemein bekannt, und diese Tatsache hätte wohl allein schon davon abhalten sollen, meine darauf bezüglichen Publikationen auf Wechsel von Anschauungen, oder wie Herr Branca dort sagt, auf Widersprüche zu durchsuchen. Herr Branca glaubt solche in der Änderung meiner Vorstellungen von den hypothetischen Urformen der Wirbeltiere zu finden und durch Gegenüberstellung einzelner Punkte beweisen zu können. Hätte er sich nur einmal die Mühe gemacht, auf den Sinn des Wechsels meiner Anschauungen einzu- gehen, so würde er bemerkt haben müssen, daß ich mich schritt- weise von der herrschenden Meinung freimachte, die Urformen der Wirbeltiere in schwimmenden Fischen zu sehen, dann würde er auch wohl gemerkt haben, wie viele triftige und übrigens von kompetenten Forschern anerkannte Gründe ich für meine Anschau- ungen nach und nach ins Feld geführt habe. Daß dabei nicht gleich ein fertiges neues Gebäude an die Stelle der älteren Hypo- thesen zu setzen war, sondern die Umrisse erst allmählich an Schärfe gewannen, ist doch wohl bei einer so schwierigen Materie ohne weiteres selbstverständlich, und hätte ihm gerade die Vorsicht beweisen können, die er mir absprechen zu dürfen glaubt. Daß er mir p. 282 sogar gesperrt entgegenhält : „Alle Spekulationen über die Phylogenie lediglich auf Grund des geologischen Alters der Erfunde“ hätten wenig Wert etc., beweist wohl schlagender als alles andere, daß er das Maß für eine kritische Betrachtung meiner Arbeiten gänzlich verloren hat, denn ich bin doch unbe- streitbar einer der Hauptvertreter der morphologischen Richtung, und das war es ja gerade, was mir Herr Pompeckj als größten Mangel vorwarf, daß ich die Aufeinanderfolge des geologischen Auftretens darüber nicht genügend bewertete. Wem der beiden Herren soll ich es nun recht machen ! Auch im ersten Band meiner Stammesgeschichte der Pelmato- 384 0. Jaekel, zoen ist Branca eine Änderung’ gegenüber einer älteren Ansicht von mir aufgestoßen. Ich hatte früher, wie übrigens wohl alle Pel- matozoen-Forscher, die einfachst gebauten Formen, die sehr alten Thecoidea, als Ausgangspunkt der Pelmatozoen angesehen. Später fand ich dann in Prag in dem BARRANDE’schen Cystoideen-Material eine überaus interessante Form, die allerdings mit einem Schlage das ganze Bild der bisherigen Auffassungen in neuem Lichte er- scheinen ließ und die Phylogenie der Pelmatozoen noch über die Thecoidea hinaus zurückzuleiten scheint. Auch diesen Wechsel meiner Ansichten nehme ich also ohne Erröten auf mich. In meinem Handbuche der Wirbeltiere, in dem ich zum ersten Male den Versuch durchführte, die fossilen und lebenden Formen einheitlich zusammenzufassen, hatte ich selbstverständlich sehr große Schwierigkeiten zu überwinden, zumal mir das Arbeiten über solche größere Gebiete in Greifswald ganz außerordentlich erschwert ist. Herr Branca sucht nur die Fehler heraus ; sie sind numeriert mit a bis /n. Er beanstandet, daß ich von Ohren spräche, wo -es sich nur um das Gehörorgan handele. Er versteht also unter „Ohr“ wohl nur die äußeren Ohrmuscheln, während ich damit das innen gelegene Gehörorgan meinte. Obwohl ich ausdrücklich her- vorhebe, daß bei den „ vierfiißigen“ Urodelen die Beine teilweise rückgebildet sind, macht er den Einwand, daß Siren doch nur zwei Yorderfiiße habe. In einer kurzen Handbuch-Definition kann man doch unmöglich alle Besonderheiten einzeln aufführen, und daß die Hinterbeine von Siren zurückgebildet sind, wird doch niemand -bestreiten. Branca moniert ferner, daß ich den Schläfenbogen der Paratheria dem der Säugetiere gleichsetze. Das ist bisher allgemein geschehen, wenn auch nicht alle Fälle in dieser Hinsicht vollkommen geklärt sind. Auch der Phalangenformel wird allgemein große syste- matische Bedeutung beigemessen, und es muß doch wirklich komisch wirken, daß Herr Branca mir dazu entgegenhält, daß Herr G.Tornier .zwei Jahre nach dein Erscheinen meines Buches eine andere An- sicht über den Wert der Phalangenzahl publiziert hätte. Er kriti- siert den Ausdruck „wechselblütig“. Es müßte .. „wechselwarm“ -heißen. Nun, ich glaube, daß der auch von mir verwendete Aus- druck in der zoologischen Literatur bisher noch nie Mißverständ- nisse erweckt hat. Selbst ein Druckfehler, der, wie er selbst sagt, dem Fachmanne ohne weiteres klar sei, muß herhalten, um den .Schaden des Buches in den Händen von Studenten zu begründen. Der Setzerteufel hatte den „Blindwühlern“ „verknöcherte“ statt „verkümmerte“ Augen zugeschrieben. Andere Einwände erklären sich aus der leider in Handbüchern unvermeidlichen Kürze der Diagnosen. Er bemerkt, daß nicht alle Eidechsen „Klettertiere“ seien, nicht alle Schlangen einen walzenrunden Körper hätten, einige von ihnen nicht fußlos seien, sondern noch die der bekannten .Rudimente hinteren Gliedmaßen hätten. Einige Einwände sind Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 385 natürlich berechtigt und werden wohl in einem Buche, in dem fast alle Diagnosen neu bearbeitet werden mußten, niemanden befremden, aber hat denn die Allgemeinheit an diesen Kleinigkeiten eines neuen Versuches wirklich Interesse ! Solche Quisquilien befremden gewöhnlich schon in einer gründlichen Kritik, die ein Buch nach allen Dichtungen und nach seinem Gesamtwerte beurteilt. Auch daß von den 280 Abbildungen dieses Buches 116 auf Grund eigener Forschungen neu gezeichnet sind, ist ihm einer Erwähnung nicht wert, daß aber eine von mir kopierte, bekannte, aber leider als Kopie nicht vermerkte Abbildung einen Mangel aufweist, das betont er und erörtert eingehend den Anteil der Schuld, der mich dabei träfe. Im Interesse der Sache würde es doch wirklich genügt haben, mir jene Ausstände mitzuteilen oder mitteilen zu lassen. Ich wäre dafür gewiß dankbar gewesen, auch wenn ich die Berechtigung nicht in jedem Falle eingesehen hätte. Über den Wert von Hypothesen werden die Meinungen in der Wissenschaft immer weit auseinandergehen, weil diese Frage je nach der persönlichen Veranlagung sehr verschieden beurteilt werden kann. AVer in der Hauptsache rezeptiv die Erscheinungen in sich aufnimmt, wird in der Gründlichkeit der Beobachtung die wesent- lichste Aufgabe der Forschung erblicken. AVer durch seine Anlagen •oder durch seine Forschungsgebiete mehr Veranlassung hat, die Erscheinungen in einen inneren Zusammenhang zu bringen, wird versuchen, sie auch in ihren äußersten Konsequenzen durchzudenken. Da werden tägliche Konflikte mit bestehenden Anschauungen die Erkenntnis begünstigen, daß viele Ansichten, mit denen wir täglich •operieren, Vorurteile sind, die nur deshalb zu unantastbaren Lehrmeinungen wurden, weil sich seit ihrer Begründung niemand mehr die Mühe machte, ihre einstigen Unterlagen nachzuprüfen. Mich hat die Auffassung der Fossilien als Organismen der Vorzeit und das eifrige Bestreben, die Tatsachen der Paläontologie mit •den Anschauungen der Zoologie, Embryologie und vergleichenden Anatomie in Beziehung zu bringen, naturgemäß zum Kritiker der auf diesen Gebieten auch oft hypothetisch gewonnenen Anschau- ungen gemacht. AA7enn solche Bestrebungen aber einer Kritik im allgemeinen unterzogen werden, dann sollte meines Erachtens den objektiven Unterlagen für die hypothetischen Folgerungen größere Bedeutung zugemessen werden, als dies gewöhnlich und besonders seitens des Herrn Branca mir gegenüber geschieht. Herr Branca weiß doch besser als die meisten anderen Fachgenossen, welches Maß allein schon an sorgfältigster Präparation ich auf die Klarstellung von Fossilien verlege. Daß der hierdurch gewon- nene Beobachtungsstoff mich schon vor groben Mißgriffen bewahren dürfte, liegt doch sehr nahe. Es dürfte wohl auch anderen weniger bedenkfich erscheinen, daß meine Phantasie erst einsetzt, wenn meine Mikroskope und meine Präparationsnadeln versagen, als wenn beispielsweise Herr Branca in seiner Arbeit „Sind alle im Innern Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 25 386 0. Jaekel, von Ichthyosauren liegenden Jungen ausnahmslos Embryonen?“ kurzerhand die längst auch in der Paläontologie allgemein bekannten Kehlringe liassischer Krokodile als Skelette verschluckter Jugend- formen beschreibt und abbildet. Mein Hauptfehler liegt meines Erachtens auf einem andern Gebiete, der Benützung und Beachtung- der Literatur. Ich habe es für die Forschung praktisch gefunden, erst meine eigenen Untersuchungen zu beenden, ehe ich nachlese, was andere darüber meinten. Das bietet den unleugbaren Vorteil, daß der Kampf mit dem Material durch Vorurteile möglichst wenig gestört wird. Es hat aber den Nachteil, daß dann im Drang* vieler Arbeiten das Studium der Literatur oft zu kurz kommt. Da nun aber die ausgiebige Beachtung der älteren Arbeiten einen äußerst wichtigen Teil unserer literarischen Tätigkeit zu bilden scheint, so bin ich natürlich über den mir daraus erwachsenden Nachteil nicht im unklaren. In unserer jungen Wissenschaft ist aber noch so ungeheuer viel zu präparieren und zu erforschen, daß ich meine persönlichen Nachteile noch immer in Kauf nehme, um meine Kräfte den Objekten widmen zu können. In dieser Hinsicht vermisse ich im allgemeinen und persönlich besonders stark den Mangel einer praktischen Organisation unserer wissenschaftlichen Arbeite Wie in der ersten Schrift des Herrn Pompeckj sind auch in der des Herrn Branca ungünstige Äußerungen anderer Forsch er iiber mich gesammelt und drastisch zusammengestellt. Aus der Paläontologie, wo ich doch nun unbestreitbar auf den verschieden- sten Gebieten forschend eingegriifen habe, muß nun wieder die schon von Herrn Pompeckj reichlich ausgeschlachtete Bemerkung* von Sam. Williston herhalten, in der er meinen unfreiwilligen Versuch einer systematischen Gliederung der ältesten, äußerst mangelhaft bekannten Tetrapoden mit einer kräftigen Redensart abweist. Ich meine, es müßten sich doch, wenn meine Forschungen wirklich so verfehlt wären, wie Herr Branca beweisen will, in meinem Hauptarbeitsfeld mehr Belege meiner Sünden finden, damit der eine nicht allzuoft aufgetischt zu werden braucht. Aus der Anatomie zitiert Herr Branca hier nochmals die oben schon er- wähnten zwei gänzlich mißdeuteten Diskussionsbemerkungen zu einem Vortrag von mir über den Bau des Schädels in der ana- tomischen Gesellschaft. Herrn Ludwig Plate, dem er als Zoologen kurzweg die kritische Vernichtung „des phylogenetisch-embryo- logischen Teiles der jAEKEL’schen Hypothesen“ zuschreibt, obwohl sich Herr Plate gar nicht speziell als Phylogenetiker oder als Embryologe betätigt hat, vor allem als Darwinist gegen mich zu Felde zog und dabei ausdrücklich bemerkte, „von bleibendem Wert sind hingegen die direkten Beobachtungen an dem fossilen Material, namentlich an Pelmatozoen“. Wenn Herr Branca am Schluß seiner Angriffe gegen meine Forschertätigkeit zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Tiefstand der deutschen Paläontologie nur durch mich bezeichnet werde, so dürfte dieser höchste Trumpf wohl auch, Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 387 -die unserem Fache fernstehenden Leser des Neuen Jahrbuches für Mineralogie etc. über die Bewertung seiner Angriffe ausreichend auf klären. Hiermit hoffte ich meine Abwehr in dem Kampfe der Herren Pompeokj und Branca gegen mich beschließen zu können, finde nun aber ebenfalls in diesem Centralblatte neue Angriffe von Herrn Guido Hoffmann, der noch vor einigen Monaten bei mir anfragte, •ob er einen Coccosteiden nach mir benennen dürfte, und der nun der Beschreibung eines Stückes der Berliner paläontologischen Sammlung recht unvermittelt einige Ausfälle gegen meine Person «infügt, die mindestens in ihrer Tonart die vorher behandelten Angriffe noch übertreffen. Zur Aufklärung über diesen Teil des Schlachtfeldes diene zu- nächst folgendes. Vor einigen Jahren hatte ich Herrn Guido Hoffmann, der damals in Greifswald studierte, ein neues Material russischer Placodermen zur Beschreibung übergeben, das mir von Petersburg aus zugesandt worden war, und habe ihn unter anderem -auch darauf aufmerksam gemacht, daß in der Organisation der Asterolepiden eine Plattengrenze ihres Bumpfpanzers der Aufklärung bedürfe, die ich an einem Berliner Stück einst zu sehen glaubte, die aber von Herrn R. Traquair in Edinburgh nicht anerkannt worden war und mir selbst später fraglich wurde. Das betreffende Stück der Berliner Sammlung, das ich damals als abgebildetes Original-Exemplar Beyrich’s präparatorisch nicht antasten durfte, ist nun Herrn Hoffmann von Herrn Branca zu dieser Klarstellung -anvertraut worden, und diese hat nach den Angaben des Herrn Hoffmann gegen meine frühere Annahme entschieden. Daß ich damals ohne die Möglichkeit näherer Präparation den Schleimkanal für eine Plattengrenze hielt und den Kanal in der darüberliegenden Kante vermutete, wird durch Hoffmann’s eigene Worte 1. c. p. 494 wohl entschuldbar erscheinen. Er sagt 1909: „Der Schleimkanal ist eigenartig, weil er fast unter der Oberfläche der Platte verläuft, während bei allen sonstigen Funden die Schleimkanäle wie Rinnen in die Platten eingesenkt erscheinen.“ Herr Branca verweist hierauf jetzt in seiner Schrift p. 287 mit folgenden Worten: „Bei der leichten Unterscheidbarkeit dieser Seitenlinie von einer Naht und bei der sehr großen Wichtigkeit, die der Seitenlinie überhaupt jzukommt, ist eine solche Verwechslung jedenfalls sehr überraschend." Auch hierzu ist wohl jeder Kommentar überflüssig! — Meine Auffassung war damals auch noch durch einen anderen Befund bestärkt worden, der bei einem schottischen PtericJithys cornutus die Seitenplatten an entsprechender Stelle zerlegt zeigte. Das kann natürlich ein Bruch und damit ein Zufall gewesen sein. Mir schienen aber jene Beobachtungen dafür zu sprechen, daß der Rumpfpanzer der Asterolepiden mit dem der Coccosteiden, mit dem er in anderen Teilen ganz auffallend übereinstimmt, auch in diesem Punkte har- 388 0. Jaekel. moniere. Daß mit obiger Annahme auch diese Konsequenz hinfällig wird, scheint mir weder für mich noch für die Wissenschaft irgend- wie erschütternd, und Herr Hoffmann hatte diesen kleinen Beitrag zur Kenntnis der Asterolepiden auch 1909 mit aller sachlichen Ruhe und Bescheidenheit zum Ausdruck gebracht (Centralbl. 1909. p. 491). Hiermit stehen nun die beiden neuesten Publikationen des Herrn Hoffmann (dies. Centralbl. 1916. No. 17, p. 420 und No. 18, p. 444) in einem sehr auffallenden Gegensatz. Wie ich aus deren kurzen Andeutungen entnehme, baut er zwar — ohne dies übrigens irgendwie zu erwähnen — auf meinen für die Be- urteilung der Organisation der Placodermen grundlegenden Fest- stellungen weiter, ist aber auf Grund jener Seitenlinie und einiger Beobachtungen über wechselnde Anlagerungsverhältnisse einiger Rumpfplatten zu der Überzeugung gelangt, daß er meine Ansichten über die Morphogenie der Placodermen „ad absurdum geführt“ habe, meinen Stammbaum auf den Kopf stellen müsse, und sogar,, wie er wörtlich schreibt, meine „Abstammungstheorie“ gänzlich widerlegt habe. Herr Hoffmann gibt bei seinen Angriffen leider keine Zitate meiner Schriften, und da ich ziemlich viel über Placodermen geschrieben habe, und meine langjährigen Forschungen auf diesem Gebiete natürlich nicht nur ältere Auffassungen anderer, sondern auch meine eigenen Ansichten mehrfach modifiziert haben, so ist es für mich schwer, mich gegen seine allgemeinen Behauptungen über meine Ansichten zu rechtfertigen. Wenn er meinen „Stamm- baum“ der Asterolepiden meint auf den Kopf stellen zu müssen, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß er sich auf meine einzige Spezialarbeit über Asterolepiden bezieht. In dieser ist nun von einem „Stammbaum“ zwar keine Rede, aber die notwendige Er- örterung der stammesgeschichtlichen Beziehungen der Asterolepiden ist mit folgenden Sätzen eingeleitet: „Die phyletische Stellung der Asterolepiden genau zu präzisieren, ist zurzeit leider noch nicht möglich“, und nach Aufzählung der Schwierigkeiten folgt p. 58: „Es scheint mir vermessen, schon jetzt bei unserer mangelhaften Kenntnis der meisten dieser Formen eine morpliogenetisclie Glie- derung dieses ganzen Formenkreises vorzunehmen. Je größer das Interesse ist, das sich naturgemäß an diese ältesten Wirbeltiere — es handelt sich dabei nicht nur um die relativ jungen Astero- lepiden, sondern um den ganzen Formenkreis der ältesten Panzer - fische — knüpft, um so vorsichtiger sollte man in morphologischen Fragen ihnen gegenüber sein.“ Herr Hoffmann aber schreibt mir kurzerhand eine der seinigen entgegengesetzte Auffassung zu, um dann seinerseits in gesperrtem Satz emphatisch zu erklären: „Alle deszendenztheoretischen Betrachtungen über Asterolepiden haben, das möchte ich ausdrücklich festgestellt haben, nur paläontologischen Anregungswert. “ Daraus muß doch jeder Leser den Schluß ziehen, daß ich den Wert meiner Anregungen sehr überschätzt hätte, und Herr Hoffmann der vorsichtig abwägende Gelehrte sei. Tatsächlich Mein Schlußwort zu den Angriffen etc. 389 muß aber Herr Hoffmann doch seine Ansichten hierüber für ab- solut gesichert halten, daß er behaupten kann, die meinigen auf den Kopf stellen zu müssen, und daß schon die Verkümmerung des hinteren Schultergürtels von Coccosteus allein genüge, „um Jaekel ad absurdum zu führen“. Ich glaube, diese Zitate sprechen für sich. Was Herr Hoffmann mit der kurzen Bemerkung über den Schultergürtel von Coccosteus, den ich erst als solchen klar- gestellt habe, sagen will, ist nach obiger Bemerkung selbst mir als Placodermen-Spezialisten völlig unverständlich ; ebenso ist nicht zu verstehen, was er mit dem darauffolgenden, auf mich bezüg- lichen Passus p. 421 meint: „Wenn er nur das Postnuchale bei seinen Reproduktionen, so wie er selbst es gefunden hat, uns mit- geteilt hätte ! (Vermutlich hat er es für eine abgebrochene Spitze desNuchale gehalten.)“ Selbst wenn ich annehme, daß Herr Hoffmann in dem eingeklammerten Satz irrtümlich das Gegenteil von dem, was er sagen wollte, geschrieben hätte, bliebe mir der sachliche Zusammenhang immer noch unverständlich. Der Vorwurf der Ver- wechslung einer Skelettplatte mit der abgebrochenen Spitze einer anderen, den mir seine Sätze aber in jedem Falle machen, nimmt sich einem Autor, der in der Berliner Sammlung das Riesenmaterial von Placodermen gesehen hat, das ich dort in etwa zehnjähriger mühevoller Arbeit zusammengebracht habe, ganz befremdlich aus. Er muß doch dort gesehen haben, daß ich Hunderte von Skeletten in sorgsamster Weise unter starken Vergrößerungen mit der Nadel präpariert habe — mein Wildunger Material, das ich der Berliner Sammlung überwiesen habe, umfaßt allein etwa 15 Schränke, und War von mir größtenteils zur Publikation fertig bearbeitet - — , und da wagt Herr Hoffmann ohne nähere Aufklärung, ohne jedes Zitat, aus dem ich wenigstens seinen Vorwurf auf klären könnte, die oben zitierten Sätze niederzuschreiben ! Herr Guido Hoffmann bringt es aber fertig, auch diesen Vorwurf kurzsichtigster Ober- flächlichkeit in einer zweiten Mitteilung in dies. Centralbl. No. 18 p. 444 noch zu iiberbieten. Da dieselbe noch nicht eine Seite umfaßt und sachlich nur feststellen soll, daß er in der Berliner Sammlung eine Platte eines Asterolepiden aus Lüdenscheid gefunden habe, die für seine Ansicht spräche, so kann ihr Zweck offenbar nur in der mir beispiellosen Verdächtigung liegen, zu der er jenen Hinweis benützt. Er behauptet darin, daß ich dieses mir zugesandte Material absichtlich verschwiegen hätte, weil es gegen meine An- sicht betreffs jener vielerwähnten Plattengrenze spräche. Ich entsinne mich dieses kleinen Materials allerdings, aber nur deswegen, weil es mir als neues Vorkommnis von Placodermen im Rheinland bei meinen Wildunger Forschungen so wichtig erschien, daß ich bald nach der Zusendung der Stücke nach Lüdenscheid fuhr, um mit dem Finder den neuen Fundort zu besichtigen und ihn zu weiterem Sammeln an dieser Stelle zu veranlassen. Das mir übersandte Material war aber im Verhältnis zu den Hunderten von Exemplaren 390 Besprechungen. neuer Placodermen, die ich bereits in Arbeit hatte, so mangelhaft, daß mir nie der Gedanke gekommen ist, schon damals an die Be- arbeitung dieser Fragmente zu gehen, die ich ihrer Mangelhaftig- keit wegen nicht einmal näher untersucht und bestimmt habe. Wenn Herr Hoffmann bei seinen Spezialstudien über die betreffende Plattengrenze dem Stück nun besondere Bedeutung abgewinnen kann, so freut mich das, daß er aber mir daraus eine wissen- schaftliche Unterschlagung zu konstruieren wagt, ist doch wirklich unerhört. Ich würde mich auch nicht haben entschließen können, gegen derartige Angriffe Stellung zu nehmen, wenn nicht Herr Branca in seinen Angriffen gegen mich von den HoFFMANN’schen Entdeckungen schon vor ihrer nachträglichen Publikation durch G. Hoffmann im Neuen Jahrbuch einen so ausgiebigen Gebrauch gemacht hätte und diese offenbar in dem förmlichen Einkreisungs- kampfe gegen mich eine bedeutende Rolle spielen sollten. Wenn dieser aber aus der Heimat heraus mit derartigen Mitteln gegen mich weitergeführt werden soll, wird mir, wie ich glaube, niemand zumuten können, mich noch ferner an solcher wissenschaftlichen Arbeit zu beteiligen. Greifswald, September 1916. Bei der Redaktion eingegangen Oktober 1916. Besprechungen. A. Sachs : Die Bodenschätze der Erde: Salze, Kohlen, Erze, Edelsteine. Zur Einführung für Laien und Studierende. 37 p. 6 Abb. Leipzig u. Wien 1916. Nach dem Vorworte soll das „zur Information von Laien“ und als „Grundlage für unsere Studenten“ geschriebene Heft das Wichtigste über die Bodenschätze der Erde in kürzester Form darbieten. Nachdem auf p. 1 — 11 der Aufbau der Erde, die Er- forschung der Gesteinskruste, die gesteinsbildenden Mineralien, die Gesteine, die geologischen Formationen und allgemeine Tatsachen über nutzbare Lagerstätten und ihr Auftreten in den geologischen Formationen behandelt worden sind, wird über die im Buchtitel genannten Gruppen der nutzbaren Mineralien gesprochen. Die Art der Darstellung und die Anordnung des Stoffes ist dieselbe wie in den früheren Schriften des Verfassers „Die Erze“ (Leipzig und Wien 1905) und „Tabellarische Übersicht der technisch nutzbaren Mineralien“ (ebenda 1909); auch Abbildungen aus diesen Werken kehren wieder. In der Vorrede gibt der Verfasser der Hoffnung Ausdruck, daß das Werk auch aus politischen Gründen willkommen sein möge. Jedoch wird man in dieser Beziehung nicht vollständig befriedigt. So fehlen z. B. in dem Abschnitte über Lagerstätten- lehre volkswirtschaftliche Gesichtspunkte. Da die Angaben über die WTeltproduktion an Bodenschätzen und ihren Wert und die ent- Besprechungen. 391 sprechenden Aufstellungen bei den einzelnen Metallen nicht durch Mitteilungen über den Bedarf in den Haupt-Verbrauchsgebieten ergänzt sind, ist es nicht möglich, einen Überblick über die Versorgung Deutschlands mit mineralischen Rohstoffen und ihre Abhängigkeit vom Ausland zu gewinnen. Auch in anderer Hinsicht gereicht die übertriebene Kürze der Darstellung dem Werk nicht zum Vorteil. Laien werden an manchen Stellen nicht Begriffe, sondern nur Wörter aus ihm entnehmen können. Daher kommt diese Dar- stellung wTohl nicht als „Grundlage“ für Studierende in Betracht, sondern wesentlich als Wiederholungsbuch. Karl Schulz. A. Sachs: Die Grundlagen der schlesischen Montan- industrie. 20 p. 4 Fig. 1 geol. Karte. Kattowitz O.-S. 1917. 1. Die Entwicklung des schlesischen Bergbaues. Der Bergbau Schlesiens beginnt im 11. und 12. Jahrhundert mit dem Goldbergbau, der im 14. und 15. Jahrhundert blühte. Ebenso ist der Steinkohlenbergbau bei Waldenburg sehr alt. In Oberschlesien begann der älteste Bergbau auf Blei im 12. Jahr- hundert; der Zinkerzbergbau stammt aus dem 16. Die Eisen- gewinnung und der Steinkohlenbergbau beginnen erst später, der letztere erst seit Einführung der Dampfmaschine. Einige Zahlen illustrieren den Aufschwung des schlesischen Bergbaues. 2. Der geologische Aufbau Schlesiens. Das öst- liche Ober Schlesien ist durch vorwiegend sedimentären Aufbau charakterisiert, während in dem westlichen Nieder Schlesien kristalline Schiefer und Eruptivmassen vorherrschen. Bei den ersteren sind die Glimmerschiefer sedimentärer Natur, während die Gneise und Hornblendeschiefer ursprünglich schmelzflüssig waren. Von Eruptivgesteinen sind vorhanden : 1. Tiefeng esteine: Granite, Granitite, Gabbros und Serpentine, wahrscheinlich carbonischen Alters ; 2. ältere Ergußgesteine: Porphyre und Melaphyre des Rotliegenden; 3. jüngere Erguß- gesteine: Basalte der tertiären Braunkohlenformation. Die Sedimentärformationen Schlesiens umfassen die Löwenberg — Goldberger Mulde, die Glatzer Mulde und Oberschlesien mit den Schichten vom Silur bis zum Diluvium. 3. Die Kohlen Schlesiens, a) Das Ober schlesische Steinkohlenrevier umfaßt 5757 qkm, von denen der größte Teil in Deutschland liegt und dem paralischen Typus angehört. Man unterscheidet darin 4 Reviere. Der Schwerpunkt des Bergbaues liegt gegenwärtig in der Sattelgruppe, die eine Kohlenmächtigkeit von 30 m besitzt. Im Westen des Reviers finden sich 5 — 6 Flöze von 2 — 3 m Mächtigkeit, die nach Osten zu einem 17 — 18 m mächtigen Flöz zusammenschließen. Nebengestein : feinkörniger Sandstein und Schieferton. Eruptivgesteine fehlen. Vorrat wird auf 1 66 Milliarden Tonnen geschätzt. — b) Das Nieder schlesisch - böhmische Steinkohlenrevier stellt eine NW — SO streichende 392 Personalia. Mulde dar und gehört dem Hämischen Typus an. Zu unterst Walden- burger Schichten, darüber ein steinkohlenfreier Sandstein und darüber die Schatzlarer Schichten, die eine bauwürdige Kohlenmächtigkeit von 7 — 8 m besitzen. Der Vorrat ist auf 2,9 Milliarden Tonnen geschätzt. — c) Die schlesische Braunkohlenformation erstreckt sich von der Lausitz über den Bober bis nach Ober- schlesien. Die wichtigsten Vorkommen werden aufgeführt. 4. Die Erzlagerstätten Schlesiens. Nach der Ent- stehung gibt es sieben Arten von Erzlagerstätten, von denen nur die pneumatogen-syngenetische in Schlesien nicht bekannt ist. Für die übrigen sechs Gruppen werden Beispiele genannt. Ober- schlesien: Die Blei-, Zink-, Eisenerze der Beuthen- Tarnowitzer Mulde werden eingehend gewürdigt, während die Eisenerze kürzer dargestellt werden. Die Erzlagerstätten Niederschlesiens stellen zahlreiche, ökonomisch minder bedeut- same, aber theoretisch interessante Erzlagerstätten dar. Im Gegen- satz zu den oberschlesischen Vorkommen sind sie vorwiegend an kristalline Schiefer und Eruptivgesteine geknüpft. Es werden besprochen: 1. Die Magneteisenerze von Schmiedeberg, 2. die Schwefelkiese von Rohnau bei Kupferberg, 3. die Nickelerze von Frankenstein, 4. die goldhaltigen Arsenerze von Reichenstein, 5. die Blei- und Kupfererze von Kupferberg-Rudelstadt, 6. die Arsen- Kupfer- und Bleierze von Altenberg bei Schönau, 7. die Arsenerze von Rothenzechau bei Landeshut und eine Reihe von kleineren Vorkommen. Jedesmal wird die Art der Entstehung und die Menge der Förderung der letzten Jahre angegeben. 5. Nutzbare Gesteine. Von den Bau- und Pflastersteinen finden die Granite, Basalte, Marmore, Quarzitschiefer und Sandsteine eine kurze Besprechung. Während Kalke auf Niederschlesien und Oberschlesien verteilt sind, linden sich die wichtigsten Tonvorkom- men (feuerfeste Tone, Ziegel- und Töpfertone) nur in Niederschlesien; Edel- und Halbedelsteine treten nur in Niederschlesien auf: Chry- sopras von Kosemiitz und Nephrit von Jordausmiihl am Zobten. Eine kleine Karte des oberschlesisch -mährisch -polnischen Beckens ■ sowie 3 Profile im Text erläutern die Beschreibungen. Außerdem ist. eine geologische Übersichtskarte von Schlesien in Buntdruck von Fedor Sommer aus dem Heimatlas für die Provinz Schlesien beigegeben. Belowsky. Personalia. Ernannt: Privatdozent Dr. M. Henglein an der Technischen Hochschule in Karlsruhe zum a. o. Professor. — J Dr. Othenio Abel, o. ö. Professor für Paläontologie an der Universität Wien zum o. ö. Professor für Paläo b i o 1 o gi e an derselben Universität. Angenommen: Prof. Dr. R. Wedekind in Göttingen den Ruf an die Univ. Marburg a. L. als Nachf. von Prof. Kayser. In den Ruhestand getreten: Prof. Dr. Hugo Bücking in Straßburg i. E. Den Lesern unseres Jahrbuches müssen wir die schmerzliche Mitteilung machen, daß unser Redaktionsmitglied Herr Professor Dr. Fritz Frech, der als leitender Geologe einer Heeresgruppe im Dienste des Vaterlandes stand, fern von der Heimat in einem Etappenlazarett einer schweren Er- krankung erlegen ist. Als Nachfolger von Ernst Koken hat er seit dem Ende des Jahres 1912 mit der ihm eigenen Energie sich der Redaktion des Jahrbuches ge- widmet. Nun ist den auf seine Mitwirkung ge- richteten Hoffnungen ein frühes und plötzliches Ende bereitet worden. Eine Würdigung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit von berufener Hand wird in Bälde folgen. Redaktion und Verlag des Neuen Jahrbuchs für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Max Bauer. Th. Liebisch. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (E. Nägele). # f ' . ' . J. Beckenkamp, Ueber die Struktur etc. 393 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Über die Struktur der kristallisierten Formen des Siliciumdioxyds Si02, des Eisenbisulfids FeS2, des Zinksulfids ZnS und des Calciumcarbonats. Von J, Beckenkamp, Würzburg. Mit 18 Textfiguren. (Schluß.) 4. Beziehungen zwischen den Modellen von W. H. und W. L. Beagg und dem doppelt kubischen Gitter. Zwischen der Anordnung p2 und dem BRAGG’schen Modell n besteht auf einer dreizäliligen Deckaclise die nachstehende Be- ziehung: Die Verteilung der Atome ist hei der Anordnung p2 : dagegen bei der Anordnung n \ .4Oi.AO4..110.°4 |°4 4°4 Fe SS Fe SS Fe SS Ee SS Fe Fe x S S y Fe i ii |! II ii i i°4 f°4 i°4 Die zum 2. und 4. Atome Fe der Anordnung p2 gehörenden S-Atome liegen außerhalb der Achse. Das System der Atome der Anordnung n stellt also ein Teilsystem der Atome der Anordnung p2, und zwar das schon erwähnte asymmorphe System p4, dar. Die Punkte der Anordnung p4 erscheinen gegenüber der Anordnung p2 insoferne bevorzugt, als ihre Abstände, wenn wir die beiden nicht be- setzten Punkte x und y hinzunehmen, alle gleich g4o04 = -Jo4 sind. Das doppelt kubische Gitter t2b zerfällt in dieselben 4 vier- fach kubischen Gitter wie die Anordnung p2. Das von Bragg abgeleitete Modell der Zinkblende ZnS (Fig. 13) kann als ein Teilsystem der Anordnung t2b aufgefaßt werden; bei der Zink- blende ist aber die Verschiebungsgröße auf der Oktaederachse eine andere als heim Pyrit. Auch für den Cristobalit Si 02 muß man wohl dieselbe Struktur zugrunde legen wie für die Zinkblende, mit dem Unterschiede, daß beim Cristobalit alle acht Teilwürfel des vierfach kubischen Gitters mit je einem O-Atom besetzt sind, während bei der Zinkblende die S-Atome sich nur auf vier Teilwürfel verteilen. 25* 394 J. Beckenkamp, Das vierfach kubische Teilsystem der Anordnung- q2 hat nur Molekelachsen von einer und derselben Richtung- und kommt wohl für die Anordnung des Quarzes nicht in Frage. Fig. 14 stellt die Projektion eines kubischen Gitters auf einer Oktaederebene dar, die vollen Punkte mögen die untere, die gestrichelten eine mittlere, die offenen eine obere Schicht darstellen. Jedes reguläre Gitter kann auf- gefaßt werden als eine Durchdringung von drei kongruenten dreiseitig pris- matischen Gittern mit den Dimen- sionen : g : ot == 1 : 1,22475 beim einfachen, g:o2 = 1:0, 61236 beim doppelten und g : o4 — 1 : 2,44949 beim vierfach kubischen Gitter. Für jedes dieser drei dreiseitig prisma- tischen Gitter ist die Normale zu einer Oktaederfläche sechszälilige Deckachse , für das Gesamtsystem aber nur dreizählige Deckaclise. Denn legt man die Drehungsachse senk- recht zu einer Oktaederfläche durch einen Massenpunkt etwa der unteren Schicht, so ist diese Achse sechszälilige Deckachse für die untere Schicht, aber nur drei- zählige Deckachse für die mittlere und obere. Hat o einen anderen Wert als o1? o2, o4, dann stellt das Gitter der Fig. 1 4 ein rhomboedrisclies dar. Verschiebt man die mittlere Schicht in der Richtung einer der drei Leucitoedernormalen 1 um f der Höhenlinie der gleich- seitigen Dreiecke (in der Fig. 14 etwa nach oben) und die obere Q— O-Q ’'Cj'--p---p-pÖ ö-"ö— Ö Fig. 15 b. Schicht um den gleichen Betrag in der entgegengesetzten Richtung, dann geht das reguläre Gitter in ein dreiseitig prismatisches (Fig. 15a und 15b) über, dessen Höhe gleich der Höhe der dreiseitig- prismatischen Teilgitter des kubischen Gitters ist. Zerlegt man die Gitterpunkte der Fig. 14 in dreigliedrige Gruppen, so daß jede Gruppe je einen Gitterpunkt aus jeder der drei Schichten enthält, und dreht jede Gruppe um die zur Zeich- nungsebene senkrecht durch den Gruppenmittelpunkt gehende Achse im gleichen Sinne und um den gleichen willkürlichen Betrag, so geht Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 395 das reguläre Gitter in ein Dreipunktschraubensystem über, und zwar in ein rechtes, wenn die Drehung beim Fortschreiten von der unteren zur oberen Schicht im Uhrzeigersinne erfolgt, oder in ein linkes, wenn die Drehung im ent- gegengesetzten Sinne erfolgt. In Fig. 16 ist das doppelt ku- bische Gitter der Fig. 15 in vier durch + r1? + r2, — 11? — 12 be- zeichnete Dreipunktschrauben- sy steme aufgelöst. Ein System r steht zu einem System 1 im Verhält- nisse der Individuen eines Brasilianer Zwillings. Statt der entgegengesetz- ten Schrauben können dieselben Massenpunkte auch zu vier gleich- förmigen Schrauben zusammengefaßt werden. Jedes der vier Schraubensysteme enthält alle vier Richtungen der Molekülachsen, wenn das doppelt kubische Gitter zugrunde liegt. Legen wir das gleiche doppelt kubische Gitter zugrunde wie beim Pyrit, und wählen beim Quarz wie beim Pyrit nur in anderer Auswahl den vierten Teil der Gitterpunkte zu Atomschwerpunkten, dann muß auch das Molekularvolumen bei beiden Körpern dasselbe sein (vergl. p. 353j. Der Elementarkörper des zu der genannten Schrauben Struktur gehörenden dreiseitig prismatischen Gitters müßte indessen bei genau regulären Dimensionen das Achsenverhältnis 2g2 : o2 = 1:0,3062 haben, oder, mit Berücksichtigung des Ver- hältnisses 0,9525 : 0,9428 der Dimension o beim Quarz und bei der regulären Syngonie, müßte das Achsenverhältnis des bei der Quarzstruktur vorhandenen dreiseitig prismatischen Elementarkörpers das Achsenverhältnis a:c = 1 : 0,3068 haben, während W. H. Bragg dafür das Verhältnis a:c= 1:1,1 angibt. Nehmen wir den drei- fachen Wert der vertikalen Achse als Einheit der c-Achse, dann wäre das Achsenverhältnis a : c = 1 : 0,9204, aber dann müßten auf diesen Elementarkörper drei volle Schrauben Windungen kommen. Ein der Fig. 16 entsprechendes Schrauben System scheint also dem Quarz nicht zu entsprechen. Der einfachste 1 reguläre Körper mit dem Achsenverhältnisse 1 : 1,0886, welchem beim Quarz das Verhältnis 1 : 1,1 entspricht, hat die Dimensionen 9 g2 : 16 o2. Bei den wenig bestimmten Angaben Bragg’s über die Struktur des Quarzes halte ich das Achsenverhältnis a: e = 1 : 1,10 Bil- den Elementarkörper des dreiseitig prismatischen Gitters für nicht völlig sichergestellt. Jedenfalls bedürfen diese Angaben von Bragg noch der Bestätigung. Fig. 16. Vergl. Centralbl. 1916. p. 234. 396 J. Beckenkamp, 5. Über die Struktur der hexagonalen Kristalle mit dem Achsen Verhältnisse 1 : 0,81. Die dicken Kreuze und Ringe der Fig. 17 stellen die An- ordnung der Massenpunkte innerhalb einer Granatoederfläche eines vierfach kubischen Gitters t4 dar, welches nach dem Spinellgesetz verzwillingt ist. Die dünnen Kreuze und Ringe stellen die Fort- setzung des betreffenden Gitters in den Bereich des anderen Indivi- duums ; dar. Die von oben rechts nach unten links gehende strichpunktierte Linie ist eine Achse 1, also die Schnittlinie der Zeichnungsebene mit einer Oktaederfläche (111); die von oben links nach unten rechts laufende Linie eine Achse o, also die Schnittlinie der Zeichnungsebene mit einer Leucitoederfläche (112). Die Lage der dicken Kreise erhält man aus der Lage der dicken Kreuze entsprechend der Pfeilrichtung durch Spiegelung an der Achse 1, also durch Verdoppelung des Lotes auf 1. Sowohl in der Achse 1 als in der Achse o liegen Punkte , welche mit einem Kreuz und einem Ring versehen sind, also beiden Systemen gleich- zeitig angehören. Man kann die eine Hälfte aus der andern auch durch homogene Schiebung in der Richtung der Achse 1 erhalten. Schiebt man etwa den dünnen Ring 1 bis zu dem dicken Kreuz 2 a und entsprechend alle dünnen Ringe links der Achse 1 in der gleichen Richtung um einen Betrag, welcher dem Abstande von 1 proportional ist, so geht das System der dünnen Ringe links von 1 in das zum System der dicken Ringe (rechts von 1) spiegelbild- liche System der dicken Kreuze über. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. •397 Die Punkte 2 a und 2 b sind einander entsprechende Punkte, ton welchen jener dem einen, dieser dem andern Individuum an- gehört. Diese beiden Punkte, welche den der Grenzfläche am nächsten liegenden Schichten angehören, haben den Abstand |o4, d. h. fcw (o4 ist der Abstand der Punkte des vierfach kubischen Gitters in der Richtung o, 14 der Abstand in der Richtung 1). Der diesen benachbarte Punkt 3 liegt für den einen Teil zwischen den Gitterpunkten 2 a und 4', für den andern zwischen 1 und 5 b. Bei dem Zwilling fallen jedoch die Punkte 1 und 4' fort, der Punkt 3 ist also nicht mehr nach zwei entgegengesetzten Rich- tungen in gleicher Weise gehalten. Nehmen wir an, daß infolge- dessen eine Schiebung der Grenzschicht (111) in der Richtung 1, also von 3 nach 3 ' eintritt, dann bilden die drei Schichten 2 a, 3', 2 b ein dreiseitig prismatisches Gitter mit dem Achsen Verhältnisse a : c = 1 : |o4 = 1 : 0,8 165. Für Wurtzit, Tridymit und eine große Reihe von hexagonalen Körpern, denen z. T. auch eine reguläre Form zukommt, gilt tatsächlich dieses- Verhältnis a : c = 1 : ^o4. Wir können demnach in allen diesen Fällen der regulären Form dasselbe vierfach kubische Gitter zuschreiben. Durch fortgesetzte Zwillingsbildung nach dem Spinellgesetz geht in diesem Falle der reguläre Kristall in den hexagonalen über. Umgekehrt müßte ein derartiger hexagonaler Kristall aus der gleichen Ursache bei fortgesetzter Zwillingsbildung nach dem Tridymitgesetz in einen regulären übergehen. Da bei der Anordnung t4 in jeder Oktaederebene alle vier Orientierungen der Molekülachsen vor- handen sind, vergl. p. 363, so gilt dasselbe für die Basisebene der zugehörigen hexagonalen Form. Verf. hält diese Beziehungen zwischen Tridymit und Cristo- balit sowie zwischen Wurtzit und Zinkblende für die wahrschein- lichste. Beim Kalkspat1 CaC03 (Fig. 18) stellt die Anordnung der einzelnen Atome, z. B. der Ca-Atome, nach W. L. Bragg ein flächenzentriertes rhomboedrisches Punktsystem dar, welches als eine Durchdringung von vier einfachen rhomboedrischen Gittern mit den Dimensionen des Spaltungsrhomboeders aufgefaßt werden kann. Das flächenzentrierte rhomboedrische Punktsystem, welches im übrigen genau dem flächenzentrierten kubischen Punktsystem entspricht, be- findet sich jedoch nicht unter den BRAVAis’schen Gittern, weil es ein einfaches rhomboedrisches Gitter mit den Dimensionen 1 : 2cR bildet, wenn cR die c- Achse des Spaltungsrhomboeders ist. Be- zeichnen wir demnach das Spaltungsrhomboeder des Kalkspats mit Rk, so hat das Elementarparallelepipedon des rhomboedrischen Gitters einer Atomart , also etwa der Ca-Atome , das Zeichen — 2Rk. 1 Vergl. dies. Centralbl. 1917. p. 34. 398 J. Beckenkamp, Dasselbe gilt bezüglich der C- Atome; dagegen bilden die O-Atome zwei dreiseitig prismatische Gitter. Die Basisflächen der letzteren liegen mit den C-Atomen in der gleichen Ebene (vergl. Fig. 18b). A. Johnson 1 teilt jedes der beiden prismatischen Gitter in drei rhomboedrische Gitter mit dem Elementarkörper + 4R (3 11) und ebenso die Gitter der Ca- und der C-Atome in je zwei Gitter mit dem gleichen Elementarkörper + 4R. Nach der homogenen Schiebung nach der Gleitfläche — JR bilden die Ca- und die C-Gitter Ca CO, Ca COj Ca CaCOO OCaCOO OCaCO Ca CO^ Mg C03 Ca (Dolomite) Fig. 18. wieder rhomboedrische Gitter von der gleichen gegenseitigen) Orientierung wie vor der Schiebung. Die O-Gitter bilden zwar auch wieder jedes für sich ein rhomboedrisches Gitter von der gleichen Art, aber die sechs Gitter haben nicht mehr die gleiche gegenseitige Lage zum C-Gitter wie vor der Schiebung. Johnson schließt daraus, daß mit der Schiebung des C-Atoms die drei benachbarten, mit ihm in der gleichen horizontalen Ebene liegenden O-Atome mit- verschoben werden und gleichzeitig als Ganzes eine solche Drehung- erfahren , daß ihre Lage nach der Schiebung spiegelbildlich in bezug auf die Gleitfläche ist. Das Radikal C03 verhält sich also hiebei wie ein einziges Atom. Auch die einzelnen Atome müssen, wenn sie nicht kugelförmig sind, bei der homogenen Schiebung nach Gleitflächen Drehungen um eine in ihnen liegende Achse vor* 1 Die Massengitter des Kalkspats. Physikal. Zeitschr. 1914. 15. 712: und Zeitschr. f. Krist. 1914. 54. 148. lieber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 399 nehmen, so daß ihre gegenseitige Lage vor und nach der Drehung spiegelbildlich in bezug auf die Gleitfläche ist. Ich habe bereits bei einer früheren Gelegenheit 1 eine ähn- liche Ansicht ausgesprochen: „Geometrisch bedarf man zur Er- klärung dieser Zwillinge (bei den Verschiebungen nach Gleitflächen) nur der Gleitung der Teilchen (Moleküle) ohne Drehung derselben, und dies ist gestattet, solange nicht der Nachweis geliefert ist, daß den Molekülen an und für sich, also unabhängig von ihren Abständen , nach verschiedenen Eichtungen verschiedene Eigen- schaften zukommen. Geht man von der Annahme einer solchen Verschiedenheit aus, dann hat man zum Nachweise der Drehungen der Moleküle die fernere Voraussetzung nötig, daß diese während der in Frage stehenden Verschiebungen keine entsprechenden inneren V eränderungen erleiden. “ Mag man nun das Spaltungsrhomboeder Rk oder das Rhombo- eder — 2Rk oder das Rhomboeder + 4Rk als Grundform des Kalk- spats betrachten, so bedarf die auffallende Beziehung des Achsen- verhältnisses zu dem regulären Verhältnisse einer Erklärung. Wird der reguläre Würfel als ein Rhomboeder Rw gedacht, dann wird Rk = |RW, — 2Rk = — JEW, -f- 4Rk = §RW. Stelle wie früher Fig. 14 die Projektion eines kubischen Gitters dar und legen wir eine beliebige Anzahl solcher Perioden von je drei Schichten aufeinander und wählen dann solche Punkte aus, welche in vertikaler Richtung um je vier Punktabstände, in horizontaler Richtung um je drei Punktabstände auseinanderliegen, dann stellt das ausgewählte Punktsystem das rhomboedrische Gitter — |RW = — 2Rk dar. Wählen wir in vertikaler Richtung solche Punkte aus, welche um acht oder zwei Punktabstände aus- einanderliegen , dann erhält man das Rhomboeder |RW = + 4Rk oder |RW = -f- Rk. Sowohl das rhomboedrische Gitter — 2Rk als das rhomboedrische Gitter mit dem Elementar- körper + 4Rk als das rhomboedrische Gitter Rk sind also in dem gleichen kubischen Gitter als Teilsysteme enthalten. In einer früheren Mitteilung2 habe ich darauf hingewiesen, daß in der Richtung der langen Diagonale des Spaltungsrhomboeders den Abständen der Massenpunkte die Wirkungsweiten des Sauer- stoffatoms entspreche; da sich die Wirkungsweite des Sauerstoff- atoms zu dem des Kohlenstoffatoms wie 3 : 4 verhält , so können sich beide Wirkungen ohne gegenseitige Störung überlagern. Die Richtung der großen Diagonale des Spaltungsrhomboeders ist in regulärer Deutung gleich der Granatoedernormalen g. In der Basisfläche des Kalkspats liegen drei solche Richtungen, und damit Zeitschr. f. Krist. 1890. 17. 306. Dies, üentralbl. 1917. p. 32. 400 J. Beckenkamp, dürfte Zusammenhängen, daß die 0- Atome mit den C- Atomen auf der gleichen Geraden g liegen (vgl. die mittlere Fig. B) , und zwar ist der Abstand des einen C-Atoms zum nächstliegenden O-Atom gleich dem Abstande der Knotenpunkte des regulären Gitters in der Richtung g. Die Schwerpunkte dieser C-Atome und der O-Atome gehören daher dem gleichen ku- bischen Gitter an; nicht aber die Schwerpunkte der Ca- Atome. Bilden sich nun aber voll jedem Atom.C aus nicht nur in der Ebene der Basis, welche einer der vier Qktaederebenen entspricht, sondern auch in den drei anderen Oktaederebenen nach den Richtungen g stehende Wellen, so muß ein der vorigen An- nahme entsprechendes kubisches System von Knotenpunkten zu- stande kommen. Über den stehenden Schwingungen, deren Wellen- längen dem einfachen Abstande der Knotenpunkte des regulären Gitters entsprechen, können natürlich auch solche Schwingungen überlagern, deren Wellen die drei-, vier- oder achtfache Länge besitzen, also den Abständen der Massenpunkte entsprechen. Die Deformation des regulären Gitters kann wie früher darauf zurückgeführt werden , daß die Werte Rca nnd Rc nicht genau den angenommenen idealen Verhältnissen entsprechen. Auf die gleiche Ursache kann auch die Tatsache zurückgeführt werden, daß zuweilen Ausbildungen Vorkommen , welche der ditrigonal- skalenoedrisclien Klasse nicht völlig genügen, so namentlich nach der Hauptachse hemimorphe Kristalle. Es kann jedoch diese Erscheinung auch darauf zurückgeführt werden, daß die kleinsten Massenteile, wie schon erwähnt, nicht als Kugeln oder Punkte ge- dacht werden dürfen, sondern als azentrische Atome oder azentrische Ionen; durch (submikroskopische) Zwillingsbildungen, bei welchen die Symmetrieelemente der ditrigoDal-skalenoedrischen Klasse als Zwilliugselemente fungieren , ist diese niedrigere Symmetrie für gewöhnlich kompensiert. Die weit auffallendere Abweichung des Dolomits von der Symmetrie der ditrigonal-skalenoedrischen Klasse, infolge deren der Dolomit in die rhomboedrische Klasse gestellt wird, ist natürlich die Folge der Verschiedenheit des Dolomit-Moleküls CaMg(C03)2 von dem Kalkspatmolekül CaC03 oder CaCa(C03)2. 6. Chemisches Molekül, Valenz und Pseudosymmetrie. Durch das vierfach kubische Gitter zerfällt der Würfel ABCDEFGH (Fig. 13) in acht zu ihm parallele Teilwürfel, z. B. G g R f M m N o. Nach Bragg liegen die Zn- Atome in den tetraedrisclien Ecken dieser Teilwürfel, die S-Atome in den Schwer- punkten der Teilwürfel, aber nur die Hälfte der letzteren ist mit einem S-Atom besetzt , die andere Hälfte ist leer ; infolgedessen ist die Anordnung nach den trigonalen Achsen polar. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 401 Sowohl bei der der Zinkblende als der dem Cristobalit zu- geschriebenen Anordnung* verhält sich der Schwerpunkt des S- bezw. des O-Atoms zu allen vier in den tetraedrischen Ecken des Teilwürfels liegenden Schwerpunkten der Zn- bezw. der Si-Atome genau gleich. Die Begriffe des chemischen Moleküls und der Valenz scheinen daher bei den Kristallen ihre Be- deutung verloren zu haben. Ähnliches gilt auch für die Kalkspat- kristalle. Bei dem vom Verf. zugrunde gelegten doppelt kubischen Gitter gehört dagegen zu jedem Punkte, etwa des Zn-Gitters , ein be- stimmter Punkt des S-Gitters, wenn nicht der Abstand des Zn- Atoms von dem S-Atom in der Richtung der Oktaedernormalen genau |o4 beträgt. Aber auch selbst in diesem Falle muß jedes S-Atom zu einem bestimmten Zn-Atom gehören, sobald das Atom nicht als Punkt oder Kugel gedacht wird, und die Verbindungslinie je eines Zn- Atoms mit einem S-Atom mit einer bestimmten Richtung innerhalb des Atoms bezgl. Ions zusammenfällt. Bei Zinkblende und Cristobalit kann man nach dem Vorhergehenden annehmen, daß die Zusammengehörigkeit der Atome dem in Fig. 6 als Teilgitter ent- haltenen Schema t4 entspricht. Durch submikroskopische Zwillings- bildungen nach den Flächen des Granatoeders .wird dann die Ab- weichung des Atoms von der regulären Symmetrie kompensiert und auch etwaige kleinere Abweichungen der Abstände der Atom- schwerpunkte von dem Werte |o4 werden dann nicht mehr wahr- nehmbar. Aus den BRAGG’schen Resultaten folgt also nicht not- wendig, daß die Begriffe der chemischen Valenz und des Moleküls bei Kristallen nicht mehr bestehen. Zu Quarz, ,tf-Tridymit und /^-Cristobalit gehören die optisch zweiachsigen Mineralien Quarzin , a-Tridymit und a-Cristobalit. Die niedrigere Symmetrie dieser letzteren läßt sich weder geo- metrisch noch durch die Dichte, sondern nur im polarisierten Lichte erkennen. Man nennt solche Körper pseudohexagonal bezw. pseudo- regulär. Die Abweichung von der höheren Symmetrie wurde früher vom Verf. darauf zurückgeführt, daß die theoretischen Beziehungen zwischen den Werten Rn nicht genau erfüllt seien. Auch bei diesen Mineralien muß die Abweichung der Atome von der Kugel- gestalt und die Existenz von Ionen eine entsprechende Erniedri- gung der Symmetrie nach sich ziehen, welche beim Übergang in Quarz, ß-Tridymit und ß- Cristobalit durch submikroskopische Zwillingsbildungen kompensiert wird , wobei allerdings auch eine geringe Verschiebung einzelner Atome nicht ausgeschlossen ist. Man kann voraussetzen , daß die Zwillingsbildung um so häufiger eintritt, je mehr sich das tatsächliche Verhältnis der Werte Rn dem theoretischen nähert, bezw. je geringer die Ab- weichung des Atoms von der Kugel ist. Auch die durchaus sicher- gestellte schwache Hemimorphie von Quarz, /J-Tridymit und Kalk- Centralblait £. Mineralogie etc. 1917. 26 402 J. Beckenkamp, spat 1 nach der Hauptachse und des Pyrits nach den trigonalen Achsen2 3 müssen in gleicher Weise erklärt werden. Auch die Mehrzahl der sonstigen als „optische Anomalien“ bezeichneten Erscheinungen kann leicht durch eine bevorzugte einseitige Orientierung der Ionen- oder der Atomachsen* erklärt werden. Die bedeutend auffallendere Polarität nach den trigonalen iVchsen bei Natriummetaperjodat, Ullmannit, Zinkblende und Wurtzit ist dagegen auf eine azentrische Molekülachse, d. h. darauf zurück- zuführen, daß das betreffende Molekül einen azentrischen Bau hat. 7. Über die physikalische Bedeutung des (doppelt) kubischen Gitters, in welchem die Systeme der Atomschwerpunkte als Teilgitter enthalten sind. Verf. ist der Ansicht, daß den Punkten des deformiert (doppelt) kubischen Gitters nicht nur eine mathematische, sondern auch eine physikalische Bedeutung zukommt. 1. Wegen der schon genannten geometrischen Beziehung einer großen Zahl oder vielleicht aller Kristalle zur regulären Syngonie. 2. Die Zwillingskristalle nach dem Brasilianergesetz verhalten sich bezüglich der Art ihrer Verwachsung wesentlich anders als die Zwillinge nach dem Dauphineergesetz, obwohl in der Anordnung der Atomschwerpunkte ein entsprechender Unterschied nicht zu er- kennen ist (bei den ersteren ist die Verwachsung inniger und regel- mäßiger) 8. Dagegen bleibt das System des zugrunde liegenden kubischen Gitters der Si-Atome bei den Zwillingen nach dem Brasilianergesetz über die Zwillingsgrenze hinaus homogen, nicht aber bei den Zwillingen nach dem Dauphineergesetz. Wenn die p. 395 angedeutete Struktur richtig wäre, dann bildeten die Atomschwerpunkte der rechten und linken Kristalle der Zwillinge nach dem Brasilianergesetz Punkte desselben doppelt kubischen Systems. Dies gilt aber nicht für die Zwillinge nach dem Dauphineergesetz. 3. Das doppelt kubische System der Quarzstruktur ergibt nach allen Richtungen gleichstarke optische Drehung. Das System der Atomschwerpunkte gibt dagegen bei Quarz nur Drehung für Strahlen parallel zur Hauptachse. Durch Überlagerung der beiden optischen Drehungen müßte entsprechend der Beobachtung für letztere Strahlen eine bevorzugte Drehung sich ergeben. 1 Vgl. J. Beckenkamp, Tridymit, üristobalit und Quarz. Zeitschr. f. Krist. 1901. 34. 585. 2 Derselbe, Kristalloptik, p. 588 u. 634. 3 Vgl. Kristalloptik, p. 575. Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 403 4. Die von Fedorow nachgewiesene Bevorzugung derjenigen Formen, welche auf ein doppelt kubisches Gitter hinweisen, findet dann darin seine Erklärung, daß die Flächenausbildung nicht nur von der Anordnung der Atomschwerpunkte, sondern auch von den Knotenpunkten des doppelt kubischen Gitters abhängt. Verf. nimmt an, daß die Punkte des doppelt kubischen Gitters Knotenpunkte stehender Wellen bilden; ein Teil derselben fällt mit Atomschwerpunkten zusammen. Die übrigen Knotenpunkte des doppelt kubischen Gitters können entweder mit positiven Uratomen besetzt oder nur von negativen Elektronen umkreist werden, deren Schwingungszahl der der Lichtwellen entspricht. 8. Über Pyroelektrizität zentrisch symmetrischer Kristalle. Mit der im Vorhergehenden entwickelten Auffassung stimmt auch das pyroelektrische Verhalten zentrisch symmetrischer Kristalle, z. B. von Kalkspat und Aragonit, überein. Das System der Atom- schwerpunkte ist bei beiden Kristallarten entweder völlig oder doch nahezu zentrisch symmetrisch. Nun zeigt aber ein an beiden Enden frei ausgebildeter Kalkspatkristall an den freien Enden beim Abkühlen negative, in der Mitte positive Elektrizität. Die an einem Ende aufgewachsenen Kristalle zeigen ebenfalls am freien Ende negative, am aufgewachsenen dagegen positive Elektrizität. Ähnlich verhalten sich die beiderseits der Hauptachse aus- gebildeten Aragonitkristalle von Molina; an den beiden Basisflächen herrscht beim Erkalten negative, in der Mitte positive Elektrizität. Bei den Aragonitkristallen von Bilin dagegen sind die beiden Flächen (010) und (010) beim Erkalten negativ, die vorderen und hinteren vertikalen Prismenkanten dagegen positiv. Verf. nimmt deshalb an , daß die Atome bezüglich Ionen polare Achsen besitzen. Die Symmetrie des homogenen Kalk- spatkristalls kann dann nicht höher sein als die der trigonal- pyramidalen Klasse. Im besondern müssen die Kalkspatkristalle nach der Hauptachse polar sein, solange nicht durch eine ent- sprechende Zwillingsbildung diese Polarität wieder aufgehoben wird. Die Aragonitkristalle von Bilin sind, wie sich aus den Ätz- figuren ergibt, Zwillinge nach (010). Auch die Lamellengrenzen nach den Flächen k (Oll) des Aragonits stellen Zwillingsgrenzen dar, zwar nicht bezüglich der Anordnung der Atomschwerpunkte, aber bezüglich der Orientierung der Atome bezw. der Ionen. 9. Zur kinetischen Kristalltheorie. Gegen die vom Verf. 1 angenommenen stehenden Wellen, deren Länge von der Größenordnung der Röntgenstrahlen und deren Knotenpunkte z. T. mit Atomschwerpunkten besetzt sein sollen, können zweierlei Einwendungen erhoben werden. 1 Dies. Centralbl. 1917. p. 101 u. f. 26* VII VIII 404 J. Beckenkamp, ■> g ® o' 03 03^ *o ^ co_o^cq_ 0 O «cTcoco" CO 03 03 Mn 55 27,5(18.33) 7,4 CC 02 D02C2 0 PQ 02" 02" >0" 1>HW q CD CO'-cF s 32,06 (16,03) 15,2 »0 CO 5_l i—H O lO O 03" CD" O-" iO 03 © Ol ^ CD CO 02 co' QO t- 03 —* N 14.04 28 6,7 P 31 23,25 14,1 03 CO 00 t> 10" CO" »O 03 co 02^ <3 io io io" t> 03 H CO r~\ 03 ^ CO" T* ^ O oq oo'oö'^r 03 03 < iO th q® H 00" tF 02" ■^1 03 t- 02 *°.W rO 03 ^ CO ^OC3 rl oT O l 02 pq —I co -V r— i CO __ r-4_ rH O, -nj tV t> o~ 03 03 — 0 | CO -* 03 1 03 Ga 70 23,33 n.7 cV CO" CD tH_CO^C5 PQ CXS t>- -«tJ 03 Mg 24,36 24,36(18,2) 14,0 Ca 40,1 20,05 21,7 Zn 65,4 21,8 9,17 Li 7,08 21,04 11,9 iO lO l c«qo^ | ZCOCOO j 03 03 CO K 39,51 19,57 44,9 Cu 63,6 21,2 7,35 i i<0 0 t> 02^ ü 02 02" co" UO H *C • M CO CD ^ CO" 02" CD" lO T— 1 vH Hm Tf|oo 0? co v* — ' ' — ^ V ^ r-i\CO ^1« 03 CO <1 A IR V cd A IR V A Ri Y 1—1 1-1 Ueber die Struktur der kristallisierten Formen etc. 405 Ru 101,7 25.42 8.25 X 128 (21,33) 33,5 1 1 Os 191 23,88 8.5 >£5 -* I ce rf CO tfscwf I cg CM cg ' J 126,85 25,37 26,4 rtOiO Mo 96 24 10.6 Te 127,6 25,52 20,3 o » > -* co cc E> co cg iO c CO £ cc co" Sb 120.2 24,04 17,9 Nd 143.6 23,93 Ta 183 22,88 14,3 Bi 208,5 23,16 21,3 .o CO CO - ea co co" Tii" ^ co cg co 02 02 CO co^ q, co" cg oo" wOlMH cg >o -r cg CO 02 cg" cg" CO (M CM CC^ ö cg" io ^H(M^ lO Oi^r-CO^ | ^ co" co" cg" m x cg co 1 co 02 co — r >h cg F- io CO_ H Eil CM pO(MH cg u 02_cq cq_ co r-~ — > 1-6' CO CM CO Cd 112,4 22,48 13,0 Jx r-" cg" -C t-Q co cg co vn Iz&zz 005 »H Rb 85,4 21,35 55,1 Ag 107,93 21,58 10,25 cß co Cm" o" Ococgi'- Au 197,2 21,91 10,25 Rh Pd 1 103 106,5 20,6 21,3 8,5 8.85 Ir Pt 193 194,8 21,4 21,6 8.62 9,1 4(5) 1 _ iO co 7 (8) oT 00 i “ ! 02 cd | *4 A 1/R V A 1/R V 1/RI 10 23,25 I 23,85 V 21.2 20,05 406 J. Beckenkamp, Ueber die Struktur etc. 1. Festliegende Knotenpunkte sind undenkbar, solange die Atome thermische Schwingungen ausführen. Jedoch gilt dasselbe Bedenken auch bezüglich der regelmäßigen Punktsysteme und der Raumgitter. Die thermischen Bewegungen der Atome sind nicht wie im amorphen Körper ungeordnet, sondern jede Bewegung zweier benachbarter Atome erfolgt in genau gleicher Weise. Die gegenseitigen Beziehungen zweier benachbarter Knoten- punkte können also trotz der thermischen Bewegung erhalten bleiben. 2. Man könnte vermuten, derartige permanente stehende Wellen in Kristallen müßten auf photographischem Wege nach- weisbar sein. Demgegenüber ist jedoch zu beachten, daß diese Wellenbewegungen schon in einem Abstande von wenigen Molekül- durchmessern sich gegenseitig derart stören müssen, daß sie nur noch als diffuse Bewegungen auftreten und dabei eine solche geringe Intensität besitzen, daß sie praktisch unwirksam sind. Zur Erzeugung photographisch auf größere Entfernungen wirk- samer Intensitäten bedarf es der kräftigen von außen kommenden Wirkung der Kath öden strahlen. Die reguläre Anordnung der Knotenpunkte hat ein möglichst großes Zusammentreffen von Interferenzpunkten , also eine mög- lichst geringe Störung der Wellenbewegungen zur Folge. Wenn sich also vorher ungeordnete Atome derart aggregieren, daß das System der zugehörigen Knotenpunkte ein kubisches Gitter bildet, dann wird die Intensität der stehenden Wellen einen maximalen Wert erlangen; und setzen wir voraus, daß zwischen der Intensität dieser Wellen und der äußeren Umgebung ein Ausgleich statt- findet, so wird während der Kristallisation nach einem kubischen Gitter ein Maximum von kinetischer Energie an die äußere Um- gebung abgegeben. Die Anordnung der Knotenpunkte nach einem kubischen Gitter entspricht daher dem zweiten Hauptsatze der mechanischen Wärme- theorie. Die Anordnung der Atomschwerpunkte erfolgt bei allen bisher bestimmten Kristallen nach dem vierfach kubischen oder vierfach rhomboedrischen Gitter, z. B. bei Diamant, Silicium, Kupfer, Silber, Gold, Bleiglanz, NaCl, Li CI, KCl, KBr, KJ, Rb CI, RbBr, RbJ, Cs CI, Cs Br, CsJ, Flußspat, Zinkblende, Pyrit, Arsen, Antimon, Wismut, Kalkspat, Magnesit. Beim Dolomit CaMg(C03)2 ist an Stelle des einen der beiden Ca-Gitter -f- 4R das gleiche Mg-Gitter zu setzen ’. Wenn wir also beim Dolomit Mg als Vertreter des Ca ansehen, so haben wir auch bei Dolomit die Anordnung nach dem vierfachen Grund- rhomboeder. 1 Vgl. A. Johnson, Die Anordnung der Atome in Kristallen. Jahrb. f. Radioaktivität und Elektronik. 1917. 14. 100. J. Stiny, Porphyrabkömmlinge etc. .407 Bei dem vierfach kubischen Gitter bilden die vier nächst benachbarten Gitterpunkte ein reguläres Tetraeder und das System ist das kompakteste Raumgitter (vgl. p. 358). Ähnliches gilt für das vierfach rhomboedrische Gitter. Die Orientierung der Atome scheint demnach, wenigstens bei den regulären Kristallen, nach den vier Tetraeder normalen zu wechseln, also ein astatisches System zu bilden, während die Schwer- punkte der Atome die kompakteste Anordnung e i n- zunehmen streben. A 10. Tabelle der Gewichte A, der Werte 1/R = -- und der Volumina V der Atome (p. 404 u. 405). Nach dem Atomvolumen gehören Ni und Co, Rh und Pd, Ir und Pt nicht in die gleiche Reihe wie Fe, Ru und Os. Der Wert n ist für die Elemente variabel; für Fe z. B. gleich 2 oder 3 je nach der Valenz. Sind verschiedene Elemente mit den gleichen anderen Elementen verbunden, so werden sie im allgemeinen ähnliche kristallographische Eigenschaften haben, und auch wohl regelmäßige Verwachsungen liefern, wenn sie einen ähnlichen Wert R haben. Isomorphe Mischungen können sie aber nur dann bilden, wenn sie auch an- nähernd gleichen AVert A7 haben. Zu ersteren gehören die Cu- und die Ag-Verbindungen sowie die Ca- und die Sr- Verbindungen, zu letzteren die Ag- und die Au-, sowie die Sr- und die BaWerbindungen. Doppelverbindungen finden sich bei solchen Elementen , bei welchen R annähernd gleich, dagegen die Werte Ar in einem ein- ii fachen Verhältnisse stehen, z. B. Ca und Mg sowie Fe und Mg. • ( Porphyrabkömmlinge aus der Umgebung von Bruck a. d.Murr. Von Josef Stiny in Feldbach. Mit 1 Textfigur. Aus der Steuergemeinde Forstwald bei Oberaicli zieht iibei die sogen. Brandstätter Alpe, den Nordhang des „Schirling , die Utschgraben-Einhänge nächst der Weiglmühle, das Sammelgebiet des Mühlgrabens, den sogen. Steinschlagwald, Lebergraben, Jung- fernsprung, den unteren Teil des Bretterkliebgrabens und den Ein- 408 J. Stiny, Ödwald ein Zug' von Gesteinen zur Murr, die A. Miller 1 als Weiß- stein, F. Seeland1 2 3 als Granulit, H. Foullon a aber als Phyllitgneis- angesprochen hat. Das porphyrischa Aussehen vieler Vorkomm- nisse in diesem Zuge bewog mich, einige Abarten dieser Gesteine herauszugreifen und näher zu untersuchen. Es handelt sich vor- wiegend um nachstehende Handstücke: Handstiick .44. 49. 96. 148. 393. 454. 580. 648. 666. Stadtforst Bruck a. d. Mur ; Hangendes der dünn- plattigen „ Quarzite “ auf dem AVege zur Schweiz- eben. Brücker Stadtforst; Liegendgesteine im Hangenden des Gneises, Seherrgraben-Einzugsgebiet. Brücker Lehrforst; aufgelassener Steinbruch am Fuße der Jungfern Sprung- Wand. Brücker Stadtforst; Einödwald westlich derScherr- liube. Brücker Stadtforst; Abt. 44 am Nordabhange des Mittagkogel (wahrscheinlich der „Zwölferkogel“ Seeland’s) im Einzugsgebiete des Mühlgrabens. Brücker Lehrforst ; Steinschlagwald, nahe Höhen- marke 1000 m am Zettelsteige. Utschgraben ; Fußpfad vom Schraftnagel zum Oberbresler, Hangendes der Gneise. Utschgraben; Abstieg vom Unterbresler zur Weigl- mühle. Brücker Stadtforst; Talerweiterung im Holzgraben bei der Lebergrabenmündung (südlich der Reppin- Quelle). Die Farbe der vorliegenden Gesteine wechselt von grau (580, 666) bis weißlichgrau (44, 49, 96, 393, 454) und hellgräulich- weiß (148, 648), meist mit einem Stich ins Grünliche. Das Gefüge ist schwach schieferig-flaserig (44, 49, 148, 393, 454, 580, 666), seltener dünnplattig-schieferig. Mit freiem Auge erblickt man milchweiße und rosa gefärbte (148, 393) Feldspäte, klare, fettig- glänzende Quarzkörner, ab und zu kleine Nester von Biotitschüppchen (44, 96) und reichliche Massen von Muscovit-Sericit. Letztere umfließen meistens einzelne Körner oder ganze Körner-Gruppen von Quarzen und Feldspäten und rufen so eine Art Flaserung 1 A. Miller, Bericht über die geographische Erforschung der Um- gebung von St. Michael und Kraubath in Obersteier. 5. Bericht des Geogn.- montan. Ver. f. Steierm. Graz 1856. 2 F. Seeland, Bericht über die geognostische Begehung der südöst- lichen Umgebung von Leoben im Jahre 1853—1854. Ebenda. 3 H. v. Foullon, Über die petrographische Beschaffenheit der kri- stallinen Schiefer der untercarbonischen Schichten usw. Jb. R A 1883 p. 207 ff. Porphyrabkömmlinge aus der Umgebung von Bruck a. d. Murr. 409 hervor, die gegenüber der Schieferung bald mehr, bald weniger hervortritt. Das Gewebe gleicht bei den grobkörnigen Abarten völlig dem porphyrischen ; in einer meist völlig dichten Grundmasse liegen reichliche Einsprenglinge von Quarz, Feldspat und auch Muscovit. Bei den feinkörnigeren Handstücken (96, 648) treten die Einsprenglinge sowohl an Menge als auch an Größe stark zurück. U. d. M. löst sich die Grundmasse in ein Gemenge von ver- zahnt ineinandergreifenden Quarzkörnern, Sericithäutchen und Feld- spatkörnern auf. Von den Einsprenglingen ist Quarz am reich- lichsten vertreten. Ihm fehlt meist jegliche Eigenform, oft ist er gestreckt bis stengelig ausgewalzt (49, 96, 148, 393); Druck- streifung und wellige Auslöschung verraten innere Spannungen, ausgeheilte Klüfte und noch offene Risse und Sprünge sowie Ver- biegungen und der Zerfall anscheinend einheitlicher Körner unter x N zeugen von stattgefundener Zertrümmerung. Einbuchtungen der Grundmasse, welche zungenartig in größere Quarzkörner ein- greifen, deuten auf die Durchbruchgesteinsnatur der Felsart hin. Häufige Gäste im Quarz sind Sericitflinserchen, Feldspat, Zirkon, Glas, Erzstaub und Apatitnädelchen. Unter den Feldspäten herrscht zwillingsstreifiger, seltener perthitisch gegitterter Plagioklas im allgemeinen vor. Er zeigt selten Eigenform, fast immer ist er verrundet, zerbrochen oder verbogen. Reichliche Einschlüsse von Sericit, Apatit, Eisenerz, Quarz durchschwärmen ihn. Er gehört vorwiegend der Reihe Albit-Oligoklas an, basischere Mischungen sind seltener (44, 49). Der Orthoklas zeigt noch vorgeschrit- tenere Sericitisierung und Kaolinisierung als der trikline Feldspat. Größere Blättchen von Muscovit zeigen oft Verbiegungen und Zer- brechungserscheinungen. Sericit bildet ab und zu förmliche Pseudomorphosen nach Feldspat oder schmiegt sich oft innig an die Feldspatränder an, bringt, zu welligen Zügen angeordnet, Fluß in das Gesteinsgewebe, findet sich aber auch in förmlichen Linsen und Putzen. Seine Farbe zeigt zuweilen einen Stich ins Grünliche. Seltener ist echter Chlorit (454). Biotit enthalten die Hand- stücke 44 und 96; einzelne Blättchen schließen Sagenitgitter ein ; die Färbung ist bald matt, bald tritt die Zweifarbigkeit kräftig hervor (a hell gelbgrün, b und c tief olivgrün). Erzkörner (Ilmenit) sind meist spärlich vorhanden; nur Schliff 96 und 454 sind reicher daran. In letzteren bilden die Erzkörnchen kürzere oder längere Züge, welche den Glimmerzügen folgen. Zu den selteneren Bei- mengungen gehören auch Epidot (44, 148, 393), Zoisit (96, 454), Klinozoisit (393), Titanit, Rutil (49), Zirkon, farb- loser Granat (44) und Apatit. Epidot und Klinozoisit sind Folgebildungen nach Feldspat und entstehen vielleicht dort, wo die Plagioklase Kalkstoff und Eisenerzeinschlüsse enthalten; ihre trüben, rundlichen Körner sind meist in Häufchen geschart. 410 .T. Stiny, A snd^x ‘jjCqdiod -u9n«^puiA\ AI sndiCjv ‘j^qdaod -uSifeSpuiM ai^SpuiM jap Jifqd.ioj J9glJ9t|9iq0g (UpgAJ^g ‘^izxenlb -lI0U9g gj'eag; ‘^IZIT3nbSl9U£) ‘wun^n-SH snii-g ■ep co H’B9'l'B^(q ‘liz.renbsiguf) pBiqo’ßqd'eqog ‘^IZI'BnbSI9U£) + ni9ppos,pj^ ‘^iziunb -jgxnraqo 8H qon^spii'BH 868 ^ouaspa'BH 1-C 00 CM CO 00 co CM © ko TTf ] ^ I CM I 1 oo CC O -TM CD ©* 1 ©*©*^* 1 t— r cT l 1 CO cf T-T t-T | ö [> o co co o 05 O- co ^ CO j o co 1 iOX o 1 t'vr-L I 1 OO o_ 1 T— < 1 — TcTcm*' 1 o o 1 1 rjTcvT t-T 1 od i>- 05 CO 1.0 co. io 05 CM O hh hh a o © I 00 CM CO j cc c- o t> 00 cd' 1 ö'o'rf 1 r-I ©* ' 1 ©* O I ^ ZD ■cH 05 th ÖOH 1 1 CM 1 r-> cf cf cf t-T ©* 00 a_: ~ w°” ^ ‘ CM*t-T ©' ' © © CO •o co co r- C0 r''” CC O -f © nOOK3 I 00 co | 1 CC CO I I j CO CO ohoV 1 o'o' 1 ' CM*' t-T ’ o 1 © © CO CO 1— 1 CC CCMOO _ C0 | co co 1 I 03 lO C CM 1 1 f cf cf cf cf f 05 1 ©' © i 1 nodd 1 cf \ 05 Q rH OO -t1 -1 oo rt io_co^eq ö ö' ©* Wt'-00’-lO|0(M d ~ 9£ £! !£ 25 o h cc co o -fl05.. ©^ ö aoo^co i^c ö ö ©* cd ©* o* t-To cßH^ono i>-©oo©^cm©©coooi>©co:oi o o o o oo, CM — © C0 O (M -f h h h CO 00 H CC CM 00 N T# 05 L '- L'- ©^ CO^ ©^ ©^ -* C0* 03 ©* CM* ©" 00 — ' oy | © vO xß'©' co © 1 ©* t-* CM* ©* co | W.©'©©^ >o* 00 1 CO cif co oT GO I C C iO iO^ 00* GO ' CO* ©* CM* 00* C0^ I CO„ ^ p © tiT © 1 CO*©*CM*©* t- I t> © © © .6 GO 1 ©©'>—_ CO CM* GO t— * CM* GO* ©* C* »O 00 CM O O GO OO so fl Ä CÖ ö «n Porphyrabkömmlinge aus der Umgebung von Bruck a.d.Murr. 411 o J9Uip^ GM (,i§S9a 05 {9§oq{9uiuiiH ‘4§S9a GO ‘ST9u2 -5[D9U9SS'B{a; C- ^UIOJ ^9piU^g ‘j^qdo^ujg^ ugpunqaeqo CO ‘j£qcl -oyeigqziBn^) J9.oTJ9J9iq0g 30 O df CD ‘qSsgQ - Td u9§Bqzj9ui9p; ‘lSS9Q CO neSuqzjgurei^ ‘l^d 03 uapunqjgqo ‘qSsea 9UU9CJ -p "B i ^ 19SBJ 4U9qOI0l§S9Q Sj9qi9jdn^ ! o ‘j^qdopeieq "OSI.9^ GO GO -cd HH CO "d co 0 CO 1 Td CO I (CT l> 1 1 CO Td 30, I >o 1 Ol' o" 1 th'o" 1 1 do' rd 1 0" CO 03 . 0 1—1 CO co CO CO 05 co CO ^d cq | co t- I jO I I lq— CO I o 03 1 1 ©' 1 1 O o' 0" 1 05" 05 co TiH 03 CO CO Ol GO 00 co T— ' q i — 30 j | qq L— I -3” cd 1 . 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VIII. 1893. p. 535 ff. 17 „ A. Osann, Beiträge zur chemischen Petrographie. II. Teil. Stuttgart. 18 — 20 „ H. v. Foullon, Über die Grauwacke von Eisenerz. Der „Blasseneck-Gneis“. V. R. A. 1886. p. 83 ff. Gefüge, Gewebe, mineralogische Zusammensetzung und die Tracht einzelner Minerale sprechen dafür, daß die betrachteten Gesteine Durchbruchsgesteine in der äußeren Tracht kristalliner Schiefer sind. Diese Vermutung gewinnt eine starke Stütze an den Ergebnissen der Analysen, welche von Proben der Handstücke No. 148 und 393 ausgeführt wurden; sie sind nebst einigen Ana- Poiphyrabkömmlinge aus der Umgebung von Bruck a.d.Murr. 413 lysenergebnissen ähnlicher Gesteine in der tieferstehenden Tabelle zusammengestellt. Das Ausgangsgestein dürfte einem Keratophyr bezw. Quarzkeratophyr-Magma seinen Ursprung verdanken. Nach der Benennungsweise Grubenmann's würde das Gestein in seiner jetzigen Tracht als Gneisquarzit zu bezeichnen sein. Tatsächlich liegen im OsANN’schen Dreiecke (Fig. 1) den Analysenpunkten der Brücker Gesteine jene von mir errechneten des mikrogranitischen Keratophyrs von Skarlet Point auf der Insel Man (No. 17), des Porplryrs der Windgälle (No. 7, 8 und 9), sowie einiger sogen. Lenneporphjnre (No. 11, 14 und 16) sehr nahe. Auch I steinen geben, decken Gemeinsames mit den Brücker Handstücken auf. Von den Analysen werten der Quarzitgruppe, welche Gruben- mann anführt, kommen jene des Glimmerquarzites von Nässodem (1), des Kata-Gneisquarzites von der Gneiswand im Schapbachtale (2), des Meso-Gneisquarzites vom Plateau da Bims (3), des Kata-Gneis- quarzites („Hälleflinta“) von Utö (4), des Kata-Gneisquarzites von Enare (5) und des Sericitquarzites von Stalvedro (6) den Porphyr- abkömmlingen aus der Brücker Gegend nahe. Sonst lassen sich gewisse verknüpfende Beziehungen zu den „Blasseneckgneisen“ aus der hinteren Kötz, am Himmelkogel und aus der Radmer nicht verkennen, welche H. v. Foullon ausführlich beschrieben und analysiert hat (18, 19 und 20). Die von mir aus dem Utscligraben (580, 648) und vom Mittag- kogel (393) angeführten Handstücke dürften sich ziemlich genau mit dem „sandsteinartig aussehenden, sehr licht grünlichgrauen Vor- 414 R. Lachmann, kommen im Hintergründe des Mühlbachgrabens bei Bruck a. d. Murr (Zug 3 über dem , Weißstein1 2 3 4)“ decken, das H. v. Foullon 1 als „Blasseneckgneis“ kurz beschrieben hat. Erst durch die Forschungen von Ohnesorge2, Redlich6 und Heritsch4 wurde die porphyrische Herkunft so mancher Gesteine der fGrauwackenzone“, darunter auch der „Blasseneckgneise“ aufgedeckt, obwohl Jahrzehnte vorher bereits Pichler5 auf das Vorkommen eines porphyrischen Schiefers bei Fieberbrunn am Pillersee hingewiesen hatte. Durch die Auf- findung von durch gebirgsbildende Kräfte veränderten Porphyr- abkömmlingen bei Bruck a. d. Murr erscheint die Reihe derartiger Vorkommen in der Grauwackenzone Obersteiers vermehrt, und es wird Aufgabe einer folgenden Untersuchung sein, die tektonischen und petrographischen Beziehungen dieser schieferig-flaserigen Por- phyrabkömmlinge zu ihren Nachbargesteinen festzustellen. F e 1 d b a c h , im Mai 1917. Ekzeme und Tektonik. Von R. Lachmann j% Mit 5 Textfiguren. Die durch den deutschen Kalibergbau veranlaßte Untersuchung der dyadischen Salzmassen in Nord- und Mitteldeutschland hat, ungeschadet der besonderen Deutung der verschiedenen Beobachter, das eine gemeinsame Ergebnis gezeitigt, daß man angefangen hat, das Problem der Salzformung von demjenigen der Formung des Untergrundes losgelöst zu betrachten. Die Salzmassen verfolgen kraft ihres besonderen physikalischen Verhaltens, kraft ihrer Plastizität, ihrer Neigung zur Rekristallisation und kraft ihres geringen spezifischen Gewichtes die Tendenz, sich 1 H. v. Foullon, Über die Verbreitung und Varietäten des „Blassen- eckgneis“ und zugehöriger Schiefer. V. R. A. 1886. p. 111 ff. 2 Th. Ohnesorge, Über Silur und Devon in den Kitzbüchler Alpen. V. R. A. 1905. p. 373 ff. 3 K. Redlich, Die Eisensteinbergbaue von Peyerbach — Reichenau. Berg- u. Hüttenm. Jahrb. 1907. 4 Fr. Heritsch, Zur Genesis des Spateisensteinberges des Erzberges bei Eisenerz. Mitt. d. Wien. Geol. Gesellsch. 1908. p. 396; — Beiträge zur Geologie der Grauwackenzone des Paltentales. Mitt. nat. Ver. f. Steierm. 48. p. 3 ff. (Mit vielen sehr ausführlichen Beschreibungen von Dünnschliffen ähnlicher Gesteine, wie die von mir angeführten.) 5 A. Pichler, Beiträge zur Geognosie Tirols. N. Jahrb. f. Min. etc. 1875. p. 926 ff. Ekzeme und Tektonik. 415 an dazu prädisponierten Stellen zu akkumulieren in Form von unregelmäßigen Prismen oder Zylindern, welche ich Ekzeme genannt habe. Diese Gebilde wachsen kontinuierlich aus der nährenden Zechsteinschicht hervor oder werden, was lediglich ein anderes Bild für denselben Vorgang ist, durch die lastenden Nebengesteins- schichten herausgedrückt. Sie würden nach Arrhenius erst bei einer Herausragung um ein Zehntel ihrer Höhe, also als Salzberge von 500 m Höhe, zu wachsen aufhören, wenn die Zechsteinformation 5 km tief gelagert ist. Daß wir das nicht beobachten können, beruht auf der Lösung der Salzstöcke durch Grundwasser. Immerhin ragen bei uns die Ekzeme Helgoland, Lüneburg, Segeberg und Sperenberg 40 — 80 m über ihre Umgebung empor. Es dürfte bekannt sein, daß über die relative Bedeutung der drei oben genannten Faktoren des Ekzemwachstums die Meinungen noch aus- einandergehen. Ich will für heute aber einen anderen Punkt berühren, nämlich die Frage, ob die Ekzeme, die ja ihrer Be- schaffenheit nach atektonisch genannt werden müssen, ihrer Lage nach an bestimmte Linien der Gebirgsbildung geknüpft sind. Zur Lösung dieser Frage ist nun, wie mir scheint, der deutsche Boden ein recht ungeeignetes Feld. Ist doch Nord- und Mittel- deutschland, wie auch in Gegenden mangelnder Zechsteinbedeckung festgestellt werden kann, in jüngeren Zeiten aufs intensivste disloziert worden. Es ist daher ganz selbstverständlich, daß wir, sobald im Tiefland ein Salzstock hervorragt, geneigt sind, ihn als Sattel einer bis ins mitteldeutsche Hügelland hindurch zu ver- folgenden tektonischen Linie aufzufassen. Es ist aber ebenso berechtigt, daß für denjenigen, der von den oben skizzierten Phänomenen der Salzlagerstätten ausgeht, das tektonische Bild von Mitteldeutschland ins Schwanken gerät. Vielleicht haben wir uns den tektonischen Bau des Untergrundes viel einfacher zu denken : vielleicht existiert zwischen Harz und Flechtinger Höhen- zug nur ein einziges weit gespanntes Versenkungsbecken wie zwischen Harz und Thüringer Wald, und alles, was wir als Salzgitterschen Sattel, als Elm, Hackel, Lappwald, kurzum als kleinere Einheiten zwischen den genannten varistischen Horsten unterscheiden, vielleicht ist das alles nur Scheinarchitektur, welche die ekzematischen Bewegungen des Salzes dem Deckgebirge aufgeprägt haben, während der Boden ungestört unter diesen tektonischen Kleinformen hindurch- zieht. Zu einer solchen Auffassung gelangt man, wenn man z. B. das neue Proül betrachtet, welches Keilhack in dem neu er- schienenen Blatt Staßfurt durch den Staßfurter Sattel hindurch- gelegt und bei dem er sicherlich nicht ohne Grund den mittleren Zechstein unter der Sattelwölbung des Salzes ungestört hindurch- gehen läßt. Die Entscheidung über die Frage, ob der Bau der kleineren Einheiten von Norddeutschland ekzematischer oder tektonischer 416 R. Lachmann, Zn, ^ Lürö > Fig. 1. Atektonisches Ekzem des zwischen Harz, Thüringer Wald und Rheinischem Schiefergebirge beobachteten Typs. Ku. Zm 1 km.. Fig. 2. Einseitiges Ekzem vor Beginn der Auslaugung (ähnlich dem im Allertal beobachteten Vorkommen). Erklärung zu Fig. 1 und 2. Zo = oberer Zechstein, Su = unterer, Sm = mittlerer, So = oberer Buntsandstein, Mu — unterer, Mm = mittlerer, Mo = oberer Muschelkalk, Ku = unterer, Km = mittlerer Keuper. Natur ist, kann nun exakt nur durch Tiefbohrungen geführt werden, welche bis auf den Boden der Salzstöcke herunterreichen, und derartige Tiefbolirungen liegen nun leider nur in sehr beschränkter Anzahl vor. Wir sind daher vorläufig in der Frage auf Wahr- scheinlichkeitsgriinde angewiesen, von denen ich einige namhaft machen will, und zwar einige, die für, und andere, die gegen die rein ekzematische Natur bisher für tektonisch gehaltener Gebirgszüge sprechen. Ekzeme und Tektonik. 417 lllllllllllH L o ol=TeTtiö.x Basalt 111^1 = VTe stfdliscte Kreide- fHH|| = Ekxem-G Täten. Die ungestörten Schichten sind weiß gelassen. Fig. 3. Skizze der Ekzemstreifen (Gräben) in Mitteldeutschland. Für nicht tektonisch halte ich zunächst die ganze Gruppe der Gräben, die für das Gebiet zwischen Harz, Thüringer Wald und Rheinischem Schiefergebirge kennzeichnend ist. Die Gräben sind meines Erachtens nach dem Schema von Fig. 1 gebaut. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 27 418 K. Lachmann, Sie verdanken ihre Entstehung einer tiefen Auslaugung von Ekzemstreifen. Vor Beginn der Auslaugung haben sie das Aus- sehen von Fig. 2 gehabt. Die Gründe für diese Auffassung sind die folgenden : Dio Gräben, deren Verlauf schematisch auf der beifolgenden Fig. (3) Fig. 4. Skizze der Lagerungsverhältnisse im unteren Gelstertal. dargestellt ist, sind nur in die Schichten bis zum Zechstein ein- gelassen und hören an denjenigen Stellen auf, an denen durch tektonische Bewegung hyposalinare Schichten entblößt sind. Es sind das zwei Vorkommen: Die erste derartige Stelle bei Hundelshausen im unteren Geister Tale habe ich ausführlich in meiner Habilitationsschrift geschildert. Die Verhältnisse sind aus der beigefügten Skizze zu entnehmen (Fig. 4). Ekzeme und Tektonik. 419 Bei Wendershausen am linken Ufer der Werra trifft der südliche Ausläufer des Göttinger Leinetalgrabens auf den aus Zech- stein und älterer Grauwacke bestehenden Allendorfer Rundhorst auf. Der Graben, der sich schon nördlich der Werra bei der An- näherung an das ältere Gebirge von 8 auf 2 km verschmälert hat, immerhin aber noch Keuper gegen mittleren Buntsandstein ver- worfen zeigt, geht südlich der Werra plötzlich in eine einfache quer verlaufende Flexur über, wobei sich der Buntsandstein dem Streichen des älteren Gebirges anpaßt. Ebenso läuft auf der anderen Seite des Horstes der Geister Talgraben in eine schmale Spitze aus, welche im Westen durch die fortstreichende Grabenrandspalte, im Osten durch eine in das Fortstreichen einlenkende Flexur gebildet wird. Schon diese Tatsache, daß nämlich Gräben, die einen Ver- werfungsbetrag bis 1000 m besitzen, einfach aussetzen, sobald sie einer geringen Aufwölbung des Untergrundes begegnen, ist meines Erachtens nur dadurch zu erklären, daß diese Gräben nicht in das aufgewölbte Gebirge unter dem Salz hereinreichen. Dazu treten aber noch folgende Erscheinungen: a) Auf der Höhe des Horstes, und zwar in dem Streichen zwischen den beiden Gräben, sind etwa ein Dutzend Schollen von Muschelkalk bekannt geworden, welche und zwar nur dem salz- führenden Teile dieser Formation aufgelagert sind. Bei den schlechten Aufschlüssen will ich zugeben, daß, wie von anderer Seite eingeworfen ist, einzelne Schollen dem Zechsteingips nicht nur auf-, sondern eingelagert sind. Das ist bei der unregelmäßigen Auslaugung des Untergrundes nur zu erklärlich. Hingegen zeigt das Vorkommen am Gottesberg oberhalb Hundelshausen, wo an der West- und Nordseite durch Erosion die Grenzfläche Muschelkalk — Zechsteingips bloßgelegt ist, daß in der Tat, wie auf der Moesta- BEYSCHLAö’schen Karte richtig dargestellt ist, eine übergreifende Lagerung der beiden Formationen aufeinander vorliegt. b) Bei Hundelshausen zeigt der Zechsteingips allein über Tage eine Mächtigkeit von 60 m, die Gesamtmächtigkeit dürfte heute noch das Doppelte betragen. Diese Tatsache verträgt sich sehr schlecht mit den geringen Resten von Zechsteingips, die sich sonst rings um den Allendorfer Rundhorst zeigen; sie wird aber leicht erklärlich, wenn wir uns das Vorkommen bei Hundelshausen als ein Ekzem vorstellen, bei dem die Auslaugung das Endstadium erreicht hat, bei dem also die überlagernden Gebirgsschichten von Fig. 2 auf den mit Gipsresiduen angefüllten Ekzemboden zu liegen kommen c) Bei dieser Deutung wird auch eine dritte Erscheinung- verständlich, welche sich nur gezwungen auf rein tektonischem Wege auf lösen läßt; sämtliche Kontakte innerhalb des auf der Skizze ausgeschiedenen Streifens sind nämlich anormal insofern, 27* 420 R. Lachmann, als sich Zechstein und Buntsandstein in dem umschriebenen Gebiete stets in zweiseitiger Diskordanz begegnen. Es fehlen nämlich an allen Aufschlüssen Teile des oberen Zechsteins und Teile des unteren Buntsandsteins. Dasselbe Bild muß sich notwendigerweise ergeben, falls das Ekzem, auf dessen Auslaugung die Grabenbildung beruht, die in Fig. 2 gezeichnete einseitige Form gehabt hat. Ähnliche Profile hat an einem bestehenden Ekzem Kieschmann aus dem Aller- tale gezeichnet. Die Ausbildung eines derartig schiefen Salzprismas ergibt nun einerseits die Flexurbegrenzung im Geister Talgraben und bei Wendershausen im Gegensatz zur westlichen Bruch- begrenzung, und ergibt andererseits bei vollständiger Auslaugung die geschilderte Schichtenlücke an der Grenze Buntsandstein — oberer Zechstein. Der Geister Talgraben setzt sich über Lichtenau und Spangen- berg in südwestlicher Richtung fort und überquert bei Alt-Morschen das Fuldatal, um bei Wichte eine Streichknickung nach Westen und bei Ober-Beisheim eine Rücklenkung in die Südwestrichtung zu erfahren. Bei Alt-Morschen ist nun die zweite Stelle, an der das mittel- deutsche Grabensystem sich mit einem Horst begegnet, und zwar ist es das Grauwacken- und Zechsteingebirge von Baumbach, welches sich am Grunde des Fuldatales mit einer Nord-West gerichteten Spitze gegen den Graben vorschiebt (siehe Fig. 5). Man sieht nun auf der von Beyschlag gezeichneten geologischen Spezialkarte deutlich folgendes : Der Graben weicht mit seiner süd-östlichen Begrenzung dem Zechsteinvorsprung aus. Besonders deutlich zeigt sich das an der zur Grabenlinie an einer Flexur hinabgebogenen Grenze zwischen mittlerem und unterem Buntsandstein, wie auf der Skizze gezeichnet ist. Von der durch Kreuze angedeuteten Linie an tritt das Auskeilen der Bröckelschieferletten und des unteren Buntsandsteins einerseits, der liyposalinaren Schichten des Zechsteins andererseits ein, bis schließlich auf beiden Seiten des Fuldatales, am Steinbruch oberhalb Heydau, sowie am Gipshaus bei Neu- Morschen die diskordante Auflagerung von Buntsandstein auf Letten des Zechsteins zu beobachten ist. Eine in der Talniederung zwischen Alt- und Neu-Morschen angesetzte Bohrung würde Muschel- kalk und darunter direkt oberen oder gar mittleren Zechstein antreffen. Die Kreuzlinie zeigt also ungefähr an, wo der Südostfuß des Ekzems unter dem Graben zu suchen ist, der Nordwestfuß fällt dagegen mit der Randspalte zusammen unter der in Fig. 1 schematisch dargestellten Annahme, daß hier eine senkrechte Auf- richtung des Ekzems die Ausbildung einer steilen Verwerfung veranlaßt hat. Um zusammenzufassen: An beiden in Betracht kommenden Stellen ist aus der Kartierung abzuleiten, daß die mitteldeutschen Gräben über- haupt nicht in den Untergrund hineinreichen, sondern Ekzeme und Tektonik. 421 Fig. 5. Zusammentreffen des mitteldeutschen Grabensystems mit dem Horste des Grauwacken- und Zechsteingebirges von Baumbach bei Alt-Morschen an der Fulda. S = ungestörtes Buntsandstein gebiet, Z pi Zechstein, Gr = kulmische Grauwacke, K + M = Keuper und Muschelkalk, Gezackte Grenze = Flexur, = Bruch, j- = Auskeilen des unteren Buntsandsteins einerseits und der hyposalinaren Schichten des Zechsteins andererseits. 422 B. Lachmann, vielmehr lediglich in die Deckschichten der Zechstein- salze ein gesenkt sind. Eine zweite bemerkenswerte Tatsache, die bisher zwar auf verschiedenen Kartenblättern dargestellt, aber niemals erklärt worden ist, ist das Auftreten paläozoischer Schichten im Zuge der Gräben. Es sind nämlich an folgenden Stellen Zechsteinstreifen, und zwar immer am Rande der schmalen Gräben beobachtet worden : am Hoppenberg bei Bohnenburg, bei Warburg, bei Berka und in einem besonders langen Streifen bei Fretterode im Graben Eichen- berg-Gotha, ferner bei Creuzburg, verschiedentlich in der Nähe von Sontra und Hösbach und endlich an den beiden ausführlicher be- schriebenen Stellen Alt-Morschen und Hundelshausen. Außerhalb des Bereiches unserer Skizze treten ferner unter ähnlichen Ver- hältnissen Zechsteinschollen in triassischen Gräben auf bei Urspringen und an mehreren Stellen an der Schmalkaldener Störung bei Wahles und Benshausen. Das Auftreten des Zechsteins ist in allen diesen Fällen an schmale Zonen unmittelbar an die Grabengrenze gebunden. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß die Erscheinung von Zechstein- schollen in Gräben eine weit größere Verbreitung besitzt. Machen wir uns nur klar, daß die tektonischen Gräben meist auch mor- phologisch als Täler ausgebildet sind. Dann sind aber bekanntlich gerade die Grabenspalten von dem Schutt der die Täler flankierenden Bergzüge verhüllt, und die Auffindung der häufig nur wenige Meter breiten Dolomiten, Rauchwacken und Letten des Zechsteins wird der Aufmerksamkeit des kartierenden Geologen um so leichter ent- gehen, als man gerade an dieser Stelle wohl bisher am wenigsten das Augenmerk auf alte Schichten gerichtet hat. Es ist nun ferner bemerkenswert und bedarf dringend der Aufklärung, daß an sämtlichen 12 Stellen, an denen also im Bereich des Grabens, in der Regel in der Nachbarschaft von Muschelkalk und Keuper unvermutet im Buntsandsteingebiet altes Gebirge auftaucht, daß an all den angeführten Stellen stets nur Schichten auftreten, welche über Zechsteinsalz gelegen sind. Meistens sind sie ohne weiteres als Letten des oberen Zechsteins (zo 1 oder zo o) oder als Plattendolomit (zo 2) kartiert worden ; in anderen Fällen sind Rauchwacken für mittleren Zechstein angesprochen worden, andernorts wurde einfach nur die Zechsteinnatur der Schollen festgestellt. Ich habe sämtliche Vorkommen in den letzten Jahren besucht und mich davon überzeugt, daß an keiner Stelle in den Gräben etwa der eigentliche Zechsteinkalk, Kupferschiefer oder Zechsteinkonglomerate, geschweige denn ältere Formationen auf- treten, und daß selbst an den Stellen, wo Rauchwacken des mittleren Zechsteins kartiert worden sind, diese Schollen einem Niveau über dem an mehreren Stellen erbohrten Salzlager der mittleren Stufe angehören. Es wird außerordentlich schwer halten, diese Tatsache Ekzeme und Tektonik. 423 rein tektonisch zu begründen. Sollen wir etwa annelimen, daß große Teile dieser Gräben ehemals Horste gewesen sind, in denen nur Schichten bis zum mittleren Zechstein herab sich über den Buntsandstein der Umgebung emporgehoben haben, um dann genau in derselben Breite als schmale Gräben wieder einzubrechen? Fassen wir aber die Gräben als durch Senkung oder Zerrung entstanden auf, so besteht absolut kein mechanischer Grund, das Auftreten dieser schmalen Klemmstreifen von Zechstein an den Grabengrenzen verständlich zu machen. Hingegen ergibt sich eine einfache Deutung bei der von mir vorgeschlagenen Entstehung der Gräben als Auslaugungs- kanäle über Ekzemstreifen. Der Salzstrom schleppt, wie wir in Hannover beobachten können, an seinen Rändern kleinere und größere Schollen der Deck- schichten mit empor, und so sind auch bei der Ausbildung der mitteldeutschen Grabenekzeme an mehreren Stellen die Salzdeck- -scliichten der Zechsteinformation, eventuell bis zu den Grauwacken des mittleren Zechsteins herab, im Salz an der Grenzfläche empor- gezogen worden. Später kamen diese Streifen von Ekzemfutter bei der in Fig. 1 und 2 schematisch veranschaulichten Auflösung zwischen Graben und Nebengebirge verklemmt zu liegen und wurden schließlich an günstigen Stellen durch die Erosion entblößt. Bisher übersehene Zech steina usfiitterung der Gräben ist also ein gewichtiger Grund für ihre Deutung als Salzlinien. Ein dritter Grund für meine Auffassung ist die Tatsache, daß sich die Gräben auch geophysikalisch wie echte Ek- zeme verhalten. Es ist bekannt, daß Akrhenius die Ursache des Ekzem Wachstums in einer Störung der Isostasie erblickt hat, und isostatische Störungen in der Erdrinde werden bekanntlich als Massen- defizit oder Massenüberschuß durch Schweremessungen festgestellt. Jedes Ekzem muß an der Oberfläche durch Pendel versuche nachweisbar sein, und in der Tat läßt sich zeigen, daß der größte Teil der von dem preußischen geodätiscbenvlnstitut in Norddeutsch- land festgestellten Schwereanomalien (Massendefizite) in der Nähe von heute bekannten Ekzemen liegt. Nun ist andererseits bekannt, daß echte tektonische Gräben, beispielsweise Rheintalgraben, ost-afrikanische Gräben, Tiefsee- gräben einen Massenüberschuß durch vermehrte Schwere zu erkennen geben, eine Erscheinung, die bekanntlich als isostatische Kompen- sation gedeutet wird. Mit dieser Regel befinden sich unsere mitteldeutschen Gräben im Widerspruch insofern, als z. B. im Leinetalgraben keine Kompensation, sondern im Gegenteil ein Massen- ■defizit festgestellt wurde. Die mitteldeutschen Gräben verhalten sich also auch geophysikalisch nicht wie tektonische Gräben, sondern wie Ekzeme. 424 R. Lachmann, Viertens ist anzufiihren, daß das ganze Phänomen der Graben- bildung in Mitteldeutschland in mehr als einer Hinsicht aus dem gewohnten Bild der Tektonik herausfällt. Das ganze Gebiet zwischen Harz und Schiefergebirge erhält, wenn wir uns die Gräben fort- denken, die einfache Plateauform, wie sie im übrigen Mitteldeutsch- land, in Thüringen, Franken, Bayern außerhalb der Alpen zu linden ist. Vom Rheintalgraben, überhaupt von echten tektonischen Gräben unterscheiden sie sich durch folgende Eigenschaften : Geringe Breite (zwischen 0,5 und 8 km) im Vergleich zu einer großen Länge (420 km im Bereich der Skizze) und verhältnismäßig beträchtlicher Sprunghöhe (durchschnittlich 1000 m beim Leinetalgraben). Auf- fallende und tektonisch ungewohnte Züge sind ferner die häutigen Dichotomien ohne Durchsetzen der Verzweigungen durcheinander. Schwer erklärlich auf rein tektonischem Wege bleibt auch die Erscheinung der Umlenkung im Streichen der Gräben, wobei das doppelte Knie Ober-Beisheim — Wichte besonders in die Augen fällt. Eine derartige Erscheinung ist jedenfalls weder durch Zerrung, noch durch Faltung erklärbar, und auch wenn wir Senkung an- nehmen, muß schon ein besonderer Anlaß vorliegen, wie ihn eine Ekzemauslaugung bilden kann. Die Richtung der Gräben verfolgt übrigens keinen irgendwie erkennbaren tektonischen Bauplan. Man sieht, daß jede Himmelsrichtung durch Grabenstrecken belegt werden kann ; zwar zeigt sich eine Bevorzugung der Nordwestrichtung mit 140 km Grabenstrecke, aber die Nordsüdrichtung (110 km) und die Nordostrichtung (105 km) stehen nicht weit hinter dieser Hauptrichtung zurück, und auch das letzte Viertel der Windrose, die Ostwestrichtung, wird auf 65 km Länge von den Gräben ein- gehalten. Lösen wir nun die genannten Gräben aus dem Bauplan der mitteldeutschen Gebirge heraus, so ergibt sich vor allem, daß die nordwestlichen Züge noch markanter hervortreten, als es bisher der Fall war. Die wichtigsten nordsüdlichen oder rheinischen Linien sind fortgefallen, und was übrigbleibt, ist eine Schollen- struktur, in der zwar sämtliche Himmelsrichtungen eine Rolle spielen, in der aber eine dominierende Stellung lediglich den nordwestlichen oder sudetischen Linien Vorbehalten ist. (Es handelt sich dabei natürlich nur um das mesozoische Deckgebirge.) Eine zweite Stelle, in der meines Erachtens die heutigen Aufschlüsse genügen, um die tektonische Vorstellung auszuschalten, ist der sog. Teutschenthaler Sattel, westlich von Halle. Hier erhebt sich bekanntlich zwischen dem Muschelkalkbecken Halle — Mansfeld und dem ebenfalls von Muschelkalk erfüllten Querfurther Becken ein Buntsandsteinsattel, welcher die Verbindung zwischen dem paläozoischen Hornburger Vorsprung des Harzes und dem alten Gebirge von Halle darzustellen scheint. Ich habe nun feststellen können, daß dieser Buntsandsteinsattel atektonischer Natur ist, Ekzeme und Tektonik. 425 weil die aus den Tiefbohrungen erkennbaren Isohypsen im mittleren Zechstein aus dem südlichen Becken um den Hornburger Vorsprung herum in die Mansfelder Bucht hineintreten derart, daß der Unter- grund sich kontinuierlich unter der Buntsandsteinkuppe gegen Südosten zu senkt. Wir haben also hier, ähnlich der von Keilhack bei Staßfurt vermuteten Erscheinung den Fall vor uns, daß, wie durch Tiefbohrungen nachweisbar wurde, eine bisher für tektonisch gehaltene Wölbung der Deckschichten lediglich durch eine ek- zematische Anschwellung des Zechsteinsalzes veranlaßt wurde. Nachwort des Herausgebers: Zusammenfassung. Von ganz besonderer Bedeutung für die Frage des Aufbaues der Salzekzeme und ihrer Umgebung ist die vorliegende, leider unvollendet hinterlassene Arbeit Lachmann ’s, in der das neue Moment der Berücksichtigung der experimentell (d. h. durch Pendel- messungen) feststellbaren Schwere Verhältnisse beson- dere Wichtigkeit beansprucht. Die wichtigsten Ergebnisse dürften die folgenden sein : 1 . Im Fuldatal (bei Baumbach) und bei Hundelshausen (im S des Leinetalgrabens) ist schon aus der geologischen Kartierung abzuleiten, daß die mitteldeutschen Gräben überhaupt nicht in den Untergrund hineinreichen, sondern vielmehr lediglich in die Deck- schichten der Zechsteinsalze eingesenkt sind. 2. Die schmalen eingeklemmten Zechsteinstreifen, welche zwischen dem Buntsandstein der Hochfläche einerseits, dem Keuper und Muschelkalk der Gräben andererseits auftreten, gehören an allen 12 vom Verf. untersuchten Stellen zu den Schichten über dem Zechsteinsalz (d. h. dem Plattendolomit oder ob. Zechsteinletten) ; Zechsteinkalk, Kupferschiefer und Konglomerate fehlen stets. Das aufsteigende Salz hat diese kleinen Bruchstücke vom oberen Zech- stein als „Ekzemfutter“ mit emporgeschleppt. 3. Die Gräben sind also nicht tektonische Einbrüche, sondern sind durch Auslaugung und Einsturz des untei wühlten Hangenden entstanden, d. h. als atektonische Ekzemstreifen zu deuten. 4. Da die Ekzementstehung auf einer Störung des isostatischen Gleichgewichtes beruht (Arrhenius), stellen die Salzlinien und atek- tonischen Salzgräben Zonen eines Massendefizits dar, wie aus den Schweremessungen (d. h. den Pendelversuchen des Kgl. Preuß. Geodät. Institutes) 1 hervorgeht (Leinetalgraben). Dagegen besitzen echte tektonische Gräben (d. h. Rheintal, ostafrikanische Brüche und 1 Vergl. Die Höhenbestimmungen der Kgl. Preuß. Landesaufnahme d. Provinz Rheinland. 1. Heft. Berlin 1885, und Nivellements-Ergebnisse d. Kgl. Preuß. Landesaufnahme. Heft XII. Rheinprovinz. Berlin 1898. 426 F. Broili, pazifische Tiefseeg’räben) infolge der vermehrten Schwere einen Massenüberschuß, 5. Somit ist auch auf geophysikalisch-experimentellem Wege der atektonische Ursprung des Leinetales und des Gelstertalgrabens u. a. sichergestellt. 6. Rein morphologisch unterscheiden sich die atektonischen Gräben vor allem durch geringe Breite (0,5 — 8 km), sehr be- deutende, d. h. unverhältnismäßige Länge (bis 420 km) und Sprung- höhe (bis 1000 m), sowie die unbestimmte, wechselnde Richtung von den echten tektonischen Einbrüchen. 7. Wahrscheinlich bilden auch die sonstigen Erhebungen in der Umgebung des Harzes — Elm, Hackel, Lappwald — nur ekzematische Erhebungen, d. h. eine Scheinarchitektur. 8. Bei manchen atektonischen Sätteln und Gräben (Allertal- graben n. Kirschmann), Staßfurter Sattel n. Keilhack, Teutschen- thaler Buntsandsteinsattel n. Lachmann) ist die ungestörte Lagerung des unter dem Salz lagernden (hyposalinaren) Untergrundes durch Bohrungen oder durch Vergleich der Isohypsen nachgewiesen worden. Durch die überaus klare Darstellung der atektonischen Faltung und der gleichartigen Einbrüche widerlegt Lachmann den seither gemachten, ohnehin wenig aussichtsvollen Versuch, die saxonische „Faltung“ zu retten. Frech. Eine neue Crustaceen- (Mysidaceen-) Form aus dem litho- graphischen Schiefer des oberen Jura von Franken« Von F. Broili. Mit 3 Abbildungen. Durch Herrn Verwalter Grimm, dessen eifrigen Aufsammlungen im lithographischen Schiefer Frankens die Münchner Sammlung schon manches interessante Stück zu verdanken hat, erhielt ich kürzlich die Reste von vier kleinen Krebsen vorgelegt, die zwar in ihrer Erhaltung viel zu wünschen übrig, aber immerhin so viel erkennen lassen, daß es sich bei ihnen um eine unbekannte oder vielleicht auch nur übersehene Form handelt. Außer diesen Stücken entdeckte ich nämlich unter den „Dubia“ unserer Sammlung ein 5. Exemplar, das allerdings auch nicht durch gute Erhaltung aus- gezeichnet ist. Die Reste gehören einem langgestreckten , kleinen Thora- costracen an, dessen Größe von den Augen bis zum Hinterende bei den vorliegenden Stücken zwischen 4 und 5 cm schwankt und dessen ungemein zartes Chitinskelett anscheinend nur schwach ver- kalkt ist. Eine neue Crustaceen- (Mysidaceen-) Form etc. 427 Der Carapax zeigt sich nach vorne in einen langen Hals aus- gezogen, an dessen Vorderende große, kurzgestielte Augen sitzen ; unter den letzteren sind Reste von Antennen und außerdem an einem Stück auch Spuren der Basalschuppe sichtbar. Ein anderes Exemplar fällt dadurch auf, daß bei ihm (allerdings nur bei ent- sprechender Beleuchtung erkennbar, nicht anfeuchten !) der Carapax nach vorne und unten eingeschlagen ist, eine Erscheinung, die als „Todesstellung“ auch bei der rezenten Mysis beobachtet wird und die Peach 1 ebenso bei verschiedenen carbonischen Krustern fest- stellen konnte. Francocaris Grimmi n. g. n. sp. aus dem lithographischen Schiefer des oberen Jura von Franken. a und c von Zandt, b von Eichstädt, a und b in Seitenlage, c in „Todes- stellung“ mit nach vorne und unten eingeschlagenem Carapax. A Auge. D Darm. 1 — 7 die Abdominalsegmente. Nat. Größe. Der vordere Abschnitt des Thorax ist durchweg undeutlich, am hinteren Abschnitt kann ich an einem Individuum sicher 4 (? vielleicht auch 5) .Segmentgrenzen sehen. Das ? letzte dieser Thoracalsegmente trägt einen charakteristischen Extremi- tätenrest: unter den vorhergehenden Segmenten liegt der pro- ximale Teil des kräftigsten Gliedes (? Basipoditen) einer für unsere Gattung charakteristischen Thoracalextremität. Dieses Glied hat schenkelförmige Gestalt und erscheint bei dem besterhaltenen 1 B. N. Peach, Monograph of the higher Crustacea of the Carboni- ferous Rocks of Scotland. Memoirs of the Geol. Surv. of Great Britain. Palaeontology. Glasgow 1908. Taf. 6 Fig. 8 u. 1—5 ! 428 F. Broili, Eine neue Crustaceen- (Mysidaceen-) Form etc. Stücke proximal schräg’ abgestutzt, doch ist keineswegs ausgeschlos- sen, daß diese Begrenzungslinie durch einen darüberliegenden Rest des Exopoditen vorgetäuscht wird, jedenfalls läßt sich weder an diesem noch bei den übrigen Individuen konstatieren, wie es an den Thorax angegliedert wird. Das sich nun anschließende Glied ist schlank stabförmig, während das folgende sich fadenartig verdünnt; ob dieses das Endglied der Extremität darstellt, oder ob ihm noch ein weiteres vorausgeht, geht aus dem Zustande nicht hervor, doch reicht der ganze beinförmige Endopodit bis über die Augen hinaus und stellt vermutlich ein Hilfsorgan der Nahrungs- zufuhr dar. Bei dem schon erwähnten, mit der „Todesstellung“ von Mysis verglichenen Stück zeigen sich diese fadenartigen End- glieder dieses Fußes von beiden Körperhälften in gegenseitiger Berührung unter den Augen gelegen. Vor diesem äußerst bezeich- nenden Fuß lassen sich an dem gleichen Individuum undeutliche Reste von drei, vielleicht auch vier weiteren Extremitäten be- obachten. Bei allen Exemplaren weist das siebengliederige Abdomen eine beträchtliche Krümmung auf. Seine fünf vorderen Segmente, die nach hinten eine allmählich zunehmende Verschmälerung erkennen lassen, sind nahezu gleich lang und übertreffen in dieser Eigen- schaft die zwei letzten Thoracalsegmente; das in der Mitte die größte Wölbung auf weisende 6. Glied des Abdomens erreicht über die doppelte Länge seines vorhergehenden Gliedes; so mißt es z. B. 6 mm bezw. 4| mm gegenüber 2,5 mm bezw. 2 mm an den beiden besten Stücken. Das schuppige letzte Segment (Telson) kommt annähernd an die gleichen Dimensionen des 6. Gliedes heran, es besitzt spitze Lauzettform. An den fünf vorderen Abdominal- gliedern sämtlicher Exemplare sind mehr oder weniger deutliche Reste von Spaltfüßen erkennbar. An dem schon genannten besterhaltenen Stück kann nmn den Verlauf des Darmes gut feststellen. Auf Grund dieser Beobachtungen — von denen die, daß der Carapax nur mit den vorderen Thoracalsegmenten verwachsen zu sein scheint, wohl ausschlaggebend ist — dürfte hervorgehen, daß unsere Funde den Schizopoden, d. h. Mysidaceen zugezählt werden dürften, ohne daß sich freilich irgendwelche größere Ähn- lichkeiten mit irgend einer der lebenden und auch bis jetzt be- kannten fossilen Gattungen innerhalb dieser Ordnung konstatieren ließen. Formen, bei denen ein Thoracalfußpaar allein eine besonders auffallende Differenzierung erfährt, scheinen unter den lebenden zu fehlen, in der Regel handelt es sich hier um mehrere besonders differenzierte Extremitätenpaare wie bei j Eucopia; eine Gattung, bei denen nur ein Fußpaar eine etwas ähnlich auffallende Aus- bildung zeigt, ist Stylocheiron, welcher freilich jetzt von den Mysi- daceen getrennt wird (Euphausiacea). Besprechungen. 429 Unter den Decapoden erinnern die rezenten, wie viele Mysi- daceen, pelagischen Sergestiden, von denen Lucifer einen ähnlich nach vorne verlängerten Carapax aufweist, in ihrem allgemeinen Habitus an unseren jurassischen Vertreter. Ich habe auch in Erwägung gezogen, daß es sich möglicher- weise um Larvenstadien vön Decapoden, die ja in den Jura- Ablagerungen Frankens als faunistischer Faktor eine so hervor- ragende Rolle spielen, handeln könnte; die große Differenzierung des ganzen Individuums, insbesondere des einen Fußpaares, dürfte indessen mit Entschiedenheit gegen eine solche Annahme sprechen. Die Form, die beweist, daß der Jura Frankens an neuen Funden noch keineswegs erschöpft ist, sei nach dem glücklichen und ver- dienstvollen Sammler: Francocaris Grimmi n. g. n. sp. benannt. Zum Schlüsse möchte ich Herrn Prof. Zimmer vom zoologischen Institut, bei dem ich mir bezüglich der Mysidaceen Rat erholte, für seine freundliche Unterstützung den herzlichsten Dank aussprechen. Besprechungen. P. Ehrenberg : Die Bodenkolloide. Der „ Kolloide in Land- und Forstwirtschaft“ Erster Teil. Eine Ergänzung für die üblichen Lehrbücher der Bodenkunde, Düngerlehre und Ackerbau- lehre. Dresden und Leipzig 1915. Ziel und Aufgabe des Buches besteht nach des Verf.’s eigenen Worten darin, „die Zusammenfassung und Anwendung unserer Er- kenntnis auf dem Gebiete der Kolloidchemie für die Bodenkunde“ zu geben. Es soll also keine vollständige Land- und Forstwirt- schaftslehre geboten, sondern durch das ganze weite Gebiet hin- durch immer der eine Weg, das eine Thema verfolgt werden : Welche Bedeutung besitzt die noch verhältnismäßig junge, bisher nicht überall genug gewürdigte Kolloidforschung für die Agrikultur- chemie? Das Buch ist somit von einem bewußt einseitigen Stand- punkte aus geschrieben und wird in diesem Sinne von Ehrenberg selbst als „eine Ergänzung für die üblichen Lehrbücher der Boden- kunde, Düngerlehre und Ackerbaulehre“ bezeichnet. Die sorgfältig bis ins einzelne durchgeführte Gliederung des reichen Stoffes weist drei Hauptabschnitte auf: eine 39 Seiten umfassende Einleitung, die einen „Abriß der Kolloidcliemie“ gibt, einen verhältnismäßig- kurzen ersten Hauptteil über die „verschiedenen Bodenkolloi'de und ihre Eigenschaften“ und einen zweiten: „Wirkungen der Boden- kolloi'de“, der an Umfang vier Fünftel des Buches ausmacht und 430 Besprechungen. seinem Inhalte nach die praktische Anwendung des zuvor Ausge- führten in Land- und Forstwirtschaft darstellt. In seinen theoretischen Ansichten steht der Verf. ganz auf dem Boden der von W. Ostwald, H. Freundlich usw. vertretenen Richtung der modernen Kolloidforschung. So ist der einleitende Abriß der Kolloidchemie getragen und in seinen Einzelheiten bestimmt durch die Anschauung, daß man nicht von chemisch irgendwie definierten kolloiden Substanzen, sondern von einem kolloidalen Zustand der Materie zu sprechen habe, dessen wesentliche Kenn- zeichen in Art und Grad der Zerteilung des Stoffes sowie im hier- durch bedingten Verhältnis von Vplumen und Oberfläche bestehen und den theoretisch alle Substanzen annehmen können, wenngleich einige besonders dazu neigen. Die Kolloide stellen also nicht eine bestimmte Gruppe von Verbindungen dar, sondern ein Glied der Reihe ungleichartiger Verteilungen, als deren Grenzen einerseits die groben Dispersionen, andererseits die molekulardispersen Phasen anzusehen sind. An der Hand eines von W. Ostwald im Grundriß der Kolloidchemie gegebenen Beispiels erläutert Ehrenberg in einem ersten Abschnitt seiner Einleitung zunächst sehr anschaulich den wachsenden Einfluß der Oberfläche bei fortgesetzter Zerkleinerung einer Substanz und zeigt an bekannten Vorgängen in der Natur, wie maßgebend die Teilchengröße für das Verhalten eines Stoffes ist, um nach Hinweis auf die Bedeutung des Trennungsmittels den nun vorbereiteten Begriff „Kolloide“ näher zu bestimmen und diese Gruppe ungleichartiger Verteilungen nach außen abzugrenzen wie in sich zu zergliedern. Einer Besprechung der verschiedenen Arten von Oberflächenkräften, besonders der mechanischen Oberflächen- spannung folgt dann der letzte und längste einleitende Abschnitt über die Betätigung dieser Kräfte in kolloiden Systemen. Er be- handelt zunächst die Wirkungen der mechanischen Oberflächen- spannung, besonders die Adsorptionsvorgänge an Grenzflächen, dann die elektrischen Erscheinungen. Eine kurze Zusammenfassung be- schließt den Abriß der Kolloidchemie, der in der Tat, wie sein Verf. hofft, dem Unterrichteten einen erwünschten „nochmaligen Überblick über sein Wissen“ gewähren, aber in seiner gedrängten Form den uneingeweihten „Praktiker“ wohl manche Schwierigkeit bieten dürfte. Der erste Hauptteil des Buches erläutert zunächst in einem kurzen „allgemeinen“ Kapitel, welche unter den eingangs genannten ungleichartigen Verteilungen in der Bodenkunde eine Rolle spielen — es sind vor allem die Systeme flüssig-flüssig, fest-flüssig — , und wendet sich dann zu den einzelnen wichtigen Vertretern der Bodenkolloide, ihrem Vorkommen und Verhalten. An erster Stelle werden die Emulsionen und Tröpfchenkolloide: Bakterienverteilungen, kolloide Kieselsäure, Humuskolloide besprochen, dann Eisenhydroxyd und Tonerde, die den Körnchenkolloiden nahestehen. Die kolloiden Besprechungen. 431 Verbindungen der eben genannten Stoffe sind nur kurz in einem gemeinsamen Abschnitt behandelt, ausführlicher wieder Aufschwem- mungen von Sanden, und endlich der Ton, dem ein besonders reich- haltiges Kapitel gewidmet ist. Es werden hier nicht einfache Beschreibungen gegeben, die von einem bestimmten Standpunkte aus abgefaßt sind, sondern jeder einzelne Abschnitt bildet eine Art Monographie des betreffenden Bodenkolloi'ds, in der auf Grund eingehendsten Literaturstudiums die bisherigen, oft widersprechenden Ansichten und Beobachtungen der verschiedenen Forscher zusammen- getragen sind. Dieser Handbuch-Charakter kennzeichnet auch den umfang- reichen zweiten Hauptteil über die Kolloide des Bodens unter dem Einfluß der verschiedenen Kräfte der Natur (Witterung, Adsorp- tion usw.) und der Kultur (Grundverbesserung, Bodenbearbeitung usw.). Seine Aufgabe ist, den Anteil von Kolloi'dwirkungen an bodenkundlich bedeutsamen Vorgängen darzulegen. Alte und neue Beobachtungen, Erfahrung und Regeln der Praktiker aus Land- und Forstwirtschaft, sowie Ergebnisse planmäßiger experimenteller Untersuchungen werden hier ausführlich, mit weitgehendster Be- rücksichtigung der einschlägigen Literatur, besprochen, soweit sie sich durch spezifische Eigentümlichkeiten der Bodenkolloide begrün- den und deuten lassen. Andere, nicht kolloidchemische Faktoren bleiben dem Ziele des Buches gemäß unberücksichtigt oder werden doch nur kurz erwähnt. Eine Fülle verschiedenartiger Erscheinungen wird dem Leser vorgeführt, ihre Erklärung vom kolloidchemischen Standpunkte beruht aber letzten Endes stets auf einer verhältnis- mäßig kleinen Zahl typischer Kolloidreaktionen, nämlich vor allem auf den folgenden : Solbildung durch elektrolytarme und alkalisch reagierende Wässer, Ausflockung durch mehrwertige Metallionen — praktisch kommt vor allem Calciumion in Frage, dessen Lös- lichkeit wiederum wesentlich durch den Gehalt an Bodenkohlen- säure bedingt ist — -, Schutzwirkung der Tröpfchen-, insbesondere der Humuskolloide, Adsorption an der Oberfläche der fein zerteilten kolloiden Stoffe, und Klebwirkung, sowie auch Quellen und Schwinden der Gele. Mag es sich nun darum handeln, das Aufbereiten des Bodens durch Frost oder den Eintritt der Bodengare, die Bildung von Ortstein unterhalb Auflagerungen von saurem Humus oder irgend einen anderen Vorgang zu deuten, immer finden wir wieder diese wenigen Kolloidwirkungen als ausschlaggende Faktoren genannt, insbesondere als Ursachen jener Erscheinungen des Hinabwaschens feiner Teilchen, der Krümelbildung des Versclilammens und Ver- krustens der Oberfläche usw., die in allen, auch den obengenannten Bodenvorgängen, eine so wesentliche Rolle spielen. Daß in den gesamten Ausführungen des zweiten wie auch schon des ersten Hauptteiles leider so zahlreiche Wahrscheinlichkeiten, ja Ver- mutungen an Stelle gesicherter Tatsachen und anerkannter Theorien 432 Personalia. gegeben werden, hat derVerf. selbst bereits im Vorwort ausdrücklich hervorgehoben und begründet; auch betont er in der Schlußbemerkung noch einmal, daß im vorliegenden Buche ein noch wenig erforschtes Neuland wohl durchquert, aber noch nicht allseitig erschlossen werden konnte. An der Sprache des EHRENBERG’schen Buches fällt angenehm auf, daß für die zahlreichen, in der Kollo'idehemie gebräuchlichen Fremdwörter meist deutsche Fachausdrücke eingesetzt werden, so „ausflocken“ für „koagulieren“, „Verteilung“ für „Dispersion“, „Körnchen- und Tröpfchenkolloide“ für „Suspensoide und Emul- soide“ u. dergl. mehr. Ilse Zoch. P. Groth: Chemische Kristallographie. 4. Teil. Leipzig bei W. Engelmann 1917. 801 p. Mit 828 Textfiguren. Der 3. Teil des vorliegenden Werkes ist 1910 erschienen (vgl. über die bisher erschienenen Teile dies. Centralbl. 1911. p. 303), die Schwierigkeiten, die die Kriegszeit mit sich brachten, sind nur daran zu erkennen , daß aus Mängel an passendem Leinen der Band nur noch geheftet ausgegeben werden konnte, im übrigen ist aber die Ausstattung noch tadellos wie in den drei früheren Bänden. Es war beabsichtigt, in dem vierten Teil die sämtlichen aromatischen Verbindungen zu vereinigen. Das wuchtig angewachsene Material machte dies jedoch untunlich und es wurde die Trennung in zwei Bände, den vierten und fünften, erforderlich, von denen der letztere Anfang 1918 erscheinen soll. Der vierte enthält nur die aromatischen Kohlenstoffverbindungen mit einem Benzolringe und das Benzol selbst mit seinen Halogen-, Nitro-, Oxy- und Aminoderivaten nebst den Schwefel-, Phosphor- und Arsen- verb indungen,* auf welche die Abkömmlinge des Methylbenzols und der höheren Homologen des Benzols mit einer Seitenkette, endlich diejenigen der Di-, Tri- und Tetramethylbenzole, des Penta- und Hexamethylbenzols folgen. Der Rest ist dem im Druck befindlichen fünften, dem Schluß- teil, Vorbehalten, nach dessen Erscheinen eine zusammenfassende Würdigung des wichtigen Werks möglich sein wird. Max Bauer. Personalia. Angenommen: Prof. Dr. Rieh. Nacken in Tübingen einen Ruf an die Universität Greifswald als Nachfolger von Prof. Dr. L. Milch. Den Lesern unseres Jahrbuches müssen wir clie schmerzliche Mitteilung machen , daß am 4. November 1917 Herr Professor Dr. Max Bauer in Marburg im Alter von 73 Jahren verstorben ist. Als Nachfolger von Carl Klein ist er im Jahre 1885 in die Redaktion eingetreten. Er hat ihr bis zu seinem Tode ununterbrochen angehört. 'Die warme Anerkennung, die seine langjährige unermüdliche und entsagungsvolle Tätigkeit als Redakteur gefunden hat, wurde durch eine Fest- schrift bezeugt, die ihm zu seinem siebzigsten Ge- burtstage von Mitarbeitern, Freunden und Schülern gewidmet wurde. Alle, die das Glück hatten, ihm näher zu treten, werden herzlich und dankbar das Andenken an das hingebende Interesse bewahren, mit dem er ihre wissenschaftlichen Bestrebungen begleitete. Redaktion und Verlag des Neuen Jahrbuchs für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Th. Liebisch. J. F. Pompeckj. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Erwin Nägele). An die Herren Mitarbeiter ! An Stelle von Professor Fritz Frech und Professor Max Bauer sind in die Redaktion des Neuen Jahrbuches bezw. des Centralblattes für Mineralogie, Geologie und Paläontologie eingetreten : Professor Dr. J. F. Pompeck j Geheimer Bergrat Berlin N. 4, Invalidenstraße 43 und Professor Dr. R. Brauns Geheimer Bergrat Bonn Minerale gileh-petro graphisch es Institut. A. Johnsen, Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 433 Original-Mitteilungen an die Redaktion. Die einfachsten Bahnen der Atome während der Schiebungen im Eisenglanz und Korund. Von A. Johnsen in Kiel. Mit 4 Textfiguren. Inhalt : Einleitung, p. 433. — Die Struktur von Eisenglanz und Korund, p. 436. — Kristallschiebungen im Eisenglanz und Korund, p. 439. — Gitterschiebungen im Eisenglanz und Korund, p.440. — Strukturschiebungen im Eisenglanz und Korund, p. 441. — Ergebnis, p. 445. Einleitung. In den letzten Jahren hat es sich gezeigt, daß die als „Schiebungen“ bezeichneten Kristalldeformationen im allgemeinen keine reinen Schiebungen im Sinne der Mechanik sind. So er- fahren während der Schiebungen des Kalkspates und des Wismuts die Atome nicht nur Deformationen, die an sich nichts mit Schiebung gemein haben, sondern überdies derartige Orts Veränderungen, wie sie durch geradlinige Bewegung der Atome längs der Gleitrichtung nicht erzielt werden können. Die nach vollzogener Kristallschiebung beobach- teten Deformationen der Flächen und Kanten sowie der physikalischen Vektoren täuschen eine reine Schiebung vor. Gibt man nämlich irgend zweien parallel der Gleitfläche Kx liegenden Kanten und einer parallel der Grund- zone o2 gelegenen Kante oder irgend zweien parallel der zweiten Kreisschnittsebene K2 liegenden Kanten und einer parallel der Gleitrichtung g1 gelegenen Kante drei beliebige Längen und be- trachtet diese drei Vektoren als primitives Parametertripel eines Gitters G, so geht dieses Gitter stets dann in sich selbst über, wenn seine Gitterpunkte eine einfache Schiebung nach Kj mit g2 oder nach u, mit K2 ausführen, d. h. sich parallel der Gleit- richtung Gj um Strecken verschieben, die proportional ihrem Ab- stande von der Gleitfläche Kx sind. Diese Tatsache liegt auch den drei Gleichungen zugrunde, die 0. Mügge1 für die durch Schiebung bewirkte Änderung der 1 0. Mügge, N. Jahrb. f. Min. etc. 1889. II. 108 und ibid., Beil.- Bd. VI. 286. 1889. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 28 434 A. Johnsen, Flächenindizes abgeleitet hat. Nun ist leicht einzusehen, daß man G, wenn man den drei erzeugenden Parametern geeignete Längen zumißt, stets als ein Teilgitter des wirklichen Kristallgitters P betrachten darf, so daß n solche Teilgitter G1? G2 . . . Gn, in bestimmter Weise parallel ineinander gestellt, das wahre Gitter P des Kristalls aufbauen. Nach Obigem geht aber jedes dieser Teil- gitter infolge der Kristallschiebung in sich über. Soll hierbei auch T in sich deformiert werden, so muß die gegenseitige Orientierung* der n-Teilgitter G15 G2 . . . Gn in sich selbst übergehen. Das ist jedoch stets und nur dann der Fall, wenn jedes primitive Parallel- epiped der Gitter G., , G2 . . . Gn nach der Schiebung ebensoviele Gitterpunkte von T absorbiert als vorher, also bei n-Teilgittern G nach wie vor n Gitterpunkte. Diese anschauliche Bedingung äußert sich, wenn irgend drei Parameter [ej . fx . gj, [e2 . f2 . g2] und [e3 . f3 . g3] durch die Kristallschiebung der Reihe nach in je', . f' , . g'J, [e'2 . f'2 . g'J und [e'3 . f'3 . g'J übergeführt werden, mathematisch in der Gleichung ei fi Sx e', f'i g', e, f2 g2 = e'2 f2 g'2 e3 f3 g3 e/3 f/8 g'a Indem man nun die eingestrichenen Indizes mittels der Mügge- schen (1. c.) oder ähnlicher Formeln als Funktionen der un- gestrichenen ausdrückt, gelangt man zu neun Gleichungen1, in denen die Indizes h, k, 1 von K1 bezw. von K2 und die Indizes u, v, w von g2 bezw. von g, als Koeffizienten fungieren. Dieselben sind die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß der Übergang des Kristallgitters r in sich selbst durch reine Schiebung, also dadurch bewirkt werden kann, daß alle Gitterpunkte von F sich längs der Gleitrichtung g, um Beträge fortbewegen, die ihrem Abstand von der Gleitfläche K, proportional sind. Solche Defor- mation von r nannte ich_Gitt er Schiebung. Im allgemeinen bilden jedoch die Atome eines Kristalles mehrere Gitter P, also P, , P2 . . . Pn, die als Punktgitter ge- dacht einander kongruent und parallel sind. Geht nun P durch Schiebung in sich über, so gilt offenbar das gleiche für Fv P2 . . . Pn. Soll aber die ganze Struktur und somit das ganze von P15 P2 ... Pn gebildete „regelmäßige Punktsystem“ in sich deformiert werden, so muß auch die gegenseitige Lage von P,, P2 . . . Pn in sich selbst übergehen. Hierfür ergeben sich die Bedingungen 2 einfach aus der Tatsache, daß der Symmetrieeffekt einer Kristallschiebung stets entweder einer halben Umdrehung um die Normale von Kx oder einer Spiegelung an K, oder einer halben Umdrehung um g , oder einer Spiegelung an der Normalebene von g , (oder allen diesen 1 A. Johnsen, dies. Centralbl. 6. 121. 1916. Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 435 vier Symmetrieoperationen zugleich) entspricht. Betrachtet man nämlich ein zu irgend einem der Gitter I\ , T2 . . . Fn gehörendes Gitterparallelepiped IJ‘ , dessen drei Kanten identisch mit zwei beliebigen // Kx oder // K2 verlaufenden Parametern kj und k'x oder k2 und k'2 und dem // t3, . . . t10 bezeichnen; hierbei be- trachten wir ein Fe-Gitter als fest und beziehen t2, t3, t4 auf die drei anderen Fe-Gitter sowie t5 bis t10 auf die sechs O-Gitter. Das in Fig. 1 dargestellte primitive Fe-Rhomboeder {311} absorbiert also vier Fe-Atome und sechs O-Atome, die sämtlich abgebildet sind (Fe durch leere Kreise, 0 durch volle Kreise). 1 W. H. and W. L. Bragg, X rays and crystal structure. 169. London 1915. 2 W. L. Bragg, Proceed. Roy. Soc. Ser. A. 89. 486 u. 488. London 1914. Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 437 438 A. Johnsen, Die den Atomen beigeschriebenen Nummern 2 bis 10 sind den Vektoren t2 bis t10 zugeordnet, so daß z. B. der Vektor t3 den Schwerpunkt des Fe-Atoms No. 1 in denjenigen des Fe-Atoms No. 3, der Vektor t6 das Zentrum des Fe-Atoms No. 1 in dasjenige des O-Atoms No. 6 überführt. Zur Auswertung der Vektoren t2 bis t10 haben wir die Koordinaten jener Atome zu ermitteln. Man ent- nimmt der BRAGG’schen Strukturschilderung leicht die auf drei der vier BRAVAis’schen Achsen bezogenen Indizes der Atomzentren und transformiert dieselben auf das MiLLER’sche Achsensystem. Die erforderlichen Transformationsformeln sind den von Liebisch für Kanten indizes abgeleiteten sehr ähnlich. Gehen nämlich die drei Scharen von Gitterebenen (hjkjlj), (h2 k2 12), (h3 k3 13) der Reihe nach in (100), (010), (001) über und die Gitterebene (q\\, @k, £>1) in (1,1,1) und demnach das (nicht notwendig primi- tive) Parametertripel ux • ß, vi . (>, wj , [q2 u2 . q2 v2 . q2 w2], [(»3 u3 . £3v3 . w3] in [1. 0 . 0], [0.1.0], [0.0. 1], dann gehen die Indizes 7;m, -rn, Tp eines Atomzentrums [thi, Tn, Tp] in t' m', t' n', t'p' über; hierbei bestehen die sechs Tripel \ kt lx , h2 k2 12, h3k3lg, h k 1, mnp, m' n' p' aus je drei teilerfremden ganzen Zahlen, während die im allgemeinen nichtganzzahligen Koeffizienten q, qx, q2, @3, t, t' entweder rational sind oder in be- liebiger Annäherung rational gesetzt werden können; die neuen Indizes t'iu', t'ii', t'p' ergeben sich aus ( 7' m' = rp2 (m hj + n kj +p lt) (h2 u,2 + k2 v,2 + l2 w,2) (I) t' n = t p2 p22 (m b2 + n k2 + p 12) (h2 u22 + k2 v22 + 12 w22) [ T' pB tp2 p32 (m h3 + n k3 + p 13) (h2 us2 + k2 v32-j-l2 w32) Bezieht man nun für Eisenglanz die Indizes der Atome No. 2 bis 10 in Fig. 1 auf die Parameter zweier zweizähligen Achsen und der dreizähligen Achse, indem man die dritte BRAVAis’sclie Achse eliminiert, so erhält man für die Atome No. 2 bis 10 folgende Symbole [Tin, Tn, Tp]: 2- = [0,0,*], 3. = [0,0,*], 4. = [0, 0, |f] 6- I [t45, t55, ff] , 7- = Wr, ttf, lf] 7 8. = GV, * 10. = [i45i 155> fi]- r), 9. = [TV,TV,fi], Transformiert man nunmehr die Atomindizes auf ein Miller- sches Koordinatensystem, dem man die Polkanten a,, a2, a3 des primitiven Rhomboeders {311} der Fig. 1 zugrunde legt, so wird (?h,?k,?l)|0,0,3), (h, k, 1,) = (101), (h2k2l2) = (111). (h3k3ls) = (011), [?l - P, V, • Qt Wj = [f . 1 . l], [p2 U2 . p2 V2 . p2 W2] = [| . | . i], [P3U3.p3V3.p3W3] = [-1- • I • i] ; somit ergeben sich aus (I) für die Atome No. 2 bis 10 der Fig. 1 folgende Symbole [t' m', t' n', t ' p'] : Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 439 2. hl 3. = 4. H [\ . r2.09 161 _6 5_1 1.2 4 0 5 2 4 0) 2?0J q _ r 89 i85 _4i_l in V’ L 2 4 0 ) 2 4 05 240J) J- i n - »_?_ A 11 1L 5 2 4 J 5 L"2 4 05 2 4 05: 7 rill _6_5_ 20.91 Q — fi85 4_1_ _8_9_' *■ L2 40) 2 4 05 2 4 0 J' 1.2 405 2 40) 240. _8_9_ 18 5.1 .2 4 0’ 2 4 05 ^4 0 4- 65 a, 209a1.| :16U3 *5 ~ 240 + 240 + 240 ’ 161 a, 65 a2 209 a3 “ 240 + "240“ + 240 ’ 89 a, 185 a2 41 a3 f'9 “ 240 + 240 + 240 ’ der Gitter No. 2 bis 10 13 Qi I 13 Q2 i 13 <*3 24 ^ 24 ^ 24 • 209 a, , 161a, 65 a3 240 1 240 + 240 ’ 185 a, 41 a, 89 a3 240 + _24Ö_ + 24(f ’ 41a, 89 a, , 185 a3 ""240“ + 240 + “240 ‘ Als Verschiebungsvektoren gegenüber No. 1 ergeben sich sonach t g’Äi , 3 2 24 i)A 24 24 ’ 3 ~ 2 + 2 ^ 2 ’ 4 + Jeder dieser neun Vektoren enthält drei Strukturkonstanten ; dazu kommen noch zwei Strukturkonstanten, nämlich die oben definierten Gitterkonstanten a und ^ a oder a und ^ A. Aus Kokscharow’s Wert c = 1,36557 folgt a — 30° 19' und A = 117° 363 Hieraus, aus der Dichte D = 5,25 und dem absoluten Molekulargewicht m = 159,68 X 1,65 X 10—24g findet man 2 m D sin2« sin A 7,63 X. 10~8 cm. Die Struktur des Korund ist innerhalb der empirischen Fehler derjenigen des Eisenglanzes gleich; die erstgenannten 27 Struk- turkonstanten bleiben also bestehen; aus dem MiLLER’schen Werte c = 1,3630 folgt 30°24' und ^ A = 1 1 7° 3%' ; ausD = 4,10 und m = 102,2 X 1,65 X 10~24 g findet man a = 7,13 X 10— 8 cm. Kristallschiebungen im Eisenglanz und Korund. Kürzlich hat K. Veit1 im hiesigen Mineralogischen Institut Schiebungen im Eisenglanz und Korund hervorgerufen; es wurde bei jedem Versuch ein Kristall innerhalb eines stählernen Hohl- zylinders in Schwefelpulver festgestampft und sodann ein gut abgedichteter Stahlstempel unter Drucken von 5000 und 20 000 Atmosphären in den Zylinder hineingetrieben. Die Kristalle waren einige Millimeter lang und breit und in Richtung der Stempel- achse 0,5 bis 4 mm dick. Der Eisenglanz stammte von Elba und zeigte die Formen {1.00} = {1011}, {211} = {1014>, {311} = {2243}. Der Korund war australischer Saphir von grünlichblauer, zonar verteilter Färbung und der Form {513} = {4483}, {111} = {0001} nebst gelegentlichen Absonderungsflächen {100} = {1011} . 1 K. Veit hat diese und andere Ergebnisse infolge des Krieges noch nicht veröffentlichen können. 440 A. Johnsen, Im Eisenglanz gingen die Schiebungen nach K, = (100) mit K2 = (011), cTj = [011], cr2 = [100] sehr leicht vor sich, während solche nach Kx .= (111) mit K2 = (Tll), a, = [211], a, = [211] nur in senkrecht zur Gleitrichtung o , orientierten Platten bei Parallelismus von Stempelachse und (71 zu erzielen waren. Im Korund vollzogen sich die Schiebungen nach Kx m (111) mit K2 — (111), = [211], o2 = [211] ziemlich leicht, wogegen Schiebungen nach K1 = (100) merkwürdigerweise auch in solchen Platten, die senkrecht zur Gleitrichtung = [011] orientiert waren, nicht bewirkt werden konnten. Die von K. Veit mittels Reflexionsgoniometers gemessenen Winkel zwischen deformierten und undeformierten Oberflächen- teilen stimmten sehr gut mit den aus obigen Schiebungselementen berechneten überein. Gitterschiebungen im Eisenglanz und Korund. Wenden wir die Gleichungen der Gitterschiebung (s. Ein- leitung) auf die Eisenglanzschiebung nach Kx = (100) mit o2 — [100] an, so ergibt sich offenbar ebenso wie seinerzeit für die analoge Kalkspatschiebung, daß jene Gleichungen nur für die- jenigen drei rhomboedrischen Gitter erfüllt sind, deren primitives Rhomboeder 77= {111} oder {100} oder {Oll} ist. Nunmehr ist festzustellen, welche von diesen drei Gittern eine Gitterschiebung nach Kj = (111) mit cr2 = [211] gestatten. Beziehen wir alle Indizes auf die drei Polkanten jener primitiven Rhomboeder 77, so wird für 77 = {111} offenbar K1 = ( h k 1) = (111) und o2 =• [uvw} = [011], also hu -f kv + lw = 2; für II = (100) da- gegen wird K* = (hkl) = (lll) und o2 [uvw] = [211], also hu + k V + 1 w = 4, und für 77= {01 1} folgt Kt = (hkl) = (11 1) nebst (>2 = [uvw] = [233], also hu-j-kv-f-iw = 8. Da nun jhu -f- kv + lw| nur gleich 1 oder 2 sein darf, so ergibt sich 7T={111} als primitives Rhomboeder des einzigen Gitters, in welchem sich beide Eisengla.nzschiebungen als Gitterschiebungen abspielen können. Dieses Gitter aber läßt sich aus der Bragg- schen Eisenglanzstruktur nur so gewinnen, daß man mehrere der O-Atome, die ja sechs Gitter mit 77 = {311} bilden, zu einem Komplex zusammenfaßt. Am einfachsten ersetzt man je drei ein gleichseitiges Dreieck / / (111) bildende O-Atome, wie z. B. No. 5, 6, 7 der Fig. 1, durch ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Diese 03-Schwerpunkte formieren dann ein einziges Gitter mit dem primitiven Rhomboeder 7T= {Ill}. Da sich nun die vier Fe- Gitter mit 17 = {3T1}, wenn man die Fe-Atome punktförmig denkt, als z\vei Fe-Gitter mit JJ = {111} betrachten lassen, so haben wir zwei von Fe- Atomzentren aufgebaute Gitter und ein von 03-Schwerpunkten gebildetes, die alle drei kongruent und parallel und durch das primitive Rhomboeder 77 = {111} ausgezeichnet sind. Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 441 Aus Fig. 1 gewinnt man diese drei Gitter, indem man mit den beiden Fe-Atomen No. 3 und 4 sowie mit dem gemeinsamen Schwer- punkt der drei O-Atome No. 5, 6, 7 die Translationen jenes durch II = {111} charakterisierten Gitters ausführt. Dieses Punktsystem vermag während der beiden Eisenglanz- schiebungen stets und nur dann Strukturschiebungen zu erfahren, wenn während der Kristallschiebungen die gegenseitige Lage jener drei Gitter in sich selbst übergeht. Struktur Schiebungen im Eisenglanz und Korund (Fig. 2, 3, 4). Wir untersuchen jetzt, ob die Ineinanderstellung der beiden Fe-Gitter und des Os-Gitters mit dem primitiven Rhombo- eder {111} während der beiden Kristallschiebungen des Eisen- glanzes dadurch in sich übergehen kann, daß jeder Punkt dieses dreigitterigen Punktsystems eine gerade , der Gleitrichtung ol parallele Strecke durchläuft, welche s mal so groß als sein Abstand von der Gleitfläche K1 ist, wo s die „Größe der Schiebung“ bedeutet. Nach dem in der Einleitung Gesagten hat man für jede der beiden Eisenglanzschiebungen die Atomverteilung in zwei PaFallelepipeden II' zu untersuchen, nämlich in einem mit k15 k'13 s2 und in einem mit k2, k'2, st konstruierten ; jedoch lassen sich beide Parallelepipeda 17' identisch gestalten, indem man k, = s17 k2 = s2 und k\ = k'2 macht, wo k't = k'2 den Parameter der Schnittkante der beiden Kreisschnittsebenen Kt und K2 bedeutet. Die Indizes der Parameter beziehen wir im folgenden auf die Polkanten des positiven Grundrhomboeders {100}, so daß cc = 85° 42', A = 94° 0' ist1. 1. Die Schiebung nach der Basis (Fig. 2). Es ist K, = (111), K2 = (111) , (J, = [112], g2 = [112]. Behufs Anwendung der vier Gleichungen (1 a), (1 b), (2 a), (2 b) (s. Einleitung) legen wir den Parameter kt = s1 = [1 . 1 . 2] in die X-Achse (aj, k2 = s2 = [1.1.2] in die Z-Achse (g2), k't = k'2 = [I . 1 . 0] in die Y-Achse. Die Flächen unseres Parallel- epipeds 7?' sind K, = (111), K2 = (111), S = (110); parallel S, der „Ebene der Schiebung“, liegt die neben Fig. 2 verzeichnete Hauptachsenrichtung c. Fig. 2 ist im gleichen Maßstab und in gleicher Orientierung konstruiert wie Fig. 1 sowie die folgenden 1 Man steht gegenwärtig vor der Prinzipienfrage, ob man das übliche „Achsenkreuz“ einer Kristallart beibehalten oder durch ein röntgeno- metrisch ermitteltes Parameter tripel a,, f>lt c, ersetzen will. Es erscheint mir zweckmäßig, vorläufig bei dem gebräuchlichen Achsenkreuz zu be- harren. Jedoch wird man für Kristallarten mit rhomboedrischem Gitter ein MiLLER’sches, für solche mit hexagonalem Gitter ein BRAVAis’sches Achsensystem wählen. 442 A. Johnsen. Fig. 3 und 4 ; alle Figuren enthalten nur die in und auf dem dargestellten Parallelepiped liegenden Atome. In den Ecken von IT' (Fig. 2) mögen Fe-Atome liegen (leere Kreise); dann sind auch die Zentren der Rechtecke K, und K2 sowie des Rhomboids S mit je einem Fe-Atom besetzt; wenig unterhalb jedes Fe- Atoms befindet sich ein zweites, das mit jenem eine Hantel in Richtung der Hauptachse c bildet ; daher liegen im Innern jeder der beiden Flächen S außer dem zentralen Fe-Atom noch zwei weitere, während die beiden in Fig. 2 mit „Fe“ be- zeichneten Atome ins Innere von IV sozusagen „ hineinhangen “ . In Richtung der c-Achse oberhalb oder unterhalb der Fe-Atome befinden sich 03 -Schwerpunkte (volle Kreise), deren je zwei in jeder der beiden S-Flächen liegen, während die beiden in Fig. 2 mit „03“ bezeichneten 03-Zentren im Innern des Parallelepipedons TT' schweben. Letzteres absorbiert also f -f- -f- 2 = 8 Fe-Atome und -J 2 = 4 03-Komplexe. Man sieht sofort, daß z. B. die beiden im Innern von II' schwebenden Fe-Atome, die in Fig. 2 Die einfachsten Bahnen der Atome etc. 443 mit „Fe“ bezeichnet sind, in keiner der durch die Gleichungen (la) bis (2 b) fixierten Beziehungen stehen. Es kann also nicht jedes Fe-Atom unabhängig von allen andern Atomen eine gerade II c j1 gelegene und seinem Abstande von Kx proportionale Strecke durchlaufen. Betrachten wir jetzt statt der einzelnen Fe-Atome die hantel- artigen Fe2-Komplexe, indem wir die Massen je zweier solcher Atome in dem oberen der beiden vereinigt denken. Dann rücken die 03-Zentren aus den mit vollen Kreisen bezeichnten Orten in die mit einem Kreuz markierten Punkte und es gehen z. B. die beiden im Innern von 27' befindlichen 03-Zentren, die in Fig. 2 mit „03“ bezeichnet sind, in zwei Lagen über, die in keiner der vier Beziehungen (la) bis (2b) zueinander stehen. Mithin können auch die Fe2-Komplexe und die 03-Komplexe keine Struktur- schiebung vollziehen. Fassen wir aber schließlich einen Fe2-Komplex und einen 03-Komplex zusammen wie z. B. in Fig. 1 No. 3, 4 und No. ft, 6, 7, so erhalten wir Fe2 03-Gruppen, deren Schwerpunkte lediglich in den 8 Ecken und den 6 Flächenzentren des Parallelepipedons 77' liegen (Fig. 2) und daher alle vier Gleichungen (la) bis (2b) zugleich erfüllen. Diese Gruppen Fe2 03 formieren ein einzelnes Gitter mit dem primitiven Khomboeder {TU}; die in seinen 8 Ecken gelegenen Fe2 03-Schwerpunkte sind in Fig. 4 durch leere Kreise markiert (der volle Kreis hat hierbei keine Bedeutung); die Gitterkonstanten sind, wie Fig. 4 besagt, a = 4,31 X 10~2 * * * * * 8 cm, ^ « = 55° 16' bezw. ^ A= 111° 17', während man für den analogen Korund a = 4,03 X 10~8 cm, a = 55° 22' bezw. 3; A = 111° 15' findet. 2. Die Schiebung nach den Flächen des positiven Grundrhomboeders (Fig. 3). Wir konstruieren unser Parallelepipedon 77', wobei wir kj = st = [0 .1.1] in die X-Achse ( a dunkelgrün (bis bläulich oder hellbräunlich oder bräunlichgrün) grünlichgelb. Auslöschungen bis 20° wurden beobachtet. Centralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 31 482 H. A. Brouwer, Biotit kommt nur in geringer Menge vor in diesen Gesteinen r und einige kleine Kristalle, deren bestimmbare Eigenschaften mit denen von Orthit übereinstimmen, wurden beobachtet. Die zum Teil verkieselten mergeligen Gesteine. Diese Gesteine zeigen makroskopisch oft eine gelbliche Farbe,, die von mikroskopisch nachweisbarem, oft in großer Menge an- wesendem Epidot herrührt. Es wurden einige Gesteine der härteren r ausgewitterten Schichten mikroskopisch untersucht, die meisten sind reich an Calcit und enthalten daneben mehr oder weniger Epidot, Quarz und bisweilen in ziemlich großer Menge sehr kleine idiomorphe Kriställchen von Eisenerz. Der Quarz und der, auch mikroskopisch gelbliche, Epidot sind oft zusammen angehäuft, und kleine Hohlräume in den Gesteinen sind ganz mit diesen Mineralien ausgefüllt. In einigen der untersuchten Gesteine war das Epidot- Quarzgemenge nur mit starker Vergrößerung in der Calcitmasse' wahrnehmbar. Die schon oben erwähnten hellgefärbten, rundlichen oder ellip- tischen Durchschnitte, die in diesen Gesteinen Vorkommen, bestehen aus einem Calcitkristall, der oft die polysynthetischen Zwillings- lamellen nach zwei Richtungen zeigt. Die metamorphen Kalksteine. Makroskopisch sind diese Gesteine den kontaktmetamorphem Kalksteinen mit Granat und Vesuvian in der Nähe von Kota Tua, die in der vorigen Mitteilung I beschrieben wurden, sehr ähnlich. Die ganz in der Nähe der Granite gesammelten Gesteine be- stehen aus Silikaten und Quarz, denen nur sehr wenig Calcit bei- gemengt ist. An der Zusammensetzuzg der Gesteine beteiligen •sich: Granat und Vesuvian (zum Teil in großen Kristallen), Augit,. Quarz und Calcit. Der Granat ist mikroskopisch farblos und zeigt nur ausnahms- weise wenig deutliche optische Anomalien. Sehr zahlreich sind din Einschlüsse von Augit und Quarz, auch Calcit kommt eingeschlossen: vor. Der Augit bildet hauptsächlich rundliche Körner, idiomorphe Begrenzung in Schnitten senkrecht zur vertikalen Achse kommt vor, und ausnahmsweise wurden auch mehr verlängerte Schnitte mit deutlicher Spaltung und großer Auslöschungsschiefe wahrge- nommen. Der Quarz und der Calcit zeigen meistens eine unregel- mäßige Begrenzung. Infolge der zahlreichen Einschlüsse und des isotropen Charakters fällt die Form des Granats, besonders wenn mehrere Kristalle aneinanderstoßen, nur wenig auf. Der doppelbrechende und mikroskopisch farblose Vesuvian zeigt bisweilen eine Neigung zu idiomorpher Ausbildung in der Prismen- zone, meist ist er aber ziemlich unregelmäßig begrenzt. Auch der Vesuvian enthält zahlreiche Einschlüsse von derselben Art wie der Studien über Kontaktmetamorphose in Niederl.-Ostindien. 483 Granat. Verwachsungen von Granat und Vesuvian kommen vor, es wurde z. B. beobachtet, daß zahlreiche isolierte und gleichzeitig auslöschende Teile eines und desselben Vesuviankristalls ganz von einem Granatkristall umschlossen sind. Die übrigen Gemengteile des Gesteins kommen nur in kleinen Kristallen vor, und ein erheblicher Teil dieser Gemengteile wird von den großen, oft aneinanderstoßenden Granat- und Vesuvian- kristallen umschlossen. Der Augit ist mikroskopisch farblos, der Calcit füllt auch Äderchen aus, die das Gestein durchsetzen. Am direkten Kontakt des Granits und der oben beschriebenen metamorphen Gesteine wurde wahrgenommen, daß auch Mikroklin, mit denselben Eigenschaften wie der Mikroklin der Granite, neben Quarz in den kontaktmetamorphen Silikatgesteinen vorkommt. Ob- wohl der Übergang in unveränderte oder silikatarme Kalksteine in größerer Entfernung vom Kontakte nicht wahrgenommen wurde, beweist doch die große Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei be- nachbarten Granit-Kalkstein-Kontakten, daß auch die hier beschrie- benen Kontaktgesteine aus ursprünglichem Kalkstein hervorgegangem sind. Wie schon in meiner vorigen Mitteilung bei der Beschreibung- der Kontaktgesteine westlich von Kota Tua erwähnt wurde, be- trachten wir auch bei Pamusian die Silikatgesteine als entstanden durch eine Stoffzufuhr aus den angrenzenden intrusiven Graniten. Die Hornfelse. Unter diesem Namen sind verschiedene Gesteine zusammen- gefaßt, die wohl zum Teil aus tonigen, zum Teil aus kieselreichen, zum Teil aus ziemlich kalkreichen Gesteinen hervorgegangen sind. Manche Gesteine sind den von Verbeek als „Kieselschiefer“ er- wähnten metamorphen carbonischen Schiefer des Sibumbungebirges 1 sehr ähnlich. Die Hornfelse an der rechten Uferwand sind dunkel- graue feinkristalline Gesteine, die mikroskopisch untereinander ge- wisse Unterschiede in der mineralogischen Zusammensetzung zeigen. Die Gesteine zeigen eine typische Hornfelsstruktur und sind in der Nähe des Kontaktes sehr reich an rotbraunem Biotit und Feld- spat neben Quarz. Museo vit kommt nur sehr spärlich in diesen Gesteinen vor, weiter vom Kontakt nimmt der Muscovitgehalt zu, während der Biotit- und Feldspatgehalt abnimmt. Auch scheint der Gehalt an kleinen Erzkriställchen in der Nähe des Kontaktes geringer zu sein als in etwas größerer Entfernung. Brauner Tur- malin kommt, obwohl nicht in sehr großer Menge, in den Horn- felsen vor. Nur eines der untersuchten Gesteine, das etwa 1 m vom Kontakt mit den Graniten entfernt geschlagen wurde, enthält in großer Menge ein Skapolithmineral. 1 R. D. M. Verbeek, 1. c. p. 242. 31* 484 H. A. Brouwer, Die untersuchten Gesteine am direkten Kontakt mit den Graniten enthalten Quarz, Orthoklas und Mikroklin, Plagioklas, rotbraunen Biotit und etwas Eisenerz. Muscovit und Turmalin wurden nur in geringer Menge und in einigen der untersuchten Proben gar nicht wahrgenommen. Die Schieferstruktur des ur- sprünglichen Gesteins ist oft durch die parallele Lagerung der Biotitblättchen deutlich erhalten geblieben. Die Feldspate sind in großer Menge neben Quarz anwesend, die verzwillingten zeigen oft die mehr oder weniger deutliche Gitterstruktur des Mikroklins, oft nur die polysynthetische Zwillingsbildung mit den geringen Auslöschungsschiefen der sauren Plagioklase. Bald sind diese Feld- spate unverwittert und einschlußfrei, bald sind sie, besonders die Plagioklase, stark getrübt, wie auch schon bei denen der an- grenzenden Granite erwähnt wurde. Diese getrübten Plagioklase wurden örtlich wahrgenommen am direkten Kontakt mit den Gra- niten, wo das Kontaktgestein auch ärmer war an Biotit, weiter vom Kontakt im selben Dünnschliff war der Biotitgehalt größer und getrübte Feldspate wurden nicht mehr wahrgenommen. Der Biotit zeigt rotbraune, der Turmalin braune, bisweilen etwas bläuliche Farben, so daß das letzte Mineral, wenn es vor- kommt, schon sofort durch seine Farbe unterschieden werden kann. In Gesteinen, die in einer Entfernung von 30 bis 40 cm vom Kontakt gesammelt wurden, kommen dieselben Gemengteile wie in den oben beschriebenen vor. Die Feldspate sind wieder zum Teil polysynthetisch verzwillingt und zum Teil getrübt. An Turmalinkristallen, die in der Prismenzone zum Teil idiomorph ausgebildet sind, wurde ein Wechsel der Farbe von braun nach bläulich im selben Kristall wahrgenommen, die blauen Farben sind dabei hauptsächlich auf die randlichen Partien der Kristalle beschränkt. In einem Gestein, das in einer Entfernung von einem Meter vom Kontakt gesammelt wurde, kommt neben Biotit schon ziemlich viel Muscovit vor, während das Gestein sehr reich ist an einem Skapolithmineral, das in den übrigen Gesteinen nicht angetroffen wurde. Anderseits scheinen die Feldspate in diesem Gestein nicht oder nur in geringer Menge vorzukommen. Erz- kriställclien sind ziemlich häufig. Das Skapolithmineral bildet große Kristalle, die nicht idiomorph ausgebildet sind und zahlreiche andere Mineralien des Gesteins, besonders Quarz, aber auch Biotit und Erz umschließen. Die Doppelbrechung ist stärker als\die des Quarzes mit wreißer bis sehr schwach gelblicher Polarisatibnsfarbe. Die Brechungsexponenten sind höher als die des Quarzes, aber nied- riger als die des Biotits und des Muscovits. Eine ziemlich gute Spaltbarkeit parallel zur Längsachse ist oft im Schliff wahrnehmbar, die Schnitte zeigen gerade Auslöschung, und die Achse der größten Elastizität ist parallel zu den Spaltrissen. In Schnitten senkrecht Studien über Kontaktmetamorphose in Niederl. -Ostindien. 485 zur vertikalen Achse wurde ein sich nur wenig öffnendes Kreuz wahrgenommen, andere Schnitte zeigen ein sich nicht öffnendes Kreuz ; der optische Charakter ist negativ. Die erwähnten Eigen- schaften weisen auf ein, optische Anomalien zeigendes, Mineral der Skapolithgruppe hin. Der nur in geringer Menge vorkommende Turmalin ist durch seine braune Farbe leicht vom rotbraunen Biotit zu unterscheiden. Er bildet auch größere Kristalle mit skelettartiger Ausbildung, die, wie die Skapolithe, zahlreiche andere Bestandteile des Gesteins umschließen. DieHornfelse an der linken Uferwand haben NNW- Streichen und fallen mit 60° bis 65° nach ONO (vgl. Fig. 1) in der Richtung der angrenzenden Granite. Sie haben ein gestreiftes Aussehen und sind dicht bis feinkristallin. Bänder mit heller und dunkler grauen, auch grünlichen Farben wechseln miteinander ab. Zahlreiche Hornfelse, in verschiedener Entfernung vom Kontakt, wurden mikroskopisch untersucht mit dem folgenden Resultat: Gesteine vom direkten Kontakt mit den Graniten bestehen hauptsächlich aus einem Quarzgemenge mit wenig Plagioklas und wenig farblosen bis sehr hellgrünlichen Amphibolsäulchen. Sie enthalten viel von einer bräunlichgelben, eisenreichen Substanz, während auch unverwittertes Erz vorkommt. Zoisit ist vorhanden und kommt sehr reichlich vor in Bändern, die haupt- sächlich aus diesem Mineral mit wenig Quarz bestehen. Gebänderte Gesteine in etwas größerer Entfernung vom Kon- takt (etwa \ m) enthalten dünne Schichten, die ganz aus mehr oder weniger fächerförmigen Aggregaten von einem schwach doppel- brechenden und ziemlich stark lichtbrechenden Mineral bestehen. Das Mineral ist deutlich zweiachsig und optisch positiv mit ziemlich kleinem Achsen winkel, beide Achsen sind noch am Rande des Gesichtsfeldes zu sehen. Die Doppelbrechung ß—a ist. sehr gering, Schnitte mit senkrechtem Austritt von c ergeben eine sehr niedere Interferenzfarbe, und auch y — a hat nur einen sehr mäßigen Wert. Die Lichtbrechung ist höher als die vom Canadabalsam, anderer- seits aber geringer als die einiger Epidot- und Zoisitkörner, die im Mineral eingeschlossen Vorkommen. Die Auslöschung ist in bezug auf die deutlichen Spaltrisse in der Längsrichtung immer gerade oder höchstens sehr wenig schief. Die optische Achsenebene steht senkrecht zur Längsrichtung. Andere dünne Schichten in derselben Gest^insprobe bestehen aus Quarz mit wenig, grünlichem oder braunem, Biotit und wenig eisenreichen Verwitterungsprodukten. Ein Gestein, das in einer Entfernung von f m vom Kontakt gesammelt wurde, enthält dünne Schichten, die neben Quarz und wenig, zum Teil polysynthetisch verzwillingtem, Feldspat viel grün- liche Amphibolsäulchen und wenig Biotit enthalten. Der Amphibol- gehalt ist wechselnd; mit dem Quarz kommt in sehr feinkörnigem 486 H. A. Brouwer, Studien über Kontaktmetamorphose etc. Gemenge einiger Schichten in großer Menge ein farbloses, schwächer lichtbrechendes albitähnliches Mineral vor, in dem ausnahmsweise noch Spaltrisse sichtbar sind, polysynthetische Zwillinge wurden aber in diesen sehr kleinen Körnern nicht wahrgenommen. Andere Schichten bestehen fast nur aus Quarz und wenig Feldspat mit Zoisit, noch andere aus Quarz (und Feldspat) mit viel schwarzen Erzkörnchen und deren bräunlichen Verwitterungsprodukten und etwas Zoisit. In größerer Entfernung vom Kontakt wurden, auß'er den oben genannten ähnlichen, noch Gesteinsproben gesammelt, die neben Quarz und wenig, zum Teil polysynthetisch verzwillingtem, Feld- spat viel Calcit und viel Augit mit etwas Zoisit und Erzkörnchen enthalten. Biotitreiche feinkristalline Hornfelse kommen vor. Diese Gesteine enthalten neben Quarz und weniger polysynthetisch ver- zwillingtem Feldspat mit symmetrischen Auslöschungen bis 18° auch viel farblosen Glimmer und wenig Turmalin, bisweilen kommt auch Chlorit vor. Derartige Gesteine wurden gesammelt in Ent- fernungen von 7 m und 9| m vom Kontakt. Dünne, mit einem grobkristallinen Mineralgemenge gefüllte Äderchen wurden beobachtet 8| m vom Kontakt. Sie kommen vor in feinkristallinem Hornfels mit Quarz, wenig Plagioklas, Biotit, Muscovit, Chlorit, und enthalten neben Quarz sehr viel, einige Millimeter große, Kristalle von farblosem Glimmer, die zum Teil radialstrahlig angeordnet sind, und hellgrünem Chlorit. In früheren Mitteilungen 1 haben wir pneumatolytische Kontakt- höfe von Sumatra beschrieben, in denen für die umgewandelten Sedimente eine starke stoffliche Änderung bezeichnend ist. Der- artige Gesteine kommen unter den hier beschriebenen Kontakt- gebilden von Pamusian nicht vor. Bei der Bildung der feldspathaltigen Hornfelse an der rechten Uferwand des Sinamar kann eine Stoffzufuhr aus dem granitischen Magma stattgefunden haben, und die sehr silikatreichen meta- morphen Kalksteine am Kontakt mit amphibolreichen Graniten an der linken Uferwand weisen auf endomorphe und exomorphe Meta- morphose hin. Die Kontaktfläche zwischen Granit und metamor- phen Sedimenten ist immer scharf ausgebildet und nennenswerte Veränderungen der Struktur der Granite in der Nähe des Kontaktes wurden nicht beobachtet. 1 H. A. Brouwer, Über einen Granitkontakthof in Mittel-Sumatra, Geol. Rundschau. V. 1915. p. 551; Pneumatolytic hornfels from the hill countries of Siak (Sumatra). Proceed. Kon. Akad. v. Wet. Amsterdam. 18. p. 584. W. Bergt, Die Stellung der Gabbroamphibolite etc. 487 Die Stellung der Gabbroamphibolite des sächsischen Granulit- gebirges im System der Eruptivgesteine. Yon W. Bergt in Leipzig. In seiner Arbeit „Die Gruppe des Flasergabbros im sächsischen Mittelgebirge“1 kommt Johannes Uhlig nach eingehendem mikro- skopischem Studium der Gesteine zu der Überzeugung, „daß sich dieselben, resp. der größte Teil ihrer Masse, bei der Ausbildung ihrer eigentümlichen Strukturverhältnisse nn flüssigen Zustand be- funden haben müssen, so daß also die Foliation, die Mosaikbildungen der verschiedenen Gemengteile, sowie die Druckerscheinungen an den Mineralindividuen nicht durch Druckvorgänge am festen Gestein erklärt werden können, sondern auf Pressungen und Bewegungen innerhalb eines noch liquiden Magmas zurückgeführt werden müssen . Und nach Betrachtung der chemischen Zusammensetzung der •Gabbros einerseits und der zugehörigen Amphibolite (Gabbro- amphibolite) andererseits ergibt sich ihm die weitere bemerkens- werte und wichtige Tatsache: „Man erkennt nämlich, daß bei etwa gleichem Si02-Gehalt der Al203-Anteil m den Amphiboliten beträchtlich geringer, der Gehalt an Oxyden mit zweiwertigen Metallen aber höher ist als in den Gabbros, wahrend die Alkalien etwa gleich sind. Dieses Resultat spricht nun ebenfalls mit aller Entschiedenheit dagegen, daß die Amphibolite durch irgend eine Metamorphose aus den Gabbros hervorgegangen sind . Nach weiteren, diese chemischen Verhältnisse ausfuhrenden Bemerkungen läßt Uhlig seine Darstellung in der Auffassung gipfeln: „Auf Grund der vorstehenden Tatsachen kann kaum ein Zweifel bestehen, daß man es hier mit magmatischen Spaltungs- vorgängen, die mit den Druckerscheinungen in Verbindung stelieu, nicht mit sekundärem Hervorgehen des einen Materials aus dem anderen zu tun hat. Besonders hervorgehoben sei aber nochmals, daß die zwischen den eigentlichen Gabbros und den Amphiboliten der Flasergabbrogruppe sich geltend machenden chemischen Unter- schiede sich innerhalb der für Gabbrogesteine charakteristischen Verhältnisse bewegen“. Ich stimme den Ausführungen Uhlig’s vollständig zu. Aber mir scheint, ihnen fehlt die letzte Folgerung, der krönende Schluß, die Aussage darüber, in welchem geologischen Verhältnis die Amphibolite zu den Gabbros stehen. Nach meiner Auffassung sind diese Amphibolite die zum Gabbro gehörigen Gang- und S clilierengesteine, sind Diorit- und Gabbroaplite, dioritische und gabbroide Gang- und Schlierengesteine, die in den allermeisten Ge- 1 J. Uhlig, Zeitschr. Deutsch. Geol. Ges. 59. 1907. 1—48. 468 W. Bergt, bieten des ehemaligen „kristallinen Grundgebirges“ die grobkörnigen Gabbros, die typische Tiefengesteinsausbildung, so massenhaft begleiten, häufig förmlich einwickeln. Daß die Gang- und Schlierennatur dieser feinkörnigen bis dichten Gesteine so wenig deutlich oder gar nicht mehr erkennbar ist, liegt in den sattsam bekannten, so überaus schwierig zu deutenden geologischen Verhältnissen dieser Körper altkristalliner Gesteine. Wenn wir mit den Metamorphikern diese geologisch und ge- netisch sp schwer zu deutenden Verhältnisse für das Erzeugnis einer Druckmetamorphose an den bereits erstarrten Eruptivmassen halten, dann ist die ehemals deutlicher vorhanden gewesene Gang- und Schlierenform dieser Amphibolite eben durch die Druckmeta- morphose verwischt, vernichtet worden. Wenn wir dagegen die jetzige Beschaffenheit der Gesteine dieser Flasergabbrogruppe und ihren geologischen Verband für eine ursprüngliche Erstarrungserscheinung anselien, dann sind die gleichen, bei der Erstarrung wirksamen Kräfte, welche diese merk- würdigen, so verschieden deutbaren und auch verschieden aus- gelegten Verhältnisse schufen, nämlich Fluß, Bewegung und richten- der Druck bei der Erstarrung, auch verantwortlich zu machen für die Verwischung, Vernichtung der Gang- und Schlierenform dieser Amphibolite. Wer den inneren Aufbau z. B. des westerzgebirgischen Eiben- stocker Turmalingranitmassivs1 studiert, in dem Parallel- und Flaserstrukturen, primäre wie sekundäre, so gut wie ganz fehlen,, mindestens eine ganz verschwindende Bolle spielen, der erkennt,, daß schon hier bei ganz normaler, nicht durch nachträgliche Meta- morphose gestörter Ausbildung das wahre Verhältnis der Gang- und Schlierengranite zum Hauptgranit sehr häufig und vielerorts schwer zu beobachten und schwierig zu deuten ist. Wie viel mehr muß das der Fall sein in einem Eruptivmassiv, das von Parallel- und Flaserstrukturen beherrscht wird, in dem starke Kräfte, Bewegung und Fluß nebst richtendem Druck bei der Erstarrung (oder nachträglich einsetzende Metamorphose) die normale Ausbildung gewaltig gestört haben. Die Gabbroamphibolite sind teils dioritische, teils gabbroide Gang- und Schlierengesteine, die den di ori tischen — dem Malchit, Luciit, Orbit — und gabbroiden Apliten, dem Beerbachit, entsprechen. In gleicher Weise sind die Pyr oxengr anulit e apli tische Ganggesteine, die der Eruptivreihe: Hypersth engran it- aplit — Hypersthendioritaplit — Noritaplit (teils auch Beerbachit) an geh Ören. 1 Vcrgl. bes. M. Schröder, Erläuterung zu Blatt Eibenstock. 145. 1884. Die Stellung der Gabbroamphibolite etc. 489 Die chemische Zusammensetzung der wenigen, bisher analy- sierten sächsischen Gabbroamphibolite zeigt diese magmatische Verwandtschaft mit genügender Deutlichkeit, wenn auch deren mineralische Zusammensetzung von der der angezogenen Aplite hier und da abweichen mag. Diese Abweichung in der mineralischen Zusammensetzung ist auf Rechnung der Erstarrung unter nicht- normalen Verhältnissen (oder, wenn man will, auf Rechnung der Metamorphose) zu setzen. Chemische Formeln nach Osann. 1. Gabbros des sächsischen Granulitgebirges. 8 1 a f 54,90 1,5 6,0 12,5 Gabbro, Mahlitzsch bei Roßwein. 52,61 0,5 6,5 13,0 Hypersthenit, Höllmühle bei Penig. 51,02 1,0 4,0 15,0 Grobk. Gabbro, „ „ y> 49,80 2,5 4,5 13,0 Flasergabbro, Vierlinden bei Roßwein. 49,52 2,0 4,5 13,5 » ?) „ „ 49,27 2,0 4,5 13,5 7) 7) 7) » 2. Dichter Gabbro und Gabbroamphibolit des sächsischen Granulitgebirges nebst magmenverwandten Diorit- und Gabbroapliten. s a c f 53,70 2,0 4,0 14,0 Dichter Gangdiorit, Oberramstadt, Odenwald. 52,99 1,5 2,5 j 16,0 Dichter Gabbro, Böhrigen bei Roßwein, Sa. 51,44 2,0 3,0 15,0 (Beerbachit (Mikrogabbro), Almasel, südöstl. \ Ungarn. 51,91 1,5 2,5 16,0 Malchitähnl. Gestein, Student, Böhmen. 52,42 2,0 2,5 15,5 Malchit, Schloßmühle gegenüber Dohna, Sa. 51,67 1,5 4,5 14,0 j Gabbroamphibolit, porphyrartig, Grumbach \ bei Mittweida, Sa. 50,07 1,0 4,5 14,5 Beerbachit, Monhegan-Insel, Maine, N.-Am. 50,03 1,0 2,0 17,0 1 Dichter, schwarzer Gabbroamphibolit, Harten- \ berg bei Roßwein, Sa. 48,89 1,0 4,0 15,0 Malchit, Monhegan-Insel, Maine, N.-Am. 49,70 1,5 2,5 16,0 Gabbroamphibolit, Vierlinden bei Roßwein, Sa. 47,20 1,0 1,5 17,5 f „ Hohlweg bei Etzdorf, Sa.. \ Mittel aus 2 Anal. 46,69 1,5 1,5 17,0 Beerbachit, Berg Tilai, Ural. 490 M. Rözsa, Über die Entstehung des Südharzer anhydritischen Sylvin-Halits. Von M. Rözsa in Budapest. Der primäre Ursprung des Hauptsalzes (kieseritisclier Halit- Carnallit, Kieserit %~ Die Umwandlung des kieseritlialtigen Hauptsalzes und Hart- salzes zu anhydritischem Sylvin-Halit erfolgte infolge der Ein- wirkung chlorcalciumhaltiger Laugen, wobei der Kieserit teilweise oder ganz in Anhydrit umgewandelt wurde1 2 3: Mg S 04 + Ca 012 >- Ca S 04 + Mg Cl2. Die eventuell vorhanden gewesenen tachhydritischen Zwischenprodukte des Hauptsalzes sind gänzlich verschwunden, da der anhydritische Sylvin-Halit, wie dies auch die stellenweise poly- halitischen Umkrustungen des Anhydrits beweisen, mehrfach durch* gelaugt wurde. Die Möglichkeit der Einwirkung chlorcalciumhaltiger Laugen beweist nicht nur das sonst häufige Auftreten des Tachhydrits in den Kalisalzlagern, sondern auch der Umstand, daß die in den Salztonen anhaftenden Laugenteile häufig Chlorcalcium enthalten. Außer dem Vorkommen in der ursprünglich vorhanden gewesenen 1 M. Rözsa, Daten zur Kenntnis des organischen Aufbaues der Kali- salzablagerungen. Kali. 1913. 506. 3 Földtani Közlöny. 1915. 306. — Im jüngeren Zechsteinsalzlager, bezw. in den entsprechenden Laugengemischen des Eintrocknungsvorganges, führte dieser Umwandlungsvorgang, ähnlich den Elsässer Ablagerungen (Zeitschr. anorg. Chem. 93. 137), stellenweise zur vollständigen Verdrängung der Kieseri tausscheid ung. 492 E. Lange, Endlauge könnte die Entstehung derselben sowohl durch die Ein- wirkung von Chlormagnesialaugen auf Calciumcarbonat, als auch in Verbindung mit der Zerlegung des im Tone anwesenden Calcium- Aluminium silikats erklärt werden. Im Lager des anhydritischen Sylvinhalits tritt stellenweise der Sylvingehalt vollständig zurück und stellt sich erst in gewissen Entfernungen wieder ein. Ähnliche Vertaubungen können be- reits in den Hauptsalzlagern festgestellt werden, und zwar haupt- sächlich in jenen zusammengeschrumpften Schichtkomplexen, wo der Carnallit seitlich abgepreßt wurde. Nach der sekundären Um- wandlung des Hauptsalzes zu Hartsalz, bezw. des Carnallits zu Sylvin, treten nun in diesen Teilen des entstandenen Hartsalzlagers Vertaubungen an Sylvin auf. Der Umstand, daß die Umwandlung des Kieserits zu Anhydrit auch in den tauben Teilen des Südharzer anhydritischen Sylvin-Halits stattfand, läßt ferner mit Sicherheit erkennen, daß die chlorcalciumhaltigen Laugen auch diese Lagern teile durchlaugten. Es haben demnach bei diesen Vertaubungen sowohl rein dynamische Auspressungsvorgänge, als auch chemische Lösungs- und Umwandlungsvorgänge mitgewirkt. An manchen Stellen der Südharzlager wurde der anhydritische Sylvin-Halit, in Verbindung mit den nachträglich stattgefundenen Zersetzungsvorgängen benachbarter Carnallitgesteine und je nach den statischen Druckverhältnissen der zirkulierenden Laugen, in anhydritischen Caruallit-Halit und in anhydritischen Halit- Carnallit (in den sylvinreicheren Lagerteilen) umgewandelt : + Chlormagn. An hydriti scher Sylvin-Halit - > Anhydr. Carnallit-Halit Anliydr. Halit-Carnallit. Im Werke Bleicherode, in der Grundstreckenfirste, östlich Vom 3. westlichen Querschlag, konnte ich den Übergang vom an- hydritischen Sylvin-Halit in anhydritischen Carnallit-Halit besonders deutlich wahrnehmen. Infolge unvollständiger Umwandlung ist demselben auch etwas Sylvin beigemengt. Trigonia Smeei Sowerby und ihre horizontale Verbreitung. Von Erich Lange. Trigonia Smeei Sow. ist zum ersten Male von Sowekby 1 im Jahre 1840 aus den Umia-beds der vorderindischen Insel Cutch beschrieben worden. Erst nach einem Zeitraum von 60 Jahren wurde diese interessante Art wieder in der beschreibenden Literatur 1 Sowerby, A notice respecting some fossils collected in Cutch by (’aptain W. Smf.e. Trans. Geol. Soc. London. 1840. Ser. 2. 5. p. 715. Taf. 61 Fig. 5. Trigonia Smeei Sowerby und ihre horizontale Verbreitung. 493 erwähnt, und zwar durch Kitchin’s 1 vorzügliche Monographie der Trigonien Indiens. Die genaue Beschreibung Kitchin’s und mehrere gute Abbildungen vervollständigten das Bild der Spezies, und außer- dem wird in Tr. crassa Kitchin1 2 eine neue Spezies beschrieben, die aufs nächste mit der Tr. Smeei Sow. verwandt ist und mit ihr zu einer Formengruppe gehört. Außerhalb Indiens wurde Tr. Smeei Sow. zum erstenmal in größerer Menge von der Tendaguru-Expedition in Deutsch-Ostafrika im Hinterlande von Lindi aufgefunden. Es gelang mir3, an dem äußerst reichhaltigen, von der Expedition nach Berlin gebrachten Material die Identität zwischen der ostafrikanischen bisher als Tr. Beyschlagi Müll.4 beschriebenen Art und der indischen Tr. Smeei Sow. festzustellen. Ebenso ergaben die Untersuchungen, daß der Tr. crassa Kitch. nur der Wert einer Variation der Tr. Smeei Sow. zuerkannt werden kann, da beide Spezies in Deutsch-Ostafrika durch Über- gangsformen verbunden werden. Ein sonstiges Vorkommen der Tr. Smeei Sow. außerhalb Vorderindiens oder Deutsch-Ostafrikas ist mir nicht bekannt. Nun beschreibt neuerdings E. Jaworski5 in „Beiträgen zur Kenntnis des Jura in Südamerika“ eine einzige isolierte linke Klappe einer Trigonia mit der Fundortsbezeichnung: „Piedra pintada bei Neuquen, Südargentinien“. Der Autor bildet auf Grund dieses Materials eine neue Art, der er den Namen Tr. Burkhardti Jaw. gibt. Auf p. 381 an dem zitierten Orte schreibt Jaworski: „Eine Form, die zu Tr. Burkhardti nahe Beziehungen zeigt, also im wesent- lichen konzentrisch verlaufende, starke, auf dem Vorderteil gegabelte Kippen mit querberippter Area und nach hinten ausgezogener Form vereinigt, ist nicht bekannt“. Da nun diese hier angeführten Arteigentümlichkeiten auch im großen und ganzen die der Tr. Smeei Sow. sind, so dürfte ein Vergleich der beiden Arten recht 1 F. L. Kitchin, The Jurassic Fauna of Cutch. 3. Part 2. Lamelli- branchiata No. 1. Genus Trigonia. Palaeont. Indica. Ser. 9. Calcutta 1903. p. 40. Taf. 3-4. 2 F. L. Kitchin, 1. c. p. 44. Taf. 4. 3 E. Lange, Die Brachiopoden, Lamellibranchiaten und Anneliden der Trigonia Scliwarzi-Sohiofot nebst vergleichender Übersicht über die Trigonien der gesamten Tendaguruschichten. Archiv für Biontologie. 3. Heft 4. 1914. p. 225. 4 G. Müller, Versteinerungen des Jura und der Kreide, in Born- hard : Zur Oberflächengestaltung und Geologie von Deutsch-Ostafrika. Berlin. 1900. p. 543. Taf. 19. — E. Krenkkl, Die untere Kreide von Deutsch-Ostafrika. Beiträge zur Pal. u. Geol. Österreich-Ungarns und des Orients. 23. 1910. p. 209. Taf. 20. 5 E. Jaworski, Beiträge zur Kenntnis des Jura in Südamerika. Teil 2. Spezieller paläontologischer Teil. N. Jahrb. f. Min. etc. Neue Folge. Beil.-Bd. XL. p. 380. 1916. 494 E. Lange, lohnend sein. Ein Versuch, die von Jaworski abgebildete Klappe mit Tr. Smeei Sow. identifizieren zu wollen, kann zu keinem be- friedigenden Ergebnis führen. Denn nach den Erfahrungen, die ich an dem weit über 100 Exemplare betragenden Material des Museums für Naturkunde in Berlin machte, kann die Tr. Smeei Sow. infolge ihrer stark variationsfähigen Oberfläche, die bei jedem Tier individuelle Eigenschaften aufweist, nur nach dem Bau des Schlosses einwandfrei identifiziert werden. Gerade aber das Schloß ist von Tr. JBurldtardti Jaw. nicht bekannt. In« dem äußeren Schalenbau der von Jaworski abgebildeten Trigonia scheint mir jedenfalls kein prinzipieller Unterschied zu den ostafrikanischen Exemplaren der Tr. Smeei Sow. zu bestehen. Die Abbildung zeigt zwar eine stärkere Berippung der Area, als sie an den von mir veröffentlichten Abbildungen 1 zu sehen ist. Hierbei ist aber der Erhaltungszustand der afrikanischen Exemplare in Betracht zu ziehen, der der Erhaltung feiner Skulpturen auf der Oberfläche ungünstig war. Die Trigonien finden sich in ein recht grobkörniges Konglomerat eingebettet, und alle Schalen zeigen Spuren von Abrollung, die sie vielleicht schon zu Lebzeiten des Tieres, aber sicher kurz nach seinem Absterben erhielten. Durch den Fossilationsprozeß wurden die Schalen in kristallinen Kalkspat umgewandelt. Auch dieser Prozeß war der Erhaltung der Schalen- verzierungen nicht günstig. Nun scheint mir ferner Jaworski’s Abbildung recht stark retuschiert zu sein, so daß dadurch vielleicht die Verzierung der Area deutlicher und klarer hervorgehoben wird, als dies tatsächlich der Fall ist. Immerhin liegen Exemplare der Tr. Smeei Sow., die gleiche, wenn auch etwas schwächere Be- rippung der Area zeigen, unter dem Material der Tendaguru- Expedition vor. Was aber geradezu in aufdringlicher Weise für eine nahe Verwandtschaft der Tr. Smeei Sow. und der Tr. JBurldiardti Jaw. spricht, ist die Art der Berippung. Zwar gibt Jaworski an, daß seine neue Art auf dem Vorderteil gegabelte Kippen besitze; aber eine genaue Betrachtung zeigt, daß diese Rückengabelung in der Jugend nicht vorhanden ist und erst bei dem Größerwerden der Schale als eine eigenartige dekadente Erscheinung auftritt. Auch in der Nähe des Unterrandes der Schale läßt sich die gleiche eigenartige Erscheinung feststellen, indem die Rippen nicht mehr gleichmäßig über die Schale verlaufen, sondern in unregelmäßiger Weise unterbrochen werden, dadurch, daß sich die Rippen plötzlich auskeilen und nach einem Zwischenraum etwas oberhalb oder unterhalb der vorigen Lage von neuem beginnen. Gerade diese dekadenten Erscheinungen habe ich an der Tr. Smeei Sow. studiert und gefunden, daß zwar die Erscheinung als solche eine Eigenart 1 E. Lange, 1. c. Taf. 20 — 21. Trigonia Smeei Sowerby und ihre horizontale Verbreitung. 495 der Spezies ist, daß dagegen die durch dieselbe auf der Oberfläche der Schale des einzelnen Tieres hervorgerufenen Unregelmäßigkeiten nur den Wert von individuellen Erscheinungen haben. Ich zweifle nicht, daß ebenso auch die Gabelung der Kippen im Vorderteil der Schale der Tr. BurJchardU Jaw. nur als individuelle Eigenart zu bewerten ist. An vielen Exemplaren der Tr. Smeei Sow. lassen sich desgleichen auf dem Vorderteil der Schale im Altersstadium Gabelungen der Kippen beobachten. So weist gerade die Art der Berippung auf eine auffallend nahe Verwandtschaft der südameri- kanischen zu der indisch-afrikanischen Trigonia hin. Ich möchte durchaus nicht etwa behaupten, daß ich in Tr. BurMiardti Jaw. eine echte Tr. Smeei Sow. zu erblicken glaube. Lediglich darauf möchte ich hinweisen, daß zwischen den beiden Arten trotz ihrer räumlich so weit auseinanderliegenden Fund- punkte eine beachtenswerte Verwandtschaft zutage tritt, die beide- auf das engste miteinander verbindet. Erst eingehende Unter- suchungen an südamerikanischem Material und vor allem das Studium- des Schloßbaues werden zeigen, ob Tr. BurWiardti Jaw. eine eigene neue Spezies oder nur eine Spielart der Tr. Smeei Sow. ist. Wie schwer es ist, auf Grund geringen Materials Tr. Smeei Sow. zu bestimmen, ersieht man am besten aus dem Umstand, daß einzelne Exemplare als Trig. crassa Kit. und Tr. Beyschlagi Müll, be- schrieben worden sind. Kann an Hand eines reichlichen Materials und nicht nur auf Grund des Vergleichens von mehr oder weniger gut gelungenen Abbildungen die Beziehung der südamerikanischen zu der ost- afrikanischen Trigonia bekräftigt werden, so liegt uns in Tr. Smeei Sow. die erste tithonische Trigonia der indisch-afrikanischen Meeres- provinz vor, von der wir wissen, daß ihr nächster Verwandter an den Küsten des westlichen Südamerika lebte. Dies darf uns nicht weiter wundernehmen, da ähnliche faunistische Beziehungen zwischen afrikanisch-indischen und südamerikanischen Ablagerungen nichts Neues mehr sind. Die liassische Fauna Madagaskars 1 zeigt große Verwandtschaft zu der des Lias von Südamerika. Im gleichen Zeitalter finden sich auch sehr interessante Beziehungen zwischen, der Flora Südamerikas und Indiens 2. Im Neocom Ostafrikas und Südamerikas tritt Tr. transitoria Steinmann3 als gemeinsames Fossil auf. In beiden Gegenden und außerdem noch in der Uitenhago Series des Kaplandes finden wir Tr. conocardiiformis Krauss4. Als- 1 A. Thevenin, Paleontologie de Madagascar. Annales de Paleonto- logie. 1908. p. 38. 2 E. Jaworski, Beiträge zur Kenntnis des Jura in Südamerika. Teil 1. Allgemeiner Teil. N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XXXVII. p. 342. 1914. 3 E. Lange, 1. c. p. 237, 288, 289. 4 E. Lange, 1. c. p. 235, 275, 277, 285, 289. 496 W. Weiler, ein neues wichtiges Glied, das die Faunen des obersten Jura Ar- gentiniens mit denen Ostafrikas und Vorderindiens verbindet, kämen nun noch die Trigonien der Formengruppe der Tr. Smeei Sow. hinzu. Trotz ihrer weiten horizontalen Verbreitung scheint Tr. Smeei Sow. nur eine geringe vertikale Verbreitung zu besitzen. Sie gibt daher ein gutes Leitfossil für tithonische Schichten. Scheinbar wird der Wert der Tr. Smeei Sow. als tithonisches Leitfossil da- durch etwas eingeschränkt, daß von der Tendaguru-Expedition auch ein Stück mitgebracht wurde, das dem Horizont der Trigonia- Schwarzi- Schicht, also dem Neocom, entstammen soll. Da es vielleicht nicht ausgeschlossen ist, daß hier irgend ein Irrtum untergelaufen ist, so kann dieses vereinzelte Vorkommen der Tr. Smeei Sow. in höheren als tithonischen Schichten bisher vernachlässigt werden. Sicher ist jedenfalls das eine, daß Tr. Smeei Sow. in großen Massen und gesteinsbildend nach unserer bisherigen Kenntnis nur im Tithon auftritt. Vielleicht dürften deshalb auch die Trigonienlager, in denen sich die Tr. Burkhardti Jaw. fand, dem obersten Jura an- gehören. Jaworski, dem keine das Alter der Schichten charak- terisierende Fossilien zur Seite standen, gibt als Horizontbestim- mung für die Schichten mit Tr. Burkhardti Jaw. „Malm bis untere Kreide“ an1. Sollte eine Gleichalterigkeit der argentinischen mit den indischen Trigonienlagern der Umia-beds von Cutcli angenommen werden, so ist anzunehmen, daß ein Vergleich der beiderseitigen Trigonienfaunen noch manche andere interessante Beziehungen zu- tage fördern wird. Jedenfalls sollten bei einer neuen Bearbeitung von oberjurassischen Faunen Südamerikas, Indiens oder Afrikas diese wichtigen und interessanten Verwandtschaftsbeziehungen der verschiedenen Faunen zueinander in keinem Falle vernachlässigt werden. Gerade hierauf an Hand eines typischen Beispieles die Aufmerksamkeit zu erregen, war die Absicht dieser Zeilen. Basel, Geol.-Mineralog. Institut, Juni 1917. Über das Vorkommen von Mosbacher Sanden am Eingang ins Pfrimmtal bei Worms. Von Wilhelm Weiler (Worms). Mosbacher Sande sind bei Worms bis jetzt nur verworfen vorgefunden worden in einem Aufschluß bei Hochheim 2 (einem Vororte westlich der Stadt), südlich vom Bahnhof in der Ecke der 1 E. Jaworski, 1. c. Teil 2. p. 382. 2 a) A. Steuer, Bodenw. u. Diluvialabl. hess. Ried. Notizbl. Ver. Erdk. Darmstadt 1907. — b) Ders., Neuere u. ältere Aufschi, im rheinh. Diluv. Daselbst 1909. lieber das Vorkommen von Mosbacher Sanden etc. 497 Worms— Alzeyer und Ludwigshafener Balm 1 und durch Bohrung in der Werger’schen Brauerei 2. Wie die Untersuchungen Steuer’s lehren, fanden die Verwerfungen nach Ablagerung der Hochterrasse in der Rheinebene selbst in viel stärkerem Maße statt, als an ihrem Rande; denn während die Mosbacher Sande bei Hochheim mit ihrer oberen Kante noch 115 m hoch liegen (also nur 35 m tiefer als normal), blieb ein in der oben erwähnten Brauerei nieder- getriebenes Bohrloch erst in 200 m Tiefe in ihnen stecken. „Gegen den Aufschluß bei Hochheim [ist demnach] ein Höhenunterschied von 200- — 220 m . . . vorhanden“ 3. Die Kenntnis dieser staffelförmigen Verwerfungen wird nun noch dadurch ergänzt, daß es gelungen ist, die Mosbacher Terrasse in unmittelbarer Nähe der abgesunkenen Stufe bei Hochheim normal lagernd auf einem benachbarten Höhenzuge nachzu weisen. Die Gegend von Worms bietet also auf engem Raume einen schönen Einblick in die tektonischen Vorgänge, die sich während des Diluviums in Rheinhessen abgespielt haben, und aus diesem Grunde erscheint es auch der Mühe wert, den neuen Fund weiteren Kreisen mitzuteilen. — Geht man von Leiselheim, einem Dorfe westlich Worms, die Landstraße nach dem benachbarten Herrnsheim, so stehen die Sande kurz vor dem Wasserbehälter für die beiden erwähnten Gemeinden auf ungefähr 145 m Höhe rechts im Felde in einer kleinen Grube an. Der Höhenrücken, auf dem sie liegen, fällt südlich nach der Pfrimm zu ab , während er östlich bald in nördlicher Richtung umbiegt, um alsdann dem Rheine parallel zu verlaufen. An der Umbiegungsstelle erweitert sich dadurch das Pfrimmtal. In diesem geräumigen Abschnitt , dem ehemaligen Pfrimmdelta, liegt die Sandgrube von Hochheim, von der Leisel- heimer in südöstlicher Richtung nur 1700 m in der Luftlinie ent- fernt. Die Sande selbst sind fein, wohlgeschichtet und von der für die Mosbacher Stufe charakteristischen grauen Farbe. Augen- blicklich sind sie in einer Tiefe von ungefähr 4 — 5 m aufgeschlossen. Ziemlich nahe ihrem oberen Rande werden sie von einer dünnen Bank gelben Lettens durchzogen. Im Gegensatz zu den Verhält- nissen in der Hochheimer Grube fehlt über ihnen die mächtige Lößdecke, die bereits abgetragen ist. In den Sanden finden sich abwechselnd Zonen mit reicher Molluskenfauna. Am fossilienreichsten ist eine ungefähr 60 — 70 cm mächtige Schicht, die unmittelbar über der Lettenbank liegt. In ihr und den anderen Zonen wurde 1 a) Seibert, Notizbl. Vereins Erdk. Darmstadt. 1862. p. 41. — b) G. Gleim, Über Diluvialsand von Darmstadt. N. Jahrb. f. Min. etc. 1885. 2 A. Steuer, op. eit. 1907. A. Steuer, op. cit. 1907. p. 88. €entralblatt f. Mineralogie etc. 1917. 32 498 Besprechungen. eine typische Mosbaclier Molluskenfauna zeiclinis nachstehend folgt. Helix arbustorum L. häufig — hispida L. häufig — bidens Chemn. selten — piüchella Müll, sehr häufig Pcitida rüder ata Stud. häufig Buliminus trideus Müll, sehr selten Pupa müscorum Müll. s. häufig Clausilia dubia Drap, selten — biplicata Mont, selten Succinea putris L. häufig — oblonga Drap, sehr häufig — pfeijferi Rssm. häufig Limnaea stagnalis L. sehr häufig — truncatida Müll, häufig gesammelt, deren Ver- Planorbis corneus L. häufig — vortex L. häufig — spirorbis L. selten — umbilicatus Müll, sehr häufig* — contortus L. selten — glaber Jeffr. häufig Yalvata piscinalis Müll, häufig — antiqua Sow. sehr häufig — - alpestris (Blauner) Küst. sehr häufig — - pulchella Stud. häufig Sphaerium rivicola (Leach) Lm. häufig Pisidium amnicum Müll, häufig — ovatum Cless. selten. Außerdem bin ich im Besitz einer Anzahl verkalkter Wurzelröhren (sog. „Steinbrech“) und Kalkkonkretionen, die beide in den höheren Schichten häufig gefunden werden. Die ganze Sammlung wurde dem Naturhistorischen Museum in Mainz überwiesen, wo sie nun auf bewahrt wird. Besprechungen. 1. Tornquist: Geologie I. 235 Abb., 564 p. Leipzig 1916. 2. — • : Grundzüge der allgemeinen Geologie. Berlin 1916. 228 p. 81 Textb. 3. F. X. Schaffer: Grundzüge der allgemeinen Geo- logie. 1 Taf. 480 Abb. 492 p. Leipzig u. Wien 1916. Das Erscheinen verschiedener neuer Lehrbücher der Geologie während des Weltkrieges ist an sich mit Freude zu begrüßen. Beweist es doch ein allgemeines Interesse für unsere Wissenschaft. Die Disposition geologischer Lehrbücher 1 steht seit Neumayr’s 1 Als gutes Beispiel sei die Disposition Schaffer’s angeführt: F. X. Schaffer: Grundzüge der allgemeinen Geologie. I. Die Erde und ihre Kraftquellen. II. Das Wirken der Kräfte des Erdinnern. A. Die vulkanischen Erscheinungen. B. Die Störungen der Erd- rinde. C. Erdbeben. Besprechungen. 499 Erdgeschichte fest. Die für die Beurteilung wichtigste Frage betrifft daher nur die Art der Darstellung, der Bilderausstattung und den Preis. Während die beiden Bände „allgemeine“ Geologie von Schaffer und von Tornquist etwa in der Begrenzung des Stoffes dem ausführlicheren Lehrbuch von E. Kayser entsprechen, stellen sich die Grundzüge der allgemeinen Geologie von Tornquist (2) im Rahmen einer wesentlich kürzeren Behandlung die Aufgabe, einen übersichtlichen Leitfaden für Studenten zu geben ; hier werden auch praktische Zwecke* 1 mit berücksichtigt, wie die Inhaltsübersicht der Anmerkung zeigt. Die allgemeine Disposition ist in der großen und der kleinen Geologie Tornquist’s sonst die gleiche. Es sei daher hier nur die der ersteren (d. h. der großen Ausgabe) angegeben : I. Die geologische Forschung. Geschichte der geologischen Forschung. II. Allgemeine Geologie. 1 . Abschnitt. Kosmische und geopl^sikalische Geologie. A. Die Erde als Weltkörper. B. Die physikalische Beschaffenheit der Erde. Das Gewicht der Erde. Die Temperatur der Erde. Klimatologie und Paläoklimatologie. Die Atmosphäre. Der Erdmagnetismus. Die Elastizität des Erdkörpers. Das Erdinnere. 2. Petrogenetische Geologie. Die Erstarrungsgesteine. Die Sedimentgesteine. Die kristallinen Schiefer. 3. Biologische Geologie. 4. Dynamische Geologie. A. Die endogenen Kräfte. 1. Diastropliismus, 2. Vulkanismus, 3. Gesteins- metamorphose. III. Das Wirken der Kräfte der Erdoberfläche. A. Die Verwitterung. B. Die Abtragung. 1. Bewegung loser Massen infolge der Schwere, 2. Trans- port durch die Tierwelt, 3. Tätigkeit des Wassers, 4. Tätig- keit des Eises, 5. Tätigkeit der Luft, 6. Erosion und Relief. C. Bildung der Absatzgesteine. D. Der Fossilisationsprozeß. IV. Das Zusammenwirken der endogenen Kräfte am Bilde der Erd- oberfläche. 1 Tornquist, Angewandte Geologie: a) Die Gesteinsverwendung und Beurteilung. 1. Bausteine, 2. Schottergesteine, 3. Gesteinsuntersuchung zur Fundamentierung von Hochbauten. b) Das Auffinden nutzbarer Gesteine und Minerallagerstätten, c) Das Auffinden von Tiefen wässern, d) Die Berechnung der Wärme in der Erdtiefe, e) Die Abwehr zerstörender Wirkungen exogener Kräfte, f) Die Beurteilung des Ackerbodens auf geologischer Grundlage. 500 Besprechungen. B. Die exogenen Kräfte. a) Wirkungen des Wassers, b) Die Wirkungen der Atmosphäre, c) Die Wirkungen der Organismen. 5. Morphogenetische Geologie. 1 . Die Gliederung der Erdoberfläche in Kontinente und Meereströge. 2. Die Großformen. 3. Die Kleinformen der Erdoberfläche. In der Art der Illustrierung, der Auswahl der Bilder und auch in der Form der Behandlung des Stoffes ist sowohl Schaffer wie Torn (juist dem verbreiteten KAYSER’schen Buch überlegen. In der sachlichen Kritik, welche an die Beurteilung der einzelnen noch zur Diskussion stehenden Fragen gelegt wird, weichen die beiden jüngeren Autoren von der älteren, z. T. ausführlicheren Dar- stellung mehrfach ab. Leider ist der Preis gerade der ToRNQuiST’schen Geologie I derart hoch, daß er der Verbreitung des gut geschriebenen Buches recht hinderlich sein dürfte. Eine Gegenüberstellung der Preise einiger neuer oder in neuer Auflage erscheinender Lehrbücher von. ähnlichem Inhalt ist nicht ohne Interesse : Tornquist: Geologie I kostet broscli. 27 di, geb. 30 di Tornquist: Grundziige der allgemeinen Geologie, geh. 9.20 diy geb. 10.50 di E. Kayser: Allgemeine Geologie 22.40 di, geb. 25 di Schaffer: Grundzüge der allgemeinen Geologie. Preis 17 di Frech: Allgemeine Geologie, 3. Aufl. (früher: Aus der Vorzeit der Erde), broscli. 6 di, geb. 7.50 di Im einzelnen ist über die die allgemeine Geologie behandelnden 3 Lehrbücher folgendes zu bemerken : Eine gründliche Umarbeitung erfordert in Tornquist’s Geologie I in einer neuen Auflage — - für die die Bemerkungen bestimmt sind — der Abschnitt über Salzgeologie: Während die Namen anderer Autoren hervorgehoben sind , werden Lachmann und Arrhenius, von denen besonders der erste wirklich grundlegende Gedanken über die Salzstöcke und ihre Deformationen begründet hat, nur kurz gestreift. Die teils bekannten, teils erst in neuester Zeit von Lachmann in das rechte Licht gerückten Eigenschaften des Steinsalzes sind : 1. Die leichte Löslichkeit hat zur Folge, daß jede den Salz- körper berührende Dislokation neue, und zwar sehr erhebliche Massenverschiebungen zur Folge hat. Wenn auch die zuerst ge- wählte Bezeichnung autoplast nicht ganz glücklich war und daher auch von ihm und Arrhenius später durch das Bild der Schmelzung und ßegelation des Gletschereises ersetzt wurde, so beschränkt sich doch der später auch von Lachmann angenommene tektonische Einfluß auf Bildung von Salzekzemen nur auf den allerersten Anstoß. Besprechungen. 501 Die typischen Ekzeme an der Küste des Golfes von Mexiko und die in ihrer Verteilung auf alte Flußläufe hinweisenden Siebenbürger Salzstöcke haben mit tektonischen Dislokationen überhaupt nichts zu tun, sie beruhen vielmehr ausschließlich auf chemischen Vor- gängen, deren Bedeutung somit viel mehr gewürdigt werden muß, als es in dem sub 1 zitierten Lehrbuch geschieht. 2. Falls eine tektonische Dislokation einen Steinsalzkörper in großer, jenseits der Flüssigkeitsgrenze des Wassers liegenden Erdtiefe trifft, kommt ein anderer, vornehmlich durch Milch hervor- gehobener Faktor, die leichte Plastizität des reinen Steinsalzes, in Frage. In höheren wie in geringeren Tiefen entspricht also der sogenannte „Salzhorst“ bestenfalls einem ganz vorübergehenden Zustand. In den meist sorgfältig abgewogenen, auf modernem Stand- punkte stehenden Ausführungen von Tornquist’s Allgemeiner Geo- logie I wird eine zusammenhängende Behandlung der Bodenbildung vermißt. Nach Anschauung des Bef. darf die Bodenbildung nicht nur im Zusammenhang mit der Wirkung des Wassers (p. 414 ff.) oder der Verwitterung (p. 497 — 501) stehen, sondern muß als solche erörtert werden. Wenn im folgenden für künftige Auflagen noch einige Verbesserungen vorgeschlagen werden, so beziehen sich diese auf eigene Forschungen des Ref. : Tornquist’s Geologie I p. 323 — 324. Gründlich verfehlt ist die von Mercalli und Lacroix vorgeschlagene Einteilung der Eruptionstypen, die Verf. für die zweckmässigste hält ; d. h. die Einteilung könnte mit einigen grundsätzlichen Änderungen der Be- nennung und einigen weiteren Verbesserungen die Grundlage für eine andere Gruppierung bilden, welche dann im allgemeinen mit der erprobten Einteilung in Lavavulkane, Aschen- und gemischte Vulkane übereinstimmen würde. Lacroix und Mercalli unter- scheiden: 1. Stromboli-Hawai-Typus, 2. Vulcano-Typus, 3. Bandai- San-Typus, 4. Pele-Typus. Hiervon entspricht 1. den Lavavulkanen, unter denen aber der Stromboli durch seine steilere Bergform von den Schildvulkanen (Hawai- Island) unterschieden ist; Stromboli bildet eine seltene Ausnahmsphase, .Hawai einen Haupttypus. 2. Der Vulcano-Typ ist ganz unerklärlicherweise durch „flüssige Lava, rasch erstarrend“ gekennzeichnet! [Ref., der einer der wenigen Geologen ist, der den Volcano- nicht Vul cano-Ausbruch 1889 eingehend beobachtet und auch darüber in leicht zugänglichen Arbeiten berichtet hat, konnte sich wie alle übrigen Beobachter (z. B. Baltzer) überzeugen, daß Lava gänzlich fehlt! Der „Vulcano-Typus“ Mercalli’s ist also tatsächlich mit dem Bandai- San-Typus (3) ident: Denn „Es werden (p. 324) nur Gase und Asche mit einer großen Menge von Projektilen etc. in die Luft gesprengt. Lava fließt nicht aus“. Im Text ist auch der „Vul_ cano-Typus“ als mit dem des Ätna und der allermeisten Vesuv 502 Besprechungen. Eruptionen (p. 324) ident richtig gekennzeichnet worden.] 4. Auch bei der Kennzeichnung des Pele-Typ ist die „ Quellkuppe “ (bezw. Felsnadel), welche p. 336, 340 und 342 erwähnt wird, übergangen. Wollte man die Einteilung berichtigen, so ist als Bezeichnung für den „Vulcano-Typus“ der des Vesuv, besser seine vesuvianische, nicht die Plinianische oder Haupteruptions-Phase einzusetzen. Der Bandai-San-Typus ist als Volcano- (nicht Vul- cano-)Phase zu bezeichnen. Der Pele-Typus ist wesentlich durch das Auftreten von häufigen Quellkuppen gekennzeichnet, während die Glutwolke eine nur einmal beobachtete, also bisher als Ausnahme zu bezeichnende Erscheinung ist. Am Bandai-San selbst handelte es sich um Maar-bildende Gasexplosionen von lokalem Umfang, während im Volcano-Krater die seltenen Ausbrüche dem Hauptkrater entsprechen. Bef., der das Glück hatte, Vesuv, Volcano und Strom- boli im Zustand der Eruption zu beobachten, richtet diese Kritik, wie kaum erwähnt zu werden braucht, nicht gegen den Verf. des Lehrbuches, sondern gegen Mercalli, dessen Einteilung unbegreif- licherweise alle Beobachtungstatsachen verwechselt oder auf den Kopf stellt. Zu Tornquist I p. 362. Wenn Seebeben erwähnt werden, so ist die Wirkung der untermeerischen Rutschungen auf das Zu- rückweiehen des Ozeans und die Wiederkehr einer gewaltigen Flut- welle nicht genügend betont. Auch die wichtigen japanischen Tsunamis und ihre Beschränkung auf die pazifischen Seiten der Japanischen Inseln ist unerwähnt geblieben. Zu Tornquist I p. 382. Lachmann hat gerade nicht die Plastizität, sondern vielmehr die Löslichkeit der Salze für die eigentümliche Form der Dislokationen der Ekzeme verantwortlich gemacht. Er nimmt, und zwar mit Recht, die leichte Löslichkeit der Salze als den für die eigentümliche Form der Ekzeme wirk- samsten Faktor an. Zu Tornquist I p. 411. Gehängerutsche und Muren stehen nicht in der sehr engen, vom Verf. angenommenen Beziehung. Die Rutschungen beruhen wesentlich auf einer unter der Oberfläche vor sich gehenden Auflösung, die Muren sind periodisch eintretende Oberflächenerscheinungen. Die gesamte Bedeutung der Muren als ein auch in der Vorzeit wirksamer Vorgang der Hocligebirgsab- tragung (Steinkohlenkonglomerate!) ist überhaupt nicht genügend gewürdigt. Zu Tornquist I p. 468. In der Erörterung der Arbeit des Eises ist die geologisch wichtige Tätigkeit der Lawinen sowohl an und für sich wie in bezug auf die Entstehung alpiner Gletscher übergangen. Irrtümlich ist die im Zusammenhang hiermit stehende Angabe, daß die „wannenförmig“ ausgeräumten Nischen oder Kare zu den „augenfälligsten Einwirkungen des fließenden Eises“ gehören. Die Entstehung der Karböden beruht auf dem Schutz der ruhenden Besprechungen. 503 Firn- oder Eismassen, die Entstehung ihrer Wände aber auf Ein- wirkung des in seiner Bedeutung nicht hinlänglich gewürdigten Spaltenfrostes und der Lawinen, welche letztere ebenfalls, wie erwähnt, übergangen werden. Eine gewisse Lücke ist ferner die viel zu kurze, nur \ Seite (p. 208) betragende Darstellung des Landeises sowie die Auslassung des norwegischen Plateau-Eises und der Bergfußgletscher. Ohne eine etwas ausführlichere Behand- lung dieser Fragen hängt die Darstellung des norddeutschen und des alpinen Quartärs (p. 202 ff., 468 ff.) in der Luft. Zu p. 472, Abb. 193. Jannu, nicht Tannu. Zu Tornquist I p. 519. Gegenüber den vorstehenden Aus- lassungen fällt die viel zu ausführliche Behandlung kontroverser Fragen in der Tektonik auf. Angesichts der schlagenden Wider- legung, welche die Ideen Stille’s über die angebliche „Rahmen - f a 1 1 u n g des deutschen Bodens“ von verschiedenen Seiten erfahren haben, angesichts des an den Profilen Stille’s von Lach- mann geführten Nachweises, daß es sich überhaupt gar nicht um Faltung, sondern um den entgegengesetzten Vorgang, um Zerrung und Bruch gehandelt hat, ist eine gründliche Umarbeitung des Ab- schnittes (p. 519 — 521) erforderlich. Abgesehen von der berichtig- ten Beurteilung der „Faltungsachsen“ Stille’s beruht ein großer Teil seiner jüngeren „Faltungen" auf den unrichtig gedeuteten Salzekzemen. Mit der wirklichen Rahmenfaltung, die Suess im mediterranen Gebiet nachwies und begründete, hat die deutsche „Rahmenfaltung“ deshalb nichts zu tun, weil es sich um Brüche und Absinken oder aber um chemische Vorgänge handelt. Nachdem als Ergänzung der „Malm-Faltung“ und der „obersenonen Faltung“ etc. ein übereinstimmender Vorgang sogar in der oberen Trias, d. h. der frühe Beginn der Ekzembildung im Allertal nachgewiesen ist (May), sollte endlich wenigstens in Lehrbüchern die „saxonische Faltung“ zur längst verdienten Ruhe kommen. Auch über die Frage, ob die geometrischen Analogien des Gebirgsbaus im Sinne von L. Green, M. Levy, Bertrand und Deecke (p. 503 — -530) in ein kurzes Lehrbuch gehören, kann man besonders angesichts der oben betonten, sehr erheblichen Lücken geteilter Meinung sein, da, wie Verf. selbst richtig sagt, „von diesem Rhythmus der Ober- llächengestaltung ebenso viele Abweichungen existieren“ (p. 506). Zu Tornquist I p. 535. Wenn Verf. die z. T. unwahrschein- lichen, z. T. geradezu unmöglichen Konstruktionen Termier’s, Kober’s u. a. über den Deckenbau der Ostalpen in einem doch für die Einführung gedachten Lehrbuch in recht kritischer Form erwähnt, so mußten auch die Beobachtungen von F. F. Hahn über die in älteren Faltungsphasen erfolgenden Überschiebungen der nördlichen Kalkalpen und die Feststellungen des Ref. Erwähnung finden, nach denen das Mesozoicum, vor allem aber das Paläozoicum im Norden und Süden der Ostalpen gänzlich verschieden entwickelt 504 Besprechungen. ist. Hiernach ist viel weniger die vom Verf. betonte „Unsicherheit der Entscheidung“ als eine unbedingte Ablehnung der angeblich einheitlichen und etwa gleichzeitig entstandenen Riesendecken der Ostalpen notwendig. Eine viel kürzere Behandlung all derartiger Hypothesen ist jedenfalls erforderlich. Eine gänzliche Auslassung in einem doch für die Einführung bestimmten Lehrbuche wäre kein Fehler, — denn wie soll ein Anfänger sich ein Bild von diesen widerspruchsvollen und nur vorübergehend wirksamen Hypothesen machen ? Im Gegensatz zu der Kontroverspredigt, als welche sich der Inhalt der tektonischen Geologie bei Tornquist kurz kennzeichnen läßt, liefert die Darstellung des gleichen Gegenstandes von F. X. Schaffer eine gleichmäßig abgewogene, fortlaufende Darstellung. Durch die wesentlich einheitlichere und straffere Disposition 1 wird sehr viel Raum gespart. Auch ist die Berücksichtigung aller Gebiete viel gleichmäßiger durchgeführt als bei Tornquist. Als Lücke ist mir nur die Bodenkunde und die Nichtberücksichtigung der Wirkung der Lawinen auf die Entstehung der Kare und Hoch- gebirgsgletscher aufgefallen [wie denn Schaffer die Allgemeine Geologie des Ref. weder erwähnt noch überhaupt zu kennen scheint]. Von den Abbildungen sind besonders die schönen Bilder der Ver- witterung und Zersetzung nach den Vorlagen des Naturhistorisclien Hofmuseums, sowie Ansichten aus Kleinasien erwähnenswert und interessant2. Frech. 1 Tornquist gerät durch die Abtrennung einer petrogenetischen von der dynamischen Geologie wiederholt in die unangenehme Lage, denselben Gegenstand an zwei verschiedenen Orten zu behandeln. Die Gletscher kommen z. B. einerseits unter petrogenetischer Geologie als solche und ferner in ihrer Wirkung auf den Untergrund bei der Exodynamik vor — was ein ganz zweifelloser Nachteil für Lektüre und Vorlesung ist. 2 Vgl. die kritische Besprechung von B. Weigand, Die Naturwissen- schaften. 5. 108-109. 1917.