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Der ſchwäbiſche Dichter

Karl Philipp Conz

1762 1827.

——

Inaugural⸗Diſſertation | zur Erlangung der Doktorwürde Einer Hohen Philoſophiſchen Fakultät der s Univerſität Tübingen. vorgelegt von Georg Cleß aus Stuttgart.

1913. A. Delfchläger’fhe Buchdruckerei, Calw.

Gedruckt mit Genehmigung der Philoſophiſchen Fakultät der Univerſität Tübingen.

Referent: Profeſſor Dr. von Fiſcher. Tag des Colloquiums: 6. März 1913.

fierrn Friedrich Lienhard

in dankbarer Verehrung

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Inhaltsverzeichnis.

Einleitung Lebensabriß Der Gelehrte Der Dichter Seine Zeit

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Einleitung.

Wer im Schatten eines Titanen ſteht, deſſen Name wird leicht verdunkelt und vergeſſen. Man hat ſich daran gewöhnt, des Dichters Conz nur als eines Jugendfreundes Schillers zu gedenken, während ſich Conz bei ſeinen Landsleuten großer Beliebtheit erfreute, wie dies z. B. die Motti beweiſen, die Hauff in feinem Lichtenſtein !) ver⸗ wendet hat.

Ganz unbekannt iſt Conz den Literarhiſtorikern nicht geblieben. Ignaz Hub?) rühmt Conz' Balladen und Romanzen und fährt fort: „Conz verdiente wegen ſeiner treuen Hingebung an den Muſendienſt, in den er auch andere, namentlich Juſtinus Kerner, einweihte, die Auf⸗ merkſamkeit in höherem Grade, als ſie ihm bisher zuteil geworden fein ſcheint.“ Gervin uss?) erwähnt Conz leichthin als Nachahmer von Klopſtocks religiöſer Poeſie, und im Hinblick auf ſeinen „Conradin“ (1782) als einen der wenigen Dichter, die ſich im 18. Jahrhundert auf das

1) 1. Teil 10. Kap., 2. Teil 8. Kap.; 3. Teil 4. Kap.

2) „Deutſchlands Balladen- und Romanzendichter.“ 1849. S. 98: „Durch innige Wahl des Stoffes, dramatiſches Leben der Schilderung und Wärme der Farbengebung gehören ſie zu den weit beſſeren ihrer Zeit, wenngleich ſie ſich nicht immer zu voller Klarheit er⸗ heben, Mängel der Kompoſition zeigen und der Stoff ſelten voll in Poeſie ſich auflöſt.“

Vgl. auch Conz' Würdigung in Wohlwill, „Weltbürgertum und Vaterlandsliebe der Schwaben“. 1875. S. 59 u. ö.

3) „Geſchichte der deutſchen Dichtung.“ 1853. IV. 144; V. 629.

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hiſtoriſche Drama warfen. Heinrich Kurz!) glaubt Conz Phantaſie und Gedankenfülle abſprechen zu müſſen, erkennt dagegen ſein zartes Empfinden an. Yugu ft Koberſtein :) ſtreift Conz als Aeſchylus⸗Überſetzer, Mit⸗ arbeiter von Schillers Muſenalmanachen und Nachfolger Schillers in der Bevorzugung altgriechiſcher Stoffe für Bal⸗ lade und Romanze. Goedekes) hebt hervor, daß Conz die Schillerſche Weiſe nach Schwaben führte, doch mit Hin⸗ neigung zu den unmittelbaren Formen des Altertums. Ernſt Planck“) iſt der Anſicht, daß Conz' Balladen den verſchiedenen Stimmungscharakter verſchiedener Stoffe innerlich und äußerlich wahr wiedergeben. Rudolph Krauß?) weiß den Dichter zu ſchätzen, vermißt aber ein ſtarkes Naturell, eine beſtimmte dichteriſche Phyſiognomie. Vogt und Koch“) endlich betonen das Beharren der Schwaben auf der heimatlichen Scholle.

Weitere Literarhiſtoriker, wie Wilhelm Scherer, reden nur nebenbei von Conz, oder ſchweigen völlig, wie Wacker⸗ nagel, Hettner, Vilmar, Gottſchall.

Ablehnend verhält ſich Rich. M. Meyer), wenn er Iſolde Kurz und „Uhlands Freund Conz“ „ſchwäbiſche Traumſeelen“ nennt. Nun, wer dem Herzen Deutſchlands angehört, der darf ſchon ein wenig träumen. Verträumt hat Conz ſein Leben nicht. Ruhig, aber reich an Früchten unermüdlichen Fleißes floß es dahin, ohne in Stubengelehr⸗ ſamkeit zu verſickern.

1) „Geſch. der d. Litt.“ 1865. III. S. 262.

2) „Geſch. der d. Nationalliteratur.“ 1873. IV. 413, V. 44, 432.

0 „Grundriß zur Geſch. der d. Dichtung.“ 1893. 5. Bd. 2. Abt. S. 430

55 ‚Die Lyriker des ſchwäbiſchen Klaſſizismus.“ 1896. S. 36.

) „Schwäb. Literaturgeſchichte.“ 1897. J. S. 349.

6) „Geſch. der d. Litteratur.“ 1910. II. S. 430.

72) „Die deutſche Literatur des 19. Jahrhunderts.“ 3. Aufl. 1906. S. 759. (4. Aufl. 1910. II. S. 247.)

Lebensabriß.

Karl Philipp Conz wurde am 28. Oktober 1762 in Lorch geboren als Sohn des Kloſter⸗Amtsſchreibers Jo⸗ hann Philipp Conz, der aus einer altwürttembergiſchen Theologenfamilie ſtammte und mit einer Tübingerin, So⸗ phie Roſamunde Blifers, in glücklicher, aber nur kurzer Ehe verbunden war.!) Die Witwe verheiratete ſich mit dem Nachfolger ihres Mannes, Hopf, der Erziehung und Studien des Stiefſohnes liebevoll leitete und förderte.

Fröhliches Spiel vereinigte den kleinen Conz mit Schiller, deſſen Eltern in den Jahren 1764 bis 1766 in Lorch wohnten. In der Schiller gewidmeten Ode ?) ge⸗ denkt Conz dieſer ſchönen Zeit mit den Worten:

„Ach, wie ſie mir vorübergaukeln am Phantaſieenblick, Die Freuden der Kindheit!

Wie mir jeder Fußtritt, jede Stätt'

Iſt ein Blatt,

Darauf lebendig mich anſpricht

Mein Knabengefühl!

Und o, wie du ſchon da

Manche kindiſche Freuden

Mit mir teilteſt,

1) Nach den Regiſtern des Lorcher Pfarramts ſtarb Johann Philipp Conz am 20. September 1767, die Witwe, „Tochter des Johann Chriſtoph ‚Plievers‘, civis academicus antiquarius zu Tü⸗ bingen“, am 5. Mai 1802.

2) „Ode an S.“ 1781. Zuerſt gedruckt in Stäudlins (1758 —1796) Muſenalmanach auf das Jahr 1782. Gedichte 1792 S. 43.

(„An ... Im Merz 1781.“)

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Da noch ſchlummernd in uns Ruhte der Funke, der jetzt Aufzulodern begann und bald Ausſchlagen wird zur Flamme.“

Auf das empfängliche Gemüt des Knaben wirkte be- fruchtend ein die hohenſtaufiſche Vergangenheit Lorchs, die bei Schiller keine Spuren hinterlaſſen hat.

„Noch denk' ich fromm der ſüßen Knabenzeiten Dort in der alten gotiſchen Abtei.

Noch hör' ich dumpf die Glockentöne läuten Vom nahen Turm, und meinem Geiſt vorbei Ziehn mit der Klänge weckendem Bedeuten Der Bilder mir ſo manche friſch und neu.

O Tage, mir ins innere Mark geſchrieben Mit Geiſterſchrift, ich muß euch ewig lieben.

Der Kirche denk' ich, wo der Vorzeit Schauer Auf jede Tritt' und Blicke mich umſchwebt Und deutſcher Helden Schatten an der Mauer Aufſtiegen herrlich, wie fie einſt gelebt;

Des Mals, das dort ſich für der Kirch' Erbauer, Den frommen Ahn der Staufen, fromm erhebt, Und alles, was ſie taten, was ſie litten Und ſteuernd kühn gewehrt und kühn erſtritten.

Des Tanns gedenk' ich, deſſen Einſamkeiten Mich oft empfingen, die der Sonne Strahl Nur ſparſam grüßt, bis wo der Berge Weiten Ringsum bekränzt das ſtille Lindental,

In das herein, wie aus verſchwundnen Zeiten Ein Rieſenhort, ein feſtlich Hünenmal,

Der Staufen ſcheint von himmelhohem Rücken, Und mahnend alte Geiſter niederblicken.“ . . .“)

Frühzeitig zur theologiſchen Laufbahn beſtimmt, wurde Conz zuerſt der Obhut des Magiſters Balthaſar Mebold (1708 —1788) an der Lateinſchule in Schorndorf zur Vor: bereitung auf das Landexamen anvertraut. Dort ſchloß

1) „Selbſtgeſpräche“ III. 1816. Gedichte 1818. S. 8

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er treue Freundſchaft mit Karl Reinhard aus Schorn⸗ dorf, dem eine außergewöhnliche Laufbahn als franzöſiſcher Diplomat beſchieden ſein ſollte.“)

Als Kloſterſchüler beſuchte Conz Blaubeuren und ſeit 1779 Bebenhauſen, zuletzt das Stift in Tübingen, wo er bis 1786 ſtudierte und bereits 1783 mit einer Diſſertation „de charactere poetico joelis cum animadversionibus philo- logico- criticis“ die philoſophiſche Magiſterwürde erlangte.

Die Studienzeit verſchönte ein Beſuch der Freunde Conz und Reinhard bei Schiller im September 1781 in Stuttgart und ein ſolcher von Conz und Zumiteeg?) bei Schubart auf Hohenaſperg am 18. Auguſt 1782. Das tiefe Mitgefühl für Schubart bekundet Conz' „Epiſtel an Luiſe“. Luiſe Andrei war Zumſteegs ſpätere Gattin. Der ſanfte Conz ſchwärmte noch mehr für Luiſes Schweſter Wilhelmine, „die angebetete Andreäin, ein gefühlvolles, herrliches Mäd⸗ chen, die Höltys Gedichte faſt alle auswendig weiß“.s) Be⸗ geiſtert ruft er: „Dörft' ich, wollt' ich lieben, Minna! Ja, ſo wärſt es du.“ Indeſſen verheiratete ſich Wilhelmine Andreä im Juni 1783 mit dem Stabsamtmann Bayha.“)

Über das Verhältnis zu Gotthold Stäudlin ſagt uns nur wenig der gemeinſame „Schwur bei den Heldengeiſtern“, „bieder ſtets und Schwabe zu ſein“. 5) In Bebenhauſen lernte Conz Stäudlins jüngeren Bruder Karl Friedrich“) kennen, über den er im Februar

1) Reinhard (1761—1837) ſtarb in Paris als Graf und Pair von Frankreich. Vgl. W. Lang, Graf Reinhard. 1896.

2) Rudolf Zumſteeg (1760 1802), „Schwabens Mozart“, Tom: ponierte für Stäudlins Muſenalmanach auf das Jahr 1782 Conz' „Frühlingslied eines um ſeine verſtorbene Geliebte Trauernden“. Vgl. J. Hartmann, Schillers Jugendfreunde. 1904. S. 266.

3) Undatierter Brief von Conz an Reinhard. Marbacher Schillermuſeum.

) Weltrich, Friedrich Schiller. J. 1899. S. 820.

5) Almanach⸗Vorrede Sept. 1781.

6) Karl Friedrich Stäudlin (1761—1826), ſeit 1790 ordentlicher Profeſſor der Theologie in Göttingen.

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1784 an Reinhard berichtet:!) „Er ift ſehr warm und freundſchaftlich im Umgang.“ „So ſehr der Zwang der klöſterlichen Geſetze und Verhältniſſe mich oft niederdrückt,“ heißt es weiter, „ſo fühle ich doch zuweilen in Stunden ſüßer Phantaſie den Gedanken, Dichter meines Vaterlandes zu werden in all ſeiner erneuten Lebhaftigkeit.“

Die Diſziplin des Stifts hatte wohl Conz' dichteriſchen Genius anfangs gehemmt. Doch ſchon 1782 trat er mit einem von ihm ſelbſt ſtets wert gehaltenen Erſtling in die Offentlichkeit, dem Trauerſpiel Konradin von Schwaben.?) Das Werkchen iſt verſchollen und allen⸗ falls von Bedeutung als hiſtoriſch⸗dramatiſcher Verſuch eines Schwaben. An Schillers Jugendlyrik erinnern u. a. die Schlußverſe des Anhangs:

„Fürſtenglüke! ſtolze Wellenblaſen, Wild emporgeſtrudelt von dem Wind. Auf des Lebens Meere Winde raſen Und der Schaum zerrinnt.“

Im nächſten Jahre (1783) erſchienen bei dem Züricher Verleger Füßli, einem Freund Lavaters, die „Kriegs- lieder des Tyrtäus, aus dem Eriechiſchen ins Deutſche überſetzt mit den (von Reinhard überſetzten) Elegien des Tibull nebſt einigen Elegien des Properz“. Das anonyme Büchlein war dem Grafen Fr. Leopold zu Stolberg gewidmet.

1) Marbacher Schillermuſeum.

2) „Conradin von Schwaben. Ein Drama in 5 Akten.“ Frank⸗ furt und Leipzig 1782. Anhang: „Conradin bey ſeinem Bildniß.“

Bol. „Neuer Nekrolog der Deutſchen“ 5. Jahrg. 1827. Ilmenau 1829. S. 621629, „Schwäbiſche Kronik“ Nr. 169 v. 19. Juli 1890; Planck S. 37. Späterhin mußte ſelbſt Uhland die Erfahrung machen, „daß dieſer geſchichtliche Gegenſtand für das Drama günſti⸗ ger zu ſein ſcheint, als er es wirklich iſt.“ (Adelb. v. Keller, „Uhland als Dramatiker“. 1877. S. 320 f.) Von Intereſſe dürfte auch fein, daß Uhland den erſten Aufzug ſeines „Konradin“ Conz vorgeleſen hat. („Uhlands Tagbuch 1810—1820.“ Stuttgart 1898. S. 286.) Eine Vergleichung ihrer Bearbeitung könnte ſich lohnen.

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Mit Karl Reinhard zuſammen veröffentlichte Conz dann noch die den Halberſtädter Dichtern K. F. Göckingk (1748-1828) und Klamer Schmidt (1746—1824) zugeeig⸗ neten „Epiſteln“ !), welche), nach einem Ausdruck Schmidts, den „Geiſt der Bagatelle bezeugen“ wollen als „Spiele des Witzes, Freundes⸗ und Liebesſcherze, eine hei⸗ tere, läſſige Lebensphiloſophie, Auflehnung gegen den Zwang der Konvenienz, dabei eine in Wielands Art hin⸗ überſpielende Neigung zur Satire“.

Das gleiche Jahr brachte auch die „Schildereyen aus Griechenland“, die wir an ſpäterer Stelle be⸗ ſprechen werden.

Am 3. Auguſt 1786, kurz bevor er die Univerſität Tü⸗ bingen als Erſter ſeiner Promotion verließ, ſandte Conz dem „hochgelehrten, hochwürdigen, hochzuvenerierenden Herrn Generalſuperintendent Herder“ als Dank für die empfangene Aufmunterung bei bibliſchen Arbeiten Erläuterungen der Propheten Joel, Nahum, Habakuk eine Studie über den „Geiſt des Ritterweſens“. Der Begleitbrief ?) enthält das bemerkenswerte Selbſt⸗ bekenntnis:

„Immer kämpfte der Dichter mit dem Gelehrten. Ich war ein dreizehnjähriger Knabe, als ich Klopſtock, ohn' ihn zu verſtehn, mit dem vollſten Enthuſiasmus verſchlang ich ahndete ihm wenigſtens nach und daß ich empfand bei ihm, waren die heißen Thränen, die ich ob ihm vergoß,

1) „Epiſteln. K. F. Göckingk und Klamer Schmidt gewidmet von K. R. und K... Zürich 1785.

) W. Lang, Graf Reinhard, S. 43.

) Im Beſitz der K. Bibliothek Berlin, veröffentlicht von Dr. Paul Trommsdorf in der „Zeitſchrift für Bücherfreunde“ (1906): „Briefe von Karl Ph. Conz und K. Fr. Stäudlin an Herder.“ Die Berliner Bibliothek beſitzt von Tonz noch Briefe an den Philologen Fr. Aug. Wolf, u. a. betreffend eine Tübinger Platohandſchrift (1812), und an Jean Paul (1814), der um einen Beitrag für das von dem Tübinger Buchhändler Oſiander geplante „Taſchenbuch Phoebe auf das Jahr 1815“ gebeten wird.

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Zeugen; ich hatte noch nicht vierzehn Jahre, als Goethes Werther meiner Seele auf einmal neuen Schwung und Ton gab und mich über die Sphäre meiner dumpfen Schul⸗ wände in eine neue Welt hinausriß. Um die nämliche Zeit las ich Ihre Litteraturbriefe ich verſchlang fie mehr.“

Zum Schluſſe naht ſich Conz Herdern mit einer Bitte:

„Ich hatte anfänglich Hoffnung, das künftige Jahr als Hofmeiſter bei einem Graf Biland aus Holland hier in Tübingen bleiben zu können. Nun bleibt aber der drei— jehnjährige Graf wieder bei ſeiner Mutter zu Haus.“ Herder möge in „Weimar, Gotha, Jena, Erfurt oder ſonſt wo“ ihm zu einer Stelle als Hofmeiſter verhelfen. Im November ſei Examen theol., „vor dem Examen wird man ohne Schwierigkeit nicht aus dem Land entlaſſen“.

Der Wunſch ließ ſich nicht erfüllen, und ſo finden wir Conz zunächſt im unſteten Wanderleben eines württem⸗ bergiſchen Pfarrvikars in Adelberg bei Schorndorf, Welz⸗ heim !) und Zavelſtein, bis 1789 ſeine Berufung als Stifts⸗ repetent nach Tübingen erfolgte.

Die Repetentenzeit brachte Conz in Fühlung mit Hölderlin. Dieſer hörte bei Conz eine Vorleſung über die Tragödien des Euripides.?) „Mein Repetent iſt der beſte Mann von der Welt“ ſchreibt Hölderlin an ſeine Schweſter.

Der Wunſch des Herzogs, gleichbedeutend mit Befehl, rief Conz ſchon im nächſten Jahre (1790) als Akademie⸗

1) Ein ſcherzhaftes Streiflicht wirft auf den Aufenthalt in Welzheim ein von dort datierter Brief Juſtinus Kerners an Uhland vom 6. Aug. 1812 („J. Kerners Briefwechſel mit ſeinen Freunden.“ 1897. J. Nr. 150. S. 318), wo von einem aufdringlichen Bauern die Rede iſt, der noch eine „Forderung von 25 fl. an Conz macht“. „Da der Kerl reich iſt, hat wahrſcheinlich Conz damals dieſe 25 fl. von ihm entlehnt.“

2) Litzmann, „Fr. Hölderlins Leben“. 1890. S. 132, 69.

Vgl. Wilh. Dilthey, „Das Erlebnis und die Dichtung. Leſſing, Goethe, Novalis, Hölderlin.“ 3. Aufl. 1910. ©. 360: „Repetent Conz war ein hinreißender Lehrer der Renaiſſance des Griechentums.“

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prediger nach Stuttgart. Dieſe Tätigkeit wurde unterbrochen durch eine größere, durch Stipendien erleichterte Bildungs⸗ reiſe, die unſern Dichter über Caſſel, deſſen Gemäldegalerie ihn entzückte, im Juni 1792 zu Schiller nach Jena und im September von dort über Leipzig und Berlin zu Klop⸗ ſtock nach Hamburg führte.

Seine Schiller-Erinnerungen hat Conz ſpäter in der „Zeitung für die elegante Welt“ !) niedergelegt. Er durfte an den Jenaer Abendzirkeln teilnehmen, bei welchen da⸗ mals das Intereſſe für Kants Philoſophie im Vordergrunde ſtand. Der Bewunderung Schillers gibt Conz offen Aus⸗ druck. „Er war die Humanität ſelbſt, ſein feuriger Geiſt und eindringender Scharfſinn, ſokratiſcher Ernſt und Scherz würzte die einfache Tafel.“

Den weiteren Verlauf der Reiſe ſchildert lebendig ein Brief?) an den Leipziger Verleger Göſchen, datiert Göt⸗ tingen, 28. Oktober 1792:

„Meine intereſſanteſte Bekanntſchaft in Hamburg war, wie Sie erraten können, Klopſtock. Ich kam mit dem Patriarchen der deutſchen Dichtkunſt bald ſehr nahe zu⸗ ſammen. Ich beſuchte ihn öfter und die Seele unſrer Unter: redungen war meiſt immer der Sieg der Deutſchen gegen die Frankreicher. Die Sache Frankreichs hat längſt auch ſchon den Dichter Klopſtock beſchäftigt. Er las mir an die 7—8 noch ungedrudte Oden vor, die alle dieſen Gegenſtand zum Inhalt haben. Die meiſten davon ſind mit einer Stärke und mit einem Feuer gedichtet und dargeſtellt, das ich von dem ſiebzigjährigen Greiſe kaum mehr erwartet hätte.“

An Gerſtenberg;) ſchrieb Conz im November, wieder von Göttingen aus, wo er bei Profeſſor Stäudlin weilte: „Über die dürre Heide hin haben mich die Bilder

1) „Einiges über Schiller“ (1823. Nr. 3—7; 1825. Nr. 206). Vgl. Berger, „Schiller“. II. 119.

2) Marbacher Schillermuſeum.

3) Heinr. Wilh. v. Gerſtenberg (1737 —1823) lebte ſeit 1785 in Altona.

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Gerſtenbergs, Klopſtocks und Claudius’ durch die Nacht hin, im Vollmondlichte, begleitet und noch ſchweben ſie, wie ſegnende Geiſter, um mich. Warum durfte ich nicht über meine Reiſe ganz entſcheiden, um meinen Aufenthalt in Hamburg verlängern zu können.“!)

Die Frucht dieſer Reiſe waren Gedichte, die in den Sammlungen der Jahre 1806 und 1819 erſchienen.?)

Nach der Rückkehr erfolgte die Ernennung zum Diako⸗ nus („Helfer“) in Vaihingen a. Enz (1793), wohin Conz 1794 Chriſtine Dorothee Volz, eine Tochter des verſtorbenen Prälaten Volz ) zu Kloſter Bebenhauſen, als Gattin führte. Fünf Kinder entſproſſen dieſer Ehe, doch verblieben den El⸗ tern nur zwei Söhne. Den Schmerz, den ihm der Tod ſeines Erſtgeborenen, Eduard, bereitete, der im Alter von 6 Jah⸗ ren ſtarb und dem Juſtinus Kerner eigenhändig den Sarg zimmerte ), hat Conz nie überwunden, und in ſeinen Ele⸗ gien lebte das Andenken an den Heimgegangenen weiter. Die Familie verweilte bis zum Jahre 1798 in dem Städt⸗ chen Vaihingen. Hölderlin, zu dem Conz freundſchaftliche Beziehungen unterhielt, ſchrieb im November 1797 von Frankfurt aus feinem Stiefbruder Karl Gok s):

„Mach doch einmal einen Gang nach Vaihingen zu Hel⸗ fer Conz. Es wird Dich ſicher nicht reuen, ſeine Bekannt⸗

1) Marbacher Schillermuſeum.

2) Vgl. „Im Parke zu Weimar. Jun. 1792.“ (1806. ©. 67; 1819. S. 16.) „Im Tiergarten zu Berlin. Sept. 1792.“ (1806. S. 193.) „An Klopſtock. Zum Abſchied. Hamburg, Sept. 1792.“ (1806. S. 136; 1819. S. 59.) „Der Eutiner See. An Voß. Ham⸗ burg 1792.“ (1806. S. 15; 1819. ©. 14.) „Auf einem Kirchhofe. G—n im Febr. 1793.“ (1806. S. 172.)

) Joh. Chr. Volz (1721 —1783) iſt auch als Zenſor aus Schil⸗ lers Stuttgarter Redakteurzeit bekannt. 1781 hatte Schiller dem Buchdrucker Mäntler deſſen „Nachrichten zum Nutzen und Ber: gnügen“ redigiert und war dabei mit dem damaligen Eymnaſial⸗ direktor Volz in Zwiſt geraten. Hartmann, „Schillers Jugend⸗ freunde“. S. 188.

) „Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit.“ 1849. S. 291.

5) Litzmann, ©. 463.

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ſchaft gemacht zu haben und ich denke, er wird Dich auch recht liebgewinnen. Verſichere ihn meines innigſten An⸗ denkens und danke ihm in meinem Namen für den ſchätz⸗ baren Gruß, den er mir durch Neuffer !) geſchickt hat, und für die freundliche Aufnahme meines Hyperion. Sage ihm, ich wartete nur die Erſcheinung des 2. Bandes ab, um das Ganze ihm zuzuſchicken und über einiges, was mir ſehr am Herzen liegt, bei Gelegenheit des Büchleins ihn zu fragen.“

Gok erwiderte daraufhin:

„Conz iſt ein lieber Mann und ſeine anſpruchsloſe Ruhe, das ſichere Kennzeichen eines edlen Karakters, muß ihm auch die zu Freunden machen, die ihn noch nicht genau kennen.“

Eine beſondere Freude für Conz war Schillers Beſuch in der Heimat. Im September 1793 war er ihm nach Heil⸗ bronn entgegengeeilt. Die Begrüßung geſtaltete ſich ſehr herzlich. Schiller 2), im allgemeinen wenig erbaut von den alten Freunden, bemerkt immerhin: „Unter den beiten iſt der M. Conz, den Du, glaube ich, auch haſt kennen lernen, und der ſich ſehr verbeſſert hat.“

Zum zweiten Diakon an der Stadtkirche ernannt, ſie⸗ delte Conz 1798 nach Ludwigsburg über. Juſtinus Kerners „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit“ belehrt uns über die Bande, die Conz daſelbſt mit der Familie ſeines Vaters, des Regierungsrats Kerner, verknüpften, deſſen bereits 1799 erfolgter Tod Conz beſonders veranlaßte, den jungen Juſtinus zu beraten.

„Der als Dichter bekannte Philipp Conz war dazumal Diakonus in Ludwigsburg. Er wurde der Beichtvater

) Neuffer hat Conz das Gedicht „Die Weihe der Muſen“ ge⸗ widmet (Neuffers Ged. 1816. S. 197). Der Dichter Chriſtian Lud⸗ wig Neuffer (1769 —1839) war Hölderlins Stiftsgenoſſe geweſen und wirkte 1791—1799 als Prediger in Stuttgart. Er ſtarb als Stadt⸗ pfarrer in Ulm.

2) Schiller an Körner: 4. Okt. 1793. Jonas, Schillers Briefe. III. S. 359.

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meiner Mutter und nahm ſich meiner Fortſchritte nicht nur in den toten, ſondern auch in den lebenden Sprachen (na⸗ mentlich auch im Italieniſchen) ſehr an. Er war die Güte und Naivität ſelbſt. Was ich in gebundener Rede anfertigte, brachte ich ihm, aber ſeine Dichterbildung war eine ſehr klaſſiſche und meine unklaſſiſchen Verſuche veranlaßten ihn nicht, mich zum Dichten aufzumuntern, daher ich auch ſpäter, beſonders als mich die deutſche Volkspoeſie mehr als alles Klaſſiſche anzog, alle Verſe ihm lieber verbarg.“ “) „Da⸗ gegen ſorgte mir Conz für Schillers neueſte Tragödien, für Klopſtocks, Höltys, Matthiſſons, Salis Gedichte, Goethes Werke lernte ich erſt etwas ſpäter kennen.“?) „Nun kam die Zeit meiner Konfirmation. Conz hatte mir den Reli⸗ gionsunterricht erteilt. Er ließ uns in demſelben neben mündlichem Unterricht auch religiöſe Aufſätze ausarbeiten, aber es war ihm bei dieſen um eine ſchöne Stiliſierung mehr zu tun, als um den religiöſen Inhalt.“ 2) „Ein Theologe war er nicht, ob er gleich in der Stadtkirche zu predigen hatte, bei welchem Predigen aber der Übelſtand war, daß er ſehr undeutlich ſprach. Er war von ſehr fetter Leibesconſtitution und tat die Pfeife nur ungern, um zu ſprechen, aus dem Munde. Seine Hauptſtärke war die Phi⸗ lologie und ſeine Gedichte trugen neben großer Correktheit doch oft ſehr die Farben und Töne der verſchiedenſten Dich⸗ ter des Altertums und der Neuzeit, die er emſig las und vielfach kritiſierte, an ſich. Er war ein kindlicher Menſch voll Herzensgüte und Naivität. Er lebte immer in ſeiner Gedankenwelt, ſo daß es ihm oft geſchehen konnte, an den einen Fuß einen Stiefel, an den andern einen Schuh anzu⸗ ziehen. Sein häufigſter Umgang war der Freund Schillers, Herr von Hoven ), der auch mit ihm die gleichen politiſchen

1) S. 284 f.

) S. 285.

) S. 297.

) Fr. W. von Hoven (1760 —1838) lebte 1785—1803 als Arzt in ſeiner Vaterſtadt Ludwigsburg.

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Gefinnungen begte.“ ') „Conz war nur in der literari⸗ ſchen Welt zu Haufe, in der gemeinen war er ein Fremd⸗ ling, und weil er glaubte, alle Menſchen ſeien ſo gut und kindlich wie er, ſo verging ſelten ein Tag, wo er ſich nicht in der guten Meinung von den Menſchen betrogen ſah. In religiöſer Hinſicht ſchien damals Conz nur den Glauben ſeiner römiſchen und griechiſchen Klaſſiker zu haben und in ihm erſt im ſpäteren Leben das chriſtliche Bewußtſein zu erwachen. Da ſah man ihn, ſtatt wie früher mit Ovids Verwandlungen oder dem Anakreon in der Hand, mit dem griechiſchen neuen Teſtament in ſeinem Garten gehen.“?)

Kerners Vormund, der Amtsſchreiber Heuglin, hatte den „ſinnigen Einfall“, Juſtinus bei dem Konditor Bechtlin in die Lehre zu ſtecken. „Voll Jammer wandte ich mich, ſo leſen wir weiter im „Bilderbuch“, „an meinen väter⸗ lichen Conz“. Dieſer ſchrieb von Tübingen aus: „Nein, Konditor ſollen Sie mir nicht werden.“ ) Auch aus der herzoglichen Tuchmanufaktur, wo Kerner Säcke zuſchneiden mußte, wurde er durch Conz erlöſt, der es durchſetzte, daß ſich Juſtinus zum Studium der Medizin nach Tübingen begeben durfte, nachdem Frau Kerner von Conz belehrt worden war, „daß die Koſten eines Studiums in Tübingen, wiſſe ein junger Menſch zu ſparen, nicht ſo groß ſeien, auch wolle er für Koſt und Logis um eine billige een unter ſeinem eigenen Dache jorgen“.*)

Mit dieſer letzten Erzählung ſind wir ſchon zu Conz' letztem und bedeutendſtem Lebensabſchnitt, ſeiner Wirkſam⸗ keit als Tübinger Profeſſor, gelangt.

Im Februar 1804 wurde an der Landesuniverſität durch den Tod David Chriſtoph Seybolds der Lehrſtuhl für klaſſiſche . frei und Conz übertragen, wozu ſich noch

ı) S. 298.

2) S. 299 f.

) S. 301 f., vgl. S. 383. ) S. 383.

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1812 die Profeſſur für Eloquenz geſellte. Conz war ordent⸗ liches Mitglied der philoſophiſchen Fakultät, deren Dekanat er mehrmals bekleidete. Seine Vorleſungen erſtreckten ſich auf griechiſche und römiſche Proſaiker und Dichter; er las namentlich über platoniſche Schriften, auch über mehrere Komödien des Ariſtophanes, einzelne Tragödien des Aeſchy⸗ lus, Sophokles und Euripides, ſodann über Tacitus, Se⸗ neca, Horaz, Perſius, Juvenal, Lukrez; zuweilen auch über Aſthetik, Geſchichte der ſchönen Literatur, Stiltheorie mit praktiſchen Übungen. Die Klaſſiker Roms und Griechen⸗ lands zu erklären, war ihm ſein liebſtes Geſchäft. Er ver⸗ fuhr dabei ſehr zweckmäßig, indem er zuerſt die Sprache verſtändlich, hernach den Inhalt deutlich machte und ſo die Hörer mit der Anlage und Bedeutung des ganzen Werks und dem tieferen Sinn des Schriftſtellers bekannt zu machen ſuchte. Mit glücklichem Erfolg führte er alle, die von ihm lernen wollten, in den Geiſt der alten Klaſſiker ein und ſuchte überhaupt, ſowohl in ſeinen öffentlichen Vorleſungen, als durch lehrreichen Umgang mit den Studierenden, wel⸗ chen er ſich mit offener Herzlichkeit und vieler Wärme hin⸗ gab, Begeiſterung für alles Gute, Wahre, Schöne zu er⸗ wecken.

Emſige Arbeit füllte das äußere Leben der letzten Jahr⸗ zehnte aus. Mit Reinhard, dem alten Jugendfreund, blieb Conz dauernd in Verbindung und beſuchte ihn Oſtern 1819 in Frankfurt, wo damals Reinhard als franzöſiſcher Geſandter weilte.“) Eine Main⸗ und Rheinfahrt führte die beiden zu Reinhards Apollinarisberg. Es herrſchte gerade das richtige Aprilwetter. „Als Reinhard das ihm von Goethe mitgeteilte Fragment des weſtöſtlichen Divans trotz dem Gebot der Geheimhaltung hervorzog, um den Freund an dem Genuſſe teilnehmen zu laſſen, entführte ein Windſtoß das Blatt, jo daß es mit Mühe aus dem Main wieder aufgefiſcht werden mußte.“ Dieſe romantiſche Fahrt

1) W. Lang, S. 456.

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war reich an poetiſchem Ertrag für Conz, der ſeinen letzten Blütenſtrauß 1824 herausgab. Reinhard ſelbſt hat ſchon im Herbſt 1800 drei Sonette von Conz mit den Verſen er⸗ widert !):

„Du bliebeſt treu dem deutſchen Eichenhaine.

Die Muſe, die einſt unſere Jugend weihte,

Geht dir, wie einſt, begeiſternd noch zur Seite.

Vergebens ruf ich ſie, nicht mehr die meine,

Verſühne ſie mir, daß ſie mir erſcheine

Und mir die Rätſel des Jahrhunderts deute.“

Die Friſche und Schlagfertigkeit, die ſich Conz bis zuletzt bewahrt hat, bekunden die von Eſchenmeyer ?) mitgeteilten Anekdoten. Der Medizinprofeſſor Autenrieth neckte Conz einmal wegen ſeiner Eloquenz. Conz ſetzte ſich in Poſitur und erwiderte ſcherzhaft: „Weiß Er, daß Er mir eine Katze erſpart? Meine Mäuſe haben Seine Disputationen ge⸗ freſſen und find alle daran krepiert.“ Als Autenrieth anläßlich einer Gedächtnisrede meinte, ein ſo langes Lob würde der Verſtorbene ſelbſt nicht ausgehalten haben, rief Conz: „Wenn ich Ihn einmal zu loben habe, werde ich kürzer ſein.“

Ein im Beſitz des Urenkels, Garniſonsprediger Conz in Ludwigsburg, befindliches Porträt zeigt ein breites, aber ſympathiſches Geſicht mit Zügen, die auf ſcharfes Nachdenken und inniges Fühlen ſchließen laſſen.

In ſteter Fühlung mit der Natur hielt den Dichter ein eigener, in der Nähe des Hirſchauerſtegs gelegener Wein⸗ berg und Garten, der viele Beſucher ſah, unter ihnen Uhland s), Waiblinger und Hölderlin). Der arme Hölder⸗

) Conz, Ged. 1824. S. 130 („Antwort“); vgl. S. 126—129 („Drey Sonnette“ uſw.).

2) Brief Eſchenmeyers an J. Kerner vom 18. Oktober 1849: Karl Mayer, „Ludwig Uhland, ſeine Freunde und Zeitgenoſſen. Erinnerungen“. 1867. II. S. 222.

3) Uhlands Tagbuch 1810 —1820. 1898. S. 214 u. ö.

+) Litzmann, S. 660. Waiblinger, „Friedrich Hölderlins

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lin unterhielt ſich bei ſolcher Gelegenheit damit, Blumen zu pflücken, die er nachher zerriß und in ſeine Taſche ſteckte.

Conz' letzte Jahre waren durch Krankheit getrübt. Wiederholt hatte er in Wildbad Heilung gejudt, erlag aber ſeinem Leiden, der Waſſerſucht, am 20. Juni 1827. Er ſtarb mit dem Bewußtſein, keinen Feind zurückgelaſſen zu haben. Die Teilnahme war allgemein. Dem Sarge folgten unter vielen Freunden Friedrich Haug, der Epigrammatiker, und Auguſt Gebauer, der religiöſe Lyriker.“) Der letz⸗ tere ſprach auf dem Tübinger Friedhof eine Elegie, der wir die Worte entnehmen wollen:

. . . „Wer als Künſtler Edles nur geſtaltet,

Der zeigt als Menſch ſich edel auch und rein.

So haſt du ſtets ein liebend Herz entfaltet; Verachtend Schmeichelei und leeren Schein,

Sprachſt du der Wahrheit kühn das Wort, dem Rechten, Kühn widerſtreitend, wo du's trafſt, dem Schlechten. Drum blieb dir bis zum letzten Lebensſchlage

Die Poeſie, die innere Jugend treu.

Das Leben war dir wert trotz mancher Plage,

Doch kannteſt du vor'm Tode keine Scheu.“

Wohl das ſchönſte Zeugnis aber hat dem Verſtorbenen Guſtav Schwab?) ausgeſtellt:

„Viele Männer unſeres Schwabenlandes erinnern ſich von ihren Studienjahren her recht wohl eines mit Fett gepolſterten Kopfes, dem die Wangen zu Mund und Augen kaum Platz ließen. Der ganze dicke Leib rührte ſich nur ſchwerfällig und die Lippen brachten in Geſellſchaft oder auf dem Katheder Töne hervor, die ſich mit Mühe zum Artiku—

Leben, Dichtung und Wahnſinn“. S. 241 f. (Wilh. Waiblingers geſammelte Werke, herausgegeben von H. v. Canitz. 1839. 3. Bd.).

1) Gebauer (1792—1852) war unter dem Pſeudonym H. Nebau bekannt.

2) Schwab, Schillers Leben. 1841. S. 462.

Von der Anregung, die Schwab ſeinem Lehrer verdankt, ſpricht auch Karl Klüpfel. („Guſtav Schwab. Sein Leben und Wirken.“ 1858. S. 26.)

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lierten fteigerten. Aber wenn der Mann ins Feuer kam und die blauen Augen zu leuchten begannen, ſo löſten ſich die Worte allmählich verſtändlicher von der ſich über⸗ ſchlagenden Zunge, feine Bemerkungen, gewürzte Scherze, ſprühende Funken des Geiſtes, ſelbſt tiefere Gedanken und gelehrte Unterſuchungen ließen ſich unterſcheiden und man konnte dem ſtammelnden Lehrer der Beredſamkeit das Zeug⸗ nis des alten Poeten nicht verſagen:

„In uns waltet ein Gott, ſein regend Bewegen er⸗ wärmt uns“.“

Der Gelehrte.

Conz iſt als Gelehrter und als Dichter tätig geweſen. Daraus ergibt ſich für ſeine Würdigung zunächſt die all⸗ gemeine Gliederung ſeiner ſchriftſtelleriſchen Tätigkeit in wiſſenſchaftliche und in poetiſche Schriften. Wir begegnen zuerſt einer Reihe von Abhandlungen, die Conz teils ſelbſt geſchrieben, teils herausgegeben hat und die hier zuſammen⸗ geſtellt werden.

Seine erſte wiſſenſchaftliche Arbeit war die erwähnte Diſſertation über Joel (1783), der Feinheit des Ge⸗ ſchmacks und geiſtige Verwandtſchaft mit Herder nach⸗ gerühmt wird.“)

Anonym folgte 1786 ein „Werkchen, deſſen Unvoll⸗ kommenheit er ſelbſt zu ſehr fühlte, als daß er es nicht mit einiger Schüchternheit dem Publikum hätte übergeben ſollen“:

„Über den Geiſt und die Geſchichte des Ritter: weſens älterer Zeit, vorzüglich in Rückſicht auf Deutſch⸗ land.“ 2) Eine Schrift ſolchen Inhalts muß heute notwendig veraltet ſein. Immerhin haben wir Conz' früh entwickelte Beobachtungsgabe und Urteilskraft anzuerkennen. Die griechiſchen Heroen, die bibliſchen Helden Simſon, Barak, Gideon faßt er unter demſelben Namen „Ritter“ zuſammen. Die Ritterzeit definiert Conz als die „Zeit der ſchwärmeri⸗ ſchen Tapferkeit, mit ſchwärmeriſcher, in ſteife Galanterie

1) Erſch und Gruber, „Allgemeine Encyklopädie der Wiſſen⸗ ſchaften und Künſte“. 1832. Sect. J. Thl. 22. S. 111. 2) Gotha 1786 „bey Carl Wilh. Ettinger“.

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gekleideter Liebe und Religion, nach geſellſchaftlichen Rech⸗ ten behandelt“. Erwähnt ſei der Seitenhieb, den Conz, wie er auf die politiſche Entartung des Nitterweſens zu ſprechen kommt, gegen die ſpäterhin von Uhland verſpotte⸗ ten „Schlegler“ führt:

„Man rechne hieher die Geſchichte, da der berüchtigte ſchwäbiſche Schläglerbund, eine Geſellſchaft, die ſich auf jeden guten Fang nach Schnapphahnen Art vereinigt hatte, den Grafen Eberhard von Würtemberg, ohne vorherigen Abſagbrief, ſchelmiſch im Städtchen Wildbad, wo er eben mit ſeiner ganzen Familie ausruhte, zu überfallen denkt, der jedoch noch glücklicher Weiſe der Freybeuterhorde ent⸗ wiſcht.“ ö

Gleichzeitig wurde ein ſtarkes Heft „Beyträge für Philoſophie, Geſchmack und Litteratur“ !) herausgegeben. Von Conz gezeichnet ſind:

„Nachruf, dem Andenken Leopolds 2) gewidmet 1785.“ „Auch einige Proben zu den vielen Proben einer deut— ſchen Aeneis.“ )

„Von einem Manuſcript Nenners auf der Kloſter— bibliothek zu Tübingen.“ Die Titel der übrigen Artikel lauten:

„Über die Einwirkung der ſchönen Künſte auf den Staat“ (aus der Rede am Geburtstag des Herzogs 1783).

„Brutus. Ein Monolog.“ “)

„Addiſons Cato 5. Akt in Jamben überſetzt.“

„Über Empfindungsvermögen und Phantaſie.“

) Reutlingen 1786 bey Johs. Grözinger. 2) Leopold v. Braunſchweig ertrank am 27. April 1785 bei einem Rettungsverſuch in Frankfurt a. O. Aufgenommen in die „Gedichte“: 1792. S. 189, 1806. S. 74; 1819. S. 89. Vgl. Fr. Bernritters (1754 —1803) „Wirtembergiſche Briefe“. (1786.) XXXVII. S. 106.

) VI. 1-160, 237—407, 535—678. In Hexametern.

) Auch veröffentlicht in Armbruſters (1761—1814) „Schwäbi⸗ ſchem Muſeum“ und Conz zuzuſchreiben.

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„Über das Leidenſchaftliche in der Kunſt. Ein Bruch: ſtück.“

„Über Träume.“

„Über die Philoſophie und Denkart des Tacitus. Von Mag. C. Fr. Stäudlin.“

„Überjegungen aus Pindar, erläutert.“

Eine religionsphiloſophiſche Studie iſt die Schrift:

„Schickſale der Seelen wanderungs⸗Hypo⸗ theſe unter verſchiedenen Völkern und in verſchiedenen Zeiten.“ !) Conz ſteht auf dem Boden Kants: 2)

„Der Glaube an die Fortdauer der Seele bleibt ſelbſt bei Verirrungen der Einbildungskraft ein verehrungs⸗ wertes Verlangen.“ Ein Verlangen der praktiſchen Ver⸗ nunft. Zuletzt nimmt Conz Stellung zu Leſſing. Er be⸗ kennt ſich zwar nicht zu deſſen Anſichten, ſpricht aber voll Achtung von dem „Erzieher des Menſchengeſchlechts“.s)

Es folgen nun zwei wertvolle literaturgeſchichtliche Beiträge.

Der erſte dient dem Gedächtnis Nikodemus Friſch⸗ lins.“) Friſchlin, der gelehrte, aber unruhige Schwabe, der 1590 bei ſeinem Fluchtverſuch von Hohenurach einen jähen Tod fand, erfährt ſchon vor Strauß' größerem Werk durch Conz eine gewiſſe Ehrenrettung: „Friſchlin war einer

) Königsberg 1791 bey Friedrich Nicolovius.

2) Kant ſelbſt wird an keiner Stelle erwähnt, doch weiſen ſchon dieſe Worte des „Vorberichts“ ausſchließlich auf ihn. Be⸗ zeichnend iſt auch der Erſcheinungsort.

8) Als Ergänzung genannt ſeien die unter Schleier: machers Auſpizien entſtandenen Aufſätze (Tübingen 1801): „Rhapſodien moraliſchen und religiöſen Inhalts, mit einem Anhange von Briefen über die Religion, als Beiträge zur Würdi⸗ gung des Geiſtes unſrer Zeit.“ Beachtenswert iſt das mannhafte Eintreten für den „Atheiſten“ Fichte (S. 134 ff.).

3) „Nikodem Friſchlin, der unglükliche Wirtembergiſche Ge: lehrte und Dichter. Seinem Andenken von Conz.“ Frankfurt und Leipzig 1791. Aus dem Sausleutnerſchen Archiv beſonders ab⸗ gedruckt mit einem neuen Titelblatt Königsberg 1792. Auch auf⸗ genommen in die „Kleineren proſaiſchen Schriften“. I. 1821.

ne, Di. ge

der größten Grammatifer und Humaniſten, einer der vor⸗ züglichſten Verſifikateurs. Seine Elegien haben eine ovidia⸗ niſche Leichtigkeit und rollen wie Wellen über Kieſel hin⸗ weg. Seine Komödien haben oft überraſchend ſchöne Züge und glückliche Wendungen. Seine lateiniſche Proſa iſt kraftvoll und trägt beinahe wie die Huttenſche den Stempel eines kernhaften Deutſchen. Es iſt ſo leicht, ihm gegenüber auszurufen: „Niger est, hunc tu, Romane, caveto!“ Friſchlins Streit mit Martin Cruſius wird lebendig, ſeine Gefangenſchaft gefühlvoll geſchildert. Die biographiſche Skizze ſchließt mit der Reflexion: „Friſchlin ruht nun von ſeinem Irren ſo lange ſchon auf dem Kirchhofe zu Urach. Kein Denkmal zeichnet ſein Grab. Der Stein, der ihm geſetzt war, ſoll durch einen launiſchen Wechſel der Zeit, die oft wie eiferſüchtig auf das Andenken wichtiger Männer zu ſein ſcheint, in eine Herdplatte umgewandelt worden ſein.“ !) | Die andere Abhandlung iſt betitelt „Nachrichten vo

dem Leben und den Schriften Rudolph Weckherlins“.2) Sie war ſeinerzeit die einzige?) vollſtändige Notiz über dieſen Vorläufer von Opitz und wird auch von der neueſten “) Forſchung gerühmt. Conz war durch die Außerung Her⸗

1) Conz hatte einen Vorläufer gehabt in Schu bart. Be: kannt iſt auch deſſen Anmerkung zu dem Gedichte „Friſchlin“: „Der Literator würde mich dauern, dem ich's erſt erweiſen müßte, daß Friſchlin ein vortrefflicher Kopf war. Der Dichter, Redner, ge: ſchmackvolle Philolog, noch mehr, der Märtyrer für die Wahrheit, einigte ſich in ihm. Noch hat er weder Monument, noch Biographen. Alſo, einſtweilen nur dieſe Rosmarinſtaude auf ſein Grab.“ (Schu⸗ barts Gedichte, hiſtoriſch⸗kritiſche Ausgabe von Guſtav Hauff. S. 76.) Nicht lediglich auf das romantiſche Motiv, ſondern wohl auch auf die Anregung durch Schubart und Conz iſt zurückzuführen, daß Kerner Friſchlin in den Stanzen der „Denkmale“ beſungen hat.

2) Ludwigsburg 1803.

) „Nekrolog“ 1827. S. 627.

) Herm. Fiſcher, „Georg Rudolf Weckherlin“ („Beiträge zur Litteraturgeſchichte Schwabens.“ 1891. S. 1) und „Die ſchwäbiſche Litteratur im 18. u. 19. Jahrhundert“. 1911. S. 5 und 170.

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ders angeregt worden: „Wenn ich ein Schwabe wäre, wollte ich mir eine Ausgabe dieſes Dichters in ſeinen beſten Stücken nicht entgehen laſſen und ein Idiotikon ſeiner Sprache mit ihm liefern.“ Conz beklagt die Gleichgültig⸗ keit von Weckherlins Zeitgenoſſen, die nicht einmal ſein Todesjahr !) angeben könnten, bringt Gedichtproben und wendet ſich an deren Hand gegen die Überſchätzung von Opitz und Unterdrückung Weckherlins, des „ehrenvollen Mit: ſtreiters um den parnaſſiſchen Kranz“. Conz hat nicht nur das Verdienſt, Weckherlin zuerſt ausführlich behandelt zu haben, manche ſeiner Angaben, die ſich auf heute ver: lorene Dokumente?) gründen, ſind von bleibendem Wert. „Conz vereinigte mit der Feinfühligkeit eines Dichters und Gelehrten den Vorzug, daß er als Weckherlins Landsmann leichteren Zugang zu den biographiſchen Quellen hatte.“)

Nur kurze Dauer war dem von Conz herausgegebenen „Muſeum ) für die griechiſche und römiſche Litteratur“ beſchieden. „Durch die Kriegszeiten wurde das Inſtitut bald abgebrochen. Schiller wollte einen Auf— ſatz über Quintilians Grundſätze der Erziehung beiſteuern. Wichtigeres verhinderte ihn, Wort zu halten, und der be— ſcheidene Herausgeber wollte nicht weiter mahnen.“ “)

Wir laſſen die Inhaltsüberſicht folgen.

1. Stück (1794). |

1. Über die Proſa und Poeſie der Alten. Vom Heraus:

geber.

1) Es ſteht jetzt feſt, daß Weckherlin am 15. September 1584 zu Stuttgart geboren wurde und am 13. Februar 1653 in London ſtarb. In der Überſchrift des Gedichtes „Rudolph Weckherlin“ (Conz' Ged. 1819. S. 42) iſt noch 1651 als Todesjahr genannt.

2) Weckherlins Gedichte (herausgegeben von H. Fiſcher) III. S. 179 u. Conz' „Nachrichten“ VII. u. S. 24, Anm.

) Weckherlins Ged. III. 179.

) Es kam 1794 —1795 in 3 „Stücken“ bei Ziegler u. Söhne in Zürich heraus.

5) „Zeitung für die elegante Welt.“ 1823. „Einiges über Schiller.“

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2. Cicero über Tod und Unſterblichkeit. Von Herrn Profeſſor Drück!) in Stuttgart.

3. Axiochus, oder über den Tod, ein Dialog von Aeſchi⸗ nes, dem Sokratiker. Vom Herausgeber.

4. über Virgil und die Aeneis. Von Herrn Prof. Bodmer.

5. Ein paar Worte zur Nettung der Aeneis an Bod⸗ mer. Von Joh. Jak. Hottinger.

6. Ein paar Worte über die Frage: Wie ſoll man die alten Dichter überſetzen, in ihren Silbenmaßen oder in ge⸗ reimten.?)

7. Niſus und Euryalus. Aus dem 9. Geſang der Aeneis. Von Neuffer.

8. Hilmer und Werthing, ein Dialog, veranlaßt durch Klopſtocks grammatiſche Geſpräche.

9. Beilage zum obigen Dialog.

2. Stück (1795).

1. Warum heißen die ſchönen Redekünſte bei den Rö⸗ mern artes liberales, liberae, ingenuae, humaniores? Und über den Begriff des Ausdrucks „humaniſtiſche Litteratur“. Nach Kantiſchen ?) Ideen vom Herausgeber.

2. Cicero über Tod und Vnſterblichkeit (Fortſetzung).

3. Ariſtoteles über die Dichtkunſt. Von Prof. Buhle in Göttingen.

) Drück (1754—1807) war Profeſſor an der Karlsakademie. Conz hat ſeine Schriften 1811 in 3 Bänden geſammelt und heraus⸗ gegeben.

) Conz entſcheidet ſich für die von Klopſtock, Ramler, Voß, Bürger vertretene Auffaſſung, für die Versart des Originals.

) Die in Kants Kritik der Urteilskraft gegebenen Betrach⸗ tungen über die „Propädeutik zu aller ſchönen Kunſt“, die Humani⸗ tät, als „allgemeines Teilnehmungsgefühl“ einerſeits und als das „Vermögen, ſich innigſt und allgemein mitteilen zu können“ anderer⸗ ſeits, werden in einfacher und naheliegender Weiſe erläutert und Conz ſtellt zuletzt die Forderung auf, der „wahre Philologe“ müſſe „mit einer gewiſſen Proportion derjenigen Seelenvermögen aus⸗ geſtattet“ ſein, „durch die ſolche Werke, an deren Auslegung er ſich begibt, hervorgebracht wurden“.

4. Die Erinnyen oder die Eumeniden. Mit Anhang (Conz' Gedicht: „Die Eumeniden“).

5. Einige Bemerkungen über die hiſtoriſche Kunſt der Alten.

6. Geſchichte der Piſoniſchen Verſchwörung gegen Nero. Aus Tacitus.

An das Publikum.

3. Stück (1795).

1. Politiſche Meinungen der Alten.

2. Etwas über die Satyre der Römer und über Ju— venal.

3. Juvenals 7. Satyre.

4. Antonius und Kleopatra. Nach Plutarch.

5. Quintilians Lehren und Warnungen an junge Schriftſteller.

Eine kurze, aber treffende Charakteriſtik Wielands gibt: Laudatio Wielandii, habita a Carolo Philippo Conz. Accessit sermo de Niceta et Cinnamo, Byzantinis historicis. Tubingae 1818.“

Die meiſten ſeiner Aufſätze ſammelte Conz in den „Kleineren proſaiſchen Schriften ver- miſchten Inhalts“. )

Im erſten Bändchen (1821) begegnen wir außer der Friſchlin⸗Studie einer ſolchen über Johann Valentin Andreäs Mutter. Daran ſchließt ſich die Gedächtnisrede auf den Tod der Königin Katharina von Württemberg an, gehalten am 7. März 1819. Nun folgt ein Aufſatz: „Ueber 1) Tübingen 1821. 1822. Vgl. „Morgenblatt“ 1808. 1812. Neue Sammlung Ulm 1825 mit dem Titel: „Kleine proſaiſche Schriften oder Miscellen für Litteratur und Geſchichte.“

An dieſer Stelle ſei auch genannt Conz' Vorrede zu Eberh. Fr. v. Gemmingens (1726—1791) „Lebensbeſchreibung Heinrich Schickard's, Baumeiſters von Herrenberg“, die Regierungsrat Uex⸗

küll neu herausgab (Tübingen 1821). Conz und Gemmingen ſind verwandte Naturen, beide mehr Denker, als Dichter.

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lyriſche Poeſie und ihre verſchiedenen Arten“ !) mit der poe⸗ tiſchen Definition 2) des Lieds als eines „Bachs, der unter einem Felſen oder wie durch einen Zauberſchlag plötzlich aus der Tiefe entſpringt, durch die Muſik ſeiner Wellen bedeut⸗ ſam die Muſik unſres Herzens aufregt, durch Blumen forteilt und verſchwindet“, und der Ode als eines „Stroms, über den Felſen geboren, man kennt die Stätte ſeiner Geburt nicht, durch Wälder und Klippen ſtürzt er daher, er wächſt im Laufe, ſeine frohlockenden Wogen begrüßen ferne Länder und Reiche und freudig eilt er in den Ozean“.

Dann kommen in dieſer Reihe „Einige Bemerkungen über Xenophons geſchichtſchreiberiſchen Charakter“, die ſchon 1806 in Hauffs ) „Zeitſchrift für klaſſiſche Litteratur“ Auf⸗ nahme gefunden hatten, und „Bemerkungen über den ſitt⸗ lichen Wert der Sophokleiſchen Tragödie“.

Ferner „Fragmente über die religiöſen Gefühle als Beiträge zu einer religiöſen Anthropologie“. (Aus den „Rhapſodien“.) “)

1) Vgl. „Morgenblatt“ Nov. 1808.

2) Conz erſcheint hier als Jünger Schillers und Herders. Er muß einerſeits die 5. Strophe des „Grafen von Habsburg“ im Auge gehabt haben ſowie die erſte der „Macht des Geſanges“ („Ein Regenſtrom aus Felſenriſſen“ uſw.), andererſeits Herders „Frag⸗ mente über die Abhandlung einer Ode“ (Herders ſämtliche Werke, herausgegeben v. Bernh. Suphan, 32. Band, S. 62 f.), wonach der „Geiſt der Ode ein Strom, der alles Bewegbare in ſeinem Strudel fortreiße“. Vgl. auch Vorbericht (S. 34, 36) zu Klopſtocks „Kleinen poetiſchen und proſaiſchen Werken“. (Frankfurt und Leip⸗ zig 1771.)

5) J. B. 2. St. S. 39—50. Der Jahrgang 1805 (1. B. 1. St. S. 179 ff.) brachte „drei Briefe des Horaz in Hexametern überſetzt“. In Hauffs „Philologie“ erſchienen von Conz: Über die Elegie der Alten und die vornehmſten elegiſchen Dichter“ (1803 im 1. u. 2. Stück); „Bemerkungen über Sophokles Odipus Tyrannus“ und „hexametriſche Überſetzung des 17. Briefs aus dem 1. Buche der Horaziſchen Epiſteln“ (1804 im 3. Stück).

) Siehe S. 20 Anm. 3.

=, 96

Nach dieſen mehr philologiſchen Arbeiten folgt die von Rich. M. Meyer, wie wir in unſerer Einleitung erwähnt haben, zu Unrecht abfällig beurteilte „Novelle“ oder viel: mehr pfychologiſche Skizze

„Der Zweifler an feiner Perſönlichkeit“.!)

Es handelt ſich um eine fingierte Unterredung mit einem Geiſtesgeſtörten, deſſen Wahnſinn Methode hat. Der Zweifler fragt ſich nämlich: „Bin ich das in dem Strom dort, oder das, was in den Strom ſieht?“ Conz knüpft an dieſe Frage die Sentenz, daß ein maſchinenmäßiges, ge— dankenloſes Dahinleben wertlos ſei. „Verwunderten wir uns mehr über uns, wir würden die Menſchen mehr be⸗ wundern.“ „Erkenne dich!“ ſei „Haustafel zur Förderung der inneren Okonomie“.

Das zweite Bändchen (1822) der „Kleineren proſaiſchen Schriften“ enthält:

Panthea.?) Nach der Kyrupädie.

Kaiſer Friedrich II. und ſein Sohn Heinrich.“)

Erneuerung des Andenkens an Huß.“)

Andenken an Gottfr. Ploucquet,“) Prof. der Logik und Metaphyſik in Tübingen (1790).

1) Zuerſt veröffentlicht in „Maucharts allg. Nepertorium für empiriſche Psychologie“ (5. B. 1794. S. 54 ff.). 1798 ib.: „Ein paar Worte über den Streit der Sittlichkeit und der Kunſt“; „über den Philoktet des Sophokles“.

0 ) Siehe auch J. G. Jakobis Taſchenbuch „Iris“. 1811. S. 85 is 113.

) „Rhein. Taſchenbuch“. Darmſtadt 1821. „Hiſtoriſche Auf⸗ ſätze zur Geſchichte des hohenſtaufiſchen Hauſes“: „Europäiſche An⸗ nalen“ 1804 (4. Stück S. 72—108); „Friedrich J. in Italien, Be⸗ lagerung von Tortona, Einzug und Krönung des Kaiſers in Nom“: „Jaſon“ 1811. (11. St. S. 201—225); „Belagerung und Verheerung Mailands 1162, Barbaroſſas Kreuzzug und Tod“: „Nhein. Taſchen⸗ buch“ 1820 und Conz' „Neue Sammlung“ (Ulm 1825).

) „Cäcilia“, herausgegeben von D. J. F. Bahnmaier. 1818 (Okt. u. Dez.).

5) Ploucquet (1716—1790) wird in „Schillers Heimatjahren“ (1. 12. Kap.) von Hermann Kurz launig geſchildert.

ei DT Sei

Über das Feierliche in Briefen.!)

Schickſal, Notwendigkeit und Strafgerechtigkeit mit Be⸗ ziehung auf einen Aufſatz in den Horen.?)

Das Wunderbare.)

Hiſtoriſche Miscellen 1. Abt.

Hiſtoriſche Miscellen 2. Abt.

Analekten.

Aſterisken.

Die früher erwähnte Studie über den Renner des Hugo von Trimberg.“)

Die „Kleinen proſaiſchen Schriften oder Miscellen für Litteratur und Geſchichte“ (1825) endlich behandeln den Humaniſten Heinrich Bebel, ) Arioſt,5) Homer,“) Aeſchylus,) deſſen „Schutzflehende“ Conz 1820 überſetzt hatte. Die Studie „Das Lächerliche“ findet ſich auch bei Mauchart.)) Sodann werden Peter von Mo⸗ rone (Papſt Cöleſtin V.) und Rienzi ſkizziert. Den Schluß machen aus dem „Morgenblatt“ und der „Zeitung für die elegante Welt“ geſammelte „Kleine hiſtoriſche Miscellen“, „Kleine morgenländiſche Erzählungen“, „Analekten“ und „Blütenſtaub“.

) Maucharts „Repertorium“ 1792. S. 261.

2) 1795 7. Stück. Siehe auch: C. Fr. Stäudlins „Beiträge zur Philoſophie und Geſchichte der Religion und Sittenlehre“ (4. B. S. 51—82). Dieſer Aufſatz will uns mit der verſchrieenen „Schick⸗ ſalstragödie“ ausſöhnen. Vgl. ferner die „Weiteren Bemerkungen in Stäudlins „Magazin für Religion, Moral und Kirchengeſchichte“ 1801 (1. B. 1. St. S. 187—215).

3) Maucharts „Repertorium“ 1801. S. 311 ff.

) Conz' „Beyträge für Philoſophie, Geſchmack und Litteratur“, 1786. Siehe auch Ahlands „Schriften zur Geſchichte der Dich⸗ tung und Sage“ (II. 1866. S. 191 f.) anläßlich der Vorleſung (1830/31) über die Geſchichte der altdeutſchen Poeſie.

) Siehe auch „Allgemeine Encyklopädie der Wiſſenſchaften und Künſte. Herausgegeben von Erſch und Gruber“. 1822. 1820. 1819.

) „Inwiefern iſt Homer auch romantiſch zu nennen? oder über ſein Verhältnis zu den romantiſchen Dichtern.“

) III. 1796.

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Ein Beitrag zur ſchwäbiſchen Hofgeſchichte iſt die hiſto⸗ riſche Miscelle „Graf Andreas von Sonnenberg, Freiherr von Werdenberg und Herzog Ulrichs Hochzeit“.

In verſchiedenen Zeitſchriften zerſtreut iſt noch eine ganze Schar von Aufſätzen, von denen hier nur die wich⸗ tigſten aufzuzählen ſind:

Die Klaglieder Jeremiä mit einer kritiſchen Einleitung in dieſelben.“)

Bemerkungen über das Buch Sirach, über Johannes und Jeſus.?)

War die Unſterblichkeit den alten Ebräern bekannt und wie? )

Nahum und Habakuk neu überſetzt.“)

Wallfahrt nach dem Staufenberg. Roſenſtein ein altes Schloß. Zwei dithyrambiſche Schilderungen in Proſa.?)

Der Vollſtändigkeit halber ſei ſchließlich auf einige kleine philologiſche Abhandlungen hingewieſen, Disputatio⸗ nen, Diſſertationen, Univerſitätsprogramme, die von Conz ſtammen oder auf ihn zurückzuführen ſind.

„Observationes philologicae ad Sophoclis aliquot loca, praesertim ex Ajace illius Lorario.“ Tübingen 1813.

„Quaestiones in Homerum atque Hesiodum illustrandos atque inter Se comparandos, defendit auctor A. E. C. Cless.“) Tübingen 1814.

„Tragoediae graecae primordia et progressus. A. C. Pfaff.“ Tübingen 1814.

1) Bengels „Archiv für Theologie“ 1814.

8 17 „Muſeum für Religionswiſſenſchaften“. 1804. 176 ff.

) H. Eberh. Paulus' (1761 —1851) „Memorabilien“. 1792. Stück 3.

) Fr. Stäudlins „Beiträge zur Erläuterung der bibliſchen Propheten“. 1785. 1. Th.

) Haugs „Schwäb. Muſeum“. 1780. Als frühzeitiger lite⸗ rariſcher Verſuch des jungen Conz von Intereſſe.

6) Diſſertation des ſpäteren Oberſtudienrats Aug. Eberh. Carl Cleß (17941874).

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an. DO:

„In anthologiam graecam disputationes duae.“ Tü⸗ bingen 1813.

„In Horatium disputata quaedam.“ Tübingen 1824.

„Observatiunculae in locos aliquos Aristophaneae fabulae Aves inscriptae.“ Tübingen 1826.

Conz' proſaiſche Überjegungen zeigen ſeine Be⸗ ſchäftigung mit Stoizismus und Pantheismus.

Hierher gehören:

„Seneca, Von der Ruhe des Geiſtes, der Unerſchütter⸗ lichkeit des Weiſen und der Vorſehung; mit einer eigenen Abhandlung über die Zufriedenheit.” ?)

„Seneca, Über das glückliche Leben, von der Kürze des Lebens und von der Muße des Weiſen, verdeutſcht und mit Anmerkungen.“ )

„Seneca, An Helvia und Martia, überſetzt und mit einer eigenen Abhandlung über Senecas Leben und ſitt⸗ lichen Charakter begleitet.“ ?)

„Abhandlungen für die Geſchichte und das Eigenthüm⸗ liche der ſpäteren ſtoiſchen Philoſophie, nebſt einem Verſuch über Chriſtliche Kantiſche und Stoiſche Moral.“ )

„Benedikts von Spinoza theologiſch⸗politiſche Abhand⸗ lungen, mit einer einleitenden Vorrede und einigen An⸗ merkungen begleitet.“ 5)

Dem franzöſiſchen Klaſſizismus kam entgegen die Über: tragung von Racines „Britannicus“.“)

Conz' Lieblinge waren aber die antiken Dichter. Aeſchylus, Euripides, Ariſtophanes und Lukrez haben ihn beſonders angezogen.

„Die Stufen des Menſchen. Ein Gemälde aus dem

1) Stuttgart 1790. 2) Stuttgart 1791. 2) Tübingen 1792. 4) Tübingen 1794. 5) Stuttgart 1805. s) Tübingen 1825.

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Lukrez.!) 5. B., V. 923—1456,“ in Hexametern, ſcheint unter der Agide von Voß entſtanden zu ſein, dem Conz perſönlich naheſtand.

Einen Mittelweg zwiſchen Voß und Wieland ſchlägt die Überſetzung des „Plutos“ und der „Fröſche“ des Ar i ſt o⸗ phanes?) ein, die hier mit den Worten Wilh. Schmids zum Neudruck von Ludwig Seegers Ariſtophanes charakte⸗ riſiert ſei: „Der Tübinger Profeſſor Conz traf in Plutos und den Fröſchen den launigen Ton und manche Einzel⸗ heit nicht übel, glaubte aber dem Voß'ſchen Grundſatz vom „Versmaß der Urſchrift“ durch Beibehaltung der Tri: meter im Dialog ein Opfer bringen zu müſſen.“

Metriſche Verdeutſchung durch Conz erfuhren des⸗ gleichen die Aeſchylus- Dramen?) „Die Choephoren“ (1811), „Agamemnon“ (1815), „Die Eumeniden“ (1816), „Die Perſer“ (1817), „Die Sieben vor Thebä“ (1817), „Der gefeſſelte Prometheus“ (1819), „Die Schutzflehenden“ (1820).

Conz' „Analekten“ ) oder „Blumen, Phantaſien und Gemälde aus Griechenland“ waren Verſuche an Ana⸗ kreon, Euripides („Jokaſte und ihre Söhne, Szene aus den Phönizierinnen“, „Medea“, in drei Aufzügen nach Euri⸗ pides, in fünffüßigen, reimloſen Jamben) und an Theokrit (einige Idyllen).

1) Stuttgart 1805.

2) Plutos: metriſch überſetzt Tübingen 1807. Fröſche: Zürich 1808. Letztere Überjegung auch in Wielands „Neuem Attiſchen Muſeum“ (2. Band, 2. Heft). Die „Weſpen“ gab Conz 1824 her⸗ aus: „Aristophanis Vespae. Comoedia. Edita et notis Brunckii aliorumque et suis instructa.“ In Wielands „Neuem Teutſchen Merkur“ erſchien im Oktober 1792 Theokrits 2. Idylle und im Dez. 1801 der 1. Akt aus der Aulularia des Plautus.

) Conz betont im Vorwort zu „Agamemnon“ die „ſtrenge Handhabung der verſchiedenen Versmaße der Urſchrift“ und verficht

nachdrücklich ſeine Methode. ) Leipzig 1793.

Der Dichter.

Im Jahre 1792 erſchien die erſte Gedichtſammlung von Conz; weitere 1806, 1818/19, 1824. Zwiſchen den einzelnen Gedichtſammlungen hat ſich der Dichter ſichtlich weiter⸗ entwickelt.

Wenn man die „Schildereyen aus Griechenland“ (1785), das größere Gedicht „Moſes Mendelsſohn“ (1787), ebenſo die „Morgenländiſchen Apologen“ (1803) und „Bäb⸗ liſchen Gemälde“ (1818) zu den Gedichtſammlungen hinzu⸗ nimmt, jo kann man, mit Conz' eigenen Worten Bor: wort zu „Moſes Mendelsſohn“ ſeinen Entwicklungsgang als Übergang vom Iyrijhen Dichter zum didaktiſchen dar: ſtellen. |

Die Stoffe, die Conz mit Vorliebe behandelt hat, ſind antike, morgenländiſche, germaniſche, vorwiegend auf reli⸗ giöſer Grundlage. Dieſe Stoffwahl iſt für den Dichter charakteriſtiſch. Das Endziel iſt didaktiſcher Art, eine Ver⸗ ſchmelzung Klopſtockiſcher und Schilleriſcher Lebensauf⸗ faſſung.

Die Unterſuchung der formalen Seite der Conz'ſchen Dichtung muß ſich zunächſt mit der Einteilung beſchäftigen, die Conz ſeinen Gedichten gibt.

Im Gedichtband vom Jahr 1792 fehlen alle näheren Benennungen, in der Sammlung von 1818 teilt Conz ein: „Lyriſche Gedichte, Hymnen, Elegien, Balladen, Romanzen, Legenden, Sermonen, Epiſteln, Diſtichen.“ In der Samm⸗ lung von 1806 ſcheidet er „Morgenländiſche Gedichte“ aus; 1824 erſcheinen die Gedichte als: „Heilige Gemälde, Lyriſche

au. Jr

Gedichte, Romanzen, Balladen, Legenden, Vermiſchte Ge- dichte, Diſtichen“, als „Zugabe“ unter anderem „Arabiſche Lieder“. Schon dieſe Namen zeigen Conz im Weſentlichen als klaſſiziſtiſchen Dichter.

Conz benützt als Versmaße außer den gereimten Lied⸗ formen auch freie Rhythmen, antike Vers⸗ und Odenmaße.

Die alkäiſche Strophe begegnet uns, wenn auch ver⸗ hältnismäßig ſelten, in jeder Sammlung !) des Dichters, einmal gereimt; 2) daneben die dritte und vierte asklepia⸗ deiſche s) und die ſapphiſche.“) Bei letzterer hat Conz in Anlehnung an Andere den bei den antiken Klaſſikern an dritter Stelle ſtehenden Daktylus an die zweite gerückt. Die Romanze „Herzog Ezzel“ ) iſt in fünffüßigen reimloſen Trochäen gehalten, in vierfüßigen reimloſen Trochäen die Romanze „Serlo“.“) Gereimte Trochäen hat Conz in zwei Legenden verwertet”) Das Gedichtchen „Beſte Wahl“)

1) Z. B. „An den Frühling“. 1785. (Ged. 1792. S. 47); „Der Hain der Eumeniden“. (1806. S. 10); „Die Nemeſis“. (1818. S. 97); „Beim Sonnenuntergange“. (1819. S. 28); „Nachtigallenhain“. (1824. S. 69).

2) „Herbſttag“. (Ged. 1824. S. 274.)

) An meine gypſene Venus“. (Ged. 1792. S. 61); „Abſchieds⸗ lied. An Reinhardt“. 1783. (Ged. 1792. S. 123); „Die Geduld des Weiſen“. 1793. (Ged. 1806. S. 42); „Das Wort der Natur“. (Ged. 1806. S. 46). Das „Abſchiedslied“ entſpricht der dritten asklepiadeiſchen Strophe, beginnt aber mit dem Asclepiadeus minor, ſtatt mit dem Glyconeus. Die übrigen Gedichte find in korrekten vierten asklepiadeiſchen Strophen gehalten.

) „Trennung“ (Ged. 1792. S. 141; 1806. S. 144); „Hymne“ (Ged. 1806. S. 85); „Denkmal“ (Ged. 1806. S. 88; mit dem Titel „Andenken“ [1794]: Ged. 1818. S. 35); „An meinem Geburtstage. 28. Okt. 1814“. (Ged. 1818. S. 72).

) Ged. 1819. S. 287. Ferner die Romanzen „Triſtans Tod“ (Ged. 1819. S. 139) und „Irene“ (1819. S. 145) und die Lieder „Frühlingserinnerung“ (1824. S. 71) und „Abſchied“ (1824. S. 72).

) Ged. 1824. S. 157. Desgl. „Giromei und Imelde“ (Ged. 1824. S. 151).

) „Klaudia“ (Ged. 1824. S. 229); „Hubertus“ (1824. S. 248).

) Ged. 1824. S. 278.

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erzielt durch eine glückliche Miſchung zweifüßiger und vier: füßiger Trochäen die gewollte ſcherzhafte Wirkung. Die Jamben treten zurück.!)

In den erſten Gedichten finden ſich vielfach Hexameter, deren Mangel an äußerer Glätte zu tadeln iſt. Conz wehrte ſich aber im „Vorbericht“ der „Bibliſchen Gemälde“ (1818) gegen den Vorwurf, „er kümmere ſich mehr um die innere, als um die äußere Form und laſſe ſich falſche Daktylen ent⸗ ſchlüpfen“. Er beruft ſich auf Voß, der „z. B. Ilias VIII. 548 ff. auch da, wo durch eine Hebung oder durch Verſtär⸗ kung des Tons Kürzen zu Längen werden können, die Kre⸗ tiker (!) oft wie Moloſſen gebrauche“.

Als deutſche Strophe iſt die Nibelungenſtrophe ?) zu nennen, welche der ſpäteren Produktion des Dichters an⸗ gehört.

Die von Conz verwendeten romaniſchen Gedichtformen ſind: Stanze, Terzine, Sonett, Canzone, Vaudeville.

Ein petrarchiſierendes Jugendgedicht (1790) führt den Titel „Sonnett“,3) obwohl wir es mit einer Stanze zu tun haben. Dann finden wir die Stanze erſt in den beiden letz⸗ ten Sammlungen wieder.“) Die Stanzen wahren gewöhn⸗

1) Die Sammlung vom Jahre 1824 enthält drei Legenden „Johannes“ (S. 198); „Eliſabeth“ (S. 212); „Kanut“ (S. 216) in vierfüßigen reimloſen Jamben, während die Legende „Der Gang nach der Kapelle“ (S. 220), die Romanze „Die kranke Braut“ (S. 225) und die rheiniſche Volksſage „Hans Brömſer von Rüdes⸗ heim“ in fünffüßigen gereimten Jamben aufgebaut ſind, welche zur Beweglichkeit der Handlung beitragen.

2) „Der Churfürſt von Sachſen“. 31. Okt. 1817. (Ged. 1818. S. 117); die Ballade „Die Finnenhochzeit“ (Ged. 1818. S. 249); „Heinrich der Vogler“ (Ged. 1819. S. 39); „Huß“ (Ged. 1819. S. 310); Barbaroſſas Tod“ (Ged. 1824. S. 266). Stets mit der z. B. aus Uhland bekannten Verkürzung der letzten Halbzeile.

3) Ged. 1792. S. 151.

4) „Die Trauernden. Zum Andenken einer edlen Frau“. 1812. (Ged. 1818. S. 126); „Das heilige Land“. 1812. (Ged. 1819. S. 3); „An Graf Reinhard beim Tode ſeiner Gattin. geb. Reimarus. März 1815“. (Ged. 1819. S. 30); „Worte der Weihe“ (Ged. 1819. S. 147); „Den Manen der Königin Katharina Februar 1819“. (Ged. 1819.

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lich die ſtrenge Form der Ottave Rime. Nur eine Aus⸗ nahme hat ſich Conz geſtattet. Wie Wieland im „Oberon“ der Anapäſte, jo hat Conz in dem Gedichte „Philoktetes“ !) ſtatt der üblichen Jamben ſich der Trochäen bedient.

In Terzinen iſt die Legende „Die Geiſtermeſſe“ 2) und die Elegie „Der Traum“ ?) gehalten.

Zum Sonett hat ſich Conz ſeinerſeits „bekehrt“,“) in⸗ dem er Fouqué zu einem „Sonnettenſpiel“ ) auffordete. Selbſt in den religiöſen Gedichten herrſcht das Sonett“) gegenüber der Stanze und dem von Conz ſonſt ſehr geſchätz⸗ ten Hexameter“) vor. Conz' Quartette und Terzette rich⸗ ten ſich im allgemeinen nach der klaſſiſchen Form.s)

Die Canzone „Petrarcha an Italien 1327.“ 9) iſt ein jambiſcher Sechzehnzeiler. “)

Conz hat auch ein Vaudeville von Olivier Baſſelin )

S. 349); „Monologe“ III. (Ged. 1824. S. 58), IV. (S. 62); „Der toten Freundin“. 1821. (Ged. 1824. S. 117); „An Baron von L. [Laßberg, vgl. Schwabs „Spuk auf dem Bodenſee“], Herausgeber des Liederſaals“. 1820. (Ged. 1824. S. 296); „Kleobis und Biton“ (Ged. 1824. S. 321).

1) Ged. 1819. S. 141.

2) Ged. 1819. S. 237.

) Ged. 1819. S. 329.

) Uhland: „Die Bekehrung zum Sonett.“

) „An Fouqué“. (Ged. 1824. S. 310.)

) „Heilige Gemälde 1. Abt. in Sonnetten“. (Ged. 1824. S. 1 ff.)

) In Hexametern iſt hier nur das Gedicht „Die Verſuchung Chriſti“. (S. 46.)

) Von den „Drey Sonnetten an den Grafen Reinhardt“ (Ged. 1824. S. 126 ff.) iſt im zweiten Sonett das Schema abba abba // cde / cde ſtreng gewahrt, während im erſten und dritten die Terzette freier gehandhabt werden: cdd / ccd und ede dee. Im Sonett „An Gräfin S. R.“ (Ged. 1824. S. 133) Schema der Quartette: abab / abab.

9) Ged. 1824. S. 288.

1) Das von Conz eingehaltene Schema ift: abe bac // ede edd / fgfg.

) „Vaudeville. Von Olivier Baſſelin. (Aus dem 15. Jahr⸗ hundert)“. (Ged. 1824. S. 327). Anmerkung von Conz: „Bei Gelegenheit der Belagerung von Vire in der Unternormandie 1417.

Zi, BR

überſetzt, ein friſches Soldatenlied, deſſen munteren Ton die drei knappen Strophen vierfüßige Jamben glücklich treffen.

Um ein Urteil über unſeren Dichter zu gewinnen, unter⸗ ziehen wir diejenigen Proben ſeiner einzelnen Dichtungs⸗ gattungen, welche ſeine Eigenart am klarſten zum Ausdruck bringen, einer Unterſuchung.

Zunächſt: „Mofes Mendelsſohn der Weiſe und der Menſch; ein lyriſch⸗didaktiſches Gedicht in 4 Geſängen.“ )

Mag es ſich auch um eine „wortreiche Totenfeier unter Auskramen philoſophiſchen Wiſſens und um eine Nach⸗ ahmung von Stäudlins beſſerer Verherrlichung Hallers“ ?) handeln, ſo iſt wenigſtens die gute Abſicht anzuerkennen. Conz war lediglich bemüht, „einige der vornehmſten philo⸗ ſophiſchen Wahrheiten von Unſterblichkeit, Gott, Schönheit, Tugend und Gewiſſensfreiheit, zu deren Auseinanderſetzung und Empfehlung Mendelsſohn hauptſächlich ſeine Kräfte und ſeinen nach Wahrheit über alles forſchenden Geiſt angewandt habe, vorzüglich nach ſeinen Ideen dichteriſch darzuſtellen und den Lyriker in den Didaktiker zu verſchmelzen“. Daß die Dornen der Metaphyſik keine Roſen tragen, geſteht Conz ſelbſt gern zu, läßt ſich aber auch nicht davon abbringen, der Wahrheit der Überzeugung die Ehre zu geben.)

Es iſt bekannt, daß dieſe franzöſiſche Versgattung den Namen von dieſem Olivier Baſſelin hat, der Beſitzer einer Mühle in der Stadt Vire war, und es nehmen mehrere an, die Bezeichnung Vaudeville ſei eigentlich nur eine verdorbene für Vaux de Vire, weil Oliviers Mühle in einem Thale bei Vire lag.“

1) Stuttgart 1787. Der Preis des Bändchens war „36 kr. oder 8 ggr. ſächſ.“ und der Reingewinn für arme Judenfamilien beſtimmt. Subſkribiert hatten u. a. Hofmedicus Hoven, Akademie⸗ profeſſor Abel, der hilfsbereite Gönner Schillers und Conz', und der Hofſchieferdecker Leopold Bauer, „Schubarts Falſtaff“.

2) Rud. Krauß, „Schwäbiſche Litteraturgeſchichte“ J. 1897. S. 351.

2) Schon damals ſchwebte Conz ein größeres Gedicht vor („Die Seele“), das er dann 1792—93 wenigſtens ſtückweiſe in Schillers „Thalia“ veröffentlicht hat (3. u. 4. Heft der „Neuen Thalia“).

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In Klopſtockiſchem Tone beginnt der Dichter mit der Anrufung der Seele:

„Du aller Zeiten Rätſel, erhabenes Und ernſtes Weſen, Seele! die himmelan Sich ſchwingt bis in die ſonnenlichte Halle der ewigen Schöpfung Gottes.“

Conz ſpart nicht den Weihrauch für Mendelsſohn und läßt dann eine ganze Schar Geiſteshelden vorüberziehen: Plato, Maimonides, Carteſius, Locke, Leibniz, Wolff, Bacon, Newton, den Aſthetiker Baumgarten, Gellert, Leſ⸗ ſing. Friedrich der Große erhält ein Kompliment im Stile der Schule Klopſtocks („Held aus Brennusſtamm“), Gott⸗ ſched einen ſcharfen Tadel: „Ein ſchmächtiges Skelett war, was ein Gottſched !) ſah, aus Dunſt gezeugt, im eitlen Traum geboren.“ Kant wird bewundert: „Deſſ' Aug die entlegenſten Reiche des Denkens durchſpäht, der kühne Kant.“ Gegen Spinoza wendet ſich Conz mit der Frage:

„Iſt Alles Eins und dieſes Eins iſt Alles,

Wie dort Spinoza träumt

Unjeliger Witz, der von der Wahrheit Bahn

Den Freund der Wahrheit in die Irre riß!

Nichts ſollte ſein, das für ſich ſelbſt beſtände? Abänderungen der unendlichen Subſtanz das Wären wir und wäre

Die weite Welt und Will' und Freiheit nichts? Ha, gehe, Träumer, der du Gott und die

Natur vermiſcheſt!“

Der Dichter verſetzt ſich an Mendelsſohns offene Gruft:

„Hier wo jede Larve fällt

Und furchtbare Anathema

Wie nichtiger Duft

Entrollen der Prieſterhand“.

Wir vernehmen Conz' Glaubensbekenntnis:

1) Vgl. „Die Poeten Gottſcheds“. (Ged. 1824. S. 330.)

„Ein Funken deiner Gottheit Sprüht in uns allen; Mit verwandten glühendem Zug Zieht es uns hinauf nach dir, Und wo wir dich nicht erkennen, Ahnen wir dich. Die Verehrung für Mendelsſohn beſiegelt der Zuruf an Germania:

„Sei ſtolz, daß du die Mutter dieſes Weiſen warſt; Du wirſt ihn ewig ehren, denn du Ehreſt dich ſelber in deinen Söhnen.“

Das Gedicht, in freien Rhythmen gehalten, von denen das Mitgeteilte einen Begriff geben mag, bewegt ſich in der Hauptſache in Klopſtockiſcher Art.

Hinſichtlich der Elegien, Oden und Hymnen laſſen wir es bei der Angabe der Titel bewenden, da ſie nichts Originales an ſich haben: „Die Schwermut“ (1780) 1). „Der unglückliche an die Ruhe“ (1785) 2). „Der alte Barde an ſeine Harfe“ (1781) 3). „Elegie in den Ruinen eines alten Bergſchloſſes“ (1790) ). Dieſe Gedichte ſind durchweg matte, farbloſe Produkte und verraten allzuſehr das Muſter Klopſtocks, Höltys, Matthiſſons, an die ſie ſich ſtofflich und formal anlehnen, deutſcher Stoff, deutſches rührſames Empfinden, auch noch im antiken Mäntelchen des Horaz, deſſen Schatten heraufbeſchworen wird ). Ohne uns zu erwärmen, unternimmt Conz einen „Phantaſieflug nach Griechenland“ (1782).) Auch die Italiener der Renaiſ⸗ ſance, Petrarka,“) Taſſo,s) begeiſtern ihn.

1) Ged. 1792. S. 65.

2) Ged. 1792. S. 238.

3) Ged. 1792. S. 167.

2) Ged. 1792. ©. 21.

5) „An Horaz“. 1792. S. 15.

6) Ged. 1806. S. 292.

7) Z. B. „Laura nach Petrarch“. 1792. S. 40.

s) „Abſchiedslied an Reinhardt“. 1783. (Ged. 1792. S. 123.)

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Ein Idyll iſt „Das Weinberghäuschen“ .“) Aus der beengenden Stadt hat ſich der Dichter in die freie Natur geflüchtet, wo ihn die „ſegnenden Geiſter der Alten umgeben“, wo Plato, Xenophon, Horaz ſein unſcheinbares Dach nicht verſchmähen.

„Euch, Dämoniſche, bannet der Styx nicht. Bleibt mir gewogen, Durch das Leben und gern wandl' ich euchl⸗ Lethe mit

Das anmutige Gedichtchen vereinigt Freude an den Alten mit Liebe zur Natur. Wir vermiſſen gern die Voſ⸗ ſiſche Weitſchweifigkeit und die gar zu oft übertriebene Kleinmalerei und ergötzen uns an entzückenden, ſtimmungs⸗ vollen Miniaturen, die nach Art der Zeit noch innerlich und äußerlich antiker Form angeſchloſſen ſind.

In ſeinen Epigrammen wendet ſich Conz mit ge⸗ rechter Entrüſtung gegen allerlei Schädlinge: Dichter⸗ linge,?) junge Kritiker,?) „Stubenpoeten“,“) genieſüchtige Gelehrte,“) „Aufklärlinge“.“?) Er warnt vor übermäßiger Lektüre,“) ſpottet über langweilige Sitzungen,?) vergleicht die Geſetze mit Romulusmauern, über die ein Remus kühn hinwegſetze.“) Einem Ehepaar,“) das ſich feifend bis ins Schattenreich hinab verfolgt, ſtellt Conz die Forderung

1) Ged. 1806. S. 28. 2) „An einen Dichterling“. Ged. 1806. S. 45 (1818. S. 285). ) „An einen jungen Kritiker“. 1806. S. 282 (1819. S. 236). Conz den Elegien beigezählt. 1) „Stubenpoeſie“. 1819. S. 376. 5) „Manchem genieſüchtigen Gelehrten“. 1818. S. 298. 6) „Aufklärlinge“. 1806. S. 166. *) „Nicht leſen“! 1818. S. 271. (Unter Rubrik Sermonen u. Epiſteln.)

) „Magiſtratsſitzung“. 1824. S. 329.

) „Geſetze“. 1824. S. 355.

10) „Das Ehepaar“. 1806. S. 291.

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echter Liebe ) gegenüber; einem „Taſchenbuch für Reli⸗ gion“ 2) den Quell der Wahrheit,“) der in ſich ſelbſt ent⸗ Ipringt.*) Man kann ſolche Epigramme ruhig neben diejenigen Schubarts, Weißers, Haugs ſtellen, mit denen ſie den ſatiriſchen Inhalt, die knappe Form und den vor⸗ wiegenden Geiſt der Aufklärung gemein haben, deren Kämpe Conz als Verehrer Leſſings“) iſt.

Als Probe für die Balladen bringen wir: „Die drei Wanderer “.) |

Drei Jünger der Kunſt nahen ſich dem Tempel der Göttin. Sie alle hatten Mangel und Undank erfahren. In weiſer Zurückhaltung enthält ſich nur der Dritte jeg⸗ lichen Vorwurfs. Er liebt die Göttin um ihrer ſelbſt willen, und dieſe ſegnet ihn als auserwählten echten Sohn, wäh⸗ rend ſie die falſchen Jünger von ſich ſtößt.

Von Conz' Vaterlandsliedern heben wir her⸗ vor: „Die teutſchen Schlachten“,“) ausklingend in eine Verherrlichung Blüchers. Einen ingrimmigen Haß gegen Napoleon bekundet der „Geſang an die Teutſchen. Im Frühling 1815.“ ) Den Manen der fürs Vaterland Ge⸗ fallenen gewidmet iſt die Elegie: „Totenfeier“.“) Erwähnt ſeien auch die Geſänge: „Schlachtlied 1815“, 10) „Friedens⸗

1) „Echte Liebe“. 1824. S. 352.

2) „Taſchenbuch für Religion“. 1806. S. 165.

3) „Quell der Wahrheit“. 1819. S. 374.

4) „Veritas sui ipsius norma (Spinoza)“. 1824. S. 370.

6) Vgl. „Leſſings Nathan“. (Ged. 1819. S. 363.) Ferner „Saladin und der Greis. Charakterſzene aus Saladins Leben“ (1819. S. 216), deren Gegenſtand Saladins Großmut und Duldſamkeit gegenüber einem gefangenen Chriſten iſt.

6) Ged. 1806. S. 132. Mit leichten textlichen Abänderungen Ged. 1819. S. 194. Man kann nicht umhin, an Schillers „Teilung der Erde“ zu denken.

1) Ged. 1818. S. 80.

) 1818. S. 74. Vgl. auch: „An meinem Geburtstage. 28. Okt. 1814.“ (Ged. 1818. S. 72.)

) 1818. S. 172.

10) 1818. S. 78.

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lied !) und „An den Rhein“ (1819).) Als Schwabe vergaß Conz auch nicht eine begeiſterte Hymne: „Auf die Feier der Verfaſſung am 28. Okt. 1819.“?) Mit den Klängen Rückerts („Geharniſchte Sonette“), Arndts, Kör⸗ ners, entfernt nicht zu meſſen, aber voll heiligen Ernſtes, ſind dieſe Gedichte denen Neuffers, Lohbauers und anderer kleinerer Schwaben anzureihen, gezeitigt gleichfalls in der formalen Schule Schillers und Klopſtocks und die große Epoche der franzöſiſchen Revolution“) und der Befreiungs⸗ kriege umſpannend. |

Im Volksliedſtil, unter dem unverkennbaren Einfluß der Romantik, iſt gehalten: „Das Mädchen am Ufer“,?) dadurch ein intereſſantes Gegenſtück zu Schillers „Des Mäd⸗ chens Klage“:

„Es ſingt ein Vöglein: wit, witt, wit! Komm mit, komm mit!

Oh, könnt ich, Vögelein, mit dir ziehn, Wir wollten über die Berge fliehn,

Durch die blauen ſchönen Lüfte zumal, Uns baden im warmen Sonnenſtrahl.

Die Erd’ iſt eng, der Himmel weit;

Die Erd' iſt arm, hat nichts als Leid,

Der Himmel iſt reich, hat nichts als Freud! Das Vögelein hat ſich geſchwungen ſchon, Durchwirbelnd die Luft mit ſüßem Ton.

O Vögelein, daß dich Gott behüt!

Da jig ich am Ufer und kann nicht mit.“

1) 1818. S. 84.

2) 1824. S. 83.

) 1824. S. 280; zur ſelben Feier wie Uhlands Prolog zu Her: zog Ernſt.

) Vgl. „Das Konſtitutionsfeſt der Franken. An Straßburg. Sept. 1791.“ (Ged. 1792. S. 24.) „Die Nymphe der Seine. Sept. 1792.“ (Ged. 1806. S. 54.) „Die groß ſich Nennenden“. 1792. (Ged. 1806. S. 96).

) 1824. ©. 114. Im „Morgenblatt“ 1821. Nr. 80 unter dem Titel: „Das Vöglein“.

*

Mit wenig Mitteln, doch ohne nichtsſagende Wort⸗ ſpiele, wie ſie Tieck liebt „Waldeinſamkeit“ —, erzielt hier Conz ein techniſch und inhaltlich glückliches Bild.

Bezeichnend für diereligiöſen Gedichte iſt: „Bel⸗ ſazer in der Unterwelt“, ) in kreuzweiſe gereim⸗ ten fünffüzigen Jamben.

„Jetzt hob ein neuer Schrecken mir die Haare: Ein König ſaß, an der zerbrochnen Krone Kennbar dem Aug', in flammendem Talare Auf einem feuerglüh'nden ehrnen Throne.

Ein Zepter, wie geführt von Geiſterhänden,

Voll Eiſenſtacheln, ſchlug ihm auf den Rücken, So oft ſein Auge ſich nach ihm will wenden, Und die Verzweiflung ſaß in ſeinen Blicken.“

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„Dem Staub den Leib, der Hölle gieb die Seele! So ſchrieen ſie, es iſt um dich gethan“! Und ſtießen mir die Dolche durch die Kehle.

Bald trugen mich an dieſen Qualenort,

Wo ich nun ſein Jahrtauſenden gebunden, Dämonen mit des Sturmes Eile fort,

Und nie hab' ich indeſſen Ruh gefunden.“

Herders „Geiſt der ebräiſchen Poeſie“ hat Conz' „Bib⸗ liſche Gemälde“ weſentlich beeinflußt. Dieſe bezeichnete Conz als „poetiſche Nachbildungen, hervorgegangen aus hingebender Betrachtung der Gegenſtände ſelbſt, mittelſt der Einbildungskraft und Empfindung“, „und ſo entſtanden in der Nachbildung freie Erzeugniſſe“. In der Tat ſchöpfte Conz aus dem Innerſten und beſeelte den übernommenen Stoff mit einer Phantaſie, die hier noch durch Dantes In⸗ ſpiration geſteigert iſt.

1) „Bibliſche Gemälde und Gedichte“. Frankfurt 1818. S. 76. Das Vorbild Dante's iſt unverkennbar; vgl. die erſte Zeile der mit⸗ geteilten Probe.

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Die „Bibliſchen Gemälde“ werden ergänzt durch die „Morgenländiſchen Apologen oder Lehrweis⸗ heit Jeſu in Parabeln und Sentenzen. Angehängt ſind Bei⸗ träge zu einer morgenländiſchen Anthologie“.“) Den Apo⸗ logen geht ein intereſſantes Vorwort über die Fabel und Pa⸗ rabel voraus, die Apologen ſelbſt lehnen ſich an altteſtament⸗ liche, aber auch perſiſch⸗-arabiſche Vorbilder wie Hafis und Mutanabbi an. Das von Voltaire 2) benützte Thema von den unbegreiflichen Wegen der Vorſehung finden wir in „Moſes und Ithuriel“ wieder. „Hiob, s) ein Fragment“ wurde ſpäter auch in die „Bibliſchen Gemälde“ aufgenommen, welche auch einige Sinnſprüche („Gnomen“) enthalten.

Conz hat ſich liebevoll mit allen literariſchen Strö⸗ mungen beſchäftigt und ſich die verſchiedenen Dichtungs⸗ weiſen angeeignet. Er folgt dem jeweils ſtärkſten Einfluß mit einer ausgeſprochenen Neigung für das Philoſo⸗ phiſche. Sein Hauptverdienſt iſt die Vermittlung zwiſchen Klopſtockiſcher Empfindungslyrik und Schilleriſcher Ge⸗ dankenlyrik, wie denn auch Schiller Männer wie ihn Gefäße ſeiner Gedanken) nannte. Freilich hat Schiller damit eben kein Lob ausſprechen wollen. Conz iſt im Grunde doch Dilettant geblieben, aber ein ſolcher von feiner Bildung und künſtleriſchem Gewiſſen.

Prüft man die Einflüſſe, denen der weiche Conz unterworfen war, ſo iſt es in der erſten Jugendperiode die Anakreontik, die ſein Dichten ausfüllte, nebſt den auch bei Gleim u. A. vertretenen Nebenarten petrarchiſierender Ge⸗ dichte und Nachahmungen der Minneſänger.“) Die Be:

1) Heilbronn 1803. Wiederholung (d. h. 2. Aufl.) Leipig 1809.

2) „Zadig ou la destinée.“ 20 ch. (L’eremite). Vgl. Koran XVIII. 65—81 und Fr. Notter, „Gott und Seele“. 1885. S. 164 f. Vgl. auch Gellert, „Das Schickſal“.

3) Siehe auch Ged. 1806. S. 376.

2) Schiller an Körner 4. Okt. 1793. Jonas, III. 359.

5) Vgl. Planck S. 22. Zu den petrarchiſierenden Gedichten: „Sonnett“ 1790. (Ged. 1792. S. 151); „Nach Petrarch“. 1785. (1792.

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geiſterung für Friedrich den Großen !) teilt Conz mit Gleim, dem jungen Klopſtock und Schubart. Klopſtock iſt in den ernſteren Gattungen vornehmſtes Vorbild. Dann beſtimmt der Hainbund, Hölty, Bürger, Voß, ſein Empfinden. Schon äußerlich weiſen uns auf ſolche Vorbilder die von Conz gewählten Titel hin: Selene, Philint, Lyda, Aminth und dergleichen und Stoffe wie Schwermut, Ruhe, Früh⸗ ling. Gerne vertieft ſich Conz in die Betrachtung von Höltys Bild.?) In dieſer Periode entſtanden die „Schilde: reyen aus Griechenland“. 3) Dieſes Büchlein wurde von jugendlicher Schwärmerei diktiert, wie wir ſchon aus dem Vorwort erſehen: „So—s mir zu eng wird in der Gegenwart, ſchweife ich aus in die ſchönen Gefilde der Vor⸗ welt, in die ſchönen großen Tage der Fabelzeit, wo der Menſch mit dem Halbgott zuſammenfloß und Götter ſich friedlich zuſammentaten mit den Menſchen.““) Der Mythus von Byblis wird zu einem Gedicht in Proſa ge⸗ ſtaltet: „Byblis war ſchön; ihre Wangen blühten wie die Roſen auf Hymettus und Hyblas Honig ſchien von ihren Lippen zu triefen.“ In ungezügeltem Versmaß folgt die Ode „Thermopylä“, Herrn Hofrat Schloſſer in Emmen⸗

S. 149); „Laura (nach Petrarch)“ 1792. (1792. S. 140), zu den Nachahmungen der Minneſänger: „Kaiſer Heinrich“ („Nach dem Liede in der Sammlung der Minneſänger S. 1.“). 1792. S. 233); „Selene“ („nach einem Minnelied“). (1792. S. 150); „Winterlied“. („S. die Samml. der Minneſänger“). (1792. S. 87).

ı) „Dem Gedächtniſſe Friedrichs, des Königs“. 1786. (1792. S. 195.)

) „Höltys Bild“. 1782. (1792. S. 37). Erſcheint hier Hölty dem Klaſſiziſten Conz als Vorbild, ſo haben wir andererſeits Hölty als einen Vorläufer der Romantik zu betrachten, Juſtinus Kerner als einen „von den Toten auferſtandenen Hölty“. (Franz Heinz⸗ mann, J. Kerner als Romantiker. 1908. S. 3; Kerners Brief⸗ wechſel J. 11 (24. Febr. 1807).

’) Reutlingen 1785. Erweitert 1793. „An R. in B.“ (Magiſter Reinhard in Balingen). Die Leipziger un (1793) hat den Titel: „Analekten aus Griechenland“.

) Ein Einfluß Schillers kann nicht vorliegen, da die „Götter Griechenlands“ erſt 1788 erſchienen.

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Dingen, Goethes Schwager, gewidmet und deutlich Goethes Hymnenſtil nachbildend. Auch bei dem dritten Stück, „Herkules auf Oeta, ein Melodram“, dem Freunde Haug zugeeignet, muß die Begeiſterung des Neuhumaniſten den lyriſchen Wert erſetzen. Wie in Schubarts Rhapſodie „Der ewige Jude“ (1783) werden Wahnſinn und Schmerz des Helden bis zum Grotesken geſteigert:

„O daß ich die ganze Schöpfung zuſammenbrüllen könnte, um zeugen zu können von meinem Schmerz! Ha!“ Zum Erfreulichſten gehört ein Geſpräch des eingekerkerten Anaxagoras mit Perikles, der belehrt wird, daß der Weiſe überall glücklich iſt. Wir ſehen hier bereits didaktiſche An⸗ klänge.)

Wie von den Göttingern wurde Klopſtock von Conz hoch verehrt und mehrfach beſungen.?) Voß als Dichter hat mehr auf Neuffer als auf Conz eingewirkt, als Über: ſetzer um jo mehr auf Conz. Im „Nachruf an Bürger“ ?) gedenkt Conz des „Dichters und Freundes“, im „Eutiner See“) der Genoſſen Stolberg und Voß.

Conz' Legenden ſind teilweiſe Herder nachgezeich⸗ net.5) Sein proteſtantiſches Gewiſſen bekundet ſich in den „Worten der Weihe an Luthers Feſt“: )

1) Dieſen „Schildereyen“ ſei als Werk reiferer Jahre das dra⸗ matiſche Gedicht Timoleons Rückkehr nach Korinth“ gegenübergeſtellt. (Ludwigsburg 1801; auch aufgenommen in die Gedichte vom Jahre 1806.)

2) „An Klopſtock. Zum Abſchied 1792. Hamburg Sept. 1792“. (Ged. 1806. S. 136; 1819. S. 59.); „Klopſtocks Grab“. (Ged. 1806. S. 274). Conz betrachtet Klopſtock als den „König des deutſchen Geſangs“.

3) Ged. 1806. S. 170, 1819. S. 364.

) „Der Eutiner See. An Voß 1792“. (Ged. 1806. S. 15; 1819. S. 14.)

6) Beſonders Conz' Legende „Johannes“ (Ged. 1824. S. 198) Herders „Gerettetem Jüngling“.

6) „Ein Gedicht geſprochen am dritten Jubelfeſte der Refor⸗ mation, Tübingen, 4. November 1817“. Die Drucklegung erfolgte 1818 auf Grund beifälliger Aufnahme. Siehe auch „Anhang zu

==. Ab

„Alle Dränger ſollen's ewig wiſſen, Frei iſt wie Luft und Licht, frei das Gewiſſen.“

Erfüllt von frommer Pflicht, Wahrheit und Treue, Sitte und Eintracht, möge das Volk in Luthers Spuren treten. Als Herders Gedichte erſchienen, begrüßte ſie Conz als „Funken aus der heiligen Aſche“.!) |

Goethe tritt in den Hintergrund. Anklänge an Götz von Berlichingen finden ſich aber bereits 1784.2) Eine ge⸗ wiſſe Verwandtſchaft in Stoff und Behandlung mit Goethes „Ballade vom vertriebenen und zurückkehrenden Grafen“ liegt vor in dem Gedicht „Der Bettler.) Schließlich ſei auf Conz' frühzeitige Werther⸗Begeiſterung zurückverwieſen.

Schiller blieb allzeit ein Ideal für Conz, der Schil⸗ lers Anſichten von Natur, Kunſt, Glaube und Wiſſen, Reli⸗ gion, getreulich teilte und weitergab. Schillers früheſtes Urteil über Conz iſt im „Wirtembergiſchen Repertorium“ (1782) ausgeſprochen: Conz habe den Klopſtock ſtudiert und einen kühneren männlicheren Ton.“) Im Jahre 1793 empfahl ihn Schiller dem Verleger Göſchen als einen „ſehr guten praktiſchen Kopf, der ſich ſchon durch gute Stücke be⸗ kannt gemacht hat und dabey hat er ſchöne philologiſche Kenntniſſe“.“) In dem anläßlich Schillers Aufenthalt in Ludwigsburg erwähnten Briefe an Körner hieß es auch,

den Lyriſchen Gedichten“ (Ged. 1819. S. 147). Vgl. ferner: „Reformationsfeier“. 1817. (1819. S. 375); „Die Beleuchtung am Lutherfeſt“. (1824. S. 334); „Luther“. (1818. S. 119); „Luthers Wappen“. (1824. S. 136); „Der Churfürſt von Sachſen“. 31. Okt. 1817. (1818. S. 117); „Blume auf Huttens Grab“. (1792. S. 169; 1806. S. 120; 1819. S. 339); „Huß“. (1819. S. 310).

1) „Herders Gedichte“ (herausgegeben durch J. G. Müller 1817). Ged. 1819. S. 363. Vgl. auch: „An Herder. Vor ſeine Abreiſe ins Bad. Weimar, im Junius 1792“. Ged. 1806. S. 19; „Im Parke zu Weimar“. Ged. 1806. S. 67; 1819. S. 16.

2) „Götz v. Berlichingen“. Ged. 1792. S. 230.

) Ged. 1819. S. 232.

) Vgl. Hartmann, S. 18.

6) Jena, 26. Juli 1793. Jonas, Schillers Briefe. III. S. 208.

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Conz „habe ſich ſehr verbeſſert“. „In einer neuen Schrift von ihm Analekten aus griechiſchen Dichtern ꝛc. findeſt Du einige Stücke von vielem Gehalt, unter vielem Mittel⸗ mäßigen freilich.“ !)

Bei aller Abhängigkeit von Schiller bedeutet innerhalb der Grenzen von Conz' Entwicklungsgang die Gedanken⸗ lyrik e einen Höhepunkt. Ausgehend von der Naturbetrach⸗ tung, gab der Dichter ſeinen ſtärkſten, ſchönſten und tiefſten Empfindungen Ausdruck. Nur in der Natur iſt der Menſch geborgen, denn:

„Bei Menſchen iſt's jo ſchwer ein Menſch zu ſein.“ ) Zu „Allmutter Natur“ flüchtet der Sänger.?) Was in den Bäumen liſpelt, verſteht ſein Ohr: „Auch euch gab eine Sprache, vernehmlich nur dem Forſchenden, der Vater.“) Mit reinem Herzen muß aber der Forſchende vor die Natur treten: „Dein Herz iſt ihr ewiger Spiegel und dein Spiegel! Sie ſtellt rein ſich dem Reinen nur dar.“ “) Noch ſchärfer ausgeprägt iſt dieſer Gedanke im „Wort der Natur“.“) An anderer Stelle ') gedenkt der Dichter der Treue der Natur. Der großen Menge wird die Natur ein Rätſel bleiben, „geweihten Augen“ jedoch wird ſie leicht ein „erahntes Wort“.s) Nicht erſchrecken darf uns das nur ſcheinbar feindliche Walten der Elemente.?)

In innigem Zuſammenhang mit der Natur ſteht die Kunſt. Nur in Harmonie mit Natur und Kunſt 1) kann ſich der Menſch frei entwickeln. „Was aus tiefem Born nicht quillet, nimmer wird es Wahrheit ſein“ iſt darum

1) Jonas. III. S.

2) „Die Einſtedlerblume Ged. 1806. S. 114, 1818. S. 110. 3) „Naturlaut“. Ged. 1792. S. 227; 1806. S. 82.

) „Die Bäume“. Ged. 1806. S. 154; 1818. S. 95.

5) „Wort der Weihe“. Ged. 1806. S. 167; 1818. S. 288.

6) Ged. 1806. S. 46; 1819. S. 77.

7) „Die Natur“. Ged. 1818. S. 12.

s) „Die Natur“. Ged. 1824. S. 341.

9) „Wort der Lehre“. Ged. 1806. S. 41.

10) „Natur und Kunſt“. Ged. 1806. S. 265.

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auch Konz Zuruf an die Künſtler.!) Alles höhere Schaf: fen ſtützt Conz auf intuitives Erleben.?) In einem Ge: mälde voll Farbenpracht führt er dann auch die Miſſion des Dichters) vor Augen. Vom Geiſte Schillers erfüllt iſt der Ausſpruch in „Wahrheit und Tugend“: ) „Es liebt ſich der Menſch nur in der Menſchheit allein.“ Ferner der Gedanke: „Sitte nur bildet den Menſchenverein.“ 5) Mikrokosmiſch konzentrieren muß ſich das Streben.“) Wer zur Selbſterkenntnis gelangt iſt, hat auch das Weſen der Religion erfaßt.“) Glaube und Willen bilden eine un: lösbare und unanfechtbare Einheit.?) Die Freude ?) aber, die Himmelstochter, darf nicht ausgeſchloſſen ſein. Noch iſt hier zu reden von der Stellung unſeres Dichters in dem Streit zwiſchen Romantik und Klaſſizis⸗ mus. 10) In harmloſem Jugendübermut hat Kerner in feinen „Keiſeſchatten“ un) unter anderen Perſönlich⸗

1) „An einen Künſtler“. Ged. 1818. S. 93.

2) „Dichtkunſt“. Ged. 1818. S. 290.

3) „Der Dichter“. Ged. 1819. S. 127.

+) Ged. 1806. ©. 23.

5) „Worte der Lehre“. Ged. 1824. S. 362.

6) Vgl. „Das Eine“. Ged. 1806. S. 123.

7) Vgl. „Die Vereinigung“. Ged. 1806. S. 147.

s) Vgl. „Religion des Willens“. Ged. 1824. S. 371.

9) Vgl. „Morgengeſpräch“. Ged. 1806. S. 93. Desgl. „Die Erſcheinung“. Ged. 1806. S. 158. Beſeelt von echter, warmer Lebensfreude, wußte Conz auch Ernſt und Scherz zu vereinigen. Frohe Laune durchzieht das „Lebenslied“ (Ged. 1806. S. 145; 1818. S. 137) und „Lob der Reimerei“ (Ged. 1818. S. 138). An die Satire des Horaz (I. 9.) erinnert „Der unglückliche Spaziergang“ (Ged. 1824. S. 323). Ein ſchalkhafter Ton belebt ferner das „Winterlied“ (Ged. 1824. S. 93) und die Silhouetten aus dem Dorf⸗ leben: „Das Dorfmädchen“ (Ged. 1824. S. 98) und „Die kleine Hanne vor dem Beichtſtuhl“ (Ged. 1806. S. 290). Aus den Jugend⸗ tagen ſtammt das „Brunnenlied“. Teinach, Juli 1789. (Ged. 1792. S. 12); aus alten Tagen die liebenswürdige „Inſchrift im Wild⸗ bade“. 1823. (Ged. 1824. S. 91).

10) Vgl. Herm. Fiſcher, „Schwäbiſche Litteratur“ 1911. S. 30 ff. und „Beiträge zur Litteraturgeſchichte Schwabens“ J. 1891. S. 40 ff.

11) „Reiſeſchatten von dem Schattenſpieler Luchs“. Heidelberg 1811. S. 12—55.

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keiten auch Conz verſpottet. Drei Spitznamen hatte man von vornherein für ihn ausgedacht. Als „Goldfaſan“ ) figurierte er im allgemeinen bei den Tübinger Roman⸗ tikern.?) In den „Reiſeſchatten“ nennt ihn Kerner „Poet und Antiquar Haſelhuhn “.?) Conz war der einzige Klaſ⸗ ſiziſt, der jenem Streite, der mit einer Niederlage der „Plat⸗ tiſten“ ) endigte, fernblieb; er verſchloß ſich der Romantik nicht, ſchon weil lebhafte Eindrücke der Kindheit in ihm nachwirkten. Sein verſöhnlicher Sinn konnte ſich nicht zwei feindliche Lager vorſtellen.) Conz nannte Fouqué, und ſogar in einem Sonett, den „kräftigen Wiederbringer der alten Zeit“) und die „romantiſche Welt“ „die fremde, die unſer ſcheint und die unſrige, die fremd und verklärt

1) Vgl. Uhlands Briefwechſel, herausgeg. v. J. Hartmann. J. Nr. 129. S. 112 f., 115 und Nr. 171. S. 153 (Briefe Uhlands vom 11. April 1809 und 20. Jan. 1810); desgl. Nr. 175. S. 160, 22. Februar 1810; Kerners Briefwechſel. I. Nr. 44. S. 111 (Brief Kerners an Uhland, Februar 1810), Nr. 45. S. 121 (10. März 1810), vgl. auch Uhlands Briefwechſel J. Nr. 205. S. 188.

2) Pgl. Uhlands Briefwechſel J. Nr. 171. S. 153 (Brief Uhlands vom 21. Januar 1810); von Mitarbeitern des Morgen⸗ blatts wurde er „Oelſchlägel“ genannt. Anſpielung an den Namen Oehlenſchlägers.

) Herm. Fiſchers Vermutung („Beiträge“ J. S. 65) iſt zu⸗ treffend. Kerner ſchrieb aus „Stadt Grasburg“ (Ludwigsburg) im Oktober 1810 an Uhland (Kerners Briefwechſel J. Nr. 59. S. 144): „Du haſt mich wegen Goldfaſan nicht verſtanden“ (vgl. Uhlands Briefwechſel J. Nr. 210). „Ich hieß ihn Haſelhuhn und zwar Anti⸗ quarius und Poete Haſelhuhn, damit man glaubt, es ſei der Anti- quar Haſelmayer. Deswegen hab ich auch ſchon dem Conz gejagt, Haſelmayer habe in die Nord. Miscellen Gedichte eingeſandt, die man aber nicht angenommen.“

) Unter „Plattiſten“ find nach Heinzmann (S. 62, 67, 69) nicht ſchlechtweg die klaſſiziſtiſchen Herausgeber und Rezenſenten des „Morgenblatts“ zu verſtehen, ſondern das „gebildete Publi⸗ kum“ überhaupt, deſſen „guten Geſchmack“ Tieck im „Zerbino“ ge⸗ kennzeichnet hat.

5) Vgl. Uhlands Tagbuch S. 60: „Conz erkennt keinen Unter⸗ ſchied zwiſchen der romantiſchen und klaſſiſchen Poeſie an, da ſie ja doch im Geiſt des Heldentums zuſammenträfen.“

6) Ged. 1824. S. 310.

49:

uns erſcheint“.!) Sein Geſamturteil über die Romantik lautet:

„Wie im Nebelgefild' oft vieles bedecket der Nebel, Und von Manchem nur Teil oder das Außerſte zeigt, Aber zu ſtiller, nach innen gekehrter Betrachtung . Herz

Lenkt und mit ernſtem Reiz tieferer Ahnung erfüllt;

So die romantiſche Welt und du, romantiſche Dichtung; Doch nur kränkelnder Geiſt flüchtet für immer zu dir. Feſter geſunder verlangt geſunde Lebendigkeit, Wahrheit, Friſcher Farben Verein und nicht zerfließend Gebild.“?)

Zu den zahlreichen Mitarbeitern des „Poetiſchen Alma⸗ nachs s) für das Jahr 1812. Beſorgt von Kerner“, ſowie des „Deutſchen Dichterwalds“ des nächſten Jahres geſellte ſich auch Conz, der ſich nicht hatte verſtimmen laſſen, und bediente ſich mitunter des Pſeudonyms „Kurd“, doch „nicht aus gemeinen Rückſichten“.“)

Der Einfluß Uhlands, den Dav. Fr. Strauß den „Klaſſiker der Romantik“ ) genannt hat, iſt bei einem Ber: gleich der Ballade „Des Sängers Fluch“ (1814) mit Conz „Kranker Königstochter“) zu verſpüren in Stellen wie:

„Berückt iſt aller Hörer Seele, Des Königs Seele ſchwimmt in Luſt.“

1) „Die romantiſche Welt“. 1818. S. 291.

2) „Romantik“. 1819. S. 357.

3) Vgl. Uhlands Briefwechſel I. Nr. 246. S. 225. Uhland an Kerner, 20. Febr. 1811: „Von Conz wird eine größere Ballade „Die Raben“ nachfolgen. ... Dieſe altengliſchen Poeſien ſind zwar ſehr ſchön, auch die Sammlung in Teutſchland ſelten, doch wäre es mir nicht ganz lieb, wenn die Überſetzungen im Almanach die Oberhand gew önnen.“

„Die Raben“ ſind auch aufgenommen in Conz' Ged. (1819. S. 298) und Percy's „Reliques of ancient English Poetry“ (1765) entnommen.

) Karl Mayer, „Ludwig Uhland, feine Freunde und Zeit⸗ genoſſen“ J. S. 179. An anderer Stelle (I. S. 197) ſpricht ſich Mayer anerkennend über Conz' Beiträge aus.

5) Hans Haag, „Ludwig Uhland. Die e des Lyrikers und die Geneſis des Gedichts“. 1907. S. 1

6) Ged. 1818. S. 254.

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„Er ſingt von längſt entſchwundnen Tagen In Lieb und Leid, in Freud und Pein, Der Vorwelt ewig junge Sagen,

Und wiegt ſein eigen Schickſal drein.“

Auch hat Conz wiederholt dasſelbe Sagengebiet ver⸗ wertet wie Uhland.) Hat der Altere vom Jüngeren manche fruchtbare Anregung empfangen, ſo war dies jedenfalls auch umgekehrt der Fall, wir erinnern an Uhlands Konradin⸗ Fragment.

Conz' Gedichtſammlung vom Jahre 1806 enthält nur wenige Balladen und Romanzen, und dieſelben tragen vor⸗ wiegend klaſſiziſtiſchen Charakter wie „Die Veſtalin im Kerker“ 2) und „Lykophron und Periander“,?) eine breite Wiedergabe der herodotiſchen“) Erzählung.

An Bürger erinnert die Ballade „Der Wildgraf“ “) in Form und Inhalt. Der die Gründlichkeit liebende Conz kämpfte auch auf dem Gebiet der Ballade mit feiner eigentümlichen Schwerfälligkeit.“) Die Romanze „Roß Beyarts Tod“ 7) iſt der karolingiſchen Sage von den „Vier

1) Man vergleiche Uhlands „Harald“ und „Kaſtellan von Coucy“ mit Conz' „Gadafer“ (1818. S. 225) und „Des Ritters Herz“ (1818. S. 194). Während ſich Tonz ziemlich ſteif an Konrads von Würzburg „Herzmäre“ hält, erzielt Uhland im „Kaſtellan“ durch einen belebenden Gedanken einen kunſtvollen Schluß. Vgl. Pland S. 35.

2) 1806. S. 126.

3) 1806. S. 326—341.

) Herodot. III. 50—53.

5) 1819. S. 284.

6) Intereſſant iſt hier eine Gegenüberſtellung der Fragen in Rückerts „Barbaroſſa“ und Conz' „Der Schäfer und Barbaroſſa“ (1819. S. 303): .. . „fliegen um den Berg die Naben noch ſtets dort oben?“ Nicht viel ſprachgewandter als Conz Immer mann:

. . . „Du ſag' Geſell mir wahrhaft, Fliegt noch der Rab' um die Burg?“ Der Schäfer nickt mit dem Kopf: Ja! Der Kaiſer ſeufzet und weint. (Immermanns Werke, herausgeg. v. H. Maync, 4. Bd. S. 42.) Vgl. Uhlands Briefwechſel I. Nr. 253. S. 233, ) 1824. S. 183,

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Heymonskindern“ entnommen, die Guſtav Schwab erſt ſpä⸗ ter (1835) für das deutſche Volk nacherzählt hat.

Zu Conz' urſprünglichſten Schöpfungen gehören die Ro⸗ manzen: „St. Ulrichs Feſt“,!) „Die Thomasnacht“ 2) und „Die Silberhochzeit“.?) Erſtere ſchildert die glückliche Rück⸗ kehr des Gemahls der uns durch Friſchlins“) Drama be⸗ kannten Frau Wendelgard von Buchhorn, die „Thomas⸗ nacht“ den Jammer eines armen Mädchens, dem ein Aber⸗ glaube verhängnisvoll wurde. In der „Silberhochzeit“ iſt der Zukunftstraum der Braut anmutig ausgedacht.

1) 1806. S. 302.

2) 1806. S. 307.

) 1818. S. 200.

) „Fraw Wendelgard“, bisher in der Ausgabe von Dav. Fr. Strauß (1857) Privatdruck für die Mitglieder des Literariſchen Ver⸗ eins in Stuttgart, wurde 1908 durch Alfred Kuhn und Eug. Wied⸗ mann in Karl Grüninger's Verlag weiteren Kreiſen zugänglich gemacht.

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Seine Zeit.

Wie erſchien Conz ſeinen Zeitgenoſſen? Wie war vor allem ſein äußeres Verhältnis zu Schiller? In die Zeit des Beſuchs in der Heimat fällt Schillers unausgeführ⸗ ter Vorſchlag, Cotta möchte „die vorzüglichſten griechiſchen Tragödien in einer modernen und angenehmen Aberſetzung unter dem Titel „Griechiſches Theater“ bandweiſe durch die vortrefflichen Griechen Naſt und Conz herausgeben“. “)

Von Intereſſe iſt Conz' Schreiben an Schiller, datiert Vaihingen a. E., 23. September 1797: ?)

„Herr D. Kapf ) aus Vaihingen, der Ihnen ver: ehrungswürdigſter Freund, dieſen Brief zuſtellen wird, iſt ein warmer Verehrer Ihrer Schriften; da er auf ſeiner Reiſe ins Ausland Jena zu ſeinem Winteraufenthalte ge⸗ wählt hat, um dort ſeiner Liebe zur kritiſchen Philoſophie Genüge thun zu können, ſo wünſcht er auch Ihre perſönliche Bekanntſchaft machen zu dürfen, und glaubt eine Empfeh⸗ lung von mir würde ſeiner Abſicht förderlich ſeyn. Ich ſelbſt habe ihn die Zeit über, daß er ſich hier aufgehalten hat, als einen jungen Mann kennen lernen, der durch Wiß⸗ begierde, Fleiß und Talent und auch durch ſeinen Karakter die Hoffnung erweckt, er werde ſeinem Vaterlande Ehre machen.

1) Jonas. III. S. 428; desgl. W. Vollmer, Briefwechſel zwi⸗ ſchen Schiller und Cotta. 1876. S. 2.

) Vollmer. S. 257.

) Sixt Gottlieb Kapff, geboren zu Sindelfingen 1773, geſt. 1818 als Advokat in Stuttgart. Er veröffentlichte 1801 ein Bändchen trockener lehrhafter Gedichte.

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Dieſer Brief ſollte meiner Abſicht nach bloß eine epistola commendaticia ſeyn; denn ich fühle zu ſehr, daß es immer eine Art Eitelkeit iſt, ſolche Empfehlungen zu übernehmen. Ich wollte ihn mit einigen kleinen Arbeiten meiner Muſe begleiten; allein jo wie ich mich jetzt fühle, da ich ſeit einigen Tagen am Fieber krank bin, zweifle ich, ob ich werde dazu kommen können, und in wenigen Tagen wird Herr Kapf abreiſen

. . . Erhalten Sie mir Ihr Andenken! Ich bin nebſt gez. Empfehlung an Ihre vortrefflichſte Gattin, mit unver⸗ änderter Hochachtung und Liebe der Ihrige

Conz.“

Schillers Muſenalmanach gab fernerhin Anlaß zu reger Korreſpondenz.“) Bemerkenswert find in dieſer Hinſicht die beiden im „Marbacher Schillerbuch“ 2) veröffentlichten Briefe an Schiller:

Ludwigsburg d. 14 ten Jun. 1798.

Verehrungswertheſter Freund!

„Spät und vielleicht zu ſpät erſcheine ich mit meynen Beyträgen für Ihren Almanach. Freuen ſollte es mich, wenn unter den Poeſien, die ich Ihnen ſende, die Elegie „Corfu“ ) Ihren Beifall erhielte. Ich habe fie mit vieler Liebe gedichtet. Noch bin ich Ihnen auch meinen Dank für Ihren letzten Almanach, den ich den König aller Almanache, die noch erſchienen ſind, nennen möchte, und für die Kraniche des Ibycus und die Braut aus Korinth nahmentlich ſchuldig.

Hofen [Hoven], mit dem ich viel zuſammen bin, grüßt Sie herzlich. Wir reden viel von Ihnen und freuen uns innigſt auf Ihren Wallenſtein, der, wie die Sage geht, nun bald erſcheinen ſoll. Erhalten Sie mir Ihr freundſchaft⸗

1) Vgl. u. a. Jonas. IV. S. 391; V. S. 102. Vollmer. S. 197.

2) J. 1905. S. 317 f. 9) „Corfu“ (1797). Ged. 1806. 1818.

5

liches Andenken und empfehlen Sie mich Ihrer vortreff: lichen Gattin.

Ich ſchreibe Ihnen, beinahe mit dem Wanderſtab in der Hand, da ich ſoeben im Begriffe bin, meine Frau, die einige Meilen von hier bei einer ihrer Schweſtern auf Be⸗ ſuch iſt, abzuholen: Verzeihen Sie mir deßwegen meine Eile und Kürze.

An Paulus und Niethammer meine freundſchaftlichſten Empfehlungen!

Mit der wärmſten Hochachtung

Ihr Verehrer und Freund Conz.“

Ludwigsburg, d. 18. May 1799.

Verehrungswertheſter Freund!

„Ich erfülle eine Bitte eines Ihnen nicht unbekannten Mannes, Herrn Kapfs aus Vaihingen, deſſen Sie ſich noch von feinem Aufenthalte in Jena her erinnern werden, in- dem ich Ihnen einige Poeſien, die er zu ſchüchtern iſt ſelbſt Ihrem Urtheile und Ihrer Auswahl für Ihren Almanach vorzulegen, hier überſende. Ich wollte ihm ſein Geſuch nicht abſchlagen, was auch ein ſolcher Auftrag kompromittieren mag. Sie werden leicht viel beſſere Beyträge, aber nicht ſowohl einen wärmeren Verehrer Ihres Genius finden. Vielleicht finden Sie einige ſeiner Poeſien der Aufnahme in Ihren Muſenkalender nicht unwürdig.

Ich ſelbſt habe einige meiner neueſten Arbeiten bey- gelegt, die ich Ihrer Wahl ganz unbedingt überlaſſe. Neh⸗ men Sie wenigſtens mit dem guten Willen vorlieb!

Ich bin mit unveränderter Hochachtung und Freund⸗ ſchaft

der Ihrige Conz.“

in, SEM ei

Damals war Conz noch ein Nachempfinder Matthiſ⸗ ſonſcher Manier. Schiller ſelbſt hat Matthiſſon urſprüng⸗ lich überſchätzt und ſpäter feinem Mißvergnügen in einem Briefe an Goethe!) Luft gemacht:

„Sie haben recht, daß gewiſſe Stimmungen, die Sie erregt haben, bei dieſen Herren Conz, Matthiſſon und andern nachhallen. Dieſe moraliſchen Gemüter treffen aber die Mitte ſelten und wenn ſie menſchlich werden, ſo wird gleich etwas Plattes daraus ... Auch fühlte ſich Schiller von Conz kopiert und mit Stillſchweigen übergangen. Tra⸗ giſch zu nehmen 2) war die ganze Angelegenheit nicht und beeinträchtigte in der Tat keineswegs das gute Einverneh⸗ men der Jugendfreunde.

Nach Schillers Tod hat Conz die vollſtändige Untaug⸗ lichkeit der Schiller⸗Biographie von J. F. Gruber nach⸗ gewieſen, des „ſchamloſen Machwerks einer heilloſen Kompi⸗ lation, die nicht Begeiſterung für den Anſterblichen, nein, die der Hunger mit der Unverſchämtheit erzeugt hat“.?)

Einer ſo vertrauenswürdigen Perſönlichkeit, wie Conz, konnte die Familie Hölderlins ruhig deſſen Papiere zu etwaiger Veröffentlichung anvertrauen. Conz bat im Sep⸗ tember 1809, bezugnehmend auf das Empedokles⸗Fragment, die Redaktion der „Zeitung für die elegante Welt“, der Name des Verfaſſers möge nicht gedruckt werden. Denn „ſeiner Geiſtesverwirrung ungeachtet hat Hölderlin immer noch die Grille, daß er von einer eigenen Ausgabe ſeiner

1) 31. Auguſt 1798. Jonas. V. S. 423.

2) Ebenſowenig die ironiſchen Bemerkungen Goethes über Matthiſſon und Genoſſen: Goethe⸗Schiller Briefwechſel. 13. Auguſt 1796 und 29. Auguſt 1798. (Cottaſche Ausgabe: J. Nr. 211; III. Nr. 497. Inſelverlag⸗Ausgabe 1912: I. S. 226; II. S. 134 f.)

) „Tübinger gelehrte Anzeigen“ 1805. Dieſe „Anzeigen“ waren im übrigen ſehr zahm und ſchulmäßig und beſprachen 1792 Conz' Gedichte unter Hervorhebung des „Reichtums an Kenntniſſen, wel: chen Dichter ſo ſelten beſitzen und welchen ſie doch ſo gut benutzen können“. Vgl. „Schwäb. Kronik“ vom 6. Auguſt 1892. S. 1551.

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Werke ſpricht und wo er hört, daß etwas von ihm gedruckt worden ſei ohne ſein Vorwiſſen, iſt er ſtets ſehr ungehalten darüber und ſchreit über e Eingriffe in eigene Rechte..)

Als 1821 Kerner, Uhland und Schwab daran gingen, Hölderlins Werke zu ſammeln, die dann 1826 durch Uhland und Schwab herausgegeben wurden, äußerte Finanzrat Gok, 2) der Stiefbruder Hölderlins, Kerner gegenüber ſeine Beſorgniſſe.

„Da Sie Hölderlin und ſeinen Gemütszuſtand ohne Zweifel ſelbſt kennen und als Arzt zu beurteilen wiſſen, in wie weit die Beſorgniſſe meiner Mutter begründet ſein könnten, ſo vertraue ich in dieſer Sache ganz Ihrem gütigen Rat und bitte Sie, wenn Sie es für nötig finden, deshalb etwa vorher mit Herrn Profeſſor Conz in Tübingen ge⸗ fälligſt Rückſprache zu nehmen und mir Ihr Arteil gütigſt mitzuteilen, daß! ich meine e Mutter hierüber be⸗ ruhigen kann.“

Dem jungen Uhland⸗Kernerſchen Freun⸗ deskreiſe war Conz von Anfang an freundlich begeg⸗ net.?) Am 14. März 1808 bezeugt er Kerner feine und ſeiner Frau herzliche Freude über die Geneſung von Ker⸗ ners Mutter und bemerkt:) „Ihren Almanach konnte ich erſt heute an Uhland abſenden, da ich ihn noch in der Halli⸗ ſchen Zeitung anzeigen wollte, was jetzt geſchehen iſt. Uhland wird Ihnen unterdeß ſein Exemplar zugeſchickt haben.“

1) Litzmann. S. 336. 650.

8 7 Kerners Briefwechſel I. Nr. 316. S. 516; vgl. auch Nr. 315. . 514

) Vgl. ſchon Uhlands Briefwechſel I. Nr. 9. S. 6 (Uhlands Brief vom 9. Oktober 1805): ... „Conz ſagte mir, daß er Dir empfohlen, die Dir aufſtoßenden Memorabilien zu Papiere zu bringen. Laß es doch nicht daran ermangeln, beſonders da Du jetzt

vielleicht Zeit gewinnen kannſt.“ ) Kerners Briefwechſel 1. Facſimile nach S. 504.

I

Sehr anſchaulich ſkizziert Varnhagen !) in feinen „Denk⸗ würdigkeiten“ Kerner, Jens Baggeſen, Pregitzer, Köſtlin, Uhland und fährt fort: ... „Ich ſtelle euch den Profeſſor Conz vor. Laßt es euch nicht ſtören, daß er ſo ausſieht, wie Focks in den „Verſuchen und Hinderniſſen“ 2) beſchrieben iſt, er iſt doch ein ganz wackrer und guter Kerl! Was kann er dafür, daß er in frühere Jahre fiel, wo es für Dichter⸗ gluth eine andere Heizung gab als jetzt? Er hält eine ſehr gute Vermittelungslinie zwiſchen Schiller und Voß, weiß Metrum und Reim zu handhaben, hat ſich um Kantiſche Philoſophie bekümmert“ ... „Conz iſt hier der eigentliche Philolog an der Univerjität, und wirklich ein gründlicher, auch geſchmackvoller Alterthumskenner, eifrig in ſeinem Fach, und überhaupt für Schönes und Hohes leicht entzünd⸗ bar.“ ... Ä

Als ſpäter Thereſe Huber) das „Morgenblatt“ redi- gierte, wandte ſie ſich an Kerner) mit folgendem An⸗ liegen:

„Die Redaktion bittet um die Vergünſtigung, Ihren „Grafen von Calw“ 5) nicht beiſeite zu legen und maßt ſich an, es für höchſt annehmlich zu halten, daß zween wackere Sänger gleichen Gegenſtand, ſo verſchieden behandelt, den Leſern vorlegen. Sie haben den alten Balladenton wohl mehr getroffen, als unſer werter Conz,°) da Conz wohl,

1) Varnhagen v. Enſe, Denkwürdigkeiten. 1843. II. S. 76—78; vgl. auch Kerners Briefwechſel II. S. 127 f. und Hartmann. S. 36.

2) Varnhagens und Neumanns 1808 bei Reimer in Berlin erſchienener ſatiriſcher „Doppelroman“, der u. a. gegen Jean Paul und Voß gerichtet war.

) Th. Huber (1764 —1829) war auch mit Conz befreundet. Ludwig Geiger führt einen Brief vom 17. Juni 1821 auf, worin ſie Conz mit Byrons „Marino Falieri“ bekannt macht („Thereſe Huber, Leben und Briefe einer deutſchen Frau“. 1901. S. 354).

*) Kerners Briefwechſel J. Nr. 278. S. 480 (18. Januar 1819).

) Kerners „Graf Olbertus von Calw“ erſchien im „Morgen⸗ blatt“ 1819. Nr. 37.

) „Der Graf von Calwe. Romanze in drey Abtheilungen“.

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mehr dramatiſierend, das Mitgefühl mehr beſchäftigt, Sie mehr die Phantaſie. Erlauben Sie der Redaktion, bei erſter Gelegenheit mit einer begleitenden Zeile Ihr Gedicht zu geben, in welcher ſie Conzens Romanze in Erinnerung bringt und dem denkenden Leſer dadurch die Freude mit⸗ teilt, welche der Redaktion ward: denſelben Gegenſtand von zwei verſchiedenen Köpfen verarbeiten zu ſehen, denſelben Lichtſtrahl in zwei Tautropfen ſich ſpiegeln.“

In edler Beſcheidenheit teilt Kerner Uhland mit:!)

„Ins Morgenblatt ſandte ich vor Monaten einmal die Geſchichte des Grafen Olbertus in Verſen. Da kam das Gleiche von Conz bearbeitet, und zwar weit beſſer und aus⸗ führlicher als das meinige,?) wes wegen ich es wieder zurück⸗ ziehen wollte.“.

Conz, dem Kerner, wie wir nicht unerwähnt laſſen wol⸗ len, als Akt der Pietät das Gedicht „Hohenſtaufen“ zugeeig⸗ net hat, hatte noch eine „Gedichtausgabe letzter Hand“ ge⸗ plant. „Vielleicht komme ich aber nicht mehr daran, ſie zu vollenden,“ 2) ſchrieb er Kerner am 9. November 1826. Sein im nächſten Jahre erfolgter Tod verhinderte die Aus⸗ führung.

Ein Denkmal hat Uhland Conz geſetzt bei Eröffnung des „Styliſtikums“ am 6. Mai 1830:

„Fortgang und Stillſtand dieſes Unternehmens wird gänzlich von dem Grad Ihrer Teilnahme abhängen. Daß

„Morgenblatt“ 1819. Nr. 9—11. Siehe auch Conz' Ged. 1819. S. 265—283.

) Weinsberg, 3. Februar 1819. (Kerners Briefwechſel 1. Nr. 279. S. 481.)

) Conz' breite Behandlung iſt von Reſignation durchtränkt, während Kerner den Stoff in flüſſiger Form wiedergibt, aber durch das Erſcheinen des Grafen als Gerippe äſthetiſch nicht befriedigt. „Daß der Geiſterſeher Kerner mit Geiſtern in ſeinen Dichtungen nicht kargen wird, läßt ſich erwarten.“ (Heinzmann. S. 92. 94 f.)

) Marbacher Schillermuſeum.

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ſolches an ſich ausführbar ſei, dafür habe ich aus meiner Studienzeit den Vorgang einer ähnlichen Veranſtaltung des Herrn Profeſſors Conz, deſſen Andenken ich ſtets dankbar ehren werde.) Von Intereſſe iſt die Feſtſtellung, daß Conz als Dichter der philoſophiſchen Klaſſe zu Schelling in ein freund⸗ ſchaftliches Verhältnis trat. Er erwähnt ein „Gelübde Schellings, als Philoſoph wo möglich etwas Ähnliches her⸗ vorzubringen, wie Dante als Dichter“.2) Auch widmete er der erſten Gattin Schellings, Caroline, der früheren Frau von Auguſt Wilhelm Schlegel, einen Nahruf,?) worin er ſie mit Beatrice vergleicht und Schelling, „den früh die Gott⸗ heit auserkoren, die Welt und ihre Wunder zu durchſpähen“, zuruft:

.. . „Vollende kühn, was mutig Du begonnen!

Sie ſelbſt als Führerin auf ernſter Bahn,

Sie leuchtet aus dem Reich der ew'gen Sonnen

Des Wahren und des Schönen Dir voran,

Und wie in Dantes Schöpfungen die Seine, Leb' in den Deinen ewig auch die Deine.“

Nach Studium und Beruf war Conz für die antikiſie⸗ rende Lyrik beſtimmt. Doch verſchloß ſich ſein weiches Ge⸗ müt auch anderen Einflüſſen nicht. Der Gegenſatz zwiſchen Klaſſizismus und Romantik hat ihn nicht verwirrt, im Gegenteil: er verſuchte zu vermitteln. Im Laufe ſei⸗ ner Entwicklung wurde er Eklektiker. Männer wie Conz dichten ſich und ihren Zeitgenoſſen zur Freude, aber da ſie nur Gefolgsleute waren, bleiben ſie ohne Wirkung auf die

1) Wilh. Ludw. Holland, „Zu Ludw. Uhlands Gedächtnis“. 1886. S. 10. ) Brief an Fr. Haug. Tübingen 1810. (Ohne Monatsangabe.) Marbacher Schillermuſeum

) „An Schelling. 1809. Nach dem Tode feiner Gattin“. (Ged. 1824. S. 276). Dieſelbe ſtarb auf der Reiſe am 7. September 1809 in Maulbronn.

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Nachwelt, obwohl Weißer !) Conz als „geborenen Dichter“, dem „bleibender Nachruhm“ beſchieden ſei, gegen die ſchwä⸗ biſchen Romantiker auszuſpielen ſuchte. Conz war im beſten Sinne des Wortes Klaſſiziſt. Um wieder „das Göttliche aus eigener Bruſt zu ſchöpfen“,2) bedarf es einer Brücke zum goldenen Zeitalter des klaſſiſchen Idealismus. Und was Conz im „Epilog“ ) von ſich gejagt hat, möge als Schluß⸗ ſtein der Würdigung des Dichters gelten:

. . . „Der große Wurf iſt wenigen nur gelungen Das Höchſte kieſt ſich ſelbſt Apoll und Zeus;

Doch, was das Herz empfunden und geſungen,

Und lohnt' es auch kein glänzend Lorbeerreis,

Zum Herzen iſt noch immer es gedrungen!

Und ſolch ein Dank, er blieb der ſchönſte Preis. Zufrieden, wenn nur einzeln wir gefallen,

Wir buhlen ſelbſt nicht um die Gunſt von Allen.“

1) „Fr. Weißers ſämtliche proſaiſche Werke“. 1. Thl. 1818. S. 302—315.

2) Vgl. Julian Schmidt, „Geſchichte der deutſchen Litteratur von Leibniz bis auf unſere Zeit“. III. S. 349.

3) „Epilog an den Leſer“. Ged. 1824. S. 390.

5

Lebenslauf.

Geboren bin ich, Georg Cleß, evangeliſcher Konfeſſion, am 15. Juli 1880 in Stuttgart, als Sohn des damaligen Rechtsanwalts, ſpäteren Amtsrichters Alfred Cleß und ſeiner Ehefrau Emma geb. Neuffer. Ich beſuchte in Stuttgart die ſtädtiſche Elementarſchule, die beiden erſten Klaſſen des Eber⸗ hard⸗Ludwigsgymnaſiums, ſodann das Karlsgymnaſium, das ich 1898 mit dem humaniſtiſchen Reifezeugnis verließ. Nach erfüllter Dienſtpflicht im Grenadierregiment Königin Olga hörte ich an den Univerſitäten Tübingen, Leipzig und Straß⸗ burg in der Hauptſache rechts⸗ und ſtaatswiſſenſchaftliche Vor⸗ leſungen, daneben aber auch u. a. Kunſtgeſchichte, Aeſthetik, Geſchichte. Dieſe Studienzeit wurde wiederholt durch längere Krankheit unterbrochen. Von Ende 1904 bis 1911 war ich in Freiburg i. Br., Leipzig und Stuttgart als Buchhändler und Verlagsredakteur tätig. Seit dem Winterſemeſter 1911/12 wieder in Tübingen immatrikuliert, zwecks Abrundung und formalen Abſchluſſes meiner Studien, widmete ich mich der Deutſchen Philologie, ferner der Philoſophie und Allgemeinen Religionsgeſchichte. Meine Lehrer waren zuletzt die Herren Profeſſoren Adickes, Bohnenberger, v. Fiſcher, v. Garbe, Groos. Ich bin ihnen allen verpflichtet. Herrn Profeſſor v. Fiſcher, der meine Abhandlung angeregt und gefördert hat, ſei an dieſer Stelle für ſein unermüdliches Wohlwollen noch be⸗ ſonders gedankt.

L MAY

9 1949

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