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DAS WEIB

IN DER

NATUR- UND VÖLKERKUNDE.

ANTHROPOLOGISCHE STUDIEN

VON

D«- H. PLOSS.

Zweite, stark vermehrte Auflage.

Nach dem Tode des Verfassers bearbeitet und herausgegeben

von

Dr. Max Bartels.

Mit 7 lithogr. Tafeln, dem Portrait des Dr. H. FIosb in Lichtdruck und 107 Abbildongen im Text.

Erster Band.

Leipzig.

Th. Grieben's Verlag (L Fernau).

1887.

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P73

Hermann Heinrich Ploss

wurde am 8. Februar 1819 als Sohn des Eaufinauns Carl Hein- rich Phss in Leipzig geboren. Seine Gymnasialbildung erhielt er auf der dortigen Nicolai-Schule, in welche er 1832 eintrat und von der er im Herbste 1839 mit dem Zeugniss der Reife entlassen wurde. Er bezog im October desselben Jahres die Universität seiner Vaterstadt und wurde von dieser im Jahre 1846 auf Grund seiner Inaugural- Dissertation De genest psychosium in ptterperio zum Doctor medicinae proraovirt. Schon frühzeitig wurde er in die Bahnen wissenschaftlicher Forschung hineingelenkt, denn es war ihm ver- gönnt, bereits während seiner üniversitätsjahre (1843 1846) dem Gynäkologen Friedrich Ludwig Meissner als Famulus zur Seite zu stehen.

Sehr bald nach Beendigung seiner Studienzeit bot sich ihm ein neues Feld seiner Thätigkeit dar. Er trat 1846 als Armenarzt in den communalen Dienst seiner Vaterstadt, dem er, wenn auch später in anderen Stellungen, fast bis zu seinem Lebensende treu geblieben ist. Die Armenarztstelle gab er 1852 auf. Vom Juli 1866 bis Ostern 1867 war er als stellvertretender Bezirksarzt, bis 1875 als Arzt des Wöchnerinnen -Vereines thätig. In dem gleichen Jahre wählten ihn seine Mitbürger in das Stadtverordneten-Collegium, dem er bis zum Jahre 1881 angehört hat.

Als das Vaterland im Jahre 1866 der Hülfe auch nicht mehr militärpflichtiger Aerzte bedurfte, bot auch Ploss seine Dienste an und übernahm als Oberarzt eine Abtheilung in dem in der Leipziger Turnhalle eingerichteten Militärlazarethe. Als Zeichen der Aner- kennung für diese seine Thätigkeit wurde ihm vom Könige das Ritterkreuz des Albrecht-Ordens verliehen.

Er war nicht verheirathet und widmete sich mit ganz beson- derem Eifer dem Vereinswesen. Mit noch acht Collegen begründete er im Jahre 1854 die geburtshülfliche Gesellschaft in Leipzig, in

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welcher er sechs Mal das Ehreuamt eines Directors, zwei Mal das- jenige eines Vice-Directors bekleidete. Hier hat er 21 grössere Vorträge gehalten und der Gesellschaft dreimal fiir Festschriften ausführliche wissenschatlliche Abhandlungen geliefert. Es war dieses (\\r die Jubiliien von Credr und von den geburtshuU'lichen Gesell- schaften von Berlin und Hamburg. Auch von dem ärztlichen Kreis- voreiu Leipzig wurde er mit der Abfassung mehi"erer, meist hygiei- nischer Schriften betraut; ebenso ist er bei der Durchfiihrmig der Desinfectionsordnung für die sächsischen Hebammen hervorragend betheiligt gewesen. In dem ärztlichen Bezirksvereine Leipzig-Stadt hat vr bis zu seinem Tode durch einen Zeitraum von fast 10 Jahren das Ehrenamt des Vorsitzenden bekleidet. Sein warmes Literesse fllr alle die sociale Stellung des ärztlichen Standes betreffenden Fragen, sowie die hohe Anerkennung, welche ihm seine CoUegen zollten, wird wohl am unzweideutigsten dadurch bewiesen, dass man duivh stete Wiederwahl ihn an diesen Posten zu fesseln suchte. >Viederholeutlich war er auch von diesem Vereine aus zu den Ver- handlungen des deutschen Aerztevereinsbundes abgeordnet worden. Diesem Zweige seiner vielseitigen Thätigkeit gehören zahlreiche Artikel in dem sächsisciien Correspondenzblatte mid in dem ärzt- Udren Vereinsblatto an.

Aber nicht allein bei seinen Collegen, sondern auch bei seinen Fitienten ww Phss hochgeachtet und gern gesehen, tmd die letz- teraa hingen mit grosser Liebe imd Verehrung an ihm. Er war «in groenet Kinderfreund, ein liebenswürdiger, heiterer, niemals ab- gMpannter Qese1UohHfk4.T. und man kann nur staunen, wie er bei allen diesen leitraubenden VerpÜichtungen noch im Stande gewesen ist, auf wissenachafUich-literarischem Gebiete so unendlich fruchtbar SU sein. Es kam ihm jedoch bei seiner grossen, die Zeit streng ausnutseoden Arbeitakraft sein geringes Schlafbedfir&iss, sein vor- treffliches Oediefatniss and seine sich immer mehr und mehr er- weiternde Bekanntschaft unter den Fachgelehriea auoaerordentlich sn statten. Auch hatt« er sich too An£ang an daran gewohnt« alle Mue Stodien irgendwie berührenden Angaben, wdche ihm bei der Lectftr« aafirtiewien, sofort auf Zetteb xn aotireot «o da» er sein btecarisches Rohmaterial in jedem AngcnbH^ bei der Hand haben konnte. Derart^ Kotnen haben sich ia seinem Kachlasse in er- etaonlicher Ansah! VMgefonden und sie Uefmi den Beweis, daas «einen immer lasUoew Geist mtknn oeoe, ebenfiüls auf brett««1«r

Hermaiin Heiarich Plos$.

is angelegte wissenschaftliche Arbeiten schon wieder auf das iefete beschäftigten. Es wird später von denselben die Rede sein. Ploss war ein grosser, uervenstarker und sehr kräftiger Mann, welcher nur einer geringen Erholung bedurl'te. Diese bestand meistentheils in dem Besuche wissenschaftlicher Wanderversanim- luugen, deren regelmässiger Gast er war mid auf denen er seine umfassende Personalbekanntschaft pflegte und erweiterte. Er besass ein grosses Geschick, neue Bekanntschaften anzuknüpfen und das Wissen Anderer fiir sich selbst lehrreich imd nutzbar zu machen. Im Frühsommer seines Sterbejahres unternahm er eine Reise nach Neapel und Sicilien, welche ihn in hohem Maasse befriedigte. Im Herbst nahm er Theil an dem Congress der deutschen Anthropologen, an der Wanderversammlung deutscher Naturforscher und Aerzte und an dem Congress für öffentliche Gesundheitspflege. So genoss er noch einmal Alles, was diese Welt ihm Interessantes bot. Am 11. December 1885 erlitt er einen Gehirnschlag und starb, ohne einen Moment das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, zwei Tage später, am 13. December 1885, im .\lter von ÖQ'^/i Jahren.

Seine literarische Thatigkeit, deren Uebersicht wir am Schlüsse dieser Biographie folgen lassen, hat Ploss schon frühzeitig be- gonnen. Er trat bereits im Anfange der fünfziger Jahre, also kurz nach Absolvirung seiner Studien, mit ein Paar populär- hygieinischen Schriften in die Oeffentlichkeit. Später hat er auch für die Leipziger Illujitrirte Zeitung mid für Meyer's Conversations- Lexioon mehrere Beitrage geliefert. In Gemeinschaft mit Küchen- meister redigirte er mehrere Jahre hindurch die von Varges be- gründete Zeitschrift für Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe; auch ist er mit Frosch zusammen der Herausgeber einer vierbändigen niedicinisch- chirurgischen Encyclopädie für praktische Aerzte ge- wesen. Die grosse Zahl seiner sonstigen Veröffentlichungen betrifft iheila die ärztlichen Standesinteressen, theila die Staatsarzneikunde und die öffenthche Gesundheitspflege, vor allen Dingen aber die Gynäkologie und Oebxirtshülfe. Ganz neu von ihm begründet ist ein Zweig der Wissenschaft, welchen man als die anthropologisch- ethnographische Gynäkologie und Pädiatrie bezeichnen kann. Hier ii«t »o recht sein hervorragendes Talent zu Tage getreten, die ver- jenizelten Beö>)achtung»?n und Angaben der Forscher und Reisenden t in xweckentsprechender Weise zu einem abgeschlossenen Ganzen zu '«unmeln und zur Beleuchtung wissenschaftlicher Fragen zu ver-

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Hermann Heinricti PIogs.

werthen. Aber er hat gerade auf diesem Gebiete auch selber be- fruchtend und zu erneuten Forschungen anregend gewirkt, und seine Fragebogen sind hinausgegangen in alle Welt, um unser Wissen zu bereichern imd zu verrollständigen.

Wie bereits gesagt wurde, haben sich unter seinen Papieren die zahlreichen Materialien zu mehreren von ihm geplanten neuen Veröifentlichungen vorgefunden. Fast vollendet ist ein Buch über den Tabak, worin er, ganz seiner Eigenart entsprechend, die ethno- graphischen Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt hat. Eine zweite Abhandlung sollte eine historisch-ethnographische Betrach- ttmg der Prostitution bearbeiten. Ein besonders reichliches Material fand sich zu einer dritten Arbeit vor. Was er hiermit beabsich- tigte, das erfahren wir in der ersten Auflage des vorliegenden Werkes aus Phss' eigenem Munde:

,,Das Gebiet der Ehe ist ein so umfassendes, dass es eine ein- gehende Betrachtung erfordert. Nachdem Peschd in ausgezeichneter Weise in seiner „Völkerkunde" schon die Gesichtspunkte dargestellt hat, welche uns eine vorsichtige Auffassung der ethnologischen Er- scheinungen ermöglichen, halte ich es fl\r angemessen, auf dessen (von Kitchhoff vervollständigte) Arbeit zu verweisen, und der Sache später eine ausführlichere Bearbeitung zu widmen, welche namentlich auch die Heirathsgebräuche berücksichtigen soll. Aus der Geschichte imd Naturlehre der Ehe liegt ein so reiches Material vor, dass die dahin einschlagenden Fragen (Sterblichkeit, Selbstmord der Ver- heiratheten und Unverehelichten etc., erbliche Krankheiten, Bluts- verwaudten-Ehen, Geschlechts- Verhältnisse der Geborenen et«,) neu gesichtet und beantw^ortet werden müssen. Vor Allem aber ist die culturhifitorißche Bedeutung der Ehe insofern hochwichtig, als sich aus und mit ihr die sociale Stellung des Weibes entwickelt, ein Thema, das wir au anderem Orte unter dem Titel ,Das Weib im Familien- und socialen Leben" besprechen werden, "

So mögen diese wenigen Worte, viel zu knapp und dürftig für die Freunde des Verstorbenen, dem Leser eine flüchtige An- schauung geben von seiner wissenschaftlichen Vielseitigkeit, Noch deutlicher wird dieselbe werden, wenn wir jetzt einen Blick werfou_ auf dos Verzeichnisa seiner Veröifentlichungen.*)

'I Die thaU&chliciii;^n Angaben sind «üneiu vom IW Sätigev iu Leipzig verfa«8ton Nekrologe cmtnotninen

Verzeichiiiss

der Ton Dr. H. Ploss im Druck erschienenen Werke and grösseren Zeitschriften-Artikel.

1. De genesi psychosium in puerperio. Inaugural - Dissertation. Leipzig 1846.

2. üeber die das Geschlechtsverhältniss der Kinder bedingenden Ur- sachen. Berlin (Hirschwald) 1859. (40 S. 8«>.)

3. Ein Blick auf die neuesten Beiträge zur Frage über das Sexualver- haltniss der Neugeborenen. Monatsschr. f. Geburtsk. 18. S. 237. 1861.

4. üeber Anwendung des Druckes und der Vis a tergo in der opera- tiven Gebortshülfe. Zeitschr. f. Medicin, Chirurgie und GeburtshQlfe von Dr. H. Ploss. Leipzig 1867. S. 156.

6. Die Art der Abnabelung bei verschiedenen Völkern (Abreissen , Ab- beissen, Abschneiden u. s. w.). Deutsche Klinik. Berlin 1870. Nr. 48.

6. Die operative Behandlung der weiblichen Geschlechtstheile bei ver- schiedenen Völkern: a. Beschneidung der Mädchen, b. Vernähung (Infibula- tion). Zeitschr. f. Ethnologie. Bd. III. Berlin 1871. S. 381.

7. üeber künstlich hervorgebrachte Deformitäten an den weiblichen Ge- schlechtstheilen und über Behandlung der Schamhaare bei Frauen. Deutsche Klinik. Berlin 1871. Nr. 27. S. 242.

8. Das Verfahren verechiedener Völker bei Ausstossung und Entfernung der Nachgeburtstheile. Deutsche Klinik. Berlin 1871. Nr. 28.

9. Das Männerkindbett (Couvade), seine geographische Verbreitung und ethnographische Bedeutung. Jahrb. d. geographischen Gesellschaft in Leipzig 1871. (16 S.)

10. üeber die Lage und Stellung der Frau während der Geburt bei verschiedenen Völkern. Leipzig (Veit & Co.) 1872. (67 S. in. V.)

11. Das Heirathsalter. Jahresbericht des Leipziger Vereins f. Erdkunde vom Jahre 1872.

12. Die ethnographischen Merkmale der Frauenbrust (nebst einem An- hang: Das Säugen von jungen Thieren an der Frauenbrust). Archiv f. An- thropol. Bd. V. Braunschweig 1872. S. 215.

18. Das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Anthropologische Studien. 2 Bde. Stuttgart (Auerbach) 1876. (619 S. 8".)

1*. Dr. Struve's künstliche Mineralwässer auf der I. balneologischen

^nwteilttng zu Frankfurt a'M. Leipzig (F. C. W. Vogel) 1881. (34 S. 8".)

"^ Historisch-anthropologische Notizen zur Behandlung der Nachge-

N der Festschrift .Beiträge zur Geburtshüife, Gynäkologie

~ npzig (Engelmann) 1881.

16. Das kleine Kind vom Tragbett bits /.um ersten Schritt. Berlin 1881.

17. Uober das Gesiindheitswesen und seine Regelung im Deutschen Reich. Leipzig (Gr6bner) 1882. (91 S. 8".)

18. Zur Geschichte. Verbreitung und Methode der Fruchtabtreibung. Colturgeachichtlich - medicinische Skizze. Leipzig (Veit & Co.) 1883. (47 S. 80.)

19. Zur Verständigung über ein gemeinsaraea Verfahren der Becken- messung. Archiv f. Anthropologie. Bd. XV. 1884.

20. Das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Anthropologische Studien. 2. Aufl. N. Ausg. 2 Bde. Leipzig (Th. Grieben's Vlg., L. Fernau) 1884. (872 S. 8".)

21. Das kleine Kind vom Tragbett bis zum ersten Schritt. Ueber das Legen, Tragen und Wiegen, Gehen, ^tehen und Sitzen der kleinen Kinder bei den verschiedenen Völkern der Erde. 2. Auag. Leipzig (Th. Grieben'« Vlg.. L. Fernau) 1884. (120 S. 8'>.) Mit Abb.

22. Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropolog. Studien. 2 Bde. Leipzig (Th. Grieben's Vlg., L. Fernau) 1885. (1078 S. 8\)

23. Geschichtliches und Ethnologisches über Kaabenbeschneiduog. Leipzig (Hirschfeld) 1885. (32 S. 80.)

24. Anweisung zur Pflege und Wartung der Kinder in den ersten Lebensjahren. Leipzig (Barth) 1851. (45 S. 8ö.)

25. Hygiea. Die Kunst, ein hohes und frohes Alter zu erreichen. Ein Buch für Jedermann, insbesondere eine väterliche Liebesgabe für den in die Welt tretenden Jüngling. Leipzig 1851.

26. Ueber die das Geechlechtsverhilltniss des Kindes bedingenden Ur- sachen. Mon. f. Geb. XU. 532. 1858.

27. Ueber den Einfluss der Jahreszeit auf die Häufigkeit der Geburten and auf das Geachlechtsverhältnias des neugeborenen Kindes. Monatsschr. f. Geburtsk. XIV. S. 454.

28. Zur Zwillingsatattstik. Referat in der Deutschen Klinik. 1861.

29. Ueber die Operationsfrequenz in geburtshülflichcn Kliniken und Polikliniken. Archiv f Gynäkologie. VI.

30. Ueber die Operationsfrequenz in geburtshUlflichen Kliniken und Poli- kliniken. Monatsschrift für Geburtskandc und Frauenkrankheiten. 1869.

31. Studien Über Kindersterblichkeit. Jahresbericht für Kinderheil- kunde. 1874.

32. Ueber die Frequenz der geburtshUlflichen Operationen. Monats- schrift Tür GeburtshUlfe und Frauenkrankheiten. Bd. XXIII. 1884.

33. Proach und Plosa. Mediciniach-chirurgisoheEncyklop&die für prak- tische Aerzte, in Verbindung mit mehreren Aerzten herausgegeben. 4 Bde. 1854—1868.

34. H. Plosaund F.Küchenmeiater. Zeitschrift fürMedicin, Chirurgie und Geburtahülfe , bekundet von A. W Vargea. Neue Folge Bd. 1 4 (Bd. 16—19). Leipzig 1862—186.5.

35. PloBs. Vorwort zu Theodor Waitz: Die Indianer Nordamerikaa. Leipzig 1865.

Ploas verfasate zahlreiche Artikel

im sächsischen Correspondenzhiatt,

im ärztlichen Vereinsblatt,

im Archiv für Gynäkologie,

io der Monatsschrift f(tr Geburtakunde,

in Meyer's Converaalions-Lcxicoa,

in der Leipziger Illuatrirtcr ■'"!♦"?

Vorrede des Verfassers

zur ersten Auflage.

Wenn ich die Früchte meiner vieljährigen Studien über die , Naturgeschichte des Weibes vorzugsweise vom völker- kundlichen Standpunkte aus" der Oe£P'entlichkeit übergebe, so darf ich wohl bekennen, dass ich mir bei der Bearbeitung dieses ebenso schonen und anziehenden, als auch vielumfassenden Stoffes der grossen Schwierigkeit voll bewusst war, die ein solches Unternehmen dem gewissenhaften Autor darbietet. So ergiebig der Gegenstand auf der einen Seite für eine allseitige und eingehende Betrachtung ist, so hatte ich doch eine bestinunte Umrahmung im Auge zu be- halten, auf die ich mich selbst und meinen Leserkreis beschränke. Ich hatte die der Natur- und Culturgeschichte entnommenen That- sachen, die für das Leben und Wesen des Weibes charakteristisch sind, in ähnlicher Weise zu verwerthen, wie ich über das Kind und seine Behandlung in meinem früher erschienenen Buche (»Das Kind in Brauch und Sitte der Völker") zahlreiche Erscheinimgen ans allen Zeiten und Landen dargelegt und geschildert habe.

Dadurch, dass ich diese Arbeit als „anthropologische Studien' bezeichne, glaube ich hinreichend angedeutet zu haben, dass ich mir keineswegs die von einem Einzelnen kaum jemals ausführbare Aufgabe stellte, ein vollständiges Bild vom realen Leben des Weibes und von seiner idealen Stellung im Reiche der Natur zu entwerfen. Vielmehr ging meine Absicht überhaupt nur dahin, das mir zu Gebote stehende, in ziemlicher Beichhaltigkeit zu- geflossene Material lediglich im Lichte der modernen Anthropologie und Ethnologie, also vom rein naturwissenschaftlichen Standpimkte ans, zu sichten und dem Verständnisse eines Leserkreises zugänglich

Vorrede des Veriasäi

ZU machen, dessen Sinn und Bildung für dergleichen Studien em- ptanglich und vorbereitet sind.

Denn ich betrachte das Weib in seinem geistigen und körper- lichen Wesen mit dem Auge des Anthropologen und Arztes. Dem- gemäss musste ich mich einestheils mit den psychologischen, ethi- schen und ästhetischen Zügen des , schönen' Gesclüechts, insbesondere auch mit der Art und Weise beschäftigen, in der diese Züge von anderen Forschem neuerlich aufgefasst wurden. Andemtheils unter- suchte ich die physiologischen Functionen des Weibes in so weit, als mir durch die Völkerkunde mannigfache Thatsachen bekannt waren, welche auf dem Wege eingehender Vergleichuug der bei den ver- schiedenen Völkerschaften zu Tage tretenden Zustände über die ver- schiedene Organisation und Thätigkeit des weiblichen Körpers werth- volle Aufschlüsse gewährten. Dabei wxu*de von mir nicht unbe- achtet gelassen, welche Behandluugsweise des Weibes unter den Völkern sich namentlich in sexueller Hinsicht durch Sitte und Bmuch beimisch gemacht hat, und wie man wohl die Entstehung solcher Sitten zu erklären im Stande ist

So darf ich wohl sagen, dass ich die Lebensverhültnisse des Weibes zu einem grossen Theile nach den Anforderungen und Er- gebnissen der Ethnographie geschildert habe. Nach der einen Rich- timg hin musste ich immer die Einflüsse der Culturbedinguugen im Auge behaltend das geistige Vermögen des Weibes, sein Denken und Empfinden als einen Theil der Geisteswissenschaft in den Bereich meiner Betrachtung ziehen. Nach anderer Richtung hin eröffnete ich Einblicke in die unter dem Einflüsse von Klima, Lebensweise u. s. w. stehenden sexuellen Beziehungen des weiblichen Geschlechts von der Reife und Empfängniss an bis zur Erzeugung und ersten Pflege des Kindes, ein wichtiges Kapitel der Biologie und Entwickeluugsgeschichte des Weibes bis zur Mutterschaft. Und schliesslich gelange ich zur Schilderung der socialen Lage, in welcher wir das Weib bei der culturellen Entwickelung des Menschenge- schlechts zu allen Zeiten und bei allen Rassen finden hier lieferten mir die jüngsten Untersuchungen der Sociologen werthvolle Anhalts- punkte zur Besprechung der cultureUen Einwirkungen, durch welche von den Urzuständen des Menschengeschlechts an bei den allmäh- lichen Fortschritten in Sitte, Hecht und Religion die Stellung d^ Weibes die jetzige Höhe bei civilisirten Völkern erreicht«.

Indem ich nun, wie ich BUsdrücklinh nnH wipderhoU betone.

zur ersten Auflage. XI

nur Dasjenige klarstellen will, was ich durch meine Studien auf dem Gebiete der Natur- und Völkerkunde gewann, habe ich es mit recht positiven Verhältnissen und fast nur mit exacten Forschungen zu thun, für die ich mir den Stoff meist aus weit zerstreuten Quellen, vielföltig auch durch directe Nachfrage bei Beisenden und Männern von Fach aus allen Theilen der Erde herbeischaffen musste.*) Allein ich hatte bei meiner Dai^tellung auch nicht wenige wissen- schaftliche Probleme zu berühren. In der Anthropologie stossen wir ja überall auf Probleme der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit, für welche es an historischen Documenten fehlt. Man sucht sie, so gut man kann, durch eine Forschungsmethede zu lösen, die in vielen Zweigen der Naturwissenschaft, z. 6. der Geologie, treffliche Erfolge aufzuweisen hat. Es ist dies das Verfiahren, die Ueberreste aus früheren Zuständen, sowie die Anfönge historischer Ueberlieferung zur Erklärung jetzt bestehender und gefundener Er- scheinungen zu benutzen. So viel ich konnte, habe ich auch nicht ermangelt, diesen Gang der Untersuchung zu betreten.

Bei solcher Deutung räthselhafter Erscheinungen im Völker- leben ist freilich stets die grösste Vorsicht geboten; die schnell be- reite Phantasie darf hier nie allzu eifrig an's Werk gehen. Daher trat ich an die Beurtheilung einzelner, selbst von hervorragenden Forschem geistvoll ausgesprochener Ansichten über manche noch nicht voll erklärbare, im Cultur- und Völkerleben auftretende That- sachen mit einer gewissen Zurückhaltung, die mich veranlasste, gegenüber den Anschauungen und ihrer Motivirung einfach meine Bedenken zu äussern, anstatt mit der vollen Kraft der Ueberzeugung einer Hypothese Raum zu geben, die, schwach gestützt, oft all- zubald hinfällig wird.

Vielleicht könnte mein Buch bei solchen Lesern nicht die volle Befriedigung erwecken, welche mit ungerechtfertigten Erwartungen an die Leetüre desselben herantreten, insbesondere dann, wenn sie , Aufgabe und Tendenz desselben verkennen. Es wäre beispielsweise falsch, wollte man von einer solchen Arbeit etwa den Versuch einer .Lösung* der Frauenfrage " verlangen, die ich am Schlüsse nur des- halb berühre, weil sich die Anthropologie auch mit gewissen histori- fcfaen Momenten derselben zu beschäftigen hat. Viele Zustände

*) Zahlreiches Material habe ich durch Beantwortung von Fragebogen *^teit^ welche ich theils nach vielen Ländern an dort sinsilsHige Aerzte Privatleute versandte, theils Reisenden und Missionären mitgab.

Xn Vorrede des Verfassers zur ersten Auflage.

des weiblichen Geschlechts bei modernen Culturvölkem können in der Anthropologie freilich nur insoweit Berücksichtigung finden, als sich neben der Givilisation überall im Volke Sitten und Bräuche erhalten haben, die als charakteristische üeberlieferungen und Reste aus frühesten Zeiten stammen.

Ein vorurtheilsloser Kritiker wird mir jedoch im Hinblick auf die oben angedeuteten Tendenzen zugestehen, dass ich mich als Anthropolog und Arzt in den. meinen Studien gezogenen strengen Grenzen gehalten habe, dass ich mich aber innerhalb derselben unter der Führung wissenschaftlichen Ernstes sowohl bei der Wahl, als auch bei der Betrachtungsweise des Stoffes vollkommen frei bewegte. Die günstige Aufnahme, welche beim wissenschaftlichen und nicht- wissenschaftlichen Publikum mein Werk allseitig während seines seitherigen lieferungsweisen Erscheinens erfahr, giebt mir die be- friedigende Gewähr und Hoffiiimg, dass es nun, nachdem es voll- ständ^ vorliegt, weiterhin solche Leser finden wird, welche das rechte Yerständniss, doch auch den ernsten Sinn für die Sache mit- bringen ! und der Kreis dieser Leser besteht nicht bloss aus Anthro- pologen und Aerzten, vielmehr wird in meinem Buche gewiss auch jeder mit höherer Bildung ausgerüstete Mann so manches Belehrende finden, das seinen Gesichtskreis bezüglich der Kenntnisse auf dem Gebiete der Physiologie und Psychologie des weiblichen Geschlechts, der Ethnographie und Gultui^eschichte erweitert.

Leipzig, Mitte October 1884.

Dr. Heinrich Ploss.

Vorrede des Herausgebers

zur zweiten Auflage.

Am 13. December 1885 ist Heinrich Ploss gestorben. Un- ermttdlich thätig, fast bis zu seinem letzten Athemznge, hat er mit staunenswerthem Fleisse an der Zusammenbringung wissen- schaftlichen Materiales gearbeitet. Eine sehr grosse Zahl ethno- graphischer und anthropologischer Aufzeichnungen hat sich in seinem Nachlasse gefunden, welche ein beredtes Zeugniss davon ablegen, wie er unablässig darauf bedacht gewesen ist, seine all- bekannten Werke weiter auszubauen und für neue interessante Ar- beiten den Stoff zusammenzubringen. Alle diese Hofihungen hat der unerwartet und plötzlich eingetretene Tod vereitelt.

Von dem weiten Interesse, das er für seine Schriften zu er« wecken verstanden hat, liefert namentlich «das Weib* einen recht schlagenden Beweis, dessen erste, 1500 Exemplare starke Auflage in wenig mehr als Jahresfrist vergriffen war. Ploss hat nicht mehr die Genugthuung gehabt, diesen erfrenlichen und fOr ihn so ehren- vollen Erfolg zu erleben.

Der Wunsch der Hinterbliebenen und der Verlagsbuchhandlung, dieses Werk von Neuem aufgelegt zu sehen, veranlasste den Herrn Verleger, auf den Vorschlag des Vorsitzenden der deutschen anthropologischen Gesellschaft, Herrn Geheimrath Virchow , den Unterzeichneten zu einer Neubearbeitung der zweiten Auflage auf- zufordern. Sehr gern habe ich mich dieser mühevollen Arbeit unter- zogen, und ich bin stets bestrebt gewesen, die Physiognomie des Floss'achen Werkes, soweit es irgend sich mit dem Interesse des Ganzen vereinbaren Uess, zu erhalten. Es waren jedoch einige ein- greifende Veränderungen nicht zu umgehen. Die Kapitel der ersten Anflf^e waren nicht selten in der Form einzelner in sich ab- geschlossener Essays nebeneinander gestellt, und da kam es dann

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nicht selten vor, dass sie Dinge enthielten, welche besser in einem anderen Kapitel ihre Stelle gefunden hätten , oder dass sich die gleichen Angaben in mehreren Kapiteln , bisweilen mit denselben Worten, wiederfanden. Hier musste mancherlei geordnet, umgestellt imd gestrichen werden, und gleichzeitig glaube ich, durch die Eintheilung des Ganzen in eine grosse Anzahl mit besonderer üeberschrift versehener klirzerer Abschnitte die bequeme Lesbar- keit des Buches nicht unwesentlich erhöht zu haben. Gleichzeitig sind viele medicinische und anthropologische Begriffe, welche Ploss als bekannt vorausgesetzt hat, die dem Nichtmediciner jedoch unmög- lich geläußg sein konnten, in kurzen, aber hoffentlich leicht ver- ständlichen Worten erläutert worden.

Ein besonderes Gewicht wnirde darauf gelegt, die anatomischen Unterschiede zwischen dem männlichen und dem weiblichen Qe- Bchlechte , wie sie die heutige Specialforschung festgestellt , aber in einer grossen Reihe schwer zugänglicher Einzelpublicationen niedergelegt hat, in bequem übersichtlicher Weise zusammenzu- stellen, wodurch, wie ich hoffe, auch den anthropologischen Fach- genossen ein kleiner Dienst geleistet wurde.

Von den oben erwähnten Notizen, welche sich in dem Ploss' sehen Nachlasse gefunden haben, wurde selbstverständlich möglichst viel der neuen Auflage einverleibt; doch ist auch sehr Vieles zugegeben, was Ploss nicht zugänglich gewesen war. Aus den Ploss'schen Auf- zeichnungen geht hervor, das« der Verfasser eine Ausdehnung seines Werkes über den ursprünglich von i^m gesteckten Rahmen hinaus nicht beabsichtigt hat: er war nur bestrebt gewesen, die früheren Kapitel weiter auszubauen. Hier habe ich es für notliwendig ge- halten, eine eingreifende Aenderung vorzunehmen: Das P/o.sVsche »Weib* war eigentlich ein Torso; wir lernen es kennen bei dem Eintritt der Pubertät und verlassen es nach dem Abschhiss de« Wochenbettes. Alle die vielen Beziehungen des Weibes, welche sich ausserhalb der Geschlechtssphäre im engeren Sinne befinden, waren unberücksichtigt geblieben. Es ist daher mein Bestreben gewesen, das Bild entsprechend zu vervollständigen, was einen nicht geringen Aufwand von Mühe und Arbeit verursacht hat, da es auf diesem Gebiete vielfach an entsprerhonden Vorarbeiten fehlte. So hat nun auch das geschlechtsreifo Weib im Zustande der Ehelosig- keit, das Weib als Wittwe, daj« Weib in seinem VerhülUiii.*i«' an den nachfolgenden Generationen als Mutter, Stiefmutter, Grosstuntter

zur zweiten Auflage. XV

und Schwiegermutter, das Weib in den Jahren des Verblühens und das alternde Weib seine volle Berücksichtigung gefunden, und wir begleiten nun dasuWeib vom Mutterleibe an durch alle seine Lebens- phasen bis in die Jahre des Greisenalters und selbst bis über den Tod hinaus. So glaube ich, in der vorliegenden Auflage dem Leser ein in sich zusammenhängendes und annähernd abgeschlossenes Bild von dem Weibe in anthropologischer Beziehung vorzuführen.

Dass hier, wo es sich um anthropologische Untersuchungen und Erörterungen handelte, das Weib nicht immer in keuscher Ver- hüllung aufzutreten vermochte, das bedarf wohl eigentlich keiner beson- deren Erwähnung. Durch die üeberschriften sind die betreflfenden Ab- schnitte ja bereits hinreichend gekennzeichnet, und wer die nackte Natur nicht glaubt ertragen zu können, der ist ja nicht gezwungen, diese Kapitel zu lesen; dem Arzte und dem Anthropologen werden sie aber, wie ich mit Zuversicht annehme, eine nicht unerwünschte Gabe sein.

Noch ein paar Worte möchte ich hinzufügen über die äussere Erscheinung dieser zweiten Auflage. Die Wahl von zweierlei Typen, wobei die Specialangaben kleiner gedruckt worden sind, wird unzweifelhaft zur bequemeren Uebersichtlichkeit des Buches beitragen. Aus dem gleichei;^ Grunde sind alle Eigennamen cursiv, alle geographischen und ethnographischen Namen gesperrt ge- druckt worden. Die Literaturangaben sind, um unendliche Wieder- holungen zu vermeiden, nicht mehr unter den Text gesetzt, son- dern in alphabetischer Anordnung zusammengestellt worden. Die kleine Zahl neben dem Automamen giebt an, welche seiner Ver- öffentlichungen gerade citirt worden ist. Die Citate aus fremden Sprachen sind zur grösseren Bequemlichkeit des Lesers fast sämmt- lich in deutscher Uebersetzung gegeben worden.

Den Vorschlag des Herrn Verlegers, der neuen Auflage Ab- bildungen beizufügen, habe ich natürlicherweise mit lebhafter Freude begrüsst, und ich bin bemüht gewesen, möglichst Vielseitiges in dieser Beziehung darzubieten. Soweit es sich durchführen liess, sind den Abbildungen Photographien zu Grunde gelegt, von denen ich einzelne eigens flir diesen Zweck aufgenommen habe.*) Die im Texte nur kurz angedeutete Herkunft der Figuren ist in der Er-

*) Zum Theil mit gütiger Erlaubniss des Herrn Gcheimrath Bastiuu im hietigen königlichen Museum ffir Volkskunde.

X\T Vorrede des Herausgebers aur zweiten Auflage.

klärung der Abbilduagen mit grosster AusfUhrliclikeit angegeben worden.

So möge auch die neue Auflage hinausziehen in die Welt, ein ehrendes Denkmal des rastlosen Fleisses des für die Wissen- schaft leider zu früh verstorbenen Ver&ssers. Ehre seinem Andenken!

Berlin, Mitte October 1887.

Dr. Max Bartels,

praktischer Arzt.

.Ju

Inhalt des ersten Bandes.

Iiebenalanf von Hemuuui Heinrich Ploss m

Veraeiohnias der von Flosa Im Druok erschienenen Werke und

grösseren Zeitsohrüten-Artikel VU

Vorrede des Verfassers aur ersten Auflage IX

Vorrede des Herausgebers zur swelten Auflage XIII

Erste Abtheilung.

Der Organismus des Weibes.

I. Die anthropologische Aufliftssung des Weibes. Seite

1. Die Entstehung de» Geschlechtes 8

2. Gestalt und Körperbau 8

8. Die Sterblichkeit des weiblichen Geschlechtes und der Weiber-

überschuss 28

n. Die psychologische AufiSusung des Weibes.

4. Die psychologischen Aufgaben des Weibes 32

5. Die moderne Psychologie in ihrer Auffassung des weiblichen Charakters . 36

6. Die abnormen Ehen und der' Selbstmord 44

7. Die Betfaeiligung des weiblichen Geschlechtes am Verbrechen 45

m. Die ästhetische Aufikssiing des Weibes.

8. Die weibliche Schönheit 49

9. Das Schönheitsideal bei verschiedenen Völkern 53

10. Der Geschmack und seine Auffassung der weibl. Schönheit... 61

11. Der Darwinismus über die EntwickeTung weiblicher Schönheit 82

12. Die Mischung der Rassen steigert meist die Entwickelung weiblicher Schönheit 84

13. Die Verkümmerung des weiblichen Geschlechte« 87

14. Die Vertheilung der weiblichen Schönheit unter den Völkern 89

nr. Die Aufliusung des Weibes im Volks- und religiösen Olauben.

15. Der Aberglaube in der Behandlung des Weibes 111

!•. Die religiösen Satzungen in Bezug auf das Geschlechtsleben

^TFrau 113

^"noensprache 116

n

XVIII Inhalts -Verzeichniss.

Seit« V. Die äussaren Sezualorgane des Weibes in ethnogra- phischer Hinsicht.

18. Allgemeines 118

19. Das weibliche Becken 120

20. Die äusseren weiblichen Sexualorgane und ihre ethnogra-

Ehischeu Merkmale > 130 >ie künstliche VergrOssemng der 8chamlippen und der Clitoris und die absichtliche Zerstörung des Jun^ernhäutchens 143

22. Die Be^chneidung der Mädchen und die Vemäbung 145

23. Der Mens Veneria und die Behandlung der Schamhaare 163

VI. Die inneren Bexualorgane des Weibes in ethnographischer Hinsicht.

24. Die ErkenntnisB des anatomischen Baues der inneren weib- lichen Geschlechtsorgane 169

25. Die Gebärmutter 173

26. Die Eierstöcke und die Ovariotomie 178

Vn. Die Frauenbrust in ethnographischer Hinsicht.

27. Die Frauenbrust in ihrer Rassengestaltung, Behandlung und Pflege 180

28. Die Verstümmelungen der weiblichen Brust 195

29. Das Säugen von jungen Thieren an der Frauenbrust 199

Zweite Abtheilung.

Das Leben des Weibes.

30. Die Hauptabschnitte in dem Leben des Weibes 205

Vm. Das Weib im Mutterleib«.

31. Die Erkenntniss des Geschlechtes der Kinder im Mutterleibe 206

32. Verlauf der Mädchen- und Knabengeburten 210

IZ. Das Weib während der Zeit der geschlechtlichen Unreife oder die Kindheit des Weibes. 38. Die Aufnahme des Mädchens nach der Geburt 214

34. Das Leben des weiblichen Kindes 218

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

35. Der Eintritt der Menstruation 219

i 36. Die Frühreife 287

I 37. (vebräuche bei dem Eintritt der Menstruation 242

38. Die Menstruirende gilt für .unrein' 249

39. Das Menstrualblut als Arznei- und Zaubermittei 267

40. Die Quantität des Menstruationsblutes 268

41. Normale und anomale Menstruation 270

XI. Der Bintritt des Weibes in das Oesohleohtsleben.

42. Die Beziehungen des Weibes zum männlichen Geschlecht. . . 278

43. Die Schamhaftigkeit des Weibes 280

44. Die Keuschheit des Weibes 289

45. Die Jungfraitschaft 298

46. Der Beischlaf 307

47. Die Stellung bei dem Uoitus 315

48. Masturbation und Tribadie und die Unzucht mit Thieren... 320

49. Geschlechtlicher Verkehr mit Göttern, Geistern, Teufeln und Dämonen 323

50. Hetärismus und Prostitntion 827

51. Heilige Orgien und erotische Feste 837

Inhalts -Veneiobniss. XZX

S«ito xn. Liebe und Ebe.

52. Die Liebe 341

58. Der Liebeszauber 843

54. Die Brautwerbimg und der Brautstand 356

55. Die Ehe 363

56. Die Ehe unter Blutsverwandten 371

57. Das Jus primae noctis 375

58. Der Ehebruch 379

59. Das Heirathsalter 384

60. Die Ehescheidung 403

XTTT. Daa Weib tm Zustande der Befiruohtung.

61. Die Zeugung 407

62. Die EmpfUngniss 411

63. Der Einfluss der Jahreszeiten und der socialen ZustiUide

auf die EmpiUngniss 413

ZIV. Die Fruchtbarkeit des Weibea.

64. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit 421

■65. Das Ansehen, in welchem die iVuchtbarkeit steht 483

66. Arzneiliche und mechanische Mittel gegen die Unfruchtbarkeit 487

67. Gottliche und sympathetische Hülfe geg. die Unfruchtbark. 442

68. Die Verhütung der Befruchtung 454

69. Ueberfruchtung und mehrfache Schwangerschaft 457

70. Die Entwickelung der Frucht 464

71. Mädchen- und Knaben- Erzeugung 467

XV. Das physische und sociale Verhalten während der Schwangerschaft.

72. Die Erkenntniss der Schwangerschaft 474

73. Die Schwangerschaftsdauer 480

74. Ceremonien und religiöse Gebräuche bei dem Eintreten der Schwangerschaft 482

75. Die Abwehr bOser Geister und Dämonen während der Schwangerschaft 485

76. Die rechtliche Stellung der Schwangeren 488

XVX Die Gesundheitspflege der Schwangerschaft.

77. Aerztliche und rituelle Vorschriften über die Schwanger- schaft 494

78. Die Ernährung der äcbwangereu 497

79. Die Gelüste der Schwangeren 501

80. Die Sorge für die psychische Stimmung der Schwangeren 503

81. Dos Vergehen der Schwangeren 504

82. Abergläubische Verhaltungsregeln während der Schwanger» schalt 507

83. Die Pflichten des Ehemannes während der Schwangerschaft 508

XVn. Die Therapie der Schwangerschaft.

84. Mechanische Vorkehrungen während der Schwangerschaft 511

85. Das Baden und Einsalmin während der Schwangerschaft 514

86. Blutentziehungen während der Schwangerschaft 515

87. Die medicamentOse Behandlung der Schwangeren 517

XVm. Normale und abnorme Schwangerschaft.

88. Die Lage und daa Stürzen des Kindes im Mutterleibe 520

89. Die Schwangerschaft auHserhalb der Gebärmutter 526

II*

XX Inhalts -Verzeichniss.

Seite

XTX. Unseitige Geburten.

90. Die Arten der anzeitigen Geburten 527

A. Die znf&llige Fehlgeburt

91. Der natflrl. Abortus, seine Ursachen und seine Verbreitung 527

92. Die Maassregeln zur Verhfltong von Fehlgeburten 5S1

98. Die Anzeichen des beginnenden Abortus 532

B. Die absichtliche Fehlgeburt

94. Die Fruchtabtreibnng 534

95. Die Verbreitung der Fruchtabtreibung unter den jetzigen Völkern 585

96. Die Frachtabtreibung unter den Völkern weisser Basse.. 548

97. Die BeweggrOnde fQr die Fruchtabtreibung 547

98. Die Abortivmittel 548

99. Versuche zur Beschränkung der Frachtabtreibang 562

C. Die Frfihgeburt

100. Wann ist die Frucht lebensfthig? 568

101. Die künstliche Frühgeburt 569

102. Die Todtgeburten 570

103. Falsche Scbwangerschatleu .' . . 574

Erste Abtheilung.

Der Organismus des Weibes.

Vloif. Dm Wtib. I. 9. Aalt.

L Anthropologische Auffassung des Weibes.

1. Die Entstehong des Geschlechts.

Das Weib unterscheidet sich von dem Manne iu anatomischer, in körperlicher Beziehung keineswegs einzig nnd aUein durch die Verschiedenheiten in dem Bau der Fortpflanzungsorgane. Allerdings geben die Differenzen dieser für die Erhaltung der Art bestimmten Gebilde die allerwesentlichsten Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtem ab und sie werden dieser Eigenthömlichkeit wegen ja auch mit dem Namen Geschlechtsorgane bezeichnet. Es soll aul eine ausführliche Schilderung derselben an dieser Stelle aus leicht sichtlichen Gründen verzichtet werden. Wer von den Lesern sich »gehender über diesen Gegenstand zu unterrichten den Wunsch iät, den mUssen wir auf das Studium anatomischer und gynäko- logischer Handbücher verweisen, unter denen wir die Werke von Robert Hartmann^, Henle und den Atlas der Geburtskuude von Kiwisch V. RotUrau als ftir diesen Zweck besonders geeignet in Vorschlag bringen. Dass der Unterschied in dem Ge- lechte dem Menschen bereits angeboren ist, bedarf wohl ler besonderen Erwähnung. Weniger allgemein bekannt dllrfte es aber sein , dass diese geschlechtlichen Unterscheidungsmerk- male sich während der Entwickelung im Mutterleibe erst allmählich herausbilden, sich ditl'erenziren, wie der fachmännische Ausdruck lautet. Es ist also keineswegs der eine Keim sogleich nach er- folgter Befruchtung als entschieden weiblich, ein anderer als ent- schieden männlich anzusehen, sondern esexistirt eine verhältuissmässig Innge Periode in dem Leben, das wir unter dem Herzen der Mutter ftihren, in welcher eine Unterscheidung in männlich und weibUch noch eine absolute Unmöglichkeit ist, selbst noch in einer Zeit, wo die Entwickelung der späteren Geschlechtsorgane bereits ziemlich weite Fortschritte gemacht hat.

Werfen wir einen Blick auf das imtere Körperende eines mensch- lichen Embryo in der sechsten Woche seiner Entwickelung, wie es uns Luschka ' ubbildet, so bemerken wir dort eine kleine, längs-

iu

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M^

F(f. 1. Di« EntTiokelnng der Qnsni- Ullen (aaoh Lufchka),

gestellte Spalte, welche seitlich ron je einer Hautfalte (GenitalfaUe, Geschlechtäfalte) begrenzt wird, während an ihrem vordersten Ende

ein kleines Höckerchen (der Geschlechts- höcker oder Genitalhöcker) hervorsprosst. Wir möchten bei dem Anblick dieser Abbildung glauben , dass wir unbe> streitbar weibliche Verhältnisse vor uns hätten ; und doch ist hier eine Ent- scheidung über das zukünftige Ge- schlecht noch vollständig unmöglich; noch hätte diese Frucht sich ebenso gut zu einem Mädchen wie zu einem Knaben ausbilden können. Aus -den beiden Geschlechtsfalten entwickeln sich vom Ende des dritten Monats ab ent- weder die grossen Schamlippen oder, indem sie in der Medianlinie miteinander verwachsen, die beiden Hälften des Hodensacks. Der Geschlechtshöcker bleibt entweder klein und bildet den Kitzler, oder er vergrössert sich rasch und wächst zum Penis aus. Es kommt also, wie wir sehen, bei dem Knaben eine Längsspalte am untersten Ende in der Median- linie zu vollständigem Verschluss, welche bei dem weiblichen Ge- schlechte ftlr die ganze Lebenszeit erhalten bleibt. Bei dem ersten Anblick hat es daher einen gewissen Schein von Berechtigung, wenn man das Weib als ein in der Entwickelung zurückgebliebeues, ein im Vergleich zum Manne körperlich tiefer stehendes Wesen betrachtet hat.

Das Weib ist aber seiner Natur nach ebenso vollkommen, wie der Mann es nach der seinigen ist.

Erst die moderne Anthropologie hat durch volle Anerkennung dieses Satzes dem Weibe in allen seineu körperlichen und geistigen Beziehungen Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem sie doch auch ganz besonders die Natur desselben in allen so mannigfachen .\iif- gaben als geschlechtliches Wesen und namentlich im Vülkerleben würdigte.

Die altgriechischen Naturforscher und Aerzte freilich, wie Hippokrates und Aristoteles, hielten uud erklärten das Weib für ein unvollkommenes Wesen, für einen Halbmenschen. Das Weib, so meinte Hippokrates, sei niemals im Stande, beide Hände mit gleicher Geschicklichkeit zu gebrauchen (rechts und links zugleich, anibi- ^dexter); nach seiner Ansicht wären dessen innere Oeschlechtstheile las nämliche, was diejenigen des Mannes äusserlich sind; und während sie beim männlicheii tJeschlechte die Wärme heraustreibe, würden sie bei dem weiblichen Geschlechte von der Kälte im Innern zurückgehalten. Dies sind Änschaumigen, welche iu keiner Weise den wirklichen physiologischen Verhältnissen entjsprechen.

Das Weib trägt ebenso gut, wie der Mann, gegenüber ilem

1. Die Entsteliang des Geschlecht!.

^

Thiere alle Vorzüge der menechlicbeu Gattung au sich, auch hiu- nichtlich der specifisch weiblichen Eigenschaften. Man hat, um nur Einiges anzuführen, schon öfter auf die Gestaltung der Brüste, auf die Eigen thünilichkeiten der Menstruation, auf das Vorhandensein eines Jungfernhäutchens als charakteristische Unterscheidungsmerk- luale des Menschen vom Thiere hingewiesen. Doch beruht das Wesentliche nicht in solchen Einzelheiten, die man früher her- vorhob. Die Zweihrüstigkeit ist nicht das ausschliessliche Eigen- tham des Weibes, denn ganz abgesehen von den AiFen und den meisten Halbaffen tragen auch die Mehrzahl der Fledermäuse zwei Zitzen an der Brust und zwar genau an derselben Stelle, wie das menschliche Weib.

in Betreff des Jungfernhäutchens hat schon Blumenbach den von f. Haller angenonmieuen moralischen Zweck desselben zurück- gewiesen, während Cuvier und andere auch bei Säugethieren eine Art von Jungfernhäutchen fanden, und wenn Flinius das Weib ein .menstruirendes Thier' nennt (animal raen.struale), so ist der Unter- schied zwischen Menstruation und Brunst kaum von so wesentlicher Bedeutung, um hierdurch die erhöhte Natur zu begründen. Auch ist, wie Ilohert Harfmann^ sagt, eine Menstruation, und zwar eine regelmässig stattfindende, durch die Beobachtungen von Bolau, Eiders und Harnes wem'gstens für den Chimpanse durchaus fest- gestellt worden. Dieser Vorgang dürfte wohl auch bei den übrigen Formen nicht auebleiben. Es findet hierbei eine Schwellung und Köthung der äusseren Theile statt. Alsdann treten die im nicht meu- struirtcn Zustande nur wenig deutlichen grossen Lippen st.ark her- vor. Die kleinen Lippen und der Kitzler sind von vorherrschender Grösse und Bedeutung. Eine beim Chimpanse constatirte, oftmals excesaive Schwellung und Röthung dieser Theile sowie auch der Geaftssschwielen lä-sst sich übrigens ausserdem noch an Pavianen und Macacos in deren Brunstperioden leicht wahmelimen.

Von den vielen weiteren Versuchen, das Weib in seiner uatur- lÜKturiiichen Stellung zu erniedrigen, sprechen wir nicht; es kamen auf diesem Gebiete im Verlaufe der Zeiten die ärgsten Ausschrei- tungen vor. Zum Theil beruhen sie auf dem durch die herrschende Cultur erzeugten Standpunkte der Anschaviung. Begreiflich ist, wenn Vülker, die auf der niedrigsten Stufe der Civilisation stehen, das Weib in seiner Behandlung bis zur Stufe des Thieres herab- würdigen. Auch ist begreiflich, dass die Orientalen unter dem Ein- flusfte ihres Bildungsgrades das Weib gering schätzen, da sogar der Koran den Männern einen so grossen Vorrang einräumt, das Weib dagegen für ein unvoUkommenes Geschöpf erklärt und sogar vom pHmiiietfe ausschliesst. Und nur als Ausfluss einer im Zeitbewusst- Kcin wurzelnden Neigung zu Absonderlichkeiten kann beispielsweise die Thatsache aufgefasi^t werden, dass einst eine anonyme (von Aci- dfilius verfas.ste) Abhandlung darüber erschien : ,das8 das Weib nicht zum menschlichen Oeachlechte gehöre" (mulieres horaines uon

6

l. Anthropologische Anffassnsg des Weihes.

esse), eine Schrift, welche zu Verhandlungen auf dem Coneüium zu M a c o n Veranlaasiing gab.

Es ist ein Glück, dass die Zeit dieser Concile vorüber ist, sonst würde auch wohl Paul AJhrecht sich auf einem solchen zu verantworten haben, der auf dem deutschen Anthropologen- congress in Breslau im Jahre 1 884 einen Vortrag hielt über die grössere Bestialität des weiblichen Menschengeschlechtes in ana- tomischer Hinsicht. Es heisst darin:

,,Au8 vielen Thateachen lüsst sich beweisen, daiis das weibliche Menschen- geschlecht Oberhaupt das beharrlichere, d. h. das anseren wilden Vorfahren nBher stehende Geschlecht ist. Solche Beweise sind:

1. die geringere Körperhöhe des weiblichen Geschlechtes ^

2. die beim weiblichen Geschlechte häufiger vorkombiendeu höheren Grade von Dolicbocepbalie;

3. die häufigere und stärkere Prognathie;

4. die gewaltigere Ausbildung der inneren Schneidezähne;

5. der dem weiblichen Gescblechte vorwiegend zukommende Trochauter tertius

6. die beim weiblichen Geachlechte weniger häufig auftretende Synostose des ersten Coccygt'iilwirbels mit deui frslen Krenzbeinwirbel;

7. die beim weiblichen Geschlechte häufiger vorkommende Anzahl von fünf Coccygealwirbeln ;

8. die beim weiblichen Geacblechte häufiger aafti'etende HypertrichoBis-,

9. die bei demselben seltenere Glatze.

Was den TrocLanter tertius anbetrifft, so ist dies besonders auffallend, denn während derselbe bei dem menschlichen Weibe vorkommt, ist er seltener beim Manne und noch seltener bei den Affen. Es ist dies besonders inter- essant, da auf diese Weise sich das menschliche weibliche Geschlecht als noch behurrlicber als die gröbste Anztihl der Affen hinstellt und auf ein Geschlecht zurückgreift, das jedenfalls wilder war, als die heulige Affen- welt. — Dass das weibliche Menschengeschlecht (Ibrigens nicht nur

anatomisch, sondern anch physiologisch das wildere Geschlecht ist, dOrfte schon daraus hervorgehen, dass Männer wohl nur verhältnissmässig selten ihre Gegner bcisseu oder kratzen, während doch Nägel und Zähne noch immer zu den von dem weiblichen Geschlechte bevoneugten Waffengattungen gehören."

Erwälmt mag noch werden, dass nach DeUiunuy'^ das Weib mehr einen Plattfuss besitzt, wie er niederen Rassen zukommt. Er meint, dass die hohen Absätze diesem Mangel abhelfen sollen. Nach Jiankc^ scheinen Missbildungen beim weiblichen Geschlecht« häufiger ■»ufzutreten, als beim männlichen; nur in einzelnen besonderen Arten überwiegt das letztere.

Am Weibe kann man bald mehr da« Geistige, bald mehr das Leibliche betrachten. Daher giebt es eine ideale und eine reale Auffassung des Weibe«, und unter den Philosophen kommen beide Auflassungen zur Geltung. Der realen Charakteristik des Weibes durch Sefiupmhaui'r stellt Michdet'x idefilistischer Standpunkt gegen- fiber. Und während i-, Baert'nhnch sich iSrhoptnhaHer nähert, sucht LoUe in seinem , Mikrokosmus' die rechte Mitte einzuhalten.

Gauz anders der Naturforscher als Physiolog uud Etlinograph. Für ihn handelt es sich lediglich um die reale ErscbeiDUJig und Stellung der Frau gegenüber dem männlichen Geschlechte und um ihre specifischen, je nach Rasse, Volk imd Klima wechselnden kör- perlichen Merkmale und Functionen. Hier steht das somatische Leben im Vordergrunde der Betrachtung, während die Anthropo- logie im weiteren Sinne allerdings auch das Psychische im Weibe zum Gegenstand der Forschung und Betrachtung macht.

Weiterhin hat jedoch auch die körperliche Krscheiumig des Weibes eine ästhetische und ideale Beziehung insofern, als es sich fragt, in wie weit sich im Weibe überhaupt und insbesondere bei einzelnen Völkern das ästhetisch Schöne kundgiebt.

»Die menschliche Schönheit," sagte schon vor längerer Zeit Moreau, , scheint aus der Vollkommenheit der Formen und dem Zusammenhang dieser Vollkommenheit mit einer höheren Natur imd einem entwickelteren Leben zu entspringen; und nach dieser Ansicht müssen alle äusseren Züge, welche die menschliche Organisation vwj der thierischen unterscheiden, vorzüglich zur Schönheit beitragen und den Hauptcharakter derselben bilden."

Wenn nun die Griechen in den Statuen Apollos und der Venus Ideale der männlichen xuid der weiblichen Schönheit dar- stellten, SU finden wir allerdings, das.s deren Gestalten, ab Re- präsentanten der schönen Rasse, von den Körperformen jener rohen VftUter sich wesentlich unterscheiden, die, wie die Buschmänner und Feuerländer, in ihrer Erscheinung dem menschenähnlichen Affen weit näher stehen, als den Prachtfiguren der griechi- schen Künstler.

Auch sucht der genannte Autor die menschliche Schönheit vor lern in der vollständigen Vereinigung der äusseren Merkmale des [enschen, der immer um so schöner erscheint, als er geeignet und "geschickt ist, die grossen Beetimmungen seines Geschlechtes zu er- füllen. Von diesem Gesichtspunkte aus wäre man dann weiterhin im Staude, der Frage über die Bedeutung der Schönheit bei Mann Wid Weib näher zu treten, in-sofem, als bei ihnen beiden in de Gestaltung die körperlichen und geistigen Aufgaben des Geschlechte^ zum Ausdruck gelungen. Doch zeigt der weibliche T>'pu.s besonder"^ Abstufungen: .Das Weib nähert sich mehr derjenigen Schön heite wie «ie liurkr betrachtet, um sie vom Erhabenen zu unterscheiden, Alle Züge, Merkmale und Eigenschaften desselben sind liebens-. würdig; sie flössen weder Furcht noch Ehrfurcht ein: sie schmeicheln gleich angenehuj dem Auge, wie dem Geiste; sie bestechen divi Slerz und erzeugen Liebe und Verlangen. Ein ernstes Ansehen, irgend ein rauher Zug, selbst der (liarakter der Majestät, wfirde dem Effecte der Schönheit schaden, wie wir sie vom Weibe ver- langen; imd Litcian st^^llt mit Recht den Liebesgott erschrocken über Aus männliche Ansehen der 3Iincri'a dar.'

Ueber die männliche und weibliche Fonn bemerkt ^\'ilhc^tH

Anthropologie

««Bg

*. Huntholdt : ,.Üer eigentliche Geschlecbteausdnick ist iti der männ^ Hellen Gestalt weniger hervorstechend, und kaum dürfte es möglieb sein, das Ideal reiner Männlichkeit ebenso wie in der Vetius das Ideal reiner Weiblichkeit darzustellen."

Viele von jenen Zügen, durch welche sich das Weib vom Manne körperlich unterscheidet, sind es vor allem, durch deren gtmt, besondere ,echt weibliche* Ausbildung uns das Weib als besonders schön und begehrenswerth erscheint. Sie sind es, von denen wir mit Oodhe sagen: ,Dtts Ewig -weibliche zieht uns an*. Zunächst tn&BSeD wir uns also Ober das Typische und Charakteristische am Prauenkörper verst.andigen : sein Baa wird dann weiter in ethno- graphischer Hinsicht interessiren.

im

2. iiegtalt und Körperbxa.

'enn auch die vorliegende Abhandlung nicht ein Lehrbuch der Anatomie zu werden b^bsichtigt, so erecheint es dem Bear- beiter doch unumgänglich nothwendig, den Lesern in hinreichend ffeuauer und eingebender Weise einen üeberblick zn verschaffen fiber die aoatomiachen Vnterschiede, welche, abgesehen von den Geschlechtsorganen, das Weib von dem Manne darbietet. In anihropologi$cheu Studien, weiche das Weib xu ihrem Gej^n- fltande haben, dOrfen diese Angaben nm »o weniger fehlen^ als bis^ her noch an keinem Platze die ausserordentliche Uaiuiig&ltigkeit der in Frage kommenden Differenzen ihre bequem üborsichtliche ZuakBuneastellnog gefunden hat und das AnCrocIiiBn der betreffetsden Aagsbca in den weit verstreuten Originaiaufailaen doch nur mit gnMBer MUhe und unTerhiltnisaDoiaBigem Zeäteafwaade mSglich sdn wlbde.

Es wurde bereits im An£uige dieser Arbeit gmigt, daas es nkht einsig nnd alküi die Oeaüalien anid, durch welche die Fna tob dem MaaBe mtacaeheidel, Bb fiadoi ai^ eine Mcnce tob Abwmtmngen in dem mmtnaiadMa Baa der Gcs^kchtcr. wel<te mu nach dem Yatgmt toq CJmHet U)0ntPm als secundire Geschlechtsckaraktere cn be- aciduien pflegt Zu diesen gdifiren bei dem Weibe in aüotetsiar linie die &xtwicke)ung der Bdlate, fiber welche wir in eiiMni Tipittrm Kapitel aiuiShilich an handeln haben werden. Wir itenn aae daher an dieser SieUe mit Stülschwasea Ahmten. ftiwwiidini knoMa aber nodi ri^ ander» ünterachiede m Be- trafdbi, wddw im WoentfiAen am^ nnf die Andntdnnw dea F«tt> poleier», des aofpenmBlen üntothautliBUgewebaa, fisacr der M nakcb nsd der lawren Oigaae nnd endlkh nof Abweichni^en ia Bau da» Kaodmwetlkste» bedien. Dw häecnoe Ar die iiwmu &w «eheinoD.: len G^^cblechier 'm £e Aoften Cükndan Untv-

2. Gestalt tmd KCrperbaa.

schiede bat der bekannte Berliner Frauenarzt Wilhelm Heinrich Btisch mit folgenden Worten charakterisirt:

„Die ausleere Geetixlt des Weibes stioimt mehr al» die des Mannn» mit den Gesetzen des Schönen überein und ist daher dem Auge (nalürlicb dea Mannea) angenehmer und gefälliger. Die Formen aiod anmuthiger und ge- randeter. die des Mannas eckig und abstossend (nur nicht in den Augen der Frauen). Der Kopf des Weibe« ist runder, zeigt weniger ilervorragungeu und ist mit starkem Haarwuchs, der dem Weibe zu vorzQglicber Schönheit wird, versehen. Auch das Gepicht ist kSrzer und die einzelnen Theile gehen leicht ineinander über, so dass sie in sich weniger gesonderte erscheinen ; daher ist auch der Ausdruck des Gesichts beim Weibe weniger bestimmt und drückt selten besonderen Charakter aus. Die Stirne ist nicht so hoch, als die des Hannes, die Nase kleiner, sowie auch der Mund ; das Kinn ist weniger spitz und nicht mit Haaren bedeckt, bo dass auch das Gesicht rundere und kleinere Form annimmt. . . . Der Hals ist beim Weibe länger, als beim Manne, und weniger in seinen Uebergängen zum Kopfe und zum Rumpfe ab- geschnitten; der Kehlkopf steht weniger hervor. . . . Schon äusaerlich nimmt man in den Längenverhältnissen dea Rumpfes ein Ueberwiegeu des Unterleibes vor der Brust wahr. Diese ist schmaler und enger, die Lenden- wirbel sind hoher, als beim Manne; der Wuchs wird dadurch schlanker; der Umkreis des Brustkiutens liegt in einer Ebene senkrecht über dem Becken, beim Manne ragt er über diesem hervor. Die Beckengegend zeichnet sich durch ihre Breite aus. Die Muskeln sind am Rumpfe ebenfall.<3 weniger sichtbar, da sie mit einer grossen Menge Zellgewebe unigeben sind, welches alle Zwischenrilume ausfüllt und alle Theile durch sanfte üebergänge ver- einigt. Auch die Rippen und Hilftknucheo stehen weniger hervor. Der weibliche Busen, welcher durch die stlirker entwickelten Brustdrüsen und da» umgebende (Fett enthaltende) Zellgewebe gebildet wird, stellt das Mias- verhältniss zwischen der Brust und dem Bauche wieder her und wirkt bei schöner, regelmfi-ssiger Form gleich angenehm auf das Auge und auf das Gefühl."

Die Besonderheiten des übrigen Körjters schildert Busch weiterhin: „Der Unterleib ist runder und tritt bei dem Weibe stärker herror; der ^abel ist etwas mehr vertieft und weiter von der Schamgegend entfernt, als beim Manne. Indem die Brust von den Schultern und dem Busen nach unten zu allmählich enger wird, geht der Unterleib wiederum in die breitere Hüftgegetid über, so dass kein einförmiges Uebergehen des oben breiten Rum- pfes in die schmaleren unteren Extremitäten stattfindet. In der Mitte ist der Rumpf, und zw.ir in der Gegend des Rückens und der Lenden, am eng- sten und am schlankesten Das Schlftsselbein ist kürzer und mehr an dem Rumpfe anliegend, die Arme kürzer, runder, fett-sr, die Finger »ind feiner und spitzer. Eine gewisse Fülle und Rundung bezeichnet beim Weibe die Schönheit der Arme. An den unteren Extremitäten ist der Oberschenkel sowie die Beckengegend stärker, indem hier die Muskelmasse mehr ent- wickelt isti die grossen Trochanteren stehen weiter von einander ab, die Schenkel steigen schllg von innen herab, so dass die Kniee enger bei- sammen stehen und die inneren Gelenkköpfe mehr nach innen hervorragen. Das Knie ist rund und nur achwach Angedeutet, die Wade zierlicher und mich unten «chmttler; die Knöchel treten weniger hervor sowie auch die Schienbeinröhre, Theile, die mehr unter der Haut eich verbergen. Der Fnas j«t kleiner nnd arhmiller, so dase also die den Körper stützende Fläche ge-

to

1.

nnger Ut, ak bani """■* TedAltaä» s«b B»»«^ mi die unt^r^a- ExtremitAt«!) beim Weibe kleifier. »o da» die S^ABgcigCDd niclit wie beim Hanne den Körper in zwei gleiche Hilft«ii tlinlt, rielmetir die Halbirungrs- linie Ober dem Schambein za liegen konunt. Die Schritte de» Weibes siqd daher Itleioer und der Oang iat wegen der Stdhxng der Pfannen mehr »chwankend, aber durch die Leichtigkeik amnBtltigcr; mmr nm Laufen ist das Weib nicht geeignet."

Wir mochten noch darauf hinweisen, daas die Physiologie vor allem in zweifacher Hinsicht da^ organische Leben der Frau ver^ schieden von demjenigen des Mannes findet : Die Frau hat wesent- lich mehr mit den Functionen der Fortpflanzung zu thun; fäe wird mit ihren Kräften durch das Sexuelle (^Menstruation, Schwangerschaft, Wochenbett, Säugen und Pflege des Kindes) in Anspruch genommen. Zweitens zeigt ihr Nervensystem eine specifisch andere Thätigkeit, als das des Mannes ; die Frau arbeitet mehr mit den Gefühlen, der Mann vorzugsweise mit den Gedanken. In allen Bewegungen und Geberden spricht sich deutlich dieses Verhältniss aus ; auch übt diejenige Frau, in welcher das Gefulils- Itsben am reinsten und feinsten zu Tage tritt, den hüchaten Zauber in «erthetischer Hinsicht auf das männliche Gesclüecht aus. '

Wir überlassen es dem Äesthetiker, nachzuweisen, wie nun alle ^ einzelnen Theile zusammenwirken müssen, um dem Ideal der voll* fl endetsten Schönheit näher zu kommen. Viele haben diesen Versuch angestellt, imter anderen auch schon Moreau in seiner «Natur- gescliichte des Weibes''. Dagegen wird uns die Frage beschäftigen, was uns die Physiologie und Anthropologie von den physischen j und psycliischen Verhältnissen des Weibes zu sagen haben. ^|

. Gehen wir nun genauer auf die secundaren Geschlechtscharak- ~ tere ein, so fallt in erster Linie der Unterschied in der Kör- pergrösse zwischen den beiden Geschlechtem in die Augen. Johannes lianke^ sagt:

„Deutlich uusgeepruchene Unterschiede in den Llngenproportionen de« KüTpeie zeigen die beiden Geschlechter. Immerhin sind die Unterschiede, procenti»cb uuf gleiche K5rpergrdsee berechnet, klein und halten sich iu den Grenzen weniger Procente oder erreichen überhaupt den Werth von 1 Procent j der Körpergröitse nicht. Da es hier nicht auf eiacte Zahlenwerthe ankommen kann, «o begnügen wir uns mit der Angabe der Ilauptreaultate unserer Ver- gleichung zwischen dem ichöneu und dem starken Getichlechte. Der Mann unterscheidet sich vom Weibe durcii einen im Verbriltni.ss zur Körpergrösse etwa« kürzeren Rumpf und ioi VerbSltniBs zur Körpergröäse und Kumpflänge etwas längere Arme und Beine, längere Hände und Fasse; im Vorhält- j niss zur ganzen oberen Extremität sind seine „freien Beine" etwas länger, und im Vfirbiiltniss zum Obemrme respective Oberschenkel besitzt er etwas i ILingere Unterarme und Unterschenkel; sein horizontaler Kopfumfang ist iml Verhältnis« /.ur Eörpergröstie etwas geringer. Mit einem Worte, die m&iui- liehen Köqjerproporlionen nähern «ich im Allgemeinen der vollen typisch- j mensclüichen Kflrpereniwickelung mehr als die weiblichen Proportion«» : das Weib steht dagegen im Allgemeinen der kindlichen KörpergliedcrungJ nlher. es steht in dieser Beziehung auf eiueui individuell weniger ent-

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wickellen. in entwickelaugdgeschicbtlicheui Suinc niedrigerea Eaiwickelungü- ataodpunkte als der Mann» Wir verkennen dabei nicht, dasa sich d&a Weih körperlich auch noch nach anderen Richtungen als nach der der ewigen Jugend von dem Manne unterscheidet; immerhin aber lehren unsere Ergeb- nisfle, dase der im Allgemeinen luechaniach weitaus thätigere Mann der weitiaen Culturraese, seiner gesteigerten mechanischen Leistung entsprechend, auch einen mechanisch mehr durchgearbeiteten, Qiecbiiui>'ch vollendeteren Körper besitzt als das Weib. Dass da« auch für Mann und Weib der mit Landwirt hschaft be»cbäftigten Landbevölkerung der weissen Kafibe Geltung bcBitzt, lehren die Untersucbungsieihen, welche von awei ScbiUem Stitda's an lettischen nud 1 itt ha ui« eben Männern und Weibern angestellt wurden. Immerhin erecbeiiien hier aber, wie wir ens'arten konnten, die unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern etwas geringer. Zweifellos kann eich auch bei dem Weibe durch eine in Folge dauernder Lebensgewohuheiten ge- steigerte mechanidche Arbeitel eieto^g 4er Glieder ein mehr männlicher Habitus des Gliederbaues ausbilden.'*

Der Körper des Weibes steht bei allen IVationen der Welt, auch bei den am wenigsten cultivirten, in einem ähnlichen VerhSltniaa eu dem m&unlichcn, wie bbi der weissen Culturrasse, er steht überall in MiBe& Pte- Portionen dem Kindesalter näher als der Körper des Mannes."

Die Haut des Weihen ist in den meisten Fällen zarter and feiner und gewöhnlich auch um einen Farbenton heller ab diejenige der Männer. Das Letztere bestätigt liaelz auch für die Japanerinnen. Bei dem Manne sind bekanntlich viele Stelleu des Körpers bei unserer Rasse mehr oder weniger dicht behaart, während die kleineu, feinen Wollhärchen eine ganz unt«rgeordnete Rolle spielen. Gerade umgekehrt ist dan bei dem weiblichen Geachlecht, wo nicht eelteu die Wollhärchen namentlich an bestimmten Körperstetleu (Wangen, Rücken, Vorderarm und Waden) einen dichten Flaum bilden und zwar gewöhnlich in stärkerer Ausbildung bei Blondinen als bei Branetten.

Geschlechts Verschiedenheiten in der Behaarung treten nach Wahleifer „bereits im Kindesalter auf; immer erreicht hier in der Regel schon da^ Kopfhaar der Mädchen eine grössere Länge als das der Knaben, auch wenn das Haar der letzteren unverschnitten bliebe. Dieser Unterschied bleibt das ganze Leben hindurch bestehen. Die durchschnittliche typische Länge des Frauenkopfhanres beläuft sich auf 58 bis 74 cm fPincus}. Meinen Mes- sungen zufolge sind auch die einzelnen Haupthaare der Frauen durchschnitt- lich etwas dicker als die der Männer, wenigstens in Deutschland. Die Be- haarung des weiblichen Körpers ist nie so umfangreich als die des m&nnlichen. Das Frauenschamhaar bleibt immer kürzer, steht meist dichter, und, wie meine Mei^sungen ergeben haben, erreichen die einzelnen Haare durchschnittlich eine grössere Dicke. Hier .stehe ich in Uebereinstimmung mit Pfaff, doch finde ich den durch-schuittlichen Unterschied nicht so be- trächtlich wie Pf'nff, der da* Mänuerschamhaar zu 0,11 mm, das Weiber- schamhaar zu 0,15 mm angiebt."

Ee kann wohl femer als bekannt vorausgesetzt werden, dass die ge- sammte Muskulatur de« Weibes eine minder kräftige Entwickelung zeigt, als dies beim Manne der Fall ist; dies hat zur Folge, dass die Bewegungen unkräftiger sind; dagegen erscheinen sie zierlicher and feiner. Der Gang des Weibes ist mehr achwankend und schwebend.

Aus diesem Verhalten der Muskulatur reaultiren aber sehr merkliche Unter- schiede an den Skelettthcilen. Bekanntermaaasen bemerken wir an den Knochen

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I. AnthropologSaelie ATiffaflran^ des Weibes.

HbsonderUcke knotige Verdickungen, Fortsätze, Leisten und Vorspiünge. Diese sind es, die die AnfQgang der Muskeln und ihrer Sehnen an die Knochen vermitteln, und sie sind nm so lueträrhtlicber nnd um so massiger, je st&rker entwickelt die Maskulator ist. Das ist der Grand, waunim sie bei dem weib- lichen Geschlecbte erbeblich kleiner und unbedeutender sind, als bei dem männlichen.

Auch in den Functionen der inneren Organe walten grosse Diff»- renzen. Was die Verdauung betrifft, so bat die Frau geringere Neignng. Nahrung aufeunebmen; sie kann Hunger und Durst leichter ertragen. Da» Herz und die Blutgefässe sind im männlichen Körper grösser, weiter und dickwandiger als im weiblichen. Die Blutbildung scheint im Weibe rascber stattzufiuden; daher erträgt es grosse Blutverluste besser, als der Mann, und ersetzt auch das verlorene Blut rascher.

WnMbacJfi ermittelte die Häufigkeit des Pulses bei einer grosseren Zahl von Völkern und fand, dass die Pulsfrequenz beim Manne bis zu 84, beim Weibe bis zu 94 Schlägen in der Minute betragen kann.

Der schnellere Puls bei dem Weibe entspricht seiner reizbareren Natur, der Pulsuuterschied beträgt 10 bis 14 Schläge in der Minute. Bei gleicher Körpergrösse hat die weibliche Lunge ','2 Liter weniger Capacität als die männliche. Nach Scharling verbraucht ein Mädchen von 10 Jahren in 24 Stunden per kg 0.22 gr, ein 9jahriger Knabe 0,25 gr Koblenatofl'.

Gewisse Differenzen in Gewicht und Grösse einzelner Organe bei beiden Geschlechtern fand Be}iecl-e: Bei Männern öbertriflt das Volum der Lungen jenes der Leber; bei Frauen aber ist das Umgekehrte der Fall; ferner zeigte sich bei Männern das Volum beider Nieren kleiner, als jene« des Herzens, Frauen aber erwiesen das Gegentheil.

Auch in dem Bau des Brustkastens (Thorax) zeigt sieb eine Verschieden- heit des GeschlecbteB. Die geringere Geräumigkeit und andere Verhältnisse bewirken, dass die Aus- und Eiuathmung beim Weibe minder ergiebig iat. Schon vor fast hundert Jahren hat Aektrmann die EigentbClmlichkeit des weib- lichen Thorax in weBentlichon Zügen beschrieben. Beim Weibe fand er unter anderem den knorpligen Theil der unteren Hippen grösser als beim Manne; bei jenem steht dan untere Ende des Brustbeins mit dem knöchernen Theile der vierten Kippe entweder ganz in horizontaler Linie oder geht noch etwas tiefer herunter; das Brustbein des Weibe» ist im Ganzen kleiner, als das männliche. Vor allem aber hat das berühmte Schriftchen des ausgezeich- neten SOmmerring^, welcher dem unverbesserlichen weiblicben Geschlechte die fible Wirkung der SchnÖrbnjst vor Augen führte, den besonderen Bau des Thorax gekennzeichnet, Kr gab das Bild einer medicei)>chen Venus und zeich- nete auf dasselbe eine Schnürbnist, um recbt nugenflUIig zu beweisen, wie schädlich e'n solcher Modeartikel ist. Allein hat seinu Warnung die Schnär* brüst beseitigt? Mit Nichten! Noch beute pflegen viele eitle Mütter die „Taille" ihrer Töchter schon in frühem Alter zu verunstalten. Noch immer herrscht die ünnittc, die Gesundheit durch die Marterinstrumente der Pariser Mo4e, die Corsets, zu gefährden.

Weiter ergjib sich aus den zahlreiches Messungen von Liharcxik^ dass der weibliche Körper sich von dem männlichen hauptsächlich dadurch unterscheide, dass ihm eine Rippenbreite (= 1 cm) in d>>r Brust- länge fehlt, wonacli sich dann alle anderen Proportionbur' durch Berechnung ermitteln. (Daher die kürzere Luftröhre und h' imedes Weibes, das breitere Becken u. B. W.) Wie der biblische Soböpfungsbericht

13

Weib aus einer Rippe des Mannea geschaffen wurde, läext erklären.

Tergleicbende Messungen, die anf den oberen, mittleren und onteren '6 ruE tu Dl fang sich bezogen, stellte bei beiden Geschlecbtem und in rer-

Iichiedenen Lebon^altem Wintrich an. Er fand je nach Alter und Geschlecht folgende Abweichungen: Bis in das höhere Mannes- und Frauenalter sei der obere Ltrustumfong grösser, als der untere; in den sechziger Jahren des Leben» aber kehre dies-es Verhältniss sich um. Bei Frauen werde der untere Brust- umfaug von dem oberen nicht in dem Maasse übertrofFen. wie bei Männern. Üui dM vientehnte Lebensjahr werde der Brustkorb des Mannes beträchtlich amnnglicher, als der des Weibes. Nach Lenhossek ist das weibliche Schlüsselbein weniger gekrümmt, all« das männliche. Allein es sind in der Tbat noch viele andere Verhältnisse für den weib- lichen Torso charakteristiach. Eine eingebende Bearbeitung dieses Gegen- etandes vordanken wir dem Anatomen Lucae, auf dessen Darstellungen wir einfach verweisen. Es ist eine Aufgabe der Zukunft, die gewiss recht mannig- fachen Abweichungen im Bau des weiblichen Torso bei den verschiedenen Völkern zu erörtern.

Unlängst wurde jene schon von vielen Autoren berührte Verpchiedenheit

den Proportionen des männlichen und weiblichen Thorax, namentlich

in Brustbeins, auch von Strauch besprochen, welcher im Institute

tßtiedn'n zu Dorpat hierüber genaue Messungen vornahm. Auch er fand ver- iilltiiit!»n)!ls!)ig bei Weibern das sogen. Manubrium, d.h. den oberen Theil des

tfrusibeins, grösser, den eigentlichen Körper des Knochens kleiner, als bei lännem. Wie sehr diese Verschiedenheit theils auf die Lage der inneren inistorgane (Lungen und Her:), theils auf die Function derselben einen Einfluss insübt, besprach femer Henke, welcher sagt: dass sich die Eigen- Ihünilichkeit des weiblichen Thorax in der Gegend des unteren Endes vom Brustbeine, wie sie vermuthlich durch den Einfluss der Kleidung »nteteht, auf eine blosse Verschiebung der Grenzen vom Knochen des Bruf-t-

jliein» ttud den Knorpeln der Rippen, innerhalb der Thoraxwand beschränkt,

[während die Proportionen des Raumes hinter derselben und ihre Erfüllung lurch die inneren Organe sich ziemlich gleich bleiben.

Die weibliche Harnblase i«t breiter als diejenige der Männer, namentlich

jin ihrem oberen Theile; dafür ist j<ie aber von vom nach hinten mehr verengt.

Ihre Capacität ist absolut geringer, als die der männlichen. JC. Hoffmann

^«nd dieselbo im Mittel bei 52 lebenden Weibern zu 650 ccm, bei 74 lebenden länneru zu 710 ccm; bei 86 weiblichen Leichen betrug sie 680 ccm und »ci 100 inäuulichcn Leichen 735 ccm.

Die Anthropologie legt ein besonderes Gewicht auf Form und Grösse les Schädels; deshalb erwähnen wir. dass groHi<e Unterschiede in dieser }«zicbung zwischen dem männlichen und weiblichen Schädel stattfinden. ;n Horizonlalumfung des Mannesschädpls fand Weh-ker im Mittel 521 mm ros«; er verhält sich zum weiblichen wie 100 ; 97. Der Schädelinnenraum Ift» männlichen Schädels. 14.50 ccm, verhält sich zum weiblichen wie 100 -. 90. uuu die niederen Ra^aen (Neger, Malnjen, Amerikaner) im Horizontul- Imtauguiit den kleinsten weiblichen deut-schen Schädeln, die Mongolen mit Im kleinsten und mittelgroNnen übereinstimmen, so könnte man vielleicht icineu, da«« das Weib demgeinftss den [Jebcrgang zu niedrigeren

Menachenraseen bilde. Allein zu solcher Herabw€rdigang das Geschlechts dOrAe wohl kaum die Anthropologie sich herbeiliusen.

Fig. t, Sie 0«oklMktt>üatci««kied* «a BcU4*l (uch ircJNr«). AwitMmUm. A«rtr«2i«riB.

Mach Angaben Ton JMcmnaff, welche er wohl P. Broca entlehnt hat, oad nach üntenuchungcn von Weldter bleibt die Sch&delcapacitit de« Weibes bint«r derjenigen des Mannes sarück bei

Aastraliera

Chiaeten

Negern (Dahomey)

Negern

Sokotranern

Hindu TO& ßellari

37 ccm Eskimo am 149 cem

59 .. Den t sehe (Gegend

73 .. von Halle) .. 160 ..

99 .. Javanea .. 164

114 Siamesen 193 ,.

122 .. EngUndera ., 904

Ein weiterer unterschied gegenüber der phjsitchen Erseheinoag des Xanaes besteht darin, dass die Form des weiblichen Kopfes weicher, geran' dflter. der Gesicbtst heil des Scbüdels. nuuentlich der Kiefer und die Sch&deil- basis. kleiner, und letztere in ihren histerHi Abscbaitts stark TerschmUext ist. Dabei ist die Ba&is gestrecktar. der Satlelwirbcl grbnct und eine aa(- fallende Neigung zur Schielsfthnigkett sowie aar Langkftpfigkeit beim Weibe entwickelt Deshalb hatten mehrere Anthropologen den Satx ausgesprochen, dass im Allgemeinen der Tjpiis dei weiblichen Schidels sieh io vieler Be- sjehaag desüeiugen de« Kudesschädels uAhert. DengMaftas vArdsoHUi riel- leicfck den Sdüass sieben kdmien. daa Weib sei treajgstsaa ia eediser Schldelbildung auf einer früheren Entwickeloagsstaf« ttehea geblieben. Doeli anch diaser B«hm4 giebt uns aicht das Bedit. so «ageo. dass das Weib sich gemlss tautt Kopfform im geistigen Wesea dna Kiada nAkcr».

Jckamme$ JtatJu^ bad. dMS \m den SekidslB der wsiblickeB altbaje- riech ea LandbprOlkscQjig ei»« X«igtt»g aa kkaer>^ hyiiologMch-mi- krocephalen. bei dea ■UnnlieJi«& 8oUld«lB difsgtm > ng ta grOtacnai

physiologisch- ma]tToeepbalea.Werth«a ttr di« 8ek».iri«.a(>ai. lUt vortiemchl. Er giebi Ober letstcr« folgende Tab«llt:

2. Gestalt and KOrperbau. 15

Scbftdelinlialt in Knbikcen timetern.

CWdektrJ Mittel. Minimum. Maximum. SO männl. Schädel „säcbsischen" Stammes 1448 1220 1790

80 weibl. 1380 1090 1550

(JUmkeJ 100 mftnnl. d. altbayeriscb. LandbevSlk. 1503 1260 1780

100 weibl. 1335 1100 1683

flVeistbaeh) 50 männl. meist Österreich. Stammes 1521,6

28 weibl. .. ., 1336,6

Fig. 3. Die Q«foMeolito-üiit«nohiede »m Boli&del (uMh Ecker). Mann aui •inem Mnkiiohen Ontb«. Fraa »ui einem frftnkisohen Grabe.

Alexander Ecker "^ stellt folgende charakteristische Eigenthümlichkeiten des weiblichen Scb&dels auf:

„Die Unterschiede des weiblichen vom männlichen Sch&del sind be- grfindet theils in der verschiedenen Beschaffenheit der Knochenoberfl&ehe, theils in der Verschiedenheit der absoluten und namentlich der relativen OrOsse des Schädels und seiner einzelnen Theile."

1. Geringere Ausbildung der Muskelansätze, besonders Warzenfortsätze, Schläfen- und Nackenlinie, Leisten am Unterkiefer, arcus superciliares (letzteres als Ausdruck des schwächer entwickelten Athemapparats). „End- lich zeigen sich, entsprechend der grOsfieren Hinneigung des weiblichen Schädels zum kindlichen, die VerknOcherungspunkte, die Tubera frontalia und porietalia, in der Regel beim erwachsenen Weibe viel deutlicher als beim Manne entwickelt."

,JDie charakteristische Physiognomie des weiblichen Schädels liegt ausser in den oben erwähnten Eigenthümlichkeiten der Oberfläche und der geringeren GrQsse namentlich in folgenden Merkmalen:

1. in der Kleinheit des Gesichtstheils im Verhältniss zum Himschädel. Der weibliche Charakter ist in dieser wie in mehreren anderen Beziehungen zugleich der mehr kindliche, das Weib steht zwischen Mann und Kind.

2. im üeberwiegen der Schädeldecke Ober die Schädelbasis.

3. in geringerer Hohe des Himscbädels.

4. in einer grösseren Flachheit des Schädeldaches, insbesondere der Scheitelgegend.

16

I. Anthropologische Aoffassnag dei Weibe«.

o. Aas dem Uebenrieffen der Schädeldecke aber die Sch&delbaü« retal- tirt unter anderem eine Bildung der Stirn, die man in gleicher Dad noch stärker aangeprägter Weise aoch beim Kinde findet, nämlich eine senk« rechte Stellung derselben, die bei diesem selbst, über die senkrechte Linie hinaa»gt;bend, oben stärker hervorragt als unten. Dieses gerade Stirn- )>rofil verleiht dem weiblichen Kopf etwas entschieden Edle?.

Fig. 4 Sie &eioUeoltts-TrnteraoUede am Boli&del (nMh Eeker^). Sohwarmwftlder. SohwsriwSlderin.

6. Der flache Sohädel pflegt ziemlich plötzlich in die senkrechte Stim- linie überzugehen, so dass derüebergang von Stirn in Scheitel nicht in einer Wölbung, Hondern in einem leichten Winkel stattfindet. In ähnlicher Weise, wenn auch minder ausgesprochen, geht in einer Art winkliger Biegung der flache Scheitel in dns Hinterhaupt über (deutlicher bei brachycephalen als bei dolichocephalen Schädeln)." Der weibliche Typus entsteht dadurch, dass der kindliche aber die Grenzen der Kindheit hinaus persistirt.

Fürden deutschen Weiberschädel macht Weissbach^ folgende Angaben: „Aus diesen zahlreichen Untersuchungen ergeben sich schliesslich folgende (ieschlechtHeigenthümlichkeiten des deutschen Weibersch&dels:

1. Der ganze Schädel ist absolut kleiner und leichter, mehr in die Breite, aber weniger in die Höhe entwickelt, hat eine relativ schmalere Basis, in der »agittalen Richtung im Ganzen eine flachere, dagegen in der queren eine stärkere Wölbung als der Männerschädel.

2. Sein Vorderhaupt ist kleiner, wohl ebenso lang wie beim Manne, dafür aber niedriger und schmäler, in sngittaltr Richtung viel stärker, in querer oder horizontaler aber etwas flacher gekrümmt: seine Stirnhöcker liegen rdcksichtlich der Liinge des Schädels etwas weiter auseinander, hin- sichtlich seiner grösseren Breite aber näher beisammen, im Verhältniss zn welcher überhaupt alle Brcitcnniaaüse des Vorderhauptes viel kleiner als beim Manne sind.

'i. Das durch seine überwiegende Breitenentwickelung die gprössere Breite des ganzen Schädels bestimniemle Mittelhaupt dürfte eben deshalb, troizdou) es kürzer und niedriger als das männliche ist, dieses an Grösse übertrotfcn; ausserdem hat es eine flucherc Sagittal Wölbung, breitere und in querer Richtung stärker gewölbte Scheitelbeine, deren Tubera weiter aus-

«inander, aber tiefer uiitcn liegen und einen Scheitel (den Raum zwischen I Stirn- und Scheitelhöcker), welcher kürzer und breiter, nach vom hin mehr [verHchmälert und in jeder Richtung flacher, nur zwiacheu den Scheitelhörkern

etwas stürker gewölbt i«t. Die Keikcbläfenfläche gleicht jener des Mannes,

nur ist sie an der Schläfen schuppe niedriger, die seitliche Wand aber ist

länger und in horizontaler Richtung stärker gewölbt.

4. Das Hinterhaupt des weiblichen Schädels etebt ganz im Gegen»at,ze zum Vorder- und Mittelhuupte, indem es sich durch grössere Höhen- und Längenentwickelung bei gleicher Breite von dem männlichen unterscheidet, dieses daher an relativer Grösse übertrifft; nur relativ zur Schädelbreite iat ea ähnlich dem Vorderhaupte schmSJer. Sein Zwiacbenscheiteltbeil (Recepta- culuni) viel länger als beim Munne. Seine Wölbungen, welche sich in ihrem Verhalten mehr dem Mittel- als Vorderhaupte anachlieasen, ditfuriren von jenen de.« Mannes dadurch, da«s die sagittale flacher, die »chräge und quere aber stärker Rind.

5. Die Schädelbasis des Weibes ist schmäler and kürzer, hat ein längeres Grundstück (pars basilaria), ein kleinereü, etwas schraälere.i Hinterhattptaloch, näher aneinander gerückte For. stylomastoidea, aber weiter voneinander «ntfemte For. ovalia.

6. Das weibliche Gesiebt ist im Verhältniss zum Gebirnschädel in alleu Dimensionen kiemer als da.s männliche, mehr orthognath, niedriger und, ent- gegen dem breiteren Gehirnschädel, schmäler, nur oben breiter, unten aber enger, hat eine breitere N^vsenwunel weit auseinander liegende Augen und grössere höhere Orbitae; breitere Oberkiefer mit kleineren, niedrigeren Choanen und kürzerem aber breiterem Gaumen; sein Unterkiefer ist ebenfalls kleiner flacher gekrümmt, hat eine breiteres Kinn und kleinere, niedrigere und schmälere Aeste, welche aber unter einem grösseren Winkel am Körper eingepflanzt sind.

Noch ist zu bemerken, das» die einzelnen Maas.se des Weiberachädels meistens viel weniger individuellen Verändeningen als beim Manne unterliegen."

Wir verdanken Kopernicki in seinen Untersuchungen über den Zigeuner- scbädel die folgende Zusammenstellung:

«Es ergiebt sich aus den von Darin aufgestellten Messungen, dass unter ^en europäischen weiblichen Rassenscbädeln nur die Isländerinnen es sind, bei welchen der Höhenindex (U,73) des Schädels den männlichen <Ü,71) am 0,02 übertrifft.

In Asien findet man dieses Uebergewicht an den Weiberschädeln von Hindus, Muselmännern (O.Ül), Khaa (0,03) und Chinesen (-(- 0.04). Dasselbe findet noch statt an den Javanesen- (-f- 0,01), Dajak- (-j- 0,04) und Tasnianier- (-f 0,03) Weiberschädeln. " Zigeuner (ui. 0,75) (w. 0,77) = (0.02).

„Wir sehen also, dass ca nur wenige Rassen giebt, wo der Uöbenindex der Weiberscbädel jenen der männlichen übertrifft."

„Wenn wir dabei noch diesen Umstand in Betracht ziehen, dass sngfar <iie in beiden Geschlechtern gleichen oder bei Männerschädelu nur um 0,01 überwiegenden Höhenindicca (die Engifinderinn en scbädel ausgenommen) nur in den niedrigsten Rasaen vorkommen (m = w): Badoa, Thais- (Guancben) Neger, Dahomanen. Australier, Marquesaner, Kanä- le a s u n d :

nt =w -\- 0,01: Lepchas, Aequatorialneger, Eskimos von Grön- land nnd Bisajaner, so werden wir uns für berechtigt halten, zu schliesaeii.

Flflti, Dst Wdil ' ^ t1 2

18

1. AntbTopö1of?i«ehe Aoffamong dw Weibe«.

Am« der flberwiei^nde Höhenimlei der Zigeunerinnenschftdel eines von den ihnen eigenthflm liehen Raseenzeichen bildet etc."

MorselH konnte in Bezog auf da« Gewicht des Schädeli conata- tiren, dass der männliche Schädel mehr als der weihliche wiegt. Der rnfton' liehe Unterkiefer übertritft in noch höherem Grade als der Schädel den weiblichen an Gewicht. DasBelbe findet bei den anthropomorphen Atfen statt.

Auch die individuellen Verschiedenheiten im Schiulelgi-wicht und in noch höherem Grade im Gewichte des Unterkiefers sind beim Weibe grösfer aU beim Manne.

Von allen craniometrischen Geschlechtscharakteren ist daa Gewicht des ütiterkiefera der wichtigste.

Der Unterkiefer wiept im Mittel:

bei Weibem ^^ ßr

M Innern 80

Differenz 17

Schaafhausen'^ in Bonn hat nachgewiesen, das« die oberen medianen Schneidezähne bei MiVdchen und Frauen nicht nur relativ, Nondern absolut breiter sind, als diejenigen von Knaben und Mdnnern in denselbeu Lebens- altern. Bei ^Q .Mildchen und 50 Knaben im Alter von 1*2 bis 1.5 Jahren war die mittlere Breite der genannten Zähne wie 1,H3 (Mädchen) zu 1 (Knaben). Bei 12 Männern aua Zundvoort in Holland fand er eine Breite 8,8 im Mittel, wahrend 12 Frauen 8,8 hatten.

Besonders charakteristisch igt auch, dass das knöcherne Becken des Weibes nicht bloss breiter ist, sondern dass auch in Folge dieser grösseren Breite die Gelenkpfunnen weiter auseinander stehen; hiermit ist ferner eine grössere Couvergenz der Oberschenkelknochen gegen das Knie hin verbunden; eine entaprecbende Divergenz der Unterschenkel gegen die Füsse hin compen- sirt wiederum diese Stellung und Richtung der Oberschenkel und verleiht dem Körper die erforderliche Stetigkeit. Der ganze Bau des Beckens eignet das Weib zum Gebären.

Lttst^ka sagt; „Die Beckenregion bietet, aach wenn wir von den an ihre Anssenseite geknüpften Sexualorganen vorerst absehen, nicht geringe Ihren Gesainmthabitns betroifende Geschlechtsunterschiede dar, welche innig mit der Art der Anthednahme am Gattungsleben zusammenhängen.

Beim Manne wird der Raum des Beckens nur in höchst heKchränktem Maasse dunh das Volumen und die Thätigkeit der Geschlechtswerkzeuge in Ajupruch genommen, indem sie grösiitentheils nach au<<sen von ihm verlegt und nur ganz vorilbcrgehend beim Geschüfte der Fortjiflanzung interessirt oiod. Damit ateht es im Einklänge, dass sein Gebiet auch iUisserlich einen beschrllnkteren Umfang bosilzt, der sich zunächxt in einer geringeren HUfton- breite und in einer imcb allen Seiten hin viel schwächeren Wölbung und Abrundung beraerklich macht. Dieses Verhältniss kommt um so stärker zur Aunjirägnug, als beim kräftig entwickelten mannlichen Typus eine bedeutende, auf einen grossen Brustumfang hinweisende Schnlterbieite damit concorrirt, wodurch gleichsam das Ueberwiegen des individuellen über das Gattuugsleben auHgedr>lckt wird.

Nach einem wesentlich anderen MnAsustalje i»t beim Weibe daa Bocken iMifgebaut, indem die»«?» nicht ulliiin zahl reichere und theilweise einer beträcht- lichen Nergrösscrung unterliegende Kingeweidc zu bebt'rltergcn hat, sondern auch darauf angelegt sein mus», der voluminösen, reifen Leibestrufht den Durch« gung durch »eine Uöhle zu gestalten. Da<« ihm eutiipr<fchcnde Gebiet ist denigeuiAns durt'h einen viel grosseren Umfang charakterisirt, welcher nament'

2. Gestalt nnd RSrperbftu.

19

A

lieh in der Quere, aber auch in der Richiong von vom nach hinten sehr vorwiegt, dagegen in den Höhendimen- «ionen im Vergleiche znni männlichen Becken nicht wenig zurücksteht. Die gegen die ProtuberantJA© Irochan- tericae in viel höherem Grade znnehmenilc Hüflenbreite ver- jüngt sich itm schön gebauten Fraueokörper nach oben fast plötzlich in eine Hchlanke Taillt^t wähi-enJ fie am eeitr licben Umfang nach abwilrts unmerklich in die ausser- ordentlich dicken, abgeronde- len und stark convergirenden \ y^ ,JRj//*

Oberschenkel übergeht. Die weibliche Beckenregion ist nach allen Seilen hin auf- fallend stark gewölbt, was nichtallein in gewissen Skelett- verhrtllni89cn, sondern auch darin b«>gr{lndet ist, dass die

Moskulatur auf einen verhält-

niflcmilsfig kürzeren Raum zu-

■animengedrängl und von

einem Clberall mächtigeren

Fettpolster umgeben wird. Üennig^ äussert sich Ober

du kindliche Becken folgen-

derniftusen;

«Die Darrnbeinschoufeln,

dereo WjTdbung später das

Charakteristische des Frauen-

bftckoD»* au»<machpn hilft, sind

b«l neugeborenen Mädchen

noch knnbcnartig steil.

Da« ftenlumigere des weib- lichen kleinen Beckens ist

xunUchst in der Vorderwand

angelegt (brciti'reSchoossfuge, V ^

lavlit abgtTiindeles. auxgc- ^s^^^^

«chwciftcB Sitzbein); die 111 n-

tM-wand ist xnntichot beim

Knaben breiter wogen der von

vomhen-in krilftiffer angelegten Wirbelsäu le. Im siebenten Lebensjahre erst ver-

broitert «ich das weibliche Kreuzbein nnd ist der IlaupttrSger der wichtigen , die

EuropAorin ao vortheilbaft anszeichnenden Querspannung des BeokengürteU.

Jr roher ein Volk, um eo verwischter stellen sich die geschlechtlichen

L'ntericbiode (am knCchemen BeckenJ dar: die Dariu beinschau fein rücken mehr

/äi

O -5

I. Anthropologische Aafüassang des Weibes.

^

m

nach hinten oben (thierühDlich); die« ist bedingt durch die den Frauen nnd M&drhen aufgebürdete schwere MUnnerarbeit, wodurch das Becken zugleich eckiger, den MaskehirüprQngen and Auteiltzon entgegenkommender wird.*

Die GeschlechtHdiflerenT. am knOchernen Becken bebil- dert Hartmann^ mit folgen- den Worten :

„Die Gsschicchtgverschie- denbeiten des Beckens bilden sich erst mit der Pubertäts- entwickelung au9. Manchmal verzögert sich die Ausbildung der typiechen Charaktere des weiblichen Beckens bis zar ersten Schwangerschalt. Letz- teres Becken ist nan nied- riger und weiter als das männliche. Seine Darmbein- schaufeln sind flacher, weniger tief ausgehöhlt, wogegen die- jenigen des Mannea steiler sind, oben und innen mehr wie ausgegraben erscheinen. Der weibliche Beckeneingang ist grosser, der gerade Durch- messer desselben ist länger. Diese Oeffnung ist beim Weibe quer-elliptincb , beim Manne dagegen karlenherzfbrmig. Das weibliche Kreuzbein ist breiter, vorn weniger concav. Dns Promontorium springt weni- ger stark vor, die Spitze de» Sacrum springt mehr zurück. Das Steissbein des Weibes ist beweglichei' als das männliche. Am weiblichen Becken wei- chen die absteigenden Sitz- beinäate mehr nach aussen, wogegen dieselben beim Manne steiler niederwilrts ziehon. Die weibliche Beckenhöhlo ist weiter. Die Tubera ischii den Weibes tttehen dann auch weiter voneinander fMitfemt. Situbeine und Schambeine bilden am weiblif:h«n Becken stumpfer« , am mttnnlichen da^fegen spiUere Winkel, ao ^£s der Sfhamb«>g«n am crsi-rt.. «ich orweiiert. Der Fugenknorpel (Sym- l>1^e) an den i*eiblichen Schambeinen i«t niedriger und d.ckcr, an den

2. Gestalt und KQrperban.

2t

naAn&lichen hoher nnd dQnner. Der weibliche Beckenuuagang ist grOsser als der männliche. Die Abst&nde der Pfannen des weiteren weiblichen Beckeni sind grösser als an dem engeren männlichen gleichartigen Snochengebilde. Diu weibliche Foramen obturatoriam ist breiter und elliptisch, daa mlliiDliche aber ist enger und dreieckig. Alle Knorpel und Bänder des Weiberbeckens sind dehnbarer als die de» männlichen.

Besonders ausfOhrliche Angaben über diesen Gegenstand verdanken wir den» französischen Anatomen Sappey; sie mögen liusführlich hier ihre Stelle finden«

„Du bassin compare dans \es deux sexes.

a. Differences relatives A, i'epaisseur des parois, auxbords et aux sailliera de la cavit^ pelvienne. Sous ce triple point de vue le baasin de Thomme l'emporte sur celui de la femme. L'obaervation nous tnontre que chez lui la charpente osseuse est plus fortement conatitu^. I>e sacrum et les oa de la hauche n'echappent pas ä la loi generale: leur partie centrale, leurs bords, leurs angles, toutea les apophyses qui lea sur- montent, ditTerent trca-sensiblement dans les deux sexes. A leur centre, les t'osses iliaques deviennent si mincea dans le sexe feminin, qu'elles sont transparentes, depressibles, et parfois perforeea : le corpa des pnbis, les bran- ches ischio-pubiennea, sont auaai beaucoup plus aplatis; la circonf^rence su- p«!'rieure et In circonference inf^rieure du basain sont plua mincea, lea sailHes üEseuees sont plus petitea. Dana le eexe maaculiu les os qui forment cette ca- vit^, les OS iliaques surtoat, sont plus volumineus, plus solides et plus lourds, Voyee chex lui l'^paisseur des erstes iliaques ; comparez chez l'un et l'aatre lea i^pines de cenom, les tubt^rositea iliaques, les tubärosit^s de l'ischion, le bonl interne des branches ischio-pubiennea, les anglea des pubia et lear brauche faorisontale: d'un cöU^ so presentcnt des bords et des saillies qui dänotent un lijst^me muHüulaire faible; de l'autre, des borda ^pais et des saillies volum neuse8 qui annoncent des uiuaclea plus puiasanta. Le baaain, ae trouvant en rapport dans cbacun d'eox avec lea mömes maaclea, et donnant attacbe aux memea tendons. devait prt'senter, et pr<5sente en effet toutes les differences qui decoulent de l'inegal düveloppenient de l'appareil locomoteur dana le« deux sexes.

b. Differences relatives ä l'inclinaison du baaain. Nous avoos vn: l'* que cette inclinaison est mesur<^e par l'angle que forme le plan de chaque detroit avec un plan horizontal prolong6 de la partie inf^rieure de ceuX'ci vers le sacrum; 2^ que cet angle chez la femme est de 10 ik 11 degr^ pour le detroit inferieur, et de 60 pour le dt^troit superieur. Naegek, auquel la science est redevable de ces deux evaluationa fond^es sur des donn^es precises et trea-nombreuaes, n'a pas ctendu aes recherches au sexe niMCulin.

Les fn^res Weher eonaiderent rinolinaiaon da detroit superieur comma & peu pr^s 6gale dans les deux sexes. L'obaervation me semble au contraire ^tablir qu'elle est un peu moindre chez rborome. Pour obtenir dea resultats

I comparatifs, j'ai suspendu contre un mur vertical dea tronca appartenaats k Tun et ^ l'autre sexe; puis abaisaant jusqu'au mur une ligne horizontale qui nuaii la Symphyse dea pubia et qui traversait le aacmm, j'ai me^urö l'anglo qui formait cette tige avec le diam^tre ancro-pubien: il a vari6, pour la feuime, de 54 i\ 63 degrea; et pour l'homme, de 49 ä 60. II serait done, en moyenne, de 58 degrt-s pour l'une, et do 54 pour l'autre. Mes recherches, il est vrai. n'out porte que anr »ix hommes et autant de femmes, Un plus grand nouibre d'observations serait pent-btre n^easaire pour r^soudre cette

l'iucation dune maniere rigoureuse et definitive.

c. Differences reliitivee aux dimensions du bassin. Cbex Ift fettuue, le diatnetre eiendu de l'une ü l'autre crete iliaque e^t plus long que cbez rhomme; maia celni qui se porte de la cr&te iliaque k la tubero- lit^ de rischion est plus court. Les diiuensiona transversales compardes daoa les deux sexe« diS'crent en mojenne de 5 millimetres seulement; et le« Terticale{> de 10 k\ 15. Ce que le sexe mascuHn perd du cöte de la larg«ar, il le relrouve dont, et au delA, du cötc' de la hauteur.

Quant au diuiensions antero-posterieures, elles sont oussi un peu plua consid^rables cbez la fenimc, si Ton considere aeulement l'excavation pelvi- enne; luaiB lea parois du bassin ofFreut plus d'^paisaeur daua le sexe maa- culin; et cette ditierence d'^paisseur compense la difference de capacite.

De la predominance des dimeusions transversales cbez la femmc d<^cou1e toute une B^rie de dii'ferencea secondaires. Le detroit superieur, ö'allongeant dans le meme »ens, tent d prendre cbez eile une figure elliptique. La bruncbe borizoutale des pubis etant plus lougue, les carites cotylotdes aont plus ecart«es, les t&tes feniorales plus eloignees, les grauds trocbanters plus sailloats, les femurs plus obliques, les genoux plus rapproche«. De l'ecarte- ment des grands irocbauters resulte, pour ce sexe, un mode de deambu- lation particulier dont quelques auteurs out donne uue idee vraie, mais exageree, en le comparant i celui des paltnipedes.

d. Differences relatives ä la configuration. Parmi ces diffe- rences, les unes se rattacbent au graud bassin, les autres au petit bassin.

Le grand basein est tiesevase dans le sexe feminin; les fosses iliaque« sont etal^es; les orötes iliaques dejetees en dehors et peu sinueuses. Dan« le sexe masculin, les fosses iliaques sont plus concaves; lea erstes de ce noni plus conloumees et plu» reloveea.

Le petib bassin et plus large cbez la femme, plus allonge surtout dans e seas transveraal. Lea angles lateraux du dötroit supörieur s'arroudissent en in^me tenips qu'ila a'ecarteut, d*oü la figure elliptique de ce detroit; d'au- tant plus aecusee, qu'il est plus umple. La paroi posterieure de Texca- vation preüente une coucavite plus prononcee et plus reguliere. La baae du sacrum est plus largc, mais seuletuent cbez les femnies, assez notnbreuse, dont le detroit superieur depasse son ampleur ordinaire. La paroi anii- rieure qu pubienne du petit bassin est plua ätendue dans le sens transversal, mais moins ^lev^e. Les trous «oua-pubiena sont plus grands et triungu- laires; les tuberosites de l'i^cbiou plus ^cart^es; les branches iscbio-pubiennes plua etroitea; leur bord interne se dejette en haut et en debors. L'arcade pubienne, trös-large, represente une sorte de poulie, sur laquelle la tÄte du foetus se reflechit au nioment oii eil« franchit l'orifice vulvaire. Cette arcadc offre uue largeur de 25 ü 30 uiillimetres k sa partie supörieure, et de 9 centim^trcs inferieurement.

La cuisse est plus longue cbez Thouime que cbez la femme de troia ceotiinitres. Cette differonce est due en partie ä la direction du pli de l'aine qui est rectiligne et asccudaiit cbez l'un, curviligne et non-ascendant cbez l'autre dans la inoitie interne de aon trajet, d'oii il »uit que dans le aexe masculin le milieu du pli est pretique toujours plus eleve que la Hym- phjse pubienne, tnodiaquc dan» le sexe femiuin ce tnilieu et la aympbjrae sont iia&i sur le mSme plaa."

Die HUftenbreite der Weiber wird noch vermehrt durch ein eigenthQm* lichea Verhalten am oberütcn Ende ihrer Oberschenkel. Der Hals der Schenkel* beiae ist nämlich lütiget und mehr wagerecht als beim Maone, wodurch dio grossen Trocbantercn weiter nach aussen zu liogiin kommen. Durch alle diaso

vrperbau.

f^rschiUIurU'n Ei;,'eiitb<)inlichkeiten erklärt es sich, daK» Wi dem Weibe der QuerdurchmeeAtT der Hüften denjenigen der Schultorn «u üliertroApn pdegb, während bei den Männern gerade umgekehrt die Schulterbreite beträchtlicher aU die Hättbreit« iüt. Nach Fehlmif soll sich die Weiblichkeit an dem Becken bereit« ku dei' Zeit anfangen geltend lu machen, in welcher da» Becken zu verknöchern beginnt.

Eine ganz bedeutende RoUe in dem ErnähriingHprooesB des Körpers Hpielt die Fe tibi] düng. Während nun das männliche (ieachleoht hinaichtlicb der Ernährung mehr vm einer kräftigen Entwickeluiig de» Knochen- und Mu«kelBy6teiiii9 neigt, y.eigt dus weibliche GeHchlechl häutiger eine reiebiiche Anliigerung von Fett, deseen Vertheiluug am Körper diesem rundere Formen triebt. Diene Rundung trä^t ohne Zweifel diLun , wenn sie in den normiilen Grenzen »ich zvi^t, iitet« diizu bei, dass unn die Formen der weiblichen 6e- titalt aU achöu, d. b. dorn Ideale weiblicher Schönheit möglichst entsprechend, «rscheinen. Dagegen haben für uns alle jene weiblichen Figuren etwa? be- »oadera AbflloxHeudex , welche durch allzugrosse Magerkeit die Rundung der Formen vermisKeu lasseu; die» kommt beaonderH bei den Weibern ver- Hcbiedener Völker schon in einem Alter vor, wo bei una das Weib im All- gemeinen noch einer gewinsen Blüthe Mich erfreut. Hierher gehören zumal die Hottentottinnen, auch die Au.stralierinnen und ander«. Da- gegen giebt «8 Völker, bei welchen eine übermässige Erzeugung von Fett am ge!<aiumten weiblichen Körper etwa» ganz UewöbnIicheB ist, und die auch die«e Ueberproductiou zu fördern eucbeu (Neger und einige orientalische Völker), und bei noch anderen Nationen (uamcnilich in Afrika) zeichnet sich d«r weibliche Körper durch Ansammlung von Fettma^sen an gewissen Theilen »UM. Wir gehen auf diese Thatäacbeu K^>äter näher ein.

Hinsichtlich gewisser Lebensverhältnitiite unterscheidet sich das Weib vom Manne hauptsächlich durch die Entwickeluug des Wuch8eH und durch audem geartet« Sterblichkeit. Die Wachsthums-Proportionen er mittelt« vor allem (^uetelcf^, indem er in .Schuten. WaisenhäuHcrn u. b. w- ,eili» B«ihe von Beobachtungen anstellte. Bei der Geburt allerdings über- tnflen an Grösse die Knaben die Mädchen durchschnittlich um etwa 1 ein (Ü.i99 : 0,489). Dagegen wächst das Mädchen weiterhin so rasch, dass m dem Alter von 16 17 Jahren verhältnisemässig schon ebenso weit vorgerückt ist, als der Jüngling von 18 19 Jahren. Die jährliche Zunahm« zwiaclieu 5 15 Jahren beträgt nach (^uetelet bei Knaben ungefähr b6 mm, w&brt<nd (le «ich bei Mädchen nur auf etwa 52 mm beläutt. Fernerhin fand dtsr»i*lbe Statistiker die Grenzen des Wacbsthums bei beiden Geschlechtern ungleich, 1. weil die Individuen weiblichen GeKchlechtt schon bei der Geburt kleiner sind, als die des männlichen; 2. weil das Wacbc^thum der ersteren früher sein Ende erreicht, und y. weil die jährliche Zunahme der körper- lichen Grösse bei ihnen geringer ist, als bei dem männlichen Geschlechte. Ansserdem erreicht da* Weib später als der Mann sein Gewichts Maximum und wiegt am meisten um das fünlKigrite Jahr.

Nach Sappey ist bei der Freu der Rumpf f»*t ebenso lang aU die Unturextremitäten. während letztere bei Männern im Mittel um 2,5 cm dia Kumpflänge iibertreti'en. Der Mann erreicht das Maximum seiner Grösse mit 30 Jahren, seines Gewichtes mit Jahren, das Wuib letcliires vnt mit 50 Jabnm,

Mlnlaiin |

MmzlnsB |

Hllttl 1

Giswichl d«a Manne«

51,45a kilo 1

»1,246 1

»2,049

Gewicht des Weibes

36.777 1

73.983

54.S77

4c* WaOm.

anriaer

8w DsfiuMM flun Altanfteriodea sa G««kM v«a ttOO G«hinm dean GeacMecht« rcfgiM^ea, da« G^ira m Aller Ton 7 bi» n 147$ p- «o^: mDcni voa da aa ».-«L Jakie warn ÜEsiaulgewichi •l Jäte« (17» gr)L Bd beUcB Ge- I G«hin-G«vidii »t ÜB Aller Ton 60—70 I «war Wi Fkaacn in «UrinrcM ÜMMae ab Ober dflK Gnad «ad ^ Folgoi dieMr ür aicht aa dar Zdl n möl TtfimmrJL Mgi: «Jei. dm b fieniBe. 3 tal eaaln* pw laa cUirw de Braea rt JUaeimf rteak, «i«< la ftaata ttnMtt piai y Ffc— »e d'aa actruim ■cat eieeiMif ei rapida da cerfcaa avaat viagt aaa. Ca BananiBa pflrfaoee •at «<aM n €kai ^a> la eoariie g^afcale. qa^oa a'ca icteaa« paa da aeooad 4 kn eppowr plas Urd. Doit-oa «a lirer oeU« coBtfq[«>aw fae cnfTtaa flaiiaia doh Mre tnite avec dca pritaatiaM taatei paHwiafiiiM et qa'Jl aa liiirtLiBtl paa par eeaaiqpcal & «aa idanallua dipaanat Mi foreea eM- Vralair'

Er ■toOt daaa fb^cad» tatcrcnaate tUvellt i wia. aas wek^er

der üalenMkied laiaAea dca aJaaKtImi «ad veiUi^ca GcÜraca ertielii- fick «ad:

SeMicwIkfc beiaeikea«v »Wi fiOkade üattnckied* darch die raachci TWü« de« KScpeoL

Toa weveaÜi^cr Bedealaag «dieiai Za- aad Abaakoc da Hirafewiebt« i aeia. BdiOB na Jalue I8<1 luOla Boji im Bo«p<lal too SL If arrl^boae vobö er darehacbaiUfidl Giad. daa« 14 Jalirea bei Kaabca ItB. bei UlfeW emidita daa »cibhAe 6etea l\ig$ gt), daa «infidha «rf acMcditerB aiauat a^ voa i jcdCM Jabn^oit bia aam 60. Jakre ab. Jakrea da rwvilei Aaateägea, aad xwai bei Mlaaetn. Ime Hypolkeaa

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Daa Weib im Altar von iO— «0 Jabrea bat alaa IM— 164 gr. im Alter res 60—90 Jakrea ItS ISS gr waaiger Gakira aU dat M ao n.

r«b<T die MMWiaihalHfii alckUgca Palwukiidi^ wilili Mk ac^aa vtbrend de« eaib»ycaikia Lakeaa aa daa OcUmw der bddiB flufkliibKi cfiDeBaca aad aackvetacn kataa. kai «as Atdfafv-t aa^pülii. Kr •agi.

JLun mMM giaabaa. dcM die lM|rMMadM (Icinklinklacatcn .liieja. wdebe «ek aa ^ll«B KOrpcrÜMflaa ia M> aalTkn«MWr WaiMi

^H^m

ftlt und Körperbau.

an dem Or^an des Denkens, dem wichtigsten des Körpers, gar nicht, oder

, nur in so feinen Nuancen auftreten, dass sie si<:h der Beobachtung entziehen?

Ist es denkbar, dass die Parallele, welche zwischen dem Gehirn und der

^Geistesthätigkeit in den verschiedenen Altersperioden, also von der frühesten

Jagend bis in das h5chBte Alter, in so ausgeprägter Art vorhanden ist, nicht

auch fQr die beiden Geschlechter, deren verschiedene Stellung bei unseren

civiliairten Völkern gewiss nicht das Resultat v:ui1illiger Factoren, sondern

nur da« bestimmter organischer Einrichtungen sein kann, Geltung haben soll?"

Büdinger kommt durch seine Untersuchungen zu folgenden Ergebuissen:

„In Bezug auf das absolute Gewicht des Gehirns bestätigten sich die

Angaben von Robert Boj/d, der bei todtgeborenen Kindern im Mittel ein*

.DifTfrens von 46 Gramm minus fBr das weibliche Geschlecht gefunden hat.

i.S3'

Fig. 7, Die OegobleohU-Untenohicd« «n den Gehirnen nengeboreneT Kind«;

(aaoh Hidinger^), Oben der Btlmtheil, unten der Hinterh&nptitheil.

Koabe. Btldohen.

AUe drei Hauptdurchmesser des Gehirns sind bei neugeborenen Knaben

»r als bei Mädchen und /.war im Mittel der sagittale um 0,9 cm, der

echte und der quere um 0,5 cm. In der Mehrzahl der männlichen

[YoctoHgebime erscheinen die Stimlappen etwas massiger, breiter und höher,

laU die weiblichen. HuscMe hatte schon den Satz aufgestellt, dass beim

[Vanne mehr Hirn vor der Centralfurche , beim Weibe mehr hinter der*

leiben liege.

WlLbrend des siebenten und achten Monats bleiben am weiblichen

iebim alle Windungen bedeutend einfacher als am münnUchcn, so dass der

inxe Stirnlappen beim Mädchen den Eindruck der GiMte oder Nacktheit

^inacht. Alle aecundlircn Trans verüalfurchen sind am männlichen Hirn schon

angelegt, während dieselben am weiblichen Hirn noch einfach erscheinen und

^^iin iangxiimereä Wachsthum zeigen. Der männliche Schcitellappen ist ganx

Ibirsonders charakteristisch verschieden von dem weiblichen, denn während

der Stirn- and der Hinterhauptslappen noch ve.rhältnissmässig glatt sind,

[erscheint er bald to stark gefurcht, dass er sich von seiner Umgebung sehr

wfEallend unterscheidet. Mit Recht hat daher Huschke den Scheitellappen

Bim Manne für eine bevorzugte Hirnpartie erklärt.

Dio Centralfurche verläuft hei dem männlichen Foetua Öfters schief; jedoch ist dieser Unterschied vom weiblichen Geschlechte kein constünter and |i«t riellAicht weniger durch das Geschlecht, als vielmehr durch die Verschieden- Ibeit der Form des Kopfes hervorgerufen.

26

I. Anthropologiaehe Aolüausuog des Weibes.

Aiu Gehirn d«r n«ugeboi«Den Mädchen ist die Iiuel in grOaseicr Ah- dehnung sichtbar and leichter zogän^Iich, «b beim Knaben; die FoM» Syfaü wird daher am weiblichen Gehini »}>iter dorch die omgebenden Windungen geschlossen, ald am männlichen.

Im siebenten ax;d achten Monat i^t die perpendiknläre S{>alte na der Innenfläch« der Hemi>phäre beim Mädchen weniger tief eingMCfifct, difl BütAoifiiiii Bogenwindung eben um dieselbe glatter and einfncfa«r nad der Hinterhaaptdlappen erscheint weniger vc-m >cheitellappen abge«etit. ala beim Knaben. Aach «ind alle Wicdcngen an der Innenfläche der Hemiiphäie glatter und einfacher, während beim Knaben die Forchen iiefer and die ^ in- dangen ge«chläc;^ltcr Ter'.aofen.

Trotz vieler individueller Aiunahmeo. weichen man lorgfUtige Bexflck- sichtigung £^ TLcil werden Lu^en mca«. Läzji man die TfaaUacbe, dau ganz verjt:hiedenc typische Bildungsgcäetze für die Grosahirn- winJunge:! der ceideii. Geschlechter bestehen and «chon im foetale:: Leben sich geltezid machen, nicht be«ti«iten.'*

Pjji!^: c:nnte durch seine snter RÄdimjtr'* Leit;;ng auf der Münehener *r..kt.?"--» ^dächze:: rn(er$-a<.'huage:i nachweisen, dj^s da« Gehirn der MSaner vLüjeniTT deiWei^-rr ..ziemliJC l-eüeutend" an Laue. Breite und H3he flber- cri£t. .X>:e Meswunx der Gehimperlpberle in der X«dianebene ergiebt. daM ,1.^ r.är-'ijhe Gehirz in a2ge3i:eben.er Lbene eines, diirchschnittlich um 2 CB .rrCsciere- r=.ü=^ ha: als das weibliche.-* Die Ces.traif-.;rche de> VaitnrW ist <:.irJLscii::i*'.l-.c£. län^r und >tärker gvkh:;uLit als d:e de» Weibes, und et li-rst bii^ Mann« zieL: Geiilm=:as«e vcr der Cenlralfarche als beim Weibe. ce:i>:zd-:r^ raoh. der Medutr^ebene :.:. Hiz^egen kum Putztet die Angabe, VTcibe ziehr ■jezirsr.-.a'Se hinMr der Centrali-.irv:he liege als

(1=.-=. Mt:s*-=.ä- ni-ht b<#ü»:iorr

w;; uur oc 5sS-l.i>

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de» Gehiro» ai» ei« wajtvi*- uv

[e- w.r noch Jakamma

\jiHkt'- h:ren: ..7-Mr deii allgemeinen

>e».;I:a:c:i. weiche wir gewonnen

^^ ha.ez, s-.ri: a=. Wichtigkeit voran

\ die LrjkTZ^uiis« tu:;;! ent^ecengesetzten

\^ :i:i.-jr.*'ist Oeseziciiäiigteit der Ent-

wi^k-.«-.;:^: i^s Griixr.v.vin« bei dem

\ ;_i:;:Ll:-:.ii i:ii WB;.l;:iec. Geschlechte.

\ \VÜ~-i W-.7 r^: d^i Mäaaenchä-

ii— 1- -VU^ieLz.-" :i höhest Maaue

i:<f Ne-c.::^^ vorwal;:::. s«^en. ein

■,.'Z^•»:c'.CirJcjl-— ak:.-.,>fciale* Himrolum

:i erT«..-i::j . ü.xc^-.ecs im Gegen-

s^:. .ijk!.: '.-e: irs. •'ra;ie&schadeln

ei=e Nr.c-j;i a i,'i>*;.-..g'3cher Mikro-

cei'iu».-.-,- \\'.. *;ri;:i r-,i: fehlgehen,

^-.>"ja »-.r :::: .L.v>tf v."i9«::z::iä*6igkeit.

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2. Gestalt nnd Körperbau. 27

des Gehirns an, so scheint ans die hier erkannte biologische Gesetzmässig- keit der Entwickelang des Gehimvolams bei Männern und Frauen einen £in> blick in das Yerhältniss der verschiedenen intellectuellen Begabung der beiden Geschlechter zu gestatten. Bei den Frauen überwiegt die Zahl derjenigen, deren psychisches Instrument eine spärliche Entwickelang zeigt, immerhin überragt aber eine nicht unbeträchtliche Zahl den bei Frauen häufigsten Werth des GehimTolums und es finden sich einzelne Werthe für diese Grösse, welche dem Maximum für Männergehirn volnm nahe stehen. Das letztere ist dm so auffallender, da die Massenentwickelung des Gehirns auch eine Function der Gesammtkörperentwickelung ist, in welcher der altbayerische Mann das Weib im Allgemeinen in ziemlich hohem Maasse überragt. Es stimmt das mit der bekannten Bemerkung zusammen, dass das Gehimvolum der Frauen in Beziehung auf die sonstige Gesammtkörperentwickelung relativ etwas grösser erscheint, als das der Männer. Bei den Männern ist die Zahl der Schädel, welche das häufigste männliche Hirnvolum übersteigen, grösser als die Zahl jener, welche unter diesem Normalwerthe bleiben ; das psychische Organ der Männer zeigt also vorwiegend eine das Mittelmaass übersteigende Entwickelung, und die Zahl besonders mächtig entwickelter Gehirne ist relativ viel grösser als bei den Frauen.

Wenn wir nur im Allgemeinen von der Ausbildung des Instromentes auf seine Leistungsfähigkeit zurückschliessen dürfen, so würden wir also in UebereinstimmuDg mit älteren Beobachtungen innerhalb der Sphäre seiner originellen Begabung die Leistungsfähigkeit des weiblichen Gehirnes für das Durchschnitts -Weib etwas höher ansetzen müssen, als die Leistungsfähigkeit des männlichen Gehirnes für den Durchschnitts-Mann. Dagegen bemerken wir, dass bei den Männern die Zahl derjenigen Individuen, welche eine über das Normalmaass höher gesteigerte Gehirnentwickelung und damit also wohl eine gesteigerte cerebrale Leistungsfähigkeit besitzen , weit grösser ist, als bei den Frauen, und dass im Gegensatz dazu unter den Frauen sehr viel zahl- reicher als bei den Männern solche vorkommen, welche in Beziehung auf die Entwickelung des psychischen Organs unter der bei ihnen normalmäasigen Grösse zurückbleiben. Es stimmen diese Beobachtungen, wie mir scheint, überein mit den allgemein gültigen Erfahrungen über die Unterschiede des psychischen Leistungsvermögens der beiden Geschlechter."

Trotz alier dieser handgreiflichen Unterschiede hat der Wiener Anatom Brühl versucht, eine principielle Ungleichheit in dem Bau des Gehirnes der beiden Geschlechter abzuleugnen, weil unsere Eenntniss der feineren Anatomie bis jetzt noch nicht ausreichte, an der Art und Zahl der Furchen und Windungen des Grosshims sofort ein weibliches Gehirn von einem männlichen zu unter- scheiden. Nach den vorher gemachten Angaben bedarf es keines weiteren Eingehens auf diesen Einwurf. Es ist auch noch gar nicht lange her, dass man nicht im Stande war, einen weiblichen Schädel von einem männlichen zu unterscheiden, und dennoch ist uns das heute möglich. Und auch bei den Gehirnen wird eine derartige Diagnose vielleicht mit der Zeit gelingen. Jeden- falls erscheinen uns die bisher aufgefundenen Differenzen wichtig und charakteristisch genug, um auch den eifrigsten Vorfechter <ler Frauen- emancipation aus dem Felde schlagen zu können.

mg d«8 Weibe«.

:). Die Sterblichkeit des weiblichen Cieschlechtes und der Weiberäberschnss.

Auch die Geburts- und Sterblichkeitsziffern zeitigen Iwmerkenswertheünterschiede beiden beiden Ge8ciilechtern('W'a^/>äifc«^. In der frühesten Lebensperiode zeigt das weibliche IndiTiduum eine auffallend geringere Mortalität. Es muss eine Ursache bestehen, welche die Kinder männlichen Geschlechts vor und bald nach der Geburt energischer hinwegrafit , als die Midcheai. Die grossere St<>rblichkeit der männlichen Kinder reicht noch weit über das SSuglingsalter hinaus. In den höheren Lebensjahren gestaltet sich allerdings die Mortalität etwas anders. So hat J5f»9ef in Prenssen enuitteltv dass die Sterblichkeit der Frauen die grössere ist bloss in den Jahren 10 14, dann 25 40, endlich Qber 60; in allen and«ren Jahren ist sie geringer. Man hat über die Ursachen dieser Diffanwen UHUUUgfiaclw Vermnthungen and^esieilt, doch sind alle

uknueächend. Eine eigenthümlidie, gewiss allxa teleo- « Aber dif» grBaaatB Sterblichkeit minnlieher Kinder S fer aa&, indan «r ««gt: ^E? mag wohl die Natur, m in der Absicht, aas dem Manne ein roUkommeneres Geschöpf gtt lalden, als aoa dem Weibe, dabei noch mehr Hinderaisw find». EIb kSaent Orgunarnns ist aUoi schidlicfaen Einflftsagn zogang- BolMr.^ & isi wuaJailkh, w«a aan weablicbcn Qrgaownnis, w«l «r im JQgeadfidMi AHcr giCsses« ffmwdenM Bdgt, als änen aaToUkommeDcr Tennlagien anfiMsk. In ^itocn Lebeos)aliren inigea n dkr grtfcren MinncnfterUidLkeit Dmrtiade bei» die in der niiwJiilliniiiig «ad Lebcnswciee liegen and welnhe don^ die rodMübette Ar die Fnaen aar weng ■■mgliilim WVBB. Die aoocnn AlfeervlMBen inn m uteluueni ^BMcm bm dn Weiban lelatiT stirkcr bcMbt, ek bei den MbuMtn.

Der Ton der Direiione Generale Statistica des ii lienischeo Miusterinms für Lmiwirthsebaft, Indmine oad Handel] 1S84 rrxi^ftentüchte Beciobt: PopoUaione, MoTimento della Stato cirile, giebi «hw üdbeBBcbt Aber d&e iahi« 1865 bm 188a, «M w^lcber ^e

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Die Sterblichkeit des weibl. Geschlechte« und der WeiberQberschuss 29

Irland 106 Kaabea

Oe8terreich(Ci8leitfaai].)106 , Kroatienu. SlawonieD 106 , Norwegen .... 106 , Serbien 106

MaBaacbusetis Spanien . . Connecticut Rumäu ien Griechenland

106 Knaben

107 ,

110 ,

111 ,

112 .

i^'

Wir sehen hier, wie durchgehends die Zahl der Knaben die- jenige der Mädchen übertrifft und wie unter 32 Ländern, welche berücksichtigt wurden, in den berechneten 19 Jahren in nicht weni- er als 19 Ländern das Verhältniss der Knabengeburten zu den ädchengeburten ein constantt^s war, nämlich wie 105 zu 100. Aufiullend ungleich stellt sich bei den centralaustrali- sehen Schwarzen am Finke-Creek nach Angabe des Missionär Kempe die Zahl der Knaben- und Mädchengeburten: in den Jahren 1879 1882 kamen etwa 4 Mädchen auf je einen Knaben.

Ein erheblicher Ueberschuss an Weibeni findet sich auf der sei Sal eijer im malayischen Archipel südlich von Celebes, wie r durch Engelhard erfuhren. Die ftinf Regentschaften der Insel esitzen in ihren 17 Ortschatten eine Bevölkerung von 2035 Männern und nicht weniger als 3337 Weibern.

Wenn wir in der Ge^ammtbevölkerung aller europäischen Btaaten das Verhältniss zwischen männlichen und weiblichen Per- ^Bonen berechnen, so stellt sich ein Ueberschuss der letzteren heraus ^Bn Proportion von 102,1 Krauen auf 100 Männer, obgleich unter ^ben Neugeborenen ein Geschlechtsverhältniss von 105 Knaben auf ^Di30 Mädchen besteht. Allein diesen Weiberüberschuss besitzt nur ^EBuropa, denn in anderen Continenten findet sich eine durchschnitt- lich grössere Zahl männlicher, als weiblicher Personen. Länder it andauernd starker Auswanderung, wie Grossbritann ien und utscbland, haben ganz natürlich Männermangel, da vorzugs- eise Männer sich in die fremden Länder begeben ; demgemäss ent- iht in Ländern mit starker ^Einwanderung dagegen Frauenmangel. Thatsache freilich ist nicht allein genügend zur Erklärung Weiberüberschusses. Zunächst sind in den frühesten Alters- sen hinsichtlich der Sterblichkeit die Knaben weit mehr ge- 'uhrdet, als die Mädchen. Dann aber begleitet die grossere Lebeus- rohung, welche die Natur dem Knaben als böses Geschenk in ie Wiege legt, diesen fast durch sein ganzes Leben. Mayr sagt ierüber:

„Abgesehen von der in ihrer tödllicben Wirkung vielfucb Aberschatzten

khr, welche die Entbindung dem Weibe bereitet, erscheint der Mann

b der ganzen Entwickelung seines Lobfna bedrohter, als das Weib. Er

in jeder Beziehung zu intensiverem Verbrauche der Lebenskraft. Die

Arbeit dea Frieden« wie des Krieges bringt ihm weit grossere Anatren-

ngen and Gefahren, wie dem Weibe. Der grosseren Summe ph^^Riscber

, welche er besitzt, steht keineswegs eine entsprechende gr&sscre Wider-

kraft gegen die munuigfiiltigeu Lc^bennbedrohungen zur Seite, welche

Dgebeu. D»hei darf man nicht etwa bloss an die einzelnen rasch

»den Vorgange, wie z. B. die Verunglückungen im Oewerbebetriel>e,

km. denen der Manu weit mehr ausgesetzt i«t, altt das Weib, »on4ern

80 I- Anthropologische Anffastang des Weibe«.

aach an den langsamen Verzehr der Lebenskraft im Starm und Dnung da Lebern. Recht belehrend ist in dieser Hinsicht die Criminal-Statistflc. Nie- mand wird bezweifeln, das« der Weg des Verbrechens auch dem leibtichen Wohle nachtheilig ist. nnd wollte er dies, so wftre er dnrch den einfachen Hin- weis anf die Sterblichkeitsziffer der Galeere nnd des Znchtbansea belehrt Wenn nun aber von Tag zo Tag das mAnnliche Ge«chlecht einen etwa f&nffach grosseren Betrag zu den Verbrechern stellt als das weibliche, nnd wenn wir auch darin nur einen, daftir aber statistisch gut erfassbarea Ausdruck des vielfachen Anlasses zu rascherem Verbranch der m&nnlichea Lebenskraft erblicken, so werden wir uns nicht wundem dOrfen, wenn ons die Statistik weiter lehrt, dass wir nns nicht irren, wenn wir in den Strassen unserer Städte mehr alte Weiber als alte Männer zo sehen glauben."

Derselbe Antor sagt: ..Wegen der stärkeren Besetzung der höheren Alteia- klassen bei den Weibern findet man ein namhaftes Uebergewicht darchlebter weiblicher Lebenszeit im höheren Alter. Für Bayern ergab sich beispiels- weise aus der Erhebung von 1875, dass die 51 55jahrigen Weiber mehr als 7 Millionen durchlebter Jahre aufzuweisen hatten, während die Mftnner gleichen Alters nur ein Oesammtleben von nicht einmal ß'^j Millionen Jahren dantellen.

Ganz bedeutende Unterschiede giebt es zwischen den Nationen Earo pas; den höchsten Frauen-Ueberschuss zeigen Grossbritannien und Schweden (106 weibliche auf 100 männliche Personen); denn wenn man 1881 in Eng- land (ohne Schottland und Irland) 11947 726 männliche und 12 660 665 weibliche Personen zählte, so gab es daselbst ein Plus von 712 989 Personen weiblichen Geschlechts. Da muss man doch noch fragen, ob dieses Plus nicht vorzugsweise durch Weiber repräsentirt wird, die in höheren Altersklassen stehen. Ein ähnliches Verhältniss findet sich auch in einzelnen deutschen Ländern, namentlich in der Provinz Ostpreufsen und im Königreich Württemberg, während Oldenburg und die Provinz Hannover eine fast gleiche Zahl von Männern und Frauen besitzen. Dagegen haben die Vereinigten Staaten von Nordamerika einen Ueberschuss der männ- lichen Bevölkerung: dieser Thatsache gegenüber meint der französische Statistiker £/oc^-, dass vielleicht der Grund der berühmten nordamerikani- Hchen Frauen Verehrung ursprünglich in diesem der Damenwelt gflnstigen Verhältnisse der Nachfrage und des Angebotes zu suchen sei.

Die interessant^^ Frage, ob in der Th&t, wie behauptet worden, in Eng- land 2 Millionen Personen weiblichen Geschlechts mehr als männlichen Geschlechts eziHtiren, wird durch folgende Zahlen-VerhältnisBe beleuchtet.

(iroHsbritannien zählte 1851: 13369 442 männliche und 14074814. weibliche Einwohner, ein Verhältniss, welches durch den indischen und den Krim -Krieg wahrscheinlich herbeigeführt war.

Im Jahre 1861 zählte man: 14 097 208 männliche und 14939 300 weib^ liehe Einwohner; daH Plus der weiblichen Personen betrug also noch nicht 1 Million. 1881: 17 203 947 miinnliche (incl. Soldaten), 17 992 615 weibUche; Plus 738 668.

In England allein (ohne Schottland und Irland) bestand im Jahre 1875 (bei 22 712 266 Einwohner) das Verhältniss von 96,13 männliche auf 100 weibliche Pcmonen. Im Jahre 1881 war das Verbältniris: 11947 726 männliche und 12 660 665 weibliche, also 712 939 plus weibliche.

Ingiinz Europa ist das Gescblechtsverhältniss derGesammt-Bevölkerung 100 Männer: 102,1 Frauen, dagegen in Grossbritannien 100:106,2; es überwiegt demnach hier der Frauen-Ueborschuss ganz bedeutend, und zwar in

3. Die Sterblichkeit des weibL Geschlechtes und der WeiberflberschusR. 31

ziemlich gleicher Hohe, wie in Schweden, doch ist immerhin die Annahme ron 2 Millionen viel zu hoch.

In dem gleichen Zeitninme (1865—1888) starben jährlich im Mittel auf je 100 weibliche Individnen in: Rhode Island ... 97 männl. England und Wales . 107 männl.

Vermont 98 , Kroatienu.Slawonien 107

Massachusetts ... 99 , Spanien 107

Schottland .... 100 , Bayern 108

Irland 100 , OesterreichCCisleithan.) 108

Elsass-Lothringen . 102 Ungarn 108

Connecticut .... 102 , Schweiz 108

Norwegen ..... 103 , Belgien ...... 108

D&nemark ..... 103 , Deutsches Reich . . 109

Finland 108 , Preussen 109

Schweden ..... 104 , Sachsen 109

Holland 105 , Thüringen... ... 109

Europäisch. Russland 105 , Griechenland ... 111

Italien 106 , Serbien 112

WOrtemberg ... 106 ,, Rumänien 116

Frankreich .... 107 ,

Wenn wir diese Sterbelisten iim Ratb fragen, so sehen wir also dass wir nur drei Länder antreffen (Rhode Island, Vermont Massachusetts), wo die Zahl der weiblichen Todten grösser ist, als die der männlichen; zwei Länder (Schottland und Irland), wo die Zahlen der beiden Geschlechter gleich sind, während in allen anderen Ländern die Zahl der männlichen Todten diejenige der weiblichen übertrifft und zwar nicht selten ganz bedeutend. Dass also in den Culturstaaten ein Ueberschuss an Weibern in Wirk- lichkeit existirt, das mnss als eine bewiesene Thatsache betrachtet werden.

IL Die psycliologische Auffassung des Weibes.

4. Die psycliologischen Aufgaben des Weibes,

Ueber das Verhältniss des Weibes zum Manne in Bezug auf ihre gegenseitigen geistigen Fähigkeiten legte sich der Engländer Allan die Frage vor:

„Ist liüb Weib in intelleciueller BesiehuDg dem Manne gleich? Bestehen keine natürlichen, geistigen Verschiedenheiten zwischen den beiden Ge- Bchlechtem? Sind die deutlichen Unterschiede im Denken und Handeln, die man zwischen WeiV)ern und Männern bemerkt, allein durch die Erziehung bedingt, oder in der Natur begründet? Ist das Weib einer gleichen geistigen Erziehung fähig, wie der Mann, und kann gleichmä^siger Unterricht alle geistigen Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern aufheben und dm Weib zu einem erfolgreichen Wettstreit mit dem Manne in aller Art geistiger Arbeit befähigen?"

Wir berühren hiermit gleichsam die »Frauenfrage", welche freilich vom anthropologischen Gesichtspunkte aus in einer den Frauenreehtlern nicht ganz wünschenswerthen Weise beantwortet werden muss. Denn wir stellen uns vollständig auf die Seite von AUa», welcher seine Frage fulgendermaassen beantwortet:

„Mein Standpunkt ist, dasa durchgreifende, natürliche und dauernde Unterschiede in der geistigen und moralischen Bildung beider Geschlechter bestehen, Hand in Hand gebeud mit der physischen Organisation. Man vergleiche das männliche und weibliche Skelett, man studire Mann und Weib im physiologischen und im pathologischen Zustande, in der Oexundheit und Krankheit ; man beobachte philosophisch ihre respectiven BcKtrebungeo, Beachdf- tigungcn, Vergnügungen, ihre Neigungen, ihr Verlangen; mau vergogeuwärtige sich, welche Rolle jedes Geschlecht in der Geschichte gespielt bat, und man wird schwerlich der paradi»xen Behauptung beizutreten vermögca, dass keinen Ooschlechtsunlerschied dos Geistes giebt und dass die geistige Ver- schiedenheit der Geschlechter allein eine Folge der Erxiehuug sein soll. Ein Weib mit männlichem Sinn ist ein ebenso anomales Geschöpf als eine Frau mit mannlicher Brust, mit mttnulicheni Becken, mit mannlicher Musku- latur oder mit einem Biirte."

Wohl muss jeden» unbefangenen Beobachter die Thatsuche aui- fallen, dass überall schon von friihest^r .Tu^jend au die Neigungen, der Geschmack und das Vergnlig.-i. }>.m Ivid,.,, r.^^chlechteni hücliak

4. Die p«j«ho1ogischen Auff^uben des Weihes.

different smd. Bei allen Völkern (siehe Ploss^") zeigt sich schon Hüter den Kindern in den Spieläiisserungen der geistige unterschied beider Geschlechter: die Knaben sind actirer, lieben kriegerische Spiele, spielen Räuber, Soldaten u, s. w. : der als Madchen ver- kleidete Achilles griff zum Schwert. Puppen, Spiegel, Putz und Tänze sind die Spiele der Mädchen.

Die Vertreter der , Frauenrechte* behaupten Gleichheit zwischen Mann und Weib; wenigstens stehen, wie sie sagen, in intellectueUer Hinsicht die beiden Geschlechter mindestens auf gleicher Stufe, ja man sehe sogar, dass in geistiger Beziehung die Mädchen viel schneller zur Reife gelangen als die Knaben," und dass zum Beispiel Mädchen von .Fahren in Bezug auf ihre geistige Entwickelung die gleichaltrigen Knaben bei weitem übertreffen. Man könne sich hieraus zum mindesten nicht einen Rückschluss auf eine geistige Unterbilanz bei dem weiblichen Geschlechte gestatten.

Aber diesem Einwurf setzt Allan mit vollem Rechte einen anderen entgegen. Er macht nämlich darauf aufmerksam, dass ein Tliier oder eine Pflanze, je höher sie auf der natOrlichen Rangstufe stehen, um so langsamer ihre höchste Entwickelung erlangen; so sei es auch mit den Knaben, die später reifen, als die Mädchen, sowohl in leiblicher, als in geistiger Hinsicht.

Sehr Kchön befipricht an der Hand der Geschiebte Ixyrrnz von Stfin die ,.Fraufnfrage* : ,Es ist noch keine hundert Jahre her in einer Weltge- ftchichte von ho vielen tausend Jahren, da.9s man überhaupt begonnen hat Ober die tiefere Natur, das Wesen und die Mission der Frau in der uiensch- lichen GenieinHchaft nachzudenken. Bei allem fattb nnendliithen Reichthum der alten Welt in allen Gebieten des geistigen Lebens igt hier ein Gebiet, zu welchem ihr arbeitender Gedanke niemals hinnngereicht hat. Selbst an den gröbsten weiblichen Gestalten der alten Welt gehen nicht bloss Philosophie und Geschichte, jiondern ttclbüt die geistreiche Beobachtungsgabe der Pariser unter den Griechen, der Athenienser, schweigend vorüber, und weder das schöne Bild der PeneJope, noch die glllnzende Erscheinung einer Lnis, noch die machtvolle einer Khnpatrn oder die schmachbedeckte einer Messaline haben min Nachdenken auch die rtvsllos Denkenden unter den Alten ange- spornt. Aristoielen weiss in seiner Politik von hnndgrt Gründen, aus denen Männer Rtark uud Staaten gross werden und vergehen, aber von einem der «gewaltigsten Kactori-n de« Lebens und seiner Bewegting, von dem Weibe, weiss er nichtj>, Phitn kennt alle Ideale, die d^-a Menschen, der Weisheit, des Staates», der Unsterblichkeit» da« Ideal des Weibes kennt er nicht. Die Lyriker besingen alles bis zu den olympbchen Spielen und Siegern, aber die, denen si<.-h zuletzt auch diese Sieger gerne beugten, die Frauen, kennen sie nicht. Unter den grossen und kleinen Theaterdichtern der alten Welt hat nur Sophoklrs eine Antigone; .sie wissen alle das Weib nicht .ils .Motiv' zu ver«toh<;n und zu benutzen, und darum sind uns ihre doust so grossen Dramen Früchte ohneBiüthen, kalt und klar, hart und historisch. Allerdings be- ginnt mit der germanischen Welt eine andere Zeit. Das Weib tritt in di* Geschichte und ihre Poesie hinein; an der Schwelle derselben stehen Krtem- fkiUL und Bruntuld, zvrei Gestalten, wie sie die alte Welt nicht kennt, und Im« wird der Inhalt eines zweiten nicht minder grossen Epos. Dann

Pto«*, Du« Wiii><. I. 3. Aufl. 3

34

11. Die pgychologiache Auifaasuug de« Weibes.

kommen die Troubadours und ihr Reflex bei den Deutschen, die Mijines&Q( das Herz der geraiaiiiächeti Völker hat gefunden, wa« der Verstand der alten nicht gesehen hat, die Li ebe aU jenen milchtigen Factor, der die eine Hftlfte des m&nnlichen Lebens unbedingt beherrBcht, am die andere glQcklich oder unglücklich zu machen; und von da an wird die Ehe der Inhalt aller K&mpfe, in denen das Individuum mit den individuellen, ja mit den gesellschaftlichen Yerbältnisaen ringt. Schon iut das Pathos aus dem rein männlichen ein halb weibliches geworden; der Mann, der früher Bein Leben und seine hOchste Kraft nur dem Staate geweiht, lernt fQr die Frau nicht bloss fühlen und leben, sondern auch sterben, und die Poesie des achtzehnten Jabrhunderta bedeckt daa Grab aller Werthers mit den herrlichsten Blumen des Liedes und des Trauerspiels. Die Frau ist du; sie ist eine Gewalt; sie ist zur Hillft« des Lebens geworden; aber sie ist doch nur ein Eigenlhum der Dichtkunst. Kaum dass die trockene Satire Geliert's und BaJyener's hier um) da einen komischen Zug in die gl&nzenden Bilder hineinzeichnet, die in den Gretchens und Kl&rchens, in den verschiedenen Luisenhattigkeiten und Auiaranlhen ibre tiefen, schönen Augen auf uns richten und uns fesseln; die schönen Gestalten bleiben, und selbst die Sappho's, die uns su oft begeistern, sind unser und treten mit ebenso viel Klegans als Erfolg in das sprudelnde Leben unserer Künstlerwelt hinein. Eh ist kein Zweifel, wir sind um eine Halb« Welt reicher geworden, aber bis jetzt nur für die Dichtkunst. Das wirk- liche Leben hat noch immer die Frau nur als Thatsache, nicht als die grosse anerkannte Kraft aufgenommen, die in ihr lobt, und selbst Bahcufn «femme* incomprises* haben es nicht vermocht, jenes Interesse an den weiblichen Gestaltungen der Dichtkunst Ober ihr dreieaigstea Lebensjahr hinaus featza- halten. Da kommt nun unsere nüchterne Zeit: ihr Charakter ist der Ma aBi- stab. den sie in tausend Formen in ihrer Hand führt, und in tausend Formen messend doch immer dasselbe misst. Das aber, was sie misst, ist der Werth, und zwar mit kühler Härte und vollem Bewuastaein der wirthschaftliche Werth aller Dinge. Für sie ist auch die Sonne nichts als Licht und Wärme, die Kraft ist Production, der Hain der Sänger mit sflsaduftender Frühlin^s- luft ist ein landwirthschaftlicher Factor für die Feuchtigkeit, und die Blüthe aller Dinge hat nur als Mutter der werthvollen Erde ihre nationalökonomische B<>rechtigung. Es ist sehr traurig, so sehr nützlich zu suin; aber es ist «o. Wer will es wagen, sich dem zu entziehen? Und wenn jetzt jede Form de« Bewusataeins von den nationalökonomischen Messungen angekränkelt wird, kann es fehlen, dass wir auch das, worin der Frühling des Lebens sur dau- ernden Gestalt wird, mit diesem Maasae messen ?' «

So gelangt auch dieser treuliche Schriftsteller zu einer Ah- lehuiing der Emancipation der Frau, indem er am Schlüsse seiner weiteren Betrachtungen sagt: ,So werde ich nicht mit den Physio- logen über das Granimenge wicht des Hirns discutiren; ich werde vielmehr einfach die unzweifelliafte Thatsache feststellen, dass alle Berufe der Frau zugänglich sind imd »ein sollen mit Ausnahme derer, bei denen durch die strenge Erfüllung des Berufs selbst der wahre Beruf der Frau, die Ehe, unmüglicb wird. Nun glaube ich, diese Grenze ist in den Berufsarten der Frau bereits erreicht; die Frau, die den ganzen Tag hindurch beim Piilte, am Ilichter- tisch. auf der TribQne stehen soll, kann sehr ehrenwertb und .sehr nützlich sein, aber sie ist eben keine Frau mehr; sie kann nicht

4. Die psychölogiBclien AnfgaTjen des Weibe«.

35

1

ob, ßie kann nicht Mutter sein." Wir stimmen mit v. Stein öllig in dem Satze Uberein: ,In dem Zustande unserer Ge- llschaft ist die Emancipation ihrem wahren Wesen nach die Negation der Ehe." Und an einer anderen Stelle sagt derselbe Antor: «Es ist kein Zweifel, der Träger des socialen Gedankens ist der Mann, die Trägerin des socialen Gefühles aber ist die Frau.* Die Natur hat beide Geschlechter gewissermaassen för ihre Leistungen auf eine Arbeitstheilung hingewiesen.

Die Fehler, welche in der modernen Erziehung de.s Weibes begangen werden, bedrohen nicht bloss dessen körperliches und moralisches Gedeihen, sondern sie sind auch mit schwerwiegenden Kacbtheilen ftir das Wohl der Familie und damit fllr das der Ge- sellschuft verbunden.

„Der Beruf de« Weibes, so sagt sehr richtig der Seelen-Arzt t\ Kraft- £bing, ist die Ehe und in dieser ist sie berufen als Mutter, ah HaUHfrau, als Gefährtin des Munncs und als Erzieherin ihrer Kinder ihre Stelle aassufUUen. Biesen Berufspflichten trägt die moderne Erziehung des Mädchens keineswegs ▼olle Rechnung. Sie scbiUligt die künftige Leistung als Mutter, indem sie durch z\i vieles Stubensitzen und Lemenlassen den Leib verkOmraern lässt, ie Entwickelungsperiode treibhausartig verfrüht und über den Drang, den Geist zu entwickeln, nicht einmal den Körper in seiner wichtigsten Entwicke- ■lungsphase schont. Damit wird der heutzutage überaus häufigen Bleichsucht, w Eingangspforte so vieler Uebel, wie z, B. der Lungen- und Nervenleiden, orschub geleistet.

Der ethische und häusliche Werth des Weibes als künftiger Hausfrau und Gefälirtin des Mannes auf seinem oft aufreibenden, mühseligen Lebensweg leidet unter einer Erziehung, die nur bestrebt ist, das Mädchen heutzutage viel als möglich durch äusseren und inneren Aufputz zu einer begehrens- «n Partie für den Mann zu machen und so des Mädchens Zukunft tu werden thunlichst zu sichern. Diese Erziehungsweise vemach- lllaMgi die tiemfiths- und Herzensbildung, des Sinn für Häuslichkeit, Einfach- heit, GenQgaamkeit. für Hohes und Edles. Sie dient nur hohlem Scheine, legt Werth auf encyklopädisches Wissen und auf Fähigkeiten, die die junge Dane in der Geaellschaft beliebt machen, mit Verkümmemlaasen der echt weiblichen Tugenden.

Statistiker versichern in allem Ernste, dass etwa 75 Procent der Eben heutzutage unglücklich iiusfallen. Mag auch diese Ziffer etwas zu hoch ge- griffen sein, SU kann es keinem Zweifel unterliegen, das« die an Gemütb und Herzeusbildun^ so häufig verkümmerte, zu Genuss und Luxus erzogene, über ihre «o«i .r,- hiniins gestellte, körperlich schwächliche und nach den

ertteii Vt ten boreit.s kränkelnde, dahinwelkende Frau keine Lebens,

rtüi, wtu riiti sein aollto, für den Mann abgeben kann. Enttäuschungen beide« Seiten können nicht ausl^ieiben. Die Frau fühlt sich in ihrer LebetI«>'^ ht befriedigt. Körperlich leidend und nervös ist sie unfähig,

ihren m > n und häuslichen Pilichteu in vollem Umfange nachzu-

kooineD."

Der so häutig aufgestellten Behauptung, dass es sich nicht um angeborene Verschiedeulieiten in dem geistigen Vermögen des miinnlichen und w«'iblichen Geschlechta handele, sondern dass die in die Augen füllenden Unterschiede einzig mid allein als eine

3*

36 Q- I)>c psychologische Auffkuuog des Weibe«.

Folge der Terschiedenartigen Erziehung und der veretchiedenartigien Methoden des Unterrichts bei deu beiden GeschlecLteiti angeseheu werden müssten, tritt mit klarem und Qberzeogendem Beweise Ddaunay entgegen:

,0n pourrait croire qua rinatmction donnie ^alement aux iudividaa de Tun et de l'autre sexe a pour etfet de r^lablir l'^galite entre eux. II n'en est rien. Au contraire, le fonctiunnement du cerveaa uccroit la pr^eminance de Ilioiutne sur la feninip. Dana lus Cooles mixtes, le« deux sexes re- Voivent la uiöme educatioD juhqii'ä quinse ans, les iiutituteuni observeni, qu'& partir de douze ans les* fiUea ne peuvent plut suivre les iiar^ons. Cott« Observation demontre que l'egalit^ des deux sexes rdv^ea par «-ertains philo- Bophea n'eat pas pr^s de g'acroniplir. An contraire. cett« ägalit^, qui existait chez les rucea priniitivea, teud ä disptiraitre avec lea progräa de la ciritisation.*

Eine Gleichstellung der beiden Geschlechter darf daher, vrie mit vollem Rechte Virchow^ »agt, aus intellectuellen und aus physischen Gründen nicht angestrebt werden, denn alle Unterschiede müssen bleiben, die in der physischen Bestimmung beider Ge- schlechter gegeben sind. Eine volle Emancipation würde zur Aut- losung der Famüie und zur öffentlichen Erziehung der Kinder fahren, einem Zustande, wie er nur auf den niedrigsten Stufen menschlicher Cultiir gefunden werden kann.

5. Die moderne Psycholog:ie in ihrer Auffassung des weiblichen Charalcter«.

Verbietet sich schon durch die specitischen physiologiscJM Functionen, welche das weibhche Geschlecht insbesondere btzüglicb seiner t^exuellen Aufgaben (Emptungnisis, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Säugen und Kindespflege} von der Natiu- übernommen hat. eine Gleichstellung beider Geschlechter, so tritt der Unter- schied zwischen Mann und Frau weiterhin auch in psychologischer Hinsicht recht deutlich hervor. Denn das gerammte geistige Leben des Weibes erhält specifische Bildungsbahnen, so zwar, dass dem Weibe allerdings keineswegs eine geistige Fähigkeit, dif der Mann besitzt, ganz fehlt, dass aber doch theils die nr .he

Anlage, theils der physiologische Lebeusgang gewisse 1 ^-c.ien

mehr, andere weniger beim Weibe zur Entwickelung gelangen lassen. In ethnologischer Beziehung bemerkt hierüber Lot^e^ sehr treffend Folgendes:

, Vergleicht man die Dirergens in der Richtung der g^iati^n Bildung die in Culturrfllkern niänoliche« und weibliche« Ge?''>i{»^ht scheidet, mit dem, was »ich bei den wilden St&nimen findet, so ist zu !• diu» «in grxmser

Theil der Zartheit, der Weichheit und des O'^ftlhlyT--: in mju» so g«m

Ton der feineren und geschmeidigeren Te\' ablilngig

macht, ebenso weni^r in diesem Grad« ^.^ ui, aU ja»

leiblicheo KiKcnschaften selbst. Mag intmerhin auch bei wilden Völkern die

5. Die mod. Psychologie in ihrer Aoffassang des weibl. Charakters. 37

I I I

r

MDskelfaser des Manne» stivxffer, seine Respiration energiscber, sein Blutreicher leeten Bestaodtheilen, seine Nerven weniger reizbar sein, so sind doch alle Unterschiede ohne Zweifel selbst erst durch die Lebensweise der Civili- OD vergrössert, die vielleicht alle körperliche Kraft etwa« herubeetzt, aber aoTerh&ltnissntAsüig mehr die des weiblichen Geschlechts, während sie zugleich, wie die Zähmung der Thiere, Schönheit und Feinheit der Gestalt steigert. Gewiss halten wir nicht allen psychischen Unterschied der Geschlechter für »oerzogen; ihre verschiedene Bustiminung luag allerdings auf die Richtung ;ind Bildung grossen natürlichen Einfluss uusÜben; dagegen sind wir Überzeugt, dass die meisten detaillirten Beachreibtingen hierüber nicht Schilderungen eines natürlichen, sondern eines künstlichen und zwar bald eines depravirlen, bald eines durch Cultur höher entwickelten Zustande« sind. Gewiss gehört zu den Symptomen einer verkehrten Bildung und selbst einer depravirten Ansicht über die natürlichen Verhältnisse die ungemeine Wichtigkeit, welche man in dem weiblichen Seelenleben nicht sowohl den Geschlechtsfunctionen. als riehnebr der Reflexion über sie und der beständigen Erinnerung an aexu- «Uea Leben beiniisst. während man dem männlichen Geiste von Anfang an «ine objectivere Richtung auf zusuuinicnfaesende Weltanschauung zuschreibt. Man begeht denselben Fehler, den man so häufig bei der Betrai'htung der Inntincte begangen sieht: man vergisst, duss neben den einzelnen durch Nataranlage bestimmten Trieben noch ein bewegliches unabhängiges Geistes- leben steht, und dass der Kreis der Interessen nicht mit diesem einen Instincte abgeachioesen ist.*

Dass die periodisch wiederkehrenden Einflüsse, welch« durch die vielgestaltige Reihe der Fortpflanzungsfunctionen das Weib in Anspruch nehmen, auch auf das Seelenleben desselben während der Ansttbung die^^er Functionen einwirken, ist selbstverständlich. Allein LoUf macht mit Recht darauf aufmerksam, dass wir noch wenig »US pbj'siologischen Motiven das perraauente Gepräge zu erklären rermögen, welches während der Zeiten des Aussetzens jener Ge- schlechtsfunctionen die Gesammtentwickelung des Geistes festhält Er sagt: Die Dimensiontrn der Körpertheile, des Kopfes, der Brust des Unterleibes und die damit verbundenen Entwickelungsverschie- denbeiten der inneren Organe mögen allerdings durch die ab- weichende Rascbheit, Kraft und Reizbarkeit der Functionen cha- rakteristische Mischungen des Gemeingeillhls bedingen, aus denen nicht nur Bevorzugung einzelner Gedankenkreise, sondern auch eine " ^hou zu gewissen formalen EigenthUmlichkeiten des Vor-

./sverlaufs und der Phantasie folgen ki'mnte. Am nächsten würde es uns liegen, die Verschiedenheiten der Entwickelung von der Nalur des Nervensystems und seiner Erregungen abzuleiten. Bestimmte Unterschiede in der Structur der Centralorgane, die wir zu deuten wQssten, sind bisher nicht aufgefunden worden.

IHese Aussprüche Lotze's gelten noch heute, obgleich seitdem drei .lalirzehnte verflossen sind, welche in der Nervenphysiologie vieles Neue zu Tage brachten. Noch immer wissen wir nur, dass das weibliche Geschlecht einer grossen Reihe von Nervenkran k- 1 weit zugänglicher ist, als das männliche, dass also das

-ystem des Weibes ohne Zweitel eine specifische Thätigkeit

88

II. Die psychologische Aoifaasaiig des Weibes.

äussert. Die , Nervosität^, diese in unserer Zeit und bei unserer Cultur sehr verbreitete Anomalie, ist allerdings wohl auf" beide Ge- schlechter in gleicher Zahl vertheüt; und es ist gewiss falsch, wenn man behauptet, dass das Weib mehr als der Mann zur Nervosität neigt (3Iöbius). Vielmehr ist es Thatsache, dass das Weib vor- zagsweise der Hyperästhesie und den mit ihr verbundenen Krank- heitsformen ausgesetzt ist, und dass namentlich die sogenannten hysterischen Zustände fast nur bei Weibern vorkommen, während sich die Hypochondrie als Mänuerkraukheit darstellt ; die eigenthüm- lichen Schwäche- und Erschöpfuugszustäude, die mau als .Neur- asthenie* bezeichnet, sind viel häufiger bei Mäimern als bei Weibern beobachtet worden.

,Da8 Weib,* sagt Möbius, , verhält sich im Allgemeinen passiv. Es herrscht in ihm das Gefühlsleben vor ; die Intelligenz ist, wenn vielleicht auch von vornherein der männlichen ebenbürtig, wenig entwickelt, insbesondere tritt das Vermögen der BegrifiFe, die Ver- nimft zurück. Insofern kann man in der weiblichen Natur eine Disposition zu den Nervenleiden finden, für welche Willensschwäche charakteristisch ist."

Alle Jena Perioden, welche als Entwickelungsphasen des weib- lichen Geschlechts auftreten, geben mehr oder weniger Anlass zu nervöser Erkrankung; der Eintritt der Menstruation, die Schwanger- schaft, das Wochenbett, die sogenannte kritische Zeit (klimakterische Epoche) haben namentlich bei unseren cultivirten Lebensverhält- nissen die verschiedensten Störungen im Bereiche des Nervensystems im Gefolge, während allerdings die Frauen der wilden Völker viel weniger solchen nervösen Leiden, sowie auch den maanigfacheo Erkrankungen der Geschlechtsorgane ausgesetzt zu sein scheinen.

Um die mittlere Stellung in der Beurtheiluog des Weibes, welche unter den deutschen Philosophen Lotae^ einnimmt, naher zu kennzeichnen, können wir uns nicht enthalten, weitere Aussprüche dieses Autors im wesentlichen zu berichten. Die ge- ringere Grösse der Kraft, welche das weibliche Geschlecht im Gegen- satz zum männlichen zeigt, wird, wie er sagt, durch ein höheres Maass der Anbequemungstähigkeit an die verschiedensten Umstände ausgeglichen. Die leiblichen Bedürtiiisse der Frauen sind weit ge- ringer, als die der Männer; sie essen und trinken weniger; sie aihmen weniger und widerstehen der Erstickung, wie man behauptet, besser. Alle Mtlh.seUgkeiten, wenigstens die, welche allmählich an- wachsen und fortdauern, alle Entbehrungen ertragen sie theilst leicliter, aki die Männer, theiis wenigstens weit gMlcklicher, als im Verhältniss zu ihrer körperlichen Kraft erwartet würde. Sie ül ' ' n Blut- verluste und dauernde Schmerzen besser, selbst die Reiz- barkeit ihres Nerveusyatems, um deren willen viele unbedeutende Störungen ausgedehnte Nachwirkungen erwecken, scheint ebenso sehr die schnelle und gefahrlose Zerstörung der erfahreneu Er*

5. Die mod. l^7cbologIe in ihrer Anffesciinig des yrnih}. Charakters. 39

f

Schotterungen zu begOnstiwen. So erreichen sie selbst unter tju- günatigen Umstanden häufig ein hohes Alter, obgleich die Beispiele höchster, bis tief in das zweite Jahrhundert reichender Lebensdauer fast ausschliesslich auf Männer treffen. Allen sehr heftigen Sinnes- reizen von Natur abgeneigt, haben sie doch gegen unangenehme EindrDcke weit mehr nur Jisthetischen Widerwillen, wo der Mann seinen physischen Ekel mühsam bezwingt. Dieselbe Anbequemungs- fähigkeit zeigt sich in den verschiedenen Lagen des Lebens. Lotge fllhrt dafür die alte, richtige Bemerkung an, dass Frauen sich weit leichter in neue Lebenszustände, ungewohnten Rang und veränderte Glllcksgüter schicken, während der Mann die Spuren seiner Jugend- erziehung kaum verwischen kann. Auch weist er auf das Gemisch aanguinischer Lebhaftigkeit und sentimentaler Warmherzigkeit hin, das wir an Frauen entweder finden, oder dessen Mangel wir als eine ünvoUkommenheit der Einzelnen beklagen.

Freilich stimmen wir mit Lotse darin tiberein, dass es sehr fraglich ist, inwieweit das geistige Leben beider Geßchlechter, das durch diese Zfige charakteristisch wird, als ein Ergebnis» der natürlichen Anlagen oder als ein solches der Lebensverhältnisse und des Bildungskreises aufzufassen ist, Lotse glaubt nicht, dass die iotellectuellen Fähigkeiten der Geschlechter sich anders als durch die Eigenthümlichkeit der Geflihlsinteressen unterscheiden, welche ihnen ihre Richtung vorzeichnen:

,.Ei» dürfte kaum etwas geben, wuh ein weiblicher Verstand nicht ein- leben könnte, aber sehr vieles, wofür die Frauen «ich nie interesüiren lernen. Sagt in&u nun häufij^, da«e des Mannes Erkenntnis;) das Allgemeine, die des Weibes das Einzelne suche, so wird man in zahlreichen Fällen gerade die IndiriduHÜsiningskraft der Frauen geringer finden; ohnehin wQrde jene Yer- Lheilung des Erkenntnissgescbilftea nicht zu <len egoiHtischen Bestrebungen, die mau deut männlichen Willen, und zu der Unterordnung unter das Allgemeine «tinimen, die man der weiblichen Selbstbcschränkung zuweist. Man würde vielleicht richtiger weinen, dass Erkenntnis« und Wille des Mannes auf All- {(emeines, die des Weibes auf Gtinzes gerichtet sind." Diesen Satz fahrt dann L^jUtf weiter aus, wobei er unter anderem [lus»ert: „Es ist weibliche Art, die Anulyse zu hassen and das entstandene Ganze, so wie es abge- schlossen dasteht, in seinem unmittelbaren Werth« und seiner Sch(Snheit -^u geniessen und zu bewundern,"

Dnnn fUhrt er in seiner Charakterisirung fort: „Alle männlichen Be- strebungeTi bemhen auf der tiefen Verehrung des Allgemeinen; selbst Stolz und Kbrhircht des Mannen ist nicht befriedigt durch grundlose Gewährung, sondern sein Anspruch beruht auf dem Betrage allgemein anzuerkennender VoTBllg«*, die er in eich zu vereinigen glaubt; er ftthlt sich durchweg mehr, als «in (MgeuthÜmliches Beispiel des Allgemeinen, und verlangt mit Anderen nach eiocni gemeinsamen Maaese gemessen zu werdcrn. Die Neigung des weib- lich<^n (temflths ixt ebenso andächtig dem Ganzen gewidmet ; so wenig die Schönheit viner Blume nach gemeinschaftlichem Mnasso mit der einer anderen zu ▼crgleichcu itit, so wenig wQnscht das Weib nl« ein Beispiel neben anderen zu gr-lten; und wo der Mann gern im Dienste dm Allgemeinen in die Meng6 Gleichgesinnter eintritt and in ihr untergeht, will das Weib als schunos, ge>

40

II. Die psychologuuhe Auffassiuig des Weibes.

Bohlostieneti öauKes, nur aus sich selbst vergt&ndlich, nur um dor unvergleiob- liehen Eigeuihüniliclikeit seines indiriduellenWeseDS willen gesucht uud geliebt aein." lu vielen, aus dem Leben gegriffenen ZQg^u findet Lot2e Belege dieser allgemeinen Verschiedenheit: Die geschäftlichen Verabredungen der Männer sind kurz, die der Frauen wortreich und selten ohne vielfache Wiederholung; sie haben wenig Zutrauen zu der Festigkeit eines gegebenen Wortes u. s. w. Das Eigenthum halt der Mann am häufigsten für das, was es wirklich ist, für eine Summe verwendbarer und Iheilbarer Mittel, nnd seine Freigebigkeit achtet kein angebliches Zusammengehören derselben; die Verschwendung der Frauen besteht meistens in Anschaffungen, für welche sie die Ausgabeu der Entgelt- luittel nicht selbst übernehmen. Das einmal erworbene und in ihren Händen ho6udl)che Eigenthum erscheint ihnen dagegen leicht als ein unantastbarer Bestand, dessen Theile, weil sie ein Ganzes bilden, voneinander zu rei(>8en unrecht wäre.

Am Schlüsse seiner Darstellung sagt Lolie: „Ich möchte endlich die Behauptung wagen, dass fOr das weibliche Gemüth die Wahrheit Oberhaupt einen anderen Sinn hat, als fQr den männlichen Geist. Den Frauen ist alles das wahr, was durch die vernünftige Bedeutung gerechtfertigt wird, mit der es sich in das Ganze der übrigen Welt und ihrer Verhältnisse einfügt; kommt weniger darauf an, ob es zugleich reell ixt. Sie neigen deuhalb zwar nicht 'iMT Lüge, aber zum Schein, und es liegt ihnen nicht, daran, ob irgend etwas, was in einer bestimmten, ihnep werth gewordenen Beziehung den ver- langten Dienst des Scheines thut , auch in anderer Bezit-hiing verfolgt, sich als ein solches ahweisen würde, dem mit Recht so zu äch'^iuen gebührt. Selbst «twas scheinen zu wollen, ohne es zu sein, ist allerdings ein gemein- sames menschliches Gebrechen; aber von dem wenigstena, wax er be><itztr pflegt der Mann Solidität und Echtheit zu verlangen ; Frauen dagegen haben eine sehr ausgedehnte Vorliebe für Surrogate. Mit diesen Neigungen siod sie wissenschaftlichen Bestrebungen nicht zug&aglich, und ihre Gedanken haben einen ktlnstlerischen, anschauenden Gang. So wie der Dichter nicht durch Analyse und Berechnung Charaktere schafft, sondern deren Wahrheit daran prüft, da^s er selbst ohne das Gefühl künstlicher Selbstverdrebung^ ihre ganze Weise in seinem eigenen Gemüth nachzuleben vermag, so lieht die weibliche Phantasie sich unmittelbar in Dinge hinein cu vernetzen . nnd so- bald sie eine Vorstellung davon erreicht, wie dem, was da ist, sich bewegt and entwickelt, in seinem Sinn, meiner Bewegung und Entwickelung wohl xa Muthe sein möge, glaubt sie ein volles Verst&ndniss zu besitzen. Dass eben die Möglichkeit, wie dies alles so sein und geschehen könne, selbst noch ein wisaenschaftliches R&thsel einschliesst, ist den Frauen schwer begreiflich sa machen. Man bemerkt leicht, wie grosse Güter de« Lebens, wie die Sicher- heit des religiösen Glaubens und der Friede des sittlichen Gefühls hiermit zasammenhängen; aber auch in kleinen, unscheinbaren Zügen findet man dies Uebergewicht des lebendigen Tactes über die wisttenschaitliche Zer- gliederung. Tausende von zierlichen technischen Handgriffen wenden die Frauen bei ihren täglichen Arb^^iten an; aber wiu sie geschickt ausführen, wissen sie kaum zu besehreiben, sie können es nur zeigpu. Die analy«ireude Reflexion auf ibre Bewegungen liegt ihnen so wenig nahe, dass man ohne Gefahr grosseu Irrthumes behaupten kann. Worte wie rechts, link«, quer, .über- wendlich' bedeuten in der Sprache der Frauen gar keine matheuiatischen Relationen, sondern gewisse eigenthümlichc Gefühle, die man hat, wenn mau im .\rbeiten diesen Bezeichnungen folgt."

Manche Philosophen, uameutlicU Schopenhauer, weisen

5. Die mod. Paycholotrie in ihrer AafTassimg des weibL Charakters. 4 1

dem weiblichen Geschlecht eine Stellung zu, welche ge- radezu als eine untergeordnete bezeichnet werden mass. Wir tonnen solche Urtheile nicht verschweigen, denn sie rühren von un- j5weifelhaft geistvollen Männern her, und sind wiederum ein Beweis dafQr, dass es nur auf den Gesichtspunkt ankommt, von dem aus das Weib als solches betrachtet und aufgefasst wird. Schopen- hauer SHftX-

„Schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, dass daa Weib weder :u |?roi>Ben geistigen, noch körperlichen Arbeiten bestimnit ist. Es trägt die

':huld des Lebens nicht durch Thun, sondern durch Leiden ab, durch die

Tehen der Geburt, die Sorgfalt für das Kind, die Unterwürfigkeit anter den

lann. dem es eine geduldige und aufheiternde Gefährtin sein soll. Die kefligsten Leiden, Freuden und Kraftäusserungen sind ihm nicht beschieden;

indem sein Leben soll stiller, unbedeutsumer und gelinder dahin iliessen, llfl daa des Mannes, ohne wesentlich glücklicher oder unglücklicher zu sein. Zn Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die

Leiber sich gerade dadurch, dass sie selbst kindisch, läppisch und kurz- johtig, mit einem Worte, zeitlebens grosse Kinder sind: eine Art Mittel- fe zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche

lensch ist. Man betrachte nur ein Mädchen, wie sie Tage lang mit einem [inde tJlndelt, herumtanzt nnd singt, und denke eich, was ein Mann, beim

>sten Willen, an ihrer Stelle leisten kannte.

Mit den Machen hat es die Natur auf das, was man, im drama-

irgiechen Sinne, einen Kn&lletfect nennt, abgesehen, vndeni sie dieselben kuf wenige Jahre mit fiberreichlicher SchCnheit, Reiz und Fülle ausstattete, inf Kosten ihrer ganxen übrigen Lebenszeit, damit sie nämlich, während

pner Jahre, der Phantasie eines Mannes sich in dem Maassc bemächtigen tonnten, dass er hingenKsen wird, die Sorge für sie auf zeitlebens, in irgend tiner Form, ehrlich ku Übernehmen, zu welchem Schritte ihn zu vermögen lie blosse vernünftige Deberlegung keine hinlänglich sichere Bürgschaft zu

eben schien. Sonach hat die Natur das Weib, eben wie jedes andere ihrer

schöpfe, mit den Waffen und Werkzeugen ausgerüstet, deren es zur

Sicherung seines Daseins bedarf, und auf die Zeit, da es ihrer bedarf, wobei

tiie denn," so setzt ücltopcnhauer wenig höflich hinzu, „auch mit ihrer ge-

vfibnlichen Sparsamkeit verfahren ist. Wie nämlich die weibliche Ameise

_oach der Begattung die fortan Überflüssigen, ja für das Brutverhältniss ge-

Lhrlichen Flügel verliert, so meistens nach einem oder zwei Kindbetten das

reib seine Schönheit, wahrscheinlich sogar aus demselben Grunde." Ilierin Indc ich, dass Sdiopcnhatier den Versach macht, die Schönheit vom teleo- logischen Standpunkte aus aufzufassen.

Aach in der zeitigeren Reife des Woibes findet Schopenhauer ein

icben für die Inferiorität, indem er ausführt: „Je edler und vollkommener in9 Sache ist, desto später und langsamer gelangt sie zur Reife. Der Mann

rlaa^ die Reife seiner Vernunft und Geisteskräfte kaum vor dem acbt-

idswanugsten Jahre, das Weib mit dem achtzehnten. Aber es ist auch ine Vernunft darnach: eine gar knapp gemessene. Daher bleiben die Weiber

Hr Leben lang Kinder, sehen immer nur da« nächste, kleben an der Gegen- den Schein der Dinge fUr die Sache und ziehen Kleinigkeiten n Angelegenheiten vor etc." Dagegen gesteht Scttoprnhauer zu; ,.In schwierigen Angelegenheiten auch Weise der allen Germanen auch die Weiber zu Rathe zu ziehen, ist

42

p«fcbo]ogiic{!e Anffksiaiig des Weibes.

kWBfetvc^ verwerflich: 4enn ihre Äalfaesangsweifle der Dinge ist xoa der ^tuwägen ganz Terschieden uod xwar beaonden dadorcb, dace sie gern Afn kOntesten Wog zum Ziele und Oberhaupt das mn&chst Liegende im Auge fusen, ober welches wir, eben weil es vor unserer Naae liegt, meictecB weit hinwegsehen : wo es uns dann noth thut, darauf zarückgefShrt ku werden, um die nahe und einfache Ansicht wieder zu gewinnen. Hiereu kommt, daaa die Weiber entschieden nüchterner sind, als wir. wodurch rie in den Dingen nicht mehr »eben, als wirklich da ist; wahrend wir, wenn unsere Leiden- Schäften erregt sind, leicht da« Vorhandene rergrOasem, oder Imagin&n» hinzufQgen.

Ana derselben Quelle iat es abzuleiten, dass die Weiber mehr Mitleid und daher mehr Menschenliebe nnd Theilnahme an Unglücklichen zeigen, als die Männer, hingegen im Punkte dej- tierechtigkeit., Redlichkeit und ÖBf hafligkeit diesen nachstehen.

Weil im Gmnde die Weiber ganz allein zur Propagation dea GeschJ« da sind nnd ihre Bestimmung darin aufgeht, so leben sie durchw^ mehr in der Gattung, al^i in den Individuen, nehmen in ihrem Herzen emstlicber mit den Angelegenheiten der Gattung, als mit den individuellen. Dies giebt ihrem ganzen Wesen und Treiben einen gewissen Leichtsinn nnd Oberhaupt eine von der des Mannes ron Grund aus verschiedene Richtung, aus welcher die »0 h&afige nnd fast normale Uneinigkeit in der Ehe erwSchst.

Das Schlimmste jedoch kommt noch! Sdtcptnhaytr nrtheilt: ,JHm niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige GeacUeobi i das schCne nennen, konnte nur der vom Geiichlechtstrieb umnebelte mlos-j liehe Intellect : in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schi^nheit. Hit , »ehr Fug. als das schOne, kOnnte man das weibliche Geschlecht das nn- ftttbetische nennen. Weder fOr Musik noch Poesie, noch bildende Künste haben sie wirklich und w&hrhaflig Sinn und Empfänglichkeit , sondern bloss Aeßerei zum Behuf ihrer Gefallsucht ist es, wenn sie solche affectiren und vorgeben. Das macht, sie sind keines rein objectiren Antbeils an ii^nd etwas f&hig nnd der Gmnd ist, denke ich, folgenden Der Mann strebt in allem eine directe Herrschaft über die Dinge an, entweder durch Verst^ea, oder durch Bezwingen derselben. Aber das Weib ist immer nnd überall BoJ eine bloss in directe Herrschaft verwiesen, n&mlich mittels des Mannes, als welchen allein es direct zu beherrschen hat Damm liegt es in der Weiber Natur, aUes nur als Mittel, den Mann zu gewinnen, anzusehen, und ihr Aa- theil an irgend etwas anderem ist immer nur ein simulirter, ein blotaec Cn- w«g, d. h. l&ufi auf Koketterie und AeCTerei hinaas.*

Das Zagestäodniss , welches oben dem weiblichen Geschleclitl l)«tttglich der Schönheit wahrend des jugendlichen Alters von Srho- patkattar gemacht wnrde, nimmt also dieser Autor a i^se

■emer AosfQhningeiB wieder zurück : ihm gilt diese «Scli fTlr

nichts als eine Selbett&oschung des männlichen Geschlechts ! Spricht sich in diesem ganzen Gedankengange nicht der Sinn eines echten nnd rechten Weiberbassen ans?

Wie hart and ungerecht auch der bekannte Philosoph Ednan} f. Uarimamn ^ über die Fragen artheilt , können wir nicht unbe- achtet lassen. Wenn einige Züge in dem ron ihm entworfenai G«tiwlde deü weiblichen Charnl:* ~' treffeii, so ist dasselbe doch Tiel XU dimkel gehalten:

S.Dieinod Fijdiolögie in ihrer Auffassung des weibl. Charakters. 43

,Die weibliche Sittlichkeit, namentlich die der weiblichiten Weiber, ist

(«ehr oft von dieser Art. und dies ist der Hauptgrund, warum das weibliche

] Geschlecht im Ganzen so $ehr viel schwerer als das mSlnnliche su jener sitt-

Ilichen Reife des Charakters gelangt, wo die Autonomie erat in ihr vollen

iBecht tritt- Die Mehriahl der Weiber bleibt ihr Leben lang in sittlicher

linsicht im Stande der Unmündigkeit und bedarf deshalb bis an ihr Ende

ter Bevormundung durch beteronome Aatoritäten; sie selbst haben meistens

ichtige tiefOhl dieser BedOrftigkeit. und je ant^biger sie sind, dem blostten

ctam des modernen Staates eine Autorität einzuräumen, je mehr «ich

ir Stolz dagegen auflehnt, im Gatten oder dem natürlichen Beschätzer die

leitende Autorität für ihre Handlungen anzuerkennen, desto ängstlicher klam-

lem sie sich an die heteronomen Autoritäten der Religion und der Sitte,

lesto haltloser stouem sie als steuerloses Wrack auf dem Ocean des Lebens

luiher. wenn auch diese beiden Anker ihnen zerrissen sind. Man mag diese

Thatsache im Sinne der autonomen Moral sehr betrübend finden, aber man

1USH sie im [nteresse der Wahrheit und des praktischen Lebens als Thatsache

tatiürkennen, nach ihr seine Vorkehrungen treffen und sich hüten, ihre Bedeu-

ftimg in einem falsch verstandenen Interesse für das weibliche Geschlecht ab-

II zu wollen. Wenn Wahrhaftigkeit und Ordnungssinn Charakter-

li'ten darstellen, bei freuen die Erziehung verbältni/^sraäsaig mehr, aU

adereo, zu thun vermag, wenn namentlich der Ordnungssinn durch äj^th^--

Sinn ftir Harmonie zum Theil ersetzt werden kann: so sind RechtUcb-

It und Gerechtigkeit diejenigen beiden Charaktereigenschaften, welche von

fallen biaher betrachteten moralischen Triebfedern beim weihlichen (leschlecbt

Durchschnitt am schwächsten vertreten sind. Daa weibliche Geschlecht

(t diu anrechtliche und ungerechte Geschlecht, und nur derjenige kann sich

Iber die^e Thatsache, welche natürlich sehr erhebliche Ausnahmen zolässt,

[Ubisehes, der die äussere Legalität und die Wahrung der schicklichen Form

Ijnii dem Vorhandensein der entsprechenden Gesinnung verwechselt."

So wirft V. Hartmann^ den Frauen vor, dasa sie sich mit [Vorliebe im Fahrwasser rechtsfeindlicher Neigungen bewegten, alle Defraudantinnen aus Passion seien, zxrr Fälschung eine in- ÜTe Neigung hätten (ein Viert«! der Dienstbücher weiblicher )ienstboten in Berlin enthielten plumpe Fälschungen), dass sie beim Spiel mogelten und dies den Reiz des Spiels ffir sie ausmache, däas »!*• nie ohne Ansehen der Person urtheilten, die Mütter stets ' ' der und Aschenbrödel hatten kurz r. Hartmann weiss

I .HO viel üebles nachzoreden, dass wir glauben mOftsen, er

habe mit denselben recht schlimme Erfahrung zu machen Oelegen- bait gehabt. Wir halten »«ein Urtheil nicht für ein solches, das sich Ulf eine sich weithin erstreckende Beobachtung ntützt.

6. Die abnormen Ehen und der Selbstmord.

Die Erscheinungen im Seelenleben dfr Frau werden durch methodische Massenbeobachtung zu unserer Kenntniss gebracht. Die Statistik der Bevölkerungsbewegung zeigt, dass durchschnittlich im Gebiete des deutscheu Reichs 00 ö5 Ehen jährlich geschlusseu werden, bei denen der weibliche Theil das 40. und 45. Jahr bereits überschritten hat. Bei einer Anzahl dieser Ehen ist der mannliche Theil jünger, als der weibliche. Sogar noch im höheren Alter registriren wir Fälle, in denen das Weib das eheliche Band dem einsamen Leben vorzieht. Die Bevölkerungsstatistik nennt solche Ehen vom Standpunkte der Volksvermehrung abnorme Ehen.

An dieae Thatsachen schliesst Ludwig FM folgende Bemerkungen an: „Ein sehr verbreitetes Vorurtheil führt diese Ehen stete auf die niedrigsta SpecalationBsucbt zurück, weit man es für uumSglicb hält, Clahs ein Weib in diesem Alter noch von Liebe erfasst wf>rden könne. Allein aus der psycho- logischen Betrachtung gewisser Criminalfiille, welche typischen Werth besitz-en, ergiebt sich, dasa diese psychologische Unmöglichkeit durchaus nicht vorhanden ist. Sogar in Ländern, in welchen die Frauen viel rascher verblühen, als bei uns, finden sich ausweislich der Statistik Fälle von Eheschliessungen in vor- gei-ücktem Alter in keineswegs verschwindender Zahl. Es ist dies doppelt merk- würdig, weil die Italienerin sehr früh häaslich wird; während die deutsche Frau der höheren Klassen mit vierzig Jahren in zahlreichen Füllen noch eine Erscheinung bietet, welche das Schönheiti<gefilhl des Künstlers befriedigt, iai die Italienerin in diesen Jahren schon ungemein garstig. Allein das Gefühl scheint bei der Tochter der heissen Zone nicht mit dem Körper gleichen Schritt XU halten. Die leidenschaftliche Natur, die Fähigkeit, mit der Gluth der Leidenschaft zu lieben, scheint in der zweiten Hälfte des Lebens noch in derselben Stärke vorhanden zu sein, wie in der ersten. Und dieri wird auch in Italien durch Criminalfalle bestätigt, in welchen Frauen in vorge- schrittenem Alter aus plötzlich entfesselter Leidenschaft die schwersten Ver- brechen begingen, welche dem Criminalijten bekannt »ind. Die Annalen der italienischen Fürstengeschlechter, insbesondepe die der itfo/iceer, bieten hierfür Beispiele.

Eine weitere Stütze giebt die Selbstmordstatistik ab. Zwar ist keiii Theil derselben so unbestimmt und so wenig fundirt, wie das Kapitel, welches »ich mit den Motiven beschäftigt. Allein gleichwohl darf mit ziemlicher Sicherheit behauptet werden, dius das Motiv der Liebe nur zweimal verhäng« nissvoll und ziihlreiche Opfer fordernd in das weibliche Leben eingreift, zuerst in dem Alter, welches, von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, das klas- sische genannt werden darf, in den Jahren 18 bis 22, sodann in der Zeit vom Beginne de» vierten Decenniuros bis über die Hälfte, ja bi« gegen das Ende desselben.'

Es ist gewiss nicht ohne Interesse, an der Haud der Statistik zu prüfen, wie sich die Neigung, seinem Leben ein Ende zu machen, bei den verschiedenen Geschlechtern verhält, laid weiterhin zu unter- suchen, ob sich itlr den Selbstmord in der Ehe oder in der Ehe- losigkeit eine besondere Gelegenheitsursache nachweisen lässt, Die folgende Tabelle giebt eine Üebersicht über die Falle von Selbst- mord, welche in ungefähr den gleichen Zeiträumen in verschiedenen Ländern Europas vorgekommen sind.

(SeU'Btmorde) Land

Zeit, rkuiii

Total- ji 8umrae'l

Verehelichte Ledige

Samma der £heloteu

htalien

{Bach sen

iBaden

[ßcbwedeD

[Schweiz

[Norwegen

If inntand DUncmark WOrttemberg

1867—83 1865—83 1865—83

175»!

16814

4831

18G5-S2; 6775

187G— 8S 1876-82 1878—83 1880—83 1870—81

5223

930

426

2009

3854

5762 6822 1825

w. ' ama.'i m. \ *

6894;'6317 ~

682

1355

276

8237|3988 2101 1793

2728: 604 3332 1959 1931 276 2207,1639 368 94

202 25

867 189 ? I ?

462' 211 227! 108 ? 401

17421 ?

1220] 16531 590 2981 4691135 579 6201285

9663 7636 2701 3443

297| 68l|l44|| 2761

54j 146' 42|' 311 37 2S|i 145 250 ? ?

930

199

985

1873

Aas obiger Tabelle ergiebt sich folgeades : Von 54599 SelbsttnOidem waren:

männlich 32295

weiblich 9213

verehelicht 24702

ehelos 30141

verehelichte Mänuer . . 20505 , , Weiber . . 8451 ehelose MUnner .... 21790 , , Weiber .... 5722 Es haben sich also in der gleichen Periode über dreimal soviel, Miioner das Leben genommen, als Frauen. Die grösseren An- forderungen und Aufregungen, welche der Kampf um das Dasein an das juüuuliche Geschlei-ht in bedeutend höherem Maasse stellt, als HU das weibliehe, geben hierfür eine hinreichende Erklärung. Femer sehen wir, dass die Zahl der nicht in der Ehe lebenden för die Selbstmörder ein höheres Contingent geliefert hat, als die Verehe- lichten, und zwar die Männer sowohl, als auch die Weiber. Wir werden daher wohl berechtigt sein, in der Ehelosigkeit in gewissem Sinne eines der prädisponirenden Momente für den Selbstmord zu erblicken.

9. Die Betheiligung des weiblicheu Geschlechts am Verbrechen,

Der Physiologe Jiudolphi sagt: »Das Weib ist im Vergleich zum Manne zarter, weicher, kleiner, beweglicher, veränderlicher, reizbarer, eitler, demüthiger, geduldiger, frommer. Schlecht erzogen wird es zur Furie und übertrifft den Mann in allen Lastern."

Mit dem Eintiusse des Geschlechts auf den Hang zum Ver- brechen hat uns zuerst Quetelet'' bekannt gemacht. An der ILuid der Statistik gelangt er zu folgenden Schlüssen:

(Vereuchcn wir die Thateacbuu zu analysiren, so scheint es mir. das» die Monilitüt des Mannet) und des Weilca (abgesehen von der Schamhaftig- keitj weniger vfrttcbicdeu iHl, alt man im Allgemeinen annimuit. Was den

11. Die psychologiscbe AniYfrssiuig das Weibe«.

EinflusB der Lebeosweiie selbst anbetrifft, so glaube ich, daas derselbe aicli recht wohl ermessen ItUst auM den Verbältniasen, welche beide Geschlechter in Betreff verschiedener Arten von Verbrechen, bei denen weder die Stärke, noch die Schombaftigkeit in Betracht kommt, z. B. bei Diebstiihlen, bei falschem Zeugniss, bei betrügerischem Falliment u. a. w. darbieten ; jene Ver- hültnisae betragen etwa 100 zu 21 oder zu 17, d. h. 5 oder 6 zu 1. Bei den anderen FUsofaungen ist aus angeführten GrQuden das Verh&ltniss etwaf> stärker. Wollte man die Intensität der Ursachen, welche auf die Frauen einwirken, numerisch auädrücken, eo kOnnte man sie schätzen, indem man sie als im Yerhältniea zur Stärke selbst stehend, oder ungefähr wie 1 zu 2 annehmen würde; dies int das Verhältniss beim Vatenuord. Bei den Verbrechen, wo die Schwilche und dan zurückgezogene Leben der Frauen zugleich in Betracht kommt, wie V»eim Todtschlag oder beim Strassenraub, müsste man, bei Ver- folgung des gleichen Weges bei der Berechnung, das Verhältniss der Stlrke i/g mit dem der Abhängigkeit ^^ multipliciren, dies giebt l/]o, ein Verb&lt* niss, das wirklich mit den Ergebnissen der Statistik ziemlich überein- stimmt."

Nach der Statistik der Aiifgreifungen im Seine-Departe- ment (1855 1864) hätte d.'is Weib im Grossen mid Ganzen nur etwa den ftinfteu Theil der Wahrscheinlichkeit des Mannes, der Stra^ustiz zu verfallen.

Zu ganz ähnlichen Schlüssen gelangte auch der Statistiker Georg Mayr, welcher Queidet's Angaben mit der Verbrecher- Statistik von den Schwurgerichten Bayerns (1840 18<tb) verglich; es ergab sich trotz einiger Fhictuationen eine ziemliche Regel- mkssigkeit der Weiberbetheüigung. Doch setzt Mayr hinzu :

«Allerdings liegt die Sache bei tieferem Eingehen, namentlich in geo- graphischer Beziehung, nicht so ganz gleichartig. Man beobachtet dann bei* spielsweiee, das« die Weiberbetheiligung am Verbrechen in grossen Städtnn regelmäaaig viel grösser ist, als bei vorwiegend ländlicher Bevölkerung. So trafen aut 100 abgeortheilte Individuen solche weiblichen Geschlechts wäbreaid der Jahre 1862,63 bis 186566 bei dem ausschliesslich städtischen Gericht München: 31, 28, 30, 26. dagegen beim ländlichen Gericht Freising 10, 9, 9, 10. Aber gleichwohl sind auch hier, wie man sieht, inv Einzelnen die Ergebnisse bewunderungswürdig constant. Dasselbe gilt vun der Weiber' betheiligung in solchen L&odern, 'in welchen, wie in England, überhaupt der gesammte criminelle Haag der weiblichen Bevölkerung einen grossstätUi sehen Charakter zu tragen scheint. In England und Wales trafen bei den vor da« Schwurgericht gehörigen Keatcn in den Jahren 1858 bis 1864 auf 100 Männer 35, 36, 38, 33, 31. 32, 32 Weiber. In London steigert sich diese criminelle Weiberbetheüigung. Es trafen nämlich bei den Aufgreifuugen der Polizei 1854 bis 1862 auf 100 MRnner 67 Weiber. Liverpool und Dublin stehen mit 69 bezw. 84 Weibern auf 100 Männer noch hoher oder richtiger gesagt tiefer.*

Im Allgemeinen darf mau wohl annehmen, dass mit der Zu- mihme der Betheiligung d«a Weibes am Kampfe um das Leben auch die Zahl der Frauen unter den Verbrechern wächst. Hierfilr sdieint die Tabelle zu sprechen, welche v. Oettinycn zuhauimensteUte: Von je 1 00 Verbrechern waren :

7. Die Betbeilig^ung des weiblichen Goftcblechta am Ves-brechen. 47

froportion :

Proportion :

n Eagland 75 M.

25 Fr.

3 :1

In Baden 84 M.

16 Fr.

5.3:1

, Bayern 75 ,

25 ,

8 :1

, Preueeen 85 ,

15 ,

5.7:1

, Hannover 77 ,

28 ,

8,3:1

, Sachsen 85 ,

15 .

5,7:1

, Dänemark 78 ,

22 ,

8,5:1

, Liv-, Esth-

Holland 82 ,

17 ,

4,5:1

u. Kurland 86 .

14 .

6.1:1

, Belgien 82 ,

18

4,5:1

, Spanien 88 ,

12 .

7,3:1

^ Frankreich 82

18»

4.5:1

, Ruaaiand 90 ,

10 .

9 :1

, OesterreichSa

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4,9:1

Die Zahl der wegen Trunkenheit durch die Polizei aufgegrifl'e- nen Weiber stieg in grösseren Städten Englands in überraschen- der Weise. Nach Baer wurden in Manchester aufgegriffen im ^Bruukenen Zustande: 1847 1851: 935 Mäuner und 207 Weiber, Ä^852— 185G: 651 Männer und 84 Weiber; dagegen 18(37—1871: ^V903 Mäuner und 2001 Weiber, 1872—1876: 7020 Männer und ^^801 Weiber. In Liverpool stieg die Zahl der der Polizei in die Hände gefallenen trunkenen Frauen von 4349 im J. 1858 auf 5676 ' im J. 1864. In Glasgow sind während der Jahre 1850- 1860 sogar mehr trunkene Frauen als trimkene Männer in Polizei-Ge- wahrsam gebracht worden. Es sind allerdings hier fast nur die unteren Klassen der Gesellschaft vertreten, doch zeigt sich an dem Terhältniss ganz deutlich die Wirkung von Elend und Entartung dieHer Klassen, die in der sittlichen Verkommenheit des Weibes ich recht deutlich ausspricht.

Das ganze Gebiet des deutschen Reichs umfasst eine officielle

'riminal-Statistik über das Jahr 1882, aus der hervorgeht, dass die

eatsche Frauenwelt in den Annalen der Strafrechtaptlege nur in der

Stärke von einem Viertel, das sog. starke Geschlecht aber in der

Höhe von drei Viertel eingeschrieben ist: es stehen 100 männlichen

Verurtbeilten nur 23,4 weibliche gegenüber. Allerdings ist dieses

»nicht ungünstige Verhältnis« nicht in allen Theilen des Reiches das gleiche. Im Herzogthum Anhalt, in Dresden, in Leipzig, den Fttrstenthümem Reuss und Schwarzburg, im Herzogthum Alten- Iburg und im Reg.-Bez. Bromberg fallt das Weib am häufig- sten dem Verbrechen anheim, im Elsaas, im Kreise Offenburg, den Reg.-Bez. Osnabrück und Münster, Minden und im Kreise Walde« hut am seltensten. Die meisten Verurtheüungen ergehen auch bei der Aburtheilung eines weiblichen Verbrechers wegen Dieb- «tabl, sodatm folgen in der Scala weiblicher Schuld und SQnde Beleidigungen, Mord and Meineid. Die hohe Stelle, welche dabei der Mord einnimmt, ist besonders durch die zahlreichoi Strafband- langen gegen das Leben des eigenen Kindes bedingt.

üeberblicken wir die vorstehenden Ergebnisse der Moral-Sta-

tiiitik, so erhalten wir den Eindruck, dti.4s das Weib je nach

«einer Lebenslage sich kaum eines grösseren, doch auch keines

ringeren Grades von Morajität rühmen oder «eihen lassen darf,

dem Manne nachzujagen ist^

Weiterhin hat iluiuinrr eine Crimiaal- Statistik mit Verglei-

chung der beiden Geschlechter aus zahlreichen LSndem tabellarisch

III. Die ilsthetisclio Auffassiins des Weibes.

S. Die weibliche Schönheit.

In einer Hinsicht ist das Weib allerdings dem Manne n«ch lljiemeiner , nur von wenigen [Schopenhauer etc.) bestrittener einuug überlegen: in der Schönheit der äusseren Körper- orm. Allein auch dieser Vorzug ist ungemein ungleich vertheilt. ine Annäherung an das Ideal weiblicher Schönheit, das wir uns nter dem Einflüsse einer geläuterten Aeafhetik gebildet haben, ist ur unter höchst günstigen Verhältnissen möglich.

Wenn man im Stande wäre, den Begritt' des Schönen tiberhaupt esftzustellen, so würde dies wohl in irgend einem Lehrbuch der Wissen-schaft vom Schönen (Äesthetik) geschehen sein. Allein bis- her suchlen wir vergebens! In einem der neuesten Werke dieser IArt {Hohlfdd und Wünsche) heisst es sogar: »Die Schönheit ist »ine bestimmte Eigeuschaft, die nicht für .sich .selbst besteht, .son- dern an einem Anderen ist. Was schön sei, worin die Schönheit beiftehe, »oll selbst erst in unserer Wissetiscliaft untersucht werden. i/kber auch ohne die Idee der Schönheit bereit« klar und im Allge- meinen zu erkennen, kann das Schöne als solches angeschaut und anerkannt und empfunden, ja sogar vom Künstler hervorgebracht werden."

Allel) die Anthropologen haben sich mit der Frage beschäftigt: ,Wii8 ist Schönheit des Menschen? Schon im Jahre 1860 llber- b C(*r(iier der anthropolo;;ischen Gesellschaft zu Paris eine rbeit Ober diese Frage, in der er sagte; .Die Schönheit ist nicht Hwn Eigcnthum der einen oder der anderen Rasse. Jede Rasse ifferirt binsiclitlicli der ihr eigenen Schönheit von den anderen KasMen. So sind denn die Schöubeitsregehi keine allgemeinen , sie u(lwM.>n für jede einzelne Rasse besonders stiidirt werden.* Diesen ätzen widerspricht in einem vor derselben Gesellschaft im Jahre *• ' " " L'e l)fl(innat/'\ indem er behauptet, daas e.s

Hinheitsregeln giebt sowohl Oir die Mens« ht'n, Hir die Thiere; sie begründen sich durch die von danth Jieniard

r . * . iK-

Aaa»mmttg 4t»

aiHOtimmlUm mffßwiimplmcheu Gc«et«e, die in drr'

- <w Fona riom jeden Organs ^efooden werden : n ui Mri^üii ««in Maximum iler Entwickelung, welches db

)l . nnd in Betreff der Schönheit deü

flu i verschiedenen Organe in einer W-

uUiimUni Mf'Xli'hting ntui iti einem gewiMen Verhältnisse zu ein- nimUi' »litht«!). |)iciien Siit/en gegenüber miiss man doch ein-

Wi<rl«ii. iltiaii i'K im« wohl kiuini je möglich sein wird, fDr jedej |( iiMMiwrhlit'htMi <i«'Nt liliM'hU ein typisches Schönheitsniodell

I ti, WH' Hir uiiNrjT Kun««' ««twa der Apollo von Belveder»?

imImi' iltf> mvilimiti'Hv Vfnm gölten kann.

jliinM it« iilinr .«'wigt' 8<'hl\nlioitsgesetze' nicht giebt, wird wohl .huli'riuium /iignhoii, di«r w«»isH, dtms der Neger seine Negerin, derl Iv ri I lu W f K t' M»in«» K II l ni i\i' k i ii oljonw sehr und mit dem,«ielben Rechte Nt lin»t IImiIi'I, wIi' diM' W'i'isN« »'twn die Frauenbilder liaphaiVs. Allein] d»'»uii)i>h kiiiiM niiiu nunientlich hetflghch der Frauen-Schönheit) Um. ' ( »t otnn Vim»UNN«'t/\nig nnd Bedingung des SchonfindenBl

II il«p N^M'iiiiili', diLN (l«>^u^»de am Korper sein muss, dassj

V' ' ij>ov in nUen soinen Theilen gerade so be-schaffenl

»I suui hohlen 8«'xw«lfnnctioneii drs Wfi ?il iilu- II

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51

^lulividiK^llem GeHlhl ausfallt, ao steht doch in allgemeiner Ueber- Einstimmung »o viel fe8t, dass die Gabe weiblicher Schönheit nach »nserem europäischen Geschmacke auf Rassen und Volker nicht bloss ungleich vertheilt ist, und dass der höhere oder geringere Grad von Schönheit durch verschiedene physische und culturelle Vt-r- hfiltniäse bedingt wird. ^m Alle Einwirkungen, die den Menschen treffen, die Lebens -

^■weise und das Kliraa, sind vor allem maassgebend tlir die schönen ^■Formen, oder die hässliche Gestalt, welche wir an den Weibern ^Ker verschiedenen Volker wahrnehmen. Man hat gesagt, dass die vollendetste Schönheit nur in gemässigtem Klima anzutreffen sei. Doch von grösserem Einflüsse scheinen nicht Luft und Sonne, Kälte und Wärme, vielmehr die durch die Stellung des Weibes be- dingte Möghchkeit oder Behinderung einer vollkommenen Ent- wickelung der Gesammtorganisfition zu isein. Einestheils die Zuchtwahl, welche zur Fortpflanzung die schönsten Individuen aus- sucht, anderntheils die Erziehung, welche zur freien Ausbildung des einzelnen Individuums Gelegenheit giebt, sind vorzugsweise maass-

» gebend fOr den reichen Besitz eines Volkes an Weibern, deren Er- 'scheinung sich dem Ideal uähert. Dagegen gedeiht die weibliche Schönheit nicht bei einem Volke, dessen Frauen sich von Jugend auf in dem herabgewürdigten Zustande von Haustbieren befinden und bei dem der Preis eines Eheweibes sich nach deren Arbeits- m kratt richtet.

H „Bei den rohen Naturmenschen," sogt HitM, „desgleicheo bei verküm-

H »lerten, in ihrer Oei-ittung verkrüppelten Volksgruppen zeigt sich der Gegen- f »atz van Mann und Weih noch viellach verwischt und verdunkelt. Er ver- deutlicht und erweitert sich in gleichem Schritt mit der wachsenden Cultur. Bei einer sehr abgeschlossen lebenden Landbevölkerung, wie bei den in harter ki'irperljchev Arbeit erstarrten Proletariern, hut der männliche und weibliche Kopf fast die gleiche Physiognomie. Ein in Männertrucht gemaltes Frauen- gesicht aus diesen Volksschichten wird sich kaum von dem Mannskopf unter- scheiden lassen. Namentlich alte Weiber und alte Männer gleichen sich hier wie ein Ei dem andern."

Wie gross der Einfluss des Klimas, der Nahrung und Lebens- weise u. 8. w. bezüglich der Veränderungen ist, welchen der Mensch im Allgemeinen untrcrworfeu ist, wurde von WaiLi sehr eingehend untersucht. Allein er sagt auch bezüglich der Cultur des geistigen Lebens, dass zahlreiche Folgen der verschiedenen

»Culturzustände, die der Mensch durchläuft, uns gewissermaassen vor einer L^eberschätzung der kliuiatischen und geologischen Ver- hältnisse wahren ; denn wenn der Mensch eine höhere Bildungsstufe erreicht hat, so hört er schon damit auf, genau dem Boden imd den Naturverhältnissen zu entsprechen, denen er angehört.

Wir leugnen also nicht, dass klimatische und verschiedene

[äussere Lebensverhältnisse von entschiedenem, bald tTirderlichem,

)ald hemmendem Einflüsse auf die körperliche luul geistige Ent-

iekelung der Menschennatur sind. Allein die .\ufgul)e »h-r (Je-

dei Wnber.

■^ utiA oamenÜich <ier Erziehung ist es, dergleichen Ein- fiima » lMbcn«d>eo; «ie «ntwedo; ao weit sie gOnistig sind, 2n ImmAmb, oAtr li«, «oveit sie ongOostiig, zn patalysrai durch ror- N«:bli||i« Vcrfthr«). Dmin der Mensch soll und wird mehr und tttthr /Hill Biäfft ftbfr die niaterielJe Xatur gelÄngen. So lieget es «i' in der Hand der Nationen, ebenso sehr der physischen

<wi< IUI inontliK'hen Entwickelung nachznstreben ; wir finden auch in d*'r Thht. danH ••» eine Erziehung giebt. welche solche Aufgaben Verfolgt; nur i»! Hie leider noch nicht zum Gemeingut geworden Jti dna „büBxen'u" Theileu. unter den gut situirten Klassen der Be- völkerung, ••rbiicken wir fast überall auch schönere, edlere Gestaltung, nit'lti bjoint bfi Miinnern, sondeni namentlich bei Frauen. Der Typus ilrr li<tiilirit kann .>t<:h unter so gut beeinflasateu Individuen, welche VOM .liigrijii IUI ib'U Mangel nicht kenneu, sondern nach vollem ße- dllilriiMM in iiitelligentf-r Weise erzogen werden, im normalen Aos- buii iU'f K<tr{n<rN unbehindert aitöbUden: imd so setzt sich oft io iImm mit (JlürkHglUern hinreichend ausgestatteten Familien nh Erb- ullWk itiii Mi'lWUieH und edles Aussehen von Generation zu Generation litil, Krniliili H(>|iiMi wir Völker auch oft genug in den sogenannten imlt'r«<ii ScljiiliU'u «'iiu' reiche Anzahl schöner weiblicher Individuen pni(iiirirt'n, uliglciili du Aruiuth und schlechte Beschatt'enheit der >lu|ji<iiib)rrji*hung uutYullcud sind. Hier ist es lediglich die sogar MuitU' tiliul\nNligrn ZusUinden Gelegenheit gewährende Natur, welche, w. - iiicbl «u si>lir beschränkt wird, die Entfaltung des schönen

\N 1 'rxiiu> möglich macht.

AiKtulb und Hod'vangniss behindern vor Allem die

li4»lb«wii>"'^'" »uul die hiermit verbundene ungenügende En.^

ll*» < ti«i kommt namentlich bei dem belasteten weili

\M\v\\ Ml iiitvht durch vermindertes Wachstimm, gross- ^'^. keif •n'l\h«»^l\tv KJ^i'^vovbaltuuc und biisslicbe GesicbtstQge zur t nu

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53

..Aucti tiiü Frftucn «ind Irpl'fliche Seelabrer, und die lappiacb«n tooi»«igenthiinier lassen ilie Bedienung der Falirzeuge und Netze oftmals lUBSchliesalich von ihren Frauen, Töchtern. Schwestern oder auch wohl von Jen ei^^en:} zu diesem Zwecke gedungenen Weibern besorgen. . . . Die Züge ler Fmuen werden, eine natflrliche Folge ihres beatSlndigeo VerweilenH im ■"reien und ihrer harten Lebensweise, mit den Jahren sehr grob und man tann sie olt ebenso wonig von den Männern unterscheiden, wie man bei 'Kindern M&dchen von Knaben zu erkennen verniBg."

Schon von den Indianern Amerikas wurde berichtet, da.ss Männer und Weiber desselben Stamnie.s häufig eine sehr gleich- irtige und in vielen Fällen schwer unterscheidbare Gesichtsbildung )esit7eu, ein Umstand, der sehr dazu beiträgt, den Eindruck, den liese Individuen hervorbringen, zu einem äusserst gleichmässigen zu nacheii. Die Indianerweiber nuisseu in der That aber auch alle Lrbeit verrichten und sind sehr muskelstark (Kohl).

9. Das Schönheitsideal bei verschiedenen Tölkern.

Weuü wir eine Umscliaw halten unter den Völkern des Erd- I and sehen, wie überall die Mädchen von den Jünglingen be- gehrt werden, auch bei solchen Rassen, deren Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts selbst in den Jahren ihrer höchsten Blüthe ins in Bexug auf ihre äusseren Formen doch nur mit Abscheu oder '^iderwülen zu erfüllen im Stande sind, ao müssen wir wohl zu- festehen, dass das Ideal der Schönheit, wie es im Geiste der ver- schiedenen Volker lebendig ist, doch sehr verschiedener und nmnnig- :her Art sein muss. Von einem gewiss nicht untergeordneten logischen und wohl auch von anthropologischem Interesse llrde es sein, wenn es uns gelingen würde, dieses Schönheitsideal den verschiedenen Völkern aufzuspüren und uns zu vergegen- wärtigen. Auf den ersten Anblick möchte man dieses für nicht so schwierig halten, da es nur wenige Volksstämme giebt, reiche nicht eine gewisse Freude an der bildenden Kunst hätten »nd nicht auch bis z\i der (meist plastischen) Darstellung der meusch- .hen Gestalt vorgedrungen wären. Wir würden aber gewiss einem trordentlich grossen In-thum miterliegen, wenn wir in diesen shnitzten oder auch wohl gemalten weiblichen Figuren das :h5nheitsideal des Künstlers erblicken wollten. Er hat gewiss in ^Ftätem der .Mehrzahl der Fälle nichts Weiteres zu bilden be- itigt., als ein weibliches nieoschliches Wesen, dessen Formen natilrlicli seinen Siammesgenos-sinnen ähnlich zu gestalten suchte, er Weiber anderer K«)rperform nicht kannte, und ganz ähnlich die Kinder civilisirter Rassen war er wahrscheinlich hoch er- it, «' ' n diese Absicht amiähenid gelungen ist, ohne dass

L beanspruchte, da.ss sein Kunstwerk nun auch den

de» Weibe«.

lobegriff der nationalen w«tbUchen Schönheit zur Danstellauj bringen sollte.

Es giebt aber noch einen andert;o Weg, am uns dem wQnHchten Ziele zu nähern, nur schade, dass er bbher noch so' »t'nig geebnet ist. Das sind die Lieder liebegirrender Jlinglingf, oder Kchwärmeriächer Dichter, welche gewohnlich dasjenige zum klaren Auadrucke bringen, was ihnen das umschwärmte Liebchen aU besonders »ichön und besonders begehreiiswerth erscheinen lässt. Von dem Schwanenhals, dem Busen wie Schnee, den Wangen wie Milch und Blut, den Perlenzähnen und dem Rosenmund, den Augeti, leuchtend so hell wie die Sterne, wie sie die Liebeslieder der euro- päischen Völker durchziehen, braucht der Herausgeber den Lesern wohl nicht zu erzählen. Vielleicht enthalten die verborgenen Blätter ihrer Notizbücher selbst noch dergleichen auageseufzte Hj*perijeliu Hier möge nur in Kürze über das Schönheitsideal des Europäers angeführt werden, was Martin Schurüf- mit den Worten des Conrad Tiberiua liango dai-über sagt: „Als eine rollkommen schöne Frau muBS bezeichnet werden,

quae habeat dtio dura, ubera et natee: duo mollia, moaus et venlrvtu Uuo brevia, na«mu et pedes: duo longa, digltos et latent: duo nigra, ocuio* vt oonchaiti : duo rubra, genas et ob: duo alba, crura et cerviceiii."

Erwähnung möge auch noch eine Redensart der Spanier finden, welche, um die Schönheit eines hohen Fusssohlengewülbes zu bezeichnen, aussagt: dass unter dem Fusse eines schönen Mäd- chens ein Bächleiri hindurch fliesseii könne (Schauffuiusen). FUr uu» würde es aber gerade ein bei weitem grösseres Interesse darbieten, wenn wir uns die entsprechenden Herzensergüsse aussereuropuischer Volker zu verschallen vermöchten. Zu meinem grossen Bedauern ist aber das Wenige, was ich in dieser Beziehung zu bieten im Stande bin, nur ganz spärlich und lückenhaft; denn in den >nelen Anthologien, welche existiren, sie mögen noch so dickleibig und vielbändig .sein, ist gerade dieses Uebiet vollständig vernachlä-ssigt. Aber auch das W^enige, was mir zugäoghch geworden ist, wird dem Leser schon einen Begriff geben, einerseits wie ganz absonder- lich und unserem Geschmacko und Emptinden fremd die die weib- lichen Schlauheiten verherrlichenden Vergleichsbilder gewählt werden, uniK^rei-seit.s iil>er auch wie doch für gewisse Vorzüge des weiblicben Körpers die Geschmacksrichhmg der Männer als eine ganz unbe- streitbar internationale bezeichnet zu werden verdient.

Was uns auf diesem Gebiete zu Gebote steht, stammt fast alJe!« aus Axien, tuid zwar können wir aus dem Altindischen »r» dem Epos Nal und Dnmajünfi die erste Probe liefern, die jgT] Fr^iedrich Hiickcrt's^ Uebersetrung eutuehmen:

I)ft sah er, vom Mflgdetrossc

rmp'bon. die Widarbn -Maid,

(il&naciid, als wie

l)ä-> vom Himmel ..

Krleuchtenü irdisicbe üaLleu. Die Glieder getaucht ia Liebesreiz- Erweckten der Blicke Liebeageiz, Doch vor dein klaren Angesicht Schämte sich Sonn- und Moadenlicbt. Die Liebe des Liebeskrartken wuchs, Wie er eah Ihren schlanken Wuch«.

^

Sie nun »ehend in halber HflUe,

Mit der Brüst' und der Hüften Fülle,

Die gliederzartwiichsricbtige,

Vnllinondangebichtige,

Gewölbaugenbrauenbogige,

Sntiitläclielredewogige:

Fiel er, der Waidmiinn, durch so fiel Zierde

In die Schlingen der Begierde.

Vuii der uns an dieser Stelle interessirenden Poesie der alten Hebräer finden wir entsprechende Beispiele in dem alten Testa- mente und zwar in dem hfdien Liede Salomonis. Es möge mir gestattet sein, auch hier die betreflFendeu Verse wiederzugeben:

Ich gleiche Dich, meine Freundin, meinem relifigen Zeuge an «lern "Wagen Pharao.

Deine Backen stehen Heblich in den Spangen und Dein Hala in den Ketten.

Wer ist die, die heraufgehet aus der Wüete. wie ein gerader Rauch, wie ein Geräuch von Myrrhen, Weibrauch und allerlei Pulver eines Apotheki'rs?

Siehe, meine Freundin, Du bist schön, siehe, schön bist Du. Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen Deinen Zöpfen. Dein Haar ist wie die Ziegenheerde, die bescheren sind auf dem Berge Gilead. Deine Zähne ftind wie die Heerde mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die aÜKumal Zwillinge tragen und ist keine unter ihnen unfruchtbar.

Deine Lippen siud wie eine roninfarbene Schnur, und Deine Rede lieblich.

Deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel xwischi'n Deinen Zöpfen.

Dein Hals ist wie der Thurm Davids mit Brustwehr gebauet, daran taoHend Schilde bangen, und allerlei WaSen der Starken.

Deine zwo BrQste sind wie Kwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden, bis der Tag kühle werde und der Schatten weiche.

Du bist allerdings schOn, meine Freundin, und ist kein Flecken an Dir.

Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, mit Deiner Angeu einem und mit Deiner Halsketten einer.

Wie BchSn sind Deine Brüst«, meine Schwester, liebe Braut! Deine rüsl« sind lieblicher denn Wein und der Geruch Deiner Salben flberlriffl alle Wttnse.

Dcinr Lip|ion. meine Braut, sind wie triefender Honigseim, Honig und '****> ist unter Deiner Zunge, und Deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch

ie Ut'rrorbricht wie die Morgenröthe. schön wie der Mond. U Sonue. i»chr»»cklich wie die Heeresspitzen?

III. Die ästhetische AuiTassuug de« Wejbea.

Wie schön ist Dein Gang in den Sohahen, Du FQrstcntochter. uetne Lenden stehen gleich aneinander, wie zwo Spangen, die des Meisters Hand gemacht hat.

Dein Nabel ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt. Dein Bauch ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Thurm. Deine Augen sind wie die Teiche zu Ilesbon. am Thor Bathrabbim. Deine Naae ist wie der Thnnn auf Libanon, der gegen Damaskus siehet.

Dein Haupt stehet auf Dir, wie Carmel. Da« Haar auf Deinem Haupt ist wie der Purpur deä Königs in Falten gebunden. Deine Länge ist gleich einem Palmbaum, und Deine BrQste (gleich) den Weintrauben. Lass Deine Brflate sein wie Trauben am Weinstock und Deiner Nasen Geruch wie AepfeL

Eine arabische Quelle aus alter Zeit erschJiesst sich uns iu den Geiiichten (Makamen) des Hariri aus Bas ra, welcher ani Ende des II, Jahrhunderts unserer Zeitrechnung gelebt hat. Wir verdanken die ITebersetziing dieser poetischen Producte bekanntlich ebenfall» Friedrich Bückert^.

Und in anmuthigen Bildern sollt ihr mir schildern die feurige Liebe, die ich trage zu einer, die meine Lust und meine Plage, dunkel- roth von Lippe hart wie eine Klippe, gerade wie ein Bolz. aber* schwenglich an Stolz.

Daß Haar um ihre Schläfe nahm den Schlaf von meinen Angen; ,

Ich !>chmachte, weil sie mich verliess, in dem Verliese des Leidea. .\U8 ihrem Wuchs erwächst mein Tod, mein Blut fliesst nm die Blüthe Der Wang'. ihr Auge weidet sich am Brand des Eingeweide«. Mein Logs i«t hoffnungslos, hin mich die Mängellose lOset; Doch ist mein hoffnungsloser Stand ein Gegenstand des Neides. Dem Gleichgewicht der Glieder war mein Auge gleich gewogen, Doch eben maass das Ebenmaass des Leibs mein Herz voll Leides.

Eine andere Stelle bei Hariri lautet {Hurfmanu^): Ihre schönen Z&hne gltlnzten wie Perlen, Hageln, oder eiu Tropf kostbaren Weins, weiss schimmelnd, wie Camilleu- oder PalmenblQtbe.

Ein anderer alter arabischer Dichter Namens Amrctlkeis sagt (Hartmann^) :

Das lange Hnar. da« ihren Rücken xiert, ist wie eine Kohle sohwart, dicht, und wie Palmranken durch und durch verächlungen.

Ich fasste sie bei ihres Hauptes Haar sie bog sich sanft zu mir herüber; dünn war ihr Leib, dick und stark die Hüfte.

Ihr Bein glich einer Palmrfihre von Wasser getrilnkt.

Hartmann^ citirt dann ferner Motannahi:

Sie blickte mich an mit den Augen einer Gazelle in einer weinerlichen Stellung, und wischte das Regengesprühe über eine Rose von An am.

Ihr Haar ist wie ein Rabe schwarz, buschigt, nochtschwan, dicht, von Natur, nicht durch Kunst gekräuselt.

Ihre Lippen duftender, ab Sommerlnftchen, und lieblicher, dfltiii *t:^' thiischer Mnsküs ihr Hyacinthenhaar.

Sie schiessen mit Pfeilen, dertm Gefieder dt« AQijeiiwüu^eni <<* »palten die Herxen, ohne xa ritzen die H.^ u

9. Das Schönheitsideal bd vewcHedenen Völltern.

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w

I

Und selbst den Korau können wir hier anschliessen (Snre 56 eni 24):

Und 68 werden bei ihnen sein schwars&ngigte, gr04stvu^gte Müdclien, wi# Perlen in der Muschel verborgen.

Der Dichter Atnru, ebenfalls ein alter berühmter Araber, singt: Bit von Wocbs enthüllte sie ihren scblänken, Bcbön proportionirien Körper, nd ihre Seiten, die im Gefolge ihrer Reize prächtig sich ausdehnten, nd ihre Lenden, so lieblich »trotzend, üiisi^ des Gezeltes Thilr sie zu fassen kiium vermag,

Und ihre Hüften dhten schöne Wölbung mir den Gebrauch meiner Sinne vor Entzücken raubt.

Und er vergleicht die Beine der Geliebten «mit zwei reifenden S&ulen von oder glattem Marmor, an welchem Ringe und Spielereien hangen, D gerfinschvollefi Get€ee machen'. (Hartm»nn>). Etwa« reichlicheres Material bietet sich uns aus einer um üiige Jahrhunderte späteren Zeit in den Hesar Afsan oder tausend Märchen*, bei uns bekannt unter dem Namen »Tausend nd eine Nacht*. Wenn auch dieses Werk ursprünglich persisch t und zwar aus dem 10. Jahrhuudert unserer Zeitrechnung, so ind doch die auf uns gekommenen Handschriften in arabischer prache verfasst, und sie sind durchaus nicht wörtliche Ueber- ctzungon des Originales, sondern freie Bearbeitungen und Ver- ollständigungf-n und zwar wahrscheinlich von einem Aegypter US dem lü. Jahrhundert. Aus dieser Zeit .stammen also jedenfalls uch die vielen poetischen Stellen, welche in die Märchen einge- ocht^n sind und, obgleich in Aegypten verfasst, müssen sie doch ohi als ein Ausdruck arabischen Denkens und Fühlens auf- elasst werden. Ich gebe einzelne Proben von ihnen nach der ^ebersetzung des Dr. Gustav Weil:

Sie ist schojiegsanj, wie die Zweige des Ban (ein Baum), den der Zephyr

ewegt; wie reizend und anziehend ist sie, wenn sie gebt! Bei ihrem

Lilcfaeln gltlnzen ihre Zähne, so daes wir sie för einen Blitzstrahl halten

können, der neben .Sternen leuchtet. Von ihren kohlenschwarzen Haaren

hüDgen Locken herunter, die den hellen Mittag in die Wolken der Nacht

IltOllen ; zeigt *ie aber ihr Angesicht in der Finsterniss, so beleuchtet sie alles

on Osten bis Werten. Aus Irrtbum vergleicht man ihren Wuchs mit dem

chOnsten Zweig und mit Unrecht ihre Reize mit denen einer Gazelle. Wo

CoMte eine Gazelle ihren schönen .Ausdruck hernehmen?

Ich erblicke an ihrem Busen zwei featgeschlousene Knospen, die der tobende nicht umfassen darf; sie bewachl sie mit den Pfeilen ihrer Blicke, i* «ie dem entgegenschleudert, der Gewalt braucht.

Sic erscheint wie der Vollmond in einer freundlichen Nacht, mit zarten 1aft«n und •chlnnkcm Wüchse, ihr Auge leseelt die Menschen durch ihre chönheit; die ROthe ihrer Wangen gleicht dem Rubin; »chwar/e Haare D ihr bi« zu den Füegeu herunter; hat« tlich wohl vor diesem dichten ' ' l ...» kind ihre Seilen, doch ihr Herz ist barter 'ale FeUen. iiuen Bchleudert sie Pfeile, die immer richtig treffen und xein mögen. Mt, wohlduaend ihr Mund; ihre Aepfelwangeil

Ui. Die aathetMche Anffaiwg de» WeikM.

tiftd wie Anemooea, Weao das Lickt iler Sooiie iia4 64» Leuchten Mosdea nch begegnen, wird dae Finnament Tetdookelt; wenn ihre ctmhlrif den Wangen tich zeigen, wird die Morgfnrfithe aas Scham bla&s; nad wetiii b«i ihreai LScheln ein Blitz aas ihres Zähnen leuchtet, so wird die dunkl«- AbrnddAmaerang heller Morgen. Ihr Wuch« Ist so ebeoiuä«8ig, daso, wenn «ie etvcheint. die Zweige des Ban eiferv>i]chtig Über sie werden. Der Mond be«it2t nar einen Theil threr Beize: die Sonne wollte eie anfechten, konnte nber nicht. Wo hat die Sonne H&ften, wie sie die Königin meines Herzens hat? ,

Ein gcbönes Mädchen! Ihr Speichel ist wie Honig, ihr Auge ist schärferi al« ein indisches Schwert; ihre Bewegungen beschämen die Zweige dril Ban, und wenn eie lächelt, so gleicht sie der Atheniis. Du ^agst, ihr»! Wangen aeien wie Doppelroien. doch sie empOrt sich darüber und spricht: Wer wagt e«, mich mit einer Rose zn Tergleichen? wer schämt sich nicht zu] behaupten, mein Busen sei so reizend wie die Frucht eines (.iranatapiel-l baumes? Bei meiner Schönheit und Anmuth! bei meinen Augen and Bchwarxeal Haaren ! Wer wieder solche Vergleiche macht, den verbanne, ich aus mpim-r Mähe und l^te ihn durch die Trennung; denn findet er in den Zweigrn des Ban meinen Wuclu, und in den Bösen meine Wangen, waa hat er bei mir tu Itachen?

Von Proben persischer Poesie gebe ich eine Stelle aus den Liedern des Ferdoesi, welcher ungefähr ein Jahrhundert vor dei ersten Kreuzzuge dichtete {Ilartnmnn^):

£ben und weiss faob sich in reisender Wfilbung ihre orale Brust, di<>j kuiuo Phantasie je malen kann. Ihr schamhaftes Auge, Ihre wie Elfenbein blendende Gebtalt Machen des Liebhaben; Seufzer I06,

Kund sind ihre Augenlider, und ihre «chneeweisaen Zähne Glänzen, von der Hand der Natur schön geformt. Ihre gerade Nase liegt in schönem Ebenmaasse au&gestreckt ; Ihr schlummernd Auge wird santt gefächelt durch des Geliebten holden Rlii-l Da« Moschushaar in wallenden Ringeln gekräusell Spielet in der Luft und scherzet, wenn es losgebunden flattert. Eine liebliche Röthe schimmert auf ihrem rosenfarbenen Gesicht, Und erhöhet unwiderstehlich ihrer Schönheit Reiz. «So liebenswürdig sind ihre Lippen, dass selbst das Lüftchen Sich nicht zu nähern wagt, sondern nur von ferne wflnscht.

Von einem älteren Türken, dem Ibrahim Bassa, stammt derj Ausspruch, der sich auf eine von ihm geliebte Prinzessin bezii^t:

Noch erst strahlt unter der Morgenröthe der Stirn das grosse schwarx« Auge mit allen »einen bezaubernden Reizen aber alUuählich frhebl Mch die apitzo kleine Nase wie aus dem Nebel her\'or.

Aus moderner Zeit finden wir in dem Werke von Vambmj (iber das THrkonvolk einige Beispiele poetischer £rgiisse, welcliej Jiernury übersetzt hat:

Eine Mutter aus dem Volke der mittelasiatischen noi disirenden Türken besingt ihre verstorbene Tochter: Mein Liebchen, ich will sie loben, wi" snh.v- Wio in Butter gobackene« Brot w:i:

9. Da« Schönheitsideal bei verschiedenen Völkern. 59

Von den West-Türken stammen folgende Verse:

0 -holde Jungfer, bogengleich sind deine Brauen, Leben und Welt bist da. Ach! Ach! So tanze doch, da mein Rosenzweig!

Auch eilt Liebeslied eines iranischen Türken steht uns zur Verfügung, das ich im ganzen Wortlaut wiedergebe:

1. Der Mond bewegt im Kreise sich, am unterzugehen. Ich bin schläfrig and möchte gern schlafen gehen, Meine Hände die haben es erlernt.

Deine Brüste tanzen zu lassen.

2. Ich bin kein Mond, ich bin ein Stern, Ich bin keine Braut, bin eine Jungfer nur; 0 Jüngling, der du am Thore stehst. Komm herein, ich bin allein !

3. Das Eäppchen hat sie seitwärts aufgesetzt

Und legt 68 schelmisch bald auf die andere Seite hin;

Ach, ob eines einzelnen Kusses

Hat sie das Herz in Blut mir gebadet.

4. Das Muttermal auf deinem Gesicht Gleicht der auf der Steppe weidenden Gazelle, Ja ich kenne meine Holde genau,

Denn em Doppelmal hat sie im Gesicht.

Einige Lieder der Albanesen finden sich in dem Werke von r. Hahn^. Ich gebe von denselben nur solche Stellen wieder, welche i\\T unser gegenwärtiges Thema von Bedeutung sind:

Deine Brauen vernichten mich.

Wenn du dich abwendest und von der Seite blickst.

Aus deinem Munde, o Liebling (?)

Quillt Honig und Zucker.

Deine Perlenzähne

Sind Gift für meine Wunde u. s. w.

Dieses Lied stammt aus Premet an der Vojussa und ist in toskischer Sprache mit gegischen Anklängen.

Liebchen, schlank wie ein Spross

Und weiss wie Bernstein,

Deine Haare (sind) wie Githersaiten,

Dein Duft Bergmelissen,

Dein Mund Gewürznelke des Kramladens.

Gnade, kleine Freundin, Pomeranze, Orange.

Liebe Dukatenstime, Liebe Orangenstime.

Kleine rothe Beere an dem Abhang.

Wie ist es mit mir so, o Freund, Dau ich das rothe Haar nicht liebe?

>ie i»t

t>»M Hiiar i^ib wi« ein Venetiao^r (Dukatev gebt vorfiber der Silberhah.

Uni mich zo beklagen, den Aenusten,

Weg<Mi eines LiebcbepB mit dem Schacbtelmunde.

Da Kleine, die Dieb Dein Mann nicht will. Steige ein Biscben auf die Maner. Kntwodor Du, Kleine, oder Deine Schwägerin, Damit ich die Augen und Brauen eehe. Warum sind Deine Brauen (so) schwarz? Ilnitt Du etwa Ualläpfel aufgelegt? Sie: Nein, nein, bei Gott!

Denn ich habe selbst die Schönheit.

In i'iikt^ni hicde in Nord-Celebes heisst es nach RiedeP: Din ZUhnu'der Geliebten sind prächtig geileckt.

Di'rii Wi^rko von Vamhmj entnehmen wir auch die Herzens- ••rKniMi' i'iijHH lii'hi'glUhiMuk'ii Haschkii-en :

O Liobchwn mein, Dein« Augenbrauen

iJl<'ich<M\ dem noch dilnnen Neumonde!

0 Liebchen iin.'in. Deine Brüste

lUeiuhen dini iioob warmen Butterknollen.

Auf hohen Borgen hab ich Feuer angezündet

Und CK brannte die Flamme den Berg entlang.

Auf deine rechte Wange hab* einen Knss ich gedrückt

Und die linke Wuuge erbebte davon.

Auf hoher Berge Gipfel

Aul Steinen umhenusteigea ist schwer.

O Holde! ohne Kuren Anblick

Dn«i Stunden auKXuhalten ist woU schwer!

(SAbe e«t .ipfelbauwe.

So wttMte ans (tf«tTilach ioh nieh tticht tuüehnen.

WkM iMUM il«U«btc b«i nur,

(kk wtri» M PNndtt ich aidi niciil «eadai.

Wlv ntffM «Mk 4m ScAiteMfeadoü aa. wie es «ich xtMth CotftdtmiM ' il<Kt UM' litt Ln^bildol hiki. 1!r «Mim^ rm mmm aditoea Weib«, datt*i* V^ tA, Uffkw wi« rtraichVlathei. «i»e Taille wie

v^u \\ - ^ tipoatft wi» vktt l.ot«»Ma»«i.

Im ).. vtt d«r H«r*ri in noHCfttlichen Afriksv

V1NII Ammhi ukte i\iMl»(MrMr «mig« Pmobeo gwU, kommea die

10. Der Geschmack und seine Aaffassong der weibl. Schönheit. $1

Ich sahein weisses Antlitz und darin warenPunkte an Farbe wie die Schwärze. . Deine Augen sind wie der YoUniond, und dein KOrper ist duftend wie der

Geruch des Rosenwassers. . . . Und Du bist wie der Garten eines Königs, in welchem alle Wohlgerflche

vereinigt sind. Und bist Du wie die Fracht des Gartens eines fleissigen Anbauers, wie könntest Dd verdorren? Den Abschluss dieser poetischen Proben möge eine Ode des alten Anakreon bilden (Hartmann^):

Wuhlau! male Du unter den Malern der erste,

Meister in der Rhodischen Kunst,

Male meine abwesende Geliebte

Genau, wie ich Dir es sage.

Male mir zuerst' weiche und schwarze Haare,

Und wenn's das Wachs erlaubt, lass sie auch von Salbe triefen.

Unter den dunklen Haaren

Aus der ganzen Wange heraus

Wölbe sich eine glatte Stirn,

Gl&nzend weiss wie Elfenbein. '•

Die Haare zwischen den Augenbrauen

Trenne nicht -zu merklich, noch lasse sie ineinander fliessen.

Die gekrümmten Augenbrauen,

Der Augenlider schwarzer Rand,

Müssen sich bei dieser, wie bei jener

Sanft in einen Funkt verlaufen.

Das Auge mach^ genau aus Feuer,

Zugleich blau wie Minervens,

Schmachtend zugleich, wie Cytherens Auge.

Male Na 8* und Wangen

Rusenroth mit Milch vermischt;

Die Lippe sei wie die der Pytho.

Zum KuüH einladend.

An dem Rand des weichen Kinns

Um den marmorweisSen Hals

Müssen alle Grazien sich lagern.

Uebrigens umflattere sie

Ein purpurfarbenes Gewand.

Nur ein wenig Fleisch spiele sanft hindurch

Und mache nach den verborgenen Reizen lüstern.

Doch halt ein ! ich seh' sie schon,

Bald, wirst du, o Wachs, selbst reden.

10. Der Oeschmack nnd seine Auffassung der weibliehen

Selionlieit.

Alles dasjenige, was die einzelnen Völker vermöge ihrer speci-

'm Geschmacksrichtung fl\r Schönheit halten, glauben sie

1 .Kimsthülfe in's rechte Licht stellen, oder auch noch über-

I SU mAssen. Namentlich sorgen die Frauen dafür, der Natur

<52

tn. Die Ssthetiscte ÄX

Wteib*F.

in dieser Beziehung zu Hülfe zn kommen und an sich selbst, sowie •n ihren Kindern möglichst gefällige Formen zii schaffen. Wenn Thatsache int, «l«3.s, wie von WeisbucJi bei der Novara-ßei»e gefunden wurde, die Chinesen wie fast alle raongolischeu Völker von Natur kleine Fftsse haben, so wird es wohl erklärlich, «laflw bei ihnen die Frauen höherer Klassen die Fttsse ihrer jungen Töchter möglichst verkleinem; wenn die T ah iti- Insulaner, die Hottentotten, viele Neger Völker u. s. w. die ihne-.i (igen- thflmliche Breite der flachen Nase für besonders schön halten, so darf. man sich nicht dnrüber wundem, dass sie Nase und Stim ihrer Kinder durch Zusammendrücken noch mehr abflachen; wenn Humboldt, angleht, dass die amerikanischen Indianer ihre Haut nur deshalb mit rother Farbe bemalen, weil sie die natürliche n^tbung ihrer Haut ttlr hübsch halten, so darf man ihm wohl Glauben Kcheuk*.Mi.

So sind die künstlich hergestellten Haartrachten so vieler afri- kanischer Völker bei deren Weibern ebenfalls nur die Erzeug- iUMne einer conventionellen Geschmacksrichtung; und die Holzpflocke, welch»' die Botokuden in den Lippen tragen,- sollen doch nur dazu dtotH'U, den schon an sich hervorstehenden Lippen die weite AnN(b.>linuttg zt» verschaffen, welche von Natur noch nicht in ge- hörigem Grade vorhanden war. Auch ist die Compression des SchUdel», die ho zalilreiche Völker an ihren Kindern üben, zumeist mit der Absicht verbunden, letzteren den Vorzug einer edleren, sonst nur bei Vornehmen wahrzunehmenden Kopfbilduiig zu gewähren. So wehselt dan (tt-fdlil für da.s Schöne am menschlichen Körper je nach nationalen Eigenthümlichkeiten, welche £hrgeiz oder Eitelkeit für ein charakteristisches Merkmal der Formenvollendung halt.

Man wllrd<' aber ganz erheblich irren, wenn man glauben wollt«.', dass di«'se Dinge nur für die wilden oder halbciviiisirteii Völker ihre (Jülligkeit l)esüssen. Üeun wenn unsere europäischen Damen ihr«* Taillm inJ'tglirhst zusammeiiüchuüreu, sowie ihr Gesicht wth und weiss schminken, so finden wir hierin schliesslich doch auch nur da« Bestreben, durch Kunst sich dasjenige zu erwerben oder zu verstärken, was bei ihnen als besonderer Reiz des schönen (iwchleohts gilt mid einem wirklich schönen Individuum schon von der Natur verliehen wurde. Es ist nur zwischen den uucivili- HJrten Weibern und den l>amen der sogenannten hochstehenden llAKNen folgiMider wichtige Unterschied zu constatiren. Während lici ilui) erKteriMi die Ent*itellungen ihrer Körper, welche ihrer Meinung Mach Vrr»rliiMit«nnigen desselben sind, meist eine gewisse, durch .lahrhnnderl'e langr Gewulitiheit ijeheilig^e Tnn'^tanz und Gesetx- niÜNMgkeit l»esit/en, uut4'rli"-. '-'i unser' i einem stet«»,

den sinnlosen Launen d«i \ -,;hi.i. v «i^^.: x.m ili»tii

Stiuidpunkte der Logik u

Fr. .,...,

rli.

63

^ )e8trel)t sind, während unsere Damen nach kurzer Zeit dafgeuice

als hässlich und entstellend profaniren, was ihnen soeben noch als

(las Ideal der Schönheit gegolten hat.

Um Beispiele hierfür braucht man nicht gerade verlegen zu ^sein. Bald sollen die Flisse lang und unnatürlich schmal, bald [^■wieder feist und abnorm kurz erscheinen beides, wie sich dem ^ Arzte nicht selten zu sehen die Gelegenheit bietet, zu grosser Qual

und oft. nicht wieder reparirbarem Schaden der Besitzerin. Bald ^Jgiebt man den durchbohrten Ohrläppchen einen kuopfartigen Schmuck, W unter welchem sie scheinbar verachwindea, bald wieder werden

Wahre Lasten in die Ohren gehängt, deren Gewicht die Ohrläppchen

zu langen ovaleu Lappen ausdehnt. Bald wird der Brustkorb um- schlossen, als wenn die Natur den Damen die Brüste versagt hätte, ' bald wieder werden die letzteren durch panzerartige Vorrichtungen gewaltsam in die Höhe gequetscht, so dass sie, anstatt an der nor-

I malen Stelle, in der Unterschlttsselbeingrube ihren Sitz zu haben scheinen, wobei selbst oft bei der Bauchhaut eine Anleihe gemacht werden muss, um eine Fülle zu heucheln, die die missgünstige "Natur versagt hat. Von den Versuchen, bald fadendürr, bald wieder tonnenartig dick zu erscheinen, wollen wir schweigen. Aber aus allem diesen geht hervor, dass die Damen gänzlich vergessen,

Pdass dem Auge des Mannes nichts widerwärtiger und beleidigender i<;t, als die Unnatur. Doch kehren wir wieder zu den , tiefer stehenden* Rassen zurück. Die Proceduren. welche diese mit ihren Körpertheilen vor- zunehmen gewohnt sind, .-sind selii' mannigfacher Natur, und es ist gewiss nicht ohne Ititeresse, dieselben hier in grossen Zügen durch- zugehen. Wir machen den Anfang mit den Bemal ungen. Die- .'«elben erstrecken sich bisweilen über den ganzen Körjjer, wie bei manchen indiau er- Horden; vorwiegend sind .sie aber auf das (•resicht beschränkt. Hier sind sie nicht in allen Fällen Mittel der ^ Verschrmenmg, sondern sie haben manchmal gerade die entgegen- iBgesetzte Bedeutimg. So müssen sich z. B. bei gewissen Indianer- I Stämmen die Weiber das Gesicht schwarz färben, wenn tt\r den männlichen» Hausvorstand die Leichenfeier abgehalten wird. In der ■Mehrzahl der Fälle allerding.s gilt die Beniiilung als ein Ver- lßchönerang.smifrtcl, z. B. bei den Andamanesinnen (vfergl. Fig. 12 'Jo. 2).

So sind die Färbungen der Augenbrauen ja bekannt, welche )ei den orientalischen Frauen im Gebrauche sind.

„Was die sonstigen Toilettensuchcn (beiden Krim-Tataren)- anbelangt, jt Vamhtry, so spielt da« Henna (Laweonia inemiis) hier eine wichtigere Rolle als in der Türkei, indem die Frauen, wie in Persien und im Kau- casa««, mit diesem das- RuropäiBche Gerucbsorgan beleidigenden FarbsloH iicht nur Augenbrauen. Nilgel, Hand und HaU, sondern bisweilen atich das l<'li«rarz fuukolnde Haiir roth anstreichen, eine Sitte, die von Alters her im iioslemisclion Osten beliebt war und nchnn von Herodot bei den Sc3then

64

III. Die Sfithetiscbe Auffnssuug des Wpjhe*

«rwähnt wird, deren Weiber aus zerriebaaem Cedem* und We: »ich eine Schminke zubereiteten."

Wahrscheinlich steht hierzu auch die oben citirte Stelle aus dem hoheli Liede Salomotv's in Beziehung: .Da& Haar auf Deinem Haupt ist wie der Purpur des Königs in Falten gebunden.' Bei den Eingeborenen auf Java und auf anderen Inseln des mal ari- schen Archipels herrscht die Sitte, sich die Zähne dunkel zu färben, und sie blicken mit unverhohlener Verachtung auf die weissen Zahne der Eurc»päerinnen, „welche denen der Hunde gleichen". Auch die Zähne der ainanitigchen Weiber in Cochinchina sind nach Jlondii're keineswegs nur schwarz vom Bethelkauen, sondern sie tärben sich dieselben mit bestimmten Droguen :

Butrefois seulement k l'epoque de sa premiere menstruatioxi ; aujouf- d'hoi eile est en progrfe et se uoircii les dent-i lorg de son premier coTt. c'ett- i-dir« priis trois ans platOt qu'antrefois.'

Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass man die Bemalnng nicht als eine ausschliessliche Gewohnheit des weiblichen GesrhlechtS' betrachten darf. Im Gegentheil, bei sehr ^-ielen Völkern pflegen sich auch die Männer zu bemalen und- zwar in bei weitem aus- giebigerer Weise» als die Weiber dies zu thun gewohnt sind. Die Absicht und die Bedeutung dieser Sitte ist aber wohl nur in den seltensten Fällen die, ihre Schönheit zu steigern. Micht schöner, sondern hässlicher, abschreckender und ftircht^rlicher wollen diese Leute erscheinen, um schon durch ihren blossen Anblick ihren

Gegnern, oder wenn es Zauberer sind, ihren Gläubigen Angst und Entsetzen einzufl&ssen. Daher liudet die Bema- hmg auch gewöhnlich nur > 'ben' Zeiten statt, wo sie in vol!- ^,'«3*

sclunucke zu er- <-r mit

den Gi>ttem und ' ^ _ zu ver-

kehren Wim scheu. \ Ebenso wie die benuütmg, so ist;

\ »neb die Tättowirung dort, wo sie Oberhaupt noch rorkommt \an

G^chlt^rhteru gemcin&amr j

il iTt £fest ganz allgemein die

1 -^ug der Flmoen von derjeni

gen der Mim>er gai» erfaeblicha ^ . . .^ .V. j ' MubiMeii- Uns^ in- 1 [ gmiiss aasschheM^

/ I >i«^*>. und wir wQrdrii wohl

Wilg>«i*«a, wenn wir in »hr uutrr allfc URmaoden dn Mittel

V.

mr Ver>«!i. Knll.T.

i^».iT. U'.'s ^^ uu;U Loi.Uuih'

10. Der Gweliinaclr iin«l ?««<» Anfftumonp der weiM. Sctißnfipit. ^5

figt worden. Die Ursachen aber, warum fliese weibliche« Wesen sieb tättowiren lassen, sind nun sehr verschiedenartige. Bei einem Theile der Tättowimngen haben wir, wie wohl •leutlich ersichtlich ist, nichts Anderes /u erkennen, als das er- wachende Schamgefühl, als den Ausdnick des biblischen Spruches: Und sie wurden gewahr. da88 sie nackend waren. Sie wollten ihre Nacktheit verhüllen und verstecken, und auf diese Weise rrklärt es sich, wenn die Weiber auf den Vi ti- Inseln, wie Luhhock^ er- zühlt. auch untfr d^ni Liku (dein Schamgnrti tättowirt waren. Denn jt'denfalls war doch wohl iUe.se Tilttowirung vifd früher gebräuchlich, als der Schamgurt, und wahrscheinlich auch früher, als die Tätto- wirung der übrigen Kiirperstellen. Auch die Wilden von Tahiti tiittowiren .sich nach Iin'rho»'s Angabe an der Vulva: ebenso nach Fiusrh die Damen von Ponape in der Carolin »'n-Gnippe.

Fig. 10. Tfittowirnn; der ünttrtrtrumilftxsu «inw Pontptiin (n»ab Finimh^V

I

H Nächstdem kommen wohl die BrUi^te heran und dann erst

^B der Hauch, die Extremitäten «. s. w.

^B Das« übrigem* di»' Tättowirung auch für die scharfen Augen

^■des Europaers den Eindruck der Nacktheit erheblich mildert, oder ^"gänzlich verschwinden Ifv^st, das wird in ganz überein.stiramen- rJer Wei.se von allen Weisenden l)e.st.Htigt.

Bei manchen Völkern ist die Tfittowinrng das Zeichen bestimmter.

I glücklich erreichter Leben.-^ab.schnitte, z. B. der ersten Men- struation u. s. w., sowie auch, um einen modernen Polizeiausdruck zu gebrauchen, ihres FarailienKt«nde.s, ob sie ledig oder verheirathet sind. So ist es auf Tahiti undToba, .so bei den Weibern der ^-Juarani in Brasilien und bei den Kabylen. Nach Bn-» f/u-nmd tragen die letzteren auf der Stirn zwischen den Augen- brauen, auf einem Nasenflügel oder auf einer Wange ein klei- knes blaues Kreuz, das durch Schiesspulver oder Antimon* >xyd hervorgerufen ist. Wenn das junge Mädchen heirathen will,

Plod, Da* Weib. I. :!. Aufl. .'•

timamg

90 läi«st der Taleb dieses Zeichen durch Application von djer (un- gelöschter Kalk) oder saboun-akhal (schwarae Seife) verschwinden.

Das TUttowiren bei eingetretener Pubertät hat bei einigen Stämmen den Chju-akter einer Art von Examen: es soll, wie es sdieint. eine Prrifiing sein in der klageloReu Ertragung heftiger körperlicher Schmerzen. Darum wird hier die Tüttowining in be- sonders peinigender Weise ausgeführt. Haben wir hierin vielleicht die Absicht zu erkennen, das soeben mannbar gewordene Mädchen auf die ihr sjiäterhin bevorst.ehenden Geburtsschmerzen vorzubereiten und »ie gegen dieselben abzuhärten, oder sollte es nur lernen, die Peinigungen ihres künftigen Eheherm zu erdulden, ohne einen Ton der Kl^e hören zu lassen?

Schon das einfache Tättowiren, wie es auf den Viti-Iuseln gebrauchlic}i ist, verursacht erhebliche Schmerzen. .,Doch halten sie die Erduldung desselben für eine religiöse Pflicht, deren Ver- nachlassigimg sicherlich nach dem Tode bestratl wird." {Luhhock})

Auch die Frauen der Eskimo sind , wie v. NordcnskjOld * berichtet :

„überall, wo «e nicht mit den Europäern in dauernder BerQhruuK gCMtiuiden, lAtiowirt, nach Mustern, wie sie bei den Tschukt^cben üblich. Man leiste früher auch in Grönland grosses Gewicht auf die Tättowirung un<] glaubte oder richtiger redet« den jungen Mädchen, welche :iich gegen dies« «chTnr(n;httfte Operation sträubten, ein, dass der Kopf der Frau, die sich njcht auf diewe Weiße schmücken lasse, in der anderen Welt in ein Thran- geDU* verwandelt werde, das man unter die Lampe stellt, um aufzusatnmeln, WB« so« derselben verHchöttet wird. Das Tättowiren geschieht in der Weise, da«« man mit Hülfe einer Nadel einen in LampenniHs und Thran getauchten Faden unti^r die Haut zieht, und Kwar nach einem vorher auf die^ielbe ge- zi'irhneten Mii.iter, wobei man mit dem Finger auf die durchnähte Stellr drückt, um dif .Sciiwärze zurückzuhalten. Das Tättowiren geschieht auch durch PunktLrung, d. b. dadurch, das« man die &>chwü.rze in Löcher reibt, dia man mit einer Nadel in die Haut gestochen hat. Auch der Graphit wird %U TWlowinuigsMchwärze angewendet, weshalb auch dieses Mineral em Han- deliartikel der EiikimoH ist."

Luhlmck^ Hugt: „Bei den Frauen am Murray (Auetralien) ist die vm- «igfi wichtige Handlung, die Eyre kennen lernte, da.s Abachrapcn des Kückenit. ICtftr. nennt ein TUttowiren, der richtige Auadnick würde meiner Meinung nach „KinkerVien" ^»in. DieHe Frocedur ßndet statt, sobald ein Mädchen •rwku:h*i«n iwt, und nuisi üui^serMt bohmerzhaft sein. Das junge Franenümmer knint nicd<;r und legt ihren Kopf zwischen die Kniee einer alt*.>u starken Fruu, und der Operateur es ist immer ein Mann macht mit einem Mui»rhi«l od<'r FiMic'mteinstUcke reihenweise von der rechten zur linken yeile quor lll<er dun Hürken bis dicht an die Schulter lange, tiefe Einschnitte in da« Fleiüch. Der Anblick ist ttusaerst enipOreud. Das Blut rinnt in Stri3ui»'ii b*rab und trUnkt du; Erde, während die ScbmerzenHiiiiibtnr]|.' .Um .inn« Opftn «ifh XU cinrnt lauten Angtitgeschrei ^t«igem. I •ioh dii« MAdchon borc<itwiIlig dio«er Qual-, denn •^••> wird »ohr b^wundnrl."

Allerdings haben die Brl'"'- '-'■'♦* - f*' .. luulereu Zweck, als den, ci

Irritiilion zu versetzen, um eine recht stark prominireude Narlie, eine Art toö Keloid zu erzeugen. Aus diesem Grunde reiben sirh die Einwohnerinnen von Kordofan und Darfur Salz in die frischen Tättowirungsschnitte. da die hierdurch entstehenden Pro- tuberanzen grosse personliche Heize verleihen, (Darwin.) (VI. 320.) Bisweilen wissen die Wilden selber nicht, was sie sich bei dem Tattowiren denken. Dh.«» erhellt ganz deutlich aus folgender Ge- schichte, welche Tiflor erzählt: Auf den Vi ti- Inseln tattowiren »ich nur die Weiber, während sich auf den ihnen benachbarten Tonga- Inseln nur die Männer tattowiren. Ein Tunganer war nach den Viti-Iaseln gescliickt worden, um zu erfahren, wie tiittowirt würde. Wälirend der Rückreise sagte er sich immer vor: „Man mus.« die Frauen tattowiren imd nicht die Männer.'' Er stolperte aber über ein Hiudemiss. fiel hin und vergass seinen Satz, hO da>)» er hei seiner Ankunft den t?einen sagte: „Man muss die Mämier tattowiren und nicht die Weiber,'' und seitdem wurde es auch so auageluhrt. P o 1 y n e s i s c h e r Logik genügt diese Erklärung, denn die S a m o a n e r haben eine ganz ähnliche Legende.

Finsch ' giebt in Uebereinstimmung mit Kuhary seine Meinung dahin ab. dass die Tättowirung bei den Ponapesen jetzt lediglich Verschönerung.szwecken dient und weder mit Rang, Stand noch Religion irgend etwas zu thim hat. Während die Sitte des Tattowirens auf den Gilbert- und M arsh al 1-Inseln immer mehr abkommt, ist sie auf Ponape noch in voller BUithe und von grosser Vollkommenheit der Zeichnung und Au.sfiihrung. liowley hört^ von einer Frau der Magandja in Afrika, deren Körper in Folge frischer Einschnitte in die alten Tättowirungfmarben (um sie proniinirend zu machen ) von Blut triefte, dnss sie nach Vernarbuug der Wunden die grö.sste Schönheit im Lande sein würde, üebrigens werden hier die Narben besonders benannt, je nach den Körjier- thcilen, auf denen sie ihren Sitz haben.

Der Begriff der Verschönenmg ist in denjenigen Fällen, wenn auch vielleicht nur noch ganz versteckt, vorhanden, wo, wie z. B, bei manchen Südsee- In.sulanern, das Tattowiren das Vorrecht der Freien und Vornehmen ist, durch das sie sich von den Sclavinnen, denen Tattowiren iii«lit gestattet i^t, unterscheiden. Sehr lehrreich ist hier- für ein«' Anfalle', welche wir Charles Darwin^ verdanken. Sie zeigt uns zugleich. da.s8 der Tättowirung unter Umständen auch die mystische Anschauung zu Grunde liegt, dass sie ein Unheil abwenden könne. Darvin erKÜhlt in Heiner Reise eine» Naturforschern um die Welt, diws "Ä^ Fmnen der Miitaionare auf Neu -Seeland die bei ihnen dienenden und nfttftrlicb bwrcitB bekehrten jungen Frauenziainier m a)>crreden suchten, rieh jmelil tTit' ,, lausen. ,,Als aber ein berühmter Operuteur &ua dem Süden

^«»•-'•V..,, siijften sie: „Wir müssen wirklich, wenn auch nur einige

itiu Liiif nnirrpn Lippen haben, Bonst werden, wenn wir alt werden, n zii'.:uriinrii«rhrumitfen und dann würden wir sehr hässlich t (1831) nii-ht nahezu »o viel tättowirt. wie idun)if»zeichen zwischen dem Hiluptliag und

«lern Sciaven darin liegt, wird es wiihr<*cheiiilich noch lango ausgeübt werden. Jeder beliebifje Ideenzug wird in einer kurxen Zeit Hchon so ge"«'ohnlT't> gemähti, dasa mir die Mi^äionarc wogten, »elhst in ihren Augen sehe ein ;l'I nicht tätiowirtea Gesicht niedrig und nicht wie das eines Neaseel»ii->-. . Oentlemajj ans." fVergl. Fig. 12 No. 4.)

iJie Tättowirung schlitzt also hiei- vor dem Altwerdeu. Viel- leidit wird dieser Schutz aiil'get'asst uach Art einer hoiniiopathi«' l-"- Wirkung: die Mädchen lassen sich Fui'chen in das G fjclineiden, iim sieh vor dem Auftret.en von Kuuzeln zu schützen. Vielleicht hat auch die Sitte der Ainos auf Yesso eine ähnliche Bedeutung :

Die Weiber sind nach /•. BruniU um den Mund in Form eines aufge- drehten Schntirrharts blau tättowirt, was sie sehr hiL<slich macht. Die erste Tättowirung findet gewöhnlich iin sie- beuten Jahre statt und wird dann allmählich vergrössert. (Vergl. Fig. 12 No. 5.)

Auf der zu den L i u - k i u - In- selu gehörigen In.sel Amarai Oshi- ma ist das Tättowiren allem bei den Frauen Sitte. Sie lassen sich regelniäa- sig tättowiren und zwar nur den Rtk'ken der beiden Hände. iFig. II.) „Die Tatuzeichen sind stets die srJ«*i- chen; man weiss jedoch keine Bedeu- tung anzugeben und erklärt ausdrück- lich, dass dieselbe von 0 k i u :t w a aus erst eingeführt, worden. Mei^t im 13. Jahre Hessen sich die Mädchen dieses Zeichen eiuätzen von besonde- ren Leuten, die diese Kunst verstunden. Mit drei zusammengebundeneu Nadeln wurden lleihen von Einstichen ge- macht und darauf die gcwöhnliclic Tusche eingerieben, die sonst -^um Schreiben benutzt wird. Die Farln- wird indigoblan. Seit vier Jalu-eu hat die japauesische Regierung das Tättowiren auch hier verboten, wie schon seit viel längerer Zeit in Japan,'" ( Doedirlvin.)

Wenn wir in den Bemaltingen und in fast allen Tättowirungwi noch das rein decorattve Moment vor uns hatten, so fl ein kleiner Theil der letzteren, welche die ausgesprochen» \\

erkennen lassen, dicke wulst^rtige und knupttTirniige Narbeu erzeugen, bereits hinüber in das Gebiet der Ki»rpi*rplastik, d. lu denjenigen Mitteln sogenannter Verschi'merung, welche als \vt-

Fl«.

11. Tättowirto Hund einer Oabimaneri&i iikch d«r Tou (.'iucm Tlkttowlrer «elbit TerfertigtwsZoioliuunK (u>cli nunterlttn).

70

11!. Die lUthetinche Aaffiansmifr ^^

MtOnunehmgeD oder Verdrlickungen eiazeluer Korpeiregionen be» widmet /.u w»«rdeii verdienen.

HiiT »teluMi obenan ilie künstlicheu Formgebungen der Schiidel- k«psel, wie si« durch zusamuienpressende Kopöager oder durcb «?utsprwhi'nd angelegte Druckverbände bereits bei Kindern in dem ■artestitu I/ebensalter herbeigeltlhrt werden. Sehr bekannte B«i- spiele sind die ..rOckwärtü fliehend" gepresste Süru der alten Ein- wuhuer von Mexiko und der Flathead-lndianer (heute noch in tiebrmuch). ferner die kttnstiiche Hrdierpresjiung der Schädeldecte. wie sie ebenfalls noch heutigen Tages bei gewissen Vtllkeru des Kaukasus geUbt wird: und endlich die künstliche Verlängening der Hiuterhauptreffion, welche in bejjtimmten Theilen vou Frankreich iKH'h imiuer nicht hat »tiügerottet werden können.

Wir ki^nnen ^ kurz andeuten, da Gast nberaU, wu

4t»wr (lebniuch h<. - 1 war oilirr noch im Schwange ist. «r

Wi Wide» (icjix'hlechirrn in gleichuMSsigier Weise zur AasObung lip'hMttfl, Mau venjieivhr hierüber die Ton IHogx^ beBprochcoen tnMdiUottelieti iVi^emtionen aai Kindeskörper. Ftir uns too Wichtig- keit i^ aber eine Angabe ifr Crespigmjf'x Qb«* £e Malanaas auf Horueo. «eil d<u1 nur die Köpfe der Mickiww (aber nidit •XitT\ d«>(ormirt wml». iBdeni die an und flir aKh adboa fiache kmd KurAckwektbcwi» Stirn noch xurQdcveidwader gcBMcbt «ifd. Dvr biena bMinttW Am^arat wird Jab genaimL Bfai Ki£s«-n uder INaUvr mm ^m fra«^ BtiMtn timet Art WMnriilie wird Kwlwlw» 4mi vwrvristit«* Tbcü itm Jab wai den ITiüdukupf ge- Iwrt. Oiw» BJBK» abd arrkk dkk wi tlmcb«. Man wecbseUj

Vmi dHi iMm IVfricb« de» Itf^Kbt» jjibTiwwfca GeUdn habenj mM«««MDUII di* ««ftl«»tl^ V«>rbx»h>ini>>ab8»ciitliibinl!iiii'brtigim^^ dw t%wwM<b<h>. Wir brawcWf «■» kicr aidhl eat m der Fefsr lMK<b ^iniMh» OTaiw>bi>i»> y^l» doc4 di» I^BckbaknBfpea der l%rti|^Ana Wbwb VnIftWwfwmr ««• ^cbMKknchM wtch. bei MM) «wb w mtW vwImi Vittm «iatt Vni m <(¥<iiii^»i»> '^' ^^*^^ Hra»d»Ab«rg. wird dw» ISotadnr Ar ^MvblM» cvbaJlvtt« Mirb«K «w d«r V<

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'?»?ine AuffasAung der weibl. Schönheit. 71

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wühlten BanilmsroUen zu wahrhaft enormer (jr<'»s.se auszudehnen. Zuletzt werden dann als Schmuck Holzknopfe (Madagascar, Centraiafrika), Pulmeublattspiraleu (Naya-Kurumbas im Nil- giri- Gebirge \JatfOf'^\j oder Bhiraen (Neuseeland) in den enorm erweiterten Ohrlöchern getragen.

Bei den Mädchen der Battas wird nach Hnifcn An» (Jhrluch durch ßauibu.'^pflricke oder Wolltuchknäuel etwa daumeugross erweitert, um einen .silbernen Reif als Schmuck einzuhängen , der da.s Läppchen bedeutend verlängert. Ausserdem durchlöchert man den oberen Theil der Ohrmuschel, in welchem dann zierlich ge- arbeitete Ohrringe getragen werden.

Bei den Basuthos in Transvaal war e.s Sitte und ist es stellen- weise auch wohl heute noch, nicht die Durchbohrung in dem Ohr- läppchen selbst, sondern an derjenigen Stelle HnziibriMgeii, wo die äusserste Windung der Ohrmuschel, der Helix, in das Ohrläppchen li hergeht.

Joest berichtet, dass die Mädchen der Makua auf Mo- zambique e.s lieben, sich eine Perle oder dergleichen in einen Nasenflügel zu schrduben und sich, abgesehen von 10 15 Löcheni in dem Ohrrande, das Ohrläppchen so zu erweitem, dass sie Holz- pflöcke von dem Durchmesser eines Ffinfmarkstricks hineindrängen können.

Auch in bestimmten Theilen Os ti nd i ens^vergl. Fig. 1 2 No. l ) und numentUch bei den Mittu in Afrika (verglFig. 12 No. ;i u. Fig. 13) wird die Ohrmuschel mit einer ganzen Keihe von Durchbohrungen versehen. Bei manchen Sildseevölkern werden tue Ohrläppchen zu ganz erstaunlicher Länge ausgedehnt und ihre Dnrcbbohrung zeigt, ebenfalls sehr erhebliche Dimensionen. Gewöluilich wird dann das Ohrläppchen ntit einer ganzen Reihe von Ringen ge- Hchmückt, welche an Fingerringe erinnern. Ein Bei.sj»iel liierför liefert die A nach oreten -Insulanerin (Fig. 12 No. 7).

in dem durchbohrten Nasenflügel pflegen die Damen der Hindu einen King zu tragen. Es wird z»i diesem Zwecke aber inmier nur ein Nasenflügel benutzt imd zwar scheint entschieden der linke bevorzugt zu werden, der bei einigen Stämmen durch die Schwere de» oft sehr grossen Ringes ganz beträchtlich herabgezogen wird. Das zeigt uns z. B. die Limboo-Frau (Fig. 12 No. 8).

Wenn bei den Kaders in den Anamally -Bergen (Indien) die Kinder zu laufen beginnen, so werden ihnen Nase und Ohren dnrchbobrt; Knaben wie Mädchen tragen Ohr- und Nasenringe: filtere Leute pflegen diesen Schmuck abzulegen [Jagor).

Die Bongo trauen (Centralafrikai tragen in den Nasen - Üngelii und in der Lippe autrecht.stebende HaluiütUcke {Schirein- furtli*). {Vergl. Fig. I3No. 4 und (i.j Die Nasensclieidewand zu durch- bohren und zwar diclit vor dem Ansätze der Oberlippe, war früher 'ie| verbreiteter al» beute. Jetzt aber finden wir diese Art der

sie bei beiden Geschlechtern herrscht. In der C>efluung wird ein Knochen oder auch ein verziertes Stück Holz getragen (vergl. Fig. 12 No. 6). Auch die Weiber der Dschur im östhchen Sudan halK^n häuüg einen eisenien Ilinj^ durch das Septuni nariam oder durch die Mitte de» Nasenrückeas j^ezogen (r. IhlUcahl).

Bei den Verse höueruugeu dei» Mundes konmien in er8tt«?r Lime, abjfesehen von den bereit» erwähnten Tättowiningen (ier Lippen, die Färbungen und die Verunstaltungen der Zähne in Betracht. Sie werden ganz oder theilweise ausgebrochen, treppenartig abge- meisselt. spitzig zugefeilt (vergl. Fig. 13 N"o. r>) und mit dreieckigen Löchern versehen. Allerdings ist dies Alles in viel höherem Grade bei den Männern als bei den Weiljiem der Fall, jedoch haben letz- tere bisweilen ihre be*<onderen Gebräuche.

Die Schneidezähne der Weiber auf Madagascur sind muh Jocst hailischzalmartig zugespitzt. Hagm i^agt:

„Bei den Weib^^m Her Batta werden «U«« oberen SchneiUezähne }<leJch den antereu völlig bi^ auf das Zabnfieifich abgemeisselt. Dieser O^bmucb ist constant: man wird kaum eine Frau Knden. die ihre Zähm' andere trilg«^. Haben die Zähne endlich ihre definitive Form erhiUten. wenn auch «irtt nach Jähren, so werden sie bei beiden <ie*cblechtem schwarz, s^'^f*''^'« u*>^ zwar ?<iiinmtliche Z&hne ausnahmslos. Zu diesem Zwecke verkohlt luuti «in Ötfick Linjonenliok auf einer Mes.^er- oder Parangklin^fe. D*» lierauBliüu- feinde Harz des breiuiendeu Holze? vermischt man innig uiit der Kohio uod bestreicht uiit dem so erhaltenen Fimi.'^^ die Zähne xwei bis dreimal -, die* selben werden dadurch dauensd tuid intensiv .-tchwikr« gefärbt, während rilhe Firniss zugleich eine etwa gcfirtiietc Zahnhöhle verstopft."

Auf den kleineren Inseln der alfurischen See zwischen Neu- guinea und den Sundainselu berr.scht fast durchgängig die Sitte, den Mä4lchen zum Zeichen der erreichten Mannbarkeit die Z^lhiie abzufeilen.

Auch die Lippen entgehen dem Schicksale nicht, aus Gri'inden sogenannter Verschönerung entstellt und verstlimraelt zu wenlen. Die Frauen der afrikanischen Bongo z. B. zwängen die Ober- lippe jederzeit* nahe an den Mundwinkeln in Metallklammem und jiu.Kserdem tr.igon sie in einem Loche mitten in der Oberlippe einen Huhn oder einen Knpfenmgel imd in der Unterlippe einen Holz- ptluik [Sihw'iufurth^, vergl. Fig, 13 No. 4 und 6). Von den Weibern der Miigundjii sagt Litinijstottf:

,4hr ubKonderlioliKter Sohnuick ist du« Felele. der ObcilippenrittK. O'm Oberlippe der MBdrlmn wird an der UebergiuigH(tt«lle zur Na.<«en»ch)!ii(lowKnd durclibohrt und dnreh ninen eingoU'gten Stift da« Wrheileji gehindert Ka werden dann allmAhlich dickero Stift« cingi'legl, biM nach Moniten odisr Jahren da» Lach no ur»»* \»t, diu» ein llintf von iwei Zoll DurchmcMüRr hinuiugelcKt worden kann. (Fig. 18 No. I ) Dii'^ bowtrkt e«. ibiss in ein«*ui Falle die btppo xw«'i Zull Hbor dio Nii*en*v>t)"' vorrut;te. und als die Dame IJUshidte. hol« dii ' " i

brauen, wilhn^nd •pitx Abg^letllfn ZiUu luscUleji. il i^;. )J No. ^.^

III. Die aeäthenSon^RltaMung de.« Weibes.

Waruui trugen die Frauen diese Dinge? wurde der ehrbare Il&nptlin^' Chinsurdi gefragt. Often bar erstaunt über eine so dumme Frage iTwiderte | er: ,,Der Schönheit wegen! sind dies die einzigen schOnen Dinge, welche die Frauen haben. Männer haben IJärte. Frauen haben keine. Waj< fQr eine Art von Person würde die Frau sein ohne das Pelele? Sie wfinip wiei ein Mann mit einem Munde ohne Bart, aber gar keine Fraa sein."

Anstatt dieses Ringes tragen die Weiber der M ittu nach Schwrin- furth- einen Knopi" au.M Elfent)eit], Harn oder auch uns Quarz. Gleich- zeitig wird ein polirt(.'r Quarzkegel von über 0 cm Länge in der Unter- lippe getragen. (Fig. 13 No. 3.» Die Weiber von Latuka tragen einen Kryatall in der Unterlippe, und die Frau des Häuptlings äusserte sich gegen ßnh^r, da.ss seine Frau sich sehr verschönem würde, wenn sie ihre Vorderziibne aus der unteren Kinnlade heraus- ziehen und den langen ÄUge.spit/ten, polirten Krystall in ihrer Unterlippe tragen wollte.

Das« bei den Botokuden in Slidanieriku grosse hülzerue Knöpfe in der Unterlippe getragen werden, dürft« dem Leser wohl bekannt sein, Ihr Narue stamnit von dieser Sitte her. Dieselbe herrscht aber bei den Müniiern ganz in demselben Maasse, ab< bei dem weiblifbeii Geschlecht.

Auch im Norden Amerikas herrschiiu ahnliche Uebräuohe; dw ersehen wir aus einem Berichte, den wir dem Cnpttän «/»t'aA*r« verdanken :

„In den E s k i lu o Dörfern im hohen NordweHten Amerikas an der Müu- duDg des Kuskoquitn weiss sich der weibliche Tbeil mit Perlen sehr m^ «chmflcken; diese werden Überall, auch in den Flaaren, angebracht. Diel Unterlippe der jungen Mädchen wird un drei Stellen durchbohrt; in den Seitenlöohern steckt als Lippenpfloek je ein kleiner krummer Knochen, dessen knopfförmiges stärkeres Knde üicli im Innern des Mundes befindet iiud du^ Herausfallen des Knochens verhindert; das Süssere Ende des Knocheuü ist j mit Perlen geschmilckt. Auch da?» Mittelloch der unteren Lippe tnigt al»^ Lippenpfiock einen ^anz kleinen Knochen mit Perlen. Die NivsenHcheidewandj der jungen Mädchen ist gleichfiiHs durchbohrt und trügt eine bis auf dc&j Mund herabhängende Perleni»chnur. Dieser Naseuperleuschmuck tindei «ichj auch bei Jen jungen Rskimoscibünen am unteren Thukon, .sowie weiter nofd- wärts bei deu Mallemuten, Alle diese Eskimos tättowiren auch das Kion. , (Fig. 13 No. 2.)

Von den Verun.staltungeu am Kopfe haben wir noch kurr dii»| Ausreissen der Augenbrauen (Btnigo Frauen. ySchwf-infurth] Japa* ue rinnen) und das absonderliche Abrasiren des ganzen Schädeb oder bestimmter Theile destiselbeü zu erwähnen. (.Man vergleicb»* auf Fig. 12 die An dama ne si u No. 2 und die Anachore teu-Jimo- lanerin No. 1.) Es würde un.s zu weit fuhren, sümmtliche in dieser Beziehung herr.schenden Gebräuche Ijerichten zu widlcn, welchi- lip- .sonders in Afrika ihre Heimath habcu.

Am Rumpfe sind wir bereit.'» dou durch die Tüttowirui hervorgerufenen Verunstaltungen Vod den sonst

noch vorgenommenen Proceduren niu-i im ^•■' "'•■* .,, iifi,

die Behutidluug der Brüste uud der Gc

10. Der 6e«ci)a»ek und seine Aaffftssan^ der wdbl. 8efa<>nheit. 75

doch später diesen Orgatieu ein besonderes Kapitel zu widmen }iaben, so können wir auch die Besi^recbung ihrer Verunstaltungen bis dahin verschieben. Jedoch geben wir hier noch als Probe nach Hu'üfl^ eine i)arstellung, wie die Tanembar-Insulanerinnen »ich die BrHste tiittowiren.

Fig. 14. TfcttowLrnng der Brttit« bei den Tan«m bar •lBsnUo«rianen inaoh HinM).

Au den oberen Extremitäten müssen wir die absonderliche Unsitte erwähnen, die Fingernägel bis zu unglaublicher Länge wachsen zu lassen (Annamiten), um dadurch deu Beweis zu liefern, dass die Besitzerin ihre Hände nicht zur Arbeit zu protaniren nöthig hat. Das Abschneiden einzelner P^iugerglieder, wie es uns in Afrika (Buschniännerj. im südlichen Indien und bei Indianern begegnet, hat nicht die Bedeutung einer Verschönerung, sondern es i«t entweder ein Zeichen der Trauer, oder ein Opfer zur Ab- wendung von (jefahren. Andn'e^ hat die hierher gehörigen Thiit- saclien zusammengestellt.

Wenn schon von einem grossen Theile der in dfu vorhergehenden Zeilen beschriebenen sogenannten Verschönerungen gesagt werden muss, dass sie der Geschmacksrichtimg der civilisirten Nationen geradezu widerprechen , so gilt dieses doch in ganz besonderem Maaäüe von einer Umformung, von einer Körperplastik, um mit Jolmnnes Itittike^ zu reden, welche einen Tlieil de>s weiblicht^n Körpers im wahren Sinne des Wortes zur Verkrüppelung bringt, dessen normaler Bau und gut«, harmonische Entwickeluug bei allen Völkern europäischer ('ultur sich einer hervorragenden Anerken- nung erfreut; ich meine den Fuss und den Unterschenkel. Dass leider auch unsere I>amen nicht absolut von dem Vorwurfe freigesprochen werden können, dass sie an diesen Theilen künstliche Mittel wirken lassen, um dem Ideale ihres eigenen missverst^mdenen Schön- heitsbegritle.s möglichst nahe zu kommen, d;us wurde bereits weiter oben angedeutet, und die beifolgende Abbildimg mag eine Vorstel- lung von einer der allergewöhnlichsten Verbildungen, dem sogenannten Ballen, geben, welche die Füsse durch zu spitzes Schuhwerk er- dulden und welche, wie man nach den hier dargestellten Verände- rungen an dem Grosszehengelenke sehr wohl begreifen wird, eine dauernde Quelle ganz erheblicher Unbequemlichkeiten und Schmerzen für die unglückliche Besitzerin abgiebt. (Fig. 15.) Alle übrigen Völker haben den Fuss als dasjenige anerkannt und geachtet, was

7r»

III. Uio iistlietiiich<>

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Flg. 15. Eatinad«t*r BktUn

er in Wirklichkeit, i«t, ab das hochwichtige ujid unentbehrliche LocomotidriH- und Stlitzorgan des gesammten Korpers: dem(ietürwv» erfreut er sich aurli alifjjeiueiti einer ganz besonderen ^Schonung und l'flege und ist von den sogenaniiten V»t- Hchimerungen, von gewaltsamen Umfornoiingen verschont geblieben. Höchstens werden dir Zehen mit Ringen gesclmiückt oder noch hau* Hger das Fus.sgelenk. Allerding« sind die um da.s letztere gelegten Ringe bei einigen Danien Mittelnfrikas so schwer, diiüs auf deiu Fussblatt dicke Schwielen entstehen {Tapfien- f t herk). Ein einziges Volk nur ist es, weldies

j .^'^ \ eine VerkrUppelung der Beine und Flisse ttb-

L^m^r^ b\ sichtlich herl)eifrihrt : diis sind die Chinesen. ^(jttnUm Jf niese kiuistliche Verbildung des Thinesen- ^^n^^^^k fusses ist eil) weibliches \'erschönerung8niittel im uUerstrengsten Sinne. Denn niemals und unter keinen Umständen wird diese Procedur an den Füssen derKnaben vorgenommen. Ztnu Ruhme de» weiltlidien (üeschleclites in Ch i sei es aber gesagt, dass. SU verbreitet auch dirs«* entstellende und flir jedes andere Volk ausserdem Chinesischen abscheu- liche Unsitte in dem himmlischen Reiche ist, dennoch mehrere Di- stricte sich von der Entstellung frei gehalten haben, wie auch dif Jetzt herrschende Kaisrrfamilie die-l .<elbe verachtet und, wenn manl dem Volksmuntie glauben darf, eil an den Füssen Verkrtippelte. dJtj] den kaiserlichen Pala.st betret«tuj sollte, mit dem Tode bestrafen] würde yBastiau). Die in deui Sundainseln lebenden Chine' sinnen verlcrfippel» auch üuvl F(\s»e nicht. Dafilr werden nachj KritHtr in gewie^sett Gebieten von China (Singang-fu nml Laa* titchou-fu) auch diel l^'*!

bis snmKjiiegcinütMiii iki i»ij<ieu eti^Mwinfft, nm redit >tarb ahia- ma({ieni. IlJer Effect wini noch er- höht, wenn iii Air W'idfnniÜi^

m4 vm 4m BtUealtek» »m gm»km.

ein xoUbrfiter Stnim -■' ' '

Sl reife« ftei

ly. Der Qescliinack and seine AnfTaäBaue iler weibl. Scbönheit, 77

it'l) in «ler That uur selten möglich, iU»ef denselben durch Besich- Pmui^ der Fils.se chinesischer Dtunen (tenaueres zu erfahren. Denn Frauen der Chinesen hüben eine liesondere Scheu, die ent- »lösHteu Flisse sehen zu lassen: die Gattin darf' ihn selbst dem Ehe- jÄun nicht neigen. Doch vermochten unn unter xVuderen die Aerzte forache, ehemaliger Arzt der französischen Gesandtflchafl in Pe- iug, Fmier, limuot, Schaulje und schon früher Lockharf ver- isisliche Berichte zu liefern. Erst wieder iu neuerer Zeit haben [Vf'hJiL'r in Halle, dann mw.h Hüdinf/cr- in Mlnu'lien die Auf- lerksiimkeit auf diese willkürliche Verunsitultuug gelenkt.

Die künstliche Wrkleiuerung und Missgestaltung der Füjtse ist

den südlichen Provinzen Chinas allgemein bei den wohlhabenden

Klassen zu finden : weit WL'uiger im Norden, und insbesondere nicht

in Peking, wo die Tataren vurherrscben, bei denen diese Sitte

_5icht in Aufnahme kam. Femer hat fast jede chinesische Provinz

jre eigene Abweichung der Deformation. So begegnet man specit-U

II Ktiaug-si und Kuang-ton den sclumsteu und ausgesuchtesten

^xemjilaren. Unter <len reichen und vornehmen chinesischen

''ajnilien findet man sin tiach finigeu Angaben jedoch im ganzen

;hiuesi scheu K-eich, da dieser ..Luxus'' ihren Töchtern die besten

*ttrtien sichert. Die bannherzigen Schwestern in Peking haben l»ei

undeni in ihrer KrankenpHege den freien Fuss iu einigen Wochen

11 seiner früheren Form /uriickgehen sehen; freilich verdammen nie

lurch diese Experimente die Miidchen zur Ehelosigkeit, denn noch

lai der fremde Eintiu.s.s nicht vermocht, die Macht dieser verderb-

ichen Mode «u brechen.

Man befolgt in den verschiedenen Provinzen beim Binden des •"uases verschiedene Verfahrungsweisen ; mau hat. aber auch zwei irade der Verkrüppelung. Entweder werden nämlich bloss die jhen verkrüppelt, oder es wird auch der hintere Theil des Fer.sen- )eines senkrecht nach nntou gestellt. Die Operation des Bindens ^ird bei den niederen Klassen von der Mutter, bei den besseren ätändeu von eigens dazu in dex Familie unterhaltenen Frauen aus- geführt. In den reichen, auf schöne Töchter eitlen Familien beginnt lie Vemnstaltung der l'^üsse mit dem vierten, bei auden-u mit dem eebsten oder siebenten beben.sjuhre.

Zunächst wird, wie Mninchc angiebt, der Fuss geknetet, in werden die vier kleinen Zehen mit Gewalt gebeugt und durch ine Binde von 5 cm Breite mittelst fester Umwickelung in lieser Lage erhalten. Täglich wird die Binde erneuert. Das Kind igt einen zituulich hochreichenden Schnürstiefel, der sich nach zuspitzt und eine jibitte Sohle ohne .\b.satz fuit. Dies Ver- ffiebt nur den in den Nordprovinzen Chinas üblichen ge- Ucüen Fnss. Zur Herstellung der zweiten, eleganteren Form wenn die bleibende Beugung der Zehen erreicht ist, den Fus» einen hallien t'ylinder von Metall und führt nun auch wohl um den Unterschenkel, in iler

78

fMnung'

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Fig. 17. NoriDAler MensoheDfuts

(nach H'e/rker). Zum Verglejoh mit Fig. 18.

Fig. 18. Fo88 einer Tor&efaiD«g Chin«(in (ascb H'ffrJier).

Absicht, dessen Muskeln au einer der befil>sichtigten Gestaltung; ieindlichen Wirkung zu hindern. Bei der Anlegung der Binden presst die Mutter aus allen Krätzen PVrsenbein und Zehen über dem Halbcylinder zusammen und führt auf diese Weise eine Lage- verlinderung des sogenannten Kalinbeins herbei. Der so niisslhindelte FuHs wird wjJÜter in einen Stiefel mit starker convexer Sohle ge- steckt Man kann sich vorstellen, welche peinliche Schmerzen dem armen Kinde die festen Umschnürungen verursachen. Die Bindemittel bleiben Tag und Nacht liegen, selbst wenn die FOsgchen heisa und fntziindet und die Kinder unruhig werden. Ist doch die Schönheit des Ki'irpers höher anzuschlagen, als das Wohlbefinden der lieben Kinder! Es kommt, wie Parker erzählt, bisweilen vor, dass beide Füsse bis zu den Knöcliehi brandig werden, Haben nun aber die jungen Mädchen die Misshandlung überstunden, so gehen sie fortan nicht mehr wie andere Menschen einher, sondern sie wackeln wie auf Stelzen, indem sie das ganze Gewicht des Körpers lediglich auf der kleinen Fläche der Fensenspitze und dem Ballen der grossen Zehe balanciren. Um nicht zu fallen, bedienen sich die Damen alsi Stützen der Spazierstöcke oder sie lehnen sich auf begleitende Dienerinnen. Doch sind trotz aller Mühsal die Chinesinnen stolz auf ihre Fuss- Stumpfe. In der ptietischen Landessprache] lieisst das verstümmelte Glied Kin-lien, d. h. .,gQldenej Wasserlilie.*'

Mit frischen Farben beschreibt Capitain JihujhmH die von ibmJ vorgenommene Besichtigung des Fusses einer Chin»'-''" •m IIa«'"! eine« LandniannH wünschten wir den ..pied ini(mon" ein« eiii hilbuchns jungem Mildohen von 16 .T.' , ' , i

um unm'ie Neugierde *u befriedijicn. .".

10. Der fteschinnck und «eine Äuffassang »ler weibl. Schönheit. 70

Glanz eine« neuen Kopftuches überwand bald ihre ZnrUckhultung: sie EtegaoD die obem Bandagen, welche um den Foss und {iber einen schmalen. [tod der Ferse herauff»ehenden Streifen gewunden waren, aufzuwickeln. Der cboh wurde dann abgezogen und die ziveite Bandage abgenommen, welche ieu Dienst eines Strumpfes versieht. Die Binden um die Zehen und KnOchel 'waren »ehr fest und hielten alles an seinem Platz. Als sie endlich den kleinen Fues zeigte, war er zart» weiss und rein; das Bein war vom Knie abwärt» sehr geschwunden, der Fuss schien an der Hacke wie gebrochen,

I während die vier kleineu Zehen unter den Fuss binabgezogen waren, so das* ■ur die grosse Zehe ihre natürliche Lage behalten hatte. Durch da* Brechen [oder Biegeuj der Hacke wird ein hoher Bogen zwischen der Ferse und den Zehen gebildet, während bei den Damen von Canton und Macao die Hacke Kvinz onangetast^t bleibt, dagegen ein sehr hoher Absatz angebracht wird, irodurch die Spitze der grossen Zehe auf den Boden kommt. Die unter den puiMj eingeschlagenen Zehen Hessen sich nur mit der Hand insoweit vorbeugen, dass man sah, sie seien nicht wirklich in den Fuss hineingewachsen." Es giebt GipsabgUsae solcher Fiisse in ethnographischen Samui- lungen; ihre Länge misst 4 hh Zoll, doch die elegantere Form hat nur gegen 3 Zoll Länge.

Tlg. 19. Linktr Fast aintr Ohlneiis (nMb Junktru Die Haut ist entfent, am dtt

Muskola fr«iialegen.

„Die Betrachtung untreres Modells, sagt Welcker'^, sowie allea dasjenige, m*B wir über den ModuH der chinesischen Fusstoilette wissen, lehrt^ dass es icich utn eine äusserste , .Streckung", anatomisch gesprochen: um eine Plan- iexion des Fusses, zugleich aber und dieses ist offenbar das tief reifendate Moment der geiiammteu Verunstaltung um eine Einknickuug iesFussuRhiuiilelt. bei welcher daaHinterende des Fersen beine« nach ab- |t» geknickt und dem Mittelf usse entgegen gebogen wird(Fig. 19). edorf kuimi der Erinnerung, <lasH nicht eine rasche Knickung, wobei cinTheil achcn oder auch nur unuiittelbar verbogen würde, gemeint ist. E* Mt »ich um dl»» Krzielung des Wachsens der Theile in gebogener Rieh- •^iwrli Schienbein licHnden sich in einer und derselben Flucht,

.• niiliezu Kcnkrechl nach ubwrirts r»gt. während die

t^o

fIT. Dl* iSfitlietisebe AufTiuKuii^ «Ifs Weftjr

vier kleineren Zehen vom AuBfleDrande de» Fuases her unier die äohW urv*- Kchlii^'en sind. Der Thei! de« Futises iilier, welcher desaen Hintorrand bilden Monti\ die Fi'rse. ist mich unten zu lie^jeu sjekommen.

Ininter kam dus Hinterende des Fersenbeines <renau su unter den (lbrv?»?o Fun» XU liefen, wie bei einem normalen Fuitse der Hacken eines Hjie1(«n- nchuhes unterhttll) der Ferne lie(,,'t. Die Chinesin >^eht also bei ualiesu »eok- recht gerichteten Mittelfuysknochen auf Jen verkfimmerten und vrroKsentheilB rerbogenen Fusszehen ; das Hinterende des Fu.sses niht auf einem doppelten Absätze einmal auf dem untergebogenen Fersenhöcker und dieser aat dem Absätze des Schuhes."

3Iartin'^ ria^t : „Pendant le travail defonuateur. il y a un certain nombrn de vicliraes qui ne peuvent resiater et qui nieurent. Celles qui le «upport^nt «ouft'rent plus ou moins suivant leur degrö de vigueur et leä uonditions h'iir alinientntion.

La femnie chinoise marche sons fl^chir lesgenoux, lainant &peu pr^ inuctifs les n)nscle.4 de la janibe et jettant en avant les deux membres, donl le« monvement« nont alors et entierenient subordonn^s i\ Taction des muacles da biusiin Ceux-ci s'atrophient moins que len firemiers, et comparntivumeat «euiblcut v\ii^ere8 comme volume^ ils donnent alors aux partie» mollw du bassin un iijpect qui ]»eni faire croire ü une amplitude laquelle. en nöolit^. ■Vxiste ]ia.s."

£rkuudi||;t luan sich in China nach Urspnmg, Sinn luid Zweck die&tjt» üigcntbümlichen (iebrHuchs, so bekommt man sehr wider- sprechende Ansichten /.n boren. Wenn man von den Sagen absieht, weldie den rrsprung der Sitte in die Zeit von 1 1(M> v. Chr. Geburt /■nr(l<-k\ erlern, so variiren die historischen Angaben zwischen den Zeiten des Kaisers )"fii»<;-/», «)9r» n. (-lir. Geburt, und des Kaiser» f.i-Yitfi, 9t) l bis '.>7l» nach t'hristns. Sicher bestand die Sitte noch nicht »ur Zeit des ('onfutst\ und Murm I*oU.>, der berühmte Rei- sende, der sich im 13. Jahrhundert am glänzenden Hof des Kaisera aufllielt, rrwähnt sie noeh »jirht. Nach Schergrr und anderen «oll die Sju-he ihren tirund in der Kifersucht der Mämier balnju, welche, wie er meint, /.u glauben scheinen, dass eine schwierige IJeweaüch- keit der l''rauen auch eine grössere Garantie fJir deren Treue ist. AIImu die« vrar nicht die umprQngliche Absicht bei Einftlhnu^ der Sitte, auch denkt nnui in (''hiua, wenn man die FQse«e de» ganz jnugt'ii MUdcheUsS einzuwickeln begimit, noch nicht an eine» später er( rkeit dejtsteUwn g«ge.n den Ehemann. Eine be-

tri< iig ft\r die Kntiit«hung dieser Unsitte hat ii

bisher noiM» nuiit beixubringt>u vermocht,

„Wir wundern niuä,"* .«agt W'rirkrr, „fiber den Gebnoch mi gos$chu)iHkK».svu und mit »o vielen UnbeqiMiiiUclikeiien rerl denen Vtur»tt\mmetung, di>ch wir wcg«ss«D, Jass «s veit cdlei« OriTfuie «ind, widche durch die hm uns gebrincKKche Art des SKnnrvaa TvrkQmimtt wvnka. Allein w gieb- aber die

via* lN»Wik^»»" IVIAm.ii.t tr«ir ni.^bi will V..rvj,fblj^ . S /mmmnff tfe|(im diut ^ hat Uvtforlh in d«n

»ist.

10. Der Gescbmack and seine Auffassung derweibl. Schönheit. gl

bräunt die Unsitte blieb. Die Chinesinnen aber werden, sobald die europäische Cultur das Reich der Mitte noch femer aus dem Gleichgewicht bringt, das Schnüren der Füsse aufgeben und den Brustkasten schnüren."

Vielleicht gab es schon dereinst in Asien ein Volk, das den Brauch hatte, die Füsse der Frau zu verkleinern. Bei Flinius heisst es: ^,£ud03cus in meridianis Indiae viris plantas esse cubitales, feminis adeo parras, ut Struthopodes appellentur. "

Den Verstümmelungen und Entstellungen zum Zwecke soge- nannter Verschönerung haben wir noch die artificiellen Fettbildungen anzuschliessen. Eine besondere Geschmacksrichtung für Frauenschön- heit ist nämlich im Orient heimisch: dort halten viele Völker nur solche Weiber für schön, deren Körper eine mehr als normale Fülle durch reichliche Fettablagerung zeigt. Ein feiner Gliederbau gilt dort nichts, und die Fettbildung wird durch eine förmliche Mästung des jungen Mädchens im Harem gefördert.

Die klassische Gegend für die Wohlbeleibtheit ist Afrika. Im Königreich Karagwah gilt ebenso wie in Unyoro mid anderen afrikanischen Staaten bei allen Frauen, besonders bei denen des Königs, die Wohlbeleibtheit als zum Begriff der Schönheit gehörig. Schon von früher Jugend an werden die betreffenden Mädchen einer richtigen Mästung mit Mehlbrei oder geronnener Milch unterworfen. Diese Vorliebe für die übermässig vollen weiblichen Formen findet sich allgemein bei den Arabern, und wohin diese ihre Herrschaft und ihren Einfluss verbreitet haben. Zwar war das ältere arabische Schönheitsideal durchaus nicht auf die Ueberschätzung der Fleisch- masse basirt, und noch jetzt zeigen z. B. die Frauen der Himyaren nie fette Gestalten. Aber bereits die Zeit Mohameds bietet uns in Gestalt seiner dicken Lieblingsgattin A'ischa ein Beispiel ausser- ordentlicher Beleibtheit

Das im Glänzen doch faule Wohlleben im Harem der vornehmen Aegypter macht deren Weiber zur Corpulenz, und sogar zu einer oft gewaltigen Fettablagerung geneigt. Solche Corjjulenz giebt aber die Einleitung zu vielen leiblichen Beschwerden. Einen widerlichen Eindruck macht der plumpe, watschelige Gang einer feisten Sitte (Dame), woran zum Theil freilich die unpraktische Fiissbekleidung Schuld hat. Eine Frau niederen Standes dagegen, welcher keine zahlreichen Dienerinnen zu Gebote stehen, muss flelssig arbeiten und wird daher nicht leicht fett. Sie bleibt durchsclinittlich schlanker, graziöser, als die Frau aus höherer Lebenssphäre (Jlartmann^).

Die Frauen in Aegypten suchten seit langer Zeit die Fett- bildnng theils durch den Gebrauch warmer Bäder, theils durch ganz besondere diätetische Mittel zu fördern; dies bezeugt Alju'nus, welcher audi speciell die eigenthümliche, zu diesem Zwecke benutzte Methode beschreibt.

Die Trarsa in der Sahara zwischen Talifet und Timbuktu verlegen sich ganz besonders auf die Erzeugung von Fettleibigkeit

Vloat, Um Waib. C. t. Aafl. 6

bei den Frauen; die Mädchen müssen freiwillig oder gezwungen unerhörte Massen von Milch und Butter zu sich nehmen, eo das» sie zuletzt eine Feistigkeit erzielen, die bei der Magerkeit der Männer doppelt auffällt (Cfiavunne).

Unter den südnubischen Völkern herrscht der barbarische Brauch, die jungen Mädchen vor ihrer Verheirathiing künstlich zu mästen; denn Fettleibigkeit und Körperfülle gehört hier tu den ersten Schönheitabediugungen des Weibes.

Vierzig Tage vor der Hochzeit wird das Mädchen zu fulgendem Regime gezwungen: früh Morgens mit Tagesanbruch salbt man ihr den Körjier über und über mit Fett ein, dann muss «ie einen Brei aus circa 1 Kilognunm Durra-Mc'hl mit Wasser, ohne Salz und Würze gekocht, zu sich nehmen, ie muÄS, denn neben ihr steht die hierin unerbittliche Mutter oder sonstige 8 Verwandte, der das Heirathsproject am Herzen liegt, mit dem Stocke oder Kurbatsch aus Hippopolaiuuühiiut, und wehe ihr, wenn sie die Schikael ntcbl bis auf den Grund leert. Selbst wenn sie die Uebermasse der faden widrigen Nahrung erbricht, wird sie nicht diapensirt, es wird von neuem gebraclit und muss hinuntergeschluckt werden. Nachmittags bekommt sie ebenfalU Dorra-Brei (Lugma) mit etwas gekochtem Fleisch, dessen Brühe die Sauve bildet; Abends dieselbe Quantität Brei wie am Morgen und endlich in der Nacht noch eine grosge Kürbisuchale fetter Ziegenmilch. Dabei unablässige äogüerliche Fetieiiueibungeu. Bei dieser Behandlung gewinnt der Körper des Mädchens fast sichtbar an Rundung, und wenn die vierzig Tage vrr- flonMU sind, gleicht er beinahe, um einen sudanesischen Vergleich zu ge- brauchen, an Masse dem Nilpferde: doch entzückt das ihren Zukünftigen und erweckt den Neid ihrer mageren Mitschwestern. Die Fettleibigkeit i»! eben Mode, und was thut und leidet die Kvastochter nicht alles um deT Mode willen? {Bernhoff [vergl. Fig. 21 No. l.]|

Den gleichen Geschmack verräth, was Paulitschke über die Somali sagt:

„Der .lüngling huldigt seiner Geliebten durch Lieder. Er ruft ihr «: Du bist schön. Deine Glieder sind üppig; tränkest flu Kaineelmilch, Du würett noch schöner."

Auch auf H a w a i nehmen die Fettniassen der Frauen oft ganz bedeutende Dimensionen an : dies gilt als die grösste Schönheit für das weibliche Geschlecht; ebenso findet sich auf Tahiti Aehuliches. Auch bei den Indern ist Corpulenz ein Erfordemiss für die Schön- heit einer vornehmen Frau ; bereits diis Gesetzbuch des Miiwt schreibt vor, bei der Wahl des Eheweibs darauf zu achten, diws der Gang graziös wie der eines jungen Elephunten sei. Dagegen fortlert der chinesische Brauch von der Frau eine zart^ vl-^rli-l«^ Gestalt.

11. Der UarwiiiisniLs über die Entwickelung weiblieher

Schönheit.

Was nun lUe Zuchtwahl und ihre R- des weiblichen Geschlechts iH'tnlit« f^

II. Der DarwinisniQs Obw ilie Kntw-tckelung weiW. ScUSnlieit- 83

Wülil keinen Besseren hören, als C/iarIcs Danvin selber, welcher folgendes äussert:

„Da die Frauen seit langer Zeit ihrer Schönheit wegen gewählt worden lind, so ist es nirht fiberrascbend, dass einige der mieheinander auftretenden \bäuderungen in einer bescbrUnkten Art und Weise überliefert worden sind, Inas folglich auch die Frauen ihre Schönheit in einem etwas höheren Grade jhren weiblichen ab ihren männlichen Nachkommen überliefert haben. E.« sind il.iher die Frauen, wie die Hiei.<iten Personen zugeben wertleu, schöner [geworden a\» die Männer. Die Frauen überliefern inde.'ta sicher die meisten ihrer Chaniktere, mit Ausschluss der Schönheit, ihren Nüchkonnuen beider- lei Geschlechts, oo dass das beständige VorKiehen der anziehenderen Frauen [«lorch die Männer einer jeden Raise je nach ihrem Maa^sstabe von Geaehmack führen wird, alle Individuen beider Geachlechter, die zu der KasBe ge

i, in einer und derselben Weise zu raodificiren.*'

Man tltirf freilich den Einfluss Her Zuchtwahl in seinem hypo- thetischen Umfange nicht allzuweit ausdehnen, wie es nach meiner Meinung Alfred Kirchhoff' in einem Falle versucht. Er meint, dass

Idie Austrulnegerinuen gar häutig furchtbare Kniittelschljlge _gegen den Kopf bekommen, und dass diejenigen Frauen, welche dergleichen Mi.Hssliandluugen überleben. 8ich durch erstaunliche Dicke der Schädelknochen auszeichnen müssen, so dass gewi-sserraaiiasen durch Vererbung von den Ueberlebenden aus die bedeutende Dicke des Stirnbeins am Australneger erzeugt worden sei; Kirehhoff' möchte diese Raßsen-Eigenthümüchkeit demnach der Zuchtwahl lu- schreibeu.

Nun haben M'ir zwar geftmden, dass bei den niedrig stehenden Rassen der Manu zumei.st nicht nach der durch äus.sere Reize des Weibes bestinunten Zuneigung wühlt; allein wir können doch auch eispiele angeben, in welchen bei barbarischen Stämmen die von Darwin bespr^^tchene Zuchtwahl vorkommt. In einem gewissen iiriide ist das Weib auch hier der auswählende Theil, indem es fast überall demjenigen Manne zu entgehen ssucht, welcher ihm zu

S gefallen nicht im Staude ist. Wenn bei den A bi poiiern, einem ndianerst am me in Südamerika, der Mann sich ein Weib wählt, so handelt er mit den Eltern um den Preis: allein es kommt nach V. Azara auch häufig vor, dass das Mädchen durch alles das , was zwischen den Eltern und dem Bräutigam abgeiuacht ist, einen Strich zieht und hartnäckig auch nur die Erwähnung der Heirath verweigert; sie läuft nicht selten davon und verspottet den Bräutigam; sie besteht demnach doch auf dem Hechte der Zustim- mnng. Unter den Comanchen, jenen wilden Indianern im Norden Mexikos, mnss der junge Mann seine Auaerwählte allerdings von <lfr<»n Eltpra erkaufen, allein die Einwilligung des Mädrhens zur Kl ' ir uncriässlich : führt sie das Pferd des Bewerbers in den

Ö! ii . : dieser an der Hütte angebunden hat, .so giebt .^ie damit ' Jawort {Grcgg). Bei den Kalmücken und ebenso bei den '«D lies m a 1 a y i s c h e n Archipels findet zwischen Braut und ktu. narbdem die Eltern der ersteren ihre Zustinnnung ge-

geben haben, eine Art Wettlauf statt, und Clarfce sowie Bonrim er- hielten die Versicherung, dass kein Fall vorkommt, wo ein Mädchen ge&agen würde, wenn sie nicht für den Verfolger etwas einge- noDinieu wäre. Beiden Kaffern, die ihre Frauen einfach kaufen, sprechen die Mädchen ihre Zustimmung erst dann aus, wenn sich der Mann gehörig prasentirt und seine „Gangart"' gehörig gezeigt hat; und bei den Buschmänninnen von Südafrika muss nach Burchell der Liebhaber, wenn ein Mädchen zur Mannbarkeit heraugewaclisen ist, ohne verlobt zu sein, was freilich nicht häutig vorkommt, ihre Zustimmung ebensowohl wie die der Eltern erlangen. Schliesslich liaben nach Winwood Beade die Negerweiber unter den int.elligenteren heidnischen Stämmen keine Schwierigkeiten, die- jenigen Männer zu bekommen, welche sie wünschen; sie sind voll- ständig fähig, sich zu verlieben und zarte, leidenschaftliche und treue Anhänglichkeit zu äussern. Demnach befinden sich bei vielen Wilden die Frauen in keinem so völlig unterwürfigen Zustünde in Bezug auf das Heirathen, als häufig vermuthet wird. So schliesst denn Darwin : „Eine Vorliebe seitens der Frauen, welche in irgend einer Eüchtung stetig wirkt, wird schliesslich den Charakter d«i Mannes afficireu, denn die Weiber werden allgemein nicht bloss die hübscheren Mäiiuer je nach ihrem Maassstabe von Geschmack, sondern diejenigen wählen, welche zu einer und derselben Zeit am besten im Stande sind, sie zu vertbeidigen und zu unterhalten.'^ Umgekehrt werden die kraftvolleren Männer die anzielien deren Weiber vorziehen.

12. Die Mischung der Russen steigert meist die Eutwlcltelun^ weiblicher Schönheit.

Die Leibesgestalt der Nachkommen wird um so weniger uiodi- ficirt, und es kommen die Merkmale von Rasse und Kaste um so deutlicher und schärfer zur Erscheinung, je reiner sich die Zeugenden nur innerhalb der Kasse und Käst« vermischen. Dies tritt vortug»- weise dort zu Tage, wo Jahrhunderte lang, wie beispielsweise bei den Hindus, nach dem Gesetze Manu's Verehelichuugen nur iimer- halb der Kaste erfolgen. Die Brahnianen, die bevorzugte Kiwste, werden von de Golnneau als vorzüglich schön von Gestillt gerülimt : und Meiners sagt: „Aeltere und neuere lleisendc bewunderten die ausserordentliche Scliönheit der lud er und Indi er innen der höheren Karten so sehr, dass sie dieselben für die schönsten Menschen auf der ganzen Erde erklärten." Die geringeren Hindu« hingegen besitzen ein minder vollkommenes Ebenmaass der Glieder»

Bei der Venuiscbung verschiedener Raissen aber k" iri

den Kindern bald die Eigenthümlichkeiten des Vuters, h.. r

Mutter durch Vererbung zur Erscheinung. Nach 1') bei Vermischung eines Arabers mit mehr nach der Mutter: verniibcht sich

egypterin, so besitzen die Kinder noch das Haar der Neger-

{aäse, während die Enkel schon schlichtes Haar besitzen und in

uh] allen Stücken mit den Aegyptern Übereinkommen; Euro-

jier ond Türken zeugen mit abyssiniscben Frauen Kinder,

eiche in ihren Kori)eribrmen den Bewohnern der iberischen

ialbinnel nahe stehen, nur Mangel an Gesichtsausdruck bekunden,

Van der liurj/ behauptet,'die Erfahrung bei Mischehen zwischen

^^hinesen und javanischen Frauen gemacht xu haben, dass

rade die Kinder, welche denselben entsprossen waren, mehr den

longolischen Typus zeigten und auch in Sitten, Gebräuchen,

flanieren und Denken (Tvaut'niiinpischcn Eigenschaften) dem Vater

liehen. Jch kann dieser Beobachtung in allen Stücken beipflichten."

JirtffuSfi,)

Bei Kanaken-Frauen auf Hawai (Sandwich-Inseln), die tiit Miinnem von verschiedener Rasse Kinder erzeugt hatten, konnte (irharfl Nenkoxifs constutiren, dass beispielsweise die Eine derselben »in Kmd von einem V'ollblut-Kanaken, eins von einem Chinesen bnd eins von einem Melanesier hatte, von denen alle unverkennbare Spuren des Vaters trugen; bei dem Halb -Chinesen geschlitzte Augen nd vorspringende Backenknochen, beim Halb-Melanesier spiralig fekräuseltes Haar und das aulFallend grosse Weisse im Auge. In ionolulu sah ^'euhuuss zwei Halb-Europiier (der Vater ein Jeutscher), bei denen nur wenig noch an die Kanaka-Abkuuft riunerte. So glichen also die männlichen Abkömmlinge mehr dem l^ater. Ganz anders waren die Erscheinungen bei einer Halb- )lut-FamiIie, in der der Vater ein Norweger mit blauen Augen und blondem Haar, die Mutter ein Kanaka-Weib war. Diebeiden dieser Khe entstimimenden Töchter hatten die dimkle Hautfarbe und die Züge, auch die grosse Körpert^Ue, die massive Nase, die dunkelbraunen Augen und Haare der Eingeborenen. Nach RicdfP ind die Kinder von Chinesen, welche diese mit Weibern der Aaru- Insulaner gezeugt haben, je nach dem Geschlecht ver- Bchieden von Farbe, die Mädchen heller, die Kutil»en dunkler.

Mischlinge von Gilbert -Insulanerinnen (Mikronesien) mit Weissen miterscheiden sich leicht durch die hellere Hautfarbung, die .li - rötlieten Lippen und den europäischen Gesichtsausdruck. i«;e von einem weissen Vater und einer Ponapesin (Caro- lueu-lnseln) zeichneten sich vor Europäerinnen nur durch dunk- eren Teint aus. Zweimal mit Weissen gemischtes Blut, also Drei- iriert«»! wei.ss, ist von Weissen gar nicht mehr zu unterscheiden imd ibenHo hell als letztere. Von Halbblut^Samoanerinnen gilt das Jleiche. Die zweijährige Tochter eines Weissen und einer Frau i«w Neuguinea erschien wie ein dunkel sonnenverbranntes Euro- »üerkind mit lockigem blonden Haar, tiefdunkeln Augen und otlien l/ippen iFinftdi-).

Durch die Vermischung namentlich der europäischen mit Vii Ratfsen scheint in den weiblichen Bastarden eine erhöhte

86

fll. Die ästhetische Aiiftaasung des Weibe-^

Schönheit gezüchtet zu werden. Sr/mtonia bebt bei dei lingen der Malayen und Europäer besonders die Schönheit des weiblichen Geschlechts hervor. Der Körperbau der Mulattinnen ist zierlicJi ; etwas kürzere Arme, ganz allerliebste Hände, eine aus- nehmend schön f^fewölbte Brust, die schönste Taille und unbeschreib- lich kleine, gellillige Füsse macJien die ganze Persönlichkeit zu einem höchst augenelnuen reizenden Wesen; „es ist gar keii» Ver- gleich zwischen einer weissen, indolenten, gleichgültigen B ras ili a- nerin und diesen ausgelassenen, munteren, oft tollen und dabei hübsclien Mulattinnen möglich" {Berghaus).

Auch V. Nordenskjöld^ bestätigt die grössere Schönheit der Mischlinge bei der weiblichen Bevölkerung Grönlands:

,,Die Frauen waren sorgfältig gekleidet, und etliche Halbblut- Mädchen mit ihren braunen Augen und gesunden, vollen, beinahe europäischen Zügen waren ziemlich hübsch. Der reine Eskimo- typus ist jedoch äusserst hässlich und zwar nicht allein in den Augen der Europäer, sondern jetzt, wie man behauptet, auch in den Augen der Eingel>orenen selbst,"

Im nordwestlichen Amerika giebt es eine Mischrasse oder Halbblfitige, die B o i s - B r u 1 e s , welche von den eingewanderten Franzosen imd den Indianern (Siaux etc.) abstammen. Die Frauen dieser franco- kanadischen Mestizenrasse sind im Allge- meinen weis.ser als die Männer und selbst noch etwas blasser und farbloser; viele Mestizinnen k(>nnen an Weisse und Feinheit der Haut es mit den zartesten europäischen Damen aufnehmen: ihre Züge sind rt'gelmitssig und graziös, und man tindet unter ihnen oft Mädchen mit wahrhaft klassischer Schönheit. (Harard.)

Auch in Chile loben viele Mi.schlinge (Kreolen) aus india- nischem und Weissem Blute (Araucauer und Spanier). Die Frauen und Mädchen haben, wie TrcntU'r beschreibt, gewöhnlich einen schönen weissen Teint, schönes, schwarzes, etwas starkes Haar, sehr feurige, ausdrucksvolle Augen, etwas gebogene Nase, feine, aber stark markirte schwarze Augenbrauen, welche einen Halbkrei* bilden, sehr lange, seidenartige Augenwimpern, herrliche Zähne, schöne Büste, sehr kleine Ohren, Hände und Füsse und graziöse Bewegimgeu. Es gieljt unt^-r ilmen auch viele, welche blondea Haar und blaue Augen haben.

Es würde unzweifelhaft A'on nicht geringem anthropologisdien Interesse sein, die Mischlinge verschiedener Rassen genau zu unter- suchen. Denn wenn auch, wie wir soeben gesehen haben, für ge- wöhnlich durch Rassenkreuzung die Schönheit gesteigert wird, «0 findet dieses doch nicht immer statt. Unter welchen VerhältnLssen kann man durch die Kreuzung bei den Nachkommen eine Ver- schönerung erwarten? unter welchen Umständen überwiegen bd •den Producten der Kreuzung die Eigen jtchaften des V " lUr

welchen die der Mutter V Wir würden hierdurch »'. blick erhalten, was wir als stärkere uud wus wir t Kü-tsen anzusehen haben.

I

*

Wenn ein Volk verkümmert, so geht auch dem weib- lichen Geschlechte der Sinn für eigene Haltimg und schönes Be- nehmen verloren. Die Geschichte weist genügende Beispiele auf, welche dieser Behauptung zur Bestätigung dienen; wir greifen nur fines aus der Reihe derselben heraus. Die Insel (.'jpern hat in friüierer Zeit eine reiche Culturperiode erlebt; sie war die bevor- zugte Cnltstätte der c y p r i s c h e n V'eniis^ der meergebornen, welcher Frauen aus allen im Alterthum bekannten Landern Weihegeschenke darbrachten : dort fand man auch ohne Zweifel nicht geringen Wohlstand und einen für jene Zeit nicht geringen Culturgrad. .ledenfalls nahm auch das weibliche Geschlecht ausserlich und inner- lich an diesen verhiiltnissuiässig günstigen V^erhältnis.sen und Zu- ständen Theil. Allein nunmehr ist ein grosser Theil der einst fruchtbaren Insel verödet, die Bevölkerung zum grössten Theil arm und ungebildet. Ueber die Indolenz der Frauen aus Cypern äussert sich Samuel White Buh^r folgendermaassen : «Es war am 4. Februar und die Temperatur des Morgens und Abends zu kalt (6" C), um zu bivouakiren. Trotz des kalten Windes umgab eine grosse Anzahl Weiber und Kinder unsere Wagen; .sie fröhuten stundenlang ihrer Neugier und froren in ihren leichteu, selbst- gefertigten baumwolleneu Kleidern. Die Kinder waren meist hübsch und viele der jüngeren Weiber von gutem Aussehen; es war aber im Allgemeinen eine vullständige Vernachlässigung des Aeusseren bemerkbar., welche in hervorragender Weise allen Frauen in Cypern eigen ist. lu den meisten Ländern, in wilden wie in civilisirt^n, folgen die Weiber einem natürlichen Zuge und schmücken ihre Per- sonen in einem gewissen Gnide, lun sich anziehend zu macbeu ; aber iu Cyjjcrn fehlt die nöthige Eitelkeit gänzlich, die man auf liein- lichkeit und Kleidung verwenden sollte. Der saloppe Anzug giebt ihren Gestalten ein unangenehmes Aeusseres, alle Mädchen und Frauen sehen aus, als ob sie bald Mutter werden würden." Tiahcr beschreibt das Aeussere näher, und wir bekommen den Eindnu-k, dasM ihm hier die Repräsentantinnen eines verkommenen Geschlechts entgegentraten. Ganz richtig sind dabei die Beniierkimgen, dass ilas Merkmal zurückgegangener Cultur der Mangel der natürlicJieii Vorliebe des Weibes ist, sich im Aeusseren möglichst schön dar- y.ustellen durch Sduuuck, anständige Bekleidung etc. Die Sitten- zustände eines verwilderten Volkes sprechen sich namentlich auch ^darin aus, dass beim weiblichen Geschlecht der angeborene Sinn für ;ene, auf gute Situation hindeutende, einen günstigen Eindruck Jftuf den Begegnenden hinterlassende Erscheinung verloren gegangen und einer auffallenden äusseren Vernaclilässigimg Platz geuiaiht h&i, welche auch auf eine Verringerung des inneren Werthes hin-

88

III. Die Sätheit

Zurückgehfu derjenigen Verhältnisse atu Körper des weiblichen rescbleohts aufh-eten, welche ganz allgemein als die charakterisb- pben Merkmale imd Vorzüge vor dem männlichen Geschlecht be- ^.eichnet werden. Das Weib beginnt sofort durch die .somatische Vernachlässigung männliche Züge, Form und Bewegungen zu be- kommen*, dabei wird es schnell alt und abgelebt in seiner ganzen Erscheinung.

Sehr autYallende Beispiele flir diese Thatsache linden wir tu Deutschlands Gauen: In der Oberpfalz Ist das weibliche Ge- schlecht fast durchaus von gleicher Grösse mit der niänulicben Be- völkerung, und es bestätigt, .sich hier die Erfahrung, die bei allen minder, gebildeten Volksstämmen sich wiederholt, dass, wo das Weib in allen BeschUftigimgen die Gehülfin des Mannes ist, wie. stellvertretend das Weib des Mannes, so auch der Mann des Weibes* Arbeit verrichtet, auch in der äusseren Erscheinung das Weib di<' harten Züge den Mäunes annimmt, imd ebenso oft Männer gefunden werden mit hellen, weibischen Stimmen, als Weiber mit tiefem, rauhem Organe, eine Wahrnehmung, die mit seltener Meisterschaft auch in liiehls Naturgeschichte des Volkes so treffend, als aus- Itthi'lich geschildert ist. Trotzdem finden sich auf dem Laude, wiv Bremu't- Schaff er in der übe rp falz wahrnahm, die schönsten Kinderköpfe mit ausdrucksA'ollen Augen und Zügen bei der Land- bevnlkenmg. Das . i.st noch unverarbeiteter Roh.stotf. Leider, da^s die Verarbeitimg so maugelbaft ist. Das aufblühende Mäd- chen ist nur in der ersten Jugend hübsch, dann treten die Können gröber und nias.sf nhafter hen'or, und nach wenig Wiichcn- hetten hat dn^ km7. zuvor noch })lühende Weib das Aussehen einer Matrone."

Und Gleiches fand im Norden Deutschlands Goldschmidt:' „Die Schönheit und Jugondfrische der ärmeren jungen Leute im nordwestlichen Deuts e h 1 a n d ist leider meist eine kurze ; sie über- dauert die Kiud*^rjahre nicht sehr lange Zeit. Die schwere Arbeit bei noch nicht voll entwickeltem Körper nimmt zu Ificht die Fülle, die zur Schönheit nüthig ist, sie schafft frühzeitig Falten des Gesichts und Steifheit und eckige Formen des Körjier«. Oft habe ich schon eine Mutter, die mir ein Kind zeigte, für die Gros»- mutter des.Helben gehalten. In jüngeren Jahren sind die Kinder der kleineren Leute in allen Bewegungen freier und leichter. Früh aber Verliert sich die Gewandtheit und Beweglichkeit; die Steifheit eine« verfrtihten Alters vertritt beim Beginn des Munnesalters ihre SteUo. An einem gewandten, leichten Gange, an freien, nicht eckigen B^ wegungen erkennt das geübte Auge bald, da.s8 ein Mann oder cju* Frau vom Laude zu den w^ohlhabenden Leuten gehört, deren frühe Jugend frei war von zu schwerer Arbeit."

Nicht allein im äusseren Aussehen, sondern auch sl-ultung der Skelettt heile wird dah Weib imt'^r verhüUni.ssen dem mäuiUichen Geschlecht so äl

I

i^riiwi»-

^erthrflnng der vrnh\. Schönheit rniter den Völkern. 8*>

•xuelle Unterschied fast ganz verwischt. Cr. Fritsch glauht, das»

jei den iracivilisirtt-n Menschen Schulter- und Beckengürtel nicht

ihre typische Entwickelung erlangen, z. B. hei den Kuffern sei du.-

1 weder recht männlich noch recht weiblich, sondern ein

K' !, welches jedoch dem männlichen Typus naher liegt.

lehnliches scheint Rir die Australier zu gelten.

H. Die YertbeiluDg der weiblichen Schönheit unter den

Tolkern.

Wenn allerding!» das Urtheil über die Schönheit ganz relativ ist, wird doch immerhin der Europäer sagen kOnnen, ob sich die ^eiber einer bestimmten Rjisse mehr oder weniger seinem Schön- leits ideale, welche» er sich im Gefolge einer geläuterten Äesthetik gebildet hat, nähern, oder sich von ihm entternen.

Wer von uns könnte den Tvpas der mongolischen Rasse ttir ^i^hün" erklären, jene Männer und Frauen mit ihren flachen, runden, oben zu stärker entwickelten Gesichtern, ihren kleinen, gegen iase zu schief gestellten Augen, ihren schmalen, wenig gebogenen ihren hohen, vorstehenden Backenknochen, ihrer an der ^ÜTD breit aufsitzenden, an der W^urzel dach liegenden, am Ende und breit gebildeten Na.se, ihrem kxirzen Kinn, ihren grossen, Bhenden Ohren und ihrer gelblichen Gesichtsfarbe? Und docli es auch dort unter den Weibern, namentlich in .lapan, Indi- inen, die, wenngleich nicht schön, doch immerhin „hübsch" ge- werden mOssen. Die Weiber der Mongolen bekonmien. sie sich seltener der freien Luft aussetzen, eine krankhaft reiäHe Hautfarbe. Vor Allem ist aber bei dieser Kasse nament- lich durch den mangelnden oder schwachen Bartwuchs der Männer sine gewisse Aehnlichkeit zwischen den beiden Geschlechtem zn bemerken, so das» es dort, wo eine weite Kleidung getragen wird, >ft 8<'.hwer ist, Männer- und Weibergesichter aU.sogleich zu uuter- L'heiden.

Welcher Europäer konnte jemals am Neger- Typus etwas

chrmes finden? .An jfnen schwarz- oder wenigstens dankelhäutigen,

rkknoohiir»?n F ut ihren langen, schmalen, im Unterkiefer-

leil vorhtehfnd' .. .. .item, ihren wuLst^en. aufgeworfenen Lippen,

breiten. dit:kr-n Naäen, grossen, weiten Nasenlöchern, krausen

SQ, üxr«n Rtierihiilichen Nacken, ihren schwachen Waden nnd

plattai FOsKn? Allein man würde sehr irren, wenn man

hier kurz angedeutet »*n hässlichen Typus für den in den eigent-

Ni-LTr - f.üi.ii-.'Ti allgemein herrschenden halten woUte.

.>r Kenner der Neger-Völker, sagt: „Wa»

randtjrpns der N e g e r - Phvsiognomie dar-

den Negern als eine Carricatur oder im

111. Die asthetf

besteu Falle als eine Stauiinesähnlichkeit augesehen werdeu, die aber in Bezug auf Schönheit hinter der Masse der Neger stamme znrllckbliebe.'* Namentlich werden gar oft von einzelneu Beobachtern die schlanken Körper der Negerraädchen in ihrer Blnthezeit ab „reizende" Erscheinungen geschildert. Und selbst den im Alter urhässlichen Hottentotte nweibern erkennt man in ihrer Jagend leichten und zarten Körperbau, sowie Kleinheit und Zartheit der Extremitäten, der Hände und Ftisse zu. (Barrow.)

Wo ist das Vaterland der echten und reinen weiblichen Schön- heit, die keiner künstlichen NachhiiUe bedarf? Giebt e;* einen Punkt auf der Erde, welchem in dieser Hinsicht die Palme gebührt? Man hat gesagt, Afm» ein Erdstrich die besondere Auszeichnung habe, vorzüglich scbi5ne Frauen zu erzeugen, und daas es sich nur darum handle, zu entscheiden, welches dieser Zone angehörende hand in der ConcuiTenz Sieger bleibe. Zu diesem Erdstriche werden Persien, die Itenachbarten Gegenden des Kaukasus, insbesondere Circassien und Ueorgien, die europäische Türkei, Italien,, das nördliche Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Polen, Dänemark, Schweden und ein Theil Norwegens und Russlands gerechnet. Allein Jederraimn weiss, dass in sehr vielen der hier genannten Länder die weibliche Schönheit im Allgemeinen doch nur innerhalb der nationalen Grenzen ein bescheidenes Maass hält, und das.s überall der Grad der Vollendung und der Annäherung an das Ideal auf einer recht besclieidenen Höhe stehen bleibt, wenn mau geuöthigt ist, erst eine Auslese im Volke zu veranstalten und dann zu berechnen, wie viel oder wie wenig Procent -Theile den nicht allzu scharten Geschmacks-Ansprüchen genügen.

Wir keimen in dieser Hinsicht sehr verschiedene Urtheile, welche mehr oder weniger induviduell getarbt sind; mir scheinen nur solche von. anerkannten Ae.sthetikern be^ichtensweiih. In Rom und im römischen Gebiete, im Allgemeinen ui den Gegenden. welche Winrkuhtmnn die nchöiien Provinzen Italiens nennt, ist, wie er sagt, die hohe vollendete SthiVnheit gewissermaaasen beimi.sch und ein Erzeugnis« des sanften Himmels. Es finden sich in diesen Ländern, wie Winrkelmann hervorhebt, wenig halb entworfene, unbestimmte und unbedeutende Züge des Gesichts, wie häufig jen- seits der A 1 p e n , sondern sie sind theils erhaben, theils geistreich, und die Form des Gesichts ist meist gross und voll, die Theile desselben in grösster Uebereinstimmung unter einander. r>ieäer enthusiastische Freund der Kunst setzt hinzu: Diese vorzügliche Bildung ist so augenscheinlich, dass der Kopf des geringsten iMaunes unter dem Pöbel in dem erhabensten historischen Gemälde kümite angebracht werden, und unter den Weibern dicHes Standes würde es nicht schwer sein, auch an den geringsten Orten ein RilJ tu einer Jmw zu Hndeu.

Man kann eben in Sachen des Gescht" -^ - '"•• ^t'

der Frauen - Schönheit eines Volkes nder ^

14. Die Vertheilung der weibl. Schönheit unter den Völkern. 91

gichtig genug sein. Eine wohlthuende Zurückhaltung in dieser Hinsicht finde ich beispielsweise in einer alten Reisebeschreibung, deren Autor Baader von unseren Landsmänninnen in Schwaben schreibt: „Die Ulm er Frauenzimmer werden von vielen Kennern dieses Geschlechts worunter ich mich von Amtswegen nicht zählen darf ftlr die schönsten in Schwaben gehalten." Wir selbst mochten uns auch nicht ,von Amts wegen * zu den Kennern rechnen; namentlich würden wir leicht Gefahr laufen, die deutschen Frauen als beste Repräsentantinnen unseres Schönheits-Ideals auf- zustellen. Deshalb geben wir in der folgenden Zusammenstellung ethnologischer Abschätzung der Frauenschönheit eine Reihe von Axissprttchen, die von fein abw^enden Beobachtern herrühren.

Europäerinnen.

Von fast allen, welche Italien bereisten, werden di* körperlichen Vor- zfige der Italienerin anerkannt, zum Theil auch gerühmt, namentlich ihre dunkeln Augen, und die plastischen Formen der Römerin. Freilich hat eine kühlere Betrachtung stets den Enthusiasmus auf ein geringeres Maass zurückgeführt. „Der Zauber, welcher jede neue Erscheinung und Situation begleitet, ist der Grund all' der Illusionen, welche durch Reise-Phantasien und Bilder über italienische Frauen verbreitet werden, über welche aber Jeder, der längere Zeit in Italien lebte, die Achseln zuckt, wenn er sich auch selten aufgelegt fühlt, solchen Illusionen entgegenzutreten, die mit jedem neuen Maler, Dichter und ästhetischen Stylisten von Neuem erzeugt werden, und sich ebenso wenig zerstören lassen, wie Fata raorgana in der Wüste oder Nebel und Dunst auf der Haide." Diese Meinungoäusserung des vielleicht allzu scharf urtheilenden Bogumil Goltz bezieht sich allerdings vorzugsweise auf das geistige Leben der italienischsn Frauen, doch trift't zum Theil sein Wort auch den Ruhm der körperlichen Schönheit; und die zahlreichen Maler und Bildhauer, welche nach Italien, als höchster Kunst- stätte, wallfahrteten, fanden dort für ihre Studien weibliche Modelle, deren vielfach wiederholte Darstellung jedenfalls dazu beitrug, das» sich die gün- stigste Meinung über die Reize der italienischen Frauenwelt überallhin verbreitete. Allein auch in diesem Lande sind uianchc Gegenden fruchtbarer an weiblicher Schönheit, als andere. Schon vor mehr als hundert Jahren äusserte in dieser Beziehung Vollniann: „Es giebt wenig schöne Frauen- zimmer in Rom, zumal unter Vornehmen, in Venedig und Neapel sind sie häufiger. Die Italiener sagen es selbst im Sprichwort, dass die Röme- rinnen nicht schön sind."

Auf Sicilien fand ich autlallend wenig hübsche Gesichter und Ge- stalten bei Weibern, während viele Männer ein schöneres Aeussere zeigten. Das Wort Hehn's: „Hier krümmt sich der Mensch nicht unter der Peit- sche der Noth, die im nordischen Winter einen Theil der Bevölkerung hässlich und blöde macht," kann sich meiner Ansicht nach in Süditalien nur auf den männlichen Theil der Bevölkerung beziehen, denn diesem fehlt nicht nur die Belastung mit Fabrikarl»eit und er theilt seine Zeit ein in ein wenig Arbeit (noch dazu in freier Luft) und in Faulenzen, sondern er bürdet die Lasten in erstaunlicher Weise theils dem Rücken des Esels, theils dem Kopfe des Weibes auf. Diese letzteren haben vielleicht auch in der Schön- heit der Formen durch zweierlei Umstände gelitten, indem bei der gewaltigen

Mifchun^ der Raufen auf Hicilien (Öikuler, Oriechou, Römer, nianen, SaraKenen. Normannen u, a. w.) die einzelnen dieser nicht eben ihre hcssercii Ei(;ensclmften auf die Generation Qbertrugcn, Diul] indem zweitens dem weiblichen Ge^jchlecht eine Stellung zugewiesen wan]e,| weklie vielmehr eine Verküniinerung, als eine Veredelung und Entwickelan^-J der weiblichen Schönheit Hinderte.

Die Spanierinnen gemessen einen nicht geringen Ruf bezüglich Hirer Äusseren Erscheinunff. Hierzu n)ag wohl unter Anderem die Mischung de«, Blutes etwas beitragen, indem die keltisch-iberischen Ureinwohner eineni Theil von römitichen, dann aber auch von maurischen Elementen in rieh aufnahmen; und der fruchtbare Boden der iberischen Halbinsel förderte ge-j wiH.s auch die eigenthümlicbe Anmuth des weiblichen Körpers. ,Dai) Aeusserej

^eiaer Spanierin." sagt Bogumil Goltz. ,ist der Ausdruck ihret* Charakters, w schöner Wuchs, ihr majestätischer <Jang, ihre sonore Stimme, ihr

rÄchwarze-i, feuriges .^uge, die Heftigkeit ihrer Gestikulationen, kurz der Aus- druck ihrer ganzen Persönlichkeit kündigt den Charakter an. Ihro Reiza] entwickeln sieh frQh. um zeitig xu veru'elken. wossu das Klima, die hitzigen I Nahrungsmitt«! und der tiinnliche Genuas beitragen. Eine Spanierin Tonl vierzig Jahren scheint noch einmal «o alt, und ihre ganze Figur zeugt vou[ üebersättigung und beschleunigtem Alter," Von den Reizen einer Grana- derin. noch mehr aber einer Sevillanerin spricht auch Schirnger- ffld mit viel Knlliu,«iasm«s. Und der Italiener de Amicis sagt. .Ich glaubefl in keinem Lande giebt es eine Frau, welche passender als die Andalusierinl erscheint, um die Männer auf den Gedanken einer EntfOhrung zu bringen. Und dies nicht allein, weil sie die Leidenschalt, den Ursprung aller Thor- hciten, erweckt, sondern auch, weil sie aussieht, als sei sie zum Fangen ondj Verstecken gemacht; sie ist so klein, leicht, rundlich, elastisch, biogsanu Ihre beiden Füeschen könnte Jeder in die Tasche seines Ueberrockes stecken und nie selbst, mit einer Hand um die Taille «pfefasst, wie eine Puppe auf- heben. Es würde genügen, den Finger auf ihren Kopf zu drücken, um sie wie ein Rohr zu knicken. Mit ihrer natürlichen Schönheit verbindet sie die Kunst zu gehen und Blicke zu werfen, die einen unschuldigen Beobachtet, verrückt macheu könnten." Aehnlich lautet das Urtheil von Obersteit fiber die vielberühmten Reize der Andalusie rinnen: ,Die Verhältnisszahll der schönen Frauen und Mädchen ist vielleicht in Sevilla nicht viel gtnstif als in anderen, von der Natur nicht gerade stiefmütterlich bedachten Stftdten] aber daas es hier einzelne so hervorragende Schönheiten giebt, wie sie ii dieser Weise anderswo kaum zu finden sein dürften, unterliegt keioe Zweifel. Insonderheit die Augen und das gilt ziemlich allgemein sind hier von einer Gluth und einer Tiefe, doss sie durch diese Eigenschaft alleii die Andalusierin verrathen. Ihren Teint wissen die Damen in ut»?rk« würdiger Weise zu erhalten, trotzdem man ausser dem Fächer weder Hu| noch Sonnenschirm als Schutzmittel gegen die brennende Sonne bei ihnei sieht, ja es ist anzunehmen, dass diese blendende Weisse der Haut oft aal RecSnung künstlicher Mittel zu setzen sei. ZSiilt man nun zu alleden noch die so kleidbame Tracht der Mantilla, die grellfarbig»' BUmi«' lo sehr üppigen dunkeln Haar, die auffallende Kleinheit derU'"'^" "•"' ^t die lebendige Grazie des Gungcw und das ausdrucksvolle

fehlenden f^cher, so ist es kein Wurr^"' '" *■•■

Schönheit der Andal usierinnen gar setzt dieser Autor in patrioti ' unsere deutscheu Mridcheii

BehOnhdt nnter

93

Die Portngieain imterHcheidet sich wesentlicb von der Spanierin.

i«t weniger mobil und lebensfreudig, weniger aufgeweckt und von Lust

Bseeli, ganz und gur im ötfentlichen Leben aufzugehen. Sie ist weniger

nlich, altt die Spanierin: sie verbleibt gern iiu Hause und sohaut, gelang-

»ili aus den Fenstern auf die StrasKi? hinab. Einen (legens^atz %u die^eui

rauenleben «elbi^t in den grßs&ten Provin/ialäLädien Lu^itaniens bildet die

schoinung (h:i Re»idpn7.bt'wohnerin, die .^itolr-e Schöne den .«tolzen Liäflabon.

ledenfalia sind die Frauen Lissiibons die schönsten des t.andes zwischen

liuho und Algarvc. Der Schinuner des Vergehens and Verblühens, der

streift, giebt ihnen einen Reiz, der viel Aebnlichkeit mit dem hat, den

Pd verblassendes Kunstwerk, ein durch die Jahrt»u.sende verwitterter Pracht-

imurk einflösst." {Sdurritja'- Lerchen feld.J

Die Merkmale der Schönheit sind auch in Griechenland nicht gleich-

verthcilL ,Der Anblick einer schönen Frau," sagt Ailolf liötticbtr,

%u Inneren Griechenlands efcwiiä so au.saerordentlich Seltenes, daas

jedesmal iibernischcnd wirkt. Die Frau wird sehr früh reif und ist oft

»o dreizehn bia \'ierzehn Jahren bereit» Mntter. Sie ndhrt ihr Kind bis in

fünfte und aechgte Jahr; daher oft mehrere gleichzeitig. Aber die Fi-uu

dabei schnell, und die harte Arbeit auf dem Felde und am Webstuhle

abt ihren Zügen etwas Herbes, ihre Formen werden grob und eckig, der

jg ächlejipend, was gegen die elastische, königliche Haltung der Männer

ich der niedrigwlen Klasse auttallend absticht. Wer die Frauen G riech en-

knda nur nach dem Aufenthalte in Athen beurtheilen wollte, wilnle s^ehr

gehen. Dort freilich, nm Sti-ande des Phaleron, lustwandelt um die

ilere Abeiid7.eit na<'h dem erfrischenden Wellenbad eine reiche Scbaar

lOner Fraucngestalten. Hört man hier die Nauien Penelojje, Helena, A»-

rufen, »o wird mau niciit enttüuscht. wenn man nach dem Antlitz.

Trftf^ennnen solcher Namen forscht. Gleichen nie mit dem dunkel um-

khtnt«>u. feinen Oval des Gesichts, der leicht gebogenen Niuse, den vollen

und grossen, glänzenden Augen auch nicht dem utti.schen ßildhuner-

tderklassJBchen Zeit, so dfirften sie sich doch italienischen Schönheiten

nu die Seite ntelleu und haben vor diesen den Vorzug der Haltung

die Wohlgeformtheit des Fuaoes voraus, eines Fussea, den ich weis»

L'ebenit«tÄung die Franxosen un pied bien cami»r^ nennen. Aber

^iwn Daineu gehören der einem behaglichen Nichtutliun lebenden Geld- und

»bart^anätokratie an, oder der hier nur splrlich vertretenen Klasse der

ilien auf dem Felde, ih(y nicht s&en, noch ernten, und die der Vater im

limrael doch kleidet und nährt, meist von den Inseln oder aus KleinaHion

lingewanderten Schönheiten, die in der Hauptstadt ihr Glück zu machon

it«!n nnd ein klägliches Knde in den Matrosenkntüpen am Peiraieu»

tu, auf denen in weithin sichtbaren Lettern die Inschrift ^Sifitoil-a

tfhrixUtes' pranfft."

Von d»'U Knmen der Neugriecben sagte schon ßar(tu)Mij: «Sie haben

ilich nchöne, aber früh welkende Busen und werden früh beleibt j

taltt Beiz« biett-t die Grazie und edle Bewegung des Halses in'bst der

Jtuflg. Die Frauen in Athen stehen seit alter Zeit hinter allen anderen

•"" t hinter den dortigen Albaneserinnen zurück.* Von den

••«undesten Gegenden wohnenden Griechinnen äusaerte

"»"■n schöne Statur und Haltung; offene Physiognomie, sehr

>: U9 tragen den Kopf hoch, den Körper gerade und mehr

ri.i/ t. sie haben noble, dabei leichte Haltung und

I. im Allg'^nieinen »une t.aille noble et aiafee, «n

M

jiort miijesteux', »ehr schöne Züjfe voll Würde, aber ohne kalten Km«t, vielmehr mit l(*bhaftem und geistvollem Aufdruck. Sonnini fand in Kreta, wo freilich die Christen von ihren tiirkisirten Ltuidsleuteu unterdrückt werden, die Weiber wenn auch mit Ausnahmen weniger schön, als andercwo die Griechinnen; dagegen rühmte tSonnini im Allgemeinen die >SchOnbint <ler Frauen im Archipelagus: auf Tino^ u. s. w., auch St. Saurrur nennt die Frauen auf Leukadia nieisl schön.

Die Spurt line rinnen fand PotupieviUe blauängig, hager, doch ->chön und edel gebaut, die Messenierinnen klein, mit regelmässigen tJesichts- xvgeu, groHHen, blauen Augen, langem, schwarzum Haar. In Ohio« fand dt Armicts ,, robuste" Frauen. CDiefenbach^J

Die albanesiachen Frauen verfügen selten über äunnere Vorcfige. In den Gebirgsdiätricten «ind sie grobkuochig gebaut und die Gesichtrr weisen harte, männliche Züge auf. In Süd- Albanien gelangt dergriechi>>chi> Typus hin und wieder zum Durchbrach, doch sind auch hier die Frau*-!» fast durchweg unschön. (Schii-eiger-Lrrdienfeld.)

Die Albaneaerinnen, sogenannte Olementiuerinnen . weldie in «inen Theil Sirmiens (im kroatischen Crrenzlande) eingewandert «ind, haben meist schön geschnittene Gesichtszüge und mandelförmig geschlitxte, dunkle Augen, «ind «chlank und geschmeidig, ihr Gang ist »chön. CKram- berger.)

Die Multeserinnen sind keine Italienerinnen und erinnern anili nicht äehr stark an die Griechinnen-, isie haben etwas udel urabioche« mit ihren ovalen Gesichtern, der nach unten zu herabgebogenen, acharfge- achnitteuen Nase und ihren gluthvolltn, aber verschleierten .\ugen. Von Gestalt sind sie gross und schlank, ihre (Jesichtsfarbe ist dunkel.

Die Rumäninnen aller Stände findet Fianzos hübsch, von flppi(j ütolzeni, doch schlankem und »chmirgljareni Wüchse; Farbe braun; Aiigea und Haar uclnvarz. Nach Kiiniti haben die Kumäninuen in 8erbi«i weichere und rundere Formen, als die Serbinnen, schlanken, elaktixchen Bau 8chöne, unmutbige (te^^ta^lt und Bewegung; Augen feurig, ineiat dimkelj Wimpern lang. Brauen dicht, Beine rund, Füsüe schmal und klein i Kopl Gedieht, Nabe, Mund mahnen an antike Statuen.

Die Bulgarinnen bind nach Kanitz nicht selten ächön, haben tief4J Farbe, frische» Aussehen, doch welken sie früh, (^uin sah schöne Bulga- rinnen mit dunkeln Augen und Haaren.

£ine recht günstige Meinung erhalten wir von den Serbin neu darcl die Mittheilung Fvatn iStJ^rcr'«, welcher schreibt: .J^OM in Serbien^ einem von Natur »o sehr bevorzugten Lande, auch «chöne Frauen zu g«»q dcihen vermögen, wird wohl kaum Jemand bezweifeln. Besonders in Städten Serbiens begegnet man oft i^ehr edlen Frauenge»talten; man «ieb^ darunter Gesichter vom feinntcn Schnitt und oft wahrhaft fll)«?rr.tiich«>ndj Schönheit. Ein lebhafte» dunkles Auge nnd ein eben solches Hnar, ein «uf fallend blasser und dabei doch etwaig südlich schimmernder Teint, nanfl an gehaucht von dem annnithigen Roth der Wangen, geben solch eiii< m Cr-nicht^ etwas ungemein Vornehmes; denkt man sich noch dazu die ta' solch einer Schönheit ringsumfloi<sen von dem nich an die edKi: . Körpers in geschmeidigen Linien höchHt vortheilhaft anscbliesfeendva NaUanal costQm, und mau hat ein prächtiges Bild."

Denjenigen Serbinnen, welch» an .tnnten

grenze wohnen, und wcl' ' ' '^ '

Banate wohnenden Sei

14. DJ? Vertheünng der weibl. BchOnbeit unter den Völkern. 95

tiajactich eine eingehende Betracbtiing. Sie haben einen stärkeren Kürper- bau, ToUei^n Bueen, starke Hinterbacken und Wuden, eine entwickeltere [uakulatur. sie isind auch etwas breitschultrijaper mit Ausnahme einiger (■»> ;n der Bacska und des Eikindaer Distriotü. Ferner haben sie einen keren Haarwuchs, viel stärkere und dichtere Augenbrauen als die Be- vjtfcerung dieser unabsehbaren Ebenen. Im Allgemeinen bat die Physio- gnomie der Serbin eine .\ehnlichkeit mit dem griechischen Typus, indem »ich die griechische Bevölkerung der Balkan-Halbinsel mit den Südslaven liüchte. Rajacsich setzt hinzu: „Wenn auch die Serbin an der üreuKt- von Croatien und Slavonien dunklere und geheimnissvollere Augen hat, ^ibr Blick der Liebe unzugänglich scheint, so liegt in dem sanfteren Äuge ler verführerischen Banaterin eine bezaubernde Schönheit und eine grosse *oej>ie, die eine magische Kratl auf jeden Mann ausüben uiuss. Obwohl |ch längere Zeit unter dem schünen italienischen Volke lebte und so Dches reizende und verführerische Auge sah, konnte ich mich nicht der testen Gefühle erwehren, wenn ich den eleganten, «chlanken Wuchs der eben, besonders aber jener im Tschaikisten- Bataillon, ihre schön iten Nasen, ihren lieblichen, kleinen, wonnelä<helnden und Haussen röiid und bezaubernde Schönheiten in so grosser Menge sah."

Die Weiber in Montenegro, obwohl in der ersten Jugendblüthe recht inmulhig, erscheinen doch, wie ßernhurd Schicaiz versichert, sehr bnld schon rtrrfallt-'u, bartkuochig, eckig und runzelig, sind auch im Allgeuicinen von viel tleinerer Figur, als die Männer. Es hängt dies, wie Schwan sagt, zum nicht {eringen Thcile mit dem ihnen beschiedenen Leben zusumuien. Die Fruu rertritt hier das Lasttbier; miin sieht sie oft tief gebückt mit Lasten von ineiu Centner und mehr einherwandeln, und während der Eückeu so l>e- 1a£t«t ist, handhaben die schwieligen Hände auch noch den Strickstrumjif. Während bei den SUdslaven zumeist der Typus der äusseren Kr- cheinung des Mannes schöner ist, als der des Weiber, bilden nur die Kroaten eine Ausnahme; bei letzteren ist das Weib i>chOuer, als der [in. Ein genauer Kenner dieser Volker sagt: „Steigert sich die äussere Erscheinung des Weibes namentlich in Slavonien zur reizvollen Schönheit, ist dob Fruuenguschlecht in der steinigen Cernagora (in den Felsen- Gebirgen Montenegros) hager, reizlos, von düsterem Wesen, ohne Heiter- keit, ein trauriger Ausdruck seines ganzen unglücklichen Daseins." fAtts- ind 1888.)

Von den Türkinnen, insbesondere den Frauen der Osmanen, reiche woniger als die in Konstantinopel meist eingeführten Frauen lurch MiNchung entartet sind und auf dem Laude in der europäischen uad vorderasiatischen Türkei wohnen, heisst es, dass sie im Allge- jineinen unschön «>ind mit Ausnahme des Haares und der gewöhnlich dunklen, e\\^u blauen Augen; sie haben gerade, ziemlich gi-osse Nase, Ubergrosseu lund / DiiLutkalitt 18T7>. Nach anderer Angabe sind sie nie schön, vielmehr iit Züge unregelmätsig ; der Kopf nicht edel-oval; gewöhnlich die Augeu- kterue gross und dunkel mit bläulich-weisser Umrandung, die Lider schwer. Sie Brauen und Wimpern voll und dicht; das Uaar schwarz oder braun, '' Nuse und Mund meist gross, die FUsse selten schön; dagegen

tt* lieblich, dir Stirn inauohuial von freiem Umriss. De Amicit *'iidt.il diu Türkinnen iu Koustantinopel , abgesehen von den be- iden Abweiclüiiiv'i'u durch Blutmischung, durchschnittlich meist fett, s'.hr weinB. aber gewöhnlich geschminkt; Augen tnd «anfV; orale Uesicbtefurm . kleine Nrifte, ein

III. Die ästbetiseB^Tälf^mng dea Weibee.

wenig starke Lippen, randes Kiuu, der schöne Hai« lang und bewe^Hch; Hände klein.

Was nun aber die Magyaren betrifft, welche viele xn den FiBB*li,| Vaaiberif über zu den Turko-Tataren rechnen, so ist es bekannt, daM «ie im Jahre 1882 eine Concurrenz und Preisbewerbung für die «chJinBten FnuMO ihres Landes ausächrieben, und dass das Resultat itir die tuagyarisehe Nation insofeni zieuilicb klJLgüch ausfiel, als sich an den Photugraphien der 1 Preisgekrönten für das geübte Auge des Ethnologen »ofort die Tbatauche herausatelite, dass hier nicht von einem schönen magyarischen Typue, son- dern lediglich von Repräsentantinnen der verschiedenen Nationülititten die Rede sein kann, welche in merkwürdiger Mischung die Bevölkerung des Königi'eichs Ungarn zasamtnenRetzen. Die magyarischen Müdchen und Frauen nennt ein vielleicht allzu sehr schwärmender Mann „Erscheinungen von pikantem Reize, Musterbilder von körperlicher und seelischer Gesundheit' Die Polin zählt man gewöhnlich unter die europäischen SchÖnheita- Ideale. Ein Mann, der in solchen Angelegenheiten wohl eine gewisse .Auto- ritüt beaniiprucht und wenigstens möglichst zuverlSasigen Autoritäten folgt, Sdureiffer-Lerchenfeid, vergleicht die Polinnen besonders su ihrem Vortheii mit den Russinnen: „Ihre Erscheinung besitzt in der That ctwai« Blendendes, namentlich durch den ruhigen, fast klassischen Schnitt der riosichtszfiga Sie ist viel graziöser als die Russin, und ihre Eleganz verräth jedenfalls mehr Geschmack, ak wir bei dieser wahrzunehmen in der L&g^ sind. Dabei ist sie durchschnittlich vitd zarter gebaut, der Teint ist durchsichtiger und feiner, das dunkle Auge verräth grosse Lebhaftigkeit, ohne jenen sinnlichen (Schmelz zu besitzen, der beispielsweise an dell blauen Augensternen der Nord-Russin haftet. Alles in Allem repräseutirt sich die polnische Dame alj ein Bild von hervorragender Rassenschönheit, zu der »ich eine nat&r- liehe Anmuth gesellt, die man sonst nur bei romanischen Frauen aoiu- treffen pßegt."

Die Polinnen nannte Boijumil Goltz die „Spanierinnen des Nor^ dens": „sie haben dunkle, schön bewimperte, schmachtende, liebetrunkenc, feucht verklärte Augen, welche tie in italienische, arabische und alle ande- ren Augen umzuwandeln vermögen, und mit denen sie eben so leicht Y/tnVio Bem'a Magdalenen porträtiren können, als rachescbnaabende Megftren, ala Aspasien, Heloisen und Chlorindeu." Auch gehört nach Gnltt xu ihren origin ollston und hinreissenden Schönheiten: ein weicher, schmiegsamer uod biegsamer Wuch», von jener mittleren Grösse und Constitution, welche die Eleganz dictirt; ein Wuchs, der durch keinen Schnürleib veratejft Und ver- stärkt wird, vielmehr in der Bekleidung köstlicher Seiden-Roben eine Taille von reizender Feinheit bildet, au welcher die leiseste Bewegung eine leben- geschwellte und gruziöse werden musä. „Denkt man !<ich," »o fUhrt Oolts fort, „zu diesen Liebes -Wiktlen einer polnischen ijva noch eine zierliche, weisse, weiche, selbst bei Ilaus^frauen noch im spiUeren Alter durch Hund- schuhe und durch Nichtsthun conservirte Hand, einen kleinen, srhrnulen. hochgestfilltön Fuss. eine bervorspringcndo Hacke, so kann man - 'i-n,

wie die so schon Icbhiiftcn polnisThcn Mtlnncr sich 7n eirif*r 1; fit.

SQ einer Lcidfnsohivftlicbkeit i'i- ^nj

anderen t.nndc ids in Spnniei Im

h;'' ' (ji>H: hier nur die vom«'hmen. u

gcL ' Polinnen im Auiro: vi>n Ac\t

T^trvtcrinneo diecos Volk«« -i

14. Di«9 Vertheüung der weibl. Schönheit unt«r den Vßllcern.

r

^f ,J.ix Sachen raisiBcher FraaeD8cb0i)li(?it, so berichtet Schwtiger-

Lrr chenfcld, geben die Ansichten erheblich auseinander. Es kommt viel

darauf an, ob man dieselben an dem Typus einer GroHs-Rnssin oder an

dem einer Klein-RusBin, oder vollends an dem einer in das Raffinement

der Toilette und Selbstverschönerung eingeweihten Dame der vornehmen

ßesellschaft festhKlt. Die Klein-Russin. dem Temperament nach viel

^—lebhafter und feuriger als ihre nördliche Schwester, trägt auch äusserlicb

^HSie Merkmale einer mehr südlichen Rasse. Sie ist gross, schlank, bat dunkle

^Hiisdruckovolle Augen und schwarze Haare, welche kokett durch ein finger-

^^reites Band emporgebatten werden. Die Formen dea Körpers sind von so

^*Uristokrati8cher Feinheit und Zierlichkeit, daas man unwillkOrlich an das

polni sehe Blut erinnctt wird. ^Die Gross-Roastn ist, obwohl kleiner von

Gestalt, viel derbknochiger, als ihre sfldlicbe Stammverwandte, und ihre

KOrperformeu besitzen die ausgesprochene Neigung lu Qberm&ssigcr Abrun-

ung. Das Auge ist hell und besitzt einen freundlichen Ausdruck; eine sorg-

se Munterkeit ohne Schwärmerei spricht aus ihm, aber man vermisst auch

ie varme Entpfindung und vollends die schwüle Leidenschnft, die mitunter

ie Seele der Süd-Russin durchwühlt. Neben den blauen Augen gemahnt

,nch Doch das lichte, meist aschblonde Haar an die nördlichen Heimtiitze,

enen die Gross- Russin angehört. „Im Großen und Ganzen," so schlieast

'chictiger-Lrrchfnfeld, ,, macht auch «ie keinen unvortheilhaften Eindruck,

il! man von dem etwas breitknochigen, nicht sehr fein modellirten Ge-

chte absehen."

Im Gouvernement Kostroma, ziemlich im Norden des Zarenreichs,

an der Wolga, benachbart Nischnei^Nowgorod gelegen, ist der Mt-uschen-

tjpus echt ruBBisch, doch sind die Gesichtszüge hier weniger stumpf und bei

d«n Frauen oft orientalisch scharf und länglich: die gebogene Nase, der

ih«, fein geschnittene Mund, die dunklen, melancholischen Augen mit den

arkcn Brauen, die nicht hohe, glatte, breite Stirn und die brünette Haut-

rbe weisen auf den Orient hin.

,Was die Frauen anbelangt, so begegnet man namentlich in den zwei

tzt<>rwäbnten Fractioncn der Krim-Tat uren ( Gebirgs-Tataren und

jttorale Tataren) nicht selten vollkommenen Idealen der Frauenschönbeit,

die« auch in der europäischen Türkei der Fall itt, nur dass sie hier

,e dort in Folge des ^Ohen Heirathens und wegen der anstrengenden

rbcit. der sie unterworfen sind, recht früh altem und verwelkten Matronen

nlich sehen." fVamberifj

Von diesem tatarischen Volke wenden wir uns zu den Finnen

uropMB- Die Lappen- Frauen nannte W/<im« ^/fi.'/nwj» hübsch, ihre Geeicbte-

larbe aus Weiss und Roth gemischt; Ueymxrd lim 17. .Inhrh.) «agt: Ihr Haar

i m«i«t roih, wird selten grau im Alter. Die Woibcr der Esthen haben

eit lebendigere und schönere Gesicbtaxilge als ihre Mllnner; auch nach

mehr gelberes Haar, als diese, nie schwarze«.

Unter den Schwedinnen scheinen die Dal.-karlieriunen den Preis er Schönheit am meisten bu verdienen. Iht ChaiUu, der vielgi^reiste Ameri- auor. sagt von ihnen; „Auch unter den Frauen trifft man »ahlreicbe . Erscheinungen, und viele der jungcu Mädchen besitieeii jene eigen- : Onft schwedische Gesichtsfurbo. welche an Frische. Reinheit nnd «Klitigkeit in keinem anderen Lande ihresgleichen findet, iu aller- ter Volikommcnhfit. Einr in Milch schwimmende Apfelblnthf die« der viii/igo Vtr>.'lti( h, den ich für die »arte Kosentarbe »hrer WÄngtm xtt ban vprina^. iJje :S.bwed innen allein dürfen sich rühmen, jvnen wunder^ IM«*a, Dm Walt», t. 3. Aati

96

TU. IKe Sstheüscbe AuiT&sBung des Weibee.

baren Kosenschitomer zn besitzen, der wie ein inatter Anhauch leise tind all- Tn&hlicb in clac entzückende Weiss der Haut übergeht und ihnen einen so eigenartig wirkenden Reiz verleiht. Vereinigen sich nun wie bei den Mädchen von Orsa, einer Pfarrei in Dalekarlien mit so tadelloBem Teint tiefblaue Augen, kirschrothe Lippen, HchSne, durch das Kaaen des K&da (Fichtenhan;) blendendweiax erhaltene Zühne und blonde», seidenweiches Haar, so stellt sich uns ein Bild weiblicher BchQnheit dar, wie man es in ttolcher Vollendung unter keinem anderen Himmelsstriche antrifft."

Nicht überall in Schweden Hndet man no vorzügliche weibliche Reize. Derselbe Reisende traf in dem 12 15 Meilen entfernt von Orsa liegenden Elfdal keine einzige hübsche Fran-, die vorstehenden Backenknochen, wie die platte aufgestülpte Nase lassen hier die halblappische Abstammung er- kennen, wie denn auch hier die meisten Frauen kurzen gedrungenen Körper- bau zeigen.

Dagegen üussert der gleiche Autor über die Mädchen und Weiber der Provinz Piekinge: „Was der Ruf von der Schönheit der Frauen sagt, fand ich im vollsten Maiisse bestätigt; meine Ankunft erfolgte zur Zeit der flea- emte, und in emsiger Geschäftigkeit sah ich die herrlichen Gestalten sich aof den Wiesen umherbewegen; das Wetter war wai-m, und so tragen die meisten ausser dem Hemde, welches eine Schürze um die Taille festhielt, keine weitere Bekleidang; den Kopf hatten sie malerisch mit einem rothea Tuche umwunden, und obgleich das Gesicht vollkommen unbeschützt den glühenden SonnenstrahI«?n ausgesetzt war, so zeigten doch die meisten Frauen und Mädchen jene blendende Weisse und Zartheit der Gesichtsfarbe, wie sie eben nur schwedischen Schönen eigen zu sein pflegt."

Die typische Frauenschöne ist nach J{/tnke^ in Oberbayern leicht ge- bräunt mit dunklem, manchmal schwarzem Haar und das braune Auge leuchtet von LebeuHkraft und Lebensmuth, welche sich ebenso in jeder Be- wegung de» schlanken, aber tuuekel kräftigen Körpers aussprechen. Auch lichte blaue Augen kennen hier einen mädcheuhaft-schmachlendon At druck nicht.

Asiatinnen.

Jene nordischen, der mongolischen Ra«ae angehörenden Völker, di« Ostjaken, Samojeden, Korjaken und Karatschadalen, die zumeist in Sibirien wohnen und oft als „Turanier" bezeichnet werden, gehören rii einer, mich unseren Begriffen höchst unschönen Völkergruppe, und int- besondere gelten bei den meisten Reisenden ihre Weiber fast durchgängig für hfiaslich. Man schrieb von diesen Frauen: „Aller weiblichen .\nmutb be- raubt, unt.er8cheiden sie sich von den Männern bloss durch die Verschieden- heit der GoBchleohtstheile; sie sind denselben so sehr ähnlich, dass man beide Geschlechter auf den ersten Blick nicht leicht unterscheiden kann, ihre Haut hat gemeiniglich eine Olivenfarbe; sie, sind von Statur zumeist klein." Und doch durfte man eine junge Samojedin, welche sich im Jahre 1882 in Leipzig und anderen Städten dem Publikum zeigte, nichtecen als „hiUv lieh", wenn auch nicht als schön bezeichnen.

Die Männer der Txchuktschen haben, wie *\ NordfuJikiiHd fs^n<\, «ine braune Haut, während die Haut bei den jungen TBchnkt*^' h en -Weiberu nahezu ebenso weiss und roth, wie bei don Eurn|irtern ist. Die jün| Weiber machen, wie derselbe Reisende ■»»•jt, oft den Eindruck du- muthigen, vorausgesetzt, dass mau es ' :)es widfldio

drucks zu erwehren, den der Schmutz u i

14. Die VerthelloD^ae^feu

Die Weiber der Bot.jaken lanJeD Gmelin und l'alias klein, nicht httbsch; auch die Mordwinen haben nach Palhts nur selten schOne Frauen. Das Gesiebt der Kalmückinnen sieht nicht unangenehm aaa. Dass et auch anter ihnen sogar ächönbeiten in ihrer Art giebt, bezeugt Kalltnann, welcher unter einer in Bai^el vorgezeigten Kalmücken-Horde die Frau ÄMica, Mutter von drei Kindern, als solche bezeichnet, indem er von ihr sogt: „Hijher gt^wachsen als alle anderen, schlank und doch kräftig, Hilnde klein, feine Knochen; die Nase ist fein, leicht gekrümmt, der Kflckea beschreibt eine schön geschwungene Linie, ächon dadurch verliert das breite Gesicht »eine platte Oede: Augenspalte weit offen, die Plica marginalia »ehr schwach, so dass der innere Augenwinkel frei ist. Augenwimpern lang, Lider dünn im Gegensatz zu ihren Genossinnen und den Samo jedenfrauen. Die Gesichtsbildung erinnert au die mancher Männer und Frauen aus Sädungarn."

Ueber die Takuten, die sich selbst Socha oder Zacha nennen und ein in Nordsibirien isolirt wohnendes türkischex Volk sind, berichtet Ermann: .^bre oft schön gebauten Frauen haben regelmässige Zage, feurige schwarze Aagen, lebhaftes und fröhliches Wesen, sie welken aber früh."

„Was die Physiognomie der Frauen von den westlichen der sibiri- acben Türken [Tataren] anbelangt, ao zeichnet Rieh dieselbe durch Regelmilssigkeit, mitunter durch .\nmuth aus; ihre Gesichtsfarbe ist be> deutend weisser als die ihrer Milnner, nie haben ganz dunkle und lange Haare, ihre Körperforuien sind gerundet und weich, die Endtheile ziemlich proportionirt; die .Schultern sind bisweilen rückwärts geworfen, der Bauch hingegen nach vorwärts gestreckt. Sehr beeinträchtigend wirkt auf die äussere Er«cheinung der Tataren das bisweilen allzu starke Hervortreten der Backenknochen und das häufige Auftreten der Augensuhmerzen, denen sie infolge des Wohnena in raucherfOlltCQ Räumlichkeiten ausgesetzt sind. Diä Frauen, namentlich wenn sie das dreissigste Jahr über.«chritten haben, zeichnen sich durch grössere Wohlbeleibtheit auj^, als die Männer," ( Vambenj.)

Die Turkmenen -Frauen beschreibt Burnts als blond und oft hübsch. Fraaer sagt von den Frauen derGöklen, die weniger tartarisch aussehen, als «lieTekke's: „Neben meist gelben, blLsslichen und ubgemagerleu Frauen sah ich sehr schöne jüngere mit nussbraunem und röthlichem Teint, ange- nehmen, regelmässigen, gescheidten Gesichtern, durchdringenden schwarzen Augen".

Während die Männer in .Afghanistan als schön gelobt werden, läset sich dies von den afghanischen Frauen keineswegs behaupten.

In Jarkand sind die Frauen meiät hübsch und haben frische, ange- nehme Physiognomien; ihre Füsse sind klein und wohlgestaltet.

Die persische Frau, sagt Poiak, ist von mittlerer Statur, weder mager noch fett. .Sie hat grosse, offene, mandelförmig geschlitzte, von Wollust trunkene Augen und feingewölbte, über der Nase zusam menge wacbsene Brauen; ein rundes Gesicht wird bochgepriesen und von den Dichtern als Mondgesicht bedungen. Ihre Extremitäten «ind besonders schön geformt; Bruvt und Hüften sund breit, die Hautfarbe etwas brünett; die Haare sind dunkelka^tanienbrnun. der Uaarboden sehr üppig. Man trachtet allerdings durch künstlich« Mittel (Schminken, Schwärzen der Brauen u. a. w.) die Körpenichönheit zu erhöhen. In Haltung und Bewegung ist die Perserin graziös, ihr Gang int leicht, frei und flüchtig.

Den armeuiftchen Frauen schreibt Crousse zu: „une beautü puissante, «panouie, vigour^use, comme cellis des races fortes", De Amicis sagt: Schönheit

7*

ITI. Die S«tBOTi«en^TnffM«nng de« Weibe«/

uad Reichthum der Formen. Beleibtheit, weisse Farbe, „orientalisches" Adler - profil. grosse Augen mit langen Wimpern, das Gesicht ohne den geistigen Schimmer lies griechischen Frauengesichta. Schindler eagt: Die Frauen der wohlhabenden, unterrichteten und krie^smuthigen Armenier in Feridan haben sehr rothe Gesichter. Karsten fand bei ihnen h&nfig schöne Gestalten und regelraä^fsig ovale Gesichter, schwarze blitzeude Augen, reiches schi^rxes Uaar. Ein anderer Autor giebt ihnen Schönheit, edle Züge, schlanken Wuchs, ebenmässige Glieder, zarten Teint, reiches Haar.

Man hat oft gewisse Gegenden de» Kaukasus, insbesondere Cir- cassien, Georgien und Mingrelien ab da» Eldorado der weiblichen Schönheit gepriesen, namentlich in froherer Zeit : «ie lieferten die trefflichste Harenis-Waare uach Konstantinopel. Man sagte, dass diese Weiber mit den regelmüssigsten Zügen und dem reinsten Blute die auagebildetsten Formen verbinden. Nach Ausspruch den französischen Reisenden Chardm, der im vorigen Jahrhundert jene Ländor besuchte, sind die Georgierinnen gross, wohlgebaut und ihr Wuchs ist ungemein frei und leicht. Die Cir- Cassierinnen sollen nach ihm eben so schön sein; ihre Stime hoch; ein Faden von der feinsten Schwfirze zeichnet anrauthig ihre Augenbrauen ; die Augen sind gros», liebreizend, voller Feuer; die Nase schön geformt; der Mund lachend and rein; die Lippen rosenroth. und das Kinn so, wie sein muss, um das Eirund des vollkoniiupn3t<<n Gesichtes zu begrenzen. Dasn konuut die schönste, frischeste Haut, welche die ScIavenhSodler zu Kaffa ungescheut Proben bestehen Hessen, um zu zeigen . dass der Käufer nicht etwa durch aufgelegtes Colorit getauscht werde. Auch nagt Chardin zwar nicht von allen, doch von vielen Mingrelierinnen: ,,Es giebt in Mingrelien wunderschöne Weiber, von majestätischem Ansehen und herrlichem Antltts und Wuchs. Dabei haben sie einen Blick, der alle, die sie sehen, um- strickt." — Nach Pallas u. A. sind auch die Frauen der Tscherkessen schön, doch unter ihrem Rufe, wenn auch meist gut gebildet, weiss von Haut, mit regelmässigen ZBgen, kurzen Schenkeln.

Manche Tscherk essinnen haben eine anfgestOlpte Nase and rotbe Haare, auch nicht immer 80 regelmUssigeZQge, wie die Mingrelierinnen. Um eine schlanke Taille hervorzubringen und zu erhalten und das Fett- und Wohlbeleibtwerden, das doch sonst im Orient vielfach als Schönheit gilt, zu verhindern, beköstigen die tscherkessischen Mütter die Mäd- chen fast nur mit Milch und sie legen ihnen im fBnften oder sechsten Jahre eine starke Schnürbrust an.

Bodensledt sagt von den Tscherkessinnen: „Crnt«r den erwachsenen Mädchen fand ich nur vier, die wirklich Schönheiten in unserem Sinne das Wortes waren. Die übrigen zeichneten sich mehr durch schlanken Wuchs und durch die Kleinheit ihrer Ohren. Hände und Füsse aus. Schwarzes Uaor und dunkle Augen kommen bei ihnen nicht häufiger vor als bei uns, von den Anwesenden hatten die mei'^ten blondes oder helles Haar und blaue oder hellbraune Augen."

Die Hindu -Frau ist nach Pnul Mnntegazza^ schien und hat eine sftrt- liche. leideuBc-haftliche Natur. Sie bat fast immer einige Schönheiten, naobt- acbwance Augen, glühend wif die tropische Zone, gross, von hmgeu Wimpern umschlossen und von dicht'-n AiiL'«»n1.r.i!i.>ii rihi-r«ili!\tt. t s, l,..)i.>ru, Arme und Busen sind einer gi ; tie

vom Druck tyrannischer •"^^"•»v .,»„

Ruhen visrschöncrt »ii' •«.

14. Die Vertheilung der wdW. Schönheit unter den Völkern.

die xa »duslchtigen (jliedin»ac»en und die durch den taglichen Gebrauch von piiD-Supiuri geachwSinsten iC&bne.

Die freie Verguttung, wie sie namentlich in Indien unter der

ay er- Rasse herrscht, acheint nach den £ri'olgen der seit Jahrhunderten

Wirkenden Zuchtwahl auf die Raase nicht ungüii^^tig xu wirken. Die JSIänner

Mind, wie Jmjor^ hervorhebt, grase, schön, von kriegeriachem Auaeehen, leicht-

»jViig und muthig. In ihrem Wetteifer um die Gunst der Frauen verwenden

sie grosse Sorgfalt auf ihr Aeusserea. Die Frauen werden als ungeuieiu

ftierlich, zart, reinlich, elegant, uninuthig und verführerisch geschildert und

ollen trotz des helNfien Klimas von auifallend weisser Hautfarbe sein. Jitgor

etat dabei darauf hin, daes auch in Sparta die dort bestehende Zucht-

ahl, welche die HrhöDtit«u Faare zutiatouienführte, einen Menschenachlag

iriielte, der an männlicher Kraft und Tapferkeit wie an weiblicher SchOn-

eit alle anderen Ghecheustämnje übertraf.

Unter den Weibern der Igorroteu auf den Philippinen giebt eb, iWi8 Höh« Meyer fand, einige von so feinen ücBichtazQgen und ao weisser Haut, wie jedwede hübsche Europäerin.

Unter den Malaiinnen fand Fitmch hübsch gebaut« Getitalten mit ut. geformter BüBte.

Die uiulayii^chen Frauen auf der Halbinsel Malakka und einem heile von Sumatra «ind mehr derb, al» zieilichi gebaut-, ihre olivenfarbige, d mehr als kupfer-brüunlich bezeichnet« Haut lässt ein Erröthen der eo kaum bemerken; noch mehr als bei den Männern ^ind bei ihnen e, Gaumen und Mundschleimhaut »turk violett gefärbt. Die reinen Malayinnen ttuf Java »ind nicht selten von tadellosem ochs«, aber »ehr selten von einigermaassen hübscheu Uesichtnzüg&n. Da- gegen sind daselbfit die Halfcasts, die „Nonna-Nounas", fast durchweg ^«affallend hübsch; sie haben nicht, wie die Malayinnen zumeist, die allzu «uk aufgestülpte Nase, die allzu grosse Breite des lB^■helndeu Mundes und as Uerau«fordernde der zu schuiul geschlitzten Augen.

Die Bewohner der Aru-luseln sind nicht von reiner Rassejsie haben

icht mehr Aehnlichkeit mit dem Papua, als mit dem Malayen; aush

acbeti Nie einen europäLichen Eindruck, vielleicht wie Wallace meint

durch Vermischung mit Portugiesen. „Hier wie unter den meisten Wilden,

I unter denen ich gelebt habe, war ich entzückt über die Schönheit der menschlichen Formen I '■ »o ruft dieser gute Beobachter aus in Betrachtung der Grazie des nackten Arunesen; seine Wort« beziehen sich nur auf die milnnliche Schönheit; denn er »etzt hiuzu: „Die Frauen aber, ausgenommen in fitihest«'r Jugend, sind keineswegs so uniunthig, wie die Mäjiner. Ihre •charf ruarkirten Züge sind ^ichr unweiblich und harte Arbeit. Entbelirungen Und sehr frühe Ueirath zerstören da?, was sie an Schönheit und kräftigerem aussehen für eine kurze Zeit vielleicht besessen haben." Die tibetanischen Frauen sind klein, schmutzig und gewöhnlich unaL'fa{>n. zuweilen begegnet man jedoch auch erträglichen GeHicht^rn; die Hautfarb« ist heller als bei den M&nnern , und die Zähne stehen regel- uill«Nig<M. (PrzeieaUkij

Die Japanerin macht in ihrer äusseren Erscheinung entschieden einen Ktiiistigcren Eindruck als die stammverwandte Chinesin. Namentlich ist die Japanerin der bes^erea Stände sehr ansprechend; die Anmuth scheint ihr aiigcborpH zu «ein; ihr otFcnr!» kindliches Gesicht ist ein Spiegel ihres

r «tehenden .\ugen sind glänzend schwort ; mischen Ausdruck. Die Zahn« »ind tadellos

102

tu. Die Satbetiflche Auffasming des Weibes.

weiss, duroh Zwibcbenräume getrennt und ein wenig vorstellend: daa Ha&r ist zumeist reich. Dieses Alles bezieht sich insbesondere auf das Mädchen; die Frau färbt sich nach landesQblicher Art die Zähne schwarz und reitst sich die Augenbrauen aus; allein auch an den Frauen wird vor allem ihr ausserordentlich freundliches und seelentroUeü Auge gerUhmt.

Die Frauen der Chinesen sind klein und zierlich-, so benennen sie fast alle Beobachter, z. B. die Anthropologen der ,,Not'ara"-'Rei»t. Doch sagen andere Berichterstatter: Ihr Wuchs ist von mittlerer Grösse und fein, ihre Nase kurz, ihre Augen schwarz und feurig, ihr Mond klein, ihre Lippen glänzend roth, ihre Brust stark, ihre Hautfarbe weiss. Wieder An- dere urtheilen: „Die Chinesinnen füllen keineswegs das Schönheitsalbam der Erde. Sie nind klein und unansehnlich von Gestalt; das Gesicht, bei strenger Clausur meist mit einer krankhaften BiEsse bedeckt, hat gewöhnlich einen Stich io'a Gelbe und ist in seiner Begrenzung nahezu kreisrund; das charakteristische Merkmal der mongolischen Rasse, die schiefgeachlitzten Augen, sollen zwar manchem Gesicht einen pikanten Anstrich verleihen, doch wird man gut thun, anzunehmen, dass gerade die Schlitzäugigkeit den Ge- aichtsauädruck erheblich eatstollt. Dabei kommen noch die vorsieheoden Backenknochen, die kurze, platte Nase, die fleischigen Lippen und dM schlichte, grobe Haar in 6*^tracht."

Ocea

nierinnen.

Von den PolynesJerinnen, deren Männer nicht selten stattliche Ge- stalten von klassischer Schönheit zeigen, sagt Finsch: „Die Fraiieu sind im Ganzen kleiner, aber in der Jugend ebentallx «ehr hübHche Erscheinungen, mit wohlgeformter Büste, die leicht zur Fülle hinneigt. Alte Weiber sind hJUs- lioh bis abschreckend hässUch."

Während manche Beobachter den Typus der Eanakinnen auf Hawai als hübsch bezeichnen, und die Formen im jugendlichen Alter bi« sum 30. Jahre wohlgestaltet fanden, stimmen alle Berichterstatter darin äberetn, dass sie schnell altem. Die Häuptlingsfrauen zeichnen sich, wie ihre Männer, durch athletischen Bau, aowie durch Fettleibigkeit aus, was indess nach den landläufigen Begriffen von Schönheit den physischen Reiz nur erhöht. (Bechiinger.)

Auf Tahiti giebt ea einen Adel, dessen M&nner meist an 6 Fuss und darüber gross, und die Weiber nicht viel kleiner sind. Auch bemerkt man bei den Weibern Neigung zur Körperfülle, doch fand man hier nicht die ungeheuren Fleischmasaen wie zu Hawai. Da die Tahitierinnen reicb- liehe Kleider tragen, auch viel im Schatten leben, <«o sind sie oft von so heller Farbe, da&s sie rothe Backen haben, und ein ErrSthen sichtbar wird. Forster ist entzückt von ihren grossen heiteren Strahlenaugen und ihrem unbeschreiblich holden Lächeln; allein er selbst sagt, dass die Weiber keine regelmässigen Schönheiten wären, dass ihr Hauptreiz vielmehr in ihrer Freund- lichkeit bestehe.

Die Weiber der Markesas -Inseln sind nach Porirr weniger schön, als die Männer; bei souHt schönen Gliedern haben sie häusliche FQsse und einen hilsslichen schwankenden Gang; nach Krusenstem i*t ihr Wuchs klein, ihr Unterleib dick, allein das Geuicht ächön, rundlich, mit grossen funkelnden Augen, schönen Zähnen und blühender Farbe. Daher hält Gerland fttr eine übertriebene, oder nur für einzelne Bezirke gültige Behauptung, wenn | Jac^nnot die Markesanerinnen für h&sslioher als alle übrigen Poly&e- sitsrinnen erklärt. Schon dem Mendana fiel ihre Schönheit auf: tr rühmt i

14. Die Ver

TS weibL Schönheit oni»

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ihre Arme und Häude. ihren Wuchii und sagt, sie seien schOner, ah ditr schönsten Weiber in Lima.

Von den Melanesiern anf der Insel Tanna (Hebriden) heiast e», das« ihre Weilver klein und später tnuist h&gslich sind (Forster). Auf Vate, einer anderen hebridischen Insel, sind die Weiber schlank und zierlich CErakintJ; auf MallikoUo sind sie dagegen bässlich und schlecht gewjkchsen, was bei der uiasaenhaiten Arbeit, welche auf ihnen liegt, nicht verwundern kann; sie werden durch ihre sehr langen, schlatichartigen, hängen- den BrQste sehr entstellt.

Auch auf Aoba waren die Weiber besonders bässlich; auf Vanikoro aber ganz besonderü hässlich, sobald sie der ersten Jugend, in der sie bis- weilen bObsch sind, entwachsen sind.

Die Weiber auf To mb ara sind minder hübsch, als die Männer fHunterJ. auch auf Neuguinea sind die Weiber wegen des auf ihnen lastenden Druckes meist häealich.

Von den Papuas, die uns im Allgemeinen als wenig anziehende Er* •cheinungen geschildert werden, heisat es, dasa es unter ihnen sehr hübsche Gesichter, besonders bei den jungen Männern und Knaben , manchmal auch bei jüngeren Frauen giebt, doch üind auch nach unserem Geschmacke sehr hässliche Gesiebter an der Tagesordnung. Die Weiber der SüJwestkQste der Insel Doreb sind nach r. Eoatnbertj kleiner als die Männer, welche im Allgemeinen eine mittlere Stator haben. Unverhältnissmässig dünne, magere Beine bei sonst wohlproportionirtem Körper sind beim Papua nichts Seltenes, zumal bei Frauen. Ein Papuumädcheu von 16 16 Jahren, welches von tan Hasidt der Berliner anthropologischen Gesellschaft vorgestellt wurde, besass eine ebenso zierliche Hand, wie einen zierlichen Fuse.

Die Weiber der Papuanen (Melanesier), sagt Jung, sind in der «rtten Jugend nicht unschön, sehr bald von einer abstosseuden H&sslichkeit. welche durch einen grossen Mangel an ReinUchkeit und die daraus, wie au^ schlechter Nahrung resultirenden Hautkrankheiten noch erhöht wird.

Die Frauen der Eingeborenen von Neuguinea .sind nach Metsger feiner gebaut, als die Männer, haben ebenso tiefschwarzes Kraushaar, platte Nase und breiten Mund, wie diese; dabei aber schmale Schultern und kleine, hängende Brüste mit grossen Warzen.

Den Papuas Neuguineas älinlich sind die Melanesier des Admi- ralitätsarohipels; die Männer sind hier wohlgewaohsen und kräftig, die Frauen aber stehen, wie die Gelehrten des ChaUenger fanden, weit hinter ihnen zurück; sie »eben wahrhaft abstossend aus, ini^besondere durch den steten Gebrauch der Beteluuss; die alten Weiber sind nskch MikluchorMaclay meist sehr mager und gleichen mit ihrem rasirten Kopfe, dessen stark aus- geprägten Uautfalten, ihrem zusammengeflchrumpften Busen and hageren Beinen fast ganz alten Männern.

Den Weibern der Maori auf Neuseeland fehlt die weibliche Qraiie, sie hüben in allen ihren Bewegungen etwas Urwüchsiges, doch auch etwa« ückiges. Man sieht unter ihnen, wie Buchner schreibt, suweilen schöne, wohlgebildete Gestalten, aber natorgemftss giebt sich bei diesen die Verkom- menheit noch vie\ deutlicher kund, als bei den Männern. Nach ZöUer, dem CorrespODdenten der Kölner Zeitung, besitzen die Frauen weit grössere Fasse als ihre Männer und geradezu fürchterliche Extremitäten. Nach Fin»eh sind sie kleiner,uud im Ganzen weniger schön, ab die Männer; wirkliche Schönheiten in unserem Sinne fand er nicht unter ihnen, dagegen solche unter Mischlingen. Diese

104

III. Die äsiheibche Auffaseong des Weibes.'

Melanesierinnen verblühen mei«t rasch und werden dann meist ha für unseren Qeschmack.

Die Frauen der Gilbert-Insulaner (Mikronesier) sind kleiner, al« ihre Mö.nner, die von mittlerer Grösse sind; sie erfreuen sich angenehmer Gesichlsbildung und zarten Gliederbaues. Meinicke sagt; iJ))e Franen schön und zart, haben langet: schwarzes und lockiges Haar, regelmässige, von Geist und Frohsinn zeugende Geeichtsstflge mit gut entwickelter Stirn, lebhaften -dunklen Augen, etwas vorspringenden Backenknochen und breiter Nase, weissen, durch das Kauen der Pandanus - Frucht oft verdorbenen zahnen.-'

Bei den Samoanern sind ilie Frauen weniger schön, als die Männer, welche im Allgemeinen, wie fast alle Polynesier, als schöne Rasse gelten; die Figur der Samoan erinnen ist zu sehr untersetzt; angenehm aber be- r(ihrt ein Ausdruck von Schamhaftigkeit, der auf anderen Inseln so viel seltener zu finden ist. (Jung.)

Von diesen Samoaner- Frauen sagte ZöUer: „Die schönste Samoa- nerin würde doch immer nur mit einem dentüchen Bauermädchen ver- glichen werden können. Um feinere Züge darsustellen, dazu sind die Nauen zu breit, stehen die Backenknochen zu sehr hervor. Schöne Frauen würde man nur schwer, hübsche sehr leicht herausfinden können, so lange sie noch jung sind.''

Auf der Osterinsel zeigen alle Frauen, deren (iesichter man früher iils viel runder und voller schildert«, als sie jetzt sind, schlaffe, verlebte Züge, was sogar bei ganz jungen Mädchen beobachtet werden kann. Während in der ganzen SOdsee Frauen und Mädchen voll und wohlgestaltet erscheinen» verwelken sie hier bei ihrem ausschweifenden Leben und besonders in Folge der Polyandrie sehr früh und schnell. Die Frauen Kind hier kleiner, ala auf anderen Süd geeinsein; auch sind Frauen und Mädchen etwas heller von Hantfarbe, als die Männer; sie erinnern in dieser Beziehung an die java- nischen; ihre Haut fühlt sich mehr rauh, als weich an. .

Die Weiher der australischen Eingeborenen sind meist in der Mittel- grCsse der weissen Frauen, selten sehr gross, in welchem Falle sie für Aus- gezeichnet schön gehalten werden. In der früheren Jugend sind sie nicht unlicblich; die Blüthezeit fällt in die Periode vom 10.— 14. Jahre. Mücke, der sich lange in Südaustralien aufhielt, rühmt von tfinem im 15. Jahre stehenden Mädchen die prächtige Rundung der im „edelsten Ebeumaasse" gehaltenen Körperformen. Ihre llaut glänzte sammetweich, und die rotben, etwas vollen Lippen Hessen „eine Perlenreihe der wohlgeformteeten, elfenbdn* weissen Zähne" sichtbar werden.

Die australischen eingeborenen Weiber der Umgegend von .\d«1 aide Bind mager, mit hängenden Brüsten (Kieler); und während die Männer eine getmae Anmuth and Sicherheit haben, fehlt diese den Weibern, deren .\rme und Beine von ganz besonderer Dünne sind (WVhdmi). Auch sind in der grossen australischen Bucht die Weiber klein, mager und verkommen ^.6/'oicnr>.

Als im Jahre 1884 in Berlin eine Gruppe australischer Einge- borener gezeigt wurde, hatte Virchow Gelegenheit hervorzuheben , wie sehr er überrascht worden sei durch die ungezwungene, natürliche und häufig geradezu schöne Form, iA welcher von diesen Naturmenschen die Körperbe- wegungen aufgeführt werden; er sagt: „Die Frauen haben eine si> grazi&se Art, den Kopf zu tragen. Kampf und Glieder zu stellen und zu bewegen, als ob sie durch die Schule d«»r besten europäischen Gesellschaft gegangen wären."

[4. IH« V«rtlieUau({ der wdbl. Schönheit unter den Völkern.

105

lAock

lat

Amerikauerinnen.

Die Yankees haben sich im Verlaufe der Zeit zu einer Bpecifischen

herausgebildet, und auch ihre Frauen haben viel Specifisches achon in

ihrem Aeuaseren. Ein ungalanter Yankee aaf^e einmal über seine Lands-

. männiimen : „Sie haben keine Knochen, keine Muskeln, keinen Saft sie

nur Nerven. Und wie sollte mau es anders erwarten? Statt de»

les essen sie Kreide, statt de^ Weines trinken sie Eiawasser; sie tragen

i Cor«ett8 and dOnne Schuhe." c. Schweüjer- Lerchen feld citirt das ürtheil

learopäischer Beobachter. dasR die Mädchen in den Staaten der Union

[(and zwar die der nördlichen und östlichen) bei all' ihren körperlichen Vorzügen,

interessanten Bl&ägc, ihrer gewinnenden Schönheit und bestrickenden

imuth, gleichwohl einen entschiedenen Maugel an Lebenskraft bekunden.

macht c. Schiceüjer-Lerchttifeld auf den unterschied europäischer

Lbetammangaufmerluam: In den nördlichen Gebieten, wo sich das flämis ch e

geltend macht, ist die leibliche Schönheit der Frauen ganz anderer

L; die Haut ist zarter, dasAoge blauer und feuriger, als beim englischen

rpus; die New-Yorker Schöne hat mehr Farbe, die Bostoner Schöne

Feuer und Zartheit. Nur unter den höheren Ständen Amerika'» hat

lieh das otsprüngliche englische Schönheitsideal ungescbmälert zo erhalten

iwusst.

Ueber die Schönheit der mexikanischen Frauen sind die Urlbeile Verschieden, doch wird allgemein zugestanden, dasa die Städterinnen, nament- Jich die von rein spanischer Abkunft, immerhin zu den würdigen Repräsen- ^tanten weiblicher Schönheit zu zählen sind. Ibre Augen sind gross und schwarz, ihr Haar Qppig und glänzend, die Zähne blendend weiss. Klein Ton (ieet&lt bietet die Städterin durch eine gewisse angeborene Anmuth, die dem südlichen Blute i'igentbömlich ist, einen vortheilhaftcn Eindruck. Dagegen besitzen die m ex ikani sehen Landfraucn entjächieden weniger physische Vor- xflge als die Städterinnen rein spanischen Blutes Zwar. sind auch hier Vor- tüget wie glänzende, feurige Augen, blendende Zähne, reichliches Haar und dergleichen nicht .nelten, dafäraber sind andere Geatchtstheile nichts weniger aU schön, die Nase ist hässUch geformt, der Mund gross, die Backenknochen vorstehend.

Welche npecifische Eigenschaften man den Creolinnen in Mittel- hand Sfldamerika, diesen Abkömmlingen der Spanier, nachrühmt, ist ge- ifigend bekannt: Ein rei.endes Gesicht mit blassem Teint, feingeschnittenen, ^funkelnden, langbewimperten Augen u. s. w.

Aus Quito, der Hauptstadt der Republik Ecuador, schreibt man:

I,J)ie Frauen wären im .Ulgemeinen hübsch zu nennen, doch sind auffallende Schönheiten fast oben so selten, wie ausgesprochen hässliche Gesichter." Ein um so weniger anziehendes Aeussorea besitzen für den geläuterten Geschmack des Europäers die Frauen des arktischen Nordens in Amcri ka. ^ein es giebt doch recht autfalleude unterschiede namentlich zwischen den ÜsUichen and wesüicheu B»'wohnem Grönlands. Die Vollblutweiber von der Westküste sind meist ziemlich häHslieb. haben vor^ftehende Bäuche, wat- schelnden Gang und sind in der Regel klein von Gestalt. Die Frauen der OctkQst« hingegen sind zumeist gross und schlank und weit schöner als ihre ^Liuidom&nninoen im Westen. (Finn.J Charakteristisch für alle sind die leinen Hände und Füsse.

(Jiinfl festlich gekleidete grönländische Schöne mit ihrer braunen, (resichtsfarbe und ihn:>n glatten vollen Wangen sieht in dem aus

III, Die iLstheäs

fSSeo^^des Weibot.

ausffuw&hlten Sc^ebundslellen gefertigten, dicht anritzenden A^nzuge und den klvinen. elt*gant«n. mit hohen Stulpen versehenen Stiefeln und den bunten Perlfubänderu nui Halfl und Haar nicht Übel aae. Ihr Aeusserea gewinnt noch durch eine «tetige Heiterkeit und ein Benehmen, in dem sich eine grfiaHere Portion Koketterie geltend macht, als man bei einer Schönheit der mit Unrecht verHchrieeueu Klskimoraase erwarten mOchte. Ein entschloasc- nor SeehundjUgor führt das hübsche Mädchen mit milder Gewalt nach «einem Zelte. Mit Gewalt wollen nie genommen sein und deahulb werden sie auch mit Uewatt genommen, Sie wird «eine Frau, bringt Kinder zur Welt und vernachiliaBigt ihr Aeusseren. Die vorher so gerade Haltung des Körpers wird gebeugt in Folge der Gewohiiheit, ein Kind auf dem Rücken zu tragen, die Rundung de« Körpern verschwindet, derselbe wird welk und der Gong wackuUg, diiB Haar füllt an den Schläfen au«, die Zähne werden durch das Kauen der Häute beim Gerben bis auf die Wurzel abgenutzt und die Sauber* haUuug und Wartung des Köqiers und der Kleider versäumt. Die in ihrer Jugend recht bi'huglichen Eskimoraädchen werden daher nach ihrer Verhei- rathung abscheulich hässlich und achmutzig." {i\ Nordctisl^öld.)

Bei uichrereu Indianorstämmen Nordamerikau sind die Frauen oft aufl'allend klein («elten über 5 Fuas nach Bartram bei den Creek u. s. w.): »ie zeichnen »ich oft dnrcfa zierHche, kleine Hände und Füaae aus, bei den meisten Stämmen tat ihr Wuchi) untersetzt, und sie haben dicke, runde Köpfe mit breiten, flachen, runden Gesichtern. (Frim v. Wied.)

Die Weiber des untergegangenen Volkes der Chibcha waren nach Oviedo im Vergleich mit anderen Indianerinnen hübsch.

Die Weiber der Koljuschen an der Nordwestkfiste von Amerika zeigen einen krummen, wackelnden Gang, während die Männer stolz einher- Bchreiteu; hc haben kleine Hände und meist kleine Fasse. (Holmherg.)

Auch von mehreren Stämmen Südamerika's, z. B. den Leugnas, rühmt man die kleinen Füsse und Hände der Frauen.

Bei den Conibo am Yurua (Südamerika) sind die Frauen klein, aber ohne die mageren Beine und dicken Bäuche der meisten übrigen süd- lichen Stämme, (v. Heilwald.J Die Weiber der Araucanicr haben die- Belben Züge, wie die Männer, ihr Wuchs ist klein, der Oberleib sehr lang, die Beine sehr kurz, und sie sind äusserst hässlich.

Die jungen Mftdchen der Arawaken (Caraiben) in Guyana werden des herrlichen Ebenmaawes ihrer Formen, der kräftigen Fülle i hrer Glieder, der interessanten antiken Gesicht«bildung wegen gerühmt; sie besitzen grosne »chwarxfl Augen, Nach Appun's Versicherung »ollen diese jungen Mädchen edlff, äusserst anmuthig«, oft wahrhaft vollendete weibliche Formen zeigen bei lurist rein griechischem Profil. Die Arekuna- Mädchen zeichnen «ich kör]>orlich vor alten Übrigeu Indianerinnen aus: Appu» bewundert an ihnen die Nase von edlem rO mischen Schnitt, und ihr kleiner Mund prangt mit den feinsten, nur ein klein wenig geschwellten Lippen -, die feurigen •chwBnen Augen und die TAbeasohwarsen Haare rollenden die Schönheit diw«r MBdchen. dit> UbeidiM gleich allen Indianern mit sehr kleiamt Händt^n und FQmmi MM0e«lAtt«t nind. Dagegen excelliren die Weiber der Tarnroa duxdt Qxn WtßiSxhknL WMxread Appmm von drr SebSnbeit der Indiaeerinneu Sadamrrika« untrr den Tropen aiii aolober üebcrediwftag- Uthkdt berichtet, kann fhülich Site^ deren RctM keiacewe^ rtUuBen. So «UfTemit wi eben der Gaechmnok !

Ein «chOncr. hrftl^wr MeaMbaMclAif »ind iK» WUfonier. die mtki lelbet Tehuelchen nennen und «visdMn «Wn ehilenischen Anden wA

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14. Di« Vertheilaug der weibl. Schönheit tmter den Völkern.

der atlantischen Küste urahemiehen ; ihre Weiber sind durchschnittlich kleiner und mit minder Üppigem flaarwtichs bedacht, gleichwohl aber von AoRallender Wohlgestalt und Muskel^itärke.

Die Weiber der zwerghafteu Bewohner des Feuerlandes (Pescherils) ■ind noch kleiner, al« ihre Männer (durchschnittlich 1.544 mm hoch), doch naasa eine nach Europa transportirl-e 1612 mm bei der von Virchote vor- genommenen MeHHung. Bie Bildung des Kopfes dieser Frauen bleibt weit hinter derjenigen Schädelbildung Jturück, die noch auf die Entwickeluug ge- wisser intellecfcueller Fähigkeit hindeutet; sie mus« den Verdacht erregen, da»g man eH hier mit einem beaonderK niedrigen Menschenstimm /.u thun habe. Das Gesicht bei ihnen sieht so ans, als hittte man den Kopf zwischen i Bretter gelegt und zusammengequetscht: die Nase ist so niedergedrückt, Backenknochen treten so weit heraus, daas der Eindruck der Breite und Niedrigkeit autfallend dominirt. Boehr und Kssendorfer schildern die^ Weiber lila fett.

Afrikaneriunen.

üeber die aassere Erscheinung der ägyptischen Araberin. sagt «. Schweiger- Lerdienfeld, l&s«t sich wenig Bemerkenswcrthes inittheilen. lu Sacheu orientalischer Frauenschönheit gehen nämlich die Aneichten xiemlicb auseinander. Strenge Schönheitsrichter, denen auf Schritt und Tritt da* althelienische Schönheitsideal vorschwebt, legen mit Vorliebe an alle Gesichter, die ihnen vorkommen, den klassischen Maassstab an und linden dann n&tilrlich allerlei auszustellon. Sie fragen auch achselzuckend: Wa« ist Schönes an einer AegypterinV Ist ihr Antlitz nicht so rund, wie die Bcheibe des vollen Mondes, und gleicht ihr tfang nicht dem einer vollge- Irwsenen Ente? Die Frage, oder richtiger, die mit dieser Frage verbundene Negation, hat ohne Zweifel ihre Berechtigung. Aber mit dem Canip«r'8chen Uesichtswinkel oder dem Übrigen anthropologischen Apparat ist der Sache blutwenig gedient. Es braucht ein Antlitz nicht sonderlich ideal geschnitten xo «ein und kann dennoch einen Reiz besitzen, der alle normalen Schönheits- linien des althelleoischen Typus übertrifft. Dies gilt ganz besonders von den arabischen Frauen Aegyptens. deren Köpfe selten nach einem bestimmten Modelle geschnitten sind, obgleich der Gesammteindruck immer ein vor- theilhafter bleibt. Ftut alle Aegypterinnen haben feingeformte, zierliche H&nde und Fflsse-, ihr Gang verrttth angeborene Grazie, wenn auch vielleicht jene eigentbümliche Schwingung der Hüften, welche die Araber „Ohung" nennen, nicht allen Weibern wohl ansteht. Bezaubernd ist Aue tief dunkle, zuweilen mystisch brennende, dann wieder mild anziehende Auge, dem hftufig ein feuchtes Lustre eigenthUmlich ist. Dies Auge, sagt r. Schwäger- Lerchen- fdd, kann eben so fieterisch glühen, als umschleiort schmachten, wenn die Verschleierung eine vollkommene, das heisst; der Yaschmak nicht so dünn ist, dass man durch dessen zartes Gewebe jeden Gesichtszug deutlich er- kennt

Die Frauen der Aegypter zeigen die typischen Eigenihflmlichkeiten de« Retu, d.h. des Altftgypters auf den bildlichen Darstellungen, wie ihn R. Hartmann aus eigener Wahrnehmung beschreibt, doch ist der Charakter in der für da« weibliche Geachlccht angemessenen Weise gemildert. Die jOBgeo MUdchen sind ungemein gracil. Eine hübsche Darstellung nackter iger Aegypterinnen bieten die mit ihrem königlichen Vater ein dem 'Belttch ähnliche» Spiel treibenden Töchter Rnmaes HI. zu Theben. Anch hat tdtr Bei«eDdc noch jetzt Gelegenheit, Studien über den Körperbau solcher

in. Die &«i

»rang des Weibea.

Wesen zu machen , nicht nur bei Beobachtung <ler häufigen Badescenen, son- dern auch beim Paasiren aeicbter Nilarme durch Marktleute, wobei stete ein grösserer Theil de» Körpers entblösst wird. Sehr schön sind bei diesen Personen, wie Ilartmann beieeugt, die Schultern und zuweilen die Oberarme geformt. Der Oberschenkel, Unterarm und Unterschenkel sind öfters >u mager, obwohl es in dieser Beziehung auch nicht an rdhmlichen AaS' nahmen fehlt.

Ein Araber- Mädchen ist, wie c, Maltsahn von denjenigen der Nomadea Tripolitanien» bemerkt, nur kurze Zeit schön, aber in diexer Zeil ist «i«; würdig, eine Braut fflr Göttersöhne zu sein; sie ist ein Stück Wüstenpoesie. Der Goldton des weiblichen Incamats, die phos- phorescirende »chwarze Haiiräuth mit dem schönen Stich in's »ichillernde Blauschwarz der tiefdunkle, sehnsuchtumhauchte Blick mit der biimmtenen Wimper-Gardine, und nicht zuletzt die geschmeidig-edle, wohlgerundete Ge- stalt: das alles sind Reize, wozu es nicht des Culturmenschen bedarf, um einen würdigen Kenner aufzutreiben. Kein Wander, daas ein so leicht er- regbares, sich dem Eindrucke der Anssenwelt willig hingebendes Volk, wie der arabische Nomade, die Schönheit seiner Erwählten mit Worten l)e- singt, welche sich der glänzendsten Farbe, der eigenthümlichaten Vergleich« bedienen.

Die Zeit der Blüthe des arabischen Weibes bei den Wüstennomaden Afrikas ist eine äusserst kurze ; nur in der zartesten Jugend, etwa bis zum 16. Jahre, bleibt ihnen die Frische erhalten, welche Frauen des Nordens noch im Spätfrühlinge ihres Lebens zeigen. Es ist ein unendlich vergäng- licher Fraueutypus, der in den beiden extremen Polen, Hitze der Leiden- schaft und Zartheit der Formen, seinen Ausdruck findet. Mit dem tief- brünetten Teint und der zarten, noch vollen und dabei doch nicht zu starken Formrundung, mit den wie von einem rosigen Ooldhauch durch- schimmerten, braunen Wangen, mit dem fast allzu lebhaften Spiel ihrer flammensprühenden schwarzen Augen und dem tiefen Dunkel ihres raben- schwarzen Wollenhaares scheinen, wie Charanne in seiner «Sahara' sagt, die jungen Mädchen der lustigen Zelte die Offenbarung eines unendlich reizenden Typus. Ein solches Weib, ein solches Gebilde aus Feuer und Dunkel kann, das fühlt man instinctm aasig, nur wenige Wochen schön bleiben. Obwohl noch jung, sind viele Arabermädchen bereite verrunzelt, abgewelkt und ab- gemagert-, die arabische WüstenschÖnheit wird je älter, je hagerer und mit dreissig Jahren geradezu abschreckend hässlich, mit Ausnahme einiger Ge- genden, wieTuat, wo die Frauen ähnlich wie beiden Berbern der Köst«o- städte in vorrückenden Jahren sich oft üppiger Körperfülle erfreuen.

Dasa dem Neger-Typus auch beim weiblichen Geachlechte daa Epitheton „schön' gegeben werden könnte, hat nach europäischen Schön- heitsbegriffen keine Berechtigung. Schon die schvrarze Hautfarbe^ die pro- gnathe Stellung des Gesichts mit dem vorstehenden Unterkiefer, die wulstigen Lippen und überhaupt alle specifischen Neger- Merkmale müssen uns wohl eher abstossen. alK anziehen. Und dennoch fehlt es nicht an Negerstämmen, bei welchen, insbesondere bei jungen Mädchen, durch die klassischen Formen und durch die geschmeidige Bewegung aller Gliedinaassen, durch den eigen- thümlichen Reiz, der in dem Blicke ihrer Augen hegt, durch die prächtige Weisse der Zahnreihen u. s. w. die Erscheinung des weiblichen Gescblcchtt gerühmt wird, doch beschränkt «ich diese günstige Meinung stets nur auf die Jugendzeit, da es .schöne Matronen* wie bei uns kaum je unter den Negerinnen giebt. /

14.

J^f yrtni

Die Frauen am Gabun in Aequalorial- Afrika eind fast Lübüjohe Encbeinungen, mit wohlgefürmten Extremitäten, hübschen, ausdrucksvollen Angen nnd kaum merklich abgeplatteter Nase. Der Mund ist keineswega weit, wohl aber die Unterlippe etwas aufgedunsen, dagegen die Zähne, wie ■elbütverständlicb, von tadelloser Schönheit.

Man könnte die Frauen der Wo 1 offen .schön nennen, wenn nicht die Wade, wie boi anderen Neger- Völkern, unentwickelt wäre nnd die Füsse nicht platt und die Fersen keine spornartige Verlängerung nach hinten hätten.

Bei den Frauen der Berobra Nubiens Kind die Gliedmaassen schlank nnd mager; .sie entwickeln sich spöter, als die ägyptischen; bereits vier- sehnjährige Mädchen sind nicht selten noch busenlos. Sie verwelken vrie die Südländerinnen schon frühzeitig. Alt« nu bische Franen sind besonders hässlich. fHnrtmann ^.)

„Die Frauen der Somali, »agt PauUtschke, besitzen mitunter nicht nnangenehuie Züge, eine schöne Büste und volle Brust. Stompfnasen, stark hervortretende Stirn und feine, zierliehe Ohren sind mir an ihnen aufgefallen. Aoch der Hals ist schön geformt, die Uflften schmal, das Becken breit, das OeaiUs stark, ihre Bewegungen leicht und zierlich. Um die Mitte der zwan- si^^ Jahre altern die Frauen, das Gesicht beginnt Falten anzunehmen, die Brüste werden welk und lang un<l in den vierziger Jahren bereits bieten die Frauen das Bild abschreckender Hässlichkeit."

Die Oalla- Frauen haben nach PauUtschke volle, breite Schultern und ■chöne volle Arme.

Die Habab-Fraaen sind nach r. Miiller in der Jugend schön, doch altem sie in der Folge ra-sch.

In Abuscher. zu Wadai, sind nach Mattfucci's und Masmri's Ver- ^«cheruug Männer wie Weiber schön und von hoher Gestalt.

Unter den Negern des Sudan gilt nach Gerhard Bohlfs eine Frau lit MOgenannten kaukasischen GesichtszOgen als eine Schönheit.

Eine genaue Schilderung der Frauen der Galla in Ostafrika verdanken wir Juan Maria Schuver, welcher von den Männern dieses Volkes sagt: «Die Oalla könnten das heiterste und glücklichste Volk sein, da sie eines der fruchtbarsten Gebiete der Erde bewohnen, Land im Ueberfluss besitzen u. s. w. Trotzdem weisen sie beständig eine Miene stoischer Melancholie auf und machen den Eindruck von Ausgehungerten. Sie sind von ziemlich grosser Statur, welche in Folge ihrer Magerkeit noch grösser erscheint." Dagegen fährt er fort : «Die Frauen aller Klassen, mit Ausnahme der allerärmsten, bieten einen so verschiedenen Anblick, das» ich mich immer von neuem dar- öber wundern mu«st«^. Die jungen »ind von einer Lebhaftigkeit, die alle Augenblicke zum Durchbruche zu kommen bereit ist. auch bÜ8.ten sie nicht •o frühzeitig ihre Reize ein, wie die Negerinnen, vielleicht, weil sie den Vortheü geniessen, bei den schweren Arbeiten von den Sclaven unterstützt zu werden. Ihre Gestalt ist weit kleiner, als die der Männer, obwohl es an grossen Frauen nicht ganz fehlt. Fast immer sind sie 10 15 cm kleiner, als die Männer, and für diese mochte das Muass von 1.6U 1.75 m als Durch* «clmitt anzunehmen sein. Ihre physische Natur ist derartig von dem starken . Oeschlechte verschieden, dass es schwer fällt, eine Erklärung dafür zu gelten. iBci den Weibern sehen wir nur verhältuisamässig grössere Köpfe, obwohl inoch immer der Kategorie von Mikrucephalen zuzurechnen, runde Schädel, [■viereckige Getiichter. aber ausserordentlich abgerundete Züge, weit geöffnete dunkelbraune Augen, Naaen mit leichter Tendenz zum Kümpfnäschen und

110

an der Wurzel eingedrfickt, dichte Augenbrauen, kleine fleischige Backen, Kindermdndchen mit Perlvsähnen und aufgeworfenen Lippen and ein kleine« Kinn. Der Nacken 'wl höbsch rund und durchaus nicht kranichartig, wie bei den Männero, Füsae nnd Hände »ind fo klein, doHS man über die Be- hauptung Byron'x lachen kSnnte, der hierin da« einzige wahre Zeichen der AriHtokiatie erkennt. Die Formen sind rund und compact, die GliedmaaMea korz, aVier die Formenfillle der jungen Negerinnen findet sich hier mir Kelten. Sie tind hübech. aber nii'ht Hchfln." Derselbe Autor sagt von den jungen Mädchen der Herta im oberen Nilgebiet: ,Sie haben die voll- endeten Formen klassischer Statuen."

Die Frauen der Bedacha sind in der Jugend nicht uoschSn; ihr zier- licher Leib mit sehr feRi«n, gut entwickelten Brüsten altert aber frQh, da «ie rieh durchschnittlich im 12. bis 1.5. Jahre verheirathen.

Die Weiber der Danäkil und Sa ho sind von edlem Wüchse und •chOnen Formen, doch auch schnell verwelkend und alternd.

Die Abyssinierinnen haben nach der Beschreibung Steiner'« eine niittelgro8«e Figur und besitzen Öfter« entwickelte.'« Fettpolster; junge M&d- chen Hind reizend und »ehr «ympathisch; sie haben ein rundliches GeHichi, eine nicht hohe, gewölbt« Stirn, ziemlich grossen Mund, rundes Kinn, nicht selten ein Dop^^elkinn-, ein angenehmes Benehnien, und nicht geringer Fleiag machen sie zu sehr gesuchten Artikeln für den Harem der Araber.

Das weibliche Geschlecht der äaurta uud Terroa, zweier St&mme, die auf den beidcrneitigexi Abh&ngen des Gedem-Bergs in Ostafrika (von Massauu landeinwärts nach Abyssinieu ku) wohnen, ist, wie zumeist bei den auf nicht hoher Cultur 8tehend*»n Völkerschaften, bedeutend kleiner, als da« niännlitht-. Die jungen Mädchen haben angenehme Züge, aber die groMe Magerkeit im Alljremeinen thut der Schönheit ihres Körpers Abbrach, Ihre HUnde, aber auch die der Mflnner, sind ausnehmend kh^in. Hohlfs sagt dazu: „Dies ist eine Eigenthümlichkeit nkht bloss der Küstenbewohner, sondern auch aller Abyssin i er, deren Hilnde überhaupt zu klein sind, als da«s ne können schön genannt werden.' Der Grund der Kleinheit, der VerkOmme- rung liegt im Nichtgebraucb, in der Arbeitslosigkeit.

Die meisten Weiber der Boilakertra, eines Volksstammes im Innern von Madagascar, haben eine gute Haltung, einige drücken den Leib etwiu Btark vor, alle haben aber schlanke, obwohl kräftige und wohlproportionirie Taillen, trotzdem Schnttrleiber dort unbekatmt sind, fAudebert.j

„Einzelne Basutho in Transvaal, Frauen und Männer, haben wirklich schönen Kurperbau, namentlich Männer und Jünglinge; unter den Frauen und Mädchen sind dies doch nur sehr vfnnnzelte Ausnahmen. Nament- lich machen die zumeist tabaksbeutelartig herabhängenden Brüste ein«sn degoutanlen Anblick, obachon bei einzelnen jüngeren auch hier schöne Körper- formen vorkommen." (Wanffemann.J

Unter den Frauen der Zulu-Kaffern giebt es anatomisch tad«Ilo«*_ Formen mit intelligenten Köpfen ond Physiognomien.

I

Wenn wir uns unter den Naturvölkern umblicken, so finden wir, dass alle Ereignisse des Lebens mit höheren Gewalten, guten oder bösen, in Verbindung gebracht werden. Da ist es nun wohl nicht zu verwundem, dass in noch viel stärkerem Grade alle die geheimnissvollen Vorgänge der Fortpflanzung und der Zeugung, der Schwangerschaft und Geburt und der rathselhuften Entwicke- lung vom Kinde zum geschlechtsreifen Individuum als unter der Einwirkung der Götter und Dämonen «tehend aufgefiusst werden. Es ist dann nur ein weiterer Schritt in dem gleichen Gedanken- gange, wenn die auf unentwickelter Culturstuf'e Stehenden nun durch Opfer und allerlei absonderliche und abergläubische Hand- lungen den segensreichen Beistand der guten Geister sich gewinnen und die feindlichen, gefahrdrohenden Eingriffe der bösen Geister von sich und den Ihrigen abzuwenden bestrebt sind. In hohem Grade erfinderisch hat sich in solchen Vornahmen der menschliche Geist erwiesen, und es ist, wie wir sehen werden, kein Volk so tief- stehend, aber auch keines so hochcivilisirt, dass wir nicht derartige Proceduren bei ihm nachzuweisen im Stande wären. Fast immer aber fühlen sich die Menschen zu schwach, ihre Angst und Sorge um sich und die Ihrigen allein zu tragen und auf sich zu nehmen, und mit den Gottheiten in directe Verbindung zu treten. Sie be- dürfen dazu der Hülfe und UnterstQtzung klügerer, muthigerer und bevorzugterer Naturen, welche mit ihnen und für sie die nothwen- digeu Ceremonien vornehmen. So sind es die klugen Frauen, die Priester und Priesterinnen, die Zauberer, Teufelsbeschwörer, Me- dicinmänner und Schamanen, welche wir diese Hlilfsleistung ge- währen Heben.

Es ist eine interessante culturgeschichtliche Erscheinung, dass meJMtentheils in solchem Suchen nach kräftiger HUlfe die ersten Änfiinge der sich entwickelnden Heilkunde verborgen liegen. Sehr richtig schrieb einst Heu.nnger: „Die Anfange der Medicin bei

112 IV. Die Anffasning des Weibes im Volks- and religiOeen Olaohe».

wilden Völltem zeigen uns allgemein eine Verbindung supranatura- listischer, mystischer Heünngsmittel mit physischen Heilungsmitteln, und dieselben Personen verrichten die Incantationen und wenden Wurzelkrüuter u. s. w. an. Bei fortschreitender Cultur trennen sich beide, es giebt Incantatoren und Wurzelsucher, die zu Aeraten werden; dass sie einige Zeit so nebeneinander bestehen, lehrt uns selbst die griechische Medicin, wo bis iu's 4. Jahrh. n. Christo die Aaklepios -Tempel neben den Aerzten fortbestehen und gerade in der letzten Zeit recht vorzugsweise mir als b3rperphysische Heilungs- orte. Allein gewöhnlich wird die mystische Medicin entweder bald ganz abgeworfen, oder sie geht ganz auf die eigentlichen Priester über." Wir sind im Stande , auch in der Geburtshülfe diesen Entwickelungsgang zu verfolgen.

Wenn nun aber solchen Völkern die Cultur von aussen her, oder durch selbständige autochthone Ausbildung eine wirkliche Heilkunde und ihre Vertreter, Aerzte, Geburtshelfer und Hebanuuen zufuhrt, so bestehen jene Magier noch lauge Zeit neben den letzteren fort. Unter den alten Indern aber blieb das Priesterthum gänzlich mit der ärztlichen und geburtshülfhchen Praxis ver- schmolzen in der ßrahraaneukaste, ganz ähnlich wie in dem mittel- alterlichen Europa die Heilkunde in den Händen der Mönche war. Das abergläubische Vertrauen der Völker richtete sich in ganz eigenthüralicher Weise auf mannigfache Gegenstände bei den ver- schiedenen Phasen des geschlechtlichen Lebens. So frei sich aber auch in dieser Beziehung die Phantasie der Völker ergehen mochte. 80 finden wir doch auch eine gewisse Analogie unter ihnen hin- sichtlich der Gegenstände, an welche sich ihr Vertrauen knüpfte. Vielleicht und wahrscheinlich allerdings Obertragen sich manche abergläubische Vorstellungen von einem Volke auf das andere; gewbs aber gelangt«? der menschliche Geist vermöge seiner bei verschiedenen Rassen Übereinstimmenden Organisation gar oft zu ziemlich gleichen Begriffen, Anschauungsformen und Glaubens- sätzen, Wir werden in den spateren Kapiteln sehr mannigfachen abergläubischen Gebräuchen imd religiösen Ceremonieu begegnen. Nur die genauere Beobachtung des natürlichen Vorganges bei den einzelnen Acten der Geschlechtsverrichtungen war im ötande. die Erkenntniss so weit zu lordern, dass der Aberglaube mehr und mehr unter den Völkern Europas verschwand. Allein auch dort, wo in den höheren, gebildeteren Schichten der Gesellscliaft dem Aberglauben wenig Raum mehr gegeben wird, hängt mau nocli immer in den niederen Volksklassen mit grosser Z;i]i gewohnten abergläubischen Bräuchen. Ein solches Aberglauben bei Schwangerschaft. Geburt und Woohenbi; zu erklären, da man weiss, welche grosse Lebensdauer alle Sitten, Gewohnheiten und Vorstellungen haben, di- mal im Innersten der Familie: ' ! ' _\\\

die Geschlechtsverrichtungeu kn

m ult-

?»t«ongenTn

\»o leichter und um so inniger mit aborglünbiscben Haudlungeii, je mystischer an sich die Ersoheinungen des Iült einschlagenden Natur- vorguuges sind und je ausschliessUcher sich bloss Weiber der Beobachtung dieser Erscheinungen unterziehen.

Vergeblich sind aufgeklärte Geister bei den verschiedenen

[Natdonen bemtlht gewesen, solchem Aherghiuben energisch entgegeu- zuarheiteu, und auch hier ist es wicflerum eine interessante, für die überall gleiche Beschattenheit des menschlichen Geistes zeugende

'Ersdieinung, dass man bei weit voneinander entfernten Völkern auch hierin auf die gleichen Mittel verfallen ist.

So wurden in der Bevölkening von Sidou, jetzt Saida (in Palästina), syrische abergläubische Gebräuche gesammelt, welche den unsrigen sehr glichen. Die Muselmänner daselbst nennen

|sie ,,Ilra er-rukke", d. i. die Spinnrocken-Wissenschaft.

Ganz ähnlich suchte im .lahre 171H Praetorium dem Aber- glauben der Deutschen entgegenzutreten, indem er die aber- gläubischen Gebräuche in einem dicken Buche sammelte und ab- kanzelte, welches den Titel führte: „Die gestriegelte Rockeuphilo- sophie. oder aufrichtige Untersuchung derer von vielen superklugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben (Chemnitz).'*

16. Die religiösen Satzungen in Uezug auf das Geschlechts- leben der Frau.

Eb ist auffallend, wie sehr sich numclie Iteligionen mit den Mysterien des Geschlechtslebens beschäftigen, mid wie häutig sich auch in die geburtshülflichen (rebräuche der Völker ein religiöses Moment einmischt-

Schon mit dem Eintritt der Geschle<-ht.sreife werden l>ei vielen Völkern Bräuche und Cereuionieu vorgenommen, welche bei hitber civilisirten Völkerschaften durch religiöse Kiten ersetzt werden.

Wenn manche Gründer von Heligionen gewi.^jse diätetische Sitten lia ihrem Volke schon vorfanden und sie für zweckmässig, somit aucli dem HeiU" des gesammten Menschengeschlechts für dienlich hirit4-n. so legten sie denselben wohl die Bedeutung von Gott wohlgr'iälligen Jlmidlungen bei. Sie suchten demnach die iluieu nützlich erscheinende Volks3<itte durch strenge Gebote im Volke flVr alle Zeiten zu festigen. Andere Male benutzten .sie wohl auch nur rii 'n fest eingewtirzelten diätetischen Brauch als reli-

WtÖHC .^ lip IfHuillvmg. Dies tridil einzelne religiöse Vor-

R'lirift.t'ii iiikI ' -n, zu driirn hie und da die Pubertät«-

«"'^wickehiii':. il liliessung. die Schwangersdiaft, die Geburl,

'• "»renen Veranlassung gaben. Der Befehl,

nehmenden d iätetisclien Acte im Namen

I 8t-»?tig l>ei/.ubehiilten, kaun wohl /.\\\x\

im

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Titeil der Abdicht ent^üpningen sein, für dauermlo Erhaltung de« Menschengeschlechts Sorge zu tragen, während die höhere Forderung der Religion geistige Erhebung und Veredelung des Mensehen ist. In der Kegfl uetmien sich bei einem Volke, welches .sich aus der rohesten Barbarei erhebt, xunächnt die Priester als die vorzugs- weise gebildete Klasse der Ausübung der iirztlichcn Kunst an. So beschäftigten sich auch die Keligiousgründer und Propheten mit der Gesundheitspflege des Volkes.

Wir haben imderwürts gezeigt, dass die Beschneidung der Knaben l>ei einer sehr grossen Anzahl von Völkern nur als Ndlks- sittezu betrachten ist f /Voss-'V- Dort aber, wo sie von Religionslehreru geheiligt luid befohlen wurde, wie bei den Juden, wurde sie als nationales „Symbol* des von Gott auserwählten Volkes bezeichnet, aber auch als Mittel, die Fruchtbarkeit, also die Vermehrung des Volkes zu tVirdernl

Wie i^ehr religiöse Gesetzgeber e.s namentlich für eine Lebens- aufgabe des Individuums halten, zur FortpHauzuug des Menschen- geschlechts beizuti-agen, zeigt beispielsweise der Talmud, wo heisst: „Wer das Heirathen vorsätzlich unterlässt, um nänilicJi keine Leibeserben zu erzeugen, der ist moralisch einem Mörder gleichzustellen :" demi die Rabbiner glaubten, dass ein Unverehe- Üchter ebenso wie ein Mörder sich eine Vermiudenmg der Popu- lation zu Schulden kommen lässt (Tr. Jihutuoth, (il3, b). Ferner steht im Tulmud: ,,Wer auch nur zur Erhaltung eines einzigen Menschen beiträgt, ist gleich als ob er das Weltall erhielte/' In solchem Geiste, d. h. mit der Absicht auf Erzeugung und Erhaltung der Menschen, waren denn auch religiöse Handlungen in Bezug auf das Geschlechtsleben bei den .Juden eingesetzt worden. Mmes sagt ausdi'ücklich : ..Beol)achtet meine Gesetze und meine Recht«, durch deren Ausübung der Mensch leben soll" \z. B. Moses IK, 5). So verstehen wir denn, hi welcher Absicht er die Reiuigungsgesetze lür die Menstruireuden, die Wöchnerinnen u. s. w. gab, und warum er diese Gesetze und ihre genaue Befolgung durch Einsetzung der Brand- und Sühuopfer am Schlus.se des Wochenbetts gleichsam unter die Controle der i'riester stellte. Schliesslich erinnere ich an das religiöse Dogma: „Das Weib soll mit Schmerzen gebären''. 8<} nehmen manche andere Culte Lehren über die Lebensweise in Bezug auf das Fortpflanzung-^- und Geschlechtsleben auf. ,>lch nenne," .sagt Zöroaster im Gesetzbuche, „den Verheiratheten vor dem Unverheiratheteu, den, welcher einen Hausstand bat, vor dem, welcher keinen hat, den Familienvater vor dem Kin<lerlo8en, dan Reichen vor dem Armen" etc. Bei den alten rst-rn und Medcru endlich galt das Zendavesta als lu-ilige« Buch, und wir wissen, eine wie grosse Rolle die Heilkunde durch die Schät/urMj- und Kr^ haltimg des Lebens in demselben spielte, obgleich un^ da.»^ zwanzigste Buch, der Vendidad, erhaltfi 'V ' Zofoaster's Lehren drangen, spiolten auch a

t(J. Ol* leTtg. 5?at*Ujigeü in Bezug auf Jas Geschlechtsleben der Fmu. 115

fine grosHe Rolle: sie prakticirten als Aerzte und Teufelsbanuer lu'i Kranklieit, Geburt und Wocheubett. Und wie noch Leute bei dt'u l'nrsen, die nach Zoruaskr's Lehre leben, die Ehelosigkeit bestraft wird, so luusste auch bpi den alten Indern nach dem Gesetz- Imche Manu's Jedemuinn heirathen, „weil das Geschlecht erhalten werden niiiss". Das Gesetz Mnnns gielit auch Kathschläge in Bezug auf die Wahl des Mädchens, und viele andere Bestimmungen Manus liezengen. welchf? Aufgaben die Religion der Inder bei ihren 8itten- vorschril'teu befolgte; insbesondere gehiken hierher die Reinheits- iind Speisegesetze der Inder. Die Religionswächter der Inder, [die Priester- und Mediciner-Kaste, die Brahraanen, lieaufsich- tigten auch die Geburt und das Wochenbett. Die Buddhisten iKind durch die Macht ihrer Kirche äusserlirh nicht jjezwiuigeu. iBich bei irgend welchen Familien-Angelegenheiten unter die I Vormundschaft, der Priester zu stellen; allein sie wendeji sich docli bei Familienereignissen an deren geistlichen Beistand, ja die Lamaisten nehmen den Segen der Priester bei Farailien- ereignissen noch häufiger in Anspruch, als die Katholiken. Der gläubige Buddhist findet im Priester seinen geisthchen Vater, uud dieser fuugirt auch bei der Gel)urt und der Namengebuug der I Kinder. Ausserdem treiben die geistlichen Sohne des Buddha Dlierall die Medicin, ])rauchen ihren Eintluss in den Familien also nicht wie in christlichen Landen mit dem Hau.sarzte zu theilen; in Tibet, China, in der Mongolei, im ganzen Norden Asiens iüind sie zugleich Wahrsager, Astrologen, auch Geisterbeschwörer ^mid Zauberer; als solche bringen sie ihre Künste auch l>ei der [(Jeburt in Anwendung. [Koejiptm.)

Manche Forscher auf dein Gebiete der Religionsgeschichte ver-

[neiut'n mit vollem Rechte, dass einzelne Gr-remuiiien und religiöse

[Satzungen, z. B, das Beschneiden, als wirkliche Sanitätsmaassregebi

wu betrachten seien ; solche Satzungen wurden nach ihnen mindestens

Inicht in hygieni8<rher Absicht, wie etwa bei ims das Impfen, ein-

tettlhrt. Wir geben auch zn, dass viele religiöse Gel)räuche, die

lit dem Geschlechtülebt'n zusanimenhüngen, eine hygienische Tendenz

«cht bcHnspnu'lien dürfen. Vielmehr wurde das Mysterium der

Jeugung und Fortpflanzung, welches liei mehreren V'ölkem unter

anderem zum al)stheulichen Phallusdienst führte, unter dem Einflüsse

ler verschiedenen Naturanschauung in mannigfachen, oft recht

JesundheitM.schädlichen Formen .symbolisirt. Dass aber die Religions-

tifler iu ihrem sell>stgewählten Berufe als refonnatorische Gesetz-

{ebt'r der Vr.lkor l)ei ihrer Wahl der symbolischen Handlungen,

McIh* !<ie empfohlen haben, aiu-h mehr oder weniger das Bewusstsein

>n deren Zweckmiuwigkeit selbst in hygienischer Hinsicht hatten,

wohl nicht ganz unwahrscheinlich. Beispielsweise gingen

iouen Mosis iU>er meustruirende, blut«?nde uud gebärende

'«r den ganzen Mosaismus beherrschenden Idee der

•« hervor: Mostfs wurde jedoch in der Wahl

-l.w.l.

] 16 IV. Die AnffaJiBUiig des Weihes im Volks- und religiösen Glaubeit.

und Ausführung aeiuer Satzungen durch klimatische Verljültnisse bestimmt.

Wie alle die grossen Abschnitte in der Entwickelung und iu dem Leben des einzelnen Individuums, die Geburt, die Verschonernngs- procediuren am menschlichen Kürper (Ohr- und Lippeudurchbuhrung, Tättowirung, ZahnverstOmmelung u. s. w.), die Beschneidung, die Menstruation, die Schwaugerscliatt und der Tod von religiiisen Cere- nionicii begleitet und mit al>ergläubischen Vorschriften umgeben sind, das sehen wir auch in dem Umstände, dass in den genannten Lebensperiodon die Betreuenden abgesondert von der Gemeinde ge- halten werden, dass der Verkehr mit ihnen und das von ihnen Ausgehende die sie Berührenden verunreinigt und auf eine gewii^se Zeit hin ebenfalls zu dem Ausschluss aus der Gemeinde zwingt, dass ihnen bestimmte Geschäfte vorzunehmen auf das Strengste untersagt bleibt, dass ihnen bestimmte Dinge zu essen verordnet und andere wieder als Nahrungsmittel zu verwenden verboten i«t. Wir erkennen auch hierin wieder den untrennbaren Uebergang von den religiösen zu den hygienischen Vorschriften.

17. Die FrHut*u»)|iractie.

Als eine sehr merkwi\rdige und absonderliche Erscheinung in dem Lieben einiger Völker müssen wir es ansehen, dass bei ihnen die Frauen sich einer eigenen von den Miuinem nicht benutzten Sprache bedienen- Wenigstens haben sie für eine ganze Reihe von Gegenständen und Begriffen ihre besonderen Ausdrücke und Be- zeichnungen, welche die Männer niemala in den Mund nehmen und ftir welche die letzteren ihre eigenen Worte besitzen.

Unter Anderen findet sich diese Erscheinung bei mehreren caraibischen Stummen; insbesondere sind es die Stämme, welch«* uuf den kleinen Antillen wohnen. liorhrfort sprach die V*er- muthuug aus, dass einst die Caraibeu von den kleinen Antillen Besitz nahmen, alle Männer daselbst tödteten, die Frauen aber ftir sich behielten, welclie ihrer angestammten Sprache treu blieben. Allein, dass in diesem Falle diese Erklärung ganz falsch ist» hat Siolh- nachgewiesen: denn die caraibische Frauensprache besitzt nur ein eii;ziges Wort, welches dem Arawaischen gleicht. Viel walu-scheiiüicher ist es, dass diese Erscheinung einerseits in der socialen Stellung der Frau bei den betreuenden Völkern und in einer unserer Sprache fremden, schärferen Differenzirimu --r

Dinge, wie die Verwandtschaltsgrade, ihren ursprünglichen ' vi.

Auch bei den (iuyacurus und mehreren anderen JStümmen Brasiliens ist die Sprache der Weiber von der der Männer gänz- lich oder doch iu einzelnen Worten verschieden t hier glaviht

17. Die Frauensprache. 117

/•. Jfartius auch die Spracliverschiedenheit der Gesclilechter von einem gemischten Ursprung ableiten zu können.

Eine ganz ähnliche Erscheinung berichtet uns Hcrodot von den loniern, welche ihre Frauen von den Karieru genommen hatten, nachdem sie deren Männer erschlagen hatten.

Aber selbst bei uns lässt sich noch eine gewisse Analogie nach- weisen, denn es diiriie wohl hinreichend bekannt sein, dass auch unsere Damen ftir alles die Sphäre des Geschlechtslebens Berührende ihre eigene Ausdrucksweise besitzen, welche von derjenigen der Männer ganz bedeutend verschieden ist und gar nicht selten von den letzteren nicht einmal verstanden werden kann. Hier war es wohl das Schamgefühl, welches die besonderen Ausdrucke vorgeschrieben und erfunden hat.

V. Die äusseren Sexiialorgaue des Weibes in ethnograpMsclier Hinsicht.

18. Allgemeinem.

Die auatotnischen Verhaltnisse der (jcschlecbtjsorgHne und die physiologischen Sexual -Fuuctioneti sind die wesentlichsten Chtirakti/- risticu des weiblichen Organismus. Sie haben für die ethnographische Forschung insofern eine nicht geringe Bedeutung, als sie thatsäch- lich bei den Völkern guuz bedeutende Unterschiede darbieten.

Es sind hier zunächst die weiblichen Geschlecht-stheile in ihren Fonuen zu betrachten, insoweit sie ein vijlkerkundlidies Interesse besitzen. Zunächst zeigen die äusseren weiblichen Oienchlechtstheile einestheils die weibliche Scham, andern theils die Brüste ge- wisse wichtige Merkmale. Noch wenig wissen wir über die etbmi- graphischen Diflerenzen der inneren Geschlechtstheile, der (iebär- mutter mit ihren Anhängen, Schliesslich hat da.s Becken, als der- jenige Skeletttheil , welcher bei Schwangerschaft und Geburt eine wchtige Bolle spielt und sich vieliRütig in seiner Gestalt vom Becken des Mannes unterscheidet, namentlich deshalb eine Bedeutung, weil je nach der Kasse eine Ileihe charakteristischer Fonuen wahrneh- men lässt.

Dann gelangen wir zu den Geschlechtsfunctiouen : Menstruation, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Säugungsgeschuft. Auch hier ist so Manches typisch für Völker und Rassen.

Wir dürfen manche Gebräuche, die sich auf das Geschlechts- leben und die Behandlung der Geschlechtsorgane beziehen, nicht unbeaclitet lassen , obgleich sie nicht unmittelbar während der Schwangerschaft, der Geburt oder dos Wochenbetts vorgenommen werden. Denn manche dieser hier anzuführenden Gebräuche sind nicht ganz ohne Einfluss aui' die Schwangerschaft und Geburt, sei CS fordernd, sei e.s hindernd. Insofeni scheint mir nämlich insbe- sondere die Kxc'.i>ttnn der Chtoris, die Vernäbung der Vulva, die künstliche \ Pflege und ! beiiu Coitos u. s. deutung xu sein.

ung der (Klitoris luid drr Nymphen, sowie die der Brii.sti'. i\:\s tägenthrmiliche Beiiebnieu

ung w. bei ui;i

Ein Tl '

ru Von nicht geringer ft«- ■•^' iil ihre EntHtehung

18. Allgemrifl

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findet jodocli vielleicht, erst dann eine ErkUirunfjj, wenn man znyiir- derst in hetrucht zieht, welche charakteristischen Eijventhiimlich- keiten im natürlichen Bau der GcRchlecLtsorgane sich bei manchen Vnlkrrschaft^n bemerklich machen.

Fast Überall auf der Erde ist mit den Genitalien der Begrifl' deft Beschämenden, des Piidendura, verbunden \md das Aussprecheu UireK Namens wird als etwas ITnanständiges. als etwas Beleidigen- iles augesehen. Auch l)ei uns im niederen Volke wird bekanntlich ihr Name als ein Scbimiit'wort verwendet und auf mehreren der Inseln des alfurischen Meeres gilt der Zivruf ,,GeschlechtstheU Deiner Mutter* als eine der schwersten Beleidigungen (RiedeV). Herudol {173 II. KM't. KW erzählt: „In dem syrischen Palästina (wahr- scheinlich die .ludäa ehischliessende Meeresküste) sah ich Säulen, welche iler ägyptische König Sexostris aufstellte, und darauf die oben angegebene Inschrift (sein Name, seine Herkunft und der Nrnue des besiegten Volkes), sowie die Schamglieder eines Weibes. Wo er ohne Kampf und leicht die Städte einnahm, bei diesen liess er zwar auf die Säuleu dieselbe Inschrift setzen, wie bei den Völkern, welche tapfer gewesen waren, nur fügte er noch die Schamglieder dnes Weibes hinzu^ indem er damit kund thun wollte, dass sie feige gewesen wären." Philipp Jacoh Sacks erzählt von einer Münze, welche die Königin Manjaretltr von Dänemark schlagen liess ,pu- denduin muliebre exacte referentem", zum Hohne für die Königin von Norwegen und Schweden, welche sie besiegt hatte. Im königlichen Miinzcabiuet von Berlin ist diese Münze, wie mir HeiT Dr. Mimailicr freundlich mittlieilte, weder v<u*handen, noch bekannt, .ledoch erzählte er mir, dass angeblicli eine ähnliche Darstellung auf einer Münze August des Starken vorhanden ist, welche auf Wunsch der Grätin Kosel deren Genitalien vor.stellen sollte. Diese Legende liat ihren ]iositiven Hintergrund in einer ovalen Wappen- umrahmung.

Aber auch eim- t-hrunvolle Bedeutung kann die Darstellung der weiblichen Schaintheile haben. So findet sich dieselbe vielfach aueh aut den Sculpturen und Bildertafeln, welche von der Besatzung des preussischen Schifl'es Hyäne auf der Osberinsel ent- deckt worden sind (Geindrr). Da sie sich immer zusammen mit der dojipelteu Darstellung des Gottes Mnke-Mukf finden, des Gottes der Eier, der das Mäimliche und das Weibliche reprä-sentirt and der in dieser Do[ipeldar.stellnng die Geburt eines Menschen be- zeichnen »oll, so .Süllen die daneben gestellten weibliehen Genitalien ftlixetgen, dass die.se (leburt einer ehelichen Entbindung entspro.^sen wnr. (Man vergleiche die Abbildung in Band II.)

Die Osterins ulaner haben auch jetzt noch in silten Haupt- ling.sfamilien die Sitte bewahrt, dfuss bei der Eingehung einer ehe- licli«a Veriiiüdung sich der Ehemann die Vulva der Frau in ähn- licliiir Zeicluuuig etM'a zwei Zoll gross vorn auf die Brust unmittelbar

|;;<) V Ifii- iiii. -i-ii-ii ;!'-xii;il<<r^:.iiii; ili;i W<;ili<;>. in vthiiograph. Hinsicht, iiiilr-r ilfiii i\<-lilkn|iio i'itil.iil.iowii-i., tun .li;ili;iii den B(;wei.s /u liefern,

•In - >■!' V)'l'lM'il'!li|l<-|. iN(..

Dil' Klliriii^niiilirn lirsc.lilirii<(iiMi sich ])i.sh(.>r mit grossem Inter- i-»ric iiiil. ilrn knitiiiilo^i.sclii'it inul physiognoniischen £igenthQmlich- liriti-ii <l<-r Mni.>4rli(>ni'uNs<>ii. Allüiii der Kopf und dtv8 Gesicht bieten vii-lli-irhi. iiirhl hfdiMitt'ndi'rc (fthnographisciie Vergleichimgspunkt« dm , iiIm ilii' Nvi-ihlirh<'ii (n'srhh^i'hiHÜieile. Man hat über die Be- hiiiidi'rliciii'ii im Itiiii iIit ütiss«>ri>n Sexiiidorganu nur bei einzelnen ViilKiTsrliiirifH gi'iiiiucNiii'liriirschuugnjangi'stellt; es ist eben schwer, rim- ^iMillf^t'iuli' Zahl von Ol ijccini /.u hokonnnen und einer Betrach- liiii^, i'\t'nlui'll Messung /u uidorwt'rfj'n. Doch die ethnographische Iti'ili'utuitg drr Sa«-Iu< verdient «>s, das Material, so weit es schon xorhaiideii inI, /.ustuuuien/.ubringeii, dann aborauch durch neue Bei- (nij^je .Ml xergrl'i-^sern.

l!l. I)«s woibllohe Beokeii.

Nu\hst der (iestaliuug des Svhädels ist Itir die Anthropologie des Wiubes diejeuig»' des lUvkeus jedoutalls das wichtigste Object hiush-hthth des Skeleii-Bavu's. Dieser aus mohrerou Knochen zu- s:«uuieugeset;.te Theil des knöcheniou iierlistes hat neben seiner V»t"ga\»e. du» über utid in seiner Höhle liegenden l'nterleibs-Organe Ml lv«igeu. auvh eiiu» gan.' wesontUeUe l>odoutuug. da es Uiuueutlich d\e Sevvuiloi'gime sr.ul. die uüt ilun in engster Beziehung stehen, und d.» seu\e V\m'»u\ erhält nisse tar den lu'bär.ut von höchster Wich- takikeit nuuI. Iv. loTitev Hitisichi sind aui weibliciio!: IVcken zahl- veiche lH's\Mul;-v(:e*.te'.'. «al'.r-'*:neh'.r.e!:. weU-he es vom iiiäimlicheu. ;is»l'.eiii V»v.4di" v.v/erTii'lxeivte'.: v.iid es gew:sser'.r.;uisse:'. er«: tT;r den Me»-V.H'.Msiv. ■.;«» J.;-s tiebv;v:svory:;;\v.gfs gce:g::e: :i:.ich-:'^".

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19. Das TTeibliche Beckcri

121

gpQÖiliigi M'uren und <He Ergebnisse der Messungen dann vergleichen konnten.

Auch schon ohne den genaueren Vergleich durch Banduiaasi^ und Zirkel, schon durch das Augenmaass war man im Stande, grosse Unterschiede zwischen den Frauenbecken verschiedener Hassen wahr- zunehmen: und einer der Ersten, welcher auf solche Diiferenzen auftuerksam machte und Me><sungen vornahm, war Stimmer im/. Eine balmbrechende i\j-beit verdanken wir Vrolih, weh'her die Becken von Negern, Javaneseh, vora Buschmann u, s. w. verglich. Auf Grund dieses noch allzu geringen Materials machte dann M.J. Weber in Bonn den Versuch, die Beckenforraen schon mit Rück- sicht auf die Rasse zu gruppiren; sie sollten, wie er meinte, den Schädel- tbmien entsprechen, so dass die ovale Fonn namentlich den Kau- ksiern , die vierseitige den Mongolen, die runde den Ameri- lUern, die keillV)riiiige den Negern zukäme. Seit jeuer Zeit ist auf diesem Gebiet-e zwar viel, doch keineswegs wie ich au ande- rer Stelle dargethan habe (Ploss^'^) Hinreichendes gearbeitet wor- den, so dass wir schon im Stande wären, für das Russenbecken eine »ystemati8«'he Eintheilung aufstellen zu können. Dort habe ich ge- zeigt , dass für die Messungen des Beckens ein einheitliches und gemeinsames Verfuhren fehlt. Dies ist eine Behuiiptung, welche gleichzeitig Bulant/in in St. Petersburg ausspnich, ohne auch nur auf die Frage über das Ra.s8enbecken einzugehen, indem er ledig- lich die bisherigen Messungen des Europäer -Beckens quantitativ und qualitativ fllr ungenügend erklärte, um aus ihnen die Eigen- schaften des normalen Beckens festzustellen. Insbesondere scheint mir auch sehr fraglich, ob man berechtigt ist, die Maassverhält- uifise der Beckenhöhle, namentlich des> Beckeueinganges (d. h. der Querdurchmes-'^er in seiner Proportion zu dem auf 100 berechneten geraden Durchmesser als , Index "■ bezeichnet), ul.s Grundlage einer jtystematischen Eintheilung aufzufassen. Schon Zc/öz/'T stellte dem- gemäss die .runde" und die .Hinglichovale" Form des EingimgN als typisch auf; imd C. Martin gnippirte: 1. Becken mit rundem Eingange, bei denen die Conjugata (der .\bstand der Schambein- «ymphyse von dem Promontorium des Kreuzbeins) fast eben so gross ist, als der (^uerdurchmesser, und höchstens um ', ki kleiner als dieser ist (Ureinwohner Amerikas, Australiens und der Innehj des indischen und grossen Oceans); 2. Becken mit querova- lem Eingange, bei welchen die Conjugata mehr als \'n) ihrer Länge kleiner ist als der quere Diirchmesser (Bewohnerinnen Afrikas und EuropusX In diesen Proportionen, dies wird allgemein an- erkannt, Hegen aber nicht allein die bc-^onderen Merkmiile des Hiiss«n-Tvpus. Es sind vielmebr gewiss viele Theile <les Beckens »l« Rasuen-Merkmale charakteristisch, unter anderen die Darmbeln- «chaui'eln, deren Breite, Stellung und Dicke bei gewissen Rjvssen mehr o<ler weniger an das Thierbecken erinnert, z. B. das keilför- mig verlängerte Hecken des Negers, wie Vrolik., l'nmcr^ Carl ViMjt

122 V.

«e de« Weibes ff

u. A. hervoigv'lioben liaben. Andere, wie de Quatrefm/es, linden in solchen Bildungen nur ein Stehenhlfibcn auf frHhen Altersstufen.

Wie hier die Breite des grossen Beckens (d. h. der Abstund der äusseren Ränder der Darnibeinscbaufeln von einander), so wird von Anderen die Configivration des Kreuzbeins (Os sacrum) als ('harakt^ristiscli geschildert : Nach ßaranssr erreicht die Breite an der Basis des Kreuzl>eins ihr Maxinnim bei der weissen Basse, besonders bei den Europäern, dann folgen die gelben Kassen und endlich die scliwar/.en, Hinsichtlich der Höhe des Kreuzl)ein8 be- steht grosse Mannigfaltigkeit: die afrikanischen Neger erreichen die grijsste Höhe untt^r den Kreuzbeinen mit ij Wirlieln, die Euro- päer unter solchen mit 5 Wii'belu. Die Krümmung des Kreuz- beins ist bei den weissen Rassen am stärksten, besonders bei Eu- ropäern, dann folpen die gnllien Hassen, imd die flachsten Kreuz- lieine haben die schwarzen.

Besondere Unterschiede zeigen sich imter den Ita.ssen höchst wahrscheinlich in der Neigung des Beckens, d. h. in der Haltung und Stellung de-sselben zur Runipfaxe. »Schon lirora machte ilar- auf aufmerksam und gab ein besonderes Untersuchungsinstrument für diese Verhältnisse an. Auch Hiimiy ging den Rassen- Di flfe- renzen nach dieser Richtung hin nach. Jedoch Prorhmvnich, der elienfttlls einen iMessapjvarut angab, kam nach seinen Erörterungen zu dem Schluss. dnss man sich vorläufig wegen der grossen indi- viduellen Schwankungen von der Bestimmung der Beckenueigimg nicht viel iTu" die Unterscbeiduni( der Rassentypen versprechen darf.

Allein wir brechen hiermit die Besprechung dieser Fraise tjber das RASseubecken ab, indetu wir lediglich auf die ausführlicheu Arbeiten von Vrnlil>, Zauijer, Pntner-lieif , A. Wfisbac/i. Carl Martin, O. von Franqur, Venieau, IVcrnicht //. Fntsc/i, G. Fritsch, A. FiIatoff\ A. V. Schrenel:, Hennty u. A. verweisen. Denn die Frage über das Itassenbecken im Allgemeinen geht beide Ge- schlechter an ; unsere Aufgabe ist es vielmehr, dieselbe nur inso- weit ins Ange zu fas-sen, als sie insbesondere das weibliche Ge- schlecht betritt't.

Erwähnen wollen wir nur noch, dass die deutsche anthropolo- gische Gesellschaft, im Wesentlichen durch eine Abhandlung von Ploss^'* angeregt, im -lahre 1884 eine besondere Conmii.ssion erwählt hat, welche die zweckuiässigste und fruchtbringenilste Art. , das Rjissenbecken zu studiren, berathen und ausarbeiten soll.

Auch bei Vrdkern, die auf gleichem Boden wohnen, zeigen die Becken erhebliche Ditlerenzeu. So fand Schrötrr, dass das Bcckeu der Esthin und Deutschen ein .stärker entwickeltes L^t, als das der Polin und .lud in; dass das Becken der letzteren überluiu}»t (la> in allen Rassen klein.ste ist. Und unter den von iSchröter untersucliti'u Becken fand sich die stärkste Neigung l)ei den Deutschen, eint» geringere bei den polnischen Knmeu, eine i- 'i- '■■■••'"'■""•'^ 1- •Tiid innen, und die allergeringste bei dw» Y.

£ennfi^uu;i itei cju uua üeiuseioen ludividuuiu staute GrJ'if!8e, denn dii- Haltung und Stdlung desselben ruft wesent- liche Veränderungen in dem Verhältnisse des Winkels hervor, welchen die üeckeuaxe und die sogeniinnte Eliene des Beckens zur Körper- Hxe bildet. Bisher wurde jedoch nicht nachgewiesen, dass die der Rasse eigcnthOinliche Lieckenncigung die bei einem Volksstamine beliebte KürjierhaUung der Gebärenden bestimmt oder beeintlusst.

Nach Mond ihre scheiden sich die Weiber Cochinchinas in Annamitiiincn, Oambodgianerinnen, Chinesinnen und Minh-hui»ng d. h. Mischlinge von Chinesen und Annamiten. Von diesen hat die Chinesin das grösste Becken in allen Dimen- sionen; du rt'ste, che/ eile, tont ce qui se rapporte aux organes de la generation semljle avoir pris des proportions exageres. Die Cambodgianerin hat das längste und schmälste Becken.

Ohne allen Zweifel halben die Lebensweise, die Sitten und Ge- bräuche eines ^'^olkes einen gewis.seu Einfluss auf die herrschende Beckenfonu. N'or allem ist die Ernährung des Skeletts überhaupt und namentlich die Zuluhr von knochenbildendem Material sehr wichtig. In dieser Hinsicht erinnere ich daran, dass G. Fyitgch bei Hotten- totten und Buschmanns trauen die Becken sowie den ganzen Kör})er verkünunert fand. Die Becken der Südafrikaner zeigten weder recht die typischen männlichen, noch die weiblichen Formen, sondern es war ein Gemisch der verschiedenen Charaktere vor- .handcu, welches durchschnittlich dem männlichen T}-pns näher liegt. [Dietie That^ache verdankt ihre Entstehung zum Theil den un- günstigen Lebensbedingungen, unter welchen das Skelett nicht den lirad der VoUkomnaenheit erreicht, als unter dem Einflüsse der ('i- Ivilisation. Ausserdem will man gefunden haben, dass die Beckeu- maaisse von Negerinnen, die in Amerika gel^oreu waren, durch- |schuittlich sich dem europäischen Becken mehr nähern; neben (den Verbesserungen der allgemeinen Verhältnisse war auch eine I Verbessern ng des Knochengeriistes einhergegaiigeii.

Auch die geV)r5uc.hliche Tracht mag auf tlas Becken, nament- lich während des Wachstlnnns, mechanisch formverändernd einwirken. Ebenso wird jedenfall.'» eine specitische langandauernde Korperhaltung und eine be.^ondere Arbeiisthätigkeit die Gestaltung dieser Knochen- gruppt! mitbedingeu. Schon Cliassnniol sprach den Verdacht aus, (bujs der Brauch junger Negerinnen, die Kinder rittlings auf «len Hüften einherzutnigen, eine Verkrümmung des Seitentheils ihrer Becken herbeittlhre. Und lirrthrrand, welcher die Becken der iberinnen in Algerien sehr weit geöflnet fand, .sucht die Ur- ;he in drei Be<linguugeu : erstens im Tragen der Kinder auf dem lücken während il»*r ganzen Säugungsperiode, zweitens im Reiten I't'erd '^rhon in trüber .lugend »md ilrittens im Sitzen mit unter- {e-< Beinrn narh Art der Schneider in unseren Landen, ii///*

> die Chinesinnen, bei denen er öfter hohe, .schmalf •"nnd, dies mit Wahrscheinlichkeit nur der sitzenden Lebens-

1 2 4 V . Die ilusser

SalörgSSe des Weibes in etBnögmpf

weise zu verdanken haben. Das alles mlisste freilich noch naher' untersucht werden, wie auch die etwaige Wirkung der Art, wie beij manchen Völkern das kleine Kind eingeschnürt und getragen wird,] wie es kriecht, bevor es auf die Beine kommt u. s. w. Gegen diel Ansicht, dass der Rasseutypus der Beckeugostalt durch die Runipt- last, durch den Muskelzug und durch den seitlichen Gegendruck | der Femora nioditicirt werde, trat unter Anderen Schliepkake auf, indem er meiut, da^s die Fonu des späteren Beckens im Ganzen schon in der Uranlage desselben gegeben ist, und dass durch ^ Humpflast u. s. w. nur noch einzelne Modificationen hinzukommen. ^

Das Tragen der Kinder rittlings auf den Hinterbacken, welches namentlich im Westen Afrikas bei den Negerinnen ganz gebräuch- lich ist, hat auch zu der Vermuthung Anlass gegel>en, dass hier-l durch die an diesen Weibern bemerkbare Einbiegung des Lenden- theils am Rückgrat zu erklären sei; es würde hiermit der erste Grad einer Rückgratsverkrümmung (Lordose) zu Stande kommen. Die Körperhaltung, die durch solche Einwärtsbiegung des unteren Theils der Wirbelsäule bedingt wird, hat wiederum zur Folge, dass , das Becken mehr als gewöhnlich geneigt ist, indem sich sein vor- derer Theil ganz von selbst tiefer stellt. Allein auch diese grössere Beckenueigung erzeugt nicht auch et^'a (durch die Alteration der normaleu Richtung der Wirbelsäule) eine Verschiebung der Arti- cidation der Wirbelkörper in der Sacro-Lupibar-Gegend (wie etwa nach Hennig^ Lambl u. A. an der Pariser Hottentotten -Venus ge- funden wurde). Vielmehr findet eine Abweichung der Stellung und Richtung der gesammten Lumbar- Partie des Rückgrats statt. Da- her ist auch Ber enger- Feraud im Irrthum, wenn er das Vorspringen der Hinterbacken bei den Negern Senegambiens von der schiefen Anschliessung des Beckens an die letzten Lendenwirbel herleitet. Aller- dings ist nun die gesammte Beschaffenheit des ganzen Skeletttheils in der Beckengegend durch diese Gewohnheit, das Kind zu tragen, vielleicht erst erworben und dann mit der Zeit nach und nach ha- bituell geworden. Eine weitere Frage ist aber, ob diese Einbiegung der Lendenwirbel irgendwo den Geburtsverlauf beeinträchtigt? Allerdings sollen viele Negerinneu bei der Geburt eine Stellung einnehmen, in welcher die Lendenkrttmmung über dem Promontorium sich wesentlich ausgleicht, so dass die Kindestheile l)ei der ver- änderten ßcckenneigung leicht nach aussen gleiten tmd kein Hinder- ttiss finden.

Der oft ausgesprochenen Behauptung gegenüber, dass die Ge- burti.*n bei einem Volke oder bei einer Rasse wegen des speci- fischen B ecken bau fs vi>i*7.ugswi»ise lej«*bt oder s<'.|iwer vor sidi gt'hon, müssen wir «'ine lialtung bewahren: wir

glauben im Gcgentb-'il, ii wiesen sind, «o lau

itiiTitrcn vnrjäu'fiß uner* lichg«- ,.,...,,.. bei den rbti-u und derwa.

1 20 ^'' ^J*! SluBseren Sexualorgnne ilc« Weibcä in ethuogravili. Hfii'^iclil.

Becken ganz genau in recht zahlreichen Exemplaren mit einander zu verf^leicheu. Wir werden nn amlerer Stelle, wo wir von der gesundheifc-igeuiHssen GeLurt uud ihren Bedingimgeu sprechen, auf diesen Gegenstand austlihrlicher eingehen.

Ohne Zweifel sind n iilit lilosn s ä m m 1 1 i c h e Verhältnisse des Beckeu- hunes, sondern auch mannigfache Eiirenthtlmli<hkoiteii des gesanimten weiblichen Organismus, und nicht minder die U rossen Verhältnisse von dem Kupl'e und der Schiilterhreite des ansgetragenen Kindes luaassgeljend lür den mehr oder weniger günstigen Verlauf der Ge- Iturten bei deu verschiedeuen Vülkerschafteu.

Und bei dem vergleichenden Studium der Moasse des weih« liehen Beckens bei den verschiedenen Rasseu wird man, wenn mau wirklich ein Bild von den realen Verhältnissen gewinnen will, nie- mals versäumen dürfen, das Maass der SchTilterbreit^ uud das- jenige der gesannuten Kürpergrösse mit in Vergleich zu stellen.

Von den Formverhältnissen des knöchernen Beckens wird na- türlicher Weise zum nicht geringen Theile die Cuntiguration von dem unteren KTirpeiende der Frau, namentlich diejenige der Ge- jfässpartie uud der Schenkel, sich in Abhängigkeit betinden. Das ist ja auch der Grund, dass Messungen am Lebenden an diejsen Theilen einen Kückschluss auf die geringere oder Ijeti-ächtlichere Grösse des knöchernen Beckens ermöglichen ein Umstjiud, welchen die moderne Geburtshülfe schon seit lauger Zeit für ihre Zwecke auszunutzen gelernt hat. So kann es kommen, dass bei bestimmter Stellung der Dannbeine von Natnr l»reite Becken den- noch für das Auge einen schmalen Eindruck macheu. weil die Darmbeinkämme nicht in gewohnter Weise lateralwärts ausladen» sondern sich relativ genähert sind durch ein gesteigertes Steilstehen der Darmbeine. Ein Beispiel hierfür liefern die Weiber der Loango- Küßte, von denen Falkinstein'^ sagt:

...\uUUllend Lst un Allgemeinen diu geringe Mi'ckeubreite der Krauen, ko AiuiA luau beide Geschlechter von hinten kaum untemcheiden würde; ilooh komuien auch Ausnahtuen vor.*'

Faiditschkc erklärt ein „schiefstehendes" Becken als typisch den Somali- und Galla-Frauen.

Aehnlich äussert sich auch Wolff* über die Negerinnen i^ Co ngo gebiete:

„Die breitt-n Beckcnknochon stehen, wie bekannt, bei allen Nf^reru fteiU'r, als bei uns; divs ganze Becken iet um seine horiKöntale .Vxe ^'edieht. »o dasy diici uutur*5 Kndu mehr nach hinten steht, aU bei aas, es treten da- bei" dit^ (Jhiiaeen, die die Hinterbacken bilden, sehr »tark hervor, wiihrend die ITfllten auch bei den Weibern 8chm»l sind.

Andererseits kann bei Frauen, welche im Ganzen eiiioi grazil« and schmächtigen Eindruck machen, doch das Hintertheil relat grosse Dimensionen erreichen: Sohatf- "' ' ' ' r lungereZ«

eintr gynäkologische Abtheilung in ^ '

rl apanefinnen als breit un

pljywn , .1111. II «;.-llf ifTriK^i-ll >c(

19. Das weibliche Becken. 127

Ein zweiter wichtiger Factor, welcher für die Form der weib- lichen Hüften kaum minder maassgebend ist, als das knöcherne Ge- rüst des Beckens, das ist die grössere oder geringere Fülle des üuterhautfettgewebes, dessen Menge bei verschiedenen Völkern eine ausserordentlich verschiedene ist. Hierdurch wird, allerdings im Vereine mit der Ausbildung der Schenkel und der Waden und mit der Schulterl)reite, die allgemeine Erscheinung des Weibes, die wir gewöhnlich als ihren Wuchs bezeichnen, ganz bedeutend beein- ilusst oder eigentlich bedingt. Die Figur 20 ist bestimmt, einige Repräsentantinnen des weiblichen Geschlechts vorzuführen, welche dem Leser beträchtliche Verschiedenheiten in dieser Beziehung auch bei jugendlichen Individuen vor Augen führen, insoweit dieselben verschiedenen Rassen angehören. Die in ihren Proportionen unseren Geschmack am meisten befriedigenden Gestalten sind die beiden Europäerinnen (No. 5 und 8), denen die kleine Dajakin von Borneo (No. 3) sich am nächsten anschliesst. Die Samoanerin (No. 7) erscheint uns auch noch proportionirt gebaut, doch neigt sie schon zu etwas überreichlicher Fülle hin, während die beiden Sudanesinnen (No. 1 und 4) und die Australierin (No. 2) eine für unser Auge abschreckende Magerkeit besitzen. Das Mondü- Weib aus Oentral-Afrika (No. 6) zeigt recht deutlich den fast männlichen Habitus, die beträchtliche Schulterbreite im Vergleich zu der viel geringeren Hüftenbreite, und ausserdem bemerken wir die für die afrikanischen Völker fast charakteristische kümmer- liche Ausbildung der Waden.

Besonders arm an Unterhautfett sind namentlich die Australier- innen. Bei denen aus Queensland, welche vor zwei Jahren Europa durchreisten, machten die Hüften und Schenkel, sowie die Waden, wenn derartige dürre Gebilde diesen Namen verdienen, durch ihre ausserordentliche Schmalheit nind Magerkeit einen ge- radezu überraschenden Eindruck. (Fig. 20 No. 2.)

Die Steigerung in das Extreme nach der anderen Richtung hin treuen wir in einer eigenartigen, dem weiblichen Geschlechte bei verschiedenen Völkerschaften Afrikas vornehmlich zukom- menden Bildung eines besonders stark entwickelten Fettpolsters an den Gesässtheilen. Es ist dieses der sogenannte Fettsteiss oder die Steatopygie.

Diese Besonderheit kommt namentlich bei den Buschmann- und Hottentotten -Frauen vor; sie tritt schon in der Jugend- zeit auf, doch hat man noch nicht genauer angegeben, von welchem Lebensalter an diese örtliche Fettablagerung sich vollzieht (Fig. 2 1 No.2). Blancard berichtet nach Le VaiUant, que l'hypertrophie fessiere apparaissait des la premiere enfance, accentuant ainsi la dilFerence entre la fille et le gar9on.

Auch von anderer Seite wird dieses behauptet. Jedoch zeigten bei den kürzlich in Berlin ausgestellten sogenannten i''arjm'schen Erdmenschen, d. h. Buschmännern aus der Kalahari-

Wtlste, auch die Männer eine ungewöhnliche fülle der Hintor- backen. Allerdings stand das sie begleitende kleine Mndcheu in dieser Beziehung den Männern karnn mtcb. (Fig. 21 No. 3.; Ajigeb- lioh soll bei Mischlingen die 8teatopjgie nicht zur Ausbildung gelangen.

„C"ettt' protiibemnce, sagt Louis \'inceiit, qui cxif.le au niveiiu de lu rögion fessif-rc, a fetd regardee par certaina auteurs coranie tle nattirc muscu» leuse: il n'en est rien; c'est une masse d'une con.sistance cla.stir|ue et Lrem- Idautc cntierement formöe de graissc et traversee eu ton« teus par d«? gror faisceaux de fibres lamineuscs, tres-irreguli^rement entre-croiaees.

Die von Civier beschriebene sogenannte H n t tentott e ii- Venus besass diesen Fetthöcker in holiem (irade : die Höhe der Hinterbacken betrug 10,2 cm. Die von Tloiirr und Murie unter- suchte, etwa 21 .lahre alt in England verstorbene Buschmann in hatte zwar keinen eigentlichen Fetthl'icker, doch war bei ihr die Fettschicht der Hinterbacken l',4 Zoll dick, und die Haut darüber hatte ein loses, gefaltetes Aussehen, als wenn sie früher viel be- deutender ausgedehnt gewesen wäre. Bei der von Luachla und (iörts untersuchten Leiche der als „Buschwei h" bezeichneten Afundi/ betrug die Dicke des Fettpolsters, nachdem es ein ,Iahr lang in Weingeist gelegen, in seiner grös^ten Mächtigkeit 4 4,5 cra ; es war hier nicht bloss das angehäufte Fett bedeutender, sondern auch die Vertheilung des Fettes eine andere, als bei Europäerinnen; am stärksten war .sie in der Gegend der Darrabeinkämnie und über den Muse, glutaei max., und während bei Europäerinnen die Stärke der Wölbung vom Darmbein nach unten zu allmählich zu- nimmt, verflacht sich bei der H<it tentott in die Partie immer mehr nach der hinteren Oliersthenkelfläche hin. Die genaue ana^ tomische Beschreibung dieser Autoren schliesst völlig die Ansicht ans, dass die auflallende Erscheinimg etwa von einer besonderen Neigung des Becken.s herrühren könnt*;, und dass das Kreuzl»pin nach hinten zu gestreckt sei.

Auf diesem Fettpolster, Aredi genannt, lässt die Hottentottin ihr Kind ruhen: da-sselbe gilt unter dem Hottentottenvolke als Schönheit, wie denn überhaupt runde, fette und flei.schige Formen bei ihnen den Maassstab ftir diese Eigenschaft abgeben. Aach Thophil Hiüin^ tritt der Meinung entgegen, dass das Kreuzbein bei den Hottentotten abnorm vorrage, denn nicht bloss das weib- liche, sondern auch das männliche Geschlecht zeigt bei diesem Volke die Eigenthlinilichkeit, tind er selbst hatte an seinen iSpielkamerftdem jungen Hottentotten, oft Gelegenheit zu beobachten, wie iu der guten .lahreszeit, wo es viel Milch und Wildpret gab, Uire 6e«ft»i- theile für unsere europäischen Vorstellungen nachjji i ' ' ' illmfl«? nimeusioneu nrui>ilin:«n, wülircnd bei geringerer ^ iliese

Fettmusse sich wieder verlor.

Doch auch andere Völker Afrikas zeichn^Mi -Iil, ,li,i-. li ri;<1ii;<'he Fettftblageruug HO jenen Theilen auit. Au ^e»

leu

horea die Nigritier des Nils und die Bongo nach Itortinann hierhin, nvLch lit-voil auch die Soniäli und die Berber. Living- slone will die Steatopygie sogar auch bei einigen Frauen der Boers bemerkt haben, welche doch der weissen Hasse angehören. ThuUv hält diese Angabe für kaum glaul>lich und mochte sie, wenn sie

tauf Thatsachen beruht, nur durch eine Vermischung der eingewan- derten Ansiedler mit den Eingeborenen erklären ; dagegen weist er doch auch auf die \'er8icherung von Kvox hin, das« der Fettreich-

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Fig. 21. Fenleibigkeit and Steatopygie.

1. BoogO'FrAU (C«utrikl-Afrikft) (naob Sihweinfiirtli). 'i. K urauna -W«ili {Slld-

Afrik») (okoh Photgg»»pblc). 3. Batehm^QU-Mtdchsu (^'urim'm-/i<'/' KtdoieD^oli}

(SUd-AfrikB) (naob riiotogrBphie). ^. Aethlopiioh« ArAbctln su» deu Pjr»-

mldeugräbem ron Baqtra (naeh ItämicheH).

thum der Hinterbacken durch die Vermischung der Bu.schmänner mit Kaffern oder mit Europäern bei deren Nachkommen ver- schwinde.

Bei den Woloffen- Fniuen am Senegal kommt nun zwar die eigentliche Steatopygie nicht vur, doch hat de lioclichioie an ihnen eine nicht geringe Entwickelung der Fettbildung an den be- treffenden Theilen bemerkt und er widerspricht in <lie.sur Beziehung direct dem negativen Berichte Huard's. Iff Bftrhdn-une hat von Woloffen -Weibern \'A) Individuen gemes-sen, und er fand den Umfang der Hinterbacken, wenn auch nicht so bedeutend wie beim Buschmaun-Weib. so doch grösser als bei den Europäerinnen, Er hat folgende Zahlen bei der Messung von einem Trochanter zum anderen liber den höchsten Punkt der Hinteri)ucken hinweg gefunden: bei der Bu.schmanufrau: 0,791 m,

bei der Wo 1 off -Frau: 0,678 m, bei den Europäerinnen: 0,ö44 m. PlQit. Ii»i M.ii - 1 n 9

tinograph. Hinsk-hi.

Die Tibbu - Frauen haben vor den ßornu Frauen, wie Gusiav Nachtigal beobachtet, nicht allein den Vorzug regelmässiger, edlerer, gefalligerer Züge, sondern in ihrer Gestalt den eines wohlgeformten Beckens, das bei diesen durch seine starke Neigung im Verein mit der reichlichen Fettablagerung ein widerlich vorspringendes Gesäss hervorbringt.

In den Pyramidengräbem von Saqära in Aegypten fand sich auf einem Steine das von Dümichen wiedergegebene Bildniss einer arabischen Fürstin, welche in dem 17. Jahrhundert vor un- serer Zeitrechnung regierte. (Fig. 21 No. 4.) Sie föllt durch die starken Körperformen und namentlich durch die erhebliche Dicke des beträchtlich vorspringenden Hintertheiles auf, wodurch sie sich

fanz wesentlich von den äusserst schmalhüftigen ägyptischen rauenbildem «uteracheidet. Wie die Ausgrabungen von Dieulafoy in S n s a bewiesen haben, waren die damaligen Bewohner dieses Theiles von Asien Aethiopier. Und diesem Volksstamme gehört ükue Zweifel auch unsere arabische Fttrafin an.

20. Die üusseren weiblichen Sexoalorgane und ihre ethnographischen Merkmale.

Es kann leider nicht abgeleugnet werden, dass selbst solche Objecte, die der Untersuchung durch Aerzte und Anthropologen so leicht zugänglich sind, wie die weiblichen Sexualorgane europäischer Nationalitäten, bisher durchaus noch nicht genau genug erörtert worden .sind, .leder be.schäftigte Geburt.shelfer hatte wohl in seiner Praxis mitunter Gelegenheit, z. B. ausnahmsweise grosse Nymphen zu finden. Allein hier sind sie nur eben Ausnahmen : dagegen scheinen die Verhältnisse sich in anderen Ländern häufiger zu wiederholen, in noch anderen aber scheinen die betreffenden 'fheile constant grösser zu sein. Sollte es wahr sein, dass auch hier schon Rasse und Klima sich von Einflus.n auf Form und Gestalt der äusseren Geschlechts- theile zeigen? So behauptet unter Anderen Columbat de l'fsrri', dass in stidlichen Gegenden die Genitalien der Frauen gewöhnlich höher und mehr nach vom gelegen sind, als in kalten und feuchten Landern; es sollen die Schottinnen, die Engländerinnen und Holländerinnen fast immer die Vulva weniger vorn und den Uterus weiter unten, als die Französinnen des Südens, die Spa- nierinnen mid Italienerinnen haben. Sollte sich etwas dem Aehnliches bestätigen, so müsste man wohl als nächsten Grund der differenten Erscheinung eine verschiedene N ' ' "' " . '

Beckens zu betrachten haben. Die gewol Körpers ist dabei gewiss ebenfalls ik

In sehr vieler Hinsicht untfis. i liehen fieschlechtstheile des iSl

20. IHe äusseren weibl. Sexaalorgane a. ihre etbnograpli. Hericmale. 13t

Hierüber sowie ober die Rassen-Diiferenzen beim Menseben hat vor lUen V, Bi.^rJioff^ vergleichende anutotnische Untersuchungen angestellt. Die Weiber aller MenschennisBeti besitzen, soweit .sie bla jetzt bekannt lin«i, groiüse Schamlippen und einen Schainborj; und einen auf beiden stär- keren Haarwuchs. Bei einigen StAmmen der äthiopischen Raase, vorzüg- bei Buschniänninnen und Hottentottinnen, scheint allerdings eine rindere Entwickelung des Schnmberges, der grossen Schamlippen und dos lesauf denselben vorzukommen, ganz fehlen,sie jedoch niemals. Da- ^esitxen weder die Weibchen der Anthropoiden noch die übrigen Affen einen Schamberg, deutliche grosse Schamlippen und stärkeren Haar-

I wuchs an den äusseren Geschlechtatheilcn. Nur allein der Orang-Utang hat vielleicht eine schwache Andeutung grosBer Schamlippen. Jedoch treten dieselben auch bei den übrigen Anthropoiden nach Hartmann während der Menstruation deutUch hervor. Sie besitzen daher kleine äussere und gro.sse innere Schamlippen. Um- gekehrt ist eine massige Entwickelung der kleinen Schamhppen oder Nymphen mit dem Praeputinm und Freniilum Clitoridis die Regel bei dem menchlichen Weibe: Die Schamtheile der Australierinnen sollen nach Köler^ etwas mehr zurückstehen, daher die Männer, „wa-s ülirigens bei den meisten Australiern Sitte ist," die Begattxmg von hinten voll- ziehen. Jedoch stimmt das Letztere nicht mit den Angaben von Mik- iHcho-Maclaif überein.

Ueber die Einwohnerinnen des alfurischenArchi pelsbesitzen wir Nachrichten von RiedelK Er erklärt bei den Weibern der S e ra n g-

ilao- und G orong -Inseln die Beckenbreite ftir gering, den Vagi- naleingang eng und dieLabia minora für rudimentär. Beiden Weibern der Bnbar-Inseln ist das Becken breit, die sichtbare Spalte (pli) der Vulva aber kurz und nicht so lang, als bei den meisten Am- bonesinnen. Die Inseln L e t i , M o a imd L a k o r besitzen eine schmalköpfige und eine breitköpfige Bevölkerung. Die Frauen

Ider ersteren haben eine länglichrunde Spalte der Pudenda, Die breitköpfigen Frauen besitzen nur rudimentäre Nymphen. Die Weiber von Buru Imben eine enge Schamspalte und rudimentäre NjTüphen, aber grosse, stark entwickelte Hinterbacken, wohl in Folge des angestrengten Bergsteigens. Die Vaginen der Aar u- Insulanerinnen bezeichnet Riedel''* als klein^ jedoch soll hierzu der Penis der Männer, welcher ebenfalls nur eine geringe Grö».senentwickelung aufweist, im Verhältniss stehen. Von den gro.^sen und breiten Schanilefzen der Guarani- [Weiber in Südamerika sprechen tu Azara und Renygo'.

Bei der Section der an Pneumonie und Pleuritis verstorbenen b'^eoKrländerin Lose fand v. Bischoff' Folgendes :

•" a«"' -n dernelVicn zeigte xich eben ao wenig wie

' ' Spur von Haarwucha; nur auf der oborcn

{luden sich einzelne Hirchen (etwa 1 cm

Spur einer Rasnr oder AusreisAeu der Haare.

132

i«8 Wribm in ethnograph. Hinsicht.

Die grossen Schamlippen sind mSoaig ctark entwickelt und laasen zwischen sich eine gegen 6,5 cm lange xiemlicb geschlossene Schanis^>alte. Oben an dem Schamberg gehen sie mit einer etwas vertieften Conimissur in einander über; nach unten und hinten bilden sie eine hioteie Commissut mit einem schwach entwickelten Krenulotu und dahinter gelegener FoBsa navicularis. Die rechte grosse Schamlippe ist etwas stärker entwickelt aU die linke. Eigenthüinlich ist es, dass um den weit uä'en stehenden and von einigen Hüniorrboidalknoten umgebenen After herum die Epidermis fehlt, und dieser Mangel sich auch bis hinauf zu dem unteren Ende der linken grossen Schamlippe fortsetzt. Die-te Arrosion musste von einem entweder aua dem After oder aus der Vulva herrührenden scharfen Ausflüsse veran- lasst sein. Die kleinen Schamlippen ragen nicht vor der Schamspalte vor, und ist die rechte ansehnlich grösser als die linke. Nach unten ver- lieren sich beide in den Scheidenvorhof; nach oben theilt »ich die rechte in zwei Fortsätze, deren Süsserer, sich an die innere Fläche der grossen Scham- lippen anlehnend, bis an die obere Commiieur der letzteren sich hinzieht, der innere aber sich, wie das obere Ende der linken kleinen Schamlippe, abermals in zwei kleinere Falten spaltet, deren ftussere das Präputium Clitoridis. die innere das Frcnulum Clitoridis in gewöhnlicher Weise bildet. Die Clitoris ist von normaler Grösse und auch die Glans derselben tritt nicht mehr wie gewfibniich hervor; 2 cm hinter und unter der Clitoris be- findet sich an der oberen Wand des Scheidenvorhofs die Harnröhrenöff- uung, welche nur die EigenthQmlichkeit zeigt, dass von den sie umgebeaden Schleimhautfalten eine auf jeder Seite aich im Bogen nach oben an der inneren Seite des Scheidenvorhofs hinzieht und so auf beiden Seiten eine kleine Tasche bildet. Am Scheideneingang finden sich mehrere ziemlich stark hervortretende Carunculae myrtiformes.

Die Scheide ist 11 bis 12 cm lang, und plattgelegt 3,5 cm breit. Ei finden sich an ihrer vorderen und hinteren Wand Coluranne rugarum, welche besonders an der vorderen Wand ziemlich stark entwickelt sind und in einem gegen die Harnröhrenöifnung sich hinziehenden Wulst vorspringen."

Schon früher war die ältere Feuerländerin Gatharina, die Mutter des Mädchens von 4 Jahren, gestorben, r. Meyer berichtet ans dem Gedächtniss, das.s bei ihr das Fettpolster der Labia uiajora nur gering entwickelt war. Die beiden genannten Labien umgaben eine klaffende Scbamspalte, so dass die Labia minora und die CHioris sichtbar waren. Die Behaarung des Mons pubis bestand nur aus zartem Flaum von V2 Ctti langen feinen Haaren.

Die Kamtschadalinnen sollen nach StcUer lauge und vor- hängende Nymphen besitzen, ähnlich wie wir sie bei den Hotten- tottinnen kennen lernen werden. Nach Virey besitzen sie mit grosser Wahrscheinlichkeit eine weite Mutterscheide, da sie gewohnt sind, in ihrer Vagina eine Art Mutterkränzchen aus Birken- rinde zu tragen. Ob sie dieses aber immer thun, oder ähnlich wie manche Insulanerinnen des malayischen Archipels nur in der Zeit der Menstruation, das ist aus dieser Notiz nicht zu ersehen.

Die äusseren Genitalien der Japanerinnen bieten manche Eigenthüralichkeiten dar; Wernich fand Folgendes in seiner gynäko- logischen Abtheilung zu Yeddo:

Die grossen Schamlippen sind fettarm and, auch bei jnogen rorsonea.

ii«c«ren weit

iogtvpt

«ehr schlatt'. Der Hamröbrenwulst springt ^ebr erheblich hervor, was viel» Wtchi auf diia in den niederen St&nden ganz gebräuchliche Uriniren in auf- rechter Stellang zurückzufUfaren ist. Die Scheide ist kurz, nie fand Wernich ein« über 7 cm lang. Ein Hymen ist ihm niemals ku GeBicht gekommen. Der Damm erschien im Allgemeinen nicht von besonderer Breite. Congestioni- ning und Consifitenzsunahme (Erection) der Portio vaginalis kam bei den Untersuchungen viel häutiger vor, als bei den europäischen Frauen.

Die Japanerinnen haben, wie es heisst, so enge Genitalien, floss Aerzte angestellt sind, welche aus den Pnellis publicis die- jenigen ftuasuchen. deren Genitalien ohne beiderseitige Incouvenienz den Coitus mit dem krüftigen Gliede eines Europäers gestatten. Ob diese mir zugegangene Mittheilung auf Thatsachen beniht, muss weiter erörtert werden. *

Doenitz^ welcher Jahre lang als Angestellter der japani- schen Regiemng gelebt hat und in Tokio eine sittenpolizei- liche Controle der Prostituirten einführte, erklärt-e dem Herausgeber die Angabe als unzutreffend. Die Vaginen waren t\ir die auch bei

gebräuchliche Durchschnittsnumnier der Mutterspiegel bequem sirbar. Auch pflegen die dort lebenden Europäer sich selbst Ihre ("oncubineii zu wählen und sie nicht aus den Händen der Polizei zu empfangen.

Die Aunamiten-Fraa in Cochinchina ist in ihren Ge- schlechtsorganen nach Mondiete anders gebaut, als die E u r o - päerin. Sie besitzt nicht die grosse Erweiterung und die grosse Krümmung, welche bei unseren trauen durch die Verlängerung de» Perinaenm gegeben Ist ; alle zwischen Os pubis, Os ischii imd Os coc- cjrgis liegenden Theile haben die Form eines Trapezoids. Weder das Perinaeuui noch auch die äusseren Theile wölben sich ; es ist eine Abflachung der grossen und kleinen Schamlippen vorhanden, und die Mutter.^chtnde scheint sehr kurz zu sein, so dass das Orificium uteri dem Scheideneingaug sehr nahe liegt.

Die Vagina der Tatarin soll selbst noch nach der Nieder- kunft eine grosse Enge besitzen.

Bei den ßafiote- Negern an der Loango-KUste in West- afrika wird das ihnen wohlbekannte Hymen nkumbi oder tschi- kumbi gejiannt ; mit denselben Worten bezeichnet man aucli daselbst ein junges Mädchen vom Zeitpunkte des Menstruationseintritt8 an bis zur Hingabe an einen Mann. (Perhuel-Loesche.)

Nur bei einigen Negeryölkern wurden die äusseren Geni- talien der Frauen, die schon Pruner-Beji zum Object seiner Beob- achtungen gemacht hatte, so genau untersucht und beschrieben, wie de liochebrmie bei den Woloffen gethan hat.

Kr bezeichnet dieae Genitalien als ,mediocrement d6velopp68*. Eine nur eiaigo Millimeter hohe Falte Htellt die grossen Schamlippen dar, die Nymphen riad «inigermaasBen nidiment&r and messen in der Breite 0,004 m, in der lAnge 0,021 va; so charakteritirt sich das Ganze der Vulva durch eine .\b- plattting. indem die Oberfläche änsserlich begrenzt ist von zwei cHpsoiden FUtea* die sich von dem unteren Theil und der Mitte de« .Schumberges bi»

134 V. Die äusseren SexualoTgane dea Weibes in ethuogmph. Hituidit.

auf die vordere <»epend des Perinaeuin verbreiten; dabei schliesaen sich die inneren Ränder dieser Falten aneinander, indem sie sich nur wie euie leichte. wellige Linie, selbst bei den Frauen von gewissem Alter, abzeichnen. Aeha- lich unterscheidet eich die Färbung dieser Tbeile von derjenigen der ganzen Haut durch blasseres Ausseben, die Nymphen sind bei Erwachsenen schiefer- blau, dunkelroth bei jungen Mädchen. Die Clitoria ragt beständig vor; in allen gemessenen Fiillen maaes die freie Partie 0,013 m im Mittel.

Diese Gestaltung diflerirt wesentlich von der der Europilerinnen. Auf der anderen Seite ist jedoch die habituelle Verlängerung der Nymphen, welche andere Beobachter als Specialität der Negerinnen beschrieben, nicht bei den Woloffon zu finden; vielmehr zeigen dieselben hier eine Art von Atrophie; man kannte, wie de Jiochebntue meint, von einem wahren Zurück- bleiben in der Elitwickelung reden, denn abgesehen von dem Vorspringen der Clitoris und von der weiteren Ausdehnung der Obei-fläche der Vulva kann man die anderen Theile nicht besser vergleichen, als mit denjenigen eines europäischen Mädchenn von 8 bis 10 Jahren.

Sehr bemerkenswerth ist auch die Stellung, welche dieses Organ ein- nimmt Wenn man eine senkrechte Linie durch den Körper der Frau von oben bis unten auf die Basis zieht, und auf diese Linie eine perpendiculäre Fläche sich gelegt denkt, welche das Niveau der Afteröffnung hllt, so findet man, dasa die Fossa navicularis in dieser Fläche gelegen ist, und dass dem- zufolge die Basis der Vulva in einem Punkte liegt, der verhältnissmäesig hoch zur Verticalen ist. Weiterbm zeigt sich dies auch an der Länge des Perinaeum, die sehr bemerkenswerth ist. Während die Länge desselben bei der E uropäerin im Mittel 0,012 m misst, findet man sie bei der Woloff- Frau 0.025 m; aus diesem Unterschied von 0,013 m erhellt, dass die Vulva um 80 viel zurückliegt.

V. Bischoff' in München fand an den Genitalien einer angeblich aus dem Sudan (Ostafrika) stammenden, in München verstorbenen Negerin gut entwickelte grosse Schamlippen. Aber obwohl die Person noch Jungfrau war, d. h. ein noch deutlich ausgesprochenes Hymen besass, klaffte dennoch die Scharaspalte in der Art, dass die beiden ansehnlich grossea Schamlippen mit schwarzem Pigment versehen waren, während sie au ihrer inneren Fläche, soweit diese den Scheidenvorhof begrenzte, von einer röth- lichen Schleimhaut überzogen waren. v. Biscfwff' setzt hinzu ; »Mit diesen geringeu Modificationen, die übrigens auch bei Euro- päerinnen in ähnlicher Weise vorkommeu, stimmen die.se Geni- talien ganz mit denen von Weibern europäischer Völkerschaften überein, namentlich war auch hier die Clitoris keineswegH stärker entwickelt.'-

Bei den Negerinnen soll nach .\usspruch eines anderen Autor» das Hymen viel höher sitzen, als bei Weissen.

Von den äusseren Genitalien der eingeborenen Frauen Alge- riens (Araberinnen) berichtet Bertherand Folgendes:

,Par8uitede la pr^cociti!> dans la pubert^ hät^e, par nne vie «Adoi- taire et le «limate dan^ la d6pravation den moeurs favoris^es par Ik poIygamie et les unions conjugales prömaturees, tes organee genitaux acqai^e&t un d^reloppement tr^ prononc^. Chez les femnxes surtoot. rexubötaoce

>)e teoseren weit

^nograpl

135

dee grandes levres explique parfaitement la aecessite de leur excision dsma lee regioDB plus rapproch^es des tropiqnes. Le clitoris i-kI volomineux et tr&a-pro6minent, le vagin trJ's-ample.*

Ausserordentlich viel ist bis in die neueste Zeit liinein discutirt worden über die Scbamlefzen der Hottentotten- und Busch- mann-Frauen, ihre sogenannte , Schürze" oder ,Tablier''. Schon in älterer Zeit, z. B. durch Kolha, erliielt man Mittheilungen über diesen interessanten und auffallenden Gegenstand; so berichtet schon Ten BJiyne: ,Feminae Hottentotticae hoc sibi a ceteris genti- buß peculiare habent, quod pleraeque earum dactyliformes , semper geminas e pudendis propendentes , pruductas scilicet nymphas gestent." Zwar erklärte der alte Blumetiharh diese Angaben iVir eine Erdichtung. Doch gar bald wurden sie von Anderen {Tackard, Spannaun, Sancks, Frron, Lesueiir) bestätigt. So schien denn festzustehen, dass die .Schürze" der einj^eborenen Frauen in Afrika in einer excessiven Entwickelung der Nymphen bestehe. Da trat plötzlich Le VaiUant mit seiner bekannten ßehauptiuig auf, dass hier nicht von einer natürlichen, vielmehr nur von einer künst- lichen Missbildung die Kede sein könne. Man suchte aber, abgesehen davon, dass doch auch bei vielen anderen Völkern von Natur ganz ähnliche Missbildungen vorkommen, anatomisch nachzuweisen, dass die mitunter 14 18 cm. betragende Vergrosserung der Nymphen oft zugleich mit ,einer Verlängerung des Praeputiura Clitoridis bei Frauen der Betschuanen-Stämme einhergehe. Namentlich machte uns Cuvier mit den betreffenden Verhältnissen seiner berühmten Hottentotten-Venus bekannt, welche zu Paris 181 <> starb; und Johanm'S Miillcr besprach die Angelegenheit in gleichem Sinne. Diese Hottentotten -Venus, deren Modell im Pariser Mu.seum steht, hatte, wie de Quatrefayes berichtet, folgende Maasse: die rechte kleine Schamlippe 55, die linke 61 mm Länge, die rechte 34, die linke 32 mm Breite, die Dicke des Organs bleibt sich überall gleich und erreicht 15 mm. Auch bildete Wilhelm Heinrich Buscli die Hottentotten-Schürze als zu lange Nymphen durch natür- liche Missbildung ab.

Nach Cuviers Untersuchung dieser Venus Hottentotte be- standen die fleischigen Lappen, welche den Sinus pudoris constituiren, in der Mitte aus dem Praeputium Clitoridis und dem obersten Theil der Nymphen, alles Uebrige aus der Entwickelung der ivnteren Partie des letzteren.

Weiterhin fand man an dieser im Jahre 1815 durch einen Holländer nach Paris gebrachten und dort im nächsten Jahre ver- storbenen sogenannten , Buschmann- Hottentottin" nach Viret/s Bericht bei der Untersuchung der Geschlechtstheile an der Leiche, dass die angebliche »Schürze" der Hottentottinuen „nichts

Fig. 22. HoUentottsnson&ne (naoli Fbotogiaphie}.

1 RO ^- ^^^ llaasereQ Sexualorgaue des Weibes 'm ethnogr. Hlneicbt.

weiter «ei, als die beiden Nyniphen, welche sehr verlängert a<if beiden SeiU'n hiih den fast unmerklich vorhandenen, sehr verklei- nerton j^ro>(sen Schamlippen herabhängen. Diese von aussen braunen und von iiuu'n betrachtet dunkelrothen Nymphen sind ungefähr zwei Zoll lang vind bedecken den Eingang der Scheide und Harn- röhre. Man kann dieselben, da sie abwärts und zunächst dem Mittelflpinrh nicht anhängen, ungefähr wie zwei Ohren über der Schaui in dit- Hölie heben."

Ks lag im (leiste jener Zeit, in welcher man diese Thatsachen keniK.'Ji liTiitc, dii.s.>j die (»elehrt.en sofort aus analogen Erscheinungen ciui! Erkliuung fiir die Entstehung so eigenth timlicher anatomischer Bildung /u construiren Hucliten. Unter Anderem finde ich folgende Aeu8M<'rung (Itcnard): „Man kann diu sonderbare Verlängerung der äusseren Zeugungstheile der Afrikanerinnen mit der gewisser Hlumen des nänüiclieii Himmelsstrichs vergleichen, z. B. mit den Geiimieii (PelarRoniuin), deren obere Blumenblätter länger als die nniereu sind, vit'lleiclit um die Geschlechtstheile zu bedecken und gt*gi«u di«> allzu hrrnnende *Sonn€r von Afrika zu schützen. Linne vergleicht die Hlunienblätter (l'etAla) mit den Nymphen, und die Ursache der Verlängerung der einen wie der anderen kann in der Hitze dos Klimas liegen." Ein solcher Erklärungsversuch ermangelt allerdings weiterer Begründung; mindestens kann hier wohl nicht an die teleologische Zweckbestimmung der verlängerten Nymphen alw Sohutzorgane vor einer schädigenden Wirkung des heissen Klimas gedacht werden.

Die bei der Section der Sarah von Cuvittr gefundenen anato- misehen Verhältnisse stimmen ziemlich genau öbereiu mit dem, was Reisende aus der Heimat der Hottentotten- Schürze nach genauer Orientinmg berichtet hatten. Insbesondere erhielt die ganze Sache ihre Bestätigung durch Damberger, durch Barrow und Andere. Ditmhrt'gcr sagt:

,Di« Sehaiakfeen waren etwa 3 4 Zoll lang und formirt«n Qber der Soham. wo ato flbevetnander geedüangen waren, gleichsam ein Schloss, welobea, veaa •• geroitt wird, sich von selbst öffnet, da sicli dann die SobamMbM BUMtreoken. Herr Vtänamt macht duron eine äbertriebene Be- adneihva^, t«gl eOff»r, das« di«üeius*at waldte ihre Sehamtbeüe ae hali«* «ollm. SUine oder tonst etwas Sofaweros ia ihre Lefeen hiafeo, wedorcli sie in die Liofe geipgsn wilnleii; dts Unstaktlufte dieser Behnnptaag wird JI«d«T Mehl eiasehes.* Stwa« geoaner beeohriA Bmrrott die Schaasthetle det Weiber der BnsehiB inner: »Die bejratiwte Geschi^te, daas die hotten- ioilisehefe FnuNMdnmer eixi «afev^luüielMi AalUmgmi aa den Theileii habea, dfe das Aofe se<lca a sAea MmmuM, ist ia Aneelwag der Bnscb- mlaeer TdOig wiixt. Die Borde, die wir aatzatai. war dräut medwa. Bei der CaleniMhwig tuAm vir. dass ea ia comt VecOagem« der iaaeim gehaiHppea bestead, dte «mIv oder wcaiger gros» warea. je aertidw dfa Phoob «II oder eoMt bwihaffe« «ar.* MU dea JehMa oolte adadiek die NnB»he» M Uac* wliiw Die Uage 4m giümtm, mtkkm Bamm BMaea. beln« & loll. Die r\iita der so

20. I>ie äusseren vdbl. Sexnalorgane u. ibro ethoogRipli. Merkmale. 137

blau, in das Höthlicbe sich verlierend sein und am lueistea mit der des Aufiwuchsea am Scboabel eines Truthahns Aehnlichkeit haben. Während aber bei Europäerinnen die kleinen Schamlefxen sich runzeln, werden sie bei den ITottentottinnen völlig glatt.

Nach Ausspruch des Zoologen Lichtenstein zu Berlin 'ist die Hottentottenschürze kein Kunstproduct ; sie ist in der Jugend vor der Pubertätsentwickelung und bis zum 20. Jahre im Ganzen wenig ausgebildet und nimmt im Alter zu.

So viel wussten wir Thatsächliches ; da fand sich plötzlich vor wenigen Jahren eine zweifache Gelegenheit, dass fast gleich- zeitig von einigen Forschem die Sache wieder hier in Europa anatomisch erörtert werden konnte. In Deutschland und in England starben zwei Bnschweiber. Luschka mit seinen Schülern in Tübingen untersuchten das eine, Flower und Mtirie in London das andere Exemplar. Mehrere Jahre lang hatte sich das Buschweib ,,Afandy''^ in Deutschland sehen lassen, und als sie in ihrem 30. Lebensjahre zii Ulm gestorben war, lieferte Luschka über ihre Geschlechtstheile eine genaue anatomische Beschreibung mit Abbildungen. Während die grossen Schamlijjpen ganz ähnlich wie in Cuvier's und Johannes MiilUr's Fjüleu schwach ausgebildet waren, so dass sie wenig zur Bildmig einer Spalte tendirten, vielmehr wesentlich dazu beitrugen, dasss die Nymphen fast in ihrer ganzen Länge bloss lagen, bedingten fast ausschliess- lich die kleinen Schamlippen ftir sich das Aequlvalent der Rima pudendi. Sie hängen als zwei weiche, schrautzigrothe, von beiden Seiten abgeplattete Lappen schlatf herunter tind berühren .sich mit ihren zugekehrten Flächen so, dass nur im Bereiche der unteren Ränder einiger Abstand obwaltet. Die Länge der Nymphen von ihrer Basis bis zu der von derselben am weitesten entfernten Stelle gemessen, belief sich auf 3 '12 cm, so dsvs-s sie also das Maass der von Curier und MüUer beachriebenen Fälle nicht erreichten, dagegen die gewöhnliche im Maximum nur 7 mm betragende Länge der Nymphen weit übertrafen (Goerfs), Flower's und Murie's Fall betraf ein Buschmann-Mädchen, welches im wahrscheinlichen Alter von 21 Jahren im Juni 1864 iii London an Tuberculose starb. Auch bei diesem Mädchen waren die Labia majora nur klein, imd wohl nur deshalb lag die ebenfalls massig entwickelte Clitoris weit mehr zu Tage, als beim europäischen Weibe; doch war dieselbe mit einem wohl entwickelten Praeputium versehen, dessen Seiten sich abwärts in die Nymphen fortsetzten. Letztere stellten sich als grosse, 1,2" lange, sehr ausdehnbare Lappen von dunkelrother, fast schwärzlicher Farbe dar. Femer fuhren Flower uud MhHc nach den Mittheilungen eines am Cap wohnenden Beobachters über die äusseren Genitalien zweier anderer Hottentottinnen, Mutter und Tochter, an: Bei der 12jährigen Tochter waren die Glutaei schon mit dem bekannten halbkugeligen Fettkissen bedeckt, die Nymphen hingen in aufrechter Stellung des Mädchens als zwei 3^/2" lange

lö^ane des Weibes in etlmögrapi

Lappen herab; das Hymen war nicht intact; die Mutter nahm ihre ungemein verlängerten Lappen auf, legte den rechten nm die rechte Seite über das Gesäss, den linken ebenso, mid die Enden beider berührten sich hinten in der Mittellinie,

JBlanchord benutzt die absonderliche Bildung der Genitalien der Buschweiber^ ura den letzteren die niederste Stufe auf der Scala der menschlichen Eutwickeliing zuzuweisen, indem er bei ihnen eine erhebliche Thierähnliclikeit und zwar im Speciellen pithecoide, affenartige Zustände nachzuweisen bemüht ist. Er citirt Cncier, welcher sich über die Steatopygie der Buschweiber fol- gendermaassen äussert;

,Elles ofi^ent une ressemblance frappante avec celles qui surviennent aux femelles des mandrills, des papions, ek-, et qui prennent, k certaines epoques de leur vie, un accroissement vraiment raonstrueux." ,,RappeloDa tout d'abord, fahrt BlancJuird fort, que le tablier est oonstitue par une hjrper- trophie coüsiderftble dea petitea levresj et du pr6puce du clitoria. En ni^me tempB qiie les nymphes se dereloppeut de la sorte, la taille du clitoris aug- monte elle-uidme dana de notablea proportions, niois lea grandes levTca et le Qiont de Venus gabisscnt une regreasion veritable et sont loin de präsenter un dÄveloppement cotuparable ä celai qu'ils atteignent chez les femuies d'autrey races. II en reaulte que lea nymphea d^bordent de beaucoup lea grandes levrea et que la rima pudendi, c'eat-äi-dire la ligne auivant laquelle ä'affrontent ces demierea, n'exiate plna; ou plutöt, eile ae trouve anormale- ment conatituee par lea petites levres.

On ne saurait meconnaStre l'analogie reuiarquable qui existe entro cette diaposition de lu vulve chcz le chimpanzä fenaelle et la conlormation de ce« tußmes partiea clicz la iemme boschimane."

In der Berliner anthropo- logischen Gesellschaft besprach Waldryer das Präparat von den Geschlechtstheilen eine^ K o rannaweibes. Die im südöst- lichen Afrika wohnenden Ko- ranna sind Betschuanen (Hottentotten), welche nach F ritsch mit sehr viel Busch- mannsblut gemischt sein sollen. „Die beiden Labia inajora eind gut entwickelt, deutlich durch eine Pl(f. 23. Hotteiitott«n»ohttMe (n»ehÄ/«»rA<irrf). Furche von dem noch erhaltenen

Schenkelresto abgesetxt; die Com- miaauralabiorura anperior ist ausgerundet und tritt nicht bestimmt hervor; ander InnenÜii^he der grossen Labien finden sich noch vereinzelte stJlrkere Haare im Zusammenhange mit der erwähnten äusseren Behaaning. EiueCoturoiaaura labiomm inferior fehlt völlig, da die beiden Labien anulwärts sich weil ron einander entfernen und sich unmerklich in die Haut den Daminea verlieren. Oben haben die grossen Lippen eine Breite von 3 cui, in der Mitte von 2 cm, gegen das untere Ende von 1 cm.

2ü. Dieduflseren weibl. Sexualorgane o. ihre etlisogrmnii.

Die Scbamgpalte klafTb ziemlich weit In ihrer ganzen I'iage. Dim Klaffen wird bedingt durch eine umfangreiche Hervorra^j^ong. di« wie wi fin«n] rundlichen Stiel unter der Comniissura labiorum soperior beginnt ud abwärts in /.wei rundliche, blattförmige Lappen ausläuft. Letztere ragen au« dein mittleren Theüo der Schamspadte hervor, liegen dicht aneinander und decken schürten förmig den ganzen unteren Abgchnitt der genannten Spalte bis zum Damme bin. Der stielfOrmige obere Theil diese« Vorhänge« wird in dem Zustande, in welchem sich das Präparat gegenwärtig von den Labia majora nicht gedeckt, ist ohne weitere« deatlidb Dnlngt man die letzteren jedoch aneinander, so wie sie etw% bca Schenkeln liegen müssen, so decken dieselben den StieL

Der letztere weist »ich ala da« verdickte and längertc Praeputium clitoridis aus, die beiden Lappen jj< dat tien der kleinen Schamlippen. Diese Lappen sind 4 c^ Ühr Vestibulum vaginae begrenzen und gehen lateralwärta i Basis der Labia majura ganz in derselben Weise Aber. gewöhnlicher Gröt<8o und Form. Die Breite der Lappea 2,5 cm. Nach abwärts Het7.en sich dieselben in xma welche nicht stärker entwickelt erscheinen, als klii— Weiber, und sich ganz so wie solche verbalten, der Commissura inferior hin, sind sie leicht wviädg wieder etwas stäiker vor. Man kann also Präparates drei .\bBcbnitte unterscheiden entwickelt ist und in Form der SchOrze herri ganz gewöhnlichem Verhalten, der auch bei Labien von den letzteren völlig verdeckt w: etwas wulstartig verdickten. Eine sogenanate Fossa navicularis fehlt; vielmehr kommt 9mm4 eine Furche, welche zwischen den duialaft minora auf den Damm hinausführt. Von 6mm \m geht beidt-rgeits in normaler Weise ein FreBaüsn ist auffallend klein, ohne deutliche Abi puti(ilta.si-be darin. Das Vestibulum mündung liegt ziemlieb weit von deutlich her\or. Von der hinteren V rum posterior stark und keilförmig Nymphenpartien vor. Die Rugae w, bat eine Länge von nicht ganz 2 ca

Bei Negerinnen konimi

11 anderer Grad der söge: h/o beschreibt eine solche i Breslauer Krankeubauie weichung erklärt Johanna Hypertrophie der Clitori» ; Klappe vor der Sc-bainH|M]^ lippi'ti «ich wie gewöhnlidi

wuidor stehen und die

fh dem After zu ia der Quere, 4 Zoll Stiel.

Z4M

l«fe

f40 V. Dieäasle

se des Wuibes in <

In Beyrnt fand Duhomstt ein junges Mädchen von 14 Jahren, deren Qeschlechtetheile er in folgender Weise beschreibt:

„J'obäervaia alors le grand developpement des nyoipbes, dont les plisj muqueux se terniinivient eti pointe, reposaut ü terra sar une longueur de] quelques centimr-tres de chaque cöte du vugin, avant de ae confondre aveo i celui-i-i il ]a face interne des grandes lt>vres. Les deux lobes formnat ce prolongement chiirnu des petites levres, partant du pröpuce, seniblaient depasser la trace du cUtoris, dout on ne voyait pas le renflement arrondi terminal. L'aspect de hi vulve de cette fiUo de qiiatorze aus, probableraent d^jil d<5floree, etait repoussant. L'excroissance anormale, plus rouge que la peaugeneralement d'un ton bistre, etait recouverte d'une p0U'<si6re ghse rendue huunde par la secretion aebacee qui s'en echappait incessamraent.*

Eine Abbildung, nach der Natur aufgenommen, legte Duhoiisset ' der Pariser Societe d'Anthropologie am 15. Februar 1877 vor. Bei dieser Gelegenheit spricht er seine Ansicht dahin au.«, dasa eine derartige Verlängerung der Nymphen in heissen Zonen viel häufiger vorkomme, als in gemässigten, selbst an solchen Plätzen, wo sich die Mädchen und Frauen nicht etwa selbst durch Berüh- rungen der Theile diese Verlängerungen hervorzubringen be.'^treben. Dnhnnsset giebt zu, dass auch in gemässigten Zonen dergleichen Verbildungen vorkommen, wie Bmca versichert hatte, der sie in Frankreich nicht selten einseitig vorfand. Er meint, dass das häufige Vorkommen im Orient dort die Veranlassimg gegeben habe, eine Abtragung der Nymphen für nothwendig zu halten und hier- mit die Circumcision einzuttihren.

Wir haben uns ziemlich ausftlhrlich mit dieser Angelegenheit beschäftigt, und es fragt sich nmi, inwieweit man die hier be- sprochene Gestaltung für eine ethnologische Eigenthüralichkeit zu betrachten berechtigt ist? Hartmann sclireibt in dieser Be- ziehung :

„Diellottentotten^^chürze braucht man nicht bloss in Südafrika: KU suchen, man findet sie durch den ganzen Continent, sogar in Europa noch. | häufig genug! Jeder 8tubenethnolog würde erstaunen, wenn ich ihm ein Gla« voll sogenannter Hottentottenacbürzen, aus demPräparirsaale der Haupk-j und Weltstadt Berlin stammend, fein säuberlich in Alkohol aufbewahrt, vorweisen würde. Facta loquuntorl Nach unserer eigenen geburtshülfiichea Beobachtung können wir allerding« bestätigen, dass ähnliche Bildungen bei, unseren d eutschen Frauen nichts© selten sind, wie man wohl früher meinte. | Allein für die Ethnologie handelt es sich doch nur darum, festzustellen. <>r9t.€n.s welche durchschnittlichen Grössenverhilltnisse die It^-^rf^fft-nden ( Theile hier wie dort zeigen; zweitens welche Minima und Ma.x dort vorkommen. FOr jetzt mangelt «s noch an geniig«ndem Ai

Wuldeyer wirft die Frs^e auf, ob wir in der Hottentottei schürze ein Rassenmerkmal oder eventuell eine Theromorijhie, «nel thierische Bildung zu erkennen haben. Und er citirt mehren*) Autoren, denen zufolge ilie Hypertrophie der Nymphen in ihren] Anfangen beim neugeborenen Kinde bereits deutlich unterscl" I'^"" sein soll. Vrolik z. B. schreibt an Ti&iemann:

20. Dfe Rnsseren ireibl. Sewalorgatie a.ihre ethnogrspli.

Et ce qne parait plun curieux encore. dans l'enfanl nouveuu-ne se trouve d^jä la premilre ebouche de ce prolonj^ement comiiK' predijpoaition inn^f.

Eine sehr bedenkliche Erschüt- terung erhält diese Ansicht von der ethnographischen Bedeutung der Hnt- teiitottenschtirze durch eine Er- klärung des Missious-Superiiitendeu- ten Merensly, welcher viele .Tnhre unter diesen Leuten gelebt und ge- wirkt hat. Er äusserte sich in der Berliner anthropologischen Gesell- 8chnft iblgendermaassen :

,Wii8 die Hottentottenachürze »ngeht, ao gelit meine Meinung duhlu, da!<H »\e nicht natürlich ist, sondern, wo sie vorhanden war, kUntstliL'h er- zeugt wurde. Ich bin zu dieser Ansicht durch die Beobachtung geführt, dass die Basutho und viele andere afrikani- sche Stämme eine kflnstüche Verlängerung der Labia minoni zu bewirken wissen. Die dazu nothwendige Manipulation wird von den äUeren Mädchen an den kleineren fast von der Geburt an geübt, sobald sie mit dienen allein »iiid . wozu gemein- iatnes Sammeln von Holz oder gemein' «ames Suchen von Feldfrdchten fast täg- lich Anlass giebt. l)ie Theile werden ge- zerrt, später förmlich auf Hiülzchen ge- wickelt."

In der Debatte zu dem 11«/- </fV''r'8chen Vortrage erinnerte der Herausgeber an den soeben citirten Ä.usö]»ruch Merensky's und hob her- vor, dass hierdurch auch sehr gut die von Waldn/cr beschriebene Form der Hottentottenschrirze ihre Er- klärung findet, dass nämlich der obere Theil der kleinen Schara- lippe am meisten vergrössert erscheint. Er ist es ja gerade, der bei diesen Manipulationen am leichteHten mit den Fingerspitzen ge- fasst und daher auch am ergiebigsten gedehnt zu werden vermag.

Wir mUssen uns übrigens vollständig HcütmatDi's Ausspruche anschliessen, dass die Hottentottenschürze auch bei uns in Deutschland gar nicht so nbermässig .selten von den .Verzten augetroti'en wird. Der Heniusgeber kann es al)er nicht verschweigen, dass diejenigen Fälle, welche er selber zu sehen Gelegenheit hatte, .Ausschliesslich bei solchen Damen vorgekommen sind, wo der aller- ägrllndetate Verdacht vorlag, dass sie masturbatorische Reizungen

Fig. 24. HoUgevolmitite Figur der

BuTKOnda {Bild-Afrika).

Hfnieranilclit, di« Hottontollen-

schürte ceigood. <Naoli Photogrnphie.)

(2 V . Die äu»«^ei^«iraäiörgane des Weibe« inevnnö^repG

auf diese Tbeile hatten einwirken lassen. Er äusserte sich kürzlich in diesem Sinne gegen den Berliner Gynäkologen Karl Schnmhf, der ihm erwiderte, dass er die Sache genau ebenso auffasse und dass ihm in einer grossen Reihe von FHllen, wo die vorliegenden Krankheits-Verhältnisse ein In- quisitoriuni in dieser Richtung erforderten, immer und übereinstimmend die frühere Masturbation zu- gestanden worden sei.

E.s wird von einigen Anatomen mit Bestimmt- heit behauptet, dass die Clitoris in südlichen Zonen überhaupt grosser sei, als in den gemässig- ten und kalten Zonen, und dass namentlich bei einigen Völkern Nordafrikas constant eine Ver- längerung der Clitoris und der kleinen Schamlippen vorkommt. InsbeBoudere ist die Verlängerung bei den Abyssinierinnen (nach Brurc), M a n - dingos, Ibbos (nach Mungo Park) u, s. w. bedeutend. Diese Thatsache konnte auf eine mög- liche Erklärung des gerade bei diesen Völkern heimischen Gebrauchs der blutigen Resection oder Excision der Mädchen führen. Doch führt Gört^ dagegen an, dass die Beschneidung der Mädchen in Kamtschatka, wo die Nymphen ja auch vergrössert sind, sowie in Südafrika nicht gebräuchlich ist. Er verwechselt hier oifenbar die Excision der Clitoris mit der Beschneidung der Nymphen, zwei Operationen, die scharf ge- trennt werden müssen.

Dass den Afrikanern selbst diese ihre körper- lichen EigenthUmlichkeiten sehr wohl zum Be- wusstsein gekommen sind, das vermögen wir aus Fig. 25. Hokgeaahnltn« gewissen Producten ihrer Kunstfertigkeit zu ersehen. ^OeYtrt*- AWkfr ^" ^^^^^ Schtceinfurtli^ eine aus Holz geschnitzte di.koü.l'oh T,r«rä.. weibliche Figur der Bongo ab (Fig. 25), welche *,"'*..^i"f''' ',*'*,^?'* zur Erinnerung an eine verstorbene Frau geferügt wurde. Man erkennt an ihr mit grosser Deut- lichkeit die verlängerte Clitoris. Das Museum des Berliner Missionshauses besitzt eine ebenfalls in Holz gearbeitete Frauenfigur von unbekannter Bestimmung, welche die Bavaenda, ein Bet- ütchuanenstamm im nördlichsten Transvaal, gefertigt haben. Hier sind die vergrösserten inneren Schauilippen in unverkennbarer Weise zur Darstellung gebracht worden. (Fig. 24.)

r 6Tfff0lB0I Un^ I

S1. Die künstliche Vergrösserung der Scliamlippcn und der

tClitoris and die absiclitliclie Zerstörung; des Jungfern- liäatcliens. Wir haben diesen Gegenstand weiter oben bereits flüchtig berührt, ^ wir von der Hottentottenschürze sprachen- Wir müssen H dieser Stelle aber hinzufügen, dass diese Organe durch Mani- pulationen bei nicht wenigen Völkern verlängert und vergrösaert werden. Dass die ursächlichen Beweggründe zu diesen absonder- lichen Vornahmen aber allemal die gleichen sind, das möchten wir als unwahrscheinlich betrachten. In den vorher besprochenen Fällen handelte es sich xugestandenermaassen um die onanistische Befriedigung des Geschlechtstriebes, tmd ob wir bei den Hand- tierungen der grosseren Basutho- Mädchen den kleinen gegen- über nur eine unschuldige Spielerei erkennen sollen, das erscheint doch als in hohem Maasse fraglich. Wahrscheinlich ist auch hier eine Verirrung des Geschlechtstriebes die Ursache, welcher in der Onanisirung eines Anderen seine Befriedigung erstrebt. Allerdings lässt es sich nicht leugnen, dass in anderen Fällen vielleicht nur eine Verschönerung in dieser absonderlichen Weise erzeugt werden sollte. Und ganz gewiss werden manche dieser Dinge vorgenom- men, am eine Steigerung der geschlechtlichen Befriedigung hervor- Ktirufen.

Schon Le VaiUant hatte behauptet, dass die Hottentottinnen und die Nama qua -Frauen (nicht alle, sondern nur einzelne) aus Eitelkeit die grossen Schamlippen verlängern, indem sie zuerst durch Zerren imd Reiben diese Theile ausdehnen, dann aber auch durch Anhängen von Gewichten die Länge derselben mehr und m^lir steig-ern.

Auch mitten iu Afrika kommt bei mehreren Negervöliun der Gebrauch einer künstlichen Verlängerung der Schatnlippai «m; z. B. in Dahomey (Adams), ferner bei den Uganda. UM^pv wird bei den Wahia am Niassa-See der Kitzler ko taoff warn tm Finger ausgedehnt. Auf welcher Thatsache die Nadirieiil kente. die Camnon am Tanganjika-See erhielt, mag wmA 4Bäkittti werden: er erfuhr, dass weiter im Westen durch Kiude es dahin gebracht werde, dass die Fettdeekr it» üj wie eine Schürze bis auf die Mitte der Schenk*-! der Gouverneur von Angola, Admiral AndrnäA, Keiaendon Cameron, dass Aehnliches in der Nfilie vsi titatttinde.

In Nordamerika findet bei den Miiiiitii Waiiiii lim formiren der Geschlecht^theile statt; auch iot mlBr AbIKc^Im^'M und Krähen- Indianern die künsttlicb«- V'. fider auch der inneren Schamlippen

Auf der polynesischen Insel Punspr (btü> tirt eine grosse Unsitte, über welobr JmIi

I I

1 44 ^ Di^ ^""äi

de« Weibes in etbnograph. Hinsicht/

.,Ale besonderer Keiz cmas Mädcbcus oder einer Frau gelten besonderg verlSLngerte, berabhfijigende Labia interna. Zu diesem Behufe werden impo- tente Greise angestellt, welche durch Ziehen und Zupfen bei M&dchen, noch wenn dieselben kleine Kinder sind, dic&en Schmuck künstlich hervorzubringen bemnht sind, und damit zu gewissen Zeiten bis zur herannahenden Pubertät fortfahren. Zu gleicher Zeit ist es ebenso die Aufgabe dieser Impotenten, der Clttoria eine mehr als natürliche Eutwickclung zu verleihen, weshalb dieser Theii nicht allein anhaltend gerieben, sowie mit der Zunge beleckt, sondern auch durch den Stich einer grossen Ameise gereizt wird, der einen kurzen, prickelnden Reiz verursacht. Im Einklänge hiermit stehen die Extra- vaganzen im Genuss des Geschlecht.'striebs. Die Männer bedienen sich zur grösseren Aufreizung der Frauen nicht allein der Zunge, sondern auch der Zähne, mit welchen sie die verlängerten Schamlippen fassen, um sie länger zu zerren."

Man nimmt ferner an den Müdeben, und zwar schon im jugendlichen Alter, Manipulationen vor, welche einzehie andere Theile der Sexual- organe defonuiren. So giebt es zwei stark bevölkerte Länder auf der Erde, China und Indien, deren Einwohner und Einwohnerinnen völlig unbekannt wind mit dem Vorhandensein eines sogenannten »Jungiernhiiutchens'' (Hymen), und die Ursache dieser Unbekannt- Bchaft ist lediglich in einer übertriebenen Geaundheitsmaassrege) zu suchen. Während sonst alle orientalischen Völker dem Hyjnen ab Zeichen der Jungfräulichkeit der Braut einen hohen Werth beilegen, wird dieses Häutchen sowohl in China iilö auch in Indien bei den äusserst sorgfältig vorgenommenen Reinigungen der kleinen Mädchen durch die Wärterinnen regelmässig zerstört. So kommt es, dass die Chinesen und .selbst die chinesischen Aerzte gar nichts von der Existenz des Hymen wissen. Die Kinderwürterinnen der Chinesen betreiben näntlich, wie Ifnrt'uu de ViUnicnve erzählt, bei den täg- lichen Waschungen der kleinen Kinder die Reinigung der Ge.schlecht«- theile derselben und die Beseitigung des sich in den Genitalien bei dem heissen Klima stark ansammelnden Schleime« so scrupulös, dass sie stets den reinigenden Finger in die Scheide des kleinen Mädchens einfuhren. Hierbei erleidet das Häutchen, das vor dem Scheiden- eingang ausgespannt ist, eine wiederholte Ausdehnung nach innen tmd verschwindet zumTheil. Aehnliches lindet sich im al iuris eben Archipel auf der Insel Ambon und auf den Uliase- Inseln. Derselbe Gebrauch herrscht auch in Indien selbst unter den dort wohnenden Engländern und Holländern, welche einheimische Ammen an- nehmen, üeberhaupt wird dort die Keinigung der Sexualtheile sehr scrupulös durchgeführt. ,,Eine löbliche Eigenschaft des weib- lichen Geschlechts," sagt /:/y>, ,,ist die Koinlichkeit der Genitalien, und es hat in die.ser Be/iehung einen grossen Vorzug vor d<rm in Europa, bei welchem Sorglosigkeit oder übergr«).ssc Scimmhaflig« keit die Ge.schlechtstheile zu einer mephitischen Cloiike tunclien. Hier folgt nach jeder natürlichen Befriedigimg Abwaschung mit Was.ser."

Jungfrauen, die sirli noch im Besitz des Häutchens befindeOf

92. Die Beochtteidmig der Mädchen und die Tenfhna^.

Eb

.,Nulla inter illae inveoitar virg«), nuixima cuiu cura oiunein

Kuoh UU8 Shnlichen Ursachen lerintieo Brasiliens ebenfalls nicht geben. V. Ftldnn'.t Bericht, ra iietAte tUia«

entiiiiiqui' amovare aiadet, Iioc quidem uiodo arliorifi in infundibuli l'orinatn redactum, ei ^an udt itules itnuiisaii-) hnc et illud uiOvetur, per Infamdili J iii i niittitur."

In ParH}j;iiav herracht eiue sehr currupte sm^ Hebamoii* ein Kind männlichen Geschlechto it ihren Händen sehr ^»t8rk den Penis lug; ou Pa ragua y !!ioil überhaupt das männliidie Glied «fe Im^ wenn das Kind jedoch weiblichen Geschlechts ist, ao bofet mt em Finger in die Vagina, indem sie sagt: JÜa itt eise Fi giebt es in Paraguay keine Jungfrau, iiuien dw ff xerstört ist {MatUef/ujrzu's Hchriftliche Mittheiloiigec >.

Durch eine auf mehreren Iiiaeln de» alfori^^hen enrachendt Unsitt« {RieiJd^) wird selbstrecstiii'Uidk uugfernhaulchen vernichtet. Dieselbe besteh ilädchcu wührend der Menstruatien Tampoo« tob anmbiifit in die Scheide hineinsteckt, damit cret aufsaugen sollen.

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22. Die Beschneidang der Midchea umä die T(

Die Operation der BeechaeidoBg bd Midrixa )lutigen Abtragang und Äusrottmig der dilori». »otinm cUtoridis und zum TheO in Abiiagig der lipp«o, Howie des Eingangs der Sdietde (BiSharg, ¥mBf\, Gebrauch der Excision eiistiit bei einer lAnzahl von VOlkem nicht blos« in Afrika, Rchicdfuen anderen Orten der Erd«. ^laa find den Offcranffa iii 1 ätüdten Arabiens, wo der Zorof: ,0 Sohn der «nb4*duittte- Q Frau* bei den Arabern ab ein Aoadnu-k der Veraditaag t {Wilken), in Aegypten, in Nabien (Kordofan), in byxtiiuien, im Seunaar und den iiiiilifiggiiideii Idmdam, in lad-Sudan, bei den <-TalIaB, Agow», Gaffata und ongas, tiowie manchen anderen Völkern Ostafrikaa. Die

Isilthal bei den kleinen Mädchen stattfindende Excision di mphen soll auch in der kleinen Oase in der Lybiscbe üste gebräuchlich sein. Aber nicht bloss bei diesen mei^t m anisichen Völkeffcbaften im Osten dieses Enltheils, 8ondfr im Westen bei den Negervnlkern: den Susus, in Harn üc, bei den Mandingos, in der Gegend von Sii'rra-bt'oni»

Benin, in Congn und in Acra an der GoldklUt«, «nhU, bei den Negern in Old-Culabar und in

Plott. I>M W«lb. I. 1. Aiifl

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1)01

Luanda;

1 46 ^- ^c ftneseren SexvalorgRne des Weibes in ethnograpb. Hinsdii.

Südosten bei den Masai- und Wakuasi- Stammen ; im SUden b< einigen Betschuana-Völkern. Dieselbe Sitte ist auch unter dei Malayen des ostindischen Archipele, namentlich in Java hei| misch. Und merkwürdiger Weise bat man sie schliesslich auc unter den Indianern in Peru (den Chunchos oder Campal und den Tuncas), sowie bei den Panos und fJlen Indianer] am Ucajale-Fluss entdeckt.

Bei dieser grossen Verbreitung der eigenthümlichen Sitte Kiuiächst die Frage, von welchem Punkte der Erde sie wohl atis-] gegangen sein mag. Für jetzt lässt es sich wohl kaum mit Be stimmtheit entscheiden, ob sie vielleicht schon von dem alten Aegypi ten aus ihren Cxang nahm, oder ob sie ihren Urspnujg unter Arabern hatte. Man meinte, dass sie wohl in Arabien ihre erst Heiniath haben möchte, weil vorzugsweise die raoharaedauisüchei Völker Anhänger der Sitte geworden sind. Allerdings spricht schoi Strabo von der Beschneidung der Mädchen bei den Arabern, nai vielleicht hat sich schon vor Mohamed die Sitte von Arabien at nach Aegypten und anderen Ländern Afrikas verbreitet. De die mohamedanisehe Religion hat an sich gar nichts mit dies Sitte zu thun, auch sind ja unter den genannten Völkern Afrika« viele nichtmohamedani^che.

Schon die alten Aegypter beschnitten die Mädchen im Alter der Pubertät, wahrscheinlich meist im 14. Lebensjahre. Dies geht aus folgender Stelle in einem Papyrus hervor, die ich bei BacA (^Vn fand. Im fünfzehnten der britischen Papyri heisst es liernardino Peyron: i,.4rm<i». ein in derClausur des meraphitisc hen| peuni lebender Aegypter, reicht dem Strategen Diont/sios folgende Schrift ein: Tatrmi, die Tochter der Nefori von Memphis, lebe mit »hm it .Serapeum, und habe durch ihre Collecten und die freiwilligen Gaben der fiucher bereits ein Vermögen, betragend ein Talent und 390 Drachmen, gesa melt, das sie ihm aU Depositum zur Aufbewahrung anvertraut habe. Daraq sei er vun der Mutter der TaUmi folgender Art betrogen worden: sie hab ihm vorgegeben, die Tochter stehe in dem Alter, .in welchem sie nach ägypl tischer Sitte beschnitten werden niüase {ntgnifiivfad'ai); er möge ihr dab« jene Summe verabfolgen, damit sie bei der Vornahme jener feierlichen HaD( iung die Tochter einkleiden und augemesaeu dotiren könne. Sollte sie nicl: dazu kommen, das Vorhaben zu erfüllen und die Tochter TaUmi im Mon« Mechir des Jahres XVIII zu beschneiden, no werde sie ihm die Summe vo| 2400 Drachmen zurückerstatten. Auf dienten Vorschlag sei er eingegangen iic^ habe der Sefur\ das Talent und die 3^0 Drachmen eingehllndigt. Al)er di^ Mutt«r habe von Allem Nichts gehalten, und aU nun die Tochter ihm Voi würfe gemacht und ihr Geld zurückverlangt, sei es ihm durch mchtige («4 ivch&fte unmöglich geworden, sich sclb.'t nach Memphis zu bogeben nn^ dort seine Angelegenheit zu besorgen. Darum gehe seine Bitte dahin, Nefot möge vor Oericht geladen und die Sache zum Gegenstand richterlicher Bl urtheilung gemacht werden."

Diese Stelle beweist, djiss die Aegypter, welche die Beschneid dnng des mannlichen (ieschlecht«« nur bei der Priester- und K- - -J^ [aste nbteiK das weibliche Geschlecht allgemein der beschneide

22. IKe Beschneidong der Mtldolien und die VernBhoug.

147

Twarfen, wobei die Tochter ihre Dotation erhielt, so dass sie gewisser- maaesen in den Besitz ihres Heirathsgutes gelangte. Denn da in Aegypten. wie Herodot bezeugt, kein Weib irgend ein Priester- thum versah, so konnte auch die Beschneidung der Mädchen nicht als priesterlicher Vorzug wie bei dem männlichen Geschlecht gelten ; vielmehr war es vielleicht ein Vorrecht der im Serapeum erzogenen Mädchen, im Pubertätsalter beschnitten zu werden, oder man be- Bchnitt überhaupt alle Jungfrauen.

Uebrigens meint^en auch altrömische Autoren, dass die Sitte wenigstens in Aegypten schon sehr alt sei, denn FavUns von Aegina^ welcher im 7. Jahrhundert n. Chr. lebte, sagt: „Quapropter Aegyptiis visuni est, ut antequam eruberet, amputetur, tunc prae- cipue, quum nubiles virgiues sunt elocandae,'' Allein, wenn es auch nicht gelingen sollte, Arabien oder Aegypten als Ausgangs- punkt der Sitte festzustellen und die Verbreitung derselben von hier lUus Ober fast ganz Afrika und Ober den ostindischen Archipel nachzuweisen, so würde doch der Weg, den sie nach Südamerika zu den Indianern Perus sowie zu denMalayen des ostindi- schen Archipels einschlug, ein ungelöstes Räthsel bleiben. Es ist vielmehr mit gröbster Bestimmtheit anzunehmen, dass manche Völker iselbständig zu dieser sonderbaren Sitte gelangten.

Man hat nicht ohne Berechtigung behauptet, dass die Opera- tion in der Absicht ausgeführt werde, die Geschlechtslust abzu- stumpfen. Denn abgesehen davon, dass manche Völker, unter welchen die Operation eingeführt ist, eine solche Absicht als Zweck der Operation angeben, trifft ja die Operation auch gerade die iWolluMtorgane, welche durch sie entfernt werden. So sprach denn Lauch ßrehm, der diesem Gegenstände eine besondere Aufmerk- samkeit gewidmet hatte, gegen mich die Ansicht aus, dass diese Openition nur vorgenommen wtlrde, um den bei den afrikani- ,cben Völkern ausserordentlich lebhaften Geschlechtstrieb der Frauen zu vermindern. Andere meinten, dass die bedeutende Grösse, welche in jene« Ländern häufig Clitoria und Nymphen [erreichen, als Schönheitsfehler betrachtet, und dass deshalb zur Abtragung dieser Theile geschritten wird. Bruce, welcher auf seinen interessanten Wanderungen Gelegenheit hatte, über die Sache bei den Aegyj>tern, Abyä.sinieru, Gallas, Agows, Gaff ata und Gongas Erkundigungen einzuziehen, giebt als beaonderen Grund der Sitte an, dass von dem heissen Klima [oder von einer anderen Ursache eine gewisse Ungestaltheit an jdfii Schamtheilen der Mädchen eintrete; und „um dieser abzu- Ihelfeü, st«! die Besclineidung nothwendig". Auch schon früher rurdi* in Folge einer ärztlichen Untersuchung die Operation als „notbwrndig" dargestellt. Die katholischen Priester, welche im 116. Jahrhundert in Abyssinien Fuhs gefasst und das Christenthum 'itet hatten, verboten zu jener Zeit die Beschueidung ihrer 1 . . iinnen, denn sie glaubten in derselben einen Ueberrest des

iBOgnpl

Heidenthuuis zu finden. Allein die Folge dieses Verbots war, dass sich dort Niemand mit einer Katholikin verheirathen wollte. Die Priester sahen sich daher geaöthigt, die Beschneidung der Weiber zuzulassen, nachdem ein von der Propaganda in Rom abgesandter Wundarzt die „Nothwendigkeit" des alten {durchaus nicht religiö.seu) Gebrauchs festgestellt hatte. Der Arzt wollte nämlich daselbst beobachtet haben, dass der in jenen Ländern heimische Auswuchs (die grosse Clitoris imd die verlängerten Nymphen) an den Ge- schlechtstheilen der Frauen bei den Männern einen grossen und unüberwindlichen Abscheu errege tind folglich dem Zwecke der Ehe hinderlich sei. Ebenso berichtete Mango Park aus dem Westen A f r i k a s , dass daselbst die Mandingo-N eger die Operation nicht als religiöse Ceremonie, sondern als etwas „Nttt*- liches" betrachten, indem sie glauben, dass dadurch die Ehen sehr fruchtbar werden.

Demnach betrachten wohl manche Völker die Operation um* als eine zweckmässige Handlung zur Beseitigung eines mechanischen Hindernisses für die Ausübung des Coitiis imd liir die Befruchtung. So lassen sich die Widersprüche erklären, welche HKSseyger durch sein Kaisomieinent nicht zu lösen vermochte, liusscgger, welcher die Sitte im südlichen Nubien fand, sagt darüber:

„Die^e uralte Gewohnheit i^t uieiuei* Ansicht nach rein eine Erfindung aildlicher Eifersucht, und ihr praktischer Nutzen lä«^>t sich um so wenigcv einsehen, da der Keiz des Beisclilttfa weiblicher Seite durch dieHe Operation Dothweadig vermindert und dadurch der Zuuahme der Bevölkerung entgegen- gewirkt wird. Auch die scheinbar nothgedrungene Enthaltsamkeit im Um- gänge mit dem anderen Geacblechte vor der Ehe wird dadurch keiuesweg« allgemein erreicht, da mir mehrere FJüle bekannt sind, wo Mädchen, auf diese Art päparirt, die Aufschneidung an sich vurnehmen lieseen, spAier aber dem Acte der .\uf8chneidung, nur mit wenigen Umständen verbunden, neuerdings sich unterwarfen, eine neue Vernarbung herbeitührten. und ohne Anstand alt jungfräuliche PhOnixe ein efaülichc« Biludnins eingingen."

Ich glaube, dass Russegger die beiden verschiedenen Opera- tionen der Excision und der nachher zu besprechenden „Veraähung'* miteinander talschlich identiticirt oder verwechselt und deshalb ihre verschiedene Tendenz verkannt hat. Die Vernahung ist aller- dings ein Act der männlichen Eifersucht, die Excision aber bat nur die Aufgabe, die als Hinderniss betrachteten Theile schon früh- zeitig zu beseitigen. Nicht überall, wo die Excision vorgenommen wird, nimmt man auch die Vernähung vor; jene O[jeration ist viel- mehr weit verbreiteter als diese.

Die künstliche Verkürzung der Labia rainora und die Exstir- patiou der Clitoris unter den Völkern Ostafrikas hat deiunach vielleicht ursprünglich einen ganz V ii Zweck gehabt, wenn

auch diese Völker zum Theil die _ ^lich damit verbtindeue Absicht jetzt nicht immer bei Befolgung der altherKebrachten Ge- wohnheit völlig bewusst im Auge hj»l>eü. Wie wenig diese Völker »ich selbst und Anderen Rechenschaft Ober die Bedeutung der 0|n?-

img der MäUchen

mir.

rsktion xn geben im Stande sind, scheint schon daraus hervorzugehen, daüs so viele Fteiseode trotz manni^acher Erkundigungen keine liestimmte Antwort auf die Frage über die eigentliche Absieht crh»U«o konnten.

Die Beschneidung ist bei den meisten Völkern mit eigen- thümlichen Ceremonien und Festen verbunden. Dae Lebensalter, in welchem die Beschneidung der Mädchen stattfindet, ist meist «•in selir jugendliches. In Arabien wird ihr das Mädchen schon wenige Wochen nach der Geburt unterworfen (Niebithr)'. bei den Somiili mit 3 4 Jahren (Fuulitschke) \ im südlichen Aegyp- ten wird sie vor der Pubertät im 9. oder 10. Jahre vorgenom- men (Werne), in Nubien im zarten Kindesalter (Russrpger), bei den Mandingo-Negern zur Zeit der Mannbarkeit (Sinngo Pari'), in A b y s s i n i e u , bei den G u 1 1 a s , A g o w s u. s. w. gewöhnlich wenn das Mädchen 8 Jahre alt ist {Drum); in Dongola iKordofan) um da.s 8. Jahr {Rüppell); bei den .Vlatkisses, einem B et seh uanen- Volke in Südafrika, zur Pubertätszeit [Delfgoryui^); ebenso in Old-Calabar (//pfraw); bei den Malayen des ostindischen Archipels, in Java u. s. w. zur Zeit des zweiten Zahnens (Epp); bei den Indianern in Peru, den ('hunchos oder Campas, an Mädchen von 10 Jahren (lirandidirr). Bei den im südöstlichen Afrika lebenden Masai- und Wakuasi- Stämmen, welche die S&hne im 3. Jahre beschneiden, werden die Töchter erst kurz nach ihrer Verheirathung beschnitten; bei den Negern zu Loanda 8 Tage vor der Hochzeit {DottrUle). Die Peuhls im Westen Afrikas beschneiden die Mädchen bald nach der Geburt, In Persien soll bei einigen Nomadenfitämmen nach Chardin die Be- schneidung der Mädchen zur Zeit der Mannbarkeit üblich sein ; doch konnte Polak trotz aller Nachfragen Nichts hierüber constatiren.

Eine Be.schreibung der Operation, wie sie zur Excision der kleinen Schamlippen und wohl auch der Clitori.s in Aegypten ausgeführt wird, lieferte Duhousset :

„La Circ oncision con.sicte seulement dnris renlevement du cUtoris, et üe prutique de lii iiianierc suivante Hur Ich fille« de ncuf ü douze ans. L'opc- rateur, qui chI le ylan »ouveut un barbier, se sert de ses doigta treiup^s ilnns la c«ndre pour «aiwir \o clitoris, quil C'tire H plusieurs reprises d'arriire «n aviinU atin de trancber d'uii seul coup de rnsoir, lorsqu'il preseiite un (imple filet de peau. plnie est recouvert»? di* cendie pour arrtter le sung, et s*' cicatride npr^« un r«»po8 roinplet ile quelques jour«. J'ui su plus tard, <te l'iivwu iiieme den opemteurs. le peu de soin quon opportait ^ drooncire ÜllttM dano les liniit*>8 roli^ieueea de l'operEtion, qu'on pmtiqu« plus lar- Bejit t*n «ai*isgant les nymphesi ü In hnuteur du flitoris, et le.s coupunt prenque ileur niiisiiance, ä Ja iace interne de« gnmdea Ifevres, dont Ich r»?plis tuuqocux qui nou8 occupent sont pour ainsi dire 1a donblure cacbante le« orgnue» reproductonrs; ce qui reute de« petitea lövrüs forme, por la i'iciitri« «alioii des paroiH 1i8«es, s'indurant et ih ritreciaüant, une vulve bötinte, d'un iM|t«ct ain^Uer che» les 1 f 1 1 u « circonciae«."

>0 y- Die äasseren Sexualorgane den Weibes in ethnograph. Hinsicht.

Ecker- erhielt das Präparat der betreffenden T heile von einer Fellacheufraa von Billharz zum Geschenk. An dieeem Präparat ist von der Glans cUtoridis, dem Praepntimn nnd den Labia minora nichts zu sehen; alle diese Theile sind rolLstSndig entfernt. Ecker iujicirte die Corpora cavemosa von ihrer Wurzel aus; hiecbei zeigte sich, dass sie bis zu ihrer Vereinigung weg- sam waren; von da an drang die Masse nicht mehr weiter vor und die Korper verloren sich in einem narbigen Gewebe. Eine Injection der bekanntlich insbesondere mit dem Gefasssystem der Glans clitoridis zusammenhängenden Bulbi vesübuli gelang ni ht. Es ist also, wie Ecker sagt, wohl anzimehmen, dass bei dieser Operation die Qlans clitoridis mit ihrem Praeputium gefasst, hervorgezogen imd ziemlich tief abgeschnitten wird.

In Aegypten und Abyssinien wird nach Hartman^- dus Praeputium clitoridis, seltener die Clitoris selbst oder ein an der vorderen Oommissur der Labia majora hervorwachsender Klunker abgetragen.

Nach den Berichten von RiedeV wird auf fast allen Inseln des alfurischen Archipels, namentlich durch- gehends von der mohamedanischen Bevölkerung, die Beschneidung ' der Mädchen ausgeftihrt. £s handelt sich meistens um eine partielle R^section der Cli- toris. Von den Einwohnern der Insel Buru er-

»., _„ «, zählt er:

Pir.2e. Eine ver-

iohnittene ^'^^ Eintritt der ersten Menstruation (bei Knaben Tor

fin bierin der Pubertät) werden die Zähne bis dicht zum Zahn- (oMb Panrrri). fleischrande abgefeilt und die Beschneidung vorge« nommen. Die Mädchen werden gebadet, auf einen Stein gesetzt und von einer alten Frau wird ihnen ein Stück von der Glans clitoridi« abgeacbnitten, angeblich um den Geschlechtstrieb vor der Verheiralhung tu unterdrücken. Auf die Wunde werden als blut«tillende9 Mittel gebrannte und pulverisirte Sagoblattrippen (ekbaa) aufgelegt. Dann trägt eine Frau A.VL& Mädchen in die Hütte, wo es einer besonderen Diit unterzogen wird nnd bis zur Heilung das Haus nicht verlassen darf. Die Sitte ist mohame- danischen Ursprungs.

Bei den Seranglao- und Gorong-lnseln giebt er an, dass die Clitoridektomie vom 7. bis zum 10. Jahre stattfindet und zwar mit einem grossen Fest. Nicht selten tritt nach der Operation der Tod an Verblutung ein; jedoch werden die Kinder dann glücklich gepriesen^ da sie dann in Mohamed's 7. Hiumiel kommen. Die Operation wird bei Mädchen durch die Frau des Geistlichen aus- geführt und das Kind hinterher gebadet.

Auf C e 1 e b e s werden in den Landschaften Holontala, Bone, Boalemo und Kattiuggola die jungen Mädchen in ihrem 9., 12. oder 15. Jahre beschnitten; diese Handlung heisst „mopolifaoe olimoe", d. h. „mit dem Citrus histrix gebadet werden". Auch hierbei finden, wie bei der Knaben-Beschneidung, grosse Feierlichkeiten

22. Die Beeclineidang der Mädchen and die Vernäbung.

151

statt, doch venirsnchen die Mahlzeiten weniger Unkosten. Die Operation verrichten weibliche Personen. {Riedel.^)

Wilket^ sagt: „Im Allgemeinen werden die Mädchen in jugendlicherem Alter b«8ohoitten, als die Knaben, Da» bezeugt Herr vanHasselt unter Anderem TOD den MenangkttbawAchen Malaven. Auch bei den Javanen iat dtts der Fall; die Mädchen werden gegen das 6, bis 7. Jahr dem Eingriff unterworfen. Bei den Makassaren und den Boeginefsen findet die Ope- ration im Alter von 3 bis 7 Jahren statt, bei den Gorontalesen viel »päter, aber doch immer noch früher, als bei den Knaben, nämlich mit 9, 12 oder 15 Jahren. Die Beschneidiuig wird im Inneren des Hauses ausgeführt, und zwar stets von Frauen, während ebenso, wie bei den Boeginesen und Ma- kassaren berichtet wird, den Männern, mit Ausnahme des Vaters vielleicht, verboten iat, dabei zu sein. Uebrigens werden häufig dabei Feste gefeiert, obgleich diese, wenigstens bei den Gorontalesen, nicht den Umfang und Aufwand haben, wie bei der Knabenbeachueidung. Nnr bei den .Makas- aaren und Boeginesen findet die Handlung ganz in der Still ie ohne Feier- lichkeit statt. Worin der Eingriff besteht, und wie er ausgeführt wird, das wird uns nur von den Javanesen, den Makassaren und den Boegi- nesen berichtet. Bei den Erstgenannten wird ein Stück von der Clitoris. vielleicht dieOlans olitoridis, abgeschnitten und das Abgeschnittene mit einem Stückchen Curcuma in Kattun gewickelt und unter einem Kelorbaum (Mo- ringa pterygosperma) vergraben. Daas wirklich die Clitoris beschnitten wird, das geht aus der Bezeichnung puting-itil für die Operation hervor, d. b. das Abbrechen von der itil oder Clitoris. Bei den Makassaren und den Boe- ginesen wird nach Dr. Malthes nur ein ganz, ganz kleines Stückchen von der Clitoris abgeschnitten, nur so viel, dass eben etwas Blut fliesst, daher wird die Operation auch mit kattang oder katta bezeichnet, d. h. Abschaben. Die Sache geschieht durch zwei Frauen, von denen die eine hinter dem Madchen Platz nimmt, soviel als möglich die Schaintheile auseinander zerrt und dadurch den Kitzler hervortreten lüsst. (Die Angabe von JEpp, dass die kleinen Schamlippen beschnitten würden, scheint auf einem Irrthum zu beruhen.) Ebenso wie die Beschneidung der Knaben bei den Mobaraedanern in dem Archipel hat die der Mädchen mehr oder weniger den Charakter einer Aufnahmeceremonie in den Glauben."

Besonders bemerkenswerth ist schliesslich, dass die Mädchen- Besohneidung auch in Amerika als Volkssitte vorkommt. An eine Einführung der Sitte von anderen Continenten kann hier wohl kaum gedacht werden. Im jetzigen Freistaat Ecuador und in der Landschatt Maynes daselbst leben die Panos-Indianer, welche im vorigen Jahrhundert der Missionär Fratiz Xavier Vc.igl besuchte ; er erfuhr, dass sie früher die Mädchen der Beschneidung unterworfen hatten : als er nach der Ursache dieses Gebrauches sich erkundigte, sagte man ihm, man habe beschnittene Weiber ftir fähiger und geschickter er- achtet, ihren natürlichen Obliegenheiten nachaukomraen.

Die Indianer in Peru am Flusse Ucaj'ale, welche man mit dem Namen Chunchos bezeichnet (auch C am p as), üben bei den Mädchen von 10 Jahren ebenfalls die Circumcision aus. Bei dieser tJelegenheit kommen die Nachbarn mit vollem Schmucke angethau zusammen und bereiten sich 7 Tage lang durch feierliche Gesänge und Tänze zu dem Feste vor, wobei sie in reichlicher Menge die berauschende

1 52 V. Die ftawerea Seznaioigaii« des W«ib«i in «ihnoi^raph. Elinsicht

Chicha, aus Manioc bereitet, gemessen. Am achteu Tage wird das Mädchen durch eine starke Gabe des gegohreuen Manioc berauscht nod iioempfindlicb gemacht; in diesem Zustande Tollbringt eine alt« Frau an ihr die Operation. Durch einfache Uebergiessungen stillt man die Blutung. Alsbald beginnen wieder die Gesänge und Tänze : dann legt man das Opfer in eine Hängematte und trägt es von Hans zu Hau.s. Durch die Circumcision ist das junge Mädchen unter die Frauen aufgenommen (Gratididier).

Wir können dieses Thema nicht verlassen, ohne einer Form der Beschneidung der Weiber zu gedenken, welche leider auch noch in Europa vorkommt und namentlich in Russland und in Ru- mänien ihre wesentlichste Verbreitung besitzt. Sie wird aus- geföhrt zur höheren Ehre Gottes von der sonderbaren Secte der SelbstversttUnmler oderSkopzen, über welche wir v. Pelikan aus«- ftJhrliche Untersuchungen, durch zahlreiche Abbildungen erläutert, verdanken. Bekanntlich stützen sich die Skopzen bei ihren ab- sonderlichen Vornahmen auf einen Ausspruch des Evangelisten Matthaeus (19, 12): „Denn es sind etliche Verschnitten, die sind aus Mutterleibe also geboren; imd sind etliche Verschnitten, die von Menschen verschnitten sind; und sind etliche Verschnitten, die sich selbst Verschnitten haben um des Himmelreichs willen." Die vor- genommenen Verstümmelungen betreffen bei den Weibern entweder die Brüste oder die Genitalien oder beides zugleich. Wir betrachten hier fürs erste nur die Verletzimgen an den Geschlechtstheilen.

Dieselben be^tehua in dem Ausschneiden der Nymphen allein oder mit der Clitoris zugleich, oder in dem Ausschneiden des oberen Theils der grossen Scbamlefzen sammt den Nymphen und der Clitoris, so dau durch die darauf folgende unregelmässige Vemarbung dieser Theile die Schamspalte bedeutend verengt wird.

Drei .Abbildungen der Genitalien von „Skopizen" oder „Skoptechichen" f weiblichen Skopzen) erläutern die vorgenommenen Operationen. Alle drei betreffen jungfräuliche Individuen mit intakt erhaltenem Hymen und unver- letztem Frenulnm der groRsen Schamlippen. Bei der einen finden wir die aeymmetriäche Excision der kleinen Labien. Die linke Nymphe zeigt un- gefShr in der Mitte ihres freien Randes einen dreieckigen .Ausschnitt. Der dreieckige Defect hat nach unten einen horizontalen Rand von 0,7 cm, nach oben einen schrägen Rand unter 45 Grud nach lateralwftrts »bgeheud, withrend die Lücke im äusseren Rande der Nymphe 1 cm beträgt. Die Ränder des Ansschnitte« erscheinen abgerundet und verdickt. Die rechte Nymphe ist in ihrem unteren Dritttheil scheinbar ganz von ihrer Basis heraasgeschnitten and nur an ihrer unteren Grenze ist ein kleines Zipfel- chen Jitehen geblieben, das zu einem hanfkomgrossen Knötchen ong«- schwollen ist.

Auf einer anderen Tafel erkennen wir die symmetrische Aoseohneidung der kleinen Schamlippen. Im oberen Dritttheile der Nymphe hat ein schräger von oben komnu-nder Schnitt jederseits einen ungefähr 0,25 cm breiten znngenfOrmigen Lappen ans den kleinen Schamlippen bis zu deren Basis hin hemnagescbnitten. Eine zweite Excision hat die Mitte der kleinen Labien getroifen and aas jeder ein dreieckiges ätück heraucgetctnsi vtm

IHe Besehneidung der Mädchen und di« VernähuniK'.

153

•OBgertthr derselben Fonu und UiÜsse wie der Ausschnitt an der liiikeu Nym|ihc' der vorher besvhi-iebeaejB FerBon. Die Schnilträiider sind mit rund- licher Verdickung vema.rWt. Auf dies« Weise ist zwischen den Ausschnitten der kleinen Schamlippen von diewen jederseita ein ungelahr 0.3 cm breiter Lappen stehen geblieben. Derselbe bietet aber keinen freien Rand dar. sondern ist mit diesem mit der Schleimhaut der benachbarten grossen Schanilippe narbij? verwuchsen, woran? geschlossen werden mus*. dass bei der Operation auch diese wund gemacht worden ist und dass an den Lappen auch von ihrem freien Rande ein feiner Saum abgetrennt wurde. Denn beide Theile nmssten angefrischt. wie der Chirurg sagt. d. h. wund gemacht «ein, wenn sie mit einander vei-wachsen sollten.

Die dritte Tafel, ebenso wie die vorigen in LebeDfigrOase iiu.ogefnhrt, giebt uns d»w Bild einer Exci- dirteu (Fig. 27). Eine Schamspalte im eigentlichen Sinno existirt nicht, sondern wir sehen statt derselben ein lilngsovales Loch von 3 zu 2 cm Durchmesser, das trichterförmig nach abwärts (bei Rückenlage der Patientin) zu führen scheint. An der Hinterwaud dieses Loches markirt sich in der Mitte die ziemlich grosse Harnröhrenöffnung und etwas seitwBrts von dieser jederaeits eine kleine Schleimhanfcarunkel, weiche wohl als einziger üeberrest der excidirten Nymphen betrachtet werden raus«. Auf dem gra\i j,, ^j Ver»chniaeii« behaarten Schamberge iät eine breite, unregelmas- 70-jShrige Jungfrau ast sige. annähernd dreiseitige Narbe sichtbar, im Smiiaad, der Skop- giössten Querdnrcbmesaer ä cm breit. Die Spitze diesed leniekte »ngehörend narbigen Dreieck:* ist nach unten gekehrt und von ihr <"•«■» "• '*'"*«")• läuft ein leicht gezackter Narbenslreifen in der Medianlinie abwärt« bis «u der Hajnröhrenöffnung hin. Von einer Clitoria esistirt keine Spur, statt der kleinen Schamlippen sind nur die beiden vorhererwähnten Carunkeln erhalten. Grosse Schamlippen im gewöhnlichen Sinne des Wortes sind auch nicht vorhanden. Jedenfalls wurde ihre gesauimte obere Abtheilung mit fortgeschnitten und bei dem Verschluss der Wunden, der. wie gewisse regel- mäsbig ungeordnete Pigmentflecke lehren, durch die blutige Nath stattge- funden hat, muaste die Haut von dem stehengebliebenen Re^te der grossen Schamlippen mit beträchtlicher Gewalt nach oben und zur Mitte zu heran- gezogen werden. Hierdurch erscheinen die Labia majora nicht mehr als „Lippen", sondern als nur minimal das Niveau der Umgebung ilberrngende Hautflächen, die sich kaum noch durch die fast gänzlich verstrichene Labial- Schenkelfurche gegen die Nuchbarschaft hin abgrenzen.

Dua Vernähen nach dem Beschneiden der Nymphen und das Zusammeuheilen der Wundränder bis anf eine kleine Oett'nung fand man von den N i 1 katarakten uul'wärts ganz allgemein gebräuchlich bei den Bedschas, Gallas, Somalis, den Einwohnern Harrars, auf Massaua u. s. vr. Die Operation besteht im All- gemeinen in folgendem, später noch genauer zu beschreibenden Verfahren : Der hervorstehende Theil der Nymphen (kleine Scham- lippen) wird etwas beschnitten und dann die Wundräuder bis auf eine kleine Oeffhung entweder zusammengenäht oder auch ohue Nath zusammengeheilt. Schon im Mittelalter wurde von Magrizi be- richtet, dass man bei den Beja (Bedscha) den Mädchen die

1 54 ^ ^i« äuBseron Sexualorgane des Weibee in ethnograph. Hinsicht.

Schamlefzen beschneidet und dann die Wunde zusammeuwachsen läset, um sie erst bei der Verheirathung wieder zu öffnen-

In Pegu in Indien fand Lindschotteti ebenfalls die Sitte der Vemähung :

„Man findet etliche bei ihnen, eo ihren Töchtern, wenn nie geboren werden, -ihre Scham zunähen und ihnen nur ein klein LOchlein laaaen, da- durch sie ihr jungt'rauwlich Waeeer abschlagen mögen; wenn sie dann er- wachsen und verheyrat werden, bo mag sie der Brfiutigam wiederumb nui'- schneiden ao gross und so klein, als er vermeinet da$.s sie ihm eben recht sei."

Diese Sitte hat offenbar die bekannte Bedeutung der Infibu- lation und wird auch bisweilen mit diesem Namen bezeichnet. Sie hat den Zweck, die Keuschheit der Mädchen sicher zu stellen bis zur Heirath, vor welcher die entsprechende Gegenoperation ge- macht wird. Geht der Ehemann auf Reisen, so wird häufig dasselbe Verfahren au der Frau aufs neue angewendet, und er lasst es wiederholen, so oft es ihm zweckmässig erscheint. Auch Sclaven- händler bedienen sich desselben, damit die Sclavinnen nicht etwa schwanger werden. Doch wird berichtet, dass der beabsichtigte Zweck dennoch bisweilen unerreicht bleibt.

Es giebt Nil Völker, welche nur die Excision, andere, welche Excision und Infibulation (Vernähung), noch andere, welche nur die Infibulation Üben. So berichtet Harfmann* : Während man sich in Aegypteu und Abyssinien damit begnügt, das Praeputium clitoridis, seltener die Clitoris selbst oder einen an der vorderen Commissur der Labia majora hervorwachsenden Klunker abzutragen (Excision), macht man in Nubien, südlich von Wadi-Halfa, im Senn aar und in einem Theile Kordofans auch noch die iländer der Nymphen wund und lässt diese bis aul' eine kleine, dem Ab- fluss des Harn dienende Stelle zusammenheilen (Yemahung, Infi- bulation).

Sehr ausftihrlich über die Infibulation im Sudan berichtet Peney, Chefarzt der Armee vom Sudan, mit folgenden Worten:

„G'eat vers Tage de aept ou huit uns. que la jeune fille est lirree i la matrone chargee de l'op^rer. Quelques jours avont l'epoque 6icee pour cet objet, la tn^re de famille invite les parents et oonnaissances du tese föminm ä oe röunir cbez eile, et c'est par de« f^tes qu'on prölude i, la c^r^- monie sanglante. Le nioment arrive, la victime, environn^e de toutes It» femmes presenlea, est rouchec nur un lit oii eile est niuintenue par les aaaia- tontes, tandiü que la routrone, armüe d'un rasoir et agenouilltie entre le« cuisaes de la paliente. procedc k l'opL'ration. Celle-ci cotnmence par l'nbla- tion d'une partie du clituris et des uymphes; de l& le rasoir descendont 8Ur le rehord des grande« l^vren, enli^ve sur leur bord interne et en contour> n&nt lu vulve une languette de chair, large de deux centiint<tr«8 enriron. Cetle Operation dare qtiatre on cinq minutes; et poor Guipechcr Jes cris de la patiente de se faire entendre, le« aa8iHtatlt«^ ont soin de pouüsor des clameurs 8ur le diapa«<m le plue uigu, tout que dureut le« manoeuvre> op«^ ratqires. L'ablation des purties achev<!>e et le sang ^tancb«^, la jeuue tille est couchee sur le dos, les jftmbes ^tendue« «t li^s forteinent i'une i r»atre.

22. Die beacboeidung

fa9on 4 lenr iuterdire tout mouTemeot. Otta prvcaution est nec^Maire ponr tn^Diiger la fonniitioD de la cicalrice. Asant d'abAndouner l'op^r^ aux *oin)t de la nnture, la malrone introduit dana la partic inferieure du ragiii, entr« lee Ivvres eaignantes de la plaie, un petit cylindre de bois, de lu groaseur d'une plume d'oc«. L'office de ce cylindre, qui doit reater en plitüe jusqu'au momcnt oii le trarail de la cicalrisation sera acteve, est de m^ua^er nue ijBue aux uriues et plus tard aux menstrueF. C'est tout ce qui reste de I>ern)^able dans le vagin.

„Quand la jeuue Nubienne prend un epoux, c'est encore h la matrone qu'etle s'adrvisse pour que celle-ci rende aux parties sexuelles les dimon«tona n^ceisaireft 6 racconiptbsetnent du mariage. Car i'ouverture exiAtante est trop ötroitp et trop peu dilatable (i cause de la cicatrice donl eile est en- touree) pour que le man le plus rigoureux puieise compter sur aea seula efforts pour pC-netrer dana la place. La matrone intervient alors, et, pur une incidioii longitudinale, eile produit une plaie par laquelle s'acoomplira la copulation. Mals comine cette plaie nouvelle tendrait ü se refermcr, »i lea parties saignante« restaient en contact, la matrone introduit entre les lövrea de la plaie. et ii deux ou trois pouces de profondeur daua le vagin. OD Qouveau cylindre vegetal, beaucoup phis volumineux que le premier ; car ce demier doit Bgurer les diioensiionB du penis du marl 'Ce deuxietnc cy- lindre reite en place une quarantaine de jour», c&poque la cicatriantion est cotnplete et isa preeenpe d«vient inutile.

«Mais tout n'eiit paa dit pour la malheureuae qui s'eat une premiere

et une deuxi^me fois «ouniise & Top^ration. Si eile coni;oit, ce qui arrive

ordinairement, eile ne pourra paa accoucher sana 8on\)ir encore les eprcuven

de riaatrument Iranchant; car la meme bride rösietante qui entoure la vulve

et qui a'oppofait k la copulation, K'opposcra encoro k la dilatation de cette

portie par ou doit paaser l'enfant. 11 faudra donc encore döbrider. au

inoyen de large« et profondea incisionk, le« partiea qui refuaent de se dilater.

Soarent au moment l'enfant, en aortant du bassin, vient »'appuyer sur

la cloison interne dee parties genitales, souvent, dia-je, il arrive alors que

la matrone, qui doit aaiair cet instant pour inciser profondement les grandM

livrea. blet'se grievemcat le produit. qui cherche ä a'^chapper au dehora.

J'ai vu nioi-uieme, daua dea cas aeoiblable«, de» ooupa de raaoir, portc^a mal

babili'inent. produire die« iVnfant dea ble»<8ures uiortclle». Et cependant.

malgr^ le» douleur« qui accompagnent toujoura cette horrible pratique de

l'inHbulution. malgrü les dangers qu'elle fait courrir ä la femme et Ä l'enlaul

qui naltre. inalgre Uiutett lea tentives essaia par lea agent« du- gouverue-

ment ^gyptien pour bannir celtt- affreuae coutume, lea Soudaniennea

n'en peniatent paa moins dans leura id<*e8 ä cet egard; quand aux jeun*«

fillee. eile« y aemblent encore plua attach^es que lea hommes, car ellea pir- '

tendent que sana Vinfibulatioii eile» ne trouvemient aucun mari."

lieber diese Sitte bei den Sudanesen schreibt Brehm: Die Ofbote des MohamedaniAmus befehlen nur die Circuracision: allein dio Bewolmer des Sudan nehmen nicht nur diese Operation Tor, „Bod etinm labüs minoribiui (nymphia) abscissis labia majora indc A Veneris monte iwque ad vaginam simaudo ita copulant, ut tistulu >»ol« ft«l urinam fundcndam pateat."" Die Operation wird mich von alten Weibern au.sgeflibrt, welche mit stumpfen lla^sir- . li die nöthigen Schnitte machen, dabei aber das Kind auf entsetzliche Weise quälen. Oft uiuss es vier Wochen lang mit zu-

f56 ^- l^i^ äasseren Sezaalorgane da« Weibes in ethnograph. Hinueht.

saramenpebniuletieu Füssen auf dem Anqareb, d. i. dem dort ge- bräuchlichen Bette, liegen bleiben, ehe die Wunde vernarbt Vor der Hochzeit nun sendet der Ebespons den Angehörigen des Mädcliens ein aus Holz geschnitztes Abbild seines Penis, nach dessen Maoss die Oeffuung in den Schamtheilen des Mäd- chens gemacht wetden soll. Ist die Frau geschwängert, so wird vor der Niederkunft die Oeffuung erweitert. Nach mündlicheB Mit- Uieilungen erfahre ich von Brehm, dass letsstere Operation durch einen Schnitt von hinten nach vom, d. h. vom Damme her nach dem Mons veneris hin vorgenommen wird, indem der vordere oder obere Tb eil der Schanitheile zusammengeheilt ist und sich die zurückgebliebene OefFnung nach hinten zu befindet. In seinen Reiseskizzen versichert Brehm, dass es Ehemänner giebt, die nach der Entbindung die Operation des Beschneidens an der Frau aber- mals vornehmen, um dieselbe gleichsam in den jungfräulichen Zu- stand zunk'kzui\ihren ; und dass im Königreiche Dar-Fur an den zu beschneidenden Mädchen auch die Sutura cruenta vorge- nommen wird, d. h. es werden, nachdem die kleinen Schamlippen durch Schnitte wund gemacht worden sind, die grossen Schamlippen durch Nadel und Faden mit einander verbunden.

Unter den Beduinen der westlichen Bejuda- Steppe nörd- lich von Chart um werden die Mädchen im 5. 8, Jahre der ,Intibulatiün' unterworfen: es wird damit die Vemähung gemeint.

Auch im Senn aar übt man nach CaUUand folgendes Ver- fahren aus:

,Apr^ avoir dognii e«s deax membraneB, les plaies de Tun« et de ]*aulre sont rapproohdea, et la patiente est tenue dans an ^tat d'iinmobiliti pre«que enü^re jaBqu'4 ce qu'elle« se goient r^uoiea easemble par aggluti- nalion ; au mojcen d'one casble tr^s-mince. on manage uiie Ouvertüre ii peijut ■ufäsaot« pour les ^oulütnenti naturell. <Jueli{U« tempa avant le manag«, il faut dtftruire par incision cette adberence contraire ä la natura. SM <Tir* nent quelqo« »vuipt&iue färheux, ie fer rouge «t le rai>oir »oot la. 0& düait que la s«n&ibiUtv enious^ee cbez ces peapi«* les etupeche d'apprvcter ki toufruDcva inouien et les accideats gtnxes et iaevitabie« de c«f pntiqaai inbuiuaitKeB, inrtrate^a pur le dcspotwne da sese le pia& fort, poor s'aavarcr la joai8«anc« |M^uJ{>r« cette fl^ur virgioale ti fogitive daaa toos laa autm p(^'A. Quoi qu'il en soil, ü en coüt« a«fex eher pour iair« remattre aoe }oaB« fillfl BD etat de reaplir des devoin oo^jugaox. S*!! cn est qadqa'mi« qni. tk defaut de noyena pÄcuniaiT««, S4* mane saiu avoir vabi cette pti^- ratioo essentidle. c'est ä IVpoux pre-udre 4 cet ig»id ie porti qai lai con- rient: mai« loraqu'ü reuisit, ciiO!te difficile. A la readre fc^onde. eOe % la droit d'exijijer qu'ua« de* matroneoi. q»i ex^rteni ee cro«! inHier, tau« dk- pamitj« gratis di^s ob^tade«. qoi coatrariest le trarul de I'eofaotenMdit. L> Ji^iuic nnire, qui con^üirre l'«?s|wtir ■« rtnarier, aluMta poiat A «• mf- ■MUr» aaa Mcoad« tow aas iuitmrt» oaUa d«ttU« Ua^iaiiant tna» ea* •tt mr«.**

In Kordofan uoaa bei dm maialea SliauBCD ibe Bimat 2U T^a vor der Uodtaöt akh ^ ,s«railcn BMdmaiihmg* oatw- werfen: fymiu i\iUm€^ wdelier die« berichAal. meint j<>deiifiüls da-

l!2. Die Beschn^fduBg i«e MSdchen und die Yern&hnng.

157

mit die Aufschneidung^; um ihr 8. Lebensjahr werden dort die Mädchen zuerst der Exoision unterworfen. RüppeU sagt:

,Die Aufsclincidunp der Bruut, d. li. die eröffnende Operation an den Gesehlechtstheilen, hat nicht eher statt, als bis dtr ganze bedungene Hoch- zeitspreis entrichtet ist. Die bei der Aufachueidung gemachte Oeffuung ist nach Bedürfniss des Ehemanns grösser oder kleiner. Wenn nach erfolgter Schwangerschaft die Zeit der Entbindung sich nähert, wird die Oeffnung nSthigenfalls durch abermaligem Schneiden vergrössert, und nach erfolgter Geburt wird die ganze Oefihung durch Auffrii^chen der Wundränder wieder zum Verwachsen geeignet, wodurch die Wöchnerin gleichsam in einen jung- fräulichen Zustand zurücktritt. Sie bleibt in Bolchem iO lange als sie das Kind stillt; dann schreitet mau ubertnalt> zur Wiederaufschneidung. Diese Operation wird wiederholt bi» nach dem dritten und vierten Wochenbett, wenn es der Ehemanu verlangt ; öfters unterbleibt sie aber schon nach dem ersten. Ich habe Weiber gesehen, deren Männer kurz nach einem der ersten Wochenbetten ihrer Gattin gestorben waren; und da zur Zeit des Todesfalls die Wunde der Aufachueidung zugewachsen war, so befanden die Frauen sich in einem sonderbaren Zustande, und ihre Elteni zwangen sie. in dem traurigen Status zu bleiben ; denn durch die Aufschneidong würden aie freiwillig in die Klasse der Freudenmädchen sich versetzt haben."

Die Mädchen der Somali werden im 8. 10 Jahre nach Weise der Galla und Abyssinier „vernäht", indem die ver- wundeten Scüamlippenränder mit Pferdehaareu au 2 3 Stellen zu- sammeugehertet werden. Sie verwach.sen his auf einen engen Kanal zum Entleeren de.s Urins. PauWachhe berichtet von den Somali:

Das weibliche Geschlecht wird im Alter von 'i 4 Jahren infibulirt. Der Infibulation geht die Verkürzung der Clitoris und die Beschneidung der äusseren Valvae voraus. Die Operation vollziehen erlahrene Frauen, welche auch die inneren Lefzen bis auf eine kleine Oeffnung mit Pferdehaaren oder Baumwollenzwim, auch mit Bast vernähen. Eine molu-tägig« Ruhe, während welcher dem Mädchen die Fösse zusammengebunden werden, bringt die Wunde zur Ausheilung. Vor der Ehe lösen die bezeichneten Chirurginnen oder die Mädchen selbst die vermlhte Stelle, welche indessen meist erst vor der Niederkunft völlig aufgetrennt wird.

Die Mädchen der Harari werden in der Kegel mit 7 Jahren an den äusseren Valvae be.schnitten und von kundigen Frauen auf gleiche Weise wie tlie Somali -Müdcbeu intibulirt und ebenso un- mittelbar vor der Ehe im Alter von 13 14 Jahren wieder ge- öffnet. ( Faiditschke.)

Die anderen in Afrika wohnenden Volker, die Wakamba, Wanika, Wadjagga etc. nehmen diese Maassregel zur Sicherung der .lungfrauschaft nicht vor.

Namentlich hebt Hartmann ganz besonders die Verschiedenheit dieser beiden Operationen hervor.

„Bei der Vern&bung," sagt er, „macht man in Nubien, südlich von Wndi Haifa, im Svnnuar und in einem Theile Kordofaus auch noch die B-luder der Nymphen wund und lä^jst die<>e bis auf eine kleine, deao Ab- flüsse des Harns dienende Stelle zuBnmmeuheilcn. Vor der Hochzeit wird die Muk^ijjtha, die Veniähte, durch blutige Oi)erution ihrer Verschliessung

i^rieder enthoben (Fig. 28). Auch Sciavinnen werden solchergestalt lufibuliri. ¥.» gi^t grausame Herren (selbst Europäer!), welche an SGlaviDoen, ihren zeitweisen M&ittessen, jene Operation zwei- bi« dreimal haben ToUziehea laasen und die Armen dann achlieiislich doch noch verkauft haben! Die Verschliessung wird von alten Weibom mit schlechten Scheermes»em Toll- brocht. Mao bindet die Beine der Patientin über den Knieen übereinander und lässt rie so einige Wochen lang bei schmaler Kost auf dem Anqardb liegen, bis die Heilung von statten gegangen. Der Sudanese betrachtet die Vervchliessung seiner Töchter aU eine geheiligte Sitte und rühmt deren VorirefHichkeit. Er begebt den Tag einer solchen Operation mit Festi* vitäten."

scheint also nach Hartmann's Bericht, als ob man auch bei der Vernähung gleichzeitig mit die Excisiou vollbringt. Hiervon sprechen aber Andere nicht.

Ilartmann konnte eine ungefähr 30 Jahre alte Sudanesin aus Alt-Dongola, v»relche vernäht gewesen und wieder autgetrennt war, nach der Natur zeichnen und hat dem Heraiisgeber ireundliclist diese Zeichnung zur Veröflfentlichimg überlassen. Man er- kennt die narbigen Reste der kleinen Schamlippen und den Stumpf der abgeschnittenen Olitoris, unter dem sich die Harnrohrenöflnung prasentirt.

Ein eigentliches Nähen scheint bei dieser Ope- ration nach den Darstellungen Vieler nicht immer stattzufindeu ; allein Burckhardt spricht auch hier- von bei den Mnkhaeyt (consutae) genannten Ope- ritten :

„Mihi cuntigit uigram quandam puellam, quae baoc

aikt" gewe«en« operationeni subierat, inspicere Labia pudendorum acu et

SudAnatin. fijo conauta mihi plane detect* fucre, foramine angusto in

^Ij^hliVt *Voa ineatum «rinn« relicto. Apud Esnc. Siout et Cairo

ftobert/ii rtmann.) tonsores Bunt. qui obslructionem novacula amovent. «ed

vulnua haud vuro letale evenit."

Diese Operation des Vernähens trennt auch Werne von der Excision. Er sagt:

„Aber eine zweite Operation, welche in Aegypten nicht angewendet wird und nur unter der mobamedanischen Bevölkerung vom ersten Katurakt niiaulwttrtji in Gebrauch ist, wird indem genannten .\lter (im 9. oder 10. Jahre) an dem Mädchen vollzogen und ist ein«; mehr sichere Vorkehrung, al» alle die mit karistlichen Schlössern und Federn, mit welchen rohe Ritter ihre Frauuu iim>iohU>sisen, wenn sie Kreuz- und andere Züge machten, oder Uberbaupl den llatlinnen nicht trauten. Alte Weiber legen ein solches, deot Volksglauben nntoi worfenes Opfer aaf einen Anqareb und «ciirificiren mit einem scharfen Mfi*«er die beiden Wände d*?r grossen Schamlefzen bis auf einen kleinen Ruum nach dem After hin. Darauf n<«hnien sie t?ine Ferda (jene» lange StfJck Baumwollenieug mit vcrzierton Knd*>n, so Männer und Weiber um ihren Körper g<lrt«n) und umwickeln damit dorn Madchen die Knie fest, wodurch jene Ncarificirten Thnile, aneinander Kesohlosüen,» auf die Dauer verwachsen, bis auf den nicht wund gemachten 'ITicil; in diu kleine

Fig. 38. Ein«

«isdenwvfge-

*o)uiitt«ne „Ter-

II II

II

i

1

22. Die Bcscfaneidong der Mädchen und die VemAhung.

159

DeEEnuBg wird wegen des möglichen Zusammenwachsene ein Federkiel oder »in dünnea Rohr geatecki, um den BedilHiiiu8en der Natar den Weg offen lu halten. Vierzig lange Tage muss das Mädchen in dieser Lage auf dem

lAnqarßh mit gebundenen Knieen aushalten, auxgenomiDHD wo ein Bedürfni«» intriit; und eo scheint dieser Zeitraum, der Erfahrimg Qher wirklich er-

I folgte ZoHammenwachsung der Schamlippen entsprechend, gleichsam gesetz'

lieh (U xein. Ist nun eine auf »eich' i^candalöse Art erhaltene Jungfrau

reiche nicht selten, wenn man liebkosend eich ihr nähert, mit einem „el

(hab nia«dftht oder makfül" (das Thor i.st verxchlosaen) sich entschuldigt früher oder später Braut geworden, so werden die obscönen Handlungen

, fortgesetzt Eine von den Weihern, welche jene Operation ausführen, (ommt unmittelbar vor der Hochzeit zum Bräutigam, um dessen männliche

fVoraClgn zn messen ; sie verfertigt darauf eine Art Phallus von Thon oder Hotz und vetTichtet nach dem Uaaase desselben eine theilweise Aufschneidung -, der mit einem FetUappen umwundene Zapfen bleibt stecken, um ein neues Zusauintenwachsen zu verhfiten. Unter den gebräuchlichen lärmenden Hoch leitvfeirrlii'hkeiten führt alsdann der Hflann sein mit verbissenem Schmerze einhersehreitendes Weib nach Hause auf das GerQst hinter einen grobwolle> nen Vorhang und schon nach 4 oder 5 Tagen, ohne die Wunden heilen oder vernarben zu lassen, föllt der Thiermensch Aber sein Opfer her. Vor

> dem Gebären wird das Muliebre zwar durch totale Lösung in integrum resti- loiri. allein nach der Geburt, je nach Belieben de« Mannes, bis auf die

t mittlere oder die kleinste Oeffnung wieder geschlossen, und so fort."

In der Berberei hrtxieWerne eine junge Wittwe kennen, welche sich Ober den Tod ihres Gatten freute, weil er sie in kurzer Zeit siebenmal einer solchen Operation, von der die Narben, sieht- und fühlbar, Ekel erregen können, unbarmherzig unterworfen hatte. Die Art und Weise, wie die Operation bei den Nubiern aus-

Igeftlhrt wird, beschrieb iTanner in der GeburtshQltiichen Gesellschaft

[zu Ijundon:

„Puella, adhuc tenera, huuii supina prostemitur, cruribus sursum trusis, shuM Hexis et in diversum extensis. Sic jacenti, verendorum labia acuta

^OTftcula utrinque per totum paene os scalpunter, relicta ad extremum do- orsR* hiutum in longitudinera quarta unciae parte, in quam calamus pennam ftoserioam circulo aequiparans intro immittitur. Hoc facto labiorum mar-

igtOM, Kiuiguine udhiic ktiliante» in unum coguntur, eo con&ilio ut re3aaes-

fMntos conjungantur , et nihil aliud apertum relinquatur, quam exiguum lllud foramnn. quod per calaoinm insertum retervatur.

Quae ut flut conjunctio et superficies labiorura scalpro nuper incisa quam

foplinie coeat, puellne crura gennbus et tulis inter se nexis colligantur. Hinc Ht, ut nulla tuembrorum tensiune vcl luctalione labella jamjam concrescentia

tpotsint Heparari. Post paucos dies firmiter inteir se conhaerent, et forma,

Iqaam natura drderat, nulla upparet. l(a laovis est pars ea, quae monti qui veueri« vocatur prwxime subjacel, ut Rpedem nudae feminau quem admodum »culpton>« »tatuam ex ea parte laevigant, omnino repraesonlet. Caliiuio «üb-

iducto perexigun <]Uive relinqititur apertura officio urethrae fungitur.

Hoc arlificia tutis licet pueUis cum ^»ueris libere conaociuri, dum dies

tsaptialis advenoril, quo tempore »pousa sine controversia virgo est.

Fe«tum, quod in honorem nuptiarum celebratur. ritu, qui Hnetn austitati

[aUioc coftctan irapönat, coucludilur Bpon^^a a quibusdani ex amicij* »aia, Bio pronubiirutu fu^entibu», tanquam jure occupatur. Molier, rej agcuda«

t.d;*!

I SexnäSöt^gnie iteviffeft«* m Hhnöfrmfh, BürfMlt.

perit«. ferrmneatuai fteitafB» eanrntam. im Ikkt vMknr OBale« imteni, qMMl •■■1 adM«d«a «amitan Ml, vi, tftmm atifi» con aAibita, maam imHiJfiliii. catk, aU 0|mm «A pwfoiaUn. üao ieta ttg— mta» £«aitar, et riiMi I«Bfit«do tmÄem propc, q«ae pno* famt, reititwtar. Es iSo tcapere ■ponw mnum» vigüäiitta » proaalne ohawiaUti. & qwbwi ad numtt tagvrim 4t4mtituT. M mmte fmci n v%itia mueai proBaboe, e< ^imub, fw>d es «CS e4Ni««sit. smcnlhinie» exspcetuit: qoo iatw e£lo. diom« omsb feadBanoB elsrs roce, •rgata «iiasl et tniacsBÄA, omkv coo exultaate» «la- iaat. . . . Aatoqaa« laofier poonm eaiti poorit. opa« eet. rv^xBan cecudo Oalmn, qaae poal partam sradia« latrodacta ad ptioitia mewmwam Heraai Mstnlater.-'

Ebenso spridit Burckhardt von dieser Gegeuopentioiv, d. k. der Aa^hneidong nach der durch Circuracisioii (die er ülflcUädi Exdno ditoridis nennt) entstandenen kfinstiiebm Terschliefisoag der Tagina:

«CicaUix poat rsririomw« düoridM parietal ifBM Ys^iaae, parro reücto, tater «e ghrtäiiat. Ceai >— ipaa aapliaKBa adreaiat, bm a qua Tagiaa claoditiir, cotam ploribo* ladiditBr, «poaso ipao loterdam ereait. at opcnAioaca cfliMt« aaqpcat aiae vf* aalieni atic^jas «spcrtae, qaae HcalpeDo parte» vagiaaa pmteidias nadadit. ¥Ti»a« cnu<iaa dw com Qxore pleromqBe habitat; «adeiUa Arabaai acBtaaÜa: Poat iaam apcrtorae diea ooitiu. Ex lue coaiactadiae il. at «poawi» aiUMiaam cipialttr. et es hoc fit. at ia Aegjpte 8apan«iri iaaaptac rapalaare cmaa boenaom stodent, diceate«: Tabouiay wala' laljtfcMi"i'H> ^^ qaaa- toai en sit inrita haec contiaeatia poat aiatriaMMiiaBi demoaatnuit, ttbidiat qaam auuicie indolgeatet.'*

Fancrri hatte in Aegjpten Gelegenheit, eine tmgefihr 20jähhge Sudanesin zu untersuchen^ welche früher die Exdsion 4iirchg«nacht hatte. Er sagt too ihr:

llati irsh an Stelle der Sdtamapalte eine liaeare NarW, oater velcher ita MV' !e Fmger die ClJtoris so ihrem Platae, aber rSOig Ur«^-

lieh Uli . u.-m geoaaatcii Narbeogewebe Tezst«ckt nachweiaeai konnte.

Nor venn man die Schenkel attseiBaAdenpreüte. aah man bei dem Perinlmn die ScheideoOffimng in Form eöiaa SpallM. denea Biader durch den Kaxnm dar kleinen Labien gebildet wurden, die gewissennaacseB mit den gruaseo «er> cchmolzen waren. Die obere Commiwwr. die CUtorii, die Hamr^bieBOillndoBif vad die Tordere B&IA« der kleinen Schamlippen varen verboigea, weil die gjOMea Schamlippen mit eiaaader renclunolien waren (fig- 26 a. ti.)

Am oberen Niger, bei den Ma linke and Bambara. scheint jedoch nach GxtUiem^ Comnaiidant der fransoaischen Marine-la- fi&nterie, lediglich der Brauch der Oiruam- cision ra bestehen:

„Cbet lea MatiBkis M lee Bambarraa. jeq»e« Blies «oat gte^ffalemeat i«^« * i- *

qnins» ana aa aameat rop4rat»oa. Ii«a

apr- "i»ge, ali- at

ffti l«nt« ptu. . , ur

"^ ■rar

VallariafMak

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22. Ke BescluieiduDg der Müdchen nnd die yeraKhang.

161

I

fenimee d«a forgeroDit iiour les fille». L'Laatruiuent eiuplojd* est un simple cooUau en (er grossiöremeot utguise. Les patientea ae doivent donner aucau sign« de fAible«»e uu luotuent de TexciBioii. Couiuie dous nous etonniona Bouvent de voir pratiquer la circonciRiou vi8-ä.-vi8 den) jeuaea filles, ou nous rt-pondait, quu cellen-ci {(«»taient aiosi plua fideles ä leurs luaris; cepeadaut, le» futQtuea iiidigi'iieg ne se piqiient guere de chastett'.

Le» fatnilles doiit leh L-nlants viennent de subir ropemtion de 1h cir- coDcisioD, celebrent cette fete par den danRee et des chant««, ucconipugnes de repas plns copieux que d'habitude. Le» richea tueiit den chevres, dea pculetp, quelques fois ni^ni« un boeuf; \e» pauvre« ramaFsent deux ou troifl chiens datis le village et ]es unieent avec le riz ou le coukcous; paHout on confectionne du dolo et on se livre ä d'abondantes libations.

Apres rop^ralion. le» circoncis vetus de longuea roLes mutites de capu- cbons qui leur lecouvreut 1a t^te, ne repataissent dans leura fannlles que lorsqu'ils Boni eutii'renient guc^tia. Lee gur^ons sont K^piirös des filleu. . . . L«9 tUIcK porteni de peütefc calebataee renipliea de menus cailloux, »euiblable^ 1^ no8 jouetfi d'enfant. Au matin, de bonne beute, toua retoument soua leur arbre. Lex cicntric^^'S sont longues ä ee guerir, car ce» iodigenes ne poa- »tdent rien pour retenir les peaux api^s l'exciMOn; il faut bien compter 140 & 50 juars pour la gueriaon.

Le retour dans les faniilleä donne tieu & des longues fetefe. Les jeunes gar^oni ont disormuia le droit de porter des armes et de donner leur avid dans les conseils; les jeuneß filles peuvent se oiarier."

Ich habe mir Mühe gegeben, so viel als niöglich iiber die 'Wirkung und die Folgen zu erfahren, welche die Üperatiou des Vemähens und. der Zustand des Vernäthseins auf das ßetindta nnd die Gesundheit des Individuums äussert ; insbesondere erkun- digte ich mich hier bei mehreren Afrika- Reisenden. Der ver- storbene r. BeurmuHH, welcher in Wadai bekanntlich ermordet «rurde, theilte mir nilhidlich mit, dass bei denjenigen \' ölkerschaften, reiche die Vernähung der Geschlechtstheile ausüben, die Frauen häufig sehr schwer gebären; auch sollen dort, wie er sagte, oft .Missgebui-ten" vorkommen. Dagegen sollen nach r. JieMrmarin's Ldgabe die afrikanischen Frauen, an welchen keine Vemähuug Korgenommen wird, meist sehr leicht gebären. Jedenfalls liLsst sich begreifen, dass der narbenbildende, eine Contraction und einen Verschluss der äusseren Gebiirtstheile bedingende Process der Zu- isÄnimcnheilung den Oeburtsvorgaog wesentlich beeinträchtigen kann.

Das Vernähen bringt jedoch noch andere N a o h t h e i l e mit ridi; denn an vernähten Frauen, welche in den S|iitälern Aegyp- lens mit syphilitischen Geschwüren an den Geschlechtstheile n dem rerwtorbenen t'A/f (Jena) xu Gesicht kamen, musste nach münd- lichen Mittheihmger» desselben eine Operation in ähnlicher Weise orgeriommen werden, wie bei der Phimose au Männern; man lu.ssie die verwachsenen Schamlippen durch einen Schnitt trennen, widern sie eine tormliche Einschnürung der entzündeten und ge- »chwollenen, von Syphilis ergriffenen unterliegenden Theile be- wirkten und den Austritt des Schunker-Secretes hinderten. fW/?

PW>t«, lAw W*lb l. 2 Aufl.

11

ino^apb. Hinncht>

)iuridit4)tc mir, »I»m<« er nirgend» in den der Syphilw gewidmeten Hpitill«'rn »o tHrohterliche ZerHtl'irnngen an den weiblichen Geschlechte- thi*ilr>n ^4*t'iui<l('ii liiibt*. hIh in ügypt. i sclieu Krankenhäusern bei oJnigt<ii frllhi-r ventahi gewesenen N e g e r - Sclavinnen. Diese Nrhwiir/t'n Mnilchcn hiittr niun aus dem Inneren Afrika !< auf einoni langen Zuge durch die Wüste transporürt, und sie waren »interwi'gH von einem mit Syphilis behafteten Transporteur mitten AHN der Sohivenkotte hcraungcnoramen, aufgeschnitten und zum (N)ituM geniisNbraueht worden. Hierauf hatte man sie mit den tViftchen ^^^uulen, die sich in grosster Ausdehnung schnell mit •yphilili»i'hi'n (Joscliwllren bedeckten, auf wocheulangem Marsche weiter triinsportirt, wol>ei sich denn bei völligem Mangel an Reini- gung der kranken Titeile, bei der fortgesetzten Reibung durch das Oeheu und b»«i dem hohen Hitzegrade der Luft der bemitleidens- werthe /uHtand Husbildet«*, in welchem Uhle diese unglücklichen IK'xohtipfe XU untersuchen <ifl««genheit fand.

l^ebenül diijt, wo die besprochenen Sitten herrschen, namenk- UeU da, wo die Vemaliung allgemein üblich ist, ist das weibliche UeschleciU^ wie Waitz mit Recht sagt, auf Aas Tiefste herabge- würdigt. In der That steht bei diesen Völkern die Frau so niedtrig int Weiihc, ditssi luan den BeeiU f^am weiblichen Wesens nsicfa der Zahl der Knht« berechnet, ftlr die mwi deh ein solches erwirbt Wo it)»er bMiglit^h die Benutsong der Arbeitskraft und die Befirie- ili^uiitf der jmuuUcImh L\tst fhr die MSnner Beweggründe sind, ÖA •iiM Fniu atuvsdMtftn, da wird man in der Wahl der VonsiditB- VcbntnfeMg der KeoscUkak der Frau in Bwug Nif ktrtwc «bta vielil hmauiftn delkal und »rt rerfiüirea.

Dms dia haid<a OpswÜnniw. aovoU die l!»ii bin idiiim ak aack di* V«mOraa|r IBdekem in keimr «nderea Abnett üek ■iiii|[ilfthil worden^ al« tur Bew^kimg dar wyjhHAeii Kc Imü» «Mi»! wir «m dm ~

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!8. Der Mens Veseria und die Behandlnng der SehAmliaaTe. 163

1

■Weibliche Geschlecht höchst willkonimen ist, sofort auf den Gedankeu geführt haben, dass hiermit das beste Mittel zur Bewahrung der ■Hfiblichen Keuschheit gefunden sei. So wurde allmählich die Aus- führung jener Operation zum Zwecke der Herbeiflihrung einer plastischen Vemarbung und Verschliessung der Geschlechtstheile ein ganz allgemeiner, als sittliche Maassregel in grossem Ansehen lebender Volksbrauch. Dass man dabei auch auf den Gedanken *]iani, zur sicheren Herstellung der Vernarbung die frische Wunde «« nähen, oder auch überhaupt durch eine Vemähung der äusseren Geschlechtstheile den Verschluss derselben zu bewirken, ist wohl nicht unmöglich; allein die allgemeine Erfahrung lehrte jedenfalls, auch ohne Naht die An- und Zuheilung bei ruhigem Verhalten Patientin bewirkt wurde.

[23. Der Mons Veneris and die Behandlung der Schamhaare.

Die Physiognomie des Mons Veneria wird im Wesentlichen durch drei Factorcn hervorgerufen, durch die Form Verhältnisse des knöchernen Beckens (besonders durch die Vergrösserung oder die "Verringenitig des Winkels, welchen die beiden horizontalen Scham- >einä«te mit einander bilden), durch die stärkere oder geringere \blagerung von Cnterhautfettgewebe und endlich durch die Art Farbe und die Anordnung der Schambehaarung. Da nun diese ?j Dinge bei den Völkern der Erde in sehr verschiedenartiger ^v%s*i zur Eut Wickelung gekommen sind, so versteht es sich wohl ^ U)z von selber. diis.s auch an dem Schamberg Rassenunterschiede >exiierkbar sein mÜHsen. Aber wir sind noch erheblich weit davon itfernt, hier fertige Lehrsätze formnliren zu können. Denn leider das zu Gebote stehende Beobachtungsmaterial noch ein in aller- *" . rliches und spärliches. Ja selbst über die

-se bei dem weiblicheu Geschlecht der ciyi- europäischen Nationen sind wir noch fast vollständig im m. I>enn obgleich über ganz Europa eine enorme Menge von Kliniken und Krankenhäusern zerstreut ist, in welchen täglich Beobachtende aus- und eingehen, so hat es doch leider immer sh an Beobachtern gefehlt, welche das sich ihnen überreich dar- »teode Material zu verwerthen und filr eine genauere Verarbeitung anzubringen sich bereit erklärt hätten. Der Herausgeber* büreitfi an anderer Stelle »eine Klage darüber laut werden laasen.

hne VVi<birhall ist sie nicht verklungen. Wenigstens hat riio, widches die von der deutschen anthropologischou im .labre 1884 gewählte Commission ftVr das Studium nhen HHliaaruug au«ge<irbeitet hat, aurh das Kdrpei-«] i'. htiguog gefunden.

Jo/iannt- J , , lAgt: ,0n cnlen«! par le penü la partia cap^eor» Itt iiarüu hooteuM, (ritu#« m la partie anterieoTe de« oi pabwj «I la Moti44 ' 11*

Mta^

V.DifltoaMrttJ

ah. Hiwtdit.

tat c«lte partie, qui pamit el<;rt*e oomiae ane petite coUine aa-dMaoB 4h gtmnde« Lerre«. qui pour cela est apell^ le Mont de Venu*, pturc« qae tou oeax qui »'enroJlent »oo« l'^taadart de cette Dresse, doireat ii^cei.Maireiu(>nt Tescalader. La. sabstanc« externe de la ^otte est faite »eolemeut de U peko ; mau D n'en vm ainn de <a partie interne, puisqa' eile est presqor Ivate de gratu«: ce qai ett fait exprt» pour la rendre ^paiate, nioUfl e«t fort eiuinente. principalenient dans les jeunes fiUe» : ou cette rabstaiice dooce et delicate eat trvB-prupre pour serrir d'Oreiller u Vrnws, de peor qoe Yo» pobig de« deux Sfxes ee froiesant ensemble, s'opi>osait aa plaisir. qa'on doit trouver daxu Ic coogres.* (Sdiung'.)

Eine eigeathQinliche Reflexion Über die Bt-haarung der Genitalitm finden wir bei Gerdy: „Nach unten zeigt das Becken nur eine

Furche, an vrclclier man jedoch nach vom die geachlechUichcu Cb

hierauf den Daniin (perinaeum) und endlich nach hinten dir After othuiai unterscheiden kann. Alle diese Theile eiud durch Ilaare verdeckt, to: nehmlich aber die Zeugungsorgane. Es wird dadurch gl'>ichEam ein Schlei gebildet, unter welchem »ich die^e schon durch ihre Lage versteckten Organo den Aogen entziehen, und wunderbarer Weise gerade dann, wenn diu Ge- schlechts theile auR ihrer urspränglicheu Keuschheit heraustreten, wenn ich mich so ausdrücken darf, wenn die Geächlechtsdifferenx schon die Leiden- aehaft der Liebe aufzuregen vermag, gerade dann bedeckt sie die N. mit einem Schleier, welcher die EinbildungekraA nnr oro «o m«br aal und die m&chtigxte Leidenschaft nur um so stärker entflammt."

Der Schamberi^ g^^^ ^ seinen unteren Partien in die groesu Schamlippen über und ninunt noch deren obere Cotnnii^ur in seineD unteren Rand mit auf. Nach den Seiten reicht er bis an die Leisten

fnrchen und nach oben wird er von der unteren der beiden Bogen linien begrenzt, welche mit dem Nabel zugekehrter Concavität

Uuterbauchgegend durchziehen. Eine reichliche Ablagerung Unfcerhautfett lässt ihn bei den deutscheu Damen als flachmndlichen Hügel über das Nivau der Umgebung hervortreten. Auch zeigt er in der Mehrzahl der Falle von den Wbertätsjaliren an gewöhnlich in seiner ganzen Ausdehnung einen mehr oder weniger dicbten Haarw welcher aber mancherlei Variationen unterliegt, welche, wie reits gesagt, noch nicht einmal in Deutschland hinreichend stndirt worden sind. Der erste, welcher Tabellen darüber anlegte, war der Terstorbene GynäkoloRe Etjijrl in Berlin, welcher dieselben seiner' zeit dem Herausigeber^ zur Bearbeitung Überlassen hait«. Es gingj aus der Analyse dieser Tabellen hervor, dass die Behaarung de* Mona Veneris in Bezug auf ihre Farbe in einem ungeföhren, aber nicht ganz absoluten Abhüugigkeits Verhältnisse zu der FarW der Kopfhaare sich Wüiidet, während die Färbung der Augen einen Hnckp<"M">"< =*"f 'H*^ FurW der Pubes nur mit grosser R«9erTe «tattet

L'uter H'uii imter^uchten Erwachtenen waren:

il»iiiki«l."ii;i7iir ...... 'l'M\

I i>fluuLr.i

.""•ji.Huili.»;-«r :;j:'

I

Sja. Der MoM Venen« nnd die B^andlosg d«r SehAmhaare. fßS

helläugig 761

hellhaarig (KopiTiaar) .... 667 (Schamhaar) .... 671

Es waren also auch bei einigen Dunkelhaarigen wider Er- ' warten hellfarbige Schamhaare vorhanden. Die Schamhaare sind bald kurz, bald lang, bald dünn gesät, bald dicht und buschig stehend, bald schlicht und strafl". bald kraus und lockig. Ueber alle die.se int-eressanten Dinge besitzen wir leider noch kein statistisches Ma- terial. Nicht immer ist bei unseren Damen der ganze Schamberg behaart, und bisweilen ist er sogar absolut haarlog. Dafür giebt l'es aber wiederum andere Fälle, in welchen der Haarwuchs sowohl nach den Seiten hin als auch nach oben die normalen Grenzen überschreitet. Da dieses Zustände sind, wie sie bei dem raämi- lichen Geschlechte in Deutschland als die normalen betrachtet werden müssen, so habe ich eine solche Ausbreitung der Behaa- Irung bei dem weiblichen Geschlecht als Heterogenie der Behaarung bezeichnet. Für diese scheinen ganz besonders unsere Blondinen prädispoiiirt zu sein.

Die grössere oder geringere Neigung des Beckens lässt anch 'den Schamberg mehr oder weniger hervoiireten. Auch soll die I stärkere oder schwächere Sättigimg der Hautfarbung an dieser Stelle unter den Völkern sehr wechsebi.

Bei den Chinesinnen soll in Folge der bekannten Operation zur Verkümmerung des Fusses der Mons Veneria ungewöhnlich gross werden und auch die Schamlippen in diese Hypertrophie eiii- [bezogen werden; dies berichtet Stricker nach Angaben von Moravhe und Lockart. Allein Selufmunn^ der hierüber nähere Erkundigungen einzog, erhielt keine Bestätigung dieser Angabe, sondern vielmehr eine verneinende Antwort.

Der Haarwuchs am Mons Veneris der Japanerinnen, sagt Wernich., ist gegenüber der Stärke des Haupthaares und der Dicke des einzelnen Haarschaftes dürftig; ausserordentlich selten bildet er ein Dreieck, die ovale, die Vulva oberhalb imitirende Contour herrscht vor. Doenits fand in ausserordentlicher Häufigkeit voll- ständigen Mangel der Schambehaarung. Dass dieser Zustand aber von den Japanern nicht als eine Schönheit betrachtet wii"d, geht aus einem schwerbeleidigenden Schimpfworte hervor, das kawarage heisst, zu deutsch Ziegelsteinhaar. Das bedeutet, die Geschimpfte habe an ihrer Vulva so viel Haare, als sie ein Ziegelstein hat, also gar keine.

Bei Neu-Britannieriunen sah Finsch^ wenn sie keine Aetz- j mittel zur Entfernung der Pubes augewendet hatten, nicht selten ftlondes Schamhaar, obwohl schwarzes die Regel bildet. Riedel^ hebt bei den breitküpfigen Einwohnerinnen der Inseln Leti, Moa und Lakor besonders hervor, dass sie ein gut entwickeltes Fett- polster am Mons Veneris besitzen. Sie scheinen sich demnach

1G6 ^- ^^ äoBseren Sexaalorgane des Weibes in ethnograpb. Hia»icb(.

hieriii sowohl von der schmalküptigen Bevölkerimg derselbea Ei- lande, als auch von den Weibern der Qbrigen Inseln des alfurii«che& Archipels zu unterscheiden. Auf den Aaru-Inselu und der Luang- Sermata- Gruppe desselben Archipels ist der Schamberg und die Achselhöhle nur wenig behaart. Auf den Babar-Inseln ist die Achselhohle bei vielen Frauen sogar vollständig kahl, während auf den Tanembar- und Timoriao -Inseln bei den Weibern aüer- dings die Achselhohle und der Schamberg nur mit spärlichen, aber mit langen Haaren bestanden ist. Auf dem Seranglao-. und Oorong- Archipel gilt der Zuruf: Deine Mutter hat viele Haare an den Genitalien, txir eine schwere Beleidigung. {Rietiel.^)

Bei der atteru Feuerländerin fand r. Meyer das Fettpolster aaf dem Mons Veueris sehr gering entwickelt, so dass die vordere Fläche der Schambeine als eine scharf begrenzte viereckige Er- höhung hervorragte. Auch die jüngere Feuerländerin hatte nach V. Bischofi' nur einen mäi>sig stark entwickelten Schamberg.

V. Bisdtoff konnte eine Sudan- Negerin obducireo, welche einen gut entwickelten, mit krausen schwarzen Haaren reichlich { bedeckten Venusberg besass, und Wald(yer sagt von seinem Ko- ran na- Weibe :

,JVer Motu Veoeiis ist stark entwickelt mit «inem 2 bis 2.5 cm dicken J Pe<ttpoUter. Derselbe ist mit schwanen, krausen, jedoch kanea Hnareal didit besetst; diese stehen nicht in Gruppen, bilden aber hier and da kleine ' SpinllOckchen. Die Bebaarang setit »ich aaf die beiden grossen Scham- lippen fort, wird at>er gvgea das iuit«s« Drittel der lelstecea bedeai ftcbwftcher. SU beiden SeHm das Daimii«« tadon aiek not oodi •Miktt« Haare."

Bei d«r Pariser Venus Hottentotte (bekanntlich keine Hot- tentottin. sondern ein Buschweib"» fi&nden sich nur einige sehr kurze Flocken von Wolle, gleich der des Hauptes, und auch bei der von Lmsckia und Gdtis untersuchten Afandi zeigten .sicli nnrj wenige kam Hirthen.

An die BdttBdhmg einzelner Tbeile der Sexuoloigane schliesst .(iliich die der Schamhaare bei Frauen aa; denn manche Volker- •eliailen kalten dieselben für ein wichttges Object freibücher Toi-^ letteoktoste. So werden di« Haare an den Sebuntbealen im Sudan, wie in Aegrpten. Nubien and Arabien alfracirt Es iat dieaj ein Brauch stTVnmliobigrr Mobamedaoer. Das tOrkische Ent battrangamitlel« wthm OMUt mtmi Uorbei bwotat, besteht bekannt- Ikb «aa Auripi|(iiMnt (Araenkniu solphuntma flanm) mtA gebrann- tem Kalk, welche StoSv zu gleichen Theilen mit Roi»enwa.«ser

eüwr Paste angerübn ^ natan auf der beteefl« ab^wischt wordca. > Oncnt gmni aUgeinei'- Rusma, in Persien vmc muas »eh die mobam'vi

oacbdem diese Paste eir' *Ue attfrdcgen und dann Haare bewitigt. TW >'

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II aocb m Persiil

23 Der iCo^^eSeris ti&d die BemSSx^^au

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Greschlechtstheilen, wie auch unter dea Armen im warmen Bade regelmässig wegätzen. Das mohainedamsche Mädchen und die christlichen Armenierinnen iu Persien thun dies nicht, wie Hüntsschc^ mittheilt. Fnlah sagt: ,,I>ie Schamhaare werden dem Ritualgesetz gemäss durch ein Präfmrat von Auripigment (zernichi und Kalk entfernt: man nennt dies hadaehebi keschidew, d. i. sich dem Gesetzlichen unterziehen; elegante Frauen aber rupfen sich die Haare aus, bis endlich der Haarwuchs von selbst aufhört." Auch Männer befolgen diese Vorschrift, die darin ihren Grund hat, dass nach jeder Excretion das Waschen der Geschlechtstheile geboten ist und die Haare eine genügende Reinigung nicht zulassen würden. Doch man darf nicht glaul>eu, dass nur die eigentlichen Morgen- länderinnen diese Sitte haben.

Petrus BeUonius erzählt, dass der Auripigmentverbrauch im Morgenlaude in Folge dieser Sitte der Depilation ein so ungeheurer ist, dass der Pächter der Metallzölle dem türkischen Sultan einen Tribut von jährlich achtzehntausend Ducaten zu entrichten habe.

An der Guinea-Küste entfernen die jungen imd unverhei- ratheten Negerinnen n&chMonrad die Haare in der Gegend der Geschleuhtstheile ; wenn sie in den Stand der Ehe treten, so lassen sie die Haare naturgemäss wachsen.

Die Weiber malayiscber Abst-ammung des niederländisch- ostindischen Archipels pflegen die Schamhaare auszureissen, daher, wie Epp versichert, der Mens Veneris bei ihnen fast kahl erscheint. Bei Chinesinnen ist dies nicht der Fall. Bei Ersteren mag diese Sitte durch die Ausbreitung des Islam rerursacht worden sein.

Die Tungusen halten nach Georgi einen starken Haarwuchs an den weiblichen Schamtheilen für Misswuchs und wie jeden Miss- wuchs durch Einfluss und Wirkung des Teufels entstanden, wes- wegen derselbe auch manche Scheidung unter diesem Volke veran- lasst. Die Schamhaare werden bei den Mädchen d»^r Batta, sobald sie sich zeigen, sofort ausgerissen und abrasirt, (Ilagen.)

Ini Grossen und Allgemeinen macht es den Eindruck, als ob die Depilation mit Vorliebe von solchen Völkern ausgeübt wird, welche von Natur eine nur geringe und dürftige Behaarung der Schamtheile besitzen, ganz ähnlich wie sich solche Völker rasiren, welche kümmerliche Barte haben. Die scheiubareu Ausnahmen hiervon sind wohl dadurch bedingt, dass die absichtliche Ejithaa- rung, einmal zur rituellen Operation erhoben, nun auch von allen bekehrten Nationen angenommen werden musste.

Wenn ich oben sagte, dass die Depilation der Schamhaare bei Frauen im Orient ein Brauch strenggläubiger Mohamedaner sei, so muss ich doch auch anführen, dass schon längst vor Mohamed viele Orientalinnen denselben Brauch übten; es liegt hier wieder ein Bei- spiel dafür vor, dass die Völker geneigt sind, die von ihren Vor- eltern überkommenen Sitten gleichsam zu religiösen Handlungen

1 68 ^' ^^ Baaseren Sexnalorgane des Weibes in etimogxaph. ffinaieht.

werden zu lassen. Ans Asien und Aegypten gii^ schon in alter Zeit dieser Volksbrauch erst nach Griechenland und Italien über. Obgleich diese Sitte von den griechischen Frauen eben- falls angenonuuen zu sein scheint {Aristophanes^), so waren es doch vorzüglich die Hetären und Lustdimen {Aristop^nes*) über- haupt, welche die ortliche Depilation neben der allgemeinen an sich vornahmen. Eben dieses Verhältniss mochte in Rom stattgefimdai haben (Martial), wo die alteren Frauen die Entfernung der Haare an den Genitalien als ein Mittel brauchten, ihr Alter zu verbergen. Mdirere Autoren bezeugen, dass die Sitte sich in Italien bis auf die neueren Zeiten erhalten hat; sie scheint daselbst noch der Rein- li(dikeit wegen, sowie insbesondere zum Schutz gegen Ungeziefer vorgenommen zu werden. {Rosenbaum.)

Dass die Schamhaare auch einstmals ihre medicinische Be- deutung besassen, das erfahren wir aus dem Henricus ab Heer. Sie wurden von den Feldscheerem benutzt, um Blutungen zu stillen, indem sie mit gewissen Stoffen gemischt dem Kranken vor die Nase gehalten wurden. Sie konnten Männern aber nur Hülfe bringen, wenn sie von Weibern stammten, und umgekehrt. Auf einigen Inseln des alfurischen Archipek (Serang, Eetar und Ewabu- Inseln) geben die Madchen dem Auserwahlten ihres Herzens als Liebespfand einige ihrer Kopf- oder Schamhaare, um ihn tren und bestandig zu erhalten. (Riedd.^)

\1. Die inneren Sexualorgane des Weibes in ethnographischer Hinsicht.

24. Die firkenntniss des anatoiniKchen Baues der inneren weibnchen liescblechtsorgane.

Bpi rohen Völkern sind selbstveiständlicli nur sehr geringe oder keine anatomischen Kenntnisse zu erwarten, und wenn wir solche üherhaupt vorfinden, so können wir wohl annehmen, dass sie nur durch die analogen Erscheinungen und Bildungen bei den Thieren erworben sein können.

Die Anatomie der Geschlechtstheile war aber auch noch bei den Aerzten der alten Aegypter, Griechen und Römer höchst mangelhaft. Sie hatten offenbar nicht viel Gelegenheit, an menschlichen Leichnamen Studien zu machen.

Inwieweit die altägyptischen Aerzte unterrichtet gewesen 2U sein scheinen, die doch wohl beim Einbalsamiren der Leichen Beobachtungen anstellen konnten, erfuhr Henmg^ von dem be- kannt-en Aegyptologen Ebers, aus de.ssen beriiluutem Pajwrus Fol- gendes hervorgeht: Im Aegyptischen bedeutet das Wort matii, männlich gebraucht (koptisch oti) die Gebärmutter (uterus), dagegen weiblich gebraucht (auch oti) die Muiterscheide (vulva). Auaserdein giebt es in jenem Papyrus auch eine Bezeichnung fl'ir die Gebär- mutter: ,,mut*', -worm Ilennig^ eine Analogie unserer „Mutter*', jUijTi^ß, mater finden ¥rill. So heisst eine Stelle: „Arzneien, um die Mutter der Menschen einer Frau an ihre Stelle zuriickzubriugeu.'' Die Eierstöcke heissen im Aegyp tischen benti und werden durch die Dualform dieses Wortes, wie auch durch die ovalen übereinander geschriebenen Ringel g deutüch bezeichnet, i. B. ,,Recepte vom Niclit- fallenlassen der Eierstöcke''.

Aus der Beschreibung, welche der altgriechische Arzt Jlippokrates von den weiblichen Seiualorganen giebt, erkennt man, dass er diese wohl kaum je riciitig gesehen hat, dass er vielmehr

170 VI. Dieinn«

ine des Weibes

lögraph. Hinsicht.*

nur den Bau der Organe der Thiere auf den menschlichen Organis- mus Überträgt: Es ist nämlich die Gebärmutter (Fruchthalter) der Säugethiere bis auf die Affen höherer Ordnung mehr oder minder doppelt, während die menschliche nur einfach ist; daher ist es denn erklärlich, dass Hippokrafrs^ nur von den „Hörnern" und „Höhlen" des Uterus, fi^ctjQ und iai^t^a spricht, nicht von eine'r Gebärmutter, welcher jene „Hörner" (comua) mangeln. Ueber die Eierstöcke oder ihre Analogie beim Weibe verlautet in den Hippo- kratischen Schriften nichts. Aus einer Stelle bei Hippohratcs^ („vasa ad uterum pUcantur" in lateinischer Uebersetzuug) hatte man fälschlich geschlossen, dass er von den zur Gebärmutter sich, schlängelnden Eileitern gesprochen habe. Vielmehr ist seine ganze Schilderung der anatomischen Verhältnisse eine höchst un- zulängliche. Und ebenso geht Aristoteles"^ fast nur nach Analogie bei Thiereu. Rufius von Ephesus, welcher besonders die Ergebnisse der Untersuchungen des Uerophüos an Thiereu benutzt«, spricht gleichfalls von den Hörnern der Gebärnuitter. Er unterscheidet aber an diesem Organe Fundus, unteres Ende, Cervix und Collum, auch hat er schon Kenntniss von dur Existenz der Eileiter, deren Entdecker, wie Galmus anführt, der zur Zeit des Aristoteles lebende Philofimos war; sie sind erst später (1550) von Falhppia, dessen Namen sie dann führten, zum zweiten Male entdeckt und genauer beschrieben worden.

Fast noch geringer ist das Wissen der alten Juden und ihrer Priesterärzte. Die talraudischen Aerzte machten zwar nach der Behauptung von Israels viele Öectionen, wussten aber nicht viel vom Bau lies Uterus, an dem sie ein Vestibulum (Collum) und Coena* culum (Vasa sperraatica) unterschieden. Die Scheide war nach ihrem Ausdruck der üomus extemus, ubi minister conculcat ; und Israels glaubt, dass sie die Nymphen und das Hymen erwähnen (SehinaTm und Tofifijoth). Eine Schlussfolgerung von den Sectionen der Thiere auf die Form der Menschen zu ziehen, gestatteten die Rab- biner nicht.

Zuerst war es Sorani4s, welcher genau die Gebärmutter von der Scheide trennt; dabei beruft er eich auf die von ihm selbst vorgenommenen Sectionen. Nach ihm hat die Gebärmutter des Weibes die Form eines Schröpfkopfes und keineswegs die Gestalt wie bei Thieren; er unterscheidet an ihr Halü, Nacken, Stiel, die Flügel, die Seiten und den Grund. Den Muttermund beschreibt er genau und sagt, dass der Uterus aus zwei Membranen besteht. Aus den Vasa spermatica so versteht Hennig die betr. Stelle streben, wie er sagt, je eine Arterie und eine Vene nach den Eier- stöcken und neben ihnen hebt sich nach der Beschreibung 1»estimmt jederseits vom Uterus ein dUnner Gang heraus, der als Eileiter an- zusprechen ist. Der Lateiner Muscio, genannt Moschimt, der später, vielleicht erst im 6. Jahrhundert, in Rom lebte und em compilatorisches Hebammenbuch verfiasste, scbliesst sich dem Soranus

I Organe.

fast gauz an, inderu er Uterus und Scheide unterscheidet.*) In diesem Lehrbuch für Uebammen ist also vom Bau der Sexualorgane alles dasjenige gelehrt, was die damaligen Aerzte bei ihren anato- mischen Kenntnissen wussten. Dann gelit Gnlcnus wieder aiü" die den Thieren ähnliche doppelhömige Gebärmutter zurück, und bei Orihasius finden vni dieselbe Ansicht, ebenso wie bei dem im Jahre 980 in Persien geborenen arabischen Arzte Avicenna.

Wenn dann Hennig^ sagt: , Einen grossen Zwischenraum ttber- schreitend, treffen wir erst wieder bei Vesal eine auf den Soranus- Mosckion sehen Stand aufgebaute verbesserte und vermehrte Auflage der Abbildung von den inneren Zeugungstheilen" so müssen wir diesen Satz als einen solchen bezeichnen, der auf der falschen An- nahme beruht, dass die in den üfo^sc/iton- Ausgaben gefundenen Bilder der inneren Geschlechtsorgane von Mosehion selbst herrühren. Es können die im 16. Jahrb. von Vesalius gezeichneten Bilder ab einiger- maassen naturgetreu, bezeichnet werden. Im Allgemeinen ist auch das von Plater (promovirte im 1<>. Jahrh. zu Montj! ellier) auge- fertigte Bild ziemlich ähnlich dem von Ves(^tun gelieferten, nur sind die von FaUoppia 15.')0 genauer beschriebenen Eileiter etwas anders, doch noch immer nicht genau genug gezeichnet. Ob der von Galenus als Entdecker der Eileiter bezeichnete Philotimus diese Entdeckung wirklich gemacht hat, ist immerhin fraglich. Zuerst wiederum in Europa nahm de Yiüatvwa (geb. 1300) die öffent- liche Zergliederung weibUcher Leichen in Bologna vor.

Aus Susrutas Ayxirveda erfahren wir sehr wenig darüber, wie »ich die indischen Aerzte die weiblichen Genitalien zusammen- gesetzt dachten. In Hessler's lateinischer Ausgabe dieses Buches ist Nichts enthalten, was über die Anatomie und Physiologie der Schwangerschaft Aufschluss geben könnte. Zu der Stelle, wo die Gebärmutterkrankheiten besprochen werden, bemerkt Hessler:

„Vocabuliim youi non secun uteruio, ac vulvam aiguificat; desiguat igltar onme» partes genitales muHebreü, «luae ad coitum, conceptionetn, gra- vi «litatem et partum pertinent."

Die Anhänger des Buddha berichten von der Erzeugung desselben :

.Wie im Sohatzküsllein das Jairel. so liegt das Kind im Leib der Mutter iniuer auf der rechten ^ieite desselben, unberührt von den Absonderungen oad fieiachlicben Unreinigkfiteti des Schooäses."

*) Valentin Hose wies in seiner Ausgabe des Soranus (Leipzig 1882) nach. dai8 ÜJosdnon (eigentlich Mundo) dem Soranuii und anderen Schrift- •teUeni nur nachgeschrieben hat: dus lat. Original des MoKchiwi wurde im 15. Jahrh. in dai« GriecbiBchc übersetzt, und hier wurden jedenlallB auch Abbildungen der inneren weibl. üeüchlechtBtbeile hinzugefügt, die Kicb in der von Detces benurgten Ausgabe der Schrift Moichion's wieder- len. Diese BQchör ütiuimen in der Hanptaache mit denjenigen überein, welche wir beispielsweise bei liurff (Ein schön lustig Trostböchle etc. 1554) finden, also dem damaligen ijtandpunktc der anatomischen Kenntnisse eni- tprttchen.

172 VI , Die inneren Sexnalorgane des Weibe« i

»pfa. Hinsiebt.

Nach dieser buddhistischen Legende zu urtheUen, darf man wenig Bekanntscliatt mit der Lage der Gebärmutter vordussetzen.

Die japanischen Geburtshelfer, inabesondere ihr Lehr- meister Katufawa, der in den Jahren 1750—1760 sein Werk schrieb, hatten, bevor sie von europäischen Aerzten genauere Kennt- nis« Über den Buu des Körpers erhieltt^n, noch sehr unvollkommene» Wissen von den anatomischen Theilen, welche fQr die Geburtshülfe wichtig sind. Eine genauere Kenntnis^ von der Gebärmutter ver- räth dieses Sun-ron betitelte Werk nicht. Als die hierher gehörenden Theile bezeichnen sie Folgende:

1. Das Hüftbein (ganae« Becken); den Theil deeselben. welcher quer l&uft und unter dem Nabel stebt, nennt man Querbein (offenbar kein be- fitimmter anatomischer Begriff). Der andere Theil des Hüftbeins geht nach unten und vereinigt «ich von beiden Seiten mitten zwischen beiden Schen- keb. Dieser Theil heisat das vereinigende Bein (hlerpiit ist oft'enbar dir Symphysis geraeint).

2. An dieser Stelle giebt es einen Zwischenraum, E-in*) ^d. i. diis Fen- naeum); derselbe ist beim Manne 3 Bu (0.024 englische Fuss)**) breit, b-^i der Frau 5 Du (0,040 engl. Fues), so lange sie nicht geboren hat, nach der ersten Geburt wird er über 1 Sun (0.08 engl. Fuss) breit.

8. Vor dem vereinigenden Bein liegt die Scham, dahinter dor .Kaaa: dringt man 4 Sun (0,32 engl. Fuss) in die Scham, so findet man oberhalb des Anus die Oebilrmutter ; ihre Länge ist 8 Sun (0,64 engl. Fuss); ihr Mund ist nach hinten gerichtet und liegt gerade in der Hnhe des unteren Künde* defi Qnerbeins.

Was die Kenritm.«ts betrifft, welche die Chinesen von den weiblichen Genitalien haben, so steht dieselbe auf einer sehr niederen Stufe. Vom Becken und seiner Anatomie, obgleich doch die Gestalt desselben so wichtig fiir den Geburtsmechanismus ist, scheinen äie wenig oder nichts zu wissen; denn in den mit anatomischen Bildern reichlich verzierten medicinischen Werken der Chinesen hat man die Abbildung eines Beckens noch nicht finden können. Dahingegen enthalten einzelne chinesische Abhandlungen über Geburtshlilfe Beschreibungen der inneren Geschlechtstheile, wobei man leicht Sciieide ■and Gebärmutter unterscheiden kann: «ähnlich (wie die Beschreibung

*) In = beschatteter Theil-, E heisst der Punkt, an welchem sich die Miyaku's vereinigen; die drei Miyaku's sind drei grosse Adern, von denen die uine auf der Vorderseite, die zweite auf der Rückseite die Mitt« des Körpers hinabllUift-, die dritte quer Über den Damm in beide Beine Hüft. Sie sind, wie alle dergleichen Bestimmungen, Resultat der Speculation und entsprechen keinem anatomischen Begriffe.

••) Das gewöhnlich gebräuchliche Langr-mnaass ist der Shiaku, der in 10 San und 100 jjetbeilt ist. Der im gew^ihnlichen Handwcrkergcbniucbe benul«te ist h dem englischen Fuks gleich. Der in der üwburt«-

hülfe gebfjUK . naku ist dagegen nur 0,ö engl. Fuse lang, also dor

Sud 0.Ö8, der Bu O.üOÖ engl. Fuit.

S5. Die Qebanmitter.

173

lautet) einer Nenupbar-Blüthe, die auf ihrem Stengel sitzt'. Allein man kann in der Beschreibung weder die Eileiter, noch die Eier- stöcke wiedererkennen, noch erfahrt man, ob der Autor ihre Be- deutung kennt. Die äusseren Geschlechtstheüe kenneu die Chi- nesen, doch nur das Hjiuen nach IJureau de Vilhtieuve deshalb nicht, weil dasselbe schon in der frühesten Jugend von den Wärte- rinnen beim gewaltsamen Reinigen der Geschlechtatheile mit den Fingern zersti>rt wird.

25. Die tiebiirniutier.

Es ist sehr die Frage, ob es hinsichtlich der Gestalt der Ge- lutter Rassenunterschiede giebt. Gewisse auflallende Formen rden allerdings gefunden, doch muss erst untersucht werden, ob dieselben als Eigenthilmlichkeit der Rasse, oder als Folge der individuellen Lebensweise aufgefasst werden müssen. Sehr bedeutend werden wahrscheinlich die Difl'erenzen unter den Rassen nicht sein. Pruti er -Hey (and bei den Negerinnen den Hals des Uterus dick und verlängert.

Der Eingang der Vagina charakterisirt sich nach de Bnchebruue bei der Wolo ffen - Frau durch eine besondere Engigkeit, sowie durch auflallende Rigidität, ihre mittlere Tiefe beträgt 0,160 m; ihre Färbung ist graubraun. Der Hals des Uterus ist birn- iorniig, eng wie ein Schleienmaul, charakteriairt besonders durch seine Lange und die Stellung des Orificium nach vorn; man würde unter solchen Verhäitnisst n bei der Europäerin nach dt; lioc/ifhrttncs Ansicht beginnenden Prolaj)Sus diaguosticiren. Pnttifr-Bry hatte gesagt: ,,Chez la uegresse le col de lu matrice est gros et allonge." De Rochebrune weist nun aber die Anschauung zurück, dass diese Gestaltung ein ethuographi- Isehes Merkmal sei. Vielmehr ist diese Gestaltung, die bei der lEuropäerinals eine pathologische aufgefasst werden mlisste, bei der Woloffin nur insofern physiologisch, als sie in Folge der von Jugend an geflihrten Lebensweise entsteht; sie ist ein Ergebniss Klimas, der Nahrung, des Tanzen«, der monatlichen Menstruation; liof.UeltniHf geht die Wirkung dieser Einflüsse im Einzelnen durch. Schliesslich bemerken wir, djiss nach ilini die Durch- schnitt.Nverhültnisse des Mutterhalses folgende sind ;

bei der Europäerin 0,017 m Länge, 0,031 m Uurchiuesst-v „„ Wolüffin 0,044 0,019

Mati darf jedoch nicht sogleich annehmen, dass diese Verlan- mg des Collum uteri ein Rassen-Merkmal ist; sie kann durdi juiannigfaclie Eintlibse bedingt sein: durch das die Gewebe erschliil-

1 74 VI. Die inneren Sexaalorgane des Weibes in ethnograph. Hinsidit.

iende Klima, durch die specifisohe Ernährung des Körpers u. s. w. ist vielleicht eioe Disposition vorhanden, und hierdurch begllnstigt kann die Gestalt- und Lageveränderung des Uterus leicht bei über- mässigem Tanzen und anderen Leistungen des Körpers (Tragen schwerer Lasten), besonders zur Zeit des Menstrualflusses, entstehen. Unter ähnlichen Lebensverhältnissen soll bei Creolen, Hulies u. s. w. eine gleiche Beschaffenheit des Uterus vorkommen, und St. Vel berichtet, dass eine einfache hypertrophische Verlän- genmg des Mutterhalses auch auf den Antillen unter älteren Weibern vorkommt, welche den verschiedenen Klassen der Bevöl- kerung angehören, aber nach mehreren Geburten durch schwere Arbeit überlastet wurden.

Ebenso fraglich ist, ob der Bau des Uterus, welchen Oörts bei dem Buschweibe Afandi vorfand, ein Merkmal der Rasse, oder eine zuiallige Besonderheit des Individuums ist. Diese Frau, die etwa 38 Jahre alt verstorben war und 3 Kinder geboren haben soll, zeigte bei der Section einen Uterus, dessen Bau Görts als „plump" bezeichnet; der Fundus wtu" convex, die Fläche des Körpers stark gewölbt, die Vaginalportion kurz, cylinderisch, der äussere Muttermund Hess bequem einen Gänsefederkiel durchtreten, die Lippen waren dick, aber weder gekerbt, noch narbig eingezogen^ die Maaase übertrafen nicht die einer jugendlichen Gebärmutter bei einer Europäerin.

Die inneren Genitalien der jüngeren Feuerländerin boten folgende Eigenthünolichkeiten:

Die Portio vaginalis Uteri tritt an dem Scheidengewölbe' nur mit der hinteren Muttermundslippe hervor, die vordere ist ganz verstrichen. Der Muttermund bildet eine etwa 12 mm lange quere Spalte, steht zwar ziemlich weit auf. hat aber keine Einrisse oder Narben, so dass die Person wohl gewiss keine reife Frucht geboren hat. Der Uterus hat einen Länge durchmeeser von 8 cm, einen Querdurchmesser von 5,6 einen Dickendurchmesser von 3 cm, ist im Allgemeinen etwa platt und ein wenig .schief gestaltet. An den 'Eierstöcken fanden sich alte membranöse Exsudationen und Verwachsungen. Diese Theile und die Eierstöcke zeigten die gewöhnliche Be- schaffenheit. Der Constrictor cunni ist nur schwach, der Bulbus vestibuli im gewöhnlichen Grade entwickelt.

Die Kenntnis« der unciviüsirten Völker von der Bedeu- tung der Gebärmutter beschränkt sich auf Weniges. Von einer Frau, welche unfruchtbar ist und deren Menses fehlen, meinen 'lacli Bertherami die .Araber in Algerien, dass ihre Gebär- mutter verschlossen sei, und dass es dagegen kein Mittel gebe: sie »cagen: ,,Gott wei.s.s es allein", um damit anzudeuten, dnss Nichts zu tbun sei.

satter.

Bei vielen Völkern aber kommt die in so nuinnigfachen Formen auftretende Nervenkrankheit, die Hysterie, vor, welche man mit mehr oder weniger Hecht in Zusammenhang mit Er- krankungen der Genitalorgane brachte. Zumeist freilich hält man bei rohen Völkerschaften die Hysterische, wie überhaupt fast alle Kranken mit nervösen Erscheinungen, ftir „Besessene". Lst beispielsweise eine Frau in der Nay er- Kaste in Indien hyste- risch oder leidet sie an Krämpfen, so gilt sie ftir besessen, und man wendet sich an den Bhuta - Priester, damit er den Bhuta (Dämon) in den Leib eines anderen Menschen oder Thieres treibe, oder ihn zwinge, durch den Mund des Besessenen zu sprechen, wahrzusagen und die Ursache der Krankheit und auch das Heil- verfahren (hauptsächlich Spenden an den Priester) anzugeben. (Jagor.-) Diese Austreibung des Dämons aus Hysterischen, Kataleptischen und Epileptischen wird ungemein verbreitet auch bei uns im Volke bis in neuere Zeit gefunden. Allein hie und da dämmert doch auch die Ahnung eines von der Gebärmutter anügehenden Nerven-Reflexes bei . hysterischen Leiden auf, aller- dings in einer merkwürdig phantastischen Gestalt, die vielleicht auf sehr alte Zeit zur(ickwei.st.

Merkwürdig ist die Thatsache, dass sowohl bei einzelnen Völkern wie auch noch in den niederen Bevölkerungsschichten der Jetztzeit . die Meinung vorkommt, die Gebärmutter sei ein Thier. Im alten Rom sah sich der Arzt Soranus schon ver- anlasst, solcher Meinung entgegenzutreten. Auch der grie- chische Philosoph Plato (Kteintvaedder) sah den Uterus für ein nach Befruchtung begehrliches Thier an, welches, wenn seine Begierde nicht befriedigt wird, sich ungehalten zeigt und im Körper herunizuwandern beginnt, wodurch er die Wege der Lebensgeister und der Res}»iration verlegt. Die Folgen davon ind schweres Angslgefllhl und zahlreiche Krankheiten, Gleiche insichten herrschten zu Aristoteles' und Aduarius' Zeit, sowie lange später noch. Aretäus sagt: „In der Mitte zwischen beiden Flanken liegt beim Weibe der Uterus, ein weibliches Eingeweide, welches vollständig einem Thiere gleicht, denn es bewegt sich in den Flauken hin und her. Die Gebärmutter ergötzt sich an ange- nehmen Gerüchen und nähert sich denselben, während sie vor üblen zurückweicht. Sie gleicht daher einem Thiere und ist auch ein solches." Dieser Autlnnsung zufolge bestand die Behandlung der Hysterie nnmentlich darin, die Gebärmutter durch angenehm riechende Mittel heranzulocken oder durch üble Gerüche zu verscheuchen. Auch Utppokrates spricht von Wanderungen, Ab- und Aufsteigen der Gebärmutter, und seine Heilmethode gegen die damit verknüpften Leiden besteht name^tlieh in Käucherungen, aromatischen Injectionen m. 8. w.

Erst (falfinus verwirft die Annahme einer Wanderung der

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Gebärmixtter, befolgt jedoch die Therapie des Htppokrnfei, während Sonintis sowohl die Theorie als auch die Behandlung desselben ablehnt.

In DeutschlHQd beschäftigt sich der Aberglaube viel mit Uterinleiden: Die , Bermutter" bedeutet sowohl .Gebärmutter' ab auch die , Mutterkrankheit " oder Hysterie. Hei mehreren wninderthfitigen Gnrtrlen!>ildem sieht man unter anderen wäch- sernen, ex voto aufgehängten Gestal- ten (von Händen, Füssen und anderen leidenden Gliedern) hier uud da ein»? krebs- oder krotenartige Figur, unter weither diese Krankheit verstanden wird. Warum man gerade die Kröte mit dieser Krankheit identificirt, ist, wie Pamer sagt, nicht recht klar: man hat gesagt: »vermuthlich weil sich die Krankheit wie da.s Hin- und Herkriechen einer Kröte empfinden lässt*. im Aufkircher Mirakel heisst's: ,Die N. N. hat die Ber- nnitter geschlagen'. Ira Fii rsten- f e ! d er Mirakel : , Hansens Biherffers Tochter hat die Bermutter die ganzen Tage ohne Aufhören gebissen, bis sie sich mit einer wechsen Ber- nmetter allher verlobt". Die in den Kirchen aufgehäugten Krötenbilder "Pig. 30. Ei.*rne. VoÜvbild In Krtten- j,j„^j ^j^^t bloss vou Wachs, sondem g«taU, die Öebämutter d«r.telUnd. i^^^gg ^Uch aUS EisCU. Die Idcutitj-

(Maieum « Wie.b»den.) ^irung der Hysterie mit der Kröte

weist auf Personificirung iler Krank- heit hiu. Auch weiterhin forschte Prt>cc7' nach den besonderen Beziehungen, welche die Kröte zur Gebärmutter und den damit zusammenhängenden Krank- heiten hat. Man pflegte femer in den niederbayriacheo Leouha rd - Kirchen zu.Aigen, Ganacker, Grongörgen Votivbilder von Wjichs oder Eisen in Krötengestalt zu opfern. Eine solche Kröteufigur befindet sich im Wiesbadener Museum (Fig. IJO) ; sie ist von durchschnittlich l cm dickem Eisen, nicht getrieben, .sondern geschmiedet und die Verzierungen eingepunzt. rsaeh dem V^jlksglauben kriecht die ,, Bermutter'* als Kröte au^> dem Munde heraus, um sich zu baden, und kehrt zartick, während die Knuike schläft; dami folgt Genesung \IJiuitJclmaHn). Hat aber die Krau indessen den Mimd geschlossen, so kann sie, wie wir später sehen werden, nicht wieder zurück, und in «liesem Falle wird die Frau unfruchtbar. Auch auf den Inseln Serang oder Nusaina ira malayischen Archipel wird nach Ukdfl^ der

(N«oh llunihlmaun.)

rterui« aU ein iebeudes, mit Uer Frau nicht zasatuuieublitigeudes Wesen betrachtet, das, wenn die Frau nicht krank werden und ihr [Oraler »ich ordentlich eutwickeh» soll, fort<lauernd mit Sperma genitale get\Utert werden mixss.

Das erinnert an einen Ausspruch des wi'is«mi f^nhimo (Sprüche JO, 15. 10):

,J>rei Dinge sind nicht zu «llttigen. und diw viurLe sj)nclit nicht: es ist pamg. Die Hölle, iler Fniucu verschlosyenc Mutter, die Krde wird nicht »er uatt. und diii« Feuer spricht nicht, es iwt genug."

Votivgabeu und zwar solche, welche figürlich die erkrankten »eile des Körpers darstellten, wurden schon bei den Griechen (yergl. J^alma di CtsnoJa's Ausgrabungen auf Cypern) und öracrn in den Tempeln der Götter darge})rficht, welchen man Itinen Eiufluss auf die Heilimg zuschrieb. Schon an sieh ist Ldiese That«ache als Zeichen ähnlicher psychologischer Richtung Völkerleben wichtig; besonders aber eeigt sich eine Aehnlichkeit in dem {rauche, dass die Fraueu die Bilder Ijvrunkhaft veränderter Sexualorgane auf- [liLngi'n.

So deutet Nemjehauer ebi im Na- kionalmuseum zu Neapel aufbewahrtes, KU Pompeji ausgegrabenes Exemplar lua Terracotta, welches, wie er glaubt, pine vorgefallene und mit der gefalteten |nnd imigeHtiilpten Scbeidenschleimhaut iberkleidete Gebärmutter darstellt, ^^^ ^^

Auch das Museo archeologico in l!iw^ii'»-^^^^i^»L'lllf

'lorenz besitzt derartige Votivstücke in bliiKsröthlichem gebrannten Thon, inier denen besonders eins von uuge- Miuk. Fähr 2 Fdss Höbe ganz deutlich die

'^ulv», den Nabel und dazwischen in »iner ovalen, flachen Vertiefimg den |uergenujzelten Uterus mit der Scheiden- portion und dem Muttermunde erkeu-

Jen lässt ^^' ^^' ^'^''^K'" '"• gobranntwo

ThoB Absichtliche Laßeverändenmjjen der 0»Mu««o areheoiosico <□ pioran»

. <> . .... .. dte QebArmatter d«ritell«Dd (naob

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«iaer Skltte d«« Her>uagebert).

uebärmutter werden in Niederländisch Indien und bei den M u u d a K o h I s orgenonunt-n ; wir kommen in einem spateren Abschnitte darauf

KMti.

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26. Die Eierstöcke and die Ovariotoiuie.

Die Bedeutung der Eierstocke (Ovarien) als fruchtlieferuder Organe ist manchen Völkern nicht unbekannt. Unter den Einge- borenen Ostindiena verstand man es, weibliche Castraten herzu- stellen, indem, ähnlich wie bei uns die ,, Schweineschneider" an Schweinen durch eine Operation die Eierstöcke entfernen, dort an Mädchen die Ovariotomie, wenn auch nur in roher Weise, ausgetllhrt wird. Von diesem vielleicht schon längst geübten Gebrauche be- richtete Hoher tit.

Auf welche Weise die Operation ausgeführt wurde, konnte er nicht ennitteln. Die von ihm untersuchten Personen waren unge- fähr 25 Jahre alt, gross, muskulös und vollkommen gesund. Sie hatten keinen Busen und keine Warze, auch keine Schamhaare ; der Scheiden eiugang war vollkommen verschlossen und der Schambogen so enge, dass sich die aul'steigenden Aeate der Sitzbeine und die absteigenden der Schambeine fast berührten. Die ganze Gegend der Schamtheüe zeigte keine Fettablagerung, ebenso wie die Hinter- backen nicht mehr, als bei Männern, während der übrige Körper fl hinreichend damit versehen war. Es war keine Spur einer Men* ^ stmalblutung oder einer deren Stelle vertretenden Blutung vor- handen, ebenso kein Geschlechtstrieb. Mit Recht wird darauf hin- gewiesen, dass diese Unglücklichen abermals den Beweis liefern, wie der ganze weibliche Habitus von den Eierstocken abhängt.

Man hat aus Stellen des Strttho ixnd des AlexaiMler ah Alex- andro schlie.s.=ien zu dürfen gemeint, djisa auch die alten Lyder und Aegypter die Kunst kannten, weibliche Eunuchen zu schaffen, d. h. den Frauen oder Mädchen die Ovarien zu exstirpiren {Morand. Hyrtl und Andere). Allein dort handelte es sich vielmehr wohl nur um die Exstirpation der Olitoris, die jedenfalls schon in alter Zeit bei den Orientalen geUbt worden war.

Dagegen machte uns v. Miklucho-Maclntf^ mit der Thatsaohe bekannt, dass eines der rohesten Völker, die Australier, die operative Entfernung der Eierstöcke üben, um den jiuigen Leuten eine specielle Art von Hetären zu schaffen, welche nie Mütter wer- den können. Diese Operation wird in einzelnen Gegenden Australiens von Zeit zu Zeit au jimgen Mädchen vorge- nommen: am sogen. Para p i tsc h uri - See fand ein Bericht- erstatter ein solches zwitterhaftes Mädchen mit knabenartigem Aussehen und mit länglichen Narben in der Leistengegend. Ein andermal sah der Naturforscher Mac triHirnit/ am Cup York ein eingeborenes Weib, dem man, wie die Narben zeigten, diel Ovarien ausgeschnitten hatte; man hatte dies gethun, weil sie itumm geboren war und man verhüten wollte, dass sie ebenfalls imme Kinder gebäre.

26. Die Eierstocke und*^die Orariotomie. 179

Eine ganz besondere Methode, die Eierstöcke functionsunföhig zu machen, versuchte man in der kleinen religiösen Secte, welche am Anfange des vorigen Jahrhmiderts imter der Leitung der Eva V. Buttler in der Grafschaft Sayn - Wittgenstein (Sass- mannshansen) ihr Wesen trieb. Da jede gottesdienstliche Handlung mit fleischlicher Vermischung der Gemeindeglieder en- dete, so wurde der Versuch gemacht, Mädchen und Frauen bei ihrer Aufnahme „durch eine schmerzhafte und lebensgeföhrliche Operation der Zusanunendrttckung der Eierstöcke" für die Con- ception unfähig zu machen, was aber nicht in allen Fällen mit dem gewünschten Erfolge gekrönt wurde (Christiany).

12«

ML Die Frauenbnist in etlinograpMsclier

Hinsicht.

!7. Die Frftuenlirust in ihrer Russengestaliung, Behandinng

uihI Pflege.

In den Gesanitfen der alten und neueren Dichter einfs jeden Volkes, Dameutlich in deujeui^en der Orientalen, wird die Form der Brust eines schönen Mädchens stets mit hoher Begeisterung und mit Worten geschildert, welche durch sinnliche Vergleichung den unaussprechlichen Reiz der schönen Erscheinung empfinden lassen sollen. Wir können an solchen Schilderungen ermessen, welche ästhetischen Anforderungen je nach der Geschraacksrichtung der Völker an die Gestaltung einer idealen Weiberbrust gestellt werden. Uns liegt nun aber daran, vom naturhistorischen Stand- punkte aus festzustellen, wie sich thatsächlich bei den verschiedenen Menschenrassen und Volksstämnien die Brüste in ihrer Entwicke- lung. Form, Thätigkeit und Rückbildung, sowie bei einer eigeu- thiinilichen Behandlung verhalten. Man hat lange versäumt, dem Gegenstande nach den hier angedeuteten Richtungen hin die recht« Beachtung zu schenken ; insbesondere schien es auch schwer, durch blosse Beschreibung der Gestaltung deutlich zu werden. {Ploss^^.) Einen Versuch, die typischen Gestaltungen der Brust durch bestimmten Ausdruck zu bezeichnen, um mit dieser Bezeichnung sogleich ohne bildliche Darstellung den Habitus zu charakterisiren. machten die frauzösis ch en Anthropologen. (Instructions.) Allein ihre Bezeichnungen sind doch nicht so präcis, dass sie dem Sachver- halt stets entsprechen und eine genauere Darlegung desselben oder ein Bild überflüssig machen. Es heisst dort von den Brüsten:

,,KlIes sollt taiitöt hemispfateriques, tanl6t pluü ou moins pendttn» tcfi, tantöt pirilormes, c'est-ä-dire en forme de poire,"

Zunächst möchte ich daraufhinweisen, dass die eigenthilmliche Pflege und Bchandlungsweise der Brüste denselben bei vielen Völ- kern eine vom Normalen abweichende Qestalt giebt. .Schon die

israelitischen Aerzte des Talniud waren auf den Einfluss auf- iierksam, welchen die Pflege der Brust auf die Entwickelung dieses lochwichtigen Organes äussert. Sie behaupten, dass bei den Töch- irn der Bemittelten sich in der Regel die rechte Brust früher als lie linke wölbe, in Folge des von ihnen auf der rechten Seite ge- wöhnlich getragenen Umschlagetuches ; wogegen bei den ärmeren ^sKlassen sich die linke früher als die rechte wölbe, indem die ^^^[iidchen dieser Klasse gewohnt sind, mit der linken Hand Wasser ^Ktu schöpfen oder auch ihre Geschwister innherzutragen. Wer denkt I^Riier nicht an die Känii>fe, welche bei unseren hochcivilisirteu Völkern der Gegenwart alle einsichtsvollen Aerzte, an ihrer Spitze der berühmte Anatom Simmoriniß, mit der Unsitte des lenganschliessenden Frauenmieders noch immer bestehen? Allein hftuch andere, und zwar nicht bloss civilisirte, vielmehr recht rohe iTölkerschaften üben, wie wir in Folgendem sehen werden, sei es [absichtlich, sei es unabsichtlich, einen behindeniden Druck auf die sich entwickelnde Brust durch die Kleidung, ja selbst durch beson- lere Vorrichtungen aus, während im Gegentheil andere Völker sich feiner uorgtnltigen Cultur dieses dem Säugungsgeschäfte ge- ridmeten Werkzeuges befleissigen. Die alte Sage von den Ama- zonen, welche den Mädchen angebUch die rechte Brust ampu- ^tirten,*) damit diese bequemer fecliteii könnten, berulit vielleicht ^Huf der Bcoba«'htung, dass bei einem Volke die kriegerisch gesinn- ^Ren Frauen dtirch die enge Tracht mit einseitiger Compression der ^yBmst fjist völligen Matigel derselben zeigten.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass es in der That primitive, nicht erworbene Unterschiede an der Weiberbrust iter den verschiedenen Völkern giebt. Wir müssen dies schliessen lus den stalüreichen Abbildungen, welche wir von überall her er- lielten. Auch sagte schon IlifrtI: „Nur die Brüste der weissen md gelben Kassen sind im jungfräulichen compacten Zustande »albkiigelig: jene der Negerinnen dagegen unter gleichen 'erhältuisaen des Alters und der Köri)erbesci\atfenheit mehr in die jängo gezogen, zugespitzt, nach aussen und unten gerichtet, kurz lehr euterühnlich."'

Allerdings macht auch jegliche Fraueubrust eine Reihe von ^hasen in ilirer Entwickelung durchs je nach dem Lebensalter der

*) Nttcb Uippokrates ReUten bei diesem am Asow'gchen Meere (Milo-

iischen Sumpfe) wohnenden Volke der Sjinromtiter die Mütter den

langen Mädchen ein kQnsilicb dazu gearbeitetes, und Überdies noch glflhtmd

etuttcbte« Ku|>ferbloch auf die rechte Bru!^t, und linuuiteu dic^b so \hk, dasH

niclih uu'hr wiicliäen konnte, und dnsH sich alle Krutt nnd Stärke

th der rechten Schulter mul dem recliteu Arme hinziehe. Ursprung-

|ch «cythiich, rtrhietteu die Amnzoneu in den bildlichen Darstellungen

tr Griechen erst apllter die altdorisebe Tnicbt kretendiscber

lgemiU4leben : kurz unfge^chilrzte Tunika und KntblOaouui; der rechten

mit er .

182

VII. Die Frauenbrnst in ethnographischer Hinsicht.

Trägerin, welche durch ganz verschiedenartif,'e Fonugestalttuig kennzeichnet sind. Wenn mau von allen diesen Entwickelungsphaeer der Brust desselben Individuums getreue Darstellnngen mit einander vergleichen würde, so könnte man bisweilen in die Versuchung kommen, zu glauben, dass man die Erliste ganz verschiedener In-«] dividuen vor sich habe. Man muss daher bei dem Urtheil, ds mau über die Form der Brüste fremder Nationen abgiebt, recht sorgfältig berücksichtigen, in welchem Lebensabschnitte sich die] Besitzerinnen der betreffenden Brüste liefinden. Die auffallendsten} Unterschiede bestehen zumeist innerhalb derselben Rasse in der| Form der Brüste, je nachdem die letzteren bereits ihrer physiolo- gischen Bestimmung genügt haben oder noch nicht. Die jung- fräuliche Brust hat fast bei allen Völkern eine ganz andere Form, als die Brüste von Frauen, welche bereits geboren haben, ganzj besonders wenn sie schon längere Zeit ein oder gar mehrere j Kinder gesäugt haben. Durch das Säugegeschäft werden die Brüste zumeist mehr oder weniger stark herabhängend, welk, faltig und nmzelig und zeigen nicht selten sehr wenig mit den Gesetzen der Schönheit in Einklang stehende Knotenbildungen. Daraiif treten die Veränderungen des Alters hinzu, welche bisweilen die Brüste in platte, weit herabhängende Lappen umformen oder sie auch wohl gänzlich verschwinden lassen, so dass nur noch eine untormliche. Warze die Stelle bezeichnet, wo sie einstmals den Brustkorb ver- schönten. Es ist eine der vielen noch ungelösten Aufgaben deri Anthropologie, das Lebensalter zu bestimmen, in welchem bei den verschiedenen Rassen imd Völkern die soeben geschilderten Verände- rungen einzutreten pflegeu, sowie auch den Grad der Ausbildung, welchen sie für gewöhnlich erreichen.

Schon wenn bei dem heranwachsenden Mädchen die Brust aus dem neutralen oder puerilen Zustande sich in den weiblichen Typus umzubilden beginnt, sind, wie es scheint (wie es aber noch viel ge- nauer studirt imd erforscht werden muss), nicht uuwesenthche Formenunterschiede zu beobachten. Bisweilen nimmt das den grossen Brustmuskel bedeckende Fettpolster stetig und beträchthch zu, während die VVarze und der VVarzenhof noch lange die kind- liche Form und Grösse bewahrt; in anderen Fällen geht die Zu- nahme und Ausbildung des Fettpolsters und der Warze in gleichem I Schritte vorwärts, und wiederum in anderen Fällen kann man schon lange, bevor an dem Fettpolster eine Veränderung zu bemerken ist, den Warzenhof mit der VVarze in der Form einer kleinen, ungefähr 2 em Durchmesser an der Grundfläche darbietenden Halbkugel über die Fläche des Brustkorbes hervortreten sehen. Der letztere Modus' scheint in Nord-Deutschland der gewöhnlichste zu sein.

Wenn mau nun von der Rassengestaltung der weiblichen Brust ; spricht, so pflegt man gewöhnlich nicht an die durch Wochenbetten und Säugungsperioden beeinüufwiten, auch nicht an die vom Alter j Vfrauderti^n Brüste zu denken, sondern an die jugendlichen und

'27. Die Fraaenbrast in ihrer Rais^engestaltang, Behandlung u. PSege. 183

jirngfriinHchen Brüste der jungen Mädchen in dem kräftigsten ge- schlechtsreilen Alter. Hier sind bei den verschiedenen Rassen nicht unerhebliche Formverschiedenheiten zu beobachten. Bald ist die Warze klein und flach wie ein Kuöpfcheu, bald etwas massiger und konisch geformt, mit breiterer Basis und abgerundeter Spitze, bald gross und cylindrisch, fast wie ein Fingerglied. Wie die War- zen, so zeigen auch die Warzenhöfe nicht unerhebliche Unterschiede. Bald sind sie blass, bald dunkelrosa, bald braun und selbst fa^st schwarz pigmentirt; bald bilden sie kleine, bald grössere oder selbst ungeheuer grosse Scheiben, bald treten sie leicht, bald stark halb- kugelig gewölbt über den Hügel der Brust hervor, und bLsweilen sind sie durch eine deutlich ausgesprochene einschnürende Ringfnrche von dem letzteren abgesetzt. Bei den Hügel» der Brüste hat man darauf zu achten, ob sie mehr oder weniger unvermittelt aus der Fläche des Brust- korbes herausquellen, oder ob die letztere schon von den ScJilüssel- beineu an, nach abwärts allmählich an Unterhautfett zuneh- mend, unmerklich in die Brüste übergeht. Man hat die Art ihres Sitzes zu berücksichtigen, ob sie höher oder tiefer am Thorax, ob sie näher der Medianlinie oder mehr zur Achselhöhle hin ihren Ursprung nehmen. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist aber ihr Umfang, ihre Form und Gestaltung. Die Unzuläng- liclikeit der französischen Bezeichnungeu in dieser Beziehung, wie sie die Instructions authropologiques generales vorschlagen, wurde oben bereits betont. Auch die Elemente danthropologie generale von Topinard bringen hierfür keine neuen Vorschläge. Die Formen, welche nach des Herausgebers Meimmg unterschieden werden müssen, kann man bezeichnen nach der Grösse als 1. stark oder üppig, 2. voll, 1:5. massig und 4. schwach, klein oder spärlich, femer nach der Consistenz, beziehungsweise dem grösseren oder geringeren Grade der Straffheit, als stehend, oder hängend. Hier darf man jedoch nicht übersehen, dass bei manchen Brüsten das Hängen durch die ursprüngliche Form be- dingt ist und sehr wohl neben straÖer Consistenz bestehen kann. Im engeren Sinne kann man bei der Form der Brüste drei Haupt- gruppen unterscheiden, nämlich scheibenförmige Brüste, halb- kugelige Brüste und konische Brüste. Die scheibentormigeu Brüst« wiederholen ungelTihr die Form einer halben Mandarine; der Durclimessfr ihrer Grundfläche übertrifft bei weitem ihre Höhe. Die Halbkugeligen kann man je nach ihrer Grösse mit einem halben (oder Drei>'iertel) Apfel, mit einer halben Apfelsine, oder mit einer halben Cocosnuss u. s. w. vergleichen: immer ist ihre Höhe dem DarchmesHer ihrer Grundfläche ungelahr gleich. Die konischen Brüste sind pyriform (birntormig) oder citronenfijrmig zugespitzt, oder auch an ein Ziegeneuter erinnernd. Bei ihnen ist stets die Höhe, d. h. die Kutfernung ihrer Warze von dem Mittelpunkte ihrer Grtuidfläche, erhebhch grösser als der Durchmesser der letzteren. Zahlreiche und wiederholte Maasse, genaue Notizen,

184

VII. Die Fraaenbni«<t in ethnographiwcher Hinsicbt.

nicht ober den Gesainmteindruck. welcheu eine Berr'! Kf.

aondern über möglichst viele Einzelindividaeu , rei' , t«>-

graphische DarsteUunpen und ganz besonders Gypsabg&sse wärm im Stande, unsere antliropologischen Kennhiisse auf diesem Gebiet« iu recht erheblicher Weise zu fordern. In der Kegel niroint niAn an, das» dort, wo die geschlechtliche Entwickelung trOh eintritt» z. B. im Orient, auch die Rückbilduug der Brüste am t'rfiheät^i beginnt.

Gehen wir nun zur descriptiven Betrachtung der ethnographi- schen Unterschiede und Merkmale der Frauenbmst selbst Otier, so werden wir tinden, daas leider noch keine auf Messi iti-

ileten genauen Beobachtungen vorliegen. Man b»-.-' -loh

bisher auf Mittheilungen auffallender Kennzeichen. Die tn^isteti jener Formen der Mammae, welche als charakteristisch bei den einzelnen Völkern beobachtet wurden, kommen auch bei uns in be- sonderen Fällen als vereinzelte Exemplare vor. Allein gerade darin, das« die!<e letzteren nur vereinzelt sind, \md dieselben doch wohl zuraeid; nur als Ausnahme erscheinen, gewöhnlich auch jener, bei einem besonderen Volke fast durchgängig vorgefundenen aus- geprägten Form ermangeln, liegt eben die Bedeutung der ethno- graphi-jcheri Merkntale an der Frauenbrust al« Kennzeichen i'iner gemein«uinen Korpergestalt. Der Zukunft bleibt es vorbehalten. Maassbestimniungeu hinsichtlich des Sitzes, des Umfunges «ind der Grösse, der Form und Gestaltung von Brust und Brustwarze nebst Warzenhof gleichsam statistisch aufzusammeln, sowie ausgedehntere anatomische Untersuchungen anzustellen,

Ueber die nationalen Unterscbiede, welche man am FniaenbuseD bei den europäischen Völkerschaften wahrgenommen hat, wollen wir in erster Linie einiges anfübreu. Ja auch sie noch lauge uicht genau genu^ be- kannt geworden eiud.

In Deutschland wird hiosichtlich der Pflege der Bmat auft^crordeot- iicli viel sowohl in den Städten, ah auch nuf dem Lande gesüudigt, so dut>» den Kindern ein guter Theil der ihnen zukommenden Nahruug hierdurch entzogen wird. BeispielHweise führe ich nur im, dusa in Ober«chwal»en nach Bück die Brust durch enge Kleider. Mieder u. s. w. zu völliger Unbrauch- barkeit verkiUnmert; pchliesslich ist nur ein elendes Stück von einer Drunt- wnrze vorhanden; es können deshalb dort nur sehr wenige Kinder geatitlt werden, auch ist daher die Kindersterblichkeit dort ausserordentlich hoch.

Im südlichen Theile von Württemberg herrscht, wie mir Statt* gnrter Aerzte niittheilen. der Brauch, daas die Landmädcben sich durch ihre Tmeht die Brüste geflissentlich niederdrücken. Im Bregeuzerw nid ixt dies im hoben Grade der Fall. Bei Oppermann (Scherr, EchrrJ tindet »ich folgende Angabe über die Bewohnerinnen dieser Gegend: ,Die GestiUtßii Hind kräftig und gedrangen, die HUften breit, die Beine ebeniuässig gvliMut. Nur eins mangelt ihnen völlig: die Bru«t. Allerdings gewabrt man dfia* selben Mangel auch Bouet bei Bergbewohnerinnen, aber ist dennoch oaf- fallend, das» derselbe hier sogar bei Kolchen augetrott'en wird, die sonst Qppig gebaut sind. Dies mag daher kommen, dass Mütter MolcJien Tüchteni. die etwa vor anderen sich durch das, was diesen fehlt, atuzeichnen kdnnleo.

186

VII. Di« Frauenbruflt in ethnographischer Hinsicht.

tellerariige Hölzer auschnallen und su mit, Gewalt eine der schönsten Zierden dea Weihes in ihrer Entwiclcehing hemmen." Auch Iti/r berichtet von den Mädchen des Bregenzerwaldes: ,DieJuppe umitingt den Leib so eng, dau sie fast die Entwickelung der Brust verhindert und bei älteren Frauen such immer den Eindruck von Verbildungen hervorruft.' In der Dachauer Gegend in Bayern ist das Stillen der Mütter völlig unbekannt (Kinder- sterblichkeit 40 bis 50 Froccnt); durch diese P(lichtTernachl&«sigung. die auf Kind und Kindeekinder übergegangen ist, sind die Organe des Silugens all- niilhlicb verküininert; dazu kommt noch besonders die unschöne Tracht der Dachauerinnen in der Form starrer, brettnrtiger Apparate, welche die Brüste von der frühesten Jugend an in ihrer Entwickelung hemmen. (Custer.)

Jedem Fremden, der Deuts ch-Tyrol bereist, wird die flache Brust des deutsch-ty roler Weibes auffallen. Von der Pubertätszeit an wird der Brustkasten des Weibes in ein festes Mieder eingezwängt, das man füglich einen Holzpanzer nennen kann, denn eine wohlcntwickelte Brust, die in an- deren Ländern den Stolz eines Weibes bildet, gilt in Tyro 1 nicht als körper- liche Zierdü. Die Brüste gelangen daher durch Druck zur Atrophie. Das deutsch-tyroler Eheweih stillt ihr Neugeborene.s nicht oder höchstens 2—3 Wochen, theila weil die Brüste dazu nicht mehr göeignet sinil, theils weil das Stillen nicht Sitte ist. Dagegen fehlt in Welschty rol dieser Holz- panzcr, und dort ist auch die weibliche Brust besser entwickelt, als im deutschen Norden. (Kleimcaediter.)

Dass auch ohne solche künstliche und absichtliche Beeinträchtigung»- ntittel für das Wachsthum der Brüste die Entwickelung und die Grösse der- selben in verschiedenen Theüen Deutschlands eine sehr verschiedene ist, das dürfte wohl hinreicbeDd bekannt sein. In Schlesien z. B. pflegt sie. wie es scheiiit, eine bescheidene, ja fast kümmerliche zu sein, während in Mecklenburg, in der Würzburger Gegend und in Wien selbst noch sehr junge Mädchen einen bereits üppig und voll entwickelten Busen darsu- bieten pflegen.

Nach dem Ausspruche eines alten Dichters, den Hyrtl anführt, scheinen die Frauen Oesterreichs in dieser Beziehung besonders in dem Rufe ge- wesen zu sein; die Theile seiner Liebsten wünscht er aus verschiedenen Ländern :

,Den Kopf aus Prag, die Füss' vom Rhein, Die Brüst' axis Oesterreich im Schrein, Aus Frankreich den gewölbten Bauch etc.*

Der Bau der Südeuropäerinnen bedingt wohl auch im Allgemeinen eine frühere Entfaltung und üppigere Entwickelung ihrer Brüste. Ob wirk- lich bei slavischen Völkern sich die Brustdrüse zeitiger ausbildet, ala bei den germanischen, vrie einmal behauptet wurde, ist wohl noch nicht ganz festgestellt. Die Serbinnen Syrniiens, der Bucska und des Ba* nates haben keinen grossen Busen, auch hat dieser nicht die grosse Härte, wie jener der Mädchen von Civil- und Militär-Croatien, deren gute Formen nur jenen der starken Dalmatinerin oder Liccanerin. der Bunjevka, aber h.^upt$2ichlich der reizenden und schönen Greozerin im Brooder ito- giniente nachstehen.

Jedoch sagt c. B/ijacsich von deu syr mischen Serbinnen geradezu iui Gegentheil. dass sie vollbusig sind und slark entwickelte Waden und Hinterbacken besitzen.

Die italienischen Damen schmeichelten zu der Zeit, in welcher iVoN- tfXffue sie auf seinen Reisen kennen lernte, dem Vornrtbeila ihrer Anbeter sa

lej?e.

«ohr, dae» eine übei-mSssig grosse BuKenllUe schön sei, sie ginubton sifl (leohalb möglichst sichtbar machen zu müssen.

Die Spanierinnen des 16. und 17. Jahrhunderts dagegen hatten ander« Begriffe von Hthönheit, als ihre Italien ii<chen Schwestern (d' Aulnaij), wahrend diese nach blühendem Fett strebten, thaten jene allea Mögliche, um sich mager zu erhalten, tni^besondere wurde die Entwickeluug des Basen« mit Gewalt hintertrieben, indem man die schwellende Brust reifender Mädchen vermittelst Tafeln von Blei platt drückte und zwar mit solcbeui Erfolge, dasN bei vielen npani sehen üniiien statt der Busenhügel Vertiefungen und Hohlen «ichtbar waren. Denn sie sorgten rec:ht geflisäentlich dafür, da8B diese Reixe, nämlich eine hagere knochige Brust und ein ebenso hagerer und knochiger Rücken weit hinab dem Anblick bloss gestellt würden.

Unter den Europäerinnen sollen die Portugiesinnen die grÖBst«u, die Castilianerinnen die kleinsten Brüste haben CAbihjaufd). Die Grösse der Brüste soll iu feuchten oder sumpfigen Gegenden bedeutender werden, aU in trockenen Gebirgslandem (HifrÜ). Wenn Rubens seine Göttinnen und Engel mit den Brüsten flandrischer Kuhmägde ausstattet, so läsest das wohl auf seinen und seiner Zeitgenossen Eunstgeschmack schliessen, der «ich für eine besondere Fülle des Fleisches und Fettes interessirte, nicht aber darauf, dass die Frauen in Flandern, fast durchgängig die üppigsten KOrperfomien aufzuweisen hatten.

Dass aber die Frauen in England, besonders diejenigen der höheren Stände, verhältnisamäsaig gering entwickelte Brüste besitzen, scheint ebenso fefltzuetehen, wie Jerselbe Mangel der Yankee-Frauen in New-York und anderen Städten Nordamerikas; hier werden öH'entlich artefacte Brüste von alleu möglichen Grössen xum Verbergen des Mangels angeboten.

In der europäischen und asiatisch enTürkei aber ist nä.c\i Oppenheim jede Mutter im Stande, ihr Kind selbst zu nähren, da uieiualu eine Schnür- bru«t die Brüste und Brustwarzeu zerdrückt. Nach dem Wochenbett bleibt bei den Türkinnen gewöhnlich Schlauheit der Brüste zurück, dio an und fflr sich in der Regel sehr entwickelt sind.

Bei den Völkern Amerikas beginnen wir mit der Südspitze de« Coatinente. Von den Peacheräs, Bewohnern des Feuerlandes an der Mftgelhaen ststrasse, hatte schon Esseudörftr im Jahre 1880 der an- thropologischen Gesellschaft in Berlin berichtet, das«, während die Männer auffallend mager sind, die Frauen bedeutende Fettentwickelung, insbesondere sehr tippige Brünte zeigen. Dies bestätigt sich an den Pescherä- Teibern, die nach Berlin gebracht worden waren; FiVcAoir- fand die Büste sr voll; die Mammae stark und klüftig, ohne doch hässlich zu sein; sie ti&ngen nur wenig, jedoch so, dass die grossen und wohlgebildeten Papillen mehr nach unten stehen.

Von den HÜdamerikanischen Indianern erhielt man im Ganzen wenig detaillirte Unlersuchungöberichte. Von den Weibern der Kayapo iu «ler Provinz Matto (iroeso (Brasilien) sagt Ä^iyj/ifr; Die jüngeren Frauen haben feste, kleine, etwas spitz zur Papilla zulaufende Brüste, die reiferen eine volle, nicht unschöne Brust. Allein im Allgemeinen stehen die In* diunerinnen Südamerikas in der allmählichen Verlängerung der BrOstä hinter anderen nichtznrUck. Wenn diu Indianer-Frauen in Chile und Ca- lifornicn mehrere Kinder geboren hüben, so sind ihre Brüste nach Aus- spruch Hollin'i, Wundarzt bei La Virouet^a Expedition, ebenso schlatf und herabhängend, wie bei Enropäprinnen in ähnlichen Fällen. Von den Payaguas, diu am Paraguay-Strom wohnc>n, berichtet r. Asara, da8s

VU. Die FraueSS

lograpi

ihre Weiber den Busou der jungen Mädchen, sobald derselbe ausgewachs«! ist und seine uatilrliche Grösse erreicht hat, entweder mit den Mänteln odvr auch mit einem ledernen Riemen zusiitninenpressen, unj ihn hinterwärts gegen den Gürtel zu ziehen, so das« er, ehe i^ie noch 24 Jahre alt werden, wie ein Beutel an ihnen herabhängt. Nach Rentjtjtr hat der Buflen der Guarani-Weiber das Eigenthümliche, daiis die Parthie des Warxeohofe». erhaben auf der Brust aufsitzt, und er fand ebenfalls, dnss die Paragaa» Weiber mittelst eines Gürtels die BrQste verlängern. Er meint aber, dass sie von Natur nicht mehr als die Brüste der Europäerinnen zur Verlängerung neigen, sondern dati« sie lediglich durch das Prassen künstlich verlängert werden. Auch die Brüste der War r au -Indianerinnen in British- Guiana hängen nach Scltomburyk, Hobald sie geboren haben, schwammig herab.

Bezüglich der nordischen Völker Amerikas fehlen noch eingehen- dere Berichte. Die Brüste der Eskimo-Weiber sind nach Smith ange- wöhnlich entwickelt, doch nicht in so ausserordentlichem Grade, vrie die Brüste der Hottentotten- und Buschmann-Frauen,

Bekanntlich sagt mau den Hottentotten-Frauen fa^t allgemein nach. dasB sie die am stärksten herabhängenden Brünte haben, ebenso wie die Weiber der Buschmänner. Schon lAchicnstein schrieb: ^Die scblaif herab- hängenden Brüste und die übeniiäasig dicken, weit unter dem hohlen RQeken vorstehenden Hintertheiie, in welchen sich gerade wie bei tifrikunischen Schafen alles Fett de.« KSrpers gesammelt zu haben scheint, machen nebst der übrigen HäsKlichkeit der ganzen Gestalt und der Gesichtsbildung die»« Krauen in den Augen de.i Europäers zu wahren Scheusalen,'

Genauer beschreibt Fritsch^ die Gestalt der Hottentotten-Bru6t «Die Entwickelung des Busens steht etwa derjenigen bei europäischen Frauen näher, als diejenigen der A-bantu. Ich habe bei den Koi-koin das massige, euterartige Ansehen der Brüste nicht beobachtet, welches bei den anderen Regel ist-, der Busen ist vielmehr verhftltnissmässig klein, zuge« spitzt, mit vortretender Brustwarze, der Wnrzenhof überragt die Oberfläche nur wenig, wenn nicht wiederholtes Säugen darin eine Abänderung herbei- führt.. Natürlich bleibt wegen der grossen Hinneigung aller Hautpartbien zur Faltenbildung auch die Formation der Brüste in späteren Jahren nicht 80, wie sie oben beschrieben wurde, doch ist es gerade aus diesem Grunde beraerkenswerth, dans man häufig Personen im Alter von dreissig Jahren sieht, welche dieselben noch ziemlich unveÄndert zeigen. Je nach bdhereu Alter hört dieser Köqjertheil allerdings auf, zu den Reizen des schönen Ge- ächlecbta /.u gehören.* Barroir beschreibt bei den Hottentotten-Frauen, während er für die Kaffern schwärmt, die Brüste als mit sehr grosser Warae und hervorragendem Warzeuhofo , „was um so weniger,* wie Vrit^eh hervorhebt. , zugegeben werden kann, als diese beiden Merkmale nicht zu- sammen vorzukommen pflegen, das letztere aber ein entscheidendes Cliarak- teristicum der A-bantu ist.*-

Man hat in Europa Gelegenheit gehabt, den anatomischeu B»u der Brust einer Hottentottin sowie eines Buschweibe.«" genau kennen zu lernen, da zwei weibliche Individuen dieser mit einander verwandten Völker (eines in Paris, das andere in Tübingen) zur Section kaaiML. Das Busch weil) Afandi, deren Körperbau nach ihrem im 88. LebensJAhM •erfolgten Tode (sie soll drei Kinder gehabt haben) Görtg gouau btrachrieUi hatte keineswegs hängende Brttste; dieser Autor nagt: ,In der For» n\ation der Areola stimmt unser Buachweib mit der Pariser Venus Hot*

27. Die Frauenbrust in ihrer Rassengeetaltung, Behandlung u. Pflege. IgO

tentotte (Citvier'sJ, die einen vier Zoll messenden, mit strahlenförmigen Runzeln versehenen Hof zeigte, gar nicht, dagegen wohl mit der Euro- päerin Qberein; der Hof hat einen Durchmesser von 4^4 Zoll und ist un- regelmässig, eher concentrisch als radiär gerunzelt. Die Papille ist wenig vorstehend, doch wohl sichtbar und nicht verstrichen, vom Hof durch eine sie ganz umfassende Rinne abgesetzt."

Die Cultur der Brüste bei den Kaffern ist einzig in ihrer Art. Schon im 7. oder 8. Jahre beginnt die Mutter beim Mädchen die Brüste mit einer Salbe zu bestreichen, die au« Fett und gepulverten Wurzeln bereitet ist. Sie frottirt und umfasst mit ihren Fingerspitzen die die Brustwarze um- gebenden Weichtheile, gleichsam um die Brustdrüse herauszuziehen, und später wird letztere täglich lang und schmal ausgedehnt und mit Bast um- schnfirti Von den Frauen der Basuthos werden die Kinder auf dem Rücken getragen und sie reichen denselben, wie auch noch manche andere Afrikanerinnen, die Brust durch den Arm hindurch. Um dies möglich zu machen, werden, wie Holländer berichtet, schon lange vor der Nieder- kunft die Brüste fortwährend gezogen; und so schön auch die Brust eines jungen Kaffernmädchens sich producirt, so entsetzlich erscheinen die lang herabhängenden Schläuche der Frauen, die bereits geboren haben. Unter dem sehr uncultivirten Volksstamm der Boilakertra im Innern von Madagaskar fani Auddiert bei den jungen Mädchen die Brüste rund, fest und wohlgestaltet; die Saugwarze ist etwas stark entwickelt und von schwarzer Farbe. Das Verkommen und Herabhängen der Brust bei älteren Frauen entsteht einfach daraus, dass sie ihre Kinder Jahre lang säugen, und zwar neben den Neugeborenen oft zugleich solche, welche so gross sind, dass sie die Brüste der stehenden Mutter erreichen können.

Wenden wir uns zu den in den Nilländem wohnenden Völkern, so treffen wir zunächst die Aegypterinnen, deren Brüste Hartmann^ in der Jugend oval und prall fand, doch werden dieselben mit zunehmender Körper- entwickelung und nach wiederholten Geburten welk und hängend. Die Brüste der Fei Iah -Mädchen schwollen oft schon mit dem 11. bis 13. Jahre; allein bei den Frauen von 25 bis 30 Jahren werden sie schon schlaff.

Die Weiber in Ober-Aegypten standen im Alterthum in dem Rufe, sehr starke Brüste zu haben, wie aus folgenden Versen des Jucenalis her- vorgeht :

Wer staunt kropfigten Hals in den Alpen an?

Wer in dem Eiland Meroe grössere BrüsV als die fetten Säuglinge selber?

I*aulit8chke führt schöne Büsten und starke Brüste als typisch für die tialla-Frauen an.

Möglichst genau beschreibt Harimann'^ die ni gritische Körperbildung. „Viele Negermädcheu haben in der Jugend eine anmuthige, weich und gracil geformte Büste. Die Brustdrüsen sind dann halbkugelig hervor- stehend, prall, unten gewölbter, oben flacher. Der Warzenhof ist, wie bei manchen unserer jungen Mädchen, ebenfalls gewölbt und von einer kurzen Warze überragt. Häufiger aber zieht sich bei selbst jungen nigritischen Frauenzimmern die Brust mehr oder minder spitzkugclförmig nach aussen. Kegelförmig entwickelt sich dann auch der Warzenhof, weniger die Warze. Das gewährt einen unschönen Anblick. Noch mehr verliert sich das Aesthe- tische der weiblichen nigritischen Torsobildung, wenn solche spitzkugel- förmigen Brüste früh welken und siech herabhängen. Nach Geburten können

I- ■'■■ 111. .I---

27. Die FnmenbrastitJ ihrer Rassengestalttjng, Behandlang- o.Pflege. IPl

kräftigen Individnen sehr hart und derb, gewissermaassen auch strotzend.

flHeeelben nähern eich weniger der halbkugeligen, als der konischen Gestalt,

laben oft eine zu kleine und zu wenig verraittelte Baäi» und prSsentiren

ich im sehr seltenen Extrem fast zitzenähnlich und ungleich entwickelt.

DrOste von solcher Form folgen natürlich uiu so leichter dem Gesetz der

Schwere, und werden bald zu den herabhängenden Beuteln, welche vorzugs-

rcise an Afrikanerinnen getadelt werden, obgleich sie auch bei anderen

lauen vorkommen und bei Cultur-Nationen eV)enfalls nicht unbekannt sind.

He beasere Form mit breiter Basis ist naturgemäss die dauerhaftere und

Bn manchen FBllen auch noch eine Zierde des reiferen Weibes: in der Jugend

[cracheint sie häutig von vollendet schöner Bildung, bis auf die selten ge-

iflgeud scharf und klein abgesetzte Warze. Falkenstein- sagt von den Lo-

(ango-Negerinnen: ..Die weibliche Brust ist nur in seltenen Fällen wirklich

»chön gebildet, da sich schon bei Eintritt der Reife die Neigung zum Uiu-

kUntersiuken verruth. Die halbkugelige Form ist sehr selten, dagegen scheint

l<laa Wachsthum in die Länge zu überwiegen^ so dass mehr eine Kugelform

lentsteht, durch welche die Senkung begünstigt wird. Die Brustwarze sowie

[der umgebende Hof ist gewöhnlich stark entwickelt. Jede nach unseren Be-

Jgritfen vorhandene Schönheit schwindet überraschend schnell, in wenigen

[Jahren ist die elastische Straffheit der Jugend der verwelkten SchlalTheit des

IvMrseitigen Genusses gewichen.

U«ber die Frauen brüst bei den Woloff -Negern berichtet de Rochc- brMtt«: „Ti'aspect piriforme des seins s'observe surtout chez les jeunes fillee, bien que chez la femme uyant eu des enfants ces caracteres se maintiennent, car les seina prodigieusement pendants que certain^ observateurs donnent h la negresse en general ne peuvent s'appliquer k la Ouolove.' Auch bemerkte Brremjer-Feraud : „Les seins prennent chez les Onoloves un grand dt'veloppement quand elles ont eu des enfants, et soit, qu'ellea allaitent, 9oit qu'elles aient aevrö lear nourriason, Us n'out bientöt plas rien de gracieux d'agrt'able ä la vue.*

Besondere Beachtung verdient die eigenthümliche Behandlungsweise der Brüste, welche bei manchen afrikanischen Völkern herrscht. Es ist nftmlich sowohl am Congo (nach Hartmann u. A.}, als auch an der Loango- Kflste (nach Prchuel-Loeaclw ntidi Faiken«tein), dann in Angola (nach Pogye). schliesslich aber bei den südafrikanischen Bantu-Völkern (nach 1 Vi («c/») Brauch, dass schon das junge Müdchen ein Band oder eine Schnur über die Brust um den Thorax schlingt, durch welches die Mammae niedergehalten werden. (Fig. Ü3.)

Welche Wirkung nun aber dieser, oberhalb der Brüste aufliegende Faden auf das Organ selbst ausübt, und welche Absicht man mit Anlegung deswelben verbindet, wurde in der anthropologischen Gesellschaft zu Berlin am 28. April 1877 erörtert. Fnlkeiuilein fand, dass an der Loango-Küste nicht bloss eine Schnur, sondern statt derselben bisweilen auch ein zur Be- kleidung dienendes langes Tuch durch seine verschlungenen Zipfel über der Brost fe«t angezogen wird. Schon vor Itlngerer Zeit bat Hille berichtet, dasa bei den Negersciavinnen zu Surinam Sitte ist, um den Oberkörper ein dreieckig zusammengefaltetes Tuch Über die Brüste zu schlagen, dessen Knden auf dem Kücken stratt zui^ammengebunden werden, wodurch die Brust nach unten gezwilngt wird. Falkenstein meint, dass diese Sitte nicht etwa da« Herabsinken der Brüste oder das Welken derselben verursache. Denn die Ernährung der Brust werde, wie er anatomisch genauer nachweist, keines- weg« durch jene Sclmur beeinträchtigt. Ebenso wenig glaubt er, dass die

ilscher iiui^iclit.

Negerinnen etwa durch ilas Tragen der Sclujur die Brüste zum frnhen Wel- ken bringen wollen; m&u i^etze die Sitte, deren Ursprung luaii nicht kdubt,| eben nur ^ewohuheitegeuiäas fort-, riellelcht, i>o Äasäeri FnlkettAttih, üble mau sie früher zu Heilzwecken. Dagegen behauptet yritacJi. der dieMii ' Brauch in Südafrika kennen lernte, die heruntergebundene Brngt »ei b«i 1 den Bantu- Völkern, die in regelmäsaiger Ehe leben, ein Abzeichen der v«r- heiratheten Frau, sie rcrleihe ihr Würde, wie die dunkle Hautfarbe dem Manne Kespect. Fritach uieint. d&sä allerdings dieiies Heruuterbiud«u der j Brüüte ein Heninteriiinken derselben bedinL,'e; damit sei jedoch freilich nicht nothwendig ein Welken dieser Organe verknüpft. »Wenn uiau,* «agt Pcchticl-Loesche, ,iiu8 dieser Thatsache, dasg die Negerinnen verschiedener;

Vülksstäuinie eine Schnur über die Bräute befestigen, auf eine der unHcreii ent- gegengesetzte Bethätigung de» Schöa- beitssinnes oder auf eine au« anderen Gründen erutrebte Entstellung g<MschloK- sen bat, so mag dies bezüglich jener zutreffend «ein, bezüglich der Bafiote- Neger an der Loango-Kü^te wäre es eine Unrichtigkeit. Nicht nieder- binden wollen dietie die Brüste, »oudern die erschlafften und dem Ge^ietze der Schwere folgenden bocbzielien. Die Schnur wird über den oberen Rand g«- legt, uio durch Sp;uinung, duroli Ver- kürzung der Haut die Fülle der locker gewordenen Hügel auf ihrer natür lichen und wünschenswerthen Stelle va erhalten.' Und wenn Bchliesslich die Angüla-Nt?gerinnen tichun bei ihren kleinen Mlldcben ein Hand llber die Brust binden, «o meint Vogge. der diese Sitte in allen von ihm b*- reiften Ländern der Westküste fAiUL, dasB dieiOB Band dazu bestimmt feel, das Mädchen schon von Kindheit an an «ein Tragen zu gewöhnen, denn oU Frau müaae es i^päler die natürüchRii Utlngebrüste niederhalten, damit die- selben ihr bei Bewegungen nicht llUtig werden. In Persien entwickeln sich die Brüste frühzeitig, gedeihen »ber nur zur mittleren Gröste und bleiben sclbtst unter dieser zurück, mit AoJi* nähme der Weiber vom armcniKchen Stamme, deren Brü.<e weit aiu- gobildeter sind. (Polak.j Trotzdem geben die BrÜ»te der l'er«arinoen Milch, wie die SchweizerkUhe von guter KaA&c, wie ja überhaupt xow der GrOiiae der Mamma durchaus kein Rückachlius anf eine gute Functio&S' flthigkeit der Brustdrüse gemacht werden kann. Im Gegentheilc sind eogttr »ehr starke Brüste für du» Säugegcschikft viel weniger zu gebrauchen, alc die mittelgrueseu, wenigsten» bei uns in Norddeut^kchlund.

Die Perserin trägt ihre BdUte im Suhpensorium (Volukj, cUa wohl- habende Frau legt bi&wcilcn gestrickte Ktui» um iliesciben (HüntstchtJ. Da

Fig. 33. LosBgo- Hegerin nit d(T BrniticboBr. (HsoV PliotogTftpkie.)

Hege 193

\\f Brüste in rersien sonst aber fri'i uml ohne beongendea Schnvlrleib ge- ragen und nur mit Flor bedeckt werden, «o sind sie nicht einpfindlich gegen SrkiUtung. Wenn die Warze der stillenden Perserin nicht gehörig her- rorgetrelen ist, so werden junge Hunde anj;felegt, damit sie sich besser ent- rickelt. Nach einigen Entbindungen werden ihre Brüste schlaff.

Die Frsiuen der Eingeborenen auf Formosa im Süden dieser Insel.

ier Siibari, Whang-tschut, Tuasok etc. sind ebenso wenig schön, wie

ihre bSaslichen MHnner, ebenfall.« klein und schwach gebaut, wie biese; ihre

Jflste i.st schlecht entwickelt, die Brüste klein und konisch zulaufend; nur

[bei den Whang-taohut und Bakurut sah Ibis, der dies berichtet,

sinige bes.iere weibliche Figuren.

Von der Ch ine. sinnen- Brust sagt J/oHrfü-ir: ,Le sein est admirablemenl eonfornie, hemispherique, maia il a une grande tendanoe, vers l'äge de vingt- [cinq ü vlngL-huit iius, ü se charger de grainee et 4 derenir beaucoup trop voluniineux.* i

Die Frauen der Annamiten in Cochinchiua tragen, wie Antand,

MUiUlruvzt bei der französischen Expedition nach China und Cochin-

lehina, meldet, keine Schnilrbruät, aber sie betiiQhen sich, die Brüst« nieder-

IzudrHcken mittelst einer dreieckigen Bnimtbinde, welche durch ein doppeltes

[ntii Halfl und Rücken gewundene.«! Bund sehr ^aiBainniengeschnflrt wird.

Den Busen der Annamitin chorakterisirt Mondüfre in folgender Weise ;

j6 sein est habituellement heniic^phäriqne et regulier eher. la t'enime auna-

mite; le» soin^i piriformesr sont rares, et, chose assez reroarqnable, c'est le

i]ni «ouvent che/, les femnies qui ont la peuu la plu8 blanche qu'on les

frencontre. L'ccartenjent des mamelons, chez la jcune femme qui n'a pa» eu

m'enfani, est de 19 centimetres. Assex petita jusque vers dix-sept ans, iU

prennent an volume contiderable pendant la grosses.<ie et deviennent tres-

Idf'clivea dans le» derniers tempa de celle-ci. L'ureole varie beaucoup, mais

eile est d'aulant plus grande et color^e que la femme est plu.«i blanche, et

•on diametre, dans ce» circonstances, peut, comnie je l'ai ronstate plusicurs

[fois, avoir dr? 7 ä 9 centimetres. Le nianiclou reste courl. jusqu"i\ l'accon*

ichenient, maia Iü<i premiöres «uccions de IVufaHtle deveioppent rapidement.

lApne« tin premier alliiitement, il reste proeminent et color<5, ce qui tient ä

Fla longue duree de l'allaitement. 11 estrarequ'aprcji le »ein reprenne an forme

normale, commc nous le voyotis chez beaucoup de noF femmes, mnis il diminue

|lle volume, s'aH'aisso sans devenir toutefois tout i'i fait disgracieux.

Ihe BruKt einer Minh-huong. d. h. einer Mestize, n&hcrt sich in ihrer ^Cectalt derjenigen ihrer annamitiiichen Mutter, wie Mondiire fand; nur waren bpi ihr die Warzen mehr hervorragend.

Nur bei xwei Cambodja-W^eibem, die noch keine Kinder hatten, sab

' Mondikre die Brust unbedeckt: dic.«elbe war .Icg^reinent piriforme'; er setzt

■hinxu: ,Malgre cette forme, lesmamelons pointent directemeut en avantet sont

uioins ecarte» Tun de Tautre de i\ 20 Miilimetre« que chez los autres femmes.»

Schnelle» Abwelk<'n der Brftste in Folge des Saugens kommt bei sehr

»zahlreichnn Vftlkeni vor, dagegen giebt es Andere, deren Weiber sich die

FftUe der Bruist besser bewahren: im Nordosten von Franxöfiisch-t'ocbin-

r hina, imf der lireuxe von An nam, (^ambodja und Cochinehina wohnen

beUpielnweJue die MoTs, von wolchen Anudre (iauUrr sagt: »Ihre Frauen

•ind gewiihnlich hiUs^lich, aber gut gobnui, mit voUeu Brüsten, die selbst

nach dem iT^ten Kinde keine Falten »eigen. "

Die II i n<lu- Frauen hingegen tragen unter dem Sari oder dem ^r- ••■■: ungenähtKn Obergewand oin engnnschHcssendes L<>ibcben. Ob jen< Ptdt«, Dm Welli. I. J. Ann. ]3

^räöenbrärtmet

Mieder, wflelioiä dieTsclierkessinnen tragen, irgendwie die Entwickelang i der Brust bindet oder fördert, sollte doch genauer untersucht werden.

Bei den malayischen Frauen sind die Brilsle nach MtiUer' klein, Kpitz und kugelig, der Busen wenig entwickelt und oft ganz platt. Dem^ gemässi würden sie einen bestimmten Typus haben; doch sagt Fitmck*'. Die Brüste der Malay innen variiven ebenso sehr, wie überall nach Alter and IndiFidualitilt ; zuweilen ist die Warze noch ganz versteckt, eingezogen, zuweilen nxgt noch der dunkle Hof vor, dessen Au,sdehjiiing und Färbung von hell- bis fast dankelbrauu ebenfalls alle Abstufungen zeigte.

Uebcr die Bewohnerinnen der Inseln des alfuriächen Archipel* ver- danken ynx liiedel^ mehrere Angaben: Auf Buru haben die Mttdchen luittelni&s- sig grofise Brüst«, die von oben platt und von unten gewölbt sind. Nach der Niederkunft werden aie hängend mit abscheulichen Falten. Auf der Insel Ambon und den Ülia.se-Inseln sind die Brüste wegen der Verstümiueluug in der Jugend schlecht entwickelt; die Wiirzeuhöfe sind klein. Auf Serung oder Nusaina benitzen Frauen, die nicht geboren haben, nur sehr kleine Brüste. Auch die Brüste der Frauen auf den Seranglao- und Goroag- Inseln sind klein und dabei pyriforra; ebenso auf den Watubela- Inseln. Dagegen haben auf den Keei- oder E wabu-rlnseln junge Frauen grosse und volle Brüste mit birnenförmig hervortretender Brustwar/e. Auf den Tanenibar- und Timorlao-Inseln haben die jungen Weiber kleine birnen- förmige, aber volle Brüste. Auch auf Lfti, Moa und Lakor sind die Brfiste biruRJrmig, ebenso auf Keisar oder Makisar. dabei aber klein und mit schwansen War/enböfen. In der Luang- nnd Ser mata-Gruppe sind in Folge des Gebrauches de» Euiang, einer Art. Leibchen, <lie Brüste gedrückt und mehr oder weniger missgestaltet. Auf der Sawa oder Hawa- Gruppe (Hiedel') finden wir die Brüste der Mlldcben wieder Idein und piriforni.

Die Bewohnerinnen Oceaniens sirheinen sel\r häufig eine charakteri- stivch gefonute Brust zu besitzen, indem die Beobachter von , spitzen" BrCUit«ii, namentlich aber von einer Ein.^chnürung rings um den Warzenhof .<4prccbeti. So fand Kubart/ bei den Frauen der Carolinen- Insel Yap meist kräftig entwickelte, etwa« , spitze" Brüste.

Hiermit stimmt dasjenige überein, was auch r. Müiluchn-yiaciatj auf anderen Inseln de;^ stillen Oceans wahrnahm.

Er sagt: ,Bei Mädchen von circa 1-5 12 Jahren, die noch keine Kinder geboren hatten, fand ich die sonderbare Form der Brüste, die ich Achon an einem anderen Orte erwähnt habe. Der obere Theil war von der siieinlicb «traffen (jugendlichen) Mamma durch eine Einschnürung geschioden. Die lieigegebene Skizze stellt diese Eigenthümlichkeit, welche ich bei Papaa- MAdchcn von Neu-Guinea, sowie bei jungen Polynesierinnen (Sfttnoa) ebenfalls gesehen habe. dar. Die asymmetrische Entwickelung der BrOsLe, welche überhaupt nicht selten ist, scheint in diesem Falle fast die Kegel RH sein: ich habe immer die Einschnürung an der einen Mamma tiefer gie- troffen als an der anderen. Im altgcsohnürten Theilo lies» sich die Brust' drüse leicht durchfühlen. Dieses Vorhalten it<t nicht bei allen MAdchen xtl 1 lK?obachten, aber findet «ich, mehr oder weniger auxgcsjirot'hen. nicht selten; es schien mir auch mit den Perioden de« geschleohllichen Lebou» (Sien« struation und Schwang«<rschaft) nicht in directeni Zusammenhange xu 9tehM, jedoch denke ich, t\a,^% nach wiederholter Lactation die Flinnchnörnug rer- echwindet. da bei iUteren Weibern ich nie diese Form der Brüste gesr-hen hubr.* Schliesslich bflwerkte r. Millucho-Maclaij, dass die Bezeichnung der Fr anxciaj .inammelles pirifoTmei.* fUr diese Ge«taltnngder Brüste nicht tntüprifchend'f

28. Die Veratümnjelungen der weiblichen Brust. 195

Bei den Bewohnern von Ponape (östl. Carolinen) haben nach Finsch^ die Mädchen meist tadellos entwickelte Brüste, die sanft gewölbt, halbkugelförnng. fest sind, selten zur UeberfüUe hinneigen und nur bei Frauen, welche Kinder säugten, die bekannte hängende Form annehmen. Die Entwickelung der Brustwarze ist sehr verschieden bald tritt der dunkler gefärbte Hof besonders hervorragend birnförmig vor, bald nur die Warze allein; letztere fand sich bei jungen, eben aufblühenden Mädchen zuweilen noch ganz versteckt, oder nur an der einen stärker entwickelt. Bei stark- brüstigeu Mädchen, wo der Hof der Brustwarze, an der Basis sanft einge- schnürt, besonders hervortrat, war die Warze doch noch ganz versteckt.

Auf Samoa sind nach Gräffe die Brüste „stark entwickelt, etwas spitz". Die Brüste der eingeborenen Mädchen auf den Viti-Inseln, ins- besondere derjenigen, die eben erst reif geworden, zeichnen sich, wie Buchner beschreibt, durch eine Hervorragung des Warzentheiies aus, der leicht ab- geschnürt erscheint und so dem ganzen Organ etwas birnförmiges eri^heilt.

Die Frauen der Gilbert- Inseln sind in der Jugend sehr hübsche Er- scheinungen mit wohlgeformter Büste, die leicht zur Fülle hinneigt. Schon bei Mädchen mit noch ganz versteckter Brustwarze bemerkt man zuweilen einen dunklen Hof um die letztei-e, dessen Ausdehnung und Färbung übrigens individuell ausserordentlich variirt. Sehr häufig tritt bei jungen Mädchen nur der dunklere Warzenhof halbkugelig erhaben vor. fFiftsch.y

Auf Maiaua (Hall-Insel), einer polynesischen Insel, fand Finsch bei straffen jungen Mädchen die Brüste klein, fest, den etwas dunklem Hof um die wenig vorragende Warze wenig ausgedehnt; bei einer älteren Frau hingen die starkentwickelten Brüste durch ihre Schwere weit herab; die wenig entwickelte Warze war sehr dunkel gefärbt, ebenso wie der merkbar erhabene Hof.

Die Brüste der Melanesierinnen (Papuas) sind in der Jugend gut entwickelt und geformt, neigen meist etwas zur Fülle und werden nach dem ersten Kindbett gewöhnlich hängend. {Fin8ch.^)

Die Brüste eines 13—14 Jahre alten Motu -Mädchens fand Fins<^ in der Entwickelung klein mit kleinerem dunkelgefUrbten Hof um die kleinere, etwas hellere Warze. Dagegen war bei einem 16jährigen Motu -Mädchen die Brust allerdings auch klein, doch schön halbkugelig, voll, mit wenig hervorragender, kleiner Warze, und um dieselbe ein engbegrenzter dunkler Hof.

Die Brüste der Australierinnen, welche im Jahre 1884 nach Berlin kamen und im Panoptikum sich dem Publikum zeigten, wurden zwar nicht direct untersucht, allein nach den photographischen Aufnahmen von Virehow* in folgender Weise charakterisirt: Die Büste von Tagarah (vielleicht 16 18 Jahre alt) ist von grosser Schönheit, ihre Brübte sind von streng jungfräulicher Beschaffenheit; die vollen Brüste halbkugelig, oben etwas flacher, unten stärker gewölbt, ein grosser, im Ganzen etwas vortretender Warzenhof mit flacher rundlicher Warze.- Bei Yemberi (vielleicht in den zwanziger Jahren) sind die Brüste gross, aber schlaff, hängend, mit weit herausgezogener Warze, die bedeckende Haut fein runzelig.

28. Die Yerstümmelungen der weiblichen Brust.

Bevor wir das Thema der Frauen brnst verliis.sen, mllssen wir noch einiger Verletzungen und Verstümmelungeu gedenken, welche

Vi*

196

VIL Die Franenbrost m ethnopprapliisclier 'Hinsicht

die Mütter und Angehörigen der Besitzerinnen oder diese selbst an] den Brtisten, theils mit Absicht und üeberlegung, tbeils unbewus zur Ausführung hringeu. Um mit den letzteren za beginnen, sind es im Wesentlichen schwere Schädigungen der Brustwarze, 1 welche durch unzweckmüssige, die Brust beengende und drückeudi^ Mieder an ilirer Entwickelung und Ausbildung derartig behindert! und beeinträchtigt wird, dass sie znm Säugen eines Kindes nur! imvüükomiuen oder gar nicht gebraucht werden kann. Unsägliche Schmerzen, körperliche sowohl als auch besonders solche der Seele, welche die jungen Mütter erdulden müssen, sind auf das Tragen derartiger Corsets in den Jahren ihrer Entwickelung zurückzuführen. Dass diese Unsitte nicht nur bei uns in den Städt«i und nament- lich auch in gewissen ländlichen Districten herrschend ist, sondern dass wir ihr auch auf dem Lande und sogar auf ferneu Inseln des alfurischeu Archipels (auf den Sermata -Inseln; wieder be- gegnen, das haben wir weiter oben bereit« gesehen.

Bei den Tscherkessen wird dem jungen Mädchen im 10. bis 12. Jahre ron der Bnist bis an die Hüfte hernb ein Schnürkleid oder breiter Gürtel von rohgareni Leder dicht um den Leib genäht oder bei Vornehmen mit silbernen Heften befestigt. Grosse Bröste in haben, ist nach den Begriffen der Osseten das Zeichen mangelnder Sittlichkeit eines Mädchens. Daher tragen die Ossetinnen ebenfalls ein dicht ihre Brüste einschliessendes Corset. Dieses Corset thut man dem Mädchen von 7 S Jahren, nach /'o- kroivfily im 1 0. oder 1 1. Jahre, an und nimmt es bis zur Brautnacht nicht mehr üb. Dann zerschneidet der junge Ehemann die das Corset zu.sammeuhaltenden Schnüre und nimmt es ab. Nach dieser Ope- ration entwickeln sich die Brüste unverhältnissmässig rasch. Hier ist von den Osseten nördlich vom Kaukasus die Rede, die viele Sitten von den Kabardinern angenommen haben, if?. S^tl- ///*.) Wie hoch und eng der Bnistkorb von diesem Instrument*' umschlossen wird, ist aus Fig. H-4 zu ersehen. Auch die Kalmyk- innen verflachen die Brüste durch ein Scbnürleib. j Diese Art der Schädigung an den Brüsten nenne ich eine ' unbewusste, obgleich nach ho häufigen Wanumgen von Seiten der Aerzte den eitlen und unverständigen .Müttern doch längst die Augen hätten aufgehen können. Zur bewusateu und absichtlichen Ver- stümmelung aber wird das Anlegen des Mieders, wenn es, wie das leider in einigen geistlichen Orden die Regel ist, in der wohldurcJj- ' dachten Absicht geschieht, dio Brüste mögliclist an den ßnist* :

Fig. 34.

Corietdcr 0iiet{aBeii(EAiikBsn8) (nach Pokrnwikyy.

korb beranzupressen, um sie womüglich durcb den permanenten Druck /um Schwinden zu bringen, damit die Gott geweilite Jungirau niclits an sich habe, wonach lüsterne Männeraugen blicken konnten, und dass sie auch äusserlich schon hier auf Erden den Engeln im Himmel ähnlich werde, welche bekanntlich weder Brüste, noch auch ein Geschlecht besitzen. Hier ist auch daran zu erinnern, was oben von Dachau, dem Bregenzorwalde und von Spanien gesagt wurde.

Fig. 35. BüHiiii anr 8kopiei>-8«ot« gehärig, mii abjjeschaitteaen Brasten (naoh v. Prhiinn).

V^erstimmiehingen unschuldigerer Art finden wir bei verschiedenen Naturvölkern iu gewissen Arten der Tiittowirung wieder, von denen auch ihre Brüste nicht verschont bleiben. Solche finden wir als grosse Sternfigur mit geraden oder synmietrisch gekrümmten Strahlen die Brustwarze umgebend auf Tan ein bar, oder als bogeiüoruiig ge- stellte Funkte gleichsam die Projectionstigur der Mamma wiedergebend auf Serang, beide im alfurischen Archipel gelegen, oder als einge- schnittene Strichoruamente in senkrechter oder querer Stellung bei ver- schiedenen Völkern des äijuatorialen Afrika. Das sind natürlich alles unschädliche Spielereien, welche die spätere Function dieses so

198

YH. Die Frauenbrust in «thaographißcher Hinsicht.

wichtigen Organs in keinerlei Weise zu beeinträchtigen vermögen: ' Anders ist das aber mit einigen eingreifenderen Operationen, welchen die Brüste unterzogen werden, und hier wird wohl jedem sofort die Erzählung von den alten Amaz. onen in die Erinnerung koimnen. Straho sagt von ihnen : Allen wird in der Jugend die rechte Brust abgebrannt, damit sie sich des Armes zu jedem Gebrauche, besonders zum Schleudern bedienen können.

Diodürus von Sicilien spricht ihnen sogar beide Brlist« ab; ,Wii-d aber ein Mädchen geboren, , so werden ihm die Brüste abge- brannt, damit sie sich zur Zeit der Reife nicht erheben, denn man hielt es fv\r kein geringes Hindemiss bei Führung der Waffen, wenn die Brüste über den Leib hervorragten;" wegen dieses Mangeh werden sie auch von den Griechen Amazonen genannt (zu deutsch Brüstelose, von maza weibliche Brust und dem « priva- tivum). Wir können uns mit diesen Damen hi?r nicht weiter be- schäftigen, jedoch werden wir in einem späteren Abschnitte anf dieselben zuiiickzukommeii hüben. '

Einen eigenthümlichen Brauch fand Cameron in Akalunga, am Ufer des Tanganyika- Sees, ebenso wie in Kasangalowa vor: dort scheinen die Frauen nicht, wie sonst die Negerinnen, stolz auf ihre Brustwarzen zu sein; sie haben vielmehr eine leer« Grube an der betreffenden Stelle, ('amcron sprach seine Verwroi- denmg darüber aus, und man sagte ihm, e.s geschehe zur Zierde, dass sie sich die Warzen ausschnitten. Sollten sie wirklich, so dachte Cameron, sich freiwillig auf so schmerzhafte Weise ver- stümmeln? Das konnte er nicht glauben: er vermuthete, es sei eine Strafe, doch blieb er in Zweifel über den wahren Grund.

Am Herbertflusse in Australien werden jnngen Mädchen nach Rotfih die Brustwarzen ausgerissen, um ihnen das Säugen un- möglich zu machen.

Auch noch in imserem Jahrhtmdert werden abscheuliche .^ten der Brustverstümmelung von der in Russland haupt^chlich ihr Unwesen treibenden christlichen Secte der Skopzeu ausgeübt, denen wir bereits weiter oben begegnet sind. Nach der vortreff- lichen Abhandlung von r. J'rflhm über diese wunderlichen Heiligen waren ihm Fälle bekannt geworden, wo zehn-, neun- und selbst siebenjährigen Mädchen die Saugwarzen abgeschnitten worden vranm und wo dieselben vor Gericht hartnäckig l)ehaupteten. sie hätten solches an sich selbst verübt. Er unterscheidet bei diesen Skopizen, wie die Weiber bei dieser Secte genannt werden, folgende Ver- letzungsweisen an den Brüsten:

1 . das Ausachneiden, Ausätzen oder Abbrennen der Brustwarzen einer- oder beiderseits. Letzteres bei weitem häutiger.

2. Abtragung eines Theils der Mammae oder totale Amputation der I»eiden Brüste (letzteres viel häufiger), so dass au ihrer Statt Längsuarben entstehen, die denen ähnlich sind, welche nach der operativen, zu Heilzwecken vorgenommenen Abtragung vorkommen.

Jungen Thieren a^aej

."J. Verschiedene Einschnitte anf beiden Brüsten, grösstentheils ' 8\Ti)metriscb vertheilt.

Angeblicli spielt in ihrem Gottesdienste eine Abendniahbfeier ^ine grosse Holle, bei welcher den Conmiimicflnten statt der Hostie cu klein«^)? StHckchen einer frisch abgeschnittenen, noch blutenden Jnngtrauenbrust zum ICssen gereicht wird ; jedoch ist diese An- schuldigung durch die gerichtlichen Untersuchungen nicht zur Ge- nüge Hufgeklürt worden.

2<K Das Säugeil von jaiigeii Tliiereii an der Frauenbi-ust.

Die Sitte, dass Frauen Thiere an ihrer Brust saugen lassen, ist ausserordentlich verbreitet, und zwar finden wir sie nicht bloss bei sehr rohen Völkerschaften, sondern auch bei solchen mit fortge- schrittener Cnitur. Unter den Urvölkern ist die Sitte namentlich bei Australiern, Polynesiern. mehreren Indianerstiimmeu Sudamerikas und hiei einigen Volkern Asiens heimisch.

Auf /ahlreichen Inseln des Stillen Oceans ist dieser eigeu- thÜDiliche Gebniuch ganz allgemein. Auf einer der Qesellschafts- Inseln bemerkte schon Geortj Fm'ster, dass Frauen zuweilen junge Hunde an ihrer Brost sangen lassen, zumal wenn sie eben ihr Hilugendes Kind verloren haben. In Hawai ernährten ehemals, wie liemy berichtet, die Mütter neben ihren Kindern Hunde und Schweine an ihrer Brust. Auf Neuseeland fand v. Iloclmfttter die poly- nesische Sitte, dass die Frauen junge Ferkel säugten: auch Tu/er. «fth, dass die Maori -Frauen auf Neuseeland Ferkel an ihrer Bnjst saugen Hessen, sei es aus Liebe zu diesem Hausthier, .sei es, weil sie nicht sogleich ein Kind fanden, w^elches eine Vicemutter brauchte, Dussell)e .sah auch Oherläudir als gaj»z gewöhnlichen Brauch unter den Eingeborenen der australischen Colonie Vic- toria; er sagt: .Man s-icht keine Lubra ohne 5 bis 0 fleckige, schmutzige, dfirre, räudige Hinide, deren Junge mit ihrem eigenen Kinde ihre Milch theilen. In der Nähe von AI herton in Gipjis- land sah ich einst eine Eingeborene, die abwechMi-lnd ihren Knubea und vier jmige Hunde säugte.*

Wi'lhreiKl man .sich bei diesen Völkern darauf be.schrunkt, junge Schwein»* und Hunde an der Frauenbrust saugen zu hissen, dehnen andere Völker diesi- Sitte noch auf sehr verschiedene Thi<'re aus. So legen die Arawaken - Weiber in Südamerika nicht bloss Schweine, sondern auch jung eingofangeue Affen an die Brust, um die Milch möfilichst lauge zu erhalten. Denselben Zweck der dauernden Erlmltuug der MilchabKonderuug in der Brust verfolgen auch noch andere südamerikanische VoIk.s.stämme in ähnlicher Weise. Bei den Makusis-lndianern in Hritish-Guiana erhal- lten (»ich die MQtter ihn- Milch bis an das hohe Alter, das Kiiul

lögnpnilö

VhiiÄiclit.

lileibt an ihren Hrlisten, so lange es demselben genillt Wenn siel iTizwischen ilie Familie vermehrt, so ttberuiinmt die Grossmutt«»r die Pfliclit der Mutter j<egen den Enkel. Dieser fiillt auch lueisten- theils die Pflicht zu, die autgefiuideneu jungen Säugethiere. I5eutel- ratteu, Aft'en, Kehe u. s. w. ;in ihrer Brust autzuziehen. Mau sieht oft, djws die Weiber diesen jungen Thieren mit gleicher Zärt- lichkeit die andere Brust reichen, wenn aus der einen da.« Kind schon die Nahrung sog. Der Stolz der Frauen besteht nUuilich hauptsächlich im Besitz einer grossen Anzahl zahmer Säugethiere. (Sciwtnfmrfilj

Auch in 8iam mh. Scfiomhurffk, wie er mir mündlieh mittheilte, sehr häutig, dass die Frauen Allen an ihrer Brust trinken lasaen.

Von den Kamt seh adalen wird erzählt, dass sie die jungen Bären, welche sie mit nach Hause bringen, ihren Frauen an die Brust legen, um sie. nachdem sie aufgefüttert sind, theils des Fleisches, theils der Galle wegen zu wchlacliten, welche f{\r heilsam gilt.

Allein der fkmd bleibt doch im Allgemeiuen da« bevorzugte Lieb- lings-Adoptiv-Kind bei zahlreichen Völkern, z. B. bei den Urvrdkern Nordamerikas; so sali auch in Kanada (rahriel Sofjnrd Theodut, dass die Indianer-Frauen manchmal junge Hunde an ihren Br[l$ten saugen liessen, Ja der Hund spielt diese Rolle nicht bloss bei wilden Völkerschaften, sondern auch bei Cultiirvülkern; wir wissen, dass schon die alten liöui er innen die eigenthümliche Sitte hatten, sich die Milch durch junge Hunde abziehen zu lassen; DiaufianA. denselben Gebrauch noch in unseren Tagen in Neapel und l'olnk in gleicher Weise in Persien, wo während der er.'<ten zwei Tage nach dtr Geburt eines Kindes an die Brust der Mutter zarte Bozar-HUnddien angelegt werden. Schliesslich kommt Aehnlichefi sogar auch in Deutschland vor, wenigstens berichtet Oslander, dass man in Göttingen hartnäckige Brustknoten zuweilen dadurch zertheilt, dass man junge Hunde an den Warzen saugen la^wt.

Wir steinen hier wieder einer sehr interessanten ethnographischen Thatsachi-' gegenüber; denn wir finden dieselben oder analuge Ge- bräuche bei einer Reihe von Völkern, welche durch weite Länder und Meere von einander getrennt sind, und welche sicherlich ulme Kenntniös von einander zu den gleichen absonderlichen Gewohn- heiten gekommen sind. Aber wenn auch die Sitte, oder sagen wir lieber die L^nsitte dieselbe ist, so sind doch die Beweggrlinde, welche sie verursachten, ausserordentlich verschieden. Ist es bei der Austra- lierin die Liebe zu ihren Hunden, welche ihr später fUr die Üe- schaft'ung des Lebensunterhaltes von so grosser Bedeutung werden, die sie veranhusst, sie gemeinsam mit dem eigenen Kinde zu er- nähren und aufzuziehen, l^st es bei der Kam ttichadnlin die weise Vorsorge einer tlichtigen Hausfrau, die sich einen werthvollen Braten nicht entgehen L'issen, aber ihn so gross wie nur irgend möglich haben will, ist ea bei der Makusi-Ind ianerin die lirbemle Opferwilligkeit der Grossmutter, welche dem Fnkel die

29. Das tilgen von jungen Thieren an der Frauenbrust. 201

Brnstnahrung nicht entziehen möchte, wenn ein neu angekommener Weltbürger ihm die Mutterbrust streitig macht, und die daher durch das Anlegen von Thieren die Brust für diesen Nothfall func- tionsföhig, oder wie der Volksausdruck lautet „im Gange" erhalten will, so sind es endlich in Persien und früher in Deutschland Gründe des ärztlichen Handelns, die den Frauen die Hunde an die Brust legten. Aber noch bleibt uns immer eine Anzahl von Fallen übrig, wo Mrir nicht ohne Weiteres einzusehen vermögen, was die Frauen zu solchen Absonderlichkeiten veranlassen konnte; und um dieses zu erklären, könnte man an zwei Dinge denken. Entweder könnte hier der weitverbreitete Aberglaube zu Grunde liegen, dass geschlechtlicher Verkehr ohne Folgen, d. h. ohne zu empfangen, ausgeführt werden kann, so lange die Brust zum Nähren benutzt wird, oder es könnten die wollüstigen Erregungen dadurch in er- wünschter Weise ausgelöst hier den Ausschlag geben, welche that- sächlich die Mehrzahl der Frauen während des Säugens zu em- pfinden pflegt.

Zweite Abtheilung.

Das Leben des Weibes.

30. Die Hauptabschnitte in dem Leben des Weibes.

X Jar Kindischer art, Ix Jar desa Altere schuper,

XX Jar ein Jungfrau zart, Ixx Jar alt U^igestalt,

XXX Jar im hauss die frau, Ixxx Jar wüst und erkalt,

xl Jar ein Matron genau, xc Jar ein Marterbildt,

1 Jar eine Grossmuter, c Jar das Grab aussfQlt.

(Tobias Stimmer.) Wir haben in den bisherigen Kapiteln das Weib, um es mit einem Worte auszudrücken, von dem anatomischen Standpunkte aus in Betracht gezogen. Die folgenden Abschnitte sollen mehr den Lebenserscheinungen desselben gewidmet werden. Man kann die gesammte Lebenszeit des Weibes in drei grosse Perioden eintheilen. Die erste Periode umfasst die Zeit vom Mutterleibe bis zum Eintritt der geschlechtlichen Reife. Man kann sie auch, wenn auch nicht mit einer für alle Fälle geltenden Sicherheit, als die Zeit vor dem Geschlechtsleben bezeichnen. Es darf hier aber nicht vergessen werden, dass, wie wir sehen werden, der ge- schlechtliche Verkehr bei nicht wenigen Völkern bereits vor dem Beginn der geschlechtlichen Reife zu regelmässiger Ausübung zu gelangen pflegt. Die zweite Periode ist die Zeit der Blüthe, die Zeit des Geschlechtslebens, d.h. die Zeit von dem Eintritt der Reife bis zu dem Erlöschen der weiblichen Fortpflanzungsfahig- keit, bis zu dem sogenannten Klimakterium. Dass häufig der ge- schlechtliche Verkehr weit über diese Grenze hinaus ausgedehnt wird, das dürfte wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Die dritte Periode endlich umfasst die Zeit nach dem Aufhören des Geschlechts- lebens, die Zeit von den klimakterischen Jahren bis zum Grabe. Es sind diese genannten drei Perioden in Bezug auf ihre zeitliche Ausdehnung von einer ganz ausserordentlichen Verschieden- heit nicht allein bei den verschiedenen Rassen und Nationalitäten, sondern sehr häufig auch bei den weiblichen Individuen derselben Völkerschaft.

Wollen wir für die geschilderten Epochen kurze Ausdrücke wählen, so können wir sie als die Kindheit, die Mannbar- keit und das Alter des Weibes bezeichnen. Wir werden jetzt das Weib durch alle diese drei wichtigen Abschnitte seines Lebens zu begleiten haben.

Vm Das Weib im Mntterlcibe.

31, Die £rkeDutiiis8 des ües^vblechtes der Kinder im

Muttcrleibe,

Es ist eme figenthüniliche Ernclieinung in der Psychologie der Völker, dass schon vom Mntterleibe an sich eine Ungleich- werthigkeit der beiden Geschlechter nachweisen lässt, und zwar ist es in der Mehrzahl der Fälle das weibliche, welches bereits von seiner Geburt an als das miuderwerthige betrachtet zu werden pHegt<. Hört Hiau dutli selbst in luisereni hüchcivilisirten Lande nicht selt-en spöttelnde 15 L'inerkungen demjenigen zuraunen, welchem ,,nur ein Mäd- chen" geboren ist. Wir werden spater noch zu erfahren haben, wie wenige Berechtigung einem solchen Spotte innewohnt, aber es ist wohl eine feststehende Thatsache, dass bei uns fast durch- gehends die Geburt eines Kiiabeu mit grösserer Freude hegriLsst wird, als diejenige eines Mädchens. Es i.st daher nicht zu ver- wundern, wenn (he in guter Hoffnung sich befindenden Frauen und vor allen Dingen deren kluge und vielerfahriine Rathgel>erin- nen schon während der Schwangerschaft bemüht sind, das Ge- schlecht des zukiinltigeu Weltbürgers vorlierznsagen. Und bis zu dem achtzehnten Jahrhunderte hin lcl»ten seibat die Aerzte in dem festen Glauben, dass sie sich in dem sicheren Besitze solcher Erkennungsmittel beianden.

Schon bei den Aerzteu der alten Inder wurde ein«* frische., helle Gesichtsfarbe als untrügliches Vorzeichen fQr die bevorstehende Geburt eines Knaben angesehen, auch hatten gewisse Gelüste und Träume ihre ganz bestimmte Vorbedeutung. Aber die Uten Inder gingen in ihren diagnostischen Bestimmungen noch weiter; nach SHsrtUas Ayurvedas deutete ein auf beiden Seiten gleich hoher Leib auf einen Zwitter (Napimsaka genannt, was eigent- lich ein Nichtmännchen bedeutet), hingegen eine thalähnliche Vertiefung in der Mitte des Leibes zeigte eine ZwiHinga- echwangertichaft an.

Sehr eigentliümhche Uebereinstinimungen in den Ansichten finden wir bei den Juden, den Griechen und den Köniern, welche alle drei die rechte Seite der Schwangeren (wahrscheinlich

iÖ. IM* Erkcnötni** <i#« <?*acblechtp« der K1n<!er im Matterleibe. 207

die stlirkere o«ler „hitzigere") als dieienige bezeiclmen, ans reicher die Kuabeii herrühren, die linke Seite hingefjen fTir den L^rspnnig der Miülchen betrachten. Und dieser .\n.schauung ent- jrecliend, .stellten .sie ihre Diagnose, d. h. .sie urtheilten nach den »ichen rechts oder links am Auge, aus der früheren \nid stärkeren Fülle der einen Brust, aus der grosseren Schwellung der einen "Jauchseite, ans der schnelleren und kräflij?eren Beweglichkeit ler einen Extremität, ans der Pulsbeschatleuheit auf beiden leiten, ans dem Niederschlage des Urins auf einer von beiden Seiten des N:icht-Geschirrs (Sornnus) oder auch aus dem Unter- kinken oder Schwimmen eines Tropfens Blut oder Milch aus der ihteu Seite.

Der Umstand, dass sie innerhalb der Gebärmutter jedem Ge- Khlechte eine besondere Seite zuweisen, findet seine Erklärung larin, dass sie iine anatomischen Kenntnisse nur von den Schlacht- ind Opferthieren her besassen, imd das» die Wiederkäuer einen gweigetheilten zweihörnigen Utenis besitzen und nicht eine einfache lebärmutterhi'dile, wie sie dem Menschen zukommt.

Eine andere üeberein.stinimung finden wir unter den alten Iriecheu und Römern, dass sie gemein.schaftlich ein gerötlietes, >lriheudeH Angesicht der Schwangeren auf einen Knaben deuteten. >ie meinten ferner, dass sich die Knaben früher bewegen, i]n die Mädchen, und dass man die Zeit, in welcher die Kindes- )ewegungen von den Schwangeren geftlhlt werden, als diag- losti.schrs Merkmal benutzen könne. Plinius sagt: eine Ite-ssere Gesichtsfarbe und Kindesbewegimgen am 40. Tage deuten auf einen Knaben, das GegentlK-il aber, sowie eine leidite An- ihwelliing der Schenkel und Leisten, auf ein Mädchen. Den iluuben an diese Merkmale nahmen auch die Araber (an. Nach f{h(UPS deutet ein voller, runder und harter Unterleib und eine uuntere Gesichtsfarbe auf einen Knaben, aber eine rothpnnktirte laut auf ein Mädchen; ,et si Caput mamiilae transmutatum l'uerit ui rubedinem, pariet masculura, si ad nigredinem, Kham*. Aber luch die rechte und linke Seite spielen bei Khcues die.selbe Rolle, .'ie bei den Griechen. Avicrnna meinte gleichfalls, au.s verschie- b'uen '/••leben rechter- und linkerseits das Geschlecht des Kinde.i prkttnTien zu können. Nach Allnikasttn deutet I'ulciiritudo faciei et kl^ili« niotus auf einen Knaben, aber l>emigratio rostri mamiilae trae, discoloratio et maculae faciei auf ein Mädchen. Nach Manodlo^ einem jüdischen Dichter, geb. I20.'i zu 1330 zu Fermo, ist, wie derselbe in einem .seiner vielen ite (in .seinem Liederbuche I32ö) sagt, dnrch folgende iSeichen zu erkennen, ob eine Frau, welche schwanger ist, ein itännliche« Kind trägt: I. da« Gesicht der Mutter sieht schön und L,ungetrUbt" aus; 2. die n>chte liriiät ist grösser, als die linke; die PuLse der rei*bl«-ii Hand s«-blagen stärker; 4. die Adern unt-er ler Zunge .-»ind t4rht< rsiits Irbhatter und frischer; 5. die Adrm

VIFI, Das Weili im

der ganzen rechten Seite simi zehnfach .%tiirker, ali die der linken : 6. der Warzenhof' der rechten Brust ist dunkel, wie bei einer leichten, kräftigen Kameelstute; 7. das rechte Nasenloch pflegt zu bluten: 8. der Fötus liep;t mehr auf der rechten Seite des Leibes.

Als Mittel, zu erkennen, ob eine Schwangere ein Mädchen odefj einen Knaben haben wird, giebt eine sehr alte, auf dem Blatte eines ' Bibelcodex (Leipziger Bibliothek) geschriebene und von BiosrnH veröffentlichte Receptsammlung Folgendes an: „Sieh die Brustwarzen | an: wpnu sie aufwärts stehen, wird's ein Knabe, wenn abwärts, ein! Mädchen ; w«Min sie schön gefärlit .sind, ein Knabe, wenn schlecht, ein Mädchen. "

In einer deutschen Bearbeitung des PlintHH- aus dem !•<. .lahr- hundert lesen wir :

„Die Weiber, so Kuilblein trageu . sollen Llass gefürbt seyn. auch i leichtlicher geberen, und das Kiud sich genieiulich am vierzigsten Tage regeiuJ

Mit den Meidlei% balte sichs anders, denn die werden gantz schwer- lich getragen und regen sich allererst umb den neuntzigsten Tag."

Da es dann weiter heisst: ,,Wenn die Seele dein zubereiten Leibe ein-] gegossen wirt, so fahnt er an zh leben, und sich in Mutter Leibe «u regen] und bewegen," so ersehen wir hierans, dass nach der Ansicht der dauialigeaj Zeit die Madchen in dem Mutt«rleibe um beinahe zwei Monate »pSter iaj den Besitz einer Seele gelangen, als die Knaben.

In Deutschland im Frankenwalde glaubt das Volk, dass] schlechtes Aussehen und besonders kränkliches Betinden in df Schwangerschaft einen Knaben verspreche. {Flügel,)

Will eine schwangere Frau im Siebenblirger Sachsenlandöj wissen, ob sie einen Knaben oder ein Mädchen haben werde, sc nimmt sie eines jener Holzstäbcheu, die auf dem Webstuhl zwischen] dem (.tarn stecken, und reitet darauf mit zugemachten Augen auf die Gasse. Sieht sie hier zuerst einen Mann, so hat sie einen Knaben,! wenn eine Frau, so ist ein Mädchen zu erwarten (in St. (Tenrirf iii in Siebenbürgen). (HiHnn:)

Man glaubt in Steyermark. da.ss Jahre, in denen nudir Acpielj und Ndsse gerathen. mehr Knaben, in denen hingegen mehr Hirner gedeihen, mehr Mädchen zur Well kommen. Man deutet doi Erscheinungen, z. B. Aufregung beim Beischlaf, blüliendes Aussehet der Frau und energische Kiudesbewegungen auf einen Knaben, bleiche Gesichtsfarbe, insbesondere „Leberflecke'* der Schwangeren auf eil Mädchen. [Fossel]

Wie diese Völker, so glauben sowohl die Thineaen a).s auch di« Türken im Besitze bestimmter Merkmale zu sein, die ihnen das Ge- schlecht de.s Kinde.s verrathen. l>ie türkischen Hebammen marhei nach Fratii der Schwangeren Hotfnung auf einen Knaben, wenn ,,la&c< est turgescente, les joues colorees et les yeux brillants'*; sieerwart't abi-r ein Mädchen, .,si la fenime e.st pälo, h\ les yeux sont ' j)h}'sionomie e.9t triste*'. Auch vermögen sie zum Erst, Vi

selbst Zwillingsschwangerschaften, welche im Orient durchaus nict

Kelten vorkommen sollen, mit einer gewissen Geschicklichkeit zii erkennen und vorberzusagen.

Unter den Serben bedeutet die Entzündung der oberen Augen- wimpern, da»s die Fruu mit einem Knal>en, die der unteren, dass sie mit einem Mädchen schwanger ist. Will eine Serbin, wenn sie [schwanger ist, wissen, ob sie einen Knaben oder ein Mädchen haben wird, so soll sie im Garten zwei gleiche Grashalme zur Hälfte ab- beissen, so dass sie ganz gleicli lang sind, und dann werden die- selben in die Erde gesteckt. Dies wird Abends gemacht. Zugleich aber wird eine Hälfte dem Knaben, die andere dem Mädchen ge- widmet. Morgens früh sieht man nach, welches Ende grösser ge- worden ist, ob jene des Knaben, oder diese des Mädchens. Nach der grösseren Hälfte wird auch das Kind bestimmt. (Vetrowitsch.)

In Läpp Und scheint man allerdings Niemand die Kenntniss zuzutrauen, dass er aus den Erschemungen au der Schwangeren das (ireschlecht ihres Kindes bestimmen könne; vielmehr befragt die Lappliinderin, wenn sie sich schwanger ftthlt, die Sterne, von welchem Geschlecht ihr Kind ist. Wenn sie sieht, dass über dem Mond ein Stern steht, so erwartet sie einen Knaben, steht aber der Stern unter dem Monde, so glaubt sie, dass ihr Kind ein Mädchen ist. {Scheff'er.)

Die nialayischen Hebammen auf den Philippinen bestimmen schon in frühester Periode der Schwangerschaft das Geschlecht des Kinde.s; die Frauen ermangeln nicht, sie in dieser wichtigen Frage zu Rathe zu ziehen {MalUU): ihre Merkmale, die sie hierbei be- nutzen, sind mir iedoch niclit bekannt.

Nach dem Ghiuben der Maori auf Neuseeland pflegt die Geburt eines neuen Wesens schon vorher durch Träume angezeigt zu werden. Wenn ein verheiratlieter Manu im Traume menschliche Schädel mit Federn verziert erblickt, so wird ihm gewiss damit ein Kind verheissen. Waren die Federn, welche er gesehen, vom Kotuku, 30 wird das Kind ein Knabe, waren es dagegen Federn vom Huia, so wird das Kind ein Mädchen. (Novara.)

Auch die Insulanerinnen des ali'urischen Archipels ver- stehen es, bei Schwangerschaften vorherzubestimmen, ob ihnen ein Knabe oder ein Mädchen geboren werden wird. Auf den Keei- luselu geben Zaubermitte] hierüber den Aufschluss ; auf den Aaru- luseln sagen en alte Frauen den Schwangeren vorher, weigern sich aber hartnäckig, ihre Kennzeichen anzugeben. Bei der ersten Schwangerschaft ist auf den ßabar-Inseln der Ehemann verpiliehtet. unter der .Assistenz eines Sachverständigen ein Ferkel zu schlachten. Diesem wird das Herz herausgenommen, und erblickt man beim Aufschneiden desselben eine Ader mit einer Verdickung, so ist das Kind ein Knabe, und im umgekehrten Falle ein Mädchen. Ist das Orakel nicht deutlich genug, daim muss noch eine Henne ge- schlachtet und an deren Herzen die Untersuchung wiederholt wer- den. Wenn die schwangeren Weiber auf Leti, Moa und Lakor

Pl«(i, Dm Weib. I. 9. Aufl.

u

210

Vni. Dm Weib na Mntteriefbe.

an der Hinterseite ihrer Schenkel Schmerzen ffilüen, dann werden sie einen Knaben znr Welt bringen. Auf Arabon und den Uliaae- Inseln i^ilt es als A'^ orzeichen für eine Knabengeburt, wenn der Unterbauch der Schwangeren gross ist und sie beim Laufen ihr rechtes Bein schwer aufzuheben vermag. Ist aber der Oberbauch gross und kann sie ihr linkes Bein schwer bewegen, dann wird sie ein Mädchen zur Welt bringen. (liiedcl.^)

Was von allen diesen untrüglichen Zeichen zu halten ist, d»» enthüllte uas schon mit klaren Worten gegen das Ende des 17. Jahrhunderts der alte Pariser Geschworenen -Wundarzt Franrois Mauriceau:

.Man kan den Weibern ihren Vorwitz und Sehnsucht, indem sie nx wissen verlangen, ob sie schwanger oder nit, wohl genug thun. Es finden Mich aber ihrer viel, und fast alle, die da wollen, man sol weiter gehen, und ihnen sagen, ob es mit einem Büblein oder einem Mägdlein seye, das doch schlechter Dinge unmöglich: obwohl fa.st keine Hebamme ist, die sich n'lhmet, solche» zu errahten (in Wahrheit wol erraht«n; aber nicht, ru treffen); dann wann das geschieht, so ist es viel mehr ein gewagter Handel, als einige Wissenschaft, oder Bcdencken, da« sie gehabt haben, solches wahr- sagen zu können. Man wird aber nfft oo hart gedrungen, und angefochtein, sein Bedencken hiervon zu sagen, sonderlich von Frauen, die nie kein Kind gehabt, ja auch von ihren Männern, die nicht weniger vorwitzig: dass man ihnen jemals Schanden halben aufhnptfen muss, so gut man in diesetn Fall kann."

Die Bfirharn Widenniomim, geschworene Hebamme, und der Zeit Führerin derselben in des Heiligen Romischen Reich» Stadt Augsburg, sclireibt im Jahre 1735 in ihrer „Anweisung christlicher Hebammen:'

„Ob aber eine schwangere Frau mit einem MSgdlein oder Knftblein schwanger gehe, weiss niemand gewiss, als GOTT allein, der auch in da* Verborgene siehet. und fleiasig darum muss gebetten werden, dass er die beschehrte Leiber -Frucht gnüdig erhalte, und zu rechter Zeit die Eltern damit erfreue. Alsdann können sie selber sehen, was ihnen beschehrt worden."

32. Verlauf der Mädchen- nnd Knabenge harten.

Im Alterthume wurde fast allgemein angenommen, dass Knabengeburten leichter vor sieb gehen, als Mädchengeburten.

Diese Ansicht linden wir bei ÄrisMeUs, Plimus und GaienHg ausgesprochen. Aus der Stelle von Oalenus kann geschloflsen werden, derselbe habe vielleicht angenommen, dass die Knabenge- burten deshalb leichter sind, weil sich die Knaben kräftiger be- wegen: Masculus antem in corpore quam feniina majorem niotum pleruraque concitat et facilius paritur, tardius leraina.

Auch die Rabbiner des babylonischen Talmud hatten, wie wir schon aofUhrtisn, diese Ansicht Sie meinten, die mäniilicheu und

32. Verlatif der "MUdcliCTJ- and Enabengebarten.

211

weiblichen Kinder müssten im Uterus in ähnlicher Weise liegen, wie beim Coitus der Mann (das Gesicht nach unten) nnd tlie Frau (das Gesicht nach oben). Deshalb glaubten sie auch, ISS der weibliche Fötus mehr Rotationen vollenden müsse, als fder männliche, und dass deshalb die Schmerzen der Gebären- den bei der Gebart eines Mädchens grosser seien, als bei der eines Knaben.

Man kann aber auch heute noch im Volke häutig dem Glauben begegnen, dass sich die Mädchen in ihrer angeborenen Schüchternheit nicht so ungenirt aus dem Mutterleibe heraus- wagen, wie die Knaben. Wenn daher eine Entbindung länger auf sich warten lässt, als die Schwangere oder deren weibliche Umgebung herausgerechnet haben, so wird hierdurch bewiesen, nicht dass die Damen sieb in der Feststellung des Termine« ver- rechnet haben, sondern dass der zukünftige Sprössling ein Mäd- chen ist, welches sich nicht entschliessen kann, das Licht der 1 Welt zu erblicken.

f Solchen unbegründeten Annahmen gegenüber steht eine hoch- interessante Tbatsache, welche sich aus der Sterblichkeits-StÄtistik ider Neugeborenen in allen Ländern ergiebt: Es unterliegt keinem Zweifel, dass überall unter den Todtgeborenen sich ganz erheblich %iebr Knaben befinden, als Mädchen. Was ist der Grimd für diese merkwürdige Erscheinung? Müssen wir in dem Geburtsacte selbst für die Knaben eine grössere Gefahr erblicken als fllr die Mädchen? I Das lässt sich leider aus der Statistik nicht ersehen, da sich für ^bdie während der Geburt Gestorbenen in den Mortalitätslisten keine ^KRubriken finden.

^p Nach den älteren Beobachtungen von Waj}2)aeus ist das ' Verhältniss bei den Lebendgeboreneu = 100 : 105,8, bei den ^Todtgeborenen dagegen 100 Mädchen zu 140,8 Knaben. Que- ^Mtrlef- fand aus Beobachtungen für verschiedene europäische ^^ Länder, vorzugsweise aus den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts, 133,5 todtgeborene Knaben auf 100 todtgeborene Mädchen. Neuere Untersuchungen von Bodio ergeben für die todtgebo- renen Knaben gegenüber 100 todtgeborenen Mädchen folgende Ver- hältnisszahlen :

Italien 140 (Jahre 1865— 1875), DeutschcB Reich 129 (J. 1872—75).

Oesterreich 131 (Cialeithanien J. 1866—1874). Belgien 135 (J, 1865

^bis 1874). Holland 126 (J. 1865—1873), Bayern 134 (J. 1865—1875). Nach

Kofficiellen Zahlungen ergab sieh während der Jahre 1865—1883 (resp. 1882)

~ ein durchschnittliches Verhältniss der Todtgeborenen auf 100 Mädchen, die

Zahl der Knaben: in Italien 137, Frankreich 145, Proussen 129,

Bayern 132, Sachsen 180, Thüringen 125, Württemberg 131,

, Baden 128, Oesterreich-Cisleith. 131. Belgien 134, Holland 128,

Johweden 134. Norwegen 129, Dänemark 130.

Es ist wohl nicht ohne Interesse, ausser den relativen auch die wirklichen Zahlen kennen zu lemen.

14*

im Mutterleibe.

Todtgeborene.

l.ana

Zeit

Knaben

Mädchen

ttallea

1865—1883

801587

229478

Frankreich

1865—1882

473204

329284

Fr^'usBen . .

1H65— 1888 '

455633

838328

Bayern

r »

76916

56:J25

Sachsen

1* *

52891 16521

402O5

Thiiriuj?fin

12442

Württemberg

1871-1882

21255

16228

Baden

1865-1883 !

20203

15306

ElsasB-Lothringen

1872-1882

13706

11540

Oesterreich

1865-1883

218466

163381

Ungarn

1876—1882

35072

27505

Kroatien n. Slavonieu

\ 1874-1882

4954

3787

Schweiz

1870—1883

29598

22141

Belgien.

1865—1883

85358

63398

Holland

1865—1882 j

.1 i

78798 42991

20601

57896

Schweden

32210

Norwegen

15963

Dänemark

2u«i:{

15814

Spanien . ...

1865— ISTO

j 22085

14698

Runi&uien

1870-1882 j 1875-1878

19730 10704

15014

Rusäliind (europäigche^)

83ßS

Finnland

i 1S78— 1882

6016 8777

4621

MaBsachuaettB .

1 1870—1881

5928

Vermont

1873-1876 1881—1882

424

1 412

292

Connecticut

27S

Rh odc-läland .

1875—1888

1246

781

Wenn es unter diesen Culturläudern mit verschiedener Ntttio- □alitiit allertlings Unterschiede giebt, so sind dieselben doch nicht 80 bedeutend, um aus denselben bestimmte Schlüsse ziehen zu dürfen; nur ist auffallend, dass sich der Knabenl\berschus.s der Todtgeboronen in den beiden Ländern romani. scher Zunge, in Italien und Frank- reich, so hoch erhellt, wie in keinem der übrigen Länder. Doch war in Gegenden der Vereinigten Staaten Nordamerikas der K nabenüberschuss ebenfalls sehr groHS (Massachusetts 1870 bis 1883:148).

Man ist erst in neuerer Zeit bemüht gewesen, zu ermitteln, welches die Ursachen sind, die diesem eigenthümlicheu Verhilltiiiftse zu Grunde liegen. Der Umstand, diiss ja überhaupt melir Knaben ah Mädchen geboren werden, wie wir oben gezeigt hüben, ist zur Erklänuig nicht ausreichend, denn das Verhältniss der todt- gebi>renen Knaben und Mädchen und der lel>endgeborenen Knaben und Mädchen ist kein übereinstimmende.«. Es müssen hier noch an- derweitige Factoren wirksam .«^ein.

Nach (.'larke und Anderen ist das mittlere Gewicht der wm- geborenen Knaben grosser als das der Mädchen^ auch hat der Schidcl

82. Yerlanf der Mädchen- und Enabengebnrten. 213

des Knaben einen grösseren Umfang als der des Mädchens. Später sachte Simpson zu ermittehni, warum die Knaben im Allgemeinen schwerer geboren werden, als die Mädchen. Auch wollte die That- sache, dass Knaben beim Geburtsact häufiger sterben, als Mädchen, Meckel dadurch erklären, dass die Knaben sich lebhafter bewegen imd deshalb häufig Veranlassung zur Drehung der Nabelschnur, zur Hemmung des Kreislaufes und Absterben bieten. Gegen Clarke trat Casper und gegen Simpson insbesondere Veit auf. Breslau suchte Simpson's Ansicht zu bekräftigen; ich selbst (Ploss^) be- leuchtete diese Frage nochmals. Jeden&lls wirken zu der grösseren Geföhrdung des männlichen Organismus durch den Geburtsact ver- schiedene Bedingungen zusammen: der grössere Umfang des Körpers, insbesondere des Schädels, beim Knaben steht dabei gewiss in erster Linie, jedoch bedarf diese Angelegenheit noch weiterer Erforschung und Aufklärung.

Der japanische Geburtshelfer Kangawa sagt: „In dem Moment, wo das Kind geboren ist und auf die ]\^tte des Fussbodens gelangt, legt sich das männliche Kind auf den Bauch und das weibliche auf den Rücken."

EX. Das Weib wälirend der Zeit der geschlecht- j liehen Unreife oder die Kindheit des Weibes."

33. Die Änfnahine des Mtidchens nach der Gebart.

Es wurde bereits weiter oben darauf auftnerksam gemacht, dass bei sehr vielen Völkerschaften die Gobiurt einer Tochter mit sehr geringer Freude begrüast wird. Diese Missstimmung geht bei einigen Nationen so weit, dass sie bemüht sind, diesen unliebsamen Zuwachs ihrer Familie so schnell wie nur irgend möglich wieder los zu werden, und das gelingt durch die Ermordung des Neuge- borenen am allerpromptesten.

So erzählt llaun, dass die altenAraber der vorislamitischen Zeit die Gewohnheit hatten, die neugeborenen Mädchen lebendig zu begraben. Auch unter den Hindu ist nach Mantegazza^ die Tödtuog der Töchter gleich nach der Geburt weit verbreitet, und als die Europäer ihnen wegen ihrer Grausamkeit Vorwürfe machten, so antworteten sie : Bezahlt nur die Mitgift för unsere Töchter und wir werden sie leben lassen. Auch Bodhlimjk erzählt, dass in Indien in den niederen Schichten der Bevölkerung, obgleich da^ Weib gegen rohe Willkür des Mannes durch das Gesetz geschützt ist, doch ihr Loos so traurig ist, dass es begreiflich wird, wenn man erfährt, dass indische Mütter häuHg ihre weiblichen Kinder dem Tode in den heiligen Strömen Indiens preisgeben, um sie vor dem ihnen im Leben bevorstehenden Loose zu bewahren.

Wenn nun auch nicht überall die Geburt einer Tochter gleich- bedeutend mit ihrem Todesurtheil ist, so wird dieselbe docii von manchen Völkern geradezu als eine Schande oder als ein Unglück empfunden. So haben die Uiguren, welche zu den mittelasia- tischen Türken gehören, die folgenden Verse:

,3<*sB<^f wi.>nn eino Tochter nicht geboren oder nicht am Leben bleibt,

Wird aie geboren, so ist es besser, wenn unier der Erde,

Wenn das Todtonmahl mit der Geburt vereint" fVantbery.)

Auch der Kirgise sagt: Bewahre nicht lange das Salz, denn es wird zu Wu««er; bewahre nicht lange die Tochter, denn sie wird zur Sciavin. Die Ossetin wird zur Entbindung in ihre Heimath

33. Die Aufnahme des Mädchens nach der Geburt.

215

et und kelirt mit leereu Häiulen zu ihrem Gatten zuriick, wenn eine Tochter geboren hat. Ist sie aber von einem Knaben ent- bundeu worden, dann bringt sie ihrem Gatten für die gtlnstige Be- fruchtung reiche Geschenke mit.

Im Koran, welcher den Kindeamord verbietet, heisst es: „Hört der Araber. du88 ihm eine Tochter geboren worden ist, so fUrbt die Truurigkeit »ein Angesicht schwarz; die^e Nachricht düiikt ihm ein so ^chmählicbci^ Uebel, doäs er «ich vor keinem Menschen sehen lässt, und er ixt zweifelhaft, ob er die ihm geborene Tochter zu »einer Unthre behalten^ oder ob er sie

iin die Erde scharren soll.*' Eine Georgierin, die nur von Töchtern Mutter wird, wagt es kaum, vor Menschen sich sehen zu la.ssen ; bei Geburt einea Knaben aber giebt es fast tlberaJl grossen Jubel. [Bodetistedt) Auch von den Montenegrinern wird die Geburt einer Tochter beinahe als ein Unglück, mindestens als eine grosse Enttäuschung ^_ angesehen; .selbst in den höchsten Kreisen findet sich diese merk- ^B würdige Ansicht. Ist eine Tochter geboren, so stellt sich der Vater auf die Schwelle des Hauses und senkt die Augen, gleichsam . um seine Nachbarn und Freunde um Verzeihung zu bitten; wird ^m mehrere Male hinter einander eine Tochter geboren, statt eines ^LEjrben und zukünftigen Soldaten, so muss die Mutter, die ihrem ^Hfemn nur Tochter geschenkt hat, nach dem Volksglauben sieben ^^ftrieater zusammenrufen, die Oel weihen und umher sprengen, sowie ,1 die Schwelle des Hauses fortuehmeu und durch eine neue ersetzen J^k roüssi'u, um das am Hochzeitstag durch böse Mächte behexte Haus ^1 2U reinigen. Ganz anders geht es jedoch im Hause her, wenn ein ^B Knabe geboren wurde; von fast toller Freude erdröhnt das ganze ^^ Haus ; der Tisch wird gedeckt und bald sammeln sich um ihn alle Bekannten des Hause;! und bringen den Eltern ihre GUickwliusche dar, darunter auch einen sehr merkwürdigen, der zugleich das ^ kriegerische Leben dieses Volkes kennzeichnet, nämlich den Wimsch, ^p dass der Neugeborene nicht in seinem Bette sterben möge.

Unter den Couibos, welche in Südamerika am Ucayale wohnen, Ist dem Vater die Geburt eines Mädchens so gleichgültig, jn so widerwärtig, dass er, wenn man ihm dieselbe meldet, sein Moskitonetz nn.s])eit; dagegen schlägt er vor Freuden mit dem Bogen auf die Erde, wenn ein Kn&be zur Welt gekommen ist, und sagt der Mutter freundliche Worte. Weun die.se nach der Geburt eines Mfidchens vom Flusse zurückkommt, in welchem sie sich und das kleine Geschöpf gewaschen hat, senkt sie beim Eintreten in die Hütte den Kopf und i.'^t so verschämt, da8.s sie kein Wort spricht. {Marcuy.)

Wie bei fast allen Völkern Asiens, so ist insbesondere bei den alten und jetzigen Chinesen die Geburt einer Tochter ein wenig erfreuliches Ereignis». Bei manchen Nationen wird diesem Unbehagen aber nur ein stummer Ausdruck gegeben, d. h. die Geburt des Mädchens wird gleichgültig imd ohne äussere Zeioheti

216 IX. Das Weib während der Zeit der geecblechtlichen Unreife etc.

der Freude mit Stillschweigen fibergangen, während bei der Geburt eines Knaben sehr gros.se, oft mehrere Tage andauernde Feste ver- anstaltet werden. So finden wir es beiden .\rabern in Algerien, so bei den Uiguren in Mittelasien, so liei den Chewsuren {Radde) und so bei den Sarteu in Taschkent und Chokan. Sehr interessant ist es, zu sehen, wie sich die Minderwerthigkeit des weiblichen Geschlechtes in gewissen rituellen Vorschriften wieder- spiegeit, welchen sich die Mutter nach der Entbindung zu unter- ziehen verptlichtet ist, und welche verschieden sind, je nachdem ein Mädchen oder ein Knabe geboren wurde.

Wenn eine Crih-Indianerin einen Knaben geboren haty, so mu88 sie zwei, nach der Geburt eines Mädchens drei Monat« lang von ihrem Manne getrennt leben. {liicJairdson.)

Aehnliche Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht des Kindes finden wir auch bereits in den Reinigiingsgesetzen der alten Is- raeliten:

Bekiuintlich stellte Moses (8. B. M. 12) fest: »Wenn ein Weib besamet wird, und gebieret ein KnSlblein, so soll sie sieben Tage unrein sein, so lange «ie ihre Krankheit leidet. Und am achten Tage soll man das Fleisch seiner Vorhaut beschneiden. Und sie soll daheim bleiben 3.3 Tage im Ulute ihrer Reinigiinf;. Kein Heiliges solle sie anrühren, und zum Heiligthutn »oU iie nicht kommen, bis dass die Tage ihrer Reinigung aus sind. Gebieret äe aber ein MRdchen, »o 8oU sie zwei Wochen lang unrein sein, so lan'gu xie ihre Krankheit leidet, und soll 66 Tage daheim bleiben, in dem Blate ihrer Reinigung."

Bei den alten Griechen war die Frau durchschnittlich bis zum vierzigsten Tage unrein ; das an diesem Tage abgehaltene Fest liiess Tessarakostos ; die Frau wurde da durch Waschungen ge- reinigt, ging in den Tempel der Diana, ojiterto derselben und weihete ihren Gürtel. Aber aucli bei ihnen herrschte die sonder- bare mosaische Ansicht von der ungleichen Zeitdauer der Unreinheit bei Knaben- und Mädchengeburten, denn sie findet sich bei IJippo- krtUe.t^. lu dieser hippokratisehen Schrift i^nrd auch der Versuch gemacht, zu erklären, warum bei Knaben und Mädchen die Lochien- reim'gung ungleiche Zeitdauer habe, weil nämlich bei der Bil- dtmg des Fötus die Sonderung der Glieder im weiblichen Fötus längstens 42, im männlichen hingegen 30 Tage in Anspruch nimmt.

In Oberägypten geht am 40. Tage nach der Geburt die Mutter mit dem Kinde in das Bad, liLsst sich vierzig Wasserbecher über daa Haupt .schütten, weim der Sprössling, den sie geboren, ein Knabe, und neununddreissig, wenn es ein Mädchen ist. Dann erst sind Muttor und Kind rein. (Klutt^inger.)

Sonderbar ist, dass der Römer fllr eine Tochter ein Quandrans, ftlr einen Knaben ein Sextans im Tempel der Juno zahlen musste.

Hier und da kommen solche Erscheinungen auch in Deutsch- land vor: so zeigen manche Volkssitten oflenbar, das« man das männliche Geschlecht höher .schätzt, als da» weibiirlie. An meh-

83. Die Aufiuiliaje des Mädchen» nach der lU'burl.

217

sn Orten, auch in der Schweiz (Seh äff hausen), wird die [yat'hricht von der Gehurt eines Kindes durch ein Mädchen den

Nachbarn mitgetheilt, wobei sie einen grossen Blumenstrauss auf ider Brust trägt; ist aber das Neugeborene ein Knabe, so hat sie

noch einen zweiten, umfangreicheren in der Hand. Auch war ehe- ^inals nach BIutif^Mi's Züricher Rechtsgeschichte verordnet, dass

der Vater bei der Geburt eiues Mädchenö ein Fuder Holz bekomme,

bei der Geburt eines Knaben aber zwei Fuder.

Im Etachthale in Tyrol Avlrd, wenn den Hirten in den iBennhütten ein Kind geboren wird, das Familienereiguiss den über

den Bergen entfernt wohnenden Nachbarn durch Flintenschüsse kund

gethan ; der erste Schuss ruft die Hörer wach, die Anzahl der

iibrigen Büchsenschüsse thut zu wissen, ob sie die Ankunft eines

! Knaben oder eines Mädchens mitfeiern sollen. Wem käme hier- bei nicht die merkwürdige Ceremonie in die Erinnerung, dem Volke durch Kanonenschüsse die glückliche Entbindung einer Prinzessin oder Königin anzuzeigen V Bekanntlich bedeuten hier 101 Schuas die Geburt eines Prinzen, während eine neugeborene Prinzessin sich mit 35 Schüssen begnügen rau.ss,

I Bei den Omaha-Indianern freut sich der Vater Ober die

Geburt eines Knaben ebenso .sehr, als über diejenige eine.s Mädchens, und die letzteren pflegen sich sogar einer besseren Behandlung zu ifrfreuen, da sie ja doch nicht selbst für sich sorgen können. \{l*ors«y.) Aber wir begegnen auch solchen Votksstäninien , bei [welchen die Geburt einer Tochter geradezu als ein viel erfreulicheres [£reignis8 begrüsst wird, als eine Knabengeburt.

Wenn bei den Bewohnern der Aru -Inseln im malayischeu Archipel, welche auf den mittleren dieser Inseln wohl zumeist iNegritos sind, eine Frau eine Tochter zur Welt bringt, so ent- steht grosse Freude, weil, wenn sich dieselbe später verheirathet, die Eltern einen Brautpreis empfangen, von dorn auch alle die- jenigen, welche bei der Geburt anwesend, einen gewissen Theil bekommen. Man feiert dami ein Fest, wobei ein Schwein geschlachtet und eine ungeheure Menge Arac getrunken wird. Die Geburt eines fBohnes wird mit Gleichgültigkeit entgegengeiiomnieu. Die Gäste begeben .sich dann traurig und enttäuscht nach Hause, und der Ifirmen Mutter wird öfters noch vorgeworfen, da.'*s sie keiner Tochter Leben geschenkt. Ein Mädchen wird gewöhnlich bei ihrer

rt schon verlobt und die Grösse de.s Brautschatzes zugleich

bestänunt. {v. Jloacnhnij.) Die Neuseeländer Maoris freuen sich ebenfalls über die Gehurt einer Tochter mehr, als über die eines jtBohoes. {Colnuton.)

Aach in Afrika finden wir Aehnliche.s wieder, so namentlich Pbei den Mumbo, und bei den Kaffern- und Hottentotten- •1. Denn hier repräsentirt jede Tochter einen Zuwach.s des i/'ns, da sie dereinst für Kinder von dem Freier dem Vater ibgokaui't werden muss. Je mehr Töchter ein Mann besitzt, desto

218 IX. Das Weib wührend der Zeit der geschlechtlidien ünmfe etc.

mehr Rinder stehen ihn^ in Aussiebt und hierin beroht ihr grosiicr Reich thum.

Aber selb&t bis zum Extreme sehen wir die Berorzngung der Mädchengebarten vor denjenigen der Knaben bei den Bejah ia Afrika aiisgebüdet, von denen uns im Mittelalter Magrisi be- richtet, dass bei ihnen von den Weibern die Lanzen gefeitigt worden wären an einem Orte, wo kein ilann wohnen und hift- kommen durfte, ausser um Lanzen zu kaufen. Wird eine Frauen von dem Kinde (eines dieser Lanzenkäufer) eotbaüden, tödtet sie es, wenn es männlichen, und sie läsit es Idwn^ wnui es weiblichen GJeschlechts ist. {Hartmann.^)

So treffen wir also eiue Verschiedenheit in der SteUnng, welche die beiden Geschlechter in der Familie einnekmen. be- reits vom Mutterleibe an, und wir finden dieselbe auch in fftSt allen Fällen bei solchen Völkern wieder, wo keäneswegB Ton einer Ungleich werthigkeit der beiden Creschlechter ge^xrocbai werden darf. Trotzdem wird der Unterschied des GeseUecUes acfaon dank die symbolischen Gaben angedeutet, weldie der Vater oder die Freunde des Hauses dem Neugeborenen auf sein erstes Lager legen : Waffen dem Knaben, Hausgeräth dem Mädchen.

34. Das Leben des weiblichen Kindes.

Aach in dem Kinderspiele macht sich die Trennimg der Ge- schlechter sehr bald in charakteristischer Weise bemerkbar. Denn für gewShnüeb sind die Spiele der Kinder ja nur ein Wider- schein von der Thätigkeit der Eltern, und so erscheint es uns gau i natfirlich, dass die Knaben mehr das Gebahreo der Männer, imj MSdehen dagegen mehr die Verricbtungen der Weiber nachzi bestrebt sind. Gewisse mehr oder weniger feierliche Handli unterbrechen das einförmige Leben des kleinen MiLdcbens, z. B. Stechen der Ohr-, Nasen- und Lippenlöcher, die Tättowinmgen sndere Vornahmen der sogenaimten Körperplastik. Dieses Alles im Einzelnen hier durchzusprechen, würde weit Ober den Bahmen dieses Baches hinausgehen.

W^ir Tel weisen in dieser Bezidiung zum Theil auf das weiter oben bereits Gesagte und andentheils auf die auafUhrliche Behandlia^i welche diese Gegenstände in dem anderen Werke von HrittHdk Das Kind in Brauch und Sitte der Völker,

haben. Gewisse vorzeitige Erscheinungen des geschleehl

Lebens, die Kinderrerlobangen und Kind^ochzeiten, die Frahreife* und der gesdüeditlicfce Umgang mit Kindem wer^ uns in den piteren Kapiteln dieser Abhandlung noch weiter entgegenirvUn. Und so können wir an dieser Stelle das kleine Mädchen rnrUrmfii, am dasselbe in dem nächsteh Abschnitte als Jungfrau wiedemifindai.i

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

35. Der Eintritt der Menstraation.

Das Wunder hat sich vollzogen! Aus dem Kinde ist eine Jungfrau geworden: Der Ausdruck der Augen hat aicli verändert, er ist sinniger und ernster, der Klang der Stimme ist volltönender und melodischer geworden, die Formen des Körpers haben au Fülle und Rundiuig gewonnen. Als Zeichen der Geschlechtsreife des Mädchens gelten uns der Eintritt der monatlichen Reinigung, die Ausbildung der BrQste und äusseren Genitalieu und das Her- vorwachsen von Haaren am Schamberg \md in der vVchselhohte. Diese äusseren Merkmale wurden von jeher als diejenigen der Pubertät aufgefasst. In der Bibel heisst es bei /iV^cÄieHö, 7: Dein Busen ist bereits gewölbt und Dein Haar hervorsprossend. Der altindische Arzt Susriita aber sagt nur. daas sich cße Geschlechts- reife durch die Menstruation iiussert, welche regelmässig mit Ab- lauf eines Monats vnederkehrt. Als Zeichen der Menstruatiou giebt er an, dass das Gesicht der Frauen gedunses und heiter sei, der Mund und die Zähne nass, das» sie mannssüchtig seien und liebkosen, dass Unterleib, Augen und Haare schlaft seien» die Arme dagegen, die -Brüste, Schenkel, Nabel, Hüften, Schamberg und Hinterbacken strotzen, dass sie voll Freude und Verlangen seien. Zendavesta sagt von einer menstruirenden Frau: „Sie hat ihre Merkmale und Blut.*"

Was die chinesischen Aerzte von der Menstruation und ihrer Physiologie wissen und in ihren gelehrten Werken darüber ge- schrieben haben, ist Folgendes; Vom 14. 15. Jahre au tritt bei jeder Frau ein monatlicher Bhit-AbHuss (King-hiuc) aus den weib- lichen Geschlechtstheilen (yn-hou) ein; er dauert gewöhnlich 2^/2, 3 4 Tage und regelt sich nach SOtägigen Periodeu. Wenn er 2 Tage zu früh eintritt, so heisst diese krankhafte Affectiou kan-tsieu, wenn er 1 2 Tage zu spät eintritt, so heisst dies andere Leiden tsieou-heou. Wenn der Ausfluss nicht lange Zeit nach der eigent- lichen Periode eintritt, so ist die Frau zwei Krankheiten ausgesetzt, entweder dem Hiue-tche oder Hiue-kou. Die Schmerzen, welche

^

220

X. Die Reife de» W«?ib€8 {die Pobert

bisweilen vor der Menstruation eintreten, heissen king-sien. die nach der Menstruation Hng-heou. Der Bluiausflus8 kann fünf ver- schiedene Farben haben: die hellrothe ist gesund, die weisse deutet auf Schwäche und entsteht durch innere Erkaltvuig; die schwarze deutet auf starke Erhitzung des Blutfes ; die gelbe auf zu reichliche Gallenabsonderung; die blaue entsteht, wenn die Frau durch Luft- zug erkältet ist. In ähnlicher Weise verbreiten sich die chinesi- schen Aerzte über zu reichlichen und ungenügenden Blutaustluss. ( Dabry.)

Die talmudischen Aerzte bezeichneten als Symptom der Reifc, dass die Haare an den Genitalien zu wachsen begonnen haben; an einer Stelle des Talmud wird auch als Kennzeichen nicht bloss die merkliche Wölbung des Busens, so dass sich unter demselben eine Falte bildet, sondern auch noch als höherer Grftd der Reife angegeben, dass die Bnistwarzen elastisch werden. Andere Talmudiaten bezeichnen ferner das Erscheinen der dunkelbraunen Farbe au dem Cirkel um die Warze, endlich auch das Lockerwerdeu des Scham- hUgels als Merkmal.

Die Naturvölker achten im Allgemeinen ziemlich genau auf den Eintritt des für sie allein gültigen Zeichens der Pubertät, auf das erste Erscheinen des Blutaustiusses, denn dieser ist es, welcher ihnen zumeist die Veranlassimg giebt, mit dem jungen Mädchen ein besonderes, ceremonielles Einweihungs- Verfahren vorzu- nehmen, zugleich aber auch dasselbe abzusondern, sobald wie- wir später ausführlich zeigen werden bei ihnen sich der Begriff lies Unreinseins an die Menstruation überhaupt knüpft. Bestimmte Tracht oder Symbole tragen bei einzelnen Völkern die eben reif gewordenen Mädclien als Zeichen des jungfräuhchen Standes. Es soll hiermit angedeutet werden, dass die junge Person nimmehr die Keife zum Heirathen erlangt hat. Wir werden hierauf spater noch zurückzukommen haben.

Man nimmt allgemein an, dass mit dem Eintritt der Menstni- ation das weibliche Individuum das Pubertäts- Alter erreicht hat (L h. dass das Zeichen eines Blutaustritts dasselbe als mannbar er- scheinen lässt. Inwieweit diese Annahme gerechtfertigt ist, bleibt fernerer Err)rtenmg überlassen. Hier l^eschäftigt uns die Frage, welche Einflüsse vorzugsweise das frühere oder späten» Ein- treten der Menstrualblutung beherrschen: Rasse, Klima^ Lebens- weise u, s. w.

Die ältesten Angaben scheinen schon darauf hinzndeuteD, dtM die Differenzen in der Zeit des Menstrual - Eintritts durch klima- tische Unterschiede bedingt würden. Nach dem Ausspruche des altindi^chen Arztes Siisiitta (in Ayurveda) pflegt die Menstrttation mit dem 12, .Tuhn- (also Ijei den Frauen in Indien), nach den Ruhbinern des) Talmud (also bei den Jüdinnen in Kleinasien) in den meisten Fälleu im 13. Jahre, und nach Sommm aus Ephesas

85. Dw Bintrilt der Mcnstruataoa.

[(in dem vou ihm verfassten gebvirtshül fliehen Werke") zu Rom iui 14. Jahre einzutreten. Diejenigen Schriftsteller hingegen, ^reiche

'in Europa vor dem 15. Jahrh. lebten, wie der seiner Zeit so be- rühmte Michaelis Scofun und der nicht mimler geschützte Alhertus Magnus^ sprechen von dem 12. Lebensjahre -als von dem, mit welchem der weibliche Körper diesen Grad der Entwickelung erreicht habe. Derselben Ansicht ist Allrecht v. Haller: nach ihm erscheinen die llenses in der Schweiz, Deutsehland, Britannien und anderen [gemässigten Himmelsstrichen im Alter von 12 bis 13 Jaliren, später, je weiter .wir nach Norden kommen; iu den warmen Gegenden Asiens u. s. w, sollen sie schon im 8. 10. Jahre eintreten. Diese Ansicht Haller s galt lange Zeit hindurch unbedingt als die richtige. Der EinHuss des Klima.s wurde insl)esondere vou Haller und Humhoklt besprochen. Während jener für diesen Eintluss ent- schieden eintrat, verfocht Huniholdt den der Ra.sse. Jioherton vertrat nach den von ihm aufgesammelten Ergebnissen die Kassen- disposition. Wenn wir aber nach dem heute vorliegenden Materiale die Frage erörtern, welche besonderen Bedingungen und Ur- sachen auf die frühere oder spätere Eiutrittszeit der Men- ses einwirken, so tritt uns zunächst die Thatsache entgegen, dass man häutig das Klima, insbesondere die durchschnittliche Jahres- temperatur als das eintiussreichste Moment betrachtet. In der That hat man durch Vergleiche zahlengemäss nachzuweisen vermocht (Ruciborshi, Bondin u. A.), dass die herrschende Temperatur des Wohnorts sehr eiufiussreich auf die zeitigere oder spätere Entwicke- lung de» weiblichen Körpers in sexueller Hinsicht ist. Allein duss noch andere Lebensbedingungen dabei zur Einwirkung gelangen, ging schon mit grosser Sicherheit aus den Ergebnissen eines älteren ärztlichen Statistikers, Marc d'Espinc's, hervor.

Diese Kesultnte, welche sich aus umfänglichen Forschungen gewinnen liessen, stellte Marc d'Esinnc in folgenden Sätzen zu- sammen: 1. In den gemä.ssigten Zonen tritt die Mannbarkeit bei dem Weilie zwischen dem 0. und 24. Jahre ein. Das Alter aber, wo der Eintritt am häufigsten Statt hat, ist das 14. oder 15. Jahr. 2. Das mittlere Alter der Mannliarkeit erleidet sehr merkliche Varia- tionen nach der geographischen Breite, in welcher man sie in dieser gemässigten Zone beobachtet: und im Altgemeinen kann man sagen, dass der Eintritt um so früher erfolgt, je meSir mau sich dem Aequator nähert. 3, Das Klima (wenn man darunter die mittlere Jahrestemperatur versteht) ist bei der Betrachtung wichtiger, als die geographische Breite; so dass das Gesetz hinsichtlich der geo- graphi-schen Breite nur wahr ist, insofern das Klima mit der Breite im Verhältniss bleibt. 4. In den Fällen, wo alle wiihrnelinil»aren Umstände gleich sind und wo das Klima variirt, sind die Ver- schiedenheiten, welche man in den mittleren Altern der Mannbnrkeit bemerkt, in einer geometrischen Beziehung fast gleich denjenigen der mittleren Temperaturen. -^ 5. Frauen, welche in Städten ge-

222

boren sind oder daselbst ihre Kindheit zubringen, scheinen eine fröbzeitigere Mannbarkeit zu haben, als diejenigen, welche anf dem Lande in Dörfern geboren sind und ihre Kindheit verlebt haben. Der Unterschied in den mittleren Mannbarkeitsjahren möchte jedoch nicht mehr als ein Jahr betragen. Die grossen Städte haben, im Verhältniss zu den gewöhnlichen Städten, die Eigenschaft, die Mannbarkeit noch früher zu zeitigen. 6. Die Bedingungen, welche von Seiten des Temperaments am meisten auf frtihzeirige Entwickelnng der Pubertät in unseren Klimaten von Einfluss zu< sein scheinen, sind: schwarze Haare, graue Augen, eine feine weisse Haut und ein starker Körperbau. Die Bedingungen, welche dagegen mit am meisten verzögerter Mannbarkeit zusaramentreften, waren: kastanienbraune Haare, grttnliche Augen, eine rauhe gefärbte Hatit und ein schwacher zarter Körperbau.

Weiterhin bestätigte der englische Frauenarzt Tili den Ein- fluss des Klimas, indem er bei einer Vergleichnng der Zahlen ver- schiedener Beobachter fand, dass in heissen Klimaten die mittlere Zeit der ersten Menstruation: 18 Jalire lt> Tage, in gemässigten: 1 4 Jahre 4 Monate 4 Tage, in kalten : 1 T) Jahre 1 0 Monate 5 Tage betrug. Allein Tilt weist auch auf den Einfluss der Rasse (spätes Menstruiren der Negerinnen), des Stammes, der Nationalsitten, der Lebensweise in grossen und kleinen Städten und des frühen Geschlechtsgenusses hin.

Eine weit eingehendere ZusaiHmcnstellung der Thatsachen auf einer Tabelle, welche gleichzeitig die mittlere Jahrestemperatur, die geographische Lage, die Rasse oder den Volksstamm nibricirt. verdanken wir dem Ber- liner Arzt Krieger. Aus dieser Statistik ergiebt sich allerdings eine ent- schiedene Wirkung des Klimas. Führt man die verschiedenen Orte der Be- ubachtnng in einer Reihenfolge je nach der steigenden mittleren Jahres- temperatur an, -so zeigen sich folgende mittlere Durchschnittaalter bei der ersten Menstruation nach Jahr, Monat und Tag:

Schwedisch-Lappland 18 J.; Christiania 16 J. 9 M. 25 T.; Skeon (Norwegen) 15 J. 5. M. 14 T.; Stockholm 15 J. 6 M. 22 T.; Kopenhagen 16 J. 9 M. 12 T.-, Göttingen 16 J. 2 M. 2 T.; Berlin 15 J. 7 M. 6 T.v Mflnchen 16 J. 5 M. 11 T,; Wien 15 J. 8 M. 15 T.; Warschau 15 J. 1 M.; Manchester 15 J. 6 M. 28 T.; London nach verschiedenen Zählangen zwischen 15 J. 1 M. 4 T. und 14 J. 9 M. 9 T.-. Paris nach verschiedenen ZaWungen zwischen 15 J. 4 M. 18 T. und 14 J. 5 M. 17 T.; Sahle.« d'Olonn« 14 J. 8 M. 23 T.; Lvon 14 J. 5 M. 29 T.; Toulon 14 J. 4 M. 5 T.; Nime« 14 J. 3 M. 2 T.; Montpellier 14 J. 2 M. 1 T.; Marseille 13 J. 11 M. 11 T.; Corfu 14 J.; Madeira 14 J. SM. (nach anderer Angabe 15 J. 5 M. 10T.)j Dekhan IS J. 3 M.; Calcutta 12 J. 6M.; Loheia 11 J.; Achroim (Aegypten) 10 J. und Sierra Leone 10 J.

Es ist hiermit unzweifelhaft gezeigt, dass die klimatischen V< hältnisse einen zeitigenden oder verzögernden Eintluss ausnben.

Wenn nun dagegen Zweifel durch einzelne Beobachtungen au8^ gesprochen wurden, so erklären sich dieselbe« dadurch, dass es docfa noch andere Einflü!»!«e daneben gieb^.. Andere Male kennen Br*

85. Der Efntritt der Menstrtiation.

223

^

ühemungen, welche einen Klima- EinHuss nicht wahrnehmen lassen, »ich ilooh nnbescliadet der constatirten Thatsache erklären lassen, w geUuigtc Wf//er''\ welcher aus verschiedenen Ortschaften R\i sslands nach St. Petersburg eingewanderte weibliche Individuen verglich, zu dem Schluss: ,Im Ganzen scheint das Klima, soweit es unser Material betrifft, keinen eingreifenden Einfluss auf den Eintritt der Menses zu haben, und die Schwankungen, die dennoch vorkommen, mehr den Nationalitäteu und Rassen zuzuschreiben zu sein." Allein rlVrber giebt zu, dass er es doch mit nach Norden verschlagenen ^Kindern des Südens zu thun hatte, demnach die Beobachtung keine rechten Anhaltepunkte darbietet.

Wir sind in den Stand gesetzt, die Tabellen Marc d^Espinr s,

TiU's^ Krieger s und ToinnartVs durch zahlreiche neuere Daten zu

vervollständigen. Allein es kommt uns hier vorzugsweise darauf

^^11, zu untersuchen, inwieweit Kriegers aus der tabellarischen

HSDebersicht gezogene Schlüsse beztiglich des Klima- Einflusses

^■richdg smd.

^H Nachdem Krieger nämlich die Verschiedenheiten der Lebens- ^Mreise als weniger einflussreich für den Menstruationseintritt erklärt ^Hiat, als die verschiedene Höhe des Wohnortes fiber dem Meeres- ^■ipiegel, gelangt er zu dem Resultat, dass ein wesentlicher Unter- schied in dem mittleren Alter der ersten Menstruation besteht, je nach dem Himmelsstriche, unter welchem die Menschen leben. Er »ruft sich dabei mit Recht auf Dubois und Pojoi, welche in einer PabeUe den Eintritt der ersten Regel bei je ÖOO Frauen im süd- ichen Asien, in Frankreich und im nördlichen ßussland ver- lohnen. Aus deren Tabelle liess sich berechnen, dass in der leissen Zone die grosst-e Zahl der Frauen zwischen dem 11. und 14. .Inhre, in der gemässigten Zone zwischen dem 13. und 16. Jahre, der kalten Zone zwischen dem 15. imd 18. .lahre menstruirt wird. vrieger selbst sagt nun:

,AI<f die hauptsiichHchstt; Ursache diese« Unterschiedeä iuuh!! daher

|]1eril)ng8 Aa^ Klimu, angesehen werden und nur inuerh.'ilb dieses Einflusses.

das* Klima iiu<ialit, oder als conatiiuirenden Factoren des Klimas wird der

»ittleren .lahrestemperatiir. der geographischen L&nge und Breite, der Höhe

dem Meeresspiegel, der Nähe des Meeres und zum Theil auch dem

ItiAchen oder lilndlichen Wohnsit7.e «^inigeji Gewicht beiz<ilegen sein. In

rolchem Maaa«e aber jeder einzelne dieser Factoren ein vorwiegendes iuter-

»ao in Anspruch nehmen darf, ist zur Zeit wohl kaum zu entscheiden. Der

Uit(t(< endlich wird sich nicht jeder Einiluss auf den Mcnatruattons-Eintritt

V>Rprcchen lassen, doch möchte es schM-ierig sein, denselben zu deßniren."

)ünn »her ent.^rheidet sich Kriegrr auf Grund der von ihm aufgestellten

r^belle dahin, ,da«6 ei; -nicht die Rasse, sondern vielmehr dua Klima ist.

rodurch der Unterschied in dem .\ller der ersten Älenstrualion bedingt wird,*

er weiterhin behauptet, .daae die Wllrme der Luft, im geraden Vor-

HnijMC zu der frühen Entwickelung der weiblichen Geschlechtsreife ku

scheint.*

In Betreff des hier erwHhnt<?n Rassen -Einflusses müssen wir

224

allerdings hervorheben, dass einige Beobachter,, freilich ohnir genauere numerische A'erhältnisae anzugeben, z. B. Polak u. Ä., denselben nicht gering auschjagen. Letzterer sagt: ,Ueberhaupt scheint das frühere oder spätere Eintreten und Erlöschen der Men- struation mehr von der Hasse als voju Klima abzuhängen, und ob- wohl sie durch ein kaltes, nördliches Klima verzögert wird, so verwischt sich doch in allen folgenden Generationen nicht der Eiu- fluss der Russe. Als Beleg hierfür dienen die Jüdinnen in Europa und die Negerinnen in I'ersien und den amerika- nischen Colonien.* Auch bei uns erfährt man oft, dass die Mütter berichteu, ihre Töchter hätten ebenso wie sie selbst zeitig oder spät menstriiirt. Es scheint also Kusse und Erblichkeit etwas mitzuspielen.

Auch iip/ienheim gLaubte aus seinen Beobachtungen an bul- garischen, türkischen, armenischen und jüdischen Mädchen auf eine Rassen -Diöerenz bezüglich der früheren Entwickelung der Menses schliessen zu dürfen. Dann hatte Lehrun die Menstruationszeit von je 100 Fraueu jüdischer und slavischer Herkunft (in sla- vischer Bevölkerung) verglichen (Corre)^ wobei er fand, dass eine grössere Anzahl der Jüdinnen schon im 13. Jahre ihre Mense« bekamen, in welchem imr eine S lavin menstruirte. Allein wir müssen doch auch darauf hinweisen, dass die ganze Lebensweise mit in Betracht kommt. Eine so völhgo Zurückweisung der lias&en- Differenz, wie wir bei Krieger und Topinaril finden, ist gewiss noch nicht gerechti'ertigt, so lauge nicht genatiere Forschungen ange- stellt sind. I

Weiterhin hat Weher in St. Petersburg den Beziehungen des Menses -Eintritts zur Nationalität nachgeforscht. Interessant sind seine Kesultate ; Bezeichnet man als «frühzeitigen" Eintritt den '1 von 15, als ,.späten- Eintritt den nach 17 Jahren, so bekommen wir für 5 Nationalitäten:

Russin. Jüdin. Deutsche. Polin. Finnin- Früher Eintritt: 48,5"/o. 54,50/o. 47,1 «io- 52,7» o- K»*'u.

Spätei- Eintritt: 6,36%. Sjo/o- 2,9 ",o. 2.9ö(0- I9,25<»,«.

Nehmen wir nun noch die Verbältnisse für .vorzeitig* bit> 13, uatl { ,,v«r8pätet" uach 18 Jabreu, so kooimen:

Kussin. Jüdin. Deutsche. Polin. Finnis,^

Vorzeitig: 10.0" „. 12,6",iu 8.20o. HJ^/o. 2.7oVl

Ver»i>atel: 2,S6<',o. l,20o. 3,8ö(o. 2,9»o. 0.0«;d.

Woraus zu sehen, dass bei den Finninnen, trotzdem im (»anzen die Menstruation erst spät eintritt, doch Verspätungen zuj den grossteu Seltenheiten gehören; dasselbe kam, ruan fast aoch von dem vorzeitigen Eintritt sagen; wogegen bei den J öd innen! und ilen slavischen Völkern der unzeitige Eintritt, besonders dcrj vorzeitige, recht liüutig vorkommt.

Dagegen möchten wir, obgleich wir selbst schon ol)en klima- tische Einflüsse nachgewiesen haben, die bei manchen Völkern

35. Der Eiutriü der Menstruation.

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herrscbenden Sitten und GelirUuche nicht zu gering anschlagen. Insbesondere darf man , wie wir Ijezüglich der verschiedenen Heirat hsalter nivchwie.sen, die bei einzelnen Volkerschaften ge- bräuchliche allzu frühe Ausübung des Coitus als wirkungsreich auf frühen Eintritt der Menses bezeichnen. Bei den Esthinnen stellt sich die Menstruation trotz des rauhen Klimas, trotz der abhärtenden und den Eintritt der Men.ses verzögernden Lebensweise, trotz der durchgängig torpiden Constitution, wenn auch .selten, schon im 15., selbst im 14. Jahre ein. Holst giebt dies der Unkeuschheit der Mädchen schuld, indem hierdurch die Genitalien in ihrer Ent- wickelung der des übrigen Körpers vorangehen. Die Schwierigkeit des Beweises zeigt sich An Folgendem.

Viele und unter ihnen vorzugsweise Roberton betrachten das frühe Verheiratheu der Mädchen bei den Hindu als Veraulassung zum l'rühzeitigen ISIenstruiitionseintritt ; denn nach Manu durfte sich ein Mädchen .schon mit dem 8. Jahre verheirathen, und in der That betrachten es dort viele Eltern für eine Schande, wenn ihre Tochter nicht jung heirathet; man sieht sogar eine Ehe nach dem Eintritt der Hegel für sündig an. Diese indische Sitte könnte aller- dings durch die frühe geschlechtliche Erregung aut zeitigen Eintritt der Pubertät von Eiufluss sein , doch ist immerhin der Eintritt der letzteren im 12. Jahre, wie man angegeben hat, keine andere Erscheinung, als man auch bei anderen Orientalen findet. Da- gegen erscheint nach Chenin beim Hindu- Mädchen die Regel dadurch, dass es durch den Coitus geschlechtlich erregt wird, keineswef^s früher, als bei europäischen Mädchen, die unter glei- chen klimatischen Verhältnissen leben: aber die Dauer der Menopause ist beim Hindu-Weibe länger, al.«* bei Europäerinnen: der Fluss der Menses dauert ebenso lange, wie in unserem Klima, 3 5 Tage ; die Zwischenzeit zwischen den Perioden beträgt 25—28 Tage.

Die geschlechtliche R^ife ptlegt sich bei den Nay er- Mädchen (Kaste in Indien) zwischen dem 13. und 15. Jahre einzustellen, nur ausnahmsweise vor dem 12. SiiccrHchneider, der in Trovancore lebt, kennt Mädchen der lUuvar- und anderer schlecht genährter Kasten Süd -Indiens, die im 16. Jahre noch nicht ge.schlechtsreif waren und noch unentwickelte Brüste hatten. Viele Mädchen der Nayer-Ka-ste leben aber schon vom II. Jahre an mit Männern. [Jaynr. 3In/f>rK)

Auch auf den Sandwichs- Inseln heirath^n die Mädchen vor dem Eintritt der Pubertät, und nach Dumns hält man daselbst die Menstruation tür die Folge des Coitus, und ihr Erscheinen bei einem unverheiratheten jungen Mädchen fl\r ein Zeichen übler Auf- führung.

Weiterhin wurde aber auch ein Einfluss des Ständeuuter- Hchiedea constatirt. welcher jedenfalls mit einer Differenz der Er- ziehung und gesammten Lebensweise zusammenhängt.

Plnit I>ai Weih, I. 3. AiiH.

15

X. Die Reife des Weibes (du

An 5611 weiblichen Individaen, die während 10 Jahren in Moskau lebten, erörterte Benserujer den Eintritt der Menstruation. Ea Hess sich bezüglich des ersten Auftretens der Menses anterscheiden eine frühe Periode von 9 bis 12 Jahren, eine mittlere von 13 bis 16 Jähren und eine sp&tere von 17 bia 22 Jahren. In Moskau hat sich nun mit Berücki^ichtigung der Stände Folgendes ergeben: Das Maximum der frühen Periode (9 bis 12 Jahre) fällt auf den Adel und die Ausländer (es werden keine Nationalitäten genannt); für die zweite, die mittlere, Periode fällt das ifasimura auf die 6eiHtlichkeit und den Kaufmannsstand; für die dritte Periode das Maximum auf die Bauern. Es scheint hiernach also nicht das Klima einen vorwiegenden Einfluss zu haben, sondern vielmehr die physische Erziehung, vorherrschend die Nahrung, wobei jedoch dem durch Erblichkeit sich fort- pflanzenden EinüusB der physischen Erziehung auf das Nervensystem gewiss auch Rechnung zu tragen ist.

Dass Stand und Beruf sehr maassgebend sind, hat besonders Weber nachgewiesen. Nach seinen in St. Petersburg angestellten Erörterungen kommt das Maximum des ersten Menstruations-Eintritts auf das Jahr 14 bei Hausfrauen, Näherinnen, Wäscherinnen, Ladenmädchen, Schuhmacherinnen, Hebammen, Kindermägden, Wartefrauen ; auf das Jahr 15 bei Köchinnen, Schneiderinneu, Händlerinnen, Ammen, Schauspielerinnen, Feldarbeiterinnen; auf das Jahr 16 bei Stubenmägden, Prostituirten, Lehrerinnen, Warte- frauen ; auf das Jahr 13 bei Lehrerinnen, Sängerinnen, Studentinnen und Modistinnen (allerdings ist diese Rubrik zu gering an Zahl).

im (ianzen, so schliesst Weber, können wir vom EinfluHS der Beschäfti- gung und Lebensweise sagen, dasa bei unseren Städterinnen die Menstruation in den besseren Kreisen, in regelmässigen Verhältnissen, wo dos Weib seiner Bestimmung nachzukommen vorbereitet wird und sie schliesslich in den Stand der Hausfrauen tritt, die Menstruation zeitiger eintritt; wogegen bei d«n Proletariern. Feldarbeiterinnen, bei Mädchen, die schon von Kindesbeinen an zu schweren Arbeiten aiigehalten worden, die Menstruation später ein- tritt. Auffallend früh tritt dieüelbe bei Mädchen ein, die sich dem Studium und Oberhaupt den geistigen Ai-beitcn widmen, also bei Studentinnen, Lehrerinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen und dergleichen.

Auch den Einfluss des Standesunterschiedes hinsichtlich des elterlichen Berufes studirte Weber: beim Bauernstand im Mittel 14,8 Jahre, im Maxi- mum 15 16, im Minimum 10 11 Jahre; dagegen, wenn man das begonnene Jahr als voll nimmt, bekommen wir 16 Jahre als mittleren Menstruations- eintritt; beim Bürgerstaud im Mittel 14,6 Jahre, Maximum 14 16 Jahr«; beim Kaufmannsstand im Mittel 14,1 Jahre, im Maximum 14 15 Jahre; bei Adligen und Officieren im Mittel 14,1, im Maximum 14 15 Jahre; beim Beamten- und Gclebrtf^nstand im Mittel 14,29 Jahre, im Maximum 14 bis Ib Jahre; beim Soldatenstand im Mittel 14,8 Jahre, im Maximum 16 17 Jahre; beim geistlichen Stande waren die Zahlen zu klein, um sicher die Zahl 18,9 Jahre als Mittel bezeichnen zu können.

Der bedeutende Einiluss, welchen die Lebensweise äuüseri, ergiebt sich aus lirierre de lioismont's Berechnungen in Puris; er fand, dass durch luxuriöse und bequeme Lebensweise sowie durch die verweichlichende Erziehungr der Menstruationseintritt gezeitigt wird. In Paris ist nach ihn» das durchschnittliche Alter d^ PubertÄtseiotri t ts:

Bei Frauen der mittleren Büi-p»erkla8aen 15 Jahre 2 Mon.

, Handubeiterinnen 15 , 10 ,

Mägden 16 , 2 ,

. Tagelöhnerinnen 16 1^2 »

Für Paris im Mittel . . . . . . . 14 Jahre 4 Mon.

In Wien fand Sciikits das mittlere Menstruation»- Alter

15 Jahre und S'/o Monate; hingegen auf dem Lande in Oester- reich 16 Jahre und 2^/2 Monate, Dass 3Iar<' d'Espine Äehn- liches gefunden hatte, das haben wir bereits oben gesehen. Für

i'Strassburg und das Departement Bas-Rhiu (Elsass) fanden Stöher und Tourdes, dass die Menstruation in der Stadt meist im Alter von 13 Jahren eüitritt und nicht selten auch schon im 11. und 12. Jahre; auf dem Lande scheint das Alter zwischen 15 bis

16 Jahren das gewöhnlichere zu sein, und oft erscheint sie hier noch viel später.

Schon llippolitus Gunrinonius, der in Hall bei Innsbruck als Arzt lebte und dessen berühmtes Buch ,Die Grewel der Verwüstung menschlichen Geschlechts" im Jahre 1610 er- schienen ist, hatte die Beobachtung gemacht, dass der Eintritt der Geschlechtsreife bei den Bäuerinnen und den Städterinnen nicht zu gleicher Zeit erfolge. Es heisst bei ihm:

,Za guter Kundschafft sehen wir, dass die Bawien Mägdlein in hiesiger Landtscbafft, wie auch allenthalben, vil langsamber, als die Bürgers, oder Edelieuth T&cbter, und selten vor dem 17 oder 18 oder auch 20igistem Jar, zeitigen, darumben auch dise umb vil ISLnger als die Barger und Edelieuth Kinder leben, und nit sobald als dieselben veralten. Item wir spüren fein klar, und ohne vil Nachsinnen, dass in gemein, wann der Bawren Mägden kaum zeitigen, die Bürgerlichen schon elliuh Kinder getragen haben. Ursach, das« die Innwohner der Stätten, mehieres den gajlen Speisen und Trank i^«Tgeben, darnach auch jhre Leiber 7<art. weich und gayl, und gar ^u bald teitig werden, nicht änderst als ein Baum, welchen man zu fast begeust, lein Frucht swar b&Ider als die andern zeitigt, aber nit so vollkommen, und I veraltet auch desto bUder."

Dass sich bei verschiedenen Nationen, die in einem Lande susammen wohnen, grosse Differenzen zeigen, geht aus den in Ungarn igeatellten Untersuchungen Joachitns hervor. Es menstruirten lort zum ersten Male:

Magyaribche Baaemm9dchen im 15. 16. Jahre,

Israelitinnen 14. 15. ,

Raizitischc Mädchen . . . , 13. 14. , Slovukiache , ...» 16.— 17. ,

In Strassburg jedoch fanden Stobfr und Tourde* bei 29 Juden- aftdchen, da«« sich der Monstraationseintritt durchschnittlich ebenso verhielt, rie bei den Mädchen der übrigen Bevölkerung; er war in keinem Falle vor 12. Jahre, das Maximum war zwischen dem 14. und 17. Jahre. Freilich 2\i Individuen zu wenig!

Also nicht bloss durch das Klima, sondern auch durcli manche ideren Verhältnisse, z. B. durch Hasse und Nationalität, Leben.s- reiae, Be^^chäl'tigung, Erziehung, Nahrung, Wohnung, Kleidung,

15«

228

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

Sitten und körperliche Beschaffenheit wird der Menstruatioüseintritt bestimmt. Auch wurde schon von Hohrrton darauf hiDgeMriesen, dass die Indianermiidchen allerdings schon sehr früh menstraireu, die Negermädchen aber, die in ebenso heissen Zonen wohnen, durchschnittlich in etwas späterem Alter reif werden; Roberton sacht dies dadurch zu erklären, dass die Indianermädchen mehr als die Negermädchen vorzeitiger geschlechtlicher Reizung aus- gesetzt werden, denn viele Indianerinnen werden schon im 10. Jahre Mütter. Ebenso behauptet Lnrrprde , dass in denselben Breiten und Klimaten die Pubertätszeit der Neger und Mongolen früher als bei Europäern eintrete. Hierbei wird wohl auf die Thatsache zu verweisen sein, dass die angestammten EigenthOm- lichkeiten sich nur langsam und im Verlaufe zahlreicher Genera- tionen verändern können. Eigenthümlicher Weise sollen, wie man allgemein angiebt, trotz des kalten Klimus hei den Mongolen, Kalmücken, Samojeden, Lappen, Kamtschadalen, Jakuten, Ostjaken u. a. die Mädchen schon im 12. ]3. Jahre menstruiren. Mag diese Behauptung im Allgemeinen wahr sein (für die Lappen hat sie sich al.s unridiiig erwiesen), so würde aus einer solchen Thatsache weder die Einfiusslosigkeit des Klimas, noch auch der alleinige Einfluss der Rasse resultircn, sondern man könnte die Er- scheinung aus der Lebensweise, insbesondere der animalischen Nahrung und jener Gewohnheit dieser Völker erklären, in ihren Hütten fortwährend eine bedeutende Hitze zu unterhalten. So weist auch schon Krieger die Argumentation Wulhcr's zurück, der das frühe Erscheinen der Menses bei den Mongolen als EigenthQm- lichkeii der Rasse bezeichnet.

Schon die Aerzte des Talmud wnssten, dass die Lebens- weise des Mädchens grossen Eintiuss auf die Eintrittszeit ihrer Pubertät ausübt. So behauptet Rabbi Simon ben Gamiel von den Mädchen, welche in Städten wohnen und dort Gelegenheit haben, öfter Bäder zu benutzen. das.s bei ihnen da.s Behaartwerden der Körpertheile sich weit früher einstelle, als dieses bei den Dorf- bewohnerinnen der Fall sei, wogegen bei letzteren die frühere Wölbung des Busens vorkommt in Folge ihrer anstrengenden körper- lichen Arbeiten (Wunderbar).

Die Physiologie nimmt nach den bisherigen Beobachtungen im Allgemeinen folgendes an: die ersten Menstruationen stellen sieh in der gemässigten Zone im 14. 16. Lebensjahr ein; als mittlere Zeit wird l4'/3 Jahre angegeben, für die heisse dagegen 13, für die kalte IS^i'o Jahre. Ueppige Lebensweise beschleunigt, karge Nah- rung und harte Arbeit verzögert den Eintritt; ausserdem hat die Rasse Einfluss {Hermann), aber, wie wir gesehen haben, auch die Lebensstellung und die Beschäftigtmg. Es sind also sehr ver- schiedenartige Factoren ftir den Zeit])unkt des Menstruations-Ein» tritts maassgebend.

Nach diesen Erörterungen wollen wir die Erde durchwundern,

im die Zeit des ersten Eintretens der Menstruation bei den ver- Bchiedenen Nationen kennen zu lernen.

Gs ist nicht leicht, bei fremden, insbesondere uncirilisirten YSlkem in Jdieäer Angelegenheit sichere Beobachtungen zu machen, wie namentlich \j''alk€nit4!in bezeugt. Bei einigen, z. B. den Negervölkem der Loango- [Küste, konnten nach Ausspruch Pechiul-Lwsche's vielleicht gewisse Ceremo- Isiea einen Anhalt dort gewÄhren, wo die Mütter das Alter ihrer Kinder auf [«inem Kerbholz markiren. Solche volksgebnluchliche Ceremonien, von denen [-wirnoch weiterhin sprechen werden, werden unter Anderen bei den Hindus lie unterlassen und dort signalisiren die Mütter den Zeitpunkt genau. Allein Igerade bei den Hindus liegt der Fall vor, dass die Aenste ihrer Vorfahren, [der alten Inder, den Menstruations-Eintritt in sehr früher Zeit annehmen; Terlegt ihn auf das 12. Jiihr. und Anffira schrieb : „Die Weiber [gurö im 8. .lahr, rohine im 9. JkiUi-, kangkaka im 10. Jahr und nach lern 10. Jahr mujaswala, wo die Frau ihre Regel hat." Wenn wir dem Ixiach die Angaben von Reisenden, welche nur auf wenig zuverlässige Aaa- Isagen der Eingeborenen sich gründen, mit grosser Reserve aufnehmen, kOnnen [wir nur diejenigen Mittheilungen als authentische Beobachtungen betrachten, raie sich auf eine genaue Zählung einer bestiiumten Menge von Fällen und fftuf eine proportionale Beiechnung stützen. Trotzdem dürfen wir in Ermange- lung exacter Untersuchungen das vorliegende, durch Abschritzung gewonnene Material nicht ganz unbeachtet lassen. Denn wir sind auf ein nicht vOllig tweifelfreiee Material bezüglich einer grossen Reihe von Völkern be- [^«chränkt, welche vor Allem bei der Frage über die klimatischen Einflüsse zur Berücksichtigung gelangen müssen; dabei ist stets aas Vorsicht hinter jeder Zahlen-Angabe ein Fragezeichen zu denken, wenn wir in Ermangelung sicheren Materials den Mittheilungen der Reisenden in Fol- gendem Beachtung schenken.

Schon bei den in der hoissen Zone wohnenden Negervölkern treten IS .Angaben entgegen, welche keineswegs die Annahme eines besonders en Eintretens der Menses in wannem Klima bestätigen; mindestens die folgenden Daten wenig Uebereinstimniuug wahrnehmen. Di3 (gerin wird im Allgemeinen nach JRo6«t<om nicht sehr früh. d. h. zwischen 13. und 17. Jdhre, durschnittlich mit dein 15. .Tahre meustruirt, doch Kommen mich ihm auch Fälle mit dein 11. Jahro vor. Bei den Wo Joffe n- IJUlchun am Senegal glaubt de liochthrune die Reife zwischen dem 11. '^nnd 12. Jahre annehmen zu dUH'en. In der Bai von Biaffra fand Daniell dna 11. 12. Jahr, bei Negerinneu in Aegypten Pruner den Zeitraum

Ivom 10. 13. Jahr, liiijler daselbst vom 9. 10. Jahr; die Mädchen sollen zu Mensa nach Brthvi im 13., zu Bngos nach MuHzin<jer erst im 16., die pxuaheli-Mädcben in Zanzibar gewöhnlich im 12. oder 13. Jahre reif «rerden. Die Mädchen der Beräbra (Hamiten) entwickeln sich nach Startmann nicht so früh wie die ägyptischen; sie gewinnen ihre Blüthe- »cit Zwilchen l.'j und 19 Jahren, die Somali- Mädchen nach Ihufgemadusr •nt im 16. Jahre.

Aus diesen, offenbar nur durch Abschätzung gewonnenen Angaben er-

nhcn wir, wie mannigfach und von einander abweichend unter den Völkern

pfilV, - die Verhältnisse angenommen werden. Der Zukunft bleibt die

) Hang vorbehalten; und FaikensUxn^ sogt gewiss mit Recht: „Ich

Uli iKiii weit entfernt davon, zu negiren, dass unter den Tropen der Eintritt

>ft hei 12 Jahren und auch früher beobachtet wird, ich muss aber anführen.

X. Die Keife dea Weibes (die Pubert

daas mir in mindeeiens eben so viel Fällen die Mlldcbeo (der Neger an der Loango -Küate) ein Alter von 14 15 Jabren za haben scheinen. Ich gl&abe also, daas die Grenzen für daa Auflr^ten bei den verschiedensten Völkern näher liegen, als man annimmt, und möchte davor warnen, das Alter nach dieser Erscheinung in Einklang mit den bisherigen Annahmen sch&txen lu wollen, ohne zugleich die ganze KörperbeschaÖ'enheit des Individuums mit in Betracht zu ziehen."

Diese Meinung stimmt im Allgemeinen mit einem Auaeprucbe ^adi- tigaVs überein. Denn dass in Fezzan die Pubertät so aussergewöhnlich firfih einträte, wie manche Reisende berichten, konnte NctdUigal, der dort bekanntlich als Arzt prakticirte, nicht bestätigen. Er sah ebenso viele Mädchen, die mit 15 Jahren nicht menstmirt waren, als solche, die das Zei- chen der Reiie mit 12 Jahren darboten.

Aujs den heissen Districten Südamerikas wird angegeben, dass bei den Indianerinnen in Nicderl&ndisch-Guyana (Surinam) die Menses im 12. Jahre und darunter (nach SUdmann), bei den Campas oder Antia am Amazonenatrom im 12. Jahre (nach GrixndidUr), bei den Pampas- Indianerinnen im 10. 12. Jahre (nach ManUgazsa), bei den Indiao«- rinneo in Chile im 11. oder 12. Jahre (nach KoUiti) eintreten. Bei den Indianerinnen in Peru sind die Menses sehr schwach, und sie stellen sich, wie behauptet wird, bei ihnen viel später ein, als bei den Übrigen Rassen, gewöhnlich erst im 14. Jahre, wenigstens bei den Gebirgsindianerinnen, während sie bei deiv weissen Creolinnen oft schon im 9. Jahre erscheinen sollen; auch hören sie bei den Indianerinnen Perus im 40. Jahre wieder auf, oft noch viel früher. (Maifcr-AJirens.y Die Pajagua- Mädchen in Paraguay menstruircn nach Renggtr schon im 11. Jahre.

Die in gemitsigteren Klimaten Nordamerikas wohnenden Indi- anervölker zeigen auffallende Verschiedenheit; nach Ru^ch menstmiren ihre Frauen im Allgemeinen selten vor dem 18. oder 20. Jahre, und sie sollen schon, ehe sie 40 Jahre alt sind, die Menses verlieren. Dagegen treten bei i ihnen nach Edtrin James schon gegen das 12. oder 13. Jahr die Menses ein, doch fügt Jame« bei, dass die Angaben der Indianerinnen über ihr eigenes Alter sehr zweifelhaft sind. Nach Keating beginnt die Menstruation der Potowatomi am Michigan- See gewöhnlich im 14. Jahre und dauert bis zum 50., ja 60. Jahr; dies erfuhr Keating von einem Häuptlinge des Stammen. Bei anderen Indianerstämmen, den Dacotas und den Sioux. er- scheint nach demselben Autor die Menstruation selten vor dem 15. uder 16. Jahre; er erklllrt diesen Unterschied durch das rauhere Klima, in welchem diese Stämme wohnen, und durch ihre grösseren Entbehnmgen. Nach Dough- erty meustruiren die jungen 0 m a h a - Mädchen und erhalten die Fähigkeit, Kinder zu zeugen, mit dem 12. oder 13. Jahre. Bei 82 Indianerinnen trat nach liobertcm die erste Menstruation ein:

im 8. Lebensy. bei 1 Ind. im 13. Lebensj. bei 9 Ind. 9- ■• ,. 5 ,. 14. 8

10 9 15 7

16. und höheren Lebens- jahren bei keiner.

In den nördlichen kalten Gegenden Amerikas ist ein späterer Men- struations -Eintritt bemerkbar. In Alaska tritt bei den Indiani^rinneD die Pubertät zwischen dem 14. und 17. Jahre ein, and auch die Eskimo- Weiber menstruiren nach Roberton nicht vor dem 14. Jahre. Diese Naob-

2äL Der Eäaäa der MeBSCrBasäoa. 231

nebt timmmit mm ämem Bwifttf det Xisäoair Lm^ihriy. w^titec ia Labrmdor fxtäStk. est ZI FSZk- rmrarhr- » öcth^hk. c<e -v«kbe& 4»^ Ma«W>r« 14 Jahn oier j^ager 'vm katte d—ifiTbe »»ü: äekx lae^fträn : T<m des ffaacea 1< vuem die etstes Measa en«lä«i>e9 be£ je 4 in AJter TOtt 14 s»d 13 Jaktva. be£ je S in Aher t»b 16 sad 17 J^^iea. 3 x»A loTWiMliti III S>. Jaifaze. Dmc aist^a« Aixer bcoict alfo cr«a 1$ J«kre. JCv Dimwmid. vticiier däe S«rdpvl-£xpeärtäD>& xater /ofai JBo» al» Asa be- gleitete, tbeüt Bit. da» die Mouei bd den E f kimos oft ent mix 23 JaiucB eiatreten vzwi aacb dusa äe^ ssr Sporea d&roa Tibnnd der " iiiiiii ■<!■■!< xeigea.*) Tca luv Gr&aliaderiaaea bekuDea S? die ense üeaitnatäcka zwiadken 13-^17 Jatrea. » tot aad 7 aacii die»eai Alter, ''mm flinva./

Ba des aactraliscbea Sekvarzea aza Fiake-Creek tritt die MenatraatäoaailiJgkeLt scvCkaBeL vobl »ciioa mit dem ?_ spiteateat im 12. LebeariakTe aaeä IGwoair Kemgie: «a.

la Keabollaad -verdea zadi Macfrtfvr die MSdcbea mix den lü. 1^ Jalne ouaabaz, ia Seacaledoaiea cacb Bona-parri im 12. Jalne. aaet Fmaoa im 1±— U. JaLre sad sfilez. aad: rietar de Bodmt ia 12.— IS. Jalne; aof dea Fidf clii-IaaeiB aaeii WiJket erst mit dem 14. Jalae. Die Maori-MSddea asf Keaieeland meaftmiTea aaeb JBrmm «cboa in 12. Jahi«, aacb Themmm jedocb erst im 13. 1$. Jakie. Amf den Samoa-Iaida stellt lid bei des veibliciiea EingeboreaeB die Meutraation im 1±— IS. Jabie. adteaer Kboa im 10. Jahn ein. Dafor irerdea de edwa im 30. Jalne ah and hitT^Tf*- ^Grmefcj Nach der Sebltzuag der Eatvickelaxign-eildltais!« fiberbanpt tritt beiden Xegritoi der Philippinea die Pabertit nage&hr mit den 10. Jahre eä. ^^efcadeafctry.y

Die llAidelfeia asf der laeel Täte i^eae Hebrideni. die freilich znmeüt ihr eigeiM» Alter nicht keaa«. menftnnmi nach der Schitznnsr des Miasäcy- nlr JfaedoMoU nnsrefihr im 13. Jahre.

Anf den In»ebi o^tindi>ehen Archipel« «ind die me:«tea Fiaaea nach £fp *ehon im 14. Jahre meactnirt; doch coD man aoch einige treffen, bei denen die ntonaXlicbe Beiaignn^ eT«t im 16. 1?. Jahie eintritt. Anf dem Aara-Archipel f?iiederlindifch - Oftindien) treten die Mease» aber gev5hnlich rot d«m 10. Jahre ein. Bitdel*) Aaf den .\mboa- oad riia*e-Ia*rfn. eben» anf den Tanembar- und Timorlao- Inaeln. aovie in dem Barbar- Archipr-! i»t nach Biedei^ die Zeit zwijcheB dem 9. und 11- Jafa* der gewöhnliche Termin flir den Eintritt der ersten Begel. vJthrend man den T&cktem des Seraaglao- und Gorong- Archipels da« 9. Jahr als da» aHsemetn gältige annehmen mo». Aof den Watabela-JaMrla Mrhvankt der Zeitpunkt zwischen dem 9. und 12. Jahre and aof der Lnaag- and Sermata-Gmppe zwischen dem 10. and 12. Jahre.

Ueber die Andamanesinnea erfahren wir von Mam. dass sie nicht vor dem 15. Jahre ihre erst* Eegel bekommen and dass sie nicht tot 16 Jahren and nicht nehr nach 3o Jahren Kinder gebären. Das Maximom ihrer GrOsae and K<&rperaas<iehnong erreichen »ie erst zwei bis drei Jahre nach dem Eintritt ihrer enten Menstraation.

Krvty^r bemerkt, da*« ktineewegf 6xi Frfihjahr es ist. ia welchem die weissen Fr»o*a ihre ersten Men»«« bekomfuen. und ebenso wenig der Sommer, sondern vielmehr der Herb»t. indem weit mehr als die HJOfte der von ilua befragten Franea zuerst im September. October oder NoTcnber meastnürt

2ä2

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PWbcrtit ndü Mk ätiiU: la PAlistia» mk FaMv ia ISw nÜMmr in IX. Jtkx. ackTflellai aocii Mk«: a Ssttba mmA Biflir m II.— 12. Jftkrc; ^dcr TArkei «»di Oppodhoa »chaB ia lOiJaltte. Per« ica ■»cli Ckmriim i9.«Bdl0.1ifci«: aüeiBaadikicrpcM w r«tUMVifiile m «mem iMigmiiiMilMBf ^r Ta'^itTifr '-"' *^** Baiäl <& MiBiliwIfy gtgem 4m 13w ia Sidp«r»ieB lilag^gmi aelMB 4m 9. oder llL Jakr ob; aacii aadi AagmW Biaäudi»'» mfea ib ,S9rdper«ieB. kBifMhAfick ia der caspicekea CiaipiatiBi Gilaa. UoU

« ««r diM li. lilwÜMfcre. Aaek kmt aack Aasab« de» iBTri«B CmK diwribe Pakotiialts wie Irlaad. ia Algier Olli pBbesUlaaeit ^r Armkeria (^« ert aaMe*) Mck Bu^krmmd aaf Altar ««• 9—10 Jakrea.

Ja AficB kubes wir ftr dieai S«aa oakcasadB« Arabiea. ladien and Siaa m koäekakktigca. Die Araberia kepaat aock JBrtafcr in

r faa lOlaiaea «a ■lailiaiiB. la Hiado«tBa (Calcatia)

m kaa Ucr fie X^naU aaf da« danksdnatUwibe AUcr w 19 X

4 Ibaatca. Xack cwa Beiiekte. dca Jhliirf ii aas Beafalore. ätL M jsorc. 10 Gnd tftiBirkw wie Calcatta, arkklk. tr^Ooi dort dia n fciikiikaiHTiifc adt tS Jakm 2 Moastea da. la Dakkaa, Diaftriel

,Baakaj. fcadea Xgift aad ledtu aaterUwiaUa^ na 3W fM— ISJakra

5 Miaalt ftk idtttetca AUec C■■dw^ rtafciaer der Eatbcadaagakuade ia Caleatta. inaütilte aaf Graad fca g> BaakackiangM das darehaeknilt-

ificke Alter Ar dos Mieihniiiai-gjatritt ciaipfcHvaca IVaaea auf ' IS J. 6 XsB.: ikafick Otmml av aar 37 nOca t^ dea IKrtiict BrageUn iaar ISJ. 3»4ll«a. ga<k laaiegi dMlNifiiiyi dtr Aaatoarie «a Calcotta. WM, ttitt kd dea Biada-MldrkM die Miailiaatina Mltea vor dsa lIS. likM da; aater 127 Hiada-llidckeB ««i«a aar < tiVbtr acBstraizi;

•ft «n* ia 16.— 1& Jakse. Walk aMtoi. da«

[Viiklllaiaif kd dea Hiadn-WdbMa Ufa ilfcca aeiga, wi«

[kd dea Earepleriaaea. daes de ««dar darek die NatMaaBük nodi dmdl

Oitiadiea aker aeigt ia diaecr Beeickaag graeae raliiakifdr Bd 27^ Pfeoceai tsalea die Mernttt mmA Bliieitia*» Berichten ia Bcagalea ia 12., ia Dekkaa aad M jsare bd SM PioowU im IS. f Jakre cia. Hi«r koaai ■liiiragi dia giaMS Vctsckiedeakeit Lel>ei»- ia dea geMaatoa Dieldetaa ia Bekmdbl: daek adal Kritftr, dam aeaäger roa FiataM ist» ak die ««nrkiedeae Bdka tker da« Utianä bfaeiiknalm Oclt«: «s kaaa aiekt ■■MiiBrii. daa die Be- Dekkaa. da diaaa «crcii adftar grOa-

Blefatiea dcawMk i

lekoaacB, als die die Toa Ca^l»^ ItHk, [Boakay aa%awiai»nn Iklai falkadea, daa bd dea ^ia 12. wd la. JakM daliitL 11. aad 19l« li«g«. Wl Jlbad raekl; k*«r id lU« «nd»

16 Jiäac9 S Moaate: an kOckvlsa slaadan dsa li. l«. (nit 22,«)««) ind das 17 tnit XL»*«) JbIk RasMA TOB Coekiaektn "«di

t*t. «ie Caleatta, die crttaa lt^ «r Stadt. SckBaaalick Wdk ta Caleatta

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Hiada-m^rkia «Br Pak«rtli aniaaiil

In Coekiackiaa. dM »wisdiea den

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««kr s|^ ist I»ttn.-h«rhnitt aaf

<, da*

iiti« tili) frdheHten nienstruirt. mit 16 Jahren und 4 Monaten; nächstdeni

folgt die Chinesin mit 16 Jahren und 6 Monaten-, dieser schlieiist sich

lie Miftchra^He der Minhhuong an mit 16 Jahren und 9 Monaten, und aui

p&teat«n tritt die Regel bei den Cambodjerinnen auf, nämlich mit 16

fahren und 10 Monaten.

In Siam tritt nach Campbell das junge Mildcheu nur iluaaerat selten

rüher als im 12. Jahr und ö. Monat in das PuVjertätsalter, meist erst später

^14. 18, Jahre, so daüs im Allgemeinen die Menstruation hier verhältnißs*-

Hpttt eintritt. CampMl seihst beobachtete keinen Fall, in welchem

\ä\ die Menses vor 12 Jahren f) Monaten zeigten; ron 80 Mädchen men-

itruirten 5 nach zurückgelegtem zwölften, 8 nach dem dreizehnten, 8 nach

dam Tierzehnten, 16 nach dem fünfzehnten, 2 nach dein sechzehnten. 1 nach

dem siebzehnten Jahre. Demnach tritt in Siam die Menstruation meist

lach zurückgelegtem IB. 16. Jahre ein. Die Mädchen der Singhaleeen

[»of Ceylon nenBtruiren nach Schmarda zuerst zvrischen dem 13. und 14.

Jahre.

Auch die Weiber der ostasiatischen gelben Rasse, der Mongolen t'uviers (Chinesen, Mongolen etc.), sollen nach llureau de Villeneuce xiumlich frühzeitig meoatruiren; er s&gi, da8s das Mittel zwiHchen dem 12. ond 13. Jahre zu liegen scheine. Allein die Angaben ditferiren auch hier; «Slfarend Schener das PuberUitsalter für China im 15. 16. Jahre angiebt, tritt nach Aussage des französischeii Arztes Morache bei den Chine- sinnen zu Peking die Menstruation im 13. bis 14. Jahre ein.

In Japan erfolgt nach dem Bericht eines russischen Arztes der

^Wenstruations-Eintritt gewöhnlich im 14. Jahre, zuweilen schon im 1.3., fflnf-

tchnjährigo Mütter gehören nicht zu den Seltenheiten. Auch Wernich gicbt

^an, da«i in Japan die Menses im 14. und 15. Lebensjahre eintreten. Seltener,

[.ala sehr früh nienstruirte Personen, sind später menstmirte ; doch geh Ort ein

{Anfang der Periode vor di?ni 12. Lebensjahre schon zu den auffallenderen

ÜTScheinungeu. Die Mädchen, bei welchen die Menstruation sehr lange (bis

in's 18- Lebensjahr) auf ^\c\\ warten lässt, sind gewöhnlich nicht krank,

»m eelt«n«ten bleichsüchlig in unserem Sinne, sondern sie sind in der

Dntwickelung einfach zurück und l)leiben auch gei.stig Kinder. Wernidt, der

nach «einen Beobachtungen in Yeddo mittheilt, berichtet eine Aeusserung

Dolmetüchers über solche Mädchen, deren Menstruations-Kintritt sich

eOgerte: .Sie bekümmern sich nicht um Haumadeln und künstliches Auf-

i|)iren des Haares, sie pudern sich nicht den Hals und legen nicht

len Gürtel des erwachsenen MlUlchenR an, .sondern kleiden und geberden

lieh wie Kinder, spielen mit den Knaben auf der Strasse u. s. w." Ihre

lörperlicho und geiistige Entwickelung hat etwas Abweichendes; sie bleiben

tckig, wählend sonst die entwickelte Japanerin mit der ersten Mcnstru-

ilion Hchr starke Formen bekommt und besonders an den Brüsten und

lüften ausserordentlich in die Breit« geht.

Au« dem Süden Europas hat Ttiriziano berichtet, dasa in Corfu lau 14. Jahr als das mittlere Alter für den Beginn der Menstruation zu be- racht^ii «ei; dieses Aller erscheint autf:illerid spüt, doch musa einerseit« be- lerkt w<irden, das* Tarieiatw dieoen .Ausspruch nur auf ürund von 38 Beob- L'htungitn gethiin hat, und dass vielleicht ein Tbeil der letzteren ^ich au f Jergbewohnerinnrn bezogen hat, wie Krieyer hervorhobt. Für Spanien und b»Hen wird das Alter von 12 Jahren als das durchschnittliche für die erste (tinstruation bezeichnet {Virty); in Minorka tritt sie nach CUghom ivutt vor dem 14. Jnhre und oft schon im 11. Jahre ein. In Rom werden

234

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

die Mädchen schon von Alters her mit 12 Jnhren für heiruihRfUiig geha doch schon Zacchias, der dort als Arzt prakticirte, erklärte nach Tilt'S An» gaben, dass kaum der zwölfte Theil der römischen M&dchen mit 12 Jahres' schon menstrairt sei, ja viele sogar noch nicht mit 14 Jahren, obgleich « auch solche gekannt hS.tte, deren Menses schon im 9. Jahre eingetreten ge- wesen süien. Derselben Autorität zufolge hat Boss, der lange in Madeira lebte, aus 240 Fällen da» mittlere Alter, in welchem die eingeborenen Mftd- chen dort menstmiren, auf 14 Jahre und 8 Monate berechnet, Mrährend Dytfter bei den meisten der von ihm gesammelten 228 Fälle, nämlich bei 67, den ersten Eintritt erst im 16. Jahre fand und als Durcbschnittsalter 15 Jahre 5',s Monate angiebt.

üeber die Menstniationsvcrhältnissü der Frauen in St. Petersburg haben besonders die Arbeiten HortciWn, Lievert's, Tnrrunrsky'Sf Enko's, Bod- tacittch's und Weber'f wichtiges Material beigebracht. Aus seiner Prirat- praxis hat Weber'<^ 2375 Frauen und Mädchen bezüglich des Auftretens der ersten Menstruation untersucht, wobei er fand, das* von ihnen 10 = 0,4*',o mit 10 Jahren, 70 = 'Sß^jy mit 1! Jahren, 171 = 7.2% mit 12 ,Tahren, 415 = n,b% mit 13 Jahi-en, 556 = 23.4% mit 14 Jahren, 453 = 19«,« mit 15 Jahren, 348 = 1^,6^^» mit 16 .Jahren, 200 = 8,4% mit 17 Jahren. 77 = 3,l"u rait 18 Jahren, 40 = 1,7% mit 19 Jahren, 16 = 0,75% mit 20 Jahren, 8 = 0,37"ü mit 21 Jahren, 5 = 0,2% mit 22 Jahren, 2 = 0.07«« mit 24 .Tahreii zum ersten Malt; menstruirt waren. Dieses Material nmfosst allerding>< zum Theil Patientinnen, so dasa wohl anzunehmen ist, dass bei nicht Wenigen auch MeiiKtruations-Anomalien vorliegen. Dasselbe umfasst aber nicht bloss Städterinnen, sondern auch Bäuerinnen aus der Umgegend at. Petersburg», und Welker* meint, dnss die Zahlen nicht nur für die Frauen St. Petersburgs maaesgebendsind, sondern auch allgemeine Bedeu- tung für in RuKsland lebende Frauen haben; denn fast die Hälfte aller Frauen war noch nicht lange in .St. Petersburg ansässig, und die Ver- gleicbung die.-^cr letzteren mit den ursprünglich in St. Petersburg An- ■aigen ergab nur geringe Unterschiede.

Somit fiel bei den von Wefjtr^ beobachteten Fällen der Menstruatious- eintritt auf 14 ^ 2 Jahre. Dienes Resultat stimmt nun mit den Beobachtungen der übrigen Autoren für St. Petersburg Qberein; so hat Kieter die Durch schnittsxahl von 15,6 (nach Berichtigung), Hortritz 17,53 Jahre nach seiner Privatpraxis, und 15,55 nach den Beobachtungen bei den Besuchern der Ambulanz im Marien-Gebärhause (letztere waren zumeist eingeborene Städte- rinnen, jene hingegen zu -j» Doribewohnerinnen, bei welchen die Meuae« weit später eintreten sollen). lAecen hat für die mittlere Zeit des Menses- Eintritts daselbst 16,44 Jahre festgesetzt (Patientinnen des Hebammen instituts). Tartioirski hatte bei 5000 Patientinnen eines Petersburger GebSr- hauses die Mittelzahl 16,54 Jahre. Enko fand in der Lehranstalt de«| Alexander -Mädcheninstituts, also bei wohlhabenden Rcsidenzlerinuen, a1»J Resultat 14,75 Jahre.

Wir vergleichen diese Thatsachen mit solchen ans anderen nordisohtti idem. In Kopenhagen fanden Baven und J^ewi/ bei 3840 Fällen <ÜM liitlere Alter zu 16 Jahren 9 Monaten 12 Tagen, in Christiania Erugd bei 157 Fällen 13 Tage mehr; Vofft bei 1821 Norwegerinnen 16,12 Jalire; in Stockholm Fat/f bei 548 Fällen 16,6 Jahre, derselbe in Skien bei | 100 Fällen 15 Jahre 5 Monate 14 Tage. Wrethotm gab für das schwedische] Lappland 18 Jabru. Vo/ztiiirdic tjnänen in Finnland 15,2 Jahre, Brr^ iQr , die FaTßer-Inseln bei 122 Fällen 16,13 Jahre. Hetnrieiua fOr Finnland b«j

35. Der Eintritt der

235

Fällen (der geburtsh. Klinik zu Helsingfors) 15 Jahre9 Monute25Tai|re ■n. Zahlreiche Berichte, die sich auf gleich groHse Zahlen von Fällen Bttttzen, liegen aas Groesbritannien vor. Allein es ist keinesweg.-« Fthunlich, filr das ganze Land ein mittleres Alter des Pubertät^- Eintritts berechnen zn wollen. In London fand Guy bei 1498 Fällen die Mehrzahl im IS. (17,80;o), im 16. (19,4%) und im 17. {U.6",o) Jahro zum ersten Mal menatrairt; Krieger berechnet hieraus da* mittlere Alter zu 15 Jahren

tl Monat 4 Tagen. Tilt berechnete daselbst aus 1551 Fällen Aatf Alt«r von 15.06 Jahren. Wir übergehen die Angaben von Lee und Murphy sowie We$t, ond führen nur noch die von Walter Bigden aus 2696 Fällen zu Lon- don berechnete Zahl von durchschnittlich 14,96 Jahren an. Für Man- chester liegen die Zählungen von Whitehearl vor, der in 4000 Fällen als kCittel 15 Jahre 6 Monate 23 Tage berechnete, während Roherton sich ftSr Manche.4ter auf zu kleine Zahlen beschrankte und bei seinen weiteren t Angaben über die Engländerinnen uiiterliess, anzufiUiren, aus welchen (Gegenden sie stammten, üeber Frankreich hat ßrierre tie Boismant eine der ersten Arbeiten geliefert; er fand unter 1111 Fällen einen, wo die Regeln im 6., einen zweiten, vo sie im 8. Jahre begannen, im 10. Jahre schon 10, im 11. 29, im 12. 98, die grösste Zahl: 190 oder 17,l"'o. menstruirte aber erst im 16. Jahre, und auch im 18. sind immer noch 127 verzeichnet. Als das durchscbuittUche Alter lassen sich hieraus für Paris nach dem Verfasser 14 Jahre 6 Monate 4 Tage berechnen. Aran giebt dagegen 15 Jahre 4 Monate und 8 Tage als ^niittleros Menstruationsalter für Paris an. Man ersieht hieraus so recht, [was für falsche Bilder die Berechnungen eines sogenannten durchschnitt- [ liehen Altera zu geben im Stande sind.

Wenn für Lyon Petrequin aus 432 Fällen das durchschnittliche .\lter kaf 15 Jahre 6 Monate berechnete, so macht schon Krieger darauf aufmerksam, hier wohl ein Reohnungsfehler zu Grunde liegt, da andere Beobachtet' abweichende Resultate hatten; denn Boiichaeourt giebt den Menstrua- lionsanfang für Lyon auf 14 Jahre ö Monate 29 Tage, für Marseille und Toulon auf 13 Jahre 10 Monate, und J/arc cCKspine für Paris auf 14 Jahro 11 Monate 20 Tage, für Toulon auf 14 Jahre 4 Monate 29 Tage, für Mar- eille auf 13 Jahre 11 Monate 11 Tage an. Dienen Beobachtern standen jedoch viel zu kleine Zahlen zu Gebote, um aus ihnen statistisch sichere R««ull&te zu gewinnen; Bouchacourt nämlich benutzte nur 160, MarctCKspine für Toulon 43, für Marseille sogar nur 24 Fälle.

Der österreichisch-ungarische Staat wird von so verschieden-

irtigen VolkssUlmmen bewohnt, dnsa die int^reäsante .\rbeit von Ssukits, den

lenatruatious Eintritt für jeden Theil dieses Landes zu berechnen, höchst

)anken«wcrth ist. Seine Untersuchungen umfassen 2275 Fälle, und er dehnte

eine Untersuchungen auch auf eine Vorgleichung der Verhältnisse in Stadt

id Land aas. Die jUng.><ten zwei Individuen waren beim Meustruatioue-

Ktntritt 10. die ältesten 25 Jahre alt. In den einzelnen Provinzen war dax

Üter des Mentstruations-Eintritts in

'ngarn :ius 118 Fallen im Mittel l.'t J

Eichlesien ..63 16

Böhmen ..430 16 ,. !

Ober- und Niederös terrL-ich ,. 603 16 .,

M&hren .. 273 16 ., ',

15 T.

23

Ifl Bayei

66

16 10

iHummtstaat 0«>ttrreich

15 Jahre 71/1 M.

236

X. Die Reife des Weibes faie

Unter 665 in Wien geborenen Fr&uen fand Szukits die Zahl der noch dem 16. Jahr Menstruirten (303) viel grösser als die der vor dieser Zeit Menstruirten (152); bei den 1610 Frauen vom Lande war dieses Missver- hältniäs noch grOsser, indem S88 nach und nur 304 vor dem 16. Jahre menstruirt waren.

Aus Italien besitzen wir eine Liste, welche ihren Werth durch Tren- nung des Lande» in einen nördlichen, luittlereit und südlichen Theil hat und sich auf 2652 Fälle erstreckt. Im nördlichen und mittleren Italien lallt die Mehrzahl der Fälle auf das 14. .Tahr i20,10 and 19,50«ü), im Bild- lichen hingegen auf das 13. Jahr (16,75"o), doch fallen auch im Bildlichen Italien vertältnissuiässig noch hohe Procentzahlen auf >lie späteren Lebens- jahre, so dass selbst noch vom 15.— 20. Jahre sehr viele Madchen zum ersten Male menstruiren. Bis zum 16. Jahre ist im mittleren Theile des Landes eine weit grössere Zahl von Mädchen reif, als im südlichen.

Wenden wir unsere Blicke auf Deutschland, so finden wir, dasa auu mehreren Städten des Reichs zahleiigemilsse Erhebungen vorliegen. Die umfassendsten L'ntcruuchungen stellten Krieger und Louis Mayer in Berlin an, indem dieser 6000, jener 5500 Fälle benutzte. Aus ihrer Tabelle ist er- sichtlich, dass der Beginn der Menstruation am häufigsten im 15. Jahre er- folgte (10.931" u der Fälle), diesem steht das 14. Jahr am nächsten (18,213%); bei den übrigen sind die späteren Leben.-tjiihre weit reichlicher vertreten, als die früheren. Während ein grosser Theil der hier zur Untersuchung her- beigezogenen Fälle der Privatpraxis entstammt, viele derselben aber einer erst mich Berlin verzogenen Reihe von Individuen anzugehören scheinen, worden von Marcuse 3030 Falb der g^-nrikologiscben Klinik in Berlin >a einer statistischen Unterstichung benutzt, die sich demnach auf die niederen Stände beschränkte; hier fand der durchschnittliche Eintritt der Menses im _16,18. Leben>ijahr statt.

Ueber den Eintritt der Menses bei der Münchener Bevölkerung, »o bit solche durch die in der Gebäranstalt und geburtshüflichen Poliklinik Überhaupt repriisentirten Bevölkerungsschichten vertreten werden kann, hat Hecker an 3114 Füllen Untersuchungen angestellt. Hier sind das 16. (16,92U/,j), 17. (16,44";o) "id 18. (15,61%) Jahr in absteigender Folge die häufigsten Termine für den Eintritt der Menstruation, dann folgt da« 15. (15,320/o). 19, (10,37'J,o), 14. (8,89%), 20. (7,51 "o) Jahr u. s. w. In den drei genannten Jahren menstruirten zum ersten Male im Ganzen 48,97 *'ü, vor dieser Zeit 29,37" oi nach derselbon 21,62'>;o. Hecker hat aber auch die Stadt- und Land -Bevölkerung besonders untersucht, indem er die Fälle aus der Stadt allein zusamnienzälilte, während die übrigen Fälle zumeist aus Oberbayern stammen. Er gelangte zu dem Resultate: .Müu chen ver- hält sich bezüglich des Menstruations-Eintritts ziemlich eben so, wie Ober- bnyern; hier wie dort tritt die erste Menstruation durchschnittlich ziemlich spät ein." Später hat Schlichting die Sache an S881 Fällen der MOuchener Üinik und Poliklinik weiter verfolgt und ebenfalls das 16. Jahr aU da« höchstbelnstete (mit lS,534^*o) gefunden; auch er findet ziemliche Ueberein* ■timmung zwischen Stadt und Land; die Mehrbelastung des 16. Jahre« boi den Städterinnen erklärt er daraus, das« die die Gebäranstalt besuchenden Städterinnen mehr der niederen Klasse angehören, während die Auswärtigen £um Theil auch aus den besitzenden, zum anderen Theile aus den ärmerän Ständen stammexi.

Vergleicht man nun München mit Berlin, so findet man frappant« Unterschiede zu Gunsten der Berlinerinnen: In Berlin ist dtu 14. Stht

86. Die Frühreife. 237

mit I8O/0 und das 15. ungef&hr mit 190/o vertreten, während die höchsten Procente in München das 151 mit 17V2% und das 16. mit 18',4<'/o giebt. ScMichting macht darauf aufmerknam, dass Berlin ungefähr 4V2^ nördlicher liegt, als München, dafür aber fast um 500 Meter niedriger. Diese 500 Meter scheinen nicht nur die 4'/2® Unterschied zu compensiren, sondern lassen sogar die Jungfrauen Berlins um ein volles Jahr früher ihre Menses zeitigen, als die Münchnerinnen. Er schliesst mit den Worten: »Aus dem Ganzen möchte hervorgehen, dass die klimatischen Einflüsse auf den Eintritt der ersten Menstruation sehr bestimmend wirken." Allein wir fragen, ob nicht auch die differente Lebensweise mit in Anschlag zu bringen ist?

Es scheint, dass in Bayern auf dem Lande der Menstruationseintritt überhaupt ziemlich spät fällt, denn 2^/%e2 berechnete im Frankenwalde die mittlere Zeit des normalen Eintritts auf 17 Jahre und 5 1,2 Monat.

In Strassburg traf bei 600 in der Maternit^ aufgenommenen Frauen nach Stolz's Beobachtung die grösste Zahl auf das Alter von 14 18 Jahren, das Maximum auf das 18. Jahr. In einer Strassburger Tabaksfabrik er- mittelte Levy bei 649 Frauen als mittleres Alter der Arbeiterinnen 15 Jahre (20%); dann kam das 14. (19,630,o) und das 16. Jahr (19,17";o); im Alter von 18 Jahren traten die Menses bei I0,780'o ein.

36. Die Frühreife.

Wir können diese Besprechungen über den Zeitpunkt, zu welchem bei dem heranvrachsenden Mädchen die Menstruation zum ersten Male eintritt, nicht verlassen, ohne gewisser Zustände zu gedenken, die allerdings sehr selten sind und auch als im Allge- meinen pathologisch bezeichnet werden müssen, welche aber doch noch einer eingehenderen Untersuchung harren. Man hat diese Dinge unter dem gemeinsamen Namen der Frühreife zusammen- gefasst. Wir werden aber gleich sehen, dass hiermit sehr ver- schiedenartige Processe bezeichnet worden sind. Unter Frühreife im physischen Sinne und bei dem uns hier ja nur allein interessi- renden weiblichen Greschlechte versteht man das Eintreten der Menstruation und die Entwickelung der Brüste nebst dem Hervor- sprossen der Scham- und Achselbehaarung in einem Lebensalter, welches erheblich vor demjenigen liegt, in welchem unter normalen Verhältnissen allerfrühestens zum ersten Male diese Dinge sich zu zeigen pflegen. Man hat das Ausfliessen von Blut aus der Vagina bei noch ausserordentlich jungen Mädchen, selbst noch vor dem Ablaufe des ersten Lebensjahres, beobachtet und als Beispiele von Frühreife beschrieben, auch wenn eine solche Blutung aus der Scheide auch nur ein einziges Mal sich gezeigt hatte. Solche Fälle muss man natürlicher Weise überhaupt vollständig ausschliessen. Denn ob eine solche Blutung analoge Bedeutung wie eine wirkliche Menstruationsblutung besitzt, das ist doch als ausserordentlich frag- lich zu befrachten. Sollen derartige Blutabgänge wirklich als Menstruationsblutflüsse angesehen werden, so muss man allermin-

238 X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

destens doch verlangen, dass sie mit einer gewissen Periodidtit sich wiederholen. Bei manchen Kindern bestand die Frühröfe nnn allein in dem Auftreten von nur als Menstruation zu deutenden Blutungen, während die Fälle von Frühreife im eigentlichen Sinne des Wortes auch noch andere, recht in die Augen fallende Merk- male darboten. Die Brüste wuchsen und nahmen Formen an, wie wir sie sonst nur bei reifen Jungfrauen zu sehen gewohnt sind, die übrigen Körpertheile wvirden rund und voll und an den Geni- taUen sprosste ein mehr oder weniger reicher Haarwuchs hervor, In einigen Fällen, welche angeblich schon ganz ausserordentlich früh, selbst schon mit einem Jahre menstruirt waren, soll die Be- haarung der Geschlechtstheile sogar bereits angeboren gewesen sein.

Sehr lehrreich ist eine Beobachtung, in welcher die Obduction ausgeführt werden konnte, die die Gebärmutter, die Eierstöcke und die Scheide wie bei einer Erwachsenen ausgebildet nachzuweisen vermochte. Durch diesen Umstand werden uns auch solche Fälle verständlich, in welchen in sehr frühem Lebensalter, im 13., 12., 11., ja selbst ein paar Mal schon im 9. Lebensjahre eine Schwan- gerschaft eingetreten und das Kind sogar ausgetragen worden war. Indianermädchen sollen nach Boherton nicht selten im 10. Jahre Mütter werden. Wie weit bei diesen vorzeitig entwickelten Kindern die Heterochronie ihrer Entwickelung von speciellen patho- logischen Vorgängen abgeleitet werden muss, das ist für uns nicht gut möglich, zu entscheiden. Jedenfalls aber fanden sich bei mehreren solchen frühreifen Kindern, die gestorben waren, bei der Obduction recht bedeutende Abnormitäten der inneren Organe vor, nämlich einige Male Sarkom- und Hydatidenbildung in den Ovarien, einige Male Hjdrocephalus, und ausserdem wird bei einigen Kindern das Bestehen einer ßhachitis besonders hervorgehoben. Auch Fett- sucht wurde in einem Falle verzeichnet. Besondere Bedingungen, wie die Lebensweise der Mutter oder sonstige individuelle Lebens- verhältnisse, vermochte man für die Frühreife nicht, auch nicht Erblichkeit, als besondere oder gemeinschaftliche Gelegenheits- nrsache naclizuweisen, obgleich sich eine ganze Reihe von Autoren mit dieser Angelegenheit beschäftigt hat.*) Eine eingehende Kritik

♦) A. Kussmaul, Ueber geschlechtliche Frühreife in der Würzburger luedic. Zeitschr. 1862. III. S. 346. Bulletin de VAcad. roy. de mäaecine <le Belgique 1878. XII. W. Stricker, Weitere Mittheilungen zur Lehre von der Menstruation; Vtrc/toic'« Archiv. 88. Band. 2. Heft, 1882. S. 379. Aeltere Beispiele von vorzeitiger Menstruation im 6., 5., 4.. 3., 2. und 1. ■Jahre, ja sogar bei Neugeborenen führt Mart. Schurig in seiner Partbenologia historieo-niedica an (Dresdac et Lips. 1729 pag. 182 188). Diese Alteren Fälle, sowie die folgenden, sind wohl nicht sicher bezeugt: TreutUng'g Fall in: Act. natur. curios. Vol. V. p. 442; obs. 131. G. T. Turins Fall in: Ephem. natur. cur. Dec. III. a VII. et VIII. pag. 267; obs. 149. Peehiin'» Fall: Observ. phys. med. Lib. I. 34. p. 81. Stalpart van der Wiel, Observ.

86. Die Prthrcife.

239

ist bei der Kürze der von den Beobachtern gemachten Angaben t"ttr die Mehrzahl der Fälle Oberhaupt nicht auszuüben, und müssen wir daher das Verständniss für die Aetiologie dieser Zustande auf eine spätere Zeit vertagen.

Es mögen jetzt in aller Kürze hier die einschlägigen Beobachtungen ihre Stelle finden:

1. X. auB Königsberg, im 9. Jahre menstr. (Mayer.)

2. Therese Fiecher uns Regensbarg, geb. 1807, im 6. Jahre menatr., litt ebenfalla an Hydrocephalus. C^VetslerJ

3. Lotti^e Flux, geb. 1802. gest. 1809, menstr. im 4. Leben«ij.; war bärtig; litt, wie sich bei der Section ergab, an Hydrocephalua internus. (Cooke.J

4. X. auB Werdorf, am Schloss des 1. Jahres raenBtr., litt an RhaehitiB. (Susewind.J

5. Barbara Eckhofer, geb. 1806; im 9. Monat menstr. (d'OutrepotU.J

6. X. Blutabgang mit 9. 11, 14 und 18 Monaten. (Die/fenbachAj

7. S,, mit 2 Jahren 9 Monaten uienütr. (Lieber.)

8. X., mit 6 Mon. menstr., litt ebenfalls an Rhachitis. {Cesarano.)

9. X., mit 3 Mon. menstr., litt an Rhachitis. {Comarmond.) 10. X., mit 2 Monaten roenstr. {Zeller.)

11. Josefine X., geb. d. 15. März 1871, Zwillingsmädchen, deren Schwester als l^lii^hr. Mädchen keine derartige Abnormität zeigt. Sogleich bei der Geburt war die unverhältiÜBsmässige Grösse des Kindes aufgefalleo im Ver- gleich zur Schwester; schon nach dem ersten Halbjahr begannen die Brüste zu wachsen ; im 7. oder 8. Monat bekam sie wie die Schwester die ersten Zähne. Als sie ca. 1 Jahr alt war, zeigte sich Blutapur, zum zweiten Male Anfang Mai 1874, wo die Blutung stärker war; Blutabgang dauert 3 Tage; von da ab regelmässig menstr. alle 4 Wochen ohne alle Beschwerde. Vom 5. Lebensj. an wurden die Perioden sogar sehr reichlich; seit dieser Zeit klagte das Mädchen 3 Tage vor Eintritt der Menses über zeitweilige Schmerzen im Bauch. Sie ist duukelbloud mit blauen Augen: mau wQrde sie bei ihrer k<}rperlichen Ausbildung für 12 jähr., statt für 7'4Jährig halten. Interessant ist der Vergleich mit der Zwilliugsschwester: sie wiegt 34,75 k, ihre Schwester 20,0 k; ihre Grösse 139 cm, die der Schwester 121 cm; Umfang der Wnrze 77 cm, der der Schwester 61 cm ; Umfang des Bauchs am Nabel 73 cm, der der Schwester 62 cm. {Stoct:er.}

12. Elisabeth Klinck, geb. 31. Oct. 1875 in Bornheim; mit 9 Monaten menstr., die Menses im 2. Lebensj. geregelt; bei der im Febr. 1882 statt- tindenden Untersuchung ergab sich reichlicher dunkler Haarwuchs an den Cieachlechtsth. und gute Entwickelang der Brüste; sie wog 47 Pfund mit 6 Jahren 4 Monaten und war 120 cm gross. [Lorey.)

13. Charlotte L., mit 7 Jahren menstr., flaumartiges Haar an den Ge- »cblechtsth., starke Entwickelung der Brust; litt au Steatom und Hydatiden dex Ovarien nach Ergebniss der Section. {Gedicke.)

rarior. centur. prior. Lugd. Batav. 8. 1687. p. 336. Dagegen wären wohl noch zu berücksichtigen <lie Fälle von Plieninger, Camerer, Wit: und Müller im Württemberger Corresp.-Blatte 1834, 1836 und 1839; dann FUtgd's Fall im Bair. lutellig.-Blatte 1871; und Horteite's Fall in St. Petersburger med. Zeitschr. XIII. S. 225.

X. Die Reife

14. Mary Anna G., geb. im M&rz 1845; Blutung im 5. Lebpusnionat mit Smonatl., dann dmonatl., dann Tmonatl. Typus bis zum 6. Lebentijahiv, luii schwarzen Haaren an den Geächlecht.stheQen und bei der Gebart hübnerei- grossen Brüsten. (Wilson.)

15. Jart« Jones, seit dem 5. Jahre alle 3 4 Wochen 2 Tage luig uaenstr., mit 3 Jahren Entwickelung der Brüste. {Peacoek.)

16. NelU/ 0., geb. 27. Jan. 1872 in London, vom 22. Lebensmosat «n menstruirt. zeigte gehen von ihrer Geburt an sehr entwickelte Brüste; Men- •88 erscheinen alle 4 Wochen; bevor sie eintreten, befindet sich das Kind jedesmal etwas unwohl. Im Alter von 4 Jahren 2 Monaten fand man di^ Brüste vollständig ausgebildet, die Warzen so gross wie das Daumenglied eines Mannes, Hof rosig geHlrbt, etwas hervorragend; bei jeder Menstr. nehmen die Brüste an Umfang zu. Der ganze Körper trägt mit seinen runden Formen alle Zeichen früher Reife und wiegt 55 Pfund englisch; Wesen und Charakter ernster als gewöhnlich in diesem Alter. (Bouchut.)

17. X., zeigte schon als zwei Wochen altes Kind einen blutigen Aus- flusB, der 2 3 Tage anhielt und seitdem fast genau jeden Monat wieder- kehrt«; das Kind wird als kleines, fettes Wesen beschrieben, dessen Brflst« bereits so entwickelt waren, wie bei einer 16 17jB,hr. Jungfrau; nach Aus- sage der Mutter werden die Brüste zeitweilig harter und turgescirend; die Warzen waren bei der Untersuchung im 4. Jahr über 5 cm lang und «benso wie die 2 cm breite Areola dunkel piguicnlirt. Die äusseren (Genitalien gut entwickelt, die Labia minora stark hervortretend, dagegen fehlte die De- , haarung der Schamgegend. Das Kind war rhachitisch und hatte bereit« Genu valguro. Die geistige Entwickelung war dem Alter enti^precheiid. {Vntnimottd .)

18. Anna Strobel. geb. 1876 bei St. Louis, menstr, mit Ift MoD., hatte mit 4 Jahren 9 Mon. stark entwickelte Brüste. (Ber- nays.) (Fig. 36.)

!<). Kin SVsjährig. Mädchen wurde den 15. Oct. 1883 der ge- burtsh. Gesellschaft zu Leipiig vorgestellt; ihr Aussehen war das eines Mädchens von 6—' Jahren. Brüste , Schanihaare, Schamlippen sehr entwickelt, seit Weihnachten 1881 war bei ihr Menstruation mit viei*wöcb<iiit- licheni Typus eingetreten.

20. Thcodora Vivtstissi war mit I S^ij Jahren menstruirt. zeigte

tu den Geschlechtstheilt?!! starke, -'^hwurze Huiire, ihre Brüste wa- ren nehr stHrk entwickelt. BetJ der Section zeigte sich Sarkom] der Eierstocke. {Bnern^

21. X., mit 3 Jabren men*^ «truirt; gleichzeitig behftiirt«»] «rh die Uescfairchtetbenfl uad entwickelte sich dio Üraei,

Flg. 36.

FrUbr^f«! Kidobsn, 4>,« Jtkr ^t. (Nkcli Bernau*.)

86. Die Frflbreife. 241

22. Eva Christine Fischer aoB/Eisenach, geb. 1750, gest. 18. Mai 1753, war wie ein 20jährige8 Mädchen entwickelt und wurde 1758 auf der Leip- ziger Ostermesse zur Schau gestellt. Sie wog 82 Pfund (Leipziger Fleischergewicht) und ist in der -Anatomie zu Leipzig abgebildet.

28. X., 3 Jahre alt, menstrnirt alle 8 4 Wochen 3 4 Tage lang ohne besonderes Leiden, besitzt eine ihr Lebensalter erheblich überschreitende Schwere und Länge; beide Brüste halbkugelfönnig, Warzen prominirend, Warzenhof blassroth; Schamlippen wie bei Erwachsenen entwickelt. {Wachs.)

24. Johanna Friederike Gloch aus Köthen, geb. 28. April 1799, gest. 1803, hatte an den Geschlechtstheilen starke, dunkelkrause Haare; Hänge- brüste; litt an Hydrocephalus und Fettsucht. Bei der Section fanden sich Uterus, Ovarien und Vagina wie bei einer Erwachsenen. {Tilesius.)

25. Mathilde H. aus Louisiana, geb. 30. Sept. 1827, mit 3 Jahren menstr., von da an regelmässig jeden Monat jedesmal 4 Tage lang; schon bei der Geburt behaarte Geschlechtsth. {Le Beau.)

26. X., geb. im Febr. 1880, Nordamerika; van Derweer sah das Kind im Sept. 1882, wo es 2 Jahre 7 Monate alt war. Das Mädchen begann, als es 4 Monate alt war, alle 28 Tage zu menstruiren; die Menses flössen 4 5 Tage. Das Kind ist ungemeiu gut entwickelt, 49 Pfund schwer, und es sieht aus wie ein zehn- bis zwölfjähriges. Im Dec. 1882, Januar und Febr. 1883 blieben die Menses aus. Ein ähnlicher Fall kam nicht in der Familie vor.

27. Marie Augustine Coquelin geb. Michel in. Paris, menstruirte von 2 Va Jahren an regelmässig, hatte im 8. Jahre stark entwickelte Brüste, heirathete im 27. Jahre. [Descuret.)

28. X., mit 7 Monaten (am 4. April 1878) trat 8 Tage lang Blut aus dfr Vulva; im folgenden Monat kehrte die Blutung wieder und währte gleichfalls 3 Tage; und so allmählich weiter bis zum März 1879. Um diese Zeit, als schon das Kind 18 Monate alt geworden, trat statt der Blutung eine sehr reichliche Leukorrhoe auf, die bis Mitte Januar 1880 anhielt. Hierauf zeigte sich nach einer heftigen Kolik Menorrhagie von neuem. Die Menge des Blutes, die jedesmal abging, betrug bei 45 Gramm. Das Kind hatte im Alter von 28 Monaten in Bezug auf seine runden Formen, sowie 75 cm breite Taille, ganz das Aussehen einer im Wachsthum stark zurück- gebliebenen Frau. Die Brüste sind kräftig, über citronengross, elastisch und turgescent, wie bei einem 16 17jähiigen Mädchen mit prominirenden Warzen und sehr breitem Hof. Die äusseren Genitalien sehr gut entwickelt, die Vulva-Oeffnung ist sehr gross, die Labien sind dick und der Schamberg mit ziemlich langem, rothem Haar besetzt. In moralischer und physischer Hin- sicht entspricht das Kind den Verhältnissen der ersten Kindheit. (Corttjanera.)

29. Anna S. in Altenburg, geb. 1860, mit 1 Jahr 7 Mon. menstr., Geschlechtsth. mit 8/4 Zoll langen Haaren, Brustdrüsen wie bei einer Frau; bei der Section fand sich Sarkom der Ovarien. {Geinitz.)

30. Christine Therese A., geb. 27. Januar 1838; im 2. Jahre menstr., zeigte bei der Untersuchung im Dec. 1841 dunkle Haare an den Geschlechts- theilen und Brüste wie bei einem 16jähr. Mädchen. (Carus.)

31. X., mit 9 Monaten menstr., zeigte im 2. Jahre Behaarung der Ge- schlechtsth., und mit IV2 Jahren Entwickelung der Brüste. (Wall.)

32. Louise B. aus R., geb. 1840; mit 15 Monaten menstr., gleichzeitige Entwickelung der Brüste. (Meuter.)

Flott, Dm Weib. L a. Anfl. 16

242

X. Die Reife de« Weibes (die PaberUlt).

33. üabella. Negerkind. geb. 6. Jsli 1821 in der Havann*, En^i* des I. Jabre« meustr.. bei der Geburt schon entwickelte Bebaamng and Brflät«. {Batnon de Iti Saffra.)

34. X, im 10. Monat menstr,, BehEarung und Brüste mit 2 Jahren völlig entwickelt. {Lenho»8ek.)

35. /. B., geb. im Man 1863. am 15. Febr. 1876 entbanden. (K€bbell.)

36. M. H., aus P., wurde im 13 Jahre geschwängert {d'Outrtftont.)

37. A'., geh. 1867, kommt im Alter von 12 Jahren und 1 Monat mit lebendem Kinde nieder.

38. Elisabeth Drayton in Tauntun (MasBach.), geb. am 25. M3nc 1847, vollzog den Coitus am 1. Mai 1857. kam nieder am 1. Febr. 185^.

39. Saüy Deiceese in Kentucky, gel>. 1824. mit einem Jahr men-^tr^ gebar im 10. Jahre. {Montgomery.)

40. A. M. aus P., im 9. Jahr menstr.. kurz nachher geschw&ogert. starb 14 Monate nach der Geburt an Phthisis. {d'Outrepont.)

41. Anna Mummenthakr aus Trachselwald lim Canton Berni, geh. 1751, gest. 1826, war mit "2 Jahren menstruirt; bei der Geburt waren die Geschlecbtstheile behaart und die Brustdräsen entwickelt: im 9. Lebens- jahre geschwängert; blieb bis zum 52. Jahre menstruirt. (f. Hnlhr.)

42. A'. aus Oher-Pallen in Niederl.-Luxembnrg, geb. 27. Oct. 1868, zeigte sogleich bei der Geburt kräftigen Körperbau, die Schamgegend war mit Haaren besetzt; menütruirte mit 4 Jahren; seit dem 8. Jahre treten die Menses regelmässig ein; mit S Jahren war f>ie 133 cm hoch, von kruftigein Körperbau: der Blick war kühn; die Brüste gut entwickelt. Geschlechtsth. mit dichtem Haanmchs bedeckt. Sie hatte schon mit 8 Jahren Itilufigen geschlechtlichen Umgang mit einem 32j&hr. Manne gepflogen: sie klagte Ober Uebelkeit und war leicht icterisch. Seit 3 Monaten war die M)='tistr. aus- geblieben, während 2' j Mon. erfolgten Blutungen, dann wurde am 27. Juü 1877 eine Hydatidenmole nebst einem Embrj'o ausgestosspn : <\^* Kind uoiia« vollständig. {Molitor.)

Bei fremden Rassen und zwar ebensowohl bei solchen, die in heissen, als auch bei solchen, welche in sehr kalten KUniaten woh- nen, werden wir in dem Abschnitte über das HeirAtlusalter sehen, dass Schwangerschaften in einem Lebensalter, in welchem wir das Weib noch jus ein Kind zu betrachten gewohnt sind, durchaus nicht zu den Seltenheiten zu zählen sind.

37. liebränehe bei dem Kintritt der Menstruation.

Das zum ersten Male nienstrnirende Madchen tritt in eine uvnt Entwickelimgsepoche des Lebens ein : sie ist reif geworden, rhien eigenen Hausstand zu gründen, zur Vermelxruug des Stammes uuch ihrerseits 1 •■n\ mit einem Witrtv. sie ist mannbar "-n.

Mit dem £. <irr l'ubertiit Vfrl)iudet sicli aber in -. v>-

erlauben sehr vieler Nationalitäten die Ansicht, dass das wcibbcbe

S7. Gebrftache bei dem Eintritt de

243

Teseu mit dieser erstmaligen Blutabsonderniig zunächst in einen Eustand temporärer Unreinheit versetzt wird, in der sie abgesondert rerden raiiss, um nicht Andere zu verunreinigen, und ferner auch, SS es nothwendig ist, das arme Geschöpf durch die Aulerlegung ron Leiden und Weh eine Art von Prllfung darchtuuchen zu lassen, iurch deren Ablegung sie sich erst der Stamm esgeuossinnen für rtirdig beweisen muss.

Eine solche Anschauung wiederholt sich bei einer recht grossen Inzahl von Natur- und halbcivilisirten Völkern ; erst eine Läute-

uig durch höhere Cultur giebt der sexuellen Entwickehing des [ädchens zur Jungfrau eine andere, eine geistigere Bedeutung.

ie Formen, in welchen die Erklärung, dass da.s Mädchen nun vom [jnde zur Jungfrau herangereift ist, auftritt, sind bei verschiedenen ^■ilkem ausserordentlich mannigfach. Unt^r den rtthesteu Wilden kommen dabei widerwärtige, jedenfalls uralte Sitten zum Vorschein, [rhlimme Peinigungen, die vielleicht nicht immer allein den Eud-

reck haben, die Standhaftigkeit des armen Wesens zu prüfen, indem wohl auch dazu dienen sollen, den vermeintlichen Dämon der Inreinheit auszutreil)en. Hei anderen Völkern wird dagegen eine

»remonie vorgenommen, bei der das Mäddien ein Symbol, z. B. inen besonderen Haarschniuck, t-ine besondere Kleidung, eine eigene Pättowiruug oder Aehnliches erhält.

Bei mehreren australischen Slätumen werden sowohl an M&dchen als

ach an Knaben als Einfübnmg in die Mannbarkeit unter grossen Cei-emonieu

rei Zähne ausgeachlagcn, /.. B. im Seengebiet, vio diese Operation Täohir-

it«cbirri genannt wird; Zwei Stäbe von Hol/., die keilförcuig zugescbärft

id, werden zu beiden Seiten eine^ Zahnes eingetrieben-, auf den Zahn legt

kan ein Stück Fell und setzt darauf ein scharfes etwa 60 cm langes Holz-,

in bis zwei Schläge mit einem schweren Stein auf dieses Holz genügen in

ir Kegel, um den Zahn so zu lösen, d&as er mit der Hand herausgenoiumen

rerden kann. In gleicher Weirie wird der zweite Zahn entfernt, und dann

ichter Tbon auf die Wunde gedrückt, um die Blutung %u stillen.

ie Kinder vormthen kaum durch ein Zucken den Gesichts, dass sie

;hnier/ empfinden. Drei Tage nach der Operation muss dau Kind sich

fohl bliten, den Rücken von irgend Jemand zu sehen, sonst wächst sein

[und zu und es muss Hungers sterben. Die ansgezogenen Zähne bewahrt

in abergläubischer Weise ein Jabr lang in Emu-Federn gehüllt auf,

iinit die Adler nie nicht hnden und dem Kinde dann an Stelle der ausge-

;genen grössere wachsen, welche »ich in die Höhe krümmen und unter

ro«4eu Schmerzen den Tod verursachen würden.

Auf Tahiti tättowirt man die geschlechturoifen Madchen; diese harren

ipv.'s Momenten «i-hnsüchtig, denn nicht mannbar zu sein gilt für sie als

nde. {Fomter.) Auf Tonga veranstaltet man ihnen ein Fest und

' I nie. (Turner.) Wird in Neu -Irland ein Mftdchen mannbar, so

skt man nie auf etwa ■i Wochen in eine Art Käfig innerhalb des HauHCB,

•1ehe4 Nie bewohnt. Kränze aus wohlriechenden Pflanzen werden um ihre Taille

ad ihren Hain gebunden. Der Käfig wird gewöhnlich zweistöckig gebaut; oben

at die junge Dame, unten entweder ein altes Weib oder ein kleines Kind. Der

1, in dem das Mädchen verweilt, ist so klein, dass sie nicht aufrecht

16»

244

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

stehen, sondern nur liegen oder sitzen kann. Nur bei Nacht darf sie diecn' unbequemen Aufenthaltsort verläsaen. (Pmceü.) Auf Yap. einer der Ca rolinen- Inseln, wird das Mädchen isolirt; es lebt 2 3 Monate in *iui>r Hütte, tlie unweit de« Dorfes nur zu diesem Zwecke dient, fc. Mtkfudir- Maclay.)

Bei den Malayen des oRtindischen Archipels hat sich dio Sitte Qberall verbreitet, dass bei eingetretener Pubertät bei beiden Oeschlech- i tem die Zühne um ein Viertel ihrer LUnge abgefeilt und Kchwarc getUrbt werden, wozu oft noch das Auslegen derselben mit kleineu Goldplatt^hcn kommt. Die grossen Festlichkeiten, die beim Zahnabfeileu einer Prin/.e.s.'iin in Baren auf Celebe« stattfanden, beschreibt un* Ida Pfeifer: Dos auf einer Matratze liegende Mädchen wurde Ton einem alten Manne mit drei Feilen an ihren Zähnen so behandelt, das« die obere Zahnreihe erst mit der gröberen, dann mit einer feineren, schliesslich mit der kleinsten und feinsten Feile abgeraspelt wurde, wobei der Operateur im Allgemeinen gefichickt verfuhr und die Prinzessin keinen Laut von sich gab. Der Operateur erhielt dafilr ein Huhn, welchem er ein i kleines 8tfick des Kammes abriss und hierauf das herausspritzende Blut auf | die Zähne und Lippen der Prinzessin brachte. Hierauf wurde auch dieselbe I Operation an sechs jungen Mädchen des Hofstaates vollzogen, aber mit weniger Umständen, worauf ein grosses Gastmahl die Festlichkeit beschtorsj Ist das Feilen der Zähne auf Timoriao bei einem reif gewordenen! Idchen versäumt worden, so rauss die Operation ■^rährend der Schwanger- Bhaft nachgeholt werden. (Siedel.) Wenn bei den Mädchen auf den lawu- oder Haawu-Inseln (Niederländisch Indien) die Pubert.itj eintritt, eo wird es der Operation des Zähucfcilens unterworfen; ein i zusammengerolltes Koli-Blatt wird ihm wie ein Dilatator in die Va- gina eingeschoben, um sie zu erweitem, uud ihre Brüste werden geknetet. , {RiedeU)

Frau Antonie Herf erzählt von Java: „So sah ich jüngst einen Au&ng. Über dessen Bedeutung ich, so lange ich ihn sah, mich in völliger Unklarheit befand. Voran zogen uogefilhr zwölf junge unbekleidete Javanesen. Allel waren gelb ge^^udert. wodurch ihre Körper vrie in knapp anschlieasendenJ Tricot gekleidet erschienen. Sie trugen die verschiedensten Toiletteogegen« | stände: der eine einen kostbaren, zierlichen Spiegel in glänzendem Rahmen, welcher mit in der Sonne funkelnden Steinen besetzt war. Ein anden^rj hatte einen grossen, sehr schönen Fächer in der Hand, ein dritter Kainni < und Bürste in offenem, beschnitztem Elfenbeinkusten, dcrmitrothem Samtaftl ausgeschlagen war; der nächste trog auf goldenem Teller zwei Säckchen voul dünnem, durchsichtigem Gewebe, von welchen das eine den hier allgemeinj üblichen Schönheitspuder, aus dem Samen einer seltenen einheimisch« al Pflanze bereitet, das andere Curcuma enthielt, ein Färbungsmittel, da« iclii schon früher einmal erwähnt habe. Verschiedene andere Gegenstände, die| noch weiter von den gelben Jünglingen vorQbergetragen wurden, waren mir theils unerkennbar, Iheils überhaupt unbekannt. Ein Musikcorps fpl»<e.' Hinter demselben w^urden lange, breite Bretter getragen, welche von mit Blumen und Bändern geschmückten Tüchern bedeckt waren. I riesige Blumcnsträustjc prangten auf denselben; verschiedene reich ««ria| Geinohte, Kuchen und Früchte kennzeichneten sie als ambulante Fest Dieser folgten wiederum Javanesenjilngliuge, welche HaushaltiingsigegeM« stände in idealiairter Form und verdchwenderischer Ausschmückung trugvnJ In der Mitte des Zuges bewegte sich langsam ein phantastisch aoMstaflirtcrJ

lation.

{en Tüchern drapirter ottener Wagen, welcher von vier blumen- und bewimpelten Schimmeln (gezogen wurde. In demselben sass in drollig herausgeputztes hmunea Javanenkind, etwa zehn Jahre alt und echt onglücklich dreinschauend. Ihm folgte wiederum eine Schaar Ja vanen in den denkbar buntesten Saronga und Kabayen, und ein zweites Musikcorps lachte den Beschluss. Und was bedeutet diese wunderliche Komödie'? Den rriumphzug eines zur 'Jungfrau herangereiften Kindes, welches nunmehr ich als heiruthsfjlhig proclamirt war!"

Den Eintritt der ersten Menses r.eigt das Nayer-Mädchen in Malabar liirch ihre Mutter ihrer Schwiegermutter, d. h. der Mutter ihres zur Zeit Bgün^tigten Liebhaber« an, der ihr einen Krug Wa-sser über den Kopf (Jaffoi.*) In Birma ist für das Madchen dos, was für den Knaben Tättowiren, bei der Mannbarkeita-ErkUlrung das Ohrloch-Sfechen. Dos Läppchen des Ohres wird mit einer silbernen Nadel durchstochen. In die gemachte Oeönung werden so viele Stengel eines bestimmten iirases gesteckt, als sie fasst. Dann wird durch Schrauben -Ohrringe das Loch erweitert, in welche« später mächtige Ohrscheiben gesteckt werden.

In 8 »am werden nach den uns zugegangenen Berichten des verstorbenen Sdumbufffk dem Mädchen beim Eintritt der Menses die Haare abgeschoren und manchmal 5—6 Tage lang Feierlichkeiten abgehalten, die besonders bei königlichen Prinzessinnen gross sind.

Bei den Chinesen schmückt man das herangereifte Mädchen mit der loamudel, dem Kopfputx der Frauen.

Als Zeichen der eingetretenen Jungfrauschaft erhält in Abyssinien ^das junge Mädchen einen besonderen Schmuck: sie tr^t mitten auf der Stirn eine runde Elfenbein-Platte, welche mittelst eines Stirnbandes festge- biUten ^nrd. (Slecker.)

Bei unseren Begriffen von Schamhaftigkeit und weiblicher Tugend ist

es uns ganz unverständlich, dass beiden Negervölkern der Loango-KQste

^Jungfrauen, welche sich bei Eintritt der Menses plötzlich ihres dereinstigen

Jcrufes bewuBst werden, ihr (ieheimuiss der ganzen Männenn'elt verkündet

eben; und doch ist es dort Sitte, die Betreifenden nicht nur im Dorfe

lurcb Qesang und Tanz zu feiern, sondern sie auch unter Begleitung der

Fugend beiderlei Geschlechts den Europäern vorzuführen. Eine solche Pro-

esNon giebt sich schon von Weitem durch ihren ausgelassenen Jubel kund,

Bnd führt die völlig Vermummte in die Mitte des Hofes, wo sie auf einer

Haie unter eisern Schirm Platz nimmt und von ihren Gespielen in höchst

deutlicher Weise ihre Aussichten für die Zukunft besingen hört. Für ein

Ha« Hura entschleiert, sie gern ihr Gesicht und bietet höchstens den Aus-

Pruck des befriedigten Stolzes, nun zu den Erwachsenen zu rechnen, niemal«

jer den der Schiim. {Falkenstein.'^) Ebenso führen die Neger der Gold-

lUst« da» /.um ersten Mole menstniirende Müdcheu im grössLen Putze

Inrch die Strassen, dabei werden Loblieder auf ihm Juugtrüulichkeit ge-

iDgen {hrodif., Cruickthank).

In Afrika besteht bei vielen Volksstümmen, wie wir gesehen haben, jo Hittc, bei Eintritt der Pubertät die Beschneidung und Vemähung Tor- loebmcn.

Die Naiua-IIoltuntotte n bekleiden das mannbare Mädchen uüt Idübj reichgeschmückten Kaross, der !«ie als heirathstUhig bezeichnet >ijj dahin g«ht fie nackt einher). Nach dieser Einkleidung sitzt sie drei

;e lang dem Eingange der Hütte gegenüber an der Seit*^, wo dM Buiu-J ^eräthe sich befindet, in einem von fussbohea Stuben eingeschlossenen 2',a| bis 3 Fuss im Durchmesser weiten Kreise mit untergeschlagenen Beinen, ' den Hund zum Zeichen ihres UochgefühU und Stokes fiscbm aalartig i vorgestreckt und zuweilen mit dem Kopfe herausfordernd nickend. Am dritten Tage wird eine fette Ferse ge^jchlachtet. Der nächste Anverwandte,] gewöhnlich ein älterer Vetter, erscheint mit der Nachbarschaft zur Gratu' lation und zum Schmaus. Indem er ihr das Magenfell des Rindes Ober den Kopf hängt, wünscht er ihr, so fruchtbar zu sein, wie eine junge Kuh. Dann kommen ihre Freunde und Freundinnen mit ähnlichen Glückwünschen, wor- auf der FestschmauE mit Tanz und Gesang beginnt, der mit einem Zech- gelage endigt. {Hahn^.)

Die Makalaka haben nach Manch die Sitte, dass die alten Frauen i das junge Mädchen zur Puberlütszeit t^lttowiren, wobei unter grossem { Schmerz dem armen Wesen etwa 4000 Schnittchen in die Haut ge^macht : werden; dann reibt n^an eine ätssende, durch Kohlenpulver geschwätzte] Salbe ein.

Bei den Zulu-Eaffern werden nach Dohne die Mädchen zum Zeichen der Reife mit rother Erde bestrichen.

Bei den Bas nth os werden die Mädchen fnaohJ?nd«im«nn) dem ,^ollo* ^ unterworfen ; Sie ziehen in Begleitung einer Aufseherin nach einer Stelle ^| am Wasser, wo es tief geuug ist zum Untertauchen. Dort niUssen eio einen ^B in das Wasser geworfi^nen Armring tauchend herausholen. Des Tags über treiben sie sich im Felde umher, um für den weiblichen Beruf geschult zu werden, daneben zu tanzen nnd zu gingen. Aber Nachts brauchen sie nicht | im Felde zu bleiben: doch leben sie abgesondert. Sie schmieren sich mitl Asche. In dieser Zeit ist das Weibervolk wie unsinnig ; sie verkleiden sich | und treiben viel Muthwillen. Die Mädchen des Polio m5ssen verschieden« Waschungen vornehmen. Zu Ende des Polio giebt es ein Fest, zu dem die zuletzt beschnittenen Knaben eingeladen werden ; da giebt es Schmaus, Tau»-| und Unzucht.

Auch bei den Marolong (B e t s c h u a n e n-Stamm) werden diel Mädchen, sobald 8ie mannbar sind, 2 3 Monate lang unter strenger Ceneurj in den Pflichten der Hausfrauen unterrichtet. Sobald die Meuses vorbei sind, i werden sie gewaschen, ihr Kopf wird bis auf eine kleine Stelle rasirt und] statt des Perlengürtels erhalten sie ein kleines SchQizchen, dann sind sid heirathsfähig. [Joest.) Im nördlichen Transvaal heisst das Mannbar-1 keitsfest der Mädchen Koma. Es wird dazu eine besondere lange, mehr-j tönige Pfeife gebraucht, die sie aber geheim zu halten scheinen. ( iranj^/^l vtann.) Den Eintritt der Menses feiern die Bewohner des •Tuna-Oi- bietes (äquatoriales Ostafrika), die Pokomo, zehn Abende und NächtoJ hindurch mit Tanz und Festessen. (Dehnhardl.)

Die Indianer Südamerikas begehen die Einweihung de» Mä<lcben«| sur Jungfrau mit zumeiKt recht peinigendem Verfahren. Einer uiUdereu] Procedur wird es bei den W arr au -Indianern in British-G uiana on-J terworfen: man beraubt es seines langen Haares, tanzt und schmückt das] Mädchen mit Perlen und weichen Vogel-Daunen, die man mit Gummi anf den geschorenen Kopf, un .\rme und Schenkel klebt. (Scham hur ff k\)

Andere Caraiben vülker in British -(jruiana verfahren cjualvoUtr,! indem sie das Haar de» Mädchen»» ablirennen, worauf es von eimnu Zaubertrt mit den NagMäbnen des Aguti(Da«yprocta) quer llberden Rücken «ww tief« Biti-

üintritt

lenürnaSönT

247

tchnitte erhrdt, iu welche Pfeffer eiugerieben wird; Schmerz darf die Gepeinigte |liicht iluHBern. So wird sie mit an den Körper gebundenen Annen in eine längematte gelegt und ihr ein Amulet von Zähnen uragehangen. Nachdem lie so 3 Tage ohne Speise und Trank und ohne ein Wort zu sprechen zu- ?hracht hat, wird sie von den Banden, welche die Arme an den Körper fbefestigen, befreit und in eine Hilngeroatte gelegtj die sie nun einen Monat . Ung hüten mus», ohne Andere» zu geniessen, als ungekochte Wurzeln, Cas-

»aadabrod und Wasser. Am Ende de« Monats wiederholten sich diese Ope- rationen, und erst nach Ablauf des dritten Monats ist die Prüfung über- Btnndeo. (Sdtombtirgk.)

In Peru begehen die um Dcajrale- Strom hausenden Couibos bei »olcher Gelegenheit das sogenannte Chenianabiqui-Feat. wobei mit Flöten fCspielt und von beiden Geschlechtern getanzt wird; die jungen Mädchen ' (lasen sich toll und voll trinken und werden einen Tag und eine Nacht }g von den alten Frauen im Tan:ee herumgedreht, bis sie niedersinken und ie Leichen am Boden liegen. (Marce^.)

Bei den Uanpes haben die M3.dchen bei Eintritt der Pubert&t, auf kärgliche Koat beschränkt und im oberen Theile der Hütte zunickgehalten, [eine EmancipationsprQfung durch schwere Streiche mit schmiegsamen Ranken Bu überstehen ; sie empfangen von jedem Familiengliede und Freunde nieh- Irere Hiebe über den ganzen nackten Leib, oft bis zur Ohnmacht, ja bis zum Pode. Diese Operation wird in sechsstündigen Zwischenrilumen viermal riederholt, während sich die Angehörigen dem reichlichen Genüsse von [Bpfif^en und Getrunken überlnsscm, dit> zu Prüfende aber nur an den in die Kchüfiseln getauchten Züchtigungsinslrumenteu lecken darf. Hat sie die *rüfungen überstanden, so darf sie alle.«! essen und wird für mannbar er- klärt. Das Einwickeln, die Hautvei'wuudungen und das Bemalen der MiUl- ,chcn bei der MannbarkeitserklUrung kommen bei den Manäos und ihren Stammverwandten, wie auch bei den Tamayos in Südbrasilien vor. Jnter den Passes übersteht die angehende Jungfrau, in den oberen Raum !er Hütte auf die Flängematte verwiesen, ein Monate langes Fasten. fAuch die zahmen Tucunaa am Amazonas verweisen ebenso wie die Col- tina und Man he die Mädchen in den Bauchfang der Hütte und setzen sie leiiion Monat lang auf magere Kost ; Bates erfuhr, dass diese Misshandlung einem Falle den Tod des Opfers herbeiführte.

In Paraguay pflegen die Lenguas. die Payaguas und andere MAmme das jnnge, mannbar werdende Mfidclicn zu tättowiren, nament- lich im Gesicht; auch berichteten Demersay und Dobrühofj'er Gleiches von Fden Abiponern. (i*. Aiara.) Die Patngonier feinm den Pubertätg- Eintritt durch Pferdenpfer (Musters.) Die Chibchas (auch Muistas oder MozcRs), ein fast gan% untergegangener Volksstamm, der in Neugra- lada lebte, begingen zu dieser Gelegenheit ein grosses Fest. {WaiU.)

Unter den Apnehe- Indianern ist es ein wichtiges Familicn- ^«•t. zu dem alle Fiimilienglieder eingeladen werden, das l>eim Eintreten irr Mannbarkeit eines Mildchens gefeiert wird. {Si>riny.)

Kinige californischelndiuner- Stämme, z. B. die II u p a , feiern auch )rn Keif<>-Eintritt ab Fest. Fühlt ein jungem Mädchen den Zeitpunkt nahen, |o mn«H «ie, wo immer sie sich auch befindet, den väterlichen Wigwam auf- rochen; bleibt sie diesem fem, so wird sie ausgestossen und gilt fortan kU Fremde. Es folgt dem Eintritt der Reife ein langes Fest» der Kin- Ukibn odnr .lungtVrntanz:

X. Die Reife des Weibes (die PubertAt

Neun Tage kouiraeu die Männer des Abends zum Tanze zussunoien, von deui die Weiber ausgeschlossen sind. Das Mädchen darf unterdessen kein Fleisch essen und sieb vor keinem Manne sehen lassen. In der 10. Nacht versteckt es sich in einen Winkel der Hütte. Dann kommen zwei junge Männer und zwei alte Weiber ans ihrer Verwandtschaft, utn die Jung- frau zu suchen und ab/.iiholen. Die jungen Burschen stülpen sich eine Maske aus Leder oder vScbilf über den Kopf, die an den Seelöwen erinnert, . und nehmen das Mädchen in die Mitte; rechts und links vuu ihnen stellen sich die iilton Frauen auf. So treten die Fünf untvr die Versammlung. Da« Mädchen schreitet zehn Mal vorwärts und rückwärts, erhebt die Hände zu den Schultern und singt. Das letzte Vorwärtsschreiten endigt mit dem Uochsprung. Darauf begrüsst die Versammlung das junge Geschöpf durch laute Zurufe und die Ceremonie ist beendigt. {Powers.)

Die Wintun - Indianer, ein anderer californisch er Stainm, veranstal- ten bei Eintritt der Lieschiechtsreife eines Mädchens gleichfalls einen ..Reif- heitsianz', zu welchem die Bewohner der nächsten Dörfer geladen werden. Schon drei Tage vor diesem Feste nmss sich das Mädchen jeder anima- lischen Kost enthalten, sie darf nur Kichelbrei geniessen. Während dieser Fastenzeit ist die Aermste aus dem Lager verbannt in eine entfernt ge- legene Bätie. Todesstrafe wird über denjenigen verhängt, der sie während dieser Zeit berührt, oder es wagt, eich ihr zu nähern. Nach Ablauf dieser Yorbereitungsfrist nimmt sie eine geweihte Suppe zu sich, <lie von den Frtchten der Buckeye californica bereitet wird, indem aus denselben zuvor durch Einweichen in Wasser das Gift entfernt wurde. Durch das Verzehren dieser Ma^ae macbt sich das Mädchen würdig, an dem bevorstehenden Tante theilxunchmen. isowie die Pflichten einer Frau zu übernehmen. Nunmehr er scheinen die eingeladenen Stäuiuie, indem sie in langen Reihen herbeiziehen und (IUI den Lagerplutz feurige, sinnliche Lieder singen. Sind alle Stämme oder Deputationen derselben versammelt, was 2 bis 3 Tage in Anspruch nimmt, ^o vereinigen sich Alle zu einem grossen Tanze, der in einem Rand- marsch um das Dorf besteht, während ununterbrochen Chorge«änge erschallen. Zum SehluBS der Ceremonie nimmt der Häuptling da» Mädchen bei der Hand ttad lanst mit ihm die ganze Linie entlang, während die Gäste improrisirt« OMftage anstimmen. Nicht immer sind letztere keusch und unschuldig, bis- weüeu ob«cOn. Dann kommen auch Gelänge, in welchen jeder Indianer seine eig«Den Geftlhle ausdrückt, wobei »ie seltsamer Weise vollkomniea Tact mit •iiiuid(«r halten. Die Fmuen drücken bei solchen Gelegenheiten keine uftkea»ch«D (}«fahle aus. (Powers.)

d«u »Iteti Mexikanern gab der Vater in vohlgesetzter R«de den jlttgeo MAdeben Krtnahnung«a auf ihren Lebeaspfad mit; die Spruch«, di« Uerbei der roberlieferuug geuUkM g«eagt wurden, sind ht>chst beodaleii*- wertli. Dann wurdo das lfidel>«B m einer Tempelschule unterrielitet und dieeor er>t <>nt]as*e(B. wenn «e «eh verhcirathon wollte.

Wir »eheu hier, wie ton dem eintuclu-a Freudealeste an äU» uiahlioh ilie Anschauung sich ß«h& bricht, du.-^ <Ihs junge Mädclira nun in ihi^^ »i.^it. ..-,*.» r<>«ii.>itttf^ieh(csn eiagvl'ilhrt uu«i duroh b«- flooder» ^' ' wt-r\len tnik<is (ü^Qdafrikuner

u, » ' *' , ' " ' ' ' Uei

d«n hl le»

neu U<tfi- iig ventulaatftf

Ü^ Die MeSSS^ratde gilt fOr ,i

249

Irelclie aber ak eine mehr geistige, an die christliche Einsegnung lemde, aufgefasst worden ist.

38. Die Henstruirende gilt fTir ,,uiireiii*^

Der regelmässig wiederkehrende Ausfiuss von Blut aus den

reiblichen Geschlechtstheilen hatte und hat noch jetzt ft'ir alle Ur-

rölker nicht allein viel Räthselhattes, weshall) sich damit in ihrer

FVorstellung eine Menge von Irrthümem über das Wesen, den Zweck

id die Wirkung dieser natürlichen Function verknüpft, sondern He legen sich auch in Bezug auf dieselbe, wie wir sehen werden, sine primitive Hygieine znrecht. Das Auffallendste dabei ist die

lerkwürdige üebereinstimmung, welche man in letzterer Be- iehnng unter den Völkeni von ganz verschiedener Rasse vor- Indet. Diese grosse Üebereinstimmung der Vorstellungen und die

renge Durchführung der von den ürvölkern ziemlich gleichmässig ftingeführten hygieinischen Maaasregeln könnte wohl zu der Ver-

luthung Veranlassung geben, dass sich in ihnen die Wirkung des Tnstincts ausspricht. Die unwillkürliche Zurückhaltung gegen die Mt-nstruirende, die Scheu vor ihr als einer sUnreinen", deren Be- rUhmng einen Jeden zu beflecken im Stande ist, wird in der That von Manchen als instinctiv gedeutet. Und auch hier sagt man wieder, dass der Instinct ganz richtig und zweckmassig leite, weil glaubt, dass wirklich die Berührung, insbesondere die Aus- des Coitus mit einer menstruirenden Frau, einen Nach-

>eil für die Gesundheit des Mannes habe. Sonderbar genug soll hier-

»ch die Menstruation, welche nach Annahme der meisten Physio-

)gcn ziemlich gleichbedeutend mit der Brunst der Thiere ist, eine »bstossende Wirkung auf das männliche Geschlecht ausüben, wjih-

snd doch diis brünstige Blutaustreteu aus den Geschlechtstheilen Ics weiblichen Thieres eine besondere Anziehungskraft auf das

läiinchen hat, indem letzteres durch dasselbe herbeigelockt und Bexuell aufgeregt wird. Ich möchte im Gegentheil in der Zu- rückhaltung, die der Mann bei ürvölkern sich freiwillig gegen die

lenstjTiirende Frau auferlegt, eine schon mit vollem Bewusstseiu, iurch gewisse Erfahrungen unterstützte und in Folge einer, wenn ^uch einfachen Reflexion frei gewühlte Handlung erblicken, die in

irer entschiedenen Durchluhrung, d. h. in der Ausdehnung, welche Ihr viele Nationen geben (indem sie die Frauen noch längere Zeit tach der Menstruation al)8ondern), mindestens keinen Vortheil für lic Ftirtptlanzung des Menschengeschlechtes mit sich bringt. Dazu

«mnit noch, das» auch die Frau bei den Naturvölkern zur Zeit

(«DstruatiuQ eijje gewisse Zurückhaltung zu iiusseni scheint,

id das weibliche Thier zur Brunstzeit sich gerade sehr willig

Die Keife des Weibes (die Pubertät).

Nach der Meinung vieler Nationen ist es aber nicht allein die Menstruation, sondern auch die Wochenbetts- und die ganze Siivjgungszeit, also die eigentlichen sexualen Functionen, welche da» Weib .unrein" machen. Bei einigen Völkerschaften herrscht sogar h der Glaube, dass der Umgang der beiden Gesclilechter während | der Menstriiations- und Wochenbettszeit etwas Giftiges erzeuge. Hiermit ist also gewissermaassen in der Zurückhaltung, die sich ^ in Folge dessen der Mann, manchmal auch die gesammte Umgebung fl des Weibes, auferlegt, eine Erscheinung primitiver Hygieine zur Geltung gekommen.

Der Grad der Unreinheit, in welchem sich die Frau während ihrer Periode befindet, ist allerdings je nach Ansicht der Völker j immerhin sehr verschieden. Bei sehr vielen Völkern Afrikas ist fl der Glaube an diese Unreinheit verbreitet, jedoch hier gilt sehr liHuhg der Begriff des Unreinseins nur fQr den Mann hinsichtlich des Coitus, nicht ftlr Andere hinsichtlich des socialen Umganges. Allein bei vielen anderen Völkern, namentlich in Asien, nnd xmr hier schon in $ehr alter Zeit nach religiösen Gesetzen, werden die ineustniirenden Frauen abgesondert von aller Welt, man hält sie tVa allgemein schädlich, man fUrchtet gewissermaassen eine Cebertrag\jng des Unreinssein«, eine Ansteckung. Wnr finden solche .strenge Maa&<:regelji, in welehen sich Hygieine und Beligton gleichsam beseignai, insbesondere bei den indogermanischen Völkern, den Iranern, ebenso wie bei Semiten, den Juden nsd ^ Arabern. Dagtegen wird ohne irgend welchen RinflQ.ss religio- ser Art. nur unter dem Gebote dnes alt«i Volksbraachs, unter den mongolischen Völkern sowohl die Kalm&ckin {Sammimmgy, als •11^ die Samojedin {PaOas) fibr unrein betrachte! and in Afaaoo- denug g<duJt«Q, wenn sie meustmirt.

Dort, wo die Menstnäreode nicht eben in einer Art von Haft gehalten wird, ist mitoifeer wenqptens gAränrhhA, daaa säe ein auf ihrca Zaafauid dealandM Abt eichen trigk; ao tmgm die Kaaaa in Angola, so lange ihre Monatneit danot« «mm Binde «n ihr Haa|il« Die Woloff-Xegerinaen lagen wihicnd der Meaatiua- tion sMs tthar den Bahn als Ahaöehcn ein Sdornfftodi oder eisen Fonktd in arbwiHMifH Fsrhen, dreiethig iniwiwmmgiligi vad kichl •her dem Tonfeitheil der Brast ■iiwiainiiigiliillfft Dies ist dm Mai im! ihres fhjudahigiadwn Tniisndii, (die ffunt^wt^ Dagegen

fl jede ■inidmiiaii FWa in fhaisitnidimhn We»e Hr tahn, k lhishin|d fir anlwrthfhartriifselitnuiji, in Xmcaledonien, «ad jed« Dorf hak eine eigene HMie, vo die Weiher &xe Zeil tvCreanI riia jedem Umgänge ahwarftn nUa»» (de AMhasX eine sie aacm aodi ha maaohen sadaen Volheni

s polTBe»ischea mm*- «ad twa d«c Brt

dir Woher

.nnrern"

die Menstruation szeit ffir die Frau selbst gewisse Gefahren fliBt. zu deren Vorbeugung ihr ein besonderes diätetisches Re- [gime auferlegt wird. Bei ernzelneti VtVlkern wird sie nicht nur [abgesondert, sondern auch zu fleissigem Baden angehalten. Dagegen durften bei den Maciisis - Indianern in British-(iuiaua , die alle inenstruirendeu Frauen und Mädchen für unrein halten, die- selben während dieser Epoche nicht baden, noch in den Wald {eben, da sie dann den verliel)t«n Angriffen der Schlangen aus- tzt sein würden. (Schomburgk.)

Durch das Herrschen derartiger Anschauung wird es für uns fwohl verständlich, warum wir bei manchen Stämmen gerade bei [dem ersten Eintreten der Menstruation Gebräuche finden, welche [uns die Meinung errathen lassen, das» die.selbe in ganz hervor- jender Weise verunreinige. Wir sehen daher, wie hier das ao- leben reif gewordene Mädchen gleichsam au.sgest^>ssen wird ans der menschlichen Gesellschaft xmd wie demselben oft erst nach einem sehr erhebh'ch langen Zeiträume, welcher zu einer selbst extra laug bemessenen Menstruationsperiode in gar keinem Verbältniss steht, die Rückkehr in die Stammesgemeinschaft getattet wird, jedoch nur nachdem es eine besonders feierliche Ceremouie der Reinigung hat durchmachen mlissen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind din Mildchen in Caiubodjn. Von dem

[Tage an. wo das erste Zeichen ihrer Mtmnbarkeit erscheint, miisB sie ,in den

Schatten" eintreten. An deroseUien Ahendenoch befestigen die Eltern Bauro-

woliniden um das Handgelenk und bereiten ein vollständiges Opfer für die

Ahnen, bestehend in Speisen, Kerzen. Räucherwerk. Das Eieigniss wird

jden Verstorbenen förmlich kund gethan: ^I'nsere Tochter wird mannbar:

*rir lassen sie in den Schatfen eintreten; schenkt ihr Eure Gunst." An

l^eiuselben Tage pflanzen .^ie eine Bunane, deren liüchte mir für da.s junge

eben bestitnuit sind, oder von ihr an die Bonzen geschickt werden.

Die von den Eltern dem Mädchen für die Zeit der Zuriickgezogenheit

'gi-gebenen Regeln lauten: „Lasa Dich vor keinem fremden Manne sehen:

,ficbau keinen Mann, seibat nicht verstohlener Weise an; nimm ebenüo, wie

[die Bonzen, Deine Nahrung nur zwischen Sonnenaufgang und Mittag; is«

[nur Reis, Salz, KokosnusH, Erbsen, Sesam aud Früchte; enthalte Dich von

i^iacfa und jeglichem Fleisch. Bade Dich nur, wenn die Nacht eingetreten

litt, zu einer Stunde, wenn man die Menschen nicht mehr erkennt, damit

[I)u von keinem lebenden Wesen gesehen wirst.* üeberhaupt darf da*.

[Mädchen nicht allein baden, sie wird von ihren Schwestern oder anderen

iVcrwandten begleitet. Sie arbeitet nur im Huuse, geht nirgendwo hin, nicht

einmal nach der Pagode.

Je naoh der Lebensstellung und dem Vermögen der Familie ist dii*se iZuT<lckgezogcnbeit von IJlngPrcn- oder kürzerer Datier, sie wilhrt einig« [Monate bis zu ui<;hrerc'n Jahren; arme Leute beachten sie wenigHtens 3 bis lii Tage lang. DJ«*se ZurOckgezogenheit wird wilhrend dor Finntfrni.^s unter- |brorhen: dann steckt this junge, ,,im Schatt<.'n'' beHndlichi* Mildchen ebt'nso |wie die schwangere Frau ein Betelmesser, den Behfl.ltfr Klr den zum Belel- kauen uOthigen Kalk in die von den Falten des Lungati <Scbur/.) gebildete rMoU»; es zQndet Lichter und Räucherkerzen an Und g«ht weg, um Hahn

X. Die Reife des Weibe» (die PubertäkjT

(da* LTnj^ehtmer, welches die Finsterniss entstehen läsat, indem es die Sterne xwiucheii den ZUhnen schüttelt) anzubeten, auf daRs es sein Flehen uiu <jlück erbnrc. Duruuf kehrt es wieder «in den Schatten'^ zurück. Arme Leute, welche keine !iiittel zur Anschaffung von Kerzen und Käiicherwerk lioaitxen, lassen das Mädchen, welches hingebt, um Kahn zu verehren, wcnigstena die schönsten Kleider anlegen und benutzen die Gelegenheit, um der Tochter, welche gewissermaassen L'ahn zum Herrn anninaoit, aus der Zurückgezogenheit hervortreten zu lassen. Wohlgestellte Leute erwarten eine günstige Gelegenheit besonden im Januar, Februar oder Mai, um die Cerenionie des Austritts aus dem Schatten zu begehen. Die Btinzen werden gebeten, zu erscheinen und ihre Gebete zu wiederholen: das junge Mädchen IUH8S sich vor ihnen in den Staub werfen. Nachbarn und Freunde werdeu gebeten, dem Feste beizuwohnen.

Manchmal werden auch die Z^Lbuc den Mädchens dabei gef&rbt, an- ütatt bis zur Huirath damit zu warten. Ebenso wird bei den jungen MlVnnern diese Ceremonie bei der Aufnahme in die Religionsgemeinschaft Oller bei der Heirath vorgenommen. Das Verfahren, welches hinsichtlich doä jungen Mlldchens beobachtet wird, ist folgendes:

Kin Achar (ein weiser Mann) breitet ein Stück weissen Baumwollenzeugi-s an*, legt acht Strohhalme in der Richtung der Himmelsgegenden auf da.<- nelbc, niumit einen aus Kokosnuss verfertigten Napf und ein Weberschiffchen. Dann geht er in die Scheuer, nimmt dort eben so viel mal Paddie (oder ungodrosoheuen Reis), als das Mädchen Jahre zählte und schüttet denselben auf das Zeug; wenn das Mädchen also 15 Jahre zählt, füllt er 15 mal deu Napf und 15 mal das Schiflchon. In diesen Haufen Paddie versleckt er den Napf, das Schiffchen, einen Bronzebecher und ein kleines Metallschiff; darüber hin macht er den Paddie gleich und bedeckt ihn mit den Zipfeln des weissen baumwollenzeuges. Alles die» muss in Abwesenheit des jungen Mädchens geschehen, das darnach eingeladen wird, auf diesem gleicbge- m»cbt<^n Paddie während der weiteren Dauer der Feierlichkeit Platz zu nefamrn.

Per Achar murmelt nun Formeln, die den Zähnen GlQck bringen tiollen. Kin alte» Paar, am liebsten Mann und Frau, stamptl Lack in einem Mürser. wfthrv'od 7 Knaben, welche Bononenswetge mit Früchten in der Hand halten, mit denen sie dos Stampfen im Mßrser nachahmen, dabej folgende Worte singro: «Grossratcr Kühe, Gros^muttiir Kuh^ stampft den Lack gut, damit VI an den Zähneu hängeu bleibt." Jedesmal wenn dos Wort bok = stampfen, gotuugvn wird, lotsen der Mann und die Frnu die Stampfer im Tokt ni«dcrfiilleu. Wenn der Gesang m> oft, wie die Sitt« es will, wiederholt i«t, hOrvu die Knaben auf, während die alten Leute mit Stampfen fortfahren. Kndlich wird der Lack durch ein Stück Musselin gesriht. um nar doA feinste

Pulver lu gt ! Form des nu uu«geAis«rtvtit j»t. Der '!%* auf di>' .■ i «larf nur i^< \

N«tt« Ott. Ui» «km llokMii* UMn |l«iiMMi<

Mau schneidet rin Blatt der Koko«'PaLme oocfa der

(ifbuses und umgiebt dieses Blatt mit ein wenig

:'' -izeuff. w«icjMs vocber in den Lack eingctonehi

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38. Ihe Menstraiiende gilt fSr .unrein**. 253

schlaft, nm Jagd aof die Höhner and Enten der Eingeladenen la machen. Bei Ti^^esanbrnch geht da« jong« Slädchen aus dem Hause cnd betet die aufgehende Sonne an, indem es sich dreimal in den Staub wirft. Nach langer nnd sorgfältiger Torbereitung macht der Ta Kühe die Bewegung als ob er ihr die Zähne mit Hammerschlägen entfernen wollte, und bestreicht sie mit einem an Ort nnd Stelle bereiteten Ra»$. Das Mädchen wirft sich dreimal vor einem kleinen Altar nieder, auf welchem die bei häus- lichen Festlichkeiten gewöhnlich gebrauchten Gegenstände aufgestellt sind, nnd kehrt dann in das Haas zuräck. Bei allen diesen Festlich- keiten moss es mit einem Haarwolst geschmückt sein, und wenn es aus irgend einem Grande (Neuralgie etc-» kurzes Haar trägt, wie dies in Cam- bodja gebräuchlich, so muss es sich mit falschen Zöpfen schmücken.

Wenn bei den Vedas. einer südindischen Sclarenkaste. sich bei einem jungen Weibe (schon Tor dem 7.-9. Jahre Verheirathete cohabitiren mit dem Manne, bevor die Geschlechtsreife eintrat) die Menses zum ersten Mal einstellen, so wird dasselbe in einer für diesen Zweck erbauten besonderen Hütte untergebracht, in welcher es 5 Tage weilt: nach Ablauf dieser Frist bezieht es eine andere, halbwegs zwischen jener und der Wuhnstätte ihres Mannes belegene Hütte, in der es abermals 5 Tage zubringt. Täglich geht dAS junge Weib aus, um sich zu waschen. Am 10. Tage aber wird sie von ihrer und ihres Mannes Schwester an das Wasser geführt, sie badet, wäscht ihre Kleider , reibt sich mit Turmerik ein. badet abermals, ölt ihren Körper, und kehrt dann (am 10. Tage) mit ihren Begleiterinnen in ihre Wohnung zurück. Dort angekommen, kochen die drei Frauen Reis und verzehren ihn gemeinschaftlich. Während jener Tage der Absonderung darf der Mann in seiner Hütte nur Wurzeln essen, keinen Reis, aus Furcht, vom Teufel umgebracht zu werden; am 9. Tage aber findet ein Fest statt. Der Boden der Hütte wird mit Palnibranntwein besprengt, man ladet Freunde ein und bewirthet sie mit Reis und Branntwein. Die Frau hält sich noch abge- sondert in der zweiten Hütte. Am 10. Tage aber muss sich der Gatte aus seiner Wohnung entfernen und darf sie erst wieder betreten, nachdem die Weiber den Reis aufgezehrt haben. Während der nächsten 4 Tage darf der Mann weder Reis im eigenen Hanse essen, noch Umgang mit seiner Fran pflegen. Jedes Versehen in dem vorgeschriebenen Cereniouiell wird von den Tsdiaicus (den zu Teufeln gewordenen Geistern gestorbener Vor- fahren) streng geahndet! fOchlaginUceit.)

Auch bei den Kaders in den Anamally -Bergen in Indien und bei den Badagas im Nilgiri-Gebirge werden die zum ersten Male menstruiren- den Mädchen in eine besondere, nur den Weibern zugängliche Hütte ver- bannt. Bei den letzteren dauert diese Absperrung aber nur drei Tage und findet später nicht mehr statt. Im Anschlüsse daran werden die MädohtMi t&ttowirt. (Jagor.)

Das zum ersten Male roenstruirende Mädchen wird auf der Insel Vat*' (Neue Hebriden) abgesondert, weil sie für unrein gilt. In einigen Gegend«>n der Inael muss sie in einem besonderen Hause verweilen. Ein Mann, der mit einer solchen unreinen Person verkehrt, muss sich wegen der Veruu- Feinigang ceremoniellen Waschungen unterwerfen; thut er es nicht, so werden seine Tams, wie man glaubt, faulig.

Die Koljaschen an der Küste der Bering -Strasse verbinden den Gn- derAbsperrang der Mädchen zur Zeit der Menstruation mit dem Gc-

oh«! dueh eine Operation den Kaljugn oder Holzklotz in die Unterlippt*

254

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

einzusetzen. Nach Krman werden sie in Hütten oder 6 8 Fuss hohe, nur mit einem vergitterten Lichtloch versehene Kätifj^e verbannt, nachdem ihre Gesichter mit Russ geschwärzt worden. Jn jedem dieser Ställe steckt ein Mädchen. Wei^'iamoio g-iebt an, dass die erste solcher Einsperrungen, die ein Mädchen erlebte, nach altem Gebrauche ein Jahr gedauert habe, und dass sie von der Durchschneidung der Unterlippe und dem mit dieser ver- bundenen Feste unmittelbar gefolgt wurde. Beiden Sitchaer Koljuschen sei diese Zeit /.war auf 3 6 Monat heruntergesetzt, die sonstigen Ge- bräuche während derselben aber beibehalten. So werde namentlich dem Mädchen wahrend dieaer Zeit eiu Hut mit sehr breiter Krempe anfgesetzt, damit sie nicht durch ihre Blicke den Himmel verunreinige. Dieselben Vor- sichtsmaassregeln werden auf den aleu tischen Inseln ebenso streng befolgt, wie auf Sitcha. Bei den Ureinwühnern di-r Landenge Darien durften die jungen Mädchen (nach Waßr) bei Eintritt der Geschlechtsreife dne Haus nicht verlassen und sich keinem Fremden zeigen.

Die Absonderung des jungen Mildchens bei Eintritt der Reife dauert unter den Indianern der Nordwestküste Amerikas ÜO Tage; während dieser Zeit muss es, in einen kleinen Kaum des elterlichen Hauses gesperrt. verweilen und erhält von irgend einer weiblichen Verwandten eine nur spär- liche Nahrung. Wenn es sich niederlegt, so muss ihr der Kopf nach Süd«fn gerichtet sein. Nach Beendigung der Abgeschlossenheit darf sie wieder wie gewöhnlich im Hause wohnen und erhält ein neues Kleid und andere fest- liche Geschenke von ihrem Vater oder nächsten Verwandten. Gewöhnlich wird sie bald danach verheirathet und bekommt dann ebenfalls von den Eltern Geschenke. (Jacobaen.)

Bei den Thlinkiten wurden früher die Mädchen bei beginnender Pubertät in einer Zweig- oder Schneehütte längere Zeit abgesondert, als jetzt, wo die Absperrung selten länger als 3 Monate dauert : ehemals er- streckte sie sich auf ein Jahr. Nach Ablauf dieser Frist werden die allen Kleider verbrannt, das Mädchen wird von Neuem geKchmückt und ein grosses Fest gegeben. Dabei wird ihre Unterlippe durchstochen und in diese Oelf- nuug anfänglich ein dicker Draht (gegenwärtig ein Silberdraht) oder ein hölzerner Doppelknopf gebracht. Allmählich \vird diese Oetl'nung nach meh- reren Monaten und Jahren immer grösser geschlitzt und die LippL< durch ein in sie gebrachtes ovales oder elliptisches Brettchen oder Schfisselchen immer weiter ausgedehnt, wodurch jede Frau das Ansehen gewinnt, als wenn ein grosser, flacher, hölzerner Suppenlötfel in dan Fleisch der Unterlippe eingewachsen w3re. Der äussere Rand dieses Tellerchens ist mit einer Rinne versehen, damit die beträchtlich ausgedehnte Unterlippe de'^to fester um dieselbe anliegt. Der Teller ist meist 2—3 Zoll breit und höchsten« Vj Zoll dick; bei vornehmen Damen ist er jedoch grösser und Lttntisdorff sah einen solchen, der 5 Zoll lang und 3 Zoll breit war. {Krause.)

Die Macusis- India ner in British-Guiana f<ondern d»'« Mädchen als „unrein" ab, indem sie seine Hängematte in die Kuppelspitze der Hfltte hängen, wo sie dem quälenden Rauche ausgesetzt ist. Dort bleibt diu M&dchen mehrere Tage und darf nur Nachts herabkommm; während der ganzen Zeit des MenstrualÜusses muss es streng fasten. .Msdann darf herabsteigen, muss sich jedoch noch in einen dunklen Platz der IlQtt« rQckxiehcn und ihren Cassada- Mehlbrei an einem besonderen Ftnu'r VckIh nach 10 T>igea wird es st-lbst, sowi« allu von ihm berührt on ^ einem Piay (Zauberer) entzaubert; die von ihm benutzten TsSy zertrQmmerti die Scherben vergraben. Nach der Rückkehr aua dem nrstfn Hiwlti

h' , unrein*.

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Q08» nlch das unglückliche Geschöpf auf einen Stuhl oder Stein stellen, wo M 7011 der Mutter luit dünnen Ruthen ge[ieit8cht wird, ohne einen Schmerzensschrei ausstossen zu dürfen- Bei der zweiten Periode der Men- 'stniation finden diese Geisseluugen wieder statt, 8ont<;t nicht mehr. Von du an ist da* Mädchen sofort heiutthsrähig. (Poirer.)

In Brasilien sondern die Coroades die jungen Mädchen während der ersten Menstiiiatioii von allem Verkehr ab, indem sie diese Zeit in einem von Baumrinde geflochtenen Behälter verhrinj^en müssen. {Burmeister.)

IAn der Loango- Küste bringen die Bafiote-Neger das jungeMädcben jn eine abgesonderte Hütte; dasselbe heisst von diesem Tage an bis zur Hingabe yui einen Mann ukumbi oder tschikumbi ; die TOchter weniger bemittelter Leute bewohnen eine gemeiaschaftliche Hütte. Hier werden die Jungfrauen von einer Fraa. die von den Eltern als Vertrauensperson gewälilt worden, unterrichtet; tielieicht bezieht sich dieser Unterricht luif zukünftige Pflichten; hier ist übrigens das Mädchen als unrein betrachtet und wird schliesslich gebadet. Die Makulolo und andere Stämme im Marud se-Mam bu nda-Reiche lim Zambesi-See benachrichtigen, sobald ein Mädchen reif wird, deren ^Freundinnen, die nun .jeden Abend 8 Tage laug zu ihr kommen und sie bis iefin die Nacht hinein mit Tanz unter Castagnetten-Begleitung unterhalteu. ■t die Tochter eine» Königs zu dieser Zeit schon verlobt, so wird sie von »et weiblichen Verwandten in ein Dickicht geführt, wo sie eine Woche f»g von einer Sclavin bedient, ein abgeschiedenes Leben führt; doch wird ie auch hier von ihren Genossinnen des Abends aufgesucht, die ihr Nah- ing hinstellen, ihren Kopf mit Parfüm einreiben und sie mit Ermahnungen id Zureden für den ehelichen Stund vi>rbereiten, um nach Ablüuf der Frist ►ie ihrem Goniivbl zu übergeben. (Holub.)

Der Eintritt der Reife des Mudcheua wird im Euango-Gebiete nach

l\y'o1ff'^ mit grösseren Ceremonien gefeiert, wie an der Meeresküste, zu mal

Kn Kabinda. Dort kommt das Mildchen nach ihrer erston Menstruation in

bin kleities Häuschen, das innen vollständig mit rotb getÜrbteiu Zeug au.s-

jeschliigen resp. mit rolher Farbe angestrichen ist. Die rothe Farbe macht

lae Mildchen gewBhnlich selbst, indem sie Rothholz auf einem .Stein zerreibt.

im selbst ist ebenfalls roth bemalt uikd trägt rotb gefärbte Kleider. Da»

Csaen wird ihr von den Anvem'andten in die Hütte gebracht. Sie bleibt

nun ao lange in dem Farbenhaus, bis sie entweder herausgeheiratbet wird,

^der von den Anverwandten nur das juh primae noctis abgekauft ist ;

diesem Falle bleibt sie dann Mädchen. Man sieht hier i^ueh bisweilen

Ichon längst verheiruthete Weiber sich Iheiiweise roth t^rben, jedenfalk um

iren Khegemahl an die Zeit der ersten Liebe zu erinnern und dadurch in

leue« Entzücken zu versetzen.

bei den Mädi in Mittelafrika (zwischeu Dufilä und Fatiko) herrscht die Sitt«;, dass die MOdchen zur Pubertätszeit in abgesouderteu

PBnuten mit ovalen EingangsöH'nungen ' verharren : zu ihnen gesellen sich iwanglos alle munnbaren Knaben. Wird ein Mildehen schwanger, so ist ihr bisberigAr (ieftlhrte verpflichtet, sie zu heirathen und ihr den üblichen Braul- preii zu erlegen. CKmi» lieif.^^ Aehnliehes soll Durton von den südlich vom Aequator wohnenden Völkern berichtet haben.

Viel«? Völker, unter ihnen vor allen Griechen und Römer, bringen lit d*r Menstruation überhaupt sonderbaren Aberglauben in Verbindung. Sur Zeit de« I'liniua glaubte man, duss eine Menatruirende Sturm und log«! vertreiben könne; befinde sich eine roenstruirende Krau auf eineut

2Ö6

X. Die Reife de« Weib«8 (die Pubc

mit den Wogen und dem Orcan kämpfenden SchitFe, so werde da (gerettet. Alle Insectcn »»ollen von ileu BRunien fallen, wenn sieh denaC eine Men«truirende entkleidet niiheff. So vertrieb miin die C&uthariden tql Kappadocien nach Metrodoras Scejtttius. indem eine Frau mit bis an diel Lenden aufgeholienen Kleidern, oder auch nur mit blossen FQdäen, (^lösteml Gflrtel und flatterudem Euar durch das Feld ging ; doch niusste nach P2tniu«| diese Ceremouie vor Sonnenaufgang geschehen, da sonst die Saat verderbeuj würde, denn auch junge Weinstöcke, Raute und Epbeu verküiuiuem, sobald sie von einer Menstniirenden beröhrt werden. Rasirmesser rosten nac Rolcher Berührung, und trächtige Thiere »borliren durch den blossen An«l blick einer NUnistruircnden. Der Hund, welcher Menatrualblut leckt, soll] tidl werden, die Früchte snllon verdorben und die Pfropfreiser aboterben^j sobald eine Menatruirende Me berührt; die Früchte sollen von dem Baamei f.iUen, unter welchen sich eine Holche Frau setzt, das Poch «oll an einem' in Menstrualldut getauchten Faden nicht kleben und der Spiegel soll matt^ w»-rden, in den eine Menstniireude geblickt bat. Der Most soll sauer werden, wenn sich eine Menstruirende in der Nähe befindet; ja noch beute glaubt man, wie wir sehen werden, Aehnlichcs.

Den Griechen sind nach dem Vorgange des Hippokrate« die Kataraenien | nur eine Reinigung [nä^uffoii), welche um so leichter von statten geht, wenn i die Frau geboren hat. weil dann die Venen leichter flies«on.

Im heutigen Griechenland wird jede Mens(ri]irende für anrein ge- halten, unter den Christen ist ihr daselbst das Communiciren verboten und sie diirf sich nicht erlauben, die Bilder in der Kirche zu küssen. Soj darf auch eine Israelitin sich während ihrer Menstruation nicht mit An- dern an einen Tisch zum Speisen setzen, nicht in die Küche gehen nnd] kein Walser aus dem ülaae trinken, das jemand Anderes benatten aoU. (JJamian Georg.)

Den israelitischen Frauen hatte Moses wahrend der Menstrua- tion, welche in der Bibel an verschiedenen Stellen; .der Weiber Weise, der Weiber gewöhnliche Zeit, der Weiber Absonderung, der Weiber Krank- heit* genannt wird, besondere Vorschriften gegeben. Sie mussten sieh während ihrer Reinigung sieben Tage entfernt halten, in ihren GeniHchern verweilen, weil sie ,,tame", d. h. unrein waren. Ditnu mossten sie noch }eben Tage hinzureciineu und hierauf ihre Reinigungsopfer bringen. Der] [unn durfte sich wfihrend dieser Zeit weder ihrem Bette nähern, noch eie mit der Hand berühren, ohne sich nachher zu waschen; er wurde für unrein] erklärt. Ja sogar ein Jeder, welcher etwa« der menstniirenden Frau Ange-I höriges berührte, wurde dadurch unrein. Auf den ehelichen Umgang aberj mit einem Weibe zur Zeit ihrer Reinigung stand Todesstrafe für beide j Tbeile. Nach Beendigung ihrer monatlichen Reinigung mussten die israeli- tischen Frauen zwei Turteltauben als Opfer darbringen. Später nahmen die Anhänger der Ui Herrchen Schule an, dass die Zeit der Verunreinigung! einige Tage vor Eintritt der Menstruation beginne, die Anhänger der 8ebule des Schnmni mit dem Eintritt der Menstruation, dtf R;i*ibinpii hingegen bestimmten A\iy Zeit des BoKinnenK der Veninv<>inigiii . i»r Ein-;

tritt der M<'!i-''-, Auf riniiMlVi^p .b'> TnrsAisrliPii \' iiri'l der|

Tradition , i in-

n«!n bf>'»"li /a'it ,

nach 'id ?,u nrhnii>n Uabvn.

I»'>"— odtfT aarh (wiw am'

H vorircnomrovu wtinieo.

SS. IHe Menstra^na

«anrein'

I

v«1cbe« mu>deateD8 eine Wagsermenge von 40 Sea enthalten muss. Doch darf solches Wasser kein geschöpftes, sondern muss entweder unmittelbar aus d«r Erde quellendes oder durch Regen angesammeltes Wasser sein. Bis noch vor wenigen Decennien befanden sich diese Frauenbäder sowohl im Auslände aU auch hol uns in sehr vielen Gemeinden in einem höchst ge- sundheitswidrigen Zustande. In grösseren Städten waren sie in den Kellern dfCT Sjnngoge, in kleineren Orten in Privatkellem, sehr schmutzig, in einem feuchten Loche gelegen, und wurden sie von vielen Frauen benutzt, so dass sich allmählich eine kelhafler Schlamm am Boden des Wassers ansammelte. Metzger, Friedridi, Drusen, Wunderbar besprachen die sanitätspolizeüiche Seite dieses Gegenstandes. {Picard.)

Unter den Mohamedanern gelten ähnliche religiöse Bräuche in Be- log auf die Menstruation. Im Koran ( WaM) heisst es : „Trennt Euch von den Weibern zur Zeit der monatlichen Reinigung und nähert Euch ihnen nicht, als bis sie rein sind." So betrachten denn alle mohamedanischen Volker die Frau während der Menstruation fUr unrein: in Arabien, Mas- aaua. Aegypten und viele Völker in Ost- und Westafrika. Ebenso wird in Persien unter den Mohamedanern die Menstruirende für unrein gehalten, allein abgesondert wird sie nicht, wie mir Häntzsdie schreibt. Im Orient, insbesondere in der Türkei und Persien, mfissen sich die Frauen während der Menstruation sogar dreimal täglich baden. Im Sidi'^Khelil, einem Gesetzbuch der Mohamedaner, heisst es: „Derjenige, welcher mit Absicht, seine Wollust zu befriedigen, seine Frau, während sie menstruirt, berührt, verliert die Kraft der geistigen Ruhe." Das Erscheinen der Menses n&thigt die Frau, indem sie dieselbe unrein machen, sich aller religiösen Pflichten zu enthalten.

Die Vorstellung, dass jede menstruirende Frau unrein ist, findet sich schon bei den Iranern im grauen Alterthume. Die alten Meder, Bak- trer und Perser hatten in dieser Beziehung sehr strenge religiöse Vor- schriften. Sobald ein Mädchen oder eine Frau die eintretende Menstruation bomi-rkte, mu.s»<te sie sich an einen einsamen, von aller menschlichen Ge- sellschaft entfernten Ort begeben, wie es auch bis auf diesen Tag Sitte ist unter den Urbewohnem des asiatischen Hochgebirges zwischen Tibet und Indien. Im Zendavesta heisst es, das Mädchen werde unrein durch ihre Zoiten, durch «Merkmale und Blut*. Die Menstruation galt den Iranern als eine Schöpfung der bösen Geister. Der Legende nach war es Dschahi, die Dämonin der Unzucht, an welcher zuerst durch Angra Mai^u die Menses hervorgebracht wurden. Es sind also die Frauen während ihrer Regel ge- wlMertaaUBsen in der Gewalt des Bösen; sie sind unrein und wirken verun- reinigend auf ihre Umgebung. Darum wurden sie nach Avesta auf einen eigenen Platz geV)racht und dort völlig abgeschlossen. Dieser Platz soll mit trockonem Staube beschüttet und von Pflanzen und Kräutern gereinigt werden (noch heute glaubt man in Deutschland, dass eine Menstruirende im Krautfelde das Wachsthum der Pflanzen verderbet; er soll höher liegen aU da« Haus, damit das Auge des Weibes nicht auf das Herdfeuer falle und Teruufiiioige. Fünfzehn Schritte muss der Ort entfernt sein von den heiligen ^JOfsiniien Wasser und Feuer, sowie von den zum Opfern gebrauchten G(^ r&thnn. Die Männer und alle frommen Menschen durften sich nur auf drei '■'•'••rn. Noch jetzt besteht in jedem Perserhaase eine solche Auf- fflr unreine Frauen. Als normale Zeitdauer der Menses gelten iluaaerste Grenze der neunte Tag; die Isolirung währt unter VcriiAltnissen 4 Tage. Zeigt sich sogar noch nach 9 Tagten

ruo, Dut W»ib. 1 3. Aufl.

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X. Die Reife de« Weibe« (die Pabottat).

Blut, 80 wirkten nach der Vorstellung der Iraner böse fieister auf die Frau ein. 8ie wurde dann sogar mit 400 Schl&gen beetraf't und allerlei Reioigungs-Ceremonien mit Wasser und Kuhham in ibrer Umgebung vorge- nommen. Aach mussten zur weiteren Sübnung Ameisen und andere schäd- Rehe Thiere erlegt werden. Avesta verbietet ausdrücklich den MRnnem ehe- lichen Verkehr mit menstruirenden Weibern. Erat nach entsprechenden Waschungen durfte die Frau wieder mit Menschen zusammenkommen. {Geiger.) Pflegt sie während dieser Zeit Umgang mit einem Manne, so be- kommt sie 20 Riemenstreiche, begeht sie dieses Verbrechen zum zweiten Male. 80 erhält sie 20 Streiche mehr. Der Mann, welcher an diesem Orte mit ihr sich eingelassen, begeht nach Zoroa«ter ein Verbrechen, für welches es keine Aussöhnung giebt; er muss dafür bis zur Auferstehung der Todten in der Hölle büs^en. Hatte ein Mann mit seiner eigenen Frau den Coitos vollzogen, so wurde er „Tanafur", bekam 200 Riemenstreiche oder mosste statt derselben 200 Derecus zahlen. {AU.)

Die Vorschriften fQr die Behandlung menstruirender Weiber stimmen bei Zoroaster und Moses fast ganz überein. Das Weib wird an einen ab- gesonderten Ort gebracht. Alles was sie berührt ist unrein. Nach ZoroasUr muss sie an diesem Orte 4 Nächte bleiben, dann muss sie sich untersuchen, und wenn sie dann ündet, dass die MeoHtniation noch vorhanden ist. noch 5 Nächte an dem Orte zubringen. Darauf zählt sie noch 9 Tage hinzu , wo sie an dem Orte bleiben muss. lässt sich dann nach Vorschrift reinigen, darf dann ihre Einsiedelei verlassen und sich in die menschliche Oeeellschaft be- geben. Die Zahl 9 ist bei Moses auf 7 herabgesetzt.

An diesen altpersiachen Sitten halten auch noch diejenigen An- hänger Zoroasters {est, welche einst (632) durch die Araber aus Persien vertrieben wurden und sich dann in Indien, namentlich in Bombay, niederliessen : die Parsen. Auch bei ihnen mass sich die menstrairende Frau, weil sie unrein ist, an einen abgesonderten Ort des Hauses begeben: man nennt denselben Daschtan-satan, und legt ihn eo an. dass die Sonnen- strahlen keinen Zutritt haben, und Wasser, wie Feuer und Alles, was zum Leben gehört, fern bleibt. Ehemals soll es Öffentliche Daschta-sataa's gegeben haben; doch im Laufe der Zeit verminderte sich auch bei dem Volke der Perser diese Barbarei. Während die armen Menstruirenden in ihren Gefängnissen sitzen, dürfen sie mit Niemand sprechen. Niemand darf ihnen nahe kommen; das Essen wird ihnen von weitem zugeschoben. Erst zwei Tage nach Ablauf der monatlichen Reinigung ist dem Manne der Verkehr mit dem Weibe wieder gestattet. (Du Perron.)

Wie die alten Inder, so pflegen noch heute mehrere Völker Ostin- diens die Meni^truirenden stt^ng abzusondern; dies gilt nicht bloss bei den noch immer den Geboten Zoroaster's folgenden Völkern , sondern auch von anderen. Aeltere Berichte darüber lauten: ,In Oitindienist es Sitte, daa« jedes Mädchen ihren periodischen Blutabgang durch ein mit ihrem Blute gefärbtes Läppchen Leinwand, das am Halse befestigt wird, bekannt macbL* ( Wolf. ') . So lange die Frauen in 0 a t i n d i e n ihre Reinigung haben, erlaubt man ihnen kaum einen Plate im Hause; sie halten sich gemeiniglich in einer besonderen, vor dem Hanse angebauten i"I:ill.<"" m* ^x^,.U■.r, ,..„.. :i>n<«n Kuch das Essen bringt.' {üentil.) Bei dcit ,ta

die Vorschriften der Sitten ii«-»"- "'i'" "i Nayera in Mklabar ist die ' rein: sie mn - --■: > - Koch- oder

38. Tut Menitniirende gilt fttr ^xuaem*

259

mm

zain 7. Tage einschliesslich halbrein, darf doe Zimmer verlaasen, aber noch nicht den Tempel betreten. Das Product einer mengtruirenden Rani (Pris- xeuin) heiset tirra-pickerda (heilige BlÜthen). Die Nayer^Frau sagt in solchen Fallen viitü-darum (fem vom Hause). Verlangt man dann einen Trank Wasser von ihr, «o luitwortet sie: ich bin nicht in Hauee. Bei Er- biurang einei^ Nayer-Haaee« wird ein besonderer Ranm für Wöchnerinnen nnd monstmirende Frauen bestimmt. In Trovancore ist fQr Rania (Prin- ceaannen) in solchen Umständen ein eigener Palast vorhanden. {Jagor.''')

Besondere Formalitäten beobachten bei solchen Gelegenheiten die Hindus, wie aus den Schriften Nittia carma und Padmapurana her- vorgeht: „Sobald eine Ftuu ihre Regeln bekommt, so wird sie in ein ab- gesondertes Local gebracht und ea darf 3 Tage lang Niemand mit ihr verkehren. Am ersten Tage betrachtet sie sich als eine Paria (der Autor nimmt an, die Frau sei von höherer Kaste). Am zweiten Tage hält sie sich in gleicher Weise für unrein, als ob sie einen Brahma getödtet hätte. Am tten Tage befindet sie sich in einem Zustande, der die Mitte zwischen beiden voraupgegangenen Tagen hat. Am vierten Tage reinigt sie sich durch Abwaschungen and alle die für diese Gelegenheit vorgeschriebenen Ceremo- nien. Bevor dies geschehen ist. darf sie weder baden, noch irgend einen Tbeil des Körpen waschen, noch auch weinen. Sie muss sich hüten, In- leden oder irgend ein lebende« Wesen zu tödten. Es ist ihr verboten, ein Pferd oder einen Ochsen oder Elephanten zu beateigen, sich im Palonkin tragen 7.u Uäsen oder im Wagen zu fahren, ihren Kopf mit Oel zu salben, h ein Spiel zu spielen, Wohlgerüche, wie Moschus u. a. w., an «ich zu bringen, ^^ttuf einem Bett zu liegen, nm Tage zu schlafen, die Zähne zu reiben nnd ^K4en Mund «uszuspilleD. .Schon der Wunsch, mit ihrem Ehemanne zu coha- ^HbiÜren, ist eine grosse Sünde. Sie darf nicht denken an Gott, noch an die ^■{Sonne, an die Opfer und Gebete, zu welchen sie verpflichtet ist. Sie soll ^Hf ersonen höheren Ranges nicht begrttssen. Wenn «ich mehrere Frauen, ^™^die ihre Regel haben, zugleich in einem Gemach befinden, so dürfen «ie ^ kein Wort miteinander wechseln , noch sich untereinander berühren. Eine Frau in diesem Zustande kann sich nicht einmal ihren Kindern n&hem, w ist ihr versagt, sie anzufassen oder mit ihnen zu spielen. Hat die Frau demgemäsB drei Tage zugebracht, so verlaust sie am vierten das Ge- mach, in dem sie abge8chlof.«en war, und man übergiebt sie den Wäscherinnen zur Reinigung; sie zieht ein reine« Hemd an, und darüber noch ein zweites, und 80 führt man sie zum Flu^ise, um ein Bad zu nehmen.* (DulxnsJ

Die im Norden I ndiens wohnenden Stämme von Ureinwohnern befolgen

zum Theil gleichfalls den Brauch der Frauen- Absonderung. Bei den Oauri,

.-inero sanskritsprechenden, nicht dem Zoroaster anhangenden Volke in

Bengalen, existirt folgende eigenthümliche Sitte. «Es begiebt sich jedes

lOdohen nnd jede Frau, sobald sie ihre Zeit bemerkt, schleunigst aus

ihrer Wohnung und geht nach einer kleinen auf dem Felde besonders

«tehendcn Hdtte, so von Baumil«ten als ein Korb geflochten ist und vor

aleher vorwärts ein langes leinene» Tuch herabhängt , welches als Thür

«au So lAiiKe als ihre Menstruation währt, wird ihr alle Tage sa mmb

1^ '" Viü Zeit verflossen ist, schickt »ie je nach Umständen dem

. ein junge» Huhn oder Taube zum Opfer. Nachher geht

ladrt ihre Verwandten zu einem Mahle ein.* (Tac^ni^r.)

. den Gebirgen und Thälern des Hindu -Ku«h wohnen

■', welche die Frauen ebenfalls bei jeder Menstruation

vom Dorfe entfernt stehendes Gebäude sich zurück-

260

X. Die Reife de» Weibes (die Pubertät).

»eben la-seen , 'weil sie dieselben für unrein halten. Auch hier inÜRBenl sich die Weiber zum Sciilusse einem religiöaen ReinigangsverCüiren unterwerfen. Dageg^en findet bei den Badagas im Nilgiri-Gebirge die] Absonderung der Mädchen nur filr daa erste Mal des Menatruations- Eintritte statt. (Jagor.)

lu Siftm gilt die Frau zur Zeit der Menstruation für unrein (nach mündlichen Mittbeilungen Sclwmhurgk's).

Die menstruirenden Mädchen und Frauen müssen bei den Chewauren (im Kaukasus) in entlegenen Hütten als ^unrein* gesondert leben; solche aus Schieferplatten hergestellte Häuschen sieht man stets in der Nü.be der Cbews urendörfer. Wllbrend dieser Zeit müssen die Weiber alte Kleider anziehen. Ist schönes Wetter, so sitzen die Weiber auf dem Dache, und im Sommer leisten sie in der Vertilgung von allerlei Ainlden Kräutern das Un- glaubliche. Abends aber müssen diese ^unreinen* Wesen doch die Kühe besorgen, und dann begeben sie sich zur Nacht wieder an den abgesonderten Ort. Der Process der Menses verläuft in normaler Weise, länger als zwei Tage sitait selten ein Chewauren-Weib in der „Samrewlo-Hütte*. {Raddt.) Bevor die Frau wieder ins Dorf kommt, muss sie sich am ganzen KOrper^ waschen.

In China tragen die Frauen während ihrer Menses ein als Enveloppe Busaminengefaltetes Papier vor den Geschlechtstheilen zwischen den Schenkebi h und fangen in dieser Papierdüte das Menstrualblnt auf; dabei befestigen fle^| an einem Gürtel ein Tuch, das zwischen den Schenkeln hindurchgezogen wird und durch welches die Papierdüte an ihrem Plat2,e gehalten wird, unsere europäischen Damen sind gewöhnt, einfach ein Tuch zwischen den Schenkeln während ihrer Menses zu tragen, allein in China verweigern die eingeborenen Dienerinnen ein solches mit Menstrualblut verunreinigtes Tuch xu waschen; daher sehen sich die europäischen Frauen in China genOtkigt, ebenfalls jene Papierdüte bei der Menstruation zu tragen.

In Japan bestehen ähnliche Vorrichtungen, welche die Frau w&hrttid^| der Menstruation benntst, und an denen sie selbst einen ziemlicb genauen ^^ Anhaltspunkt Über die Menge des Henstrualblntee besitzt. Hierüber könnt« Wemich Niifaere« erfahren. Zunächst wird nämlich statt de« gewöhnlich um die Uüfte geschlungenen Tuches eine wohlconstruirte T-Binde angelegt, welche Kama (»Pferdchen*) genannt wird. Doch soll dieselbe keineawei dazu dienen, die Flüssigkeit aufxufangeo. Dies geschieht vielmehr auf an den Weise. Die sich der Reinliclikeit befleis$igenden orientalischen Volk b«traeht«& bekanntlich jede Verunreinigung mit einem Körpersecret (Blnt^^ SitAT-, Käsen- und Bronchialschleim) als eine so starke, dacs sie ein der- artiges besehmutstes Kleidtutgs- oder Wäschestflck in der Regel nicht m?hr an den Lei b bringen. VielfAch erwähnt wird die That«ache bei der 1 boag der papierenen jaiianosischen und chinesischen Schnu^ In noch höherem Grade gilt das Menstnnlexeret als ein tuireines, and aactt «a seiner Aafsaogung wird Papier Tcrwandt. Die Fnuwa kaelKn buj i<ii der aleU (au «tir>ichietleu«n Zwecken) in gritmnm Vunath Pliptflri>MII«r «ine etwa knacViivm.!«! «oh di««9 je nach BetÜrflüs* Periode «. B. da* Tb--"— *- mehnre Mal« vor. von n - ' "'^

Fluai

38. Die Menstruirende gilt für .nur

'Aus der Zahl neun, die während eine» Menstxualtages verbraucht wird {6 \>iK 12 Stück), machen die Frauen einen Schlues auf den guten Ablauf der Periode und auf die Reichlichkeii derselben. Diese letztere und eine kurze Daaer gilt vornehmlich für ein Zeichen guter Gesundheit; weit weniger Gewicht wird auf Oonsistenz, Farbe und etwaige Beimengungen gesetzt.

Bezüglich des Yerhaltens der Japanerinnen während ihrer Periode gelten, nach Angabe Wa-nich's, der hierüber Angaben sammelte, als ganz allgemein die Verbote den Badens, des Coitus und anstrengender Arbeit. Auch fürchten sie sehr etwaige Erkältungen, welche sie ganz charakteristisch Shimokase (Wind von unten) nennen. In einzelnen Provinzen des Innern von Japan, speciell in Hida, ist den Frauen während dieser Zeit der Tempelbesuch und das Beten zu den G6ttern oder guten Geistern auf das Strengste untersag; in andern müssen sie aog&r die ganze Zeit in abge- sonderten Gemächern zubringen und dürfen nicht mit ihren Familien toaammen essen. Bemerkt die Frau das Aufhören des Blutäuases, so niuimt «ie ein Bad, zieht andere Kleider an und legt die T-Binde ab. Mit diesen Regein, sowie mit der Auffassung des ganzen Vorganges werdeu die jungen Mädchen frühzeitig bekannt, indem sie den Gesprächen der etwas älteren Mädchen und der erwachsenen Frauen zuhören. WernicJ^ glaubt, aus der Erklärung und Ableitung der sämmtlicben Ausdrücke für „Menstruation' einer Reihe ganz verständiger anderweitiger Auffassungen, aber nirgends der bei uns immer populären zu begegnen, dass die Menstruation ein Reinigungsact sei. So betrachtet also die Japanerin das auegefiosseno Blut als ein höchst unreines vielleicht das unreinste Excret , verräth aber in keinem der geläufigsten Ausdrücke, dass ihr Körper dabei oder da- durch gereinigt werde. Man urtheile selbst. Der gewöhnlicluite Ausdruck j int ,Gek-ke", was einfach monatliche Regel bedeutet. ,Mengori* oder ' ,Megori*, das demnächst gebräuchlichste, etwas feinere Wort ist wörtlich Cirkeltour oder dasjenige, was regelmässig wiederkehrt. ,Akane Son-ke' (ein etwa« ordinärer, vielfach in Volksliedern und Witzen gebrauchter Aus- druck) heisst «RothCäTbung'; .Geschin* heisst monatliche Botschaft oder Ver- kündigung, und sJakh' heisst einfach: Pflicht. Die beiden letzten sind schon [etwas ungebräuchlichere Bezeichnungen.

Unter den Samojeden gilt das Weib überhaupt als unreines Wesen,

aber zur Zeit der monatlichen Reinigung am meisten verachtet; da

Aoaa sie gar oft über das Feuer schreiten und mit den Dämpfen von Renn-

[thierhaaren oder Bibergeil sich räuchern; da darf sie keine Speise für

MiLnner bereiten und ihnen gar nichts durreichen. CPaUas.J

Auf den aleutischen Inseln dauert die Absperrung für Frauen und iMädchen jedesmal 7 Tage; sie ist dort durch das Eindringen des Christen* |4hums ziemlich abgeschafft. Bei den Ttjnai sah Capitän Sagoakin im Jahre |]^2 die mcnstruirenden Weiber mit achwarzbemalten Gesichtern unter einer [ledernen Zeltderke abgesperrt. Die Koljuschen auf Sitcha sperren nach CrnMn <l 'u und die Frauen drei Tage lang ab.

_A.eli' nilen wir bei den UrvClkem Amerikas sowohl im Süden,

im höhten Norden. Die Guajquiries am Orinoco glauben.

in eine munstruirende Frau ihr Wasser lässt, dadurch eine Dürre ent-

ii und das*, wenn irgend ein Mann dahin urinirt, wohin sie den Fuss

.,,. „•..ir-(«>n iijtn seine Schenkel aufschwellen. Sie fasten des-

it sie kein Gift mehr enthalten, sondern dies voU-

-.u uiul vergehe. (GumiUa.J Schon Güi hatte im vorigen

. duss (Üe Frauen der Indianer am Orinoco während

262

X. Die Reife dea Weibes (die Pubertät).

jeder Menütrnation fasten müBsen. Auch die Frauen anderer Indianer vOlker Sfldanierikaa, e. B. der Maja's nach v. Azara, sowie der Payagua nach Benffger, müssen bei der Menstruation eine besondere DiM beobachten; die verheiratheten Frauen der ersteren dürfen überhaupt niemala Fleisch von Kühen und Ochsen genieasen; während der Menses ernähren sie sich lediglich von Gemüsen und Obst, sie vermeiden zu dieser Zeit Allet, was fett ist, denn sie meinen, das» nach dem Genuas von Fett in dieser kritischen Zeit Hörner auti der Stirn wachsen. Manche Stämme Süd- amerikas sondern die Menstruirendo ängstlich ab; es werden ihr besondere Cabanen angewiesen und Hie dürfen sich nicht erlauben, irgend etwas an- zurühren, was noch gebraucht werden könnte. (Tm Potherie.)

Die Frauen der Indianer Nordamerikas beobachten zur Zeit ihrer Menstruation sehr gros^eu Anstand. In jedem Wohnorte oder Lagerplatze befand sich ein Gebäude, wo sowohl M&dchen als Frauen während jener Periode verweilten und von der Übrigen Gesellschaft auf das Strengste ge- sondert waren. Die Männer vermieden unterdessen alle Berührung mit ihren Weibern; und bei den Nodowesaiern hätte man es unter keiner Bedingung gestattet, irgend welche Gegenstände aus dem Orte des Aufenthaltes der menstruirenden Frauen zu holen. (Carver.J Auch die Weiber der Crih- Indianer dürfen sich während der monatlichen Reinigung nicht mit den Männern geschlechtlich vermischen. ( Hiduirdson.) Der Maler Kerne, welcher die Ojibeways am Uuron-See besuchte, schreibt: ,Zu gewissen be* stimmten Zeiten ist den Krauen nicht der geringste Verkehr mit dem übrigen Stamme gestattet, sondern sie müssen eine Hütte nicht weit vom Lager bauen, in der sie bis zu ihrer Genesung völlig abgeschieden leben.* Aehn- liche Erscheinungen in Brauch und Sitte gehen durch den ganzen hohen Norden des amerikanischen Continente. Die Indianer am Stnarts- Lake und Fraser-River in British-Nordamerika scheiden ihre Frauen während ihrer Eatamenien vom Stamme ab und legen ihnen auch Speise- vwrbote auf. (HamiiUm.) Und bei den Eingeborenen im Westen der Hud- sonsbay, den Athapasken, den Huudarippen- und Kupfer- Indianern, dürfen die Weiber während dieser Zeit nicht in einem Zelte mit ihren Mrinuem bleiben, sondern sie kriechen in kleine, elende Hütten in einiger Entfernung vom Lag«r der Horde. Die Weiber benutzen zuweilen diesen Gebrauch, um sich auf einig« Zeit der üblen Laune ihres Eheherm XQ entziehen. Bei den Oroahn-Indianern wird die Menstruation als «sa Wttktmda gehörig" betrachtet. In der Mj-the vom Kaninchen und dem schwarxen Bären w*if liacteingt, das Kaninchen, ein Stück vom schwarzen Bären - Häuptling g«gen seine Grossmutter, verwundet« sie und veranlasste hierdurch, dass sie di« Katamenien bekam. Seit dieser Zeit sind die Weiber damit behaft«t. Unter den Omahas und Ponkas macht die Frau auf Tier Tage ein abgesondertes Feuer, in einem kleinen Räume, und wohnt getreoui vom übrigen Haushalte. Sie kocht und isst allein und sogt Niemandem etwas von ihrem Unwohl.^ein. nicht einmal ihrem Ehe^ratten. Erwachsene Leute (Urohten sie nicht, aber Kinder haben Ursache den Geruch zu fOrchten. welchen nie vorbrt>itt>it. Woia eias mit ihr isst, bekommt ee eine aus- zehrende BruKtiTTinkheit aad smm Lippen verdorren im Umkreise von zwei ZoU. Sein Blut winl sohvart und das Kind nntss breohea. Am vierten o44r fünften Tage badet sie tioh and wS«chi ihr Geschirr a. s. w DAitn durf sie in ihren Haasbftll Stti11dk)nlu«o. Sine andere. ebenfalL« m i^a

darf mit ihr umtninenwoham. V^Lbrend der Begel wolle < lüt

Oirea ITmimii vcdcr aosMiiiaen Uegeti, noob tamu, und sie

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88, Die Menstniirende gilt für ,,unreia'

SchÖMel, Napf oder Löffel benutzen. Seit über 10 Jahren, wo die mehr mit den Weissen in Ber&luniag kommeii, ist die Sitte, nicht von denelben Schüsael zu essen, abgekommen.

Auch bei den Eskimo der Nordweatküate Amerikas gelten die Mftdchen und Frauen für unrein; sie dürfen nicht mit den übrigen Haus« bewohnem gemeinsam dieselben Speise- und TrinkgeHlBse benutzen und be- dienen sich während dieser Tage besonderer Geschirre. CJacob«en.)

Dt<r Brauch der Absonderung der Menstruirenden als einer „unreinen* geht auch durch ganz Afrika. Auf der Westküste verbieten die Ibu- Neger in Old-Calabar der Frau, das Haus zu verlassen; dieselbe muss auf einer Art Nachtstuhl mit untergestelltem Gefass sitzen. (Heican). Bei den Negern an der Guinea-Küste, sowie an der Zahn- und Elfenbein- Kflate (in lasinij hat jedes Dorf eine abgesonderte, an hundert Schritt von der Wohnung entfernte Hütte, «Bumamon" genannt, in welche sich alle Weiber und Mädchen begeben und sich des Umgangs mit anderen Menschen enthalten müssen, bis die Zeit der Reinigung verflossen ist; während dieser Zeit wird ihuon der Lebensunterhalt dorthin gebracht. (Loyer.) Bei den Cougo- Negern iDÜsieo MeuBtruirende volle sechs Tage in Abgeschlossenheit leben und dürfen vor Niemandem sich blicken lassen; geschieht hierin ein Versehen, so fangen die sechs Tage von neuem an. Nach Ablauf dieser Zeit muss die Frau mit iTother Erde und alsdann durch ein Bad sich reinigen. CDeffrandpre.J Unter den Negern der Loango- Küste (Bafiote) bleibtcdas menstruirende Weib den Hütten fem, in welchen Männer hausen; die Frau gilt also während dieser Zeit für unrein. (Pechuel- Loesdu.) Hier wird ein Stoff (genannt Taknlla), welchen ein im Majombe- Gebiet wachsender Baum liefert, zu Pulver verarbeitet und dazu von den Weibern benutzt, sich zur Zeit der Periode roth zu bemalen. Während der Menstruation wird die Reinlich- keit, welche die Bafiute- Neger an der Loango-Küste überhaupt aus- zeichnet, nicht vernachlässigt; man wäscht und badet sich ohne Rücksicht EU nehmen auf den jeweiligen Zustand, welcher überhaupt die Betreffenden ireDig KU alteriren scheint. (Pechuel-Loesche.J Auch bei den Aschanti in Westafrika sondern sich die menstruirenden Weiber von andei'Cn ab. fBotcditsch.J Dasselbe geschieht unter den weiter im Innern wohnenden Kalunda- Negern in der südlichen Hälfte des Co ngo- Beckens; die Frau des gemeinen Negers wohnt alsdann hier allein in einer besonderen Hütte und darf nicht für Andere Wasser holen oder Speisen bereiten; die vor- nehmen Weiber verlassen mit ihrer nächsten Sclaven-Umgebang ihre officiellen Wohnungen, um in entfernten, einsam gelegenen Wohnungen die Zeit ihrer Beinigung abzuwarten. ( Pogge.)

Dieselben Sitten behielten die Neger, welche als Sclaven nach Süd- amerika übergeführt wurden, und dann wieder ihre Freiheit erhielten, fast unverändert bei. Bei den freien Negern in Surinam müssen die Frauens- personen während der Dauer ihrer monatlichen Reinigung in einem besonders dazu eingerichteten Hause verweilen. Auf dem Wege in dieses Quarantäne- Baus musH die Frau «ich sorgfältig hüten, dass sie keiner ihr etwa begegnen- den Mannsperson den Rücken zukehrt, noch weniger darf sie Jemand hmter «rieb gehen lasNon, sondc^ra sin mui«, sobald ihr Jemand näher kommt, so lange stehen blrtlben, bj« die Person vorüber ist. Ereignet es sich, dass ihr auf diesem Wngo «jn Mann oder i^in« Frau entgegenkommt, so bleibt sie

i..lcich »t<"hen und ruft diT l'«r»on mit ängstlicher Stimme entgegen: ml i^ ' ' rni V:\v\ (ich bin «iifoinf» Ihrn« Mannes Wohnung darf sie nicht eher

^ ' i' ' t-n, al« ).i!» All«« »orüber ist. Wenn sie während dieser Zeit

X. Die Reife des Weibes (die Pubertät).

auH ihrer Wohnung etwas nOthig oder bei einem Nachbar eine Verrichtang hat, 80 musB sie au der Haustbür stehen bleiben und das BenOthigte sich herauülangen lassen und sofort wieder vorsichtig nach ihrer Herberge eilen, wie sie denn auch während dieser Zeit mit keiner anderen Frau Umgang haben darf. (Hiemer.J

Die Mehrzahl der Volksstämme Südafrikas, die Eaffera. Hotten- totten und Gonaquas übten, wie Le Vaillant fand, ähnlichen Brauch; derselbe berichtet: „Wenn bei diesen Völkern eine Frau oder ein Mädchen die Vorboten der Menstniation spürt, so verläset sie sogleich die Hütte ihres Mannes oder ihrer Eltern und bleibt in einer gewissen Entfernung von dem Wohnplatze der Horde, mit welcher sie alsdann keine weitere Gemeinschaft hat. Gewöhnlich errichtet sie für sich eine Hütte, in welcher sie sieb so lange verschlosaea hält, bis die Menstruation vorüber und sie durch BUer gereinigt ist." Lc Vaillant macht bezüglich des zu dieser Zeit hervortreten- den Schamgefühls folgende Bemerkung: ,Da zu solcher Zeit die Kleidung dieser wilden Frau ihren Zustand nur sehr anvollkommen verbergen kann, so würde ein solches Weib dem Spotte der übrigen ausgesetzt sein, wenn man äusserlich die geringste Spur ihrer Krankheit entdeckte: ein dergleichen verspottetes Weib würde alsdann die Zuneigung ihres Mannes oder Lieb- habers sogleich verlieren. Man sieht also, dass diese natürliche Schamhaftig- keit lediglich in dem Bewusstsein ihrer Unvollkommenheit und der Furcht zu mis«fallen gegründet ist." Le VaiUatU hebt schliesslich ausdrücklich hervor, dass in diesem Gebrauche die Bedeutung einer religiösen Cereraonie nicht liege und dass er bloss der Reinlichkeit und des Anstanden wegen eingeführt sei.

Von den Kaffern sagte AJberti nur. dass ihre Weiber während der Menstruation von den Männern getrennt bleiben. Von den Hotten- tottinnen wird auch von mehreren Seiten bestätigt, dasa sie sich während ihrer Menses in eine abgesonderte Hütte zurückziehen, und dass sich bei einigen Stämmen die Weiber obendrein ihr Gesicht mit einem brillennirroigen Zeichen zu bemalen pflegen. (Novara.J An der Ostküste Afrikas bleibt bei den Szuaheli nach Keraten das Mädchen nach der ersten Menstruation 40 Tage lang im Hause; es ist mir nicht bekannt, ob beim weiteren Men- struations Eintritt ähnliche Vorkehrungen getroffen werden. Bei den Ma- kololo und anderen Stämmen des Marutse-Mambu nda-Reiches am Zambesi in Afrika wird die verheiratheta Fruu während der Zeit ihrer Menstruation für unrein gehalten und moss durch 7 Tage ihren Mann meiden; gewöhnlich muss sie sich in einer Nebenhütte instaUiren, und dazu dienen namentlich die backofenförmigen Häuser in der Hofunifriedigung der königlichen Weiber. (Hoiwb.)

Jh^ Völker der Südsee, die Polynesier, Melanesier und Mikro- neaier, sind ebenfalls Anhänger des Glaubens an da« ünreineein der Men- struirenden. Aul den Marianen-, Carolinen-, Harschall- und Gilbe rt- Inseln gelten nach Mertens' Bericht Menstruirende für unrein. WilMn, Niettolaa und Ander« bestätigen, dass auf fast allen Inseln Polynesiens die Weiber während ihrer Periode .unrein" und von dea Männern ge- trennt sind.

Auf Yap, einer der westlichen Carolinen-Inseln, wird jede Frau während der Menses abgesondert; sie lebt dann in einer Hütte, die entfernt vom Dorfe iat, einem .As}'! für Frauen'; sie gilt für anrtfin und iliu-f «ich nicht im Dorfe sehen lassen; dieii«lbe Uütt« wird auch von den Frau<m nach der Entbindung als Wohnung fllr ihre Isolimng benutzt. Dies £a&d d**

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Aaf aidbvetCB laaela da alfaricehea Aidöpeb vixd dac Meaitnift- tMaebfait als aekr aareia betodtteL Die HldrhM aad Raaea rteekea äcät xa dieser Zeit TaDpoas aas areieh gcUopftem Baombaat ia die Scheide, aad na werden wihreDd der B«gel Toa den Mioaera aidit gesdilerhÜJA bertikrt. auf den Seranglae-Iassla sogar tob dea Mioaeia gaoöedea. Sie dttzfta kam Feld aad kexaen Garten besadMa, keia Garn flrbea and lieia FSaeiteB aieht gegen wirtig sein. Aaf dea Aara-Iaaela dflbtfca ne aidrts pUMiswii. koehea oder Enbereiten, aac^ airfat badea oder ndi wasrhna. Voa ibren Umien sondeta ne ödi abu INe Etar-Iasalaaer Tcraieiden MngflQCäg die Nibe der Httten, ia aekhui die UMrhfa öeb wibread der Meastma- tion anfbalten ntflssea. Deaa wer caliSig anf Meastraalbhit tziti, der wiid im Kriege aad in anderen Cntcmckaniagea aa^fldlieb aad ia j«der Be- nehaag kraftlos. Aa^ aaf den Watabela-Iasela briagt das Menstrasl- Uot den llianern üaglaek. (BieieL^J

In Tabiti reibt man die Fraoas wlbrend der Periode mit Karknma ein, das dort als Priserratir gilt. (JÜmrmer.J

In Neobollaad geltea bei den Eingeborenen die Weiber wSbrend der Periode 7 Tag« lang fBr nnrein, and so lange entbaUen ridi ibrer die X&nner; sie wobnem dann ia einer abgesonderten HOtte fBr sieb. (Stkmrmaim.)

Wie weit robe VoDcer ia dem Glaaben geben, das» das menstroirende Wöb •giftig* sei, seigt folgendes Beispid: „Ib Jahre 1870 tOdtete eiaAostra- lier in der Nibe tob Townsville sein Weib, weO es sieb zor Zeit der Menstraation in die Decke des Mannes gebfiOt hatte and so diesem Scha- den brachte. (ArmiL)

Die Ansieht, dass die Ifenstndrende anrein and schaden bringend sei, fand sidi and findet sieh noch aneh in Deotscbland.

In pdes getreaea Eekartkt anvorsichtiger Hebamme*, die in Anfsnge des 16. Jahrimaderts ersehiea, steht geschrieben: «Dieses aas- gewoxfene monatliche Blot ist aidit, wie einige vorgeben, ein so gutes Bhit, wie es ans denen Adens gelassen wnrd, oder ans der Nase and Hals gebet, sondern ein scharfes, anrönea and gleichsam dnich dea ganzen Leib aas- gesondertes Geblfit, welches dnnb dergUäeben AbstOsse, gleich einem Qifft, sowohl Menschen als Vieh nnd andern Sadien schadea kann. Wo dergiächen Geblfit hinflUlet, ist es als dn Scheide -Wasser, nnd Hast in denen Tfiehem, aoch nach dem geaaaestea Aaswaadien (wdches ein ander Blnt nicht that), einen rGthlichen Flecken nach sich, man erfiUixet, daas ön Spiegel, in welchem eine dergleichen Franenspersoa nnd Jangfer sich bespiegelt, gleich denen Aagen rande Circkel-formige Flecke bekommt, welche nidit wieder können abgebracht werden, Tomehmlich die von schOnem Glase, und mit Zinn and Qoeckailber beleget sind. Zuweilen wird man aach aaf dem feinen Zinn gleiche Merckm&l finden, ko will man aacb vorgeben, ob solten die Weine, die zn der Zeit von einem Weibsbüde traktirt würden, verfallen and ihre Krallt vediehren. Einige wollen behaapten, dass wenn man ein Haar einem Fraaen- aanser zar Zeit dieses Aaswnris aosiiehet and io den Mist vergrabet, eine ^kUaage drans werden solL Diaaea ist gewiss, wann ein dergleichen Mensch

v^ad« beschanat, diaadhe nickiwdbl sa heilen ist, nnd woiem sie im

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X. Die Reife dea Weibes (die Fubert&t).

Zorn einen Menschen beiaaet, und mit denen Zähnen verwundet, gar gefilhr-' liehe nnd unheilsame Wunden entstehen. In Candia und Cyperu sollen solche Bisse so übel gerathen, dass die Gebissenen (gleich von tollen Hunden geschehen), in eine Raserey gerathen, und daran sterben, wie gemeldete Per- sonen denen armen Kindern schaden (welches man das Besclireyen nennt), ist bekannt, sehen sie darzu in Monden, und beschanen einen Menschen, ist^ es weit ärger." (Et^arih.)

Guarinonvts giebt den Weibern folgende Yerhaltungsregeln während der ' Menstruation :

Die Töchter lass nicht unter d*Leut, noch Hochzeit noch Tantz,

Die verehelichten mercken besonders auff, ihre Schantz,

Damit sie zu wehrender Blumens Zeit

Von ihren Männern sich schrauffen weit,

Nicht greinen, nicht zürnen, nicht schlagen umb,

Sonst schlägt das Gifft in d'Glieder, und werden krumb,

Die jungen Kinder nicht viel küssen noch berühren.

In der Küchel die Speise nicht selbst anrühren,

Nicht in die Keller, noch zum Weinfass gehen,

In Gärten umb die jungen Bäumblein auch nicht stehen,

In keinen reinen Spiegel hinein sehen,

DabejmbE stiU sitzen, dafflr neben,

Sich flonsten auch gar wol verwahren.

Das leinen Tuch hierinn nicht zu fast sparen,

Damit nicht das unwissend Hausagesinde

Das Gspor der Kranckheit auf dem Boden finde. In dem Volke sind derartige Anschauungen aber auch beute noch er- halten und zwar gar nicht selten sogar bei den sogenannten gebildeten Ständen. Es darf die Menstrairende nicht in den Keller, weil man glaubt, durch ihre Ausdünstung verderbe der Wein. Betritt im Meininger Oberlande eine menstruirende Frau eine Brauerei, so schlägt das Gebräu um-, von einer solchen Frau Eingemachtes hält sich nicht; Wein, Essig, Bier, das sie ab- zieht, verdirbt. (Schleicher,) Ein solches Weib darf nicht pflanzen und nicht« Oepflanztes berühren, sonst geht es ein, wie man in Schlesien meint [Wuttke). Demgemäaa irrt Krieger, wenn er sagt: ,Wir begegnen jetzt nicht mehr dem Glauben, dass eine menstniireude Frau durch ihre blosse Gegenwurt das Verderben der in Keller oder Vorrathskammern aui- bewahrten Milch, des Weins u. s. w. bewirken könne." Dieses Vorurtheil be- steht im Gegentheil bei einem nicht geringen Theile des Volkes noch immer. In Schwaben gilt Menstrualblut für Gift. Weiber sollen damit schon öfter ihre Männer vergiftet haben; wo das Blut hinfällt, wächst kein Gnis mehri der Coitus mit einer Menstruirenden soll Tripper erzeugen. In Schwaben glaubt man aber auch, dass der Schlossbrunnen auf der Dietenburg (bei Erisburg) unreine Weiber reinige, wenn sie »ich ihm sahen; jedesmal überziehe er sich dann auf einige Zeit mit einer rothen Haut (Stiel'.) In der Gegend von Königsberg i. Fr. beisst es nach den Mittheilungen des verstorbenen Hildtbrandt , dass, wenn ein Mädchen an ihrem Verlobungstage menstruirt, die.(« ihr für das ganze Leben Un- glück bringt.

In Portugal existirt dar Glaube, dass die Frauen, welche ihre Menses haben, von Eidechsen gebissen werden; deshalb pflegen die Frauen dort zninj Schutz Hosen zu tragen. {Rfy-)

89. Dm MenacrnäT

sei- Bnc

39. Das Menstrualblnt als Arznei- und Zanbermittel.

Von der Anschauung, dass das bei der Menstruation aus den Geschlechtstheilen ausfliessende Blut auf alle möglichen Dinge eine schädliche oder sogar giftige Wirkung auszuüben im Stande sei, war e nur ein Schritt zu dem Versuche, ob diese Verderben und Unter- gang bringende Giftigkeit sich nicht auch an dem Feinde der Mensch- heit, an der Ki-ankheit, bestätigen würde. Man kam also dazu, da» Menstrualblut als Medicament zu benutzen. Es handelte sich hier aber keineswegs allein um Arzneimittel, welche vom Volke nach eigener Initiative heimlich und hinter dem Rücken der Aerzte an- geordnet wurden, sondern diese letzteren selbst verordneten es, wie wir in älteren medicinischen Werken finden können. Dem Men- strualblute traute man nach Flinins folgende Heilkräfte zu: durch Bestreichen mit demselben glaubte man Podagra, Kropf, Speichel- drüseuent^sündung, Rose, Furunkeln, Wochenbettfieber, den Biss toller Hunde, Epilepsie, Kopfschmerz etc. beseitigen zu können {Äbt).

Da aber das Ungewöhnliche, das Absonderliche sich von jeher unter den vom Volke geschätzten Heilmitteln eine hervorragende Stellung erobert hat, so ist es auch in unserem Falle sehr häufig nicht jedes Menstrualblut, dem die heilende Kraft innewohnt, son- dern es muss dasjenige sein, welches ein Mädchen als das erste Zeichen ihrer eingetretenen Geschlechtsreife von sich giebt.

Vehch nannte das erste Menstrualblut einer Jungfrau: Zenitb. Die gefärbte Wüsche getrocknet und mit Rheinwein oder Acetum scilliticum extrahirt, giebt ein Medicament zu verschiedenem Ge- brauch. Ettmiiller gab es innerlich gegen Epilei)8ie. So auch Andere. Auch gegen den Morbus comitialis ist es gut. Ebenfalls

gegen den Stein auch als Emeuagogum. Als letzteres auch in rod eingesclilossen, zusammen mit Theriak, gegen Tertianfieber.

Wird es Jemandem mit Wein beigebracht, so kann er mond- süchtig oder liebestoll, auch wahnsinnig werden. Auch ist es gut »wider das Verschlagen (contractura) der Pferde*. Auch äa'^serUch wurde es gebraucht gegen Blutungen, Metrorrhagien, Erysipelaa, Gicht etc. Ausschläge, Muttermäler. Kropf, Augenkrankheiten, Pest, Biss vom tollen Hunde, Würmer, Brand u. s. w. (Schurig^).

Aber nicht allein als Medicin im gewöhnlichen Smne, sondern auch als Amulet und Zaubemiittel ist das erste Menstrualblut einer Jungfrau zu gebrauchen. Danid Becker erzälilt, da.<J8, wenn man im Felde ein mit dem ersten Menstruationsblute beflecktes Tuch an einen Stock heftet, an dieser Stelle die Hasen so zusammen- laufen, dosa man sie leicht schiessen und selbst mit den Händen greifen kann.

Die in .Tudäa wachsende fabelhafte Pflanze Barbaras, deren Berührung den Menschen Wultet, kann nur dadiu-ch unschädlich gemacht werden, dass man sie mit der Wxjrzel ausreisst. Dieses

268

X. Die Reife des Weibes (die Pal

ist aber imniöglich, wenn man sie nicht vorher mit Mensfcruations- blut oder mit Frauenvirin begiesst, (Valentino Andrea Modlen- hroecioJ)

Wir lesen in des getreuen Eckarih's unvorsichtiger Heb-Amme:

„Ho BCheinet es doch, alü wenn das Menstruum virginis primam vor andern einen Vorzug habe, wiewohl manche es allzuweit in ihren Tugenden exaltiren, und ausbreiten wollen, dannenhoro ich allen Eltern rathe, dass sie das erste Gebliite, welches von ihren Töchtern ausgehet, wol in obacht nehmen, denn wofern ein boaghafftiges etwas davon habhaflft würde, kan ea der Person von der üolches gegangen ist, schaden. Die alten G othen und Finnen, aU auch Lappländer, gebrauchten sich deanelben entgegen der Zauberey in ihren Schifffahrten, dann wann ein Schiif an seinem Gange durch Zauberey ver- hindert wurde, nahmen sie ein aolch Flecklein, machten es feuchte, und be- strichen damit die obersten Theile der Un]g&.nge, womit die Zauberejr wiche. Ein Mllgdlein, die von ihrem eigeuen Menstruo primo ein beflecktes Stücklein mit ein Wenig Farrenkraut Wurzel in ein Tüchlein eingenehet am Halse trllget, wird nicht leichtlich von bösen Leuten angetastet werden."' Es bringt auch, auf dem blossen Leibe getragen. Glück im Spiel, und Sieg im Kampfe, mit warmem Essig keilt es die Roee, es d3.mpft das Feuer und heilt in das Trinkwasser getban verschlagene Pferde und Schweine und Hunde, .wenn sie finnigt und scbäbigt seyn". Jedoch ist es am wirk- samsten, «wenn ein Sohn von seiner leiblichen Mutter das primnm mea* straum zu einem Angehencke haben kann". ,Ia Italien und andern Orta pflegen einige Leute diese mit dem primo menstruo befleckte Tücher zu ver- kauflfua, weil man aber des Vortheils halben, da es wol von andern oder mehren mal kan genommen seyn, des rechten nicht gewiss seyn kan, ist nicht wol SU trauen. Weswegen am besten, dass man von redlichen Leuten solches zu bekommen sich bemühe. Vorsichtige Eltern aber sollen sich wol in acht nehmen und zusehen, wem sie es geben, denn mit selbigem man per magnetismum ihnen grossen Schaden und Unfug zurichten kan.*

Dass das Menstruationsblut auch zur Bereitung von Liebes- tranken benutzt vforden ist, das werden wir später zu besprechen haben. In Schwaben braucht man noch nach heutigem Aber- glauben zum Schmieden allzeit siegreicher Waflen jungfräuliches Menstruum und das Hemd einer Jungfrau, in dem sie ihre Zeit gehabt.

40. Die Quantität des Menstmatiousblates.

Eine Bestimmung der Menge des Blutes, welches während der Menstruation aus dem Körper ausgeschieden wird, hat selbstverständ- lich ihre erheblichen Schwierigkeiten, und wird man gut thun, die bisher vorliegenden Angaben, welche Ubrigeas ganz ausserordentiioh spärlich sind, als approximative Schätzungen zu betrachten. So hören wir von dem Physiologen Burdach, dass das Gewicht dieses Blutes in kältereu Gegenden (England und Norddeutach- Und) 90 Gramm, in gemässigten 150—180, in sttdlichen (Ita-

40. Die Qaantitilt dea MeiMtruaüossblates.

269

lien und Spanien) 360 und in den tropischen Gegenden 600 Gramm betrage.

Ganz txefFend sagt der bekannte Physiolog Ludwig: .Zahlen- angaben, wie die von Bttrdnrh., müssen mit einem Fragezeichen aufgenommen werden,'' Demgemass geben mit CTOsser Vorsicht Wundt and andere Verfasser von Lehrbüchern der Physiologie auch eine ganz runde, noch dazu in weiten Grenzen schwankende Zahl an, indem sie von einer 100 200 Gramm betragenden Quantität sprechen ; und ebenso vorsichtig äusserte sich Fwnke : ^Man schätzt die mittlere Menge zu 4 5 Unzen; bei manchen Frauen reducirt sich dieselbe zu einem sehr geringen Quantum, bei anderen dag^^n ist die Blutung profus.*

So sind denn auch alle Vermuthungen über den Einfluss des Klimas oder der Raase auf die Menge des ausgeschiedenen Men- stnialblutes kaum benutzbar ; es schwanken ja auch die Schätzungen der verschiedenen Beobachter gar nicht unbedeutend: Von Eng- land und den Gegenden Oberdeutschlauds besitzen wir die folgenden Angaben: drei Unzen nach Dehaen, vier Unzen nach Smellie und Dohson, ftinf Unzen nach Pasta u. s. w. Und wenn Emett und Fifzgerald den Blutausfluss in Spanien bis zu einem Pfunde steigen fand, wenn SncUeti unter dem Wendekreis sogar zwei imd drei Pfund gefunden haben will, so kann man ja wohl auf die individuellen Verschiedenheiten, wie sie bei uns und gewiss überall in diesen Dingen vorkommen, hinweisen, um den Werth von dergleichen Ermittelungen zu beurtheilen.

Bei löO Woloffen-Negerinnen fand de RocJtehntne den Blutverlust zu 95 Gramm. Riedel^ bezeichnet die Menstrua- tion bei den Weibern der Ambon- und U Hase- Inseln als spär- lich, ebenso auf den Tanembar- und Tirmolao-lnseln.

Dass aber durch einen Wechsel des Klimas recht erhebliche Veränderungen in der Menge des Menstnialblutes hervorgerufen werden können, das ist seit langer Zeit bekannt. Schon Blumen^ back giebt an, dass die Mehrzahl der Europäerinnen, welche nach Guinea übersiedeln, sofort Menorrhagien bekommen.

Wenn Europäerinueu, welche in ein heisses Klima ziehen, an allzu reichlichem Blutabgang bei den Menses leiden, so wird vielleicht nicht selten die Ursaclie dieser Metrorrhagien darin be- ruhen, dass sie in Folge einer Infection durch Malaria anämisch geworden imd hierdiu*ch zu dergleichen Blutllüssen disponirt worden sind. Dies wollen französische Aerzte, z. B. Bestion, nament- lich in ungesunden Gegenden Afrikas beobachtet haben. Einen solchen Gnmd hat vielleicht auch die von Stormont berichtete Er- scheinung, dass die Negerinnen zu Sierra Leone beim Eintritt der ersten Menstruation an einem ephemeren Fieber leiden. Da- gegen hat Saint Vel auf Martinique durch das Klima keine Vermehrung des Menstrualtlusses wahrgenommen.

Das venuag nun aber die Beobachtungen anderer Autoren na- türlicher Weise nicht umzustossen. So wird von Alleytie in Demara das dort herrschende Tertianfieber als Ursache der Dysmenorrhöe beschuldigt, und Diindas berichtet, dass in B a h i a die Frauen durch das heisse Kliina stärker deprimirt werden, als die Männer, weil jene sich in weit stärkerem Maasse einem imthätigen Leben hin- geben. (Tut.)

In St. Petersburg hatte WieJer Gelegenheit, Folgendes fest- zustellen: Im Ganzen scheint der Eintritt der Menstruation, ob früher oder später, nur von untergeordneter Bedeutung flir die Menstrualmasse zu sein; hingegen spielen Körperconstitution und Haarfarbe hierbei eine grosse Rolle; doch trifl't die allgemeine Annahme, dass bei Brünetten die Quantität der Menses bedeutender ist, wie bei den übrigen Frauen, nicht zu, da die profusen Menses sehr häufig bei Blonden, besonders rothblonden, angetroffen werden.

41. Normale und anomale Menstmation.

Bei manchen Völkerschaften scheinen gewisse Lebensverhält- nisse eine Neigung zu besonderen Menstruationsstörungen her- beizuführen. Von Velpeau und Gardieu wurde angegeben, dass Grönländerinnen nur alle 3 Monate und selbst nur 2 3 Mal im .Tahre menatruirt werden. Es ist nicht mitgetheilt, woher diese beiden französischen Geburtshelfer ihre Notiz haben. Nach Gue- ndd soll bei den Eskimos die Menstruation während der Zeit des Winters und des Mangels an Nahrung ausbleiben.

Als ein verkümmerter, durch ungenügende Ernährung herabge- kommener, der chilenischen Völkerfamilie angehörender Indianer- sta m m muss das Volk der Feuerländer betrachtet werden. Hier ist nun die Thatsache sehr interessant, dass bei den in Eu- ropa umh.erreisendeu, von Bischoff näher unl^rsuchten Feoer- länderinnen während mindestens sechs Monaten keine Menstrua- tion, d. h. keine bemerkbare Blutung aus den Genitalien wahrge- nommen wurde, obgleich sie auf dem Schifte noch ganz nackt gingen ; ihr Führer dagegen fand zuweilen geringe Blutspuren, ohne in Beziehung auf den T}'pus etwas aussagen zu können.

Es war die Frage, ob die sonst in vierwöchentlichen Perioden (nach Bischo/p) erfolgende Lösung eines reifen Eies vom Eierstock bei den Frauen dieser Völkerscliaflen in der That nur halbjährliih erfolge, oder ob sie zwar vierwöchentHch stattfinde, aber, wie bei den meisten höheren Süugethieren, ohne von einer Blutung begleitet zu sein. Nim starben auf der Reise zwei dieser Frauen ; die Eier- stocke zeigten bei der Section keine Spur von der Reife nahen Eiern. Dadurch wird es wahrscheinlich, dass die Menstrualblutung

ie xat

regelmässig mir in langen, bis halbjährlichen Zwischenpaiiseu ein- tritt. Hier ist also die Annahme nicht abzuweisen, dass die phy- sische Verkümmerung sich auch in den Organen ausspricht, welche den sexuellen Zwecken dienen.

Auch im Memoire sur les Samojedes et les Lappons vom Jahre 1762 heisst es: Ceux, qui ont pretendu, que les femmes des Samojedes ne sont point sujettes aux Svacuations periodiques, se sont trompSs; cependant il est vrai, qu'ellea ne les ont que tres- faiblement et en petite quantite.

Die zurückgezogene, die Entwickelimg mannigfach hemmende Lebensweise der Orientalinnen giebt nach iJfjr^fr oft zur Störung der Menstruation Veranlassung, insbesondere zu Amenorrhoe, Dys- menorrhoe, Metrorrhagie etc.

In Sierra Leone kommt, wie der dort beschäftigte Chirurg Rohert Clarke fand, Amenorrhoe, Dysmenorrhöe, Leukon-höe und profuse Menstruation bei den Negerinnen gleich haulig vor, wie bei den Engländerinnen.

Die durchsclmittliche Dauer der Menstruation scheint überall gleich zu sein. Bei den Negerinnen der Küste von Old-Ca- labar dauert die Periode 3 4 Tage [Hcwun). Bei den Woloff- Negerinnen ist nach de Rochebnitie die Dauer der Menses kurz, der Blutverlust schwach. Während der Menstruation der Negerin an der Loango- Küste glaubt man an deren Haut con- statirt zu haben, dass dieselbe für mehrere Tage um eine iSchatti- rung dunkelte.

Die Frauen der Eingeborenen in Algier besitzen zahlreiche Recepte, um ihre Menstruation zu fordern. Die Einen werfen Nchader (d. L Ammoniaksalz) auf das Feuer und setzen sich un- mittelbar ober den Dampf; Andere machen die vorschriftsmässig aus- zuführenden Abwaschungen und setzen dann sofort, die Genitalien dem Rauche verschiedener auf das Feuer geworfener Stoffe aas ; wieder Andere stecken Wolle in die Scheide (Meuwteja) und pudern zuvor die Woüe mit Schwefelantimon (Koheul) ein. Auch schreibt die Frau auf 4 oder 5 Blätter der Pappel den Namen ihres Vaters, ihrer Mutt«r u. s. w., legt diese Blätter in ein kupfernes Schäch- telchen und dieses in ein Feuer; sobald sich dieser Gegenstand mit Rauchwölkchen bedeckt, 8o glaubt sie, dass sich die Menses bald einstellen werden. Wenn aber die Menses zur rechten Zeit kommen, jedoch zu gering und schwierig sind, dann muss die Frau eine Ab- kochung der NigeUa sativa trinken {Bertherand). Wenn die Menses zu stark fliessen, so bringt man in die Scheide eine Mischung von Essig und Vitriol, oder von Honig, den man mit Vitiüol und Granat- rinde versetzt hat.

Tritt in Fezzan die Menstruation trotzdem, dass der Körper entwickelt ist, nicht ein, so geniesst die Kranke drei Tage lang eine Paste von Färberröthe und Gerstenmehl mit Butter und Zucker (NachtigiU).

In Persien gehören Unregelmässigkeiten der Menstnxation zu den Seltenheiten (Folak); sie kommen nur bei Frauen vor, die von ihrem Manne vernachlässigt werden.

Die eingeborenen Frauen in Indien aberleiden, "wie Stetcart, Professor der GeburtshQlfe in Calcutta, versichert, sehr häufig aUj Gebärmutterkrankheiten. {Tilt.)

Die Dauer ihrer Menstruation wird bei den Nayers (Jagor^\ zu 3 Tagen, bei den Hindu- Weibern {Ckervin) zu 3 bis 5 Tagen' angegeben. Bei den Chewsuren dauert die Menstruation selten länger als 2 Tage {Radde).

Im ostindischen Archipel steht unter den Mitteln, den Eintritt der Menstruation zu beft>rdem, das Kneten bestimmter Ä Theile des Leibes und der Gebrauch Erregung bewirkender Kräuter W obenan. Es soll im Archipel allgemein angenommen werden, dass der Mond sehr bedeutenden Einfluss aiif die monatliche Rei- J nigung übe, und /.war so, dass junge Mädchen zur Zeit des Neu-H

mondes , ältere

zwar Frauen

aber nach dem Vollmonde menstruiren.

Nur ungemein selten kommt es vor, dass Schwangere raenstniiren. (Epp) {

Bei gesunden Japanerinnen dauert nach Wemich die Men-' struation 3 4 Tage; im Krankenhause bei den verschiedenen pa- thologischen Formen natürlich meist länger. Ein nicht sehr sauberes japanesisches Volkslied, in welchem das Mädchen den Geliebten beklagt, dass er sich während dieser Zeit ohne normalen Genusa] behelfen müsse, nimmt die Dauer der Periode auf 7 Tage an. Die Berechnung wird sehr sorgfaltig geftihrt, da sowohl die Verkür- zung der Menstruationstage als auch des freien Intervalls für ein Krankheitssymptom gilt. Als noch zur physiologischen Menstrua- tion gehörig betrachtet niftn in Japan leichte wehenartige Schmer- zen im ünt«rleibe und einen geringen Druck in der Schläfengegend. Schmerz und Kältegefühl im Kreuz, Ziehen an den Schenkeln, Schmerzen im Hiuterhaupte und in der Stirn sind als pathologische^ Symptome wohlbekannt.

In Japan gilt als menstmationstreibendes Mittel besonders j die Abkochung der Wurzel von Rubia cordiflora, welche die Frauen selbst Shenkong Akane nennen. Doch sind neuerdings Eisen- und Chinin -Präparate, Fussbäder und Senfteige bereits populär ge-, worden; zuweilen kommen auch Capsicum und Senf innerlich zur] Anwendung.

In Japan gebraucht man nach Williams gegen Antenorrhöaj als Mittel Key-tu-sing, das ist eine Tinctur aus den Blättern eine«] Baumes aus der KJjisse der Ternstromaceae ; man nimmt es zur Zeitl des Vollmondes unter kabbalistischen Formen.

Die chinesischen Aerzte glauben bei den Wcibem dii»j Menstruationsstörungen am Pulse erken- f :v '-■■".. ^; tzeo bekanntlich drei Finger auf drei vn

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nach BfirnouiUi Menstruationfi - Anomalien eine sehr häufige Er- scheinung.

Die Frauen der Lappländer haben nach Linne im Allge- meinen sparsamere Katamenien, als die Schwedinnen; unter jenen ist das Ausbleiben des Monatsflusses sehr selten mit Ausnahme derer, die im Dienste der Colonisten leben; diese leiden mitunter an Menstrualstörungen. Die bei den eathnischen Mädchen ziir Zeit der Pubertätsentwickelung eintretenden Störimgen müssen zum Theil davon abgeleitet werden, dass den jugendlichen Körpern zu gewaltige Anstrengungen zugemuthet werden, die um so eher als Krankheitsursachen wirken, als diesem starken Verbrauch in dem noch nicht erwachsenen Körper und Alter oft nicht die solchem Consum entsprechende Nahrung geboten wird. Beachten wir nun noch die grosse Unkeuschheit der Esthenmädchen, so haben wir em drittes krankmachendem Moment, welches die Bleichsucht, Menstruationsstürungen. selbst Uterusleiden entstehen lässt (Holst). Suppressio mensium kommt nach Ravn vielleicht nirgends so häu6g vor, als auf den Faroer, Die Weiber gehen dort ohne Schuhe und tragen nur ein Fell um die Füsse, so dass diese immer der feuchten Kälte ausgesetzt sind. Von Nord-Island schreibt OJa/f'm:

,Das Frauenzimmer hat bey Weitem keine so gute Gesundheit; indem Obstructio mensium, insbesondere bejm unverheiratheten Frauenzimmer, hier so wie in ganz Island sehr allgemein ist Ihre gar zu stille Lebensart, scheint vornehmlich Schuld daran zu seyn: denn ausserdem, dass sie wenige Belustigungen haben, wo- diurch sie schon gezwungen, stillschweigend xmd schwermtithig in ilirem Umgange und ihrer Aufführung werden, trägt es auch vieles dazu bey, dass sie, wenige Tage im Sommer ausgenommen, stets bey ihrer Haus- und WoUarbeit sitzen, ohne in die freye ,Luft zu kommen. Hierzu kömmt, dass sie bei ihrer Arbeit nicht auf Stühlen oder Bänken, sondern mit untergesclüagenen Beinen auf dem Fuss- boden, auf einer Matte, einem Kissen oder einem Schaffelle sitzen. Vielleicht giebt es noch viele andere Ursachen zu der schlechten Gesundheit dieses Geschlechtes, die Niemand achtet oder zu achten werth hält. Die angeföhrten sind aber wohl die Haupt- Ursachen."

In Kleinrussland gebraucht man als die Menstruation för- dernde Mittel den Aufguss von Lathraea squamaria mit Wasser oder Branntwein zu einigeti Spitzgläsem täglich. In Sibirien den gesättigten Aufgiiss von Geranium pratense. Im Nowgorod- schen Gouvernement nimmt man Bierhefe \md frischgemolkene Milch zu einem halben Bierglii-se de« Morgens nüchteni. Ausser- dem wird noch in den südlichen Gouvernements itusslan« sowohl bei Menstruatio mmia als auch cessans der Splint des ba\imes benutzt. Bei der ersteren schabt man mit -•—— Mt nach aufwärts den Ba.st ab, bei der Ietzter«^i von oi

I

Auch trintt man in Russlaud den Thee von Tanacetum vulgare xmd gebraucht innerlich seit den ältesten Zeiten OL Terebinthinae zu 12 15 Tropfen, Morgens und Abends, tnit einem starken Auf- gnss von Artemisia (Krehel)

Die Volksmedicin bei europäischen Völkern beschäftigt sich mehrfach mit den Frauenkrankheiten, soweit sie mit Störungen des Blutilusges verbunden sind. Unter den Serben müssen Weiber, die an Menstruationsbeschwerdeu leiden, den Saft rother Blüthen trinken. Wenn es dagegen einer Frau lästig ist, jeden Monat von der nionatlicheu Reinigung (die der Volksmuud bei den Serben , weibliche Blüthe" nennt) heimgesucht zu werden, dann soU sie eich bei dem Eintreten derselben waschen und mit dem Abwasch- wasser eine rothe Rose begiessen {Ptirowitsch). In Ungarn leiden nach Joachim die Jüdinnen sehr oft an profuser, die Unga- rinnen häufiger au retrahirter Menstruation.

Auf der Insel Minorca erscheint nach CleglwrH die Menstrua- aon bei jimgen Mädchen zweimal in einem Monat, bei anderen alle 3 Wochen.

Gegen das Ausbleiben der Menstruation hilft, wie es in der

[Mark Brandenburg (in einer alten Handschrift) heisst, ein

Stück von einem Fischernetz und ein Zipfel von einem Manus-

hemde zu Pulver gebrannt imd eingegeben. Im Frankenwalde

{{Flügel) ist unter den Hausmitteln gegen mangellmfte Menstruation

[ivohl Safiran mit Wein das gewöhnlichste.

In Schwaben giebt man Melisse oder Mutterkraut bei schwachem Geblüt, auch Raute treibt dort die Menstruation, ebenso Sabina, [ auch Geissenham {Bitck) : femer wird Akelei als wciberzcittreibendes Mittel benutzt. Gegen zu reichliche Menstruation gebraucht mau daselbst frische Muttermilch, ebenso Katzendreck und Rosenöl. Bei ' Mutterblutfluss giebt man Hirtentäschlein mit Wein und Wasser ^gesotten. Dort glavibt man auch, dass bittere Mandeln die Men- Ifitmation aufhören machen. In der Pfalz gebrauchen die Frauen 'auf dem Lande bei Menstruationsstörungen Getränke aus gemeiner und auch römischer Camille, .Mutterkraut (Matricaria Parthenium), Ötabkraut (Artemisia Abrotanum), Melisse, Pfefferminze, Quendel. Schafgarbe und Rosmarin werden zu diesem Zwecke schon seltener benutzt, wenn sie gleich minder schädlich sind, als beispielsweise Zwet4)chenbraimtwein, allein oder mit Safran oder Aloe, ,LohrtJl* (Lor- beerölj, wovon die Bäuerinnen gern Gebrauch machen, wenn ihre Pe- .riode ganz zurückbleibt. Sie lassen wohl auch bei Amenorrhoe einen ^derlass am Fuss vornehmen, nehmen auch Thee vom Sevenbaum, besonders dann, wemi sie eine verrauthete Schwangerschaft besei- tigen wollen {Panli).

Eine durchaus nicht eigentbümliche, vielmehr zum Theil den

Hcn Gri.nh*'n entlehnte Behandlungsweise mit Räuchernngen,

heu u s w hatten bei l^Ienstruationsstönmgen die Deutschen

18«

176

im Mittelalter. So kommt in dem von P/VZ/^er^ lierausgegebenen, im Xlll. Jahrh. von Bartholoniäns Anglicus verf'assten Arzneibuche folgende Stelle vor:

Swelh wip ir BiechtuomeB (siechtum der wibe i. e. menslrua) niht haben inuge, diu neme myrren unde temper si mit dem süge (Saftfi) artemj'sieii, unde diu temperunge danne getrucline, sol äi rigelen (schaben, feilen) ein hirzeiä horu (Hirschhorn) unde mische diu Kuaaunne unde behulle si tI! rechlich unde mach einen rouch dar ftz unde setze den under diu bein: an der wile so gewinnet si ir wipheit.

Ze gelicher wis sol si rütea (Eaute) i'zzen uude den »ouch (Saft) va»te (stark) trinchen unde sol die wurzenschSben zwischen diu bein haben: s6 -le- digen sich diu menstnm.

Ez ergSt vil dicke (es geschieht sehr oft), daz diu matrix ersticket, dft daz chint inne Ht, eintweder von dem snierwe oder von dem foulen pluote, daz 81 sich nicht erfurben (reinigen) mach. De» »ol man äu« bnozen (bes- sern). Baz Nvip Bol neuien gruuiie rüten, unde ribe di wol va»t unde stAze die an die stat. Ze gelicher wis du sold nemeu awebel unde temper den mit starchem ezziche und habe die tomperungo lange für die na.xe unde stÖz ir ein teil an die toiigen (geheime) stat, üü wird dir b^z-

Swenne daz wip den siechtuom hA,t, geswület sie ein teil umbe den nabel unde walget (rollet) ir daz geliberte bluot under den rippen also diu eiger unde beginnet fir diu Hder swellen uude get ir der touin in daz houbet als der dicke rouch. Wil du des sieehtuomes nchiere (sogleich) buozen. s6 nim rtjten unde temper die mit guotem bonege unde salbe dich da mit »2 umbe die tougen stat. Wellest du aver schiere gesunt werden, so nim linse und beize die mit w^ne, da nAh temper siu mit honege unde neuz die erzente olle tage: du wirdes schiere gesunt.

Bei einem Blicke auf die (lyntikologie des Alterthums {Klein- waechter) finden wir, da.s.s die altgrieehi. sehen Aerzte sich eine ganz besondere Ansicht über die Menstruation und ihre Störungen zurechtlegten. Nach Hippokrntes sind Weiber, die nie schwanger waren, menstrualen Leiden viel mehr ausgesetzt, als jene, die ge- boren haben, denn der Lochienfluss (Abgang im Wochenbett) wirkt auf die Circulatiou wohlthätig ein. Durch die Schwangerschaft, so stellte er sich vor, werden die Blutgeiäs.se der Baucheingeweide, Aea Uterus sowie der Brüste gehörig erweitert, so dass .späterhin nach tiberstandener Geburt der Blutabgang leichter .statttindet. Bei jenen dagegen, die nie geboren haben, sind die Blutgetasse nicht gewöhnt, sich auszudehnen, und kann daher da,s nienstruale Blut nicht so leicht abtliessen. Die Gewebe des Weibes sind zarter und erhitzen sich mehr. Dadurch entstehen Beschwerden; die durch die Aus- dehnung der Blutgefässe gemildert werden. Deshalb ist uuch die Warme des Weibes eine höhere, als die des Mannes. Durch den monatlichen Blutfluss wird ein zu hohes Ansteigen der Körperwärme verhindert. Es folgt nun bei HipjiohfiUa die Besprechung der Ur- sachen, Erscheinungen, sowie der Behandlung einer Stocktmir und eines zu reichlichen Klusnes der Menses: .seine Darütelluii i.-t

sich nicht auf genaue auatomisrh*' T'iiK rsuclnnic. dii- m. noch bei seineu Nachfolgern vti '

41. Normale and anomale Menstxaation. 277

beim 'Ausbleiben des Blutflusses durch Uterusleiden Blutentziehung, Ligaturen an den unteren Extremitäten 3 4 Tage lang, indem man die Binde kurz vor der zu erwartenden Menstruation ab- nimmt, einen Trank von Myrrhen, Räucherüngen u. s. w. GcUenus entwickelte wiedenmi andere Ansichten. Die arabischen Schrift- steller behandeln die Menstrualstörungen ziemlich gleichartig: Avi- cenna empfiehlt ebenso wie Serapion Ligaturen um die Ober- schenkel, Aderlass, und als menstruationstreibende Mittel Moschus, Castoreum und Myrrhen.

XI. Der Eintritt des Weibes in das GescMechtsleben.

42. Die Beziehaagen des Weibes zum niännliclieD UeschlecM*

Es giebt eiue Eutwickelung in der geistigen Auffassung des weibliclien Wesens und die «Geisteswissenschaft* sollte sich mehr, als es bisher geschah, mit der Geschichte dieser Ciüturentwickelung befassen. Eine Stufenleiter weist gewiss auch das Verhältniss auf, in welches uaturgemäss das Weib zum Manne tritt. Handelte es sich darum, die Sprossen dieser Leiter zu charakterisiren, so würden wir dort begannen müssen, wo der sexuelle In st inet ganz allein seine Herrschaft ausübt, ein lustinct, welcher teleologisch die höhere Bestimmung iiu Dienste der geschlechtlichen Fortpflanzung hat. Wir würden danu zu schildern haben, wie sich nach und nach auch bei diesen sexuellen Beziehungen im culturell sich entwickelnden Meu- sehen ethische Geflihle regen, wie die psychische Neigung, die wir Liebe nennen, als besseres Element zu jenem instinctiren Triebe hinzutritt, um ihn allmählich zu veredeln.

Man hat den kühnen Ausspruch gethan, dass erst zur Zeit Ale:rander des Grossen die Leidenschaft der Liebe zwischen Mann und Weib an die Stelle roher Sinnlichkeit oder nüchterner Rück- sicht trat. (Henne am Ehyii.) Allein wenn in dieser Beziehung wirk- lich eine Stulenleiter zur Vollkommenheit in der ethischen Auf- fassung der Liebe historisch nachweisbar ist, so hat sich bisher doch Niemand die Aufgabe gestellt, diesen Entwickelungsgang mit allen seinen Etappen darzustellen. Wir möchten Berufenere auffor- dern, sich eine so schöne Aufgabe zu stellen!

Je höher ein Volk in der Cultur steht, um so geistiger und sittenreiner ist das Band, welches beide Geschlechter mit einander verknüpft. Bei den rohesten Völkern ist das Verhältniss ein sinn- liches, und es kommen da fast bloss die Triebe zur Geltung, die auch beim Thiere eüie bald länger, bald kürzer dauernde Verbindung zwischen den Geschlechtern herstellen. Dann kann uns aber auch nicht auffallend erscheinen, wenn dergleichen Völker ruhig gestatten, dass schon bei Kindern der kaum erwachende Trieb ndt einer Freibeü

42. Die Beziehongen des Weibes zum m&imlieheii Geschlecht. 279

auftritt, die wir selbst als freche Unzucht bezeichnen, die von den Erwachsenen dort aber als «Spielen* aufgefasst wird. Eine Zurück- haltung Ton beiden Seiten gebietet die herrschende Sitte bei Culturrölkem, denen noch nicht durch Uebercultur die Ethik ab- handen gekommen ist; dagegen begegnen sich mit der naivsten Hin- gebung Knaben und Mädchen unter vielen Naturvdlkem. Auf Madagaskar stören und hindern nach Audebert die Eltern ihre Kinder nicht; und bei den Basuthos in Südafrika giebt es nach Missionär Grütsner neben der sanctionirten Hurerei eine heimliche, welche die kleinsten Kinder treiben, und wobei die Knaben den Mädchen Perlen, Messingdraht etc. als Hureulohn geben; die durch Brauch sanctionirte aber besteht darin, dass ein Bräutigam mit einem Genossen vor Abschluss der Verheirathung im Euraale seiner Braut zwei bis drei Monate lang ein Heidenleben führen darf. Von dieser untersten Spro^^se kann man die Stufenleiter bis zu deijenigen Höhe der ciriliiirten Zustände verfolgen, wo sich zwischen .Jüngling und Mädchen. Manr. und Frau das reine Gefühl der Liebe und Achtung herstellt, und wo die Würde der Frauen ihr moralisches Recht an- getreten haL

Bei der cukurgeschichtlichen Betrachtung der Verhältniss«;. die wir im sictlicken ^'erhalten der Volker vorfinden, müssen wir un* vor allem frei halten von der Neigung, jede Erscheinung von unserem eig>»nen Büdangszustande aui in einer Färbung zu be- tnchten. die unsere Beurtheilung durch falsche Beleuchtung auf Irrwege f'üret würde. Unser subjertives Gefallen oder ^liaafallen gieht -ra gar zn leicht eine schiefe Stellang zur >ach«r. Vielm'jhr ist xxTj; a:;f -irizc, Gehii*te. das wir nunmehr becnften. vorzugswiri-*: eiE»T sracz objrro'iTe Auffasaumz geb'XezL I^is ger<.hicc.cücb. G-r- worien-r zz^iMitLAZ r'iistznstellei:. ur.«i dacn öer Ei::w:.."k'»iu::^ so virl-rr Eiic'zjiizr^-z:s>^ im Mi»n9cheu- uni Vr.lkierl-jbec ^a-ziizuzeh-fi:. -< CLjere A-^yan*. Flier arilt ■?< zunä«.'Lst. di-e Fr«-: iviz-iwrrtTn. oo gewiäs** B-tZ-':::>. -iie -A-ir 'inis Vei '.irÄrvii'. BH-LZ;ri^--!St:z. t:2_ tV*ihlj'.Eji!i .z ■»ri-.-..-».'.h.»r Hinsich: ^lischsfr'j. zjir.tz. •eizjrcEÄiu-:

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43. Die Sc

igkeii des Weibes.

beiden wir als urspHinglich, welches als Ergebniss entweder einer schon begonnenen Cultur oder einer fast vollendeten Verwilderunj^ betrachten, oder ob wir die Unterschiede der V^ölker in dieser üe- adehung überhaupt auf Eigenthünilichkeiten nicht allgemein mensch- licher Stamm naturelle zurt'ick führen müssen. Wir meinen, dass das Geftihl der Schamhaftigkeit doch wohl im Allgemeinen als erster Grad sittlicher Regung aufzufassen ist, die in den Menschen erst einzieht, sobald er sich von dem Zu- stande thierischer Rücksichtslosigkeit zu entfernen beginnt, und sobald sich im socijilen Verkehr eine Vorstellung über Conventionellen Anstand ethisch entAvickelt hat.

Der ursprüngliche Keim zur Erzeug\mg der Sitten ist ein sitt- liches Gefiihl, seine Grundform das der Billigung und des Tadels. So imgefähr hat Lazarus in seinem „Lehen der Seele" die Ent- stehung der Sitten bezeichnet, die dort beginnen, wo der Instinct aufhört.. Das sittliche Gefühl der Scham ist gewiss ein sehr pri- mitives; es wird wohl in seiner einfachsten Gestalt (Verbergung ge- wisser Körpertheile) durch die Voraussetzung eines Tadels und Vor- wurfs seitens der Freimde und Verwandten erzeugt, falls man die Theile oder Handlungen den Blicken Anderer aussetzt. »Die Achtung vorsieh selbst," so sagt gewiss sehr richtig de Qtta- trefofff-S, , findet wohl den entschiedensten Ausdruck im Gefühle der Scharahaftigkeit imd im Ehrgefühle. Auch bei den Wilden finden wir diese beiden Gefühle. Die Schamliattigkeit tritt jedoch bei den Wilden nicht selten in besonderen Gebräuchen und Handlungen hervor, die das gerade Gegentheil der unsrigen sind, oder über- haupt mit unseren Gebräuchen nichts zu schaffen haben. Dadurch sind Missverständnisse veranlasst worden, luid ao hat man z. B. ein gewisses Benehmen, wodurch bei manchen Polynesiern nur ein ursprüngliches Schamgefühl zum Ausdruck gelangen .soll, als die Aeusserung raffinirter schamloser Sinnlichkeit deuten wollen." Fragen wir nun, ob es Menschen und Völker ohne alles Scham- gefühl giebt imd welche Rolle dabei das weibliche Geschlecht spielt.

Eine eingehende Betrachtung dieser Angelegenheit finden wir bei Feschti, welcher zu dem Schlüsse gelaugt:

«Brauch und Sitte entucbeidea über Veratattetes und AnstOssiges, und «rat nachdem sich eine Ansicht befestigt hat, wird irgend ein Yerstoas zu einer verwerflichen Handlung. Das Scbaiugenibl hat äicb noch gar nicht geregt, es herrscht also Nacktheit beider Geschlechter bei den Australiern, bei den Andanianen, bei etlichen Stämmen am weissen Nil, bei Jen rohen NegL'rn des Sudan und bei den Buschmännern. Durchaus irrig wJlre die Annahme, dasa sich das Schamgefühl früher beim weiblichen Geschlecht rege, als beim männlichen, denn die Zahl solcher Menschen- atämme, bei denen die Männer allein eich bekleiden, ist nicht unbetdlcht- Ueh. Am Orinoco versicherten Mission&re unserem Akxander c. Hambuldt, <1ms die Weiber weit weniger Schamgefühl zeigten iils die Männer. Bei den Obbo-Negern .am Albert-See besteht die Bedeckung der Frauen in «nnem Laubbü^chel, wUluend die Männer einen Fellschurx tragen etc.*

280

XI. Der Eintritt des Weibes in das Geschlecbtälebtju.

dazu angethan, dass wir aunehmen mlissen, ein instinctives Gefiilil habe überall dit? Menschen bei so animalen Functionen auf ein be- stimmtes Gebahren hingewiesen, oder es habe sich auch hier Sitte und Brauch schon überall der Sache bemächtigt? Ist femer das angeborene ethische öeftihl im Menschen mächtig genug, die so- genannten , Wilden" von geschlechtlichen Verirrungen des Weibes abzuhalten? Welche Verin-ungen kommen in dieser Hin- sicht .bei den jetzigen Naturvölkern vor? War die Prostitution, als sie im Leben der Menschen auftrat, sogleich als sittlich ver- werflicher Begriff anfgefasst worden, oder war sie schon längst vor- handen, d, h. gab es einst in den Urzuständen des Menschen- gesclilecht-s einen allgemeinen, durch keine ethischen Schranken eingedämmten Hetärismus? War dieser Hetärismus, mit dem sich die Mutterfolge imd das Mutterrecht entwickelte, die Vorstufe zur Ehe?

Wie tritt dann der Begrifl' der Liebe auf, und in welcher mi Weise übt das Weib bewnsst oder uubewusst einen L i e b e s - B 7. au her aus? Welche Typen des ehelichen Lebens finden ~ wir unter den Völkern der Erde, und welche dieser Typen sind als die primitiven zu betrachten? Haben sich bei der Ehe gewisse Bräuche, wie das Jus primae noctis, eingestellt und als tra- ditionelle Ueberlieferungen aus der Vorzeit erhalten und welche geschichtlichen Thatsachen liegen solchen Bräuchen zu Grunde? Wie hat die Sitte, das KUma und die Lebensweise das Heiraths- alter des Mädchens bei den verschiedenen Völkern beeinflusst? Welche Begriffe von der Zeugung, Befruchtung und Em- pfäügniss finden wir bei den Völkern vor? Und wie haben schliesslich sociale Zustände und klimatische Verhältnisse auf die Empfängniss des Weibes eingewirkt? Dies alles sind Fragen, die noch keineswegs definitiv beantwortet werden können, für deren Lösung wir aber Material in Folgendem beizxibringen ver- suchen werden.

i

43. Die Schambaftigkeit des Weibes.

Ein dunkles Gesammtbewusst>*ein hat, wie der Psycholog L bemerkt, in der beginnenden sittlichen Axisbildung die versclüeden^ji^ Arten der Scham erzeugt, .durch die das menschliche Geschlecb. überall die Naturbasis seines geistigen Daseins zu verhüllen sucht, und da am meisten, wo sie zu den zartesten und geistigsten Gl\tern der Liebe und des Lebens die allersinnlichste Vermittlung bildet.* Die Beobachtung der Naturvölker hat zuweilen eine rücksichtsvolle Z ud Keuschheit des Benehmens, viel ötler aber eine thieriäclie

L losigkeit in der Befriedigung aller sinnlichen Bedürfnisse

bemerken lassen. Lotze hält es für sehr zweifelhaft, welches ro»^

XI. Dar Eintritt

ras Gedchl«obt«l

Erde, aui den Theil nicht gehen zu lassen; sie besitzen also ein perverse« Anstandsgefühl.

Eine Prinzessin des Stammes der Apingi in Central afrika, erhielt von Du Chailhi alg Geschenk ein schöngefärbtes Hemd, und sofort entkleidete sie aicb vor seinen Augen, um dasselbe anzulegen. In der Stadt Lari in Centralafrika sind alle Frauen völlig unbekleidet (Itenham).

Die Bedeckung der BiOasen ist bei den Weibern noch mancher anderem Neger -Völker eine äusserst geringe oder nichtige. Emin Bei/ bemerkte auf seiner Reise vom weissen Nil durch Njambara nach Kedibe, das« im Bezirke .\niadi die Laubschurzen der Frauen oft eine pure Formalität. Muster für die Breite individuellen Goschinacks sind ; vom dichten Büschel grfln belaubter Zweige, die wirklich Blossen zu decken vermög«?n, bis zur einfach grünen Ranke, die sich von der Gürtelschnur vorn nach der Gflrtel- Hchnur hinten zieht. A'miw Bei/ sagt: »Das schwächere, hier aber sehr stäm- mige Geschlecht ist im Bedecken sehr spar.!«am, und viele der fett- glänzenden, eisenbeladenen Schönen hüllen sich absolut nur in ihre Farbe. Im Moru-Lande gehen die Frauen meist völlig nackt, nur einzelne hängen hinten an die Gürtelschnur ein Laubfragment. Sonder- bar dabei ist, dass, wenn man einem Zuge solcher decoUetirten Schönen be- gegnet, die Wasser tragen, sie zunächst mit der freien Hand ihr Gesicht verdecken. Nach allem, was man in Afrika sieht, ist Scham doch auch nur ein Erziehungsproduct.*

Von den Negerinnen der Westküste sagt Üölliurr: ,Das was wir Schamhaftigkeit neimen, ist ganz gewiss auch hier vorhanden, nur weit weniger entwickelt als bei civilisirten Völkern. Die jungen Mädchen nahmen nicht den geringsten Anstand, sich vor den Augen der weissen Männer so- wohl wie der schwarzen Männer selbst ihres ählip.ses, jenes fingerbreiten zwischen den Schenkeln von vom nach hinten gezogenen Bändchens, zu entledigen, sich mit einer schwarzen, im Lande verfertigten Seife einzureiben, und dann an der Lagune abzuspülen.'

Bei dem Galla* Häuptling Ttdu in Gobo im oberen Nil gebiet fand Jiinn Maria Schurer eine sehr primitive Hoftracht: er bemerkte, dass ein halbrs Dutzend gelber wie schwarzer junger Mädchen in völlig nacktem Zu- stande, ohne Kleidung, ohne irgendwelchen Zicrath einhergingen, obwohl manche unter ihnen wohl kurz vor der Heirath standen. Bei dem Lenaeb- barten Stamm der Koma- Neger fand er dagegen, dass die Mädchen ein sehr entwickeltes Schamgefühl haben.

Bei den in der Cultur schon vorgeschrittenen Völkern kommen Ge- bräuche vor, die unserer Auffassung von Sittlichkeit widersprechen. Wenn in Japan beide Geschlechter höchst naiv und harmlos in öffentlichen Bädern Töllig unbekleidet verkehren, ho darf man hier nicht von Schamlosigkeit sprechen; hier billigt die Sitte «olchen Verkehr.

üeber die Schamhaftigkeit der Weiber in Cochinchina äussert Mondi^re Folgendes: »La pudeur, ou du moins ce que nous nommons iiinsi chez nous, genc peu la femme d'Annam. et eile vous ilit de l'air le plus naturel et siin« que la moindre roMjii^^r ;ippiiraiase sur son front, läge otJ pour la premifere fois eile s'est .:' r. Et ce n'est pot« seula*

iiient dana les clagses inft^rieures que Ics i a ainsi. J ai eu l'honnenr

il'ftfcre consulti* ou \ixite jiar pluüienri damcs de ce (|ao l'on ap|>elle 1* oour de Hoä et qui rewsemblent beaucoup aux belle« et honnf'tcs damtnea da rire Br«miümt. EUes m'ont raoont^ leur döbat« Atnonreux atea U

43. IKe Sc^lainlaft^ett des Weibes.

lim« franehü« ei U mime ünpodear qoe les fiUes de Das (Ibex Tiui.

Bei mehreren NaturTölkeni, beispielweise bei mutehea Poljneaiern, ba^«ni, wie wir »cboti enr&hnten, erst die christlichen Mij>sionäre dadurch, dm iie eine treiblicbe Bekleidong einführten, dem Volke neue Begriffe ron Sehamhoftigkeit beigebracht Allein es giebt auch Naturvölker, die ohne rine Berührung mit der Gesittung civUisirter Völkerschaften bei den Weibern eine schämige Zarijckhaltung des weiblichen Geschlechts durch Bedeckung nackter K5ri>erstellfn wahrnehmen lassen. Von den alfuriecben Frauen auf Ceraui sagt Capitän Schuht: Trotz der Sp&rlichen Bekleidung sind sie sehr keusch und zQchtig.

Unter den Mitua, einem südamerikanischen Volksstamme am 60 ja - bero-Flnsse, welche von den benachbarten Indianern als Wilde beteichnet werden, fand Crereattx die offenbaren Zeichen ron natürlicher Schamliaflig- keit der Frauen: die Weiber tragen dort ein sackartiges Gewand; Crtreauj kaufte einem Weibe ein solches Gewand ab, und als sie nun das neue mit ilem alten vertauschen Bollte, ao zeigte sich, dass Schamgefühl ihr nicht fremd war. denn sie konnte nur schwer durch ihren Mann zn diesem Wechsel in Gegenwart der Fremden bestimmt werden.

Die Begriffe von Schamhaftigkeit bezüglich der Bedeckung der Sexual- organe durch einen Schurz beginnen bei fast allen im Uebrigen unbekleidet eiuhergehenden Völkern erst mit dem Eintritt der Reife, der Pubertät; von cliesem Zeitpunkte an werden zumeist die Schamtheile den Blicken dei männlichen Geschlechts nach dem Gebote der allgemeinen Volkssitte ent- zogen; dem ganz jungen Mädchen wird in dieser Hinsicht meist noch keine Zurückhaltung befohlen. Und doch giebt es auch recht rohe Völker, bei denen sich schon am jungen Mädchen das Gefühl der Scham bemerken lässt. Die weibliche .Schamhaftigkeit macht sich selbst bei so niedrigstehenden, in ihrer Heimath vollständig nackt einhergehenden Frauen wie den Feucr- l&nderinncn geltend, welche r. Bifichoff' in München bezüglich des Bauea ihrer äusseren Geschlechtsorgane untersuchen und besichtigen wollte. Nur unter Widerstreben konnte er zu einer sehr oberflächlichen .\nschauung ge- langen-, selbst bei den kleinen vier- und dreijährigen Mädchen der Truppe war es ihm unmöglich, sich von dem Verhalten ihrer Ge« •chlechtstbeile zu überzeugen, indem ihr eigenes Sträuben auch noch von ihrer Mutter unterstützt wurde, daher Biachoff auch bei diesen Kindern über das Vorhandensein eine« Hymen keinen Aufschluss erhalten konnte. Allein gerade in dieser moralischen Unterstützung durch die Matter liegt mir die Andeutung, dass den Kleinen die Schamhaftigkeit schon anerzogen war, d. h< das* es ihnen .^chon gewlssermaoesen üls Sitte und Pflicht vorgestellt worden war, dergleichen verbergen sa mOasen.

Bei manchen Naturvölkern ist aber den jungen Mädchen eine grössere Decenz anerzogen, ah hei nehr civilisirten Völkern. Die Araucanerinnen in Chile «ind bedeutend verschämter, als die chileniinchen Chnstiunen; jene badeten «ich nur allein an verborgenen Orten, letztere zeigten weniger Zurückhaltung. {Trnitkr.)

Habe« wir soeben gesehen, wie bei vielen Völkern es «ehr wohl mit der Schamhaftigkeit vertrilglich ist. da«s die erwachst«nen Mädchen und Tnmm entweder vnUst&ndig, oder doch ho gut wir nackend gehen, finden wir da« andere Extrem bei den Muhamniodanerinnen, welche, wie ja all-

XL Der EiEtritt des Weibes in das OescMechtsleben.

42. Die Beziehungen des Weibes znin männlichen Ueschlecht.

Es giebt eine Entvrickelung in der geistigen Auftassung des weiblichen Wesens und die »Geisteswissenschaft" sollte sich mehr, als es bisher geschah, mit der Geschieht« dieser Culturentwickelung befassen. Eine Stufenleiter weist gewiss auch das Verhältniss aul", in welches uatm'gemäss das Weib zum Manne tritt. Handelte es sich darum, die Sprossen dieser Leiter zu charakterisiren, so würden wir dort beginnen müssen, wo der sexueUe Instinct ganz allein seine Herrschaft ausübt, ein Instinct, welcher teleologisch die höhere Bestimmung im Dienste der geschlechtlichen Fortpflanzung hat. Wir würden dann zu schildern habeu, wie sich nach und nach auch bei diesen sexuellen Beziehungen im culturell sich entwickelnden Men- schen ethische Geflihle regen, wie die psychische Neigung, die wir Liebe nennen, als besseres Element zu jenem instinctiven Triebe hinzutritt, um ihn aihuählich zu veredeln.

Man hat den kühnen Auss])nich gethan, dass erst zur Zeit Alexander des Grossen die Leidenschaft der Liebe zwischen Mann und Weib au die Stelle roher Sinnlichkeit oder nüchterner Rück- sicht trat (Henne am Rhyn.) Allein wenn in dieser Beziehung wirk- lich eine Stufenleiter zur Vollkommenheit in der ethischen Auf- fassung der Liebe historisch nachweisbar ist, so hat sich bisher doch Niemand die Aufgabe gestellt, diesen Entwickelungsgang mit allen seinen Etappen darzustellen. Wir möchten Berufenere auffor* dem, sich eine so schöne Aufgabe zu stellen!

Je höher ein Volk in der Cultur steht, um so geistiger und sittenreiner ist das Band, welches beide Geschlechter mit einander verknüpft. Bei den rohesten Völkern ist dtis Verhältniss ein sinn- liches, imd es kommen da fast bloss die Triebe zur Geltung, die auch beim Thiere eine bald länger, bald kürzer dauernde Verbindung zwischen den Geschlechtern lierstellen. Dann kami uns aber auch nicht auffallend erscheinen, wenn dergleichen Völker ruhig gestatten, d«39 schon bei Kindern der kaum erwachende Trieb mit einer Freiheit

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42. Die BeaehoBgen dea Weibes zum oiäniüichen Geschlecht. 279

auftritt, die wir selbst als freche Unzucht bezeichnen, die von den Erwachsenen dort aber als .Spielen' aiifgefasst A>'ird. Eine Zurück- haltung von beiden Seiten gebietet die herrschende Sitte bei Colturvölkem, denen noch nicht durch üebercultur die Ethik ab- handen gekommen ist : dagegen begegnen sich mit der naivsten Hin- gebung Knaben und Mädchen unter vielen Naturvölkern. Auf Madagaskar stören und liindem nach Audebert die Eltern ihre Kinder nicht; und bei den Basuthos in Südafrika giebt es nach Missionär Crriitäner neben der sanctionirten Hurerei eine heimliche, welche die kleinsten Kinder treiben, und wobei die Knaben den Mädchen Perlen, Messingdraht etc. als Hureulohn geben; die durch Brauch sanctionirte aber besteht darin, dass ein Bräutigam mit einem Genossen vor Abschluss der Verheirathung im Kraale seiner Braut zwei bis drei Monate lang ein Heidenleben führen darf. Von dieser untersten Sprosse kann man die Stufenleiter bis zu derjenigen Höhe der civilisirten Zustände verfolgen, wo sich zwischen Jüngling und Mädchen, Mann und Frau das reine Gefühl der Liebe und Achtung herstellt, und wo die Würde der Frauen ihr moralisches Recht an- getreten hat.

Bei der culturgeschichtlichen Betrachtung der Verhältnisse, die wir im sittlichen Verhalten der Völker vorfinden, müssen wir uns vor allem frei halten von der Neigung, jede Erscheinung von unserem eigenen Bildungszustande aus in einer Färbung zu be- trachten, die unsere Beurtheilung durch falsche Beleuchtung auf Irrwege fuhren würde. Unser subjectives Gefallen oder Missfallen giebt uns gar zu leicht eine schiefe Stellung zur Sache. Vielmehr ist uns auf dem Gebiete, das wir nunmehr betreten, vorzugsweise eine ganz objective Auffassung geboten. Das geschichtlich Ge- wordene zunächst festzustellen, und dann der Entwickelung so vieler Erscheinungen im Menschen- und Völkerlebeu nachzugehen, ist unsere Au%abe. Hier gilt ed zunächst, die Frage aufzuwerfen, ob

?ewisse Begriffe, die wir uns bei unserem Bildungswesen vom leiblichen in ethischer Hinsicht geschaffen haben, eingepflanzt sind schon in das ursprüngliche Gefühl und Denken des Men- schen? Liegen und lagen die Begriffe der Schamhaftigkeit, der Keuschheit und die Werthschätzung der Jungfräulich- keit schon vorgebildet in der Psyche des Menschen, und wie kommen diese Begriffe dort, wo sie oder wenigstens Spuren von ihnen bei Naturvölkern in die Erscheinung treten, in bestimmt-er Form und Gestalt zum AusdruckV Wie haben sich solche Begriffe datm mit der Gesittung weiter entwickelt, oder wie sind sie später wieder verwischt worden? Dies Alles sind Fragen der Ethik und Culturgeschichte, die uns ijn Folgenden beschäftigen werden.

Wie hat sich dann in physisch - ethnologischer Hinsicht das sexuelle VerhältnLss des Weibes zum Manne in .seinen verschiedenen Nuancen bei den Urvölkem gezeigt? Sind die Thatsachen, welche man über die Ausübung des Coitus bei den Völkern erörterte.

280

XI. Der Eintritt des Weibes in das« Gescblecbtslebea.

dazu angethau, dass wir annehmen müssen, ein instinctives Gef habe überall die Menschen bei so animalen Functionen auf' ein be- stimmtes Gebühren hingewiesen, oder es habe sich auch liier Sitte und Brauch schon überall der Sache bemächtigt? Ist femer das angeborene ethische Gefühl im Menschen mächtig genug, die so- genannten , Wilden" von geschlechtliehen Verirrungen des Weibes abzuhalten? Welche Verirnmgen kommen in dieser Hin- sicht .bei den jetzigen Naturvölkern vor? War die Prostitution, als sie im Leben der Menschen auftrat, sogleich als sittlich -ver- werflicher Begi-iil' aufgefasst worden, oder war sie schon längst vor- handen, d. h. gab es einst in den Urzuständen des Menschen- gesclüechtä einen allgemeinen, durch keine ethischen Schrankea eingedämmten Hetärismus? War dieser Hetärismus, mit dem sich die Mutterfolge und das Mutterrecht entwickelte, die Vorstufe znr Ehe?

Wie tritt dann der Begriflf der Liebe auf, und in welcher Weise Übt das Weib bewusst oder unbewusst einen Liebes- z au her aus? Welche Typen des ehelichen Lebens finden wir unter den Vülkeni der Erde, und welche dieser Typen sind als die primitiven zu betrachten? Haben sich bei der Ehe gewisse Bräuche, wie das Jus primae noctis, eingesteUt und als tra- ditionelle üeberliefenmgen aus der Vorzeit erhalten und welche geschichtlichen That^achen liegen solchen Bräuchen zu Grunde? Wie hat die Sitte, das Khma und die Lebensweise das Heiraths- alter des Mädchens bei den verschiedenen Völkern beeinflusst? Welche Begrifle von der Zeugung, Befruchtung und Em- pfängniss linden wir bei den Völkern vor? Und wie haben schliesslich sociale Zustände imd klimatische Verhältnisse auf die Empfängniss des Weibes eingewirkt? Dies alles sind Fragen, die noch keineswegs definitiv beantwortet werden können, für deren Lösung wir aber Material in Folgendem beizubringen ver- suchen werden.

43. Die Schamhaftigkeit des Weibes.

Ein dunkles Gesammtbewusstsein hat, wie der Psycholog Lotee bemerkt, in der beginnenden sittlichen Ausbildung die verschiedeoea Arten der Scham erzeugt, .durch die das menschliche Geschlecht überall die Naturbasis seines geistigen Daseins zu verhüllen sucht, und da am meisten, wo sie zu den zartesten und geistigsten Gütern der Liebe und des Lebens die allersinnlichste Vermittelnng bildet.* Die Beobachtung der Naturvölker hat zuweilen eine rücksichtsvolle Zartheit uml '' ' lieit des F "S, viel öfter abt;r " rlsche

Rückhaltslo^ u der B- iig aller siunlirh. > tnisse

bemerken lassen. Lotse hält tür sehr zweifelhaft, weiches Yon

43. Die Scbaiuhaftjgkeit des Weibe».

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leiden wir als ursprünglich, welches als Ergebniss entweder einer schon begonnenen Oultur oder einer fast vollendeten Verwilderung betrachten, oder ob wir die Unterschiede der Völker in dieser Be- ziehung überhaupt auf Eigenthümlichkeiten nicht allgemein mensch- licher Stiinun naturelle zurückführen müssen. Wir meinen, dasa das Gefühl der Schamhaftigkeit doch wohl im Allgemeinen als erster Grad sittlicher Regung aufzufassen ist, die in den Menschen erst einzieht, sobald er sich von dem Zu- stande thierischer Rücksichtslosigkeit zu entfernen beginnt, und sobald sich im socialen Verkehr eine Vorstellung über conventioneilen Anstand ethisch entwickelt hat.

Der ursprüngliche Keim zur Erzeugung der Sitten ist ein sitt- liches Gefühl, seine Grundform das der Billigung und des Tadels. So ungefähr hat Lazarus in seinem „Leben der Seele" die Ent- stehung der Sitten bezeichnet, die dort beginnen, wo der Instinct aufhört. Das sittliche Gefühl der Scham ist gewiss ein sehr pri- mitives; es wird wohl in seiner einfachsten Gestalt (Verbergung ge- wisser Körpertheile) durch die Voraussetzimg eines Tadels und Vor- wurfs seitens der Fremide und Verwandten erzeugt, falls man die Theile oder Handhnigen den Blicken Anderer aussetzt. «Die Achtung vor sich selbst,*' so sagt gewiss sehr richtig de Qua- trefnges, , findet wohl den entschiedensten Ausdruck im Gefühle der Schamhaftigkeit und im Ehrgefühle. Auch bei den Wilden finden wir diese beiden Gefühle. Die Schamhaftigkeit tritt jedoch bei den Wilden nicht selten in besonderen Gebräuchen und Handlungen hervor, die das gerade Gegentheil der unsrigen sind, oder über- haupt mit miseren Gebräuchen nichts zu schaffen haben. Dadurch id Missverständnisse veranleisst worden, und so hat man z. B, gewisses Benehmen, wodurch bei manchen Polyuesiern nur ein ursprüngliches Schamgefiihi zum Ausdruck gelangen soll, als die Aeussenmg raffinirter schamloser Sinnlichkeit deuten wollen." Fragen wir nun, ob es Menschen und Völker ohne alles Öcham- geitlhl giebt und welche Rolle dabei das weibliche Geschlecht spielt.

Eine eingehende Betrachtung dieser Angelegenheit finden wir bei FcM'hel, welcher zu dem Schlüsse gelaugt:

«Brauch und Sitte entscheiden über Verstattetes und AnstOfisiges, and erst nachdem sich eine Ansicht beft>8tigt hat, wird irgend ein Verstoss zu einer verwerflichen Handlung. Das Schamgefühl hat sich noch gar nicht geregt, es herrscht also Nacktheit beider Geschlechter bei den Australiern, bei den Andamanen, bei etlichen Stämmen am weissen Nil, bei den rohen Negorii dea Sudan und bei den Buschmännern. Durchaus irrig wäre die Aurtahnie, dass sich das Schamgefühl früher beim weiblichen Geschlecht rege, als beim männlichen, denn die Zahl solcher Menschen- Hlämnie, bei denen die Männer allein sich bekleiden, ist nicht unbeträcht- lich. Am ürinoco versicherten Missionäre unserem Alejcatider i". Humboldt, dast die Weiber weit weniger Schamgefühl zeigten iiIk die Männer. Bei dm Obbo-Negern ara Albert- See besieht die Bedeckung der Frauen in •inetn LaubbQscbel, während die Männer einen Fellscburz tragen etc.*

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XI. Der Eintritt des Weibes in das Gcschlecbtäleben.

Ueber die verschiedenen Begritte weiblicher Schamhaftigkeit bei den Völkern muss man sehr vorsichtig urtheilen. Mau iindet selbst bei nacktgehendeu Völkerschatten eine ausserordentliche Decenz. Diese Zurückhaltung in der EntblÖssung gewisser Theile kann recht wohl bestehen trotz uns unsittlich erscheinender Vor- gänge und trotz der theilweisen Nacktheit. In dieser Hinsicht be- merkt Fechuel-Locsche ganz treffend: Die theilweise Nacktheit der Negerinnen wird gemildert durch die entschieden vortheilhafle dunkle Farbe der Haut, und sie erscheint keineswegs so unzüchtig und wirkt nicht so entsittlichend, wie das Verfllhrerische halbver- hüllter Reize. Die wolilerzogene Negerin liebt es den Busen zu bedecken xind ist empfindlich gegenüber musternden Männeraugen. Begegnet sie ohne Obergewand dem Europäer, so führt sie instinctiv, wiewohl oft auch nicht ohne Coquetterie, die Be- wegung aus, welche an der mediceischen Venus so vielfach be- leuchtet wurde.

Als erstes Zeichen der weiblichen Schamliaffcigkeit kommt bei den allermeisten Völkern das Verhüllen der Scliamtheile zum Vor- schein. Schon der Name dieser Theüe in sehr vielen Sy>rachen, wie in der Deutschen, so im Lateinische'n (pudendum mu- liebre), auch im Arabischen (Quärnfts) zeigt, dass man dieselben flVr solche hielt, welche das sitthche Gefühl zu verbergen vor- schreibt. Doch zvimeist wird bei den rohen Völkern erst zu der Zeit das Verbergen und Verhüllen dieser Theile den jimgen Mäd- chen durch die sittliche Nöthigung vorgeschrieben, wo die Menses eintreten, denn bis dahin gehen dieselben ziuueist ganz unbedeckt und unbekleidet umher. Wenn aber, wie bei den Indianern Süd- amerikas und bei einigen anderen Völkern, nur die verheirat beten Frauen sich bekleiden, die erwachsenen Mädchen aber nicht, so ist Waite der Meinung, dass man diese Verhüllung nur auf Rechnimg der Eifersucht der Männer zu setzen hat.

Wollen wir die bei den Völkern beobachteten Thatsachen durcbmustem, 80 beginnen wir wohl am besten mit den in der Cultur tief utebenden Rassen; und hier treffen wir allerdings auf ein recht schwach angedeutetes weiblichem Schamgefühl. Die Melnnesier sind im Punkte des Schämen:« wenig zartfühlend. Auf den Salomon -Inseln kennt man eine Kleidung fast gar nicht, selbst nicht bei den Frauen, die allerhöchstens einen kurzen Blätter- oder Zeug-Schurz tragen (^Jung), Doch sind auch bei fast ollen anderen Bewohnern der melanesischen Inseln die Weiber wenigstens in soweit schamhaft, dass sie zwar niemals die Brfiste, doch einigermaassen den mittleren Theil des Körpers bedecken. Auf Neucalc'do nieu tragen die Männer nur einen dünnen Strick um den Leib, die Weiber hingegen einen freilich äusseret schmalen Rock ans Rindenfasern, gelb oder schwarz gefärbt, auch wohl mit Muscheln besetzt (Jung). Dieses Tragen des Franzengürtola auf Neocaledonien ist nach de Rochas den Madchen untersagt, and nur ein Recht der verheiratheten Frauen. Auf dem Neu-Britnnni«o- Archipel ist die Bekleidung der Eingeborenen, wie derselbe Autor bezeugt, die allerdOrftigste; hier war selbst bei den Frauen davon absolut nicht« vor- handen.

Vielfältig kommt, wie Jung mir lierichtet, bei austrulisclien Schwarzen das Gefühl der Scham zur Geltung. Die Tasmaaier hatten eine eigenthümlichö Manier, mit auswärts gelegten Beinen zu sitzen; ihre Weiber aber legten beim Sitzen die Beine so, dass ihre Scham durch den Fu«s bedeckt war. {Labinadibre.)

In Polyneuien legen die Weiber, wenn ein Schiff die KOste ihrer Insel anläuft, mit der grOsst'en Leichtigkeit ihre Kleider ab, die nur aua jfwei Theilen bestehen, einem oberen, Poncho-ähnlichen und einem um die Hüften gewundenen Lendentuch, man sieht «-ie dann um da« Schilf herum- schwimmen und an Bord desselben steigen, ohne dem völlig nackten Zu- stande irgendwie Rechnung zu tragen. Dies fand ächon statt, als die ersten Europäer dort landeten, und noch heute besteht solcher Brauch. Die Damen der Sandwich-Inseln begeben sich auf diese Weise auf die euro- päischen Schiffe, indem sie beim Schwimmen ihre seidene Robe, ihre Schuhe und ihre Sonnenschirme über die Wogen emporhalten (Beec/iy). Dieses nach unseren Begriffen »schamlose* Gebnhreu iet ursprünglich wohl nur das Ergebniss einer naiven Auffassung von Freiheit und Reinheit der Sitten, die von jenen, damals noch wenig verdorbenen Weibern dem entarteten Geschlechte der europäischen Matrosen entgegen gebracht wurde; allein gar bald machte solche Naivität hei so unreiner Berührung der schmäh- bchtiten Prostitution Platz. Ursprünglich schien nicht das Schamgefühl die Verhüllung der Blosse vorzuschreiben; auf Tahiti bedeckten sich die Frauen in den unteren Partien nach Cook'a Beobachtung ledigUch „aus Artigkeit". Wenn die Missionäre auf mehreren Inseln der Sfldeee die Mädchen veran- lassten, sich mit einer wenig amnuthigen Tracht zu bekleiden, so haben dieselben neue Begriffe von Ansttüidigkcit gewonnen, aber zugleich das natürliche Gefühl der »Artigkeit' verloren.

Früher Mraren die Weiber der Mikronesier sehr streng, schamhaft, durchaus taktvoll und zurückhaltend. Auch im freien Verkehr mit den Jünglingen ihres Volkes, welche den Mädchen für ihre Gunst Geschenke geben müssen, herrscht bei aller Freiheit eine gewisse Schamhaftigkeit. {Waits-Gerlanä.)

Grosse NaivitSt zeigen dagegen die Chinwan-Weiber auf der Insel Formosa. Joest berichtet: »Schamgefühl ist nicht der Grund ihrer dichteu Bekleidung; die Frauen und Mädchen zeigen, zumal beim Hocken, ohne leu ihre Geächlechtstheile und häutig {lusserten sie den Wunsch, die einigen zu besehen oder zu betasten, allein aus Neugierde."

Ausgebildeter tritt das weibliche Schamgefühl schon bei Afrika- nerinnen zu Tage. In den heissen Strichen des Continents, namentlich in den Aequatorialgegeuden, ist die Bekleidung der Männer und Frauen sahlreicber Neger vOlker Äusserst dürltig und einfach. An der südlichen Quinea-Küäte wohnen die Kannibalen-Stämme der Fan; die Frauen-Be- kleidung beschräukt sich auf ein AÜenfell rückwärts, ein »chmalcs Stück Zeug oder einen (irasbüschel vom; trotz dieser geringfügigen Verhüllung sind die Frauen der Fan weit schamhafter, als die der anderen StUmrae. Obwohl die Frauen der Berabra sehr wenig bekleidet einhergehen, und die Mädchen bei ihrer Verheirathung nur eine sogenannte Rabat (ein den Unterleib umfai^sender Riemen, von dem nur dünne Riemchen von verschie- dener Länge herabhüngen) tragen , und auch sonst den Frentden gegenüber sieb frei bewegen, sind sie doch von grosser Eiugezogenheit und Sitten- reinheit. Bei einzelnen Negervölkern bedecken die Weiber den Hinteren; nimmt man ihnen den Schur/, so werfen nie sich mit dem Rücken auf die

XI. Der Eintritt des Weibea in

(;eaif>in bekannt ist, sogar ihr Gesicht unt«r einem Schleier verbergen müseen. ßodenstedt konnte in Tiflis von seiner Wohnung auH das Frauengemach eines armenischen Kaufmanns überblicken: j

,Da sassen (bei jedem festlichen Anla«s) 30 40 armenische Frauen' mit gekreuzten Beinen auf einem grossen, das ganze Zimmer ausmeasendea ^Teppich, in buntem Kreise, alle angethau mit schweren kostbaren Stoffen, len Nacken von einem weissen Schleier überwallt, und das Leibchen zwie- :h halbmondförmig so weit ausgeschnitten, dass des Busens besserer Tbeil offen zur Schau lag. Ich kann hier die Bemerkung einschalten, dass im Morgenlande die Frauen mit ihrem Buseu noch viel weniger heimlich thun als bei uns. Dem strengsten Schamgefühl ist dort Geniige gethan, mit dem Verhüllen des Gesichts. Alle übrigen Körpertheile werden gerin- gerer Berilcksichtiguiig gewürdigt. Es ist um das Schicklichkeits- und An- standsgefühl (wie es im Grunde allen Völkern inne wohnt, sich aber auf die verschiedenste Art kundgiebtj ein eigenes Ding. Eine Schottin kann vor lauter Schamhaftigkeit in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Mann mit einem Barte siebt, findet es aber ganz ihren Begriffen von Anstand gemS^s, dass die Männer ohne Uosen einhergehen, ein Zustand, der den Damen anderer LÄnder wieder das Blut der Scham in die Wangen treiben würde. Eine bildende Europäerin wird, wenn sie sich von Männeraugen erspähet weiss» alles andere eher verhüllen, ols ihr Gesicht. Eine Asiatin wird, unter ähn- lichen Umständen, fremden Blicken alles andere eher preisgeben als ihr Gesicht. Diese wenigen Beispiele mOgen genügen, um darzuthun, wie schwer es ist, in dem, was man Sitte und Anstand nennt, die Scheidelinie zwischen dem Ernsten und Komischen, zwischen Weisheit und Thorheit zu ziehen. Der beschränkte Mensch ist immer am meisten geneigt, das zu belächeln, was über seinen engen Gesichtskreis hinausreicht; je weiter der Blick, desto milder das Urtheil."

Komisch wirkt es nun allerdings auf uns, wenn wir von Bittich erfahren, dass die Tschuwaschinnen (Wolga-Türken) es für unmoralisch halten, ihr« nackten FUsse zu zeigen, und dass sie sich sogar mit umwickelten Füssen zu Bett Viegeben. Als Pendant hierzu erzählt Vavibery, das« die Türkinnen Ceutralasiens ein Aehnliches thun und die Turkoma- ninnen als lasterhaft verschreien, weil letzlere selbst in Gegenwart von Fremden' barfüssig einhergehen. So lässt auch die Chinesin schämig nur mit Widerstreben ihren kleinen Fuss nackt sehen, obgleich sie ihn im lierlichen Schuh für eine grosse Schönheit hält. Di)^ Baschkirinnen da- gegen halten ebenso wenig wie die Turkomaainnen und Kirgisinaen ili« Sitte des Verschleiems für unbedingtes Erfordemiss.

£s wäre uuü aber ein ausserordentlicher Irrthum, wenn man

flauben wollte, dass dasjenige, was man als weibliche ächamhai^- eit und ZQclitigkeit »u bezeichnen pflegt, bei den OiUturvölkem Europas, bereits £U einem absolut feststehenden Begnife ^^ich her- ausgebildet habe. Wie ausserordentlich wechselnd hier noch in den] leisten Jahrhunderten die Anschauungen der Damen gewesen sind' selbst in den höchsten und den gebildetsten Kreisen, das lehrt uns i'in<»ch ein Blick auf die rhythmischen Schwankungen "Ti-

moden. Was den einen Tag als frivol und gemein im höc ,yit

betrachtet wird, das gilt bereits den nächsten Tag in noch !;• -■ •/ rtcrl Potenz tUr fein, naturgemäss imd wohlanständig. Gilt e^i lit-uu uüch j für unschicklich, auch nur das Handgelenk unbedeckt m «ngco.

43. Die Schamhaftitrkeit des Weibes.

285

tneme franchise et la meme impudeur qae les Blies de Dan (Heet Yün, paysan).*

Bei mehreren Naturrülfcern, beispielweise bei manchen Polynesiern, haben, wie wir schon erwilhnten, erst die chriBtlichen Missionüre dudurcb, dass sie eine weiblichp Bekleidung einführten, dem Volke neue Begriffe von Schatnhaftigkeit beigebracht. Allein es giebt auch Naturvölker, die oluie eine Berührung mit der Gesittung civiÜBirter Völkerschaften bei den Weibern eine schämige Zurückhaltung des weiblichen Geschlechts durch Bedeckung nackter K^rperstellen wahrnehmen lassen. Von den alfurischen Frauen auf Ceram »agt CapitSn Seltuhe: Ttoit der ep&rlichen Bekleidung sind sie sehr keusch und züchtig.

Unter den Mitua, einem südamerikanischen Volksstamme am Goya - bero-Flusse, welche von den benachbarten Indianern als Wilde bezeichnet werden, fand Creteaux die offenbaren Zeichen von natürlicher Schamhaftig- keit der Frauen: die Weiber tragen dort ein sackartiges Gewand; Crereaur kaufte einem Weibe ein solche» Gewand ab. und als sie nun das neue mit dem alten vertauschen sollte, so zeigte sich, dass Schamgefrihl ihr nicht fremd war, denn sie konnte nur schwer durch ihren Manu zu diesem Wechsel in Gegenwart der Fremden bestimmt werden.

Die Begriffe von SchamhaftJgkeit bezüglich der Bedeckung der Sexual- organe durch einen Schur;: beginnen bei fast allen im Uebrigen unbekleidet einhergehenden Völkern erst mit dem Eintritt der Reife, derPubertfit; von diesem Zeitpunkte an werden zumeist die Scham theile den Blicken des mftnnlichen Geschlechts nach dem Gebote der allgemeinen Volkssitte ent- zogen; dem ganz jungen Mädchen wird in dieser Hinsicht meist noch keine Zurückhaltung befohlen, und doch giebt es auch recht rohe Völker, bei denen »ich schon am jungen Mädchen das Gefilhl der Scham bemerken lüsst. Die weibliche Schnmhaftigkeit macht sich selbst bei so niedrigstehenden, in ihrer Heinmth vollständig nni:kt einhergehenden Frauen wie den Feuer- lünderinnen geltend, welche r. Bischoff' in MOniihen bezüglich des Baues ihrer äusseren Geechlecbtsorgane untersuchen und besichtigen wollte. Nur unter Widerstreben konnte er ku einer sehr oberflächlichen Anschauung ge- langen; selbst bei den kleinen vier- und dreijährigen Mädchen der Truppe war ea ihm unmöglich, sich von dem Verhalten ihrer Ge-. achlechtstheile zu überzeugen, indem ihr eigenes Striluben auch noch von ihrer Mutter unterstützt wurde, daher Hischof] auch bei diesen Kindern Ober das Vorhandensein eines Hymen keinen Aufschluss erhalten konnte. Allein gerade in dieser moralischen Unterstützung durch die Mutter liegt, mir die Andeutung, dass den Kleinen die Schanihaftigkeit schon anerzogen war, d. h. dass es ihnen schon gewissermaassen als Sitte und Pflicht vorgestellt worden wur, dergleichen verbergen zu nittsseu.

B<>i manchen Naturvölkern ist al>er den jungen Müdchen eine grössere Decenz anerzogen, als bei sehr civil isirten Völkern. Die Ära ucanerinnen iu Chile sind bedeutend verschilmt^r, als die chilenischen Christinnen; jene badeten sich nur allein an verborgenen Orten, letztere zeigten weniger Zurückhaltung. (TrettUer.)

Haben wir soeben gesehen, wie bei vielen Völkern es sehr wohl mit der Scharahaftigkeit vertraglich ist, dass die erwachsenen Mädchen und ^auen entAveder vollständig, oder doch so gut wie nackend gehen, finden wir da» andere Extrem bei den Mohammedanerinnen, welche, wie ja all-

XI. Der Eintiitt des Weibes in

gemein bekannt ist, ao^ar ihr Gesicht unter einem äcbleier verbergen mOasen. Bodenstedt konnte in Tiflis von seiner Wohnung aus das Frauengemach eine« armenischen Kaufmanns überblicken:

,Dtt sassen (bei jedem festlichen Änlasa) 30 40 armenische Frauen j mit gekreuzten Beinen auf einem grossen, das ganze Zimmer ausmessendea | Teppich, in buntem Kreise, alle angethan mit schweren kostbaren Steifen, den Nacken von einem weissen Schleier überwallt, und das Leibchen zwie- fach halbmondförmig so weit ausgeschnitten, da^s des Busens besserer Tbeil offen xur Schau lag. Ich kanu hier die Bemerkung einschalten, dass im Morgenlande die Frauen mit ihrem Busen noch viel weniger heimlich thun als bei uns. Dem strengsten Schamgefühl ist dort Genüge gethan, mit dem Verhüllen des Gesichts. Alle übrigen Körpertheile werden gerin- gerer Berücksichtigung gewürdigt. Es ist um das Schicklichkeits- und An* fltandsgefühl (wie es im Grunde allen Völkern inne wohnt, sich aber auf die verschiedenste Art kundgiebtj ein eigenes Ding. Eine Schottin kann vor lauter Schamhaftigkeit in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Mann mit einem Barte sieht, findet es aber ganz ihren Begriden von Anstand gemäss, dass die Männer ohne Hosen einhergehen, ein Zustand, der den Damen anderer L&nder wieder das Blut der Scham in die Wangen treiben würde. Eine badende Euro {tu er in wird, wenn sie sich von Männeraugen erspähet weiss, alles andere eher verhüllen, als ihr Gesicht. Eine Asiatin wird, unter ILhn- liehen Umständen , fremden Blicken alle» andere eher preisgeben als ihr Gesicht. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um diirzuthun, wie schwer es ist, in dem, was man Sitte und Anstand nennt, die Scheidelinie zwischen dem Ernsten und Komischen, zwischen Weisheit und Thorheit zu ziehen. Der beschränkte Mensch ist immer am meisten geneigt, das zu belächeln, was über seinen engen Gesichtskreis hinauareicht ; je weiter der Blick, desto milder das Urtheil."

Komisch wirkt es nun allerdings auf uns, wenn wir von Jiittich erfahren, dass die Tschuwaschinnen (Wolga-Türken) es für unmoralisch halten, ihre nackten Füsse zu zeigen, und dass sie sich sogar mit umwickelten Füssen zu Bett begeben. Als Pendant hierzu erzählt Vamhenj, da.ss die Türkinnen Centralasiens ein Aehuliches thuu und die Turkoma- ninnen als lasterhaft verschreien, weil letztere selbst in Gegenwart von Fremden 'barfUssig einhergehen. So lüs^it auch die Chinesin schämig nur mit Widerstreben ihren kleinen Fuss nackt sehen, obgleich sie ihn im zierlichen Schuh für eine grosse «Schönheit hält. Die Baschkirinnen da- gegen halten ebenso wenig wie die Turkomaninnen und Kirgisinnen die Sitte des Yerschleierns für unbedingtes Erforderniss.

Es wtire uuu aber ein ausserordentlicher Irrtlium, wenn man glauben wollte, dass dasjenige, was man als weibliche Schamhaftig- keit und Züchtigkeit zu bezeichnen pflegt, bei den Culturvölkem Europas. bereits zu eb^em absolut feststehenden Begriffe .sich her- ausgebildet habe. Wie ausserordentlich wecliselnd hier noch in den letzten Jahrhunderten die Anschauungen der Damen gewesen sind selbst in den höchsteu und den gebildetsten Kreisen, das lehrt uns einfach ein Blick auf die rhythmischen Schwankungen der Damen- moden. Was den einen Tag als frivol und gemein im höchsten Grade betrachtet wird, dsis gilt bereits den nächsten Tag in noch gesteigerter Potenz fUr fein, naturgemäss und wohlanständig. Gilt es heute noch lilr unschicklich, auch mir das Handgelenk unbedeckt zu zeigen,

4S. IKe ScIiaTnli aftigireit de« Weibes.

287

so trSgi man morgen ohne Scheu den ganzen Ann bis zu seinem "Ursprung entblösst, und gestattet sogar einen unbeschrankten Ein- I blick in die Achselhöhle. Muss das eine Mal der Hals verhüllt Isein bis unter das Kinn, so erregt es Tags darauf keinen Anstoss, Ldie Schultern bis tief hinab zum Rücken und die Brüste fast bis Fl« ihrer Warze zu präsentireu. Darf eben noch auch nicht einmal fdie Fussspitze imter dem Gewände hervorblicken, so ist es im nächsten Augenbhck erlaubt, das Bein bis über das Knie hinaus den profanen Männerblicken blosszusteUen. Muss endlich eiimial die gesammte Kleidung so gewählt werden, dass man in ihr selbst [bei der blühendsten Phantasie einen menschlichen Körper nicht mehr zu ahnen vermag, so ist es in kurzer Zeit schicklich, dass das Gewand dem Körper sich so knapp anschmiegt, dass man ihn in allen seinen anatomischen Eigenthüralichkeiten sofort zu über- blicken im Stande ist. Aber auch abgesehen von diesen Launen der Mode hat die Schamhat^igkeit bei uns recht erhebliche Wand- lungen erfahren, und wenn wir uns bemühen, aus unseren Dichtem in dieser Beziehung die Anschauimgen der Damen des Mittelalters kennen zu lernen, so begegnen wir dort für unsere heutige Auf- fassung und Empfindung sehr eigenthümlichen Sitten und Gebräu- chen. Lesen wir z. B. den Parzival, so finden wir, dass er irgendwo als Gast aufgenommen, von Jünglingen entkleidet und zu Bett ge- bracht wird, aber noch bevor er im Bett ist, erscheinen vornehme Jungfrauen, lun ihm Erfrischungen zu credenzen. Man darf dabei nicht vergessen, dass man in damaliger Zeit absolut nackend zu schlafen pflegte. An einer anderen Stelle wtinscht eine Königin, dass PafÄivid sie von ihren Feinden befreie, Sie sucht ihn, um diesen Beistand von ihm zu erbitten, Nachts allein in seinem Schlaf- ' gemach auf „nicht zu solcher Lust Gewinn, die aus Mtldchen Fruuen macht unversehens in einer Nacht', sondern ,sie suchte Hülf und Freundes Rath. Sie trug auch wehrlichen Staat: Ein Hemd von weisser Seide fein. Wie könnte streitbarer sein, wenn sie zum Manne geht, ein Weib'? Auch schwang die Frau um ihren Leib von Sammet einen Mantel lang: Sie gingt 'wie sie der Kummer zwang." Dann kniet sie an seinem Bette nieder, er will das nicht leiden und bietet ihr seinen Platz an. ,Sie sprach, wollt ihr Euch ehren, mir solche Zucht bewähren, nicht zu rühren meine Glieder, leg ich mich zu Euch nieder. Den Frieden gab er feierlich; Da borg sie in dem Bette sich." und nun setzt sie ihm ihr Gesuch auseinander, dem er auch Folge giebt und ihre Stadt befreit, worauf sie sich ihm ergiebt. ,Den alten immer neuen Brauch übten da die Beiden auch." I Ueberhaupt erscheint es als Sitte, dass die Ritter für irgend eine ihnen bisher ganz unbekannte Dame kämpfen, deren Feinde besiegen und dann sofort nach erfolgter ß.einigung und leiblicher Erquickung mit der Dame zu Bette gehen, ein Kind mit ihr zeugen , und dann von dannen ziehen {Wolfram von Enchcnbach).

Aus dem Ende des 16. Jahrhunderts schildert uns Qtmrinonius >uderliche Sitten, die in Hall im Innthale in den Badstuben chteu:

288 ^I- I^er Eintritt des Weibes in das Geschlechtsleben.

,Der Schlüssel der Jangkfrawschafft, ist die Qeschämigkeit, dann eben von der Geschämigkeit wegen, wirdt manche wider ihren eignen Willen, von der Unzucht abgehalten, durch diese Bäder aber, verleart man allge- mach die Gescbämigkeit, und übet sich fein entblösster vor den Männern sehen zu lassen. In dem vilen man auch gar kein Underschied, der abge« sonderten Zimmer zu der EntblOssung noch zum Baden hat, ja die Bad- wannen, darin man sitzt zu sonderm Fleiss under einander Mann und Weib spicken, damit eins das ander desto besser und fQglicher sehen, und die Schambarkeit gegen einander verlieren lernen. Wie viel mal sibe ich (ich nenn darumb die Stadt nicht) die Mägdlein von 10. 12. 14. 16 und 18 Jaren gantz entblösst, und allein mit einem kurtzen leinen offt schleussigen und zerrissnen Badmantel, oder wie mans hier zu Land nennt, mit einer Badehr allein vornen bedeckt, und binden umb den Rucken! Dieser und Füssen offen, und die ein Hand mit gebür in dem Hindern haltend, von ihrem Hauss auss, über die lang Gassen bey mitten tag, biss zum Bad lauffen? Wie viel laufft neben ihnen die gantz entblössten, zehen-, zw5lff, viertzehen und sechtzehen jährigen Knaben her, und begleit das erbar Gesindel."

Aehnliche Sitten sollen nach du ChaiUu noch heute im nörd- lichen Norwegen und Finnland bestehen.

Dass noch zu der Zeit Kaiser Karl des Fünften bei seinen feierlichen Einzügen die Töchter vornehmer Patrizier es sich zur Ehre anrechneten, vollständig nackt dem Kaiser voranzuschreiten, imd dass die Väter willig ihre Töchter dem Kaiser als Concubinen tiberliessen, das möchte wohl hinreichend bekannt sein.

Einem eigenthümlichen Grade der Gastfreundschaft begegnen wir noch vor wenigen Jahren in Island in der Nähe der Geisire, die uns der den Lord Dufferin begleitende Arzt folgendermaassen schildert :

Die erwachsene Tochter der Familie, bei welcher er Unterkunft ge- funden hatte, führt ihn des Abends auf sein Schlafzimmer, „und ich war eben im Begriff mich zu verbeugen und ihr gute Nacht zu wünschen, als sie auf mich zutrat und mit einnehmender Grazie, der nicht zu widerstehen war, darauf bestand, mir den Rock aufziehen zu helfen u.nd dann (zu den Extre- mitäten übergehend) mich auch der Schuhe und Strümpfe zu entledigen. Mit diesem höchst kritischen Theile ihrer Verrichtungen, dacht' ich natürlich, würden ihre Geschäfte enden und ich endlich des Alleinseins theilhaftig werden, das man zu einer solchen Stunde gewöhnlich für schicklich erachtet. Nicht dran xu denken. Ehe ich wusste, wie mir geschah, sass ich da im Hemde und huRenlos, während meine schöne Zofe vollauf beschäftigt war, die geraubten Kleider nett zusammenzufalten und auf den nächsten Stuhl hinzulegen. Mit der grössten Natürlichkeit von der Welt half sie mir ins Bett, steckte die Decke überall hübsch ein, sagte mir noch allerlei hübsche Dinge in Isländisch, gab mir einen herzlichen Kuss und ging." Morgens wurde er durch einen Kuss wieder aufgeweckt.

Wir schliessen dieses Kapitel mit dem Hinweise auf den Aus- spruch eines ungenannten Anthropologen, dem man gewiss bei- stimmen darf:

„Mit der Ethik ist es ungeachtet mehrerer achtungswerther Versuche, den Bann zu durchbrechen, noch nicht viel besser bestellt, als mit vielen anderen Gebieten der „Geisteswissenschaften", welche ja sämmtlich auf

m

psychologi|dM-Sa«is berahen. Die Parole heiest auch hier, «elbat bei Vor- urtheilsloflteff, AAeh immer: t'onslruireo! Zuerst macht man sich nach eig^ener Bildung und Neig-ung, wie nach GedankengtrOmang der Zeit einen Begriff von Tugend und Pflicht und sucht dann dessen geschichtliche Kryetallisation XU finden und nachzuweisen. Einzig die Anthropologie, die Kenntnisii der moralischen Anschanungen der Urvölker, soweit sie zu eruiren sind, dann der noch lebenden Naturvölker, seien sie auch nur Kudera SJterer Stämme und Rassen, kann hier therapeutisch und corrigirend wirken. Vom Rechte gilt absolut dasselbe. Der Rccbtsbegritf ist biologisch nicht angeboren, . nur gesellschaftlich denkbar, wie aucü During richtig behauptet." Auch nach unserer Ueberzeugnng ißt .Schani" kein Gefilhl, das dem Menschen angeboren ist; es ist nur die Anlage dazu im Menschen vorhanden, sich einem auf socialer Grundlage ent- standenen ethischen Beg^ifie anzuschliessen und unterzuordnen.

44. Die Keuschheit des Weibes.

Im primitiven Zustande des Geschlechtslebens ist der Begriff Keuschheit wenig bekannt. Je tiefer in der Cultur eine Rasse steht, um 80 freier ist auch die Befriedigvmg des sexuellen Bedürfnisses gestattet, so lange das weibliche Individuum noch nicht verehelicht ist. Man benift sich aber auch bezüglich der Keuschheit der Frauen auf Zustände von Völkern, die keineswegs noch in jenen primitiven Verhältnissen leben, welche ihnen als Urvölker vor der Betührung mit Weissen einst eigen waren. So führt beispielsweise Kyre die Weiber der Australier als höchst unkeusch an, deren Männer auf ihre Treue keinen Werth legen.

Nach seiner Beschreibung ist das Leben der australischen Frau im ' Grunde nichts, als eine fortgesetzte Prostitution. Von ihrem zehnten Jahre an cohabitii't sie mit jungen Burschen von vierzehn bis fünfzehn Jahren. Spftter bietet sie sich auch jedem Ga.<<t^ an, der den Stamm auf eine Nacht besucht. Die Australierin, die verheirathet ist oder vielmehr im Besitz eine» Mannes sich befindet, kann auch von diesem verliehen werden. Wenn der Mann abwesend ist, nimmt ein anderer seinen Platz ein. Wenn mehrere iStfimme nebeneinander ihr Lager aufgeschlagen haben, so bringen die Männer fcdes einen Stammes die Nacht über bei den Frauen des benachbarten iStamraes zu; denn die Prostitution der am Murray-Flu-sse wohnenden [Australier ist, ähnlich wie ihre Heirath, exogamisch. Allein hiergegen ihrt Peschel an, dass die von J^i/re beobachteten Stämme am Murraj- lusse schon vielfach in ihren Sitten durch den Verkehr mit europäischen Ansiedlern verwildert sind, und dass andere Australier sich in dieser Hin- sicht minder verdorben zeigen. Auch versicherte mir Jung, der vielfach noch inverdorbene Stämme Central- Australiens persönlich kennen lernte, ^das8 dieselben keine so Qble Nachrede verdienen.

Weit reiner als in Australien ist das Leben des Weibea in Melanesien, )enn in Neu-Caledonicn, wo nicht bloss die verheiratheten Frauen, ähn- lich'wie in mehreren Inseln Polynesiens, keusch sind, sondern auch die Plön, r>aa Weib. I. 3. AuB. 19

2f^0

XI. Der Eintritt des Weibea

Mädchen ungemein zurückhaltend sich benehmen, anf den Luyalitäta- Inseln, den Hebriden war es den Matrosen Cook'a nicht möglich, ge- schlechtlichen Umgang mit den eingeborenen Weibern zu pflegen, wie mit den polyneeiüchen. Nur die Franzosen der zweiten Reise d'UrviUe'* fanden auf Isabel, sowie Modera in der Marianuenstrasse, dasn die Weiber angeboten wurden. (Waits-GerlandJ Von den Bewohnern der Insel Spiritu Santo (auf den Neuen Hebriden) heisat ea: ,Ils ont la r^a- tation de c^der leurs feuimea, mais assurdment i\» ne los offirent pas et je n'en ai paa aper<;a une «eule; bieu plus, quelques officiers ittkni alles d&as un viUage situe snr une des ilea de ]a baie, Tont trouve ävacue par le« femme« ei les enfants.' (RoberJotJ Auf Neu-Guinea wird Keuschheit nicht so «treng wie in Neu-Britannien gehalten, doch herrscht keine Prostitution. (Fitisch.)

Jener Ruhm der Neo>Caledonierinnen wird allerdings durch neuere Be- richte abgeschwächt; vielleicht haben europäische Einflüsse gewaltet. Dort ist die Keufichheit jetzt wenig geschätzt; du Eoehas naunt« die Frauen der Eingeborenen wilde Messalinen, und die alten Frauen führen schon früh das junge Mädchen auf den Pfad def Lasters.

In Polynesien ist die freie Liebe das bewegende Princip des Lebens. Auf allen Archipelen war die eheliche Verbindung eine änsaerst lockere, der Gatte konnte »ein Weib verleihen wie ein Eigenthum. die Untreue der Frau aber wurde höchstens als ein geringes Vergehen bestraft. Alle Reisenden stim- men darin überein, dass den europäischen Seeleuten Mädchen und Weiber durch deren Brüder, Väter oder Gatten zum beliebigen Gebrauch für gei'inges Entgelt angeboten wurden. Die Weiber schwammen nackt zum Schifl'e und stiegen an Bord, und ihre Väter oder Brüder instruirten sie über den Preis, f^r den sie ihre Gunst hingeben sollten. Nur auf Neuseeland war, wie Cook beiieugt, die Frau zurückhaltender. Sonst zeigte sich auf allen Inseln kaum eine Idee von Schamgefühl, und derselbe Reisende fand Überall in den Hütten der Wilden einen so wenig durch Zurückhaltnng gezügelten Verkehr, dass die sexuellen Vereinigungen gleichsam coram populo geschahen. Eine Prinzessin, Namens OfKiea, verschmähte es nicht, ein junges Mädclien anzu- leiteo, dass »ie mit einem jungen Mensdien öHentlich cohabitire. (Cook.) Auf den Inseln Polynesiens ist es nach Boiujaintille u. A. gar nichts Seltenes, dasa dem besuchenden Gaste eine Tochter oder eine Frau ange- boten wird. Auf Tahiti, den Gosellschaftsinseln u. s. w. wird der Liebes- genuas als der höchste Reiz des Lebens . betrachtet ; und die Gesellschaft der Areola setzen ihre ganze Lebensaul'gabe in die Befriedigung dieses Ver- gnügens. Wir könnten die Liste dieser zügellosen Sitten noch sehr ver- gröBsera. Die Einführung dea Christenthumg hat die Zustände allerdings schon sehr geändert. Allein auf den Sandwich-Inseln fanden die Missionilro die gröfiste Schwierigkeit für ihre christlichen Pretügten in dem völlig mangeln- dfn VerständniHse dessen, was wir unter , Keuschheit* verstehen: „Die Frauen kannten weder dos Wort, noch die Sache." (De Varitjny.)

Dae Leben des weiblichen Geschlechts auf Hawai fand auch Bidhard Netüuitiss ^»?hr sittenlos; Mädchen von 12 14 Jahren sind in der Regel nicht mehr junginlulich ; L'nzucht zwischen Vater und Tochter gehört keineswegs zu den Seltenheiten.

Allein nicht bei allen Völkern der Sfldsee herrscht eine aolche Unbe- fangenheit. Die Behütuiig der Keuschheit der Mädchen ist bei den Inf er- röten auf Luzon (Philippinen) eine geradezu ängstliche, und Fehltritt« werden mit schweren ikOrperlichun Zfichtigungen, nach Mumit-Lauff sogar

44. Die Keuscht

291

mit dem Tode bestraft. Bei den Lepan to- Igorroten rauss der Verführer das MJldchen heirutheo oder ihr ein vollständiges Weibergewand und ein belegte« Mattersobwein *chenken. und falls das Mädchen niederkommen sollte, da« Kind erhiilten. Eine Scheidung aber der geschlecbtcreifen Jüng- linge und Mädchen einer Rancherie in zwei grosse Hütten, wie sie Lillo de (iarcüi angiebt, besteht nirgends mehr. (Meyer.-)

Anf mehreren Inseln de« malayi sehen Archipels herrscht zwischen den jungen Leuten ein ganz unbeanütandeter geschlechtlicher Verkehr. Ea ist aber auf «las Strengste verboten, doppelsinnige oder gar unzüchtige Aus- drücke im Beisein der Frauen zu gebrauchen.

In Asien ist namentlich bei Völkern der mongolischen Rasse die Freiheit der Sitten gross, während doch der Ehemann hier zumeist eine wilde Eifersucht als Besitzer eines Weibes zeigt, unter den Malayen lebt das M&dchen völlig ungebunden, «o lange man sie noch nicht verheiratbet hat; allein in Lambock gilt Ehebrjch als Verbrechen; man wirft den Ver- brecher mit der Verbrecherin Rücken an Rücken zusammengebunden den Krokodilen vor. Auch in Cochinchina und Japan hSJt man auf Treue in der Ehe, allein die Eltern dürfen ihre Töchter ohne Scham verkaufen, sei es an Private, sei es in Prostitutionshäuser. In China kaufen sich reiche Männer junge Mädchen von 14 Jahren für ihren Gebrauch. Nach Turner }sann in Tibet jedes junge Mädchen ausserehelichen Umgang pflegen, ohne dass ihr Ruf darunter leidet.

Die Bhutia in Indien legen nach Manteijfizza^ kein grosses Gewicht anf die Keuschheit ihrer Weiber, eine Duldsamkeit, von welcher die letzteren in ausgedehntester Weise Gebrauch machen. Eine absolute Keuschheit vor der Ehe ist bei den Limbu in Indien nicht durchaus n5thig und die männ- lichen Kinder des Mädchens werden vom Vater, die weiblichen von ,der Mutter unterhalten. Weibliehe Keuschheit «oll bei den Völkern des west- lichen Hinialaya, den Garros in Ladak, Spiti und Kulu, wo Po- lyandrie herrscht, unbekannt sein. Wenn dort einer von mehreren Brüdern eine Frau nimmt, so werden die übrigen ebenfalls ihre Miinner; jede Frau hat das Recht, sich aus einer Reihe von Brüdern einen oder mehrere Män- ner, nicht Liebhaber, zu wühlen. Eine Folge solchen Verkehrs ist, dass den Weibern das Gefühl von Scham keine besonderen Fesseln anlegt: die Frau giebt sich jedem Fremden, der sie dazu veranlasst, ohne ZOgern hin {Üotis- aeUit). Einst floh ein Müdcben des Daphla-Volkes (zwischen China und Britisch-Indien) auf indischen Boden und stellte sich unter eng- lischen Schutz gegen ihren Vater, der sie einem in polyg'amischer Ehe lebenden Nachbar hatte verheirathen wollen. Man verlieh ihr das Nieder- lassnngsrecht ; sofort schmückte sie sich und holte aus einem Versteck ihren Entführer, stellte diesem aber auch als ihre Gatten zwei Männer vor; es stellte üich heraus, dass unter ihren Landsleuten Vielweiberei die Ausnahme, dagegen unter den Tibetern Vielmännerei die Regel sei. Dabei beschränkt tdch die Polyandrie nicht, wie in Tibet, auf Brüder, sondern erfolgt nivch fireier Wahl! {SchUujinttreit.)

Die nicht civilisirteu Weddaht auf Ceylon halten eheliche Treu« für :<e*b8tverst&ndlich. Von Ehebruch hört man nur da, wo man den Ver- mach gemacht hat, »ie zu civilisiren. Bei den ihnen benachbarten singftle- iacbon Kandiern iüt der Ehebruch sehr vejrbreitet {VirclMic^).

Die Chowturen-Mridchen gelten für keusch. Unverheirathot niedenn- kommen gilt dem Mädchen für eine so groRse Schande, daas »e gewöhnlich

19

292

XI. Der Eintritt des Weibes in das Geschlechtsleben.

nicht übt-rlebt wird. Entweder erhängt sich dus lichwangei-e Idüdchen oder es erschiesst sich. Die Pschawen-Mädchen sind minder züchtig {Hadde).

Die geschlechtliche Moral der Wotjüken weicht von der europäisch- christlichen Sitte Ranz erheblich ab. Max Bwh sagt darüber: , Mädchen und Burschen verkehren mit einander durchaus zwanglos und die soge- nannte Kenschheit setzt der Liebe keine Schranken. Ja es ist sogar schimpf- hch für ein Mädchen, wenn sie wenig von den Burschen aufgeaucbt wird. Charakteristisch ist folgendes Sprichwort der Wotjäken: , Liebt der Bauer (ein Mädchen) nicht, liebt auch Gott (es) nicht." Die hierauf bezüglichen Schildeirungen der Autoren sind durchaus in keiner Wei.se übertrieben; Ogtroicskn erzählt von einem Spiele, da» von Mildchen und Burschen ge- spielt and Heirathsspiel genannt wird. Einige Burschen und Mädchen ver- theilen sich paarweis; jeder Bursche wählt sich ein Mädchen, wobei es selbstverständlich nicht immer ohne Streit abgeht; jedes Paar versteckt sich dann an einem dunklen Ort, wo da« Spiel dann sehr realistisch aufgefasst werden soll; darauf rersammeln sich die TFamilienpaare" alle wieder zur Fortsetzung des Spiels, da es für ein Mädchen .schimpflich ist, wenige Besucher zu haben, so ist nur eine logische Folge, dass ea für ein Mildchen ehrenvoll ist, Kinder zu haben. Sie bekommt dann einen reicheren Mann und ihr Vater bekommt einen höheren Kal^-ni (Bruutgeld) für sie bezahlt.* Buch bemerkt schliesnlich : .Ein wohlerhaltencr Rest jener .communen Ehe' (Lubbock's) ist nun in der sogenannten Sittenlosigkeit der Mädchen zu linden, welche ihren Geiühlen keinen Zwang anthuu und dem Bedürfnisse der Liebe in vollem Maaasu genügen. Diese Eigenthümlichkeit Ist also nicht nh di^ Folge späterer Entsittlichung, sondern als etwas durcltaus Natürliches, Ur- sprüngliches anzusehen.*

Eine andere Erscheinung im VClkerleben, die mit unseren Ansichten von weiblicher Keuschheit wenig iiarmonirt, ist die bei nicht wenigen YOlker- schatlen herrschende Gewohnheit, dem einkehrenden Gaittfreunde die eigene Gattin anzubieten und zu überlassen. Man wird in diesem Punkte wohl ge- wiss demjenigen beipüiohten, was ^dalfcer/ roti 0<am)«m hierüber sagt: „Die Keuschheit ist nur nach unseren Satzungen eine Tugend, In einem der Nutur näheren Zustande wird das Weib in dieser Hinsicht erat durch den Willen des Mannes gebunden, dessen Besilzthum es geworden ist. Der Mensch lebt von der Jagd. Der Mann sorgt für seine WaflFen und den Fang: das Weib dient und duldet. Er hat gegen den Fremden keine Pflicht; wo er ihm be- gegnet, mag er ihn tOdten und sein Besitzthum sich aneignen. Schenkt er aber dem Fremdling das Leben, so schuldet er ihm fürder, was xum Leben gehört. Das Mahl ist für alle bereitet und der Mann bedarf eines Weibes, Auf einer höheren Stufe wird die Gastfreundschaft iu einer Tugend und der Hausvater envartet am Wege den Fremdling und zieht ihn unter sein ZeJt oder «ein Dach, dass er in seine Wohnung den Segen des Höchsten bringe. Da macht es sich leicht zur Pflicht, ihm nein Weib anzubieten, welches dann zu vergeh mttben eine Beleidigung sein würde. Das sind reine un verderbte Sitten.*

Bei den (sesshaften, angesiedelten) Tschuktschen und KorjAken, die wir schon oben besprochen, galt es nach (reortfi sogar aln eine Be- leidigung, wenn der Ga«t die vom Hausherrn angebotene Tochter nder Hausfrau zurückwies. Bei einigen sibirifschen V^ilkeru besteht diese Sitti* nach Middtndorff noch heute. Allein auch hier würden wir irren, wnnu wir nun anuebmea wollten, dasF bei dic*en Völkern, •'*■"■"•' t^'>»"'«" "" w-rij^ unsere Begriffe von Keuschheil xu Uicileu im ~

44- Die KeoBchheit des Weibw.

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liehe Treue vermisst wird; die Hingebung dea Weibes geschiebt nur auf Geheias dea Mannes, der über seine Frau ein lediglich mit seiner Genehmi- gimg temporilr aufzugebendes Besitzerrecht ausäbt.

Ueberhaupt ist ea noch fraglich , inwieweit diese Sitten ursprfinglich sind- Alle älteren Berichte kommen darin überein, dass Korjaken wie Tschuktschen streng auf die Keuschheit ihrer Weiber Fremden gegenüber hielten, das« eie nie ihre Weiber ihren Gästen anboten-, ja es standen schwere Strafen auf Verletzung ehelicher Treue oder der Keuschheit. Auch v. Nordet*- »kjöld und Boce schildern die Tschuktschinnen als sittlich, doch führt letzterer die^e Eigenschaft auf Zwang zurück. Dass sich heutzutage die alte Sittenstrenge bei dem reichlicheren Fremdenverkehr etwas gelockert hat, ist begreiflich. So erzählt Ostatief, dass die Soegstie ihre Weiber und Töchter den Fremden prostituiren, was sie für Pflicht halten. Das Gleiche berichten Satter und JCrascheninnikotc von den sessbaften, nnges iedelt en Korjaken und Tscbuktscfaen. {Gerland,)

Jedoch fand Erma?i und Kraacheninnikow die Sitte, dem Gastfreunde die Frau zu überlassen, in Kamtschatka, //<i// bei den Eskimo, Hearne vor hundert Jahren bei den nördlichen Tinne-Indianern, v. Midden- dorff noch vor ungefähr 10 Jahren bei den Samojeden und Bindulph bei den Bewohnern Hunsaa im westlichen Himalaja. Ja selbst aus Europa wird Aehnliches berichtet, denn Murrer sagt-. ,Es ist in dem ^iderlaudt der Bruch, so der Wjrt einen lieben Gast hat, dass er ihm «eine Frow zulegt auf guten Glauben.*

Mit Recht wird von Pesckel-KirchJw/f bemerkt: dass sehr viele Menschen- stämme grosse QlcichgtJltigkeit gegen jugendliche ünkeuschheit zeigen und «■rst mit der Ehe den Frauen Wandel auflegen. Allein es wird auch mit eben so vielem Rechte der Versuch zurückgewiesen, aus dem Mangel eines sprachlichen AuMdrucks, durch welchen „Jungfrau* und „IVau" unter- schieden werden, auf eine Gleichgültigkeit gegen geschlechtliche Reinheit zu «ichlieNsen-, denn manche Völker, z. B. die Abiponen, besitzen kein Wort itir , Jungfrau", werden aber doch hinsichtlich ihrer Sittenstrenge gerühmt. (Dohrühoffer.J „Eher lässt sich," wie Peschel- KirchJwff >iagi, „der gleiche sprachliche Mangel ungün^itig bei den Comanchen deuten, da «ie Gast- freunden ihrp Frauen überlassen. (Svhoolkraft.) Diesen schnöden Gebrauch treffen wir in Nordamerika noch bei den AlSuten, die auch sonst durch ihre widernatürlichen AusHchweifungt-n berüchtigt sind, dann bei Eskimos, und endlich erzählt Ertnan Waiti, dass er in Kamtschatka auf die näm- liche Sitte gestoNsen sei. Die Eskimos sind unter jenen wohl die scham- losesten; Mfi,nner und Frauen liegen nackt dicht aneinander während der Nacht unter einem Seehundsfelle ; dein Gaste macht man Platjj, indem man, wie Parry fand, nur ein wenig zurückt. Auch bietet man dem Gastfreunde die Weiber 7ur Benutziing an, die man auch allenfalls verleiht, verschenkt oder verkauft. Nach Parry prostituiren «ich aber auch ihrerseits die Weiber ia Abwesenheit ihres EheheiTn. Ein Bewohner der AI euten- Inseln äusserte einet, wio Lanymlorff berichtet, zu einem Missiondr: „Mein Volk folgt im Btfgatti'n dem Bfüspiele der Meerottem."

Wrnn aber bei den Altajern ein MRdchen veriiJhrt wird, was nur höchüi üflten vorkommt, so versammeln sich alle männlichen Verwandten d«"- ni und versuchen den Verführer zu übt^rreden, jene als seine Frau

h«-i I iinil dfm Vrtt«»r einen verhällnissmrissigen Kalj'm zu zahlen.

^u'mf.i 1 v\(f über ihn her und prügeln ihn so lange,

- 11: 1 bezahlt er ileni Vater ein kleines Strufgeld,

294

XI. Der füntcttt des Weihes in das Getichleclitsltfben.

giabt tbin eioe Flinte und einen Pelz und kann nan unangefochten nach Hanse gehen. Daa Mädchen wird aber in diesem Falle nicht mehr als Tochter betrachtet, sondern muss geraeine Dienste alb Magil leisten. (Radioff.)

Der Indianer folgt in «einen sexuellen Beziehungen lediglich seinem Wohlgefallen, er darf gefahrlos mit einem fremden Weibe, selbst mit dem Beines Freundes, sexuell verkehren. Bei den Sioux fand früher alljilhrlich eine seltsame ÖÖ'entliche Beichte statt. Die in zwei Reihen gegeneinander auf gestellten Jünglinge und Männer liessen sämmtliche Mädchen und Frauen hindurch paHsiren, und jeder legte die Hand auf diejenige, mit welcher er während de.s Jahres Umgang gepflogen hatte. Schliniuie Folgen hatte diesen BekenntnUe für keinen der beiden Theile; nur wurde das Weib ein Jahr lang, HO ot\ sich dasselbe ohne Frauenbegleitung ausserhalb des Lagers be- fand, als Prostituirle behandelt. (Dodge.)

Die Indiauerfrauen einiger Stämme besitzen einen Eeusehheitsschutz, der bei Männern Ansehen und Geltung hat. Ein Angriff auf ein Cheyenne- Weib, das sich die Fä.sse mit einem Lariat, einem Stricke umwickelt hat, würde als Nothzucht mit dem Tode geahndet werden-, ohne diesen Talisman aber ist dasselbe in Abwesenheit des Eheherrn jedem fremden Menschen wehrlos preisgegeben, (I)(Mige.)

Die Schetimascha-lndianer im südlichen Louisiana lebten in monoganuscher Ehe und hielten streng auf Beobachtung der Keuschheit. Liess ein Mädchen sich zu weit mit einem Manne ihrer Bekanntschaft ein^ ao harrte ihrer zu Hau^e die Prügelstrafe. (Gatachet.J

Dagegen fand Richard Rhode die Weiber der Bororos- Indianer an den üfem des Paraguay wenig keusch, denn sie machten ihm sowie aeiuen Leuten häufig Liebeaanträge.

Im Allgemeinen herrschen in Beziehung auf dasjenige, wa» wir Keuach- heit nennen, auch unter den Völkern Afrikas sehr diü'eronte Zustände. In Wadai wie in Darfur leben die Mädchen völlig ungebunden, und es tritt erst dann ein festeres Verhältniss ein, wenn einer der Bewerber einen Vor- zug erhält. Bei anderen Völkern, in Akra, am Congo etc. geben An«« Bchweifnngen der Mädchen keinen Anstoss, ebenso wenig bei den Papels, wo jedoch auf Treue des Weibes streng gehalten wird. Dergleichen That- sachen findet man noch mehrfach bei Waitz, der jedoch auch anführt, daaa man dagegen an der Goldküste, Lu Dnhomey u. a. w. die Verführte be- straft, oder den Verführer nöthigt, sie zu heirathen. Bei den Kaffern hat der Verführer eines Mädchens Busse zu zahlen und es ist ihm verboten, die Verführte zu heirathen. (Dohne.) Von allen Autoren wird (Jnest), ausser der Schönheit, die Keuschheit der Zulumädchen gelobt-, das bezieht sich aber doch wohl nur auf ihren Verkehr mit Europäern. Uebrigena würde jede« Mädchen, das bei intimem Verkehr mit einem Weissen überrascht würd«« oder das gar einem Weissen ein Kind gebäre, sofort todtgeachlngen, and da ist die Keuschheit am Ende etwas nicht sehr Verdienstvolles.

Die Masai im Innern von Ostafrika sollen dagegen, wie Thomson behauptet, jede weibliche Person, die ausserehelich geschwängert iat, auch wenn sie noch nicht mit einem Manne verheirathet ist, tödten.

Wie soll »ich denn auch der Begriff «Keuschheit" entwickeln in einem Volke, dessen Anschauungen so tief stehen, dass ea anL Kinde selbst un- süchtiges Wesen zulüsst? Von den Basutbo sagt Missionär Gfütjnttf: „Unzucht ist Volkesitte, Nur in dem Fall, dass ein Mädchen dnbei ge- achwüngert wird, was übrigen .■^ wunderbar genug nicht alku o' lol

(die MAdchea sagen su den Kerlen, die bei ihnen liegen-, verdirb i il**

fLeUst Ca: Bezahle Strafe! Der Betreffende bezahlt dann an einigen Orten -2 Ziegen, anderwärts bi» xu 7 Kühen. So lange aber ein Mädchen nicht schwanger Ut, so ist nie noch trotz aller Unzucht Xo lokile {in Ordnung). Solche Unzucht der Kinder und Halberwachsenen heiast auch nicht anders als: Xo raloka, d. h. spielen. Ein Seotsoa (Hurer) ist nur ein solcher Mensch, der überall und mit jedem, sonderlich verheiratheten Weibe sich abgiebt. Alle anderen oben genannten ,spielen' bloss, .wie die Hühner*.'

Auch in Niederländisch In dien sind schon lange vor der Ent- wickelungs-Periode diei Kinder diesem Genüsse ergeben, und Coitus zwischen Brüdern und Schwestern von 5 6 Jahren ist keine Seltenheit, (van der liurg.)

Bei den Valavä auf Madagaskar begatten sich die Kinder, ohne dass die Eltern dagegen einschreiten, schon sehr früh, und (Audehert) ahroeu mit wachsender Beweglichkeit immer mehr das Gebahreu der Eltern nach, leider auch zum grOssten Vergnügen letzterer und unter ihrer Ermunterung die Handlungen sich t&glich vor ihren Augen begattender Hau»- thiere, so daas ein civilisirter Mensch sich mit Ekel von dem Treiben dieser verthierten Jugend abwenden musa.

Sclion früh hat die religiöse Gesetzgebung ein grosses Ge- wicht auf ein keusches Leben gelegt. Unschuld der weiblichen Jugend und Keuschheit wird schon im mosaischen Gesetz ge- boten: Es soll keine Hure sein unter den Töchtern Israels und kein Schandbube unter den Söhnen Israels; und eines Priesters Tochter, die also thuet, die anfiiuget, also zu thun, soll mit Feuer verbrannt werden (3. Moses 19, 29. 21, 9. 5. Moses 28, 17).

Auch verdankt man der christlichen Religion die reine Auf- fassung keuschen Wesens. Jahrhunderte lang war allerdings das Christenthum nicht im Stande, gewisse Mängel des häuslichen Lebens, insbesondere die Unsitten des asiatischen Hoflebens zu überwinden. Allein die principiell verurtheilende Stellung, die es in Sachen un- keuscher Liebe einnahm, brach mit der Zeit sich Bahn und drängte wenigstens die oöenkundige Sittenlosigkeit in den Hintergrund. Mit dem Eindringen einer Art von Schein-Christenthuni i.st jedoch auf der anderen Seite einigen Urvölkem der Sinn fiir weibliche Keuschheit merkwürdiger Weise verloren gegangen. Die gewiss gute und heilsame Sitte der wilden Alfuren auf der Insel Cer am (Joest), dass die jungen Leute im Baileo schlafen müssen, existirt bei den Christen nicht; da schläft die ganze Familie in einem Hanse, leider aber auch die Tochter mit ihren Geliebten und die Sohne mit ihren Freundinnen, dabei herr.scht die ungebundenste free love ; und wenn einmal ein Mädchen heirathet, dann vereinigt sie «ich mei.st mit dem Manne, von dem sie glaubt, schofi mehrere Kinder zu haben. Die Sitten der Wilden lockern und verschlech- tem «ich viellach in der Berüliruug mit, einer Cultur, für die ihnen das Verständnis« fehlt, die ihnen auch nur den altgewohi>ten Brauch nimmt, ohne ihnen wirklich bessere Bräuche l^eizubringen.

Zugleich mit der Cultur, welche sich ein Volk erwirbt, stellen |j(l. i.II. idingH wohl auch die höheren und edleren Begriffe über b der Sittsamkeit des Weibes ein; allein die Art der

XI. Der Emtriit des Weibes in

Ueberwachung der Jieuschheit bei halbcivilisirten Völkern zeugt doch wiederum recht oft von einem bemerkenswerthen Grade sittlicher Rohheit. Wenn den polygamiechen Völkern des Orients alä zuverlässige Wache fiir die Weiber des Harems nur der Ver- schnittene {Ben/Mann) (Eunuch) dient, so kann man in sol- chem Brauche kaum ein ethisches Mittel für einen ethischen Zweck finden. Der Islam bringt dergleichen Zustände mit sich, indem er sie unter Vermittelung christlicher Völker adoptirte. Denn es findet sich der Ursprung des Eunuchenwesens nicht bei den Mo- hammedanern. Hauri sagt sehr richtig: «Wir brauchen kaum zu sagen, dass der Prophet solche Verhältnisse nicht gewollt hat. Die gute altarahische Sitte ist hauptsächlich durch fremde, persische und byzantinische Einflüsse zerstört worden. Auch am Hofe von Constantinopel herrschten damals solche Zustände; so ist z. B. das Eunuchenweseu von dorther bei den Arabern eingedrimgen. Ein mosHmischer Theologe der ältesten Zeit berichtet: ,Die Sitte des Verschneidens stammt von den Byzantinern, und wunderbar ist es, dass gerade sie Christen sind und vor anderen Völkern der Milde, der Humanität und der Barmherzigkeit sich rühmen,' Die Chalifen von Damascus bezogen ihre Eunuchen ursprünglich aus dem byzantinischen Reiche, und die von Cordova die ihrigen aus Frankreich, besonders aus Verdun, wo die Juden welt- berühmte Eunuchenanstalten hatten {Dozy). Trotzdem lallt ein grosser Theil der Schuld au diesen Verhältnissen auf den Islam. Polygamie und Haremslebeu liisst er bestehen, ja er macht sie zur Gnmdlage des Familienlebens und umgiebt sie mit dem Nimbus göttlicher Gebote. Unsittlichkeit wird die Folge sein, wo das Weib sich in die vom Koran gezogenen Schranken fügt, aber ebenso gut da, wo es nach grösserer Freiheit trachtet; denn dasä es nur durch TJebertretuDg göttlichen Gesetzes sich eine freiere Stellung in der Gesellschaft erringen kann, führt natürlich zu einer ungesunden» unsittlichen Freiheit. "

Die Eifersucht der Männer hat es sowohl bei den Naturvölkern als auch bei den i^ogenannten Vertretern der Civilisation verstanden, mechanische Vorkehrungen zu treffen, welche eine etwaige Untreue der Frauen zu verhüten im Stande waren. Es waren Appa- rate, welche den Zugang zu den weiblichen Geschlechtstheilen verschlossen. Einige afrikanische Völker sollen, wie es heisst, ihre Frauen nicht ausgehen lassen, ohne dass dieselben sich ein Sieb oder eine Rosen-Muschel vor die Gesclilechtstheile binden.

Ein anderes Verfahren, welches die Eifersucht der Ehemänner er- saim, ist eine Art der Infibulation, d.h. das Einziehen eines Ranges in die beiderseitigen Schamlippen, wodurch der Introitus vagiuini ver- scblossen wird. Dieses Hülfsmittel soll im Orient sehr gebräuch- lich gewesen sein. In Ostafrika wird bei vielen Völkeni aus der- gleichen Gründen sehr juugen Mädchen die operative Verschliossung der Scheide durch Wundmachen und narbiges Zusammenheilen der

44. Die Keuschheit des Weibes.

297

Scbauilippen geftbt, wie wir das in einem der vorigen Kapitel auß- Itihrlicb kennen gelernt, haben.

Bei den Indianern beschreibt Pauw eine Art von Keasch- heitsgllrtel : ^H consiste en une ceinture tress^ de fils d'airain et cadenassee, au-dessns des hanches, au moyen d'une serrure composee de cer- cles mobiles, Ion a grave un cer- tain nombre de caractere.s *»t de chitf- res. II n'y a qu'une seule combinai- 8on poTur comprimer le ressort qui ouvre, et c'est le secret du mari.*

Dass auch in Europa im Mit- telalter derartige Marterwerkzeuge bis- weilen in Gebrauch gewesen sind, das mag wohl den Lesern hinreichend bekannt sein. Wahrscheinlich waren es die KreuzzQge, welchen diese bar- barische Erfindung zu flanken ist, darch die der eine oder der an- dere der zu langer Abwesenheit von Hause gezwungenen Ritter sich der ehelichen Treue seiner Hausfrau im- verbrtlchlich versichern wollte. Wie absprechend aber bereits die Zeitge- nossen Hber eine solche Grausamkeit aburtheilten, das können wir aus fol- genden Thatsachen entnehmen.

Im Arsenal zu Venedig soll sich ein Instrument befinden, welches man dort aufbewahrt, und aus einem Process gegen Carrnra, einen kaiser- lichen Gouverneur in Padua vom J, 1405, herstammt, indem dasselbe als ^fchlimmes Beweismittel ftir .seine Ver- jjehen diente, für die er auf Befehl des Senates eingekerkert wurde: ,Ibi sunt serae et varia repagula, quibus turpe ülud monstrum pellices suas occludebat (Misson).

Trotz dieser exemplarischen Bestrafung scheint sich das In- strument nicht bloss in Italien, sondern auch in Frankreich ver- breitet zu haben. Zuerst wurde der Versuch der Einführung unter König Ihifiritk II. von einem Geschäftsmann gemacht, welcher eiserne Keoschheitsgürtel, genannt la Bergamasque*. auf der Messe zu Saint-Germain ausbot.

Da tenips du roy Ilenrt/, heisst en bei Brantönu, il gent un cärtain quinqualleur, qui apporta une douzaine de ctfrtains engins h, la foire de Saint Ofrmain pour brider le cas des fetnm»?«, qui estoient faicts de fer et ceinturoient comtne une ceintore. et veuoient ä prendre pu le bas et se

^yii

Fig. 37. Eenichl>eiugart«l.

i.Nftcli einpm uiumymen Stioli des

11. .lalirhaniiert». I

XI. Der Eintritt de« Weibes u^l^^SeS^IecE

fermer 4 clef, ei subtilement faicta qu'il n'estoit paa poscdble que la femme ce doulx pluisir, n'ayant quo quelques petita trous menua pour s^rvir ä piuer.

Der Erfolg dieses Kaufiaaiines war ein höchst ungilnstiger. Er musste Riehen^ denn die Bevölkerung drohte, ihn in die Seine zu werfen. Später freilich mochte man sich wenigstens heimlich mit dem Gebrauche und der Benutzung vertraut gemacht haben, deim im Mus^e de Cluny zu Paris befindet sich em solches Instrument, das durch seine Abnutzmig es wahrscheinlich macht, dass es viel- fältig in Anwendung war. Es besteht aus einer Platte von Elfen- bein, befestigt an einem GOrtel von Stahl, der von rothem Roste bedeckt ist und mittelst eines Schlosses zugehalten werden kann. Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war eine Frau in Frankreich gegen ihren Ehegatten klagbar geworden, weil er ihr einen solchen Keuschheitsgürtel angelegt hatte. Die Rede seines Vertheidigers im Parlamente ist uns noch erhalten geblieben. (Freydier.)

Die Abbildung eines solchen Gürtels hat uns ein unbekannter Meister des lü. Jahrhunderts erlialten. Dieser Stich ist \on Hirih in seinem culturgeschichtUchen Bilderbuche wiedergegeben. Ueber der geschlossenen Dame, die aus der Geldtasche eines Alt«n mit einer Hand Münzen herausnimmt und mit der anderen Hand das Geld einem jungen, einen grossen Schlüssel haltenden Manne giebt, steht auf einem Spru^hbande folgender Vers:

Es hilft kain ehloss f{ir frauwen Ust

kaiii trew mag sein dar lieb nit ist

Daruiub am schlUiiBel der luir gefeit

Den wOl ich kauffen umb dein gelt.

45. Die Jimgfraaschaft.

Der Begriff der Jungfrauschalt ist ein ethischer, der von der Annahme ausgeht, dass die sexuelle Unberührtheit des Mädchens einen ganz besonderen sittlichen Werth habe. In solcher Werth- schätzung der weiblichen, intacten Individualität kommt cultur- geschichtlich unter den Völkern ein Naturalismus und ein Idealis- mus zur Erscheinung. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, das» unt4?r Umständen auch bei Naturvölkern die Spuren ethischer Re- gungen zu finden sind, welche auch beispielsweise durch Sitte und Brauch einen gewissen Grad von Achtung und Werthschätzung der Jungfräulichkeit erzeugten. Wir selbst halben uns allerdings schon läng.st gewöhnt, in der Unnahbarkeit und Reinheit jungfriiuhchen Zustandes das Ideal schöner und keuscher Weiblichkeit zu verehren. Schon im altgermanischen Rechte wird die Jungfräulichkeit als achtungsvoll aufgefasst, und auch die christliche Religion legt bekannt-

lict von Alters her einen so hohen Werth auf ein keusches jung- ^üulicheg Leben, dass manche verehelichte Frauen als Heilige noch leutiges Tages verehrt werden, weil sie auch in dem Ehestande die Jungfrauschaft sich bewahrt haben. Wenn nun auch die Ger- manen, die sich dem Chriatenthum zuwandten, dem Weibe deshalb nicht melu- eine hohe Achtung zollten, weil die Geistliclikeit ge- neigt war. die Frau im Hinblick auf Eva's Sündeufall als ein nie- driges und imreines Wesen zu betrachten ( Wnnhold]^ eo hat doch ie jungfräuliche Reinheit immer unverändert ihre Hochachtung ge- nossen, und in dem Cliristentbura hat die Verehnuig der Mutter Hottes als die unbefleckte Jungfrau Maria dem junfräulichen Wesen ine ganz besondere Glorie gegeben. Aber auch noch vieles andere lat in unserem Bildungs- und Gesittungsgange dazu beigetragen, die schon unseren Vorfahren geläufige ideale Bedeutung des Be- griffes „Jungfrau" zu festigen und zu veredeln.

Ganz andere ethische Momente hingegen liegen der Werth- echätzung jungfräulichen Zustande« bei vielen weniger civilifdrten Völkern zu Grunde ; zumeist ist hier ein Naturalismus der gröbsten Sorte, der ihre Auffassung leitet, und zugleich in achroffen un- sere Gefülile verletzenden Formen zu Tage tritt. Nichts Sin- niges, vielmehr nur Sinnliches ist zumeist das Motiv, welches die eifersüchtige Mämierwelt bei niedrigem Culturgrade veranlasst, A&a defiorirte Mädchen zu missachten und vom Ehebette zurück- zuweisen.

Ein unverletztes HjTuen gilt bei den meisten Völkern als ein- ziges Zeichen der Jungfrauschaft. Auch bei uns war das von jeher der Fall, und die grosse Masse des Volkes hält an dieser Signatur fest, obgleich die gerichtliche Medicin schon längst tiber diesen populären Standpunkt hinaus ist. Das Hymen büdet eine Schleim- hautfalte am Scheideneingrange, vor dem sie in den meisten Fällen lalbmondfijnnig ausgespannt ist. Mau glaubte allgemein, dass die in einzelnen Stellen des Scheideneingangs sich erhebenden warzigen Excrescenzen, welche die Anatomen als ,Oarunculae myrtiformes* bezeichneten, sich unmittelbar nach der Zerreissung des Hymen beim ersten Coitus ausbildeten. Allein Karl Schröder hat mit Sicherheit nachgewiesen, dass das Hymen bei der Cohabitation nicht weiten ziemlich unverändert bleibt, indem es selbst bei oft wie- derholtem Coitus sich nur ausdehnt oder eingekerbt erscheint. Durch das Eindringen der Penis wird höchstens der freie Hand des Hymen zerrissen. In des Regel kommen erst in Folge einer Geburt solche Veränderungen zu Stande, als deren Ergebniss sich jene Carunculae myrtiformes darstellen. Demgemäss ist das Vor« indensein des Hymen kein Kriterium dafttr, dass die betrefl'ende *er80n noch nicht cohabitirt hat. Auf der anderen Seite ist aber auch, wenn das H}Tuen fehlt, die Annahme nicht ohne Weiteres be- rechtigt, dass schon ein sexueller Verkehr mit einem Manne stattge- funden habe, denn e.s giebt auch eine Reihe anderer Eingriffe, durch

welche das Hymen zerstört werden kann. Hiemach erleidet also die weitverbreitete Meinung über das Kennzeichen der Defloration sehr erhebliche Einschränkungen und Abänderungen.

Wir finden, wie bereits gesagt wurde, durchaus nicht bei allen Völkern der Erde die gleiche Auffassung und Werthschätzung der Jungfrauschaft, beziehungsweise eines imverletzten Jungfernhäut- chens. Wenn, wie wir soeben gesehen haben, nun auch diese beiden Begriffe sich nicht vollständig decken, so sind wir doch nicht im Stande, sie absolut au-seinander zu halten. Und da zeigt es sich, dass man eine ganze Stufenleiter der Achtung oder Jj ichtachtung aufzustellen vermag, welche diese Zustände in der Meinung der verschiedenen Völker gemessen. Beginnen wir mit denjenigen Na- tionen, welche der Jungfrauschaft eine volktiindige Nichtachtung entgegenbringen, so steht hier obenan die al)sichtliche Zerstörung des Jungfernhäutchens oft schon von den ersten Lebenstagen an durch die Hand der eigenen Mutter.

War es bei den Chinesinnen, bei den Bewohnerinnen von Ambon und den Üliase-Liseln und bei den Indianern in über- triebener Reinlichkeit ein wiederholtes und ganz energisches Waschen, welches zu der Zerstörung des Hymen itihrt, waren es bei den soeben reif gewordenen Mädchen des Bau da- Archipels wahrscheinlich ebeu- faüs religiös-hygieiuische Ursachen, welche dazu führen, Tampons aus Baumbast in die Scheide zu stecken, wahrscheinlich wohl, da- mit das in hohem Grade für unrein angesehene Menstruationsblut nicht sichtbar M'ird und die Schenkel nicht besudeln kann, so ist die Absicht bei den Machacuras-Iudiauern eine durchaus an- •dere, wenn sie durch ihre bereits oben beschriebenen Manipulationen ihren kleinen Kindern die Jungfemhaut vernichten und die Scheide erweitem. Hier soll das Mädchen für einen recht frühzeitigen Verkelir mit erwachsenen Männern hergerichtet werden. Ganz ähn- liche Zwecke verfolgen die onanistischen Reizungen, welche die alten Impotenten auf den Philippinen bei den kleineu Mädchen vornehmen, und auch die ähnlichen Spielereien, wie wir sie bei manchen afrikanischen VöLkem die grösseren Mädchen bei den kleineren haben ausftihren sehen, mögen halb bewnsst, halb unbe- was.st die gleichen Ziele zu erstieben suchen.

Eine absolute Gleichgültigkeit gegen die Jungfrauschaft müssen wir überall da erkennen, wo wir einen vollkommen unbehinderten geschlechtlichen Verkehr zwischen den unverheiratheten jungen Leuten beiderlei Geschlechts vorfinden. Wir haben hierfür bereits mehrere Beispiele kennen gelernt vmd brauchen an dieser Stelle dieselben wohl kaum zu wiederholen (Südsee-Insulaner, Be- wohner des malayis eben Archipels, Norda.siaten. Japaner, Indische Stämme, Afrikaner u. s. w.), und eine derartige Un- beschränktheit finden wir bei den Madagassen, den Bnsutbo n. 3. w. sogar schon im kindlichen Alter. Dass hier der Brilutigam bei setner Auserwählteu bei der Verhoirathung ein Bestehen der

JungtVauschaft nicht voraussetzen kann, das bedarf wolil .keiner weiteren Darlegung.

Wenn auch die Bewohner des Haawu- Archipels in nieder- ländisch Indien den jungen Leuten einen ganz ungestörten ge- schlechtlichen Verkehr gestatten und daher bei der Verehelichung ein Bestehen der Jungfrauschaft, nicht durchaus verlangen, so geben sie doch unter allen Umständen einer Virgo intacta den Vorzug. Trotzdem hat es keine Schwierigkeit für den Fremden, für ein Spielzeug oder ein Geschenk mit einem noch unbefleckten Madchen zu cohabitiren. (Riedel.'')

Es giebt nun aber auch gewisse Stamme, welche noch einen Schritt weiter gehen, indem sie das Fortbestehen der Jungfrauschaft bei einer Erwachsenen geradezu flir eine Schande betrachten, für einen sicheren Beweis, dass das Mädchen vor keines Mannes Augen Gnade gefunden hat. Aehnliches haben wir weiter oben bei den Wotjäken gesehen. Auch bei deti Chibchas (auch Muiscas oder Mozcafi) in Neu-Granada, welche jetzt fast ganz unter- gegangen sind, wurde die Jungfrauschaft als Beweis dafür ange- sehen, dass das Mädchen unfähig sei, Liebe zu erwerben.

Wenn nun auch andere Nationen nicht so weit gegangen sind, etwas Entehrendes in dem Vorhanden.sein eines Jungfernhäutchens zu erblicken, so sehen .sie dasselbe doch als etwas an, das das ehe- liche Vergnügen hindert und beeinträchtigt und welches dalier vor dem Eintritt in die Ehe entfernt werden muss. Inwieweit ge- schlechtliches Unvermögen in geringerem Grade, bedingt durch Ausschweifungen in der Jugend, die erste Veranlassung zu diesen Gebräuchen gegeben haben mag, das werden wir wohl niemals zu entscheiden im Stande seiu.

Bei den Sakkalaven in Madagaskar entjungfern sich die jungen Mädchen selbst vor ihrer Verheirathung, falls ihre Eltern nicht schon früher datVir gesorgt haben, dass diese rräliuiinur- üperation ausgeführt wurde. (NocL) Abscheulich ist die imge- mein rohe Art, in welcher atistralische Stämme am Peak- Flusse , um den geschlechthchen Verkehr mit sehr jungen Mäd- chen zu ermöglichen, diesen die Vagina nach imd nach bis zu den gewünschten Dimensionen erweitern. Dieses Geschäft sollen die älteren Männer der Gesellschaft übernehmen. Wenn des jungen Mädchens Brüste schwellen und .sich der Haarwuchs zeigt, so entfuhrt sie eine Anzahl älterer Männer an einen einsamen Ort; dort wird sie niedergelegt, ein Mann hält üire Arme, zwei an- dere die Beine. Der vornehmste Mann tiihrt dann zuerst einen Finger in die Vagina, dann zwei, zuletzt vier. Zurückgekehrt an den Lagerplatz, kann das arme Ding in Folge der Mi.sshandlung 3 4 Tage denselben wegen Schmerzen nicht verlassen. Sobald »je kann, geht sie fort, wird aber in jeden Winkel von den Männern

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XI. Der Eintritt de« Weibes i^

verfolgt und muss sich den Coitus von 4 1> derselben gefallen lassen. Dann aber lebt derjenige, mit dem sie als Kind versprochen worden war, mit ihr als Gattin, wobei der Mann zuweilen circa '»mal älter sein kann, als die Neuvermählte. Hill in Sydney be- richtet auch, dass die Eingeborenen von Neu-Stid-Wales vor der Heirath an der Braut, einem meist sehr jungen Mädchen, die Defloratio mittebt eines Feuersteinsplitters vornehmen, der ^ßogenaa" genannt wird, und mit welchem das Hymen aufgeschlitzt wird. Dies geschieht, um den Eingang so gross oder so klein herzustellen, wie es dem Gemahl passend schien.

Dieses letztere erinnert an die Operationen, welche bei den excidirten und vernähten Mädchen in Afrika vor der Hochzeit nothwemlig werden und bei welchen von Priestern oder von alten Weihern dieses Wiederaufschneiden meistens mit sehr fragwürdigen Instrumenten ausgeführt wird. Die alten Aegypter schnitten das Hymen durch.

Bei anderen Völkern wieder begegnen wir der Sitte, daas die En^miigfenuig der Braut allerdings „lege artis" vor sich geht, d. h. durch die AuHühung .eines Beischlafes. Diesen vollföhrt aber nicht der Bräutigam, sondern irgend ein anderer Mann au .seiner Stelle. Wir dürfen diesen Gebrauch aber nicht mit einem ähnlichen ver- wechseln, welchen wir später bei den verschiedenen Formen der Ehe kennen lernen werden. Ich meine die einmalige Prekgebimg des Mädchens an die Staramesgenossen, bevor sie durch die Ehe das ausschliessliche, unantastbare Eigenthum eines Einzelnen fldrd.' Hier liegen, wie wir seiner Zeit erläutern werden, durchaus andere Motive zu Grunde. Um nun zu unserem Falle zurückzukehren, so müssen wir in diesem primären Coitus durch einen Stellvertreter doch wiederum einige Unterscheidungen treffen. Nach einem Aus- spruche des heiligen Athanasiits hielten sich die Phönizier einen besonderen Sclaven, dem das Amt oblag, die Braut zu defioriren. Bei den Viscayern auf den Philippinen existiren nach BlumvU' tritt Individuen, welche die Entjuugierung gewerbsmässig betreiben. Wie einen Fortschritt in der Sittlichkeit müssen wir es betrachten, wenn wir sehen, wie diese Entjungferung eine Ehre ist, die nur einem hochgestellten Manne zukommt (jus primae noctis;, oder ein Weihgeschenk, welches der Gottheit dargebracht werden muss und welches daher das Bild der Gottheit selbst oder der Stellvertreter Gottes auf Erden, der Priester, vorzunehmen berulen ist. Ein Bei- spiel für den ersten Fall finden wir bei den Balanten in Sene- gambieu, einem sehr rohen Negerstamme. Hier hat der Haupt» hng die Verpflichtung, die Braute zu defioriren, wozu er sich oft nur gegen ansehnliche Geschenke herbeilässt; ohne diesf ''' ' - Zeugung des Häuptlings kann aber kein Müdclien heiratherj. >

Als Opfergabe an die Gottheit sehen wir die Erstlmge der Jungfemschaft bei verschiedenen Völkern des Alterthoms darge- bracht, zu denen auch die alten Römer gehörten. Angeblich sollen

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sich die römischen Bräute auf den Schooss des Gottes Mutmitts gesetzt haben, durch dessen Phallus das Hymen zerrissen imd die Vagina erweitert wurde. Auch mit dem Lingam-Dienst in Indien sind ähnliche Ceremonien verbunden.

Duquestie a vu, lierichtet Ditlanre, dans les environa de Pondichöry, les jeunes mariees venir faire ä cette idole (le Lingam) de bois le aacrifice cüniplet de leur virgfinite. Dans une partie de Tlnde, appeläe Canara, ainei qae dans le« environs de Goa, de pareils «acriScea sont en usage. Lee jeunes alles, avant d'epouser. offrent et doonent dans le teinple de Chiven (SchitcaJ lea pr^miceR du luariage ü une semblable idole dont le Lingam est de fer; et Ton foit jouer ä ce Dieu le röle de eacrificateur. Cvan Caerden.J

Die Muhe und Arbeit für das Götterbild übernahmen dann später opferwillig die Priester oder auch die Zauberer. Das letzere wird im 16. Jahrhundert von den Acowaschen und Kumaneu Amerikas berichtet, während in Nicaragua der Oberpriester die Bräute entjungferte, und dasa auch heute noch in Indien der Bräutigam seine Braut zu einem Brahmineu flihrt, damit dieser ihr die .lungfrauschaft nehme, ist eine oft erzählte Thatsache. Der be- treffende Brahmine erhält für seine Bemühung ein Geschenk, das bisweilen eine ganz beträchtliche Höhe erreicht. Ftir gewisse Brahminen auf Malabar soll dieses Amt sogal- ihre einzige Berufs- jjflicht gewesen sein. Für diejeuigeu Fälle, wo sich die Jungfrau allerdings weder dem Priester noch auch dem Könige, sondern irgend einem Fremden preisgeben muss, wie das iu Babylon und Cypern der Fall war, erblickt Rosenhaum die Erklärung in dem Umstand, dass nicht nur das Menstrualblut, sondern auch das bei der Defloration durch die Zerreissung des Hymen fliessende Blut, und somit auch der Act der Entjungferung selber für unrein ge- halten wurde. Daher überliess man ihn den Fremden.

Den gröasten Werth legt man auf das angeblich specifische Merkmal der Virginität in Asien und Afrika, und in den meisten Ländern dieser Continente wünscht der Mann regelmässig bei dem Vollzuge der Verheirathong untrügliche Beweise zu erhalten, dass das in seinen Augen allein maassgeliende Zeichen der Jimgfrauschaft, das Jxmgfemhäutchen, bei seiner oft für schweres Geld erkauften Braut noch unberührt und imverletzt erhalten sei. Auch hier be- gegnen wir wieder einer sehr beachtenswerthen Stufenfolge in der Art und Weise, wie sich der Bräutigam die Ueberzeugung von der geschlechtlichen ünberührtheit seiner Braut zu verschaflen suchte. Als ersten Grad in dieser Beziehung können wir die Sitte betrachten, nach welcher, wie Clot-Bey berichtet, in Aegypten das Hj'men nicht etwa durch den ersten Beischlaf zerrissen wird, sondern der m hüllt ein weisses Mousselintuch um den Zeigetinger der rechten id und dringt in die Mutterscheide der jimgfräulichen Braut ein; daü blutige Tuch nun zeigt er den Angehörigen vor. Unter anderen orientalischen Völkerschaften wird diese Angelegenheit mit noch [weniger Delicatesse behandelt. In Nubien wird gegen das U. Lebens-

Jahr hin das Älädcheii verlobt; der Ehemann deflorirt dasselbe mit seinem Fiuger und vor Zeugen; als wirkliche Gattin ftthrt er sie erst nach einem Jahre oder spater heim. Bei den Arabern wird die Verlobte, M'enn sie nicht Wittwe ist, ebenfalls wie in Aegypten initteLst des von einem leinenen Tuche umhüllten Zeige- fingers der rechten Hand entjungfert, doch besorgt dies Geschäft nicht der Mann, sondern eine Matrone, und jene führt dasselbe nur dann aus, wenn die Verlobte gerade menatruirt; das Tuch wird stets den Eltern gezeigt. Die Kopten verhalten sich ähnlich, wie die Araber.

Ein Hoclizeitabrauch in SHdru-saland (Ashoth) besteht darin, dass man ganz besondere Vorkehrungen trift't, um vor Zeugen, welche die Bevölkerung vom Ergebnias ihrer Beobachtung sofort benach- richtigen, die Ünverletztheit der Jungfrauschaft beim Coitus in der Brautnacht feststellen zu lassen. Es ist sogar Brauch, dass die Braut sich zuvor, ehe sie dein BrUuÜgam überlassen wird, vor Zeugen vollständig entkleiden lassen muas, damit festgestellt werde, ob sie nicht etwa Täuschungsmifctel bei sich habe; auch wird dann, wenn der Bräutigam etwa unfähig ist, den Coitus in der Brautnacht auszuüben, ein Anderer an seine Stelle berufen. Die Strafe und die verächtliche Behandlung beim Nachweis des Verlustes der Jung- femschaft sind ebenso erheblich, wie die Freude, wenn die Blat- spuren im Hemd voi-gefunden werden.

Die Neugriechen auf Morea besitzen eine ganz absonder- liche Jungfemschaftsprobe. Hier musste die Braut, bevor sie das Brautbett bestieg, auf ein ledernes Sieb steigen. Durchtrat .sie hierbei das letztere, so lag ihre Unbeflecktheit klar zu Tage. (Pou- quevillc.)

Bei der Mehrzahl der orientalischen Volker und auch bei einigen ihrer Nachbarn verlangt der Bräutigam in der Brautnacht nach dem ersten Coitus im Ehebette Blutapuren zu finden zum Zeichen, dass das Hymen von ihm selbst durchrissen, seine Frau also nur erst von ihm selbst entjungfert worden sei. Diese Tro- phäen seines Sieges und gleichzeitig die Keuschheitsbeweise seiner Braut werden dem Kreise der Freunde und Verwandten im Triumphe vorgezeigt. Bei den Samojeden und Ostjaken ist es nach Palias sogar gebräuchlich, die Schwiegermutter ft\r die Oberbraciitcn Zeichen der Jungfrauschaft zu beschenken. Auch die Bulgaren verlangen nach Bogisic von dem jungen Ehemanne die sichtlichen Beweise dafür, dass seine Braut noch Jungfrau war.

Aber wehe der Braut, die die. Probe nicht besieht. Es gtebt keinerlei Entschuldigung für den iMangel des Hymen. In Persien kann, wie PolaU berichtet, in einem solchen Falle die Frau auf die einfache Aussage des Mannes hin nach der ersten Nucht Ver- stössen werden. Dieser ungerechte Brauch wird oft benutzt zum Zweck der Gelderpressung von den Schwiegereltern, die den Ruf der Frau nicht betiecken lassen wollen. Doch trägt andererseits

dieser Brauch auch dazu bei, dass fast alle Mädchen in voller Vir- ginität zur Ehe gelangen.

Auch in Nicaragua durfte der junge Gatte seine Verlobte (nach Squier) iliren Eltern zurUckschickeu, wenn dieselbe schon früher ihr Hymen eiugebüsst hatte. Ebenso streng wurde es mit der Reinheit der Braut nach Acostas und Anderer Berichten im alten Mexikaner- Reiche genommen.

Aehnlich ist es bei einigen anderen orientalischen Völkern, aber auch bei gewissen a f r i k a n i s c h e n Stämmeh schickt der Bräu- tigam die Braut den Eltern wieder zurück, wenn er sie in der Braut- nacht nicht als .Tungfrau erfunden zu haben glaubt. Die Ehe ist damit einfach für ungültig erklärt und aufgelöst. Ist bei den Szuaheli im östlichen Afrika bei der Verheirathimg das Jangfemhäutchen zerrissen gefunden, so müssen die Eltern die Hälfte des Brautgeldes an den jungen Ehemann ziirückbezahlen. Bei dt- n Bulgaren wird die Schande des Mädchens laut verkündet, wenn bei Vollzug der Ehe die Beweise für ihre bisherige Jungfräulichkeit ungünstig aus- gefallen sind, jedoch pflegen in einem solchen Falle ihre Eltern die Bedenken des Schwiegersohnes durch eine entsprechende Ver- inehnmg der Aussteuer zu beschwichtigen.

Findet der Gatte bei einer Zuluhochzeit heraus, dass es mit der Jungfräulichkeit der Braut schlecht bestellt war, so zahlt der Bruder oder Vater derselben an den jungen Gatten einen Ochsen: ,to stop tbe hole", wie der Z u l u - Ausdruck im Eng- lischen lautet. iJoest.)

Schon die Juden der Bibel hielten nach Moses' Gebot (5, 22) gar streng auf die Jungfernschaft. Wenn ein Mann ein Weib ge- nouomen und er sie unter dem Vorgeben, sie sei nicht mehr Jung- frau, deren Eltern zurückgiebt, so soll ihr Vater die Aeltesten der Stadt als Richter anrufen, vor diesen aber sollen die Kleider aus- gebreitet werden. Der Mann soll dann für die ungerechte Bezich- tigung einer Jungfrau Strafe zahlen und das Weib zur Gattin nehmen. Wird jedoch die Dinie nicht als Jungfrau befunden, so soll sie öÖ'entlich zn Tode gesteinigt werden.

Bei so strengen, das Lebensglück oder selbst das Leben de» Mädchens bedrohenden Maassregeln, wenn die letztere ihre Keusch- heit nicht zu bewahren gewusst hatte, uiusste es wohl begreiflich sein, wie sie selbst oder die Ihrigen auf Mittel sannen, die verlorene Jungfernschaft zu entschuldigen, zu bemänteln oder für die Zeit der Prüfung scheinbar wiederherzustellen.

Wir sahen schon, dass die Matronen bei den Arabern die Digitalentjimgferung vorsichtiger Weise an dem Ende der Meu- struiition vornehmen. Hat bei den Persern das Unglück der De- floration bei einem Mädchen stattgefunden, so suchen die Eltern die Scliande abzuwenden, indem das Mädchen an einen armen Teufel oder einen jungen Ivnaben verhcirathet und alsbald wieder

Pia«*, Dm Wnitt, I. ■.>. Aurt,

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gMM-litMltff) irird, djumt nt dorn eiofMD aagcthcDee Uamie xor Frau

^ ^ r) w<^(l«ri kiina. Oder et wird am Tage der Entucbeidimg

iiiiMt im Folgenden beackriebeneo operaUven Eingriff nach- : i— rg«n kennen. IHeselben pflegen My '>g die Schamlippen durch ein

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In Htlnrien gmiitiMHl diiH juage Mädchen, das nicht mehr •litiigt'ruii int, vur der Jirautnucbt die gekochten Früchte der Iris «ibirictt. iKtrhd.)

»»«I. wolil m-ltr Hchwii'rig, m L-ntscheiden, ob es sich ledig- lU^h um oiiiii i<igt'iithl\iiitii-lii\ besondera »*crupulöse Art handelt, das Vorlmiidi'iim'iii ndi-r I'V'hlcn der .lungl'rauschiift zu constatiren, oder iili wir tlunn eiiiu Art von Analogie für die Institution unserer Trrtu«itug«Mi i-rbliiken mü«Ken, wenn wir sehen, daas bei manchen ViWkttni b«'»liimut(< l'Veundo oder Anverwandte bei dem ersten Coitus di'M jiuigi>ii riiiirfH y.tigegen sein und »ogar hierbei handgreiflich lii'irtMt iiiid iu<hiNtir»>n rnftssen. So erfolgt /. 13. bei den katholischen r|»rif«tt'U in A Ägypten die Kntjungffrung durch den Beischlaf, WHlolii'm die beiden Schwiegermutter, die Mutter des Mannes so- wohl uN auch di(\)ouig« der jungen Frau, beizuwohnen rer- pHichtrt Nuul.

\W\ dorn ersten (Vitu« eines £he]> ^ stiren in Ab^ssinien

«WIM Ktmgeu, wolcho dabei der liegen' i die Beine so hinanf-

haUen, diu<«< dvr Khomann zwischen denselben seine Lust befiriedigen )^^,... TV,...,. l>^i4«}u ^>ugett traten von da au zn dem Paare in ein

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M jUuxuai wi* bei uns dl« PaiKaiwrhaft. Stecktr^ welcher mir dias aii|ttM£li«> gMyt mamh an, 4m» diaws Halten Beine bei dem «w«b»n TiMtu» deebalb vurwenonunen vird, weil die jonge FVaa dort wie Aberhaubt in tMmi Lindeni Ostafiikas eine dordi tfawÜicb •uynkiiMe Verwncbmmfr Terechloasene Scheide bal, die Me^ «kSTwie anderw^Stelmt^ Sebutt. sond«» da. ^^ JS^amMun selbst dartli f>waHw»Hi HJtiPwhHtwi diee Ans ge-

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46. Der Beischlaf.

»inbar wütbend und bewaöiiet bis zu seinem Hause, indem sie Braut«chatz fordern.' Die Anverwandten des jungen Mannes kommen dann ebenfalls bewaffnet heraiüs. Bald aber hat man sich über den Brautschatz geeinigt imd in Frieden \md Freundschaft geht alles auseinander. Der junge Gatte lebt fortan im Hause der •Frau. {Riedel})

Eines eigenthümlicben Edictes müssen wir zum Schlüsse noch gedenken, welches in Rom der Kaiser Tiheriiis ergehen liess. Er verbot, dass Jungfrauen hingerichtet würden. Hatten dieselben ihr Leben verwirkt, so war es die Pflicht des Henkers, sie vor der Hinrichtung zu defloriren. (Hyrtl.) Was für Motive ihn hierzu bewogen haben mögen, das sind wir heute wohl nicht mehr im Stande zu entscheiden.

^H Die Ethnologie darf sich nicht der Betrachtung derjenigen

^H Functionen und Bräuche entziehen, welche über das, was wir selbst ^^ unter .Sitte" verst-ehen, weit hinausgeht. Die Wissenschaft hat sich imter Anderem auch mit Handlungen zu beschäftigen, welche wir selbst gewiss mit Recht als ,discret zu behandelnde" auflassen, die jedoch immerhin für die Culturforschung von Bedeutung sind. Hier kommt das Thier im Menschen zum Vorschein. Die ethischen Momente, welche auf solchem Gebiete zu Tage treten, süid freilich unserem Empfinden wenig sympathisch, denn es müssen dabei sogar recht widerwärtige Erscheinungen besprochen werden; allein die Psychologie und Culturgeschichte dürfen sich ebenso wenig wie die Naturgeschichte ihre Stoä'e nur nach dem uns mehr oder weniger angenehmen Geschniack und Gei'ühl auswählen; sie haben vielmehr die Pflicht der oftenen Darlegung, wo es sich darum liandelt, sittliche Zustände aui" dem Gebiete der Völkerkunde zu charak- terisiren, imd selbst diejenigen Züge nicht unbeachtet zu lassen, h welche das brutale Element im Menschen zum Durchbruch mt.

Die Stellung des Weibes in der Familie und dem Volke, die gegenseitigen Beziehungen zwischen Mann und Frau sind für die Stufe der Sittlichkeit., auf der ein jedes Volk steht, von höchster Bedeutung. Eine wahre Stufenleiter zeigt sich da, von der tiefsten Missachtung an bis zur grössten Hochschätzung, von der schänd- lichsten Behandlung au bis zu den zartesten Rücksichten. Das rein geschlechtliche Verhältniss tritt eben nur bei den rohesten Völkern in den V^)rde^g^lmd, spielt aber auch noch bei den halbcivUisirten Nationen eine ganz wesentliche Rolle, während bei hochcivi- iTwirteu Zuständen das intellectuelle und moralische Wesen dem I weiblichen Geschlechte seinen Wertli gicbt, die sexuellen Beziehungen

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geschieden wird, damit sie dann einem angesehenen Manne zur Frau gegeben werden kann. Oder es wird am Tage der Eutscheidxmg dnrch einen im Folgenden beschriebeneu operativen EingriÖ' unch- geholfen, den einige -persische Chirurgen kennen. Dieselben ptlegeii einige Stunden vor der Verheirathung die Schamlippen durch ein Poax eingelegte Nathe zu vereinigen, die dann beim Coitiis atifge- rissen werden, so dass etwas Blut fliesst, was der Mann för ein Zeichen noch vorhanden gewesener Jungfrauschaft ansieht. Auch ein mit Blut getränktes Schwämmchen soll öfter mit Vortheil in der Brautnacht in die Vagina gesteckt worden sein.

In Sibirien geniesst das junge Mädchen, das nicht melur Jungfrau ist, vor der Brautnacht die gekochten Frttchte der Iris sibirica. {Krebel,)

Es ist wohl sehr schwierig, zu entscheiden, ob es sich ledig- lich um eine eigenthüniliche, besonders scrupulöse Art handelt, das Vorhandensein oder Fehlen der Jungfrauschaft zu constatireu, oder ob wir darin eine Art von Analt^e für die Institution unserer Trauzeugen erblicken müssen, wenn wir sehen, dass bei manchen Völkern bestimmte Freunde oder Anverwandte bei dem ersten Coitus des jungen Paiires zugegen sein und sogar hierbei handgreiflich helfen und assistiren müssen. So erfolgt z. B. bei den katliolischen Christen in Aegypten die Entjungferung durch den BeiscWat, welchem die beiden Schwiegermütter, die Mutter des Mannes so-, wohl als auch diejenige der jungen Frau, beizuwohnen ver- pflichtet sind.

Bei dem ersten Coitus eines Ehepaars assistiren in Abyss»/*^®,^ zwei Zeugen, welche dabei der liegenden Frau die Beine so V^^^e halten, dass der Ehemann zwischen denselben seine Lust befr*^* ^'^j kann. Diese beiden Zeugen treten von da an zu dem Paare ^* ^ Verhältnis», welches einem verwandtschaftlichen gleich.\.', ^ . ^^^ ist ähnlich wie bei uns die Pathenachaft. Steche); welcViet " . ^^^j mittheilte, giebt auch an, dass dieses Halten der Bev^w; ^ ^i ersten Coitus deshalb vorgenommen wird, weil die j^'-^V?,^ x,«v« w^ie überhaupt in vielen Ländern Ostatrikas eine il\"i-»-.> eingeleitete Verwachsung verschlossene Scheide 1 > nicht, wie anderwärts durch Schnitt, som ' Ehemanne selbst durch gewaltsames Eins dftnet wird.

Die jungen Leute auf der Insel Da Archipel hüben einen sehr absonderlichen zu documentiren, dass sie eine Eh« ''

einem jungen Mädchen nach einig, von diesem gebotenes Geschenk, einigen Korallen, angenommen, (n> Der junge Manu bleibt im Haus, exercet, si fieri possit publice*. Di der Braut ein grosses Gesclirei, ed

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aber unter der Herrschaft geläuterter ästhetischer Anschauunjf in die engsten sittlichen Grenzen eingeschränkt werden. Wo das Weib nichts ist, als der G(?geustand, durch welchen einestheils die viehi- schen Gelüste befriedigt, anderentheils die anstrengende Arbeit des Mannes verringert werden kann, da wird der Frau auch das Aergste in Bezug auf den sexuellen Verkehr zugemuthet.

Dass bei südlichen Völkern nicht überall die Sinnlichkeit des Weibes bei Ausübung des Coitus zu besonderer Erregung gelangt, ist eine nicht zu bestreitende Thatsache, wenn man den Bericht- erstattern Glauben schenken darf'. Von den Mädchen und Frauen auf Ponape (Carolinen), welche unendlich kalt und eisig zu sein schie- nen, erfahren wir von einem derselben diurch Finsch: «Drei Mädchen, die ich behufs Constatirung der Beweglichkeit vorzunehmen Gelegenheit fand, blieben bei den einleitenden Manipulationen total iudiöerent, verhielten sich während der Operation vitllig passiv und reagü'ten selbst im Culminatiouspunkte kaum wahrnehmbar; dagegen zeigten sich alle drei Wiederholungen nicht abgeneigt und namentlich für den Nervus rerum sehr empfänglich. Ein unter dem Arme ge- tragener angefeuchteter Schwamm wurde jedesmal nach vollbrachtem Actus mit grosser Behendigkeit xiu* Aufsaugung der ttbei'flüssigen Materie introducirt, wodurch allzu grosser Schlüpfrigkeit bei nach- folgenden Eiufülmingen kunstvoll vorgebeugft wird." Allerdinga hatte es der berichterstÄttende Experimentator wohl lediglich mit Subjecten zu thun, die gewerbsmässig zum Stande der \'^enus vulgi- vaga gehörten.

Aber wenn dieses auch nicht der Fall gewesen sein sollte, so ist doch noch nicht ohne weiteres anzmiehmen, dass so, wie sich diese Weiber dem Fremdlinge gegenüber benommen haben, sie sich nun auch im Verkehr mit ihren Stammesgenosnen verhalten würden. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung eine Bemerkm)g, welche Riedel^ über die Einwohnerinnen der Insel Buru macht: .Die Frauen haben öfter intimen Umgang mit fremden Männern, jedoch verhalten sie sich während der geschlechtlichen Vereinigung sehr passiv und indifferent, aus Furcht, befruchtet zu werden.*

Dagegen bezeugt Apjyun, der lange unter ganz uncivilisirten Indianern von Guiana gelebt hat imd selbst nach der Sitte des Landes zeitweilig mit einer Eingeborenen verheirathet war, dass .alle Indianerinnen geringere Neigung zu physischer Liebe haben''. Auch unter civilisirten Nationen scheint die Frau beim sexuellen Acte nicht überall sinnlich aufgeregt zu sein. Temperament und Reizbarkeit sind jedenfalls in differenter Weise auftretende Hns.ven- merkmale. Wie aber über Alles, so gebietet doch sc' i Sitte

und Brauch auch über die Art der Ausübung von !• i m, bei

denen die Frau meist ein mehr oder weniger passives Verhalten zeigt. Man darf aber dabei nicht vergessen, da.S8 gar nicht selten diese scheinbare Passivitüt ihren Grund in sexueller Schwäche des Mannes

hat, welche der Frau nicht die vollständige Vollendung des Actes gestattet und die hinreichende Befriedigung gewährt.

Zwei bei tietstehendeu Völkern als allgemeiner Volksbrauch uultretende Momente ßind es, welche ganz besonders in Bezug auf den Coitus und seine Ausübung die bedauemswerthe Geringschätzung des Weibes bezeichnend Erstens der Coitus vor der weiblichen Geschlechtsreife und zweitens die Ausübung desselben in Gegen- wart anderer Individuen. Diese beiden Erscheinungen im Völker- leben bekunden gewiss eine noch tiefere Stufe sittlicher Zustünde, als die von vielen Ethnologen ah charakteristisch für die Erniedrigung des weiblichen Geschlechts hervorgehobenen Bräuche des Braut- kaufs und des Brautraubes.

Bei nicht wenigen Völkern kommt es vor, dass, wie wir ira Artikel über das Heirathsalter zeigen werden, geschlechtlicher Umgang schon mit Mädchen vor der Geschlechtsreife getrieben wird. So bei den Australiern, wo nach Angabe von Miklucko-Maday ein zehn- bis elljähriges Mädchen nicht nur die Frau eines SO jährigen Mannes, sondern auch die Maitresse eines Buggi-Matrosen ist, und wo der- gleichen Verkehr oft stattfinden soll. Auch bei den Wolo ff- Ne- gern am Senegal wird der Coitus gar nicht selten mit jungen Mädchen vor dem Eintritt der Men.struation vollzogen, wie wir auch in einigen Theilen Indiens und bei manchen Indianer- stämme u die gleiche Unsitte antreffen.

Bei den Malajen der Philippinen wird der Coitus nach Caüamaque augeblich ganz imgenirt. auf offener Strasse vollzogen; derselbe Autor beschuldigt selbst Kinder der Unzucht. (Blumcntritt.) Auch in Tahiti wurde die Begattung, wie Cooles Reisebegleiter sahen, öffentlich vor Aller Augen ausgeführt, unter gutem Rath der Umstehenden, namentlich der Weiber, worunter die Vornehmsten sic-h befanden; doch wusste das betheiligte Mädchen (von 11 Jaliren) schon allein guten Bescheid. Aehnliches erlebte la l'erouse auf Samoa.

Dagegen diurften auf Neuseeland, wie Dieffenbach^ Foluk u. A, berichten, die Mädchen allerdings ihre Gunst schenken, wem sie wollten, allein sie entzogen sich doch dabei aus Schamhaftigkeit den Blicken der Fremdeu, wenigstens dort, wo Europäer noch nicht hingekommen waren. Und in diesem Punkte uiuss allerdings der europäische Einfluss erst einen Zustand grosser Schamlosigkeit herbeigeführt haben; denn auf Tahiti und anderen Inseln waren früher die Weiber, insbesondere diejenigen der besseren Klassen, wie Jüllis, Förster u. A. bezeugen, viel sittenstrenger. Die öffent- liche Begattung, die lUderüchste Unzucht haben Bougamville's^ Marrhaml's, iJtwwnt d' Urvilles, Laplaces Schiffsleute in. den Häfen einget^ihrt. ( Wait::-Gcrland.)

Die Frauen der G e b v u k a auf der Insel B u r u sind in Folge der ihnen aufgebürdeten Arbeiten des Nachts gewöhnlich zu müde, um den Coitu.s ,$icut oportet et commode* ^u vollziehen. Derselbe

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{BieitL^ ^^

lieh nr Enregoag wcAbdwr WoOnik CAUjmiu BmMttpl kaS^ Att load Ponspe (wmO. CaroltBea) gut es ab brnnte« weib- liche SdiSiihcit, dMB die kknwaSehanfippeaidirTerfuigexi «erden; ■nd die Verttagenm^ dewelben, wie £e der Cüton, wurde adM», vie wir aabra« bei den kkneo Mideben iihwtHiffi cneogt. Der Xana «Tr*:^^ die WoQtuI bcioi Wetbe, indem er den TShamt die Tcrlii^i^erteB Schamlippen fiarf, am sie lii^er zn zerreiv, nnd etakpe Mänser gehen« wie Kitb«nf rernchert. so w«n. der Pirna CW BMek Fiacfa in die Valra za afaefceB, am daanlbe nach and mch hemancalecken. Solche widertidie and ahacheoEefae Expeci- mtBi» werden mit der Hanptfran, mit welcher der Mann ein Kind M erxeagw wQnscht, so weit getrie(>en, bis dieselbe so nxiniren an- ftngt, and bienraf erst wird zum Coitoa geschritten. (FimsdL^

Aut den Inseln des AarU'Arcfaipds findet die BescfaneidnBg der K-nnlKiti in der Weise iitatt, das« Omen das obere Sttkk der Vor- hati' '<mmi wird. I>ie«e ganze Operation wird in der ansge-

sprn. Absicht aasgefOhrt. der Frao da« Wollos^ef^UJ bei der

AiuQbmig des Beischlafs zu erhoben. Auch die Se rang- Insulaner lassen sich b fihnlicher Weise beschneiden, wenn die Scbamhsai« herrorzusproÄse« bi-ginnen, and zwar auf Andringen der ron ihnen erwfihlk^fti Miidch^-n, .ut angeant roluptat^m in coitn*. (liirdrlj)

In AhyNMinien haben ebenso wie an der Zanzibar- Küste die ji'nf{t>n MS/lchcn Unterricht, in den Kumpfbew^ungen, welche sie '/»ir KrhilJmng wollllstigen Reizes beim Coitus auszuführen haben; die Unkcnntniss dieses Muskelspiels gilt uuter den Jungfrauen als ftchaivle; hier heigst das rotircnde Hin- imd Herbewegen Duk- I>uk. (Sfcrhr.)

Urii dem Weihe den Oenns« beim Coitus dtirch ein starkes

Reizmittel zu erhöhen, durchbohren sich ^-iele Dajaka die Glans

ponii» mit einer sUhenieti Nadel von oben nach unten; sie lassen

*' idel MO luiif^e «larin, bli die durcli ' ' Stelle als Kanal

ixt, tun dann In denselben vor >; is ein«>ti Apj>srat

rinzuhigen, welcher f«'xi .sit/en bleibt luid i-ini* stark«

iil.i'i- ilic fif -ililechtßlnst der : ., .;.

Vagiiui bewirkt, hierdnr«)' in diesen Kanal uiii;^

sind

TeriüchitMien ; kt, die ^

kleine

Auch

nnd

46. Der BeUchkt

N

mit Oetfnungeu an beiden Enden versehen sind ; in diese Oefiiauügeii werden vor dem Coitus kleine Bündel von Borsten befestigt, so dass der Apparat eine Art kleiner Bürsten darstellt, v. Miklucko-MacUiy ' sagt: ,Es ist wahrscheinlich, da diese Operation schmerzhaft, j(» ge- fährlich ist, die Folgen derselben aber den Geschlechtsgenuss, be- sonders der Frauen erhöhen, dass die Sitt«? sammt allen den Apparaten von Frauen selbst oder nur für die Frauen erfunden ist. Jeden- falls wird dieser Gebrauch durch die nicht nachlassenden Forderungen der Frauen erhalten, indem die Männer ohne diese Accommodation zum Festhalten der Reizapparate von den Frauen zurückgewiesen werden; die Leute, die mehrere solcher Perforationen sich gefallen lassen und mehrere der Instrumente führen können, werden von den Frauen besonders gesxicht und geschätzt* Der Apparat heisst Am- pallang: die Frau aber giebt dem Manne ihren Wunsch, dass er »ich einen solchen anschafie, auf symbolische Webe zu erkennen: er^ findet in seiner Reisschüssel ein zusanmiengerolltes Sirieblatt mit einer hineingesteckten Cigarette, deren Länge das Maass des ge- urOnschten Ampallang dai^edlt.

Auch axif Nord-Celebes unter den Alfuren fand Riedel filin- liche, doch noch complicirtere Apparate, die dort Karabiong oder Kambi hiessen. Und wie man daselbst ausserdem zur Steigerung des WoUustgefühls für die Frau um die Corona der Glans den Augeolidrand eines Bockes mit den Wimperhaaren versehen wie einen borstigen Kragen bindet, so uraw^ickelt man auf Java und bei den Sundanesen vor dem Coitus den Penis mit Streifen von Ziegenfell, doch so, dass die Glans frei bleibt. Dergleichen Sitten sind weit ver- breitet. Denn in Hinterindien zu Pegu (Bengalen) fand schon Linschotteil, dass Einige am vorderen Theile des Penis ScheUen von der Grösse einer welschen Nuss tnigen; und in China umwickeln Wollüstlinge die Corona glandis mit den abgerissenen Fiedern einer Vogelfeder, die beim Coitus bürstetiartig sich aufstellen und eine Rei- bung bewirken. Hayen entdeckte unter den Batta in Sumatra ein von umherziehenduu Medicinmannern geübtes operatives Verfahren, wobei imfcer die Haut des Penie>, die eingeschnitten wird< Steincheu (Persim- braon genannt), mitunter sogar 10 Stück derselben, bijsweilen auch dreikantige Stückchen von Gold oder Silber eingeschoben werden, damit sie einheilen und den Reiz des Coitus für die Frau erhöhen.

Aehnlich wird, wie Meyer^ mittheilt, von den Malayen auf Borneo der Penis perforirt und ein zusammengedrehter sehr feiner Messingdraht eingeiügt, der an den Enden bürstenartig auseinander gezogen ist. Dos durch das Bohrloch zu steckende Ende wird wahnicheitilich vor der Einführung in dasselbe zusunmiengedrückt mid er*t vor der Ausübung des Beischlafs wieder auseinander ge- bogen.

Nach den Gesetzen Zoroaaters soll man nicht nur vor dem CoituB gewisse Gebete aussprechen, sondern es müssen auch nach dem Coitus beide Eheleute gemeinschaftlicli ausrufen: „0 Sajiondomaäf

I

de« Weibe« in

icb vertraue Dir diesen Samen an, erhalte mir denselben, denn er ist ein Mensch!"

Ebenso müssen Mann xmd Frau im Seranglao- und Gorong- Archipel vor dem Beischlaf ein Gebet sprechen.

Bei einzelnen Völkern, z.B. den Kal'fern, ist der Brauch des Probe-Coitus vor der Verheirathung eingeführt, doch muss der junge Mann sich dabei htiten, eine Schwängerung herbeizuführen, da ihn dieselbe verpflichten wi\rde, das Mädchen als Weib zu be- halten. Deshalb befriedigt er seine Geschlechtslust zwischen ihren Schenkeln,

Als der Herausgeber rm Jahre 1804 einige Zeit unter den Masuren in Ost-Preussen lebt«, wurde ihm mitgetheilt, dass bei der Landbevölkerung das sogenannte Probejahr ganz gebräuchlich wäre. Beabsichtigen ein Paar junge Leute sich zu heirathen. so verkehren sie ein Jahr geschlechtlich mit einander. Tritt während dieses Zeitraumes eine Schwängerung ein, dann wird die Ehe ge- schlossen, bleibt die Befruchtmig aber aus, dann geht das Paar wieder auseinander, da sie dann nicht für einander geschaffen sind.

Bei anderen Völkern hingegen ist die eheliche Beiwohnung in der Brautjiacht durch die Sitte verpönt. Bei den Esthen darf in der Hochzeitsnacht weder die fleischliche Vermischung noch auch sonst etwas darauf Hinzielendes stattfinden. In einigen Gegenden Esthlands hütet man sich sogar, dass der Mann selbst den Busen seiner PVau berühre, weil sonst beim späteren Stillen Milchknoten, Entzündung und A bscesse der Brustdrüse folgen würden. (KreheL)

Auf den Keei-lnseln in dem Band a- Archipel dürfen die Jnng- vermählten erst nach Verlauf dreier Nächte den Beischlaf ausüben, und um sie mit Sicherheit vor einer Uebertretung dieses Gebot«» zu schützen, muss in den ersten drei Nächten ihrer Ehe eine alte Frau oder ein junges Kind zwischen ihnen schlafen. Was ist der Grund für eine so merkwürdige Sitt«, die wir bei zwei weit von «inander wolmenden und nach Rasse und Lebensverhältnissen gänz- lich verschiedenen Volksstämmen antreÖen? Sollte es nicht ein un- bewusster Nachklang jener Gebräuche sein, welche wir oben kennen lernten, dass nämlich die erste Nacht nicht Aem Gatten gehört, sondern der Gottheit dargebracht werden muss?

Die ausgebreitetste Volkssitte aber verbietet die Ausübung des Coitus Überhaupt bei allen Zustanden des Weibes, welche als regel- mässige sexuell-physiologische Fvmctionen auftreten: bei der Men- struation, während der Schwangerschaft und während des Säu- gens. Die strenge Befolgung dieses Brauches, welchen bei den Natur- völkern nur die Tradition, nicht (wie bei eiuigen halbcivilisirten Nationen) die Religion oder das Gesetz vorschreiben, die grosse Aus- breitung desselben in den verschiedenen Contiuenten und die lange Zurückhaltung, welche bei dem oft melirere Jahre dauernden Süuj^hm der Ehefrau der Mann beobachten muss, sind ohne Zweifel «fhr bemerkerswerthe Züge im Völkerleben, die wohl als primitiv

46. Der Beischlaf.

313

diätetische Maa.ssregeln Hufgefasst werden müssen. Wir können die Völker recht passend in zwei Gruppen scheiden: in solche, welchen nur der Brauch, and in diejenigen, welchen religiöse Vorschriiten die £nthsilt.sanikeit auferlegen.

Unter manchen Völkern herrscht der Glaube, dass der Coitus »nnrein* mache. ,So oft ein Babylonier,' sagt Herodot, .seiner Frau beigewolint hat, zlindet er VVeihraach an und setzt sich da- neben, welches die Frau gleichfalls thut. Bei Tagesanbruch baden sich dann beide, denn ungewaschen rührt bei ihnen keiner etwas an. Beides findet man auch bei den Arabern." Hiermit kommt eine hygieinische Volkssitte zum Vorschein, die zum Cult wird.

Da nun der alte Geschichtsschreiber Herodot, der im 5. Jahrh. vor Chr. schrieb, hier schon die Araber und Babylonier, zwei jmitische Völker, als solche erwähnt, bei welchen die Sitte ein Bonderes Reinigungsverfahren nach jedem Coitus erforderte, so scheint es, als ob die Religionsgesetzgeber unter ihnen den Brauch als einen solchen betrachteten, der geboten und geheiligt werden mQsse. Ebenso war der Coitus bei den M e d e r n , B a k t r e r n und Persern sowohl in der Menstruation«-, wie in der Säugungs-Periode durch religiöse und gesetzliche Vorschriften streng untersagt; 200 Ruthenstreiche oder die Zahlung von 200 Decems waren die Strafe dessen, welcher gegen das Verbot sündigte.

Schon unter den alten Juden der Bibel verunreinigte jeder Act ehelicher Beiwohnung beide Theile bis an den Abend (8. Moses 15, 18); beide Theile, der Mann und die Frau, mussten sich hinterher baden. Sobald aber bei den Juden der Coitus während der Menstruation vollzogen wurde, so hatten (3. Moses 20, 18) beide Theile das Leben verwirkt.

Mohammed verbot im Koran den Ehemännern, ihren Frauen während der Menses beizuwohnen, sie sogar zu berühren an den Theilen unter den Kleidern vom Gürtel bis zu den Knien; nur die Theile, welche höher liegen, sind zu berühren gestattet. Dieses Verbot währte bis zum Aufhören der Regel, denn Gott hat befohlen: , Bleibt fem von Euren Frauen, bis sie sich mit Wasser gereinigt haben.' {Bertherand.) Nach den religiösen Geboten der Mohamme- daner (Si khelil) ist der Ehemann nur dann verhindert, seiner Frau beizuwohnen, wenn sie krank, menstruirt oder im Wochenbett ist; heirathet er eine Jimgfrau, so soll er ihr sieben aufeinander folgende Nächte sich widmen ; nimmt er eine neue, nicht mehr jung- fräuliche Gattin, so ist er ihr nur drei aufeinander folgende Nächte schuldig. Der Gatte kann mit einer seiner Frauen in der Reihe seiner Besuche häutiger zusammenkommen, sobald die andere Frau zustimmt, dass sie übergangen wird, sei es freiwillig oder nicht; fttif der anderen Seite kann eine Frau ihrer Gefährtin ihre eigene Reih« der Gatten-Besuche abtreten.

Wenn nun andererseits die Mohammedaner nach dem Koran verbunden sind, der Frau regelmässig wöchentlich einmal beizu-

JerEmtnlt des Weibes in

wohueu, dasselbe Gesetz aber auch es den Eheleuten verbietet, während der ganzen Zeit der Schwangerschaft luid des Nährens, wahrend des Monatsflusses, sowie acht Tage vor und nach dieser Zeit, endlich während der dreissigtagigen Fasten im Monat Kamasan einander beizuwohnen, so mochten, wie Oppenheim hervorhebt, dem streng an das Gebot sich haltenden Muselmann selbst bei seinen vier Weibern die uns nach Luther's Ausspruch erlaubten honderfc- undvier Umarmungen im Jahr nicht eiimial zu Gtite kommen.

Aber Überhaupt fkst alle Völker enthalten sich der Frau wahrend der Menstruation, die, wie wir ja bereits oben gesehen haben, die Frau in hohem Grade unrein macht.

In Abysainien darf Sonnabends kein ehelicher Coitus statt- finden.

Zoroasfer .schrieb vor, dass ein Gatte seiner Frau einmal binnen neun Tagen beiwohne; Sohn setzte das Minimum auf «Ireimal des Monats fest; Mohammed erklärte es für einen Ehescheidungs- grund, wenn der Mann nicht wenigstens das eine Mal in der Woche seine Pflicht erfüllte.

Bei den Drusen ist es dem Ehemann nicht gestattet, mehr als einmal in jedem Monat seiner Frau nach ihrer Reinigung bei- zuwohnen; und wenn der Monat vorübergegangen ifit, ohne dass sie die Menstruation gehabt hat, so nähert er sich ihr nicht; denn er darf den Bei.schlaf während der Schwangerschaft nicht vollziehen; ebenso wenig darf er sie während der zwei Jahre berühren, wo sie stillt. {Pctermatin.)

Das Enthalten des geschlechtlichen Umganges ist bei den Wa- kamba und Wakikuyu in Ostafrika geboten: so lange das Vieh sich auf der Weide befindet, also tagsüber vom Austreiben am Morgen bis zum Eintreiben am Abend. Femer gehen bei diesen Völkern die Männer nicht zum Weibe, so lange .sie sich auf einer Reise befinden, selbst nicht zu ihrem eigenen, wenn es sich in der Carawane befinden sollte. Als Trauer beim Tode eines Verwandten oder Häuptlings sind die Wanika gehalten, drei Tage lang nicht zum Weibe zu gehen.

Dagegen ist der Beischlaf bei den Wakamba geboten, wenn eine Wittwe heirathen will: dann muss ein fremder Manu z. B. M'swaheli oder M'kamba aus anderer Gegend vorher mit ihr einmal Umg^mg gehabt haben. Dieser Mann erhält zum Lohn einen Oclisen.

Eine sonderbare Vorstellong von der sympathischen Wir- kung des Zeugur)g.<age8chäftes auf Pflanzenwuchs findet sich b«t manchen Natur so pflegt der Javane Nachts mit seiner

Frau in den 1. n der Vcniuf zu opfern, um seine Reis-

pflanziingen durch sein Beispie) zu vermehrter Fruchtbarkeit Mutu* regen, {rar ■'"■ "-- -^ •>.,... .u.. »»,.... v;..v,'ohner der Mohikken in üjreu H iit, (mn IlocuvtU.)

47. Die SteHnDg hei dem Coitos.

31 r,

Wir mtlsseti hier einer eigentliflmlichen Sitte Ewähnung thun, welche, wenn auch nicht ein Coitus in dfin gewöhnlichen Sinne, doch etwas in das Gebiet der innigen Verbindung der beiden Ge- st-hlecht<ir Gehöriges ist. Es wurde oben bereits erwähnt, dass sich die herangewachsenen Knaben der Serang- Insulaner auf das An- dringen ihrer Freundinnen nach nialayischer Art beschneiden lassen. Direct nach dieser Operation eilt der Jüngling zu seinem Mäd- chen: penis vTikieratus ut sanetnr in ejus vulvani immittitur, und ▼erbleibt zwei Tage in dieser Position. Quando penis, qiiia prae- putiuni nimis praecisum, non facile in puellae vaginam immitti poiest, amicain, quae jam peperit, illa rogat, ut locutn suum suppleat, donec desinierit sanguis effluvium. Dieser Dienst darf" von der Frau nicht verweigert werden. {Riedel })

47. Die Stellung bei dem Coitas.

Es mag wohl sonderl)ar erscheinen, wenn wir der Lage und Stellung, in welcher der Beischlaf ausgeübt wird, eine besondere Betrachtung widmen.

Es ist keineswegs die Absicht, nach der Art des Pietro Are- Uno alle solche Stellungen zu durchmustern, welche raffinirte Sinn- lichkeit und WoUuat auszudenken vermochte, sondern nur diejenigen Positionen verdienen unser Interesse, welche von bestimmten Völkern gewohnheitsgemäss und der Regel nach ausgeführt werden, aber von der uns als gewöhnlich geltenden Art. abweichen. Nicht das erotische, .«sondern das ethnographisch -anthropologische Interesse ist es also, welches uns diese Angelegenheit hier zu erörtern ver- isst. Denn wir müssen der Sache schon deshalb unsere Aui- rksamkeit zuwenden, weil in Folge der wahrgenommeneu Ditte- renzen die Frage aufgeworfen werden muss, wenn sie auch heute noch nicht detiiiitiv- beantwortet werden kann, welche Ursachen und Be<lingungen denn hier eigentlich im Spiele sind, ob etwa nur die Nachahmung des Gebahrens gewi.sser Thiere, oder ob besondere Abweichungen von der Köq)erbildung der übrigen Menschenrassen als der Grund hierfür angesehen werden müssen.

Dans der Mensch, wie zu allen physiologischen Functionen, so auch zu den sexuellen, eine solche Stellung und Lage wählt, in welcher ihm das Geschäft am leichtesten und bequemsten, hier auch am genussreicLsten vor sich zu gehen scheint, ist leicht begreiflich. Doch auch hier wird der Mensch bestimmt nicht lediglich von den aus der Erfahrung gewonnenen Gewohnheiten, sondern in bevor- zugtem Grade von Vorstellungen beherrscht, welche sich in undenk- lichen Vorzeiten vielleicht zutiiichst Einzelnen im Volke aufdräng- ten und die den anderen Stammes- und Volksgenossen als nach-

316

XI. Der Eintritt dw Weibes m das GescWechtsleben.

ahmungswerth erschienen, hiermit aber zur nationalen und traditio- nell fortgettihrten Sitte wurden.

Solche Betrachtungen drängen sich uns auch bezüglich de« Coitus auf; wir können vorläufig nur sagen, Aaas der Mensch wohl zumeist die gegenseitige Lage wählen wird, in der die Fruu, wie es gewöhnlich bei uns und gewiss auch bei den meisten anderen Vül- kem geschieht, in Rückenlage mit erhobenen Schenkeln verharrt, wäh- rend der jMann zwischen den Schenkeln kniet und sich mit Haad und Ellenbogen während der Umarmung stdtzt. Neben dieser viel- leicht als Normalstellung zu bezeichnenden Form des geschlecht- lichen Verkehrs sind gleichsam ausnahmsweise bei den Völkern einzelne smdere Stellungen gebräuchlich.

Bei den Bafiote-Negern an der Loango-Küste wird die BeiwohnuQg liegend von der Seite ausgeftihrt. Besondere Gründe hieri'iir konnte Fcdinel-Loesche nicht in. Erfahrung bringen ; es Hesse sich vielleicht, wie er sagt, die Grösse des Penis als Ursache hier- für anltiliren. Jedoch haben, wie wir sehen werden, auch andere Völker einen ähnlichen Gebrauch, obgleich ihr Penis die gewöhn- lichen Dimensionen nicht Obersclireitet.

Unter den anatomischen Handzeichnungen des Leonardo da Vinci hat sich ein sehr interessantes Blatt erhalten, welches die Bogen. Vains ohventa als die dem Bau der menschlichen Geschlechts- theile entsprechendste darstellt. Der alte Blmnenhach sagt darüber : „Besonders lehrreich ist eine Zeichnung, wo ein männlicher und ein weiblicher Körper zusammen in copula, den Vorderleib gegen ein- ander gekehrt, und beide von hinten nach vom (in sagittaler Rich- tung, wie wir heute sagen), näjnlich vom Rückgrat bis 7Ami Brust- bein und der Synchoiidrose der Schambeine durchschnitten, nm die Richtung der männlichen Rutlie zu der Axe der weiblichen Scheide zu zeigen, und die natürlichen Bestimmungen zur Venus obversa zu erweisen, dargestellt werden."

Allein es haben sich vielleicht ursprlmglich bei einzelnen Völ- kern ganz andere bevorzugte Stellungen heimisch gemacht, witi wir sogleich zeigen werden. Dass allerdings unsere Normal Stellung schon in den ältesten Zeiten und bei den verschiedensten Völkern die herrschende war, geht aus vielen Zeugnissen hervor. Bei.spiels- weise befinden sich unter den Peruanischen Alterthümern, welche das Leipziger Museiuu für Völkerkrmde besitzt, zwei ganz gleiche Doppelvasen, die plastisch ein den Coitus ausübendes Paar darstellen, wobei die Frau auf dem Rücken liegt, wäh- rend der Mann sich mit ihr Brust an Brust befindet, so dass er^H mit seinem Munde das Kiim der Frau berührt Auf dem Rücken ^| der männlichen Figur befindet sich die Oeffnuug des Gefnases, aas der man trinken kann.

Dagegen besitzt das Berliner Museum Itir Völkerkunde ebf falls eine altperuanische Unie (aV/ar«rfo-Sarauilung) , auf D»>ckel eine Fruu in der Knie-Ellenbogeulagi' gelagert iat i;;

47. Die SteUnng het dem Coitns.

317

nach eineiD karzbeinigen Manne umsieht, der hinter ihr stehend nnd seine Hände auf ihre Hüften legend, soeben mit der Immissio penis beschäftigt ist. Da wir hier aus dem gleiclien Lande xwei verschiedene Darstelhingen kennen lernen, so können wir weder die eine noch die andere als den Ausdruck der damals herrschenden Sitte ansehen.

Es ist überhaupt nicht leicht zu sagen, welchen Grad von Be- weiskraft man solchen bildlichen Darstellungen beizulegen berechtigt ist. Das Museum fiir Volkerkimde in Berlin besitzt eine in Holz geschnitzte Gruppe aus dem Ben ue -Gebiete in Westafrika, wo das Paar in der gewöhnlichen Stellung, die Frau in vollstän- diger Rückenlage, der Mann auf ihr liegend gebildet ist. Eine in derselben Sammlung befindliche figurenreiche Gruppe in Messing von der westafrikanischen Sclavenküste zeigt zweimal die Frau in der Riickeulage mit gespreizten Beinen, hochgezogenen Knien imd fast wagerecht gehaltenen Unterschenkeln, wälirend der Mann in beiden Fällen in aufrechter Stellung, aber mit gebeugten Knien seinen Unterkörper der Erde nähernd die Immissio penis vollzieht. Auf den berühmten prähistorischen Felsenzeichnungen bei Bohu-slaen in Schonen finden sich nach den von Bruuius gegebenen Nachbildungen zwei Paare, welche die Gohabitirnng im Stehen ausführen.

Der Coitus wird, wie ee scheint, bei der Mehrzahl der Natur- völker in der Rückenlage der Frau vollzogen; wenigstens würde wohl, wenn dies nicht der Fall wäre, häufiger von Reisenden und Beob- achtern das Vorkommen einer anderen Stellung erwähnt werden. Von den Feuerländern, welche 1881 in Europa preducirt wur- den, wurde nach Angabe ihrer Führer der Coitus ,ab anteriore* vollzogen (f. hischoff^) hiermit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass nicht auch andere Stellungen ausnahmsweise gewählt werden,

Theils in der hier beschriebenen , natürlichen" Lage, theils aber auch so, dass der Mann liegt, während die Frau oben ist und gleichsam auf ihm hegt, wird bei den Szuaheli in Zanzihar (Ostafrika) nach den mir von Kersten mündlich gemachten Mit- theilungen der Coitus ausgeübt; dabei macht die Frau eine eigen- thümliche mahlende Bewegimg mit dem Leibe, Digitischa genannt, welche jedenfalls zur Erhöhung des Genusses für den Mann dienen soll. Diese Bewegungen werden den Mädchen von alten Weibern gelelirt, bei welchen sie vierzig Tage lang in die Schule gehen. Es ist dort beleidigend, wenn man einer Frau sagt, dass sie nicht Digiti»cha machen könne. Aehnliches findet in Niederländisch- indien statt.

In Ostafrika scheinen noch andere Manieren beliebt zu sein. In Abyssiuien wird der Coitus auf zweifache Art vollzogen: zumei.*it in der halben Seitenlage, dann aber auch so, das.^ die Frau sich iu der Rückeiil ' ludet, währt'iid der Mann die Beine der- •elbeu über seine ^ i nimmt. ySt(>cker.)

Bei den Sudanesen wird der Coitus, wie mir Btehnt init- theilte, in ganz eigeuthiimlicher Weise vollzogen, denn er findet nicht bloss im Liegen, sondern auch im Stehen statt, indem dabei das Weib sich nach vom beugt, die Hände auf die Knie stemmt, den Hinteni nach liinten hinausstreckt, während der Mann den Coitus von hinten ausübt.

In Italien mag früher Aehnliches vorgekommen sein. Freshun^ welcher die Wandgemälde l'ompeji's genau studirte, viele der- selben copiren liess und publicirte, hat die Beobachtung gemacht, daas auf diesen Bildern stets dort, wo zwischen einem Paare der Coitus zur Darstellung kommt, das Paar die Stellung wie bei sol- chen Tloieren einnimmt, bei denen das Weibchen nach vorn vor- gebeugt ist und das Männchen demselben von hinten beikommt. Freshun sprach gegen mich die Vermuthung aus, dass diese Stel- lung vielleicht zu jener Zeit im südlichen Italien sehr häufig war.

Wir dürfen aber nicht ausser Acht lassen, dass raffinirte Wol- lust im damaligen römischen Reiche sehr verbreitet war, und der Herausgeber konnte sich an Ort und Stelle überzeugen, dass die Wandgemälde Pompeji *s auch noch andere höchst unnatürliche Positionen für die Ausübung des Coitus zur Darstellung bringen.

Doch auch hoch im Norden giebt es ein V^olk, bei dem der Manu sich der Frau gleichfalls von hinten nähert. Nach Hcssela vollzieht der Inuit (Eskimo) des Smith-Sunds mit besonderer Vorhebe den Beischlaf nach .Art der Vierfüsser; nach mUndlicher Mittheilung eines Fremides eriulir Bessels, dass dies auch bei den Koüjagen der Fall ist.

Ein anderer Gebrauch besteht in der Seiten läge: Von den Kamtschadalen sagt Steiler: ,Bei ihnen heisst es, wer den Con- cubitus verrichtet dergestalt, dass er oben aufliegt, begehe eine grosse Sünde. Ein rechtgläubiger Itälmene muss ea von der Seite verrichten, aus Ursache, weil es die Fische auch so machen, von denen sie ihre meiste Nahrung haben.* Hier wird also doch ein Gnmd angefülirt: es ist die Nachahmung der Thiere, welche als Modell oder Vorbild dienen. Auch die Tschuktschen und die Namollos haben den gleichen Gebraoch.

Sehr wechsehid sind die Gewohnheiten in dieser Bezielumg bei den Einwohnern der verschiedenen Inseln des alfurischen Archipel«. Die Buru-Inüulauer führen den Coitus imter Bäumen aus, wobei die Frau dit* Rückenlage einnipimt. Axich die Bewohner von Se- ra ng cohabitiren im Walde, jedoch wird die Angelegenhesit im Stehen abgemacht. Auf den Keei- Inseln wird im Sitzen cohabi- tirt, {RiedeU) Auch auf den Aaru- Inseln wird von einigen Stäm- men der Coitus in hockender Stellung vollzogen, wie bei den Ma- rege in Nord-Queensland oder bei den Orang-Utang und anderen Afl'euarten. {liicdel,'^)

Der Beischlaf wird nacli dem Bericht des Missionär Ketnpe bei den centralaustralischen Schwarzen am Fiuke-Creek lie-

47. Die Stellung- bei dem Cottas.

810

gend vollzogea ; diese Beobachtung bezieht sich auf die Umgebung der Missionsstation Hermannsborg nahe der Mac-Donnell- Kette.

Bei den Australierinnen am Vincent-Golf (bei Adelaide) sollen nach Kühler die Schamtheile etwas mehr als bei anderen Völkern zuröckstehen, daher die Männer, »was übrigens bei den meisten Australiern Sitte ist", die Begattung von hinten voll- ziehen. Dagegen sind in einigen Gegenden Australiens unter den Stämmen besondere Stellungen beliebt. Eine Coitus-Stellung, welche sich gänzlich vou der anderer Völker unterscheidet, ist in Westaustralien gebräuchlich; Fletcher Moore, berichtet, dass sie dort mit dem Worte Mu-yang bezeichnet wird. Die Weise ihrer Begattung ist sitzend, Gesicht gegen Gesicht. Auch ver- sichert« mir Oberländer, der sich in Australien längere Zeit auf- hielt, dass sich dort die Paare im Sitzen auf der Erde hockend Brust an Brust bei eigenthümlicher Verschränkuug der Beine um- fassen. Obgleich ich mit ihm die Situation ausführlich besprach, so blieb es doch räthselhaft, wie sie praktisch ausführbar sei, bis hierüber t\ Miklucho-Maclay^ genauere Erkundigungen eingezogen hat. Die Eingeborenen entblöden sich nicht, die Begattung vor Zuschauern am hellen Tage vorzunehmen, wenn mau ihnen ein Glas Gin verspricht. Dabei nehmen sie die hockende Stellung ein in einer von MikluctM-JUaday* bildlich dargestellten Weise. Die Frau befindet sich zunächst in Rückenlage, der Mann hockt zwischen ihren Schenkeln nieder und zieht die noch immer liegende Fniu an sich, bis die Geschlechtstlieile aneinander treffen. Zuweilen wird der Coitus in dieser Stellmig, der Mann hockend, die Frau liegend, zum Abschluss gebracht; in den meisten Fällen aber ist dieselbe nur die Präliminar -Stellung für ein weiteres Ver- fahren^ indem der im Niederhocken verharrende Mann, den Ober- körper der Frau vom Boden erhebend und an den sein^en heran- ziehend, Brust au Brust in engster Umschlingung den Begattimgs- act vollzieht.

Ein zuverlässiger junger Mann, Morton, berichtete als Augen- zeuge Weiteres : Eines Abends, als er sich in der Nähe eines Camps von Eingeborenen befand, fiel es ihm ein, einen Eingeborenen, der xin\ ein Gläschen Gin bettelte, aufzufordern, vor ihm den Coitus auszuüben. Der Eingeborene entfernte sich willig, um ein Weib zu rufen, welches auch bald darauf erschien. Ohne irgend weicht? Zeichen von Verlegenheit zu äussern, nur mit dem Gedanken, sein Gläschen Gin rasch zu verdienen, machte sich der Mann an diib Weib, wobei das Paar tlie vorstehend erwähnte Positur auiuiliui, Die Operation in dieser Stellung ging nach der Meinung «les Mann«-*

[iiicht rasch genug von Statten, weshalb er mit der liemerkuni/. ,ßo dauert es zu lange, werde es auf die englische Manier ( «n>.

[fushion) versuchen,* da" Weib axif den Rücken sidi zu lug«» n" ligte uud >el)H'r, auch liegend, den Coitus zu Ende bracni»* Ut

in das Gesohlechtste

Folge von Erzälilung von anderen erfahrenen Weissen war die Auf- merksamkeit Mortons nach dem Coitus auf das Weib gerichtet. Er bemerkte daher Folgendes: Nachdem der Mann aufgestanden war und nach dem Gläschen Gin langte, richtete sich auch die Frau auf, stellte die Beine auseinander und mit einer schlängelnden Bewegung des ISlittelkörpers warf sie mit einem krüftigen Ruck nach vorne ein Convolut von weisslichem Schleim (Sperma?) auf den Boden, wonach sie sich entfernte. Uiese Art, sich des Sperma zu entledigen, welche sogar eine bestimmte Benennung im Dialect der Eingeborenen aufweisen soll, wird, nach den Aussagen der weissen Ansiedler Nordaustraliens, von den eingeborenen Weibern nach dem Coitus gewöhnlich ausgeübt, mit der Absicht, keine weiteren Folgen des Zusammenseins mit einem weissen Manne durchzumachen. Wir müssen freilich die Vermuthung aussprechen, dass solche Schau.stellungen die Bevölkerung noch mehr zu cor- rumpiren im Stande sind, als sie es schon in der Berührung mit dem Auswurf der weissen Kasse geworden ist.

i

48. Mastarbation und Tribadie und die Unzucht mit Ttiieren.

Man hat oft die Meinung ausgesprochen, dass die Ueberfeinerung der Cultur erst jene Sitten erzeugt habe, die sich als Befriedigung des Sinnenreizes durch aussergeschlechtliche Reizmittel darstellen. Sie sind jedoch nicht erst mit Ausartung der Civilisation in die Welt gekommen. Vielmehr fiel auch manches Volk, das in schein- bar idyllischem, offenbar aber sehr rohem Naturzustande lebte, einem höchst unzüchtigen Gebahren anheiui. Wir fanden schon oben Ge- legenheit, auf einige künstliche Ge.staltveränderungen der weiblichen Geschlechtstheile hinzuweisen, die offenbar mit der schon bei jungen Mädchen erregten Sinnenlust zusammenhangen. Die Kinder der Wilden denken sich dabei gewiss nichts Schlimmes. Letonnieuu sagt mit Recht: ,Les ecarts genesiques sont anormaui, mais, ä vrai dire, ne sont pas contre nature. puisqu'on les observe chez uombre d'animaux. *•

In der That müssen wir in der Masturbation und den «Imlichen geschlechtlichen Reizungen einen allgemein thierischen Trieb ent- decken, und es braucht hierbei nur an das Gebahren der Htmde, an das gegenseitige Bespringen der Kühe und an das Onaniren der AH'en erinnert zu werden. Auch bei zwei Hyänen hatte der Herausgeber Gelegenheit, ein gegenseitiges offenbar beide Tbeile sehr befriedigendes Lecken an den Genitalien zu l»eobacht«i.

Man darf wohl annch: in der Jugeml

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Fulgen flir die Gesundheit, vielleicht auch flir die Zeugiuigsfähigkeit sein, gewiss aber auch ein früheres Verblühen herbeiführen. Ein Arzt, der längere Zeit im Orient prakticirte, sagt, dass die Mastur- bation eine „condition extremement commune chez les jeimes filles en Orient" ist; er setzt hinzu: ,Pour se rendre compte de sa fre- qiience en general chez les jeunes fillea en Orient, ou n'a qu'en penser au defaut d'exercice, ä la vie sedentaire, ä loisivete, ä Vennni et surtout ä la confiance et ä la credulite des meres, qui negligent tonte espece de surveillance ä l'egard de tout ce qui se passe chez leur fille ä ses heures de solitude." (Eram.)

Bei den Khoikhoin (Nama-Hottentotten) ist unter dem jüngeren weiblichen Geschlechte Masturbation so häufig, dass man sie als Landessitte betrachten könnte. Es wird daher auch kein besonderes Qeheimniss daraus gemacht, sondern in den Erzählungen und Sagen sprechen die Leute davon wie von der gewöhnlichsten Sache. (Fritsch*)

Die Uusittlichkeit war anter den Weibern der Viscayer auf den Philippinen schon zur Zeit der Ankunft der Spanier daseibat grenzenlos; sie hatten sogar die Erfindung eines künstlichen Penis gemacht, um die unstillbaren Gelüste befriedigen zu können, und ähnliche Mittel zur Sättigung unnatürlicher Wollust besassen sie noch mehr. (Blumentriff.)

Die Manipulationen zur künstlichen Vergrössenuig der Clitoris und der Nymphen werden, wie es scheint, bald absichtslos imindestens nicht im bewussten Handeln), bald in mannigfacher Absicht vor- genommen. Einestheüs ist wohl die auch bei vielen rohen Völkern unter der weiblichen .lugend herrschende Masturbation, das reizende Kitzeln, das wollusterregende Zupfen und Zerren an den erregbaren Geschlechtstheilen, die Ursache der allmählich eintreten- den Qestaltverändermig ; andererseits aber liegt vielleicht die mehr oder weniger bewusste Absicht zu Grunde, nicht nur den eigenen Wollustreiz zu erhöhen, sondern vielleicht aiich die Schamtheile ziu- Ausübung der sogenannten Tribadie geschickter zu machen, eiper Unsitte, welche von jeher im Orient ungemein verbreitet war. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass namentlich bei den Arabern der schwungvoll unter ihnen betriebenen Tribadie, d, h. des wol- lüstigen Verhaltens zwtier Frauenspersonen mit einander, eine künst- liche Clitoris -Verlängerung vorausgip'g.

Allein diese Anomalie geschlechtlicher Vermischung (Amor lesbicus von der Insel Lesbos im Aegaeischen Meer mit .der Hauptstadt Mytilene, deren Einwohner wegen ihrer Unsittlich- keit berüchtigt waren) fand sich nicht bloss bei den Griechen tmter der Bezeichnung: Xe^ßiäC^ty, sondern auch im alten Rom, wo man die Frauenzimmer, welche- mittelst der abnorm grossen Clitoris den Coitus miteinander ausübten, Tribaden oder Frictrices, Subi- gatrices nannte. Wie fa.st alles derart aus Asien stammt, so be- steht die betreifende Unsitte mehr oder weniger in mehreren Ländern

Platt, Diii Weib I. i. Aull.

21

IB

des Orieutä uoch heute, wo sie vielleicht durch da» Haremslebcn aufrecht erhalten wird; sie soll nach Patent - Duchatelet jetzt noch bei modernen Völkern vorkummeo- Dieses Unzuchts- Vergehen be- zeichnet man auch aU Sodomia sexus miiUerum.

Wenn, wie wir zeigten, auch natörliche Vergröaserungen an den Schamtheilen in der That bei Orientalinnen gar nicht selten sind, so wird sich hieraus schon die Möglichkeit erklären lassen, dass dort überhaupt ohne weitere künstliche Hüllsmittel unter Frauen bisweilen ein geschlechtlicher Verkehr stattfinden kann. Wenn aber ein Fall erzählt wird, dass aus solchem intimen Verkehr auch die Befruchtung der einen Frau hervorging, so müsseu wir den Beweis der Thatsache dem Berichterstatter (Dtthoussef) über- lassen. Es sollen in Aegypten zwei Freundinnen dergleichen Un- zucht miteinander getrieben und auch dann noch fortgesetzt haben, als sich die eine derselben verheirathete; darauf sei es denn ge- schehen, dass die nicht verheirathete Freundin schwanger wurde und zwar, wie die Erklärung lautet, dadurch, dass die andere noch Samen des vorher mit ihr cohabitirenden Mannes in der Scheide barg und von diesem ihrer Genossin bei' der Umarmung abgab. Dieser Fall wurde der Pariser anthropologischen Gesellschaft im Jahre 1877 mitgetheilt.

Eine grausame Bestrafung solcher Tribadie berichtete Jan Moe- quet in seinem Itinerarium:

Als ein gewisser König von Siani in ErfabruDg kommen, dasa seine Beyschl&fferinnen und Nebenfrauen, derer eine grosse Anzubl, unter sich zu- weilen dnrcb Nachahmung der männlichen Natnr. in (reilheit sich belustigten, eo die Schönsten von dem Lande, die er nur bekommen kunte, hat er sie IHr sich bescheiden, einer jeden zum Zeichen ihrer ünkeuschheit, ein natür- liches Glied auf die Stirn und beide Backen brennen, und also lebt^ndig ins Feuer werfen lassen.

Dass auch bei den deutschen Frauen des Mittelalters umuche grobe Unsitte geherrscht haben muss, das ersehen wir aus dem vom Bischof Jiurchard von Worms im 12. Jahrhundert verfassten Verzeichnisse der Kirchenstrafen. Es heisst darin:

„Fecisti iiuod quaedam mulieres facere solent, at faceres quoddam molimen aut machiuamentum in modum virilis meuibri, ad mensurara tuae voluntatis, et illud loco verendorum tuorum, aut alterius, com aliquibuc ligntoriü colligareN, et fomicationem facere^ cum aliid muliercolif, rel aliae eoüem ini^trumeato sive alio tecum? Si fecisti, quinque annos per legitimas feriaa poenit^as. Fecisti quod quaedam mulieres facere solent, utjam aupra- dicto molimrne» vel alio aliquo machinamento, tu ipsa in solam facores fomicationem ? Si fecisti , unum annum per legitimas ferms poeni* teas." {Dulaure.)

Ein widernatürlicher Verkehr zwischen Weibern unrl n

ist ebeni'ftlk nicht erst eine Erfindung der Xeuzeit, sagt darüber:

«Auch d<»r Frau wird die Schmach d«" it-.«...i;<a» «Un ältesten Zeiten »cboa ert^lt \m* }' Ijl

GejicMochtlicher Verlcehr mit Oöttern, Geirtern, Teufeln u. DSinonen. 523

anxücbtigfon Launen des heiligen Bockca in Mendes hingaben. Heute, nach einer langen Reihf» von Jahrhunderten, ist der Hund derjenige, •welcher die Stelle jenes Bockes einuimiut. Mehr als einmal beten reizende Damen« in den höchsten Sphären der gebildeten Gesiellschaft Europas, ihren Schosshund aas Gründen an, die sie keiner lebenden Seele gestehen würden. Seltener irt der Hund kein Schossbiindchen, und dann ist die Verirrung nur noch niedriger und verwerflicher und statt eines thieri.'ichen Tribadinmus haben wir ein Beispiel von thierigchem Coitus, von einem Hchmachvollen. ruchlosen Zusammenleben des scbOnaten der Gesuhfipfe mit dem hSiji^lichsten, übel- riechendsten aller Hausthiere."

Bei diesen widrigen Dingen spielt auch der Affe eine grosse Rolle. In den Districten, wo der Gorilla und der Orang-Utang lebt, werden zahlreiche Geschichten erzählt von Mädchenraub, den diese grossen Bestien ausgeführt, und wie .sie mit diesen Geraubten ge- schlechtlichen Verkehr gepflogen hätten. Solch ein Umgang mit den Thiereu war aber docli immer nur ein erzwungener. Aber auch über freiwillige Geschlechtavermischung zwischen Affen und Frauen besitzen vfir Berichte. So glauben die Indianer im Amazonen- gtromgebiete, dass die unter den Ugiua.s vorkonuuenden geschwänzten Menschen einer .solchen Ebe zwi.schen einem Indianerweibe und einem Coati-Affen entsprossen seien. {Bnrfcls.-)

Ein solches Zusammenleben mit dem Coati findet nach Francis de Castdnau in jenen Gegenden auch jetzt noch statt. Er erzälilt: ,En descendant la riviere des Amazones, je vis un jour pres de Fonteboa un Coati noir d'une enorme dimension: il appartenait ä mie femme indienne, ä latiuelle j'offris un prix tres-considerable pour le pays, de ce curieux aniinal ; mais eile refusa tout en eclatant de rire. Vos efforts sont inutiles, me dit un Indien qui etait daus la cabane, c'est son man."

49. Geschlechtlicher Verkehr mit Oöttern, Geistern, Teufeln

und Dämonen.

Es hat einmal Jemand den Ausspruch gethan: Der Beischlaf ist die Triebfeder, welche die Welt bewegt; und eine yvie ungeheure Rolle wenigstens bei den Volksstämmen niederer Cultur die ge- schlechtlichen Verhältnisse, und zwar nicht selten schon von den Jahren der Kindheit an, zu spielen pflegen, das haben wir bereits wiederholentlich zu sehen Gelegenheit geliabt. Kein Wunder ist es daher, dass die Phantasie des V^olkes mit diesen Dingen erfl\llt ist und dass sie die leichten Reizungszustände in dem Bereiche des Genitaiapparates, welche namentlich zu der Zeit der Pubertät sich mit einer gewissen llegelmässigkeit einzustellen pflegen und reflec- tx>ri!irch auf das Centralnervensystem fortgepflanzt, die bekannten TrfiumH erotischer Natur hervorrufen, Ursache und Wirkung mit einander verwechselnd, ft\r wirklich geschehene Dinge annimmt.

21"

XI. Dff

Wir finden daher angemem weit den Qknb« Tertratoi, daas bSn]

Geister

Alt üe Macht bfwBwiwi, die jongen Madolmi

and FnoMm atmohl nk andi die Jfingfingc and Männer waS ihran nifhtlifhen Lager m beBodtai, natfixuehar Weise stete in der rer- fehiriJHchfn Gestalt des entgegengeaetxien Geschlechtes, um mit änea den BeiscUaf xa roOsidien. Im Tnuime wurde dieses alles Bit durchlebt und dentlich emp&mden, und das den Pollutionen, wHche in diancn Trämnen zu Stande komnen, am anderen Tage folgende Gefthl ron Zendtli^enbeit wiirde der iiwangcuden Kraft des bSsen NacfatgeiBteB angeschrieben. IMeee imlGttdalter als Incu- bas oder Succabas, als Ephialtes and Hyphialtes, als Nacht- mact oder Alp. als Canchemares oder Aufbacker bezeiclmeten Dimonen waren bereits viele Jahrhunderte tot anserer ^ettrechnung den Caltarrölkem West«siens bekannt and worden dort ab Nacht- mannchen reep. Nachtweibeben gefürchtet. In den Rainen von Ninireh hat aidi bekanntlirh eine grosae Beihe Tcn Terracotta- täfelchen mit Keilschrift bededct gefnndai, widdie ab ein Theil der Bibtiothek des AsgurboMupaH, des Sardamtpml der Bibel, erkannt vordai sind. Es sind zum Theil KioigiaicLe Gesinge, Beschwörong»- fbmdn ond Gebete in der Sprache der alten Akkader mit darüber. geoeitita assyrischer Ueberaetzong, ond es bcgea loiiflglidie Zei- dien rat, dass die akkadische Spnche in damnliger Zeit anr noch unToHkomf iiiisImiIiw wmde, ein aichefer Beweis für ihr hohes Alter, unter den BwinliwfiniiigirfMJiein kommt auch £e Stelle vor:

Gegen 4it Dlaoaea, d«a Genm«. dea rabisa. de« ridana.

da« Ge^emt. dM ScbatteabäU. Vaaq»jr,

da« Nacktsianckea, da« NaektweibckeA. dem wuMiriwn Kobold,

aad aDe« ücIkI. da« des MeiHckni erfuat,

wraaiiUhet FeatltdikeHeB. opCart and kaMmt alle

rasa eaer Wdkaach B«ai ffiasMl uB|iiml*igB!

Ikan die Sobm da« Fkiadi «am Opfen Tenahrr!

SiMB £a « Soba. der Hdd. in im Zaaber

ca» LebcB rcriiagcra!

Das NachtminndMn und das Nachtweibchen heiasen akkadisch liDal und Idd-lülal; das bedeotet ,der BciwingeBde^ oder .die bexwingende Beisdüfifierin'. Dieser Name giebt Ae Art und Weis« an, wie sie äch derer bemichtigen, denen sie ihre ümannnngcn assjrischi

Beide

die lÄHtk, wdcbe in der Ittmooidogie

lUmnd etnca wichtigea Flata annimmt. Es war das

mit

Adam in ein liebest erbiltntss trat, bevor

Sne grosse BoOe - -u.ht. \i:rki^ zwijt-heii

WcSiefn und alkrha&i: u bekanntlich auch in

ier csropuiitcbeD Vi<ik«>r. £s sei hier inent die <uscliii'd«swLn Kinder d«^ /^'— .-^ut-^-^i \T»..r auch urhigisciien KSa^e, nad swar t

Oeschlecbtb'cber Verkehr mit Göttern, Geistern, Teofeln tu DRmonen. 325

»

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stammen von einem Meermigeheuer ab, das aus dem Wasser auf- tauchend sich zu der am Ufer schlafenden Mutter des letzteren legte. In anderen Fällen nehmen die Geister die Gestalt des Ehe- mannes an, so dass die Frau den Betrug erst gewahr wird, wenn er bereits vollendet ist. So wTurde der grimme Hagen von einem Alf erzeugt, so der König Otnit vom Zwergkonig Alberich, und die Gemahlin des Königs Aldrian empfing von einem Elfen in der Gestalt ihres Gatten ein Kind. {Schwarte.)

Auch in dem Babar- Archipel in Indonesien besitzen Ijöse Geister die Macht, junge Frauen in der Gestalt von deren Gatten zn schwängern.

Den (rlauben an den Beischlaf mit der Gottheit können wir in allen den Fällen als bestehend annehmen, wo wir die Sitte finden, dass das reif gewordene oder zur Ehe schreitende Mädchen ihre .Jungfrauschaft im Tempel darzubringen gehalten ist. Denn der diesen Dienst überwachende Priester ist wohl ohne Zweifel we- nigstens in früherer Zeit für eine wahre Incamation des Gottes an- gesehen wordt-n. Hier muss auch an die Angabe des Herodot über den ,Thurm zn Babel* erinnert werd,en.

Dieses Heiligthum des „Zeus Belus" schildert er als aus acht auf- einander gestellten Thüruun bestehend. ,In dem letzten Thunu iet ein grosser Tempel; in diesem Tempel befindet sich eine grosse, wohlgebettete Lagerst&tte und daneben steht ein goldener Tisch, ein Götterbild ist aber dort nicht aufgerichtet, auch verweilt kein Menach darin des Nachts, ausser ein Weib, eine von den Eingeborenen, welche der Gott sich aus allen er- wilhlt hat, wie die Cbaldäer versichern, welche Priester dieses Gottes sind. Ebendieselben behaupten auch, wovon sie jedoch mich nicht über- 7.eugt haben, dass der Gott selbst in den Tempel komme und auf dem Lager ruhe, gerade wie in dem ägyptischen Theben auf dieselbe Weise, nach -Angabe der Aegypter: denn auch dort schläft in dem Tempel ein Weib: diese beiden pflegen, wie man sagt, mit keinem Manne Umgang; ebenso auch ver- hält es sich in dem lykischen Patara mit der Friesterin des Gottea CApoOo) zur Zeit der Onkelung, denn es findet diese nicht immer daselbst Htatt; wenn sie aber stattfindet, so wird sie dann die Nächte hindurch mit dem Gott in den Tempel eingeschlossen."

Auch der oben erwähnte heilige Bock zu Mendes wurde von den sich ihm prostituirenden Weibern ganz sicherlich als eine Personification des Sonnengottes selbst angesehen. Fabelhafte dä- monische Thiere als Stammväter ganzer Clanschaften findet man vielfach erwähnt, namentlich bei Indianern und Polynesiern» aber auch in Indien und auf den Sunda-Inseln, selbst die da> ui sehen Könige und die Gothen sollten von einem Bären ab- stammen, wozu Mannhardt bemerkt, das« Bjoern ein Beiname Thors gewesen sei.

Eme ganz besondere Bolle spielte im 15. und 16. Jahrhundert, aber auch noch in viel späterer Zeit, der Glaube an die sog», ten Teufelsbuhl.'«chaflen, und Jmn lioditi, der ebenfalls ff-* ' selben gluubie, liat viele Beispiele zusammengebracht.

Des ia daa

die Weiber ihre wiederholte, oft Jahrzehnte lang fortgesetzte üu- zucht mit dem Teufel bekannt und mit dem Feuertode gebüsst haben. Für gewöhnlich geht dieser geschlechtliche Verkehr des Nachts vor sich ; man hat aber auch Frauen , gefunden, welche bey hellem Tage mit dem Teufel ungeheure Gemeinschaffl gepflegt haben, imd auf dem Felde oift gantz nackend sind gesehen worden. Ja bissweilen haben ihre Männer sie mit den Teufeln verkuppelt ge- funden, und als sie vermeynet, es wäre sonsten leckerhaffte Ge- sellen, mit Prügel auff sie zugeschlagen, aber, leyder! nichts ge- troffen."

Die Meinungen der Gelelirten waren darül^er getheilt, ob solch ein Beischlaf mit dem Teufel fruchtbar sein könne oder nicht. Es fanden sich aber doch viele, die die Erzeugimg einer „Teufelsbrut* für möglich hielten. Das sind die Wech.selbälge oder KUJtröpfe, die sich durch Missgestalt und ungeheure Gefrassigkeit auszeichnen. Die Weiber, welche mit den Teufeln Gemeinschaft hatten, gaben übereinstimmend an, dass sie deren Samen ganz kalt gefunden haben. Das ist ganz natürlich, da er nicht frisch ejacuLirt ist, denn es ist gestohlener menschlicher Same; «die hyphi»lti.sche oder succubische Geister fangen den Samen von den Menschen auff, und behelffen sich desselbigen gegen den Weibern in Gestalt der Autflmcker."

Nach einer Ajigabe iu des getreuen EcJcarths ungewissen- hafften Apothecker glaubte mau im 17. Jahrhundert in Schwe- den, dass die Hexen dem Teufel in Block ulle gestohlene Kinder zuführen mu.ssten. Dort hatten sie mit ihm und die Kinder mit anderen Teufeln geschlechtlichen Verkehr. Sie machen dabei eine vollständige Trauungsceremonie durch, deren Formel lautet: »Ver- flucht sey, der ülier sechs Jahr alt nicht zwei oder drei Männer oder Weiber habe." Den sie heirathen, ist ein Bock oder eine Sau, mit welcher sie zwei, \'ier bis sechzehn Kinder haben. Diese sind halb so gross wie „Christen-Kinder imd haben Angesichter denen Ratzen gleich, aber kein Haar und feuerrothe Angesichter. Ihre Geburt haben sie denen Hexen gleich alle Monat, sechs Wochen oder zwey Monat." Die Teufelskinder werden sofort nach der Geburt zerhackt, in einem Kessel gekocht und eine Salbe darai gemacht, ,so hernach ausgetheilet wird".

Von jeher hat der Wald als das bevorzugte Bereich der keuschen Angriffe der Dämonen gegen die Weiber gegolten die Ltlstemheit der Satyru der Fauni und der Sylvani ist ja liekannt. Es schliessen sich hier die i)«,v/r der alten Gallier und die Forst- und Waldteufel der Deutschen an. Auch heut4.* noch. müssen die Einwohner mehrerer indonesischen Eilande (Ambon, Uliase-Inselu, Serang), und zwar die Männer ebenso gut wie die Frauen, bei ihren Wandenmg-en im Walde sehr v. ' * ' Denn bestiramte Dämonen beiderlei Gesclilechts haii zwingen die Menschen, die in ihre Nähe kommen, zum

4

aer

und V «11. ~

{etBrismax nad Prostitution.

327

Wem das gescliehen ist, der stirbt in wenigen Tagen, da der Dä- mon seine Seele mitnimmt. Auf Eetar sind diese Walddänionen nur den Weibern und Mädchen gefährlich, so dass tliese, wenn sie im Walde Holz sammeln, stets von einer Anzahl von Mäimem zum Schutze begleitet werden mUssen. Auf den Aaru- Inseln hat der unzüchtige Waldgeist nur Macht über die menstruirenden Weiber, die in dieser Zeit daher den Wald nicht betreten dürfen, Thun sie es dennoch, dann beschlaft sie der Geist und sie bekommen davon einen Stein in den Uterus, oder sie müssen bald sterben. (Riedel^)

Aber nach dem Glauben unserer Vorväter konnte der ge- schlechtliche Umgang mit einem Geiste ein ganz legitimer und von Kirche und Gesetz gebilligter Verkehr sein, vorausgesetzt näm- lich, dass der den nächtlichen Besuch abstattende Geist derjenige des in weiter Feme weilenden Ehegatten sei. Man hielt es näm- lich noch im 1 7. Jahrhundert für möglich, das« die Seele den lebenden Körper verlassen, in der Welt umherfliegen und nach einiger Zeit in den Körper zurückkehren könne. Im Jahre lß37 bestätigte das Parlament zu G renoble die eheliche Geburt eines Knaben, der nach vierjähriger Abwesenheit seines Vaters geboren war, da seine Mutter , zugestünde, dass obgleich ihr Gemahl aus Teutschland unter 4 Jahren nicht kommen wäre, sie ihn auch nicht gesehen noch fleischlich erkannt hätte, so wäre nichts desto weniger gar zn gewiss, dass sie ihr im Traume die Gegenwart und Umbfassung ihres Gemahls feste eingemeldet, und alle Empfindungen, sowohl der Empfangniss, als Schwängerung so accurat getühlet hätte, als sie sonsten bey wUrcklichea" Gegenwart ihres Herrn em- pfinden können*. Eine solche Art der Schwängerung wurde als ^m Lucina sine concubitu bezeichnet.

^1 Es giebt Erscheinungen im Völkerleben, die häufig mit Un-

recht in Analogie mit anderen gebracht werden ; dahin gehören Thatsachen, die sich auf den ausserehelichen sexuellen Umgang be- ziehen und welche bei genauer ßetrachtimg sich als sehr differeiit darstellen. Als , Hetärismus " bezeichnet Zh/z/voc/c einen Zustand, der ursiirUnglich, wie er meint, ein aUgemeiner Gebrauch des menschlichen Geschlechts war, und bei dem die Frauen einer Horde Gemeingut aller Männer gewesen sein sollen. Eine nicht geringe Reihe an- I derer Forscher, M'Lcnnan, Monjan, Fost u. a., auch jüngst Ju- fUus Lippnt schlössen sich ihm an. Es ist noch zwcifolhaft. ob ^die Untersuchungen dieser Männer den Sclüeier von den cht*-

in der grauen Vorzeit gehoben haben, und iA> "»«tttii vor Begrttndimg einer FamiJieu-Ziwati

50. Hetärisuius and Prostitat ion..

XI. Der Eintritt des Weibes in'

keit die sogenamite Gemeinschafts- oder Genossenschaftsehe über- all geterrscht habe, den Thatsachen entspricht.

Unser vorläufig zurückhaltendes Urtheil in der Sache sprechen wir im Artikel über die «Ehe" aus. Für fahjch halten wir es, den Ausdruck , Hetärismus * für diesen hypothetischen Zustand zu adop- tiren; der Inlxalt dieses altgriechischen Begriffes ist ein ganz an- derer. Allerdings findet man einen, von Manchen als Hetäjrismus bezeichneten geschlechthcTien Umgang bei sehr rohen Völkern, welcher lediglich brutalen Neigimgen entspringt imd das weibliche Geschlecht auf der niedersten Stufe socialer Stellung zeigt: Wenn z. B. die australischen Schwarzen Mädchen zu unfruchtbaren He- tären machen, indem sie ihnen die Ovarien exstirpiren, so kenn- zeichnet sich hiermit die tiefste Herabwürdigimg des weiblichen Ge- schlechts. Dann aber giebt es auch einen Hetärismus, bei dem die Frau nicht etwa als Zuhälterin fl\r bloss sexuelle, sondern auch ftLr geistige Genüsse dient.

Bei gewissen anderen Völkern wird die Preisgebung der Mäd* chen nur gegenüber den Repräsentanten der Gottheit oder dem Landesherm gefordert. Am merkwürdigsten sind in dieser Be- ziehung die Verhältms.se auf einigen Süd see- Inseln. Die Uli- taos der Mariannen- Inseln waren Mitglieder einer geschlossenen Gesellschaft, die unter dem besonderen Schutze der Götter stand. ( WaiU.) Sie lebten unvermählt mit Mädchen aus den vornehmsten Familien, und es galt sogar, wie Freycinet bezeugt, fllr die höchste Ehre eines Mädchens, den Ausschweifungen dieser Männer zu dienen; ein solches weibliches Wesen wurde sogar höher geachtet, als eine wirkliche Jungfrau. Aehnliche Vorrechte genossen die Areois auf den Gesellschafts- und anderen Inseln Polynesiens.

Ein anderes Bild der geaellschafllicheu Stellung von Hetären als , Freundinnen" oder Genossinnen gewähren die Buhlerinnen Alt- Griechenlands. Hier waren die Hansfrauen auf das häus- liche Leben beschränkt, und die Männer fanden einen reizvollen Genus« im freien Umgänge mit Weibeni, welche durch Bildung, Feinheit des Benelunens und geistvolle Unterhaltimg neben der Hin- gebung ihrer weiblichen Tugend eine grosse Anziehungskraft aus- übten. Meist waren es Freigelassene, welche den Hetärenstand ergriflTen, doch auch freigeborene Bürgerinnen, die aus Armuth der- gleichen Verbindungen mit Männern eingingen. IHe Geliebten des Alkibindes, Timaiuha und T/ieodaia, bewahrten ihrem Freunde noch nach dessen Tode ein treues Andenken, während allerdings andere Hetären lediglich aul" Ausbeutung ihres Liebhabers bedacht waren,- wie aus ^ den Hetärengesprächen Lulian's hervorgeht. Immerhin spielten die Hetären eine grosse Rolle im bürgerlichen Leben Athens; Aristophnnes von Byzanz führt in seinem Buche die Namen von 135 berühmten Hetären auf, und Solon soll das He- tärengewerbe gesetzlich erlaubt haben, um der öffentlichen Sittlich- keit willen, d. h. um die Ehemänner von dem unerlaubten Umgänge

lon.

mit verheiratbeten Frauen zuröckzubalten. Penkies, welcber, ob- gleich verheirathet, die berühmte Aspasia zn seiner Freundin er- kor, gab das erste Beispiel und fand nicht wenige Nachahmer. Lais verkaufte ihre Gunst zu deiL höchsten Preisen ; Phryne konnte mit ihrem erworbenen Reichthuni den Thebanern anbieten, einen Theil ihrer zerstörten Stadtmauern wieder herstellen zu lassen. Der Hetärismus war dort ein freies, nicht durch Sitte verpöntes Gewerbe.

Dagegen finden wir im altgerraanischen Völkerleben die ähnliche Erscheinung, dass sich der Vornehme ohne Aergerniss zu erregen neben seiner Frau oder seinen rechtmässigen Frauen, wenn auch nicht Hetären, so doch , Kebse" in unbeschränkter Zahl^halten diurfte; dies war aber nicht ein .Hetärismus*, sondern das Con- cubinat. (WeinhoM.) Die Kebse war zwar nicht gekauft oder ver- mählt, sondern die gegenseitige Neigung schloss ohne Förmlichkeit die Verbindung, welche der brau nicht Rang und Recht der Ehe- frau, den Kindern nicht die Ansprl\che ehelicher Nachkommen ge- währte. Allein die Kebse erhielt dann auch nach nordischen Ge- setzen durch Verjährung rechtliche Erhöhung: Das Gulathingsbuch bestimmte, dass nach zwanzigjähriger öffentlicher Dauer des Con- cubinats die Kinder erbfähig seien; und das jüdische Recht setzte fest, dass eine Beischläferin, die Jemand drei Jahre lang im Hause hatte, zur rechtmässigen Ehe- und Hausfrau werde.

Weit widerwärtigere Erscheinungen im sittlichen Leben des weiblichen Geschlechts treten uns dort entgegen, wo die Weiber ihre Gunst einer grösseren Anzahl männlicher Personen gleichzeitig hingeben. Doch auch auf diesem dunkeln Gebiete sittlicher Zu- stände begegnen wir manniglachen Gegensätzen und Abstufungen, die namentlich durch die bei den verschiedenen Völkern herrschen,- den culturhisto3rischen Verhältnisse bedingt sind und unter dem Einflüsse der heterogensten Momente einen mehr oder weniger grossen Theil des weiblichen Geschlechts auf die moralische und ethische Selbsterniedrigung der sexuellen Preisgebung hinweisen. Hierher ist in allererster Linie diejenige weit verbreitete Unsitte zu rechnen, welche man mit dem Namen der gastlichen Pro- stitution bezeichnet hat, und welche darin besteht, dass dem in dem Hause überh achten den Graste der Wirth die eigene Frau oder Tochter als Bettgenossin überlassen muss.

In Chaldaea herrschte unter den wilden und kriegerischen Bergvölkern die gastliche Prostitution: und bei den Korjaken und Tschuktschen, nach Krascheninüow auch bei den alten A 1 e u t e n , gilt es noch bis. in die neueste Zeit für eine Beleidigung, wenn ein Gast die ilim als höchste Freundschaftsbezeugung ange- botene Frau oder Tochter seines Wirthes nicht gebraucht. Auch bei den Indianern haben wir bereits die gleiche Abscheulichkeit kennen gelernt.

Im gewöhnlichen Sinne bezeichnet man aber imter Pro st i-

330

XI. Der Eintritt des Weibes in

tution nur diejenige Unzucht, welche aus der Selbslpreisgebiing mehr oder minder oflFeu ein Gewerbe maclit, und die schon, wie die Bibel bezeugt (1. Moses 34, 31; 38. 15), bei den alten He- bräern zur Zeit der Patriarchen und Propheten heimisch, wenn auch den Töchtern IsracVs verboten war.

In Griechenland ftlhrte Sohn die gesetzliche Prostitution in Athen ein, und das Hetären wesen Griechenlands war doch im Grunde nichts anderes, als eine dem Culturzustande des Volkes entsprechende verfeinerte Prostitution. Wenigstens kann man Per- sonen, wie die Fhryne, etwa als ein Analogon jetziger Ziihülterin- nen oder femmes entretenues auffassen, die nur so lauge Einem au- gehören, als derselbe sie bezahlt. Und daneben bestand bei den Hellenen in arger Weise die gemeine Prostitution, wie aus mehre- ren Stellen des Arisfophanes hervorgeht. A'^on den öffentlichen Dirnen und Wollusthäusem wurden gesetzmässige Steuern erhoben zum Besten von Tempeln u. s. w. Bei den Juden durften am Heiligthuni Geld oder Geschenke, die durch Prostitution gewonnen imd dann zur Beschwichtigung des Gewissens dargeboten wur- den, von den Priestern angenommen werden. (Kinzlfr.) Wie in Griechenland, so trug auch in Rom der Venus-Qi\x\t nicht wenig zur Au.sbildung des Prostitutionswesen.^ bei. Die Römer hatten öffentliche Freudenhäuser (Lupanaria und Fornices), sowie selbstständige Lustdimen (Meretrices und Prostibulae), und in ihren Bädern pflegten sich feile Frauen einzufinden, xm\ die Sinnlichkeit für ihr Gewerbe auszubeuten. Ein solches antikes Bordell ist in Pompeji wieder aufgedeckt worden: Man muss erstaunen Über die ausserordentliche Engigkeit und Kleinheit der Räume.

Bei den alten Mexikanern gab es allerdings öffentliche Mäd- chen, doch war ihr Gewerbe allgemein verachtet; dasselbe war bei den alten Peruanern der Fall.

Der keusche Simi. die Sittlichkeit und Ehrbarkeit, welche deo Frauen und Mädchen der alten Germanen in hohem Grade eigen waren, gingen zu einem grossen T heile mit dem Eindringen römi- scher Cultur und in der Berührung mit anderen Völkern verloren, und an der sich steigernden Entartung der Sitten im Mittelalter nahm das weibliche Geschlecht einen hervorragenden Antheil. Die Prostitution nahm ausserordentlich überhand, trotzdem dass die christlichen Gesetzgeber und Regenten dem Uebel anfangs energisch zu steuern suchten. So gab Karl der Grossf in seinen Cupitularieu das erste Beispiel eiserner Strenge gegen die Lustdinieu und die- jenigen, welche sie vermietheten. Friedrich I. Burbarossa verbot in den auf seinem ersten Heereszuge nach Italien im Jahre 1158 erlassenen sogenannten Friedensgesetzen den Kriegsleuten bei stren- ger Sti'afe, Dirnen bei sich im Quartier zu haben; den betroffenen Dirnen wurde die Nase abgeschnitten. Aber trotz alier Maassregelu, mit welchen ilie Unzucht verfolgt wurde, war doch nichts Iiüufiger in allen Städten, als liederhche Frauen und Frau«.'nhttU!*er. Und

^

I I

hierzu trugen die'KreuzzJlge wesentlich bei. Daiui entstanden jene Magdalenenorden , von denen Sprengel sagt, dum jedes Mädchen, die des sinnlichen Genusses tiberdilissig war, in einen solchen Orden eintrat, tim mit Geschmack und Auswahl ihren Vergnügungen nachgehen zu können. Im 12. und 13. .Jahrhundert erliessen die Städte Regulative ttir die öffentlichen Häuser, so Augsburg 1276 unter dem Titel „Verordnung der fahrenden Fräulein". Die conces- sionirten Wirthe solcher Häuser zahlten grosse Abgaben; in Wien gab es zwei Frauenhäuser als landesherrliche Lehen, deren Insassen dem Kaiser bei seinem Einzüge feierlich entgegenzogeu ; der Erz- bischof von Mainz beschwert sich 1442, die Stadt thue ihm durch Licenzen Eintrag in seinem Einkommen* an den gemeinen ~^rauen und an der Buhlerei. Bei besonderen Gelegenheiten, wie bei Reichstagen und Concilien, stellten sich vagirende Frauen schaa- renweise ein, und alle Kriegszüge der damaligen Zeit waren immer von einem gewaltigen Tross von fahrenden Weibern begleitet, deren Disciplin officieU unter die Autorität eines Huren waibels gestellt ■werden musste. Bei der Beschreibung eines Heereszuges heisst es im Parzhai (1. 459):

Auch Frauen sah man da genug;

Manche den zwölften Schwertgurt trug

Zu Pfände für verkaufte Lust.

Nicht Königinnen waren es jost:

Dieselben liuhlerinnen

Uiessen Marketenderinnen. Concil zu Constanz (1414) lockte nicht weniger als 700 feile Frauen herbei.

In den Städten besuchte man die Bordelle ohne Scham und Scheu. Bedankt sich doch der Kaiser Siyismund bei den Bernern „vor Fürsten und Herren", dass der Rath sein Gefolge drei Tage lang unentgeltlich in den Gässlein der schönen Frauen bewirthei habe; und als er einst in Ulm war, konnte er sich nicht enthalten, selbst das Frauenhaus zu besuchen. Mit dieser Begünstigung käuf- licher Wollust verband sich ein schmählicher Menschenhandel; Ro- stocker Kaufleute schleppten ganze Ladungen fahrender Weiber zu den Häringsfangem auf Schonen; schwäbische Dirnen wur- den nach Venedig, vlämische nach London gebracht und galten als gute Waare.

Langwierige Reisen waren im 16. und 17. Jahrhundert mit grossen Beschwerden verbunden ; daher konnten die Fürsten jener Zeit, wenn sie eine solche Reise unternahmen, ' ilireu Gemahlinnen imd Töchtern nicht zumuthen, sie zu begleiten. Nur ött'entliche Weiber waren abgehärtet genug, um den Fürsten bei Reisen und HeereszUgen zu Fuss oder zu Pferde folgen zu köimen ; so wurdt-ri e denn als ein nothwendiger Theil des fürstücheu Gefolgaa un-^ m Kriege als ein unentbehrHcher Theil des Trosses ange»'*'^ 'ndtvig der Heiligt; war der einzige König des Mittelalters,

332 ^1* ^or Eintritt des Weibes in das Geschlechtalebeiii.

zwar Bordelle in seinem Reiche duldete, sie jedocli auf seinem £jreiiz- zuge streng untersagte. Die anderen Fürsten vor ond nacli ihm trösteten sich in den Armen von Buhlerinnen über die Trennung vom Hause; die vielen Hunderte von Dirnen, welche den Kri^^s- schaaren folgten, galten ihnen als EUtrem, ans dem sie sich das Beste aussuchten. Die Schriftsteller jener Zeit sahen in -eolchem Gebahren nichts Besonderes, nur das fanden sie tadelnswerili, dass die Könige bisweilen die von ihnen geUebten Buhlerinnen wie Prin- zessinnen herausputzten imd in die Gesellschaft erlauchter nnd edler Frauen einführten, so dass die eigenen Ghittinnen in Gte&hr kamen, öffentlichen Mädchen den Kuss des Friedens zu geben. Beim ersten Reichstage in Worms, welchen Carl V. hieji, waren alle Strassen dieser Stadt mit schönen Frauen oder mit feilen Dirnen angefüllt. Nicht lange nachher folgten dem Heere, welches Herzog AÜta nach den Niederlanden führte, vierhundert Buhlerinnen zu IMerde nnd achthundert zu Fuss nach.

Wer sich Über diese Verhältnisse eingehender zu unterrichten wünscht, dem empfehlen wir die Leetüre der Werke von Dufour und von üahufaiur.

In den halbciviUsirten Ländern der Neuzeit tritt die Prostitu- tion in sehr imgezügelter Form auf: Die Almehs in Aegypten, die Nautfch-Mädchen in Indien sind die Vertreterinnen der" ge- meinen Prostitution, wie bei rohen Völkern die Puzen auf Java nnd die Sives in Polynesien.

Hindu- Mädchen jeder Kaste können Tempeln zum Tanzen tfeweiht werden. Sie heirathen nicht, dürfen ab«r mit Leuten aus der gleichen oder aus höherer Kaste sich prostituiren. Es giebt zwei Arten Prostituirter: 1. Thassee oder einer Pagode attachirte Tanzmädchen, 2. Vashee oder lV)stituirte. Die letzteren leben in Bordollen in grossen Städten, oder in der Nähe von Arac- schänken tvlor kloinen Tempeln. Die ersteren werden als Kinder mit der Gottheit des Tem]vls verehelicht, sie stammen nicht selten aus den voniohmsten Kasten, wenn ihr Vater in Folge eines Ge- lübdes sie dem Tenipol geweiht hat. Sie erhalten täglich zwei Twizstunden und zwei Gesangstundeu. Je nach der Bedeutung des TemiH»ls. dem sie angehören, richtet sich die Höhe ihres Grehalte?. Der rnterricht Ivpijimit mit ä Jahren. \md mit 7 bis 8 Jahren hftlvn sie .Hx;!i^g»^lonlt und t^mzen bis zum 14. oder 15. Jahre 6 mal täirlioh. Wenn sie a;jft-Ttnon, sind sie reich mit Gold nnd Bdel- sunnen gt^sohr-iückt. Sie bilden gleiohs:«n eine eig«tte Kaste mit fesjwft G«at"tror.. Sie i^niiT^ssen giv^ssos Ansehen und sitzen bei Ver- saunmlusiTt'" ^^i *^cn Tonielimsien Mänueni. Sol^ld das Mädchen ihre Reife tTiÄr.»rs V.&t. wird, wonn sie nicht bereits von einem Br*hr.ii:ie2i dt::'..-»rlr: is:, ihre Jungtra-üschAtt einem diese Ehre suchen- den FTWüder. flr ti::e o::tsprei"he.nae Summe überlassen, und von CA. iz. f^lhrt sie e::: Leben fortvrviserjtter Prostit^mon mit Franden. Xxht «^4«: w«\ie2 Kiaöer ei<j>fns von alten Weibern aofgefimgen,

50. HetäjriB

Prostitution.

333

weit von ihrer Heimat abgelegene Tempel verkauft zu iShorit.)

Da in China die Gesetze über das Prostitutionswesen schwei- gen, so können die Freudenmädchen ungestört ihr Gewerbe be- treiben. Fast alle Bordelle sind mit Luxus ausgestattet und heisaen wegen ihrer blauen Jalousien , blaue Häuser" (Tsing Lao). In jenen Städten, welche, wie C an ton, am Flusse liegen, werden auch eigens gebaute, festgeankerte Schiffe, sogenannte »Blumensohiffe" (Qoa Thing), häufig als Bordelle benutzt. Die daselbst beherbergten Mädchen sind Sclavinnen des Bordellbesitzers und ihr Zustand so- wie das ihnen meist bevorstehende Schicksal wahrhaft beklagenswerth. Sie werden gewöhnlich tu ihrem Gewerbe' systematisch herange- bildet mid ebenso systematisch von ihren herzlosen Beßitzem aus- gebeutet. Im Alt«r von 6 7 Jahren müssen sie die älteren "Mäd- chen imd ihre Besucher bedienen, in dem Alter von 10 11 Jahren lernen sie singen und spielen, auch lesen, schreiben und malen, allein bereits im Alter von 13 15 Jahren werden sie von ihrem Herrn gewinnbringend ausgenutzt, zunächst auswärts, nach 2 3 Jahren aber im Hause. Diese unglücklichen Wesen verwelken f'rtlh; dann sieht man sie in allen Strassen der grossen Städte sitzen, um vorübergehenden Soldaten und Tagelölmem gegen geringes Entgelt ^die zerrissenen Kleider auszubessern. Die bedeutende Ausbeutung der Prostitution schädigt in China die Würde des weibUchen Ge- schlechts in hohem Grade. Nach ot^ciellen Berichten gab es im Jahre 1861 in Amoy, einer Seestadt mit 300000 Einwohnern, 3658 Bordelle, welche 25 000 Mädchen beherbergten.

In den alten Geschichten Chinas spielen diese „Blumenmäd- chen*, d. h. die Insassen der auf dem Wasser schwimmendeu „Blumenböte'', ungefähr die gleiche Rolle, wie die vornehmen Hetä- reu in Griechenland. Sie sind der Inbegriti' aller Schönheit, guten Erziehung und Bildung, die die männliche Jugend aufsucht, um die eigene Bildung zu vervolbtändigen. Auch heute noch besteht diese In.stitution, und theils in den Blumenschiften, theils in den blauen Häusern werden Gaste empfangen. Arme Kinder werden gestohlen oder von ihren Elteni verkauft und hier lediglich zur Prostitution herangebildet. Aber das Ideale, was früher dieser Einrichtung einen veredelnden Anstrich gab, ist hevite, wenn wir Colquhoim's Schil- derungen Glauben schenken dürfen, vollständig verloren gegangen. Er sagt:

,Von den Mädchen babeu manche recht angenehme Züge und ein gra- ziöses Wesen, aber sie sind sämmtlicb im höchsten Giade ungebildet und können weder lesen noch acbreiben, geschweige denn Lieder improvisiren, wie sie in der guten alten Zeit gekonnt haben sollen. Im Norden findet man allerdings, wie es heisat, auch beutigen Tags noch vereinzelte Mädchen, welche diese Kunst verstehen. Nur die ausserordentliche Ungemüthlichkeit des chinesischen Familienlebens kann vernünftige Leute veranlassen, die GeseUscliaft der Damen ia den Blumeuböten aufzusuchen, wo das einfältigste

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Spiel, da« in Italien gefafftoddkhe Mma, die ewBg« AbweehMhto« G«aSBgen ood kiodüehcB Sdiancn liSdeL*

(haiz anders klingt es nun freilick, was uns der Militfir-Aüacl «ler chinesischen Gesandtschaft in Paris, Herr T»ckeng Ki Tona. hierüber erzahlt:

«Ge-wiese Reisende haben ec sich in den Kopf gesetzt, jene mit dem Namen Blntnenschiff beseiehnetea Fahreenge, welche sich in der Nihe grosser StSdte zeigen, als Stätten der AowchTeitnng zu f^chüdem. Das ist dorch- an« unrichtig. Die ßlaiDenschiffe rerdienen diesen Raf ebenso «renig, wie die Concerisftle Europas. £a bt dies ein Lieblingsrergnögen der chinesischen Jugend. Man veTanstaltet Waseerpsrtien haapteichlicfa Abends in Geaell- cehafl von Franen, welche die Einladung dazn annehmen. Diese Fraaen sind nicht Terheiratbet ; äie sind ma8i1uli«ch nnd ans diesem Ormde werden sie eingeladen. Will man eine Partie reranstalten, so findet man an Bord Ein- ladungskarten , auf welchen man nur seinen eigenen Namen and den der Kfinstlerin und die Zeit der Zasanunenkonfl auarufQllen braucht. Et ist dies eine sehr angenehme Art, sich die langsam dahinschleichende Zeit eu ver- treiben. Man findet auf dem Schiffe AUea, was ein Feinschroerher nur wOn- cchen kann, und die Gesellschaft der Fianen. deren harmonische Stimmen in Verbindung mit den melodischen Tönen der Instrumente bei einer Tasse köst- lich duftenden Thees die Abendfrische beleben« wird nicht als eine alchtliehe AneschweifuDg betrachtet.

Die Einladungen gelten nur fSr eine Stunde. Man kann die Zeit jedodi anadehnen, wenn die Frau nicht anderweitig engagiri ist; natürlich moM das Honorar dann rerdoppelt werden, I>ie«e Frauen werden in unserer Ge- sellschaft nicht in. Bezug auf ihre Sitten beortheilt; sie können in dieser Hinsicht sein, wie sie wollen ; da« ist ihre Sache Der Reiz ihrer Unter- haltung wird ebenso hoch geschätzt, als ihre Kunst. Wenn man von diesen Zusammenkünften etwas anderes behauptet, so ist das einfach eine Filschung der Wahrheit.* Nachher wird aber zugegeben, dass der Piatonis- mns, den uns dieser Chinese glauben machen möchte, doch auch nicht von absolutem Bestände ist.

Aach die Japaner betreiben die Prostitution im grossen Stil:

Man klagt als Ursache der schlimmen Yerbreitnng der Prostitution in Japan die grosse Lockerheit der Ehe, insbesondere das Recht Aea Mann» an, seine Fiaa nach Belieben zu verlassen. Wenn in Japan eine Frau von ihrem Manne Verstössen wurde, so geht sie unrettbar dem Elende entgegen, sobald sie nicht im Hause ihrer Eltern eine Zuäucht xu finden vermag. Is diiiier Noth greift sie zum letzten verzweifelten Mittel, mn ihre Existenz tu fristen, »ie verkauft ihre Tochter um einen niedrigen Prtris an eines der Prostitutionshäuser, die unter dem Naracn TheehÄuser oder Gankiros unter dem Schutze der Regierung stehen. Yoshiwaras (Freudenfclder) nennt man in Japan die Stadttheile nnd oft auch die einzelnen, meist Verhältnis«- mäMig grossen Häuser, welche der Aphrodite gewidmet sind- NH<:h dem UrtheUe oller, weichte die einschlagenden Verhllltnisso.genau kennen, erscheint in Japan da?« gefallene Frauenzimmer nie auf einer so niedrigen i^tufe. wie in unseren grossen StÄdten. Ami' ' '' ' .\^n dsr

Youhiwara« vom besseren Theile d ondem

b*-- wei^s man doch, dass '»g

ihi' Igen Gewerb« oblie^n.

0«ler nächsten Yerwondteti

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Stfsitzer Jcr öffentlichen Hüuser verkauften, wo sie in verschiedenen Dingen unterrichtet werJen, nnmentlich aber in den Künnten der Aapasia, bi» zu der leit, wo sie geeignet sind, als Sclavinnen ihrer Brodherren dieselben zu rer- reriheo. (Ausland 1881.) Sinagawa, eine Vorstadt Yeddo'8, wird nur ron Freodeniuädchen bewohnt. Allein kein socialer Fleck oder Schimpf i.st ji»^r mit dem Gewerbe verknüpft; die öffentlichen Dirnen sind sogar sehr r'sucht als Frauen und leben später in der Ehe unbescholten.

Der Prostitution haben wir genau genommen auch diejenige ^olkssitte vieler roher oder hiilbcivilisirter Nationen hinzuzurechnen, welche wir unter der Bezeichnung des freien Verkehrs der Ge- schlechter unter einander vor dem Eingehen einer Ehe bereits kennen gelernt haben. Wenn hier auch sehr liäufig sich reine Concubinats- verhältnisse entwickeln, so ist doch andererseits die Grenze zwischen

Concubinat und Prostitution hier lur uns kaum zu ziehen möglich. Penn in sehr vielen Fällen ist wohl dieses Coucubinatsverhältniss I ein häufig wechselndes, oder ein melireren jungen Männern gleich- , zeitig gewährtes, und ferner finden wii* gar nicht selten die directe ■ÄA-Ugabe, da.ss das Mädchen für die Ueberlassung ihre.s Körpers ^BGe.Hchenke fordert und annimmt. Immerhin liat doch hier die freie ^rV\^ahl oder, wenn wir es so uenm-n wollen, die Liebe, ihr Recht be- ^lialten, während wir die Prostitution im eigentlichen Sinne des "Wortes bisher doch immer nur von vereinzelten Weibern des Volkes

Iund zwar fast immer nur von solchen niederer Herkunft ausUben aahi'n. £inen widerlichen Eindruck macht es jedoch auf uns, wenn wir erfahren, wie die Prostitution bei bestimmten Nationen eine so allgemein verbreitete und so selbstverständliche Volkasitte ist, dass die Eltern ilire Töchter besonders dazu anhalten und selbst die Ehemänner Capital aus den Reizen ihrer eigenen Frauen schlagen. Die Töchter der Lyder mussten sich, wie Uerodof {I. 93) erzählt, )rostituiren und auf diese Weise ihre Mitgift sammeln. Die.s trieben iie, bis sie sich verheirutheten, so dass sie sich selbst ausstatten iten. Es gab in Ly dien ein sehr grosses Grabmal des Ah/at(es, _ Vaters des Kroisos; auf diesem Grabe standen !> Denksäulen, fäeren grösste die Buhldimen aus ihren Mitteln gesnumielt hatten. Bei den Burjäten giebt es keine junge Frau, kein junges Mädchen, die nicht bereit wäre, ihre Reize für klingende Münze ^■preiszugeben. Eine Folge der geschlechtlichen Ausschweifungen ^^fiind geheime Kraukheiten, welche in den Jurten der Nertschinsker Steppe gra.ssiren, tust unheilbar sind und viele Opfer dahinraffen. Alhin Kühn,)

Die Männer der4iai da- Indianer imtemehmen mit ihren Frauen

lll'^omnierlich «Speculationsreisen nach Victoria, woselbst jeder

roll beiden auf eigene Faust sein Glück macht, und sie dann gemein-

lui wieder heimkehren. Die traurigen Folgen äu.ssern sich auch

Jei den Weibern in verderblichen Krankheiten." [Jacohsen.)

Bei vielen Völkern Afrikas, z. B. den Mpongwe, sind die

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Wab ak IwBMlifgn Baus, dtmok Bmt nebr noek emfeagen soQen ili fie Arbeit dal SebErm. Dtther and itif IThrwinni i gen boeifc, ikn. fatthmni dem eisten beskcB m Ihrrt— w, ja ühb aimbieiea; 4iBB kt der Fkonde Beklu ao trirl er rihlni. m er dber arm, ao wird er der Sckre des Geanhla. SpeS^hait gegca einen fre^eh^en Liebhaber wfird« der GcanU Mincr Gattin mit dem ^K^eiaiga* in I der Hand bald aatraben.

Auf K iaa dagfgfn beitraft man die Prowritation mit dem Tode.

In den cirflsRiten Stiilen der Oeg^wart hnt maix sich in inner eihSfatem Grade ud die ^iMrliTg»fcimg der Proaütatimi be- nflfaL Aas zwei MotTven aah aidi der moderne Staat gsnöth^^i, dam ProatitiitioB*weae& beschränkend entgegen n treten: einestbeÜB aaa Oifindea der öffentlichen Moral, aodceoi&eila ans sanitäres ROckBichten; das eine Mal wurden Sitten-Btlreaas m solchem Zweck angeordnet, daa andere Mal hat die Medicinal-PoHzei den Anfing ethallai, die Pnwtifcntwn als schlimmste Terbreitenn yphiffiiacher Erkrankmigen xo Hberwachen. Die lefftslatoriache Fnuda hat dabei rerBduedeoe W^e eömacUagen. Im Allgemeinen beobachtet man xwd eulgcgeugeaetate ^ateme: aaf der einen Seite die •bedingte Toleranz*, auf der andmn Seite die gewaltigsten Aoatrengungen znr UnterdrGckung der Proetitiition. Man erkannte nefir and mehr, daas die heimliche wie die offene Prostitution, die in allen groesen A^erkehrsplätzen aoibitt, das sociale Lehen an- bedingt als schlimme sociale Cebel schäd^en. Allein beide Arten der Proetitation wirken in Terschiedenem Grade. Wie fsH^rall die geheitne Prostitution in omgekehrtem Yeihaltai^ .^n

•teht, so herrscht jene dort am zQgelloseeten nc- ^^.^....^len,

wo letztere gar nicht besteht und die Abzugskanile ^ Unlauter- keit fehlen. Sie oteckt dann alle Gesellschaf^klassen an, und aelbat da« Famihenleben wird von ihrem Geist ergriffen. Auf der anderen Bdte wurde freilich dem Bordellwesen der Vorwurf f^macht, daas ani einem Bordell der Rücktritt eines reuigen Mädchens in eine ge<irdnete Lehensweise schwer möglich ist. Und was für Nieder- trächtigkeiten ausgeftihrt werden, um neuen Nachwuchs fUr diesas unglQckliche Bordellleben zu erhalten, das haben znr GeuQge und in erschreckender Weise die Enthüllungen der Palt-JlaU'Ga^ate tu zeigen vemiocht

Er liegt nicht in dem Rahmen dieser Arbeit zu ontersuchen, walehe Gesetze und Polizei Verordnungen die modernen «*•'•-- {n dieicr Angelegenheit erlassen haben; das muss einer Staate < n-n

Monographie ober dieses hygieinisch so wichtige Thema Qberlaisen bleibrn. Wir mtVssen aber noch nnser^ Aufmerksamlrett aof gewurn Arten tfiiiiiorärer Prostitution t . welche im folgenden Ab-

BchriiHr flnditig skizzirt werdeu

51. Heilige Orgien un<] erotiscfae Feste.

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51. Heilige Orgien und erotisclie Feste.

Man hat die Verpflichtung der Frauen und Mädchen, sich im Tempel der Gottheit an bestimmten hohen Festtagen entweder dem Priester oder den anderen Festgenosaen zu überlassen, mit dem Namen der religiösen Prostitution bezeichnet.

Eine religiöse Prostitution gab es bei mehreren Völkerschaften : in Babylon trieb man die Prostitution in Form eines Gultus der Mylitia (einer der Venus analogen Göttin) ; dort zwang das Gesetz jede Frau, einmal in ihrem Leben den Tempel dieser Göttin zu besuchen, um sich in demselben einem Fremden preiszugeben. Dieser Cult breitete sich ober Cypern, Phönikien imd andere Länder Kleinasiens aus.

Bei den Armeniern mussten sich nach Strabo die Mädchen for ihrer Verheirathung längere Zeit der Anaitis weihen, und Lu- ianus erzählt, dass, wenn in Byblos die Frauen am Trauerfeste ies Adottis sich nicht die Haare abschneiden lassen wollten, sie rezwungen waren, sich einen Tag in dem Tempel der Aphrodite lyhlie den Fremdem preiszugeben.

Auch die Aegypter hatten zu Ehren der Isis (PascfU) Feste, >ei welchen die schrecklichsten Ausschweifungen stattfanden.

Die Griechen scheinen einen solchen Cult fiir ihre Aphrodite

in gleicher Gestalt nicht gekannt zu haben ; jedoch sind wir über die

rituellen Gebräuche der Aphrodite Fatidcmos zu wenig xmterrichtet

jand wissen nicht, ob deren Hierodulen ihren Dienst nur vorüber-

rehend zti verrichten hatten, oder ob ihre Anstellung eine dauernde

rar. In spaterer Zeit scheint allerdings das letztere der Fall ge-

resen zu sein. In Rom wurden, wie Juvenalis berichtet, bei den

i'esten der Bona Dea von den vornehmen Damen Orgien der

^hlimmsten Art gefeiert.

Wie aber auch in der Aera des Christenthums geschlechtliche iusi*ch weifungen angeblich ziu- Ehre Gottes getrieben worden sind, is beweisen die von Dixon in seinen Seelenbräuten geschil- lerten Miickersecten, das beweisen die Gottesdienste der Eva von iiätUr und ihrer Genossen, imd das l)ewei8en endlioh die gericht- ichen Verhöre, welche in Russland mit den Mitgliedern der ikopzensecte angestellt worden sind.

Aber auch Feste nicht religiösen, sondern profanen Charakters

werden von vielen Völkern gefeiert, bei denen der geschlechtliche

'^erkehr zwischen Weib und Mann theils pantomimisch zur Dar-

It^lhmg gebracht wird, theils wirklich in natura zur Ausfuhrung

klangt.

So soll in der warmen Jahreszeit in Australien bei einzelnen

tämmen (z. B. den Vatschandis) die Begattung mit einem Feste

feiert werden, das Kaaro heisst und mit einem Gelage der Männer

nt. Dann reiben sich die Männer mit Asche imd Fett ein

ffthren bei Mondlicht einen höchst obacönen Tanz um eine

!••■, Sm Wall). I. ». Abu. 22

XI. Der Eintritt des Weibe« in

Grube auf, die mit Gebüsch umgeben ist. Ghrube und Gebüsch stellen das weibliche Glied, die von den Männern geachwungenen Speere das männliche Glied vor. Die Männer springen mit wilden Geberden, die ihre erregte Wollust verratheu, umher unter Stossen ihrer Speere in die Grube, indem sie dazu singen: Pulli nira, watake (Non foBsa, sed cunnus). {Müller.'^)

Die Kanaken auf Hawai haben einen losciven Tanz, der nach Buch- fter unter allen polynesiscben Tänzen der laauivste ist und Hula-Hula heisst. Zuerst setzton sich die Tänzerinnen sowohl wie die Musikanten mit gekreuzten Beinen in zwei Reihen auf den Boden und erhoben einen Wecbael- gcsang, wobei sie bald langsam, bald rasch und leidenschaftlich den Ober- körper und die Arme hin und her warfen und kleine, mit Steinen gefüllte Calabassen schüttelten, so dass ein beilloser rasselnder Lärm entstand. Die Mdlodie war viel complicirter , als die beim Uaka der Masri und beim Meke Meke der Viti. Die zwei Tänzerinnen trugen eigenthümüchen Schmuck um die Knöchel, eine Art Mieder und aufgeschürzte Röcke; ehemals be- schränkte sich das Coatüm auf oin Röckchen, das nur dazu diente, empor- geschnellt zu werden. Nach einiger Zeit sprangen sie auf und machten unter wildem Schreian und Rasseln mit dem Becken höchst unzüchtige Be- wegungen. Die eingebornen Zuacbauer betheiligten sich höchst lebhaft an dem Vergnügen, lachten entzückt und machten dieeelbcn Hüftbewcgungen.

Ueber die Belustigungen der Schwai-zeu im Kuango- Gebiete (WestafrikaJ berichtete der Stabsarzt Wolff^:

(Der Tanz besteht hier überall zumeist aus möglichst schnellem seit- lichen Hin- und Herbewegen des Hinteren, indem sich Männer und Weiber gegenüberstehen, dann mehrmalB aufeinander zugehen und zurückweichen, endlich sich umfassen. Hier stehen sie in dieser Stellung ein Weilchen still, um dann wieder auseinander eu gehen und von vom anzufangen. In manchen Dürfern in Madimba machen sie erat in dieser Umarmung die nnzweideutigsten Bewegungen, um dann danach, wie ermattet, noch in einander verschlungen ein Weilchen fitill zu verharren."

Spix und r. Martins wohnten im näclitlichen Ihmkel einem Tanze der Puri in Sttdamerika bei, in de.ssen zweiter Abtheilung die Weiber anfingen, das Becken stark zu rotiren und abwechselnd nach vom und hinten zu stossen. Auch die Männer machten Stoss- bewegungeu mit dem Mittelkörper, aber nur nach vom.

Dass derartige, die Sinne aufregende Tänze bei Völkern, welche die Keuschheit der jungen Mädchen nicht verlangen, sehr bald zur That ftliiren, das wird man wohl nicht wunderbar finden, und Ä'm- lischer glaubt, dass hierdurch eine Art Zuchtwahl ausgeübt w«rde. Er ffthrt eine Reihe von Beispielen au, welche seine Annahme zu bestütigeu geeignet sind. Es möge das Folgende hier noch seine Stelle finden.

.Die Ausübung d<-r Wahl seitens der Frauen und die AufraerkHamkeit« die sie der iiusscren Er^chf iuuiig der Männer widmen, kann aus einem Tons« der Raffern constatirt werden. Bei demeelben. erzählt .<l/bfrti, echaart Hieb eine behebige Anzahl MiLnner, gewöhnlich ganz entkleidet, in gerader Linie \ dicht zosammen, wobei jeder seinen rechten, anfwJlrts gerichteten Arm, eintn | Ötreitkolben in der Hund, mit dem linken »eine« Nebenmannes votkettot

$39

Dicht hinter den Männern steht eine Linie Frauen, deren Arme jedoch nicht verkettet sind. Die Männer springen anhaltend und ohne alle Veränderung mit gleichen Füssen in die Höhe, während man an den Frauen eine sich beinahe an dem ganzen Köq)er äussernde krampfhafte Bewegung wahr- nimmt, welche vorzüglich in Vor- und Zurückheugen der Achseln und einer damit in Verbindung stehenden Kopfbewegung besteht. Dabei machen diese von Zeit zu Zeit, indem sie nach einer halben Wendung sich einander in sehr langsamem Schritte folgen, einen Gang um die Linie der Männer und nehmen dann ihre erste Stellung wieder ein. Bei diesem Allem wissen sie aicii, vorzüglich durch Niederschlagen der Augen, ein sehr sittsames Ansehen zu geben. Es ist klar, dasH durch das Nieder- schlagen der Augen der eigentliche Zweck der Umschau, die die Frauen über die Reihe der Männer machen, deutlich angegeben wird.*

Aber auch in der Christenheit gab es Feste, bei denen die Sittlichkeit um keine Spur grösser war, als bei diesen Heiden. Besonders waren es die E.sels- und Narrenfeste, aber auch Kirch- weihen und Processionen, welche zu den ächamlosesteu Ausschwei- fungen führten. Und auch gewisse Tänze erfreuten sich keines sehr feinen Rufes. So schreibt Praetorim (1668) von dem Tanze Gallarda:

, Zudem dass solcher Wirbeltanz voller schändlicher onfläthiger GeV>er- den and unzüchtiger Bewegungen ist.*

und Spangenbery sagt in seinen Brautpredigten :

«Behüte Gott alle frommen Gesellen für solchen Jungfrauen, die da Lust zu den Abendtänzen haben und sich da gerne umbdrehen, unzüchtig küssen and begreifen lassen, es muss freylich nichts gutes an ihnen sein; da reizet nur eins das ander zur Unzucht und fiddern dem Teufel seine Bolze. An solchen Tänzen verleuret manch Weib ihre Ehre und gut -Ge- rücht. Maniohe Jungfraw lernt allda, dass ihr besser wäre, «ie hätte es nie erfaren. Summa, es geschieht da nichts ehrliches, nichts göttliches.* {Kulischer.)

Bei den Neu-Britanniern werden nach Weisser die jungen Mädchen mit Eifersucht gehütet, und ein freier Verkehr mit jungen Männern wird ihnen im Dorfe nicht gestattet; allein zu gewissen Zeiten ertönt eine besonders hellklingende Trommel des Abends aus dem Busch, worauf denselben erlaubt ist, sich dorthin zu be- geben, wo sie dann mit Jungen Männern zusammentreffen.

Vielleicht haben wir es als Nachklänge im ethnographischen Sinne aufzufassen, wemi wir zwar nicht mehr den unbehinderten geschlechtlichen Verkehr bei den jungen Leuten antreffen, wenn wir aber doch noch finden, dass bei aller sonstigen Decenz imd Keusch- heit in den Worten doch bei gewissen Gelegenheiten unsittliche und aiistössige Dinge zwischen den Jünglingen imd den jungen Mädchen frei zu verhandeln erlaubt ist imd dieses auf beiden Seiten die griJsste Heiterkeit verursacht.

Noch heutigen Tages ist diese Unsitte bei un.s, namentlich auf dem Lande, nicht ausgestorben, und für gewöhnlich ist es der Polterabend, der hierfür die Gelegenheit abgiebt, während früher im

340 Der Eintritt des Weibes in da« Geschlechtsleben.

Mittelalter selbst in den vornehmsten Kreisen bei dem Öffentlichen Beilager des jungen Paares die ärgsten Zoten ohne Scheu ange- sprochen wurden. Auch pfl^^n auf dem Lande die Spinnstuben nicht immer eine absolute Sittenreinheit in den Beden darzubieten Etwas Aehnliches finden wir auch bei einem der Türken Völker im westlichen Asien, bei den Kumücken.

,Za den Spielen (der Kumücken) gehOrt unter andern das SüjdQn- Tajak, d. h. Liebesstock, welches meistens bei Hochzeiten and von ünverbeiratheten gespielt wird, und wobei die Verliebten, indem sie sich gegenseitig mit einem Stabe anf die Schulter schlagen, Dialoge theils sar* kastischen, theils erotischen Inhalts wechseln." {Vambery.)

XII. Liebe und Ehe.

^

I

53. Die Liebe.

Es wird wohl immer eine unentschiedene Frage bleiben, wo _enige, was wir unter dem Begriff der Liebe zu dem anderen Geschlecht verstehen, in der Stufenfolge der Volker seinen Anfang nimmt. Ob sie dem Menschen auf der niedersten Stufe der Cul- turentwickelung wohl gänzlich fehlt ? Fast möchte es den Anschein haben, als wenn sie bei manchen Völkern gar nicht existirte, wenn wir das Weib fast schlechter und schmachvoller behandelt sehen, als die Hausthiere, wenn wir sehen, wie nicht selten der geschlecht- liche Verkehr durch Gewalt und Misshandlung erzwungen wird. Und dennoch können wir nicht behaupten und beweisen, dass trotz dieser Rohheiten nicht doch die Gattenliebe in ihren Keimen schon vorhanden ist, wenn sie auch noch als ein schwach glimmender, leicht verlöscheuder und fllr einen anderen Gegenstand wieder auf- glühender Funken ihr verborgenes Dasein führt und noch nicht zu der hellen weitatrahlenden Flamme geworden ist, als welche wir bei den civüisirten Völkern die Liebe kennen. Wer wollte z. B^ den Feuer- 1 ändern die Liebe zu üiren Kindern absprechen, weil einmal ein Vater sein Kind erschlug, weil es einen Korb mit Muscheln ver- HchntteteV (Dartvin.^) Der Mann hatte nur nicht seine Stimmungen in seiner Gewalt und Hess unüberlegt auf einen Zornanfall sofort die Tbat folgen, und hat yielleicht in seinem Herzen später den Verlust seines Kinde« tief betrauert. So mag es auch mit der uns hier beschäftigenden Liebe sein ; oft mag sie scheinbar durch augen- blickliche Missstimmungen verdrängt und vernichtet werden, und dennoch tritt sie später vielleicht wieder in ihre Rechte.

Bei allen unverdorbenen Völkern erscheint allerdings die Mutter- liebe stärker, als die Liebe zum Manne, Die „Hingebung* an den Mann ist bei der Paarung entweder eine freiwillige oder eine ge- zwungene. Der Mann erwirbt sich seine von ihm selbst nach eige- nem Gutdünken oder diurch Andere Erwählte in mannigfachster Weise und nach festgesetztem Brauch, sei es durch Raub, sei es durch Kauf. Die Rolle, welche dabei das Weib spielt, ist zu- meist eine untergeordnete; sie hat gar selten völlig freie Wahl.

XII. Liebe nnd Ehe.

Aber das AUes berechtigt uns nicht, diesen Völkern die Lieoe ganzlich abzusprechen. Und wenn das geraubte oder gekaufte Weib auch vielleicht im Anfange dem Manne mit Widerwillen nnd mit Widerstreben sich hingeben mag, warum soll sich nicht später bei ihr die Liebe entwickeln? Sind nicht die geraubten Sabine- rinnen sehr treue Gattinnen geworden? Nun kommt noch hinzu, dass, wie wir sehen werden, bei vielen Stämmen ein solcher Raub oder Kauf gar nicht vorkommen kann, wenn nicht schon ein ge- wisses Einverständiiiss zwischen den beiden jungen Leuten herrscht, dass also auch der Frau ein gewisser Grad der Selbstbestimmung erhalten bleibt. Solch ein Scheinraub findet bei den Tasmaniern, bei den Polynesiern auf Tukopia und bei einigen Polarvölkem statt. Aber auch manche anderen Nationen haben Anklänge hier- von erhalten.

Einen Beweis, dass die wilden Volker die Fähigkeit zu sanften Herzensregimgen nicht besässen, suchte man auch darin zu finden, dass manchen derselben ein Wort für Liebe gänzlich fehlt. Damit ist aber noch gar nichts bewiesen, denn nicht immer hat ein Volk für dasjenige, was ihm zum Bewusstsein kommt, sofort auch eine Bezeichnung in seiner Sprache. Und für derartige abstracte Be- grilfe werden die Worte am allerspätesten erfunden.

Ein Mangel des Begriffes Liebe kann auch dadurch vorge- täuscht werden, dass der uncivilisirte Mensch es für unanständig und gegen seine Wl\rde verstossend ansieht, wenn er einen Anderen seine Gefühle und Empfindungen erkennen oder ahnen lässt.

So erinnert Peschel daran, daes der Arawake in Guiana, wenn er sich unbemerkt glaubt, weil er anders seiner Mannerwürde etwas zu vergeben fürchtet, seine Frau mit feurigen Zärtlichkeiten fiberhiluft. Femer kann man auch die Germanen als ein für zarte Liebe zugängliches Urvolk an- führen, denn n^^ch Tacitus stellten sie die Frauen sehr hoch: Inesse quin etiam sancbum alLquid et providum putant; nee ant consilia earam adsper- nantur, aut re^ponaa negligunt.

Im Lande der Muskogee giebt es einen Lover's Leap, einen Felsen, von dem sich zwei verfolgte unglückliche Liebende herabstürzten in den Fluss, und der Mississippi hat seinen Maiden 's rock, an den sich eine ähnliche Sage knüpft. Dass sich Mädchen unter den Indianern Nord- amerikas in Folge von unglückhchej' Liebe erhingen, kam öfters vor; und Hedkttcaeder sovrie Tanner ere&blen selbst Fälle von Selbstmord bei MSjonem bei IndianerTöIkern aus gleichem Grunde. Selbstmord, den manchmal schon ein geringer ehelicher Zwist veranlasst, ist bei den I n d i a n e r Weibern hlUiKger. als bei deren Männern, welche sich (nach Keating) bisweilen aus Neid gegen den Ruhm eines Rivalen umbringen. In den Fällen des Mississippi von St. Anthony ertränkte sich einst ein Weib mit ihren Kindern, da ihr Mann ein zweites nahm; und bei den Kuistcno opfert sich nicht »eilen ein Weib auf dem Grabe ihres Mannes. Das berühmt« Beispiel einer iQd* amerikaDi^che u Indianerin, die sich auf dem Gmbe ihres Gellebten umbrachte, um nicht in die Hund der Spanier tu fallen, hat Outvara be- richtet und später ilel Bareo Centera ausführlich '

Von den ilarar! im nordöstlichen Afrika sa^'i 'i^-' Die Neigung

I

der beiden Geschlechter zueinander ist in der Jugend eine ganz intenäive und edle, und in einer ganzen Reihe von Liebesliedem wird den Gefühlen des Herzens oft in überschw&nglicher Weise Ausdruck gegeben. Unter den Galla und Bantu kam es vor, dass erkaufte Weiber, welche den aufge* nCthigten Ehemännern nicht gut waren, sich lieber das Leben nahmen, als da«8 f>ie den für sie entehrenden Pact schlössen.

Polak stellt den Satz auf: Der Begriff von Liebe, den wir liaben, existirt, wie im ganzen Orient, auch in Persien nicht. Jedoch widersprechen dem doch ganz entschieden die glühenden Schilderungen treuer Liebe, wie sie uns in Tausend und einer Nacht gegeben werden. Treue Liebe zu ihren Gatt«n und zartes Liebeswerben unter den ünverheiratheten treöen wir auch bei den Bewohnern der Stld- Lseeinseln au. Man muss eben in der Liebe verschiedene Grade rund Abstufungen anerkennen, zwischen denen ein weiter Spielraum liegt, aber wahrscheinlich giebt es kein einziges Volk oder sicher- lich doch nur sehr wenige, welche auch nicht einmal im Besitze der geringsten Grade von Liebe sich befinden sollten.

53. Der Liebeszauber.

Ist einmal die Liebe erwacht und hat sie nicht die erwünschte Gegenliebe gefunden, so hat sie von jeher nach übernatürlichen Mitteln gesucht, um dieselbe dennoch zu erringen. Hat sie diese Gegenliebe aber erlangt, so schwebt sie nicht selten in banger Furcht, sie wieder zu verlieren, mid wiederum müssen magische Processe die schützende Hülfe gewähren.

I Der Aberglaube an dergleichen Mittel ist über sehr viele Völker

verbreitet, nur die besonderen Maassnalmieu wechseln je nach den Sitten \md der Anschauung der Nation.

Es kommt auch auf diesem Gebiete eine ganze Reihe von

[ hochinteresiianten Erscheinungen der Mystik zum Vorschein, und insbesondere werden wir einige solcher Erscheinungen mit Hülfe einer altmythologischen Symbolik erklären können. Beispiels-

I weise flthren wir nur Folgendes an: Der Apfel ist das heidnische Symbol der sinnlichen Liebe; es werden t^er auch die Liebes- göttinnen mit einem Äpfel in der Hand abgebildet; einen Apfel h-ägt auch die slavische Sitca, die Göttin des Lebens und der Frucht- barkeit. Am Weihnachtsfeiei-tag isst im Voigtland der Bursche einen Apfel; da« erste Mädchen, da« ihm entgegen kommt, ist seine künftige Frau. (Koehler.) Und ebenso mag es sich mit anderen Requisiten des Liebesorakels, mit dem Bleigiessen, dem Schuh-

I werten tmd mit den mannigfachen Handlungen verhalten, welche

|bei dem Liebeszauber ztun Vorschein konunen.

Bei der Anwendung des Liebeszaubers haben wir verschiedene Grade und Methoden zu unterscheiden. Einestheils sind es rein sympathetische Mittel, welche von fem her auf denjenigen, desaer

344

XII. Liebe uad Ehe,

Namen der deu Zauber Ausübende nennt, ihre Wirkung «its>« oder es aind besondere geheiizmifisrolle Dinge, die man sber mit ^em zu Bezaubernden in directe Berfihrong bringea maaa. oder' endlich die Zaubermittel müssen von demjenigen, uf den ea abg»- «eben ist, in irgend einem N^irungsmittel, selbetvgCTtindlich MUMJ •«in Wissen, genossen worden sein. Hier schlieest sidi das Liebes- orakel an, durch das man Oberhaupt erst den G^enstand kennvn zn lernen hofft, von welchem man einst geliebt werden wird. Femer mu08 man eine schon gewonnene Liebe zu erhalten, eine verlorene wieder zu erwerben und endlich die Fesseln einer lästigen Liebe wie- der los zu werden suchen.

Bis in das graue Alterthum sind wir im Stande, derartige! magische Handlungen nachzuweisen. So gab es schon im aUenl Indien einen Liebeszauber, durch dessen BeihtÜfe das Mfidcben auf ( djis Herz ihres heias Geliebten zu mrkeu suchte. Ein Beisiiiel findet sich in einem Zauberspruch zur Fesselung eines Mannes und zur Vertreibung einer glQcklichen Nebenbuhlerin (R. Veda 10. 145i:

.Dteae Pflanze grabe ich aus, das kräftige Kraut, durch welches msa die Nebenbuhlerin verdrängt, durch welches man einen Uattra erlangt.

Du mit den ausgebreiteten Bl&ttem, heilbringende, kiaflreiche, von d«a Göttern geapendete, blase weit weg meine Nebenbuhlerin, verschaffe mir einea eigenen Gatten.

Herrlicher bin ich, o herrliche« Gewächs, herrlicher aU die Herriidien« aber meine Nebeubuhlerin, die soll niedriger sein ala die Niedrigen,

Nicht nehme ich ihren Namen in den Mund, nicht weile tie gern beij diesem Stamme, in weite Feme treiben wir die Nebenbuhlerin.

Ich bin überwältigend, da bist siegreich, wir beide siegreich, wollen , Nebenbuhlerin bewältigen.

Dir legte ich die siegreiche rar Seite, dich belegte ich mit der »ti reichen; mir laufe dein Streben nach wie die Kuh dem Kalb, wie Wasser dem Wege entlang eile ep."

Eine ganze Reihe solcher Segen zur Entflammung (^uc) Liebf" in dem Herzen eines Mannes hat uns der Atharvaveda aufbewahrt. (Zimmer.)

Einen Liebeszauber bei den alten Aegyp t er n hat Erman'-^ aus dem grossen Pariser ZauberpapjTUS nachgewie.sen. Eine der Formeln lautet:

.Mein . . . xu legen an den Nabel de» Leibes der A'. N., es zu bringen (?) den . . . der N. N. und dase sie gebe, was in ihrer Hand ist, in meine Hand, was in ihrem Mund iiit in meinen Mund, was in ihrem Leib ist in meinitn Loib, vfas in ihren weiblichen Gliedmaasaen, gleich, gleich, augenblicklich, augenblicklich.^

Die alten Romer brauten Liebestränke, welchen man die Kraft zuschrieb, Personen beiderlei Geschlechts, die sich frtiher ganz gleich- gültig gewesen, ineinander verliebt zu macheu oder durch die man den« (Jej^enstaudu .seiner Anbetung Gegenliebe einzuimpfen hoSle. LucuIIhs soll durch einen solchen den Verstand und zuletzt das Leben eingebUsst hüben. Der Dichter Lncretius nahm sich das Leben im Liebeswnlm, der ihm angeblich durch ein Philtrum

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80 Mumie man deu .Liebeätnunk* beigebracht ward«. Dagegen soD Aptdejus das H.en der reichen PudenUBa dtii^h ein Phütnun gewoimeo haben, das aus Spargel, Krebescfawanten, Fischlaich, Tranbenblut und der Znnge de* fabelhaften Vocels Jjop zusammengesetzt war. Der Italiener Porta erzählt Wunderdinge von der Wirkung des Hippomanee, einer schwarzen Haut, die, roo der Ch^ase einer getrocimeten Feige, anf der Stirn neugeborena* Fluten wuchs und« von den Griechen zn Polrer rerbrannt, im Blute des Liebenden als Philtnun gebraucht wurde. 8^on xa früherer Zeit «cheinea oiuere germa.nisckca Altvotdena die »LJetwaoberei getrieben so haben. Di« Ueba MlWt «mM^ aa flir ewen tSaaber gehalten haben, da sie ja eiacB ao Ibenws ad^Aigaa Einiaai aaf Leib asd S«ele, auf GeUt nnd GÖaltb aatttbi. Maa Mdite im »kaBdiaaTi- ^•chen Norden xor Eir«gaaff der liebe dia aijatiadM Wirkaag der Baaea ßn witWtmAoU datihat. Aawerb makreaaa aordiachea Sagen, die Mieker Kraft der Boaen BeJafnele briogcn, lenen wir aaa den Liedern Sitgfntd detgleiekaa LiebemitUl kennen. In dem errtaa BrjfukOlitde Rnaen gegen BetbOmng durch Crefode Weiber mügetkaüt; die Boae Nand (Not) aaf den Nagel. Odraaen auf den RAekea der Haad aad anf daa gertbit> worin der Liebertraak (nünnisweig) geboten wird, waren an Zweck wirksMn. Alt heraaden kiftftig gnÜ ein Trank, durch vad Lieder nnd Bania reidi g— gnH Ueber dieaua Ab«r> ■prieU Bradcr ArlkäU: ,Pfni, glaafail da. daa» da eiaan Maane ii[ in Tliri sau ilmal nllin ■i'^nn ~' '^- '^^'^i isfni hinrinrtrmiii Inniifuit'" Sin aademal mft er: ,Es gcka maaehe mit bUeem Zaaberwerk aaa, daaa wtkacB, eiaee Baaein Sohn oder eiaea Kaecbi an beanbera. Ptm, da ThSria! waram beaaabeni da nkkt einen Gtaföa odv eiaan KflaigT werdest da ja eine Ktaigin werden. Allein nieki bin«« iank Kr- Prcdigtea, Modarn aoch Tid loifligcBca )6tteia « Enhe gegfla Miehea Aba^giaabeB la Falie; aad Wnialill flftit aa: die BexcBV«C»lga^ca bMktai. kiack&e wiihi MHea Tanneiallid laaber ein W^b anf daa Sekeitakaafen. nsd ntanehae Mldckea MiaaB Liebräi mit dem Tode bttwea*

in ecrtcT Linie galt es. mit geräaaa Zaabermxtteta dem gcb^tiea «.■ ttaade „Etwas antnthnn''. d. h. ihm etwa* hmaüiA bwiabriagea aaf ( ptUhische Wme, wedureh ein an wideratak lieber I

wird. Dabei worden oft die tbmri«diacben Michte ai BsUk Ob^eäek die niiliftidin in Deataeblaadaaf die; aad dea Gcbiaaek Mieter Jfitflal hatpcdicksStnlca I Glaaba aadk dmm aack nckt gaaa. ab ama aafkiili. die aack beata kenma im Talk» Mittel la AnwaadBag.

Der deatseke Tolkaaberglaabe a. B. ii4 «a Mitteki sar Liebe» -Srwabaag, die nrfkkka

UiBimiia Zant aiad gewime ZaaV«r«pr«ckc aa iialba^: Ba^wb« dir Oberpfals eiaea ZaBbanpraik. ia |p,t»r- «a deakfifrmekai Moad w«ad dock LFt aar bei ■■■ikwielBB Xaad dar Sfiadk tbb Wghtf. .Gs«M dsck Gott, läebec leb 9^ «ek kf«« Sakeät dar Moadi

53. Der LiebeBZHu"beT.

347

)dei":

Meinem Herzallerliebsten aaPa Bett: Las« ihm nicht Rast, läse ihm nicht Ruh, Da88 er zu mir kommen mu (muss)!"

„Ei du mein lieber Abendstem, Ich seh dich heut und allzeit gern; Schein hin, schein her, Schein über neun Eck,

Schein Ober meines Herzallerliebsten sein Bett, Dasa er nicht rastet, nicht ruht, Bis er an mich denken thut!" Die Ausübung eines Liebeszanljers ist in einem Gemälde (flandrische Jchule) aus dem 15. Jahrhundert dargestellt, das sich im Leipziger Museum befindet und von lÄtbke besprochen wird; dazu ist eine treflliche Copie ge- ^geben (Fig. 88) : In der Mitte eines mit Kamin und reichlichem Hausgeräth ver- lehenen Gemaches steht ein nacktes Mildchen, nur mit einem dännen 'Schleier bedeckt; neben ihr befindet sich eine Truhe mit geöffnetem Deckel; in derselben, die auf einem Schemel steht, erblickt man ein Herz, wahrscheinlich

Iein Wachsbild. In der rechten Hand hiVlt das Mädchen Feuerstein und Schwamm, in der erhobenen Linken einen Stahl, mit dem sie aus dem Feuer- Btein Funken schlagt; diese letzteren sprühen auf das Herz herunter, wahrend "Tom Schwamm auf dasselbe Funken herabfallen. Durch eine im Hintergrund tich öffnende ThQr tritt ein junger Mann in das Gemach. Ueber die Bedeutung dieser Scene kann man nicht zweifelhaft sein: Offenbar ist hier die magische Handlung eines Liebeazaubers dargestellt, der

»in solcher Form namentlich im Mittelalter verbreitet war. Sie bestand darin, dass man ein Bild aus Wachs oder anderem Stoffe (in ganzer menschlicher Figur oder auch in Gestalt eines Herzens) mit dem Nßmen Dessen, auf den es abgesehen war, taufte und es dann glühen oder schmelzen machte. Durch die Wirkung galt nun Derjenige, dessen Namen das Bild trug, mit seinem I Wesen als magisch an dasselbe gebunden; er sollte, indem er Aehnliches [erlitt, wie das Bild, in Liebe entzündet werden. Jacob Grimm erwähnt [folgende Stelle aus dem Gedicht eines fahrenden Schülers: „3üt wunderlichen Sachen I^ ich sie denne machen von wahs (Wachs) einen Kobolt wil si daz er ihr werde holt und töufez in den brunnen und leg in an die sunnen." In der R<«gel Hess man da» Zauberbild (den „Atzmann'*), statt es in die [Bonne zu legen, am Feuer „bähen". In unserem Bilde ist die „Taufe" durch ein Benetzen des Herzens angedeutet, zugleich aber auch das Entzünden oder I „Versengen".

Auch bei den Indianern in Nordaroerika spielt ein Bild des Ge>

' liebten bei dem Liebeszanber eine wichtige Rolle. Nach Keating fertigen die

iChippeway-Mädchen ein solches Abbild des begehrten Mannes und streuen

ein gewisses Pulver auf die Herzgegend, Bemerkenswerth ist hier, dass

bei «liesem uncivilisirten Volke der Sitz der Liebe in die Herzgegend

„wird.

in man (im 8am lande) da, wo ea Niemand hOrt, drei Mal laut len Namen der geliebten Person ruft, «o zwingt man sie dadurch, an den Rufenden ra denken. {FriHdAitr.)

Am Johanxiisabend itreat man in der Gegend ron Angerberg (muh Müllrnhotf) finen beliebigen Samen in die Erde und epriebt dabei: ,Ioh •treoe meinen Sameo In Abntkam» Namen, Diese Nacht mein FräuUeb Im Sdüafe tu erwarten. Wie er geht und steht. Wie er auf der Gasse gebt!* <Mer man streut Leinsamen in 's Bett und spricht: pich efte Leineamen In Gottee Jen Namen, tn Abrahams Garten Will ich mein Feinslieb erwarten.*

Ein eigenthflmlicheg magisches Mittel ul der Sudzauber, aueh 8<ed> sauber, nordisch: seidr. wird unter gewissen Sprüchen ein St^k ge> braachter Kleider oder Haar in einem neuen Geschirr gesotten, so kooiml Über die sprOde Person plötzlich die Liebe mit solcher Gewalt, daas sie da> hin Laufen muss, wo die Liebe gesotten wird, and cwar um so schneller, je st^ker das Wasser im Topfe wallt; und kann sie es nicht eriaufen. so mnas sie sich zu Tode rennen ; kein Hindemiss auf dem Wege ist so stark, das« es nicht Obennmden werden wollte. Schömcerth beriehtet von einigea FiUeo, in welclien die Verliebten, wie sie fest sn wissen Raubten, unter dem Baue solchen Zaubers gestanden haben.

Derartiger Zauber ist aber nicht allein auf die enropiiscben TOlkcr- •cbaften beschränkt. Das beweist eine Angabe von Sitdd*.

,8ynpatheti8cbe Mittel, Liebeswahn zu erregen, werden von den aof Djailolo und Halamahera (HolL-Oatiodieu) lebenden Galela and Tobeloresen unter der Bezeichnung ,golea laha* ofl angewendet. Die UBprtngUche Galela weise ist die Bezaubenmg mittelst Binnen. Man r^%M m dam Zwecke 3 Tage nach Neumond 4 ümnuru- und 4 Gabi-Btamen. «teilt sie in einen weisen Topf mit Wasaar, setst diasalben unter freien Hiounel ▼or sich hin und spricht, wenn die Staxne sich aeigen: ,Frao Sonne, dn bell leuchtende Fran, ich gUnie wie die Sonne, die anftpriagt (aoigelit). ick gUnze wie der Mond, der sich leigt. ich giSnse wie der Stern an HiauMi. teh glftttte wie das Feuer, das flammt, idi gHütae wie die SonaeabiBsw, dia sidi SiEaet, möge X mich lieben, an mich denken \m Tmg», wie bei NnchL* Naeh diesen Worten muss Gedeht und Körper dreiaal aüt dem Waaitt gewaschen werden, in dem die Binmen lagto.*

Auf den Aam- nnd Tanembar-insefai (Kiederl&ndiseb-Osti dien) wenden aaeh viele Miaaer spspatlictiadie Zaabennittci an. ob Ftna in sieh rediebt an aiariwa. fHimblKj Gnaa Ikalieb ist es aaf den Seranglno- aad-Goroag-bmla.

iliissrinnkiillirh nnanig&ltig ist die sweite Art des LiebeaauAen, bei wddMm das gdiebie Wesea aüi bestiaunten abaoaderiici— Diagta werden arasa. ba Bpreewnld, dar bsknaatüA eiae weadisobe mg basilst. sagt OMa an «taadaea Octea. daas der jaage " Mldfii— IS liebe sa gewiaaaa. ia doea A laiisiiiibanfeii ciacn Icbtadsn Ffaack lüaeiatbon and eowcii mtggikam aeD, daas «r niabi» siekt oad atdtla bOrl. dann aadi einigen Stondea anss er wiedesteauaea und Pft>selMs aelBBeB, daraof das MUcben eine Band fsbea oad ftr dabei Frosekband in ihre Haad drflekea.

Aack in DeotscbUad ist d«r Finadb an wie^Ügw H<ifcMitte< Ar

349

den Liebeszaober. In Schwaben, Böfameo, He^isen, Oldeaburg thut der Barsch einen Laubfrosch in einen neuen Topf und bindet ihn &in Georgi- tage vor Sonneniviifgang in einen AmeiBenhaufen ; ist der Frosch dann von den Ameiiien verzehrt, so nimmt man am folgenden Georgitage (also nach Jahresfrist!) die Knöchelchen heraus und bestreicht mit einem solcheu (dem Schenkelknochen) da« Mädchen auf sich zu. In Ostpreussen sticht man zw'ii »ich begattende Frösche mit einer Nadel durch, und mit dieser Nadel heftet man dann einen Augenblick die eigenen Kleider mit denen dee Ge- liebten rusammen. (Toppen). In der Oberpfalz muas der Bursche die Hand des Mädchens mit dem Füsschen eines am Lukastage gefangenen Laub- frosches blutig ritzen.

Dem Frosch schliesst sich die Fledermaus, die Eule und der Hahn an, also 8&mmtlich Thiere, welche in der Mythologie und in der schwarzen Kunst von jeher eine wichtige Rolle zu spielen bestimmt gewesen sind. In Ostpreuasen berührt das Mädchen ihren Geliebten heimlich mit einer Fleder- mauskralle; sie nauss dabei aber einen Zaubersegen murmeln. Im Samt and e heisst es: Man scbiesse eine Eule und koche sie in der Mittemachtsstunde. Alsdann suche man aus ihrem Kopfe zwei Knöcbelchen, welche wie Hacke und Schaufel gestaltet sind. Das Uebrige von der Eole vergrabe man unter die Traufe. Wünscht man nun ein Mäldchen für sich zu gewinnen, so darf man sie nur heimlich mit der Hacke berühren : sie ist „festgehackt". Reisst man einem Hahne die Schwanzfedern' aus und drückt sie dem begehrten Mädchen heimlich in die Hand, so hat man ihre Liebe erobert (in Schwa- ben). In Böhmen genügt es, mit diesen drei Federn aus dem Hahnen- achwanze den Hals des Mädchens zu bestreichen.

Aach manche Pflanzen stehen in ganz besonderem Ansehen. In Franken trftgt das Mädchen Liebstöckelwurzel , imSpessart Lieb- BtCckelblüthe im Rosmarinbüschel bei sich, um den Geliebten an sich zu fesseln. Es kann, so heisst es in Posen, der Bursch von der reinen Jung'- fraa dann nicht mehr lassen, wenn letztere in seinen Brustlatz die Spitxe eines Rosmarins einnäht. Und wie in Neugriechenland, so ist auch in

{Ostpreussen und der Oberpfalz das heimliche Zustecken von vier- blättrigem Klee besonders in die Schuhe von troumachender Wirkung; ander-

'wärte, z. B. in Böhmen, legt man Rosenäpfel dem Schatz in's Bett. Bei den Sfld-S laven gräbt nach Kranss^ ,das Mßdchen die Erde aus, in welcher die FusMspur des geliebten Burschen sich abgedrückt hat, giebt die Erde in einen Blumentopf und pflanzt die Ncvenblumo (Calendula oflicinalis). Das ist die Blume, die nicht welkt! So wie die gelbe Blume wächst und blüht and nicht hinwelkt, so soll auch die Liebe de» Burschen zu dem Mädchen wachsen, blähen und nicht verwelken.*

In Italien giebt es {t\i das Mädchen ein unfehlbares Mitt«l, sich den

'JUngllng geneigt zu machen; sie muss ihm „das Pulver werfen". Da ist

[die Eidechse, ein »onst in Calabrien allgemein respectirtes Thierchen, denn trftgt ja Wasser in die H5lle, ihr Feaer za löschen; diesmal musa sie die Liebe respectirt kein Gesetz. Das Mädchen nimmt also die Sidechse, ertränkt sie in Wein, dOrrt sie an der Sonne und stösst sie zu Naiver. Von diesem Pulver nimmt sie eine Prise und bestäubt damit den beliebten. Dies hält man fUr ein unfehlbares Liebeszwangsmittel, und du- ^on stammt die Phrase: Sie hat mir da» Pulver geworfen, d. h. eben, mich •ich verliebt gemacht. (Kaden.)

Sympathetische Zaubermittel , um Männer und Frauen liebestoll zu Sachen, werden auf Buru angewendet. Man benutzt dazu Sirih-Pinang

tuittol wirklich dem zu Bezaubernden einverleibt haben, mit anderen Worten, wenn sie im Stande gewesen sind, dasselbe seinem Trank oder aeiuen Speisen beizuminchen. Hier stehen obenan die sogenannten Liebesträuke, die Philtra der alten Griechen und Römer, und wie bei allen Völkern, 80 spielen sie auch unter den Deutschen und bei den Süd-Slaven eine bevorzugte Rolle. Die alte Magie kommt da zum Vorschein, und noch bis in die neue Zeit giebt es Verblendete, die an ihre Macht glauben. Eiiie Frau. die rait Liebeetränken handelte, wurde im Jahre 1859 zu Berlin verhaftet; sie hatte täglich gute Geschtlfte gemacht. Von der Liebstöckel-Wurzel, deren mystische Kraft hochgeachätzl wurde, macht man in Franken einen Liebea- irank; die Böhmen aber tröpfeln zu gleichem Zweck Fledermaua-Blut in's Bier; nicht ungefillirlich mag alterding« die Liebeawuth »ein. welche die fränkischen Mädchen bei ihren Geliebten dadurch erzeugen. da.ss ^ie den- selben in Kaö'ee eine Abkochung von spanischen Fliegen übergeben, denen sie vorher den Kopf abgebissen haben; denn das in diesen Thierchen ent- haltene Cantharidin wirkt schwer schädigend auf die inneren Organe , nament- lich auf die Nieren ein.

üeberhaupt waren die LiebestriLnke früher sehr gefürchtet und nach dem Ausspruch der alten Aerzte sollen Leute dadurch wahnsinnig ge- worden sein, ein Ausspruch, der sich vielleicht auf die angefahrten Beispiele von angeblichem Liebeswahn im alten Rom stützte. Zachias sagt: Pocula amatoria bominem infatuunt et insaniam pariunt, ut nonnullonim animaliuni cerebra et »olaraum fuiioäum.

Eine meisterhafte Schilderung von der Wirkung eines solchen Liebestrankes verdanken wir bekanntlich Gottfried von Sfrassbnrtf : Die Königin bereitete Ihrer Weisheit gemäss In einem Glasgefilss Einen Trank der Minne. Der mit so feinem Sinne War ersonnen and erdacht Und mit solcher Kraft vollbracht, Wer davon trank, den Durst zu Rtillen Mit einem Andern, wider Willen Mupst er ihn minnen und meinen. Und jener ihn, mir ihn den Einen. Ihnen war Ein Tod, Ein Leben, Eine Lust, Ein Leid gegeben.

Sobald den Trank die Magd, der Mann

Inot gekostet und Tristan,

Hat Minne schon sich eingestellt.

Sie, die zu schaffen macht der Welt,

Die nach allen Herzen pflegt zu stellen,

Und Hess, von beiden ungesehen,

Bchon ihre Siegesfahne wehen:

Sie zog sie ohne Widerstreit

Unter ihre Macht und Herrlichkeit.

Da wurden eins nnd einerlei

Die zwiefalt waren erst und zwei:

Nicht mehr entzweit war jetzt ihr Sinn.

iMtldem Ha«s war gans dahin.

XII. Liebe ui

Die Stthnerin, Frau Minne,

Halt« Beider Sinne

Von Hass so ganz gereinigt,

In Liebe so vereinigt»

Daes eins so lauter und so Uar

Dem andern wie ein Spiegel war.

Sie hatten Beide nnr Ein Herz:

Sein Verdrnss schuf ihr den grössten Schmerz,

Ihr Schmer/. verdrosH ihn mächtig.

Sie waren Beid" einträchtig

In der Freude wie im Leide,

Und hehlten sicha doch Beide.

Da» kam von Scham und Zweifel her:

Sie schKmt« sich, eo that auch er;

Sie zweifelt an ihm, Er an ihr.

Wie Beide blind auch vor Begier

Sich einem Wunsche möchten nahn,

Zu schwer doch kam es ihnen an

Zu beginnen, anzufangen:

Das barg ihr Wünschen und Verlangen. Aber auch hier sehen wir bald wieder bei dem Landvolke die Suc von dem eigenen KOrper dem Anderen etwas einzugeben. Im Spreewalde macht der .Tflngling da« Mädchen in sich verliebt, wenn er »ich in den kleinen Finger der linke Hand schneidet und das dabei hervorquellende Blut dem Mädchen heimlich zu essen giebt. (v. Sdmknhurg.) Auch in Böhmen Mchneidel man «ich in der letzten Stunde de« Jahre« in den Finger, mischt drer Tropfen Blut in einen Trank und Itlast ihn den oder die Geliebte trinken« Ein Liebespulver schätzt man in den Niederlanden. {Wolf.*) Man nimmt eine Hostie, die jedoch noch nicht geweiht sein darf, «cfareibt auf dieselbe einige Worte mit dem Blute aus dem Riugfmger und läast als- dann von einem Priester fünf Messen darüber lesen. Dann theilt man die Hostie in zwei gleiche Theile, deren einen man selbst nimmt und den an- deren der Person giebt, deren Liebe man gewinnen will. Dadurch „ist schon viel Unheil geschehen und manches keusche Mägdelein verführt worden".

Doch auch das gewöhnliche Blut genSgte dem Vorstellungsvermögen des ungeb j Ideten Pöbels nicht. Es musste noch etwas Besonderes dabei sein. Und so wählte man dann das Menstmalionsblut, um für die Zauberspeise zu benutzen. Der bereits im 9. Jahrhundert vorkommende Zauber, den .Männern weibliches Menstrualblut in Speise und Trank zu mischen, kommt vereinzelt noch vor, z. B. im Rheinland. Bei BurcAard von W o r m s heisst 68: .Fecisti qaod quaedam mulieres fatere solent? Tollunt mcnstruum suum «anguincm, et immiscent cibo vel potui, et dant viris suis ad maudacandum vel ad bibendum, ut plus diligantur ab eis. Si fecisti, quinque annos per legitimas ferias poeniteai.*

Die hervorra^^etndste Rollo spielt hier jedoch ebenfalls wieder d«r Schweisii. Man mus» Aepfel oder .Semmeln, welche der Andere essen soll, im Samlande mit dem Schweisse des Körpers bethauen; in Schlesien, Böhmen und Oldenburg trilgt man Obst, besondere einen Apfel, oder Weissbrod, oder ein Stück Zucker so lange auf der blossen Haut unter d«na Arme, bis es von Seh weiss durchdrangen ist, und giebt es dem Anderen zu esson. Ganz Gleiches geschieht Im Spreewalde. Wenn dort aber ein Mäd» chen die Liebe eines , Jungen* haben will, so soll sie «ich die Nacht aber

53. Der Liel

353

ein KAulcfacn Semmel oder Zwieback oder einen Apfel zwischen die Beine auf die Pudenda legen, es da durchs oh witzen lassen unxl dann dem Junjiren ZD essen geben, so kann er nicht von ihr lassen. Auch ein durchgesch «ritzte» seidenes Halstuch, das zu Zunder verbrannt, pulverisirt and dem Essen bei- gemengt wird, giebt einen wirksamen Liebeszauber ab. Die Chiloten in der südlichsten Provinz von Chile benutzten ebenfalls den Schweiss als Mittel f[lr Liebeszanber. Die junge Chi lotin webt aus F&den von gewisser Farbe Tücher, die sie eine Zeit lang bei sich trägt; dann weiss sie sie dem geliebten Jüngling entweder in die Kleidung zu bringen, oder sie kooht ihm ein Getränk und seiht dasselbe durch ein Zaubertuch. Nach dem Genüsse widersteht er ihrem Anblicke nicht. Das ist aber alles den Leuten noch nicht unappetitlich genug. Man Ifisst in Böhmen Haare aus der Achsel- höhle gepulvert in den Kuchen backen, und anderwärts bestreicht man das) Brod, dos der Andere essen soU, mit Ohrenschmalt. Selbst das Semen virile wird, wie im frühesten Mittelalter (Watsertchkbtn), noch jetzt in Böhmen der Speise oder dem Tmnke eines Mädchens beigemischt. (Grohmann.) Andere genies^en eine Muskatnuss, die dann wieder, abgegangen, dem Ge- liebten zum Genüsse heimlich beigebracht wird. Will Einer, dass Jemand zu ihm in Liebe entbrenne, so muss er auf nüchternen Mageu drei Pfeffer- körner verschlucken; spilterhin, nachdem er sich entleert, die Körner aus seinem Abgang heraussuchen, trocknen und zu Pulver stossen. Dieses Pfllver- chen wird in einen Kuchen verbacken und der Geliebten oder dem Geliebten zum Essen gegeben. (Gegend von Varazdin.) (Krams.^J

In den Decreten des Bischof BurcAarrf von Worms finden wir: Fecisti quod quaedam muliores facere solent? prostemunt se in faciem, et disco- opertis natibus, jubent ut supra nadas nates conficiatur panis, et, eo decocto tradunt maritis suis ad comedendum. Hoc ideo faciimt, ut plus exardescant in amorem illaruni. Si fecinti. duos annos per legitimas ferias poeuiteas. ( instasti de semine viri tui ut propter tua diabolica facta , plus in amorem tuum exardesc^eretV Si fecisti «eptem annos per legitimas ferias poenitere debes. Fecisti quod quaedam mulieres facere solent? Tollunt piscem vi^^m et mittunt eum in Puerperium suum et tamdiu ibi tenent, donec mortuus fuerit, et, decocto, piace, vel assato, maritis suis ad comedendum tradunt. Ideo faclunt hoc ut plus in amorem earum exardesctint. Si fecisti, duus annos per legitimas annos poonitcas.

In früher gebrauchten Liebestränken gab es folgende Ingredienzien;. {Mark) Lorbeerzweige, das Gehirn eines Sperlings, die Knochen von der linken Seite einer von Ameisen angefressenen Kröte, das Blut und Herz von

l_Tauben, die TesUkel des Esels, Pferdes, Hahns, und ganz besonders wieder Menstrualblut. (Schwaben.) Der Liebeszauber, welchen die Neugriechen haben, mag wohl zu einem grossen Tbeil aiis alter Zeit stammen. Es giebt jetzt in EpiruM und Thessalien (im Alterthum bedeutete bekanntlich «Thessali er in" eine Zauberin) weise Frauen, die mit Dämonen oder Geistern in enger Ver-

I binduug stehen und deshalb ein einträgliche«, doch unheimliches Geschäft be- treiben. Sie verstehen die Liebestränke, tplXzffct der Alten, zu brauen, oder sie sind i4u Besitz von Wunderkräutem , mit denen man die Geliebte oder

^en Geliebten nur zu berühren hat, um sie ganz willfährig zu machen, ist das sogenannte zgiqtvXX' {ov) fii Ttacega 9>ViUa (Klee mit vier Btät- h), dem noch mehr Wunderkräfte zugeschrieben werden, x. B. dan Oetlnen les Festverscblossenen. {Dossius.)

Plo«*, Dm Wfib. I. 1, Ann. 20

354

Xn. Liebe and Ehe.

Auch in Bosnien ist der Glaube und das Vertrauen auf gewiane alte Frauen sehr ^tobs, welche im Rufe stehen, durch Weissagungen, Salben und andere Mittel He^enraeisterei zu treiben. Sie uind es auch, welche abergläubische Frauen in vielen Dingen, go auch in Sachen der Liebe, um Rath und Hülfe befragen. Wird ein Mohammedaner seiner Gattin untreu, so darf dieselbe nicht dagegen murren, sie bleibt treu und schweigt zu Hause. Sie sucht dann aber die Hülfe solcher klugen Frau auf. Ist ihre Lage eitie derartige, dass ein Gebet allein noch nützen kann, so wird die Quacksalberin befragt, welches Gebet und wie oft sie es t&glich verrichten, welche Speisen sie ihrem Gatten kochen, wie sie das zum Ardes (Waschen) nothwendige Preskir (Tuch) stecken soll? Die Quack^alberin hört die Klagen ihrer Clientin so ruhig lind gleichnilssig an, wie dies bei uns die .\dvokaten zu thun pflegen. Ist dann die Clientin zu Ende, so tritt eine kleine Pause ein, nach welcher die Magierin die Taxe für ihre Prophe- zeihung feststellt und gleich auch einhebt und bei Seite legt, und dann erst sinnt sie darüber nach, welche Mittel in diesem Falle angewendet wer- den sollen. Bei Treu- and Ehebruch werden von der Quacksalberin bei 3,lteren Clienten BohnenkOrner, bei jüngeren Erbsenkömer angewendet. Diese Körner tragen gewisse Einschnitte ; wenn nun die Clientin ihr Leid geklagt, welches in der Regel darin besteht, dass ihr Mann in der Nachbar- schaft sich ein anderes Weib hält, and wenn sie dann die vereinbarte Taxe zuvor entrichtet hat, dann streut die alte Hexe diese Bohnen- und Erbsen^ kOmer mit einer eigenthümlichen Gewandtheit auf die grosse Tasse, welche sich auf dem Teppich befindet, prüft dann die Lage der Einschnitte der Bohnen- oder Erbsenkömer und liest aus denselben ihre von jeher als un- fehlbar anerkannten Ansichten herab. Sie erzählt dann, warum der Gatte treulos geworden, wodurch die Rivalin ihn an sich fessele, was zu thun sei, utn dem Uebel abzuhelfen und dergleichen mehr. Nie vergisst sie aber, die Clientin auf einen späteren Tag wieder zu sich zu bestellen, selbstrerst&nd- lieb mit Geschenken. {Stratus.) In Marocco wird nach Quedenfehil der Kopf eines Geiers und eines grossen Sauriers benutzt, um gepulvert, heimlich dem Gatten beigebracht zu werden, damit seine der Frau verloren gegangene Liebe wiederkehre.

In Deutschland sind bestimmte Taf^ dem Liebeszwange besonders günstig; es sind dies Johanni (24. Juni), Andreas (30. November) und %y\- vester (31. December). An diesen Tagen sind besondere Zaubersprüche 'von grosser Kraft. Aber auch Ostern reiht sich hieran. So giebt die Ver- liebte in Tyrol ihrem Schatze Ostereier zu essen, welche sie am Oeter- Sonntage auf einem geweihten Feuer gesotten hat.

Es geht jedoch den Verliebten, welche durch Zauberei Jemandem »den Nachlauf angethan haben*, wie man in Schwaben sagt, nicht selten ähn- lich, wie dem bekannten Zauberlehrling. Sie sind des Segens überdrüssig und möchten die Liebe des Anderen wieder mit guter Manier loswerden. Das geht natürlich nur durch einen neuen Zauber. Wer die oben erwähnte Eolf geschossen und mit dem hackenfömiigen Knochen sein Mi^dchen fest- gehackt hat, der thut gut. auch den Schftufelknochen sorgfältig zu bewahren. Denn wenn er das Mfidchen wieder los sein will, so braucht er sie nur mit dieser Schanfel zu beriihrt^n.

So wie man Liebe gewinnt, indem man Theile des eigenen Ich dem anderen Menschen an oder in den Leib bringt, ebenso kimn man sich auch in analoger Weise wieder von ihr befreien. Man verschafft sich zu diesem Zwecke umgekehrt Etwas von de« AndereA Leibe, nnd macht es im Licht»

i

53. Der Lief

tr Sonne o<ler in der Nacht des Rauches vertrocknen oder vergehen; dumit chwindet die Liebe, nicht selten aber auch der Leib. Was Liebe hervor- rin^, kann »ie unter anderen Verhältnissen auch aufhSren macben.

Hieran reiht sich noch die Bosheit, welche verßchmähte Liebe oder

Bbrochene Treue ans Rache ersinnt und vollzieht. Ausser mehreren anderen,

laubemiitleln. welche namentlich die gegenseitige Liebe eines Brautpaares

au stören geeignet nein sollen, führt Schöntterth aus der Oberpfalx

Tolgendes an: Ein solches rachsüchtiges Wesen zündet um Mitternacht eine

iene an und ateclct nach vorgängiger Beschwörung eine Anzahl Nadeln

"mit den Worten in dieselbe: »Ich stech das Licht, ich stech das Liebt,

ich stech da« Her/., das ich Hebe.'' Wird der Geliebte nun spater untreu,

"O ist es sein Tod, Daher ist es wichtig, zu erfahren, dasa Allelujah-Klee,

welcier gegen Ostern seine kleinen weissen BlOthen trägt, gegen Liebes-

träuke schützt.

Dem Yolksgeschmack mehr zusagend ist ein Mittel, welches Paulini

«einer heylsaroen Dreck- Apotheke ant^hrt: ,Wem ein böses WeibsbUd

lero etwas sie zu liebun beygebracht hat, der befleisse sich nur, von ihrem

Kotb etwas zu bekommen, und lege es in seinen Schuch. Sobald der Koth

1 erwärmet, und ihme der Gestanck unter die Naaen gehet, so wird er einen

AbflCheu vor ihr tragen.*

Ein Liebeszauber wird nun aber nicht allein von solchen angewendet,

1^ welche bereits ihr Auge auf einen ihrer Mitmenschen geworfen haben, son-

I^Bem der Mensch ist von jeher liebebedilrftig. wenn er auch selber noch

^^Bcht weiss, wen er mit seiner Liebe beglficken soll. Und da mässen

^^vieder Zaubermittel helfen. In Frankreich wird man den Damen un-

^Hriderstehlich, wenn man ein Schwalbenherz bei sich trägt. Die Eingeborenen

des Östlichen Neu- Guinea glauben nach Comrie fest an Liebeszauber, der

^^^em genannten Berichterstatter hOchst geheimnissvoll mitgeth^ill wurde.

^BCr be«itehi darin, dass man das Gesicht uiit einem wohlriechenden Harze

^^nnreibt; das andere Geschlecht kann dem au beschmierten nicht widerstehen.

^Hper einheimische Name für diesen Zauber ist tübäi. Die K ei sar- Insulaner

^^%lauben dadurch Liebeswabu zu erzeugen, da«» sie auf die Fusstapfen

der Männer oder Frauen geheime Mittel legen, oder auf die Stellen, wo

diese ihren Urin hingelasseu haben, hintreien und ebenfalii dabin uriniren.

{BiedcV)

1 Ein einfacheres Mittel giebt es für indische Männer; sie verschaffen

y rieh einen gewöhnlichen kleinen Hufeisenmagnet; weis« der Besitzer einei

^^blcben dann noch gewisse kleine Zauberformeln geschickt anzubringen, so

^^■i kein weibliches Herz vor ihm sicher. (Martin.^)

^H Bei den Dajaken des südöstlichen Borneo ist es genügend, derglück- ^Hcbe Besitzer eines Djawet, d. h. eines heiligen Topfe« zu sein, um Gluck ^^b allen Dingen, namentlich aber auch in der Liebe, zu haben. (Crrabuicski.J ^^ Es ist nun femer eine ganz berechtigte Neugierde, erfahren zu wollen, von wem man eigentlich geliebt werden wird. Und da müssen die Li<<be8- orakel aushelfen, für welche ebenfalls die obengenannten heiligen Tage ganz besonders geeignet sind. Aiu Andreasabend atösst man (in KOuigsberg^ drei- mit den Füssen an das untere Ende des Bettes und spricht;

«Bettlad ich trete dich, Heiliger Andreaif, ich bitte dich; Laas nur im Traum erscheinen Heate dt5n Liebsten mein."

28»

356 X^• Liebe und Ehe.

Am Sylveaterabend' sind zabb^iche Dinge geeignet snr Entacheidiug der Frage, ob man im Verlaufe des Jabres heirathen werde. Am komüchiteo ist folgende Procedur: Um die Mittemachtostonde stellt sich das M&dchen nackt aaf den Herd und siebt darcb die Beine in den Schornstein oder ins Ofenlocb; dort erblickt sie den ihr bestimmten Bräaiigam. Bei da &üd-SlaVen föngt das Mädchen eine Spinne, steckt sie in ein Bohr nnd stopft dasselbe an beiden Enden zu. Vor dem Schlafeng^ehen gedenkt ne aller Heiligen, macht dreimal das Kreuzeszeichen über das Kopfpolster nsd spricht: ,0 du Spinne, du kletterst in die Höhen nnd in die Tiefen, suche meinen mir vom Schicksal bestimmten Mann auf und fahre mir ihn als Traumbild vor. Führst du ihn her, so lasse ich dich am. Morgen wieder frei, dass du weiterhin durch die Welt ziehen kannst; wenn du v(dx iiu nicht herführst, so werde ich dich zerdrücken." (Krauts Aj

Wer noch mehr dergleichen Dinge zu erfahren wünscht, den Terwei«ea wir auf die Abhandlungen von FriscJibier, Krauss^ und Wuttke, woselbst er der mannigfachsten Gestaltung des Liebesorakels nachgehen kann.

54- Die Brantwerbang nnd der firantstand.

Dasjenige, was wir unter der Brautwerbung verstehen, ist .einer Reihe von Völkern ein absolut unbekannter Bej^riff. Die Werbung ist der Raub, die Hochzeit ist Gewalt. Aber es giebt doch auch manche ziemlich tiefstehende Nationen, bei welchen schon ein reguläres Bemühen nicht zu verkennen ist, sich auch der Za> neigung und Einwilligung der Auserwählten zu versichern. Aller- dings müssen wir auch hier an die "Verhältnisse mit einem ganz- Uch anderen Maassstabe herantreten, als wir ihn «bei hochcivilisirten Völkern anzulegen gewohnt sind. Denn gar nicht selten hat dieses Liebeswerben durchaus nicht den Zweck, eine eheliche Verbindung flir das Leben einzuleiten, sondern dasselbe wül nur die Einwilligung zu einem regelmässigen geschlechtlichen Verkehre erlangen, welcher aber, wenn er später wirklich zur Ehe führen sollte, noch eine Werbung in veränderter Form nothwendig macht.

Sehr eigenthümlichen Gebräuchen begegnen wir auf diesem Gebiete, welche sämmtlich zu verfolgen weit über den Rahmen dieses Buches hinausgehen würde. Nur einige Beispiele sollen hier aufgeführt werden.

Uebrigens ist es auch nicht inuner der Jüngling, welcher um das Mädchen, sondern bisweilen umgekehrt das Mädchen, welches um den Jüngling wirbt.

Soschickt auf der Insel Eetar im malayi 8 eben Archipel ein Mädchen, wenn sie einem Manne gewogen ist, diesem eine mit Tabak gefällte Dose aus geflochtenen Koliblättern , welche symbolisch ihre Geschlechtstheile darstellt.

Auf den Tanembar- und Timorlao-Inseln gebt der Jüngling, der sieb um die Gunst eines Mädchens bewerben wül, Nachts au ihr Haus und klopft dort an, wo ihre Lagerstatt ist. Aus Anstandsrücksichten fragt «ie.

54. Die Brautwerbung and der Brautstand.

357

wer da ist, und wenn er Keinen Namen genannt hat, was er will. Er ant-

^_ wortet darauf: ,Icb habe keinen Pinang, ich bitte Dich um getrockneten

^Bentzwei gespaltenen Pinang mit Sirih." Ist ihm das Müdchen geneigt, dann

^Vsagt sie; , Warte ein wenig, ich will sehen, ob er jetzt noch zu finden ist,*

^m tmd reicht ihm durch eine Oeffnung den Sirih-Pinang. Um auf solche £ven<

tualitSten Torbereitet zn sein, pflegen daher die jungen Mädchen von

, dem Eintritt ihrer Reife an stets nur mit einem mit äirih gefüllten Korb

neben ^sich zu schlafen. Das Mädchen kraut darauf durch die OeShang

dem jungen Manne die Haare, während er ihren Busen betastet. Beides

geschieht sonst niemals, da beides tabu ist. Die folgende Nacht bringen

sie an einem stillen Platze ausserhalb des Hauses zu und tretTen sich bei

Tage im Busch, wo das Mädchen Holz Kammelu muss. Nach dem ersten

Beischlaf nimmt das Mädchen ihrem Auserwählten den Schamgürtel, die

Ohrringe oder den Kamm fort, um ihn zu zwingen, ihr treu zq sein und

um bei eintretejider Schwangerschaft einen. Beweis ii^ Händen zu haben,

wie sie sich ausdrücken, als Vergütung fttr den gegebenen Sirih-Pinaag. äo

leben sie einige Zeit mit einander, und wenn ihre Liebe von Bestand ist,

läset der Jüngling erst dann durch eine alte Frau der Form wegen bei dem

Mädchen anfragen, ob sie ihn heirathcn wolle. {Rkdd.)

Das Liebesverben eines samoaniscben Jünglings um seine Erkorene und die Liebesneigung der letzteren schildert Kuhary aus eigenen Beobach- tungen so anschaulich, dass wir uns nicht versagen können, seine Schilderung in voller Ausführlichkeit wiederzugeben. „Samoa bietet gegen Mittag ein wunderbar ruhiges Bild dar. Doch wenn die Sonne dem Versinken hinter die Berge nahe ist, dann beleben sich die Wege und das „Malae" bevülkert sich mit Gruppen lustiger Mädchen nnd Jünglinge. Hier im Kranze einiger Schünen steht ein im Kampfe schon erprobter Jüngling, fs muss ein Manaja sein, sein Haar ist sorgfältig geordnet. Er riecht nach Mosooi und Ula, die «ein Halsband bilden; er ist sicherlich der Sohn eines reichen Vaters. Er steht aufrecht und gesticulirt mit den erhobenen Armen derart, dass der ganze Kopf schüttelt. Er stampft mit dem Fusse, er tritt hervor und zieht sieb

»zurück, 6r sti-eokt den Arm hervor, als wäre er mit einem Speer bewaffnet, dann wieder schwingt er ihn im Kreise herum, als sei er im Begriöe, mit einer Keule den Feind zu zerschmettern. Zweiiellos ist er ein Krieger, der seinen schönen ZuhOrerinnen seine Thaten , seine Siege erzählt. Diese sind ganz Ohr und Auge. Willenlos schütteln sie die kleinen Köpfchen. Der brennende Blick verfolgt jede seiner Bewegungen, aus dem hälbgeöffiaeten Mund,e, dessen Perlenreihen dicht gescJdossen, entschlüplt von Zeit zu Zeit ein kurzer Ausruf. Sie horchen, sie ergOtzen sich. . . . Und al» endlich der Erzähler geendigt und sich neben einer der Schönen uiederliess, da belohnen allgemeine Ausrufe: Malie! Malle! onte ino ino! oute fefe! (Oh, wie hübsch, wie hübsch! Oh, wie abscheulich! Oh ich fürchte mich !), den tapfem Krieger nnd geschickten Hedner, Dieser, sich seines Erfolges bcwusst, fühlt die Gunst und möchte sich ferner dankbar beweisen. Er erblickt einige Ge- nossen und fragt sie aufmunternd: ,, Wollen wir nicht ein Lied anstimmen?" nnd schon gruppiren sich die Chöre, und alle Theilnehmer setzen sich dichter zusammen, einen Kreis zwischen sich freUasaend. Unser Erzähler ist der Vor- sänger, alle Anwesenden bilden den Chor-, jedoch das Singen dauert nicht lange. Der Krieger steht auf und stellt sich einer der schönsten Jungfrauen gegenüber. Sie zögert, ja beinahe unwillig lässt sie sich von ihren Freun- dinnen herzudrängen und von dem hübschen Tänzer ins Freie herausziehen. Sie steht nun im Kreise und mit niedergeschlagenen j\ugen, mit ihren zarten

Xn. Liebe vadl Ehe.

Fingern d&s die lippigen Hdften amgebende Lavalava glättend, stellt »ie da« Bild einer süssen Vena^heit dar. Der Chor, die Tänzer bereit aebend, lindert den Gesang und filngt im Takte des gewöhnlichen Tanees ein Lied an: anfangs langsam und leise, stufenweise lebhafter und lauter. Schauen vir nun untiere Tänzer an.

Er erhebt seine Arme, und um sein Haupt Kreise siebend, schlägt er den Takt mit den Fingerspii/en. Seine Füsse bewegen sich ohne den Boden* lu berühren; er scheint ihn von sich abatossen zu wollen. Er erhebt sich in höhere, überirdische Kegionen, seiner Tänzerin, der er die Seite zukehrl, noch nicht gewahr. 8ie schlttgt ebenfalls leise den Takt mit den Fingern und ihre Füsschen stossen gleich ihm den Boden ab. Beide schweben einem höheren tJebiete xu , , , und hier werden sie sich gewahr. Der Ausdruck des «f esichtes des TUnsers , jede Bewegung seiner Glieder , seines ganzen Körper« drücken ein Erstaunfln und Entzücken aus. Sie wie eine Göttin, blickt gleichgültig; ja um sieh des Eindringlings zu erwehren, flieht sie, den kleineu Mund spiütttsch vorxtohond, ihm aus dem Wege. Er fürchtet sie za wmoheucbeu und sucht sie durch Flehen anzulocken. Er steht unbeweglich, \{\wv\\ jede Bewegung seines KOrpcrs das Bitten ausdrückend. Er streckt ••ItlitOobtig seine Arme aus, er bewegt sie leer vor dem Antlitze. Abweeen- ImH Midmteiul, er drückt seine Brust, um sie vor dem Zerplatzen zu schützen. |«< <i\<\ lieht. Und siehe! bewältigt durch solch Uebermaass des Or-

ftki I die scb^uü Tteterin anmuthig. Mit gesenktem Blicke, mit

Mk4k UutUn gohougteiu Haupte streckt sie ihre Arme ihm entgegen . . . «ftt Mftebl sieh. . . . Der berauschte Tänzer glaubt noch nicht seinen Augen. VNl9kwAt<« ii«bogt<n, steht er mit aufgerissenen Augen unbeweglich, einem M«W iileleli I Kohou rast er in einem chaotischen Netze von Sprüngen und ^WiMM#^ii wtw i>in vom K^toer getroffener Fisch. Er ist schon neben ihr. .. %hNM 4m rttvitr»lchlige! Anstatt das «ich darbietende Glück zu ergreifen, \MI||<uM ei d<<r Willigen bittere Vorwürfe ihres Zauderns halber zu macheu. ■"if iKun Finger, er schüttelt den Kopf, verdreht die Augen .. . ilir endlich uilhern, sie ergreifen will, entweicht sie ihm iide hinweifgerissener Nebel und flieht höhnisch lächelnd I Seite des Kreises zum unendlichen Ergötzen der Zuschaner, V, rftVhrerin nicht genügend loben und über das Unglück Werbers sich nicht genug freuen können. Der letztere, i! ilon Wolken gefallen, begreift kaum was geschehen. . . . vorher gesungene Lied: Teine talä ole! Oölilaj! 1>«M Mädchen sprach Oölilaj! K\fi«im, wir wollen eilig schreiten, Widle für üespinnst bereiten. Oölilaj! Oölilaj! 0 du Mund mit vollen Lippen, WuTMiM Mprichst du «o begehrlich, \V;iiu... hilfst du BO gerähilieh? Oölilaj! Oölilaj!

.1 rlit führt der Tänzer die verzwoiflungsvoUtten

i :.iiiat auf Rache! Er steht wieder dicht neben ilir.

I 1- Bewerber. Jede seiner Bewegungen athmet jeUt

milk'idslose Verhöhnung. Mit spöttisch gexücktom

In Jon Kücken zu durchbohren. Er verzieht spöttisch

lind prahlt hinter ihrem Rücken. Dos kann das

'^ ertragen. Sie will Auge in Auge die unwOrdigrn

n«t wendet sie sich um, Spott und Nt'>igeleira

ijüi-all. von allen Seiten. EHeArme lühlt aich

k\ .t>..kt ,1,

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54. Die Braatwerbang and der Brautstand.

359

fe

besiegt, sie senkt da« früher stolze Haupt, sie drückt die Hände an's Herz, •I4 ob «ie dein Schmerze den Eintritt verwehren wollte. Do« entwaffnet d«n racbHilchtigen Verfolger wieder. Er bekundet Reue, er bittet am Ver- gebung und Erbiu-men. Das Antlitz unserer Verführerin erhellt sich, «ie ist nicht mehr unwillig, obwohl sie noch wankt und schweigt. Der Bittende rerdoppelt, verzehnfacht seine Bemühungen. Er umkreist sie mit den an- muthigsteu Sprüngen, er vollführt Wunder der Geschicklichkeit .... er fleht immer , und endlich llisst sie sich von dem Wirbel ergreifen, Sic tanzen zusammen, »ich gegenüber, mit einer Bewegung und einem Äthem. Immer ruacher, immer leidenBchaftlicher, rasender. Ihre Körper scheinen zu blinken. . . . Die einzelnen Glieder sind beinahe nicht zu erkennen. . . . £b ist ein Chaos, in welchem sich die beiden verstehen, ein Chaos , da« die gmnze Versammlung iu ilnsserstes Entzücken versetzt. Alle tanzen im Herzen mit. Alle sind der Erde entrückt und vergeben die 3orge des Leben«. Wilde Rufe: mali«! malie! lelei! lelei! (0 süss, o hübsch) mit heftigem BfindeklatBchen untermengt, übertönen die Chöre und der Tanz löst sich in allgemeinem Wirrwarr der Zufriedenheit und des Lobprei^ena auf.

Indessen ist die Zeit der Abendgebete und de« Abendmahles heran- gerückt, und die Kreise zerstreuen sich. . . . Von allen Seiten hallen in der Luft die Abschiedsgrüssc: Tofa! tofa! kreuz und quer, und alle gehen nach ihren Häusern.

Wer jedoch in der Nähe des sich zerstreuenden Kreises der Tänzer war, der konnte zwischen den hingeworfenen AbschiedsgrUssen einige viel- bedeufcende Worte auffangen. „Tofa inga'', „tofä soifüa" sind mehr als gleichgültige Grüsse, und ein rasche« „töro" als Antwort würde das Ohr des Horchers treffen. Hit einem Räthsel beschäftigt, wollen wir noch nicht schlafen, wir eilen weiter und suchen neue Eindrücke auf.

Das geheimnisBvolle Wort Töro bedeutet Zuckerrohr, und hier neben dem Wege sehen wir ein damit bestelltes Feld. Treten wir hinein! Der feuchte, einem Teppich gleiche Boden dämpft unsere Schritte. Nur der Wind lispelt in den Zuckerrohrhabnen. Wir schlängeln uns immer weiter hinein. Es ist Nacht . . . dunkel . . . der Mond noch nicht da . xonst würden wir vielleicht das töro noch nicht gebort haben. Aber was ist da«? Ganz leise, kaum hörbar, ertönt der Ruf der samoanischen Eule ... von einer anderen Richtung ereilt uns wieder ein Gekreisch, wie es die kleine Gecko- Eidechse hervorbringt. .. . Nachts ... auf dieser Stelle , das is{ un- gewöhnlich! Plötzlich erschrecken wir beinahe. Unfern von uns sehen wir einen Kopf zwischen den schwankenden Halmen versteckt. Wir erkennen unseren Tanzer. Nun, dann wird wohl auch die schöne Eidechse nicht weit entfernt sein. . . . Und wirklich , bald gleitet an uns eine Gestalt vorbei, rasch und leicht wie ein Traum. Die beiden Köpfe vereinigten sich, wankten, tanken und verschwanden, und in der Feme erschallte diese« Mal wirklich der Ruf einer samoanischen Eule (Strix delicutula Gld.).

Ein Znckerrohrfeld ist des Nachts ein sicheres Versteck für zwei Lie- bende. Niemand wird sie hier in der Zeit der Geister und Gespenster stören. unser Pärchen weiss es und uubeaorgt um einen Lauscher kann man sie sprechen hören.

Du weisst Lilomajava, daas meine Eltern dich hassen; uns bleibt nur die ,awenga" übrig.

Wann und wo, moine Kftmaikai (Herrin)?

Wenn der Mond um dieijp Zeit über diesem Felde steht, wirst du mich am Bache tr«ff«o. Sei aber vorsichtig, denn die Casrigen haben scharfe Augen.

358

XII. Liebe und Ehe.

Fingern das die üppigen Hüften umgebende Lavalava glättend, stellt aie dai Bild einer süsäen Verzagtheit dar. Der Chor, die Tänzer bereit Bebend, ftndert den Gesang und fäjigt im Takte dea gewöhnlichen Tanzes ein Lied an; anfangs langsam und leise, stufenweise lebhafter und lauter. Schauen wir nun unsere Tiinzßr an.

Er erhebt seine Arme, und um sein Haupt Kreise eiehend , schiS^ er j den Takt mit den Fingerspitzen. Seine Füase bewegen sich ohne den Bodea» zu berühren; er Bcheint ihn von sich abstossen zu wollen. Er erhebt sieb in höhere, überirdische Regionen, aeiner Tänzerin, der er die Seite zukehrt, noch nicht gewahr. Sie schlägt ebenfalle leise den Takt mit den Fingeni und ihre FüsBchen stosaen gleich ihm den Boden ab. Beide schweben einem höheren Gebiete zu . . . und hier werden sie sich gewahr. Der Ausdruck des Gesichtes des Tänzers, jede Bewegung seiner Glieder, seines ganzen Körpers drücken ein Erstaunen und Entzücken aus. Sie wie eine Göttin, blickt gleichgültig; ja um sich des Eindringlings zu erwehren, flieht sie, den kleinen Mund spöttisch verziehend, ihm aus dem Wege. Er fürchtet sie xo vereobeuchen und sucht sie durch Flehen anzulocken. Er steht unbewegUch. durch jede Bewegung seines Körpers das Bitten ausdrückend. Er streckt sehnsüchtig seine Arme aus, er bewegt sie leer vor dem Antlitze, Abwiwen- heit andeutend, er drückt seine Brust, um sie vor dem Zerplatzen zu schützen. Er bittet und fleht, und siehe! bewältigt durch solch Uebermaaaa des 6r- fühls l&chelt die schöne Tänzerin anmuthig. Mit gesenktem Blicke, mit nach hinten gebeugtem Haupte streckt sie ihre Arme ihm entgegen . . . sie ergiebt sich. . . . Der berauschte Tanzer glaubt noch nicht seinen Augen. Rückwärts gebogen, steht er mit aufgerissenen Augen unbeweglich, einem Steine gleich ! Schon rast er in einem chaotischen Netze von Sprüngen und Grimassen wie ein vom Speer getroftener Fisch. Er ist schon neben ihr., aber der Unvorsichtige! Anstatt das sich darbietende Glück zu ergreUea. beginnt er der Willigen bittere Vorwürfe ihres Zaudems halber tu machen. Er droht ihr mit dem Finger, er schüttelt den Kopf, verdreht die Augen . . . und wie er sich ihr endlich nähern, sie ergreifen will, entweicht »ie ihm wie ein vom Winde hinweggerissener Nebel und flieht höhnisch lUcheliiil nach der anderen Seite des Kreises zum unendlichen Ergötzen der Zuschautrr, die die zauberische Verführerin nicht genügend loben und über das Unglück des ungeschickten Bewerbern sich nicht genug freuen können. Der letztere, natürlich ganz aus den Wolken gefallen , begreift kaum was geschehen. . . . Er denkt an das vorher gesungene Lied: Teine talä ole! Oolilaj! Das Mädchen sprach 061ilaj! Komm, wir wollen eilig schreiten, Wolle für tiespinnst bereiten. Oölilaj! Oölit^j! O du Mund mit vollen Lippen, Warum sprichst du so begehrlich. Warum lügst du so gomhilicb? Oölilaj 1 Oölilaj! Schmerzlich enttäuscht führt der Tänzer die verzweitlungvTolkttB Grimassen aus. aber er sinnt auf Rache! Er steht wieder dicht net - '- aber nicht als flehender Bewerber. Jede seiner Bewegungen athui unverhüllte Bosheit, mitleidslose Verhöhnung. Mit spÖttiscV Zeigefinger droht er ihr den Rücken zu durchbohren. Er ver^i den Mund, lacht höhnisch und prahlt hinter ihrem Röcken. L junge Mädchen nicht lange ertragen. Sie will Auge in Auge ^' Angrifle abweisen. Aber umsonst wendet sie sich um, 8p^' verfolgen sie wie ein Irrlicht überall, voQ tSSÜß^^^*

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XII, Liebe und Ehe.

Ab, meine Herrin, bin zu dieser Zeit werden noch drei loAge] vergehen müsseu. Warum nicht gleich? Die 'morgende Sonne kaaiL Oftft schon in Palauli Buden. Meine Lonte sind bereit, die See ist rahig, dv Wind ist günstig. 0 komm! komm! . . .

Sie schweigt, aber ihr Arm windet sich kräftiger am seinen Nacken. Er erhebt sich wie ein Biese und einem Pfeile gleich eilt er mit seiner Hessen Bürde durch die wogenden Halme. Sie sind verschwanden. LaMt uAs an den Meeresstrand gehen.

Es herrscht hier vollkommene Stille .... kaum unterbrochen von dem leisen Geräusch der den weissen Sand benetzenden Fluth. Nor aus der Ferne schallt das gTimmige Tosen der am Riffe zerschellenden Brandung. Die kühle Landbrise bewegt die herabhängenden Palmwedel kaum. Die Natur ruht aus. Auch am Strande des nachbarlichen Dorfe» herrscht Stille, aber auf dem weissen Sande bewegen sich dunkle Gestalten. Ein Toumalua, das einheimische Reisecanoe , wird ins Wasser hinanterge- schoben. Die dunklen Gestalten sind verschwunden , ein aufrechtes drei- eckiges Segel entfaltet sich und dem Strande entlang gleitend entschwindet ea dem Blicke. Erst aus weiter Feme erreicht uns der gedämpfte Schall eines Tritonhoms, dieser Schall begleitet das glückliche Liebespaar der Küste entlang, den aus dem Schlafe gestörten Bewohnern etwas Besonderes anzeigend. Er eilt Uun voraus nach Falauli, wo die Liebenden den Zorn der Eltern vorübergehen lassen wollen.

Am nächsten Morgen Aufruhr in beiden Dörfern. Die Freunde des glücklichen Bräutigams durchschreiten ihr Dorf und rufen aus: Aw4nga!! Awängaü Die schöne Tiinetdai und der tapfere lAlomaidta sind Awängaü Aw&ngaü Die stolzen Eltern der Braut hören mit verbissener Wnth di« CiFentliche Ausrufung, die das Schicksal ihrer Tochter besiegelt. Während einiger Zeit böses Blut auf beiden Seiten. Die alten Väter vermeiden sich, die jungen Männer betrachten ihi'e Keulen und Speere , die hauptsächlichst» Rolle spielen aber die Jungen.

Nach ein paar Wochen legt sich alles, und die Eltern schicken ihxtt Tochter eine weisse Matte, als Zeichen der Verzeihung. Das Paar, das ndb bis jetzt noch fremd blieb, kommt zurück. Eh wird die ^feiainga" vor» genommen, und die' weisse Matte, mit Spuren der Würdigkeit der Braat. wird ^egen einen Tbeil der Aussteuer ausgetauscht. Der andere wird bei der ersten Niederkunft ausgehändigt.

Heirathet das Paar nicht aus Liebe, oder stehen keine Schwierigkeiten bevor, so wird alles von den Verwandten geordnet. Früher war die .,Awünga" (die Brautflucht) in Samoa an der Tagesordnung.'

Die Brautwerbung der Hottentotten in der Umgebung von Aagra P6quena ist originell. Der Liebhaber geht zu den Eltern seiner Anser- wählten, setzt sich stillschweigend nieder und kocht ebenso wortlos Kaffee. Ist derselbe zubereitet» so giesst er einen Becher voll, um ihn der Bruut hinsu- reichen ; trinkt diese ihn zur Hälfte aus und giebt dem Bräuti^m den Becher zurück, damit dieser die andere Hälfte trinke, so ist er angenommen. Ohne ein Wort zu sagen wird ihn das Mädchen leeren, wenn der BrautwerlMpr ein bemittelter Mann ist und die Eltern ihr Töchterchen hoch genug be* zahlt bekommen. Dann bedeutet das Leeren dee Bechers: ja, ich will deine Frau werden. Lässt sie das Getränk stehen, so grämt sich der Liobhabor nicht sehr, vielmehr wandert er in eine andere Hütte, um dort nochmals

Glück zo versuchen. {ßitfiismuMd Israel.)

Bei den Indianer- Völkern Nordamerikas war iwar die Ehe meist

54. Die Brantwerbtug rnid der Broutstand.

361

ein blosser Kaufvertrag anter den Eltern; allein zwischen den jungen Leuten kam doch auch zu einem Einverständniss' anter Liebeawerbung. Wer um ein M&dchen werben wollte, strebte sich anszuxeichnen .und schickte seine beste Jugdiieute dem Mädchen, das ihm, wenn es ihm wohl wollte, tiiivon ein Stück gekocht mit kleinen Liebesgaben zusandte; nni den be- rühmten Krieger dagegen warben vielmehr die Mädchen, bei den Osagen durch Darbieten einer ^laisQhre, ohne sich dadurch etwas zu vergeben, und die Ehe selbst wurde meist nur dadurch geschlossen, doss bei einem Feste, dua man veranstaltete, beide Theil« ihren Willen, aU Mann und Frau zu lsb«il, Öffentlich erklärten nnd man ihnen mit gemeinsamen Kr&ften eine Hfltte baute. {Waiti.)

Haben wir hier entweder den Jüngling oder ausnahmsweise anch wohl das junge Mädchen in eigener Person als Werber auf- treten sehen, so ist es doch bei weitem gebräuchlicher, seine Wer- bung durch eine Mittelsperson anbringen zu lassen. Während diese Freiwerber fast auf der ganzen Erde männlichen Gesclilechts sind, und zwar entweder der Vater oder die Freunde des Bräutigams, so finden wir auf den Inseln des malayischen Archipels die Sitte, dass gerade W^eiber dieses Werbegeschäft übernehmen müssen, und zwar müssen sie selber verheirathet und an Jahren bereits etwas vorge- schritten sein. Auch darf sich die Mutter des jungen Mannes die- ser Obliegenheit unterziehen.

Die sibirischen TQrken (Tataren) werden schon als Kinder mit einander verlobt. Der Vater des Knaben reitet mit einigen Bekannten zum Vater des Mädchens, um das er anhalten will, stellt sich und die Seinen vor, nnd nach der Begrüssung sagt der werbende Vater zum Brautvater:

.,Wenn die Flut vor Deinem Hause stürmt, so will ich gern ein sühQtsender Damm Dir werden; wenn der Wind vor Deinem Hause tobt, will ich gern eine bergende Mauer werden; pfeifst Du mir, so will ich Dein Hund sein und herbeilaufen, und wenn Du mich nicht auf den Kopf schlägst, «0 trete ich gern in Dein Haus nnd will Dein Anverwandter werden."

Dann nehmen die Werbenden di<* gestopften [-"feifeu aua dem Munde nnd legen sie an den Herd. Darauf verlassen sie das Haus und kehren nach kurzer Pause wieder. Sind die Pfeifen nicht benutzt, so ist die Wer- bung abgewiesen und sie reiten nach Hause: sind die Pfeifen aber aus- geraucht, «0 ist der Werber willkommen. Dann zieht der Vater des Bräu- tigams eine ächale hervor und füllt sie mit Airam; einer seiner Begleiter stopft eine Pfeife, ein anderer ergreift eine glimmende Kohle vom Herd. Ho stehen sie harrend. Nun giebt der Vater des Mädchens seine ZuMtim- mung. Er leert die Schale, nimmt die dargebotene Pfeife an und läast sie nicb durch die Kohle des Dritten anzünden. Dann folgt die Bewirthung und die Besprechung des Kaljm, d. h. des Brautpreises. £r wird bei Aer> nieren auf & bis 15 Rubel angegeben. „Der Verl obungsoct endet damit, dass der Vat«r des Bräutigams den Eltern und den nächsten Anverwandten der Bniat einige Geschenke macht." Der kleine Bräutigam hat dann , mit Ge- schenken versehen, wiederhoU'ntlich im Hause der Bniat Besuche zu machen 1 nnd hält »ich oft l&ngeri; Zeit dort auf. „Er wird dann in Spiel und I Arbeit der G«noHBe seiner Braut." ( Vambery?^

Die Werbimg bei den Basutho ist nach den interessanten Berichten des [Mi«>iLonar GrikUntr eine 8«hT compücirte Sache. Zunächtt sacht der Jüngling

Li£be ofid ^^^^^

DicMT beeMiU flkk abduiB mm TaIv 4m 1 Es wird aaeirt aber «Uedci Glek&gSlfcigek gfpjoclie». Kw4H^ rtcJct er mit dfcm ögeatlidiCB Gmmie MÖes *^1^«^— f" heaa« a4 b«^: lA hiB gekommcB, tia Htedckea TOB Kaeb la eriaktoL Kirh iBWgn Tiuir uiil «chciabar tätlem KacMoikea aatvottei der Aaaccedelc : Wir nad acm. wir i talwa kcü IIA; buk Da Yieh« Nu ldi«t der WoWade aber die tdtlMblcii

eiaigk ar aick mit dem Aadccm j ia Viekodkckit AlufMiüiM. der des Tltd ,a ,llrtlardmWeg»\d.h.W^gtbewtarftM,wmrfMVdeilllddieMgMoMaltt. dersstseabai: Üb bia y»<imaw,Sch»nplliib>kM «tittea. Die aUeaFoMtm I aaa «». S^anpftabak ra wablf (dmaefte bädei afeaiabaiie, brodAnoige Kockea) mid mkm mm ai» SAmmfltümkUom dkataif ITthbasee 4amit die 4mmi dattk eil— baMmdtwaBotea dem Brtiili^iMibeibimM wird. IKeserntil SB der FfifTiwbfcfit dm BEBM^dcaa aaBamaamu Kst Cdhwf Ui dm BMK^gum akckk m aa. die Dow Cr mArnrnfti ciaeB ickhückM Tkmdntd vaa dem Tabak nad dStBwe Biilm. <M> d— fciedidb leer 41 m haai^t wiid. Tbgt danuf Taker dm IHdrhiM ma JkmgM «a Sleiariek Die D«e «izd der Braai tbe^geboi; diem amsiekclt sie xtesüch Pteka, aad tzigi sm immer, oder dacb wiainiliai bei facdicfaeB 6e- dea Hak. TTarr ItT ibr ITiad" ir iii Itiintbn iMiii. i1 li i, dam me «ae Gebairfte, ader Bma« iit Die Dme «ird ciek abgetogi. ■■iliiia «e >■«• Fiaa ibr

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55. Die Ehe.

863

in die Höhlung eines Baumefi eine Oeldgabe, während die Fraaen. die anwesend sind, auf den Zweigen irgend eine Handarbeit auf- hängen,* Die Frauen dürfen aber bei dieser feierlichen Handlung

I kein Gebet sprechen, nur eine Braut ist von diesem Verbote nicht

I betroffen. ( Vambh'y.)

\ Die Buddhisten in Tibet halten es für nothwendig, dass

^^^rautlente durch die Hülfe eine.s Astrologen in Erfahrung bringen.

^Bbb ihre Ehe eine gUickliche oder unglRc^iche werden wird. Das Orakel geben zwölf Thiere ab, zahme und wilde, und zwar durch die Art, wie sie sich einander begegnen, ob freundlich oder feind- lich. Damit das Erstere stattfinde, erhält der Astrologe hoBe Belohnung; denn ein Wiederauseinandergehen von Brautleuten wird bei diesem Volke in höchstem Grade ungern gesehen. ( IVenier.)

In der deutschen Schweiz muss eine Braut sich wohl hüten, ^inem Kinde ein unfreundliches Gesicht zu machen, weil sie son.st >ose Kinder bekommt. Wenn sie aber gar sich so weit vergässe, fcinem Kinde etwas Böses anzuwünschen, dann wUrde sie in ihrem »rsten Wochenbette ganz sicherlich ihren Tod finden.

55. Die Ehe.

Man pflegt gewöhnlich zu .«agen, der nächste und höchste 5weck der Ehe ist die Erzeugung des Nachwuchses. Dass, um liesen Erfolg zu erzielen , aber die Ehe nicht durchaus erforder- lich ist, das bedarf wohl kaum einer weiteren Erörterung. Viel schwerer ist die Frage zu entscheiden, wie entstand die Ehe und ist das, was man heutzutage .Ehe* nennt, schon Im Urzustände der Menschheit vorhanden gewesen? Mit dieser culturhistorisch wichtigen Frage haben sich in neuerer Zeit viele Anthropo- logen beschäftigt. Die Idee, dass Weibergemeinschaft und zwanglose Vermischung beider Geschlechter im Urzustände der Menschheit geherrscht habe, ist nicht neu. Die alten Schriftsteller Plinius, Ilcrodot, Straho berichteten von Völkern, die zu ihrer Zeit in solchem oder ähnlichem Zustande lebten ; darauf hin wurde von französischen Philosophen des vorigen Jahrhunderts die Meinung ausgesprochen: ,Die Vernunft allein würde eher den ge- rne inschafllichen Gebrauch, als den ausschliessenden Besitz der Weiber anrathen*. (Baue.) Zweifel erhoben sich allerdings gar bald gegen diese Theorie: »Wenn diese vollkommene Gemeinschaft il.T Weiber und Güter je bestanden hat, so konnte sie doch nur uiifcr Volk.shaufen bestehen, die nach Art der Wilden bloss von den Wohlthaten der unbebauten Natur, d. h. in sehr geringer An- hl auf emer grossen Strecke Landes lebten. Wären die Weiber finschnftlich, welcher Mann würde sich mit dem Kinde be-

55. Die Elie.

S65

Zunächst haben wir nun zu untersuchen, ob sich aus diesen

ypen, von der , ungetheilt«?u Familie" beginnend, eine Stufenleiter

in der Entwickelungsgeschichte der Ehe verfolgen lässt. Als Ur-

typus der primitiven Geschlechtsgenossenschaft wurde namentlich

' von Bachofen ein Verhältniss bezeichnet, bei dem eine Gruppe von

I Blutsverwandten durch Abstammung von derselben Stammmutter ttisammeugehalten wurde. Dieser Autor brachte lllr die von ihm nach wtra/fO als Gynükokratie bezeichnete Form socialen Zusammen- iBngs als Beweismittel aus griechischen und römischen Schrift- Ikellem Berichte von einzelnen Völkerschaften bei, deren Bürgschaft loch recht zweifelhaft ist. Wenn wir allerdings schon zugegeben tiaben, dass man ein auf das System der Weiberierwandtschaft ge- stütztes Genossenschaftswesen bei den verschiedensten nord- und südamerikanischen Indianer stammen, bei zahlreichen Völker- schaften der Südsee, bei indischen Urbevölkerungen, bei vielen afrikanischen Stämmen (sowohl Neger- wie Congo-Völkem) findet, so darf man amü dieser Thatsache doch nicht schlieseen, dass es eine Zeit gegeben habe, wo diese Organisation allein auf der Erde bekannt war.

Prüfen wir nun die Hypothese, dass ursprünglich im Leben der Menschheit Weibergemeinschaft bestanden habe, so kann

(lan ja theoretisch dagegen nichts einwenden. Aber Sagen über JinfUhrung der Ehe (bei Chinesen, Aegyptern u. s. w.) haben einen Werth für den Beweis einer ursprt^nglichen Weibergemein- jbaft. Fernerhin kann, wie Schniult bemerkt, aus dem regellosen leschlechtsverkehr, der im Leben einzelner sogenannter Natur- Blker beobachtet wurde, nicht ohne weiteres gefolgert werden, Idass dieser Gebrauch aus der Urzeit der Menschheit stammt. Sol- Öieni Hetarismus können örtliche Verirrungen und Sittenverwildenmg n Grunde liegen. I So zweifelhaft es nun scheint, dass einst sämmtliohe socia- ■n Zustände sich auf eine Weibergemeinschaft gegründet ha)>en, p können wir doch nicht in Abrede stellen, dass es auch heute Volker giebt, bei denen sich ka\mi von dem viel vorfindet, was wir Ehe nennen. Namentlich einige Negervölker gehören hierhin, and es ist besonders das Mutterrecht, welches bei ihnen dadurch sich ausbildete, dass man nicht recht wissen konnte, wer der Vater des Kindes sei. Aber wenn wir das Mutterrecht jetzt auch noch ei manchen Völkern in Kraft antreffen, so kann man doch daraus ^och nicht den Schluss ziehen, dass es allüberall einst in prsi- istorischer Zeit lediglich völlig freie Geschlechtsgenossenschaften feben habe. Auch Lippert, welcher nachzuweisen sucht, dass Mutterreeht dem Vaterrecht vorausging, stützt seine lypothese, dass die Frauenherrschaft die cultnrgeBchichtlich theste Stufe war, auf ebie Reihe von Erscheinungen im Völker- "Irhi? einen bestimmten Schiusa auf prähistorische Ver- numentlich auf allgemein herrschende Hechtszustände

366

XII. Liebe nnd Ehe.

des Weibes kaum zulassen. Fassen wir unser auf genaue Durch- sicht der Quellen sich gründendes Urtheil zusammen, so finden wir ; Erwiesen ist die Existenz des Mutterrechts in verschiedener Ge- stalt bei vielen jetzt lebenden, auf niedriger Culturstufe stehenden Völkerschaften, auch die Abgrenzung desselben gegenüber dem Vaterrecht; die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit, dass das Mutterrecht in grosser Ausdehnung dem Vaterrecht voraus- ging, so lange sich feste Eheverhältnisse noch nicht gestaltet hatten^ ist nicht abzuleugnen. Unerwiesen, doch als eine noch discu- table H>'pothese aufzufassen ist die Existenz der Weibergemein- schaft sowie der Weiberherrschaft (Gynäkokratie) in der Fröhzeil des Menschengeschlechts; wenn auch möglich, so sind solche Ver- hältnisse doch nicht über allem Zweifel durch sogenannte , Rudi- mente in Brauch und Sitte" und durch , Nachklänge in Mythe und Sage" nachgewiesen. Wenigstens lässt sich die Entstehung vieler als , Rudimente" oder , Nachklänge" aufgefasster Erscheinungen recht wohl auf andere Weise erklären, als lediglich durch die Annahme, dass sie Ueberbleibsel einer ehemals allgemein verbreiteten Weiber- gemeinschaft und Weiberherrschaft sind. Dagegen gestehen wir zu, dass sich einige Erscheinungen recht wohl durch diese theoretische Annahme erklären lassen.

In ausgezeichneter Weise äusserte Adolf JBastian in einem Vortrage vor der Berliner anthropologischen Gesellschaft seine Ansichten über die Entwickelung der verschiedenen Formen der Ehe und über das Matriarchat und Patriarchat. Es handelt sich bei dem , Mutterrechte *, bei dem Matriarchate nicht etwa um eine Bevorzugung der Frau, sondern vielmehr um jene tielste Ver- achtimg, die dem schwächeren Geschlechte unter dem Rechte des Stärkeren nicht erspart werden kann. Man muss zunäch.«it den Primärzustand primitiver Horden in Betracht ziehen, wo sich der Gegensatz der Geschlechter so entsdiieden ausspricht, dass sie sich feindlich gegenüberstehen. Nicht liberorum quaerendorum causa findet gelegentliches Zusammentreffen statt, sondern die Ursächlich- keit liegt in der Brunst des Geschlechtstriebes, und hierbei vermögen die Frauen, als das passiv gewährende Element, durch tlie zustehende Macht der Versagung eine Art Superioritat zu bewahren, so dass bei den Papua z. B. jede Beiwohnung mit dem dort üblichen Muschelgeld extra bezahlt werden muss. Bei deu Aschanti herrscht wie der König über die Mäimer, so seine Schwester ther die Frauen.

Eine fernere Trennung in der primären Horde ist diejeiiige nach Altersklassen, wo in jeder einzelnen und bei allen unt«" ein- ander das Recht des Stärkeren so recht zur Geltung gelangt, \md aus diesem Rechte des physisch Stärkeren entsteht durch fort- sciireitcnde Cultivirung das Recht des gv keren: der l.i>h.r

dem Tode verfallene Altersschwache wird ^ ..^>., .icgt, um aus seinem duri'h hmgjährige Erfahrungen aajjeeammelten WeisheitHschatae

Die Ehe.

'ortlieile zu ziehen. Hier sptlren sich schon culturelle Prädis- Jositionen, "während im Zustand wilder Rohheit nur die Stärkeren herrschen. Diese also, von der im Thiere schon mächtigsten Lust jetrieben, werden sich zunächst die Frauen aneignen, und zwar ie anlockenden besonders, also die jüngeren und verführerischen, ie nächst tiefere Altersklasse, die, obwohl körperlich vorläufig chwächer, den Geschlechtstrieb doch feuriger noch gähren fülilt, )ramt dadurch in eine missliche Lage, da, wenn Frauen überhaupt, icichstens die widerlichen und abgelebten noch übrig sind. Sie kommen daher dazu, sich aus einem Nachbarstamme Weiber zu mben, was von Seiten dieses zu entsprechenden Itacheraubzügen ihrt. Die schliessliche Lösung pflegt in Herstellung einer Epi- jamie gefunden zu sein, und mit solchem gegenseitigen Verständniss Iber Connubiuni und Comnjercium fallt dann in die Nacht roher Jarbaren der erste Lichtstrahl kluiftiger Civilisation unter dem Schutz le-s Gastrechts durch einen Deus fidius. So wird es Brauch und Jitte, aus fremdem Stamme zu heirathen; es folgt die Exogamie, lie die Heirathen zwischen Genossen desselben Stammes, desselben [•otems u. s. w. vollständig verbietet. Die herrschende Kaste bleibt iber bisweilen bei der Endogamie, bei der Heirath unter den ^tammesgenossen, um das edle Blut unverraischt zu erhalten. Und das kann sich soweit steigern, dass es selbst zu Heirathen 'zwischen Bruder nnd Schwester kommt. So war es in den Dynastien der Inca und der Achämeniden, so finden wir es noch bei den Weddah in Ceylon, während die Beduinen sich mit dem An- seht auf die Cousine begnügen. Für die aus dem anderen Stamme linommene Frau ist nun diesem eine Entschädigung oder mit anderen Worten ein Kaufpreis zu zahlen. Damit ist aber besten- falls nur die Frau selbst verkauft, wogegen der Stamm auf das- jenige, was in ihr noch zeugungsfähig verschlossen liegt, sein Be- sitzrecht fortbewahrt., also auf die Kinder. Diese gehören deshalb überall bei den Naturstämmen nicht dem Vater, sondern der Mutter, und ersterer kann selbst zu einer Strafzahlung angehalten werden, wenn ihm ein Kind stirbt. Denn durch diesen Tod wird das Ver- mögen des Stammes der Mutter geschmälert. Deshalb wird bei den Dualla im Voraus für lUe Kinder eine Zahlung geleistet, welche bei etwaiger Kinderlo.sigkeit wieder zurückgezahlt wird. So finden wir die Ehe durch Kauf als die am weit^esten verbreitete, und so- lange die Kinder der Mutter angehören, .sind sie auf den Mutter- ''inider als den natürlichen Beschützer hingewiesen. Mit dem Vater laben die Kinder nichts weiter zu thun und ebensowenig mit dem k^mme, in welchem de leben, da sie ja eben dem Stjimrae der Mutter angehören. Und so kann es kommen, dass sie in Kriegs- _ Reiten mit dem letzteren gegen den Stamm zu kämpfen gezwungen sind, in welchem sie geboren wurden.

En Australie, loruqri'ane guorre «^clate entre deux pooplade«, eile c«t diio« chaque tribu !*> «i^nl dn dt'purt d'un graod oombr« de jeanes gen*!

368

XII. Liebe und Ehe.

qui voat rejoindre )a triba de leurs parents matemels, de eorte qu'il n'est pas rare de voir le p^re et le fils dans des Camps oppos^s. fGiraud-Teulon.J

Ftir den im Culturinteresse peremptorisch geforderten U eber- gang von dem Matriarchat zu dem Patriarchat ist es möglich ge- worden, einige Phasen in ethischer Entwickelung zu belauschen. Das durcligreifende Motiv liegt in den in der Vaterbrust erwachenden Sympathie)! fiir die Kinder seines eigenen Fleisches, wenn auch nur deshalb, weil sie bei dem mit dem Sesshaftwerden verknüpften Ackerbau in dem Hause als Mitarbeiter geboren sind, da es un- vortheilhaft wäre, sie daraus wieder zu entlassen, und die deshalb lieber mit der Aussicht auf zustehende Erbfolge an der heimischen Scholle festgehalten werden. Bisweilen giebt es dann Competenz- conflicte mit dem Oheim, und bei den Navajo kommt es vor, da.s9 der Vater noch bei Lebzeiten den eigenen Kindeni sein Vermögen schenkt, um die Fremden, denen es rechtlich zustehen würde, darum zu betri\gen. Auch in der T^iinderlichen Sitte des Männerkindbettes haben wir eine symbolische Form der Ablösung des Mutterrechtes durch den Vater zu erkennen. Ein Erobererstanim jedoch, der sich aus den Unterworfenen seine Frauen gewaltsam entnimmt, wird ohne weiteres das Vaterrecht einilLhren. Und so gelangen wir zu der vereinigten Familie mit dem geheiligten häuslichen Herd und mit dem .Vater als Patriarchen an der Spitze.

Ausser der Endogamie und Exogamie, welche wir bereits kennen gelernt habeii, die erstere als Heirath aus dem gleichen, die letztere als Heirath aus einem fremden Stanime, haben wir noch einiger anderer Bezeichnungen zu gedenken.

Polygamie heisst eigentlich Vielheirath, wird gewöhnlich aber für Vielweiberei (Polygynie), d. h. eheliche Verbindung- eine» Mannes mit mehreren Frauen, gebraucht. In der Form der Viel- männerei (Polyandrie) war und ist die Polygamie weit seltener. Je nach der Zalil der Individuen, welche mit einer Person de» anderen Geschlechts ehelich vereinigt sind, heisst die Polygamie wieder Bigamie, Trigamie etc. Die Vielweiberei ist über ganz Afrika verbreitet und bei fast allen asiatischen Völkern durch Sitte und Religion verstattet, dagegen wird sie in Amerika unter den Indianervölkern selten angetroffen. Schon bei den alten He- bräern kam nach dem Zeugniss einiger Bibelstellen Polygamie vor, wie jedenfalls auch bei manchen anderen semitischen Völkern des Alterthums: den Mobammedaneni erlaubt der Koi-an (Sui-e 4) aus- drücklich die Ehe mit mehreren Weibern. In der Türkei IäI Polygynie erlaubt, doch weit seltener, als mau in Europa annumut; nur Wohlbemittelte können dort mehrere Frauen unterhalten, denn ein zahlreich In " : r Harem verursacht einen j:: Kosten-

aufwand. No); pflegen Beamte, welche V< _'n lai

einen anderen Orl ausgesetzt sind, selten in Polyganuc xu leben, weil die Frauen nicht gezwungen sind, dem Manne in seinen neuen Bestimmungsort 7.u folgen, während audererseit« der Mann

55,

HucL die zurückbleibende Frau staudesgemäss zu unterhalten ver- pflichtet ist.

Der Perser darf gesetzlich nicht mehr als vier rechtmässige Frauen zu gleicher Zeit haben, nüt denen er eine auf die Dauer ver- bindliche Ehe geschlossen hat. Vambi'ry äussert .sich iu folgender Weise : , In den mohammedanischen Ländern ich schrecke vor der Kühnheit der Behauptung nicht zurück wird unter Tausen- den von Familien höchstens eine einzige gefunden, in der man die legale Erlaubnis? zur Vielweiberei in Anspruch nimmt. Beim tür-

[Icischeu, persischen, afghanischen und tatarischen Volke

](d. h. bei den unteren Ständen) ist sie unerhört, ja undenkbar, da mehrere Frauen auch grösseren Aufwand bedingen. Ebenso selten und ganz vereinzelt kommt sie bei den Mittelklassen vor. In den hohen und allerhöchsten Kreisen freilich wuchert dieses sociale Uebel in erschreckender Weise.' Dagegen fand v. Maltsan in den Städten Arabiens in der Kegel mehrere Frauen in einem Hause, und von den Arabern Jerusalems haben die allerärmsteu wenigstens zwei.

Auch die Germanen hatten Polygyuie. Adam von Bremen

lerzählt von den Schweden, dass sie in allem Maass hielten, nur nicht iu der Zahl ihrer Weiber : Ein jeder nehme nach Verhultniss aeijies Vennögens zwei oder drei oder noch mehr, die Reichen und

j die Fürsten ohne Beschränkung der Zahl, und es seien dieses rechte Eben, denn die Kinder daraus seien vollberechtigt. Ausser bei den Skandinaviern kommt die Vielweiberei noch ziemlich spät bei den vornehmen Franken vor: König Chlotar I. nahm zwei Schwestern zu Gemahlinnen, Charihert I. hatte viele Frauen, Du-

\ gohert I. drei Frauen (imd unzählige Kebse). Es waren dies wirk- liche, durch Brautkauf, Verlobimg und Heimführung geschlossene Ehen, neben welchen bei den G ermanen das Concubinat bestand, wo aber die Kebse weder Rang noch Rechte der Ehefrau hatten. Das Concubinat bestand während des ganzen Mittelalters bei den Rei- cheren noch fort, ohne dass die öffentliche Meinung Anstoss daran nahm. Schlies.slich bestand auch unter den Slaven bis zur Eiu-

[führung des Christenthums eine durch kein Gesetz beschränkte Po- lygyuie. Wenn aber das indische Gesetz Monogamie vorschrieb, so galt dies nur für die Sudra.s, die unterste Kaste, di« armen Leute, deren Mittellosigkeit schon zu dem Brauche monogamischen Lebens

IgefÜhrt hatte; die Vaicja- Kaste durtte ein bis zwei Frauen

[nehmen, die der Krieger zwei oder drei, die Brahmanen kamen

]bis vier.

Unter allen christlichen Völkern wird aber die Polygamie ch Kirche und Staat verpönt (Bigamie); nnr die Mormonen en die V^ielweiberei gesetzlich zu und halten sie sogar für eine Jott wobigetiillige Institution. Allerdings traten auch in Deutsch- land zu munchen Zeiten Anhänger der Polygyuie auf (Wieder- täufer zu Münster 1633): auch suchten im 17. Jahrhundert JoA.

P|a*a, Da» W»lb. 1. S. Aufl. 24

Xn. Liebe and Ebe.

Lyser^ Lorenz Berger u. a. durch ihre Schriften die Polygyuie zu vertheidigen, letzterer insbesondere auf Anstiften des Kurfürsten von der Pfalz, der zwei Frauen nahm. Allein allgemein ist unter den civilisirten Völkern anerkannt, dass die sittliche Ordnung den polygamischen Ehen entsclüeden abhold sei, und dass man, namentlich im Hinblick auf den Orient und auf die Geschieht« der morgenländischen Königshäuser, die Vielweiberei als schlimmes so- ciales Gebrechen bezeichnen müsse. Als Gründe für die Uerrscfaafb der Polygynie bei vielen Völkern werden angeführt: die schnelle Entwickelung und frühe Heirathsfahigkeit der Mädchen und die ausdauernde Kräftigkeit der Männer. Allein die religiösen und ethischen Anschaumigen von der Ehe mid von der Stellung der Frau in der Familie verurtheilten bei allen gebildeten Nationen die Polygynie.

Polyandrie (Vielmännerei) ist die Verbindung einer Frau mit mehreren Männern. Sie ist am verbreitetsten unter den Völkern auf Ceylon, in Indien, insbesondere bei den Tod a, Cong, Nair und anderen Stämmen im Nilgirigebirge, femer in Tibet, bei den Eskimo, Aleuten, Konjagen und Koljuschen ; auch fand man diese Sitte unter den Ureinwohnern am Orinoco sowie bei australischen, nukahiwischen imd irokesischen Stämmen. Auf Ceylon und bei den Völkerschaften am Fus^e des Himalaya sind die gemeinsamen Gatten der Frau stets Brüder. Fast genau so hielten es die alten Briten zu Cäsar' s Zeit. Die Sitte der Polyandrie scheinen Sparsamkeitsrücksichten bei mehreren der ge- nannten Völker aufrecht zu erhalten; auch ist Armuth die Veran- lassung, dass unter den Herero in Südafrika Polyandrie bisweilen vorkommt.

V. Ujfalvt/ hat im Kululande im westlichen Himalaya Ehe- gen ossenscbaften angetroffen, wo 4 bis 6 Männer mit einer Fran lebten. Diese Männer waren immer Brüder. Die Kinder sprechen von einem älteren und jüngeren Vater, und sobald ein Gatte die Schuhe eines seiner Brüder vor dem Ehegemache erblickt, so weiss er, dass er dasselbe nicht zu betreten hat.

Wenn im südlichen Indien Ehen von einer Brüderzahl mit mehreren Schwestern gesclilossen werden, und wenn bei den Po-, lynesiern der Hawai-lnseln unter dem Namen Pimula die Sitte herrschte, dass Brüder gemeinsam ihre Frauen, Schwestern gemein- sam ihre Männer besassen, so bemerkt Feschel hierzu ganz richtig, dass es sehr gewagt sein würde, diese vereinzelten Bräuche als nothwendige Vorstufen zur strengen Ehe zu bezeichnen. Bei man- chen Polynesiern gilt sogar als eigeuthlimliche Sitte die sogenannte Blut*ifreundschaft, wonach zwei Männer, nachdem sie mit einander eine auf einem gegenseitigen Schutz- imd Trutzbündniss beruhende Freundschaft geschlossen, zur Weibergemeinschaft siel» ver- pflichten.

Nicht immer ist bei einem Volke nur eine bestimmte, ednheit-

56. Die Ehen unter Bhitsverwandten.

371

liehe Form der Eheschliessang gebräuchlich. Unter den Ma- layen zu Menangkabao awf Sumatra, bei denen sich die ver- ■wandtächaftlichen Beziehungen nach der Frau bestimmen und das Vermögen der Frau durch sie vererbt wird, giebt es eine dreifache Art der Ehe : die Ueirath durch djudjur ist ein vollständiger Kauf der Frau; diese und die Kinder werden Eigenthum des Mamies und fallen nach seinem Tode an seine Erben. Bei der Heirath durch semando giebt der Mann ein bestimmtes Geschenk, beide Eh^enossen stehen auf dem Fusse der Gleichheit und haben gleiche Rechte auf Kinder und errungenes Vermögen. Bei der durch ambil anak geschlosseneu Ehe zahlt der Mann nichts imd tritt in eine untergeordnete Stellung zur Familie der Frau; er hat, kein Recht auf die Kinder. Neben diesen Hauptarten der Ehe giebt es noch mehrere Uebergangsformen. Und um nur noch ein Volk zu nennen, erwähne ich, dass in Persien die Ehe entweder aekdi ist, d. h. auf die Dauer verbindlich, so lange nicht ein Grund zur Scheidung geltend gemacht werden kann, oder sighei, d. h. nur auf eine vertragsmassige Zeit. Die Akdi entspricht ganz unserer Ehefi'au, auch darf gesetzlich der Perser deren nicht mehr als eine zu gleicher Zeit haben. Sighe, d. h. die durch Vertrag gehei- rathete Frau, wird gegen ein gewisses Entgeld mid gegen fest- gesetzte Entschädigimg bei eintretender Schwangerschaft geheirathet; während dieser fixirten Zeit geniesst sie die vollen Rechte einer legalen Frau ; nach Ablauf des Vertragstermins aber ist sie dem Mamie gesetzlich verpi"int.

Ich denke, die vorstehenden Auseinandersetzungen werden ge- nügend sein, lun dem Leser ein ungefähres Bild von der Vielseitig- keit der Formen zu geben, unter welchen das Weib sich mit dem Manne zu einer mehr oder weniger dauernden Gemeinschaft ver- bindet, und flir manche Gebräuche, welche im ersten Augenblick uns sinnlos und paradox erschienen, ist auch hier wieder das ge- naue Studium der vergleichenden Ethnologie die nöthigen Erläu- terungen und das volle Verständniss zu geben im Stande gewesen.

56. Die Ehen anter Blnisverwandten.

Nach den Erfahrungen, welche wir in dem vorigen Abschnitte zu machen Gelegenheit liatten, werden uns zwei ErscheiTiungen in dem Leihen der Völker nicht mehr zu ttberraschen vermögen, näm- lich auf der einen Seite bei bestimmten Stämmen die Sitte, dass die allerengsten Verwandtschaftsbande das Eingehen einer ehelichen Ge- meinschaft nicht allein nicht zu hindern im Stande sind, sondern eher «ogsu* noch zu begünstigen scheinen, während wiederum andererseits bei anderen Stammen auch nicht einmal solche Verwandte eine Ehe

24*

XII. Liebe und Ehe.

mit einander schliessen dürfen, bei welchen nach unseren modernen Anschauungen von einer Verwaudtschaft eigentlich gar nicht mehr die Rede sein kann. Das eine ist eben ein Auswuchs der Exogamie, während das erstere eine auf die Spitze getriebene Endogamie re- präaentirt. Bei uns ist es bekanntlich erlaubt, dass Geschwister- kinder mit einander sich verheirathen, und zwar ist es hier ganz gleichgültig, ob die Vettern oder Basen von der Seite des Vaters oder von derjenigen der Mutter herstammen. Bei den Dayaks auf Borneo und auf Ambon und den U Hase -Inseln ist dagegen die Ehe zwischen Geschwisterkindern absolut verboten, während man in Neubritannien nur die Heirath mit mütterlichen Verwandten streng untersagt. Auf den Aaru-Inselu in Niederländisch- Indien ist aber gerade die Ehe mit den Kindern eines Onkels ver- pönt, die Kinder einer Tante dagegen darf man heirathen. {Riedel.^} Ganz ebenso ist es nach Marsdeii auch in Sumatra.

Unter der Schinkaste in Indien treffen wir wieder das Verbot der Vettern- und Basenehe an , obgleich der moham- medanische Ritus gegen eine solche Ehe nichts einziiwenden hat, auch darf der Onkel nicht die Nichte und in Buschkar selbst nicht eiumjil die Tochter der Nichte heirathen. Es ist vielleicht nicht imnöthig, daran zu erinnern, dass bei uns bis vor Kurzem aller- dings dem Onkel die Nichte und auch dem Neffen die Tante zu ehelichen gestattet war, während aber das Erstere unbeanstandet geschehen konnte, bedurfte eine eheliche Verbindung zwischen dem Neffen und seiner Tante, gleichgültig ob es die Vaterschwester oder die Mutterschwester ist, der landesherrlichen Genehmigung.

Die englische Kirche unterscheidet 30 Ver\\-andtschaftagrBde, innerhalb deren nicht geheirathet werden darf. Der Engländer, der eine diesen Gesetzen widersprechende Ehe eingehen wollte, flüch- tete früher nach Dänemark, dann an den Rhein nach Duisburg, xua sich dort trauen zu lassen, denn nach heimischen Gesetzen war eine so vollzogene Verbindung .vollendete Thatsache*.

Die Tungusen, Samojeden imd Lappen verabscheuen eine Ileirath in der Blutsverwandtschaft. Den Hebräern waren nach mosaischem Gesetz die Ehen verboten mit der Stiefmutter, Stief- tochter, Schwiegermutter, Schwiegertochter, Tochter des Stiefsolms und der Stieftochter, des Bruders Frau und des Vaterbruders Frau. Hatte dagegen der verstorbene Bruder mit seiner Frau keinen Solm erzeugt, so war den Hebräern (wie aucJi den Altmexikanern und anderen Völkern) die Elie mit seiner Wittwe nicht nur erlaubt, sondern sie waren zu derselben sogai' Vfq)flichtet Bekanntlich be- zeichnete man dieses als die Leviratsehe.

Auch bei den Römern war die Ehe verboten zwischen Aac€n- denten und Descendenten, sowie zwischen allen Personen, die, wenn auch nur theilweise, in einem ähnlichen Verhältui.ss zu ein- ander standen, nämlich zwischen Stiefelteni tuid StiefkinderUt

56. Int Ebcb mtcr iHntswt mdteit.

373

iegerelt«ni nod Schwiegerkindeni^ zwischen Adoptivdieni mtd rkmdem.

darftcn in Athen und Sparta Hidbges<iiwitB(er sieh eiMUehen, und nach Gart^aaso hatten die Incas in Peru das Recht, ihre älteste Schwester, die nicht von derselben Mutter stammte, ra heirath^i, nm auf diese Weise das Blnt der Sonne rein zu erbaken.

Aber edbet mit der rechten Schwester sehen wir mandie Völker ehelirhe VerHndimgeii eingehen (Perser, Phönikier, Araber, die Griechen zn Cimons Zeit^, nnd zwar ist es hier wieder Ton beBOoderem Interesse, dass es sich bei den Yeddas auf Cejlon vm die jüngere Schwestter handelt, wahrend sie die ältere Schwester nicht beirathen dOrfen. Doch auch noch nähere Verwandtachafts- gnde nach unserer Anfhasm^ sind bei gewissen Stämmen kein WhsiiimleonflB. So durfte bei den PhSniciern sowohl die Matter den Soim« als anch der Vater die Tochter beirathen, nnd unter dea aheo Arabern sprach das Gesetz dem Sohne die Yerpfiichtnng, £e rerwittwete Matter zu ehdielun, sogar als ein besondercs Vor- xtdkd jn. Bei den Chinesen dagegen dBrftn sich nicht cinBud des g^eiefaen Kamens beirathon, aodi wenn sie gar nidil mit rerwandt sind. (Mamtegasstfi), fai den örilisirten Ländern hat man den Ehen zwischen Btots- Iten Ton dem Standfnmkte der Gesundheitspflege ans in den Jakren eine ganz besondere Anfinerirwikwit gewidnei, md ■ttd in allen FäUen damit düe Bhcn zwiadben GeackwiaCer- I vmtanden. Es wird wohl kaiqn einen IwiMiitftij^tni Arzt MB aafiMfkaaBen I^öen geben, dssm nidit derartig diebcbe bdunnt geworden sind, aus denen schwäichbche oder kza^ce Kmder herrotvegai^en sind, und vide Amtowai eingf^Mud dieser Frage besehifligt Venodie, £ese widitige brii^jeB, bat George Dwwm\ der Sohn

angestellt Durch sehr mAherofle ststiwtisrhe Er- kommt er zu dem Beenlfcite, da« £e gcArehiefeeB adiäd- ÜdM» Folgen f&r die NachkoBsaiaek^ «m dea Ebn »wiatihen 0<ad>w>rtfflkiiwlgn durch die gelimdeaeB Z*k^**« nkht mchge wiesen Er giebt aber sdber tA, daoB dieae Zahlen noch gewesen sind md dnaa, wenn es gdänge, cina Sktislik sn hefcoamen, aan adnr wtAl statt dieser 8«e«ttTeo eine positiTe Bcnntwoita^ der Fntfe erhalten kSonle; & ^Aea Bon noch aräieai ■■«■■■— *^ nifiiirti ledit gewickügo nd Rfhainiiiiiii^iii oAImbv pnJ^Mher AeBta kbe heobMhtet hatt^ dbas Taabatwhait, StoapT- «M «M nadnn oder sonstige Gehcediliclikeil b Hwofi^^ot bei den Kadikommen m

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AflerdiBipi bei der

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Xil. Liebe und Ehe.

Folge solcher Eheschliessungen zu sein brauchten. Im Gegentheil, es giebt eine ganze Reihe von Fällen, in denen die Kinder, welche aus diesen Ehen entsprossen sind, durchaus gesund und in dem an- gegebenen Sinne intact durch ihr ganzes Leben sich verhalten haben. Aber nicht selten sind dann die erwälinten Gebrechen später bei ihren eigenen Kindern zur Beobachtung gekommen, und diese haben so den Missgriff ihrer Grosseltem in der Gattenwahl zu büssen ge- habt. Es würde nun aber zu weit gegangen sein, wenn man die erwähnten Erkrankimgeu im zweiten oder dritten Gliede als eine durchaus sichere und unausbleibliche Consequenz einer Ehe zwischen Geschwisterkindern liiustellen wollte. Sind diese letzteren besonders gesunde, kräftige Leute und stammen sie von ganz normalen Eltern ab, dann können sie trotz ihres nahen Verwandtschaftsgrades den- noch ganz gesunde Kinder erzeugen. Aber deswegen sind doch diejenigen Fälle nicht fortzuleugnen, in welchen man die genannten Schäden zur Beobachtung bekam. Und wenn Mitcheü., Manfegazza^ und andere Autoren in den Irrenhäusern und den Idiotenaustalten eine verhälfcnissmässig grosse Zahl von Kranken fanden, deren Eltern Ge- schwisterkinder gewesen sind; wenn nach Scott Hution in der Halifax- Taubstummenschule (Canada) unter 110 taubstummen Kindern nicht weniger als 56 aus Ehen zwischen Blutsverwandten entsprossen sind, dann wird man sich den Worten George Darwins gewiss mit voller Ueberzeugung aoschliessen, wenn er sagt: „Eine so allge- meine Uebereinstimmung in Bezug auf die üblen Folgen der Ge- schwisterkinder-Ehen muss vmzweifelhaft viel grösseres Gewicht haben, als meine rein negativen Resultate."

Die Widersprüche und entgegengesetzten Meinungen der Autoren, von denen die einen immer Beispiele für die Schädlichkeit, die anderen solche fUr die Unschädlichkeit derartiger Ehen in das Feld führen, finden woiil ihre Lösui^ in folgenden Sätzen: Sind die sich mit einander verheirathenden Geschwisterkinder ganz gesund und kräftig, dann können sie gesunde Kinder erzeugen, aber eine Garantie hierfür besitzen sie nicht, und sollten ihre Kinder gesund sein, dann können die besprochenen Degenerationsprocesse noch an deren Nach« kouunenschaft zur Erscheinung kommen. Ist aber von den Ge- schwisterkindem, welche mit einander in die Ehe treten wollen, das eine nicht intact oder bieten sie gar alle beide krankhafte Zustände dar, dann werden diese mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit bei ihren Nachkommen imd zwar in gesteigertem Maasse auftreten. Denn gewiss hat EricMon Browne das Richtige getroffen, wenn er sagt: „Es hat mir immer geschienen, dass die grosse Gefahr, welche solche Ehen begleitet, in der Steigerung der krankhaften Körjjer- jinlagen besteht, welche sie begünstigen. Erbliche Krankheiten und Kachexien werden mit grösserer Wahrscheinlichkeit von Ge- schwisterkindem getheilt, als von Personen, die auf keine Weise verwandt sind, imd sie werden mit mehr als doppelter Stärke ver- erbt, wenn sie beiden Eltern gemein sind. Sie scheinen das Quadrat

57. Das Jus praS^BÖrasT

oder der Cubus des combinirten Volumens zu sein. Selbst ge- sunde Anlagen schlagen, wenn sie beiden Eltern gemein sind, bei den Kindern oft in entschiedene Kachexien um." Als die bestbewiesenen echUdlichen Folgen der Ehen zwischen Geschwisterkindern stellt ManUyasza^ ausser den bereits genannten noch die folgenden auf: Ausbleiben der Empfangniss, verkümmerte Empfäugniss und Fehlgeburt, Missgeburten, Neigimg zu nervösen Besehwerden, gehemmte Geistesentwickeluug, Anlage zu Skrofeln und Tuberkeln, verringerte Lebensfaliigkeit, hohe Kindersterblich- keit, Störungen der Menstruation, geringe Zeugungskraft und be- stimmte I^eiden des Auges.

57. Das Jus primae noctis*

Wo eine bevorzugte Gesellschaft von Mäimem, wie dies bei einigen Völkern vorkommt, sich Rechte auf die Töchter des Landes vindicirt, sind diese zuweilen gehalten, sich eine Zeit lang dem Hetärismus, der Prostitution hinzugeben. Man hat die Vermuthung ausgesprochen, dass ein solches Vorrecht (Herrenrecht) der ürtypus des Jus primae noctis gewesen sei, eines Brauches, dessen Thatsächlicbkeit durch neuere Forschungen sehr in Frage gestellt wurde.

Ganz allgemein hat man bis in die jüngste Zeit das Jus primae noctis, wonach der Grundherr bei Hochzeiten seiner Untergebenen das Recht haben sollte, den ersten Beischlaf mit der neuvermählten Jungfrau zu vollziehen, als geschichtlich feststehende Thatsache be- trachtet. Seit dem 16. Jahrhundert sagte man, der König von Schottland Eventis III., zur Zeit des Kaisers Atigusius, habe dieses Recht aufgebracht, das erst nach mehr als tausend Jahren durch König Jlalcolm wieder abgeschatfk worden sei. Namentlich viele französische Schriftsteller, darunter die Ency clopädisten, liielten an dieser sehr verbreiteten Meinung fest, obgleich schon im 18, Jahrhundert Manche, darunter nicht wenige deutsche Gelehrte, die Sache bezweifelten. Seit 1854 kam nun der Streit in Folge eines von Dupin in der Akademie der Wissenschaften zu Paris gelieferten Berichtes zu grösserer Lebhaftigkeit. Insbesondere be* hauptete Louis Vcuiilot in mehreren Aufsätzen und Schriften, dass das sogenannte Droit du seigneur niemals bestanden habe; auch gab eine Conuuission vor der Akademie der Inschriften ihr Gutachten in gleichem negirenden Sinne ab. In einem umfangreichen Werke snchte Jules Drlpif trotzdem VeuiUots Ansicht zu widerlegen; ihm reihten sich zahlreiche Gelehrte aus verschiedenen Ländeni an; von deutschen: Jacoh Grimm, Wdnhold, Scherr, v. Maurer, Lifib- rtcht, Bustiim, v. Hcllwald u. A.

376

Xn. Liebe und Ehe.

Vor wenig Jahren hat Karl Schmidt^ in Colmar sich ein- gehend mit dieser Angelegenheit beschäftigt und alle Umstände, alle in der Literatur zerstreuten Angaben mit einer anzuerkennen- den Schärfe beleuchtet; man muss wohl zugeben, dass er aller- mindestens die Stlitzeu, auf welche sich seine Gegner berufen könnten, wenn auch nur zu einem grossen Theile erschüttert, vielleicht sogar zerstört hat.

Schmidt geht aufs genaueste Alles darch, was wir angeblich über die Einftlhriuig des Jus primae noctis durch König J?cenu« 7/7. von Schott- land wissen-, doch zeigt er auch, das« die Erzählung völlig in der Luft 8chw6bt. Dann forscht er, auf welcher Grundlage «ich die im Mittelalter vorgekommene Sage befindet, dass ein Häuptling der weiesen Hunnen, Namens ShorJcot, bei jeder Heirath in der Stadt Harapa das Vorrecht des Ehemanns in Anspruch genommen habe ; er findet, dass in der Quelle eigent* lieh nur von „Blutschande" die Rede sei. Ferner soll Marco Polo von einem Ju.<< primae noctis in Cambodja gesprochen haben; Schmidt findet, i dttss Marco nur sagte, der König wählte nach Belieben Mädchen fQr seinen Harem; nach der Entlassung aus demselben stattete er sie aus. Ebenso wenig sind ihm die Berichte über die Brahraanen in Ostindien za- verliUsig.

Ganz unbestimmt sind die Nachrichten aus Deutschland, dass hier, wie Lielnrecht behauptete, das Jus primae noctis einst bestanden habe. Wenn V. Hormayr sagt, die Herren von Peraan (Südtyrol), von Racenstein und Vntx (Schweiz) seien deshalb vertrieben worden, so fehlt darüber die Quelle. Dergleichen Sagen von einem Privileg der Herren DtttnRovere in Italien, der Herren von Prelletj und Paraanntj in Piemont geht Schmidt in gleicher Weise ganz vergeblich nach.

In Frankreich soll das Gewohnheitsrecht der Kanoniker zu Lyon bestanden haben, ihnen die Brilute die erste Nacht zu Überlassen als Jus coxae locandae, und man beruft sich auf eine Urkunde vom J. 1132, in der ein Verzicht auf dies Recht ausgesprochen sei. Doch beschr&nkt sich dieser Verzicht lediglich auf Erlass einer Abgabe vom Hochzeitsmahl; von Weiterem ist nicht die Rede.

Femer gab ea in Frankreich bis zum 17. Jahrhundert ein Droit de Braconnage, z. B. bei den Herren von Mareitil in der Picardie, welche bei den Töchtern ilu-er Herrschaft bei ihrer Verheirathung das Lehns- recht beanspruchten, üie zu ,,braconner". Schmidt erklärt das Wort mit „um- armen", also nicht gleichbedeutend mit d^florer. So gebt er alle Be- hauptungen durch bezOglicb der vermeintlichen Rechte der Aebte von St. Michel, des Grafen Guido ivn Chdtillon, der Herren von Larivirre, Bourdet etc. überall vermisst er den Nachweis. In Frankreich, z. B, in Gascogne, existirte das sogen. Droit de cuissage oder jambage; das ist aber nicht das Jus primae noctis, sondern es war dos Recht, ein Bein in das Bett der Braut zu legen; ebenso gab es dort ein Recht des Lehnsherrn, über das Bett der Braut hinwegzusteigen; doch halt letzteres Schmidt nur für einen spasdgen Brauch, keineswegs identisch mit Jm primae noctis.

Dann kamen aus Frankreich mehrere gerichtlichö Entscheidui (auf< d. J. 1302 n. s. w.), die man als wichtige Urkunden für das ehemalijfje Beetehen des Jos primae noctis ansah; unter Anderen betraf die oiae das TOD den Bischöfen von Amiens beanirpnichte Recht, als „Gewohnheiicrucbt*',

Hit. Das Jas primfte noctis.

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da«« Neuvermählte sich des Hochzeitsfestea enthalten massten, Lia die Bi- 8oh6fe am 2. oder 3. Tage ihre Genehmigung dazu gegeben hatten. Schmidt 6ndet hier wie in anderen angesogenen Ursachen keine Spur von Jus pri- mae noctis.

Völlig ungerechtfertigt ist die Behauptung Blau's, das« die ürbewohner der c anarischen Inseln da« Jos primae noctis gehabt hatten; die Bericht- erstatter sprechen nur davon, das» die Häuptlinge überhaupt die Jung- frauen deflorirten, aber ein besonderes Recht auf die Hochaeitsnacht hatten •ie nicht. Mehr ru schaffen macht dem Autor die .\ngabe Vartltetna»,

in Calicut (Ostindien) die Brabminen da« Recht gehabt, nicht bloss

Frauen nach Belieben beiwohnen zu dürfen, sondern auch der jungen Frau des Königs bei dessen Vermahlung, In diesem Falle, wo auch noch andere Reisende Aehnliches berichten, handelt es sich um eine Institution de« Caltus.

Schliesslich weist der Verfasser sämmtliche gerichtliche Entscheidungen ftb, auf die man sich vorzugsweise beruft. Insbesondere nennt er da« im J. 1812 entdeckte angebliche Urtheil des Grossseneschalls der (ru^'enne vom IS. Juli 1302 ein „fälschlich angefertigtes Actenstück". Obwohl die Motive der F&lschung nicht feststehen, so bezeichnet Schmidt doch den Verdacht als dringend, dass die Pillschung in unlauterer Absicht durch Vertbeidiger der Irrlehre vom Droit du seigneur des Mittelalters vorgenommen wurde.

DaiB einzige Urtheil, aus dem der ß«weis eines Anspruchs auf das vermeintliche Jus primae noctis mit einem gewissen Scheine von Berech- tigttng hergeleitet werden könnte, ist, wie Schmidt sagt , das Schiedsnrtheil des Königs Ferdinand des Kntholisdien vom 21. April i486. Dasselbe be- seitigt im 9. Artikel unter anderen Dingen einen Miasbrauch, der darin be- stand, dass einige Grundherren (aus Herrschaften in Catalonien) bei Hei- rathen ihrer Bauern den Anspruch erhoben, in der ersten Nacht mit der neuvermählten Frau zu schlafen oder zum Zeichen der Horrschaft über die Frau, nachdem sie sich zu Bett gelegt hatte, hinüberzuschreiten. „Allein gerade dadurch, dass diese Urkunde gänzlich vereinzelt dastehen würde al« Beweis filr das Jus primae noctis, scheint aus dem Zusammenhange der Urkunde die .\nnahme gerechtfertigt zu sein, dass die in Anspruch genommene Berechtigung sich auf die Vornahme einer Förmlichkeit beschränkte, die aU symbolische Handlung die Abhängigkeit der Bauern von ihrem Grund- herrn bezeichnen sollte."

Es sind eben „Hochzeitsgobräuche'S die im Geiste der Zeit lagen, wie wenn beispielsweise nach kirchlichem Herkommen die Einsegnnng erst einen oder drei Tage nach Abschluss der Ehe erfolgte; allein so ganz fremde Dinge darf man doch nicht mit angeblichen llerrenrechten in Verbindung bringen. Nach germanischen Rechtsgrundsätzen war bekanntlich das Bei - lager (vor den Hochzeits^sten) die Form, in der die Ehen geschlossen wurden. Auch diesen Brauch hat man zum Beweise eines Herrenrechto« der erst«n Nacht verwerthet. indem es in einer Urkunde vom J. 1507 als Gewohnheit«recht oder coatume von Drucat hoisst: ,,Wenn ein ünterthan oder eine Unterthanin dea Ort«« Drucat sich verheirathet. und da» Hoch- zeitsfest stattfindet, so kann der junge Ehemann die erste Nucht mit seiner lIochzeitHdame nur dann schlafen, wenn dazu die Erlaubnisa des genannten Herrn rrtheilt wird, oder der genannte Herr mit der Hochzoits- dame geschlafen hat" St^midt legt diese Stelle so aus: das» es der Erlaubnis« (die sonst unter Ueberreichung einer Ehrengabe vom Hochzeit«- mahl nachzusuchen war) nicht bedurfte, wenn eine Pen^on heirathete, dio

378

XII. Liebe und Ehe.

mit dem Grundherrn unerlaubten Umgang gehabt hatte; von einem Herren- rechte der ersten Nacht ist nach Heiner Ansicht hier nicht die Rede. Alle weiteren Urkunden, die man anführte, lehnt Schmidt in ihrer Bedeutung als Zeugnisse ab.

Man hat aber auch das Jus primae noctis aus dem „Hel^amua" der Uraeit entwickeln wollen, den Bacitofett 1861 als Hypothese aufstellte und WJ^Uan, Morgan, LulAmdk u. A. verfochten. Diese Lehre von einem regel- losen Geschlechtsverkehr bei Naturvölkern weist Schmidt zurück, er findet dort, wo geschlechtliche Unsitten vorkommen, nur „Sittenverwilderung", keineswegs Ueberreste von Weibergemeinachall oder Hetäriamus ; so haben auch die Folgerungen der Entstehung eines Jus primae noctis aas dem He- Urismus, wie Badiofen und seine Nachfolger versuchten, keinen Werth.

Den dargelegten Ausführungen Sdunidfs schliessen wir uns insofeni an, als wir seiner auf wissenschaftlicher Forschung be- ruhenden Ausftlhmng beitreten: dass eine grosse Zahl der bisher für das einstige Bestehen eines Jus primae noctis angeftihrten Beweismittel nicht als geschichtliche „Thatsachen" aufgefasst wer- den können, welche positiv darthim, dass das Jus primae noctis wirklich in geschichtlicher Zeit ausgeübt wurde; in der That beruft man sich zumeist auf blosse „Sagen", die nicht als Beweise gelten können, dann aber auch auf „historische Quellen", in welchen jedoch nur von symbolischen Bräuchen die Bede ist, und man hat ialfichlich gar zu oft solche Bräuche sofort als Beispiel der Aus- übung des Jus primae noctis bezeichnet.

Allein vrir verschliessen uns doch auch nicht der Kritik^ welche Pfannet^chmidt dem Werke Schmidt^s angedeihen liess, indem wir auch dessen allgemeinen Schllissen beitreten: Auf Gnind sicherer Zeugnisse stossen wir zur Zeit des Mittelalters in Europa auf eigenthiimliche Hochzeitsgebräuche, welche sich für diese Zeit zwar als .symbolische' herausstellen, aber in irüheren Zeiten nicht solche haben sein können. Vielmehr deutet Alles darauf hin, daas einst das thatsächlich geübt wurde, was später nur noch sinnbildlich seinen Ausdruck fand und in alterthlimlicher Redeweise schriftlich fiiirt wurde. Da aber mit den symbolischen Gebräuchen, w^o sie sich fanden, in historischen Zeiten sich leicht Missbräuche verbinden konnten und solche in der That auch vorkamen, so führte dies zu der irrthümüchen Annahme, dass noch zu der Zeit, in welcher man diese Gebrauch« au&uzeiclmen anfing, ein sogenanntes Uerrenrecht thatsfichlich geherrscht habe. Eine möglichst genaue Durchforschong der mitteleuropäischen Ueirathsabgaben seit dem 10. Jahr- hundert und der sonstigen Literaturdenkmäler des Mittelalters ergiebt nichts, was darauf hiiuführeu könnte, dass für diese Zeit anstatt jeoer symbolischen Hochzeitsgebräuche der Grundherren ältere, rohere in Ucbong gewesen seien. Gleichwohl weisen aber diese syroboUscbai Gebrauche in Verbindung mit Ss^euresten auf rohere Sittoi sorOck. Schon der Umstand, dass in sehr verschiedenen Landschaiten und Oenlichkeiteu sich charakteristische Sparen daron finden, fordert solche Annahme. Die^e Spuren treffen wir an in Land- nnd Ort-

crliaften Grossbritanniens, Spaniens, Frankreichs, Italiens, weiz, auch in Holland. Es sind dies Landschaften, in denen lange keltische, ja theüweise vorkeltische Berölkenmjf sesshaft war. Die historischen Nachrichten über Nord- und Stid- Germanen, Slaven, Römer, Griechen, Perser bieten, soweit ersichtlich, bis jetzt keine zwingende Handhabe zur Annahme eines Jus primae noctis oder roher Hochzeitsgebräuche in dem ange- gebenen Sinne. Bei den vedischen Indiern und deren Nach- kommen scheint solche Annahme geradezu ausgeschlossen. Und doch würde es voreilig sein, zu schliessen, dass trotz mangelnder historischer Zeugnisse solche oder ahnliche Sitten nicht dennoch bei arischen Völkern hätten vorkommen können. Für Europa scheint vorläufig die Annahme die richtigere zu sein, dass rohe Hochzeits-

febräuche da vorgekommen sein werden, wo sich Reste vorarischer tevölkenmg unter günstigen Existenzbedingungen erhalten hatten, die von den arischen Eroberem angenommen wurden, sich aber immer mehr local beschränkten, schon £rüh und zxmieist durch Ein* Wirkung der christlichen Kirche erloschen und sich seit dieser Zeit lur noch symbolisch erhielten, bis auch diese letzten sinnbildlichen 'rebräuche des Missbrauchs wegen theib in Geldabgaben umgesetzt, theüs ganz beseitigt wurden.

Inwieweit noch hier imd da imter Naturvölkern ein dem .In« primae noctis ähnlicher Brauch besteht, kann weiterer Forschung fiberlasseu bleiben, da man doch erst in neuerer Zeit nach dieser Bichtong hin Analogien aufzusammeln sucht. Eine besondere Form des Jus primae noctis soll nach v. MiUucho-Maday bei einem ganz primitiv lebenden melanesischen Volke, den Orang-Sakai aul' der malajischen Halbinsel, stattfinden; dort nimmt der Vater der Braut für sich das Recht des iws primae noctis in Anspruch, eine Unsitte, die man auch auf Sumatra bei Battas imd auf Celebes (District Tonsawang) bei Alfureu wiederfindet. Eine Reihe anderer Beispiele ftir die Ausübung des Jus primae noctis durch Fürsten ^^exrntti& haben wir in dem Abschnitte Ober die Jungfrauschaft kennen gelernt.

5S. Der Ehebraeh.

& umi natürlicherweise von Ehebruch bei solchen Völkern ich Dicht die Rede sein, wo die eigenen Ehemänner ihre Wei- ' "^ *ß^ «öem übertriebenen Gefühle der Gastfreundschaft, « a^ GfOikden schmutzigster Gewinnsucht, anderen 3iiännem zn r 5j^f***™ Verkehr überiassen; denn volenti non fit injuria. Ind da« Unrecht, was dem Gatten geschieht, die Unterschlagung and ileemtrSchtigaag semee ihm aUein zustehenden Rechtes, ist es doch unmer, das Torliegen moas, wenn wir von einem Bruche der

XU. Liebe uad Ehe.

Ehe sprechen sollen. Aber auch wenn wir diesen Maassstab an- legen, 80 finden wir, dass die Anschauungen über diesen Pimkt bei verschiedenen Völkern ausserordentlich verschieden sind. Ist es vielleicht auch nicht ohne Weiteres gestattet, den Schluss zu ziehen, dass bei denjenigen Nationen, wo wir die Weiber zum Ehebruche sehr leicht geneigt finden, die Heiligkeit der Ehe in einem nur geringen Ansehen steht, so können wir dieses letztere doch dort ganz sicher annehmen, wo wir ftir den Ehebruch nur ganz unbe- deutende und milde Strafen angesetzt finden. Denn hierin müseen wir doch sicher von Seiten des Mannes eine Geringschätzung des ausschliesslichen Besitzes seines Weibes erkennen, während in dem ersteren Falle die Annahme immer noch nicht abgewiesen werden konnte, dass die leicht erregbare Natur des Weibes starker gewesen war, als die heiligen Bande der Ehe.

Ueber die Auffassung der Ehe von Seiten der Frauen der alten Deutschen macht Tacitus eine sehr anerkennende Schilderung. Er sagt: Keinen Theü ihrer Sitten könnte man mehr loben; bei einem so zahlreichen Volke muss man die imter ihnen vorkommen- den Ehebrüche selten nennen. So empfangen sie einen Gatten, .sind mit ihm ein Korper und eine Seele, darüber geht kein Gedanke hinaus, und keine Begierde führt sie weiter, mid wenn sie ihren Ehemann nicht lieben, so lieben sie doch die Ehe; mit ihrem Ehe- gemahl glauben sie leben und sterben zu müssen, auch verachten sie nicht ihre Rathschlage und beachten aufmerksam ihre Antworten, Eine sehr starke eheliche Treue finden wir aber auch bei manchen Völkern, welche dem Mädchen einen unbehinderten geschlechtlichen Verkehr mit jungen Leuten gestatten. Sobald das Mädchen in die Ehe getreten ist, so ist ein Ehebruch etwas Unerhörtes. So treffen wir es namentlich axif einigen Inseln des malayischen Archipels. Die Frauen in der Mongolei allerdings sollen auch nach der \''er- heirathuug da.<t zügellose Leben fortsetzen, das sie als Mädchen zu ftlhren gewohnt gewesen sind.

«. Ujfalvi erzählt, dass, wenn ein Siaposch die Untreue seiner Frau entdeckt, er ihr eine Tracht Prügel zukommen lässt und von seinem Nebenbuhler irgend einen geringwerthigen Gegenstand als Entschädigung fordert Auf Formosa ist der hintergangene Gatte l>erechtigt, die Scheidung zu verlangen, imd beiden Theilen ist da- nach eine Wiederverheirathung gestattet.

Wir haben bereits in dem Abschnitte Ober die Keuschheit des Weibes das Gebiet der ehelichen Treue berühren müssen nnd Bollen die dort angeführten Beispiele hier nicht noch einmal vor- gefOlirt werden.

Bei den Apache-Indianern verstösst der Mann die Ehe- brecherin aus seinem Hause, zuvor aber schneidet er ihr die Ni ab und läast sich das Ankaufsgeld wieder zuri\ckzahlen. (Spnt\ Die Völker am Orinoco dagegen bestrafen den Ehebruch mit Tode: bisweilen allerdings findet die Frau Verzeihung, niema

«8. Der

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jedoch der Verftihrer. Wie leicht sich aber die Sioax-Indianer ober den Ehebruch hinwegsetzen, das haben wir oben gesehen. Verging ?ich in dem alten Peru eine Frau mit einem anderen Manne, so wurde die Ehebrecherin sowie ihr Vei-ftlhrer mit dem Tode bestraft; der Ehemann koimte eine mildere Strafe bean- tragen. (Acosta, Garcäasso.) Ebenso wurde in Mexiko vor der Ankiraft der Spanier eheliche Untreue schwer bestraft.

In Bezug auf die Bestrafung ehelicher Untreue haben sich auf den Inseln im Südosten des malayischen Archipels die An- schauungen gegen früher sehr geändert. Während früher der Mann den Ehebrecher und sein ungetreues Weib (oder dieses allein) sofort tüdten durfte, führt die Sache jetzt meistens zur Scheidung, wobei gewöhnlich von den Eltern der Frau der Brautschatz zurück- erstattet werden muss, während auf Leti, Moa imd La kor der Ehebrecher dem betrogenen Manne ausserdem noch eine Busse zu bezahlen verpflichtet ist. Die Keisar- (Makisar-) Insulaner begnügen sich nur mit dieser Busszahlung und behalten die Frau; übrigens ist bei ihnen Ehebruch eine grosse Seltenheit. Auf den Babar- Inseln darf noch heute der Mann den Ehebrecher todtstechen. Thut er dieses nicht, so zieht? er mit seinen Bluteverwandten be- waffnet aus, tödtet Schweine imd anderes Vieh der Dorfbewohner, während die Angehörigen des Ehebrechers sie zu besänftigen suchen und den Schaden ersetzen, um Krieg zu vermeiden. Hat der Ehe- brecher dann eine Busse bezahlt, so ist die Frau frei und kann ersteren, ohne dass er einen Brautschatz zahlte heirathen. In öffent- licher Versammlung lääst sich der neue Gatte dann von dem alten einen Eid schwören, dass er nicht mehr versuchen wird, mit seiner Frau geschlechtlich zu verkehren. Das geschieht unter besonderer Ceremonie, worauf der erste Mann sich aus dem Hause der Frau seine Sachen holt und die Scheidung als erfolgt, betrachtet wird. (RiedeV)

Auf den Mars hall -Inseln wird Ehebruch am Manne gar nicht, an der Frau aber nur durch Verstossung bestraft. Auf Sa- moa, Tonga, den Sandwichs- und Marquesas-Inseln aber wird der Ehebruch streng geahndet, und auf Ponape wird er sogar häutig mit dem Tode bestraft.

Eine ungetreue Gattin schickt auf den P a 1 a u - Inseln der be- trogene Ehemann einfach fort (Kubary); war aber auf den Marian- nen-Inseln der letztere ehebrüchig, so rotteten sich die Frauen zusammen and fielen über seine Habe her und zerstörten sie gründlich.

Bei den Kalmücken wird Ehebruch mit 4 5 Stück Vieh gebUsst; bei den Chinesen war Ehebruch ein Scheidungsgrund, ebenso bei den Persern, jedoch durtte hier auch der Mann, wenn ihm gelang, die Untreue seiner Gattin durch Zeugen zu erhärten, seine Frau tödten. Sehr t«treng wt das Gesetz des Mohammed gegen die Ehebrecherin. Der Konm befiehlt, das Weib, welches durdi

382

Xn. Liebe nnd Ehe

vier Zeujgen des Ehebruchs überföhrt ist, im Hause einzukerkern, bis der Tod sie befreit oder Gott ihr ein Befreiungsniittel an die Hand giebt. Später Hess man dem Weibe die Wahl zwischen Ein- kerkerung und Steinigung. Gemildert wird die Strenge des Gesetzes dadurch, dass vier Zeugen eri'orderlich sind, um den Ehebruch zu beweisen. Wer ein Weib dieses Verbrechens bezichtigt, ohne den Beweis dafilr erbringen zu können, erhält achtzig Peitschenhiebe. Der Ehemann kann die vier Zeugen durch einen fünffachen Eid ersetzen, jedoch steht es der Frau frei, sich durch denselben Eid zu reinigen, und wenn sie dies thut, ist die Ehe gelost.

Auf offenkundigen Ehebruch wurde bei den alten Israeliten über die beiden Verbrecher die Todesstrafe ausgesprochen, doch entschieden darüber die Gerichte, nicht etwa der beleidigte Ehe- raaim. Schon der blosse Verdacht auf begangene Untreue des Ehe- weibes wurde streng geahndet; leugnete die Verdächtige, so erhielt sie den ekelhaften Probetrank; gestand sie, so wurde sie gerichtlich geschieden imd der ihr zukommenden Morgengabe verlustig. Dem mosaischen, der Willkür eines eifersüchtigen Ehemannes Thür und Thor öffnenden Gesetze wurden später von den Talmudisten Schranken gesetzt. Der Ehemann konnte nur dann als Kläger auftreten, wenn er vor zwei Zeugen seinem Weibe den Umgang mit einem gewissen Manu verboten, imd sie dennoch nach Aussage zweier Zeugen einen solchen Umgang fortgesetzt hatte.

In Camerun soll Ehebruch in der Weise bestraft werden, dass der Mann zu einem namhaften Verlust an Palm- und Oelkemen verurtheilt wird, dagegen man das Weib unter besonders graviren- den Umständen der öffentlichen Schande prei.sgiebt. Auch muss der Vater der ungetreuen Tochter wohl die Hälfte der Kaufsumme zu- rückgeben, oder es treffen das Weib die Misshandlungen Seitens ihres Mannes. Die Niam-Niara aber bestrafen ehehche Untreue nicht selten sofort mit dem Tode.

Für Ehebruch bestimmte ein angelsächsisches Gesetz, dass der Verbrecher das Wergeid der Frau erlege und dem verletzten Gatten ein anderes Weib kaufe. In unseren Volksrechten herrscht aber wie bei der Entführung einer Verlobten die fränkische For- derung der Rückgabe der entführten Frau neben der zu leistenden Geldbusse.

unter den heutigen Völkern Europas sind es namentlich zwei, deren Damen sich in Bezug auf die eheliche Treue eines sehr wenig rühmlichen Leumundes erfreuen^ Das sind die Französin- nen und die Italienerinnen, Wieviel bei den ersteren die drama- tische und Romanliteratur dazu beigetragen hat, sie in einen solchen Ruf zu setzen, der vielleicht weit über das Thatsächliche hinaus- geht, das ist natürlich nicht möglich zu entscheiden. In Italien ist das sogenannte Cicisbeat so allgemein bekannt geworden, dass man sich, wahrscheinlich sehr mit Unrecht, eine italie- nische Dame ohne einen solchen Begleiter gar nicht recht vof-

59. Der Ehebroclj.

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zustelleu vermag, nnd noch mehr hat man sich getauscht, wenn man in einem solchen Verhältnisse sofort einen Ehebruch witterte.

Wenn es in jener Zeit zum guten Ton gehörte, dass sich die verheirathete Frau von einem Cicisbeo bedienen und begleiten Hess, welcher morgens bei ihr erschien, lun sich Verhaltungsmaassregeln für den Tag ertheilen zu lassen, so lag in diesem Verhältnisse nichts Unsittliches, wie wir etwa bei einem „Hausfreund" auch nur in beson- deren Fällen anstössige Beziehungen annehmen dürl'en. Es war dies ein dienender Cavalier, ein Vertrauter, bisweilen ein Geistlicher, andere Male ein Milchbruder der Dame. Namentlich dieser letztere galt wie ein Verwandter; denn die Milchbruderschaft versetzte die beiden von einer Amme Ernährten auch bei vielen Völkern in einen mystischen Rapport.. Cicisbeo hat die Bedeutung Galan, aber auch , Bandschleif e"; wie eine solche hing der Betreffende an der Dame, welcher er ergeben und zu Diensten war. Jetzt heisst im Italienischen Cicisbea eine Kokette.

Ob dieses Verhältnis« nun aber wirklich immer ein so unschul- diges ist, als welches es erscheint, das möchte doch die Frage sein. Mantegaesa, welcher seine Landsmänninen doch wohl kennen muss, sagt:

„Der Ehebruch ist eine so gewöhnliche Würze geworden, dass er in unsere Litei-atur, in unsere Sitten eindringt und auf den Bühnen unserer Theater dargestellt wird. Während wir una Monogamen nennen, sind wii- Polygamen und Polyaadrer zu gleicher Zeit, und in vielen anscheinend glücklichen und moralischen Familien hat die Frau mehrere Geliebten und der Mann ist der Geliebte anderer Frauen oder Weiber, welche die Liebe verkaufen. Der Ehebruch ist daher die nothwendige und erste Consequcnz, weil Männer und Frauen der aufrichtigen, freien, glühenden Liebe bedürfen, und wenn daher die Ehe dieselbe ausschliesst, so suchen Männer und Frauen sie anderswo."

Ein untrügliches Zeichen, dass die Frau es mit mehr als einem Manne gehalten hat, haben die Einwohner von Ambou und den Uliase-Inseln. Es ist dort Gebrauch, dass eine Frau die Nach- geburt schweigenden Mundes ziun Strande bringt und in das Meer wirft. Treibt dieselbe auf dem Wasser, so ist die Frau veri}fiichtet, es dem Ehegatten der Entbundenen mitzutheilen, der daran erkennt, dass seine Frau ihm untreu war. {Riedel.^)

Ueberhaupt ist die Zeit der Niederkunft, in welcher die Seele von Furcht und Baugeu erflillt ist, auch der rechte Augenblick, um das schiildbefleckte Gewissen sich regen zu lassen. So flihlt sich bei dem Beginne der Entbindung die Samojedin veranlasst, einer alten Frau alle die einzelnen Fälle zu berichten, in denen sie ihrem Manne die eheliche Treue brach, denn nur nach ge- wissenhafter Beichte kann die Geburt ohne Störung von Statten gehen. Aber auch selbst die Sünden der Vorfahren kommen in dieser kritischen Zeit au das Tageslicht. Das beweist ein abson- iderlicher Glaube, welcher auf den Luung-Sermata-Inseln herrscht-.

XII. Liel)e und Ehe.

Mau hält das lange Ausbleiben der Weben bei einer KreUsenden für den sicheren Beweis, dass deren Mutter früher unerlaubten Umgang gepflogen hat. (Riedel.^)

59. Das Helrathsalter.*)

Die sociale Stellung der Frauen, welche in innigstem Zusam- menhange mit der allgemeinen Gesittung eines jeden Volkes steht, ist sehr maassgebend für die Höhe des Alters, in welchem das junge Mädchen gewöhnlich heirathet imd in welchem die meisten Frauen gewöhnlich gebären. Das Klima imd der je nach klima- tischen Verhältnissen mehr oder weniger früh eintretende Geschlechta- trieb haben zunächst wohl auch in dieser Beziehung eine bestim- mende Kraft; allein die Sittengesetze sind nicht allein vom Klima mijidestenö nicht immer direct von demselben abhängig. Ja wir kenneu gewisse Völker, bei welchen die sexuelle Reife und der Geschlechtstrieb zwar von einer heissen Sonne frtih geweckt, aber von der kühlen Sitte mindestens in Bezug auf das Heirathsalter beschränkt und im Zaum gelialten werden.

Namentlich richtet sich das durchschnittliche Heirathsalter der Frauen bei einem Volke nach dem Werthe, den überhaupt die Frau für den Mann hat. Dort, wo letzterer sie lediglich zur Be- friedigung seiner Simieslust benutzt, wird insbesondere in warmen Zonen das Mädchen früh zur Ehe gelangen. Ebenso ab^ auch dort, wo die Frau dem Manne fast nichts anderes als ein nütz- liches und nothwendiges Hausthier ist. In letzterer Beziehung u;ilt sie ihm gleich einigen Stück Vieh, welche er tiir sie eintauscut: dann muss sie ihm aber wie eine Sclavin die häuslichen Arbeiten verrichten. Geläuterte Sitten heben bekanntlich die Achtung und den moralischen Werth der Frau; die Gemeinschaft mit ihr wird dann mehr zum geistigen Bedürfniss des Mannes; er wartet ihre geistige Reife ab und sucht sie erst später, als bei rohen Vötkem, ziu" Ehe. Dazu kommt, dass unter unseren modernen Culturvölkem die später eintretende Selbständigkeit des Mannes die Begründung eines eigenen Hausstandes häufig genug gegen Wun.sch und Willen verzögert, mid dass auch das von demselben zur Frau ge- wählte Mädchen oft mehrere Jahre laug bis zur Eheschliessung warten muss.

Dass man »sieben Jahre musonst freien '' muss. ist ja eine all- bekannte abergläubische Drohung, welche den Uuverheiratlieten gewisse unschiJdige Handlungen verbietet (z- B. die Butter anzu- schneiden, sich eine Kopfljedeckuug des anderen Geschlechtes auf- zusetzen u. s. w.). Dem Bearbeiter war aber in Berlin ein Ehe-

'} VergL Plofg U.

59. Dm Hdrathsalter.

JW5

paar bekannt, welches erst nach sechzehnjährigem Brautstaude so- weit gekommen war, sich heirathen zu können. Die junge Frau hatte ein Alter von 32 Jahren.

Allein auch der St^iat und seine Gesetze geben hei den Cultur- volkem eine Minimal- Grenze tlir das Heirathsalter an. Die An- schauungen der Staatsmänner und Gesetzgeber gehen, wie sich bei verschiedenen Gelegenlieiten zeigte, oft weit auseinander; man glaubte bald mehr die geistige, bald mehr die körperliche Reife berücksichtigen zu müssen; auch selbst die Aerzte sind in dieser Angt'legeuheit nicht immer gleicher Meinung. Dies veranlasst mich, eine ethnographische Umschau zu halten und zu untersuchen, welche Thatsachen und Schlüsse sich aus einer Vergleichung der Völker- schaften hiüsichtlich der bei ihnen waltenden Sitten und Gebräuche I bezüglich des Heirathsalters der Frau ergeben. Zuvor jedoch wollen wir uns mit demjenigen bekannt machen, was in cultivirten Staaten als das Gesetzliche betrachtet werden muss. Wenn wir die alten und die neuen Culturvölker mit einander rer- gleichen, so finden wir, daas mit der erhöhten Gesittung djvs Heirathsalter der Mädchen wesentlich hinauBgerückt wird. Bei den alten Indern scheinen die Mädchen früh in die Ehe ge- kommen zu sein; denn nach dein Gesetze des Manu passt fär einen Mann von 24 Jahren ein Mädchen von i<, für einen Mann von 30 Jahren ein 12 jähriges Mädchen. {Duncktr.)

Auch bei den alten Modern, Persern und Baktrern wurde für

»baldiges Verheirathen der Mädchen gesorgt, doch sollten die Mädchen, wie nach Vendidad XIV, 66 scheint, nicht vor dem 15. Jalire /-ur Ehe ge- geben werden. Ehelosigkeit aus freien Stücken wurde bei den M&dcheu, auch wenn sie nur bis zum 18. Jahre dauerte, mit den längsten Höllen- strafen bedroht, und es war den Mädchen vorgeschrieben, wenn sie das heirathsfähige Alter erreichten, von den Eltern einen Mann zu fordern.

Nach dem Gebote des Avesta gab es nur drei ünreinigkeiten , für welche eine Sahne und Reinigung eine Unmöglichkeit war. weder hier auf Erden, noch auch in dem jenseitigen Leben, Daa war, wenn, man von einem todten Hunde ass, wenn man den Leichnam eines Menschen ver- speiste, und endlich, wenn ein Mädchen bis in sein 20Rte8 Jahr noch nicht in die Ehe getreten war, Während bei den alten Griechen Lykurf) den Jünglingen vor dem 87. Jahre zu heirathen verbot, verlangte l^lato beim

f Hanne das 30., beim Weibe das 20. Jahr. Bei den alten Römern wurden die Mädchen zwischen dem 13. und 16. 17. Jahre verbeirathet. Eine Frau, die 20 Jahre alt geworden, ohne Mutter zu werden, verfiel schon den Strafen, die Auffustti» über Ehe- und Kinderlosigkeit verhängt hatte. (Eiscndecher.) Es war also das Alter von 19 Jahren die äaesorste Grenze für die Schliessung der Ehe in naturgemässem Alter. Die römischen Juristen stellten für Mädchen das 12. Jahr als dax der Pubertät fest (Marquardt), und zum Schliessen einer gültigen Ehe wurde dasselbe Lebensjahr bestimmt, doch fanden in späterer Zeit auch frühere Verheirathungen statt. FriecUänder und Bossbach zeigen nach Leiohensteinen. ie jung in der Regel Römerinnen gebaren. Wir finden bei den 6^>äteren Omern Angaben Ober das zur Verheirathung geeignete Alter. Aureiius odosius Macrobius sagt: „Naui et secundum .iura publica duodecimus Plot«, Dm Wilb. L t. Anfl. 25

386

Xn. Liebe und Ehe.

annnii ia femina, et quartua decimus in paero definit puberlatü actatom." Bei ülpiamu heisst es: „Justam matrimoniatn est, r;i inier eoa qai nuptias contrahunt, coonuLium est. et tarn mxscuias pubea, quam femina poiens Bit." Justinian verbot ehelosen Männern, eich eine Beischläferin su halten, die unter 12 Jahre alt war; es musste demnach nicht selten vorkommen, dass man so junge Concubinen hielt. Dio Cassius erzählt vom Kaiser Augtisivis unter anderem: Weil auch einige sich mit Kindern verlobten, nur um auf die Belohnung Verehelichter Anspruch machen zu k{)nnen, ohne doch den -wahren Endxweck der Ehe zu befördern, 80 verordnete er, dasa keine Verlobung Kraft haben sollte, auf die nicht wenigstens nach zwei Jahren die wirkliebe Vollziehung der Ehe erfolgen könnte, mithin die Braut wenig- stens 10 Jahr« alt sein mässte, wenn Einer jener Belohnung Hlhig sein wollte, denn man rechnet das 12. Jahr fHr das reife Alter zur Vollziehung der Ehe.

Die minder cultivirten, namentlich die in södlichen Gegenden woh- nenden Volker Europas haben den Brauch der frühen Verheirathang der Mädchen ziemlich allgemein. Ueber die Insel Minorca schreibt Cleghorn: „Die Mädchen werden zeitig mannbar nnd zeitig alt. Sie heirathen in einem Alter von 14 Jahren." Im südlichen Spanien finden Beirathen im Alter von 12 Jahren statt. (Fire//.) Bei den Mainoten, den Be- wohnern der Halbinsel Mai na in Griechenland, heirathen die Mädchen «chon mit dem 13. oder 14. Jahre, die Männer vom 15. Jahre ab. Schiil- bach berichtet, da^^s deshalb die Frauen mit einigen 20 Jahren schon ganx alt aussehen, aber trotzdem ein hohes Alter erreichen.

Die Mädchen der Wallachen heirathen nach Paget mit dem 13. oder 14. Jahre, verblühen aber rasch. Allein Czaploric» berichtet, da«-i sie schon im 12. Jahre heirathen, und die Zigeunerin schon im 12. Jahre Mutter wird. Schwicker bezeugt in seinem Werke über die Zigeuner in Ungarn, dass bei ihnen Mütt-er mit 13 14 Lebensjahren vorkommen. Die Moldauerinnen heirathen auch sehr frQh, und es ist nichts Seltenes, .Mädchen von 15 Jahren schon mit Kindern gesegnet zu Hehen. „Ans dieser Thatoache," sagt Seins, „dOrfte sich vielleicht die geringe Zunahme der Bevölkerung erklären, da eo viele nicht lebensfähige Kinder geboren werden." In Bosnien und der Herzegowina werden ebenfalls Mädchen mit dem 13. oder höchstens 15, Jahre verbeirathet. Ihre körperlichen Reize nehmen raxch ab. und mit dem 35. Jahre zählen sie meist schon zu den alten Frauen. (JSo*- kü^rics.) Ueber die Süd- Slavon berichtet Krauss^: „Im Allgemeinen heirathen Mädchen nach zurückgelegtem sechzehnten Lebensjahre, wann die Brüste KU Bch wellen beginnen." Auf die Frage: Mit wieviel Jahren ist ein Mädchen heirathsfähig? antwortete ein altes Mütterchen: „Sobald sie sich selbst einen Dorn auH der Ferse heranizuziebcn vermag." Zuweilen kam es vor, dos« man ein zehnjähriges Mädchen heimffihrte , doch sah man strenge darauf, das« sie vor ihrer Reif« mit ihrem Manne das Lager nicht theilte. Aber auch ältere Mädchen wurden öfter mit ganz jungen Burschen verbeirathet. In Bosnien, in der Umgegend von Larajevo, heirathen die Myulchen von 14 bis 20 Jahren. Di» Ruthenen in Ungarn (C^n/iforicv) pßegen die MOd- eben ebenfalls schon im 12. Jahre zu verheirathen, und in früherer Zeit ging fs damit noch viel ärger r.ü, indem nach Siirmay Mädchen von 5 6 Jahren verlobt nnd in die Wohnung des ihnen zugedachten Knaben gezogen wonlBB, wo sie bei den künftigen Schwiegermüttern schliefen, bis sie hemim*in<en. Nördlicher wohnende, wenig cultivirte Völker Europas zeigen «loli ganz anders. So heiruthen b».<ispii»lswei)«e die Estbinnen «ehr seMf^a in sehr

59. Das Heirathsalter.

387

jngentUicbem AlUr. In den Jahren 1834 59 wurtWo in der estbaischen Ötadtgeraeinde nur 4.5 Proc, in der Landgemeinde 11, ^ Proc. und in mehreren Kirchspielen 15.« Proc. aller Heirathen vor beendigtem 20. Leben^jabre ge- schloHsen. Wir finden hier ein VerbB-ltnies zwischen Land- nnd Stadtbe- wohnern, welche? darauf hindeutet, dass die BeBchllftignngsweiBe auf das Heirathsalter von Einflutss iai; andere Arbeit, andere Kost und andere Ge- sittung wirken in differenter Weise bei einer und derselben Rasse und bei gleichen kliiuati.-)chen Verhältnisaen.

Wajtpaetie berechnet als mittleres Heirathsalter aller Getrauten für die Frauen;

in Sardinien 24,42 io Norwegen 28,0$

England 25,9$ den Niederlanden 28,88

Frankreich 26,o7 Belgien 29,i4

Von 10,000 getrauten Mildchen standt^n in einem Alter:

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unter 20 Jahren

13.S9

2030

504

791

959

von 20—25

.5388

4009

3799

2962

2883

von 25—30

2069

2229

3469

3550

3144

von 30—35

695

970

1406

1649

1614

von 35—40

282

422

475

636

780

von 40—45

135

j 271

195

246

373

von 4.r»'-50

57

*98

106

159

über 50

35

69

54

60

**

*) In den Niederlanden und Belgien unter 21 Jahren und von 21 bin 25 Jahren.

Für ganz Oeaterreich und speciell filr Steiermark fand ich: Es heiratheten von je 10,000:

Fraaen

Oeaterreich 1860 1 1865

Steiermark 1860—1865

anter 20 Jahren

1656

1878

761

von 20—24

2584

2647

1908

von 24—80

2995

2783

3180

von 30—40

3065

1770

2890

von 40—50

600

581

1083

über .50

150

166

228

Fragt;!! wir nun, ob sich im Uiublick auf die bisher auge- ftlhrten Thatsachfn »üe Gesetzgebung der Augelegenlieit durch Fest- stellen eines bestimmten Heirathaalter-s und durch bewundere Vor- echriften annehmen soll, so iat zunächst hervorzuheben, dass nur von einigen idealistiBchen Socialisten jede Eiumischung des Staates auf die.nem Gebiete zurückgewiesen wird. So meint beispielsweise Jieich: , Da nach laut allen Gesetzbüchern der civilisirten Welt Leute

25

S88

"KIL Liebe und Ehe.

vor Eintritt ihrer Volljährigkeit zum Behufe der Eheschliessimg der Erlaubiiiss der Eltern oder ihrer Vertreter bedürfen, so muss durch Belehrung darauf liiugewirkt werden, dass ausserordentUche Fälle ausgenommen in unseren Breitengraden Niemand vor Zu- rücklegung seines 23., beziehungsweise 20. Jahres von seinen Eltern die Erlaubniss, eine Ehe zu schliesseu, ertheilt werde. Das Gesetz darf das von mir geforderte Heirathsalter nicht dictiren.' Schliesslich wünscht er das 15. resp. 18. Lebensjahr als gesetz- liches Minimum.

Allein in allen civilisirteu Staaten ging die Gesetzgebung von dem gewiss nicht unrichtigen Principe aus, dass einer das allgemeine Wohl der Bevölkerung schädigenden Willkür durch gesetzliche Be- stimmungen vorgebeugt werden müsse. Und da in cliristlichen StaSiten von jeher die Kirche bei Verheirathungen concurrirte, so finden wir, dass auch die kircldiche Gesetzgebung sich firüher der Sache annahm. Die reellen Verhältnisse forderten überall dringend zum legislatorischen Eingreifen und zu vorbeugenden Maassregeln auf. In der Wahl des zulässigen Heiratlisalters schwankte mau fireüich sehr.

Früher liess das kanonische Recht bei Eheschliessungen das Mädchen im 12^ den Knaben im 14. Jahre reif sein. (Gitzhr.)

Im Mittelalter konaten nach dem longobardischen, dem friesi- schen und dem sächsischen Rechte and auch nach dem Schwaben- spiegel die M&dchcn mit 12 und die Knaben mit 11 Jahren beirathen.

Das gemeine Recht in Preusäen bestimmte ehemald doa 12. Jahr als noch zolfissiges Heirathsalter fOr Mädchen, während nach dera Landrecht« der braunschweigischea Kirchenorduong und der Eheorduung fflr da» UroBsherzogthutu Baden M&dchen erat mit 14 und M&nner mit Jahnen h«irathen durften.

Di« Angelegenheit des Heirnthsalters kam vor einiger Zeit im Kflnig- reiuh Preubsen zur Discuasion, die ein besonderes Interesse dadurch gewährte, dass sich Aerzte für ein sp&teres, Joristen für ein früheres Htdrathsalter aussprachen, und dass damals letztere fllr die Gesetzgebung den Sieg duvon- tmgen und die soeben genannten Bestimmungen angenommen wurden. Da- gegen wird nunmehr für das ganze Deutsche Reich durch das Reichs- geMtx vom 6. Februar 1875 für MFinner 20, für Weiber 16 Jahre als Minimum de» Ueirathsalters festgestellt.

Ich glaube nun aber, darauf hinweiseu zu müssen, dass es immer etwas Missliches ist, för alle Individualitaten gleichsam schematisch das Minimum des fUr die Heirath befähigenden Alte« durch ein Gesetz festzustellen. Denn es kommen in der That nicht gar zu selten Fälle vor, in welchen die kr>rperliche Reife eines Mädchens schon frnh eintritt. Vtlr solche Fälle müsste doch ein ärztliche.s Guta< : -^anitätsbeamteo abzugeben) die Mög- lichkeit zur Di~, : ... ., Jiren. Freilich hat bei der er«4«n

Lesung jenes neuen Gesetzes der Jostisuünister ausdt^klich ge» bet - ' '"■ rensatiori ^^r geaotrl- *- Beetimmang

b«: 11 wir i doäi n ihen wie

59. Das

389

moralischen Rückaichten Ausuahmen durch ärztliche Begutachtung itlr zweckmässig halten. Denn im Volke, namentlich beim land- wirihschaftlichen und industriellen Arbeiter, wird von jugendlich Verlobten, wenn ihnen die Eheächliessung verboten ist, erfahrungs- gemaäs gar nicht selten ein ausserehelicher Verkehr eingegangen.

In eüiigen Provinzea des öaterreichiächen Staates ist da« heiraths- lUhtge Alter des veiblicbeo Geschlechts bis zum 15., dasjenige de« aiänn- lichen bis zum 19. Jahre hinauigeschoben. {John.)

In Schweden existiren Verbote des Eitigehenx zu früher Ehen, wobei aber den Lappenmüdchen bereits im 17. Lebensjahre die Verheirathung sprechend ihrer Früheren Pabertätsentwicketnng gestattet ist.

In Frankreich wurde in den Verhandlungen, des Staatsraths über bürgerliche Gesetzbuch einst das beirathsfilhige Alter auf 15 für den Jüngling, und auf 13 für das Mädchen festgesetzt. Napoleon I. änderte das aber in der Folge ab und setzte den Termin für die Ehestandsfähigkeit auf 18 resp. 15. Jahre, indem er bemerkte, dass, da nur für Einzelne eine Ehe im 13. oder 14. Jahre nicht von überwiegend nachtheiligen Folgen be- gleitet sei, es unpassend sei, durch ein Gesetz die ganze Generation in diesen Jahren zur Eingehung von Ehen zu berechtigen. {Malevüle.)

In England ist ,,the age for consent to the matrimony" 14 Jahre für das männliche, 12 Jahre für das weibliche Geschlecht. Jedoch ist eine unter diesem Lebensalter itbgeschJossene Ehe an sich nicht nichtig, viel- mehr nur noch unvollständig (imperfect) in der Weise, dass das zum Consens erforderliche Alter abzuwarten ist und dann, je nachdem der Consens erfolgt oder nicht, die Ehe ohne Weiteres gültig oder ungültig ist. Dies gilt jedoch nur für Ehen .Solcher, die unter 7 Jahre alt sind. Die Ehen von Kindern bis zu diesem Lebensalter sind ohne Weiteres nichtig. Bis zum Jahre 1866 ist eine Aendening dieses Rechtszu Standes nicht erfolgt, und man scheint mit demselben bisher zufrieden gewesen zu sein.

In London beiratheten wELhrend des Jahre.s 1861 35 MB^cben im Alter von 15 Jahren (10 Knaben im Alier von 16 Jahren).

Im ganzen russischen Reiche giebt es ein Landesgesetz, welches die Ehe mit M&dchen vor dem 16. Jahre verbietet, sogar bei Bibirienatrafe {Häntiscfu). Die russische Jungfrau in Astrachan hcirathet mit 16 18 Jahren. Da bei den Tataren der Bräutigam einen gewissen Preis den Eltern der Braut zahlen musa, aber die meisten Tataren unbemittelt sind, so beiruthen die Tataren (wenigstens nach Meyersohn die in Astrachan wohnenden) nicht sehr fn'Jh; das männliche Geschlecht nllmlich im 25. bis SO. Jahre, das weibliche erst im 20. Jahre. Allein manche arme Tataren, denen es um den erwähnten Preis zu thun ist, verheirathen ihre Töchter fast in der Kindheit, obgleich die Landesgesetze des russischen Reiches ihnen das frühe Heirathen verbieten. Die Kalmückin heimtbet mit 16 Jahren {Meyersokn). Bei den Tungusen hingegen soll man noch Georgi 12jährige Gattinnen antreffen. Unter den Chewsuren, einem tranekan- |tis eben Volke, wird nach Angabe des Fürsten J^rtrfotp das Mädchen zwar lon in den Kinderjahren verlobt, allein die H^irath findet erst im 20. 'Tjeben.sjahre statt.

Wir haben hiermit bereits den Uebergang gemacht zudenau.sser- popäischen Völkern. Hier treffen wir, wie wir sehen werden, nicht selten ganz ausserordentlich junge Ehegattinnen an. Es ist aber wohl nicht unnütz, hier daran zu erinnern, dass damit nicht für

59. Du UeiralbuaU

war, dl« geiueinäte Unzucht mit dem Kinde tfeibeo. Die Weiber sind ia Folge dessen meist unfruchtbar.

Die MUdcben der Chayma verheiratheu aich nach Huitiboldt mit 12 Jahren. Die Indianerinnen Brasiliens werden früh verheiiathet, «ind aber nicht sehr fruchtbar: v. Spix und r. Martius bähen Mütter von 20 Jahren, die schon 4 Kinder hatten; die Mädchen werden, wie diese bei- den Reisenden berichten, rwischen dem l(>. und 12. Jahre in die Ehe gegeben. Die Coroados-Indianerinnen {Biwmeister) gelangen wegen der frühen Verheiratbang im 14. Jahre nicht recht zu. Kräften, werden schnell alt und verlieren zeitig ihre Empfänglichkeit. Bei den Indianern in Surinam (Niederlilndisch-Guiana) treten die Weiber mit 12 Jahren in das heirathsiuhige Alter und verehelichen eich auch um diese Zeit. (Stedt- viann,) In der Republik Buenoa-Ajres gestattet das bürgerliche GeHetx, wie Mantegazia angiebt, den Mädchen mit 12, den Knaben mit 14 Jahren in die Ehe zu treten.

Auf der Insel Jamaika werden natch Lonp die Mädchen früher mann- bar und verwelken schneller, als in den nördlichen Gegenden ; sie verhei- rathen sich sehr jung und werden im 12. Jahre Mütter. Aehnlich ist es auf Trinidad nach Dauxion Lavayssi, Bei den Smu, einem mächtigen ludiancrstamiue im Moskito-Gebiete in Mitlelaraerika, werden die Mädchen im 10. bi» 13. Jahre zur Ehe gegeben, [de Orbigny.) Auf Cnba werden viele Frauen im Alter von 13 Jahren Matter und fahren fort bis in ilas 50. Jahr zu gebären.

Gleiche Verhältnisse fand man bei den wilden Volksat&mmen Nord- amerikas. Nach jRobei'twt gebaren von 65 Indianerinnen zum ersten Male :

im 10. Lebensjahre 1

11. 4

., 12. 11

.. 13. U

14. .. 18

15. .. 12

16. ,. 7

.. 17. 1

Auch Schoolkraft giebt an: »Diö Siou^- und Daco ta-Indiane- rinuen gebären schon im jugendlichen Alter; sie selbst wissen selten, wie alt sie sind; die Beobachter ihrer Bitten berichten aber, dass sie schon im 13. bis zum 15. Jahre niederkommen.* Bei den Delawaren und Irokesen werden die Mädchen meist mit 14 Jahren verheirathet. (I^oskiel.) unter den in den nördlichen Gegenden Amerikas wohnenden Indianern ereignet es sich oft, dass der Mann von 35 bis 40 Jahren ein 10- bis 12jährige8 Mädchen zur Frau nimmt; in Folge des frühzeitigen Heirathens sind die Indianerinneu des Nordens minder fruchtbar und können nicht so lauge gebären, als in südlichen Gegenden. {Samuel Hearne.) John Franklin sagt: «Die Indianer-Mädchen in den Forts, vorzüglich die Töchter der Canadier, dürfen sehr früh sich verheirathen; häufig sieht man Frauen von 12 und Mütter von 14 Jahren."

Bei den Indianern der Nordwestküste Amerikas werden die Mädchen sehr früh, oft bereits bald nach der Geburt verheirathet, aber erst im 12. bis 14. Lebensjahre wird die Ehe in Wirklichkeit gesclilossen.

Bei den Eskimos des Cumberland'Sundes werden Knaben und Mädchen »chon in früher Kindheit mit einander bestimmt. Die Knal>en

59. Das E«a

sind. Allein ich zweifle nicht, das« die eingeborenen Weiber von Neusee- land trüber aU die Frauen auBerer Rasae aufhören Kindes zu bekommen.*

Bei den Samojeden werden viele Frauen schon im 10. Jahre vor- |heirathet, and im 11. oder 12. Jahre Mütter; dafür seil jedoch selten eine tiianiojedin über SO Jahre alt werden. Auch die Frauen der Oetjaken heirathet bisweilen im 10. Jahre und bringen oft achon im 15. Jahre Kinder zur Welt. Ganz anders die Wotjäkinnen. die fast nie vor dem 22. oder 23. Jahre in die Ehe treten; denn daa Mädchen muss dem Manne folgen in dessen Haus und ihr Vater wQrde, wenn sie früher heirathete, zu früh eine Arbeiterin verlieren; der junge Mann müsste dann auch einen aehr hohen Kaufschilling entrichten. (Bttch.)

Die alten Chinesen, hielten, wie e^ scheint, ziemlich streng darauf, dass da« Heirathen in einer gewissen Altersperiode vorgenommen werde. Im 15. Jahre wird dem Müdchen (nach dem ungemein alten üesetzbuche „Li-ki") feierlich die Haarnadel, der Kopfputz der Erwachsenen, ortbeilt, im 20. Jahre heirathet sie, der Mann dagegen im 30. Jahre. Nach dem ..Kid-iii" fragte Ngai- kung Confucius: „Ich habe gehört, dass nach dem Brauche der Mann im SQ. und das M&dohen im 20. Jahre heirathen; warum heirathen sie nicht später?" Conftunus erwiderte: „Dies festgesetzte Alter ist das üuiiserste, dag nicht flberschritten werden darf; im 20. erhält der Mann den m&nnlichen Hut. ist Mann und kann Vater werden; im 15. legt das Mädchen die Haar- nadel an, und im 20. heirathet sie, wenn nicht eine besondere Ursache (die Trauer um die Eltern) die Heirath bis in's 23. Jahr verschieben llsst.'' {Plath.)

Bei den Chinesen ist nicht durch Gesetz, aber dui'ch Herkommen fest- gesetzt, dass Mädchen selten vor 15 Jahren in die Ehe gegeben werden, Männer nicht vor dem 20- Lebensjahre heirathen! (r. ModUndorf.) Man hat oft übertrieben, wenn man sagte, .dasa die Chinesenmädchen schon im 6. Jahre heirathen. Wahr ist, dass oft schon in diesem Alter die Heiraths- contracte abgeschlossen werden und do^^ junge Mädchen auch schon in das Haus ihres Eheherm eintritt. Allein wirklich geschlossen wird die Heirath nicht eher, bevor nicht das Mädchen völlig entwickelt ist, d. h. erst nach dem 12. und 13. Jahre. Die Ehen werden in Peking nach iVforac/*«'« Be- richt aehr frühzeitig geschlossen, nicht selten schon in der Kindheit der Individuen, in welchem Falle die Verbeiratheten so lange im Hause der Eltern verweilen, bis die Geschlechtsreife bei ihnen eingetreten zu sein scheint. Bei vielen Indochinesiunen und insbesondere den Japanerinnen echliesst man die Eben später, doch immer noch allzu früh, denn in allen diesen Ländern sind die Frauen früh verwelkt. Nach den Begriffen jener Leute muss ein Weib nchon im 15. Jahre Mutter sein. [Uureau de ViUewHve.)

In üochinchina heirathen die Frauen der niederen Stände allerdings bisweilen schon im 7., oft aber auch erst im 20. Lebensjahre. In keinem Theile Asiens schreitet man so spät zur Ehe, als in Cochinchina. (Crawfurd.)

Mondicre^ sagt über die Einwohnerinnen von Cochinchina: ,Sur 440 Annamites ayant accouche, le premier eafant est venu ^ 20 ans 6 mois; sur 15 Chinoises ayant accouch^, le premier enfant est venu ä 18 ans 10 mois; eur 40 Minh-huong ayant accooche, le premier enfant est venu ä 20 ans 9 mois; et sur 45 Cambodgiennes ayant accouch^, le premier enfant est venu ä 22 ans 6 mois."

Die meisten malayischen Mädchen an der Südwestküste der malay- i sehen Halbinsel werden nach Jsabella Jiircl im Alter von 14 15 Jahren verhei- rathet. Gehen wir über auf die Inseln des Ostindischen Archipels, welche zumeist ebenfalls malayisfche Völkerschaften bewohnen. In Java, wo

aUüM Manue vCTheirathel war ; es« wurden ihr noch ujidc*re Franoa von 10 bis 12 JahrKO gezeigt. Auoli der Arr.t Titus Tobler kannte eine Fmu in Pal&atiDa, velcbe im 13. .lahre geburen hatte, und eine andere, eine elf- jährige Jüdin, welche schon «eit zwei Jabren menstnuti und seit l'/a Jähren rerheirathet war. Bei den Samaritanern p&egen sich die Knaben in ihrem LS. oder 16. LebGoejahre, die Mädchen im 12. oder noch Irüher zu verheirathen.

In Syrien sollen, wie man allgemein meint, die MtLdchen t'rUher aU bei uns reifen; die» ist jedoch, wie der Missionär Rof/aon sagt, ein Irrthum. Der Grund tn dieser Behauptung liege darin, da«» die Mädchen allerdingn dort früher heirathen . allein sie werden gewöhnlich schon vor dem Eintritt der Pubertät verheimthet. In jedem Alter des Mädcheni* ge< schiebt das von 10 Jahren aufwärts, doch ist es am häufigsten im 13., 14. und 15. Jahre; und die grösste Zahl der Neugeborenen werden 2, 3 oder 4 Jahre nach der Verheirathung geboren. Man hält oe bei der Jugend der Bräute dort nie für walimcbeinlich, dass, wie bei uns. ein Kind »chon im ersten Jabro. nachdem die Ehe geschlossen wurde, geboren werde. Jiobson glaubt, dass im Pnbert'ätsalter wenig Unterschied zwischen Syrien und Irland sei.

Die Weiber der Banjaneeeu auf Borneo heirathen bereits im 8. oder 9. Jahre; im 20. aber hOren sie schon auf, Kinder zu zeugen; dass im 30- noch eine Frau schwanger geworden w&re, ist ganz unerhört. (Finke.) Bei den Alfuren auf Celebes geschieht die Verheirathung der Mädchen in ibrora 14. Jahre oder selbst früher, ,/agor berichtet, dass bei den Bicolindiern (Philippinen) die Fi*auen selten vor dem 14. Jahre heirathen; 12 Jahre ist der gesetzliche Termin. Er fand im Kirchenbuche von Polangui pjne Trauung verzeichnet, bei welcher die Krau bei Vollziehung der Ehe nur 9 Jahre 10 Monate alt war. Die Europäer auf Celebes nehmen 12- bis läjfihrige junge Mädchen der Eingeborenen als Concubinen zu sich und befolgen hiermit eine Sitte, die daselbst ganz allgemein ist und nicht für anatÖBsig gilt. Die Mincopie, d. h. die Eingeborenen der Andamanen- Inaein, scheinen ihre TSchter früh za verheirathen. Einem Brabminen- Sträf- ling, welcher im Jahre 18S8 zu ihnen entfioh und die ersten Nachrichten von ihrer Lebensweise mit zurückbrachte, gab ein And umane seine Tochter von 20 Jahren und wiederum deren Tochter von 9 Jahren, seine Enkelin also, gleichzeitig zur Ehe. Mutter und Tochter fügten sich willig in ihre Pflichten. Auf Ceylon pflegt, wie Robert Percival im Anfang des Jahr- hunderts berichtete, das Mädchen schon im 12. Jahre in die Ehe zu treten, und dies frühzeitige Heirathen wird als Grund des raschen Verblühen» der Weiber betrachtet. Eine ausserordentlich frühe Verheirathung findet nicht minder bei den Hindu statt. Dort wird nämlich die Ehe geschlossen, wenn der Knabe 7 10 Jahre alt, das Mädchen aber, wie Eoer angiebt, 4 6 Jahre, wie mir jedoch Missionär Beierlein vorsicherte, 8 Jahre alt ist. Man thut dies nicht deshalb, weil dort die Geschlechtsreife der Mädchen um so viel früher als bei uns eintritt, denn nach BeierJetn kommt die Menstruation in Ostindien nicht früher als bei uns zum Vorschein, und nach Hotr beträgt der Unterschied zwischen hier und dort hinsichtlich der Geschlechtsreife höchstens zwei Jahre. Die Sache beruht vielmehr auch hier auf einem althergebrachten geheiligten Gebrauche. Nach den Heirathsceremonien kehrt nämlich die Braut in das Haus ihrer Eltern zurück: erst wenn nach einigen Jahren die Menstruation eintritt, wird da» Mädchen unter Veran.staltung einer Öffentlichen Festlichkeit mit ihrem Knabengatten vereinigt. Sie wohnen sodanu im Hause ihrer Eltern. So hat

XIL Liebe und Ehe.

es denn nach Korr Beispiele gegebeii, wo in «in and derselben Schale Vi and Sohn in verschiedenes KJassen »a«9en. Diese AngaDen beziehea Mif Dekan. In Unterbengalen hingegen findet nach RdberUm . wie wir später sehen werden, die Begattung Ecbon vor dem MenBtraaüoaseintiiti etatt In Calcntta herrscht, wie AUan Wdib berichtet, unter den Hindn allgemein die Sitte, die Kinder frShzeitig zu verheirathen, und wird dem Vater als ein dem Kindenuord analoges Verbrechen angerechnet, wenn «öne Tochter im elterlichen Hanse menstruirt wird; daher werden die Kinder im 8. bi« 10. Jahre verheirathet, selten aber (unter 80 Fällen 28 mal) gebären die Frauen vor erreichtem 14. Jahre. Nach .Angabe des Hauptmanns Best aas dem Jahre 17gS erw&hlen die Mädchen zu Madras, wenn sie sich vor dem 12. Jahre, in welchem sie oft schon mannbar sind, nicht verheiTathen können, das Los eines Kebsweibe« oder eines Freudenmädchens. Dies ist aieht ganx richtig. In der Ka«t« der Vornehmen ist es nämlich herkOmmUcb, keia Hädehen zu freien, welches älter ist als 14 Jahre; ist nun ein Mlidclbesi 1& oder 16 Jahre alt geworden^ ohne dass sich ein Freier für sie gefutden hätte, so weiht sie sich dem Tempeldienst der KalioA^x heiligen Matter (Bkaioani), sie wird Mozli , weibliche Priesterin . und hiermit som verwor* fensken Geschöpfe des Landes. Unter den Vedas (südindiache Sdaven* käste) pflegen die Männer bei der Heirath 15 16 Jahre alt m «ein. die Mädchen 7 9 Jahre; sie cohabitiren aber mit ihren Mannen sdioa ror dem Eintritt der Geschlechtsreife (Jagor).

Unter den Bewohnern Centralasiens wird es mit dem HeirathiKltw der Tochter sehr verschieden gehalten. Die Afghanen pflegen die lUd' chen im 15. oder 16. Jahre in die Ehe su geben, doch trifft man aneh nicht gar selten 25jährige Jungfrauen. (Mounstuart-Elp^nstone.) Dogegon bedrathcB bei den Durahnern. einem die Berge Afghanistans bewohnenden StamoM, die Mädchen im 14. oder 16. Jahre. Bei den Kafir- Stämmen am Hinda- kash ist das Heirathsalter der Mädchen zwischen 15 20 Jahren. Die wilden Bewohner Central -Indiens (imBusthar) verheirathen ihre TOehter mit 15—17, die SOhne mit 14—24 Jahren. {GUufmrd.)

Nicht ohne Eiafluas auf die Sitte des frflhea Verhetrathens im Orieiit aiOgen die religiösen Institutionen gewesen sein, die in GemeinselMfl mit dea .klimatischen Einflössen ihre Wirkung äosserten. Die Heiiath gdMtft (nach Si Khdii) unter die religiösen Pflichten der Mohammedaner, und aüi dem 10. Leben^ahre ist es allen Mohammedanerinnen erlaubt, die Ehe esa- zagehen, d. h. mit etwa 9*3 Jahr«-n unserer Sonn'enrechnung. JfittisismJ, weldier am jeden Preis seine Anhänger schnell vermehren wollte, hatte dabei Tocent aar an das «fldÜebe Arabien gedacht; er wnsste aber aädbi, daas bei den Völkern der aaderen Lladcr die GeeeUaehlareüis spiter aaf- tritt, als dort. Die Araberinaea reifiBB aber jcdcafiük frSber; aadi die- Jenigaa, weiche in Afrika IdMa. .Eüae Araberin,* sagt Bmtt, «.g^ieii ■ehon im II. Jahre Kiadec, kflrt ab«r aacii schon im 20. Jahn viador aaf; ihre Zeit betxigt also aar 9 Jahte.' Später setd er Unsn« da« di» TTTwirr auf der afrikaalsehea KSste des arabischen

arabisohea Fiasea die abjssiaischea Middw

di«

ftOba Baitmiba der

Geld kauft, weil diese Hager Kinder gablim.

Wie im Oneni Ibechauiii, so aaaeatlich nach in Persiea Braneh: PbM btrichtal* Waba^maag. da« ta Teheran dasMäddMB («wAhalieh seboa im IS,. 14. Jahre, in Schirat «ogar •ehon hkatf 4tm ISL Jahr* SiaUcr Kr sagt: .In weniger bemtUeltesi Familiao tsadkteC naa daaacb. die Toebt«

59.

897

I

I

Kclion in ihrem 10. oder 11. Jahre tu verheiratheu; mir siod Fälle be- kannt, düna nach erkauftem Dispens des Prietiters die Verheiratbung schon ini 7. Jahre stattfand; in guten Häusern jedoch werden die Töchter erst im AlUtr von 12 oder 13 Jahren ausgestattet. Gesetzlich soll das Mädchen erst nach erlangter voller Pubertät heirathen, d. h. mit eich einstellender Men- struation, und wenn Scham- oder Achselhaare zu keimen beginnen, ähnlich Aar oiotiaiBchen Vorschrift, doch hält man sich in den ärmeren Elaüsen nicht daran, sotidem erkauft den Dispens von einem Priester. Ks heirathen Mäd- chen mit noch unentTvickelten Menstruen und ganz platter Bru&t. jedoch ent- wickelt sich beides in der Ehe rasch. Wie mir versichert wurde, komnieu Fälle von Schwaagersohaft vor, ehe noch die Menstruation «ich eingestellt hut.'^ Aus Nordpersieu, insbesondere aus der Provinz Gilan, berichtet Hüntzaviif: Wenn auch mehr als die Hälfte der Mädchen zur Zeit der Pubertät, d. b. im 14. Jahre, heirathet, so wird doch noch eine sehr grosse Menge M&dchen schon zwischen dem 10. und 14. Jahre verheirathet. Auch die Mädchen der Kurden, jenes Barbarenvolke:;, das in manchen Gegenden West- und Nordpersiens wohnt und in den Euphratländern, Syrien und Kleinaaien nomadisch umherstreift, heirathen nach Wagner zwischen dum 10. und 12. Jahre.

Diosen westasiatischen VMkemschliessen sichdieNordafrikaaer an. Die Weiber der Fezzaner haben nach Capitän Xi/ot» im 12. und 13. Jahre Kinder und gleichen im 15. und 16. Jahre alten Weibern. In Tunis findet nach O-iovaimi Ferrini zu frühe und zu häufige Begattung statt, und iht die« unter anderen KinäQ^^sen eine Ursache, dass die Bevölkerung nicht zu-, sundern abnimmt. In der Sahara von Algerien giebt es ein Volk, die Beni Mezab, welches seine Töchter nach Dueeyrier's Bericht sehr früh ver- heirathet; ea giebt unter ihnen Mütter von 12 Jahren. Unter den Kabilen (zur Berber-Kasse gehörig) werden die Mädchen schon im 6. Jahre ver- sprochen, nnd sie heirathen «wischen dem 10. und 12. Jahre. Diese frühe Heirath scheint keinen so nachtheiligen Einfluss auf die knbilischen, wie die arabischen Frauen zu üben, indem nach Leckre erstere nicht so schnell zu altem scheinen, als letztere.

Die Aegypterinnen verbeirathen sich im Alter von 11 bis 13 Jahren. {Hartmann.) Das frühe Dahinwelken der ägyptischen Frauen, wie der Morgenländerinnen überhaupt, schreibt Frau r. MinutoU dem früh- zeitigen Heirathen zu. Die Kopten verehelichen ihre Kinder schon im 7. oder 8. Jahre, und man sieht bei ihnen oft Mütter, die er^t 12 Jahre alt sind. In Oberägypten verbeirathen sich nach Bruce die Mädchen selten nach dem 16. Jahre, und einige, die er schwanger sali, waren ihrer Aussage niich kaum II .Fahre alt; sie 'sahen aus wie eine Leiche und waren in ihrem 16. Jahn? iilter, als manche Engländerinnen in ihrem 60. Jahre. Klunzintfer berichtet, dass in Überägypten Knaben von 15 18 Jahren Mädchen von 12 14 Jahren heirathen, und fügt hinzu, dass solche in unseren Augeu ver- frühte F.hen (dort obendrein zu etwa zwei Dritttheilen zwischen Geschwister- kindern geschlossen) doch in Bezog auf den Kindersegen keine üblen Wir> kungen wahrnehmen lasaen.

Wir wenden ans nun zu den übrigen Völkern Afrikas. Die Unsittr

[der Aegypter. Mädchen von 6 8 Jahren zu verbeirathen, findet unter den

braunen Leuten zu Mensii nicht statt; unter 14 Jahren wird hier aelKn

ein Mildchen ehelichen; in dii'tem Jahre ist es aber völlig «•rwachsen. {Brehm.)

>ie Frau bei den Scbaugalla, welche augeblich mit 12 Jahren schon

lehrere Kinder geboren bat. wird nach dem 20. Jah^e selten Mutter, und

Xn. Liebe and Ehe.

hat mehr Runzeln ala eine SOjilhrige Europäerin, unter den Agow, einen] VolkfiBtamme im Süden Abyssiniens, werden die Mildchen schon im 9. Jahre mannbar, heirathen meist im 11. Jahre, hören aber schon im 30. Jahre auf, Kinder zu bekommen. Die Frauen der Abyaainier werden in der Reg^el ungemein jung verheirathet ; Rüppell berichtet von einer lOjIlhrigeu Fmu; das Alter dee Mannes kommt bei keiner Ehe in Berück- äiehtigung, und sehr alte Männer hdrathen oft ganz junge Mädchen. In Keradif. das tief in Ab>-esinien liegt, fand einst der Misaionilr Httrn eine sonderbare Aufregung: es war plötzlich der Befehl erlassen worden, dass alle Knaben über 14, alle Müdchen über 9 Jahre alt binnen 14 Tagen heirathen sollten ; die Uebertrctung dieses Gesetzes sollte mit Geld eventuell durch Peitschenhiebe bestraft werden: die ganze Bevölkerung feierte dem- nach grosse Hochzeitsfeste, und überall sah man kleine Bräute und Bräuti- gams. Unter den Bedu^' in den Habab- und Bogos- Ländern erfolgt nach Mu7uiiiger die Verheirathung d<-'t* Mädchens bisweilen im 12. Jahre, doch la der Kegel später. In Masaaua heirathen, wie Mitiisingcf angtebt, die Mäd- chen im 12., die Jünglinge im 17. Jahre. Nach Brehm ist in Massaua die Sitte, die Mädchen früh eu verheirathen, als Ursache der Cnfruchtbarkäit der Weiber zu betrachten. Auch bei den Sudanesen verheirathen sich nach Brehm's Mittheilungen die Mädchen von 12^14 Jahren, die Knaben von 15 Jahren, Die Mädchen in Nubien heirathen nach Ähbadie regel- mässig mit 12 Jahren; sie heirathen aber auch wnhl im 10. Jahre, und lange bevor die Menstruation eintritt werden sie schon gekauft und zum Beischlaf benutzt. In Siidnubien heirathet man auch nach ifm//w/^' nehr jung: Ehe- paare iin 15. bi.'i 17. Lebensjahre sind keine Seltenheit. Die Somali, die an der KQste des Meeres wohnen, lassen ihre Mädchen schon von den 13. Jahre an heirathen.

An der Goldküste werden die Heiratheu sehr frühzeitig ge- schlossen, {(^ruickshank.) Bei den M'Pongo an der Kflste von Nord- Guinea pflegen die Mädchen zwischen dem 10. bis 12. Lebensjahre in die Ehe zu treten. (Ut/acinth Ilecquard.) Das Negervolk der Egba in Yoruba, einem Lande zwischen dem Golf von Benin, dem Niger geg«n Osten und Borgu im Norden, verlobt seine Töchter zeitig, doch finden die Verheiraihungen selten vor dem 18. bis 20. Jahre statt. (Burton,) An der Sierra-Leone-K&ate bei den Susu, Mandingo u. s. w, werden die Mädchen schon vor ihrer Geburt verlobt, die Uochzeit wird jedoch selten oder nie vor dem 14. Jahre vollzogen; auch erinnert sich Winter- boUom nicht, in diesem Thelle von Afrika je eine Hchwangere Frau gesehen EU haben, die nicht bereit« dieses Alter erreicht gehabt hi'itte. Eine früh- zeitige Verlobung der Mädchen Sndet auch in Okl-Calabar. numenUich bei den höheren Klassen, statt, bisweilen schon wenige Tage nach der Ge- burt derselben, und zwar nicht »elten mit einem Manne in den mittleren oder höheren .Tahren. Mitunter bat ein Mann, der schon einf Anzahl Weiber hat, einen Säugling von 2— *d Wochen alt auf seinen Knieen und küsst und herzt dos Kind als sein ,neues Weib". Im 7. oder 8. .labre wird da« Mäd- chen zur Vorbereitung vor der Ehe in einer von der ötadt entfernten Farm gemästet; dann lebt sie noch ein Paur Jahre frei unter den Weibern ihre« Gemahl». Bei den Negern in Oabon wird da« Mädchen oft »ohon im 10. Jahre verheiratliot, wie Oriffon du Bellay augiebt; im 14. Jahre Ist dann solch ein armes Geschupf Mutter und im 20. Jahre ein altea Weib. Allfita noch den Berichten, die Itoberton einzog, finden bei den Negern die Ge- burten im Allgemeinen selten früher ala im 16. Jahre statt; dorchschnitUicli

59. Das Heiräth salter.

399

Hollen hiernach die Negerinnen ebenso früh und ebenso spät gebären, wie die Europäerinnen. Dagegen fand Du CliaiUu, dass diu Aschira in WcBtafrika mit der Verheirathung nicht erst abwarten, bis da« Alter der

L Pubertät eintritt.

Bei den Eaffern beginnt, schon der I4j9,hrig8 Jange sich nach einer

'Dirne umsuKchauen, die er heimthen kann. Da« junge Amaxosa-(Kaff er-) Mädchen wird bei Eintritt ihrer Mannbarkeit feierlich für heirathäfähig er- klärt. Bei dem hierbei begangenen Fest geniesst sie das flbliche Vorrecht, mit einem von ihr erwählten Gefährten, gewöhnlich für 2 4 Tage, zusaui- menznleben. Die heirathalustigen, menstrolrten Mädchen tragen das Kopf-

ihaar in Nestfonu zusaoimengewunden. Es ist unter ihnen der Probe-Coitus eingeführt, bei dem jedoch der junge Mann das Mädchen nicht schwängem darf, wenn er sich die Entscheidung der Wahl vorbehalten will. Sol)ald 1>ei den Basutho die Kinder das 14. .Tahr erreicht haben, denken die Eltern »n eine Heirath. {Casalis.) Allein die Mädchen der Basutho heirathen nicht 60 frQh, als man es von dem südlichen Klima erwarten sollte; erstens ist es in ihrem gebirgigen Lande nicht so warm, wie im übrigen Afrika, an- derentheils suchen die Väter ihre Töchter recht lange auszubieten, um einen grös- seren Preis zu erzielen. (Uolb'inder.) Andere Betschuanen-Mädcben werden [«benfall» durch Ceremonien bei Eintritt der Menses für heirath«fJlhig erklärt: ,12 oder 13 .Tahre ist wohl ein ganz gewöhnliches Alter für die Verheiia- thung,* doch läsat sich dieses Alter selten genau angeben. Bei den Ovah- Herero braucht das Mädchen zum Heirathen nicht älter als 12 Jahre zu sein. Unter den Hottentotten werden schöne Mädchen nicht selten schon mit dem 8. oder 9. .lahre verheirathet. {JJamberger.) Die Mädchen der ' BuschmäBner werden sogar im 7. .lahre verheirathet, und bisweilen mit 12. ja mit 10 Jahren Mütter. {BurcMl.) Die Frauen der Boers in Süd- afrika heirathen gleichfalls sehr jung, zu cmer Zeit, wo der Körper kaum Zeit gehabt hat, sich zu entwickeln, daher haben sie auch eine sehr kurze, durchschnittliche Lebensdauer. (Fritsch.) Auf der Insel Madagaskar treten nach den Angaben des Hieronymus Megiacerus aus dem Jahre 1609 die Mäd- chen der Eingeborenen im 10. Lebensjahre in die Ehe, und die jungen Männer ebenfalls schon mit 10 bis 12 Jahi-en.

Aehnlich wie die Frauen der Boers sollen nach ZieijUr auch die 'Damen der Vereinigten Staaten Nordamerikas sehr frühzeitig sich verehe- lichen, «daher ereilt sie dns schonungslose Alter früher, als dies bei den Fmaen in Deutschland der Fall ist."

Unter allen Schriftstellern, welche unserem Thema ihre Aut- [merksamkeit gewidmet hahen, beschäftigte s\ch Roberton in Man- chester am genauesten mit dieser Angelegenheit. Unter anderem schrieb er einen Aufsatz : „Early Marriages so common in oriental Coantriefl uo proof ol' early Puberty." Hier brachte er verschie- dene Angaben über »Spanien, Griechenland, Rnssland u. s. w. bei und gelaugte zu folgenden Sätzen:

,,Id England, Deutschland und dem übrigen protestantischen Europa ist frühes und vorzeitignM Heirathen selten. Frühe» Heirathen waltet hingegen unter jenen unciviliHirtcn Volksstämmen vor, welche in der arktischen Zone umherschweifon. Auch im europäischen Russland ist ein besonderes früh»'» V«!rheirttthen gebräuchlich. luftbesondere pflegt man in allen Staaten Europas, in welchen Aberglaube und Unwissenheit ben- [»chen, die Mädchen früh zu v^rheirathen, vorzugsweise ist bei der römisch-

und Ehe.

kiitholüscbra Bevölkerung Irlands trOhes Heirathen Sitte. So ist denn Oberhaupt da« frühe Verheirathen nur durch die Rohheit der Bevölkerung und nicht durch das Klima bedingt. Auch in den Gegenden des Orients, in welchen t'ruhea Heirathen stattfindet, steht diese Sitte anter dem EinSuase moralischer und politischer Zustände. Anstatt nun aber das frühe Heirathen, welches in Asien heimisch ist, der roneiti^ Pubertät zust-hreiben zu wollen, sollte man mehr als bisher durch moralisc und gesetzliche Mittel gegen diese Gewohnheit einschreiten.'*

Wir können in dieser Beziehung den Ansichten lioberton's Töllig beistimmen, wenn er die socialen Zustände als vorzugweise maassgebend in den Vordergrund stellt. Allein die Angelegenheit hat nicht bloss eine sociale Bedeutung, sondern auch eine sanitäre, und wir müssen die Frage aufwerfen : welchen Einiluss haben diese frühzeitigen Heirathen auf den Organismus der Frau? wie wirken sie auf deren physische Gesundheit und auf deren Lebensfähigkeit ein ? welchen Einfluss haben sie auf die Fruchtbarkeit und auf die Lebensfähigkeit und die Gesundheit der Nachkommenschaft?

Vor Allem ist es eine in ärztlichen Kreisen anerkannte That-^^ Sache, das» (wenigstens bei den Frauen der civilisirten Volk« Europas) der Uterus und die Ovarien durchschnittlich bis in dap 20. Le]>ensjahr fortwachsen und sich entwickeln, und dass sie erst von da an für ihre Functionen vollkommen reif und denselben ge- wachsen sind. Ohne Zweifel kommen auch bei uns frühreife i'iduen vor, bei welchen der physiologische Entwickelungspi

chneller durchlaufen imd früher beendet ist ; allein immerhin sind 'solche Fälle als Ausnahmen zu betrachten ; die bei weitem grösste Mehrzahl weiblicher Individuen ist erst im 20. Jahre mit der völligen Ausbildung der inneren Sexualorgane fertig. Sie können demnach erst von da an ohne Nachtheil und in entsprechender Weise ihrer sexuellen Bestimmung genügen. Vorzeitiges Fuuctic uiren könnte in zweifacher Hinsicht Gefahren mit sich bringen;! 1. durch eine Schädigung des noch unreifen Körpers, 2. durch Pro- duction eines schwachen und wenig lebensfähigen Geschlecht;.

Während namentlich in neuerer Zeit mehrere englische Aerzte auf die Thatsache hingewiesen haben, dass schwächliclie und reife Individuen eine uukräftige Generation hervorbringen, hab< von jeher die Mediciner, z, B. schon Leake, behauptet, dass Frauen- zimmer, die sehr frühzeitig Mütter werden, selten gesund sind bald verwelken. Das zu friihe Heirathen erzeugt nach Lenke beü ^fveiblichen Geschlecht nicht selten Lungenkraünkheiten, und ii )esondere tritt bei vorhandener Disposition nach einigen oder luehH reren Kindbetten Phthisis ein. Wir überlassen die ünterauchui dieser Frage der rein medicinischen Literatur, und wollen hier ni ein paar gynäkologische Controversen berühren, die ein beaonderM ethnograpluscbes Interesse beanspnichen.

Einen wichtigen Beweis dafür, da-ts'die frühzeitige Aul ^

Geschlechtstriebes die gcschlwhtliclie Entwickelung zmtit

59. Dua Heirathsalier.

401

liefern die Angaben Roh&rtons. Nach ihm treten die Mens«'s bei den Hindu, unter welchen Kinderheirathen sehr gebräucMich

Rind, schon früh ein. In den Tabellen, welche Roherton raittheilt, finden sich viele weibliche Individuen verzeichnet, welche Schon mit 13, 12 und 11 Jahren niederkamen, eins sogar .schon mit 10 Jahren.

1 Roberten gelangt durch vieltaltige Vergleichungen zu dem Schlüsse,

'dass die frühe Keife und Conception der Hindu- Weiber namentlich in C a 1 c u 1 1 a nicht im Klima, sondern in dem frühen Heirathen und der herrschenden Sittenlosigkeit überhaupt ihren Grund habe. Zur

I l^nt^rstützung dieser Meinung weist Rofurton insbesondere darauf hin, dass Demerara und die Westindischen Inseln eine höhere mittlere Jahreswärme haben, alsCalcutta und Dekan, dass aber dort die Negerinnen nicht früher menstruiren, als die Bewohnerinnen Englands.

Es ist nach Kussmaul die Thatsache wichtig, dass unter dem- selben Klima und bei demselben ^''olke die Menstruation bei den Mädchen der grossen Städte, deren Geschlechtstrieb durchschnitt- bch frühe erregt wird, früher eintritt, als bei den Landmädchen. Doch mögen zu dieser Diiferenz im Menstruationseiutritt wohl auch noch andere, die Lebensweise der städtischen und ländlichen Be- völkerung treffende Einflüs.se mitwirken, als lediglich die frühe oder späte Begattung oder überhaupt die Erregung des Ge^chlecbts-

itriebes.

' Dass die Reifung der Eier (Follikel) am Eierstock durch Rei- zung der Geschlechtstheile gezeitigt wird, scheinen die Experimente Coste's an Kaninchen darzuthun, und Coste selbst deutet darauf hin,

[dass vielleicht auch der Ooitus die Berstung der Eierstocksfüüikel befördere, die ohne Coitus nicht eingetreten sein würde.

Aber es giebt auch Ausnalunen von der Regel, dass früh- zeitiger geschlechtlicher Verkehr den Eintritt der Menstruation be- schleunigt. Denn Scherzer führt an, dass unter 50 chinesischen Frauen, welche zwischen dem 1 7. und 20. Jahre geheirathet und mit Ausnahme einer einzigen sämmtlich Kinder geboren hatten, sich nur zwei befanden, die mit 17 Jaliren bereits menstruirt waren, während bei allen anderen erst mit dem 19. Jalire die Regel eintrat. Wer sich der Mühe unterzogen hat, die obigen Notizen über das Heirathsalter durchzulesen, der wird wiederholentUch Bemer- kimgen gefunden haben, aus denen die Schädlichkeit des vorzei- tigen geschlechtlichen Verkehres flir den weiblichen Organismus wenigstens für eine Reihe von Fällen zur Evidenz erwiesen ist. Auch begegneten wir Kotizen, wo direct eine Verkürzung der Leben.s- dauer ftfr die Frau behauptet wurde. Ausserdem a]?er ist es in hohem Grade wahrscheinlich, dass das verfrühte Mutterwerden im Allgemeinen die Geburten sehr erschwert. So wird unter Anderem von Itoherton berichtet, da.sa das jugendliche Alter der Mütter in Hindostan gewöhnlich die Ursache schwerer Gebiu-ten sei. Und

Ptehon im Jahre 1798 schrieb Fra Paolino da San Barthohmeo

Ploti, Dm W«lb. I. 2. Ann. 26

402 ^11- ^i^^e und Ehe.

aus Ostindien: , Viele indische Weiber büssen ihr Leben da, wenn sie zum ersten Male in die Wochen konunm.* Auf der anderen Seite versicherte mir jedoch der Missionär JBeierlein^ der lange in der Provinz Madras weilte, dass, wenn auch die 3ilSdcha daselbst bald nach Eintritt der Pubertät, demnach noch sehr jung, schwanger werden, die Geburten dennoch nicht besonders schwer tot sich gehen; ja man nimmt nach Beierlein's Ausspruch in jenen Districten Ostindiens an, dass daselbst alle Weiher, auch äelbet die eingewanderten Frauen, die Geburten verhältnissmassig leichter überstehen, als in Europa. Auf den Antillen heirathen die Mädchen der Colonisten auch sehr früh', wie Du Tertre im Jahre lß67 berichtete; derselbe sah dort eine 12i/2J^'i^ffp Frau, die schon geboren hatte, ihm aber versicherte, dass ihre J^^iederkunffc nicht länger als eine halbe Viertelstunde gedauert habe und wenig schmen- haft gewesen sei. Trotzdem möchte ich glauben, dass doch im All- gemeinen in diesem Alter der Körper lüum genügend entwickelt sein kann, wenn auch in jenen Gegenden die Entwickelung sclmeUer vor sich geht, als bei uns. Dass von den Frauen im abjssi- ni sehen Mensa 30% im Wochenbett sterben, ist nach Hassen- stein wohl zum Theil Folge der vor gehöriger Entwickelung des Körpers eingegangenen Ehen.

Ueber die Frage, inwieweit dna Alter der Mutter einen Einfluss aaf die Kntwickefung von Gewicht und Länge des Kindes äussert, hat WerHitV Untersuchungen angestellt. Er fand: 1. Das Gewicht der Neugeborena nimmt mit steigendem Alter der Mutter bis zum 39., ihre Länge bis zon 44. Lebensjahre der Mutter constant zu. 2. Jedes, Product einer späteno Schwangerschaft Übertrifft an Gewicht und Länge die ihm vorausgegangenen :{. Sowohl das Alter der Mutter als die Zahl der Schwangerschafben bewirk«! die Gewichts- und Längenzunahmo, und zwar jeder dieser Factoren in einen progressionsweise auszudrückenden Maase. Das Zusammentreffen einer be- stimmten Schwangerschaft mit ihrem Durchschnittsjahre wirkt auf die Ent- wickelung der Frucht besonders günstig. So ergiebt sich aus den Tabellen- dass z.B. eine Frau in Bayern unter sonst gleichen Umständen ihr ent«> Kind im 24., ihr zweites im 27., ihr drittes um das 29. Lebenrsjohr am toU- kommenstcn entwickelt gebären wird. 4. Erste Kinder, deren Mütter seb spät uienstruirt wurden, stehen an Gewicht den Kindern anderer, besonder! sehr frühe menstruirter Mütter nach.

Ueber die Gewichtsverhältni.sse wie die Lebensfähigkeit und die Gesundheit .solcher Kinder, welche in den oben besprochen«! Volksstümmen von sehr jungen und nach unseren Begrüfen noch ganz unreifen Weibern geboren worden sind, fehlen uns leider noch alle genaueren Angaben, jedoch werden wir kaum fehlgreifen wenn wir uns imter diesen Erstgeburten nicht genule Hünen- und Recken- ge.stalten vorstellen.

60. Die Ehescheidung.

403

f>0. Die Ehescheidung.

Was Gott ziisainiuengeftigt , das soll der Menacli nicht «chei- leu, heisst es bekanntlich in der Trauungslbrmel der evangelischen iirche. Aber dennoch hat das bürgerliche Recht eine Reihe von ''allen festzustellen sich gezwungen gesehen, in denen der fi\r das Leben geschlossene, eheliche Bund durch richterlichen Spruch vor- zeitig wieder gelöst werden kann. Und selbst die katholische Kirche, I welcher die einmal geschlossene Ehe als imaufloslich gilt, mug.ste iennoch anerkennen, dass es Leben-slagen giebt, in welchen das 'heilige Band doch durchaus wieder getrennt werden mu.ss, wobei es in un.seren Augen ein rein äusserlicher Unterschied ist, dass hier nicht der Richter, sondern der Pontifex maximus das erlösende Wort z\i sprechen berechtigt ist. Es ist nun nicht etwa unsere Absicht, hier die Geaetzesparagraphen der civilisirten Völker durchzusprechen, welche eine Ehescheidung ttir zuläs.sig erklären, sondern gerade die Zustünde bei weniger hochstehenden Rassen sind es, welche uns an ieaer Stelle zu intei'esslren vermögen.

Wir haben weiter oben schon gesehen, dass bei den Persern,

den uordafrikanischen Mohamraedauem \ind auch bei ein-

iZelnen Völkern des südöstlichen Afrikas der in der Bratttnacht

Witdeckte Mangel des Jungfernhäutchens, also in den Augen dieser

icute der Verlust der Jiuigfrauschaft vor dem Abschlüsse der Ehe,

liese letztere ohne weiteres wieder aufzulösen im Stande ist.

Der Mohammedaner kann aber auch sonst jeden Augenblick

lach Belieben ohne Angabe des Grundes die Scheidung aussprechen.

^r mufis seiner Frau dann allerdings das Heiiathsgut verabfolgen

'und ihr über die Iddahzeit, d. h. Über die dreimonatliche Frist,

^ während welcher sie sich nicht wieder verheirathen darf, oder bis zu ihrer Entbindung den Unterhalt gewähren. Allein diese schützende Maassregel hat wenig zu bedeuten ; denn wenn die Frau durch Ungehorsam die Scheidung veranlasst hat, oder wenn der Mann „die Gebote Gottes nicht erfüllen zu können* ftirchtet, falls er das Gut herausgiebt, so darf er einen Theil desselben oder das tGanze behalten.

r GänzHch fremd ist dem Koran der Gedanke, dass die Frau auf Scheidung dringen könnte. Allerdings hat das moslimische Recht hierliber einige Bestimmungen getroifen ; es kann das l^eib bei gewissen Gebrechen des Mannes oder bei hoflnungslosem ehe- lichen Zwist Scheidung verlangen, aber dann hat es den Mann zu entschädigen oder auf das Heirathsgut zu verzichten. I)ie ausge- sprochene Scheidimg gilt ftir imwiderruflich, wenn sie durch Zeugen beglaubigt ist; manche Frau ist aus drückender Knechtschaft be- freit worden, weil der Mann in der Hitze des Zorns sein : ,Du bist entlassen* sprach. Denn diese Erklärung genügt, um die Ehe zu lösen. In Aegypten muss diese Erklärung aber dreimal abge- reben werden.

26»

404 XII. Liebe und Ehe.

Den Muselmännern ist es erlaubt, sich dreimal von ihrer Fm scheiden zu lassen und sie nach der Scheidung wieder za heiratho. Nach dem dritten Male aber ist ihnen die Wiederheiratli Verbotes, wenn nicht die Frau inzwischen mit einem anderen Manne die Ehe eingegangen war, welche natürlicherweise ebenfalls erst wiedei getrennt sein muss.

Bei den Persern pflegt der Ehebruch' zur Scheidung zu führen, aber in der Regel erfolgt die Scheidung nur, wenn die Frau khiderlos bleibt und ihr die Schuld davon beigemessen -werden kann, zweitens wenn sie liederlich ist und drittens wenn der Mann glaubt, dass mit ihrem Eintritte in das Haus Unglück über dasselbe kam: man hält sie dann für ein böses Omen. Auch der Perser kuu seine geschiedene Frau wieder ins Haus nehmen, nach der zwätai Scheidung jedoch nur in dem Falle, wenn sie indessen an amen Anderen verheirathet war und von diesem den Scheidebrief erhielt Bei der Sighe, d. h. bei einer weiblichen Person, mit der er nui eine Ehe auf Zeit eingegangen ist, kommt die Scheidung nicht in Frage, da der Vertrag mit ihr von selbst nach bestimmter Zeit abläuft.

Bei den heutigen Abchasiern darf eine unzufriedene ßattin ohne Weiteres ihren Gemahl verlassen und zu ihrer Familie zurück- kehren, ohne dass dieser das Recht hätte, sich zu beschweren. {Serend.) Die Naya-Kurumbas im N i lg hiri - Gebirge haltet die Ehe überhaupt nur so lange fiir bindend, als es ihnen beliebt (Jagor.) Bei den Samojeden ist das Band der Ehe sehr locker, geringfügige Ursachen können Scheidung herbeiführen; dann geht der Mann des Kaufpreises verlustig; läuft eine Frau fort, so wti ihre Eltern verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Bei den Akkadern, den Vorfahren der alten Assvrer. durfte sich, wie glücklich erhaltene und von Lenottnanf geleseai Keilschrifttäfelchen aussagen, wohl der Mann von der Frau. aW nicht die Frau von dem Manne trennen:

, Rechtsspruch: Hat eine Frau ihren Ehemann beleidigt, hat sie .il' bist nicht mehr wein Mann' zu ihm gesagt, so soll sie in den Fluss ge- worfen werden." Kin Versuch der Ehescheidung von Seiten der Frau wini also mit dem Tode bestraft. Der Mann dagegen konnte die Gattin obi» Weiteres Verstössen,' wenn er noch nicht in ehelichen Verkehr mit ihr g*- treten war: Hat ein Mann ein Weib geehelicht, und subigendo eam no: comprcssit, so kann er eine Andere wählen. War ^.ber die Ehe in dieses Sinne schon perfect geworden, so stand es ihm dennoch frei, mit Hinterlep»'- einer Gelc^busse die Ehe wieder rückgängig zu machen; r Hechtsspruch: ein Mahn zu seiner Ehefrau ,du bist nicht mehr meine Frau' gesa^, so soE er eine halbe Silbermine zahlen." Hestimmte Vergehen von Seiten Frau, welche uns leider nicht näher bezeichnet werden, gestatteten dem Mmun die Verstossuug der Ehefrau in sehr entehrender Form. Es lässt sich ver muthen, dass Ehebruch von ihrer Seite die Ursache hierfür abgegebA haben muss. «Ihre Verstossung hat er auf dem passur ausgesprocbeft und zu ihrem Vater hat er sie zurückkehren lassen. ... Er hat ihr Beifii

60. Die Ehescheidung.

405

erstosBungsui'kande fibergeben, er hat dieselbe an ihren Rücken geheftet, nd sie sodann aus dem Hanse gejagte In allen Fällen wird der Ehemann in Kind bei aich überwachen dürfen, doch darf er jene nicht weiter he- stigen. Hierauf, da sie zur Hurt» geworden, wird man sie auf der Strasse lUfgreifen und mit sich fortführen können. Wo es am besten ihr passen ird, darf sie ihr Hureugewerbe betrt?ibon. Als Hure wird sie der Sohn der itrasee zu sich nehmen dürfen. Ihre Brust .... Ihr Vater und ihre Mutter ,e nicht wieder anerkennen sollen.*

Der Vorgang der Scheidung war bei den alten Israeliten ur Zeit des noch bestehenden Tempels sehr umständlich. Ausser- dem gab es verschiedene ScheidungsgrUnde:

I Der Mann konnte klagen, wenn die Frau Leibesfehler hatte, die den

^^^eiuchlaf hinderten, wenn sie in der Führung des Hauswesens oder äonst gegen ^Hlie jüdischen Gesetze verstiess, wenn sie ein unsittliches Leben führte oder ^Bdea Ehebruchs überführt wurde, wenn sie die Schwiegereltern beschimpfte oder ^Vdie ehelichen Pflichten verweigerte, endlick, wenn sie zehn Jalire kinderlos blieb. Andererseits konnte die Frau klagen, wenn der Mann die ehehchen l%ichten versagte, wenn er sie tyrannisch behandelte, von widerlicher oder ansteckender Krankheit befallen war, ein verachtetes Gewerbe ergriffen hatte, wenn er eines Verbrechens wegen flüchtig geworden war, und schliesslich wenn er sich zur ehelichen Pflicht unfaliig zeigte.

Die chinesischen Bestimmungen über die Ehescheidimg waren nach den Vorschriften von Confncius folgende:

Ungehorsam gegen die Eltern des Mannes, Unfruchtbarkeit. Ehebruch, baeiguug oder Eifersucht, bOse Krankheit, Schwatzhaftigkeit, Diebstahl an es Mannes Eigenthum. In drei Fällen durfte der Mann die Frau nicht ver- lOssen: 1. wenn ihre Eltern, die zur Zeit der Verheirathung noch lebten, sterben sind , 2. wenn sie die dreijährige Trauer um des Mannes Eltern tragen hat, 3. wenn sie erst arm und niedrig, jetzt aber reich und ange- lehen ist.

Der Japaner kann sich ohne besondere Gründe von seiner rau trennen und er darf sich danach so oft wieder verheirathen, Is er will, nur nicht mit der leiblichen Schwester oder mit der chwester einer vorigen Gattin.

Auf den Mariannen dauert die Ehe nur so lange, als beide atten es wollen. Lst der Mann nicht unterwürfig g'vnug, so ver- fihst ihn die Gattin imd geht zu ihren Eltern, die dann über des Mannes Eigenthum herzufallen pflegen und dasselbe zerstören. Will auf den Palau- Inseln sich der Mann von seiner Frau trennen, so schickt er sie einfach fort. Ihr folgen die Kinder, die von der Mutter den Stand erben. (Knbary.)

Auf den südöstlichen Inseln des malayischeu Archipels, von denen uns der schon so oft citirte Riedel so vortreffliche Schil- derungen geliefert bat, herrschen in Bezug auf die Ehescheidung sehr verschiedenartige Gebräuche. Auf Buru findet eine Eheschei- dung überhaupt nicht statt, und wenn die Frau den Mann verlässt, so sind ihre Verwandten verpflichtet, sie ihm wieder zurückzubringen, uf den meisten anderen Inseln ist der hauptsächlichste Grund für renauag der Ehe Untreue von Seiten der Frau oder auch

406

XII. Liebe und Ehe.

wohl von Seiten des Mauue». (Scrang.) Nächstdem bildet M handlung der Frau einen Scheiduugsgrund, und zwar hat der Mann dann im Gegensatze zu der vorhergenamaten Ursache keinen An-, Spruch auf eine Rückerstattung des Brautschatzes. Im Gegentheil, er muss die Geschenke wieder herausgebeu, die er bei der Hoch- zeit von den Anverwandten der Frau erhalten hat, er muss ihnen die Kosten zurückerstatten, welche die Hochzeit verursacht hat (Am hon), und muss ihueu sogar noch eine Busse bezahlen (Leti,, Moa und Lakor). 1

Auf' den Tanembar- und T imo rlao -Inseln darf die Frau dann auch alles Gut au sich nehmen, was sie während der Ehe erworben hat, und die Kinder verbleiben ihr, während auf den Aaru-Insehi die Kinder bei Ehescheidung dem Vater folgen. Auch bei dauerndem häuslichen Unfrieden kann die Scheidung ausgesprochen werden (Ambon, Leti,.Moa, Lakor). Die Frauen auf Serang oder Nusaina dürfen die Scheidung beantragen bei Impotenz des Mannen oder wenn letzterer mit seinen Schwiegereltern in dauerndem Streite lebt. Die Scheidung ^vird hier von den Aeltesten, auf Leti, Mu» imd Lakor von der Familie, auf den Seranglao- imd Gorong- Inseln von den Häuptern und Geistlichen ausgesprochen. Auf letz- teren geben sie dann den Scheidebrief, vertheilen den Besitz und die Kinder, lassen aber die Scheidung nicht zu, wenn die Gründe nicht sehr gewichtig sind. Eine Wiederverheirathung emer geschie- denen Frau darf nicht vor dem I35steu Tage stattfinden, und bis zu diesem Termine gehört sie noch dem Manne und muss von ihm unterhalten werden.

Bei den Kaffern ist die Ehescheidung überall üblich und wird oft wegen geringfügiger Ursachen ins Werk gesetzt, (3lf- reiishi.) Auch imter den Betschuanen kann der Mann" die Scheidmig leicht ausführen, doch- muss er für den Unterhalt der Geschiedenen sorgen, falls diese nicht schuldig befunden wird. Bei den Kassanga in Afrika wird die Scheidung durch eine einfache Mittheihmg an den ältesten Oheim der Frau bewirkt, der mm dieselbe von neuem verkaufen kann. Je öfter also eine Schei- dung erfolgt, desto einträglicher erweist sich der Besitz einer Nichte, denn der Kaut])rei8 wird dem sich scheidenden Gatten nicht zurück- erstattet. (Schüts,)

XIII. Das Weib im Zustande der Befruclitring.

61. Die Zeugung.

Ea bedarf nicht erst einer besonderen Erwähnung, das» för <lie Erhaltung und die Fortpflanzung des meuschlicheu Geschlecht« du8 Weib in ganz erheblicher Weise mehr in Anspnich genommen wird als der Mann. Während der letztere dem jungen Keime des neuen Individuums nur die Fähigkeit der Entwickelung in kurzem einmaligen Acte überträgt, ist das Weib berufen, im Inneren ihres Leibes ihm das schützende Nest zu gewähren, in welchem er wachsen und einen bestinmiten Grad der Reife erreichen kann, von ihrem Blute ihm die Materialien zuzuführen, die er zu seinem Wachsthum nötbig hat, und wenn er endlich nach monatelanger Verborgenheit das Licht der Welt erblickte, ihm mit dem wichtigsten Producte ihres Korpers, der Milch, noch lange Zeit hindurch die ausachliessliche Nahrung darzubieten. Alle diese wichtigen Fimc- tionen fallen in die Periode der vollsten Korperkraft und der Höhe der Eotwickelung des weiblichen Ge8(;hlechts, unter normalen Ver- hältnissen wenigstens, und fast zwei volle Jahre verstreichen, und gar nicht selten sogar noch mehr, um einem einzigen Keime das alle« zu leisten, was wir soeben entwickelt haben, wobei es ja auch noch das Gewöhnliche ist, dass, wenn die erwähnte Leistung für ein neues Individuum soeben ihren Abschluss erreicht hat, 1>ereit8 ein anderer frisch befruchteter Keim die gleichen Ansprüche an die Mutter stellt. Es ist daher durchaus in der Ordnung, dass wir in diesem von dem Weibe handelnden Werke den besprochenen Zuständen und Thätigkeiten eine ganz ausfuhrliche Berlicksichtigiuig 2U Theil werden lassen.

Erst seit Swammerdam (f 10^5) weiss man, das-s zur Befruch- t\mg der Contact des Eie.s mit dem Samen nöthig ist, seit 6)>«//f'Ji^'M«i (1768) kemit man die Befnichtungskraft der Samenfäden, seit Jinmj (1850) das Eindringen derselben in das Ei, in dem dann eine ZeUeii- bildung vor sich geht.

Wie die Zeugungslehre noch viele probiematiftclie l'i' ' i-

hfilt. so galt , Zeugung* von jeher bei den Völkern al» ein M dessen Lösung man kaum enträthseln kann. Welchen Anthnl lumi

408

cfatuni?.

der Mann, welchen das Weib an der Erzeugung eines neuen Indi- viduums, und wie sind beide im Stande, körperliche und geistige Eigenschaften auf ihre Nachkommen zu übertragen? So etwa mussten sich die Menschen frs^en, und überall dort, wo sich eine primitive Wissenschaft, wo sich die ersten Ansätze und Anfange der Philosophie und Naturlehre zu zeigen begannen, sticht« man durch Kachdenken and durch Aufstellen einer Zeugungstheorie dem Problem auf die Spur zu kommen. Hier tritt jedoch sofort die Mystik an die Stelle einer Erfahrungswissenschaft, wie sich geschichtlich nach- weisen lässt.

Die Talmudisten, welche bekanntlich zugleich Priester und Aerzte waren, liessen den Fötus zmn Theil (Kuocheu, Sehnen, Hirn, Weisses im Auge) aus dem weissen Samen des Mamies, zum andern Theil (Haut, Fleisch, Haare. Schwarzes im Auge) aus dem rothen Samen des Weibes entstehen. Gott tritt als vermittelndes Seeleu- princlp dazwischen und giebt dem Ganzen das Leben.

Die altindischen Aerzte hatten eine ganz besondere Er- zeugungstheorie, bei welcher sie ihre Ansichten vom höchsten Wesen und der Schöpfung überhaupt zu Gnmde legten. Susriita sagt (nach Vidlers): „Beim Beischlaf geht durch den Vayn*) die Ivt^jeia aus dem Körper, dann ergiesst sich durch die Vereinigung der htgjeta mit dem Vayu der männliche Samen in die weiblichen Geschlechts- theile und vermischt sich mit dem monatlichen GeblOte ; darauf ge- langt der werdende Embryo durch die Verbindung des Agni (Gott des Feuers) mit dem Soma (die Mondgottheit als Zeugende) in den Uterus. Zugleich mit dem Embryo geht auch die Seele in den Uterus, begabt mit göttlichen und dämonisclien Eigenschaften.* Aus den wissenschaftlichen Büchern der Tamulen lernen wir auch die Physiologie (tatva-sästra genannt) der Hindus kennen (Schatu); unter den fünf Organen der Thätigkeit sind ihnen die letzten der- selben die Geschlechtstheile als Organe der Absonderung nnd der Zeugung; nach ihrer mystischen Auöassung spiegelt sich Alles, was im Mala-okosmus, d. i. der Welt, sich vorfindet, auch im Mikrokos- mus, d. h. im menschlichen Leibe, ab; die mittlere Region des letzteren wird als eine Lotosblume dargestellt und bei der Anbetung dreien von den weiblichen Energien (Saktis) zugeschrieben.

Während demnach der altindische Arzt Susruta glaabt, daas die Befruchtimg nur dadurch zu Stande kommt, dass sich der mann- liche Samen mit dem monatlichen GeblOte mischt (denn in diesem liegt seiner Meinung nach der Keim des kräftigen Embr}'oj, hat nach

•) Da« indiuche Wort Vaijit, das sich nicht durch einen passenden ileut8cheu Ausdnick QbersetKun llUat, bedeutet Wind, Luft, und wird apvcittU 8ur Bezeichnung der im Körper befindlichen Luft ufebrauchl, die sich auf fünferlei Weise tLuisert: I. bIm llespirutio. 2. aJ« Crepitus ventris. 3. alt Conli» cum cer " ' ' " ' '" Durch di6

gemein . Leb»n«u>t.

Dt. IKb Zeogrung.

409

k

ier Ansicht des Ilippokratcs das Menetrualblut mit dem Act der efruchtmig nicJits gemein, denn die Befruchtmig kommt nach ihm dann zu Stande, wenn der beiderseitige Samen im Uterus bleibt . und sich vermischt; ist aber die Kefruchtiing geschehen, so treten die Katamenien in den Uterus, nicht monatlich, sondern jeden Tag und werden zu Fleisch, imd so wächst das Kind.

Nach der Hippokraiischen Theorie bildet das Weib ebensowohl Samen, als der Mann. Der Keim entsteht beim Zusammentrefl'en mäunlichen Samens mit dem weiblichen, und die Aehnlichkeit des erzeugten Geschöpfes mit den Erzeugern rührt daher, dsiss der Same, von allen Theilen des Körpers geliefert, eine Art von* repriisentativem Extract des letzteren darstellt. Diese jedenfalls schon vor Hippo- krates (nach Flutarch schon bei Fi/thagoras) geltende Theorie wurde namentlich von Aristoteles bekämpft; er selbst aber behauptete, dass das Männchen den Anstose der Bewegung («^x? *^5 xtvifatcog) giebt, das Weibchen aber den Stoft". Als den Stoffbeitrag, welchen das Weib an das Erzeugniss abgiebt, sieht Aristoteles die Katamenien an, imd es ist bekannt, wie er bereits die Menstniation des mensch- lichen Weibes mit den Blut- und Schleimabgängeu parallelisirt hat, welche zur Zeit der Brunst bei Thieren beobachtet werden. Die Zeugung vergleicht er mit der Gerimumg der Milch durch Lab, bei welcher die Milch den Stotf, das Lab aber das Princip der Ge- rinnung abgebe. Hippokraies meinte also, dass im Samen zugleich das dynamische und materielle Princip enthalten sei ; Artstoteies hin- gegen vindicirte ihm nur das dynamische Princip- (His,)

Etwas ausführlicher geht Gcdfmus in tleui Buche ,de Semine" auf den Gegenstand ein. Er tritt hier allenthalben Aristoteles ent- gegen ; allein trotz der weiter fortgeschrittenen anatomischen De- tailkenntnisse zeigt er sich nicht entfernt auf der Höhe seines grossen Vorgängers. „Das Durchlesen seiner Abhandlung," sagt HiSy hinterlässt vielmehr, trotz mancher vortreiFIichen Beobach- tungen und Bemerkmigen, den peinlichen Eindruck, den wir em- pfinden, wenn uns ein bedeutendes thatsächliches Material m ge- künstelter Verknüpfung vorgeführt wird."

Die Aerzte der Araber gingen in ihrer Zeugungstheorie >vieder auf Aristoteles zurück. Einer derselben, Abtd Welid Mn- hammed hen Ahmed Um Rosehd et Maliki (auch genannt Ahen Rttis, Aven linst, Averröes), welcher 11 OH in Marokko starb, vergleicht die Ovarien, die sogenamiten weiblichen Hoden, mit den Brüsten der Männer, indem beide für die Zeugung unnöthig wären. Der Embryo werde nämlich durch das Menstrualblut ausgebildet, seine Form jedoch bedinge hauptsächlich der männliche Same durch seinen Luftgeist. Daher bezweifelte er auch nicht, dass eine Frau in einem Bade geschwängert werden könne, worin vor Kurzem ein Mann eine Pollution gehabt habe. Diese letztere Behauptung wurde noch in unserem .Jahrhundert in England Gegenstand einer gerichts- ärztlichen Discussion.

XIII. Das Weib im T^n

Ebenso wie bei den Aerzteu des Alterthums, spielte aooli Ig verschiedenen Culten die Zeugung eine mystische RoUe. Wb führen einige Beispiele an: Bei den Schiovaiten. weldiv schreckliche Bhavani verehrten und einen seh" '"' ' Dienst haben, gilt die Zeugung selbst als eine th liehe Zerstörung; mit der Geburt ist der Tod eng vurlumden: aaim ist die Göttin der Wollust, die Bhavani, zugleich die Göttin der Zer« Störung und des Todes. Im Lamaisnius haben alle organisclieo Wesen eine doppelte Seele; die eine derselben wird die denkecdt Seele, die andere das Leben genannt. Jene hat keineu bestinimtfi; Sitz, irrt durch alle Glieder und kommt erst bei der Geburt in deo Menschen, da.s Leben aber schon bei der Empfäugniss. Dug^n liegen nach Ansicht der Khond's, eines indischen Urvolkjs. im Menschen vier Seelen; die erste ist die der Seligkeit fähige Seele, die zu Gott (Boura) zurtlckkehrt, die zweite gehört dem beeondeMB Stamme auf der Erde an und wird innerhalb derselben wieder* geboren, weshalb der Priester bei der Geburt jedes Kinde.4 » erklären hat, welches der Familienglieder in demselben /.urnckge- kehrt sei; die dritte hat die in Folge der Sünden als StnuV verhängten Leiden z,u tragen, die vierte ist die, welche mit der Aul- lösung des Kör^iens stirljt. (Bastian nach Macpherson.)

Es ist bei uns auf dem Lsmde noch eine weitverbreitet« An- sicht, dass zu einer Schwängerung die beiderseitige voloptas a»*j umgänglich uothwendig sei, weil nur auf diese Weise die mamhl liehe mit der weiblichen .Natur" zusammenzutreffen vermöge, wenn einem Manne Zwillinge geboren werden, so lässt er sie Gefühle iteiner Mannestüchtigkeit gerne necken, dckss er ,< tüchtig wie tleissig gewesen.* Je grösser die Aufregung, grösser die Aussicht auf einen Buben. Das letztere hat nun dings gewisse Thatsachen für sich, wenn nämlich die erwSbstFl Aufregung auf Seiten der Frau sich befindet, während «i seit« auch ohne diese, wie eine Anzahl von Nothzlichtigfuiii. bei Bewusstlosen beweist, eine Schwängerung durchaus nicht n»* möglieh ist.

Dass zu der Zeugung das Eindiingeu des mäimlichen Spem» in den Genitalapparat der Frau ein nothwendiges Erfordemi» bt, das wissen auch die AN'ilden Völker ganz genau, und manche v^n diesen, die sogar noch auf sehr niederer Culturstufe sich betindrtu wissen hiemach ihre Vorkehrungen zu treffen. Dahin gehört i. B. die Mika-Operation, welche bestimmte Stämme Australiens an ihren jungen Leuten ausführen und welche darin besteht, dass «# ihnen mit einem Messer aus Feuerstein die Harnröhre von d«^ Eichelspitze bis zum Hodeupack aufspalten und die Wii einigung zu verhindern wissen. Bei der geschlechtlichen \ gimg kommt dann der Ausfluss des Samens ausserhalb der weib* liehen Geschlecht.stheile zu Stande. Bei den oben erwähnten '-_' welche bei Brautwerbungen der Basutho die zu diesem /

dl. Die Zengua^.

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der Ansicht des Hippokratf^ das Menstrualbhit mit dem Act der Befruchtung nichts gemein, denn die BefhichtuDg kommt nach ihm dann zu Staude, weun der beiderseitige Samen im Uterus bleibt . imd sich vermischt: ist aber die Befruchtung geschehen, so treten die Katameuien in den Uterus, nicht monatlich, sondern jeden Tag und werden zu Fleisch, und so wächst das Kind.

Nach der Hippokrati sehen Theorie bildet das Weib ebensowohl Samen, als der Mann. Der Keim entsteht beim Zusammentreffen männlichen Samens mit dem weiblichen, und die Aehulichkeit dea erieugten Geschöpfes mit den Erzeugern rührt daher, das» der Same, von allen Theilen des Körpers geliefert, eine Art von* repräsentativem Estract des letzteren darstellt. Diese jedenfalls schon vor Hippo- krates (nach Mutarch schon bei Pythagoras) geltende Theorie wurde namentlich von Aristoteles bekämpft; er selbst aber behauptete, dass das Alänuchen den Anstoss der Bewegung (apZ9 '^'J? xtpr^atoog) giebt, daa Weibchen aber den Stoff. Als den Stoft'beitrag, welchen dos Weib an das Erzeugniss abgiebt, sieht Aristoteles die Katamenien an, und es ist bekannt, wie er bereits die Menstruation des mensch- lichen Weibes mit den Blut- und Schleimabgängen parallehsirt hat, welche zur Zeit der Brunst bei Thieren beobachtet werden. Die Zeugung vergleicht er mit der Gerimumg der Milch durch Lab, bei welcher die Milch den Stoff, das Lab aber da.s Princip der Ge- rinnung abgebe. Hippokrates meinte also, dass im Samen zugleich das dynamische und materielle Princip enthalten sei: Aristoteles Ixin- gegen vindicirte ihm nur das dynamische Princip. {Jlis.)

Etwas ausfUhrhcher geht Galenus in dem Buche .de Semine" auf den Gegenstand ein. Er tritt hier allenthalben Aristoteles ent- gegen ; allein trotz der weiter fortgeschrittenen anatomischen De- jAUkenntnis.se zeigt er sich nicht entfernt auf der Höhe seines ssen Vorgängers. ,Das Durchlesen seiner Abhjindlung, * sagt fis, «hinterlässt vielmehr, trotz mancher vortrefflichen Beobach- tungen und Bemerkungen, den peinlichen Eindruck, den wir em- pfinden, wenn uns ein bedeutendes thatsäcliliches Material In ge- künstelter Verknüpfimg vorgeführt wird."

Die Aerzt« der Araber gingen in ihrer Zeugungstheorie wieder auf Aristottdes zurück. Einer derselben, Ahitl Welid jT/m- hammed 1/en Ahmed lfm Roschd d Maliki (auch genannt Aben Etiis, Aven ÜHSt^ Avcrröes), welcher 1198 in Marokko starb, vergleicht die Ovarien, die sogenannten weiblichen Hoden, mit den Brüsten der Männer, indem beide für die Zeugung imnöthig wären. Der Embryo werde nämlich durch daa Menstrualbhit ausgebildet, seine Form jedoch bedinge hauptsächlich der männliche Same durch seinen Luftgeist. Daher bezweifelte er auch nicht, dass eine Frau in einem Bade geschwängert werden könne, worin vor Kurzem ein Mann eine Pollution gehabt habe. Diese letztere Behauptung wurde noch in unserem Jahrhundert in England Gegenstand einer gerichts- ürztlichen Dis;cu!<:*ion.

XIIT. Das W«!

Wir können uns auf die Erörterung dieser Streifcfinage hier ckiti weiter einlassen, nur kurz andeuten wollen wir, dass vrir trns in derselben auf deu Standpunkt JSTe/ircr's in Heidelberg stellen, der! ebenso wie wir aus berechtigten Motiven an der Lelire von Ana] zeitlichen Zusammenf allen von Follikelberstung (Ablr>sun|^ des Ei«sj aus dem Eierstock) und Menstrualblutung vorltiufig festhält. In Fol- gendem zeigen wir, welche Anschammgen hierüber in alter undj neuer Zeit bei den Völkern zu Tage treten.

Die Ansicht, dass die Conception in einer bestimmten Zeit nach Ablauf der Menstruation erfolge, wurde schon sehr firQhj von dem altindischen Arzte 5Msr?</a ausgesprochen; er behauptete :j „Die Zeit der Zeugung ist die zwölfte Nacht nach dem Erschei- nen der Menses." Einige indische Aerzte rechneten dagepen den! Beginn der Schwangerschaft auch von der Menstruation rathen, um eine Conception herbeizuführen : ,Mau ül>e den B- immer nach Abiaul" der Menses aus, wenn der Tag vorilber nnd der Lotus sich schliesst."

Die Aerzte der Griechen und Römer knüpften die Eiupfungnts« gleichfalls an den Zeitpunkt der Menses. Hippokrafes (De ^enitnr») sagt.: Hae uempe post menstruam purgationem utero concipiiint. AristO' tdes: Plerasque post mensium fluxum, nonnullas vero fluentibus ad- huc menstruis. Giücnns: Hoa autem conceptionis tempna est Tel incipientibus vel cessantibus menstruis, Soranus sagt, da&t die Zeit nach der Menstruation die geeignetste ist, denn kurz vorhfr ist der Uterus von dem Menstrualblute zu erschwert; er leugnet aber nicht, dass die Frauen auch zu anderer Zeit concipiren.

Der Coitus ist nach dem Talmud (Israels) dann als erfolg- los hinsichtlich einer Conception zu betrachten, wenn der Ziiartand der Genitalien oder auch die Qualität des Samens so beschaffon ist, dass keine Ejaculation desselben möglich ist. Doch hält der Talmud den Coitus unter gew^öhulicher Erection, wenn auch ohne eigentliche Emissio penis in die Vagina, für zeugungstlihijr an«! demnach in betreffenden Fällen für stran)ar. Auch führt der Tal- mud an, dass weibliche Individuen olme wirklich ausgeübten Coitvis, lediglich in Folge eines, wälireud des Bades zufallig von einem männlichen Individuum ausgesonderten Spermas geschwängert wur- den. Uebrigens schliesst nach dem Talmud der erste Coitiija einrr Jungfrau die Mügliclikeit der Conception aus; dagegen wird die Möglichkeit der Schwängerung durch einen Coitus während detl Menstruation anerkannt; die Conception finde am 1., 2. oder]

3. Tage nach dem Coitus statt, und gewöhnhch kurz vor dem Ein- tritt oder bald nach dem Ablauf der Menstruation. Als imf

bar wurde der Coitus betrachtet, wenn die BVau während de- eine perpendiculäre Stellung eingenommen hatte. ( Wnnderltar.) Für die Empfängnis» gilt bei den Nayer's in Malabar

4. Tag der Menstruation als besonders gün-stig; in vielen FIji

I

Kasten muasder Mann an diesem Tage mit seiner Frau cohalntiren, und er begeht eine S linde, wenn er es unterläsat. (Jagor.)

Nach Annahme des japanischen Arzte» Kangawa ist die Frau während der ersten zehn Tage nach den Menses befruchtungs- tähig, nachher aber nicht mehr. {3Ii>/ak^.)

Obgleich die Physiologie der Chinesen sich nicht auf Ana- tomie, sondern nur au±' Hypothesen stützt, so nähern sich docli ihre Meinungen über Zeugung und Couception ziemlich unseren Kenntnissen. Nach der chinesischen Theorie dringt das Sperma, welches sie tsir nennen, in das Behältnlss der Kinder, genannt tse kong (wahrscheinlich identisch mit Eierstock), wo es mit den sich als Bläschen darstellenden Keimen zusammentrifft (mit den Ovulis). Einer dieser Keime wird vom tsin berührt und befruchtet imd be- ginnt nun sich zu entwickeln, (Jlureau.)

Sonderbare Vorstellungen herrschen über diese Dinge im deut- schen Volksglauben. Im Frauke nwalde beLspjeL>*weise hält man gemeiniglich hohe und gleichzeitige Erregung tür nothwendig zur Empfangniss, imd je nachdem die Erregung rasch und kräftig oder langsam und schwacJi erfolgt, unterscheidet man hitzige und kalte Naturen imd sagt, sie passen nicht zusammen. Aehnliches gilt auch in vielen anderen Gegenden Deutschlands. Auch weiss man hier, wie fast überall, recht wohl, dass die Unterbrechung des Coitus vor der Ejaculation vor Befruchtung sicher stelle. Besorgte Mädclien im Frankenwalde halten oft wiederholten Aderlass fllr ein Mittel gegen Schwangerschaft, sowolü gegen befürchtete als wirklich vorhandene. Auch gluul)t man daselbst noch häutig, dass der Beischlaf während des Monatsflusses wie während der Säugungs- periode nicht schwängere, und nur die Ansicht, dass ein Beiwohnen während der Periode dem Mmine schädlich sei, hindert eine häufigere Enttäuschung. {Flügel.)

f63. Der £iiiflu8s der Jahreszeiten ond der socialen Zustände auf die Empfangniss. Die Physiologie hat in dem Vorgange, welcher sich im weib- lichen Körper durch die Menstruation, Ovulation (Lösung eines reifen Eies vom Eierstocke) und Empfangniss (Conception) kund giebt, so grosse Aehnlichkeit mit dem bei Säugethieren auftretenden, als Brunst bezeichneten Process gefunden, dass die meisten neuen Lehr- bücher der Physiologie auf cUese An&logie hinweisen. Allein schon in der regelmässigen, von der Jahreszeit abhängigen Wiederkehr der Brunst schien ein Moment zu liegen, durch welches ein wesent- licher Unterschied derselben von der ziemlich gleichmässig allmonat- lich auftretenden Menstruation des Weibes bedingt ist. Es wird

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XlII. Dae Weib im Zustande der Bülrachtuog.

daher von einigem Werthe sein, au der Hand der Statistik zu prüfen, ob sich auch bei der Empfiingniss der Eintluss der Jahre.s- zeiten bemerklich macht. Dagegen mnss freüich herN-orgehobeq werden, dass auch selbst dann, wenn, in der That die Statistik eine Vermehrung der Conceptionen in gewissen Jahreszeiten nachweist, noch keineswegs damit die grössere oder geringere Conceptions- tahigkeit des Weibes imter dem Einfiasse der mit den Jahreszeiten sich ändernden Witterungszustäude, eine wechselnde Aendenmg in dem physiologischen Verbalten der weiblichen Sexualorgane er- wiesen ist. Vielmehr wird hier auch zu berücksichtigen sein, dass das männliche Gesclilecht unter dem Einflüsse der Jahreszeiten mehr oder weniger häutig zur Ausübung des Coitus veranlasst vnxd^ dass also die Steigerung oder Vermindenmg der Conceptionen* je nach den Jahreszeiten mindestens zu einem grossen Theile durch die sexuelle Erregung des männlichen Theils der Bevölkerung er- klärt werden muss.

Zuerst war es Quetelct, welcher eine je iiacb den BeTOlkerungskliiSBeii wechselnde Ab- und Zunahme der Geburten-Frequenx in den verBchiedenen Monaten fand, nachdem einif^e frühere Versuche *) nach dieser Richtung hin allzu wenig Beachtung gefunden hatten. Er wies nach, dass r-umeist ein Gebarten- Maximum im Februar, ein Minimum ungeiu.hr auf den Juli traf; seine 'Beobachtungen erstreckten eich besonders auf die Niederlande (1815 26) und auf BrQssel. Er zeigte auch, dass dieser Einfiuss deai- licher bemerkbar ist auf dem Lande als in den Stüdten; das Maximum der Conceptionen im Mai entspricht nach ihm der Erhebung der Lebenekrafb nach der Winterkülte : auf dem Lande aber, so meinte er, finde die Bevölkerung weniger Schutz vor den Unbilden der Witterung, wie in den Stildten.

Vor Allen verdanken wir Villerme genaue Untersuchungen dieser Angelegenheit.

Auch er fand, dass in Europa das Geburten-Marimum, entsprechend den Conceptionen im Mai und Juni, im Februar und März stattfindet, und dass diese Steigerung jedenfalls dem Einflüsse des Frühlings zuzuschreiben sei. Um nun zu zeigen, dass die ungleiche Vertheilung der Geburten auf die verschiedenen Monate ganz überwiegend Folge des Einflusses des jähr» liehen Laufes der Erde um die Sonne und der daraus hervorgehenden grossen Temperaturveriinderungen sei, beschränkte sich Villerme nicht auf die euro- päischen Staaten, sondern er dehnte seine statistischen Unter«uchung<ui auch auf die südliche Hemisphäre aus: in Buenos- Ayres, wo die Jahres- zeiten in derselben Ordnung wie im Norden, nur 'm entgegengesetzter Zeit. sich folgen, erweisen sich dieselben Einflüsse aucli auf die Geburten-Frequenz wirksam. Aus diesen Erscheinungen schlos» Villerme; dass wir trotz unserer Civilisation doch wenigstens theilweise den verschiedenen periodischen Ein-

•) Wargentin, welchen das Mijiisterium Schwedens mit der Bearbei- tung der Bevölkerungs-Statistik beauftragte, lieferte schon im vorigen Jahr- hundert eine, sich allerdin-»« nur auf Schweden beziehende Arbeit (Abhandl. de» Kött. Schwedischen Akatl, der Wissen.-ich. . nli.r».'(.;( von Ki'xtuer, Bd. 29, Jahrg. 1767), in welcher er auf die i 'T-

kehrenden Monats-Maxima und -Minima der li ; f*

aufforderte, den Uraachen derselben - weiter naohzufuncbon.

63.DerEmflu88<

. social. ZuaUlade aaf d.Empf&DgUfl8.

flünHeii unterworfen sind, welche in dieaer Hinsicht Pflanzen und Thiere beherrschen.

Alsdann untersuchte Vilierme auch die Frage , ob nicht etwa der Wechsel der Jahreszeiten und der Temperatur gewisse Verhilltnisse im so- cialen und nationalen Leben der Völker beherrscht, welche erst ihrerseits einen inaassgebenden EinflasB auf die Vertheilung der Geburtafrequenz .je nach Monaten und Jahreszeiten ausüben, so dass der Einfluss dieser letzteren erst Jndirect zur Geltung kommt. Deshalb prüfte er den Einfluss der Ver- theilung der Heirathen, jenen der Perioden angestrengter Arbeit und grösse- rer Ruhe (Perioden, die fast bei jeder Bevölkerung nach Jahreszeiten wechseln) , den Einfluss des Ueberßusscs oder Mangels an Nahrung , und endlich den Einfluss gewisser allgemeiner Sitten und Gebräuche. Nach diesen Untersuchungen haben die Epochen, in welchen die Heirathen am hilutigsten, und jene, in welchen sie am seltensten sind, keinen sichtlichen Kinflus« auf die Vertheilung der Geburten nach Jahreszeiten. Dagegen zeigt sich ein Einfluss jener Jahreszeiten, die man als Epoche der Ruhe und Ar- beitserholung beobachtet, und jener, welche sich durch reichlich!.* Nahrungs- mittel und erhöhtes gesellschattliches Leben auszeichnen. Erniedrigend auf die Häufigkeit der Geburten (resp. Conceptionen) wirken die Zeiten der beschwerlichen Arbeit (Emte/eit), der Lebensmitteltheuerung, die strenge Beobachtung der Fastenzeit. So gelangt ViUenne zu dem Schluss: „Die umstände, welche uns kräftigen, erhöhen imsere Fruchtbarkeit, und die- jenigen, welche uns schwächen, und noch vielmehr die, welche die Gesund- heit untergraben, vermindern sie, womit jedoch keineswegs gesagt ist, dn&s die Gesundheit allein die Fruchtbarkeit regelt."

Viüemifs Arbeiten aul' diesem Gebiete zeugeu von so viel FleisB, Scharfsinn und Umsicht, dass sie, wie Wappäus hervorhebt, das grosste Vertrauen verdienen.

Die Hauptresultate, zu welchen dann Wappäu« seibat bei Untersuchung der Verhlltnisse (in Sardinien, Belgien, Niederlanden, Sachsen, Schwedtin, Chile) gelangte, f'ind folgende: Das erst« allgemein sich zei- gende Steigen der tieburtszahl in den Monaten Februar und März, ent- üprecbend der grösseren Zahl der Conceptionen im Mai und Juni, ist der belebenden Einwirkung der Jahreszeit zuzuschreiben. Diese physisch«; Wirkung wird aber bei den katholischen Bevölkerungen verstärkt durch die mit den Einrichtungen der Kirche in Beziehung stehenden besonderen Hittcn und Gebriluche. Von dem Maximum dieser ersten Steigerung an »inkt die Zahl der monatlichen Geburten wieder schnell herab , bis sie in den Monaten Juni , Juli unil August ihr Minimum erreicht. Dieses Sinken hat ebenfalls Überwiegend einen physischen Grund; es wird bewirkt theila durch dia mit der Höhe des Sommers anfangende und allmählich zunehmende Erschlaffung der allgemeinen natürlichen Productionskraft, theils durch die von dftr Soraroerhitzo vielfach erzeugten , mehr oder weniger gefahrlichen epidemischen Krankh<!iten. Verstärkt aber wird diese natürliche Eiii- wirkuog bestonders gegen das Ende dieser Periode durch den den Concep- tionen ebenfalls nachtheiligen KinHuss der sehr angestrengten und oft selbst wenig nru:hÜiohe Ruhe zulassenden Arbeit der Erntezeit. Beide Ur- «ftcben zutantmen bewirken, dans in allen Ländern die erste Senkung der Curve die tiefste ist. Da« Minimum tritt im Norden später ein, als im Süden, theiU weil im Süden die allgemeine Erschlutfung in der natürlichen Leben«- kraft früher eintritt, «Is im Nordep, theils weil im Norden die anstrengesdM

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XIII. Das Weib im Zustande der Befruchtung.

Erntearbeiten spilter fallen, als im Süden. Von (It^v Mitte des fiommers an. oief in Schweden vom August an, steigt die monatliche Zahl der Geburten aufo neue und erreicht überall ihr zweites Maximum im Monat September. Die Ursachen dieses zweiten Steigen» sind entschieden nicht physischer, sondern socialer Natur. Die zweite' Erhebung ist iui Süden und bei katboHscben Bevölkerungen im Verhältniss zur ersten nur gering, im Norden dagegen übertrifft sie die erste, so dass in Schweden der Monat September das ab- solute Maximum der Geburten darbietet. Der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung i«t darin zu suchen , dass im Norden die die Reproduction begünstigenden Eigenthüinlichkeiten des Lebens im Winter viel ent^hie- dener hervortreten, als im Süden, vielleicht dass ausserdem auch die strengere Beobachtung der kirchlichen Vorschriften für die Adventzeit bei den katho- lischen Bevölkerungen des Südens die Fruchtbarkeit des Monats Deeembex beschränkt. Nach dieser zweiten Steigerung erfolgt nun wieder ein zweites Fallen bis zum November oder December, jedoch nicht so tief, wie das erste im Sommer, und im protestantischen Norden weniger tief, als im katho- lischen Süden. Die allgemein wirkende Ursache dieses Fallens ist wobl ohne Zweifel in den überall auf die Gesundheit mehr oder weniger ungünstig wirkenden Uebergängen des Winters zum Frühling zu suchen, welche ungünstige physische Einwirkung auf die Conceptionen im Februar und M&rz im katholischen Süden durch die in demselben Sinne wirkenden aus- gelassenen V'ergnügangen des Caruevals und die strenge Beobachtung der Fastenzeit verstärkt wird.

Dann wirft Wappütu auch einen BUck auf Sachsen, über dessen Geburtenverhältnisse J^vrjel berichtet hatte; er zeigt, dass in diesem überaus dicht bevölkerten, industriellen Lande die physischen sowie die socialen Einflüsse mehr zurücktreten müBsen , und dass hieraus auch die Erschei- nungen in der Geburtenvertheilung, welche im Allgemeinen bei der ziemlich gleichmüssig sich fortsetzenden, sich maschinenartig bewegenden Arl>eit gleichförmiger über das Jahr vertheilt ist. .«ich erklärt. Dagegen zeigt sich in Chile eine grosse und rasche Steigerung der Geburten zur Zeit des Früh- jahrs und des Sommeranfangs als natürliche Panwirkung dieser Jahreszeit auf alle Reproductionen, indem diesem entsprechend in Chile das Maximum der Geburten in der That ungerj,hr 6 Monate später lullt als in Europa, 'nämlich statt in den Februar und Mai in den September. Audi macht Wappäus darauf aufmerksam, dass Chile eine weit zerstreute, fast allein mit der physischen Cultur beschäftigte, stark katholische Bevölkerung al« Gegensat?^ zu dem protestantischen, industriellen Sachsen besätzt; er sagt; „Wie Sachsen den übrigen europäischen Staaten gegenüber gewisser- moassen sich verhält wie eine städtische, industrielle Bevölkerung gegenüber einer ackerbauenden, so drückt sich in der die Verh[iltjnsi»c Chile'» dar- stellenden Curvc noch potenzirt der Charakter unserer ackerbauenden Be- völkerung aus."

Eüien Versudi, die Untersuchungen von Wappätis weiter zu fuhren, macht« Surmaui, indem er die Schwankungen der Empfang- iiiflse in den einzelnen Theilen Italiens stiidirte. Seine Ergeb- nisse sind:

Die Anschwellung der Eropfängnisszalü tritt im Süden Itnliptis frflb^ zeitig, im Norden dagegen erat splitor im Jalu-e ein, so zwar, d.i l-sn

eOdlichäten Gegenden «chou auf den April tritit uml mehr und mv\ ^ iu

den Mai und Juni verspätet, je mehr man sich dem Norden nilbürt, \ti» ate seblte

63. Der Einfiuss der Jahreszeiten n. d. social. Zastftnde auf d. Empfäagnias. 41 7

lieh im nördlichsten Theil der Halbinsel auf den Juli ßllU. In den aüdlichaten Laadfitrichen von Italien ist nur ein Maximum und Minimum vorhanden, wahrend in den nördlichsten Landestheilen zwei auftreten. Das Minimum, welches der heissen Jahreszeit folgt, hat eine entschiedene Neigung um so erheb- licher zu werden, je mehr man «ich dem Süden nllhort, während das Mini- mum, welches sich an die Winterkälte knüpft, mit dem Norden zunimmt, bin in den nördlichsten Theilen das nachwinterliche Minimum grösser wird, ala das herbstliche. Im Allgemeinen sind die Schwankungen in den Cur- ven der Empfängnisse um so .«itärker, je mehr man sich nach Soden wendet.

Am besten veranschaulicht eine Tabelle, welche Mayr aufetellte, die Grenzen, innerhalb welcher sich die Geburten und die Empfäng- nisse nach Monaten bewegen :

Tagesbetrag der Geburten (mit Einschluss der Todtgeborenen).

Deutsches

Reich

Bayern

Italien

Frankreich

Jahre 1W2-W75

Jtthrol»72-ltr7ö

Jahre lÖfti-lWl

Jahre 18«i-lWl

4889

578

2848

2887

1 4997

608

3025

3060

i 4913

594

2928

3018

4739

582

2805

2911

4605

575

2533

2742

4497

566

2371

2610

4582

566

2419

2625

4691

552

2496

2620

5029

582

2663

2665

4770

564

2605

2603

4756

566

2624

2661

4710

558

2587

2608

4763

673

2656

2749

Januar . . .

Februar . .

März . . .

April . . Mai ....

Juni . . .

Juh. . . .

August . .

ßeptember .

October . . November December Kalenderjahr

Unter Hinweis auf die voräteheuden Zahlenreihen sagt Mayr, dass man wohl dem Ausspruche Quetelet's zustimmen musa, dass der Mensch sich zwar zu allen Zeiten reprodacirt, aber doch rorzugaweise am Ende des Frühlings und des Herbstes, und am wenigsten wHhrend des Sommers und Winters; allein Mayr setzt hinzu, dass der Spätsommer sich der Fortpflanzung noch ungünstiger zeigt, als der Hochsommer, und dass dem Grade nach die Abnahme der Empfängnisse im Sp&tsommer und Frühherbst viel st3j'ker ist, als im Winter. Zur Erklärung dieser letzteren That.sache liegt der Gedanke nahe, dass ausser den verschiedenen socialen Einflüsaen auch noch die an- gc«trongte Feldarbeit der Landbevölkerung eine besondere Wirkung ausübt, wie schon Wappäus hervorhob.

In echt methodischer Weise ging dann Beitknnaun zu Werke, am die mannigfach hier in Frage kommenden Ursachen an der Hand der Statistik aa^zulbrschen.

Er stellte die Provinzen de« deutichen Reichs in vier Gruppen zu- sammen:

1. Der Nordosten: Prov. Preussen. Pommern, Grosihertogth. Mecklenburg -Schwerin.

2. Der Nordwesten: Prov. Hannover, Schleswig Holstein, HftMburg, Bremen. R«g.-Bez. Münster.

Plo*», Du Weib. I. U. .^ufl. 27

Xin. Das Weib im Zxu

'sr-

3. Der SüdoHten reap. die Mitte: Prov. Scblesien, Sachaeu. König- reich Sachsen,

4. Der Südwesten: Köniffreich Bayern, Württemberg, Gros»- herxogthum Baden und Eleass-Lothringen.

Zaniichst stellte sich heraus, dass, obgleich die einzelnen Gcbiet*- gnippen ganz bedeutende Unterschiede unter sich aufweisen, die Zahlen der Gebartenvertheilung auf die Monate im deutschen Reiche während der ein- zelnen Jahre von 1873 77 sich ziemlich gleich blieben. Jedes Jahr hatte den Typus des Gesammtreicbs, obgleich gewisse Abweichungen im Einzelnen vorkamen. Die beiden Jabres-Maxima der Geburten fallen im Reiche auf Februar und September, und so verhalt es sich auch in den einzelnen Jahren, mit Ausnahme des Jahres 1877, wo das erste Maximum auf den März fiiUt. Das erstti Minimum gehört dem Juni an, nur im Jahre 1875 tritt es bereits im April und Mai ein, das zweite Minimum im December oder November. In drei Jahren ist das Winter- Maximum das bedeutendere, in zweien fällt dasselbe auf den September. Es ist noch hervorzuheben, daaa zuweilen ein drittes Maximum und Minimum am Ende des Jahres auftritt, nämlich ein Maximum im November, ein Minimum im October.

In der 1. Gruppe (Nordosten) eröffnet der Monat Januar den jähr- lichen GeburtengäDg mit einem hohen Verh&ltnisa, das jedoch zum Februar noch steigt und damit das erste, das sogenannte Frühjahrs-Maximum erzeug. Vom Februar nämlich sinken die Geburten ununterbrochen bis Juni, dem Monat des absoluten Minimums^ nach welchem sogleich ein Steigen erfolgt, plStzlicher und atSlrker als das vorangegangene Fallen. Im September wird dann das zweite und hOchste Maximum erreicht; doch bereits im folgenden Monat October zeigt sich daa zweite Minimum, das Ober dem Durchschnitt bleibt.

Die Ursachen, die diesen Geburtenverhältnissen zu Grunde liegen, sind theils physische, theila psychische. Die hohe Zahl der Conceptionen von April bis Juni rührt von dem Einfluss des Frühlings her, welcher den Con- ceptionen besonders günstig ist. Die starke Abnahme der Conceptionen von Juli bis September und der noch niedrigere Stand im October sind weniger dem physischen Einflüsse der heissen Jahreszeit zuzuschreiben, son» dem stehen hauptsächlich mit dem wirthschaftlichen Leben der Bevölkerung^ in innigem Zusummenhonge: ein überwiegender Theil derselben ist im Acker- bau thrvtig, deshalb auch im Spllt-iommer bei der Ernte und Bestellung der Winterfrüchte physisch so sehr in Anspruch genommen, dasa auch die Con- ceptionen darunter leiden. Die Zeit, welche hier im Nordosten zur Feld- bestellung frei bleibt, ist bereits um etwa einen Monat kürzer, als im Westen ; ein Theil der männlichen Bevölkerung ist in der warmen Jahreszeit auf See. Nachdem aber die Ernte vollendet, leichlere Arbeit und Erholung eingetreten, dann beginnt ein bedeutender Aufschwung der Conceptionen, der im pro» testantischen Norden durch die Weihnachtszeit befördert wird. Dochdaranf tritt im Januar ein natürlicher Rückschlag ein. und in den Monaten Februar and März scheinen die wirthschaftlichen und socialen Factoren wieder Anlnss zu einer Steigerung zu geben.

Die zweite Gruppe, der Nordwesten, welcher im Wesentlichen auf denselben wirthschaftlichen Grundlagen beruht wie der Ost^n und noch manches andere mit ihm gemein hat, zeigt auch im Allgemeinen einen ähn- lichen Typus der Vertheilung der (Jeburton. Das Minimum im Juui tritt nicht ganz >o stark auf, wie im Nordowten, daa Minimum der Geburten im Winter dagegen fällt tiefer and später. Einmal werden die gTOaeen Stftdt«

68. DerEinflnss der Jahreszeiten u. d. social. ZustAi

agniss. 419

Hamburg und Bremen das Kloroent ie» Handel« und der Gewerbe mehr zur Geltung bringen als die Seeatlldte der Ostsee, andererseits wird, namentlich in Bezug auf das zweite Minimum, die Kirche von EinÖuss sein, indem der Nordwesten ein gröKseres Verhältniss der katholischen Bevölkerung aufweist als der Nordosten, wodurch sich der unterschied begründen lilsst.

Reihen wir die dritte Gruppe (den Südosten) hier an, ao treten uns, insbesondere wenn dieselbe auf das Königreich Sachsen beschränkt wird, gewichtige Differenzen entgegen. Das Vorherrschen der Industrie, also die Beschäftigung der Bevölkerung, scheint hier für die VertheUung der Geburten Bbend zu sein, was sich in den Sommermonaten geltend macht. Da istrielle Beschäftigung gemeiniglich in allen Jahreszeiten dieselbe Anstrengung verlangt und insofern also die Vertheilung der Geburten nicht beeinflussen wird, so müssen es einmal die klimatischen und socialen Ver- hältnisse, andererseits die wirthachaftlichen Wechsel und Conjuncturen sein, welche die Schwankungen der Geburten nach Monaten bestimmen.

Hieran schliesst sich die vierte Gruppe (der Südwesten) sowohl dem Gebiete nach, als der Aehnlichkeit der betreffenden Verhältnisse gemäss. Die Vertheilung der Geburten hat in der That manches mit der dritten Gruppe gemein, vor allem die schwachen Extreme. Als Eigenthümlichkeiten sind hervorzuheben, dass in Süddeutschland das Frühjahrnmaximum der Conceptionen dasjenige im Herbst regelmässig übertrifft, während es in den übrigen Gruppen gewöhnlich übertroöen wird, femer dass in der vierten Gruppe das Moment der katholischen Kirche am mächtigst«n wird. Hier gehört nümlich die Mehrzahl dieser Kirche an, wahrend im übrigen De utsch- land die protestantische Kirche vorherrscht Die katholische Eörche erzeugt im ganzen Winter eine Erniedrigimg der Conceptionen, dabei wird aber im Februar gewöhnlich ein Maximum und im folgenden März ein Minimum gebildet. Da Ostern aber nicht auf dasselbe Datum f^t, sondern in den Grenzen eines Monat« schwankt, so kommt es in vielen Jahren natürlich vor, dass die letztgenannte Beeinflussung sich zuweilen verdeckt, ohne dass aussergewöhnliche Beeinflussungen eintreten.

Wir können JBettkemann nicht weiter folgen in seinen werth- voUeu Auseinandersetzungen über die Art und Weise, wie man die statistischen Untersuchungen über die Ursachen der VertheUung der Gebarten nach Monaten anzustellen hat, Er weist aui" die Schwie- rigkeiten in dieser Angelegenheit hin, zeigt aber auch die Wege, wie man dieselben zu überwinden hoti'en darf. Wir wollen nur noch anführen, dass er bezüglich der Verhältnisse ehelich und im- ehelich Geborener (in Frankreich und Deutschland) gefunden hat, dass die VertheUung der unehelichen Conceptionen von den sogenannten physischen Einflüssen stärker bewegt wird, als die der ehelichen.

Auch in Rujiland giebt es, wie fast überall, zwei Geburten-Maxima; allein hier fallen sin auf den Januar und October; die relative Mehrzahl der ^oceptionen tindet demnach im April und Januar statt. Es sind hier riss physiologisch-klimatische Ursachen, doch auch sociale und religiöse igungen im Spiele. Wenigstens deuten darauf die Zahlen , wenn wir nns nn die Jahreszeiten halten, die wohl einen minder zufälligen Charakter tragen, als die monatlichen Daten. Sttlzen wir die Gesammtzahl der Ge- bturtep (durchschnittlich im Jalire ;{,16d,40ü Geburten) gleich 12,000, so finden

27»

Xin. Dm

wir. daas die Conceptionen folgendermaasBen vertheilen:

le der Betrachtang.

and Geburten in Rasaland 1867—70 üch

Gon- ception.

G riech. Orth.

Katho- liken.

Prote- stanten.

3107.7 2961,9 2869,5 3060,9

Hebräer.

Muham- niedancr.

üeber- haupt.

Geburten

FrQhling Sonuner Herbat Winter

2883.7 2679,1 3206,5 3230,7

3015,6 3002,5 2907,1 3074,8

3193,5 2969,7 2951,9 2884,9

3335.1 2902,4 2852,3 2910,2

2916,4 2715.5 3166.7 3201.4

Winter FrQhling Sommer Herbst

Demnach ftlUt das Maximum der Conceptionen in RuHsland fiberb&aiiti und zugleich bei den Griechisch-Orthodoxen auf den Winter (da* Maximum] der Geburten also auf den Herbst); es folgen, nach den Conceptionen ge-l ordnet, der Herbst, der Frühling und der Winter; bei den Katholiken ist die] Ordnung folgende: Winter, Frühling, Sommer. Herbat; bei den Hebräern: Frühling, Sommer, Herbst, Winter; bei den Protestant'en : Frühling, Winter,! Sommer. Herbst. „Die abweichende Vertheilung der Conceptionen nach denf Jahreszeiten, wie sie Russland aufweist," sagt der Berichterstatter ^ifn»ff/a»trfy,| „ist bedingt durch die anhaltende und strenge Fastenzeit im Frühling, äowiej durch die ermüdenden Feldarbeiten im Sommer. Im Zu^tammenhang hiermit] feteht auch die bedeutend grössere Anzahl von Eheschliessungen im Herbst] und Winter, als im Sommer und Früliling, eine Erscheinung, welche zunil Theil durch die erwähnten Ursachen, zum Theil durch die Nothtrendi^keitl des Abwartens der Ernte erklfirt werden muss."

In den StUdtea Runäland» vertheilen sich die Conceptionen anders,! als auf dem Lande, indem d&s Maximum auf den Herbst f&llt; sod.ann ' folgen: Winter, Sommer und Frühling, wie aus folgenden Zahlen zu er- sehen ist:

Wichtigste Städte. Kreis-

Frühling 1779.8

Sommer 2458,8

Herbst . . 4081.9

Winter . . 3679.5

Was die u nelielicbon Conceptionen in Russland betrifft, so äuft»ert sich bei ihnen der natürliche Einfluss der verschiedenen Jahreszeiten deot- licher, als bei den ehelichen. Die Maxima der unehelichen Conceptionen fallen in den westeuropäischen Staaten auf den Frühling und Sommer . di« Minima auf den Herbst und Winter, wobei die Ditterenz zwischen den Maxime und Minima bedeutend grosser ist, als bei den ehelichen Conceptionen. la Russland fiLUt das Maximum der unehelicbrn Conceptionen auf den Winter und Frühling, das Minimum auf den Sommer und Herbst. Folgende Zahlen unterrichten über die Vertheilung der unehelichen Conceptionen:

Winter ... 31.^1,4

Frühling . . . 3077.8

Herbat ... j'.vjs,5

Sommer . . 2422,3

u. andere 8tildt«>. 1552,3 1333,8 4462.7 4651,2

Xr\^. Die Fmchtbarkeit des Weibes.

64. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit.

Es ist, wie Niernand wohl bezweifeln wird, *von einem hohen anthropologischen Interesse, eine Untersuchung darüber anzustellen, ob bei den verschiedenen Völkern der Erde die Fähigkeit, sich zu vermehren und ihren Stamm fortzupflanzen, in gleichmässiger Weise vorhanden ist, oder ob sich in dieser Beziehung ethnologische Difl'e- renzen nachweisen la.ssen. So mangelhaft mm auch das uns zu Gebote stehende Material bisher leider ist, so gelingt es doch auch mit diesen geringen Mitteln schon, den sicheren Beweis zu liefern, dass hier wirklich recht erhebliche Verschiedenheiten existiren, und bisweilen können wir sogar auch einen Einblick in die Gründe ge- winnen, durch welche dieselben veranlasst werden. Wir berüliren hier ein w-ichtiges Kapitel der Demographie, durch welches wir tiefere Einblicke theils in das somatische Leben, theiLs in die culttirelle Mission des Weibes zu werfen hoffen können.

Zunächst möchten wir darauf hinweisen, wie die Statistik die weibliche Fruchtbarkeit zu untersuchen hat. Zur Messung der «Fruchtbarkeit einer Bevölkenrag* dient in der Itegel die allge- meine Geburtenziffer, welche lediglich die Gesammtzahl der Geburten mit der Gesammtbevölkemng vergleicht. Ein Jahresbetrag von weniger als 30 Geburten auf 1000 Einwohner ist nach den int«i'nationalen statistischen Ermittelungen als gering, ein solcher von 30 bis gegen 40 als normal, ein Betrag von 40 und melir Geburten auf 1000 Einwohner aber als sehr hoch anzusehen. Allein mehrere Statistiker (unter Anderen Mayr) machen darauf aufmerksam, dass diese »allgemeine Geburtenziffer" als richtiger Ausdruck der Fruchtbarkeit der Bevölkermig nicht angesehen wer- den darf. Bei deren Ermittelung wird nämlich die gesammte Bevölkerung in Rechnung gebracht, während doch nur ein Bruch- theil der letzteren wirkhch bei der Fortpflanzung betheiligt und der- selben iahig ist. ,Wäre überall der Bestand an Greisen und Kindern vcrhältnissmässig gleich, dann wäre die Folgerung minder mirichtig, weil dann die Fruchtbarkeit sich weuigsterm proportional den all- gemeinen Geburtenziflem verhalten wllrde,* Auch nicht etwa das

422

XIV. Die Fruchtbarkeit des "Weibes.

Verhältüiss der Gesaimutzalil der Weiber in einer Bevölkerung kann una einen richtigen Aufschluss über die weibliche Fruchtbar- keit geben; denn die Frau ist eben nur eine gewisse Zeit lang gebärfähig, und es müssten alle diejenigen weiblichen Personen von der Zählung ausgeschlossen werden, welche theüs noch uicht in die Periode der Gebärtahigkeit eingetreten, theils aber durch Ueberschreiten dieser Periode steril geworden sind.

Wenn man nun bei zwei Völkern verschiedener Rasse ver- schiedene Grade der Fruchtbarkeit vorfindet, so muss man sich wohl hüten, hierin ohne Weiteres einen Kassenunterschied erkennen zu wollen. Denn es zeigt sich bei näherer Untersuchung, dass die grössere oder geringere Fruchtbarkeit noch durch eine Reihe anderer Factoren recht erheblich beeinJBuast werden muss. Hierher gehört der moralische Zustand der Bevölkerung, ihre sociale Lage und damit Hand in Hand gehend das Altersverhältniss der Erzeuger zu einander.

Ohne Zweifei darf man als günstiges Zeichen ftlr das Wohl- betintlen einer Bevölkerung die zunehmende Vermehrung derselben durch immer steigende eheliche Fruchtbarkeit betrachten; auf der anderen Seite erscheint die allmähliche Abnahme derselben als ßlerk- mai irgend eines krankhaften Zustande» in der Morahtät oder ge- ftllschaftlichen und staatlichen Ordnung.

Auf dergleichen Missstfinde deutet beispielsweiae die stockende Ent- wickelong der Population in Frankreich. Während fast überall in Europa die Fruchtbarkeit der Ehen auf mindestenä 4 Kinder sich berechnet, ergeben sich nach den älteren Berechnungen von Wappäus nur 3,3, nach den neueren Zusammenstellungen sogar nur 2,9 Kinder auf die Ehe. Der von den Fran- zosen selbst in neuerer Zeit oft beklagte Stillstand in der Bevöikerung»- entwickelung Frankreich» rührt nicht davon her, dass in Frankreich zu wenig geheirathet wird, sondern davon, dass die Ehen dort weit weniger fruchtbar sind, als sonst allenthalben in Europa. Auch spielt hier keine Eigenartigkeit der «lateinischen Rasse* eine Rolle, denn in Italien kamen von 1868 75 sogar 4,71 Kinder durchschnittlich auf die Ehe. Bertillon lenkto vor Allem die Aufmerksamkeit seiner Landsloute auf diesen wunden F1«Gk: und der französische Ethnograph Corre äusserte: ,La race frau^aise tend chaque jour ä. s'amoindrire vis-ä-vis des autros races, dont Taccroisse- ment proportionnel est beaucoup plus considt^rable. Mai» faut-il voir en ce fait st regrettable le resultat d'une influence ethniquu, la preuve d'une d<J- g^n^ration fatale et irr^mediable? Nous h^aitona t'i le croire, quand noua voyons au Cauada leg famiOes franpaises avoir communement six ou sept enfanta; nou» sommes plutöt portes & attribuer la decroissance de notre Population ä un 6tat de moeurs latentes, contre lesquelluH il semit grand temps que les legislateurs rt^agissent, s'ils ne renlcut m^riter plus tard le reproche d'avoir ete les compllces inconsciente de ranniliÜation de la patrie.*

Man beschuldigt zumeist das in Frankreich herrschende »Zwei- kindersystem' als Hinderniss grösserer Fruchtbarkeit. Allein es mögen hier wohl auch noch andere Verlialtnis.se mit in Frage kommen.

Es wirken zur grösseren oder geringeren Fruchtbarkeit eines Volkes zahlreiche sociale Verhältnisse zusammen. Was aber io»»

64. Fruchtbarkeit und Unfruchtt

423

besondere die Verhältnisse des weiblicheji Theiles der Bevölkerung anbetritft, so rauss man vor Allem das Alter der in die Ehe ge- tretenen Frauen bei der ehelichen Fruchtbarkeit berücksichtigen. Man liat gefunden, dass die Fruchtbarkeit der Ehen ihren höchsten Werth erreicht, wenn die Eltern gleich alt sind oder wenn der Mann 1 G Jahre äU<;r ist, als die Frau. Das weibliche Geschlecht aUern zeigte eine Zunahme der Fruchtbarkeit von 12 bis zu 27 Jahren. Quetelet fasste die bezüglich des Alters auf die Geburtenhäufigkeit gefundenen Resultate in Folgendem zusammen: Allzu früh ge- schlossene Ehen fördern die Unl'ruchtbarkeit. Vom 33. Jahr an bei Männern, vom 26. bei Frauen fängt, die Fruchtbarkeit an geringer zu werden. Zu dieser Frist erreicht sie den Höhepunkt. Unter sonst gleichen Umst^den ist sie am grössten, wo der Mann mindestens ebenso alt, oder um etwas älter ist, als die Frau. Für England hatt« schon Sudler, für Oesterreich Golilerl nach- gewiesen, dass rechtzeitige Ehen die fnichtbarsteu sind, dass aus vorzeitigen Ehen wenige und meist schwächliche Kinder hervor- gehen, und dass die Fruchtbarkeit der Ehe um .so bedeutender ge- mindert wird, je weiter das relative Alter der Eltern sich von den ang^ebenen fruchtbarsten Altersverhältnissen entfernt. {Wappäus.)

Die Verschiedenheit im Alter der Zeugenden ist allerdings auch zum Theil von der frOlieren oder späteren Pubertätsreife, sowie von klimatischen Einflüssen abhängig. Man weiss, dass in den südlichen Ländern mit romanischen Bevölkerungen die Ehen durchgängig früher geschlossen werden können, als im Norden, theils wegen de« früheren Eintrittes der physischen und socialen Reife bei jenen Völkern, theils weil dort die nothwendigsten Bedürfnisse zum Unterhalt einer Familie für die grosse Masse des Volkes geringer und leichter zu erwerben sind, als im Norden. Hierzu kommt, dass im Süden Europas das Band der Ehe fast durchgängig leichter geschlossen wird, als bei den ruhigeren und besonneneren Bewohnern des germanischen Europas. So sind denn hier weit weniger Rasse und Klima, als vielmehr die mit historisch gegebenen Ver- hältnissen in Zusammenhang stehenden Culturzustände, sowie die hiervon wieder abhängige, die SexualverhäUnisse beherrschende Lebensweise maassgebend.

Daher kommt es, dass beispielsweise Völkerschaften im Orient, die unter gleichen klimatischen Verhältni.ssen leben, grosse Diffe- renzen in der Fruchtbarkeit zeigen. So schrieb mir über die in Griechenland lebenden Völker Damian Georg aus Athen, daas die Jaden daselbst sehr fruchtbar sind, die Armenier ebenfalls, die Griechen weniger, die Türken noch weniger; im Allgemeineo aber sei das Volk in Griechenland sehr fnichtbar. Dass die jü- dische Bevölkerung überall eine gro.sse Fruchtbarkeit zeigt, ist aber gewiss Folge einer dieser Rasse besonders zukommenden Eigenschaft.

Die Sud-Slrtvinnen pflegen sehr fruchtbar zusein. Zwillinge und auch Drilling«? gehören nicht zu den Seltenheiten. {Krams?)

424

XIV. Die Fruchtbarkeit des Weibes.

Eine recht interessante Bemerkung bezüglich der Fru< eines nordischen Volkes machte 2>m Chaillu:

,£be ich Lappland besuchte, war ich in dam W&hne befangen, das? der Einfluss des langandauernden Tageelichts, wie umgekehrt dann wieder der kurzen dunklen Tage und langen Nichte nothwendiger Weise eine Ent- artung der menschlichen Rasse' sur Folge haben müsse; aber gerade da* Gegentbeil sollte sich finden: je weiter ich in Schweden wie in Norwegen nach Norden vordrang, um so kräftiger und stärker schien mir der Menschen- Hchlag, um so grösser waren die Familien und um so höher der Procent- 8Btz der Geburten im Verhältniss zur Zahl der Bevölkerung; betrog der- selbe doch in Tromsöe 34' lo und in Finnmarken gar 368;j(, auf 1000 Per- sonen jährlich. Es ist durchaus nichts Ungewöhnliches, in einer Famili« und von einer Frau eine Zahl von 15 18 Kindern zu treuen und manchmal, obgleich dies seltener vorkommt, steigt die wohl auch auf 20 24 K^Jpfe. Allein Anscheine nach zeigt sich die Fisch- und Milchdiilt der Vermehrung der menschlichen Rasse sehr fürderlich.' Ganz im Gegensatz hiei-zu sagte früher Dahl: ,üie Lappländer sind bekanntlich sehr unfruchtbar, so daes eine grosse Kinderzahl in einer Familie eine grosse Seltenheit ist." Zahlen brachte freilich dieser Autor nicht bei.

Der Einfluss des Ortes und des Klimas auf die Fruchtbarkeit darf überhaupt nicht überschätzt werden, denn die Bevölkerungen von Ländern mit gleichem Klima zeigen ganz diflerente Geburten- ziffern.

Diese Ziffer beträgt nach Queldet filr: Island 87, England 35, Kap der guten Hoffnung 83,7, Frankreich 31,6, Schweden 37, Insel Bourbon 24,5, Sicilien 24. Preussen 23,3, Venctien 22, Vereinigte Staaten 20; es zeigt sich somit keine Beziehung zwischen diesen Zahlen und den Breitegraden. Wappnus ilihrt ferner folgende Geburtenziffern an: Mexiko 17, Venezuela 21,9, Bolivische Pro^nnzen Moxos und Chi- quitoB 17,7, Unter -Canada 24,2, Ober-Canada 29,1, Neu-Süd- Wales 28,6, Martinique bei Weissen 39,1, Martinique bei Farbigen 25,9» Bourbon 23,5. Hier zeigt sich beispielsweise bei Martinique, wi«« gross an einem Orte die Unterschiede zwischen verschiedenen Bevülkerungs- klassen sind.

Die angelsächsische Rasse, die sich auf amerikanischem Boden zimi Yankee-Typus gestaltete, zeigt bedenkliche Symptome; man will bemerkt haben, dass ihre Frauen in der fünften und sechsten Generation immer blasser und blasser, immer zarter, magerer und zugleich ätherischer, daher für ihre höchste Aufgabe, nämlich gesunde Kinder zu zeugen imd selbst zu ernähren, immer weniger befähigt werden. In der That sinkt, wie das Bureau of Education in seiner Schrift über Vital Statistics of America nachwies, die Rate der Geburten in Amerika von Jahr zu Jahr; dieser Rück- gang findet sich in allen Staaten stetig nnd allgemein: in Arkansas, Alabama, Massachusetts, Connecticut, Michigan, Indiana, Pennsylvania und New «York. Allerdings sind die Ueberschtt8«e der Geburten stärker bei den Einwanderern, immerhin aber geringer, als in irgend einem Lande Europas, Frankreich in seinen trUbst«n Zeiten nicht ausgenommen. Die Abneigung der Frauen

4

I

C4. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit.

425

iTi Amerika gegen die Mühen der Kindererziehung hat nicht ge- ringen Äntheil an dieser Erscheinung.

Eine ganz erhebliche Abnahme der Fruchtbarkeit wird auch von verschiedenen Autoren bei europäischen Faniüien behauptet, welche dauernd in die Tropen übergesiedelt sind. »Die Fruchtbar- keit der Frau, sagte VirdiOio* in seinem Vortrage Über die Accliraati- sation, geht erfalirungsgemäss in den Tropen allmählich, aber doch sehr sclmell» in wenigen Generationen zu Grunde." Und selbst von Cuba, das ixiuuer als das Muster eines ttlr die Acclimatisation der Europäer geeigneten Tropenlandes hingestellt worden ist, bestätigt Jiamon de la Saffra, «was für andere Antillen, namentlich für die französischen, schon seit längerer Zeit als ausgemachter Lehrsatz giltv, dass eine weisse Familie, eine Creolenfamilie, die im Lande ansässig ist und nicht durch neues europäisches Blut wieder auf- gefrischt wird, sich überhaupt über die dritte Generation hinaus nicht mehr als fruchtbar erweist."

Es ist femer zu berücksichtigen, dass Überall bei den Völkern Europas die zeitlichen Schwankungen in der ehelichen Frucht- barkeit besonders von den Preisen der wichtigsten Nahrungs- mittel beherrscht werden, wie viele Statistiker nachgewiesen haben. Ueberhaupt üben günstige Lebensverhältnisse wohl bei jeder Be- völkerung den grössten Einlluss auf Erzeugung der Kachkommen- schaft aus. Dass aber zahlreiche Momente, wie Ueberlastung des weiblichen Geschlechts und hierdurch bedingte Häufigkeit des Abortus, allzu frühes Heirathen, die Verbreitung gewisser Krank- heiten, entnervende Gewohnheiten des männlichen Geschlechts u. s. w. der Erzeugung von Kindern hinderlich sind, wird wohl auch bei manchen Völkern als Grund der relativ geringen Fruchtbarkeit auf- zufassen sein.

Weiterhin mag eine besonders bei vielen wilden Völkern hei- mische Gewohnheit die Fruchtbarkeit sehr beschränken: das sehr lange, oft mehrere Jahre dauernde Säugen der Kinder. Denn schon an sich ist es physiologisch, dass für gewöhnlich, aber nicht immer, die stillenden Frauen nicht concipiren ; ausserdem aber ver- bietet bei \'ielen Völkern die Sitte, bei anderen die religiöse Vor- schrift den sexuellen Umgang während der ganzen Säugungs-Periode ; in Folge dessen wird auch die schon an sich physiologisch ge- ringe — Möglichkeit der Empfangniss während des Stillens aus- geschlossen. Dass viele, namentlich auch wilde Völker das Stillen der Kinder axisdrücklich deshalb jahrelang fortsetzen, um nicht so bald wieder schwanger zu werden, haben wir anderwärts [Ploss) dargethan.

Schliesslich mag jedoch auch die angebliche Unfruchtbarkeit eine nur scheinbare sein. Denn bei manchen Völkern ist lediglich da.-* oft vorkommende sofortige T(>dten der Neugeborenen und die Fruchtubtreibung die alleinige Ursache, dass man nur wenig Kinder auf die Ehe zählt.

XIV. Die Fruch«

Die Annahme, dass die Mischlinge aus vei-schiedeneu Ra&seu meist wenig fruchtbar seien, ist falsch ; wenigstens hat sie durch- aus keine allgemeine Gültigkeit. So lebt in Südamerika, na- mentlich in Brasilien, eine sehr zahlreiche Bastardbevölkening von Negern imd Portugiesen, in Chile eine solche aus In- dianern und Spaniern, in anderen Theilen dieses Continent» kommen die complicirtesten Kreuzungen zwischen Indianern, Negern und Weissen vor, doch gerade diese dreifachen Kreuzungen bieten die schärfste Probe fl\r die wechselseitige Fruchtbarkeit der verschiedensten Stämme dar. Die gemischte Rasse in Paraguay übertrifft sogar in der Fruchtbarkeit die beiden Rassen, aus denen sie hervorgegangen. Insbesondere vermehren sich die in den euro- päischen Colonien, sowie in den Staaten Südamerikas verbreite- ten Mulatten, die Nachkömmlinge von Weissen und Negern. he Vaillaud sagt: „Die Hottentotten erhalten, wenn sie sich unter sich verheirathen, 3 oder 4 Kinder, wenn sie sich mit Negern verbinden, verdreifachen sie diese Zahl und erhöhen sie noch mehr, •«renn sie sich mit den Weissen vermischen."

Als Hinderniss der Conception betrachtet man seit ältester Zeit Fettleibigkeit; deshalbg alten den Griechen die skytischen Frauen als unfruchtbar. (Haeser.)

Bei den Kaders in den Auamally-Bergen (Indien) gilt es als gutes Zeichen, wenn das erste Kind ein Mädchen ist ; man glaubt dann auf viele Kinder rechnen zu können; später werden Knaben vorgezogen. [Jagor.^)

Sehen wir uns nun unter den verschiedeneu Völkern des Erd- balls bezüglich der weiblichen Fruchtbarkeit um, so müssen vrir schon im Voraus gestehen, dass dasjenige, was wir hierüber That- sächliches gefunden haben, noch in vieler Hinsicht des zahlen- gemässen Beleges entbehrt, dass aber auch zweitens die vielleicht sicheren, statistisch gefundenen Zahlen deshalb noch wenig für die Beurtheüung der Ursachen der Fruchtbarkeitsverhältnisse zu ver- werthen sind, weil zumeist die Beobachter imterlassen haben, ihre Aufinerksamkeit auf die von uns oben angedeuteten einflussreichen Bedingungen zu richten. Schon aus diesem Grunde lässt sich un- sere, wenn auch lückenhafte, Darstelhmg rechtfertigen: denn die- selbe hat den Zweck, die Augen Derer, die zu solchen bevölke- rungswissenschaftlichen Studien schreiten, mehr imd mehr auf die vorhandenen Lücken bezüglich unserer Bekanutscliatt mit den ein- wirkenden Zuständen hinzulenken.

Asiatische Völker.

Unter deu trau« kaukasischen Völkern, inshoMOiulere den Gruaierb and gm Bischen Armeniern, gehören kindem;icho Faiuilien ku den Selten» heiteo: nicht mit Unrecht wird, wie gesagt, die Ursache dieser Encheiuuug in dem zu frUhen AbschlaHsu der Ehen gesucht. (Koch.) Die Eheu der Cbewguren sind kinderarm. Es werden selten mehr ab drei Kinder ia

427

lilJe gefunden. Diese Kinderarrauth ist eine absicbtlicbe. Zu- Iit ea Bi-auch. die Ehe bis 7.um 20. Jahre des Mädchena zu verzögern. Bei den verheiratheten Chewsuren gilt es als grosse Schande, wenn dem jungen Paare vor Ablauf der ersten vier Jahre ein Kind geboren wird. Auch später darf erst im Verlaufe von abermals drei Jahren eine Geburt statt- finden. Die Leute meinen, dass b^i der rascheren Aufeinanderfolge der Kinder das jüngere dem Ultercu die nöthige Pflege rauben würde. (Radde.) Die Bed uinen- Weiber sind •a&ch Layard wenig fruchtbar; er glaubt, dass das 2 3 Jahre lange Stillen dazu beitrügt. In Persien empfangen

Inach Poilak Frauen, welche für ihre Kinder Ammen halten, rasch nach einander und gebären fast jedps Jahr, während in den ärmeren Klassen, wo das Kind bis zum dritten Jahre von der Mutter gesäugt wird, Em- pfängniss und Geburten sich langsamer folgen. Doch geschieht es auch, du«H Frauen während und trotz der Lactation im zweiten Jahre wieder uienstvuiren und empfangen. Durchschnittlich gebären die Perserinnen 6 8 mal. Die unfruchtbare Frau wird in Persien vom Manne fast immer Verstössen. Ueber die in der persischen Provinz Gilan am K aspischen Meere wohnenden Volkastämme schrieb mir Häntzsche, ^- dass als die Ursache der dort vorkommenden Unfruchtbarkeit anzuklagen H sind: Frühe Heirathen, Mis8verhältni8.<< des Alters zwischen den Eheleuten! H Hysterie, Menstruationsanomalien und andere krankhafte Zustände des Uterin- H 8yst#mfl, grossentheils wohl erzeugt durch das widernatürliche Gebären.

Die S arten in Taschkent und Chok an sind sehr fruchtbar; es findet sich nicht selten, dass eine Familie 15 lebende Kinder aufweist. Besitzt der Sarte aber mehrere Frauen, so begegnet man in seiner Familie wohl mehr als 30 Seelen. (Rusaische Revue.)

Von den Völkern im Kussenten Nordosten Asiens wissen wir im Ganxen nur Weniges: Die Vuit nennt Dali nicht fruchtbar. Dip Tschuk-

tschen scheinen kinderreicher zu sein. Hooper wenigstens rechnete bei ihnen 6 6 Kinder auf jedes Weib. Auch in den Tschuktschen-Dörfem am Eismeer giebt es nach den Berichten der Vega-Expedition „Kinder in

I Menge." fGerland.) Die sibirische Bevölkerung zeigt bedeutende Ditferenzen bezüglich der Fruchtbarkeit. In einem Berichte (Jenissei) wird erwähnt, dass daselbst die Fruchtbarkeit der Frauen abnimmt, je höher nach Norden zu das Volk wohnt. So sind die Eheu im Turuchan'schen Gebiete auffallend weniger ergiebig, als z. B. im südlichen und östlichen Sibirien. Wenn die Russin im südlicheren Sibirien, aber auch noch unter dem 50—57." n. B., bis 24 Kinder gebären kann, so bringt ea ihre Landsmännin nahe am Polarkreis etwa anf 10. 12, selten 15, in der Gegend von Worogof selten bis 19 Kinder; die Ostjakin höchstens bis 8 oder 9, die Tungusin im Maximum aufs 10. Die letzteren (Tungusinnen und Ostjakinnen) gebären über- ' haupt nur bis zn 30 35 Jahren, nie mehr im 40. Jahre. Die besten und jQngdten Jahre in den Ehen, gewöhnlich anderwärts durch grössere Fruchtbar-

kkcit ausgezeichnet, sind bei den Familien der Eingewanderten in Turuchan durch Kargheil der Geburten bemerkbar. Die Ostjaken sind nicht sehr fruchtbar, selten triflft man Familien mit 3 oder 4 Kindern ; der Hauptgrund des Kindermingela scheint jedoch in der grossen Kindersterblichkeit su liegen. (Alesaindrow.)

Die Samojeden nehmen bekanntlich an Zahl ab, da ihre Ehen sehr unfruchtbar sind, unter den von Sograf untersuchten Individuen befanden «ich 18 verheiratbete Männer und 10 verheirathote Frauen; auf diese 28

XIV. Die

des Weihet.

Peraonea kamen im Ganzen nnr 25 lebend« Kinder, g«win eise sehr kleine Zahl. 3üt den verstorbenen Kindern betxug die Anzahl 47, welche sich atiC 19 Eben rertheilt, daranter waren 6 Ehen kinderlos. Diese geringe Kinc zahl iit wohl zu einem Theil anf die entsetzliche Schwächang des KArpc durch Branntweingenass zd tchieben; andererseits acheint das abernus fr Heirathen einen schlechten Einfluse tn üben. Knaben von 1(>^17 Jahren werden mit Mädchen von 13 14 Jahren verheirathet. Aach die Tan gasen (tlnd nicht sehr firuchtbar; die wenigsten Eltern sollen bei ihnen mtbr als 4 Kinder zeagen. [Georffi.)

Die Chinesen sind nach Scherztr ebenfalls wenig frachtbar, da die Familie (d. h. dar Mann mit in der Regel 2 6 Frauen) darchächnlttlich nicht mehr als 4 Kinder bat. Allein Scherier scheint die Ursache nicht dem langdaaerden Säugen zd finden, denn er setzt noch hinzu: „Viele Praoea' werden hftofig nach einigen Jahren wieder schwanger, selbst wenn sie noch sftagen." Auf andere Weise werden von den chinesischen Aerzten als Ur- sachen der Unfruchtbarkeit aufgeführt: 1. beim Manne Excessein der Liebe, der Gebrauch des die Fettbildung übermässig ftirdemden Arseniks und der Gebrauch de« die Geschlechtefanctionen zerstörenden Quecksilbers, endlich auch die Ausübung des ,Cong-foa* (d. i. einer Manipulation, um die Em- pfindung durch Anspannung der Aufmerksamkeit herabznsetzen , ähnlich dem Kypnotismua oder thierischen Magnetismus); 2. beim Weibe ebenfalU Liebes-Exce^se, Fettbüdung (welche das Eindringen des Sperma in die Ge- nitalien hindern soll) und verschiedene Krankheiten, wie LeucorrhOe, Men- struaLfehler, Prolapsus etc. Ausserdem zählen die chinesischen Aerzte nodi zahlreiche Ursachen der Sterilität auf, wie ausserordentliche Magerkeit, äber- mässige Gallenabsonderung etc. (Hureau.)

Obwohl Kindersegen in Japan als besondere Gunst des Himmel« an- gesehen wird, sind doch die meisten Familien nach einigen Angaben weniff zahlreich und bilden 3 Kinder wohl den Durchschnitt. Dagegen bezeugt Wemich, dass die Japanerinnen im Allgemeinen sehr fruchtbar sind; der um die Häuser sich tummelnde Kindersegen würde, wie er sagt, noch be- deutender sein, wenn nicht eine Beschränkung durch das lange Säugen un.d durch Abortus stattfände. Obgleich in Japan wie in China die jungen Mädchen sich vor der Verheirathung ziemlich frei pro.<4tituiren dürfen, so ist doch dies dem Wachsthum der Bevölkerungszahl nicht hinderlich. (!>> tottrneau.)

Ueber die Fruchtbarkeit der Annamiten-Frauen Cochincbinas bat Mondiire Stadien gemacht. Die Menstruation tritt bei ihnen durchschnitt- lich spät (16 Jahre und 4 Mon.) ein-, nur 4 Piocent der Frauen trat vor

^sem Zeitpunkt in die Ehe, die grOsste Mehrzahl (941 Individuen) waren sr als 17 Jahre bei ihrer Vereinigung mit dem Manne. Von die8en aber,

ie bei geschlechtlichem Umgänge Gelegenheit gehabt hätten, zu gebären, hatte noch nicht die Hälfte (440) ein oder mehrere Kinder geboren. Daa mittlere Alter, in welchem bei diesen die erst« Geburl DtattiuDd, war 20','9 Jahr. Die erste Geburt fällt also ziemlich spät; und während 86 Procent Hchon vor Eintritt der Regeln den Coitus üben, sind 95 Procent menstruirt vier Jahre, bevor sie ihr erstes Kind bekommen. Mondiire fand, das» 1)9 iVftuen, die im gebärfUhigen AltiT standen. ä4ö Kinder hatten. Da Ja« junge Mädchen hier zumeist erst im Alter von 19 bis 20 Jahren in die Eh« tritt, wo sie am geignetsten ist zur Zeugung, BO begünstigt die bi» dahin den Sexnalorganen gewährte Ruhe die Empfängnis«, und so werden «io auch in dieser Altersepoche zumeist äcbwun^^er.

64. Fruchtbarkeit und Tfafrncbtbarkeit.

Die Weiber der Nay er- Kaste in Indien bleiben bi« tum 40., auch jis zum 45. Jahr fruchtbar; Mütter mit 10 Kindt^m uind nicht sehr selten. lEine Frau in Calicut soll 16, eine andere sogar 20 Kinder geboren haLeii. (JagoT.)

Amerikanische Volker.

Bei den Aleuten im Nordwesten AmerikaK i^t eine Familie selten mit mehr als 2 3 Kindern gesegnet, wogegen die Verhältnisse der betaer lebenden Bussen mit den eingeborenen Weibern Iruchtbarer sind. {liitter.) In Alaska ßndet man in den Ehen der Eingeborenen gewöhnlich nur 1—3 Kinder; die höchste Zahl, welche Dali gefunden, betrug 6, auffallend viele Ehen sind ganz kinderlos.

Die Fruchtbarkeit der Eskimo -Weiber ist nach jAindebrrg sehr be- deutend, indem 21 Frauen im Durchschnitt 6 Kinder hatten ; unter 66 Frauen [^aren nur 2, die keine Kinder hatten. (Roherton.) Dagegen berichtet Äbbcs, daas die Ehen der Eskimos des Cuuiberland-Sundea sich keines grossen jj Kindersegen-s erfreuen; selten trifft man mehr als /wet Kinder; die UrHacbi« vermuthet er darin, duas der Mangel au passendem Ersatz für die Mutter- milch die Frauen zwingt, ihre Kinder möglichst lange an der Brust zu halten, sodann ist auch die Sterblichkeit unter den Kindern naturgemäss ungemein gross. Kinderlose adoptiren oft ein Kind.

Die nordanierikanischen Indianer scheinen weniger fruchtbar zu

|«ein, als die Weissen. Ueckeicelder sah in indianischen Familien, die eho- snald in Pennsylvanien lebten, selten mehr als 4—5 Kinder. Auch Lt Beau berichtet, daas die Frauen der Indianer in Canada minder fruchtbar Bind, als die Weissen. Der englische Reisende W«ld, welcher ebenfalls die Weiber der canadischen Indianer, wie die der Ureinwohner Nord- amerikas überhaupt, für minder fruchtbar, als die der Weissen hült, meint wohl nicht mit Unrecht, dass deren Preisgebung im juirten Alter und das lange Säugen der Kinder, während dessen sie keinen Verkehr mit den M&n- nem unterhalten, die Ursache der geringen Fruchtbarkeit ist. Gänzliche Un- fruchtbarkeit soll Übrigens bei den RothhB.uten selten sein, hüuiig dagegen künstliche Fehlgeburten bei Verbeiratheten und Unverheiratbeten, denn meist werden nicht mehr als 3 4 Kinder aufgewogen. (Waitz.) Aehnlich lauten die Berichte ans dem tropischen Amerika. Die Frauen in Jalapa (Mexiko) sind in der Kegßl fruchtbar, und Beispiele von Sterilität findet man selten; allein häufig vermeiden sie e», Mütter zu werden, indem sie sich freiwillig eine strenge Enthaltsamkeit auferlegen, um nicht die b&ualichen Sorgen zu vermehren. (Annahs.)

Die Fruchtbarkeit der Frauen in Nicaragua ist sehr gross. Selbst eingewanderte Frauen scheinen hier fruchtbarer zu werden, wenn Bernhard Recht hat, welcher sagt, dai^s es nichts Seltenes sei, Frauen zu finden, die 15 20 Kinder geboren haben; eine Frau in Massya, die in der ersten Ehe kein Kind hatte, gebar in der zweiten Ehe 27 Kinder.

In den Städten im Inneren der Insel Cuba, in Trinidad, Santo-Espi- ritu und Villa Clara sind nach Ramon de la üagra {M(i;/er-Ahrens^) die Ehen ausserordentlich fruchtbar; viele derselben zählen 12 Kinder, manche sogar 20—25 oder 26 Kinder. In Trinidad (im Jahre 1858 mit 14,463 Einw.) waren I Ehe mit 24 Kindern gesegnet, 2 Ehen mit 21, 1 Ehe mit 18, 1 mit 16 Kindern, 2 Ehen mit 15 Kindern, 10 Ehen mit 13 Kindern, also 260 Kin- der aus 17 Ehen. Im Jahre 1853 zäUte man zu Trinidad 123 Familien von Weissen, welche 8 10 lebende Kinder hatten. In Villa Clara gab es

64. Frncbtbarlfcit mid ünfrnchtbarkpit.

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HtafrLkas," sagt Hildebrandt, ,tiiiid aU MtHchHn^ sehr beterog<>n>>r

uäsen durch maucherlei Uii8itt«ii und Krankheiten, welche gescblechtUcben

;nd klimatischen Ursprungs sind, weniger kinderreich.*

Die Waxwaheli im Inneren Ostafrikas haben wenig Kinder: 1. wegen

.ex schrecklichen UnsittUcbkeit, die unt«r ihnen herrscht, 2. wegen des Ge- :ha von Arzneimitteln, um Feblgeburt«n kq erzielen, da ihnen Kinder bnlich als eine Last erscheinen. {Thom»on.)

Von den Neger-Franen giebt IVwnffr-Btfy an, dass ihnen llber»chwiuig- liche Fruchtbarkeit nicht eigen sei, doch gäbe es solche . die bi» 10 Kinder

oberen; sie abortiren sehr h3,Qfig.

Im Allgemeinen ist bei den Negern der Westküste die Fruchtbarkeit nicht gering; bei den Wol offen sogar nach de Jlochebrune sehr gross. Wenn es in einem Berichte heisst: „Die Negerin des Ewe-Crebietes ist selten mit mehr al» 6 Kindern gesegnet." so meinen wir. dass ein solcher Segen doch schon recht ansehnlich iat. Bei den Fulbe- oder Fullo -Frauen ist der Ejnderreichthum dagegen viel geringer, denn man fand, dass ein« Pullo- Frau selten mehr als 3 4 Kinder hatte , während in den Familien anderer Negerstilmme selten unter 6 8. oft aber 10 12 Kinder auf eine Mutter kommen. Eine noch geringere Fruchtbarkeit zeigen die L o an go- Nege- rinnen , da durchschnittlich bei ihnen ein Weib nur 2 oder 3 Kindern das Lel>en schenkt. Pechtul-Lotsdie kann die Ursache dieser geringen Frucht- barkeit nicht bestimmt angeben, und er sagt: ^Sollte neben allgemeiner unsicherer ErntLhrung nicht auch willkürliche Verlängeruug der Lactations- Periode von Kintluss sein?" Wir können von ärztlicher Seite eine solche Wirkung übermässiger Ausdehnung des Öäugens nicht in Abrede stellen. Von den Egba-Negern, welche in Yorubii, zwischen dem Golf von Benin und dem Niger-Fluss wohnen, sagt Burton, dass bei ihnen die Ehen s«>lten fruchtbar sind in Folge des verlängerten Stillens. Und von den Bewohnern der Sierra-Leono-KUste, den Bullamer, Susu eta sagt Winterbottom, welcher Arzt der britischen Colonie zu Freetown war, dass ausser der Polygamie ein anderes Uinderniss, weshalb die Bevölkerung nicht zunehmen kann, darin besteht, dass die Mütter ihren Kindern zu lange die Brust

eichen: ,denn während dieser Zeit, welche gemeiniglich zwei Jahre oder wenigstens so lange dauert, bis das Kind im Stande ist, seiner Mutter eine KiirbisSasche voll Wasser zu -bringen, leben sie von ihren Männern abge- sondert. Es ist eben nichts Ungewöhnliches, dass eine Frau, die ein stillen- des Kind hat, ihrem Manne eine andere Frau ver»chaf)t, die so lange ihre Stolle vertritt, bis das Kind entwöhnt ist. Weiber, die mehr als 3 i Kinder zur Welt bnngen, sind in Afrika selten." Dies rührt jedoch keines- wegs davon her, dass sie frühzeitig zu gebären aufhören, vielmehr kannte Winterbottom Frauen, die 35 40 Jahre alt waren und gleichwohl noch Kinder gebaren. Er macht noch auf eine andere Ursache der Unfruchtbar- keit an der Sierra-Leone-Küste aufmerksam: So lange eine Frau um eine verstorbene Freundin oder eine Verwandte trauert, lebt sie vom Manne abgesondert. Schon Mungo-Park glaubte die Unfruchtbarkeit der Nege- rinnen so zu erklären: „Da die Mandingo- Negerinnen lange, nicht selten auch 3 Jahre lang säugen, und da während dieser ganzen Zeit der Mann seine Gunst den anderen Frauen zuwendet, so kommt es, dass eine Frau selten eine zahlreiche FamUie hat; wenige haben mehr als 5 oder 6 Kinder." Dagegen führt c/e i^oc?t€^run« für die von ihm beobachteten Neger noch die Häufigkoit des natürlichen Abortus als Grund an. Die Ursachen, welche denselben bei den Woloffen so oft herbeiführen, hängen eng mit

irr Lcl^aFWriä« d-er Wrfc-jr r:M=-.=c: is irei 'rilatli-räw. »^«»•f.Iflffn rt At «nii-sd-». sTCsJy'.irge Zer5t-:'»«a irr Eiri« tt-icAr: ao5 d«r aadem S^itc i~<r =i»:r,^s •» Ni<cK lisx F^stliccxätac =:i£. vo^ei sie sswr Mijci i=^«aeEd* -:-;-*c>;=.* Tlzza xztfzt:^— ü-r =i: B-:iA»Bes d*r Backen- Zft5«r=.-i Tarier i*- sri «^ S-iiw-Jij^ris: j»»i» ^reälizsic^ sisd. Weg«a ies giaiissa Fnci: t iri-ri- -.=: 1-2 Tit.: riilrs. A f r : k i . irs':«;*; edee ia L o m b z o . LH- W"ji«eii:.>i £«■« ii-j Prljgxri* d:r5 fzr ^extri. ;i mI':^ bei PolTzi^ir bii =4= irr:, wi-» *r «ir:. ■■■»rijrr Kiri'Sr il« Yrtasa..

Di* War-.» irr G-irei-Xerer i= 3:«*ir: -Ar;hir«äi äd aasser-

Di* H Mterivt^istia iici ii:i: Äjrr;^f *.»£; •■■aaij fraecsbAr: « c«i:«c. w^-i ■!? üri-sbt. i^ ies, Ei-js. der Eitte-tirtsz irrrducfcsitxliek Ei<:z? necr ü 3 Ai^iTr b.rrrcr. Anierf s-:!'. « *kh v*rralx«z,. «lesa Ver- gjäjh^r.g *i;:«r Ec-sirstott::. =it «iü=: E::r:Tlrr sSARzedes: daui sei d:e rrsizüiric-i:-: i*r W*r:.ir ■■■« rrTsi^r- !•:* Kiffers, bsc^ ir>>tx drr T-;*l^- Fnc-a:. w^riz Ki=.i-»r. HÄi-itif. I'vz>e-jei nl?«r «üe Fras«. d*r iz*— i ' ziz- ;~zr: i^Bj«*:-: rt«»c.-»E. E=*«:-:r«=-rr l-?rc«ziri*:hen I=5«l]i. der G^i=.;i:TZ.. iL« «Ir ^:bi':ir -:. Jf iiMr-:«"i" .

Anssralie; Tisd Oeeaaier.

I'ir Wc;:.ir irr ^'~j^':-:rT--*z i= Ni-i:!'. iri j<ic«ir«rz. «är Ti»I* üi.i*r; 'rrt, zlzLzi Iri El^lz: v:- 41 TriZA-. ■sin-elr* If^TSör L&nesi V: ZZ.-.S '—2 'T'-i-.zniz. TiTü Ä yi.i:ii-. 1?? £ri:.f=. I'ATis^a. ii=,i dir xziZzj.'.isi'-iz.'^-i'^'.'iT l-iz C-:'.:zii Vi:;;r:A cizi: ":-is-:r:-ier* t::ctso4r:

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Di-T Xiiri* izf Xe-*TTl»- i i=i iijrwr ^ir :irfr:;i.*.';*r ^s-i d*a Aziätrr^.er r - -. JV»:;-«. T:r i»^: l»."i rji^i S.-*-;'.-?'-* A=^:.* ir A^:k- li-i *i=.r rfürirll* Art*:: i<ä«ir-;:k:t ■»irif. ••rre-:!^;':«. iü« 'i-ei ■- ■»" .si-»

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65. Das Ansehen, in welchem die Fruchtbarkeit steht. 433

sie ihre natürliche Bestimmung, da sie, wenn sie kinderlos sind, häufig von ihren Männern weggejagt werden.

Die Frauen der Negritos (Philippinen) sollen im Ganzen nie mehr als 4 Kinder gebären. (Mundt-Lauff.)

Zu Banka in HoUändisch-Ostindien sind nach Epp die Frauen nicht sehr fruchtbar; derselbe sucht die Ursachen in der schmalen Kost. Dagegen werden die Frauen auf Amboina, weiche zumeist von Fischen und Sagn sich nähren, als ganz bespnders fruchtbar geschildert.

65. Das Ansehen, in welchem die Fruchtbarkeit steht.

Während vielen Völkern, bei welchen sich beide Eltern reichen Kindersegen wünschen, die Fruchtbarkeit der Frau als besonderer Vorzug' und als eheliches Glück gilt, hingegen die Unfruchtbarkeit derselben gleichsam als unvollkommene Befähigung zur Verrichtung ihrer ehelichen Aufgaben oder selbst als Strafe der zürnenden G ottheit aufgefasst wird, betrachtet man im Gegentheil bei manchen Völkern, deren Ehen nicht kinderreich sind, die grosse Fruchtbar- keit als etwas Verächtliches. Eine Frau bei den Grönländern hat 3 6 Kinder und gebiert alle 2 3 Jahre; wenn daher die Grönländer von der Fruchtbarkeit anderer Nationen hören, so vergleichen sie dieselben mit ihren Hunden. In ähnlicher Weise verzogen die Indianerinnen in British-Guiana spöttisch den Mund, als si» von Schomburgh erfuhren, dass bei Europäerinnen Zwillingsgeburten nichts weniger als selten sind; auch sie sagten; ,Wir sind keine Hündinnen, die einen ganzen Haufen Junge werfen." So ist auch in Europa die Freude über ein schnell folgendes Ge- bären der Frauen bei manchen Völkern recht gering. In Frank- reich schildert ein altes Volkslied die Ehe, welche mit zu vielem ,'Kindersegen " bedacht ist und deshalb als eine unglückliche be- trachtet wird, in folgender ergreifender Weise:

,Nach einem Jahre ein Kind. Ist das eine Freude! Nach zwei Jahren zwei Kinder; da kommt schon die Schwemiuth. Nach drei Jahren drei Kinder; es ist ein wahrer Teufelsspuk. Das eine schreit nach Brod, das andere nach Suppe, Das dritte will gestillt werden, und die Brust ist siech. Der Vater ist in der Schenke und führt ein schlechtes Leben, Die Mutter ist daheim und weint und seufzt." (Theuriet.) Wenn solche traurige Lieder im Volke gesungen werden, dessen Herrscher,- Heinrich IV., einst wünschte, dass jeder Bauer sein Huhn im Topfe habe, so dürfen wir uns wohl nicht wundem, dass gerade dort das sogenannte „Zweikindersyste'm" Platz gegriffen hat. Ueberhaupt ist es immer ein Zeichen socialer Gebrechen und unzureichender Ernährungszustände, wenn eine geringe Frucht- barkeit im Allgemeinen für ein Glück gilt. Dann sind es aber auch nur noch wenige Schritte bis zur willkürlichen Beschränkung der Kinderzahl.

Plo8t, Das Weib. I. 3. Ana. 28

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65. Bas Ansehen, tn welchem die Frncfatharlteit steht.

435

Kinderlosigkeit gUt im Morgeulande für ächmachToll , und die 'Moslini aowolü als auch die orientalischen Juden macheu die Unfruchtbarkeit zu einem Scheidungsgruud. Vom Araber wird sie im eigentlichen Sinne als Unsegen, von den Frauen desselben noch Ldazu al« Schmach betrachtet. Ja eine arabische Frau, die nur HEMädcben gebiert, sieht sich schon als verflucht imd mit einem Makel ^■behaftet au. {SandrczcJd.) Sie hält sich auch ftü* verzaubert. 1^ Unfruchtbarkeit ist für da.s türkische Weib das grösste Dn- ■^ glück, welches sie treffen kann, denn sie geniesat alsdann wenig

t Anaehen und wird von ilirem Manne vemachliiasigt und selbst von ihm geschieden, und da man die Unfruchtbarkeit als einen Fehler in der Organisation der Frau betrachtet, so kann diese .sich .selten zum zweiten Male verehelichen. (Oppfufieim,) In Südalbanien sind bei den Türken unfruchtbare Weiber tiirralich verachtet und daher, weü sie Fruchtbarkeit erlangen wollen, in steter Verbindung mit alten Zigeunerinnen, welche Geheimmittel besitzen sollen, um

»eine scjmelle Empfangni.ss herbeizuführen. (Lehnert.) Die Mohammedaner meinen, dass sich gar nichts gegen Un- fruchtbarkeit einer Frau thun lasse, da sie eine Fügung Gottes sei, demi es steht im Koran: Gott macht nach seinem Willen, dass eine Frau Müdeheu, eine andere Knaben, eine andere Kinder vun beiderlei

(Geschlecht bekömmt; er macht auch nach seinem Willen die Frau unfruchtbar. Doch sind sie der Ansicht, dass die helle oder duukle Com- plexiou einer Frau für die Sterilität derselben von besonderer Be- deutung ist: denn der Prophet sagt: , Ziehet eine Frau vor, deren Haut braun ist, denn sie ist fruchtbar gegenüber einei Frau mit allzu heller Haut, die vielleicht imfruchtbar ist,"

tWenn bei den Badagas am Nilgiri- Gebirge in Indien eine Frau keine Kinder bekommt, so nimmt sie ihre Schwester als »zweite Frau" in das Haus, .sie selbst bleibt aber Herrin. Ist dies Auskunftsmittel nicht ausführbar, so wird die Frau zu ihren Eltern heimgeschickt, oder sie heirathet einen Alten, der von ihr nicht Kinder, sondern nur Arbeit verlangt. (Jagar.) Auch in mehreren anderen Provinzen Indiens gilt die Unfruchtbarkeit der Frau als etwas Verächtliches und als ein grosses Unglück.

Sobald bei den Ostindieru zu Madras die bei der Unfrucht- barkeit gewöhnlich angewendeten rehgiösen Mittel nicht helfen, darf der Mann seine Frau Verstössen, weil sie ihm keine Hoönuug auf Nachkommenschaft giebt. (Best.)

Auch bei den Chinesen .steht Fruchtbarkeit in grossem An- sehen; die grösste Freude einer Frau ist eine zahlreiche Familie; keine unfruchtbare Frau hält sich für das unglücklit-hste Geschöpf; hierzu steht im 8chreiend.steu Widerspruch die Thatsache, dass iohinesische Eltern mit kaltem Blute ihre Kinder morden, oder sich der Neugeborenen durch Aussetzen rasch entledigen. Aber nicht ül)erall, wo mtui die Fruchtbarkeit an sich hochschätzt, ist auch

28*

66. Arzneiliche und mechanische Mittel gegen die Unfruchtbarkeit. 437

der Untreue und künstlicher Fehlgeburten; von anderen wird sie nur als Unglück betrachtet und hat gewöhnlich Verstossung zur Folge, (de Laet, Keating.)

Ehescheidungen finden bei den Indianern des Gran Chaco in Südamerika häufig statt, sobald keine Kinder vorhanden sind, d. h. der Mann verstösst in solchem Fall einfach sein Weib und nimmt ein anderes. Ist jedoch das erste Kind geboren, so gehören die Ehescheidungen zu den Ausnahmen. [Amelimg.)

Wir führen schliesslich noch einige Völker Europas an.

Nach slavischer Anschauung sind Kinder ein Segen Gottes; eine Ehe ohne Kinder ist unglücklich und die junge Frau muss die Schuld tragen. In Böhmen wird die junge Frau, welche im ersten Jahre der Ehe ein Kind hat, belobt imd reich beschenkt. iLiimzoic!) In Bulgarien ist Unfruchtbarkeit ebenso wie in Russ- land ein durch Zauberei bedingtes Unglück. Bei den Slaven in Istrien gilt die Kinderlosigkeit für ein Zeichen von Gottes Zorn; unfruchtbare Weiber heissen dort nScirke" d. h. Zwitter, {v. Dürings- feld.) Den Serben gereicht Kindersegen zur grössten Freude {Petro- icitsch), und Kraiiss^ sagt:

„Das uufruchtbare Weib wird bemitleidet und geringgeschätzt. Ihre ^ftellung im Heim des ^Mannes wird immer unhaltbarer. Der Mann sucht in tJeiufiii.schaft mit seinem Weibe durch zauberkräftige Mittel diesem Uebel- stände abzuhelfen. Im Sprüchworte heisst es: Ein Weib ist kein Weib, ehe sie nicht gebärt."

Bei den Ungarn scheint die Unfruchtbarkeit wenigstens im Anfang der Ehe nicht für etwas Schlimmes zu gelten. Die Tugend der Züchtigkeit wird so weit miss verstanden, dass die Weiber sich scliümen, innerhalb des ersten, ja auch des zweiten Jalires nach der Heirat h in die Wochen zu kommen. Im Gomörer Comitat verstehen >ie die Kunst, sich davor zu hüten, so dass sie selten vor dem 6. oder 7. Jahre der Ehe entbunden werden, (r. Csaplovics.)

66. Arzneiliche und mechaniselie Mittel gegen die Unfruchtbarkeit.

Der den Menschen aller Rassen so natürliche Wunsch, Nach- ki »Ulmenschaft zu erzeugen, und die grossen Nachtheile und Unlieb- sauikeiten, welche bei vielen Völkern, wie wir gesehen haben, einer unfruchtbaren Frau zu erwachsen pflegen, mussten natürlicher Weise zu Versuchen führen, den bis dahin erhoÖten Kindersegen durch künstliche Hülfsmittel doch noch zu erzielen. Die für diesen Endzweck eingeschlagenen Wege sind dreierlei Art, nämlich erstens das AnHelien des göttlichen Beistandes, zweitens die Austtihnmg gewisser zauberischer, sympathetisch wirkender Handlungen, und endlich die Anwendung mehr oder weniger zweckmässig gewählter,

empfolJen; es ist die Tiuctur aus den Blättern eines perennirenden Baumes aus der Klasse der Temstromaceae : scbon nach einigen «Stunden soll das Mittel sicher (V) auf die Meustruation wirken und die »Sterilität heben. In China und Japan wird es zur Zeit des Vollmondes mit kabbalintischen Formeln genommen.

IäIb die Geschlechtslust erregende und wahrscheinlich auch Ste- TÜitSt beseitigende Mittel dieneu in Oberägypteu nach Kluit- einger besonders Ingwer, das theure Ambra, eine fettwachsartige Substanz aus dem Darm und der Blase des Pottwals, und Honig oder Zininit und Karotten oder Rettig-Siunen mit Honig gekocht; ferner die tialle des Raben, die gebrannten Schalen der Tridacma-Mußchel ^ mit Honig, auch der Blüthenstaub der Dattelpalme. B Fezzan sucht man die Fruchtbarkeit der Frauen durch

reiclilichen Genuas getrockneter Eingeweide junger Häschen zu rer- mehren, die noch au der Mutterbrust waren. (Nachtirial.)

IWenn eine Frau in Algier schon ein Kind bekommen hat, daun aber längere Zeit nicht Avieder concipirt, so muss sie Schafs- Urin oder auch Wasser trinken, in welchem man Ohrenschmal/ eines Esels hat maceriren lassen. (Bert für and.) Auch örtliche Kuren sind im (Jrient im Gebrauch. Denn Fast in Beirut giebt an, dass in Syrien unter den Frauen besonders UIcerationen der Portio vagi- nalis vorkommen, herbeigeführt durch unsinnige Application von reizenden Stoffen behufs Förderung der Conce])tion. In Ober- mägypten wird nach Klumingcr ein kleines Stückchen Opium f[ir H den ersteu Tag der Kur in den Schooss eingelegt, und die drei fol- ^Bgendcn Tage ein Stnckchen vom Wanst eines Wiederkäuers. ^ Die Indianer in Peru sollen Aphrodisiaca besitzen, welche

besonders auf das weibliche Geschlecht wirken ; sie führen den ge-

»meinschaftlichen Namen Firipiri. (Mcrntrio.) Auch auf den Luang- und Sermata-lnseln int malayischen Archipel sind Aphrodisiaca bei beiden Geschleciitern stark im Gebrauch. Auf Ambon \ind den Uliase-Inseln müssen unfruchtbare Weiber bestimmte Medicaniente einnehmen und in besonders vorge- schriebener W^ eise baden. Ebenso giebt es auf Leti, Moa und Lakor allerhand Arzneien gegen die Unfruchtbarkeit, aber liier mtissen die Männer ebenfaUs diese Pocula sterilium trinken. Die Weiber der Galela auf Djailolo (Niederländisch-Indien) kennen ebenfalls Medicinen, welche ihnen die Schwängerung sichern. {Riedel.)

Unter den Westaustraliern herrscht die Meinung, dass Mäd- chen nach dem 11. oder 12. Jahre keine Bandicuts (Beuteldachs, Perameles) mehr essen dürfen, sonst werden sie unfruchtbar; wenn dagegen die Frauen viel Kängumfleisch gemessen, so macht sie das fruchtbar. (Jimk.)

In Sibirien gebrauchen die Mädchen vor der Brautnacht die

ekochten Früchte der Iri.s sibirica. Weiber, die in Kamtschatka

Kinder gebären wollen, essen Spinnen; einige Wöchnerinnen,

die dort bald wieder schwaiiger werden wollen, vejzehreu die Xubel- scliniir ihres neugeborenen Kindes. (Kraschennikow.)

Hier finden wir schon selbst bei niederen Völkern die Vor- stellung, dass bei Behinderung der Euipfäugniss etwas Krankhaft«» vorliegt, dem man nicht bloss durch Sympathie, sondern auch durch Diät und Therapie entgegentreten könne. Jedoch entwickelte sich dort, wo die Heilkunde sich der Sache anzunehmen begann, noch eine bessere Einsicht, die schon zu einer rationel- leren, wenn auch noch recht primitiven Behandlungsweise ftihrte.

Eine Vorstelhmg von den Ursachen der Sterilitfit und eine sich gegen dieselben richtende Therapie besassen ohne Zweifel schon die alt griechischen Aerzte. Nach 'Hijipokrates Jconneu folgende Zustände Sterilität bedingen: 1. Verdrehung and Schief- stellung der Gebärmutter; 2. zu grosse Glätte der Innenwand der- selben, bei der der Same nicht zurückgehalten wird; 15. Suppressioo der Menses vmd Obstruction oberhalb des Muttermundes ; 4. Ueber- t'Qllung des Uterus mit Blut und üljermiissige Secretion dos AJen- strualblutes, welches das Sperma wegspült: 5. Gebärmuttervorfall, bei dem die Uterusmünduug hart und callös wird. Nach Paulus von Äeyina wird die Sterilität zuweilen durch mangelhafte Eruäh- nmg, zuweilen durch Plethora hervorgerufen. Demgemäss luiiss die allgemeine Lebensweise geregelt werden. Fette Weiber sind zur Zeugung untauglich, weil sie nicht genug Samen haben, ebenso heruntergekommene. Die Weiber müssen eine solche Kost zu sich nehmen, die den Mouatstluss beiordert. In solchen Fällen, wo die llble Beschaffenheit flutL-niperameutunil des Uterus die Sterilit^lt be- ilingt und die sich durch Ausbleiben der Menses kennzeichnen, muss eine aromatische, stimulirende Kost gegeben werden, um die ujitür- liche Wärme anzuregen; gleichzeitig werde der Unterleib frottirt. Ist der ganze Körper wärmer als gewöhnlich, die Menatruation spärlicher als sonst und scbmerzhaft, sind die Geschlechtstheile ge- schwürig, so muss man liieraus schliessen, dass der Uterus ein warmes Intemperament hat. Da ist eine kühlende, feuchte Kust angezeigt und ebenso kühle Umschlüge. Bei SteriUtät, bedingt durch Feuchte des Uterus, sind die Menses dünn und profus; hier ist austrocknende Kost augezeigt. Bei grosser Trockenheit der Gc' bärmutter heilt man die Sterilität mittelst Bädern und Ssdben. Behiii" dert dicker „Humor' die Conception, ho muss dieser herausbelUrdert werden durch Purgantien. Ist dagegen die Gebärmutter uufgeblüht, so wende man Aromatica und Pessarien au. Einen vex'schlosseiMJU Muttermund erööue man mittelst aromatischer Injectionen, und gleich- zeitig gebe man Terpentin, Nitrura, Elaterium, Ca-ssia und Thcer- wasser; bei klauendem Miitterniundc hingegen Adsti' i. Zu-

weilen ist die Fruchtbarkeit dadurch })ehindert, das.s . ursion

des Uterus bestt^ht; hier ist der Coitus a posteriori Hugezwigt. Letzteres empfiehlt auch Onhonitia, der aber auch weitcvli^. - --^t, mau müsse dtn Muttermund erweitern, luu eine Schw; ift

zu ermügUcheiK während in anderen Fällen mittelst Adstringentien die klaöVnden Muttermundslippeu einander genähert werden müs«t<.'ü, um dus Abfliessen des Sperma zu verhüten. {Jettks.) So verworren allerdings noch immer diese Ideen und R^thschlüge zu einem grossen Theile waren, so sind sie doch immerhin die ersten ernsten An- läufe zu einer rationelleren Behandlung der Sterilität.

In den hip^vkratUchfu Schriften (die zum Theil nicht von Hippo- kratrs selbst herrlihren) wird eine Menge sinnloser Mittel angegeben, um eine Frau fruchtbar und den Coitus erfolgreich zu machen. Wenn du willst, du.ss eine Frau schwanger werde, so musst du sie selbst und ihre Gebärmutter ausreinigen, d. h. es muss ein Mutter- zäpfchen von t'eingeriebenem Natron, Kreuzklumnel, Knoblauch und Feigen mit Honig bereitet in die Gebärmutter gelegt werden und die Frau muss sich wann baden; nachdem dieselbe nücht^ni Dill gegessen und echten Wein nachgetnmken hat, wird rothes Natron, Kliruinel mid Harz mit Honig augemacht, in einem Stück Leinwand als Mutterzäpfchen eingelegt. Wenn nun Wasser abfliesst, so lege der Frau schwarze erweichende Mutterkränze ein und tathe ihr ehe- lichen Umgang an. Wenn du will.st, dass eine Frau schwanger werde so lautet das nächstfolgende Recept , so reüiige sie selbst und ihre Gobtirmutter, und lege dann ein al>getragenes, mög- Uchst feines und trockenes Leiuwandläppchen in die Gebärmutter ein und zwar tauche das Läppchen in Honig, forme ein Mutter- zäpfcheu darau.s, tauche es in Feigensaft, lege es ein, bis sich der Muttermund erweitert hat, und schiebe es dann noch weiter liinein. Ist nun aber das Wtusser abgezogen, fo «püle sich die Frau mit Oel und Wein aus, schlafe beim Manne, und trinke, wenn sie ehe- lichen Umgang geniesseu will, Poley in Kedros-Wein. Eine an- dere Vorschrift wird im Lib. de superfoetatione gegeben: Wenn du ein Weib behundel.st, um sie fiihig zur Conception zu machen, scheint sie ausgereinigt und der Muttermund in löblichem Zustande zu sein, so bade sie, reibe ihr den Kopf ab. salbe sie aber in keiner Weise ein. Dann schlage ihr ein nicht riechendes gewaschenes Leinwandtnch um den Hals und binde eine rein gewaschene oder ' nicht riecliende Netzhaube darüber, nachdem du zuerst das leinene Tuch eingebunden hast, dann lege der Frau abgekochtes Mutterharz, welche« am Feuer und nicht an der Sonne erweicht worden, als Mntterkranz ein und las» sie schlafen. Wenn sie sich dann am anderen Morgen früh die Netzhaube mit dem Leiuwandtuchc abge- nommen hat, 80 lasse sie .lemanden an ihrem Scheitel riechen: giebt sie einen Geruch von sich, so steht es mit der Ausreinigung gut, wenn nicht, schlecht. Das Weib tbue dies aber nüchtern. Ist »ie aber unfruchtbjir, .so wird «ie weder gereinigt, noch .sonst einen Geruch verbreiten. Es wird aber auch nicht sc» gut riechen, wenn du Jenes einer Schwangeren einlegst. Bei einem Weibe aber, welches oft schwanger wird, leicht concipirt und gesund ist, wird der Scheitel riechen, xelbst. wenn du ihr kein Mutterzäpfchen einlegst und sie

442

XIV. Die Fruchtbarkeit des W4

nicht ausreinigst: ausserdem aber wird er nicht riecLen. Wenn nun Alles dem Anscheine nach in löblichem Zustande ist, und das Weib sich mit dem Manne fleischlich venuischen soll, so mnss das Weib nüchtern, der Mann aber nicht berauscht sein, sich kalt gebadet und angemessene Speisen genossen haben. Merkt das Weib, dass sie die SaraenflOssigkeit bei sich behalten hat, so nähere sie «eh dann dem Manne nicht, sondern verhalte eich ruhig. Sie kann dies aber gewahr werden, wenn der Mann sagt, er habe den Samen ejaculirt, und das Weib dies vor Trockenheit nicht bemerkt. Giebt aber die Gebarmutter die Samenflüssigkeit in die äusseren Scbam- theile zurlick, wird das Weib nass, so vermische sie sich wieder fleischlich, bis sie concipirt.

Wir legen dieses Verfahren so ausftihrlich dar, um zu zeigen, wie sehr doch die Aerzte jener Zeit durch eine örtliche Behand- lung zu helfen suchten, die zwar nicht zum Ziele führen konnte, die aber ohne Zweifel noeh lange Zeit Vertrauen und Anwendung fand. Aus.ser dieser örtlicJien Behandlung stand aber auch eine inner- liche bei den Altgriechen in grossem Ansehen. Frauen, welche sich Kinder wünschten, rieth man zur Zeit des inj)jioh-nif'.s Silphimn mit Wein zu nehmen, jenes räthselhafte Mittel, welches die Alten so hoch schätzten, und d^is vielleicht, wie Schroff" meinte, in der Tbapsis Silphium Vivian vor einiger Zeit wieder aufgefunden worden ist.

In dem 1 7. Jahrhundert mussten die unfruchtbaren Weiber bei , kalter uiid allzu feuchter Complexion* Tränke aus „Würznägelein' (CaryophylJen I mit Melissenkraut und Pomeranzenschalen zu »idi nehmen. Auch Kosmarin mit Mastixkürnem war ein beliebtes Mittel. Koch heute wird in Steyermark nach Fossel Spurgel- snmen mit Wein mid die jungen Hopfeusprossen als Salat zube- reitet als Mittel gegen die Unfruchtbarkeit angewendet. Auch soll die Frau zwei Monate den ehelichen Verkehr meiden, sich dann zur Ader lassen und dann am darauffolgenden Tage den Beischlaf aus- l\ben. Im Frankenwalde genies.st der Kaflee in dieser Beziehung ein besonderes Vertrauen. (Fliif/el.)

Die Russen gebrauchen unter anderen Volksmitteln auch eine Auflösung von Salpeter, innerlich genommen, um den Weibem Fruchtbarkeit zu verschaft'en.

In Böhmen wendet sich die junge Frau (Czechin), um Kinder zu bekommen, au eine sogenannte kluge Frau, welche ihr einen Änfguss mit Wachholder zum Getränk verordnet.

67. («öttlichc nnd sympathetische Hülfe gegen die Unfruchtbarkeit.

Es ist ein weitverbreiteter Zug des nieuschlichen (ieistos, nicht allein den Mediciuuenten die Fähigkeit und Kraft zuzutriiueu, das» sie die verlorene Gesundheit wiederzubringen vennöchten. Er mft

67. OCttliche und sympathetischö Hülie gegen die UnfTuchtbarkeit. 443

deswegen noch die Hülfe und den Beistaud cler Gottheit oder die- jenige von dämonischen Gewalten herbei und greift ausserdem zu ganz absonderlichen Handlungen, welche durch S;y"Tnpathie, ihm selbst unerklärlich, aber um so gläubiger betrachtet, je abgeschmackter und sinnloser dieselben sind, unfelilbar die ersehnte Heilung herbei- führen sollen. So l»egegnen wir auch bei der Unfruchtbarkeit niclit »elten der Anschauung, dass sie ein Fluch sei, von den Göttern verhängt, eine Bezauberung von bösen Geistern oder mit diesen verbundenen Menschen verursacht, und daaa eine Entsüliuuug oder eine Lösung und Ueberwältigung des Zaubers den , verschlossenen Leib' zu öffnen vermöge. Daher finden wir bei den Kelten die zu Staub geriebene heilige Mistel als Mittel gegen die Unfruchtbarkeit.

Auch der Araber geht gegen die vermeintliche Verzauberung, die er für Ursache der Unfruchtbarkeit hält, durch Entzauberung vor; er nimiut zum Koran seine Zuflucht und zwar zur dritten Sure, welche die Ueberschrift „Die Familie (oder das Geschlecht) Imruns" führt Die Aufgabe dabei ist, den ganzen langen, aus 200 V^ei'sen bestehenden Abschnitt mit Safran in ein kuj)fernes, verzinntes oder unverzinntes Becken, ein Tast oder Tascht, zu schreiben, dann siedendes Wasser darauf zu giessen und von diesem Weihwasser der hülfsbedürftigen Frau einen Tbeil zu trinken zu geben, mit dem übrigen aber Gesicht, Brust und Schooss der Frau zu bes])rengen. Die Wahl dieser Sure ist dadurch erklärlich, dass die Araber meinen, des Imrdn Frau Namens Ilannch sei Anfangs unfruchtbar gewesen, habe jedoch dann Gnade gefunden und sei noch in späten Jahren Mutter der Jungfrau Maria geworden. (Saitdreczki.)

Ini alten Rom wendete sich die unfruchtbare Frau mit Gebeten an die •Juno Ffbrualis (von februare, reinigen), also die Reinigende, Entsühnende. Die Entsühnung geschah auch in den Luperealien, bei denen die Priester, Luperei genannt, nachdem sie Ziegen ge- opfert, mit Stllckchen aus dem Felle derselben dm-ch die Strassen liefen und die ihnen begegnenden und för diesen Zweck nackend umherlaufenden Frauen mit denselben schlugen, um Fruchtbarkeit zu erzielen. Man will eine ähnliche Frocedur in dem .Aufpeitschen'" wiedertinden, welches am ersten Ost-erfeiertage die jungen Burschen im Voigtlande in der Frllhe vornehmen, indem sie mit frischen grttnen Reisern die Mädchen aus dem Bette herauspeitschen. Eben^so erinnert an die Luperealien das Niederlausitzer „Zempem" und da» Budissiner .Sem perlaufen*.

Um fruchtbar zu werden, hatte die Römerin ausserdem noch verschiedene Hülfsmittel in Geiirauch. Thomas ßarfliolinu.s sagt: Jlufini Foscino insident feminae, ut concipiant, Lupercis quoque sc oflierunt, et ferula ceduntur caprina pelle corioque tecta. Gesteint praeterea pixide Lyden, immenso prolis desideriti quo Reipublicae augendae i:ausa, connubii retinendi et ob jus trium liberoruni ardent.

In Griechenland galt die Demeter aU die Vertreterin der Pruchtbarkfit; sie stand in Beziehung zur Zeugimg, Geburt und

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Fruchtbarkeit un<l der Ehe Kmclersegen bringt; und sie wird auch mit dem Was8er der Brunnen in Verbindung gebracht, denn die Sage spricht davon, dnss die Kinder aus gewissen Brunnen, den , Kinderbrunnen ", gehuh werdt-ii. Und die Brunnen spielen auch in den Mythen anderer Völker eine Rolle beziigUch der Frucht- barkeit. Die indische Gottin I'raruti war im Bade, ohne mit einem Manne zu thun gehabt zu haben, schwanger geworden; sie gebar den Genesa. Die M(Ut<?r des chinesischen Fo, des Buddha, des Zoroaster verdanken sänimtlich dem Bade, dass ihre Unfrucht- barkeit von ihnen genommen worden. In Altgriechenland' wurde der riuss Elatus in Arkadien als heilsam gegen Unfruchtbar- keit emplohlen; ebenso der thespische Quell am Helikon. Nach Sotiidm' tmd Fhotii4s' Bericht hatte die Quelle zu Pyna am Hy- mettos in der Nähe dos Tempels der Aphrodiif die Eigen.schaft, Fratjen. deren Leib verschlossen, zu Kindern und ülierdies zu leichter üeburt zu verhelfen. PUmus erzählt von der Eigenschaft der Thermen Sinuessas, FruclitV)arkeit zu erzeugen. Bajae war in dieser Be- ziehung geradezu berüchtigt.. So sagt Martial von einer Frau: ,Als Pnidopt' kam sie nach Bajae. aber als Helena ging sie. ihren Gemahl verlassend und einem Jl\nglinge folgend,*

im Orient schreiten Frauen, die sich Nachkonuuenschaft wün- schen, ohne zu sprechen sieben Mal über den Kürjier eines Ent- haupteten. Andere tauchen zu demselben Zweck schweigend ein Stück Baumwolle in das Blut des Enthaupteten und wenden dies in einer ganz besonderen Weise an. Bei den Mekkaue rinnen ist das Tragen eines Zaubergürtels als Mittel. Fruchtbarkeit zu ver- schaflfen, sehr gebräuchlich. (Snoiick Ilurgrotije.)

Die Weiber der Maureu in Marokko behängen sich mit einem Talisman oder einem Amulet, um sich gegen Unfruchtbarkeit zu schützen ; besonders beliebt soll unter ihnen zu diesem Zwecke die Pfote eines Stachelschweins sein, welcher die Eigenschaft bei- gelegt wHrd, die Fruchtbarkeit zu erhöhen. (Schlaff intwrit.) Um einen Sohn zu bekommen, treflen die Zeltbewohner in Marokko viele abergläubische Vorkehrungen : .sie pilgern während der Schwan- gerschaft ihrer Frau nach der heiligen Stadt Nesan und suchen von dem Gross.scherif derselben, Sidi, das fe.st« Ver.s]>rechen zu erlangen , dass der Allerhöcli.st.e einen Sohn schenken möchte : daftir nimmt der Grossscherif als (Jeschenk ein Pferd; um ganz »icher zu gehen, pilgert der gläubige Mann wohl auch nach Fez xum Grabmal 3Iuki Edris, und opfert den Schriftgelehrten des dortigen Gotteshauses eine Summe Geldes. (Hohlfa.)

In Algerien unweit Constantine befindet sich ein ganz im Felsen gelegenes Bad mit der Quelle Uurmal er Babba, welches Jüdinnen und Muurinnen seit uralter Zeit freipientiren, um bei Un- fruchtbarkeit Hülfe zu suchen. An mehreren Wochentagen kommen die eingeborenen Damen aus Constantine herab nach Sidi Merid, schlachten vor der Thür der Grotte rin scliwurzes Huhn, opfern

446

XIV. Die Frnchtbarkeit des Weibes

im Inneren noch eine Wachskerze und einen Honigkuchen, nehmen ein Bad und sind dann sicher, dass ihre WCnische bald in EriVillunR gehen. Der Brauch ist jedenfalls nltLeidnisch, eine uralte Borber- sitte; denn Thieropfer sind dem Islam fremd. (Kohvlt.)

Bei den Nord-Bas>utho in Malakong im nördlichen Trans- vaal träf^ bei Kinderlosigkeit der Mann die Schuld und mnss daher auch die Sülme versuchen und nicht die Frau. Missionar Scfiloe- mann berichtet hierüber:

„Nachher kam unser (National-) Heiter Salomo und sagte, i iUngs auch die Heiden ein Bevmasteein dafür hätten, dase man d . koogen meinen Nilcbsten tCdte: sie würden nach dem Tode oine!» h,u Giaoi gestorbenen Menschen oft durch ihr Gewissen von ihrer Schuld überzeugt. Ihr Sprachgebrauch sagt geradezu: ,Er ist an Gram gestorben." Da« Gewissen eines «olchen, der einen Gestorbenen viel gekränkt bat, erwacht oft bei etwa eintretenden Unglücksfällen, als Sterblichkeit unter den Kindern, odtir bei gänzlichem Mangel derselben , Krankheit unter dem Vieh u. e. w. Der dadurch Betroftene trJlgt diese Schläge zuerst mit dumpfer Ergebung, nimmt aber bald seine Zuflucht zu den Zauberern un4 lä^st es sich viel kosten, damit derselbe durch allerlei heilkräftiges Kraut und altQberliefert« Gebete und Zauberformeln das Unglück von Haus und Hof vertreibe. Sieht er aber, das« dennoch das Missgescbick nicht von ihm weicht, so giebt er sich gelingen, sein Gewissen erwacht und er sagt: ,Es ist der Vater (oder sonst einer), den du zu Tode gekränkt hast, welcher dir das UnglQck zuschickt." Sein Plun ist dann sclmell gefasst, der Todte mues veriöbni werden, damit Glück und Frieden zurückkehrt. £r geht in die Wildniss, sucht dort das Grab des Vaters auf, und bekennt au demselben im Gebete, was ihm Kummer macht. „Vater, ich habe keine Kinder, denn ich habe nn Dir gesQndigt. Lass ab von Deinem Zum und kehre mir Dein Hen wieder zu!" So fleht er, und dabei ergreift er irgend einen Gegenstand beim Grabe, etwa ein Steinchen oder einen Zweig, und nimmt ihn mit nach Hause. Dort wird derstilbe zu seinem Fetisch, welchen er als Amnlet mit sich herumtrigt oder in seinem Hofraum irgendwo unterbringt. Die nahe Beziehung, w«loba csr nun mit dem von ihm verehrten Gegenstande pHegt. soll diu wi*'.l.*r. herge.'itellt« Gemeinschaft zwischen ihm und dem Verstorbenen and- welchem dietser ganze Cultus gilt. Ein solcher Fetisch ist auch der liu^.,. stamm, welcher als Eingangsschwelle zum grossen Veräammluuggplatze der Hauptstadt dient. In ihm wird der verstorbene Häuptling Mancop<tne vet- ehrt, zu dessen Versöhnung er dort niedergelegt wurde"

An der Sclavenküste von Guinea unter den Otschi- Negcrn verschreibt sich das kinderlose Weib einem Fetisch zntu Eigenthum, wenn er ihr Kindor geben wolle; tritt dieser Fall ein, 80 ist das Kind ein Fetisch kind und gehört dem Fetisch.

Bei den Negern m Yoruba an der Westküste von .\friko ist diis Wasser bernhnit, da.s im Tempel der Naturgöttin aufbewahrt wird. Diese wird als schwungere Frau dargestellt, imd das Waas«r,

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das ilir geheiligt i^t, beimt/.t mau gegen Unfruchtbar! Hchwere Geburt. In Abbeokouta wird von den unfn i'raueu auch zu der hermaphroditischen Form des b^'tet. die aus einer nackten Fra» »ti.l .in-u, I...kl. zusauunengesetzt ist (Bastüui.)

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67. Göttliche and armpathetische Hfllfe gegen die Ünfrachtbarkeit. 447

Auf dem Wege von Malange in Westafrika iii's Innere über

lie Grenze von Angola hinaus fand Lujc, dass die uufruclitbareu

Tegerinuen als fruchtbar machenden Fetisch zwei kleine, aus

Elfenbein geschnitzte "Figuren (die beiden Geschlechter darstellend)

m einer Schnur um den Leib tragen.

Die Frauen der Kitsch-Neger um Adael im äquatorialen

'Afrika westlich vom weissen Nil verrichten ihre Abwaschungen

nicht mit Wasser, weil sie davon Unfruchtbarkeit ftirchteii, sie

lehmen dazu viel weniger inischuldige Flüssigkeiten. Die Suda-

lesinnen tragen nach Brehm Amulete gegen die Unfruchtbarkeit

mter ihrer Schürze.

In Persien gilt tlie Alraunwurzel (Mandragora) als Amulet jegen die Unfruchtbarkeit; sie heisst dort Mannskraut (merflnui iäh) oder auch Liebeskraut (mehr-e-giä).

Dieselbe hat sich übrigens auch in verschiedenen Gauen

eutschlands eines sro>s.seu Rufes erfretit, und manche Gtdehrte

wollten sie mit den Dudaiui der Bibel (L Mos. 'M. lü) identificiren

Iund sie haben geglaubt, dass ihnen die Lcuh ihre Schwangerschaft EU danken habe. Ich vermag dieses aus der betretfenden Bibel- Btelle nicht zu entnehmen. Sterile Frauen in Bombay (Indien) gehen, um fruchtbar zu werden, zu einem grossen Lingam (Bild eines männlichen Gliedes als religiöses Symbol), und drehen sich um denselben im Kreise unter Gebeten (mündliche Mittheilung Jagors). Unweit Bombay befindet sich das heilige Brahminendorf Walkeschwar, wo die höchsten Hindu -Kasten (Brahminen) mit Ausschluss imreiner Kasten

I wohnen. Einen im Mittelpunkt des Dorfes liegenden viereckigen Teich umschliessen zahlreiche kleine Tempel, in deren Inneren ein heiliger Stier liegt. Andere Gegenstande der Verelirung, gleich den Stieren mit Blumen geschmückt, sind steinerne Symbole der Frucht- barkeit, zum Theil von obscönster und grotesker Form (Lingam). Solche sind auch an vielen Stellen der Wege innerhalb und ausser- halb der Stadt Bombay zerstreut, mit rother Farbe bemalt. Sie ^■werden namentlich von kinderlosen Eheleuten besucht und ihre ^■rotheii Theile werden mit Goldpapierchen beklebt, auch mit duften- den Blumen bedeckt, in der Hoffnung, durch diese Opfersi>enden Imit Kindern gesegnet zu werden. {Hae.ckd.) In Puna, fim-ni Hiiuptorle O^tinJioii.s zwischen Bombay imd Madrus, hesnchte ,lolly Aoa beriJhml«' lleili^hum Akt (iöttin Parvati, da« auf t'ineui ><ted('u Hügel liejft. Vor einem heiligten Buutu, einer Ficus indica, in d«*r Mitte de« Dorfes, durch welches er kam, war eine fromme 8chaur Hindu wetber beschJllti^l, den Lini^nm oder Phallus und andere aus Stein Igearbeitel« SSymbole mit Spenden von RoHen zu ehren und mit rothem Farb- ' etoir zu bestreicliea, <len «ie nachher zum Betupfen ihrer eigenen Stirn vwr< |w«udettiu. Doj StimKeichen wird jeden Morgen nach dem Bade erneuert. Bei den Badaga« im Nilgiri- Gebirge (Indien) pBe^en Gatten, die Liu unl'ruchtburer Ehe leben , einem Gotte einen kleinen silbernen Sonnen-

448

XIV. Die Frachtbarkeit des Weibes.

schirm oder hundert Kokosnü??«» zu geloben, faJU er ihnen ein Kind i^cLviilrt.] Am Tage der TS'amengebung werden diese Gelübde abgetragen. L'nfroohtharr Frauen wenden «ich in ihrer NoUi an ^lahaUnijn (Maha = gross, linspi = phailus; ein Name tiiu-a/s), der in den Bwpen au vielen Orten in Oe«it«lt| eincH Rufrec-hten Steins verehrt wird. Eine wegen der ihnen zugeniutlietenj wunderbaren Entstehung für besonders wirksaii» gehaltene Klasse %'on JUnha- Uiujas sind die beim Pflügen -/uwoilen im Boden gefundenen Steinbeile, diel für spontan der Erde entsprossen gelten und daher mich swiigauiphu («rlbstj entstanden) genannt werden. Diee erinnert au die Wuuderkratt , die manj auch in Deutschland den sogenannten Blitzsieinen, nowie den auigcfu n denen I Steinbeilen der Vorzeit oeilegt. Zwischen Tunjore und Trieb i uo pol jl sieht man viele Hunderte grosser Pferde von gebranntem Thon aufgestellt.! die dem Gotte Aijena von sterilen Weibern dargebracht sind, damit vt ihnm Kinder schenke. Auch er verdankt die grosse Kundpchaft seiner wunder- baren Geburt; denn Atjenas Eltern, Sira und Fi«/);!«, «iqd beide niilnulicb.J Auch Hettf. eine Speciulgüttin der Badaga -Frauen, die in dem Nilgiri viele Tempel hat, wird häutig angerufen.

Die SVeiber der Schins im Ffimalaya richten ihre Gebete um Rinder* segen an den Tschili-Bau in (v. t'jfatty). Bei den Kara-Kirgisfn geltenJ ebenfttUs Briume. und zwar vereinzelt .stehende .\pfelbö.ume. als ZuQuchtseitiltt«n| für unfruchtbare Weiber. So heisist es in einem ihrer Gedichte, daf Hadlofi übersetiit hat:

, Tschinlschi, des Aidar Tochter, Hatt' einst Jaci/b ('htm gefreit. ,Wenn auch T^ih'vitschi gefreit ich, Küi>ste ich doch nie ein Kind, Tachiritschi It.tnd nie ihr Haar auf, Gott um Hülfe flehend, schaut' aie mich nicht an, Fest nie band sie ihre Hüften, Und gebar mir keinen Knaben. Seit die Tschiritachi gefreit ich.

Sind schon 14 Jahr verHoKnen. Nie ging sie zur heil'gen Stätte, Wälzt sich nicht beim Apfo1b»iume.| Uebeinachtet nie beim Heilqu«U, 0, erbarme Dich, mein HeiTgott, Mög' im Leib der 7'sclnritscbt Pocb lein Knabe jetzt entstehen! Kfiniit' ich binden ihre HiH'ten, Mir 'nen Sohn gebären lassen u. «. w." (' Vnuili^rif.)

Von den Stid-Slaven erzählt uns Krauas^:

„Folgende zwei Zaubereien beruhen auf altem Glauben an die Bau^? seele, welche in der Gestalt eines Holzwurme.'? in dem Baum ihren Aufent- halt hat. Das Weib nimmt eine Holzschüssel voll Wasser und jtellt «t« ^ unter einen Dachbalken, wo aus dem wurmstichigen Holze feiner Wiimi- frass herabrieselt. Ihr SJann schlagt mit irgend einem schweren Gegen'^tlind« auf den Balken und schüttelt den Wurrostaub hemus. Glückt es dt-iu Weibo j auch nur ein Bröcklein des Wurnifltaube» aufzufangen, so trinkt sie es sunimt dem WfiasiT aus. Manches Weib sucht im Knoten der Hiuelstnude oaeh i einem Wurm und isst ihn auf, wenn sie ihn findet.

Auch dor F'eucrfunke hat ühniidhe Kraft, das Weib zu befruchten. Da« Weib hält eine Holzschüssel voll Wasser neben dem Feuer auf den» Herde. Der Mann schlagt indessen zwei Feuerbrlnde aneinander, da«» die Funken' sprühen. Nachdem einige Funken in die SchUwel gefalleo, trinkt da« Weib da» Wasser aus der Schüssel aus."

Bei de» Tataren war es früher Sitte, das8 man am Morgen nach der Hochzeitsnacht die JiiiigvtTmäliUen au8 der Jurte zvir Bt'griissuog der neu aufgehenden Sonne herausfiihrtf. Mau nimmt nicht, mit Un- recht an, daj«s diesi.« Sitte au« der altpersischen Gnltnrwell Htammt,

67. GSttliche und gjmpAthetUche Hülfe gegen die Unfruchtbarkeit. 449

deun in derThat ist dies noch heute in Iran und in Mittelasien im

Gebrauch, ein Ueberbleibsel des alten Parsicultns, indem man sich Bdem Glauben hingiebt, dass die Strahlen der aufgehenden Sonne "^das wirksamste Mittel zur Erlangung der Fruchtbarkeit bei den

Neuvermählten seien. ^K Aber auch der Liugam- und Phallusdieust ist ja im Grunde Hggenommen gar nichts Anderes, als eine Verehrung des befruchtenden Sonnenstrahls, wenn die Götterbilder auch alhaiählich zum besseren

Verständniss für die rohe Menge menschüche Formen angenommen

haben.

In China giebt es Tempel der Fruchtbarkeit. Eduard

Pllüdchrandt besuchte einen solchen Tempel; die Andächtigen des- Belbeu bestanden nur aus jungen hübschen Chinesinnen: die im, Tempel beschäftigten Bonzen schienen ernstlich beflissen zu sein, f. die Bittsteilerinnen in ihrem Kummer über den bisher mangelnden jÄEhesegen zu trösten und bei beharrlichem Besuche ihres Tempels ^Luf eine bessere Zukunft hinzuweisen.

^P Die Miaotze, Ureüiwohner in der Provinz Canton, haben,

wie Missionär Krösvzijk berichtet, eigenthüniliche Gebräuche, um

Fruchtbarkeit zu erzielen. Ist bei ihnen eine Ehe kinderlos, so

b-ucht man in folgendem Mittel seine Zuflucht. Man nimmt einen

^^Korb, legt weisses Papier hinein und stellt einen Priester an, um

Hdies Papier anzubeten. Das Papier soll nämlich die Fa-lnnfi-mn

vorstellen. Die Fa-hmg-mo^ Blumengrossvater und Blumengross-

I mutter, sind Geister, welche die Seele des Kinde.s in einem Garten

lÄEurückhalten. Der Priester bringt nun Opfer von Hühnern oder

^»Schweinen diesen Blumenahueu, um sie günstig zu stimmen. Es

^fhängt ja nur davon ab, dass des Kindes Seele aus dem Garten eut-

^Bla.ss(<n werde, so muss da.s Kind .selbstverständlich zum Vorschein

^■kommen. Die <'eremonie nennt man Kau-fa, d. h. Bhimen anbeten.

^■^ „Bufwio," sagen die Japaner, welche viele Jahre ohne Kinder in der

^■Ehe gelebt hatte, richtete ihr Gebet an die Götter, wiirdß erhört und gebar

^^— fünfhundert Eier. Da sie befürchtete, daea die Eier vielleicht Ungeheuer

^^faervorbringen oitichten, so packte aie i»olche in eine Schachtel und warf sie

in» Wasser. Ein iilt«r Fischer, der die Schachtel fand, brütete die Eier in einem

IOfen aus, welche fanfbnmlert Kinder hervorbrachten. Die Kinder wurden mit gekochtem Reia und BeifussbUittem gefüttert, und da man sie endlich »ich Helber überliess, so fingen sie an, Strasnenrihiber zu werden. Da sie von einem Manne hörten, der wegen seines grossen Keiobthums berühmt war, «o enelUilten Hie ihre Geschichte vor dessen ThÜre und bettelten um einige Speise. E* fügt«' .lieh, das» dieses Haus das Uaus ihrer Mutter war, welche «ie sogbnch für ihre Kinder erkannte und ihren Freunden und Nachbarn ein w\\x grosses (iastiiiahl gab. Sie wurde nachher unter dem Naun-n Heu- taüa unter dw GDttinneu versetzt. Ihre öOO Söhne wurden beatinunt, ihre l>e8tiLndigen begleiUir zu sein, und sie wird bis auf diesen Tag noch in Japan al» di>? Göttin der Fruchtbuikeit und des Keichthunifi verehrt. {Jlorjit.) Bei Kinderlosigkeit **chein»Mi die Orokcn, die Urbuwohner der Insel Saobftlin, diti Ehe dadurch frurhtbar zu machen, dass sie über das Uelt

PInii, (>«• W*tl> t 3. Aufl.

29

XIV. Die Fruchtbiurkeit des Weibw.

eisen sonderbaren Götzen hängen. Ein solches Götzenbild fand in einet Oroken- Hütte FoIJakow: »Es war eine Gruppe, die eine Frau und einen Seehand , mit einer gemeinschaftlichen Decke bedeckt , zusammenscblafend repräsentirte. Ich hatte schon früher erfahren, welche wichtige materielle Bedeutung im Leben der Oroken und Giljaken der Seehund besitzt; ich Ober'iCeagie mich indesa auch von der religiösen Bedeutung, die diesem Thiere beigelegt wird, so daas ich auch diejenige des Götzen unschwer erfassen konnte." Poljdkov nahm das Götzenbild und hing es an seine HQtte. Der Orok bat, ihm es w^iederzugeben , da er es zum Schutz gegen Magen- schmerzen halte; dies war jedoch eine falsche Angabe.

Sehr eigeuthtimliche Qebräache zur Erlangung der bisher Ter> s^ten Fruchtbarkeit finden wir auf den Inseln de? malayischen Archipels.

Wenn auf Engano eine Ehe unfruchtbar bleibt, so nehmen manche^ die sich Kinder wünschen, den Namen eines Thiere« an, zumal den eines Hundes, welchen Thieren sie ebenso, wie wir Europäer, Namen geben; ein Häuptling, den v, Soaenberg besuchte, biess nach seinem Liebliugahund .PahV

Auf Amben und den üliase - Inseln opfern die unfruchtbaren Weiber auf einem heiligen Stein und beten nachher in dem Tempel. Eine ähnliche Kraft und Bedeutung hatte auf Java eine alte holländische Kanone, die bei Btvtnvia auf treiem Fehle lag. Auf ihr pflegten die Weiber in ihren besten Kleidern mit Blumen geschmiickt rittlings zu sitzen, manchmal zwei auf einmal, dabei wurden Opfergaben au Heis, Früchten u. s. w. niedergelegt, die dann natürlicher Weise von den Priestern eingesteckt wurden. (Kithl.)

Auf den WatuViela- und Aarn -Inseln opfert man auf den Gr&bem der Vorfahren, ebeniso auf den Sula- Inseln. Hier gehen nach Riedel^ unfruchtbare Weiber mit ihren Milnnem zu den Grfibem der Eltern, oder, wenn sie Mohammedaner sind, Freitags nach der sogenannten Kub Karana, dem heiligen Grabe, um im Verein mit einigen alten Frauen da- selbst zu beten, mit sich nehmend einige piga mena-mena, einen gefüllten Sirih-Kober, einen Bambu mit Wasaer und eine lebende Geis, bei den Heiden auch wohl ein junges Ferkel. Das Grab wird dann rein gekehrt, die piga mena-mena mit dem darein gegossenen Wasser und der Sirih- pinang auf das Grab gelegt, während die Geis oder das Schwein in der Nachbarschaft festgebunden wird. Nachdem sie dies verrichtet haben, spricht der Mann flU.<itenid: ,,(ich) theile mit dem Grabe meiner Eltern, wenn ich ein Kind kriege, dann will ich eine Geis (Schwein) opfern oder dem Volke zu speisen geben, ich verlange nach Heilmitteln, um ein Kind zu kriegen, Medicin, die ich trinken kann; wenn ein Kind mir gegeben ist, komme ich zttrück (um zu opfern).* Die betreffende Medicin wird im Traume sowohl der Frau als dem Manne bekannt gemacht oder vorgeschrieben. Dann wascbcn sich die Ehegonossen mit dem dadurch , dass es auf dem Grabe gestanden hat, geweihten Walser und essen zusammen Sirih-pinang. Ein Theil des letzteren wird in einer Schüssel auf dem Grabe zurückgelassen. Darauf kehren sie nach ihrer Wohnung zurück, die Geis oder das Schwein wieder mit« nehmend^ Wird die Frau schwanger, dann wird das bewoBste Thier ge- schlachtet und den Negari-Genossen gekocht vorgesetzt, damit sie den iWawa oder Geist de» Vaters oder des Heiligen, dessen Grab besucht wordea iit, loben und preisen können.

Auf Serang betet der Priester« der nachher mit dm Dorf-

f genossen die Opfergaben verspeist, mit der Frau: .Herr Firmament, Herr Erde, Himmel, Erde seid gnädig mid gebt mir ein Kiud."

Unfruchtbare Frauen auf Keisar nehmen das erste Ei ehier Henne, gehen damit zu einem sachverständigen, alten Manne und fragen ihn um Hülfe. Er legt das Ei auf ein Nunu- Blatt (ticus altimeraloo) und drückt damit die Brüste der Frau unter dem Murmeln von Segenswünschen, kocht dann das Ei in einem zu- sammengefalteten Koli- Blatt (l)orassus flabelliformis), ninmit ein Stückchen davon, legt es wieder auf das Jyunu-Blatt und lässt es die Frau essen. Darauf drückt er mit dem Blatt die Nase und die Brüste der Frau aufs Neue und bestreicht die rechte imd die linke Schulter vou oben nach unten, wickelt darauf wieder ein Stück von dem Ei in das Nunu-BIatt und lässt es in den Zweigen eines der höchsten Bäume in der Nachbarschaft der Wohnung aufbewahren. Sehr absonderlich nach unseren Begriffen sind die Maassnahiueti, welche die Weiber auf den Babar-Inseln veranstalten, wenn ihnen der Kindersegen versagt ist.

Sie suchen dann die Hdlfe eine» Hannes auf, der viele Kinder besitsi. damit er für sie die (loltheit bitte. Der Ehegatte der Frau bringt darauf 50 60 junge Kahipufrücbte zusammen, während sie au» rothem Kattun eine i'uppe von einem halben Meter Länffe verfertigt. Am verabredeten Tage kommt der betretende Mann in daa Flaue der Frau, lüsst das Ehepaar neben einander sitzen und setzt vor sie einen Tell«^ mit Sirih-pinung und einer jungen Kalapat'rucht hin. Dabei hält die Frau die Puppe im Arme, als ob sie dieeollie a&ugle. Die Frucht wird geöffnet und mit dein darin enthaltenen Wasser Mann und Frau besprengt. Darauf nintnit der Helfer ein Huhn, und h&lt dessen Füsse gegen den Kopf der Frau, indem er dazu spricht: „0 Upulero, mache Gebrauch von dem Huhn, las» fallen, \a&n her- uiedersteigen eioen Menschen, ich bitte dich, ich Uehe dich au, einen Men- schen iasB fallen . lass ihn niedersteigen in meine U&nde und auf meinen Schooss!* Sofort fragt er dann die Frau: «Ist das Kind gekommen?' Wor- auf sie antwortet: ,Ja, es saugt bereits.* Dann berührt er da.« Haupt de« Mannes mit den UUhnerfüesen und murmelt dazu einige Formeln. Das Huhn wird danach durch einen Schlag gegen den Hauspfosten getOdtet. gcOffnet und die Ader am Herzen untersucht. Es wird dann auf den Teller gelegt und auf den Opferplatz im Hause gestellt. Dann wird im Dorfe verkündigt, dass die Fran schwanger wäre, und alles kommt und beglUckwQnscht sie. Ihr Mann leiht eine Schaukelwiege, in die sie die Puppe hineinlegt und dieecIHe sieben Tage lang wie ein neugeborenes Kind behandelt, {liiedtl,^) In ähnhcher Weise wird der imfruchtbareu Nischinamfrau in Californien von ihrer Freundin eine Puppe aus Gnis geschenkt, die sie dann, um ihre Unfruchtbarkeit zu beseitigen, Wiegenlieder iBiugeud an die Brust legt. (Poieer.)

Die E.nkimo-Sagen berichten, dass eine alte Frau einem un- fruchtbaren Weibe zwei Fische gesendet habe, einen Milchner und einen Rogener, die letztere essen solle, je nachdem sie eiuen Sohn oder eine Tochter wlinsche. Der Ehemann, der seiner Frau diese Fische bringeo wollte, verzehrte auf der Heimreise aus Mangel an Lebensmitteln den Kogener. In Folge des-sen wurde er schwanger

29»

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87. Göttliclie ond BjrtnpathctiRcTiP fffllfe gegen die Unfruchtbarkeit, 458

hätten während des Schlafes den Mund geöffnet, da kroch die Muetter heraus und zum nächsten Wasser, wo sie sich badet«. Wenn nun das Weib inzwischen den Mund nicht geschlossen hatte, kroch die zurückkehrende Muetter wieder hinein und die frühere Kranke war wieder gesund; hatte djis Weib aber inzwischen den Mund geschlossen, so starb sie. Unfruchtbare Weiber opfern solche Wachsfiguren bei Bildern der Gottesmutter und der heiligen Kümmerniss. {Zingerle.^)

Bei Unfruchtbarkeit gelten wie überhaupt in katholischen Län- dern Gebete zu den Heiligen für hülfreich; so stehen in Steier- mark bei Erhoöuug des Kindersegens Wallfahrten zu wunder- thätigen Gnadenbildeni, namentlich nach Maria Zell, Maria Trost, Maria Lankowitz, Frauenberg bei Admont u. 8. w. iu hohem Ansehen. (Fossel.)

Kindersegen verschalTt im Luxemburgischen die Muttergottes Maria im AValde auf einer Eiche zwischen Alttrier und Hers- berg, wie früher auf dem Helperberg, die heil. Lucia dagegen im wallonischen Luxemburg. An der südlichen Grenze dieses Landstrichs, nahe bei Verdau, sieht man noch in einem Felsen den Lehnstuhl dieser Heiligen; diesen steinernen Sitz nehmen betend kinderlose Frauen ein und erwarten mit Zuversicht die Erfüllung ihrer Wünsche, (de la Fontaine.)

Wenn bei den Serben die Braut das erste Mal in das Haus des Bräutigams kommt, sieht sie nach den Dachbatken, Wie Wel Balken sie im ersten Augenblick erblickt, so viel Söhne wird sie haben. Die Frau hängt auch ihr Hemd umgekehrt an einen gepfropften Baum, so dass die Aermel nach unten hängen. Unter das Hemd stellt sie ein Glas voll Wasser. Den nächsten Morgen trinkt die Frau das Wasser aus und das Hemd zieht sie an. Andere lassen sich von einer schwangeren Frau Sauerteig in den Gürtel geben und schlafen mit demselben eine Xacht. Den nächsten Tag isst die Frau den Sauerteig zum Frühstück auf. Ein sehr unter den Serben verbreitetes Mittel ist schliesslich folgendes : Die Frau geht auf dem Gottesacker auf ein Grab, iu welchem eine schwangere Frau be- graben li«gt; dort isst sie das Gras von dem Grabe ab, während sie tlir die Verstorbene betet und ihr zuruft, da.ss sie der Betenden ihr Iviud schenke. Hierauf nimmt sie ein wenig Erde von diesem Grab und trägt diese sehr lange Zeit im Gürtel. (Fetrtncitsch.) Einige andere Mittel der SOd-Slaven haben wir oben schon kennen gelernte

In LTngaru herrscht der Aberglaube, dass die junge Frau schon bei der Trauung durch eine Art Za»il>erei die Zahl der Kinder bestinunen kunne, welche hie künftig bekommen wird: So viele Kinder sie haben will, auf so viele Finger muss sie sich vor der Co- pulation in der Kirche setzen, (f. Csaplovics.)

An einigen Orten in Russland wird schon bei Gelegenheit der Hochzeit Rürk.sicht darauf genommen, dass der jungen Frau der Kindersegen nicht fehle: in Kishni-Nowgorod z. B, werden

454

XIV. Die Fruchtbarkeit dea Weibea.

die Neuvermählteu so vom Hochzeitstisch geleitet, dass sie keinen Kreis zu beschreiben haben, sonst bleibt dieEhe unfruchtbar. {Sunizuw.}

Auch die Französinnen riefen in der Noth der Unfrucht- barkeit die Hülfe der Heiligen an, aber hier waren es männliche Heilige, welche das Wunder verrichteten.

Noch bis zu der Zeit der Revolution bestand in Brest eine Kapelle des heiligen Gnignolef, der das Attribut des Friapus ttlhrte.

,Le8 feminea steriles ou qui croignaient de I'&tre aUaient 4 cette atatue, et, &\)Tha avoir gratt^ ou raclä ce que je n'ose nonuner, et bu cette poudre infus^e dana un verre d'eau de la fontalne, ces femmes s'ea retournHieni avec Tespoir d'&tre fertües."

St. GucrlichoH wird ähnlich verehrt und hat gleiche Erfolge. (Harmanfl).

In den Pyrenäen bei Bourg-d'Oueil befindet sich eine steinerne menschliche Figur von P/o Meter Höhe, welcher era peyra de Peyrahita genannt wird. An ihm reiben sich die un- fniclitburen Weiber, welche ilm umarmen und küssen.

Dass wir in diesen Dingen die Remiuiscenzen eines alten Phallns- cultus wiedererkennen müssen, das liegt wohl auf der Hand und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass es hier ursprünglich jihö- nizische Gottheiten sind, welche im Laufe der Jahrhunderte all- mählich die Wandlung in christliche Heilige durchgemacht haben.

68. Die Terhütung der Befrochtang".

Die jüdische Frau, welche ihre Schwiuigerschaft vereitelte, b^ng nach Josephiis ein tode.swürdiges Verbrechen. Die Juden des alten Testaments kannten gewiss mehrere Methoden, die Befruchtung zu verhüten: Es wird wenigstens von Onan berichtet, dass er den Actus in dem Augenblicke miterbrach, wo er frucht- bringende Folgen desselben vermuthen durfte.

Aehnliches erzählt Thompson von den Jünglingen der Massai; denn da die Mädchen, wenn man bei ihnen eine Gravidität entdeckt» ohne Gnade dem Tode verfallen sind, so extrahiren sie den Peru» ante actum finitum.

Auch bei den Griechen und Römern kamen Prfiventiv-Mittel zur Anwendung. Landerer berichtet, dass in dieser Hinsicht Vites Agnus Castus in Alt-Griechenland eine grosse Rolle spielte. Man nannte diese Pflanze Castus i. e. ayvog, quod ad iis, a quibus estur aut bibitur, aut substemitur, castitatem conservat, quam ma- tronae Atheniensium in Thesmophoriis cnstitatem custodientis hujus arboris sibi stemebant.

Es wurden auch hn alten Rom Versuche gemacht, durch innere Mittel P'rauen unfruchtbar zu machen. Nach der Lehre der Sym- boliker und Sympathetiker sollten die Samen fruchtloser Bäume,

JChtOBg.

455

als Thee getrunken, Unfruchtbarkeit herbeifTüiren , so besonders die im Haine der kinderlosen Proscrpina wachsenden Weidenbäome (llonwi') und Pappeln, (v. Fahrice.) Plinius bemerkt dazu : occissime autem salix amittit semen, antequani niaturitatem sentiat, ob id dicta Jlomero frugiperda; secuta aetas scelere suo interpretAta est hanc sententiam, quando senaen Salicis mulieri sterilitas medicamentnm esse constat.

Der römische Arzt Soranus gab ausserdem den Rath, die Frau solle, wenn ihr eine Geburt getahrlich zu werden droht, sich hüten, den Beischlaf vor oder nach der Alenstniation einzugelien, vsie soll im Moment der Ejaculation den Athem an sich halten, nach dem Coitus mit gekrümmten Knieen sitzen, vor dem Coitus den Mutter- mund mit Oel oder Honig, mit Opobalsara oder Absjnth verbunden, bestreichen und sich Pessi mit zusammenziehenden Mitteln einlegen lassen.

Da.«s auch noch bis in spätere Zeit selbst im deutschen Volke der Glaube herrschte, dass Weiden-Thee unfruchtbar mache, bezeugen Settz und Matthiolus; letzterer meint sogar, dass die Blätter von Weiden mit Wasser getrunken nicht bloss Schwanger- schaft verhindern, sondern auch, dass sie, wenn sie gesotten ge- trunken werden, ,Lust mid Neigung zur UnkeuscLheit vertreiben." In der Gegend von Kitzingen herrschte noch 179G der Aber- glaube, dass ein Mädchen, welches Birnen oder Mispeln esse, die auf Hagedomstämmen oculirt. seien, nicht empfange; eine Schwangere, die davon gegessen, nicht gebären könne, {ßimdschuh.}

In Steiermark werden zur Verhütuug einer Empfiingniss nicht selten die absurdesten Ilathschläge ertheilt und getreulich be- folgt. Allgemein gilt das Wasser aus den Löscheimern der Schmiede, nach jeder Menstruation getrunken, als unfruchtbar machend, ebenso der Genuss von Zimmttinctur, englischem Balsam, Bienenhonig und Abführmitteln aller Art, besonders von Aloe und Myrrhe. Verbürgten Nachrichten zufolge haben die , ledigen Menscher" im . . . Thale steyrischen Oberlandes seit vielen Jahren statt der modernen Üfety sponges Leiuwandfetzen im Gebrauch. {Fossel.)

Will die Ungarin keine Kinder haben, so sucht sie sich durch einen Zauber zu schützen, indem sie vor dem Beilager ein mit Mohn gefülltes und gesperrtes Vorlegeschloss in den nächsten Brunnen wirft, {v. Csaplovka.)

Wenn die Frau des Serben will, dass sie nie mehr Kinder bekommt, soll sie mit den Beinen des Neugeborenen die HausthUre zumachen. {Peiro witsch.) Wenn bei den Süd-Slaveu ein Kind stirbt, .so darf der Sargdeckel zu Kopf und Füssen der Leiche nicht vernagelt sein, weil sonst die Mutter unfruchtbar bliebe, oder wenn es gut ginge, eine sehr Hchwere Geburt bei der nächsten Nie- derkunft zu bestehen hätte. Will ein Weib einige Jahre hindurch nicht nielir Kinder zur Welt bringen, so braucht sie bloss in das erste BadewuMser ihres Kindes so viel Finger zu stecken, ' ak sj^

456

XIV. Die FTUchtbariceft de» Weibes.

Jalire bindurcli unfruchtbar bleiben will, und datm die Finger ab- lecken. {Kraiiss.^)

in Kussland trinkt man , zur Verhütung der Schwangerschaft einen Aufguss von Lycopodiuni annotium, oder am Morgen nüchtern ein Glas warmes Wasser.

In Sibirien soll man jedesmal, wenn die Menses sich ein- stellen , ein bestimmtes Gewicht Bleiweiss nehmen , wodurch diese angeblich unterdrückt und bis zum nächsten Eintritte derselben die Empttiugniss verhütet werden soll; beim Aussetzen de» Mittels kehrt nach der im Volke ciirsirenden Meinung auch die Möglichkeit der Emplangniss zurück, (Krehel)

Um nicht schwanger zu werden, sollen nach Kinnringer in Oherägypten die Töchter Evu's' von dem Pulver der gebrannten Porzellauschuecken-Schale (Cypraea) drei Mund voll nüchtern nehmen. Wenn in Algier eine Fruu nicht sobald wieder schwanger werden will, so trinkt sie einige Tage lang Wasser, in welchem man die Blätter der Salsola und der Ptirsich eingeweicht hat, oder sie ge- niesst den Saft der Frucht des Feigenbaums, auch braucht sie nur auf ihrem Koiife ein Amulet zu tragen, ein Papier, auf dem zwei Vierecke gezeichnet sind ; an jeder Ecke der letzteren sind \ ~ an- gebracht, um welche herum arabische Worte .stehen. M—

Um Unlruchtbarkeit herbeizuführen, gebraucht mau auf den Neuen Hebriden eine Pflanze, welche die Weiber verspeisen. (Jamieson.)

Verschiedene rein mechanische Arten, sich vor der Befrnch- tiuig zu schützen, haben wir bereits hei Australierinnen und bei Bewohnerinnen des mal a v i s c h e n Archipels kennen gelernt. Letztere verhalten sich nach R/rdd bei dem Coitus sehr indifferent, um nicht geschwängert zu werden; erstere verstehen es, durch eine schlen- kernde Bowegvmg der Heckenregion sich des eingedrungenen Speruia zu entledigen. Auch kommen, wie wir gesehen haben, bei ihnen Mädchen vor, denen, um sie unfruchtbar zu machen, die Eierstocke herausgeschnitten waren, und das Gleiche fand sich in Ostindien. Ebenfalls in Indien, bei den Muuda-Kohls und in Niederlän- disch-Indien, verstehen sie es, Conception durch absichtlich vorge- nommene Lageveriinderungen (Knickungen) der Gdiärmutter zu verhüten. So sind jedenfalls die Worte des Missionar JtUinyhaus zu deuten, welcher erzählt, dass arme Weiber unter den Muuda-Kohls in Indien sich ohne Wissen der Männer die Gebärmutter verschieben und verdrücken la.s.sen, um die Plage der Schwangerschaft los zu sein. Und aus Niederländisch-lndien berichtet vun der Burtft Der dort schon IHih entwickelte Geschlechtstrie}) iler Mädchen wird anstandslos befriedigt, wobei man sich der Hülfe einer Doekoen, einer der zahlreich vertretenen heilkundigen alten Frauen bedient, um nicht zu concipiren. In der That scheinen diese Weiher zu vor» stehen, durcli üus.sere Manipulationen, durch Drücken, Reiben, Kneten durch die Bamhdecken hindurch, nicht von der Scheide aiw, eine

89. CTeberfruchtnng und mehTfaclie Schwangerschaft. 457

LHgeveränderuDg, Vor- oder Rückwärtsknickung der Gebürnmtter zu Stande ?,« bringen, welche die Conception verbindert, und zwar ohne dass weitere Beschwerden davon die Folge sind, als leichte Kreuz- und Leistenschmerzen tmd Urinbeftchwerden in den ersten Tagen der Procedur. Will ein derartiges Mädchen später heirathen und Mutter werden, so wird die Gebärmutter wieder auf dieselbe Weise in Ordnung gebracht.

Dass auch bei den civilisirten Völkern Europas allerhand Vorkeiiningsmaassnahmen eine weit^ Verbreitung besitzen, bedarf wohl an dieser Stelle keiner besonderen Erörterung, Es sind die allbekannten Fisch- und Guinmiblasen und die Schwäramohen, und auf der gynäkologischen Klinik in Berlin entdeckte E. Martin zti meiner Studienzeit in der Vagina einer Frau sogar einen kleinen Borsdorfer Apfel.

Wer sich über die schädlichen Wirkungen unterrichten will, welche der sogenannte Coitus interruptu.s auf den Genitalapparat und das Nervensystem der Frau auszuüben pflegt, den müssen wir auf die Abhandlung von Valcnfa verweisen.

Ganz neuerdings ist ein neuer, sinnreich construirter Apparat, das Pessarium occlusivum, zur Verhinderung der Emptaugniss von Dr. Mrnsinga tu Flensburg (unter dem Pseudonym Hasse) in die ärztliche Praxis eingeltihrt worden, welcher für gewisse Fälle ganz unbestritten eine grosse Wichtigkeit und Berechtigung besitzt.

69. Ueberfmcliiung und inetirfaclie Sehwangersclrnft.

Wir können die Besprechimg der weiblichen Fruchtbarkeit nicht abschlies-^en, ohne derjenigi-n Zustände zu gedenken, in welchen nicht nur eins, sondern gleichzeitig mehrere Kinder im Mutterleibe zur Entwickelung gelangen. Man pflegt hier die Unterscheidung zti machen in die Fälle gewohnlicher Mehrschwangerschaft (Zwil- linge, Drillinge, Vierlinge u. s. w.) und in diejenigen der üeber- fruchtung. Die letztere, glaubte man, habe stattgefunden, wenn in den Grösscndimensionen der beiden Früchte ein erhebliches, in die Augen fallendes Missverhältniss be.steht, oder wenn, wie das zuweilen vorkommt, zwischen der Geburt der beiden Früchte ein Zeitraum von mehreren Tagen verstrichen ist. Manche niedere I Volksstämme betrachten allerdings jede Zwillingsschwangerschaft als eine Ueberfruchtung, und zwar halten .sie deren Zustandekommen nur dann für möglich, wenn noch ein zweiter Mann sich an dem Zeugungsgf.Kchäfte betheiligt Imt. So nur erklärt es sich, dass die Eingeborenen in Guinea, Guiana und die Chibchas- und Sa- livas-Indianer Zwillingsgeburten fUr den sicheren Beweis des Ehe- bruch-s der Frau ansehen und diese und die Kinder dementsprechend behaudehi.

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Gebildetere Völker dachten sich die Ueberfriichtuug aof ver- schiedene Weise, aber immer doch durch die alleinige Beihülfe des Ehemannes entstanden. So hatte Empedohles die Ansicht aufge- stellt, dass eine doppelte Schwangerschaft einer Theilung des männ- lichen Samens ihren Ursprung verdanke. Erasistratos dagegen (um 300 vor Christo) hielt eine doppelte Befruchtimg für möglich.

Culturgeschichtlich merkwürdig ist nun, dass die talniudi- Bchen Aerzte allerdings eine solche Ueberschwängerung fl\r mög- lich hielten, indem sie das Zeitmaass, innerhalb dessen eine solche stattfinden könnte, bis auf drei Monate ausdehnten; eine Super- fotation von nicht mehr als 40 Tagen konnte nach dem Talmud ohne Nachtheil für beide Kinder geschehen. Dagegen sprechen sich diese Aerzte dahin aus, dass eine Superfötation von längerem Zeit- raum gewöhnlich das eine der beiden Kinder iu Gefahr bringe; in solchen Fällen zeige das Ei desselben sehr geringe Spuren einer menschlichen Gestalt, vielmehr eine „Sandalen-Form", und es konmic dann gleich einem Abortus nur todt zur Welt. {Wunder- bar.} Hier liegt offenbar die erste Beobachtung jener bisweilen vorkommenden Zwillingsgeburten vor, bei denen das eine, schon vor mehreren Monaten abgestorbene Kind platt gedruckt, eingeschrumpft und vertrot-knet geboren wird, wobei aber an eine Superfötation nicht zu denken ist. Im Talmud wird auch davon gesprochen, dass die israelitischen Frauen in Aegypten in einzelnen Fällen sogar mit sechs lebensfähigen Kindern über- schwängert wurden mid letztere auch glücklich zur Welt bringen konnten.

Die Möglichkeit einer Superfötation nahm auch Aristoteles an ; als höchste Zahl der uiehrfachen Geburten gelten ihm Fünflinge. Auch später noch hielten arabische Aerzte Superfötation für mög- lich. Aüicenna erklärte sie für gefährlich, imd Abulkasem meinte, dass das erste Kind vom zweiten leicht getödtet werde, dass aber auch das zweite Kind möglicherweise sterbe.

Die Superfötation, oder, wie Sratuoni sie zu nennen vor- schlägt, Super föcundation, hat bis in die neuere Zeit ihre Ver- fechter gefunden. Im 17. Jahrhundert herrschten darüber sehr ab- sonderliche Ansichten. Der anonyme Verfasser von des getreuen Eckardfh's unvorsichtiger Heb-Amme erzählt, dass er selbst zwei derartige Fälle beobachtet habe, einen im Jahre 1686, wo ein In- tervall von zwei Monaten zwischen beiden Geburten bestand, und den anderen im Jahre 1677, wo eine Dame zuerst von einem Sohne und 12 Wochen später von einer Tochter entbunden worden war. Er sagt: , Im Anfange und währenden 1 2 biss 20 Tagen kan dergleichen Nachschwüngerung nicht geschehen, denn sie würde in zukommen- den Saaraen eine Verwirrung machen und ein.s das andere ver- derben." Auch der bekannte Gynäkologe Btisch verfocht noch im Jahre 1849 die Mögliclikeit der Superföt^ition, und es sprachen liier- für scheinbar diejenigen Beobachtungen, wo Europäerinnen Zwil-

linf^e von zwei Rassen, ein weisses und ein Mulatten -Kind, ge-

i boren, nachdeui sie sich kurz uacheiuauder mit eiuem Europäer und einem Neger begattet hatten. Doch sind diese Fälle, auf deren Berichte wir nicht näher eingehen, keineswegs sicher gestellt, auch ißt bei der Bastardbildung nach wenig bekannten Regelu das Kind bald mehr dem Vater, bald mehr der Mutter gleichend. Eine analoge Geschichte erzählt auch schon der alte Plinius^ wo das eine Kind dem rechtmässigen Vater, das andere aber dem Ehebrecher ähnlich gesehen habe.

Wollte man eine solche Möglichkeit statuiren, so mtisste der zweite fruchtbare Coitus dem ersten in sehr kurzer Zeit nachfolgen und es mQssten zwei Ovula zur Befruchtung bereit in der Gebär- mutter sich befinden. Doch ist auch dieses noch nicht einmal be- ^»wiesen. Wir werden daher Scatizoni und Waffn^r beistimmen ^PluQssen, welche die Üeberfruchtung als eine physiologische Unmög- i^lichkeit hinstellen.

Es wird den Lesern ohne Zweifel schon seit langer Zeit auf- gefallen sein, dass unendlich viel häuflger Zwillinge von gleichem, ab solche von gemischtem Geschlechte geboren werden. Nur die letzteren sind immer als Zwillinge im eigentlichen Siime des Wortes anzusehen, d. h. als das Product zweier gleichzeitig gereiften und durch denselben Coitus befruchteten Eier. Die Zwillinge gleichen Geschlechts können allerdings ebenfalls aui" die soeben geschilderte Weise sich entwickelt haben. In einer grossen Reihe der Fälle id sie aber ganz unzweifelhaft nur einem einzigen Eichen ent- )88en, dessen Bildungskeim sich verdoppelt hat. Für diese letztiere Gattung der Doppelgeburten hatte der ver- [aiorbene Berliner Anatom und Embryologe Karl BogisUius lllcichert die Bezeichnung Paarlinge vorgeschlagen, während er den [Kamen Zwillinge für die erstere Gattung beibehielt.

Zu den Paarungen gehören nun unter allen üui-ständen die oft beschriebenen und nicht selten für Geld gezeigten mit einander verwachsenen Zwillinge. Ich erinnere hier an die Gebrüder Tocci, an die zweiköpfige Nachtigal imd au die siamesischen [Zwillinge. Es handelt sich hier überall durchaus nicht, wie der Laie glauben könnte und wie auch die Gelehrten vergangener Jahr- hunderte wirklich anj?enommen haben, wu einen Process der Ver- fwachsung und V' 'zung, sondern um einen solchen der Ver-

Idoppelung. Die i =ige verdoppelt sich, und zwar von einem

)der von beiden Enden her. Geht nun diese die Verdoppelung rzeugende Lungstheilimg nicht durch tue ganze Länge des Keimes »iudurch, dann wird die eine Abtheihmg desselben (die obere, oder lie untere, oder, was sehr gewöhnlich ist, die mittlere) einfach >leiben, und an dieser Stelle scheinen dann die Zwillinge verwachsen tu Sein, während sie also eigentlich nur unvollständig getheilt sind. ietrifft. die Längstheilung und Verdoppelung nun aber die ganze jänge des Keime:^, dann entstehen zwei vollständig von einander

getrennte Kinder, jedes für sich rollkommen entwickelt, aber immer in einer gemeinKämen EihQlle steckend, immer gleichen Geschlechts mid gewöhnlich mit gemeinsamem oder nnroLlstäiidig Terdoppeltem Mtitterkuchen. Das sind die Paarlinge.

Die altgriechischen Aerzte, z. B. der Hippokrattker, welcher das Buch ,de natura pueri* rerfa-sst hat, konnten sich die Ent- stehung Ton Zwillingen nur in der Weise denken, dass sie zwei Höhlen in der Gebärmutter annahmen, in deren jeder sich eins der beiden Kinder gebildet hatte. Da ihre gesammte Kenntniss der menschlichen Anatomie nicht auf Obductionen menschlicher Leichen, sondern aof üntersochongen an Thieren sich begründete, so sind sie wohl zu entschuldigen. Denn die Gebärmutter der ^Viede^käIler bildet nicht wie diejenige der Menschen eine einzige Höhle, sondern sie läuft in zwei sogenannte Homer atis (nterus I , in d«ren

jedem die EmbrA'onen zu liegen pflegen. Ganz a;. .veise wird

aber diese thierische Form auch bei dem menschlichen Weibe be- obachtet.

Soweit bis jetzt unsere Kenntnisse reichen, kommen Zvöllings- geborten bei allen Rassen ror, aber, wie wir auch heute bereits zu behaupten rermögen, durchaus nicht in einem auch nnr an» nähernd gleichmässigen Verhältnisse. Rassenunterschiede alleia können hierfDr keine befriedigende Erklärung abgeben. Denn oft sehen wir unter Völkern der gleichen Abstammung und ganz nahe hei einander wohnend bei dem einen Zwillingsgeburten als eine grosse Seltenheit, bei dem anderen mit einer adSallenden Hänfig- keit auftreten. Es wäre in hohem Grade interessant, wenn die Reisenden und die in den Colonien Ajigesteliten diesem Gegenstaade ihre Aufaierksamkeit zuzuwenden sich entschliessen wollten. So berichtet MondUre über die Weiber in Cochinchina, dass bei ihnen Zwillingsgeburten sehr selten vorzukommen pflegen; nach seiner Berechnung nicht mehr als ein Fall auf 10 211 Geborten. Jedoch fahrt er fort:

Chofc plas reroürquAble encore, nn seal uroudiMement, Beutr^. svcubl» aroir le privilcge de ce» nai««aoces gämellMres; car sur le» 15 qoi oxit en iiea ea 6 an». Beotre compte 9 ä lai eeale.

So finden wir auch auf den kleinen Inseln des mal?.- ' ,n Archipels in verschiedener Häufigkeit Zwillingsgeburten ;i.

Auf den Watubela- Inseln sind sie eine ganz n«s« ,,*

Rarität, auf Buru, Eetar und den Aar u-Liseln sind , jj

selten, auf den Tanembar- und Timorlao-lnseln werden .«?ie schon etwas häufiger beobachtet. Auf Leti, Moa und Lakor K..^;^«^^ die Einceborenen 80gar besondere Namen f&r die drei j .q

(■ ' ' ' ombinationen (zwei Knaben, zwei Mädchen ckI- ii«

1, und auf den Ke ei- oder Ewa bu- Inseln w- .^x

relativer Häufigkeit - ^

»olleiJ nach T»rpm ,.;

ihnen nicht selten sein.

6».

tttBg trad mebrfAche

461

Bei den Wakinibus und Waniainwezys am Üjiji-See in Centralafrika kommen nach Button und Spehc Zwilliugsge- burten viel seltener vor, als bei den Dinkanegern und bei den Kafferu. Jedoch sind sie auch unter den letzteren bei den ein- zelnen Süimmeu vou wechselnder Häufigkeit. Calloway berichtet einen Fall, wo ein Mann, in dessen Familie wiederholt bereits Zwillingsschwangerschaflen vorgekommen waren, eine Frau aus einem anderen Stamme heirathete, in welchem sie fast gar nicht vorkamen. Bei der ersten Entbindung brachte diese Frau Zwillinge zur Welt.

Aus Ha Tschewasse im nördlichen Transvaal schrieb mir Herr Missionar Bmster: , Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, dass unter den schwarzen Völkern, wenigstens unter dem Volke, wo ich mein Arbeitsfeld habe (Bawaenda, eine Abtheilung der Basutho), viel mehr Zwillingsgeburten stattfinden, als daheim in Europa. Unter etwa zwölf Frauen meiner Station fanden vor einigen Jahren 3 nach einander folgende Zwillingsgeburten statt.'

Von den Aegypter innen erzählt schon Aristoteles, daas sie sehr häutig mit Zwillingen niederkämen.

Im Jahre 1853 gab es in Trinidad bei einer BevJilkerungs- zahl von noch nicht ganz 7U00 Seelen mehr als 30 Fälle von Zwillingen unter den Erwachsenen, und im Jahre ISöli wurden in

ISanto-Espiritu auf Cuba 6 Zwillingsgeburten beobachtet, ^ Die Zwillingsschwangerschaften unter den europäischen Völkern hat 'in neuerer Zeit besonders Brrtülon zum Gegenstaude senier

iMd

Zwilliiijrsfit-l'iirt'Mi

pro l'C) Si-Iiwsjijrerschiift'^n

Pranltreich:] 1858—68

Italien

1868—70

I

PreuBsen Galizien

Oeiterreicb 1851 70

1859-67 1851—59

10.00

10.36

Unter Zwillingsgeburten f.inKfSchlechtlich | atwrigwihlechtlicli

34,9

12,50

12.50

11,90

64.3

62,5

62.4

62.0

35,7

37,5

37,6

38,0

61,3

38,7

Ungarn ' lasi— 59 I 18,00

Es i«t sehr beachtenswerth, dass hierin sich Preussen, Ga- lizien und Oesterreiih einerseits und Frankreich und Italien andererseits als zusammenstehend ergebt, während Ungarn die höchste Stelle ebnimmt. BcrttlUm biüt sich für berechtigt, \iier\n Difi'ereuzen zwischen der teutonischen und der latemiscUen Hasse zu erblicken.

Aus dieser TitbcUe geht auch hervor, um wieviel häufiger die Zwillinge das gleiche, als vei-schiedenes Geschlecht aufzuweisen haben und auch in diesen Zahlten läa.st sich ein Untf^rschied zwiscYieii d»^n beiden Kassen nicht iihleugneu. Die Zwilling« gleichen (ie- .schlechtjj sind übrigens in der üher wiegenden Mehrzahl der Fä\\<sl

ä^

4d2 ^^T^- I>i« FrDchtbuk«t de> Weibet.

Midchec Das för die acgegebenes Zeiträiane im Ganzen in der Tabelle Azsce^procbece procrcnude Teriiiltciss bleibt Bbrig^ns f&r Preiissec <&! Frankreich ein nnrerindertes. an^ wenn man Jahr för Jahr mit einander TerGrleicht : die Schwankiing«ii betragen £e icaximo * -_ , Pn>Cient.

Sc' wichtig diese Unters^^^chimiren nun aoch sind, so wurde doch bereit» vorhin der Bevei» geliefert, dass nicht allein die Rassen- :::nT)£rs<hiede i^ die;»« Frage den Ausschlag g^ben. imd es wäre zur weiteren Klü-üng dieser Angelegenheit dizrchau« nothwendi^. nicht die Zwillingsgebunen ganzer Linier, sondern einzelner eng um- Miriebecer Bezirke mit einander in Vergleich zu ziehen. £rst dann ii«sae «:ch angeben, au: welche Punkte nun weiter noch Gewicht zu lägv£ wäne, Dass wi den Süd-Slaven Zwillingsgebnrt«n häufig sni. haben wir bereits erfahrer..

Wihreni bei niiuchen Völkern Zwüliiigsg^ebunen als ein be- sonieres Ges':hrnk der «j:niriT. -.yier au.^h ai« eine glfickliche Vor- beieuruni: •zicz.z aüriu. für die Eltern. s:'niem s^^caz flir den ge- sfcnin::eu Stimn: an*re*ehen wrrien. halten wiederum andere XationcB üiesifs üre-jiiss für eine S.hanie c»ier r:n aussierordentliches Un- j:/S:k. diiS nich: sehe-n ieu ce^iltsa^n^en T:ö einen oder beider kui-ier .-»irr "risweil'ru su:h ier Murrer rur F:Ige hat. £s ist hier zu'.'ht ier '.Vi. üese Vrrhälmiise^ wc-i^^r ru enTwüejr. und Tenreisen wir auf ii# in .ieni Kinie* J'...>!* ♦.resagre. Xur dasieaige. .wu Äa5 Weib ingth". *?■: hier u.xh k-.-.ri r-erlhrL s:we:t e* nicht schon au: den frlberen >f:reu «:ut iv^yre-.iun*: f*^i.

Auf ies: Insir'.u K.u:i:v:. l'au:*. N-.la uni Serua gilt eine Zwilliii»:s5i:nwangers.i.afr iL« »rr.'issst xlin-ie. Auf Ambon und £tc ri-.»sf -luftrln #v:i: r.^ >:rwar^rr ii-e Entwickeh:ng zweier i-ju5er :u Tserr.:r.irru. ui-ivu: >vt ar^^s:!:-.! Term—iiÄ. anf dem rJl:keu ru Sv!r.";a:tu ..u-i ;-!Sin:u:;;rurf»i:h*tUr p-^a^^g- cöer Pisang- tri.itt :.-. trsser 'S-: irr. •.''TtUtTTr: lu >;i*:r:ka wird durch i'ji >.Vr_r: t.;. l>-..'.-.-.*^r. ii^- £..Tt:r:i:.ijLr :::.-.^ Au;i ü^e Aschanti ..;..i 1".-*'. -i *.:::- ü:- V. ..::;: t..- .I».'.'.--^-. 'r.:t:h. I*as«s einige '«'.irr ."..t '.-•r..r: ".v ..■• ...".:.c:-r a.> :".u ..Tijr.-i^ t.-iu £hebrach

"S: Vi. .:..-.: »:r -.-.. :>*:.:: *..■.: .^~-. >l.U'ier g!:rt:hz«tig im >t.:r«r.<.:«f :t-: y-r:»->.k:"..-^ c:.';*." v.ri wf-u w-.r äie iola«nde f^r.Tal;* ■*.c S,--w •«. >.:-"r:.;.-^r ii: -"■.TSkr.-.T.RXÄ^ftl.uag betrachten. *.- ■•rr:::r- ».■' ..-..> vv. ; : .^:". V:.: .i;r. . v- v:.rs:':....j,j^j^ könaes;. <i*-«

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463

Fttr Frankreich gestaltet sich das Verhältniss s», diiss eino Drillingsgeburt auf 857ü normale Geburten, oder auf 8(5 Zwillings- geburten trifft. Der geschlechtlichen Combinationen bei den Kin- dern sind hier natürlicherweise vier (3 Knaben, 3 Mädchen, 2 Knaben und 1 Mädchen, 1 Knabe und 2 Mädchen). Wie diese sich in Zahlen- Verhältnissen gestalten, zeigt die folgende

Tabelle:

DrillingBgeburten.

Oesterreich. (1851—70)

3 Knaben 25,06

3 Mädchen 21.6

2 Knaben 1 M&dchen 29,0 1 Knabe 2 M&dcben 24.4

46,6

53,4

Preuasen. (1826-48) (1859—67)

21,0 1 ^'^'^

25,5

25

48

52

Frankreich. (1858—60, 66—68) (1861—65) 27,7

23.4

51.1

24.4 23.4 \

47,8

13 Knaben ...... 3 Mädchen 2 Knaben l Mädchen 1 Knabe 2 Madchen . Hier ist nun gleich von vornherein eine höchst eigenthümhcue Thatsache zu constatiren, welche die Drillingsgeburten ganz echarf von den Zwillingsgeburten abtrennt. Während bei den letzteren nämlich, wie wir gesehen haben, bei weitem häufiger Mädcben

Iuh Knaben geboren werden, finden wir hier bei den Drilling«! gerade die Knaben in der Ueberzahl. Auch lässt sich wieder wie in den früheren Tabellen erkennen, dass Frankreaek eine besondere Siellang einnimmt gegenüber von Preussen um* Oesterreich. ^

tVon Drillingsgeburten aus anderen Welttbeilen wird__«» wie nichts berichtet. In Cocbinchina kommen sie nach nicht vor, und in Centralafrika erklärt sie Barth j^^ Unerhörtes. Auf Cuba aber ereigneten sich in einem Daffr ^^ Bando im Jahre 1856 nicht weniger als 4 Drilling8g*l»"*-r" Noch grösserer Kindersegen als drei auf emn» Menschen selten beschieden. Wir sahen bereits, i«* * eine sechsfache Schwangerschaft für möglich H Äristotdes fünf Embryonen zugleich für das B neueren Beobachtungen haben dem letztere» ^Lsflter immerhin handelt es sich hier stetf* uniau^i ^P^bmi man sie nur als Curiositäten zu UetiaefaaK ist bemüht gewesen, die stati8iif*4.'beu VcriiStai» j^ Geburten fentziu»t«?lb«u. Vr r.n,! ;ii\ AWsTauoaK ^ 1* Geborene U7HH.H34 Kir -^i^^i^ ^

^^linge, 118 Vierlinge uu'i ■>

4G4

XIV. Die Fruchf

70. Die Eiitwickelung der Fracht.

Ueber die Entwickelung der Frucht hatten sich unter den altindischen Brahmanenärzten schon vor Sitsrufa Streitigkeit«!! gebildet. Sie glaubten nämlich, dass derjenige Körpertheil d«s Fötus zuerst gebildet würde, der am wichtigsten sei. So kam es, da-ss Saunaka den Kopf, Kritaviryya das Herz, Farnsunjifa den Nabel, 31alkandaya Hände vmd Füsse, Subhnsi und Gmttama den Rumpf flir das erste Gebilde hielten. Dhanvantare entscheidet sich dafür, dass alle Theile gleichzeitig entstehen und nur der Zartheit des Embryo wegen noch nicht erkannt werden könnten; man finde ja auch in der Frucht der Bambusa arundinacea und der Magnifica indica alle einzelnen Thi'ili' der künftigen Pflanze schon vorgebildet. Auch scheinen die altindi.sehen Äerzt*?, ähnlich wie die tahnu- dischen, genauere Nachforschungen an dem menschlichen Ei ange- stellt zu haben.

Susruta beschreibt das Wachsen des Fötus in den veracUiedenen Schwangerficbaftsuionaten auf folgende Weise: ,1m ersten Monnt enlstpht der F'mbryo; im zweiten bildet sich durch Kälte. Wärme und Wind eine härtliche Maase von zeitig werdenden Grundelementen des Körjiers; im dritten werden die fünf Klünipcheu der Extremitäten und des Kopfes aus- gebildet, aber die grossen und kleinen Glieder sind noch sehr kleine Tlieil- chen; im vierten und den folgenden Monaten werden die Abtheilungen aller grossen und kleinen Glieder schon fühlbar. Im acbten ist die Lebeualcraft noch schwach; im neunten, zehnten oder zwölfton Monat endlich erfolgt die Geburt. {VuUeris.) Auch im Einzehien construirte sich Stiffuta {Hessler) nach Gutdünken eine eigenthümliche Entwickelungsgeschichte d«>« Embrro. Nach ihm entsteht Lel>er und Milz des Embryo aus dem Blute, die Lungen auti Blut und Schaum, der Unterleib aus Blut und Secreteu: dann bilden sich im Uterus die Eingeweide, der After und der Bauch durch Auftreibiing der Luft und es entsteht aus den Elementen des Blutes und Fleisches die Zunge, aus der Vereinigung des Bluter und des Zellgewebes das >^wercb- feil, aus der Vereinigung von Fleisch, Blut. Schleim und Zellgewebe die Testikel, aus der Vereinigung von Blut und Schleim das Herz und in desMD NachbarschaA die Nerven als Träger der Lebenskraft.

Susruta wusstc auch bereit«, dass die Ernährung des FOtus vermittelst der NabelgefUsse stattfindet. .Ohne Zweifel." heiast es bei ihm. „ist in drtm saftführenden Kanäle (Placenta) der Mutler das Nabelgefäss des Fötu» verschlovsen. Dieses führt die Quintessenz des Speisesafles der Mutter dem Fötus zu. Durch diese innige Verbindung der Mutter erhält der Fötus «ein Wachfcthum , und die den ganzen Körper und die Glieder begleitenden safUilbrenden und gekrümmten GefHese beleben durch ihre innige Verbin- dung unter einander von der Zeit der Empfängnis« an die Abtheilungeii der noch nicht gebildeten grossen und kleinen Glieder."

Die Chinesen stellen sich die Entwickelungsgeschichte den Fntiu nach Darstellung des Buche« „l'ao-tsam-ta-seng-Pien" in folgender vor: ,1m ersten Monate gleicht der befruchtete Keim o«lor da« K5 «in* Wassertropfen ; im zweiten einer Roseuknospe: im dritten ^ das Ei und zeigt einen Kopfi im vierten siebt nitui die vqrtüj.'' u.'

erscheinen; im fQntten xeig«Q Hloh die OhedmaAMen ; im lOchsUu kiUitt nun

Au^en uud Mund iiutorsuheidon-, im Hielieaten Monat hat es eine menech- liehe Form und kann leben, doch verlässt es in dieser Zeit nicht anders die Mutter, als wie eine grüne Frucht, die , wenn sie abreisat, einen Theil des Astes mit fortnimmt. der sie trägt; während des achten Monats ven'oll- komronet eich das Kind so weit, dass e^ im neunten Monat einer reifen Frucht gleicht, welche nur des Herabfallens gewSrtig ist. (Hureau.) Dieser Ver- gleich des reifen Kindes mit der reifen Frucht scheint durch mehrere chine- ische Werke hindurchzugehen. Denn in der .Abhandlung Ober die Gebnrta- llfe*. welche f, Martius aus dem Chinesischen übersetzte, heisstes; ,Der rzt Dschtili sagt: „Unreife Geburten sind genüglich von den natürlichen »schieden. Denn die natürliche Geburt eines Kindes ist mit einer reifen llastanie zu vergleichen, die in der Periode ihrer Zeitigung von selbst sanft »fällt. Eine unzeitige Geburt aber iihnelt einer unreifen Frucht, die vom Iturme gebrochen beim Herabfallen die Zweige mit abreisst,*

Geben wir nun den Tbat^achen nach, wie sich die Vorstellangen

liier die Frucht-Entwickelung bei den Aerzten des klassischen Alter-

juins gesttilteten , so finden wir unter Anderem die Ansiebt des

friecben Aihmaeon (um 540 v. Chr.), welcber behauptete (Aristo-

li's"^), dass der Kopf als Sitz der Seele zu allererst gebildet und

SS der Fötus zum Theil durch die Haut ernährt werde.

HippokraU^ empfahl, täglich ein bebriitetes Hühnerei zu unter- icben, und stellte V^ergleiche zwischen diesem und dem mensch- lichen Ovulum an.

Die drei Membranen: das Chorion, welches den Fötuü von len Seiten umgiebt, die AUantois, eine doppelte Membran, und Amnion, eine zarte Membran, werden von Soranus beschrieben; folgt ziemlich treu Moschion, sie beide heben namentlich die Bedeutung des Chorion hervor. Wir erfahren auch durch Soranus lie Ansichten einiger frülieren Autoren über den Ursprung der Tabelgeffisse; nach Empedokles gehüren dieselben der Leber an, ch Fhaedrus dem Herzen; nach Herophilus gelangen die Venen Sur Vena cava, die Arterien zur Arteria trachea; Eudemus endlich leinte, die im Nabel des Embryo verbundenen Getasae gehen von da in zwei Bogen unter dem Diaphragma auseinander, lieber das Amnion waren die Autoren jener Zeit noch verschiedener Ansicht, dessen Vorhandensein beim Menschen wurde von Einigen sogar ge- leugnet. Die Cotyledonen werden von Soranus ausführlich besprochen B-Pmo/f); er vergleicht die Cotyledonen der Thierplacenta mit den kleineren Excrescenzen der Flacenta beim Menschen; durch sie wird der Fötus ernährt. Die in ihnen gebildet4?n Gefasse verbinden Kfiich zu zwei Venen und zwei Arterien, zu denen sich der Urach us ■gesellt; diese fünf Gefasse bilden den Nabelstrang; die zwei Venen vereinigen sich und gehen zur Vena cava über, um dem Kinde das Blut der Mutter zur Ernährung ^zuführen, und auch die beiden Arterien werden in eine einzige, d. h. zur grossen Arterie "(Aorta) verschmolzen.

Galenus kennt die sich aus dem ergossenen Blute bildende [embran, das Chorion, zählt auch die AUantois zu den Eihäuten,

Plox, Dm Walb. L 3. Aafl. SO

466

XrV. Die Frachtbark«it des Weilte«.

sagt, dass Anfangs der Fötus wegen seiner Kleinheit uicht zti er- kennen sei, und meint, dass sich zuerst das Uehim, dos Herz und die Leber bilden; diese Organe senden dann die Medulla spinali«, die Aorta und die Vena cava aus, worauf sich die Rl\ckenwirbe>l, der Schädel und der Brustkorb bilden.

Die arabischen Aerzte folgten fast ganz den Angaben der griechisch-römischen Autoren.

Ueber die Entwickeluug der Frucht waren die talmudischen Aerzte getheilter Meinung. Einige glaubten, dass das Haupt und die ihm zunächst liegeuden Organe sich zuerst bildeten, Andere hingegen hielten datier, dass der Mittelpunkt des menschlichen Kör- pers und namentlich die den Nabel umgebenden Theile zuerst ge- bildet werden. (Nidda.) Der Talmud behauptet ferner, dsAS in dem ersten Stadium der Entwickelung der Embryo eine heuschrockcn- ähnliche Gestalt habe: die beiden Augen seien den Fliegenaugen ahnhch, ebenso gleiche die Nase und die Nasenlöcher Fliegenpunkten, und der Mund bilde einen haarscharten Streifen, die Extremitäten aber seien noch nicht entwickelt, namentlich sei noch keine Zehen- imd Fingerbildung zu bemerken. Erst im späteren Verlaufe (etwa zu Ende des 3. Monats) seien die Nasenlöcher deutlich vorhanden^ flie Extremitäten zeigen Finger- und Zehenbildung, auch könne man ilann das Geschlecht unterscheiden; um dies besser bewerkstelligen zu können, empfiehlt der Talmud die Sondirung mit einer hölzernen Sonde; doch lasst sich nach dem Talmud vor dem 4L Tage über das Geschlecht nichts entscheiden. Erst als sicheres Zeichen einer fortgeschrittenen Ausbildung ist nach dem Talmud die Haarbildong zu betrachten.

Was die Talmudisten weiter Jiber die Ausbildung des Fötu« erwähnen, scheint sich nur auf die Bildung der Geschlechtstheile zu beziehen. Wie die Bildung des Kindes beiderlei GesohlechU erst nach 40 Tagen vollbracht sei, so werde auch dann erat der Fötus mit Haut bekleidet. Zur Fötusbilduiig ist nach ihnen nicht die ganze Quantität des Samens nöthig. Verschiedene Körpertheile werden theils aus dem Samen des Mannes, theils aus dem der Frau gebildet : aus dem Samen des Mannes die Knochen, Sehnen, Gehirn und das Weisse im Auge, aus dem rothen Samen der Frau Haut, Fleisch, Haare und das Schwarze im Auge. Ueber die Membranen, die den Fötus umsch Hessen, haben die Rabbiner sehr ccmfuse Be- griffe. Als ein sehr tüchtiger Embryologe gilt unter ihnen der Rabbiner Scheniui'l, welcher 270 n. Chr. starb.

Die Ansichten des Vhidicianus (um 370 n. Chr.) über Frucht- entwickelung erhielten selbst in mittelalterlichen Gesetzgebungen Geltung: Die Lehre von der Beseelung des Embryo im zwei- ten Schwangerschaftsmonat und der Geschlechtsbildung im vierten wirkte strafschärfend bei ktinstlichem Abortus, Verletzung Schwan- r u. 8. w.

Der Aufschwung der neueren Embryologie gijig im 16. Jahr-

i {

I

71. MiiddBeS^m«

seneneagong.

li ändert von Italien aus. Nachdem hereiis Faloppia und Arantüis der Anatomie des Fötus ihre Aufmerksamkeit zugewendet hatten, wurde vom Grafen Aldrovandi sovne von Volcher Coitur zuerst wiederum die Entwickelung des Hühnchens im Ei zum Gegenstände wissen- schaftlicher Beobachtung gemacht, und bald trat Fahricius ah Aqtiapendeiite in deren Fusstapfen. Schliesslich hat aber Ilarec'if, welcher 1657 im Alter von 79 Jahren starb, für diese Angelegen- heit durch mustergültige naturwissenschaftliche Methode grundlegend gewirkt.

Wir können hier weder die Geschichte der Embryologie, noch auch die Entwickelung der Frucht im Miitterleibe durch alle ihre Phasen weiter verfolgen. Wer über die letztei*e sich zu belehren wünscht, den verweisen wir auf die vortreffliche Darstellung, welche in allgemeinverständlicher Weise Johannes lian/ce^ von diesem Ge- genstaude gegeben hat. Dort wird er, durch Abbildungen reichlich erläutert, Dasjenige finden, was er sucht.

71. Mädchen- und Knaben-£rzeugiiDg.

Wir haben in einem der früheren Abschnitte bereits erfahren, wie von vielen Völkern die Geburt einer Tochter nicht nur als etwas Unerwünschtes, sondern geradezu als eine Schaude und ein Unglück angesehen wird, wahrend wiederum andere Nationen sich B weniger über Söhne freuen, da sie durch den Besitz vieler Töchter " durch deren späteren Verkauf zu Reiclithum und Ansehen gelangen. Und .so können wir es dann wohl verstehen, diiss man von Alters

Iher bestrebt gewesen ist, die Ursachen kennen zu lernen, warum in dem einen Falle ein Knabe und in einem anderen ein Mädchen .sich bildet, und die Mittel und Wege ausfindig zu macheu, um nach eigener Willkür das gewünschte Geschlecht zu erzeugen. Man hat sich bisher noch nicht der Mühe unterzogen, geschichtlich diesen Bestrebungen nachzugehen, obgleich sie doch gar sehr zu der Cha- rakteristik des culturellen Zustandes der einzelnen Nationen und zu der Kenntniss von ihren Vorstellungen beizutragen vermögen. Und was die Gebildeten und Gelehrten halbciviÜsirter Völker als eine besondere Kunst auszubilden bestrebt waren, das brachte, wie wir sehen werden, in der Mystik des Volkaaberglaubens ganz wunder- liche tmd originelle Zaubermittel zu Tage.

In Susruta's Ayurvedas wird von dem altindischen Arzte

Anweisung zu der Kunst, willkürlich Knaben und Mädchen zu zeugen, gegeben: Drei Tage nach der Menstruation soll, wenn man einen Knaben zeugen will, sich die Frau bei einer besonderen Diät und in einem von be.sonderer Pflanze bereiteten Bette von ihrem Manne fern halten. Am vierten Tage soll sie, gewaschen, mit neuen KU'idern geschmückt und unter mystisch-religiösen Ceremonien sich [dem Manne zeigen. Denn man glaubte, dass nach Qualität des

30'

468

XIV. Die Fruchtbarkeit des Weibea.

Mannes, den sie zuerst nach ihrer Reinigung durch die Menstruation erblickt, sich die Qualität des Solines richtet, den sie gebären wird. Sie selbst und ihr Gatte sind für einen ganzen Monat dem Brahnta geweiht und nach dem Ablaut' dieser Frist muss der Beischlaf voll- zogen werden. Der Mann aber muss sich zuvor, mit gereinigter Butter salben und Reis mit reiner Butter und Milch gekocht ge* niessen; die Frau dagegen muss sich mit Sesamöl salben und Sesamöl mit einer Bohnenart gemessen. Ebenso muss der Mann nach jedes- maligen Trostgebeten in der 4., 6., 8., 10. und 12. Nacht den Coitus mit ihr vollziehen. Diese Tage sind die der Knabenerzeugung günstigen. Wünschte sich aber der Mann eine Tochter, so musste er den Beischlaf in der 5., 7., 9. und 11. Nacht ausüben. Noch den drei der Menstruation folgenden T^eu der Vereinigung gab der Arzt der Frau, wenn sie sich einen Knaben wünschte, 3 oder 4 Tropfen eines Liqueurs aus Spongia marina, Lakschana, Ficus indica oder Hcdysarum lagopod. mit destillirtem Wasser bereitet in das rechte Nasenloch, doch durfte die Frau diese Tropfen nicht wieder ausschneuzen. Die altindischen Aerzte hatten femer die Ansicht, dass ein Knabe entetehe, wenn des Mannes Zeugungsstoff in grösseren Mengen vorhanden sei, ein Mädchen bei grösseren Mengen des weiblichen Zeugungsstoffes, aber ein Napunsaka (An- drogynus, Neuter, Zwitter oder Geschlechtsloser) entstehe bei gleichen Theileu männlichen und weiblichen Stoffes.

Die talniudi.>ichen Aerzte behaupteten ebenfalls, dass der Mann nach Belieben männliche und weibliche Früchte zeugen könne; einer von ihnen, Rabl^i Jitzsdmhy sagte: wenn die Frau zuerst den Samen verliert, dann gebiert sie einen Knaben, wenn der Mann zuerst, dann ein Mädchen. Ferner wird im Talmud (Nidda) der Grundsatz aufgestellt, dass, wenn während des Coitus das Weib leidenschaftlicher betheiligt sei als der Mann, daraus eine männ- liche Frucht erzielt werde, wogegen aber im umgekehrten Falle ein Mägdlein geboren werde.

Der altgriechische Dichter Alkmüon, welcher etwa .*>40 v.Chr. lebte, meinte, dass das. Geschlecht des Fötus je nach dem Vor- herrschen der männlichen oder weiblichen Potenz bestimmt werde. (Plutarch.) Der Philosoph, Arzt imd Zauberer Empcdohles (etwa 472 v. Chr.) erklärte die Geschlechtsverschiedenheit aus der wärmeren und kälteren Temperatur, aus dem Verhältniss der Quantität des Samens und der Wirkimg der Einbildungskraft. {FUäarch.) Die Zeugungstheorien der Aerzte in altklassischer Zeit in Griechen- land und Rom sind nach der Zusammenstellung derselben von Ilis nicht derart, dass eine willkürliche Beeinflussimg des Geschlecht« bei den Kindern fiir möglich gehalten wurde. Wohl ergeht sich das dem Hippokrates (mit Unrecht) zugeschriebene Buch «Von der Zeugung* in der Ansicht, dass beide Zeugende sowohl männlichen als weiblichen Samen enthalten und dass nur dann männliche Kinder erzeugt werden, wenn der kräftigere Samen überwiegt, Parmenides

71. Mäldchen- und Knaben ewengunp.

469

und Anajcagoras dagegen meinten, da.ss der recht« Eierstock tHr Knaben, der unke ftir Mädchen sei. Nacli Arisfotclfs rührt die Entscheidung darüber, welches Geschlecht die Kinder erhalten, ledig- lich vom Manne her. Galen sagt: Die ungleiche Temperatur beider Seiten des menschlichen Körpers ist der Grund, wesshalb die warme rechte Seite zur Bildung von männlichen, die kalte linke Seite zu der von weiblichen Kindern dient. Der berühmte arabische Arzt Avicetina (f 1036) hielt es ftir möglich, nach Belieben Knaben oder Mädchen zu erzeugen.

Auch mehrere alte deutsche Schriftsteller äussern sich über diese Frage, z. B. Eucharius Jlösslin sagt in seinem ,Hebammen- bOchlein' : , Wann des Mannes Samen heiss und fein viel ist, so hat er die Kraft, da.'ss er ein Kuäblein giebt. Die andere Sache ist, wann des Mannes Same nach dem meisten Theil kompt aus dem gerechten Zeuglin des Mannes, und genommen wird in der Mutter gerechte Seiten, das ist darumb, dass die gerecht« Seite hitziger ist, denn die linke, und der Same aus dem gerecht-en Zeuglin kreftiger, dann aus dem linken. Darum soll sich die Frau auö" die gerechte Seite neigen zuband nach dem Werk, ob sie gern einen Knaben woll haben." Desgleichen sagt Rueff' 'u\ seinem Buche: ,Ein schön lustig Trostbüchlein etc.": ,Die Knäblein werden mehr in der rechten Syten der Bärmutter empfangen und mehr von dem Samen, der von dem gerechten Gemächt kommt. Aber die Mägdlein in der linken Seite der Gebärmutter von dem linken Gemächt empfangen. Denn die recht Seite von wegen der Leber hitziger ist im Leib, >md die Unke Seit kälter. Aber fürnebmlich ist die grössere Hitz des Samens ein Ursach der Knäblein.* Eine andere Ansicht tinde ich in folgendem Werke: ,Der aus seiner Asche .sich wieder .schön verjüngende Phönix oder ganz neue Alherfus Magnus von Casp Nigrino'^; dort heis8.t es: „Wann aber ein Mann seiner Frauen in einem Monat nicht mehr, als drei oder 4 malen beiwohnt, so wäre der Samen bei einem wie dem andern viel durchkochter, dicker und von Geistern mehr angeftillt. Er hätte mehr Fähigkeit einen Knaben zu formiren, wenn man ihn nicht so oft vergösse. Und daher geschieht es gewisslich aus dieser Ursachen, dass die Alten bisweilen Söhne zeugen, denn gleichwie es an der natürlichen Hitze mangelt, und ihr Samen roh und schwach ist* etc.

Ein chinesischer Arzt sagt: ,0b ein Sohn oder eine Tochter geboren werde, dies hängt von dem Manne und nicht von dem Weibe ab. Die tägliche Erl'alirung lehrt, dass mehr Knaben als Mädchen geboren werden. Wir sehen aber auch wieder häutig, da.ss in manchen Familien die Mutter lauter Töchter zur Welt bringt." («. Martfus.) Nach einer anderen Theorie der Chinesen wird <lie Ge- schlechtsentwickelung des Fötus von den Elementen Yang und Yn ent- schieden. Wenn nämlich das starke Princip Yang beim .Manne und das J8chwiu;he Princip Yn beim Weibe vorherrscht, so erzeugen sie einen LKnaben; im entgegengesetzten Falle wird es ein Mädchen. {Hurtau.)

470

XIV. Die yruclitbarkcit des Weibeg.

Aus alleu diesen verschiedeneu Ansichten können wir drei sich entgegenstehende Meinungen fomiuliren. Die erste will nur dem Manne die Fähigkeit der Einwirkung auf die Bildung des Ge- schlechts zuweLsen, und zwar erzeugt seine rechte Seite, ab die stärkere, heiligere und glücklichere, die Knahen, seine linke Seite die Mädchen. Die beiden anderen Meinungen lassen auch dem Weibe Gerechtigkeit widerfahren und weisen auch ihm die Fähig- keit zu, die Entstehung des Geschlechts tu beeinflussen. Aber sie weichen insofern diametral auseinander, als die eine eine directe, die andere eine gekreuzte Vererbung des Geschlechtes zu verthei- digen sucht. Die eine behauptet, um es mit anderen Worten avis- zudrücken, dass der in geschlechthcher Beziehung Kräftigere der beiden Zeugenden dem Kinde das eigene Geschlecht vererbe, während die andere ihn gerade das entgegengesetzte Gt^schlecht in der Frucht hervorrufen lässt. Wir wollen sehen, wie sich die neuere Wissen- schaft über diese Punkte äussert.

Seit Hofacker und Sadler, die den Alterseinfluss der Zeugenden durch ihre statistischen Ermittelungen betonten, betheiligten sich zahlreiche Autoren an derselben. Insbesondere gab Verfasser diese« Buches in einer kleinen Schrift {Mosii''\ die nunmehr in manchen sehr wesentlichen Punkten der Richtigstellung bedarf, die Veran- lassung zu weiteren Untersuchimgen und Discussionen. Die Be- Tölkeruugsstiitistik Liefert ein Material, dessen Deutung grosse V^or- sieht erheischt, und die Physiologie ist nur auf experimentelle Thienrersuche angewiesen, die ebenfalls die grösste Vorsicht in Rückschlüssen auf die Menschen gebieten. Eine neue Prüfung der Angelegenheit auf statistischem Wege unternahm Schumann, welcher den Alterseinfluss im Sinne der llofacher-Sadier'schen Hypothese nicht bestätigt fand. Und dennoch haben nach seinen Ermittelungen Mann und ^^'eib bezüglich ihres Alters einen besonderen Einfluas, indem er fand, dass sowohl das absolute als auch das relative Alter der Eltern auf das Geschlechtsverhältniss der Geborenen einwirkt,. Beide Erzeuger haben nach ihm die Tendenz, ihr eigenes Gesclilecht auf das Werdende zu übertragen. Dem Grade nach ist aber diese Elinwirkung eine sehr ungleiche: in erster Linie ist es der Vater, welcher die Geschlechtsentscheidung herbeiführt, woiiingegen der Einfluss der Mutter von untergeordneter Bedeutimg ist, Damit wür- den alle Hy])othesen fallen, welche der Mutter einen hervorragenden Antheil bei der Geschlechtsbestimmung vindiciren: es lallt auch die H3T)othese, welcher ich früher nachging und die darin bestand, dass die Ernährung, welche die Mutter dem Fötus in den ersten Monaten gewährt, fiir das Geschlecht des Kindes sehr maassgebend ist. Schon längst hatte ich durch meine weiteren Studien die»e Ansicht aufgegeben, ohne Gelegenheit zu nehmen, diese Aende- rung meiner Anschauung zu bekennen. Nur die Meinung halte ich zur Zeit für berechtigt, welche die Entscheidung de« Ge- schlecht« der Kinder in den Befruchtungs-Act verlegt und nach

Lnftbenenengung.

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I

welcher das Geschlecht durch Vererbmig bestimmt wird. Dem- nach trete ich dem Schlvusse Schumann' s bei, dass je grösser die sexuelle tietahigung der Erzeuger, desto grösser der Einfluss der letzteren ist. Nach Schunumn ist vorzugsweise der Mann der niaass- gebende Theil, und kommt es in erster Linie auf des Mannes Be- fähigung an: mit dem Grade derselben wechselt auch der Knaben- Ueberschuss.

Nach statistischen Aufnahmen kommt Fürst zu dem Resultate, dass allerdings das Alter, die Ernährung, die Jahreszeit und die klimatischen Verhältnisse für die Bildung des Öeschlechta nicht ohne Eintiuss sind, dass man den wesentlichen Factor aber in dem Zeitpunkte der menstruationsfreien Zeit zu suchen habe, in welcher die Befruchtung stattfindet. Tritt die letztere in den ersten 4 bis o Tagen nach der Meostniation em, so würden gewöhnlich Knaben geboren, während eine Conception in den späteren Tagen über- wiegend Mädchen entstehen liesse. Die meiste Berechtigung scheint dem Herausgeber die Ansicht von Ueinrich Janke zu haben, die sich mit der vorher bereits erwähnten gekreuzten Vererbung in- sofern deckt, als der geschlechtlich Mächtigere der beiden Erzeuger dem Kinde das entgegengesetzte Geschlecht aufprägt, aber ihm seine Eigenschaften vererbt. Er findet eine gewichtige Stütze fUr seine Annahme in höchst interessanten Versuchen, welche Fiquet, ein be- deutender Rindvieh/lichter in Houston in Texas, von denselben Annahmen ausgehend, bei seinen Heerdeu angestellt hatte. Es war diesem Herrn gelungen, in mehr als 30 Fällen hintereinander ohne einen einzigen i\li.sserl'olg bereits mehrere Wochen vor der Befruch- tung das Geschlecht willkürlich zu bestimmen, welches das später geworfene Kalb aufweisen sollte. Wünschte er Bullenkälber zu haben, so Hess er den Kühen eine sorgfältige Pflege angedeihen, den Deckstier dagegen bei schmaler Kost zum Bespringen einer Ueihe nicht für den Versuch bestimmter Kühe benutzen. Erst bei dem zweiten oder dritten Rindern der Versuchskuh wurde sie mit dem Bullen zusammengelassen, der dann nur eine sehr geringe Neigung zum Bcspriugeu an den Tag legte, während die Kuh eine sehr starke Geschlechtslust bezeigte. Zu dem bestimmten Termine warf dann die Kuh das erwartete Bullenkalb. Sollte aber die Versuchs- kuh eine Färse werfen, so wurde umgekehrt der Stier sehr gut und kräftig genährt imd aufmerksam verpflegt, während die Kuh sich auf magerer Weide mit einem frisch verschnittenen Ochsen nmher- treiben musste, der seine vergeblichen Deckrersuche anstellte. Wenn dann die Versuchsthiere später zusammengeführt wurden, so war der Stier sehr springlustig, während die Kuh nur einen sehr massi- gen Trieb für die Geschlechtsbefriedigung an den Tag legte: und zum liestimmten Termine warf sie ein Kuhkalb.

Wenn es nun auch im Allgemeinen richtig ist, dass man nicht alle Resultate von Thierversuchen ohne Weiteres auf den Menschen zu übertragen vermag, so wird der aufmerksame Beobachter doch soviel

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XIV. Die Fruchtbarkeit des Weibe«.

Analog;ieTi für die soeben geschilderten Verhältnisse auch bei den mensch- lichen Ehen erkennen, und manche scheinbar paradoxe Erscheinung des täglichen Lebens findet hierdurch ihre befriedigende Auilclärung.

Die Phantasie des Volkes hat auf diesem Gebiete mancherlei besondere Richtimg angenommen, deren ursprüngliche Wurzeln wir nur selt-en zu ahnen vermögen.

Bei den Esthen setzt sich die Frau wahrend der Schwanger- schaft nicht auf einen Wassereimer, weil dann nur Töchter geboren werden. Ja selbst nur der Traum von einem .solchen Sitzen wird noch als einflussreich flir das entstehende Geschlecht angesehen. Man deutet bei ihnen einen Traum von einem Brunnen oder Quell dahin, dass ein Mädchen, den von einem Messer oder Beil, dass ein Knabe zu erwarten sei. (Krebei)

In Ungarn darf die junge Frau bei der Uebersiedeinng in das Haus ihres Mannes ihren Spinnrocken oder das Nähzeug nicht mit- nehmen, weil sie sonst lauter Mädchen zu gebären Gefahr läuft. (v. CsaploiHCS.) Üeberhaupt wünschen bei fast allen Völkern die £ltem sich lieber einen Sohn aLs eine Tochter.

Bei den Czechen schlagen am Hochzeitstage rlie Knaben die Braut mit ilireu Mützen, damit sie einen Sohn bekomme. Bei den Slaven hat sich ausserdem ein uralter Brauch erhalten, dessen Zweck es ist, die junge Frau in den Stand zu setzen. Söhne zu be- konmien, und den sie vielleicht aus ihrer indogermanischen Hei- math mitbrachten. Schon bei den alten Indern wurde der Braut ein Knabe zugeführt; der Priester setzte den Knaben der Braut auf den Schooss, die Braut beschenkte das Kind mit SUssigkeiten und ent- liess es dann. Bei den Kasauben legt man noch heute, während der jungen Frau der Kopf umhüllt wird, einen männlichen Säugling auf ihre Knie; ebenso in Serbien, in Galizien, bei den südmace- donischen Bulgaren und an vielen Orten in Hussland. {Lunuow.) Es ist gewiss kein blosser Zufall, dass die altindische Sitte sich bei 8u vielen slavischen Völkern wiederfindet.

Bei uns in Deutschland herrscht in manchen Gegenden der Aberglaube, dass, wenn es beim Coitu.s regnet, da.s Kind ein MSd> chen wird, ist es aber trockenes Wetter, so wird das Kind ein Knabe, (Praetorius.) Im Frankenwalde ist man der Meinung, dass der zunehmende Mond Knaben , der abnehmende Mädchen bringe. [Fliiijel.) In Franken (Bayern) steht bei Kaltenbruch (Land' gericht Ellingen) eine alte Buche, die Wunderbuche genannt Ein Absud von ihrem Holze, von schwangeren Weibern getrunki'n, bringt die Geburt eines Knaben, dagegen ein Decoct der Ivimle die eines Mädchens zu Stande. {Mayer.) Wenn eine Schwanger« mit dem linken Fu.s.He zuerst ans dem Bette aufsteht, so giebt i«s ein Mädchen, wenn mit dem rechten, einen Knaben; so glaubt uuui in der Rheinpfalz. Will der Mann einen Knaben erzeugen, so steckt er eiue Holzaxt zu sich in das Bett und spricht eine Formel mit dem Endreim: ,Du sölbt hob' an Bnb*; will er ein M/Id chen,

L

71. Mädchen- nnd

labeneneagiiDir,

80 setzt er sich die Mütze seiner Frau auf und spricht eine Formel mit dem Endreim: ,Du sollst hob' an Mad." (Spessart.)

Will ein Mann männliche Kinder erzengen, ho muss er, wie es nach Zingeile in Tyrol heisst, Stiefel dazu anziehen. Nach Liehrecht liegt die Deutimg dieser Symbolik auf der Hand; Stiefel ist etwas männliches, Schuhe etwas weibliches. Die sogenannte «Kuustzeugung' besteht darin, daas sieb der Vater, der einen Sohn wünscht, ante actum den Penis mit Hasenblut, andernfalls mit Qänseschmalz einschmieren soll.

In Neu-Griechenland wünscht man keine Töchter, denn sie sind eine Bürde des Hauses. Um nun die Geburt einer Tochter zu verhüten, muss die Schwangere das Kraut uoasvtxo-itotitvö ge- messen. Dagegen erhält die nicht seltene und sehr geflirchtete Ver- ^^rttnschung. Frauen möchten mit weibliclieu Früchten niederkommen, ^^nadurch Kraft und Wirkung, dass man eine Anzahl durchlöcherter Geldstücke vor der Thür der Betroffenen vergräbt. Aus dem näm- lichen Grunde scheut man sich, während der Entbindung einen weiblichen Namen auszusprechen. {Wavhsmuth.)

Wird bei der Nayer-Kaste in Indien ein Knabe gewünscht, 80 trinkt die Frau einen Monat nach der Empfängniss sieben Tage lang gewisse KräuterbrUhen. Am Abend des 7. Tages wird das goldene oder silberne Bild eines männlichen Kindes in einen Topf mit kochender Milch versenkt und nach einigen Stunden heraus- genommen. Die von einem Priester durch Gebete und Zauberformeln vorbereitete Frau trinkt dann die Milch in Gegenwart des Gatten. Dieser zermalmt einige Tamariudeublätter und träufelt den Sai1; in das rechte Nasenloch der Frau, falls ein Knabe, iu das linke, falls ein Mädchen gewünscht wird. Da die Weiber sich zuweilen irrthümlich für schwanger halten, so werden diese Ceremonien mitunter auch erst im 5. oder 7. Monat zugleich mit der PuUi-kuddi-Ceremonie (zum Schutz der Schwangeren und des Embryo gegen den Teufel) vorgenommen. Am folgenden Morgen trinkt die Schwangere den Saft in der Hand zerdrückter Tamarinden blätter mit Wasser ge- mischt. (Jagor.)

Wenn unter den Alfuren auf der Insel Celebes eine junge Frau bemerkt, dass sie schwanger ist, so dreht sie mit ihrem Gatten aus dem Baste eines gewissen Baumes, ,Cola" genannt, ein Ende Tau, ,Tali rarabnm*' genannt. Hierauf wird ein Priester zum Opfer gerufen. Während derselbe ein Huhn zum Opfer darbringt, bittet er die Götter, den Wunsch der jungen Leute zu erfüllen. Wünschen sie sich einen Sohn, dann müssen sie ihren Wimsch durch die Bitte um ein Schwert, wünschen sie sich eine Tochtor, dann durch die Bitte um Korallen oder Ohrgehänge zu erküminn geben. Hierauf giebt der Priester oben genannte Gegenständ«» iinbai einem .Sarong' (Ueberwurf, Kleidungsstück) der schwangMrim Kn»u zniu Gebrauch. {Dirdrrich.}

XV. Das physische und sociale Verhalten wahrend der Schwangerschaft.

72. Die Erkcnntniss der Schwangerschaft.

Wir stehen jetzt vor einem der allerwichtipsten Abschnitte in dem Leben des Weibes. Die von ihrem Eierstocke gelieferte Keim- 1 zelle ist befruchtet worden und in ihrer Gebärmutter beginnt das Wachsthuni und die Ausbildung eines neuen Individuums. Ein neues Leben ist geweckt: aber auch die Frau tritt durch diesen für sie neuen Znstand gleichsam in ein neues Ijeben ein. Vielem hat sie zvi thun und vieles zu meiden, bis es ihr nach erfolgter Ent- bindung und nach glücklich überstandenem Wochenbett endlich zn der gewohnten Lebensweise ihrer Stammesgenossen zurückzukehren gestattet ist.

Wir werden erfahren, wie man zu den verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern bestrebt gewe.'^en ist, untrügliche Zeichen för den Eintritt der Schwangerschaft ausfindig zu machen, wie derselbe feierlich begrtisst wird imd durch bestimmte coremo- nielle Handlungen seine Weihe erhält; wir werden sehen, wie die Schwangere sich einer bestimmten Diät zu unterziehen, besondere] manuelle Behandlungsmethoden zu erdulden, sich in bestimmt vor- geschriebener Weise zu verhalten hat, und auch die bei den Völkern ^ herrschenden Ansichten über Schwangerschaftsdauer, sowie über die | Kindeslage und schliesslich die Ursachen des mehr oder weniger j häufig vorkommenden natürlichen Abortus werden wir kennen lemeiLl Das Alles bietet ohne Zweifel wichtige Erscheinungen im oal~| turellen Leben der verschiedenen Nationen dar.

Fast bei allen Völkern der Erde musste es aufgefallen sein,] dass der Geburt eines Kindes ein monatelanges Ausbleiben der regel-l massigen Menstruations-Ausscheidungen vorhergegangen sein muas. Und daher ist das Ausbleiben der Menstruation wohl überall alaj das erst« und sicherste objective Merkmal der Schwaugersclnifl be-j trachtet worden. (Epp.) Es folgt dann in zweiter Linie du-s A nsch we 1- len des Leibes »md später erst das Stärkerwerden der Brüste. Aber schon Aristoteles (VII. 2) beobachtete, dass die Menses aocbj

?2. Die ErkenntuBs der Schwaogenohaft.

475

•'ährend der Schwangerschaft flössen, und er meinte, dass hierbei '<lie PVucht schlecht gebildet werde.

Wenn mau aber nach der Schwangerschaftsdiagnose bei ver-

jßchiedenen Völkern fragt, so muss man dabei die „Merkmale der

[«ingetretenen Conception* und die , Merkmale der Schwangerschaft*

luseinander halten. Beide Keihen von Merkmalen werden manch-

lal in den älteren Schriften so sehr neben- und durcheinander auf-

Igeführt, dass man sie kaum zu trennen vermag.

Das Zurückbleiben des Samens beim Goitus wird als Zeichen

Ider Empfangniss bei den alten Indern, den Griechen, Römern, Deutschen etc. betrachtet. Susnäa (in der Ayurveda) führt als Zeichen, dass eine Frau concipirt hat, Folgendes an: , Müdig- keit. Erschöpfung, Durst, Einfallen der Lenden, Zurückbleiben des Samens und Blutes, und zitternde Bewegung der Vulva. Dahin gehören auch die schwarze Färbung der Brustwarzen, «las Zuberge- stehen der Haare und das Strotzen der Adern, das Sinken der Augen- lider, das Erbrechen, die Furcht vor der Begattung, das Fliessen AUS Mund und Nase und die Ohnmacht." ( Vi<Uers.) Das Ausbleiben des Monatstlusses erklären sie durch das Verschlossensein des Mutter- mundes. Letzteres gilt ihnen aber noch nicht als ein Symptom der Schwangerschaft. Als solches nennt jedoch Hippokrates den Ver- schluss des Oriticiiuu, imd von da an nahmen alle Culturvölker dieses Merkmal auf.

Die alten Inder betrachteten auch ein „Fliessen aus Mund mid Käse' als Schwangerschaftssymptom; so übersetzte Vttüers. Dahingegen ist in Hessler's lateinischer Uebersetzung des Susrtäa

»überhaupt nur von einem , Abträufeln " oder .Abfliessen" von Schleim die Rede, ohne dass die Nase oder der Mund erwähnt wird, so dass es danach ungewiss bleibt, aus welchem Organe es statt- Itindet, und dass man auch an einen Ausfluss aus der Scheide denken köuut^;. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Vuüers den Siim der Stelle richtig verstanden hat. Jetzt wissen wir auch, wie die alten Aegypter vor 4000 Jahren bei ihrer Schwangerschaftsdiagnose verfuhren und welcher sinnlosen Mittel sie sich hierbei bedienten. Brwjsch in Berlin berichtet über ^-inen im königl. Museum zu Berlin sich befindenden Papyrus, der walirschfiulich aus der Zeit der 11>. oder 20. Dynastie stammt und eine merkwürdige Anleitung zum Heilen verschiedener Krankheiten enthält. Er ist nächst dem Pap^'rus El)ers das älteste medici- nische Werk, welches wir besitzen, denn er soll aus dem XIV. Jahr- hundert vor unserer Zeitrechnimg herstammen. Die zahlreichen Receptformeln aber, welche die Schnft enthält, und das schon ausgebildet« System in der Methode, solche llecepte zu ver- •schreiben, lassen uns vermuthen, dass schon lange zuvor die Heil- kunst mit einem gewissen ürade von Sorgfalt cultivirt worden mag. BriK^sch übersetzt eine Stelle dieser interessanten alt- rptiächeu Äbhiuidlung, welche .HicU mit den Mitteln bescliäf-

>B^I^Bi9cne^^80ciale Verhalben während der Schwangenc

tigt, um zu erkennen, ob eine Frau schwanger ist oder nicht. Dort heisst es :

Man gebe der Fran das Kraut Boudodou-k& mit Milch von einem Weibe, welche ein mänuliches Kind geboren hat; wenn sich dann die Frea erbricht, so wird sie gebären ; wenn sie aber Borborj-gmen bekommt, so wird sie niemals gebttren. Dann wird dasselbe Recept noch einmal empfohlen mit dem einzigen Unterschiede, dass man davon eine Injection in die Ei C^^ der Frau macht. Dann folgt ein anderes Mittel zu gleichem Zwecke der Schwangerschaftsdiagnose nach C'habas' üebersetzung: Wenn die Fraa einen salzigen, trüben oder sedimentöaen Urin hat, ao wird sie gebären, findet man dies nicht, so gebiert sie nicht. Eine andere Probe ist folgende: Die Frau muBB sich hinlegen, und man reibt dann ihren Arm bis zum Vorderarm kr&ftig mit frißchem Oele ein; wenn man sie dann am anderen Morgen untersacht und ihre Gefässe sehr trocken findet, so beweist dies, dass sie nicht ge- bären wird; findet man dieselben aber feucht, ebenso wie auch die Haut ihrer Glieder, so darf man vermuthen, dass sie gebären wird. Ein femer beHchriebenes Beweismittel wird von Brugsch als sehr obscön bezeichnet. Auch lehrt der Verfasser der Papyrus-Schrift, die Schwangerschaft aus der Beachatfenheit der Augen zu erkennen: „Wenn das eine ihrer Augen die (braune Haut-) Farbe eines Amou (Asiaten) hat, das andere Auge aber die Farbe eines Negers, so ist sie nicht schwanger; wenn aber beide Augen die gleiche Farbe haben, so ist sie schwanger. * Zum Schluss kommt ein noch sonderbareres Beweismittel. Weizen und Gerste mOge die Fraa in zwei Sticken den Tag über in ihrem Urine einweichen; wenn sie keimen. BO ist sie schwanger, keimen sie aber nicht, so ist sie auch nicht schwanger. Ist es nur der Weizen, welcher aufkeimt, ao wird sie einen Knaben gfebüren, keimt hingegen die (Jerste, so wird es ein Mädchen.

Aebnliche abergläubische diagnostische Hülfsmitt«! finden sich auch bei den alten Griechen. In dem pseud o hippo krati- ihen Buche über die weibliche Natur (De nat. muliebr.) heisst e«:

,üm es zu erfahren, ob die Frau empfangen wird, schabe (kochet einen

Knoblauchkopf ab und lege ihn (oder Netopon in Wolle gewickelt) in die Gebärmutter ein, am folgenden Tag bringe di5 Frau ihren Finger zur Unter- suchung ein, und gebe darauf Acht, ob sie aus dem Munde riecht, denn dann steht es gut, wenn nicht, so lege man den Knoblauchskopf wieder ein.

Wenn du ermitteln willst, ob eine Frau schwanger ist oder nicht, so bestreiche ihr die Augen mit rothem Stein (Bolus?); dringt nun das Mtttal ein, so ist die Frau schwanger, wenn nicht, so ist sie nicht schwanger.*

Den talniudischen Aerzten galten als Schwangerschafkszeichen: Ein dicker hoch aufgetriebener Unterleib, namentlich nach ^''erlsaf dreier Monate, seitdem der Coitus stattgefanden ; Auscliwellung der Urliste (oder gar Ausfliosgen von Milch aus denselben), endlich ge- wisse Spurzeichen, welche die Fusstritte einer Schwangeren in locke» rer Erde zurücklassen sollen. Da die taJmudi.schen Aerzte auch die extrauterine und die Mola-Schwangerschaft kannten, ao ist anzu» nehmen, dass sie selb.st die angegebenen Merkmale wohl nur mit ziemlicher Behutsamkeit als Norm anerkannt ha))en.

Aus der Fussspur diagnosticirt in einer buddhistischen Er- zählung, die uns Schiefner zugänglich gemacht hat, ein Brahmanen- arzt die Gravidität nicht allein eines Weibes, sondern sogur einer

72. Die Erk^C

ler

ItHephantin. Die Fussspur musste einem Elepbanteuweibchen ange- hören, da sie länglicli war, während die Spur der Mäimchen eine

iTunde ist, und trächtig musste das Thier gewesen sein, »weil sie beide Ftisse drückend gegangen war.*" Mit einem Männchen aber musste sie trächtig sein, .weil sie mit dem rechten Fusse mehr gedrückt hatte.* Die Schwangerschaft der Frau, die von dem Thiere abgestiegen war, erkannte der Arzt, «weil der Absatz des Fusses recht tief eingedrückt hatte."

Die Aerzte bei den Chinesen beiragen den Puls, wenn sie ermitteln wollen, ob eine Frau schwanger ist. (du Ualde.) Sie halten eine Frau für schwanger, wenn sie bei allgemeiner Gesund- heit und bei Verhaltuug der Menstruation einen regelmässigen und tief anschlagenden Puls hat.

Ausserdem diagnosticiren sie auch die SchwnngerBchaft, wenn der

[Pankt tsche (sie setzen die Finger auf drei Punkte der Arterie, genannt tHuen, tsche und kouan) stärker als gewöhnlich anschlägt. Wenn der Puls um unteren Punkte in der Gegend des rechten Handwurzelgelenks schlüpfend und strutzend ist, so ist die Frau mit einem Mädchen schwanger; wenn man dasselbe Zeichen an der Unken Hand findet, so ist ga ein Knabe; findet man das Zeichen aber beiderseits, so wird sie zwei Kinder gebären. (Hureatt.) Wenn sich eine Frau im Allgemeinen wohl befindet und einen regelmässigen, oberflächlichen oder tiefen Puls hat, und wenn die Menstruation ausblieb, so ist sie schwanger. Man hat dafür noch mehr Beweis, wenn der Tsche- Pols hoch ist und heftiger als gewöhnlich. Wenn femer die Frau zart ist und wenn man beim festen Aufsetzen des Fingers auf den Puls im Ellen- bogengelenk Pulsschlüge ohne Unterbrechung fühlt, und wenn die Menstrua- tion ausgeblieben war, so ist die Frau schwanger. Sie ist es auch dann, wenn beim Aussetzen der Menstruation ihre sechs Pulse natürlich bleiben. Auch ist sie es, wenn der Tsuen-Puls klein, der Kouan- (Ellenbogen-) Puls gleitend, der Tsche-Puls b^?sehlelln)gt ist. Im ersten Monat ist der Puls bald langsam, bald beschleunigt; im zweiten und dritten Monat gleitend und schwach oder massig langsam, oder bald langsam, bald beschleunigt; im Tierten Monat massig langsam, gleitend uder langsam und abwechselnd beschleunigt; im fünften Monat krüftig anschlagend. {Dahrif.)

Die japanischen Aerzte gehen schon weiter, denn sie ftiblen nicht bloäs den Puls, betasten die Brüste mid untersuchen deren Zustand, sondern sie exploriren auch auf eigenthümliche Weise den Unterleib von aussen. Die innere Untersuchung mit dem Finger per vaginam kannten sie wenigstens bis vor einigen Jahrzehnten noch nichts, da sie aber von dieser , hübschen Methode" nun gehört haben und, wie der japanische Arzt Mimazuma sagte, ihren hohen Werth nicht verkennen, so werden sich schon jetzt nicht ihrer wenige japanische, modern medicinisch geschulte Aerzte bedienen.

Einen Monat nach der Befruchtung kommen nach Ansicht des Japaners Kanyaua die ersten Symptome der Schwangerschaft, Wegen Behinderung der Regel treten leichte Kopfschmerzen, Un- behaglichkeit in der Magengegend, Verdriesslichkeiten ein. Bis zum 45, Tage steigern sieb die Symptome, es tritt Erbrechen hinzu, weil

478 XV. Dasphj

>ciale Verhalten wilhrecd Oe^^wSSge

das Blut gegen den Magen stösst; Blutandrang zum Kopf, Frost, Fieber, Durst, zuweilen Leibschmerz, Durchfall; nach denn 45. bis 50. Tage zeigt sich Mattigkeit, die Schwangere liegt lieber, als da«« sie sich aufsetzt; sie isst gern säuerliches Obst, (J/cV/aA-c.) Kan- gawa sagt:

,Da nun alle oben genannten Symptome denen des Fiebers sehr ähnlich sind, BO mass man zur genauen Diagnose die Untersnchnng dor drei Orte vornehmen: 1. die Arterien der vier Fingerspitzen; behafs dieser Untersuchung legt der Arzt seine Fingerspitzen gegen diejenigen dar Frau; 2. die Arteria cruralis; 3. die Arteria radialis. Ist Schwangerschnlt vor- handen, 80 schlagen die Arterien Nr. 1 und 2 stärker, als Nr. 3.* In einem späteren Buche wird angeführt, das.'; die Untersuchung der drei Arterien nicht immer genügend sei, da wSiirend der heissen Jahreszeit auch ohne die Schwangerschaft die Fingerartcrien stärker schlagen, al.*; die radialis. GenSgt diese Methode zur Feststellung der Diagnose im 2. und 3. Monat nicht, 80 legt der Arzt seine rechte Hand auf Kiubi, d. i. die Herzgrube and palpirt allmählich bis Tensuh, d. i. der Punkt I3 Zoll unter dem Nabel; mit der linken Hand geht er von der Schambeingegend leicht drückend in der Mittellinie aufwärts bis nach der Tensuh der anderen Seite. Er fohlt dann bei Schwangerschaft einen kugelförmigen, glatten Gegenstand von der Grösse einer Kastanie. Die Palpation muss mit leisem Drnck geschehen. Ist der Gegenstand, den man hier fühlt, hart, eckig, laug, so ist er als Kothmasse zu betrachten. Sind dagegen mehrere Gegenstände zu fühltm, so ist es ein Blutklumpen.

Als weiteres Sj'mptom der Schwangerschaft wird der dunkle Hof um di« Brustwarze angeführt (der allerdings bei Japanerinnen ganz dunkel- braun, fast schwarz wird), doch wird gleichzeitig ein Fall erwähnt, wo ohne vorhandene Schwangerschaft der Hof sich braun zeigte und sogar etwas Flüssigkeit aus den Brustwarzen auszudrücken war.

Kommt die Frau angeblich im 4. oder 5. Monat der Schwangerschaft zum Arzt, ho sull dieser sie fragen, ob sie früher ihre Menses regelmässig und reichlich hatte; im Bejahnngsfulle liegt Schwangerschaft vor, im Ver- neinungsfalle dagegen, namentlich wenn der Leib verhältnissmässig klein igt, hat mau es mit einem Blutklumpen 7,u thun. Im 6. oder 7. Monat fühlt man in der Gegend des Nabels und etwas darunter einen weichen kagelförmigen Gegenstand, in welchem eine Pulsation mit der Hand wahr- nehmbar ist. Fehlt dieses letztere Symptom, so giebt das stärkere PuUiren der Cruralarterie und eine Adhärenz und erschwerte Vorschiebbarkeit der Haut zwischen Nabel und Schambein Anhaltspunkte für die Diagnose der Seh wn ngersch af t.

Als eine besonders weise Fürsorge der Natur führt Kangawa an. doM das weibliche Kreuz (unter Kreuz versteht er die Figur, welche durch die Vertiefungen und Hervorragungen auf den Dornfortsiltzen der unteren Wirbel und des Kreuzbeins einerseits, auf dem Hüftbeinkamm auderenteit« gebildet sind) breit und ausgebuchtet ist, da« männliche dagegen gtsiad« und schmal.

Als Zeichen für ZwillingHschwangerschaft wird von Kangavca ein Ein- sinken der Mittellinie des Köqwrs angenommen. Sind Zwillinge vorhanden, ao hat regelrecht der linke den Kopf nach unten, der recht« hat ihn nudi oben. Jeder hat seine eigene Placenta; der linke kommt bei der Geburt zuerst. Liegen dangen beide Zwilling« mit dem Kopfe aaoh oben, oder 1

72. Die Erkennt«

479

eil unten, so haben sie nur eine gemeinschaftliche Placonta, und die Ge- )art ist stets mit grosser Gefahr verknüpft. Das Geschlecht beider Zwil- inge kann verschieden sein. Zuweilen entwickelt sich ein Zwilling auf Lösten des anderen: dann wird letzterer im 7. Monat mit dem Sack geboren.

Die Hebammen des Orients haben keinen Begriff von der leren Untersuchung. Erani berichtet:

„La conceptioD d'une jeune femme est le plus souvent constatee par los sages-fcmraea en Orient. Du uionient que la famille apervoit une grosseur 'dans le venire de la jeune niariee, eile fait appeler inimediatement la sage- fenune, qui jage la natnre de la grosseur et pose son diagnostic*

Natllrlicherweise bleiben hierbei diagnostische Irrthümer nicht aus. wie auch Eram einen solchen berichtet.

Bei den Negern in Old-Calabar gilt als Schwangerschafts- jZeichen das Ausbleiben der Menses, ein bleiche.s, aschfarbenes Aus- sehen des Gesichts und des oberen Theiles der Brust mit zerstreuten jgelblichen Flecken, und das Duiiklerwerden des Warzeuhofes. Diese letztere Verfärbung gilt den Negern fiir ein so untrügliches Zeichen, iass sich die Mämier gegen den Versuch sträubten, eine Kleidung |«jnzufuhren, welche dieses Zeichen verdeckt. (Hewan.)

Unter dem Volke Russlands gilt als Zeichen der Schwanger- das Erscheinen von Sommersprossen. (Krehel.) .Kann bei den Süd-Slaven das Weib .sich auf keine andere Weise die Gewissheit verschatfen, dass sie in gesegneten Cmst^den sich befinde, BO soll sie an drei aufeinander folgenden Abenden hinter der Thiir eine

PLxt nass machen und sie daselb.st über Nacht liegen lassen. Ist die Axt lle drei mal am Morgen verrostet, so ist das Weib gewiss auch schwanger." Ein höchst wunderliches Schwangerschaftszeichen haben die Serben: Bekommt dort irgend Jemand ein Gerstenkorn, so bedeutet das, dass seine Tante .schwanger ist; ist das Gerstenkorn am unteren Lid, so wird das Kind ein Mädchen, ist es am oberen Lid, 80 wird es ein Bube sein. (Petroicitsch^ Krauss,^)

Zur Erkennung der Schwangerschaft thut man in der Kheiu- pfalz eine geistige Flüssigkeit: Apfel-, Bim- oder anderen Wein Kill eine «Bolb (grosser, runder, langstieliger Metalllöilel) und lääst Heü über Nacht stehen; bricht nach dem Genuss die Frau, dann ist es richtig. Wenn im Frankenwalde ein zeugungsfähiges Weib krank ist, so sagt die Nachbarschaft vermuthungsweise : „sie hebt wohl an." { Flügel.)

Der Ausdruck: ,Sie ist in gesegneten Umständen* für »sie [ist schwanger* geht zieinlich durch ganz Deutschland; ebenso iheisst es bis nach dem sächsischen Siebenbürgen hin: «sie ist [in anderen Umständen." Bei den Sachsen in Siebenbürgen I herrschen aber aucli noch verschiedene Bezeichnungett, welche diesen I Zustand einigermaassen bildlich auffassen: ,Sie ist wie die Leute*; ^»sie ist bleiben gehen"; ,Bie ist in Erwartung"; »auf schwerem .sie soll nach Rom reisen*; »sie ist des Herrn Magd';

,sie ist so geschickt''; ,sie ist nicht allein". In einzelnen Or Schäften des siebenbürgischen S ac kseu I andes sind humc ristische derbe Redensarteu gebräuchlich: „Sie hat den Kalendei verloren" (Eibesdorf); ,sie hat eine neue Schürze erhalten'! (Gergeschdorl"); ,sie hat sich gestossen ist widergelauf'en, daher! ist sie geschwollen" (Deutsch-Kreuz); ,sie bekoramt einen Rain] am Bauch" (daseibst); „sie hat eine Bohne verschluckt und darat Wasser getrunken, nun quillt dieselbe* (daselbst); ,sie hat ds Neunmonatswaaser" (daselbst). {Hillner.)

73. Die Schwangerschaftsdaner.

Ueber die Zeitdauer, welche normaler Weise der Embryo iaj dem Mutierleibe sich aufhalten könne, herrschen bei einzelnen Völ- kern sehr absonderliche Ansiebten. So steht in dem chinesischen! Buche Dan-zi-nan-fan geschrieben: ,Die tägliche Erfalirung beweist^ es, dass eine Frau 7 -10 Monate schwanger gehe. Aber es giebt auch Frauen, deren Schwangerschaft 1 2 Jahre währet.*

Als sicherster Anhaltspunkt für die Schwangerschnftsberechnung gilt bei den japanischen Frauen das Ausbleiben der Menstruation;] früher war dieses Zeichen bei der offiziellen Eiutheilung des Jaliresl in Moudnionate noch bequemer, indem sie einfach vom ersten Aus- bleiben der Regel lO derartige Zeitabschnitte als zur VoUendangi der Schwangerschaft nöthig ansahen. Sonderbarer Weise setzte es sie in Verlegenheit, wenn die letzte Menstruation aus den Schluss- tagen dos einen (Kalender-)Monat^ bis in die er.sten des nächsten biuüber reichte (Zeki mantangi, wie der Kunstausdruck lautete): ee wurde dann die Berechnung ungenau, da sie den angefangenen i Monat noch als einen voUen xiiitrechueteu. Jetzt rechnen die Frauen nach den Tagen (280 Tage), sie geben aber zu, dass sie sich oft verzählen. ( Wernich)

Der japanische Arzt Kangawa nimmt in seinem Buche San- rong au, dass bei Erstgebärenden der Termin der Geburt 300 Tage, , bei Mehrgebärenden 275 Tage nach der Emplangniss sei. {Miyahe.)

Als normale Schwangerschaftsdauer galt den talmudischen Aerzten ein Zeitraum von 271 oder 272, oder auch 273 Tagen. Doch konnte nach dem Talmud ein Weib auch 12 Monate lang schwanger gehen. (Israels.)

Die buddhistische Legende berichtet, dass Buddha von seiner Mutter nach Verlauf von 10 Monaten geboren worden sei.

Die alten Griechen hatten über das Vorkommen verspäteter Geburten noch keine übereinstimmende Ansicht gewonnen. In dorn pseudohippokratischen Werke De natura pueri wird dds Vor- kommen derselben bezweifelt; allein in dem ebenfalls pseudo* hippokratischen Buche De Diaeta, sowie von Aristofeics und

73. Die Schwangerscbaftsdaiier.

481

'^limm wird dasselbe ftir möglich gehalten. Aristoteles sagt., dass ?ine Schwangerschaft nach Einigen auch 11 Monate dauern könne, tieht aber diese Angabe in Zweifel; und Plinius führt einen Fall

au, iu welchem die Geburt -angeblich erst nach 13 Schwangerschaftä-

nionaten erfolgte.

Den i'otowatomi-Häuptling 3[eta fragte Keatiug, wie lange

ibei seinem Stamme die Schwangerschaft dauere. Dieser antwortete, sie variire zwischen 8 und 9 Monaten.

Wenn bei den Omaha-Indianern die Frau nicht berechnen wie lange sie schwsinger sein wird, so bittet sie ihren Gatten

M)i3er einen alten Mann, es ihr zu sagen.

Nach dem türkischen Gesetzbuche (Multeka ül Ubbür), welches

l-die Gnmdlage der religiösen., politischen und sittlichen Verfassung des tflrkischen Reiches bildet, dauert die Schwangerschaft von 6 bis 24 Monaten. Legitim ist also das im Anfange de» 7. Monats geborene Kind, und ebenso dasjenige, welches eine Frau vor Ablauf von zwei Jahren nach der Verwittwung oder Verstossung zur Welt bringt. Die türkischen Rechtsgelehrten entscheiden hier Folgendes: Wenn eine Frau, die zur zweiten Ehe schreitet, schwanger wird, ohne zuvor ihre Zurückgezogenheit erklärt zu haben, so wird ihr in den ersten 6 Monaten geborene.s Kind dem ersten Manne zuge- schrieben (und dieser Umstand bewirkt zugleich die Autlösimg der Ehe). Wenn aber eine Frau erklärt, sie sei nicht schwanger, und dennoch vor dem Ende des 1 1. Monats nach dem Tode des Mannes niederkommt, so wird das Kind nichtsdestoweniger als ehelich und dem Verstorbenen angehörig betrachtet. (OppenJteim.)

In Bezug auf die Dauer der Schwangerschaft haf, wie Karl Schrneder sagt, die Erfahrung gezeigt, dass man etwa 270 280 Tage nach dem ersten Tage der letzten Periode den Eintritt der Geburt erwarten kann. Fürst glaubt einen Unterschied in der Schwangerschaftsdauer zwischen solchen Frauen, die zum ersten Male schwanger wurden, und solchen, die bereits mehrmals geboren hatten, feststellen zu können, und zwar ist bei den letzteren die Zeit eine längere. Er berechnet die Dauer der Gravidität bei Erst- gebärenden vom Ende der letzten Menstruation auf 278 Tage, vom Tage der Empfängnis» an auf 268^/2 Tage, während bei Mehrge- bärenden diese beiden Zeiträume 282 Tage beziehimgsweise 271 Tage betragen haben.

Bei den Söd-Slaven herrscht nach Krauss^ ,im Bauemvolke der wunderbare Glaube, dass unter gewissen Umständen das Weib in sechs Wochen ein vollkommen ausgereiftes Kind austragen kann. Vielleicht ist dieser Glaube dadurch hervorgerufen worden, dass manche junge Frau kurz nach ihrer Vermählung eines Kindes genas. Zur Erklärung des Wunders wurde die Zeit der Scbwangerschafl tief hinabgedrückt. '

?10«f, Ua< Wölb. I. J. Atill.

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iwaQ((«r

74. CerenionJen nnd religiöse Uebränclie bei dem eintreten der Schwangerschaft.

Der Eintritt der Schwangerschaft gieht nicht wenigen Nationen die Veranlassung, der Gottheit in religiösen GelVihlen den Dank zn sagen und durch eine besondere Weihung die in gesegneten Um- ständen befindliche Frau sowie das keimende junge Leben dem ferneren Schutze der Gottheit zu empfehlen. In diesem Gebahren tritt schon, wie man zugeben wird, ein ziemlicher Grad von Gesittung zu Tage.

Bei den alten Mexikanern wurde der Eintritt der Schwanger- schaft bei der Neuvermählten mit einem Feste gefeiert, und die dabei Üblichen Reden warnten sie, das ihr bevorstehende Glück ihrem eigenen Verdienste zuzuschreiben und sich nicht zum Stolze hinreissen zu lassen, denn nur Gottes Gnade sei es, der sie es zu verdanken habe. Bei einem späteren Feste wurde ihr unter ähn- lichen Reden eine Hebamme bestellt, von der sie gebadet wurde und manche Rathschläge erhielt. { WaiU.)

Auch bei den alt«n Juden wurde während der Schwangerschaft für das Kind gebetet, und wir haben an anderer Stelle die Gebet- foruieln angefllhrt, welche die Talmudistjeii für die vei^schiedenen Perioden der Schwangerschaft vorschrieben. Eine Steile im Talmud Becbaroth fol. 60a lautet:

Diebue tHbns priotibus homo misencordiam imploret, ne foct-iduni fiat «emen; a tribus (diebus inde) aaque ad quadraginta invocet luieiericordiiun, iit gtt mas; a quadrageäimo die inde usque ad tres tnenaea mi^ericordiaro invocet, ae RM Sandalus; a tribue nienäibua inde usque ad Rex menBen mi- .«iericordiam imploret, ne fiat abortua ; n sex mensibus usque ad novem im* ploret mixericordiaTn, ut exeat in pace! (IsraeU.)

Die Griechinnen lösten bei der ersten Schwangerschaft ihren Gürtel und weihten denselben im Tempel der Artemis', sie feierten zu Ehren der (renettjUis {Aphrodite) Feste, um eine günstige Geburt zu erbitten. Vielleicht aus sehr frtiher Zeit Altgriechenlands, wo wahrscheinlich von Schwangeren der Beistand der Götter unter gewissen Formeln erfleht wurde, stammt ein noch jetzt in Neu- griechenland beobachteter, wenn auch seltener werdender Brauch: in der Nähe von Athen, am nördlichen Abhang des sogenannten NymphenhUgels bei der hochalten Inschrift uQog Jtög rutschen die Schwangeren, um da« Gebären zu erleichtem, an einer durch vielen Gebrauch bereits geglätteten Stelle den Berg hinunter. Auch existirt daselbst der Gebrauch, am Ende der Schwangerschaft einen Hahn zu schlachten. Manche wollen, vielleicht fälschlich, diese Sitte mit dem Hahnopfer in Beziehung bringen, das die Altgriechen dem Aeskulap darbrachten. ( WarfismtUh.)

Der Göttin Postvrrsa oder Prfi^sa opferte die Römerin, mn eine günstige Kindeslage zu erzielen.

Wenn in Ostindien zu Madras eine Frau ihrem Mann«^ tum

T4. CiiiiiifJL» s. refif . «j'luliii'ht bein fjmnttm 4ar "ikwi^iminn, 4SS

eisttz* Male Hoi&imig gkbc. VatEr zu vcrden. so «eflt er «in Freodezifess an. und im säebenten Mosms Ofrfot die gaaze Familie den Göobt:: dies berichiMe sdxm im Jafai« 17^S .B>^. In den ersten Mocases vird mit der Xarer-Fiaa eine Cenmosie rorge- nomsDes. die man oft aocfa his zom 5. oder 7. Monat anfarhiett. weO san fiber die Tliai&aclie der Sdiwaugeiaebaft nidit säd>er ist; am azäderes: Motc«a nach dieser Ceremome trinkt äe einen An^naa Ton Tazcarinden. Ist bei doi Badaeas einem indischen Volke im Nilziri-Gebie« eine Fna im 7. Monat sAwaager. so findet eine zweite Heirazh als Conäxmadoo der eisen statt: Venraadte mnd Freande rersaminehi äch: die Gasse ätzen as der einen Wand, die Gatten an der anderen. Der Ehemann fragt seinen Schviegerrater: SoD ich diese Schir? um den Hab Ennr Tochter kgen? Wird diese Fn<re bejaht, so wird die Schnur mngebunden cnd nach wenigen Mimnen wieder abgezMMmnen. Tor dem Paare «sehen rwa Schfissein. in welche die Verwazidten Geldstöcke fnr das Ehepnr legen: «l-^«»»^ ändet ein Schmaus statt. -Japor.)

Sohnid eJDe Ksgeborece auf Jara seh im dritten Honate der GraTidixit befindet, wird dies aDen Verwandten und Fxemiden ge- meldet oimI es werden rerschiedene Geschenke damit rerbanden. (^ToFora.^ Da^n werden auch im siebenten Monate alle Vawaadte za einem Fotmahle geUden. Die Fru badet sich dazaof in der Müeh einer unreifen Kokoscass. weiche der Ehemann geöffioet haben moas. Vorhier werden acf der Schale dezsdben iwei schöne Fixeren, eine männliche mid eine weibliche, eingegxaben, damit die Schwango« dieselben betrachte Tmd «n schönes Kind zcr Weh bringe. Sie zieht mm ein neaes Kleid an und rerschenkt das ahe an eine ihrer Mit- 6anen. welche ihr bei diesen VOTTichtmuren behülfbch gewesen ist. Am Abeod wird den Gästen ein Sehattöispiel gegeben, welches das Leben and dk .Abenieoer eines alten Helden rum Gegenstand

Wenn bei den Alfaren anf Celebe« die j::^ Ftm be- merkt. ^Mäm äe m in»r«eanten Umständen «. so dreht sie hok ihrem Gatten a«is dem Baste «ncs gewissen Banmes. ^1»U-. em Ende Tan. .Tali rarahnm- genannt. Hierauf wird em ^«£«er zoin. Opfer genrfen: er opfert ein Htüm and bm« ^^ott«. de^ Wonach der joniren Uate erftUen ru woUen: ihren Wmisch i»cK einem Knaben ^eben «e durch die K«e 5"» «» =«»»'«- ü^^esx Wonsch nach ehiem Mädchen durch ^^ »»^ °» ^^^ ^i*^ Ohnrebänge zn erkem^ii- Hierauf giebt der PnMter obengen«ax\^ (i^SSe nebst einem Sarong teberwurt öeidong^tuc* ,i^

schwanger« Fiaa znm Gefcracch. *j.„Vu-

I^lImai.cheKirtheTibev Mongolei ^.^^^^^ ^.^^^^

_ wenn dafSr >>«ahlt wird - Gebeu. ^,^^J^^-^ ^*^

In Japan sind zahlreiche '-^l^^^^J^, .j^^a, ^.^ ^^TT ^ Schw«»genJhaft /bei Anlegung der Leibbinde), .«üs =ach ,»^ ^

484

I phyBiBche aod aoeiale Verhalten irährend der Schrangwiiet

bort; sie wurden im vorigen Jahrhundert von Kangawa in seinem Werke Sau-ron geschildert. Allein Miyake^ der uns mit dem In- halte des Werkes im Allgemeinen bekannt macht, unterlägst es, von diesen Ceremonieu besonders zu sprechen, da sie in den Palästen der Shio-gune und Daimios sehr verschieden sind nach Zeit und Ort. In Japan verschlucken Schwangere kurz vor der Entbindung ein Stückchen Papier, auf welchem der Schutzpatron der Gebärenden abgebildet ist, in der Hofliiung, so einer leichteren Entbindung ent- gegenzugehen; Andere trinken in dieser Absicht ein Decoct aas un- geborenen Hirschkälbeni, die getrocknet, zerstossen und dann ge- kocht werden.

Fühlt sich auf den (malayischenj Seranglao und Gorong- Inseln eine Frau schwanger, dann muss sie ein Stück Gember zum Priester bringen, um durch ihn geweiht zu werden. Der Priester thut dieses, indem er sie dreimal anbläst und die 112. Sure aus dem Koran betet. Den Gember bewahrt die Frau dauernd bei sich, um böse Einflüsse abzuhalten. Auch kaut sie Stückchen davon, um diese von sich zu speien. Auf Tanembar imd Timoriao muas die Frau, wenn sie sich schwanger fühlt, ein Opfer bringen iind sich, wenn das nicht schon bei der Verheirathung geschehen ist, die Zähne abfeilen lassen. Thut sie das nicht, dann wird sie ver- achtet als eine, die die mores majorum beschimpft. Auf den Inseln Romang, Dama, Teun, Nila und Serua muss die Schwangere, sowie .sie ihre Gravidität bemerkt, ein Huhn schlachten und davon den Kopf, ein Stück von der Zunge und die Leber an dem gewohn- lichen Opferplatze dem Upulero opfern. Alle Monat muss sie dieses Opfer wiederholen. Auf den Keei- Inseln setzt man, wenn die ersten Anzeichen der Schwangerschaft .sich bemerklich machen, die Bluts- verwandten davon in Kenntniss, besondere Feste werden aber nicht gefeiert. (Riedel.^)

Auch in Afrika kommen bei manchen Völkerschaften charakte- ristische Gebräuche vor: Hat bei den Masai in Ostafrika die Frau empfangen, so holt der Mann einen grossen Topf Honig herbei, mischt andere Dinge hinzu mid rührt es um, bis die Masse ganz dUnn ist; dann nvft er die Häuptlinge herbei. Mann und Weib setzen sich nieder, die Häuptlinge nehmen etwas von dem Honig und spucken es über sie aus, indem sie zum Besten der Eltern and des zu erwartenden Kindes ein Gebet sprechen. Dann hält jeder seine Rede, worauf der übrige Honig getrunken wird, eine Art Fest, ähnlich dem Pombe-Trinken der Negerstämme. (Last.)

Religion und Aberglaube vermischen sich in manchen Gegenden recht innig; In Oesterreich ob der Ena kommt man uan Falkenstein zu einer Kapelle, in der sich der heilige Wotf' gang angeblich verborgen hielt; hier befindet sich ein Stein, durch welchen Schwangere kriechen, um glücklich entbunden zu werden. (Pamer.) Dies ist ein Brauch, der an das Rutachen der Schwaogeran in Griechenland vom Nympheuhügel herab erinnert.

Töu Die Abwefa^ \i£aa- GcHia- «. TTImiwib ■HiiibiI der Sdnraagenehaft- 485

In Schwaben waO&faxxai die Schwangeren zur heiL J£arya- r<ike mit dem Dracben iz. B. nadi Maria Schrei PfaUen- dorf w oder zom hed. Christtpkorui 'Z. B. nach Laiz bei Si^ma- ringen . oder tu St. Roduu, in dessen Kapdloi gewdhte eisenie Krötes hängen als Symbole der Gefaiimoner. {Btui.

Die nordifchec Völker in Irland und Skandinarien feierten bis noch ror KTZTzem in der Johannisnacht das BaaUfesi oder. wie es in Norwegen heisst: ^BalderH&t*' . indem de in der Mitt- sommercacht asf d^a Anhöhen ein Fe^er anzündeten nnd um das- selbe rings herum tazizten. Hierbei bef mac denn durch da$ Feoer. wenn man excen besond«i«en Wonsch ht^te: schwangere Frauen sah man hindurch eehez:. inn eise glückliche Xkdczkucft zn erhüben.

: wod. yoi^jH^.

?5. Die Ahwekr Mscr Geister ni IÜhmcb wikrea« ier

Sekma^nckafL

Der Glaabe an die 31achx der Dimonen nin wohl bei doi ineisten Xaiccrrölkem in den Terschiedensten Fonn€n auf xmi er- hält ödi a»jch t-ei crdlisinen Nationen Tmter doi minder gebildeten Klassen in der Form des Aberglauben«. Die Gefüir irad Xodu die FnzcLi erzeryrt Tsüd erbäk diesen Glauben: denc alle» ScLliiEiae, welches dem MetäcLeii widerfahrt, alle KrarkVeh :2id alles Usge- mach siöd äclick^aig«:: der Dämonen. Dai:er gü: » in KrsiEikhens- felUm Oberisa^ipt bei allen abr:ornien Erscheir::::ig>ri; . die t:<«s«n DiQHmen r:; baaieL '^ier zu bescbwichtigen. " Die Minel rar Yenöhnunz siz.i »*hr nannigialtig.

Parcbölo^iKrh li«* sich diese Enchein:^:^ recht irn d:a^ eine Dizstellimg Ltpp^rf* erklären:

,^D»** <ök M«tv.ü«it ^KVQt :r ci«er W«d« p.-.*itrr d*- y—fra-

die Art. wie « »= ^•*- B*2i^:ct*-r'.rrt*_:::^»-i rtlitrs*. \*üijr^ i,,^ 5^ nÜT« d«r Etkä*^'^? ^-'■*-^'*' «■-- -':"- "-^ ^:;^:=Äiti.-4aä* ErkeBttad«, ja da» TÖlijf* Verk*ria« i*r ',etr-a« Nkto ä^^^or:. Ti* c*t ä« «.-.->\^ Lebe«. l>=i Eif'-'^-si? "-^ ''''';% *^' 5«i^\^«^er. aud <i««e r^^^t^

mit ein« v^^^^'^ A-ti-i^i^ _*.- «^^ -r -^u .,««if-.aad die p&T.,;:^, Wi..«» 5ber di* 5*^.-' ?v^ «* zilt t:-ii. Lt.« i^ Ue:^*.i4 ib^-

-1« «.*«:.««iJi>-i«- «>«vJ.->r.--.«rt.- - -^-*-

Völkern r<>Ilijr^ teoereirwtixuaytg. da>., «% lueir-ea. di^ Dixa^

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Gebärende bektimmern, sehr difierent. In Abyssinie Hartmann berichtet, eine Nachteule, welche uxn das ] an, dass eine Frau bald niederkommen werde; merkwü herrscht ein ähnlicher Glaube unter den Wenden d Zumeist sind es Luftgeister, welche das Haus der Schwi geben und sie unheilvoll bedrohen; dies ist bei den £ bei den Persern und bei anderen Völkern der FalL

Es existirt auf den Philippinen eine ei^enthüi

Man sagt, der Amang wäre ein Bisaga (Bewohner Luzon und Miudanao befindlichen Inseln), der mit den Pact geschlossen hat. Er betritt weder Kirchen noch ander« Unter der Achselgrube besitzt er eine Drüse voll Oel, das ih; überall hinzufliegen, wohin er will. Er hat ferner Krallen endlich lange Zunge von schwarzer Farbe, weich und gli Hauptaufgabe besteht darin. Schwangeren den FOtus ans d^ reissen; dies geschieht, indem er (mit der Zunge) den letzt wodurch der Tod der Schwangeren veranlasst wird, so das den Fötus nun ruhig aufzehren kann. Ein von den Tagalc nanntcr Nachtvogel kündigt den Asuang an; wenn jener sinj man, dass sich der Asuang herumtreibt. {Oeearia.)

Als nützlicher Gel)rauch während der Schwangerscl der nordcelebeischen Landzunge in Limo lo Pahal Alfuren, dass die Frau ihr Haar nicht in losen A trägt, so dass es hin- und herflattert; auch di^ sie i Abend, sobald es regnerisch ist, aus dem Hause g^ehen, die Frucht durch den Walao-lati oder die an den dunl anwesenden Teufel aufgeregt oder gemisshandelt werde.

Ganz ähnliche Ursachen sind es, welche auf der i Inselgruppe des malayi sehen Archipels das Ausgehen und namentlich das Passiren von Gräbern verbieten. Schwangeren auf den Watubela-Inseln bei Tase dat

75. Die Abwehr böser Geister u. Dilmoneu währeod der Schwaogerscbaft. 487

I

reuen der australischen Kolonie Victoria: dort aah Ohrrlüuder, wie ein Mediciumann an drei eingeborenen JVauen, welche schwanger waren, eine sonderbare Ceremonie vollzog: Sie standen vor ihm und blickten ihm fest in die Augen. Darauf zog er sich murmelnd nach einem Baumstumpfe zurück, schritt dann wieder auf die I'Vauen zu und blies auf ihre Leiber. Dies alles sollte ohne Zweifel eine sichere und glückliche Entbindung bewirken.

Wahrscheinlich haben wir in absonderlichen Gebräuchen in Afrika auch eine Art von Dämonenaustreibung zu erblicken. Wenn an der Goldküste eine Negerin zum ersten Male schwanger wird, so treibt man sie unter Kothwürfen und Schimpfen in das Meer, wo sie untertauchen niuss ; nach Beendigung dieser Ceremo- nie läast sie Jedermann unbehelligt, nur eine Feti.sch-Pnesteriu macht mit ihr allerhand Hocus pocus, um sie nach dem Volksglauben vor der Einwirkung böser Geister zu schützen. {Brodie Crukksluxnk.) Vornehme Frauen in Guinea werden kurz vor ihrer Eutbiudimg ganz nackend in zahlreicher Gesellschaft durch ihren Ort geführt, wie lUmwr erzählt. Bosmann bemerkt dasselbe, fügt aber hinzu, dass sie auf diesem Wege von einer Anzahl junger Leute ebenfalls, wie an der Goldküste, mit Schmutz beworfen und dann am See- strunde ffebadet werden. (Kletnm.) Nach Mutton weinen sie auf dem ganzen Wege,

Die hdnvfuigere Esthiu pllfgt jede Woche die Schuhe zu wechseln, um den Teufel, von dem man glaubt, duss er ihr .stets nachfolgt, um baldigst den jungen Weltbürger in seine Krallen ux bekommen, aus der Spur zu bringen.

In Russland ist übrigens der Glaube an den , bösen Blick' (den der Russe einfach „Glas*, das Auge nennt) sehr verbreitet; namentlich aber ängstigen sich vor ihm die Frauen, wenn sie schwanger *ind, denn daim tlirchten sie ihn für sich aelber, wie für die Frucht ihres Leibes, die sie dann unter grossen Schmerzen gebären müssen.

Der wirksamste Schutz gegen die bösen Geister ist in den Augen des Volkes ijuraer ein Amulett oder ein Talisman. Wenn bei •den Ewe-Negeru au der Sclavenküste eine Frau sich Mutter fühlt, so bringt sie den Göttern ein Opfer und wird vom Priester mit einer Menge von Zauberzeichen am Körper behängt. Lux hat unweit Malunge, der früheren Ostgrenze von Angola, wie über- all in jenen Gegenden unter den Negern, einen ausgeprägten Glau- ben an die Kraft der Feti.'^ihe, ähnlich wie an Amulette gefunden. Schwangere Weiber trageu dort stets eine kleine Kalabasse (Kür- bi»), welche mit Erduüssen uud Palmöl gellillt ist, bei sich, um einer leichten Entbimlung sicher zu sein. Bei den Negern, welche BuchniT in ihren Bräuchen beobachtete, spielt als Amulett das ,Peml)«" eine wichtige Rolle, d. i, ein feiner weisser, kaolinartiger Thoii, der nicht überall zu finden ist, und deshalb oft weit her- |{cholt wird und einen llandoLsartikel bildet. Seine Anwendung er- tnaort violfiich an daa Weihwasser der Katholiken und der Ausdruck

488

I ^iliysiBcbe ond sodale Verhalten wftlnuiJÄ' ddr 'Se'h'wanf

,Pemb»' wird auch oft im Sinne von »Glück* oder ,S^en* ge- braucht. Mau sagt ^Pemba geben', indem man sich die angefeuch- tet* Substanz gegenseitig auf die Arme oder auf die Brust streicht. Schwangere sowie Kranke beschmieren sich häufig damit das ganze Gesicht.

Bei den Negervölkern Westafrikas behängt sich die Schwangere an Hals, Arm und Fuss mit Zauberreichen und Zauber- »chnUron; sie bekommt von einer Priesterin Manschetten aus Bast um Hunde und Knie gelegt, welche ihr eine glückliche Gebart garantiren sollen.

Bei den Dajaks auf Borneo nimmt nach v. Kessel die junge Frau, sobald sie in gesegnetem Zustand einmal das Haus verläsä« aus Furcht vor bösen Geistern stets einen Talisman (Ejun oder Upuk) mit sich, d. i. ein Körbchen, das mit Blättern, Wur£4&ln, Holxstückchen, namentlich aber mit zahlreichen Schneckenhäusern behangvn ist.

Die Seranglao- Insulanerinnen tragen, abgesehen von dem be- ttii» oben erwähnten Gember, nicht selten ein mit einem Koran- Brache beschriel>enes und in Leinwand gewickeltes Stückchen Pa- OMT bei sich, imi gegen die schädlichen Einwirkungen der bösen vtaator g^ieit tu sein.

In Keugritichenland hält vaan daför, dasa die Schwangere dar acbidUchen Gewalt der yeraiden ausgesetzt ist, gegen die sie wkk dordi Unlübigea von Anraletten, zumal dee Jaspis, zu schQtxen mtiAk, Ks ist «m^liK^bnogeBfd, wenn Jemand Aber dn achwangerca Wttb stoigk; er SAnai danut den yeraidem den Weg; jenem bösen Eittflaas TontabaMgan» Bina «r wieder aber dawribe znrücksteigen. Auch darf aiA Scbwangei« nkht onier eiaaB Platanen- oder Plippribania, Hock an QocllcB oder aoostigea HiiwiMliu Wasaeiro llftn, «aal ha&t ^ Nenidm mA

76. Dte reehtlicke Stelhm^ der SckwiBgcna.

Volk«

[henaes^ «iMil hia sn isl dMs aidit

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76. Die recht

lang aer

489

Insbesondere arbeiten in Deutschland arbeitsame Frauen Volke, wenn sie guter Hoffnung sind, meist fort bis zur letzten Stimde der Niederkunft: freilich mag dies wohl an manchen Platzen übertrieben werden,

üeberall dort aber, wo die gesellschaftliche Stellung der

Frau und Mutter eine achtungsvolle, ihre Behandlung keine rohe

t, wird ihr namentlich in dem hoffnungsvollen Zustande eine ver-

lelirte Rücksicht entgegengebracht, während ihr bei den rohesten

'^ölkeni dieselben Lasten aufgebürdet, dieselben Mühen zugemutbet

werden, die der Mann ihr- auch sonst auferlegt, wo sie ein Kind

[nicht unter ihrem Herzen trägt. Je cultivirter ein Volk ist, je

lehr bei ihm insbesondere der Familiensinn ausgebildet ist, um so

vorsichtiger behandelt man bei ihm die Schwangere imd imagekehrt.

86 Thatsache ist im Allgemeinen so bekannt, diiss es wohl weiter

ler Belege bedarf. Allein es kommen auch hier im Völkerleben

[Erscheinungen zu Tage, welche ein besonderes culturhistorisches

[Interesse beanspruchen.

Zumeist hängt die Schonung, welche man der in „anderen Verhältnissen* lebenden Frau zu Theil werden lässt, von der WerthHcliiitznng des in Aussicht stehenden Kindes ab. Denn wo man, wie fa.st überall in Deutschland, die Kinder als „Segen ^■Gottes* betrachtet, da wird auch der Trägerin dieses zu erhoffenden ^K8egenä gewiss nicht geringe freudige Sorgfalt gewidmet ; sie ist ja, ^■80 heüföt es, »guter Hoffnung**. Der Ausdruck: ,sie ist in ge- ^■segneten Unistäudeu" für ,sie ist schwanger" geht ziemlich BduTch ganz Deutschland.

Durch gewis.<?e Redewendungen wird der Zustand im Gespräch auf eine Weise verdeckt und doch auch bezeichnet, welche die Be- ziehungen oft weit herholt und nicht selten einigen "Humor verräth. Bei den südamerikanischen Indianern, welche Pritw \JHax zu Nemvied besuchte, wird das Loos der sonst als Lastthier I betrachteten Frau in der Schwangerschaft einigermaassen erleich- Itert ; auch die Indios da Matto ersparen iliren schwangeren T^Vauen die harte Arbeit.

Ebenfnll* drang unter die Indianer Nordamerikas die Ver- Feinernng, und durch die Berührung mit der Civilisation kam auch >ei nicht wenigen Stämmen eine grössere Sorgfalt in der Behand- lung der Schwangeren auf. In dieser Beziehung sagt Eiu/elmann: Jei den umherziehenden Stämmen macht man sich wenig oder nichts lUfl dem Zustande: mehr Aufmerksamkeit erregt er schon bei der jehr au*äs«igen Bevrdkerung, wie den Pueblos oder Eingeborenen hfexikos. Mau erlaubt der Schwangeren keine Ueberanstrengung Und lässt sie oft warm baden.

Auf den <Jur(>linen-In.selu verdoppelt der Mann, der jederzeit

jruW AufuKtrkfiimikeit ftlr seine Frau ist, seine Rücksicht und Zürt-

ikeit wÄlirend ihrer Schwangerschaft. Sobald er diesen Zn^und

490 ^^*- ^^ phxsUche and sociale Verhiüteo'

der Schwangersc

bemerkt, arbeitet sie nicht mehr und bleibt beinahe unuier Hanse in Matten eingehüllt: in dieser Zeit bedient sie der Mi

Auch auf den Palau-Inseln wird die Schwangere hiuäichtlici der Arbeit geschont und von alten Weibern in Obhut genonuuc Die Ostindier, welche Best im Jahre 1788 zu Madras beobai''ht«ieJ behandeln die Schwangeren stets mit Achtung, und nicl - die

Familie, sondern auch Alle begegnen ihr mit rührt "fg*

&lt; Alles, was ihr gefahrlich werden kann, wird end'emt, Alles, was ihr Wohlsein fördern kann, herbeigeschaifL Fühlt sich io Indien bei der Najer-Kaste eine Frau schwanger, so soll sie sicli durch häufiges Beten, Baden und strenges Beobachten der religiOsen Yorächriften besonders weihen. Dies gut für alle höheren Hindu* Kasten. (Jagor.) Die Frauen der Battahs in Indien unterbrechen während der Schwangerschaft ihre Feldarbeiten nicht : nur die^ Gattin des Häuptlings hat das Recht, während d^ letzten Monate zu Hause zu bleiben.

Der Ausnahmezustand versetzt nun aber nach der Vorstcllui^j vieler Völker die Frau in ein solches Verbaltniss, dass man zwnngen ist, ihren Umgang zu meiden: sie gilt als unreia, el wie bei ausserordentlich zahlreichen Völkern auch Menstmii^nde und Wöchnerinnen für unrein gehalten werden: doch beschränkt sich zumeist der Brauch darauf, dass während der Schwanger* schau dem Manne der Coitus versagt ist. Bei den '>s rer-

iSsst der Mann seine Frau vollständig während der > ."rschafi

{Hoüaendrr)^ und wenn sich bei den Aschanti eine Frau in ge> s^neten Umständen befindet, bleibt sie ohne Gemeinschaft mit dem Manne. Doch ist dieses Verbot, eu cohabitiren, bei einigen Völkern nur auf die letzte Zeit der Schwaugerschafl beschränkt: Bei dcBJ S^uabeli in Ostafrika wird bis zum sechsten Monate nach der] Empfangniss die Frau vom Manne benutzt, dann nicht mehr« sonst fürchtet man schwere Geburt {Kersten). Auf eine an Sarth^ den, berühmten Afrikareisenden, von mir gerichtete Anfrage, welcbe| Beobachtungen er hinsichtlich der Lebensweise der Schwi bei den von ihm besuchten Völkern Ceutralafrikas zu Gelegenheit gehabt habe, antwortete er mir, , es sei ihm «affiülcod, daas er sich nicht ein einziges Mal erinnere, eine hochscbwaogere Frau gesehen zu haben, was doch bei der spärUcben Beklfi<luagi nm so eher die Aufinerksamkeii auf adch ziehen muss,' Er erl st«h diesen Umstand daraos. dass unter den Jtom IsUun G>»Tge-J gangenen Völkerschaften die Frau im hGcbslen Zustande ii gerschaft cnr nicht mehr ausgeht, was schon die en^e Wühl erlaubt, und ein gleiche» «rh- i . it uiitcrl

Tieleu .1. ....... .'^.^i- .i ■....—. r,ki;.4, ^^ tttia. Die Jvinvaiigerr «ei

übrigens sunö^t kei' ', ausser für dvu Mann, der aitt

sch<>n seit Jen \^ <i^^B^^^Bpr»chaft

gerührt. CT<^<>n < ^^^^^^^^^Qr dei

t^^ebei: ' sprech«&: Tieimdir{

76. Die rechtliehe Stellung der Schwangeren.

491

jer wohl ein anderes Motiv der Zurückhaltung im »Spiel. ^Jeder eger," sagt Schutt, der seine Beobachtungen in Westafrika ioiachte, »sieht die Frau, die demnücbät gebären wird, als unrein an; drei Wochen vor ihrer Entbindung muss sie das Dorf verlassen und darf Keiner mit ihr verkehren; ohne jegliche Hülfe sieht sie meistens der schweren Stunde entgegen."

Die Vorschrift, dass die schwangere Frau nicht den Coitus stTihreu darf, ist eine weit verbreitete und vielleicht sind hier halb bewusst hygieinische Rücksichten mit im Spiele. Der Indianer f den Antillen (nach du Terfre) und in mehreren Gegenden ordamerikas enthält sich des Beischlafs während der Schwanger- hafl seiner Frau; in Florida (Hohn) muss er sich sogar noch gere Zeit nachher bis zu zwei Jahren fern halten. Es ist hier je Frage, ob diese Enthaltsamkeit durch den Glauben an ein ,TIn- insein' während der Schwangerschaft bedingt wurde. Wait£ glaubt, SS man die Frau hierdurch vielmehr vor allen störenden Einflüssen bewahren sucht, um da» Gedeüien des Kindes zu tordern. Die Neucaledonier und die Eingeborenen anderer jiolyne- scher Inseln halten die Schwangeren für Tabu, d. h. uuberühr- bar ebenso, wie zur Zeit ihrer Katamenien. (RocJms.) ^B Nicht bloss auf den Carolinen-, sondern auch auf den Ma- ^^Banen-, Murshal- und Gilbert- Inseln im Stilleu Oceau werden ^Hbe schwangeren Frauen gut gepflegt, sind aber manchen religiösen ^Bpeschränknngen in Speisen, Zusammensein mit Männern u. s. w. unterworfen; sie gelten Tür „unrein". (Keate.) Sobald auf Yap, einer der Carolinen-Inseln, ein Weib die ersten Zeichen der Schwangerschaft fühlt, so enthält sie sich des weiteren Verkehrs mit dem Manne und bleibt ihm auch 8 10 Monate nach der Ent^ bindung fem. Der Mann, der zu seinem Club (bai-bai) gehört, t dort eine oder mehrere Geliebten und fügt sich ohne Murren in ese Sitte. {3Iiklttcho-3Iaclay.)

Die Annamiten-Frnn in Cochinchina hält im Allgemeinen

älirend der Schwangerschaft eine besondere Lebensweise nicht für

thig (mit Ausnahme einiger später zu erwälmeuden Rücksichten

die Kost), allein vom sechsten oder siebenten Monat an will

der Sorge für den Haushalt, ebenso aber auch der Verpflichtung,

rem Gatten zum Beischlaf zu dienen, ledig sein; deshalb sucht sie

r ihren Gatten eine sogenannte be, d. h. eine Gattin niederen

ges, welche demselben gleichzeitig als Magd und als Frau dient.

oudiire,)

Auf den kleineu Inseln des malayischen Archipels ist die Ent-

Iturig vom Beischlaf während der Schwangerschaft eine allgemeine

d »treng durchgeführte Vorschrift, und der Wunsch, dieses lästigen

erbot«8 überhoben zu sein, giebt den Weibern bisweilen Veran-

Mwung zur kün.stlichen Fruchtabtreibung.

Die Siiimcsin gilt, wie ich von Schumbnrgk erfuhr, ebenfalls ühmnd der Schwangerschaft für imrein.

492 ^V. Das physische und sociale Verhalten während der SchwangerschafL

Bei den Pschawen, einem transkaukasischen Volke, bei dem die Frauen überhaupt sehr schlecht behandelt werden, bemfihen sich die Schwangeren, ihren Zustand so lange wie möglich zu ver- bergen. Bei gesegnetem Leibe wird nämlich die Frau mitsammt ihrem Manne für imrein gehalten und von allen Festlichkeiten aus- geschlossen. {Fürst Eristoic.)

Bei den Parsen hurt die eheliche Beiwohnung in der Schwanger- schaft nach Verlauf von 4 Monaten und 10 Tagen auf; der Qber diese Zeit verübte Beischlaf wird als todeswürdiges Verbrechen ge- achtet, da man glaubt, dass die LeibesArucht dadurch geschädigt werde, ydn Perron.)

Abgesehen von diesen vieUeicht mehr in das Gebiet der Ge- sundheitspflege gehörenden Bestimmungen weisen auch die Gesetze mancher Völker der Schwangeren eine rücksichtsvolle Ausnahme- stellimg zu. Schon die altgermanischen Rechtsgebräuche nehmen auf Schwangerschaft Rücksicht. Straten wurden erst nach der Ent- bindung vollzogen: nur im Uexenprocess kannte man keine Scho- niuig. ^WtinhoJd^ Bei den Römern genossen die Schwangeren bis zur Niederkunft gewisse Rechte: sie konnten und durften in Rom ebensowenig vor Gericht gezogen werden, wie. selbst bei Ver- dacht der Sohwangersfchaft. in Athen und bei den Aegyptern. Xach PIur:ir:J, lit tarJ. dei viiiditta hatte die:?« Gesetz bei den Aegyptern «einen Ursprung und ginii von diesen auf die Griechen. ^päter auf die Römer über. Nach dem in Cochinchina geltenden annumiti<chen Gesetz darf eine schwangere Frau, wenn sie ein Verbrechen begebt, aiü' dem die Strafe vr.a StöokschlSgen steht, nicht bestritt werden: man wartet mit dieser Stniie nicht bloss bis >ie geboren hüt. s<.>i:den: noch hi:::der: Taae :;iich der Xiedrrk'inft. Pas Gesetz '[.'esTraf: socar den RieLter, welcher rii.er Schwungeren Stocksehläge t:r:l:eile:: läss: und hierdv.r«.!: Alorr^ venirsat'hr : der Richter bekon:::.: diu.'.: 1'".' Stock?«. blägf '.Jid ^^ .Jihre Kertenstrafe. _V ». r »• . Av.i:; u.:: der Ti.".ies-4:r.iiV w;Lr:e: ::j^ bei der Schwac- irercii l'.'.' T.iir- :■.:»■. h i-rr Ge.v.r:.

F.is: ":': rr i:-.- i:---s.u::::::r:r. Inselirr.:: r m ::u S7:.::«':e:: des ma- l.i v:«.. ;:r:: Ar-.":.:: r'.> r.i..:r:: '-vir .iir br>::::'.::..::".^ z-rTr>:re-, 'iiss r::".v s^hTi^."»: .."-.r-. Fr.-.": ir. kririrr S.v.::r il> Zr "._r-- i'iftr-rten d:ui. Wiji Irr '.^r ■.:■.*. :V:r "iT^r M ..-.s-ttj-.'. :s:, l.is ..":ns: ?:,'- i^.^: ?-: .. hae ^V.; ■'::.. r- > s-W--- ^ .•..:'•...' :l ."-.- :"...u: '.:-. K l-.k "■:,..:. .irr S.i'wir.;C^T>fn .l.is 'vi > '..'..■.:. 'v:^^.:.L.::.L \;::v,r:i:r: :/.:.- A:::"rr:i r-:- Zözk •.::..: S:r'.:: :.: -:>: -.r-. :.. v;-'.".-:.!.: i.'- -- -xxr -•' L.-. >.t;:-.. l.iss i-.:jrv'C svuiv-i^r. ■-'■.> -"-■■-- r....r. .■. :r lis Ki::'. '.:-■>■? >■. .r. s^-j'cr ;u rj:ex

iwaBgorsn.

rieh selbst beachäftigt, daejeuige, was um sie her vorgeht, weniger )eachtend, in ihren Angaben nicht eine genügende Glaubwürdigkeit itraute und dasS sie daher auch als Zeugin nicht die ftir eine so rwichtige Sache durchaus nothwendige Zuverlässigkeit besitzt. Vielleicht 'ist es nicht zu weit gegangen, wenn wir die iu Europa so vielfach angetroffene Sitte, dass eine schwangere Frau nicht Gevatter stehen darf, dass es ihr also verboten ist, ids Taufzeugin zu functioniren (Ostpreussen, Pommern, Schlesien, Voigtland, Klein- lussland), ursprünglich aus einem ähnlichen Gedankengange zu er- tlären versuchen. Allerdings giebt das Volk jetzt als Ursache da- ir an, dass eine solche Pathenschaft entweder dem Täufling oder dem sukiinftigen Weltbürger unfehlbar den Tod bringen würde.

Als ein eigenthümlicher alter Rechtsbrauch besteht bei den llaveu die Zadruga, eine Familiengemeinschaft, bei der unter den ?heilnehmeni das unbewegliche Vermögen gewöhnlich bei einer )eabsichtigten Theilung ,in stipites", die Nahrungsmittel nach Töpfen getheilt werden: dabei bekommt im Kreise von Sabac in Serbien jede schwangere Frau für das noch nicht geborene Kind so viel mehr, als sie im Rocke wegtragen kann. [Bogimc)

Unter den weissrussischen Bauern herrscht folgender Aber- glaube: Wenn eine schwangere Frau um Geld oder um etwas Ess- Jares bittet, und man ihr die Bitte abschlägt, so werden einem jAläuse oder Ratten die Kleidung zernagen; wer die Bitte nicht er- hallen kann, muss sofort der Frau ein kleines Kohlenstückchen, etwas iJrde oder etwas Schutt nachwerfen. Die Maus ist das Sinnbild der iieele. In der russischen Sage gehörten Mäuse zum Hauswesen ier Jaya; sie dienen ihr, bringen den Kindern Zähne und be- wirken bei den Leuten den Tod.

Der Ausnahmezustand, in welchem sich die Frau während ihrer Schwangerschaft befindet, kann auf Andere sowohl glückbringend, auch schädigend einwirken. Das letztere sahen wir ja bereits >ei dem Gevatterstehen, das dem Täufling ein frühes Ende bereiten BoU. Iu Weiss- Russland darf eine Schwangere nicht zugegen »ein, wenn man der Braut die Haube aufsetzt, sonst ist die junge "^rau das ganze Jahr hindurch schläfrig. {SumzoU}.) Die jungen sla- wischen El>eleutö in Böhmen und Mähren sind dagegen hoch er- freut, wenn eine Schwangere sie besucht. Denn das bringt der jungen Gattin eine gUicldicbe Fruchtbarkeit. In denselben Ländern gilt jRUch die Schwangere als segenbringend ftir ihr eigenes Kind, das lie trägt Denn wenn sie auf etwas Lust bekonunt und sich dabei va. einem Gliede kratzt, so wird es ihr Kind an derselben Stelle ibeu, {Grohmann.)

XVI. Die Gesundheitspflege der Schwange]

77. Aerztliche und ritneUe Torsehrlften ftber ik Schwangerschaft.

Bei vielen alten Völkern haben einestheils die Beligi« Gesetzgeber, andemtheils die Aerzte den Schwangerai besondere Vorschriften flir ihre Lebensweise gegeben. Dergesdk liehe Umgang mit Schwangeren war bei den alten Iranern. i Baktrern, Medern imd Persern durch religiöse Gesetze fl verboten: wer eine solche beschlief, erhielt nach den Bestimno des Vendidad 2000 Schläge; ausserdem musste er zur Sühne Ä Vergehens 1000 Ladungen harten und ebenso viele weichen Hd zum Feuer bringen, 1000 Stück Kleinvieh opfern, 1000 Schlrt 1000 Landeidediseu, 2000 Wassereidechsen, 3000 Ameisen üB* und 30 Stege über fliessendes Wasser legen. Der Keim des Leb* durfte nicht verschwendet xmd das bereits vorhandene neue I* nicht verletzt werden. {Dimclrr.)

Auch die alten Hebräer hatten strenge, von ihren Priesi* aufgestellte Gebote; die llabbiner im Talmud lehren:

,In den orstou drei Monaten nach der Empf&ngnisa ist der (* Kowohl für die Schwanf»eren, als auch für die Frucht sehr nachtbeSig: * denHelhon am 1)0. Taf^e ausübt, begeht eine Handlung, als wenn «* Men.ichenleben vernichtet." Der vorsichtige Rabbi AMaja füjyt hinn: - man jedoch diosfn Tag nicht immer genau wisBcn kann, so hfltet Got: Kinmitigcn."

Die Aerzte der alten Inder empfahlen den Schwangeren * sehr vorsichtige Diätetik: nach Ausspruch des Susrnta muss Schwangere ErmiUlung, Goitus, Fasten, Beschwerden, Schlaf Tage, nächtliches AVachen, ftram, Einsteigen in den Wagen, Fun aufrechtes Sitzen, übermässige Bewegungen, unzeitiges Aderla* ausdauernde Anstrengungen vermeiden. Die Gelllste der Frau niua befriedigt werden, denn wenn man dies that, so glaubte n»c ein starkes luul lang l(.'l)ondes Kind hofl'en zu dftrfen. Vom tf Tage an sollte die Frau stets heiter, reinlich am Körper imd in Kleidung, ruhig, guter Dinge und fromm sein. Schmutzige ungestaltete Dinge durfte sie nicht berllhren, keine trockenen.

77. AemtKcfee nnd rittrelle VoTschriften Aber die SchwangerBchafl. 495

gebrannten und verdorbenen Speisen geniessen; das Ausgehen, das Auftialten im leeren Hause, den heiligen Altar, Grabstätten, die Nähe von Bäumen musste sie meiden und sich vor Zorn, Furcht, Lastentragen und zu lautem Reden hüten. {Ilcssler, VnUers.)

Auch die Aerzte der Chinesen rathen ,als erste und wich- tigste Regel* während der Schwangerschaft gänzliche Enthalhmg von physischer Liebe, (r. Martins.) Dies wird in einer populären Schrift, die ein Arzt zur Belehrung schwangerer Frauen verfasst hat. rerlangt : aus.serdem galt ihm aber auch als Hauptregel für deren 'erhalten: ,Eine massige Bewegung, die nicht allzu sehr ermüdet." Die alten Chinesen hielten es für das Gedeihen des Kindes ehr forderlich, dass sich die Schwangere körperlich und geistig jögUchst ruhig verhielt. Das Buch von den berrihmten Frauen le« Lteuhiang im Siao-hio sagt:

,Ein.st unterstand eine schwangere Frau sich Nachts nicht auf die Seite zu legen, beim Sitzen (auf der Matte) den Köqier nicht zu biegen, licht auf einem Fusse zu stehen, keine ungesunde oder schlecht zer- chnittene Speise zu geniessen, auf keiner schlecht gemachten Matte zu itxen, keinen garstigen Gegenstand anzuschauen, noch üppige Töne zu lOren. Abends musüte der Blinde (Musiker) die beiden ersten Oden des ''Tscben- und Tschao-nan im Liederbuche (die von der Haujjordnung handeln) «ingen. nnd sie liess sich anständige Geschichten erxähleu. So wurde ein ^iich geistig gut geartetes Kind geboren."

Uebrigens wurde, wenigstens in fiilheren Zeiten, in China die Frau während der letzten Zeit ihrer Schwangerschaft abgesondert. ~)er Li-lii (im Cap. Nei-tse 12 toi. 73 v.) sagt:

.Wenn eine Frau ein Kind geb&ren soll, so bewohab sie einen Monat

Lfieitenhaua. Der Mann schickt zweimal des Tages Jemanden oacbzu-

uuU fragt auch selber nach; seine Frau wa^t ihn aber nicht zu

len, sondern xchickt die Mu, seine Anfm^ zu beantworten, bis das Kind

aboren imI."

Knuffuu'a, der berühmte japanische Geburtshelfer, tritt der japaniHchen Sitte entgegen, nach der man die schwangere iu Htetü mit krummen Beinen liegen liess; man erhielt sogar '^Während des Schlafes die Beine der Frau durch ein um die Knie und den Kacken gelegt^es Band in einer gekrümmten Lage; es ge- ihah «lies aus Furcht, dass das Kind in die gestreckten Beine Beiner Mutter seine eigenen wie iu eine Hose hineinstecken könnte. 'angitxva sagt, diese Sitte sei mehr schädlich als nützlich, Aa. die jekrünmiten Schenkel der Mutter die Schenkel des Kindes nach )ben drängen mid dadurch Querlage entstehe. Dieselbe entsteht lach ilim auch durcli die Leibbinde, zu reichliches Essen und durch jhysische EinHüsHe. Ernstlich verbietet er übertriebenen Coitus in ler Schwangerschaft; er empfiehlt warme Bäder. {Miyake.)

Von den Aerzten der alt<?n Römer, welche uns ihre Grund- Itxe bezüglich des Verhalten.*! der Schwangeren hinterlassen haben^ Ihren wir nur Soranus aus Ephesus an.

Nach ihm ilndi'ri nich die Behandlung der Schwangerschaft je nach

Die Gesundheitspflege der Scbwoo^

drei Perioden derselben. In der ersten Zeit handelt es sich um Erhaltung der Frucht, in der zweiten um Mildemng der mit der Schwiifl»! gerschaft verbundenen Erscheinungen, Gelüste u. s. w,, in der dritten uad] letzten Periode um die Vorbereitang ^iner günstigen Geburt. Die ertti Periode erfordert Vermeidung aller körperlichen und geistigen Errogun^;:! Furcht, Schreck, plötzliche heftige Freude u. s. w, , dann Husten. Nie»<;j).j Fallen, Schwer -Tragen, Tanzen, Gebrauch der Abführcjittel, Trunken- heit, Erbrechen, Durchfall u. s. w., kurz Alles, was Fehlgeburt beditig«aj kann. Ruhiges Verhalten und m&asige Bewegung muss die Frau gleich- m&Bsig wechseln lassen, dagegen sich aller Reibung des Unterleibes ent-l halten; sie darf denselben nur mit frisch ausgepresstem Oel aus unreifen! Oliven bestreichen. Während der ersten sieben Tage soll die Frau nicht] baden, auch nicht Wein trinken. Dann kann sie jedoch nicht allzu fettes] Fleisch und Fische geniessen; scharfe Speisen und Gewürze sind ihr verboten.! Der Coitus wird als schädlich bezeichnet. Dergleichen Verhaltungenmaas-j regeln und ihre BegrQndung giebt Soranus noch mannigfach. Eine ganil ausführliche Besprechung der Diät in der Zeit, in welcher (etwa im zweiten Monat) die sogenannten Gelüste auftreten, Enden wir in einem besonderen 1 Kapitel des Üoranus; wir kommen darauf zurück; ist aber die^e Periode) vorüber, so hat die Frau noch weniger Vorsicht bezüglich des Liegens , der] Einreibungen, der Speisen, des Weintrinkens, de* Badens, des Schlaf» zu( beobachten, da nun ihre Constitution kräftiger ist und die Frucht reich- lieberer Nahrung bedarf. Doch vom siebenten Monat an wird wiederum die] Enthaltung heftigerer Bewegung empfohlen wegen der Gefahr, du« tti die Frucht vom Uterus trenne, wenngleich die Erfahrung lehre, dasa ein 7 monatliche Frucht lebensfähig ist. Drücken der Brüste wird als mögliche] Ursache von Abscessen und Einschnüren derselben als »chädlich bezeirhnot Im achten Monat, den der Volksmund zu Sorami^ Zeit als „leichten" b*-J zeichnete, der jedoch, auch seine Beschwerden hat, muss die Meng« der] Speisen wieder vermindert werden; Die Frau soll nun mehr liegen, wenig] gehen, kalte Bäder, welche beim Volke jener Zeit sehr beliebt waren, sichj versagen. In den letzten Monaten hat die Frau den Unterleib, wenn dCT>I selbe zu sehr vor- und herabhängt, mit einer Binde zu versehen und ihn mit] Oel einzusalben; nach Ablaof des achten Monat« aber soll diese Bind«] entfernt werden, und es sind dann warme Bäder zu gebrauchen, sogar i Schwimmen in süssem , warmem Wasser, um die KSrpertheile geschmeidig j zu machen; zu letzterem Zwecke dienen auch Bähungen, Sitzbfidor mit Ab* kochungen von Leinmehl, Malven u. s. w., Einspritzungen mit «Q»»«» OtA und Pessi aus Gänsefett. Dans schliesslich Soranus die Hebamme lehrt, w\ solle bei Eretgebtlrenden , welche festes Muskelfleisch und eint!» harten Cervix Uteri haben, mit dem Finger den Muttermund einsalben and öffnen, ist ohne Zweifel tudelnswerth.

Auf ähnlichen Grundsätzen, wie lüer ausgesprochen wurden, verharrten noch Jahrhunderte lang die Vertreter der Heilkunde, deren es eine Zeit lang unter den Arabern, dann aber bis weit ins Mittelalter, ja sogar bis in neuere Zeit nur w ••An-

volle gab. In unseren frühesten deutschen H*- "ru '

werden Lehren aufgeiitellt, die ztuu Tiieil giuit veruauftig, xxua Tb«il nur früheren Schriften entlehi'.i- -•••' '^ ■= l^wnise ff\" 7^'-*/«« in seinem .Der Schwam^eren 1 n»: Die "

«oll nicht faul und f .üiergehen, urnuaiMg«

78. Die Ernähning' der Schwangeren.

497

)rücken und Sprinsen unterlassen. Man soll sich hüten, sie auf die Schulter oder den Nacken zu schlagen. Wenn die Geburt nahe ist, so soll sie bisweilen mit ausgestreckten Schenkeln eine Stunde lang sitzen, dann schnell wieder aufstehen, hohe Stiegen auf und ab laufen, singen oder stark rufen. Die Verhaltungsregeln siud hier also wesentlich einfacher, als bei Soranus. In dem unterweisenden }edichte, welches Rösslin seinem Hebammenbiichlein angehängt t, heisst es sehr naiv, nachdem die Diät der Schwangeren aus- ihrlich in Versen angegeben worden:

,Wenn sich dann nuhet ihre Zeit, Dass sie der Fnieht soll werden queil, So sollen sie apacieren thon, Die Treppen auf und nieder gohn. Dardurch sie ring und fertig werden, Zu gebeten oho all Beschwerden.*

78. Die Ernährung der Schwangeren.

Eine ausserordentlich weite Verbreitung hat die Annahme, eine Frau während der Gravidität be.stimmte, ihr sonst gebräuch- liche Nahnmgsmittel zu meiden hätte und dafür andere besonders ausgewählte Speisen geniessen müsste. Wir haben bereits in den vorigen Abschnitten derartige Verordnungen kennen gelernt. Die ^verschiedenartigsten Ideen liegen diesen Bestimnumgen zu Grunde md nicht immer gelingt es, sich ein klares Bild von ihnen zu entwerfen.

Atu einfachsten verstÄndlich ist das Verbot , zusamtnengewachsene fruchte zu essen, wie wir es im Voigtlande, in Mecklenburg und auf len Seranglao- und Gorong- Inseln finden. Man sieht ohn« Weiteres und es wird auch noch besonders hinzugefügt, dasa man fürchtete, dasa durch derartigt! Nahrung Zwillinge entstünden.

KUni gleich bei den Speiseverboten zu bleiben, so darf die schwangere erb in kein Schweineüeisch essen, weil sonst ihr Kind schielend würde, nd sie darf keine Fische essen, weil sonst ihr Kind lange stumm bleibt. In Deutschland nahmen im 16. Jahrhundert auf Aurathen der Aorzte, . B. RöMBlin's, die Schwangeren gegen Ende der Schwangerachail keine ■cbarfen Speisen zu sich.

Auf den Seranglao- und Goroog-Inieln darf die Schwangere keine [lüapa und Kanari und nur wenig Salz und spaniKcheo Pfcfter zu »ich lefamcn. und auf den Watubela-lnseln sind ihnen ausserdem auch Volvoli Ind Raspen verboten. Zu den in der Gravidität verbotenen Speisen gehören fische mit einem kleinen Schnabel und alles Fleisch von geschlachteten rhieren, aur.h von den Beutelrattea. Auf Ambon und den Uliase-InsL'ln i\\i die Regel, dasN di«; Frau in der Schwangerschaft Überhaupt nicht zuviel isen BoU, weil sonst ihr Kind gefr&ssig werden würde.

Die »chwangere Japanerin verschmlÜit Kaninchen und Hasen zu ensen,

M Furcht, daas das Kind vinc lia«enifciiarte bekomme, und in einigen Go-

le&ditu Japan« is«t die Schwangere Überhaupt kein Fleisch. Im Boginn

1>U«*, Du W«lb. 1. 1, Atttt. 32

498

iVl. Die Geaundlieitspflege der Schwangerschaft.

der Schwangerschaft, d. h. sobald die Menses aasbleiben und Erbrechen auf- tritt, wird bei den Annamiten-Frauen Nichte in der Lebensweise geündert. Nur von einigen furchtsamen Weibern wird eine besondere, von alt^n Frauen vorgeschriebene Diätetik befolgt: sie enthalten sich des Genusses von Ochsen- fleiscb und von Papaya - FrQchten ; man glaubt , dass jenes Fleisch Ober Nacht Abortus herbeiführt, während man von diesen Friichten eine ähnliche Wirkung durch Erregung der Milch-Absonderung fürchtet. Allein die grosse Mehrzahl bleibt bei der gewohnten Nahrung in der Erwartung, dam Bxeh doA Kind rubig weiter entwickele.

In Limo lo Pahalaa auf der Nordcelebischen Landzang« haben die Frauen (der Alfuren) während der Schwangerschaft sich des Essens von stark riechenden Früchten zu enthalten, z. B. der Doerian, Koeini, der Krabben, der Seekrebse, der Aale u. s. w. Vor der Erstgeburt darf auf den Bank«- Inseln im westlichen Theil des Stillen Oceans die Frau niemals Fische essen, die mit der Schlinge, dem Netze oder in einer Falle gefangen sind. Aebnliche Gebräuche sind auch von den Viti -Inseln bekannt. (Eckardt.) Die Indianerin Brasiliens vermeidet in der Schwangerschaft deo FlcischgenuKs, und bei den Indianern des Gran Chaco essen überhauut die verheinitbeten Personen kein Schaffleisch, weil sie meinen, dass die tu erwartenden Kinder dann stumpfnasig werden. Die schwangere Negerin der Loaugo-KUate trinkt keinen Rum mehr, weil das Kind Muttermale bekommen könnte. Diesem Aberglauben wird jedoch nicht alIg«ueiD ge- huldigt, da von Pechuel-Loescht auch ein abweichendes Verhalten beobachtet wurde. Den schwangeren Jüdinnen der Bibel Cl. Huch Richter IS^ 7j war; es sowohl verboten, Wein wie aach starke Getränke zu trinken, oder etwis | Unreines zu essen.

Neben diesen Verboten finden wir aber auch ganz bestimmte Vor- ■chriften in Bezug auf die zu wählende Nahrung. So muss auf den ma- lüyidcheu Inseln Romang, Dama, Teun, Nila und Serua die Schwan- gere täglich robu Fische mit dem Safte von Citrus hystrix essen.

Auf den Carolinen-Inseln ist den Männern streng untersagt, mit der! Frau zusammen zu essen, aber die kleinen Knaben, die noch keinen Qflzial kragen, dürfen es ; nur sie dürfen ihr Kokosnüsse bringen, deren sie eine Mesfe b«dArf, weil sie kein anderes Getränk zu sich nehmen darf, als die Milch dleaer Frucht: judoch sind ihr mehrere Arten von Kokosnüssen und Brod- fruchten streng verboten. Dies berichtet MaUmt, welcher 1816 als Natur- 1 forscher die ruBsische Expedition unter Capitftn lAtkt begleitet«.

Auf Java geniessen die Schwangeren vorzugsweise gern eine dort eebr beliebte Speise, die man Radja nennt und die aus verschiedeneu unreifnn BaumfrOchten bereitet wird, indem man dieselben schält, in Stücke achneidet, zarstuinpft und dann mit Salz und reichlich mit spanischen Pfaffenchoten vermischt. (Kuegel.)

lu China sagt der Arzt: .Da der Appetit in der SchwaagerschoA un •ich schwach ist, so geniesst die Frau sbhon von selbst nicht viel; an b«'»t«n goniosst sie Hühnerbrühe, in Scheiben geachnittene Früchte, nifotali M,ht'r r»tt» Hpoisen.* Im Spociellen wird von einem chinesischen Ar*t« (, -) gorathen-. ,Die Schwangere darf bloss »a&<f und !; u«»hrj

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'Erbsenbrei, junger KobJ, uebat anderen leicht verdaulichen Erd- und Wurzel- friichten. Von Fleischgattungen kann eine Schwangere alles leicht Ver- Üaaliche und Zarte zum Genusa auswählen, namentlich nutzen ihr Hühner, Enten, Tauben, junge Hunde und magere Ferkel. Nur musa mau AUea so viel als möglich achmackhaft Eobereiten und den Schaum zuvor abnehmen. Ein ganz vorzügliches Nahrungsmittel für Schwangere «ind Milchnpeiaen aller Art. Dagegen ist ihnen der Genuas von allerhand unverdaulichen und erhitzenden Speisen durchaus zu verbieten; bierunter gehören Ingwer, Zittwer, Galgant, Pfeffer, Cardamom u. a. w. Nachtheilig für eine Schwangere ist femer Hunde-, Esel-, Pferde-, Schweine- und Rattenileisch, Kowie überhaupt das Fleisch von wilden Thieren. Sodann Muscusthiere, Igel, Ratten, Mäuse, Schildkröten, Ottern, Frösche, Krebse, Heuschrocken, Muscheln u. a. m. Desgleichen Schweineblut, Enteneier und endlich Alles, was in Butter gebraten ist. Trinken mag eine Schwangere Alles, was leicht und schmackhaft ist und nicht trunken macht. Jedoch Wein, ßier oder gar Branntwein und Arac, sowie überhaupt alle anderen erhitzenden Ge- tränke, dürfen einer Schwängern niemals gestattet werden."

Aeusserst vorsichtig, fast abergläubisch ängstlich und enthaltsam lebt wfthrend der Schwangerschaft hinsichtbch der Nahrungswahl die Indianerin Sfldamerikas unter vielen St&mmen. Bei den Gnaranis Brasiliens mosa sie sogar faxten. Die Pahute- Indianer in Nordamerika suchen durch ein der Schwangeren während der letzten Wochen vor der Niederkunft vorgeschriebenes Fasten die Frucht zu nöthigeu, dass sie uiöglichst bald danach strebe, an das Tageslicht zu treten , um sich an der Milch der Mutter gütlich zu thun; ausserdem aber hoffen sie durch dieses Hungern die Weichtheila der Geburtswege zum Schwinden zu bringen und somit daa Thor für den hindurchtretenden Sprössling weit zu macheu. (Enyelmann.) Die Indianer- Frauen in Canada essen während der Schwangerschaft wenig. {Le Beau.)

Bei den Lappen ti-anken die Schwangeren vor ihrer Entbindung Sarakka-Wein und sie assen nach derselben Sarakka-Grtttze. Die üarakka war die eigentliche Geburtsgöttin der Lappen, die alles Werdende, be- siondera die Frucht schützte. An sie richtete man auch während der Schwangerschaft Gebete, man errichtete ihr in der Nähe ein Zelt, in dem sie wohnte, bis die Stunde der Mutter gekommen war. {Passarge.)

Wir haben auch aus Deutschland bemerkenawerthe Thatsachen aufgesammelt, durch die nch herausstellt, da«B gewisse Unsitten hiiuicht« lieb der Diät der Schwangeren eine grosse Verbreitung fanden , dasa aber der sich anknüpfende Volksglaube sonderbar variirt. Dies betrifft insbe- sondere den Branntwein genuas, der doch nach rationeller Anschauung einer Schwangeren nicht auzuratheii ist. Im Pongau in Oesterreich trinken die Schwangeren viel Branntwein und lassen zur Ader, in der Absicht, dass der Fötus klein bleibt und so die Entbindung leichter wird (Skoda); in der Pfalz aber glauben die Schwangeron, durch Genuas von Branntwein dem Kinde eine glatte weisse Haut zu verschalfen (Pauli) ; und schiesslich wollen sie in der Rheinpfalz damit erzielen, dass das Kind schön werde.

In Berlin und Potsdam soll die Frau in der Gravidität immer die Kanten vom Brode essen, weil sie dann einen kräftigen Jungen bekommt.

Der alte Jiösslin empfahl den Schwangeren nahrhafte Speisen, insbe- sondere zur Stärkung einen kräftigen wohlriechenden Wein. d. h. Clanst aus Ingwer, Nelken, Liebstöckel, Galgant, WeisskUmmul und weissem Pfeffer.

500

In alter Zeit herrschte unter dem ruBBischen Adel die Ueberzeagung, dasB eine Frau in anderen UmBtänden einen guten Appetit haben und unge- hindert viel fettes und nahrhaftes Eesen zu eich nehmen mOtse; um das so «f- reichen, nahm man 40 Stück Brod von Bettlern, und das masste die Frau essen. Manche Völker, die schou etvas weiter in der CiTilieation Torge- sohritten waren, haben sogar eine besondere Hjgieine für die verBchiedenen Scbwangerschaftsepocben und -Monate aufgestellt. So hatten namentlich die alten Inder eigene Speiseregeln für jeden Schwangorscbaft^monat: Bis zum achten Monat sollte die Frau nur solche Speisen genieasen. die Eum Wachsthum, von da an jedoch solche, die zur Kräftigung des Fötus beitragen könnten. In Susruta's Ayurredas beisst es: „Die Schwangere mxuu angenehm und süss schmeckende, milde, aromatische Speisen geniessen. Namentlich sei in den drei ersten Scbwangerschaftemonaten die Speise sfiss nnd erfrischend, im dritten Monat Reis in Wasser gekocht, im vierten in geronnener Milch, im fünften in Wasser, im sechsten mit gereinigter Butter gekocht. Dies ist nach Einigen die Diät der Schwangeren." Aber StMruUi setzt hinzu : „Im vierten Monat darf sie Wasser mit frischer Butter gemischt und KebhflhnerSeisch genieesen; im fünften eine mit Milch und Bult«r be- reitete Speise; im sechsten eine Essenz aus Butter mit Flaeourtia cata- pbracta bereitet oder gegohrenes Reiswasser; im siebenten Butter mit He- mionitis cordifolia bereitet. Das Alles soll zum Wachsthum der Fracht bei- tragen. Von da an wird der Embryo gekräftigt, wenn die Frau im achten Monat Wasser mit Ziziphus jujuba, Pavonia odorata, Sida cordifolia, Anethum sowo, Fleischbrühe, geronnene Milch, Molken, Seaamöl, Seesalz, Früchte der Yangueria spinosa, Honig und gereinigte Butter geniesst. Zuletzt geniesse sie bis zur Niederkunft mildes Wasser mit gegofarenem Reis und Rebhühner- (nach VuUers: Antilopen-) Brühe."

Bei den Atheniensern ass die Schwangere zum besseren Gedeihen des Kindes Kohl {Athmaeus), essbare Muscheln und Aepfelschalen, and ü« erhielt ein Getränk aus Diptam bereitet. (Bartholinus.) Nach Ep genoas sie den Kohl mit Oel und Käse:

.Cum Amphidromia celebrentur, qoibus mos est

Assare frusta casei Cheraonitae,

Oleoque brassicam in fasciculos coUectam incoqnere." Und bei Q. Serenus Samonicus hei^t es:

,At ubi jam certum spondet praegnatio foe^us

Ut facili vigeat serrata puerpera partu

Dict&mnum bibitur, Cochleae maaduutur edules." Die ROmer rathen, „vom achten Monat an m&ssig in der Nabrong zu leben."

Wir haben gehört, was und wie die schwangere Frau essen soll, und wir wollen noch einen ganz flüchtigen Einblick gewinne«, wo sie ihre Nahrung zu sich nehmen und wo sie sie nicht zu sich nehmen soll.

Dass eine Schwangere überall dort, wo sie für imrein gilt, an dem gewöhnlichen Speiseplatz nicht ihr Mahl verzehren dar!', sondern ] dass sie gezwungen ist, sk'h ein abgesondertes Winkelclicn aufzu- suchen, das versteht sich von selbst. Die Schwangere auf den liuseln Ambon und Uliase darf sich zum Essen nicht auf die Treppe des Hauses setzen, weil sonst ihr Kind eine Hascnsoharto bekäme, sie darf auf Seranglao und Gorong nicht aus einer Wanne oder tatal

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502

XYI. Die GeraSS

der Schwangeraol

Versicherung, dass eine willensstarke Frau dieselben ohne Weit zu unterdrücken vermag.

Unter dem Volke namentlich auf dem Lande spielen die (Je- lüste der Schwangeren aber auch heute noch eine grosse Rolle, und es geht tlieses soweit, dass z. B. im Schwarzwulde eine schwangere Frau, wenn sie von dem Gelüste befallen wird, ohne Weiteres Früchte aus einem fremden Garten zu nehmen berechtigt ist, jedoch besteht dabei die Bedingung, dass sie dieselben dann auch sofort verzehren muss. Auch schon nach den Weisthümem durften nach G-rimm die Schwangeren nach Belieben und ohne dass sie straflDar waren, ihr Gelüste nach Wildpret, Obst und Gemüse befriedigen, selbst wenn es anderen Leuten gehörte. Wenn in Brandenburg eine Schwangere ihre Gelüste unterdrückt, so färchtet man, dass ihr Kind niemals die betreftenden Speisen wird essen können. In Schwaben glaubt man (Buck)^ dass eine Schwangere, deren Sehnsucht nach einer gewissen Speise unerfüllt bleibt, ein Kind mit einem Muttennale gebären werde, des.sen Form an die betreffende Speise erinnert.

Man darf aber nicht etwa denken, da.ss „Gelüste" nur bei Schwangeren höher civilisirter Völkerschaften vorkommen ; vielmehr werden auch die Frauen der ürvölker von ihnen geplagt, und auch bei ihnen herrscht die Meinung, dass es dem Kinde schade, wenn man den Schwangeren die absonderlichen Genüsse versagt, nach denen sie gelüstet. Wie die altindischen Aerzte schon meinten, die Gelüste der Schwangeren müssten befriedigt werden, so st<.'llt«n denselben Grundsatz die jüdischen Aerzte des Talmud auf; im Falle der Nichtbefolgung desselben hielten .sie Leben und Gesund- heit der Schwangeren oder ihrer Frucht ftir so sehr gefährdet, da^e man nöthigenfalls selbst den Versöhnungstag entweihen und die Speisegesetze unberücksichtigt lassen durfte.

Auch bei den heute lebenden wildeu Völkerschaften spielen die Gelüste eine grosfle Rolle. So werden nach dem Zeugnisse dm Abtes Gili die Indianerinnen am Oriuoco nicht weuig von Gelüsten geplagt, und von den Indianern, welche ehemals Penn- sylvanien bewohnten, erzählt Jlecl'twdder:

„Wenn eine kranke oder schwivngero Frau zn irgend einer Speise Ltul hat, 80 macht der Ehemann sicii gleich auf. Bie zu besorgen." Er fflliri Beispiele an, wo der Mann 40 50 Meilen lief, um eine Schüssvl Kraaiob- beeren oder ein Gericht Welschkom zu schatfeu. Eichhörnchen, Enten and dergleichen Leckcrbi^fien sind die Diugc. wonach die Frauen im Anfiing« der Schwangeriichaft gewöhnlich gelüstet; der Mann spart keine Mühe, si* herbeizuholen.

Aus den Nilländern berichtet Hartmann: Schwanijere leiden auch in diesen Gegenden häufig uu muticherh'i ständen, b»^.--.".!»^»-« am Tama, dem iu'K ''_'•"'♦''" <• .... . derlicher > und an anderen I uia^n. 1'

sucht 1. . " ' " ^ ' . ' \l,.yntiiftrit

Qeuü^''

K Die Sorge für die psychische Stimmung der Schwangeren. 503

lu Damascus geniessen die schwangeren Frauen das Pulver

les wohlriechenden Steines, genannt Tubaret homra, rother

Staub, theils wegen des angenehmen Geruchs, theils der Gesundheit

regen. Denselben Stein benutzt man dort gepulvert und mit warmem

7as8er zum Reinigen des Kopfes. (Petermann.)

Während der Schwangerschaft pflegen die Frauen zu Luck-

low in Indien Erde zu essen, die sie in kleinen Knollen ver-

jhren. In Bengalen dagegen ist diese Erde in kleine Scheiben

)n zierlicher Form gebracht. Sie essen dieselben in grossen Massen

)tz des Verbotes ihrer Ehemänner. (Jayor.)

Auch in Persien verzehren die Schwangeren nach Po/aft wäh-

snd der letzten Monate besonders viele Erde, Magnesia-Tabasclür.

>b wir hier Gelüste zu erkennen haben, oder ob diese absonder-

ichen Nahrungsmittel nicht vielmehr eine medicamentöse Bedeutung

sitzen, lassen wir dahingestellt.

Um echte Gelöste handelt es sich aber bei den Bewohnerinnen der kleinen Inseln im Südosten des malayischen Archipels. Wir haben bereits oben einige Speiseverbote kennen gelernt, die für

Kiese Frauen während der Schwangerschaft Geltung haben. Sie werden aber sämmtlich hinfällig, sobald eine solche Frau von Qe- Ist-en befallen wird. Dann darf sie eben Alles essen, z. B. aiif erang auch herbe und saure Früchte, auf Anibon und den 'liase-In-seln ausser unreifen Früchten selbst gebrannten Thon und ijcherben von Töpfen und Pfannen. Streng für die Schwangeren ^erpönt ist aber trotz aller sonstigen Nachsicht gegen die Gelüste if Keisar die Ananas und auf den Inseln Leti, Moa und La- ie r die Erdmandel (arachis hypogaea), letztere w«>il sie angeblich •"ieber verursacht.

^0. Die Sorge für die psychische Stinimuiig der 8ciiwaugerea.

Während die auf niederer Cultur stehenden Völker ebenso renig auf die geistige wie auf die kr)rperhche Ruhe der, wie bei 18 der Volksmund sagt, „in guter Hofl'nung" befindlichen Frau l>edacht sind, beginnt man zumeist bei einiger Civilisation in dieser Hinsicht rtick.sichts voller zu verfahren. Unter allen CulturvöUtem denkt man schon daran, dass Heiterkeit des Gemüths, Reinlichkeit, M&saigkeit in allen Genüssen die besten Vorsichtsmaassregeln in fieser Beziehung sind und dass insbesondere alle heftigen Aflecte rennieden werden muBHen. Schon die altindischen Aerzte be- ' ' M RathschlSge für Schwangere damit, dass sie ihnen

iidig , vergnügt* zu sein; und die Autoren unserer lttrtt.i;ii li..'bHitiiiienbücher (ans dem 16. Jahrb.) sjigen, die Schwan* ?Te solle ,in Freude imd Wollust' leben. Jene rathen. Alles, übel riecht, zu vermeiden, und auch diese meinen, die Schwan-

504 ^^' ^6 Oestincllieitspflege der Schwangerschaft.

gere müsse dem Gestank ausweichen. Der altindische Arzt Susruta warnt vor Grabstätten, und ein chinesischer Arzt (i'. Martiua) sagt: ,Eine Schwangere vermeide solche Orte, wo «uan ein Grab bereitet, eine Leiche begräbt u. s. w.*

Das Verbot, sich bei Gräbern aufzuhalten und Leichen zu sehen, ist ein weitverbreitetes. Wir begegnen ihm im malayischen Ar- chipel auf Seranglao und Gorong und ebenso in Schlesien, Pommern, Thüringen und dem Voigtlaude. Hier nimmt man übrigens auch an, dass der Besuch des Kirchhofes dem entstehenden Kinde zeitlebens eine Leichenfarbe oder gar der Schwangeren selber den Tod zu bringen vermöchte. Streit und Zank muss die Schwangere meiden, imd sie darf vor allen Dingen selbst nicht schelten oder gar jähzornig werden, weil sonst auch ihr Kind böse werden würde (Ostpreussen, Archangel, Luang- und Sermata-Inseln, Se- ranglao und Gorong). Dass vielleicht die Sorge, der Schwangeren eine ruhige und fröhliche Stimmung zu erhalten, die Ursache ist, dass sie bei so verschiedenen Völkern nicht als Zeugin vor Gericht erscheinen darf, wurde bereits früher erwähnt. Auch das Verbot für die Schwangeren, Thiere zu tödten, muss wohl mit hierher gerechnet werden. Wir finden dasselbe auf Seranglao und Go- rong und auch im bayerischen Franken. Hier darf sie keine jungen Katzen oder Hunde ins Wasser werfen, um sie zu ersäufen; thut sie es dennoch, so wird sie kein lebendes Kind zur Welt bringen. Auf den Inseln Ambon und den Uliase-Inselu darf sie nicht einmal rohes Fleisch schneiden.

81. Das Versehen der Schwangeren.

Der Glaube, dass das plötzliche Sehen von etwas Hässlichem oder gar Verkrüppeltem und Älissgestaltetem, über das die Schwanger* erschrickt, in sympathetischer Weise dem Embryo Schaden bringe, indem das Kind an irgend einer Stelle seines Körpers eine an diui Gesehene erinnernde Miasbildung bekomme, ist über ganz Deutsch- land verbreitet, findet sich aber ebenfalls bei manchen »osser- europäischeu Völkern. Es ist noch nicht sehr lange her, dass nicht allein das gebildete Publikum, sondern sogar die Aerzte jede Äfon« strosität aus dem Versehen zu erklären sich bemühten, und natür- licherweise gefiel es einer jungen Mutter, welche ein missgebildete» Kmd zur Welt gebracht hatte, sich zu erinnern, dass sie iuiierhaJl» der neun Monate ihrer Schwangerschaft einmal etwas Widerwärbgi» gesehen oder sich über etwas erschreckt habe, dem sie dann bciw^- willigst die Schuld an der Anomalie ilires Kimleü in die R'-linh«« schob. So glaubt man allgemein in Deutschland, dass die ' Diäler entstehfi oder wenn si«-

81. Da

dar Schwafif

bluten sieht. Immer giebt dann das Feuermal das Bild der blut- überströmten Stelle wieder. Auch das Erschrecken vor Thieren ist höchst gefahrlich, weil die Schwangere sich ebenfalls daran versieht und dann die Kinder je nach der Thiergattung mit behaarten Mutter- oiälem, mit Hasenscharten, mit Schweineschwänzen oder Ziegen - klauen, und wenn das Tbier, welches den Schreck eingejagt hat, zufällig ein frischgeschlachtetes war, auch mit oöenem Bauche und Torliegenden Eingeweiden geboren werden. Wenn die Mutter vor einem Hasen erschrickt und sich dabei in das Gesicht fasst, so be- kommt das Kind eine Hasenscharte ; es kann aber auch einen Hasen- kopf bekommen (Spreewald). Wenn die schwangere Serbin in dtLS Blut eines frischgeschlachteten Schweines tritt, so bekommt ihr Kind rothe Flecke.

An das Versehen der Schwangeren glaubt man auch in Kleinrussland, wo man es fixr besonders gefährlich hält, wenn sie ein brennendes Haus sieht, denn dann bekommt das Kind auf der Stirn einen schwarzen Strich oder einen duukelrothen Fleck am Leibe. Im Gouvernement Charkow vermeiden Schwangere den Anblick sehr häsalicher Menschen, besonders solcher, welche Narben oder etwas Aehnliches im Gesiebt haben.

Dass schon die alten Juden an das Versehen der Schwan- geren glaubten, geht aus der Er/ahlung des Alten Testaments von Jacob hervor, welcher die trächtigen Mutterschafe angeblich mit gutem Erfolge zum Anschauen verschiedenfarbiger Stäbe nüthigte. Vielleicht hatten auch die alten Inder diesen Aberglauben, denn Susruta warnte Schwangere, schmutzige und , ungestaltete" Dinge zu berühren. Der oben genannte chinesische Arzt sagt: Man hüte sich, eine Schwangere Hasen, Mäuse, Igel, Schildki-fHeu, Ottern, Frösche, Kröten und dergl. sehen zu lassen. Ebenso muss auf A m b o n und den Uliase-lnseln die schwangere Frau vor- sichtig vermeiden, auf ihren Ausgängen Schlangen oder Affen zu begegnen.

Auch unter den Urvölkeni Amerikas ist der Glaube an das Versehen heimisch, z. B. unter den Indianern am Orinoco-Strom in Südamerika. {G-iUi.}

Auch ist den Wakamba in Ostafrika nach Hildebrandt das Versehen eine sehr bekannte Erscheinung. Empfindet die Frau rechtzeitig, dass sie sich versehen hat, so muss sie die Arme nach hinten bewegen und dazu sprechen , weggesagt ", dann wird das Versehen unschädlich.

In Altpreussen herrscht, um das Versehen zu verhüten, die Vorschrift, dass die Frau, sobald sie einem Krüppel u. s. w. be- gegnet, nach dem Himmel oder auf ihre Fingernägel schauen soll.

Die Siebenbürger haben gegen das Versehen folgende Mittel. Sie fordern die Schwangere auf, den Gegenstand, oder die Person. «MJ welcher sie sich etwa versehen könnte, genau anzusehen und ttch davor nicht zu erschrecken, oder den Blick sofort davon ab-

506

XVI. Die Geaandheitspflege der Schwangerichaft.

zuwenden (im Unterwald und Schassburg). Fürchtet die Frati. sich an Etwas zu versehen, so soll sie sich sogleich an den Hiiit«t«n greifen und sich in Erinnerung bringen, sich nicht verseben <u wollen, dann wird es keine Folge haben, oder das Kind wird das «Mal" an diesem Körpertheil erhalten (ebendaselbst). Hat ein »Ver- sehen* schon stattgefunden, und ist in Folge dessen das Neuge- borene mit einem Schaden behaftet, so sucht man denselben zu vertreiben und den Folgen des Versehens entgegenzuwirken: 1. Jeden Freitag in der Zeit der Wochen setzt sich die Wöchnerin, die sich während der Schwangerschaft an etwas versehen, auf die Thür- scbwelie, mit den Füssen auf einen Besen tretend und mit dem Ge- sichte einwärts (ins Zimmer) gekehrt und denkt nach, was ihr Hässliches begegnet ist. Schliesslich betet sie ein Vaterunser (in Ratsch). 2. In Minarken und St. Georgen muss die Wöchnerin, die sich versehen, sieben aufeinanderfolgende Freitage auf der ThQr- schwelle mit dem Gesicht gegen die Gasse gekehrt, sitzen, wenn sie ihr Kind von dem betreffenden Gebrechen befreien will. 3. Wenn sich eine Schwangere verseben hat, so muss sie an jedem Sonntage während des Glockenläutens in der Zeit der Wochen auf der Thür- schwelle sitzen, das Kopftuch abnehmen, die Zöpfe auf den Kücken herabhängen lassen und wünschen, dass das Gebrec-hen dem Kiode vergehe. {Hillner.)

Es steht ja nun natürlich ausser allem Zweifel, daaa Schreck und Gemüthsbewegungeu einer schwangeren Frau auf deren Nerven- system und auf ihre Blutcirculation eine alterirende Wirkung haben müssen, die sehr wohl zu Stönmgen in dem Wachsthum des Em- bryo zu führen vermögen, und ganz neuerdings verficht der Leip- ziger G}Tiäkologe Hennig die Schädlichkeit eines Erschrecken« der Mutter für das Kind im Uterus:

«Dagegen werde ich wieder zu einer schon früher in meinen Vor- lesungen vertheidigten Ansicht hingezogen, welche eine heftige, unvorliereitet die Schwangere treffende Gemüthsbewegung, hier den Schreck bei eiavr abergläubischen Pernon al« primum anspricht. Meine Theorie ist folgende: während der körperlichen Erschütterung, welche jeden Schreck begleitet, triät ausser dem bekannten präcardialdn Irradiatiousgefühle ein centrifu- galer (Hirn-) Strom die bei Frauen so leicht erregbaren Verbinduugssträng«, welche aus dem Rückenmarke zum Uterusgeflechte hLnstreichen. Da«* dieser psychiBcbe Reir. zunächst nicht den plexus spermaticus tritfl, wird durch die Thatsache erhärtet, dass die von heftiger Gemüthsbewegung bö- iroffenen Frauen meist nicht hjpogastrische Schmerzen, sondern eiaea kurzen ceniriscben Schmerz odt<r Krampf in di?r Gegend der ijübämiatt^v angeben, der gern reflectorisch die ßeinmuskeln lähmt, zunächst TorÜber- gehend. Sitzt nun im Uterus ein junges Ei, eo stelle ich mir vor, diun di« < vorzeitige Wehe eine Welle im Fruchtwasser erregt. Diese Welle atfinl | gegen den Scheidentheil, ifrückt entweder die Frucht abwärts , od<*r «tOaii

im Rückprall gegen den «ininH '^ '"'- i-..^...i,,.{j nochmals von nb«B |

abprallend. Ulerbni werden . le dos Embryo laicht j

geaorrt , Spalten am *•' ' ' ^Ha Hal-

iUDK der GliedmMUf

Was der Lehre von dem Versehen der Schwangeren in der

Igeraeinheit, wie man sie früher aufgestellt hatte, aber mit Recht

len Boden entzogen hat, das ist der Umstand, dass der von der

Ititter mit aller Bestimmtheit angegebene Schreck, der dem Kinde

ie Missbildung gebracht haben sollte, in den meisten Fallen in

ien letzten Monaten der Schwangerschaft der Mutter begegnet war,

rährend das Zustandekommen der Monstrosität, wie die Ent-

wickelungsgeschichtö unwiderleglich bewies, aus den allerersten

LWochen nach der Befruchtung herrührte.

82. Abergläubische Yerhaltnngsregeln während der Schwangerschaft.

Wir haben in den vorigen Abschnitten schon so vielerlei keimen

gelernt, was die Schwangere thun und was sie vermeiden soll, dass

lan glauben möchte, die Verhaltungsregeln seien nun damit er-

jft. Dem ist aber keineswegs so. Es ist besonders noch

therlei, vor dem sie sich zu hüten hat, wenn sie sich oder ihrem

Cinde keinen Schaden zufügen will. Erscheinen uns mm auch

lanche von diesen Bestimmungen ganz absurd, so können wir

ioch wieder bei anderen den Gedankengang ahnen, welcher die

tite zu diesen Vorschriften veranlasst hat. Alles Knüpfen, Knoten

Verbinden verursacht einen Verschluss und muss daher von

Scliwangeren unterlassen werden, wenn sie nicht selbst ver-

rschlosseu sein will oder mit anderen Worten, wenn sie einer schweren

Entbindimg ausweichen möchte. Darum darf sie auch auf den

luang- und Sermata- und den B ab ar- Inseln keine Stoffe

reben und auf den letzteren auch keine Matten flechten. In Franken

larf die Schwangere aus dem gleichen Grunde nicht über eine

^flugschleife hinwegschreiten, oder wenn sie es aus Versehen deimoch

rethan hat, so muss dieselbe wieder zusammengeharkt werden.

les Kriechen und Sich winden macht dem Kinde ümschlingungen

ler Nabelschnur, (Majer.) Daher vermeidet in der Pfalz die

Trau, unter einer Waschleine hiudurchzuschlüpfeu ; auch darf sie

ireder spinnen, haspeln, noch zwirnen. {PaHli.) Im bayeiri-

Bcben Franken darf sie ebenfalls nicht unter einem Seile oder einer

*lunke hindurchscblüpfen und dieselbe Besorgnis« ist bei den

Isthen die Ursache, dass Schwangere beim Waschen und Abspülen

ler KJeidungsstücke nicht kreistlirmig drehen. In Oldenburg

larf di«' S<'hwangere nicht unter dem Halse des Pferdes hindurch-

|) 1, nicht über eine Egge schreiten und nicht über eine Wagen-

. kriechen.

EUneo Wasserkopf bcskommt das Kind, wenn die Mutter sich am Woeaer thun uiarht (Pr*.inH8«n). Damit das Kind nicht »chielcnd werde, darf in 'rauiHon die 8chwAugere durch kein Aat- oder Schlüsselloch oder in ein«

XVI. Die

IWIffil

Flasche sehen, in Serbien die Fraa nicht über eine Heugabel BckredUni (Petrowit8ch), und auf der Insel Ambon und den Uli ase- Inseln die Scliwui- gere nicht auf Riffen fischen und nicht Leute, die mit Lepra und bösen G«- schwüren behaftet sind, hinter ihrem Bücken vorbeigehen lassen. Auf d«n letzteren luaeln darf sie nicht mit dem Rücken gegen einen Kochtopf gekehrt sitzen, weil sonst das Kind schwarz werden wflrde, während die Wendin in Hannover Male und Sommersprossen macht, wenn sie gelbe Rüben schabt oder etwas kocht, was spritzt. Rothe Haare bekommt das Kind im Spreewalde, wenn die Schwangere, am den Flachs zu trocknen, in des Backofen kriecht Hält eich die Wendin in Hannover and im Sprae- walde bei etwas Uebelriechendem die Augen zu, so bekommt das Kind einen stinkenden .\them, und zu einem Bettnässer macht die letzter» ihr Kind, wenn sie ihr Wasser bei einer laufenden Dachtraufe abschlfi^.

Wenn die Schwangere einem armen Sünder auf seinem letzten Gange | folgt, so wird da» Kind einst denselben Weg gehen. (Bayern.) Sie darfj nicht Jemandem etwas fortnehmen oder heimlich essen, weil sonst ihr Kind die Neigung zum Stehlen bekommt (Ostpreussen); aus dem gleicheA Grunde darf sie auf Ambon und den Ul iase- Inseln nichts heimlich ver- bergen. Eine verkehrte Lage giebb es dem Kinde, wenn auf den Luang- und Sermata-Inseln und in Esthland das Brandholz verkehrt oder gegen den Ast in das Feuer geschoben wird. Eine besonders grosse Gefahr bringt ' es dem Kinde auf Ambon und den Cliase-Inueln, sowie auf Seranglao und Gorong und auf den Watubela- Inseln, wenn die Frau über Blinde, Missgestaltete und Verkrüppelte ihren Spott treibt. Will die Frau auf So- ranglao und Gorong gesunde und wohlgestaltete Kinder gebären, so darf sie, wenn sie schwanger ist, nicht vor der Thüre sitzen, kein Holz uaf- sammeln, nichts Stachliges fischen und nicht auf dem Rücken liegen. Auf den Luang- und Sermata-Inseln darf nicht gekocht werden, wo eine Schwangere im Hause ist. Die Esthin glaubt beim An«chneid«<u eines Brodes ihren Kindern dadurch einen wohlget'ormten Mund zu verscbatfeu, dass sie zunächst nur ein kleines Stück abschneidet. Bei den Serben darf { die Schwangere daa Kreuz nicht küssen, weil sonst ihr Kind von Epilepaie befallen wird, sie darf sich keinen kranken Zahn entfernen lassen, weil ihr Kind sonst starben würde, und endlich küsst sie auch kein fremdes Kind, aus Farcht, dass ihr dies eine Superfütation verursachen kOnnte.

Mit unbedeckten Haaren gehen und Katzen oder Hunde mit Ffluea stoasen verursacht in Böhmen und Mähren Fehlgeburt.

um sich durch Sympathie eine glückliche Niederkunft zu sichern, bindoii sich die Schwangeren in Brandenburg eine Seh langen haut, die sie findflo«] um den Leib. {Engditn.) In Bayern schlafen sie auf Garn, welche« e noch nicht sieben Jahre altes Mädchen gesponnen hat, weil dju glfiok« ' bringend Lst.

83. Die Pflichten des Ehemannes während der Schwangerschaft.

Der Eintritt der Schwangerschaft legt nun aber nicht nnr d«r Frau, sondern bei niauchen Völkern sogar auch dem Manne gant bestimmte Verpflichtungen auf, mid zn diesen miuw man ja eigent- lich auch schon die bereits erwühnt« Vürschriffc rechnen, dasa dur

). Die Pflichten des Ehemannes wfthrend der Sch^rangerschaft. 509

fctte während der Gravidität den Coitus und bisweilen sogar jeg- "len Umgang mit der Ehefrau zu meiden hat. Bei den Pschaweu 'ranskaukasien) geht die Unreinheit der Frau während der thwangerschaft. auch auf den Mann mit über, der dann ebenso wie Ke Frau von allen Festliclikeiten ausgeschlossen wird.

Bei mehreren südamerikanischen Indianerstämmen ent- ilten sich sowohl die Frau als auch der Mann während der Schwan- srschaft des Genusses der Fleischspeisen ; bei den Guaranis geht der "^tann nicht auf die Jagd, so lange seine Frau schwanger ist. Bei anderen Stämmen, z. B. den Mauhees (nach v. Spür), muss der Ehe- mann fasten und nur von Fischen und Frficliten leben. Schon die alten Peruaner im Inca- Reiche liessen den Mann fasten, um Zwillings- oder Missgeburten zu verhüten. Am Amazonenstrom jebt es nach Chandless Stämme, die den Ehemännern Schwangerer sehe, männliche Schildkröten imd Schildkrüteiieier zu speisen, ausserdem aber auch angestrengte Arbeit verbieten. Besonders sind Cariben, bei denen auch das Männerkindbett Sitte ist, in dieser insicht für das Wohl des zu erwartenden Kindes besorgt.

Der Arbeit muss sich der Ehemann auch in Grönland bis txa Geburt enthalten, weil sonst das Kind sterben würde. Und in [amtscbatka machte man den Ehemann für die falsche Lage des ides bei der Geburt verantwortlich, weil er zur Zeit der Nieder- seiner Frau Holz über das Knie gebeugt hatte. (Stiller.) Selbst die ungemein rohen Eingeborenen der Andamanen- Inseln halten nach Man an dem Gebrauche fest, das» die Schwangere weder Honig, noch Schweine, Marder (Paradoxurus) imd Eidechsen ina) geiiiesst. Diese beiden letzteren Speisen vermeidet auch der Utte, weil sonst der Embryo beunmhigt würde.

Der wilde Land-Dajak auf Borneo darf vor der Geburt des Kindes nicht mit scharfen Instrumenten arbeiten, kein Thier tödten und keine Flinte abfeuern. Noch viel weiter in solchem Aber-

Flauben gehen die Eingeborenen der Insel Nias (Niederländisch- ndien): Mann und Frau müssen während der Schwangerschaft der stzteren Orte vermeiden, wo ein Mord oder wo die Verbrennung " les Hundes stattfand; sie dürfen kein Schwein oder Huhn tödten, Jenn von den Krümmungen des Sterbenden würde etwas auf das Kind übergehen; sie dürfen an keinem Hause zimmern, keinen Nagel '•n, sich auf keine Leiter und in keine Thür stellen, kein itt abbrechen, denn sonst würde das Kind nicht geboren jrerden können; sie schauen in keinen Spiegel, in kein Bambusrohr, mat würde das Kind schielen; sie essen keinen Bujuwu (Art Vogel), ^oa sonst spricht das Kind nicht, sondern krächzt, wie dieser Vogel; sie mÜMsen noch unzählige aberg]ä»ibiBche Vorschriften ängst- »efolgen, die ich mit ihren vermeintlichen Folgen hier nicht ifzEbleu will. Auf Neubritannien muss der Ehemann zu Hause leiben (nach Powell). Merkwürdig ist hierbei, wie häufig sich bei ihr verschiedenen Völkern die abergläubischen Anschauungen wie-

510 Xyi. Die Gesundheitspflege. der Schwangenchftft.

derfinden: Auf Massaua im arabischen Meerbusen hfitefc sich, i mir Brehm mündlich mittheüte, der Ehemann einer schwanga Frau, ein Thier zu erschlagen, weil sonst die Frau das Knd Id verlieren könne.

Auf Ambou tind den Üliase-Inseln darf der Ehemuni Schwangeren nicht im Mondschein uriniren, denn dadurch, du seine Scham entblösst, beleidigt er die auf dem Monde befindliiii Frauen, was für seine Gattin eine schwere Entbindung nir Foij haben würde.

Dies Alles sind abergläubische Vorstellmigen, weldie lagi wie zauberhaft man sich Wirkung und Einfluss des Vateis i seiner Lebensweise auf das Kind und sein Wohl denkt Der Yi soll schliesslich nach diesem Volksglauben die Verantworfanf I das Gedeihen des Kindes im Mutterleibe tragen.

Es möchte aber auch hier dem Herausgeber scheinen, alsva wenigstens hinter einem Theil dieser abei^läubischen TTaidfa^ halb bewusst, halb unbewusst ein tieferer Smn verborgen lägtl handelt sich hier mit grosser Wahracheinlichkeit xan ganx di liehe Verpflichtungen, wie wir sie in der Sitte des Mannerkindbdk erkennen müssen, dass nämlich der Vater das Anrecht auf A Kind dadurch zu erwerben bestrebt ist, dass er an den Leidoi Entbehrungen, welche die Schwangerschaft und das WochaU auferlegen, in annähernd gleicher Weise wie die Gattin AtI^ nimmt. Von grossem Interesse ist es, dass wir bei den Carito diese Gebräuche neben dem Männerkindbette antreffen.

XVU. Die Therapie der Scliwangerscliaft.

Mechanische Vorkehrungen wätirend der Schwangerschaft.

I Wir haben gesehen, wie selbst bei vielen roheu Volkern die laicht sich Bahn gebrochen hat, dass körperliche Ueberanstren- bgen während der Schwangerschaft der Mutter sowohl als auch em Kinde zum Schaden gereichen. Aber andererseits lässt sich sh nicht verkennen, dass eine zu grosse Verweichlichung während Oravidität die Entbindung zu erschweren pflegt. Der englische bnrtshelfer Riglty wies schon darauf liin, dass Schwangerschaft d Geburt gerade dort am besten verlaufen, wo die Schwangeren |e gewohnte Beschäftigung bis mr Niederkunft fortsetzen; auch irt ims die tägliche Beobaclitung, dass unsere Arbeiterfrauen die (tbindung leichter tiberstehen, als die in der Schwangerschaft sich Bglichst ruhig verhaltenden vornehmen Damen. Auch Martin^ sagt: I „Miü n'ignore que plus la femme ee rapproehe des conditions de la na- re, plus aussi la fonction g^n^^ratrice s'accomplit sans bruit, et sans ces kiblea eynergiqoes dea fouctiona physiques et morales qoi aont aoavent 188^68 jiisqu'Ä l'exaltution chez la femme civilisöe."

Immer imd immer tauchen aber sofort, wenn ein Volk einen

«rissen Civilisationsgrad erreicht, wenn sich besonders Geburts-

Iferinnen und Aerzte um das Wohl und Wehe der Schwangeren

Kümmern, die Gedanken an Schutzmaassregeln auf liinsichtlich der

ftltung, Stelluog und Lage, welche die Frau während derSchwan-

rschaft einnehmen soll. Den altindischen Frauen rieth Susrtita,

ih in der Schwangerschaft als Lager eines mit Schranken versehenen

ittes zu bedienen, in welchem sie in mehr sitzender Stellung

idafen rauasten. Ein chinesischer Arzt {v. Marh'us) giebt der

pwangereu den Rath, wechselweise auf beiden Seiten zu liegen,

B aber allein auf einer Seite zu schlafen. Auf dem Röcken zu

Igen, sei nachtheilig, auf dem Bauche aber höchst schädlich.

Ein besonderes Vorbeugungsmittel, welches sich sowohl bei

hen als auch namentlich bei civilisirten Völkern in ausgedehntem

rade eingebürgert hat, ist die Leibbinde. Im alten Rom, wo

die Schwangeren der grosseren Vorsicht wegen in Sänften

r von trächtigen Stuten tragen liessen, legten sie im achten

nat eine Binde um den Leib, die sofort bei der Geburt abge-'

512

XVn. Die Therapie der' Schwangerschaft.

nommen wurde (daher wurde die Göttin der Geburt mit dem Beinamen^ Sohij^ona bezeichnet). Eine Leibbinde zu tragen räth auch '- aus Ephesus; dieselbe soll jedoch vom achten Monat an ;i. werden, damit bei der nahenden Geburt das Gewicht des Kindes mit-) wirke, dieselbe zu beschleunigen. Seit jener Zeit wurde das Tragen] der Leibbinde in der Schwangerschaft von vielen Geburtshelfern ah «Fördeningsmittel der Geburt", unter Anderen von Amhroisf ParS] in Frankreich, beflirwortet

Auch empfiehlt der oliengenannte chinesische Arzt, eine 121 bis 14 Daumen breite Leibbinde zweimal um den Leib gewickelt zu tragen. Ueber den Nutzen derselben sagt er: «Zuvörderst werden durch selbige die Lenden gestärkt. Alsdann halt eine solche breite Binde den Leib der Schwangeren zusammen, und wenn man un- mittelbar vor der Niederkunft dieselbe losbindet, so wird alsdann der Bauch erweitert und der Frucht dadurch Raum geschaÖY, sich umzukehren." Die Birmauinnen tragen nach Ablauf des siebenten Monats eine feste Binde um den Leib, um das Aufsteigen des Frucht- halters zu verhindern, in der Meinung, dass, je höher die Frucht im Bauche steigt, einen um so längeren Weg müsse sie beim Herunter* steigen zurückzulegen haben, und um so schmerzhafter werde die Entbindung sein. {Engelmann.)

Die Sitt^, in der Schwangerschaft eine Leibbinde zu tragen, stammt in Japan aus sehr alter Zeit. Der geburtshUlfliche Re- formator KuHf/aiva {Miyake) fand sie vor und eröffnete einen Feldzug dagegen. Er sagt:

„In Japan ist es allgemein Sitte, dass die Frau Toin fünften Monate an um ihren Leib ein seitlenes Tuch fest bindet; der Zweck, den man damit ■IM erreichen sucht, ist, den fötalen Dunst (Geist, Lebenskraft) zn bcrnhigea, damit er nicht aufsteige. Man sagt, dasH die«e Bitte aus der Zeit der Kaiserin JJjin-go-kogu etanune, die im Kriege gegen Korea selbst als Feld- herrin einen Panzer trug, den sie, weil sie schwanger war, dadurch an ihren Leib befestigte, dass sie ein zuüammengcfaltetos seidenes Tuch unj letzteren fest anlegte. Nach der Eroberung von Korea gab sie einem Prinzen, dem nach- maligen 16. Kaiser 0-djin (später zum Gott des Krieges erhoben) glacklich das Leben. Der Kaiserin zu Ehren legten dann die schwangeren Frauen ebenfalls die Binde an, in der HoH'nung, dadurch Friede und Wohlstand so verewigen."

So knüpfte sich dort schon eine Sage an die Volkssitte. Kan- yawa aber erklärt diese Herleitung nicht für geschichtlich, da aus jener Zeit (200 n. Chr.) in den Geschicht*«quellen nichts, sondern erst 1118 n. Chr. etwas von der Leibbinde erwähnt wird; und noch später ist die Rede davon, dass die Gemahlin des Yoritomo in ihrer Schwangerschaft mit besonderen Ceremonien die Leibbinde luolegte Kanyuwa verwirft dieselbe .nach einer vieljiilirigeu Eriabruug ob schädlich." Er demonstrirt diese seine Ansicht unter Hinw»»'- .l-r.,nr das« die Natur die Krall besitze, allee Lebende wachM«^u ui wickeln zw ' ' ' ' " ' " " ' '' i:

der Natur

i

9i. Mechanische Vorkehrnngcn -wahrend der Schwangerschaft. 513

stang ihrer Wurzel mit emeiu Steine ihr Wachstbum hindere:

ich die Thiere brächten ja ihre Jungen ohne Leibbinde zur Welt.

Jr beschuldigt die Binde, dass sie den Blutunilauf störe, Blutung

^ud Schwindel erzeuge, Schief läge des Kindes, kurz hunderterlei

ilamitäten bedinge.

»Leider kann ich allein, ein so kleiner Körper in der grossen '^elt, meine Methode nicht verbreiten ; ich hoffe aber dennoch, dass |ie allmählich durchdringen wird."" Mit diesen Worten scldiesst ' seine Verurtheilung der Leibbinde. Mit allen solchen •u Neuerungen geht es Avie überall, so auch tu Japan, jienilich langsam. Zwar erklärte in den zwanziger Jahren unseres [ahrhunderts der japanische Arzt Mimcuuma\ , Früher trugen ie Schwaugeren vom fünften Monat an die Leibbinde, jetzt ist sie ^lurch den Einfluss des Katu/awa-Gen-Fts abgeschafft." Dagegen rar nach Ausspruch eines russischen Arztes diese Sitte noch in en sechziger Jahren in Japan verbreitet; er sagt: , Schwangere chnüren sich im ftinften Monat den Leib in der epigastrischen Gegend mit einem schmalen Gurt sehr fest in der Absicht, dass |er Fötus nicht zu gross werde und die Geburt nicht erschwere." Wenn nun die Leibbinde auf den Unterleib der Schwangeren Inen stetigen Einfluss ausübt, so hat man l>ei anderen Völkern lurch Manipulationen, durch Kneten, Drücken und Mas- iiren des Unterleibes einen ununterbrochenen Druck angewendlet. }H» Geschäft ruht zumeist in den Händen von gewerbsmässig Hülfe- tisienden, die damit die Absicht verbinden, eine etwa vorhandene »Ische Lage des Kindes zu corrigiren. Die Manipulationen aljer fhören in das Bereich des so ausgebreiteten, bei zahlreichen Völ- kern beliebten Knetverfahrens. In Java wird von den Matronen, reiche Hebammendienste leisten, der Unterleib der Schwangeren eknetet; dieses eigentbümliche Verfahren heisst nach Köf/el ,Pit- "pk*", nach Ilas.skarl ,Pidjed''. Das sind gewiss dieselljen Mani- pulationen, Avclche bei den Alfuren auf Celebes (in Limo lo *ahalaa auf der nordcelebischen Landzunge) während der ^hwangerschaft ununterbrochen vorgenommen werden, um dem Kinde die rechte Lage zu geben. {Tiiedel) Von einem ähnlichen ^erfuhren der Hebammen in Mexiko berichtet v. Uslar. Auch wird der Hepublik Guatemala der Schwangeren von der Hebamme llmonatlich der LTnterleib gerieben und geschüttelt, ,um der Frucht Ke gehörige Lage zu geben." (Bernouilli.) Den russischen »uen in Astrachan wird ,im Falle einer zu frühen Senkimg Fötus oder einer ungünstigen Lage desselben" der Leib einge- ltet {im Russischen heisst es «pravit"). Diese Operation ver- ebten alt^ Weiber, indem sie mit der rechten Hand nach oben id mit der linken nach unten sanft drücken und stossen. {Mct/eraon.J Japan behandelt man den Unterleib durch das sogenannte Am- ilc lu einem Berichte {EnficJmunu) heisst es: Dort liearbeitet der [cJJgrhülfe den Bauch der au seinem Nacken hängenden Scbwan-

I)M Weib. 1 - Katl. S3

514

geren; er stemmt seine Schultern an deren Brllste und seine Knie zwischen ihre, so dass er sie fest ira Griff hat. Dann beginnt er von der Seite her mit den Händen zu kneten, j-eibt vom siebenten Halswirbel an nach unten und vorne, auch die Hinterbacken md Hüften, mit seinen Handflächen und wiederholt diese Behandliuig nach dem ftinften Monat jeden Morgen 60 bis 70 Male.

Man geht aber in der mechanischen HOlfeleistung zur Vor»| bereitung auf die Geburt noch weiter, indem selbst bei wenig civili- sirten Völkern eine künstliche Eröffnung der Geburtswege durch Mittel vorgenommen wird, die bereits in das Gebiet der Gebär- mutter-Chirurgie fallen. Schon die römischen Hebammen pllegtett während des neunten Monats Pessarien von Fett einzulegen und mechanische Beizungen des Muttermundes vorzunehmen.

Auf der Iiwel Yap werden der Schwangeren schon circa eineu Monat vor der Gebi^ aufgerollte Blätter einer nicht überall auf Yap wachsenden Pflanze in den Muttermimd eingeführt und immer gegen neue, dickere Rollen gewechselt. Sie sollen den Zweck haben, den Muttermund . zu erweitem , um die Geburt schmerzloser zu machen, {v. Miklucho-Maclatf.) Sie wirken also in ganz ähnlicher Weise wie die Pressschwämme oder wie die Laminaria- oder Tupelo- Quellstifte.

S5. Das Baden und £insalbcn während der SchwangerschaftT

Der Gedjmke, dass Bäder und Oeleinreibungen der Schwangeren nützlich sein können, liegt sehr nahe und so ünden wir dieselben auch vielfach in Anwendung; insbesondere sind sie während der letzten Zeit der Schwangerschaft bei den Orientalen sehr gebräuch- lich; doch auch viele andere Völker benutzen dieselben. Wie nochi jetzt in Indien, so wird auch wolü in der frühesten Zeit im Lande j .des Ganges von diesen Mitteln Gebrauch gemacht worden sein-j Allerdings möchte nach der im Allgemeinen unvoUkommenen Uebersetzung des schon vielfach erwähnten, von Susruta geschrie- benen Werkes Ayurveda in das Lateinische, welche wir Ut^ler verdanken, scheinen, als ob jeuer alte Autor der Schwangeren Eiii- salbuugen überhaupt verboten habe. Allein Viälers übersetzt die-i selbe Stelle: ,Sie soll sich nicht selbst einsalben." Nach di«M«yj letzteren Lesart hielt es also Susrtäa nur für schädlich, wena die Schwangeren dergleichen Manipulationen eigenhändig besorgten. Kicht nur bei den höheren Kasten Indiens ist das Baden in d«ri Schwangerschaft sehr beliebt, sondern auch die Najer-Frau oimiot, wenn sie schwanger ist, mehrfach Bäder mid soi^ Überhaupt ftrj das gute Betindeu dos Körpers.

Wie auch üchon im nltcn Rom während des neunten S- '••"■"•— "i"*« Fett, freilich auch a'

86. Blatentziehungen während der Schwangerschaft. 515

nische Reizungen des Muttermundes in Anwendung zogen, so Hessen auch später altarabische Aerzte, wie BJicuies, während der letzten rierzehn Tage Bäder und Oeleinreibungen vornehmen.

In China werden den Schwangeren Bäder von kaltem Wasser uid Seebäder angerathen; doch fürchtet man in anderen Gegenden, durch das- Baden Schwangeren zu schaden. Im birmanischen Reiche feiert man z. B. den ersten Tag des Jahres durch grosse Feste, wobei Jedermann, der auf der Strasse geht, er mag noch 80 hohen Rang haben, in das Wasser getaucht wird; nur schwangere Frauen sind yon dieser Ceremonie befreit, sie brauchen nur durch ein Zeichen anzudeuten, dass sie respectirt sein wollen. (Hureau.)

Bei den russischen Frauen in Astrachan beisteht die Pflege der Schwangeren hauptsächlich im Einreiben des Unterleibes mit Oel oder Butter. {Meyerson.)

Auch sehr unciütivirte Völkerschaften haben ganz ähnlichen diätetischen Brauch: auf den Tonga-Inseln reiben die Weiber den schwangeren Leib mit einer Mischung von Oel und Gelbwurz ein, um sich vor Erkältung zu schützen, {de liienmi.) Ebenso müssen die schwangeren Frauen auf Seranglao imd Gorong, sowie auf Ambon und den Ulia^e- Inseln sehr viel baden, und auf den letz- teren Inseln müssen sie ihren Körper täglich zweimal mit fein- gestampften Pinen- und Warear- Blättern bestreichen.

Während französische Geburtshelfer, unter Anderen schon Pare, während der Schwangerschaft zur Erleichterung der Geburt fette Stoffe in die Schenkel, die Schoossgegend, das Mittelfleisch und die Geschlechtstheile einzureiben empfahlen, finden wir in dem ältesten deutschen Hebammenbuche von Rösslin das Verbot: „Auch darf sie keine Schwitzbäder, Salbungen des Leibes und Kopfes vor- nehmen.** Dagegen sind jetzt in Deutschland bei den wohlhaben- den Städterinnen laue Bäder am Jlnde der Schwangerschaft sehr beliebt, um die Geburtstheile zu erschlaöen und die Spannung der Bauchhaut zu mindern.

86. Blatentzlehangeii während der Schwangerschaft.

Bekannthch hat das Blutlassen lange Zeit hindurch bei den Gultorvötkem eine ganz besondere Rolle gespielt; auch während der Schwangerschaft war es noch bis vor gar nicht zu entfernter Zeit ein sehr beliebtes, vorbeugendes Volksmittel. Aber auch bei rohen Völkern finden wir vereinzelte Spuren der Meinung, dass das BJnilassen nützlich in der Schwangerschaft sei. In Brasilien bringen sich unter den Mauhee- Indianern aus diesem Grunde aianche schwangeren Frauen Wunden an Armen und Beinen bei. («. MarHM)

Sehon frfilkb^ann der Kampf der Aerzte gegen die Unsitte dieses fbrandiB. Da Su&nita die Blutentziehungen in der Schwan-

33*

516

XVII. Die Tlie»pie iet SchwangerBcbaft.

Jerschaft als schädlich verbietet, und- da die alten Inder in allen solchen Dingen den Brahmanenäi"zten und ihren Rathschlägen ge- wiss grosses Vertrauen schenkten, so ist anzunehmeu, dass sie das Blutlassen der Schwangeren wirklich vermieden. Weun aber Janiii jener altarabische Arzt Rha^cs vor dem unnöthigen AderlasseE der Schwangeren warnt, so ist es wahrscheinlich, dass es zu setnet Zeit schon im Volke recht gebräuchlich war, während der ietztei Periode der Schwangerschatt häufig Ader zu lassen.

Orientalische Völkerschaften lieben das Aderlassen, beispiebj- jWeiae die Perser, deren an den Aderlass schon gewohnte Frauen ich im sechsten und siebenten Schwangerschaftsmonat einen Ader- vornehmen, während ihn dieselben in den ersten Monaten^ be-j sonders gegen Ende des dritten, ft\r schädlich halten. [PolaJc.)

Mitunter wird in China während der Schwangerschaft ein Ader-l lass gemacht, eine Operation, die erst durch Mi,s.siouäre in China eingeführt wurde und ,das Mittel der Fremden" heisst. Da« Volk glaubt, dass eine Schwangere eich nie «von einem Manne die Ader öffnen lassen darf, und die Hebammen erhalten natllrlich das Volk in diesem Glauben zu ihrem eigenen Vortheil. {llnreau.)

Sehr beliebt ist das Aderlassen während der Schwangerschaiti unter den Dalmatinern, welche bekanntUck slavischer Abkunftti sind. Sie sind, wie es scheint, schon darin den Italienern sehr] älmlich, dass sie übergrosse Freunde des Aderlasses überhaupt sind./ Dort müssen, wie DerhJich berichtet, die schwangeren Weiber,! wenn die Geburt ohne üble Zufälle vor sieh gehen soll, zweimal sichj die Ader öftiien ujid wenigstens einige Pfiind Blut entziehen lassen :[ 1. in den ersten iTmf Monaten, falls Erbrechen, Schwindel, Kreuz- oder Brustschmerzen, Harndrang, Zalmweh u. dergl. sich einstellen. Zeigen sich aber diese Zufalle nicht, oder nur in sehr geringem Grade, dann muss man erst recht zum Aderlass seine Zuflucht | nehmen, um diesen üblen Symptomen vorzubeugen. 2. In den letzten i Wochen der Schwangerschaft; man hält es für ein Präser^'ativmittelJ gegen Krämpfe, Blutfluss und Apoplexie, wenn die Schwangere mi der Aderlassbinde in das Wochenbett sich begiebt.

In Deutschland glaubt-e man lange, dass die Schwanger ihrer Gesundheit wegen vor der Niederkunft Blut lassen müssen.] Chirurgen, Bader und Hebammen hielten streng auf Befolgung/ dieses Vorurtheils. Die alten Hebammenordnungen verboten d»»j Aderlassen nur in der ersten Schwangerschaftsperiode. Nach der! Hebammenordnung des Lonicerus zu Frankfurt a. M, (1573) soll die Schwangere ^in den ersten vier Monaten nicht Blut lassen, auch] nicht Purgireu, denn es sind in dienen Monaten die Bande d«* Frucht gar weich, zart und schwach." Noch in den letzKii .Uhr* zehnten glaubten die Frauen im t' ?'- ■•>><• -i-i- »i-nir-Mtl »Irr Schwangerschaft den wietlcrholte;

87. Die mei

iem

rmmgexen.

in der Pfalz der Fall, indem dort (nach Pault) die Schwau- anf dem Lande fast ohne A'usuahme Aderlässe voruehmen. Im Anfange des 17. Jahrhunderts hat aber bereits Hippolytus fdunrinonias in seinem grossen Werke vor dem Schaden gewarnt, der ftir Mutter und Kind aus dem Aderlass erwächst. Er betitelt das entsprechende Kapitel: Von dopelt Tyrannischen, dopelt ver- wegenen, aller gebür straffwürdigen .\derlass-Grewln der schwangern r "Weibern.

S7. Die niedicanientöse Bebandtang der Sehwangeren.

In Deutschland, wo sich von jeher eine grosse Neigung zur Quack- isalbcrei geltend machte, hatten während des 16. Jahrhunderts die Hebammen

leinen reichhaltigen Medicamenten- Apparat gegen die kleinen und grossen Leiden der Schwangerschaft: Wenn die Schwangere gefallen oder erschreckt

[ist, 80 dftSB man den Abortus förchtet, soll sie nach Anweisung alter Heb- Bmmenbücher zur Verhütung desselben sich die Geschlecbtstbeile berftnchern latisen und den Leib vorn waschen mit Wasser, in welchem Alaun, Gall- Spfel, Schwarzwurz, Wein und Essig gesotten wurde. Frauen, welche ge- wöhnlich zu früh niederkommen, sollen wälbrcnd der Schwangerschaft sich alle Tage ein Fussbad bereiten lassen aus Odermennig, Camillenblunjen,

I Dill, Steinbrech und Salz zu gleichen Theilen, und darin eine Stunde vor dem Nachtessen und drei Stunden nach demselben die Schenkel erwärmen und mit warmen Tüchern abtrocknen, auch etliche Tage nüchtern einen Oold- gfllden schwer von der gedörrten inneren Haut des HQhnernragens mit Wein einnehmen. Bei Verstopfung rausate die Schwangere nach Angabe der Hebammenordnung des Adam Louicerus (Frankfurt a. M. 1573) «Biretsch- kräutlein mit Butter oder Lattichmiislein" gebrauchen, nöthigenfalls Stuhl- Käpäein aus Honig und Eidotter oder von Venetianischer Seife; wenn

-das nicht half, do wurde mit Rath eines Medici eine Purgation aus Manna und Casaia (Senna) gereicht. Wenn die Frau viel Ohnmacht und Beschwerniss nach der EmpflngniaB empfindet, so soll sie einen .Morettrank" oder einen

I Trank von Rosen wasser, Ampferwasser, Zimmet und Manuchristiküchlein gemacht trinken. So sie »Unlust zur Speise* hat, soll sie des Morgens ein Trünklein von tiranutensyrup , Zimmetröhren und Ampferwasser oder einen guten ,Morettrank* gebrauchen, ein Mogenpfloster legen und die Herzgrube mit Ma«tixJil, Balsaniöt, Wermuthöl, Quittenöl u. a. w. schmieren. So eine Fmu ihre , gewöhnliche Blume» (die Menstruation) bekommt, soll sie fol- genden Scliwaden unten an sich gehen lassen und davon schwitzen: von gro»iacm Wegerich, Eichenlaub, Brombeerlaub, Fünffingerkraut, Taubenmist, Bohnenstroh und Habcrstroh von jedem gleich viel in Wasser gesotten; auch

I RoU Bio a\\ ihre Koi^t mit Wasser Itereiten lassen, darin ein Stahl gelüscht ixt. Jetzt kennt man in Ditjutschland unter dem Landvolk allerlei Mittel

|l{<!g«n die Beschwerden der Schwangeren. In der Pfalz rathen gegen du Erbrechen die Hebammen gewöhnlich Camillen-, Pfefferminz-, Zimmet-

{tiiee, ein/^n Löffel voll Malaga- Wein, auch aromatische Anfschlilge von Leb» Branntwein, Nelken, Zimmet, .Vluskatnuas oder Hiesspapier mit wnsser. Auch sympathetische Mittel werden hier und da nicht ver- milir.. Die in der letzten Zeit der Schwangerschaft bisweilen eintreten<le jtpj>fu0g bekämpft mun durch ein Glaa Honigwasser, Abends vordem

518

SVH. Die Therapie ätr Schwaagencbftf

Schlafengehen getrunken, oder darcb Senneablätter und kleine Rosinen mit Zwetechenwasser infundirt, des MöVgens getrunken; zuweilen . anch dureh Bittersalz in Fleischbrühe; auch nimmt man zu Kljstieren seine ZuflnchL Gegen ürinbeachwerden brauchen die Schwangeren Dämpfe von Ca- millen, Kleien und HoUunder in knieeuder Stellung, auch Einreibung ron weissem Lilienöl, sowie Trinken von Mandelmilch. Bei varicöscn Venenj werden spirituOee Einreibungen angewendet; bei Oedetn der SchamlippeoJ trockene aromatische Fomentationen, auch örtliche Dampfbäder. Beim Herz- klopfen Schwangerer wenden die Hebammen Getränk von kaltem Wasser oder Zuckerwasser an. (PaitU.)

Abführmittel waren bei Schwangeren in Den lach 1 and fast Oberall zur , Blutreinigung" sehr beliebt. Nicht bloss die oben erwähnte Frank- furter Hebammenordnung verbietet schon ausdrückUch das Pargiren der Schwangeren in den ereten vier Wochen wegen der abortiven Wirkung; vielmehr wurde schon im Talmud (Tr. Pasachim) angedeutet, dass atarke Abführmittel Abortus zur Folge haben können; und auch schon der alt* arabische Ar^t Rhazes warnte vor dem Missbrauch der Purgantien gegen j Ende der Schwangerschaft.

Behufs Erlangung einer leichten Entbindung beiascn die in Franken^ (Bayern) wohnenden israelitischen Frauen in der Schwangerschaft die Stiele des Paradiesapfels ab. {Mayer.)

Bei den Römern genossen die schwangeren Frauen zur Vorbereitung auf eine glückliche Geburt, theiis auch um den zu frühen Abgang der Frucht I zu verhindern, Schnecken, einen Trank von Diptam und Granatapfelschalen; uliter den aberglUubischen Mitteln befanden sich ferner Asche vom Ibis, ! Steine, die sich in Bäumen befanden, das Auge eines Chamäleon, das einem Kinde zum ei-sten Male abgeschnittene Haar, Harnsteine u. s. w.

Im jetzigen Griechenland herrscht keine .besondere Behandlung der schwangeren Frau; wenn eine solche an irgend einer acuten oder chroaiächen Krankheit leidet, so ruft man deshalb doch keinen Arzt, weil man im Volke J jedes Arzneimittel für abortiv hält. {Damian Georg.)

Bei den Naturvölkern wird nur selten, nach den Berichten der Reisenden .j von Arzneien in der Schwangerschaft Gebrauch gemacht. Doch sind einige] Beobachtungen in dieser Hinsicht immerhin bemerkenawerth. Einen sonder- baren Zweck bei Verabreichung von Medicamenten in der Schwangerschaft] verfolgen die Neger zu Old-Calabar in Ostafrika (Unvan): sie prüfeal die Empffingniss mittelst Arzneien. Es gelten ihnen nämlich drei Arten von! Schwangerschaft fOi- verhängniasvoll; Zwillinge, eine abgestorbene Frucht unilj ein bald nach der Geburt absterbendes Kind. Die Entwinkelung solcher donxj Untergange geweihten Früchte sollen nun Arzneien stören, wobei man sich vor-| stellt, eine jenen Arzneiprüfungen widerstehende Frucht sei gesund und stramm, j Wird darauf das Ei ausgestossen, so gilt es als unter die unglückliche Rcihrikj gehörig. Die Mittel worden nun zuerst durch den Mund und den Mastdarm j beigebracht, dann durch die Scheide, und in dem Falle, doas den erfteren ein] blutiger AbBuss nachfolgt, auf den Muttermund selbst applioirt. 7" .ii.»...rn Bc- hufe bedienen sie sich dreier Kräuter: einer Legnmin ose. einer \ iarl

(Euphorbia) und eine* Amomum. Der Stengel der Wolftiroili li «im, vuin Safte triefend, in die Scheide hinaufgeschoben; auf den LcifuminoiKinKtuigo! wird etwas gekauter und eingespeichelter Guinea T' " ' , woranf

in wenig Tagen die Fehlgeburt erlolgt. Die ;; l wirN» ^

nicht selten so heftig, dase allgemeinoa UebelbeiiuUcn, OiswcUcn der TH erfolgt.

87. Die medicameutSse Behandlung der Schwangeren. 519

Ein Volksnuttel in China bei Schwangerschaft, wenn die Bewegung der Leibeafracht üngelegenheit verursacht, ist ausser Ning kuen-tschi- pao-tan (Mennigroth) ein Absud vom Seekohl und der weissen Bergdistel. [Schwarz.) Wenn in China eine Schwangere von einer Krankheit befallen wird, 80 hüten sich die Aerzte, diejenigen 'Mittel zu verordnen, welche im normalen Zustande Hülfe leisten; sie glauben, durch die Schwangerschaft Bei die Natur der Frau völlig umgekehrt. Deshalb verordnen sie derselben anch eine besondere Arznei. Nur einige dieser bei Schwangerschaft ange- wendeten Mittel sind uns bekannt: Ginseng alsTonicum; Pfeffer und Ingwer als eröffnendes Mitlei; Rhabarber als Purgans. Das Erbrechen der Schwan- geren bekämpfen die Chinesen mit Erfolg, wie sie sagen,' durch das arsenig- laore Schwefeleisen, das sie auch als Abführmittel benutzen; ausserdem geben sie, obgleich in kleinerer Gabe, die arsenige Säure, welche sie im Wechsel- fieber höher schätzen als Chinin. Gegen den Medicamenten-Unfug während der Schwangerschaft eifert auch ein chinesischer Arzt {v. Martitis); am anschädlichsten, sagt er, sei noch die Arznei Dschah-wa-ru-rah. Hat die Schwangere Schmerzen in der Gebärmutter oder in der Lumbargegend, so wendet die Hebamme die Acupunctur an, wobei sie die Nadeln selbst bis in die Gebärmutterhöhle einsticht; ja sie sucht sogar den zu lebhaften Fötus dadurch za beruhigen, dass sie ihn ansticht. (^Hureau.)

XVIIL Normale und abnorme Schwangerschaft.

88. Die La^e und das Stürzen des Kindes im Matterleibe.

Durch den Mangel genauer geburtshülflicher Untersuchungen im Alterthum und Mittelalter erklärt es sich, dass man lange Zeit über die normale Lage des Kindes innerhalb der Gebärmutter im Unklaren blieb, aber höchst merkwürdig ist die Uebereinstimmung scheinbar von einander höchst unabhängiger Völker in der Vor- stellung, daas das Kind während der Schwangerschaft ganz plötz- lich seine Lage ändere. Erst die neuesten klinischen Beobachtungen haben über die letztere Thataache das nöthige Licht verbreitet.

Ueber die Lage der Frucht im Uterus sagt der Talmud:

.Rabbi Simlai erklärt, dass das Kind im Mutterleibe einem zaEammen- geroUten Buclie ähnlieh liege; die Hilnde sind auf beiden Seiten zusaroroen- gelegt, beide Ellenbogen auf die Hütten und die FuBsfersen auf die Hinter- backen gestützt, das Haupt zwischen den Knieen-, der Mund ist geschlossen, aber der Nabel otFen; es geniesst dieselbe Nahrung, welche die Mutter sich nimmt ; Excretion findet nicht !<tatt, weil die Mutter dadurch gefährdet würde. Mit der Geburt wird der Nabel geschlossen, der Mund geöffnet. sonst würde dos Kind unmöglich leben können."

Bei Hippolraies finden wir zuerst den Satz aufgestellt, dass „alle Kinder mit dem Kopfe nach oben erzeugt werden, an den Tag aber ' treten viele auf dem Kopfe und werden viel sicherer frei, als welche auf die Fttsse geboren werden." Als Vorbereitung zur Geburt gelten ihm die Zer- reissung der Eihäute mit Umwälzung des Kinde8köq>era ; er sagt: „In den letzten Tagen der Schwangerschaft tragen die Fraijen ihre B&ncbe am leichtesten, weil es dem Kinde gelungen ist, sich zu wenden." Ein Aengstigen des Kindes, so glaubt er, störe dessen selbständige Wendong.

An diesem Erbirrthum des Hippokrates, der sich lange Zeit durch die ganze Literatur als Dogma erhielt, leidet auch Aristoteles, indem er sagt:

„Bei allen Thieren befindet sich gleichm&ssig der Kopf im Ci« oben^ wenn sie aber gewachsen sind, und schon auszutreten strt'i «ie

»ich abwärts." Und in dem Uucb*« ..P^ «renerat. aniTnal." ;= i .ijif '

60cht deshalb bei der Geburt d als unter dem Nabel liegt; du- wie das Ofth&nge «iner Waage dahin n >^rii. -

Di« Lii

rSla des Kinde« inOsäf

Aristotdcs beschreibt die Lage des Embryo beim Meuscheu V, dass er die Nase zwiscbeu den Knieen, die Augen auf denselben» Obren aber ausser denselben hat. Anfangs liegt der Kopf auf- arte, bei weiterem Wachsthum und Drange zur Geburt gelangt ftr Kopf durch ein Umstürzen des Embryo nach unten, indem er durch sein Gewicht auf den Muttermund sinkt.

Diese L'mdrehung der Frucht nannte mau später das Stürzen Embryo oder la Cnlbüte. Nach Snsritta erfolgt dasselbe vor Gebm-t.

Wir wissen, wie sehr sich dieser Irrthum durch alle Cultur-

Iblker hinzieht. Ja selbst zu der Zeit, als man begann, Leichen-

lungeu vorzunehmen, beheiTschte der Lehrsatz vom , Stürzen*

}ch lange die Anschauung. Obgleich Aranfius, ein Schüler Ve-

Is xmi Professor in Bologna, seiner eigenen Aussage nach bei

»ichenüfFnungen sehr häufig den Kopf des Fötus in der frühesten

eit der Schwangerschaft auf dem Muttermunde fand, so verthei-

Kgte er doch die Ansicht vom Stürzen des Kindes auf den Kopf,

erlegte aber die Zeit dieses Vorganges auf den Beginn der Geburt.

Jach ihm sitzt das Kind, wenn keine besonderen Stönmgen ein-

ften, bis zur Geburt auf dem Muttermunde, da der Grund des

herus mehr Raum ftlr den Kopf des Fötus darbiete, als der dem

lutterhalse nahe Theil der Gebärmutter.

Selbst später waren die Ergebnisse der Leichenöffnungen nicht Stande, den Glauben an den alten Lehrsatz wankend zu machen, und die Abbildungen der Kindeslagen im Mutterleibe, die wir bei- )iel8weise in den alten deutschen Hebammenl>üchern von /?<yss/m, iüff u. s. w. finden, sind Erzeugnisse der Pliantasie dieser Autoren und können uns höchstens ein Lächeln Ober die Naivetät derselben »gewinnen.

Nach der Ansicht des in seinem Jahrhundert so hochangesehenen fauriceuu findet diese plötzliche Lageveräuderung im siebenten lonate der Schwangerschaft statt, und ,man muss in Acht nehmen, rann das Kind sein erstes Lager durch gedachten Sturzbaum ver- idert und diese« letzten nicht gewohnt ist, es sich manchmal der- laaMen rühret und wälzet, da»8 die Schwangere meinet, sie müsse jr Kind gleich haben wegen der Schmerzen, die sie dabier em- Undet."

Noch wi^niger darf es uns überraschen, wenn wir finden, das» loch heute in Deutschland, vielleicht auch in Frankreich und ingland, hier und da das Volk vom Stürzen des Kindes im Mutter- »pricht: vielfach ist in Deutschland unter dem Volke diese bekannt; so fand sie beispielsweise Tliigel im F ranken - Ftide. Es war ja in den ältesten Hebammenbüchem der Deut- ^iien ebenfalls vom Stürzen des Kindes die Rede, und jedenfalls IM» dii- alten Hebammen diese Sage in das Volk. [)ie Gelehrten waren auch darüber uneinig, worin man den Inind dieser Lageveräuderung des Embryo zu suchen habe, ob es

522 XVni. Normale und abnorme Schwangerachaft.

sich hier um einen Instinct des Kindes, oder um rein mechanische Verhältnisse handele. Die erstere Ansicht vertrat Hippohrates, die letztere Aristoteles.

Die bessere Erkenntniss kam erst nach und nach. Der Erste, welcher die Lehre bekämpfte, war BecUdus Columbus, ein Schüler Vesäl's, Im 12, Buche seines Werkes De re anatomica (1559) ver- wirft er Alles, was jnan über das Stürzen des Kindes „simiarum instar seu funambulorum et mimorum" gefabelt; denn die Enge des Ortes dulde diesen Wechsel der Stellung nicht. Trotz dieses Ein- spruchs verharrte man noch lange im alten Glauben und erst später wurde derselbe ausgerottet durch Männer wie SmeUie, Solayres d€ Benhac und Andere.

Als nun nach so langer Dauer und so allgemeiner Geltung die Lehre vom Stürzen des Kindes gestürzt worden war, wurde es unter den Geburtshelfern ganz stille über den Vorgang einer Lage Ver- änderung des Fötus, und dies ist es wohl, was nunmehr, nach- dem erst vor wenig Jahrzehnten die thatsächlichen Erscheinungen festgestellt worden sind, die grosste Verwunderung erregen mussr. Wie konnte es konunen, so fr^te man sich, dass so zahlreiche tüchtige Geburtshelfer in imserem Jahrhundert die Erscheinungen nicht fanden? Warum entgingen ihnen die Erscheinungen? Haben sie dieselben überhaupt nicht beobachtet? Ich meine gegenüber diesen Fragen, dass Lageänderungen doch wohl hier und da beob- achtet worden sind, dass man sich jedoch nicht getraute, mit seinen Beobachtungen in die Oeffentlichkeit hervorzutreten, weil man sich gegenüber der allgemeinen Ansicht, dass es kein , Stürzen*, keine „Lageveränderung* giebt, in seinem ürtheile gefangen gab oder fürch- tete , zurechtgewiesen zu werden. Unter dem Drucke eines aU- gemein gültigen Dogma ging es hier den besser beobachtenden Geburtshelfern hinsichtlich der Zurückhaltung bei Veröffentlichung ihrer Erfahrung gewiss ebenso, wie früher denjenigen, welche nicht wagten, gegen die Lehre vom Stürzen des Kindes Opposition zu machen.

Der Erste, der durch öfter wiederholte Untersuchungen an Mehrgeschwängerten mit offenem inneren Muttermunde das Vor- kommen des Wechsels der Fruchtlage constatirte, scheint Onytmts gewesen zu sein. Er fand; dass unter 43 Schwangeren nur bei 27 die Fruchtlage bis zur Geburt dieselbe blieb ; er erklärte sowohl die normale Schädellage als auch die verschiedenen Verändenmgen der Fruchtlage aus den Gesetzen der Gravitation. Seine Angaben blieben von den Verfassern der geburtshülflichen Lehrbücher fast ganz unbeachtet.

Wenn Männer, wie Justus Heinrich Wigand, wie Frans Carl Nägele und Andere, deren Wirken für eine exacte Beobachtungs- methode so maassgebend war, und von denen der erstere auch die Lageveränderung des Fötus durch die sogenannte äussere Wendung lehrte, die selbständig vorkommende Lageveränderusg des Kindes

tmfl

in ihren Werken nicht erwähnen, lässt sich allerdings annehmen, dasB sie überhaupt den Vorgang niemals beobachtet haben.

Die Ersten, welche in neuerer Zeit gewissermaassen das Wag- jjiiss unternahmen, sich vom Autoritäteu-Glanbeu wiederum bezie- Iheatiich der Lageverjinderungen des Fötus entschieden loszureisseii, Paul Dubais, dann aber in Deutschland v. Scanzoni. Allein es waren keineswegs die Resultate wiederholter ünter- sQchnngen au Schwangeren, welche sie als Beleg für ihre Meinung iaüft\hrten. Vielmehr beriefen sie sich auf den statistischen Vergleich : der Früh- und der rechtzeitigen Geburten mit der relativcu Zahl |der Kopf-, Steiss- und Querlagen: bei Frühgeburten kommt, so fand man, in den ersten Schwangerschaftsmonaten der Fötus unver- hÄltniasmässig oft mit dem Steisse gegen den Hals des Uterus ge- richtet, und die Häufigkeit dieser Lagen nimmt in eben dem Maasse 'flb, als sich die Schwangerschaft ilirem Ende nähert. Gleichsam entschuldigend über seine Abtrünnigkeit sagt t', Scansoni (1853): »Man wird uns nun vorwerfen, dass wir gegen die Ansicht der [grössten Autoritäten die Lehre vom sogenannten Stürzen (Culbüte) [des Fötus zu vertheidigen suchen. Wir müssen jedoch bemerken, [doss uns einestheils die von den Gegnern dieser Ansicht vorge- brachten Einwürfe nicht stichhaltig und andemtheil.s unsere Be- [obachtungen im Verein mit jenen Duhois' beweiskräftig erscheinen.* Scamoni spricht liier nur von einem Vorgange, der sich vor [den letaten Schwangerschaftsmonafen ereignete, denn er sagt: ,Wir [hegen die fe.^^te Ueberzeugung, dass der Fötus in den ersten Schivan- [gerschaftsmonaten, wenn nicht häufiger, so doch gewiss ebenso oft 'mit dem Steissende nach abwärts gerichtet ist, als mit dem Kopfe, »md dass eine vollkommene Umdrehung desselben nicht niu- mög- lich erscheint, sondern gewiss auch in sehr vielen Fällen wirklich {erfolgt.' Von einem Wechsel der Lagerung im Verlaufe [der letzten Schwangerschaftsperiode sprach er damals noch nicht.

Die neueren Beobachtungen haben nun unzweifelhaft bewiesen,

^dass ein Wechsel in der Lage des Embryo sehr häufig ist und um

leichter eintritt, je weniger weit die Schwangerschaft bereits vor-

I gerückt ist. Auch ist derselbe bei Mehrgeschwängerten weit häufiger

und selbst noch kurz vor der Geburt nicht selten, während er

»ei Erstgeschwjingerten in den drei letzten Schwangerschaftswochen

mr sehr ausnahmsweise noch vorkommt. Am häufigsten wandeln

{•ich Querlagen und Steisslagen in Schädellagen um, nächstdem

chädellagen in Querlagen und Steisslagen, aber Steisslagen gehen

shr selten in Querlagen Ober und auch das Umgekehrte findet

(selten statt. (Schwcdcr.)

Der Kampf der Aristoteliker und der Hippokratiker ober Ue Ursache der Lageveränderung des Embryo ist dvirch die neueren Poraclmugen dahin entscliieden, dass sie alle beide Recht haben. )emi einerseits begünstigt die Schwere des kindlichen Kopfes die

XVIII. Normale m

Ausbildung der Schädellageu, andererseits aber wirkt auch der Em- bryo selber durcli reflectorische Bewegungen hierzu mit, da er stets bemuht ist, dem Drucke der Gebärmutterwand auszuweichen.

Solche Beobachtungen von Lageveränderungen des Fötus, sei es direet an Schwaugereu, sei es indirect auf Grimd der Erfahrungen bei Früh- und rechtzeitigen Geburten, sind es auch gewiss gewesen, welche der Lehre vom Stürzen des Kindes eine weit grössere Aus- breitung verschafft haben, als in unserer geburtshüll" liehen Literatur gewöhnlich angegeben wird. Man erstaunt, wenn man findet, dass Völker, die, wie es scheint, keinen literarischen Austausch imter ein- ander gepflogen, in ganz gleicher Weise, wie die alten und neuen Oulturvölker, wenigstens in früher Zeit das Dogma von der Culbüte aufgestellt haben. Ich will hier einige dieser Völker und ihre An- sichten in Kürze unllihren.

Die talmudischen Aerzte schrieben: Wenn die Zeit der Ge- burt gekommen ist, so wendet sich das Kind und geht heraus; und daraus entstehen die Schmerzen der Frau. [Israel.)

Auch ein chinesischer Arzt sagt in einer gehurtshülf liehen Abhandlung : Das Kind drehe sich im Mutterleibe um, bevor es aiis demselben zum Vorschein kommt. Nicht minder meinen die chine- sischen Aerzte ähnlich wie Hippolrates., dass ein Aengstigen des Kindes die Geburt störe. Femer steht in einer f. Martins über- setzten chinesischen Abhandlung: „Sowie nun das Kind sich um- gewendet und nach unten hingekehrt hat, werden auch alsbald die Geburtsweben bei der Mutter zmiehinen"; und es wird die Fnige aiügeworlen: »Wendet sich denn das Kind im Mutterleibe selbst?' worauf die Antwort erfolgt: , Freilich wohll"

Bei einigen Völkern scheinen die Frauen auf die Kindesbewe- gungeii besonders und zeitig zu achten. Gegen Ende des dritten Monats, häufiger jedoch in der ersten Hälfte des vierten, iUhlt die Aunamiten-Frau die Bewegungen des Kindes, Dann kündigt sie dies sofort allen Nachbarinnen mit grösster Befriedigung an, indem sie bei jeder Bewegung des Fötus sagt: ,er amüsirt sich, indem er sich schaukelt."

Ebenso wie die Chinesen glauben auch die Japanesen no die Umwälzung des Kindes. Der geburtshülfüche Reformator in Japan. Kanf/ann, tritt gegen diese im Volke herrschende Aii- schauung auf: .Ein bedauerlicher Irrthum ist es, wenn man glaubt, dass vor der (teburt die Frucht sich umdreht; mau sieht dann nicht ein, dass die Querlage oder umgekehrte Lage von Anfang der Schwangerschaft besteht und sich mehr von selbst einrichtet; es wird dadurch ein rechtzeitiges Handeln der Hebammen oder des Geburt»- helfers verhindert. *

Die nach einem japanischen Holzschnitt gefertigte Fig. 89, welche einige Lagen des Kindes im Mutterleibe veranschaulicht, läset wohl schon die Einwirkimg europäischer Lehrt*" •"- kennen.

88. Die Lage und das Stürzen des Kindes im Mutterleibe. 525

Fig. 39. Japahiiohe Darstellang der Eindeslagen im Mntterleiba. (Nach einem Japauisclieu Hulzüchuitte.)

Bei vielen Völkern findet, wie wir sahen, während der Gravi- dität ein regelmässiges Kneten und Streichen des Leibes statt. Viel- leicht liegt auch diesen absonderlichen Maassnahnien die Anschauung zu Grunde, dass das Kind im Mutterleibe in seiner Lage beein- flusst werden könne und müsse.

Ob gewisse eigenthümliche Methoden der Leichen})estattung ihre Ursache, wie manche glauben, in der Auifassuiig haben, dass der Verstorbene der Mutter Erde zurückzugeben sei in derselben Stellung, die er im Leibe seiner Mutter eingenommen habe, da.s will dem Herausgeber nicht recht einleuchten. Man hat die Bei- setzung der Leichen bei den Basuthos imd den Peruanern in dieser Weise zu deuten versucht, und man müsste dann natürlich auch daraus den Schluss ziehen, dass diese Völker bereits eine deutliche Vorstellung von der Lage der Frucht in der Gebärmutter besässen.

89. Die Schwangerschaft ausserlmlb der Uehärmutter.

Bei einzelnen Völkern finden wir mehr oder weniger deutliche Spuren davon, dass ihnen das Vorkonunen einer Schwangerschaft ausserhalb der Gebärmutter bekannt ist.

Der altindische Arzt Susruta scheint an einer Stelle des Ayurvedas auf eine solche Schwangerschaft, wenn auch nur un- deutlich, hinzuweisen : „Das vom Vayu beunridiigte und zum Leben gekommene Sanienblut bläht den Leib auf. Dieses wird dann bis- weilen durch seineu eigeneu Gang iu Ruhe gebracht und auf dem Wege der Speisen fortgeschafft; bisweilen aber stirbt es ab und man nennt es dann Nagodara (Brusthamisch). In diesem Falle verfährt man wie beim todten Fötus." Vullers glaubt in dieser von ilmi übersetzten Stelle des Ayurvedas zwei Ausgange der Ex- trauterinschwangerschift vor sich zu haben: die Auflösung der Frucht und deren stückweise Entleerung nach Aussen oder in den Mastdarm oder in die Blase ; und zweitens die Verwandlung des Fötus in eine fette, wacbsähnliche, von einer knöchernen Rinde um- kleidete Masse (Steinkind, Lithopädion).

Die Legende der Buddhisten sagt, dass der Knabe Buddha durch die rechte Seite oder Achselhöhle seiner Mutter geboren wor- den sei. {Kocpjjcn.)

Die Rabbiner des Talmud nannten „Jotze Dot'an" ein Kind, welches aus der Bauchseite der Mutter heraustritt. Ein Jotze Dofan kann nach ihrer Ansicht lebend geboren werden ; sie behaup- teten, dass sowohl das Kind als auch die Mutter in solchem Falle mit dem Leben davon kämen. (Israel.) Sie nannten aber auch Jotze Dofan ein durch den Schnitt (Laparotomie oder Gastrohystero- tomie?) aus dem Leibe der Mutter geschnittenes Kind,

Bei Soranus findet sich ein Kapitel, in welchem vielleicht vou einer Extrauterinschwangerschaft die Rede ist: Wie erkeimt man die, welche am Magon empfangen haben (Bauch-schwangerschaftV), ob sie nach Art der Pica oder nach dem vorliegenden Zustande leiden? (näg dutXQlvofny aTOfiaxLx^v avveilijqtvtav etc.) Doch i;»t das Kapitel so corrumpirt, dass ein bestimmter Sinn nicht heraus- zufinden ist. {Ennerhis.)

Der altarabische Arzt AhitUuiseni, ttihrt in einem Kapit«! „de extractione foetus mortui" die Beobachtung einer E> 'i'

Bchwangerschaft auf, wo er durch einen in der Nabelg',. '-t

Matter sich öfi'nenden Abscess Knochen des Fötus entfernte.

XIX. Unzeitige Geburten.

90. Die Arten der nnzeltlgen Gebnrten.

Bekanntermaassen führt nicht jeder in normaler Weise ausge- führte Coitus zu einer Empfängniss, aber ebensowenig führt jegliche Empfangniss und Schwängening nun auch zu einer normalen Geburt. Wie die Früchte an dem Baume nicht alle ihre vollständige Reife erreichen, sondern ein Theil derselben bereits vorzeitig abzufallen pfl^t, so kommt es auch verhältnissmässig' nicht selten vor, dass die menschliche Frucht bereits vor abgelaufener Reifiingszeit aus dem Mutterleibe ausgestossen wird.

Tritt dieses Ausstossen der unreifen Frucht in einem Stadium ein, wo dieselbe unter ganz besonders günstigen Verhältnissen noch am Leben erhalten werden kann, so spricht man von einer Früh- geburt. Eine Fehlgeburt (Abortus) dagegen nennt man das zu Tage Treten des Kindes zu einer Zeit, in der es ausserhalb des Matterleibes ein selbständiges Leben fortzuführen noch ausser Stande ist.

Nicht allein äusserliche Umstände sind es, welche die Fehl- geburten und Frühgeburten veranlassen, sondern auch solche, die im Organismus nicht nur der Mutter, sondern gar nicht selten auch des Vaters begründet sind. Aber beide Arten der vorzeitigen Geburt werden auch absichtlich hervorgerufen theils aus verbrecherischer Absicht von den Müttern selber, theils, um das Leben der letzteren zu erhalten, durch die ärztliche Kunst.

A. Die zufällige Fehlgeburt.

91. Der natürliche Abortus, seine Ursachen und seine Verbreitung.

Wenn wir ims unter den Völkern des Erdballs mnsehen , so finden wir bei nicht wenigen derselben die natürlichen Fehlgeburten mit einer grossen Häufigkeit auftreten, und gewiss haben wir sehr

528 XIX. Unzeitige Geburten.

oft in diesem Umstände den Gnmd zu suchen, warum bei manchen Stämmen eine so geringe Zahl neugeborener Kinder beobachtet wird. Die Ursachen dieser häufigen Fehlgeburten geben in sehr vielen Fällen unverständige Lebens gewohnheiten ab. Aber den Völkern fehlt zumeist die Einsicht in die Gefahr. Bisweilen sucht man im volksthümlichen Glauben auch wohl die Ursache des häufigen Vor- kommens von Abortus in ganz falschen Dingen. Auf solchem Irr- wege scheinen sich schon die Hebräer einst befunden zu haben. Das Alte Testament bietet uns das Beispiel einer Entgiftung der Quellen durch Salz in der Erzählung von dem Wunder des Elisa, welcher eine Quelle, deren Wasser Abortus hervorbrachte, durch Hineinschütten von Salz zu einem gesunden machte (2. Könige 2, 19 ff.). Die Quelle in der Nähe von Jericho wird noch gezeigt und soll salzig schmeckendes Wasser haben. {Paulus.) Allein es liegt doch nahe, anzunehmen, dass nicht der Genuss dieses Wassers, sondern vielleicht das Tragen der dort schwer gefüllten Wassergefösse die häufigen Fehlgeburten veranlasst habe.

So trägt auch ganz gewiss bei vielen Naturvölkern die Ueber- lastung der Weiber einen grossen Theil der Schuld an dem Abortus.

An der auffallenden Unfruchtbarkeit auf Neuseeland ist nicht bloss der dort herrschende Kindermord schuld, sondern wahrscheinlich auch die auf die Frauen einwirkende Mühseligkeit ihres beständigen Wanderlebens, ihre schwere Arbeit und der Mangel an Nahrung. Während nach Muret in Europa durchschnittlich von 487 nur 20 Frauen (1:24,25^ unfruchtbar sind, stellte sich bei den Maori- Frauen das Verhältniss wie 155 : 444 oder wie 1 : 2,86. ( WfiUers- dorf- ürbair.) Nach Tuke scheint die hauptsächlichste Ursache tarn häufigen Abortiren der Maori- Weiber die harte Arbeit derselben, das Tragen schwerer Lasten und die brutale Behandlung von Seiteu der Ehemänner zu sein. Allein auch hier suchen die Leute die Ursache in etwas Anderem : Die Maori selbst meinen, die Ursache der Unfruchtbarkeit ihrer Weiber liege in dem gewohnheitsmassigen Genüsse eines gegohrenen Getränkes aus Mais.

In Neuholland sind (wie Gerland sagt) unter den Eingebo- renen bei der schlechten Behandlung der Weiber FehJ- geburten häufiger, als bei uns.

Aber eine gewisse körperliche Prädisposition dieser Völker Br Fehlgeburten muss doch ausserdem noch vorausgesetzt"" " " von anderen Naturvölkern wissen wir, dass sie trotz grosser Anstrengungen und schlechter Behandlung Schwangerschaft dennoch höchst selten zu abortiren pflegen.1

Bekanntlich werden die Indianerweiber Nordameri] Allgemeinen von ihren Männern mit Arbeit tiberlastet, und vielll abortiren sie häufig. Allein trotzdem behauptet Bttscft, dass» den Indianerfrauen Fehlgeburten überhaupt sehr seiteu, und ciu. auch ihre Ehen selten unfruchtbar sind. Und James fand das Gleiche.

91. Der natfirliche Aborina, seine Ursaclien and seine Verbreitung. 529

Nach dem mir von Polak gegebenen Bericht ist in Persien, 170 derselbe Jahre lang als Leibarzt des Schahs sich aufhielt, der uat&rliche Abortus ziemlich selten, trotzdem die Frauen während der canzen Schwangerschaft nach Art der Männer auf den Pferden reiten. Ist aber einmal Abortus entstanden, so hat Polak auch dort bemerkt, dass er sich in der nächsten Schwangerschaft wiederholt (er sah z. B. eine Frau, die 12 mal hintereinander abortirt hatte). In ähn- licher Weise äussert sich Häntzsche über die persische Provinz Oilan asEQ. kaspischen Meere.

Eine fernere Ursache für die Hervorrufung von Fehlgeburten müssen wir in gewissen manuellen Bebandlungsmethoden suchen, welchen man bei manchen Volksstämmen die schwangeren Frauen unterzieht. Wir werden dieselben später noch genauer kennen lernen. So sind z. B. Fehlgeburten und Frühgeburten bei den Mexikanerinnen häufig, als deren Grund v. Uslar in Oajaca (Mexiko) die Unsitte der Weiber anführt, dass sie sich im siebenten Monate durch eine Hebamme am Unterleibe kneten lassen, um «ine günstige Lage des Kindes zu erzielen.

Auch in Java sind die Ehen, von denen viele sogenannte „wilde", d. h. illegitime Concubinat-Ehen sind, nach dem Be- richt Kögd's unfruchtbar, weil viele javanische Frauen unzeitige Leibesfrüchte gebären. Es ist dabei keine absichtliche Abtreibung im Spiele, sondern das auf Java übliche Pidjet trägt die Schuld, d. h. die Methode, den Kopf und Leib der Schwangeren zu drücken imd sie an den Haaren und den Gliedmaassen zu ziehen. Einen ferneren Grund aber müssen wir darin suchen, dass die Schwangeren wegen der kleinen Leiden und Unbequemlichkeiten, welche mit der Gravidität verbunden sind, von den alten Matronen allerhand Medi- anen erhalten, die sie zwar nicht von ihrer vermeintlichen Krank- heit befreien, aber die Frucht zu Schaden bringen.

Die Unsitte zu heisser Bader müssen wir nach Ferrin in Tunis und nach Damian Georg in der Türkei als den Gnind des häufig auftretenden Abortus bezeichnen. Es kommt aber hier noch der Missbrauch unregelmässiger Diät, das Fahren auf schlechten Wegen, das Trocknen der Wäsche auf der Terrasse der Häuser und das mehrere Stunden lang dauernde Bereiten des Confects hinzu. Auch sollen nach anderer Angabe die Türkinnen sehr häufig in Folge des rohen geburtshülflichen Verfahrens an gewissen Frauen- krankheiten leiden, welche wiederholte Schwangerschaft oder das Austragen gesunder Kinder nicht zulassen. i ^ Auch in der Einwirkung eines ungewohnten Klimas haben wir ■jL'eüie Gelegenheitsursache zu erblicken, doch ist hierbei wohl der Hjp*gentliche Grund weniger die hohe Temperatur, als vielmehr die ^^ solchen Ländern gewöhnlich nicht fehlende Malaria. Acclimati- » sind dann minder gefährdet, als Einwandernde. Bei den Ein- ^ •Jrenen in Cayenne'und Guiana ist Abortus selten; dagegen /^Imt derselbe bei Europäerinnen, die entweder schwanger dort-

I Y***; Dm Weib. I. a. Aufl. 34

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530 * ^^ ünzeitige Gebarten.

hin kommeiL, oder alsbald nach ihrer Ankunft schwanger werden, ehe sie das klimatische Fieber überstanden haben, namentlidli im 7. und 8. Monat, in Folge des sich gewöhnlich einstellenden Fie- bers häufiger Tor. (BajoH.) Auch in den Nilländern treten bei Europäerinnen öfter Fehlgeburten auf. (HartmcmH.)

Ebenso abortiren die in Indien lebenden Enropierinnen nach dem Zeugniss von Johnson und Martin besoiäers in der heissen Jahreszeit ausserordentlidi häufig. Auch die allerdings sel- tenen Aborte in der persischen Provinz Gilan woden toh Häntz- sehe dem Sumpffiebö* zugeschrieben.

Die Japanesinnen glaubten, dass der Genuss von Süsswasser- fischen Fehlgeburten herrorrufe, ein Abeiglauben, weldier Ton dem japanischen Geburtshelfer Kangatca mit grosser Entsdnedenheit bekämpft wird. Es wäre nicht ganz unmöglich, dass wen^stens ein Thdl der absonderlichen SpeiseTorschriflen, denen bei TieJen Völkern die schwangeren Frauen unterworfen sind, anf ähnUcheii Anschauungen beruhe.

Die altindischen Brahmanenärzte haben auch eine warnende Zusammenstellung derjenigen Dinge gemacht, durch wddie eine Fehlgeburt herrorgerufen werden könne. Durch rohes Betragen, schlechten Gang, durch Fahroi, Beitoi, Wackeln, Fallen, Qoiien, Laufen, Schlagen, sdlüefes lä^oi und Sitzen, durch Fastai, starke Stösse, aDzu rauhe, scharfe und bittere Xahrungsmittd von Vegeta- bilien, zu viele Aetzmittel, sowie durch Drsoiterie, Erbredien, Ab- führen, Hin- und Herbewegen, Unrerdaulichkeit. Abxdmx^ des Fötus u. deigL wird der ^nbrjo von seinen Banden gelöst, so- wie die Frucht durch verschiedene Unfälle von den Fe»eln des Stieles. Bis zum viertel Monat kann Abortus stattfinden, aber bei ?:tarkem Fötus auch bis zum fünften und sechsten.

Ohne Zweifel ist unto* manchen Völkon Afrikas eine Feiil- geburt nichts Seltenes. So exfuhren wir, dass bei den Hotten- totten Abortus im 2. und 3. M<Hiat häufig ist {S<iersar)z in Old-Calabar hingeg«i wird von Aai Negerinnen der «.Sdiwaa- gerschaitsmonat als ein schlimmer betrachtet ; es beisst. dass in don- selben häufig Abortus :stattfindet. (HewoM.) Anf den canariscken Inseln aber gehören Fehlgeburten zu den Seltenbeätcai. {Maf Grtifor.'.

Dage^n ereignet sich zu Jaffa in Palästina ToaA ToUer häufig Abortus und es wo^en die Hebammen znweileD dabei za Hülfe gerufen.

Bei den Annamiten- Frauen ist der Aboitos äossen« sehou auch kommt es s«lir sdten vor. dass ein Annamiten- Weä> in Folge von SdiU^en oder Verktzungen aboitirt. denn detjeuige, welcher diese Verlelzai^en vennsadiie. erhält 6i* Banln^-HiBbe «md cm Jdkr Kefebmiale; ciae MagistiniEpetwm, wvkfe <me «■>

ie Maas8i*gelit znr Vcrhötting von Fehlgeburt«». 531

baudcin lässt, erhält nach annamitischem Gesetz 24 Schläge und 3 Jahre Ketteustrafe. Solche Strafe bei Abortus durch Misshand- lung gilt nur dann, wenn der dritte Schwangerschaftsmonat über- schritten ist; in den ersten 3 Monaten gilt die Misshandlung nur als einfache Verletzung.

Die Cambodja- Weiber aber scheinen Fehlgeburten ziemlich häufig zu erdulden.

In China acheint Abortus häufig zu sein und das chinesi- sche Lehrbuch über Geburtshülfe ,Pao-tsan-ta, seiig-Pieu* giebt sich viel Mühe, Maassregeln zur Vorbeugung desselben anzugeben. Allein die den unteren Klassen angehörenden chinesischen Frauen, welche ^^el mehr als die unserigen sich gewissen Mühseligkeiten, z. B. dem SchÜi'erdienste und Rudern, widmen müssen, abortireu merkwürdiger Weise durchaus nicht so häufig, als man vermuthen sollte; Uebung und Abhärtung thun hier viel. Bei den reichen Chi- nesinnen di-sponirt vielmehr die Lebensweise zum Abortus. Die Verunstaltung ihrer Füsse zwingt sie zur sitzenden Lebensweise und zur Verweichlichung.

Unter den Europäerinnen hat man namentlich von den Französinnen angenommen, dass sie in hervorragender Weise zu Fehlgeburten geneigt sind. Auch hier wollte man den Gnind in dem reichlichen Gebrauche warmer Bäder suchen, jedoch .sollen auch gerade bei ihnen AnomaUen an den Genitalorganen nicht selten sein. Die Esthinnen kennen nach Holsf. (Dorpat) Abort und Früh- geburten fast gar nicht, obgleich sie während der Schwangerschaft ■ich keinerlei Schonung auferlegen.

Die niederen Volksschichten in Deutschland pflegen von einer Fehlgeburt nicht viel Wesens zu machen. Sie sprechen nur davon, dass es einer Frau , unrichtig geht"*.» dass sie „umgekippt" oder, wie es im Siebenbürger Sachsenlaude heisst, dass sie .verzettelt" oder , verschüttet* hat.

»2. Die Maassregeln zur Verhütung von Fehlgeburten.

Gewiss ist, wie wir .schon oben andeuteten, ein Tlieil von alle den verwickelten Vorschriften, denen die schwangeren Frauen nach- leben sollen, aus dem Gedanken hervorgegangen, das Eintreten von Fehlgeburten zu verhüten, und gewiss muss wenigstens theilweise auch das Verbot, mit der .schwangeren Frau den Beischlaf auszu- üben, liierher gerecbnet werden. Aber wir begegnen auch bisweilen ganz directen Angaben über die Sache. So muss sich die Frau in Old-Calabar gauz besonders vor dem bösen Blicke zu schützen «nchen: denn dieser ist es, der ilir den Abortus zuzuziehen vermag. Auch anderem Zauber und dem Lärmen und den Aufregungen des Dorfes iuu.hs sio sich bei vorgerückterer Schwangerschaft entziehen,

34«

532 XIX. Unzeitige Gebrnten.

um nicht einer Fehlgeburt zu xerbSkn, und deshalb pflegt sie ihre Wohnnng in einer stiUen Farm aa&ascUagen.

Unter den alten Bömern herrschte die Sitte, dass die Schwan- geren der Juno zur Verh&tong des Abortus im Hain am Esqui- finischen Hfigel Blumen opferten, wobei sie keine Knoten in Gewändern und in den £[aar«i haben durften. Es ging in Born die Sage, dass, als einst der Abortus häufig vorkam, die Franen die Juno in diesem Haine um Offenbarung eines Yerfafitm^s- mittels baten. Die Gottin rief: „Der Bock mnss die italischen Matronen bespringen!" Das erinnert an den oben erwähnten hei- ligen Bock zu M ende 8, der die Fruchtbarkeit schaffen sollte.

Wir mßssen selbstverständlich zu diesen Verhütungsmaassr^dn auch fast alle die religiösen Ceremonien rechnen, wdche mit den schwangeren Franen vorgenommen werden. Denn ihr ethischer Sinn ist ja doch im Wesentlichen nur das Erflehen einer ungestörten und gesunden Schwangerschaft und einer leichten und gl&cklichen Geburt. Zur Unterst&tznng dieser Gebete pflegen noch bisweilen gewisse Amulette in Gebrauch und Ansehen zu stehen.

Ein solches Schutzmittel vor Abortus kommt schon im Talmud (Tr. Sabbaih 66) vor, der Aetites, Adlerstein oder Klapperstein. welcher von der Schwangeren getragen wurde. Auch limius er- wähnt die Eigenschaft dieses Steines als Präservativ gegen FrQh- geburt

Die Hippokratiker liessen zur Verhütung des Abortus viel Knoblauch, den Stempel von Silphium (Thapeia Silphium Viv.?) und Alles, was bläht, gemessen, denn der Saft von Si^himn galt als blähuDgerzeugend, und dieses war ihrer Meinung nach f&r die Schwangerschaft gQnstig.

93. Die Anzeiehen des beginnenden Abortes.

In der Frühzeit der Heilkunde brach sich nur allmählich eine genauere Kenntniss über die Fehlgeburten Bahn. Als Zeichen eines eintretenden Abortus führt Uippokrates das Weichwerden oder Collabiren der Brüste an. Den Einfluss der Witterung auf den häu- figen Abortus kannte er sehr genau.

Nach Diokles treten Horripilationen und Schwere der Glie- der ein.

Genauer ist Soranus aus Ephesus in der Semiotik des Abortus: Nach ihm fliesst zuerst wässrige Flüssigkeit aus den Geschlechtstheilen, dann Blut, welches dem Fleischwasser ähnlich ist; ist der Embryo gelöst, so fliesst reines Blut ab, welches in der Höhle des ütorus angehäuft, coagulirt und dann excemirt wird. Bei Frauen, welche Abortiva genommen, besteht Schwere und Schmerz in der Kreuzgegend, im Unterleibe, in den Weichen, an den Augen, den Gliedern, Magen-

98. Die Anzeichen dea liegiiineiiden Abortns.

533

b«vschwerden, Kälte der Glieder, Schweiss, Ohnmacht, Opisthotonus, Epilepsie, Schluchzen, Krampf und Schlaflossigkeit. (Pinoff.) Nach Alomchion sind die Zeichen eines eintretenden Abortus: Anschwellen der Brüste ohne bekannte Veranlassimg, ein Gefühl von Kälte und Schwere in der Nierengegend, ein Ausfli essen von verschiedenartiger Flüssigkeit aus der Scheide; dann endlich erscheint die abgehende Frucht unter verschiedenartigen Horripilatiooen, Nach Rippohafes, sagt Soranus^ erdulden die Frauen, welche einen mittehnässigen Korper haben, einen zwei- oder dreimonatlichen Abortus ; denn ihre Cotyledonen seien von Schleim zu sehr ertlillt, wodurch der Fotua nicht in ihnen festgehalten, sondern von ihnen getrennt wird. Es werden daher Mittel emptblilen, welche den Schleim lösen, nament- lich Pessi aus Coloquintheu bereitet, wärmende und trocknende Nahrung, Frictionen u. s. w. Es sind dies offenbar Mittel, um den Abortus zu beschleunigen.

Die talmudischen Aerzte waren hinsichtlich der Fragen, ob sich der Ütenis beim Abortus ohne Blutverlust öffnen könne oder nicht, und ob jedesmal der Abortus von Schmerzen begleitet ist, nicht einer Meinung. Sie glaubten, wie Hippokrates, das» der Süd- wind giossen Einfluss auf die Entstehung des Abortus habe. Der Rab- biner JehosfJtuah sagt im babylonischen Tahnnd : „EHe meisten Frauen gebären regelmässig, die wenigsten erleiden einen Abortus, imd wenn dies der Fall, so sind es Kinder weiblichen Geschlechts/* Letzterer Satz ist falsch, da wir wissen, dass unter den Abortiv- Kindem das männliche Geschlecht noch weit mehr überwiegt, als imter den ausgetragenen Neugeborenen. Die Abortivform der Alten, welche die Talmudisten als Samenfluss aus dem Uterus (^XP' o^**? de» Aristotelea) erwähnen, wird von ihnen als eine Comiption des männlichen Samens angesehen, welchen der Uterus drei Tage nach dem Coitus wieder ausstösst. Sie nehmen auch einen Abortus secun- dinarum an. Vorschriften zur Behandlung des Abortus filhren die Rabbiner ausser einem Amulet nicht an.

Nach Ansicht der chinesischen Aerzte droht bei einer Schwangeren der Abortus, wenn die Frau in den ersten Monaten zittemd ist.

Die altindischen Aerzte stellen als Anzeichen einer be- ginnenden Fehlgeburt Schmerzen im Rücken und in den Seiten, Blutung, Harnretention , Hin- und Herlaufen der Schwangeren, reissende Schruerzen im Uterus und in den Unterleibseingeweiden hin.

Sobald diese Symptome sich bemerkbar machten, ao verordneten sie OUge und kühlende Mittel. Gegen die 8chmcr7.en liesflen xie Wri^hlia anti- djaent^rica, Phuseolus trilobus, l>h'cyrrhi7.a ^labra, Flacurtia ciitaphrACta und F. »apida im (relrtlnk mit Zucker und Ilonig nehmen ^ gegen Unter- dritckung de« LTrina: (retnUik mit Aaa foetida, .Saurbbala, Allium sativum und Aconu ciilamu3 bereitet. Bei heftiger Blutung: Pulver von CostuN arabicus, Andfopogon serrnttmi, Dom^Rticu terra, MimoHa pudica, BlUthen von Orislea }iia, Janminum arborescons u. s. w. ; bei Schmerzen o^ ' ujg

'•IC MUch mit Glycj-rrhJza glabra, Pinus Devadam und A^^i

XIX. Unzeid^^ieDwE

auch Milch mit Oxalis. Asparagus racemosus und Asclepias roseAf sowie Ter- schiedene ähnliche Zueaiuinenhietzungeu. War die Frucht abgegangene «o gaben die »ltiiidi8che|n Aerzte eine S^ieise aus Kuhmilch mit Ficus earica und SälÄtü; war aber der Embryo abgestorben, eine Ptisune von Paspalua framentaueus.

Von den Vorstellungen, die noch jetzt hie und da herrschen, führen wir nur folgende an:

In manc-heu Gegenden Deuts chIandi^, namentlich im Fran- kenwalde {Flügel) , ist bei drohender Frühgeburt ganz besonders die Furcht vor dem 9. Tage gross, weil da, wie man glaubt, die Gefahr leicht wiederkehrt.

In Galizien suchen die Hebammen durch Schmieren des Unter- leibes und warme Kataplasmen so lange zu helfen, bis entweder der Tod oder die Ejaculation de* Inhaltes die Gebürmutterblutung zum Stillstände bringt.

B. Die absichtliche Fehlgeburt.

M. Die Fmchtabtreihiing.

Eine Betrachtung der mit Ab.sicht li ervorgerufenen Fehlgeht bietet von verschiedenen Gesichtspunkten aus ein beträchtUche« Interesse dar und zwar in erster Linie ein eulturgeschichtliches, ein staatliches oder rechtliches und ein medicinisches.

Durch einen eingehenden Blick theils auf ethnographische Er- scheinungen, theils auf die Geschichte der socialen und moriLÜi>cheu Verhältnisse in den Culturstaaten erkennen wir, wie sich unter den verschiedensten Verhältnissen die Anschauungen über die Kindes- abtreibuug gestalteten, und wie mit der Läuterung der Sitten, zu- gleich mit den platzgreifenden Ansichten über das Leben und das Recht der Frucht, sich allmählich eine Beschränkung der Frucht- abtreibung durch die Gesetze entwickelte. Wir werden finden, dass noch heute unter den in primitiven, ebenso wie in halbcivilisirten Zuständen lebenden Völkern der Brauch des könsthchen Abortus in grösster Verbreitung besteht; demnach müssen wir sthliessen, dasa die Fruchtabtreibung keineswegs erst ein Ergebniss degenerirter socialer Verhältnisse ist. Sie wird allerdings, wie beispielsweise im Orient, durch gewisse, das sociale Leben beherrschende Missstande aufrecht erhalten. Doch haben ohne Zweifel recht zahlreiche, auf der niedrigsten Culturstufe stehende Völkerschaften sie mit der grossten Unbefangenheit von jeher ausgiebig geübt und thun das auch heute noch lediglich aus dem Gnmde, um den Kinder- segen zu beschränken. Vom ethischen Standpunkte bourtheilcn wir diese Erscheinung als ein Ergebniss des leidigen Kampfes ums Da- sein; allein es ist auch eine schlimme Thatsache, dass der so aus- gedelmt vorkommende Abortus zum allmählichen Untergang vieler

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XIX. Unzorage

Die Bedinguiigeu itir die Sitte der Abtreibung mögen im All- gemeinen dieselben sein, wie die, welche den Kindermord veran- lassen. Allein bei der Abtreibung tallt auch noch die schwache Schranke hinweg, welche wohl manchmal die Mutter abhält, das Eigenerzeugte zu vertilgen, die Liebe zu dem ebengeborenen lebenden Wesen imd die Furcht vor der Schuld, ein Leben zu vernichten.

Unter den Naturvölkern stehen in der Civilisation die Oceanier und Australier wohl am tiefsten. In Australien will man bemerkt haben, das» , wegen der Schwierigkeit, womit die Auferziehung der Kinder verbunden ist", die eingeborenen Mütter oftmals Fehlgeburten herbeiführen. {Klemm, Oherlaetider.) In Neu-Süd-Wales un- weit Sydney sterben die Eingeborenen wegen der hier gebräuch- lichen Abtreibung der Leibesfrucht mehr und mehr aus, wie V. Schrzer berichtet; die Spi-ache der Eingeborenen hat für das Abtreiben einen eigenen Kunstausdruck: Mibra.

Auf Neuseeland war bis vor einiger Zeit das Abtreiben der Frucht nicht minder gebräuchlich, als der Kindermord. Tuke be- richtet, dass die Maori-Frauen auf Neuseeland häufig abor* tiren; bei manchen derselben soll dies, wie er sagt, 2 oder 3 mal, ja sogar 10 bis 12 mal geschehen sein. Er weiss zwar nicht genau, ob der Abortus künstlich hervorgerufen wird oder zufällig ist, doch glaubt er annehmen zu müssen, dass häutig das Erstere der Fall ist. Domeny de Btensi schildert in seinem Werke Übet Oceanien die Entbehrungen und Qualen, welche den eingeborenen Frauen bei Schwangerschaft und Geburt von den Ihrigen auferlegt werden, und fragt: Darf man sich wundem, dass manche dieser Frauen dem Glücke entsagen, Mutter zu werden, und durch ge- waltsame Mittel den Folgen ihrer Fruchtbarkeit vorbeugen? Uuter den Eingeborenen Neucaledoniens haldigen nach dem Bericht des französischen Schiffsarztes Rochns nicht etwa blosg unverheirathete Dirnen dem Gebrauche des Abtreibens, sondern auch Frauen, um der Mühe des Säugens zu entgehen, und um gewisse Körperreize länger zu bewahren.

Das.s die Rücksicht auf die Erhaltung der jugendlichen Schön- heit wie im alten Rom so auch den Frauen der Natxirvölker aU Motiv zur Abtreibung keineswegs fremd ist, wird uns mehrfach berichtet , nicht blo.s3 von den soeben genannten ganz rohen Be- wohnerinnen Neucaledoniens, welche darnach streben, ihre Brüste möglichst lange straff zu erhalten, sondern auch von SamoAt Tahiti, Hawai und in alter Zeit von den Dariern.

Bei den Doresen, einem Papua-Stamme auf Neu-Guinea, ist die Frau das Lastthier des Mannes ; um nicht mit grossen mütter- lichen Sorgen beschwert zu werden, betrachten die Frauen zwri Kinder für hinreichend mul treiben bei jeder folgenden Schw; schaft die Frucht ab. Daher erklärt sich die geringe Zunahui» u. . Bevölkerung.

>5, Die Verbrdtnng der Prachtabtreibnng unter den jetzigen Völlcern. 537

Auf den Gesellschafts-Inseln trat nach Bemet die Frucht- reibuDg an die Stelle des früher gebräuchlichen Kindermordes.

Auf den Sandwichs-Inseln, auf denen der Kindermord früher sehr gebräuchlich war, ist jetzt nach Angabe der Missionäre nur die Hälfte der Ehen fruchtbar. Andrew fand von 96 verheiratheten Sandwichs-Insulanerinnen 2S in kinderloser Ehe, also den vierten Theil. Nach Wilkes ist hier der freiwillige Abortus sehr häufig. Auf den Viti-lnseln, sagt Wilkes, giei3t es sehr viele Heb- ammen, die meistens auch mit dem Creschäfte der hier sehr häufig exercirten Fruchtabtreibung sich befassen. Auf Samoa ist der Kindermord etwas ganz Unerhörtes, Abtreibung der Frucht dagegen, und zwar mit Anwendung mechanischer Mittel, theils aus Scham, theils aus Furcht vor frühem Altern, theils aus Trägheit ausser- ordentlich in Uebung. Künstücher Abortus war auf den Gilbert- Inseln wegen der Unfinchtbarkeit des Bodens sehr gebräuchlich. Wohl scheinen auch die Ulitaos auf den Marianen diese Sitte geübt zu haben, obwohl bestimmt« Angaben darüber nicht vorliegen.

Auf Buru im malayischen Archipel sind Eramenagoga viel gebraucht, um keine Kinder zu bekommen, und ebenso wird der künstliche Abort allgemein geduldet und an Mädchen und Frauen vielfach ausgeübt. Die hierzu in Anwendung gezogenen Geheim- mitiel scheinen dem Körper der Frau keinen bleibenden Nachtheil zu verursachen. Auch auf Ambon und den Uliase- Inseln, auf Babar, Keisar und den Watuhela-Inseln werden Abortiva viel- fach benutzt. Auf Keisar thun es die Weiber gegen den Willen ihrer Männer, um nicht mehr als höchstens zwei Kinder zu be- kommen. Die Watubela-Insulanerinnen führen in gleicher Weise das Zweikindersystem durch. Auf Babar greifen schwangere Frauen zur künstlichen FruchtÄbtreibung, um nicht vom Coitus ausge- schlossen zu sein, der während der Gravidität auf das strengste ver- boten ist. Auch die Eetar-Insulanerinnen bedienen sich der Abor- tiva, jedoch nur ganz im Geheimen. Die Galela und Tobe- loresen gebrauchen sie ebenfalls viel. (RicdeU)

In Brunei auf Borneo sind die Kindesmorde nur deswegen KO selten, weil man ijinen durch Abtreibung der Leibesfrucht zu- vorkommt, worin die Eingeborenen eine solche Meisterschaft haben, das« sie ihren Zweck ohne Gefahrdung des Patienten zu erreichen wissen. Da die Vornehmen ihre Concubinen nach der ersten oder zweiten Geburt, in Rnhestand zu versetzen pflegen, so schrecken die gewissenlosen Weiber vor keinem Mittel zurück, um sich in ihrer begünstigten Stellung länger zu behaupten. Ferner bleibt die Hälfte iler adligen Töchter unvermälilt; damit sie infolge des uner- laubten Umganges nicht niederkommen, wird bei Zeiten vorge- beugt. {Spencer St. John.)

Bei den Hindu beschäftigen sich sowohl die Hebammen als auch die ßarbierfrauen sehr viel mit Fruchtabtreibungen. (G. Smith.) In keinem Lande der Welt, sagt Allun Webb in Calcutta, sind

538

Kindesinord iind küustlicher Abortus so häufig, als in Indien, und wenn es auch der englischen Regierung gelungen ist, die Tödtung der Neugeborenen zu verhindern, so kann sie doch nichts gegen den Miasbrauch der Abortusbeförderung ausrichten, die schon so manche Mutter mit ihrem Leben bezahlt hat; ilberall giebt es dort Leute, die sich gewerbsmässig mit dem Abtreiben der Frucht be- schäftigen.

Als besondere Ursache des häufigen Vorkommens von künst« lichem Abortus bei den Indern bezeichnet Huillet die Sitte, dass die Mädchen schon im zartesten Alter verheirathet und hierdurch häufig schon früh zu Wittwen werden; in diesem Wittwenstande ergeben sich viele der Prostitution, um nur ihren Lebensunterhalt zu finden, schreiten dann aber bei eintretender Schwangerschaft zum Abortus, um die Schande von sich selbst und von der Familie abzuwenden.

Bei den Munda- Kohls in Chota Nagpore kommt es nach Missionär JeUinghaus vor, dass ärmere Ehefrauen, wenn ihnen die Schwangerschaften zu rasch aufeinander folgen, zu schlechten alten Weibern gehen und Abtreibungsmittel anwenden. Ja sie lassen sich auch oft ohne Wissen der Männer die Gebärmutter verdrücken und verschieben, um die Plage der Schwangerschaften los zu seui. Es scheint, dass sie diese scheussliche Unsitte von den niederen Kasten der Hindus gelernt haben,

Ueber den enormen Umfang, welchen in Indien die Abtrei- bung genommen bat, berichtet Shortt. Sie wird aus reügiösem Vor« urtheü sowohl unter den Hindus, die in den englischen l^äsi- dentschaften wohnen, als auch unter den wilden Stämmen getrieben.

Li Kutsch, einer Halbinsel nördlich von Bombay, fand Mac- niurdo die Weiber sehr ausschweifend und den kflnsthchen Abortus allgemein. Eine Mutter rühmte sich der fünfmaligen Abtreibung ihrer Leibesfrixcht.

Wenn bei den Kafirn in Mittelasien eine Frau den Abortus vornehmen will mit oder ohne Vorwissen des Mannes, so ist sie stratlos, ebenso der Doctor, der den Abortus vollbringt. Das Tödteu der Kinder nach der Geburt jedoch gilt als ebenso strafbar \ne ein Mord. (Mackan.)

In Cochinchina ist die Abtreibimg ein sehr gewöhnliches und dort zu Lande durchaus nicht als verbrecherisch betrachtete» Mittel, der Unannehmhchkeit ausserehelicher Schwangerschaft rasch ein Ende zu machen. {Crawfurd.)

Auch die Chinesen haben Kenntniss von den Abortirmitteln und sie wenden dieselben nicht selten an.

Abtreibungen der Frucht sind nach Ttniherford Alcock in Japan unter unverheiratheten Fraueuspereonen sehr im Schwung. Wie wenig man dort sich vor der Abtreibung scheut, geht am der Angabe Wernich's hervor, welcher sagt: .Der Fremde, wenn er eine Japanerin zur Concubine nimmt, erklärt in sehr vielen Fällen

len jetrigen. Vö!

539

von vornherein, dass er nicht Kinder wünsche; wie die Betreffende diesen Wunsch erfüllt, bleibt ihr überlassen."

In Persien soll nach mündlicher Ansknnft Volahs bei Ver- beiratheten der künstliche Abortus nicht vorkommen. Allein Charilin, der früher persische Sitten kennen lernte, versicherte, dass Frauen dann den Abortus zu bewirken suchen, wenn sie bemerken, dass ihre Männer durch die Zurückhaltung, welche sie dem persischen Brauche gemäss während ihrer Schwangerschaft beobachten, be- wogen werden, sich mit anderen Frauen einzulassen.

Wir schüesseu hier gleich die Türken an, weil sie ja eigent- lich vielmehr als Asiaten wie als Europäer betrachtet werden müssen.

Bei der Leichtigkeit und Straflosigkeit des künstlichen Abortus giebt es im Orient keine unehelichen Kinder. Der Gebrauch, dass, wenn eine Frau besserer Khisae zwei lebende Kinder, danmter einen Knaben besitzt, bei jeder folgenden Schwangerschaft mit Wissen des Mannes künstlicher Abortus herbeigeführt wird, gilt speciell nur für höhere Klassen Constantinopels, doch nicht für die Masse der Bevölkerung, auch nicht ItirAegypten und andere muHebnannische Länder. Der französische Arzt J^rani, der ein Werk über die Geburtshülfe in der Türkei geschrieben hat, bestätigt, dass im Orient die Hebammen sehr häutig den Schwangeren die Frucht ab- treiben. Ein englischer Arzt sagt: „Die Hüffe dieser Hebammen, dieser ungebildeten Frauen aus allen Nationen, welche die unver- nünftigsten Manipulationen mit der Gebärenden vornehmen, erstreckt sich nicht bloss auf das Geschäft der Entbindung, sie werden viel- mehr auch bei Frauen- und Kinderkrankheiten zugezogen, ver- schreiben Mittel gegen Unfruchtbarkeit und erzeugen so manche Gebännutterkrankheit. Aber ihr besonderer Beruf ist der ktinst- bche Abortus. Die Türken halten die Abtreibung des Kindes für nichts Schlechtes. Wenn eine Türkin ihre Nachkommeii.schaft nicht mehr anwachsen lassen will, oder wenn sie fürchtet, dass durch eine erneute Schwangerschaft das Stillen, das gewöhnlich bis in das dritte Jahr fortgesetzt wird, unterbrochen werden könnte, 80 unterwirft sie sich mit der grossten Ruhe der Behandlung einer Bebamme zur Einleitung einer Frühgeburt, bisweilen mit, andere Male aber auch ohne Vorwissen des Ehemannes. Gefährliche Blutxmgen, Entzündungen und Verwundungen der Gebärmutter sind die häufigen Folgen solchen Verfahrens. Diese Sitten herrschen in den ärmsten wie in den reichsten Häusern, und die Regierung schreitet nicht gegen sie ein. Im Jahre 1859 brachte die raedicinische Gesell- schaft zu Constantinopel das Treiben eines übelberüchtigten Ge- sellen, der .sich selbst Doctor nannte und Handel mit Abortivniittcln trieb, zur Kenntniss des Grossvezirs, doch ohne allen Erfolg. Dieser Gebrauch des Abtreibens ist nach der Meinung des Bericht- eratatters Ursache des schnellen Abnehmens der türkischen Be- völkerung." Weiter äussert sich auch der deutsche Arzt Oppni-

540

XIX. Unzeitlge Gebnrten.

heim über diese Verhältnisse: ,In der Türkei wird der Abortus häufig versucht und ist bis zum 5. Monat erlaubt, weil uach der Meinung der Mohammedaner bis dahin noch kein Leben im Fötua ist. Es werden häufig von verheiratheten Leuteu Abortivmittel öffent- lich und ohne Scheu verlangt, vom Manne, um nicht zu viele Kinder zxi ernähren, von der Frau mit Bewilligung ihres Gatten aus Furcht^ ein Wochenbett möchte ihren Reizen Abbruch thun, oft aber auch vom Manne, der mit einer Sclavin Umgang hatte." Als häutige Folgen des künstlichen Abortus in der Tlirkei führt Ojyjjfnfteitn an: Fluor albus, Frolapsus uteri et recti tmd Mutterkrebs.

In Constantinopel wiirde auf Veranlassung von Prado eine amtliche Untersuchung über die vorgekommenen criminellen Ab- treibungen angestellt. Es ergab sich, dass in 10 Monaten des Jahres 1872 dieses Verbrechen in mehr als 3000 Fällen zu criminellen Untersuchungen Veranlassung gegeben hatte. Die unmittelbare Ur- sache dieser erschreckenden Erscheinung findet Prado in der Stellung des Weibes im Orient. In erster Reihe geschieht es bei den mvisel- männischen Frauen meist aus Gründen der Gefallsucht, dass das Weib die Frucht seiner Empföngniss zerstört, und zwar lediglich zu dem Zwecke, um die Schönheit seiner Formen so lange als möglich zu erhalten und dadurch der Gefahr einer Ehe- scheidung zu entgehen, welche die religiöse Gesetzgebung bei den Muselmännern sehr erleichtert. Ein anderer Grund bestimmt dagegen die christliche oder jüdische Frau zu diesem Verbrechen. Um die Spur eines begangenen Vergehens zu verwischen, scheut sie nämlich vor keinem Verbrechen zurück, und sei es selbst um den Preis ihres Lebens, wie solches gewöhnlich der Fall ist. Ein anderer Beweggrund scheint die Schwierigkeit zu sein, mit der die mittleren Klassen für eine zahlreiche Familie den Lebensunterhalt zu beachafl'en im Stande sind. Ausserdem spielen Rachsucht, Eifer* sucht, Nebenbuhlereien und Aussichten auf Erbschaften eine erheb- liche Rolle.

„Zar Schande unseres Berufes," sagt Prado, „müssen mr gestehen, d«M es heute seibat noch unter unseren Collegen solche Elende giebt, welche trotz eines Diploms dieses Btrafl)are Handwerk ausüben, allein ihro Z:ihl ist glücklicherweiäc in unseren Tagen eine sehr beschränkte gewov ' aia

ehrlose Gewerbe wird heute beinahe ganz aasschlieBslich von ■- hirn

Hebammen betrieben, von unwürdigen Lucinen, welche uns an die Abtrei- bungen alter Zeiten erinnern, deren Thaten Phuius beschri.l.on hat, wi« Oltfmpias. die Thebanerin, Salpe und Sotira, und wenn olo nai

der Gegenwart anführen wollen, finden '"■•• ■"'> «n -i"" ■• •'^■A-

mischerinnen von Marseille u. s. w. V. Ausnahme einzelner Pernönlichlr ^''■ Qben, im Allgemeiueu ixua \ welche vorher die schouiln vollen und scbamloRcn Fi sehener HSu indem sie «V

95. Die Verbreitnng der Fruchtabtreibung outer den jetzigen Völkern. 541

tritten verleitet haben, und die dann in der Regel damit enden, gänzlich ihr Opfer zu werden."

^ado weist darauf hin, dass dieses niederträchtige Gewerbe der Abtreiberinnen eine der Hauptursacben der Abnahme der Be- Tölkerong des türkischen Reiches ist. Er fordert die Behörden Constantinopels auf. das Verbrechen mit der äussersten Strenge ta verfolgen, die Hebammen sollen geprüft und überwacht werden.

Eine nicht geringe Anzahl der Völker Afrikas huldigt der Unsitte des Abtreibens. Wir werden bei Besprechung der gebräuch- lichen Abortirmittel auf mehrere dieser Völker zurückkommen. Hier erwähnen wir nur einige derselben. Die ägyptischen Frauen- zimmer neigen ausserordentlich zur künstlichen Erzeugung des Aboitos, indem sie sich dadurch allzu zahlreicher kostspieliger Nach- kommenschaft zu entledigen trachten. {Hartmann.) Das Verbrechen ■des kunstlichen Abortus kommt unter den Eingeborenen Algeriens nach Bertherand ebenso häufig vor, wie nach Texter in Con- stantinopel; man sieht in Butiken an öffentlichen Plätzen Jü- dinnen diese Praxis betreiben.

Anf den Canarischen Inseln ist die Fruchtbarkeit der Weiber sehr gross, und selbst Lustdimen bringen oft Kinder zur Welt, wenn sie keine Mittel anwenden, einen Abortus zu be- wirken. Man nimmt oft zu Abortivmitteln seine Zuflucht, und dies ist um so leichter, da auf dem Lande die Pflanzen und Kräuter nur zu gut bekannt sind, durch welche die Abtreibung bewirkt werden kann; in den Städten ist kein Mangel an alten Weiliem, die neben der Kuppelei dieses abscheuliche Gewerbe ungestraft be- treiben. {Mac Gregor.)

Auf Massaua im arabischen Meerbusen ist das Abtreiben der Frucht sehr häufig, weil die Väter verpflichtet sind, ihre Töchter aufzuhängen, falls sie, ohne verheirathet zu sein, schwanger werden. Solche eigenmächtige Handlung wird von Niemand gerügt. {Brchm.) Die Szuaheli in Ostafrika, welche auch manchmal die Schwan-

ferschafk durch Medicin zu verhüten suchen, halten bis zum 2. h\H . Schwangerschaftsmonat das Abtreiben der Frucht fiir möglich. {Kersten.)

Der künstliche Abortus wird bei den Woloff- Negern sehr häufig durch die Marabuts ausgeführt; nach Annahme de lioche- bnme's wird infolge dieser Häufigkeit wahrscheinlich die Erschei- nmiff za erklären sein, dass am Senegal unter den Negern die ZaU der Sterbefölle diejenige der Geburten übersteigt.

Dort, wo Kindersegen die höchste Freude gewährt, wie bei

^■iHogerii der Loango-KUste, ist Abtreibung der Frucht natur-

nirital eme Seltenheit. Pechuel-Loesc/o;, der in dieser Beziehung

'^afiote-Negern Erkundigungen einzog, konnte nicht

forschen, wie weit die Abtreibung als verbrecheri.«<ch

d bestraft wird. ,,£s scheint," sugt er. .dass nur

Dmnier, namentlich solche, welclie längere Zeit ein

allzu fi-eies Leben geführt haben luid in reiferen Jaliren sich vör der Entbindung t'ürchteu, im Geheimen den Abortus zu bewirken suchen, durch Kneten und Drücken des Leibes sowohl, wie durch übermässigen Genuss von rothem Pfetter.

Abtreibung der Leibevsfrucht mag nach Büttner bei den Herero nicht selten vorkommen ; dies geschieht vielleicht aus verschiedenen Ursachen. Büttner kannte einen Fall, wo eine Frau, die nllerdings von ihrem Manne auf das schändlichste betrogen und Verstössen war, aus Ingrimm das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, zu tödten versuchte. Das Abtreiben geschieht liier meist durch äusser- liche Gewalt, durch Schlagen und Stossen des Unterleibs mit den Füssen oder mit Steinen.

Die erste Erwähnung der künstlichen Fehlgeburten bei den Eingeborenen von Amerika findet sich schon bei Lafi Casas und Petrus Mariyr. Die Ueberbürdung mit Arbeit durch die Spanier veranlasste die Mütter in ihrer Verzweiflung dazu, imi ihre Kinder nicht demselben Elende auszusetzen. Noch jetzt kommt Abortus itnd Kindermord bei den Eingeborenen von Nord- und Süd- amerika vor.

Bei mehreren südamerikanischen Indianerstämmen haben die Frauen, wie v. Azara gefunden hat, nur zwei Kinder, da sie sich der übrigen durch Abtreiben zu entledigen pflegen. Diese Sitte scheint aber erst allmählich sich eingebürgert zu haben. Die Guyacurus an der Ostseite des Parana und die Lengua (eigent- lich Shuiadache, denn Lengua oder , Zunge' wurden sie von den Spaniern nur wegen der ungewöhnlichen Quaddeln genannt, die sie in den Lippen trugen), zwei Pampas -Völker, welche sogar nur ein Kind autzuziehen pflegen, sind namentlich infolge hiervon dem Au.ssterben nahe. (Eschwege.) Bei den Guyacurus in Brasilien geht das Bestreben der Frauen, dem Manne gefallig zu sein, so weit, dass sie, wenn sie .sich schwanger fühlen, das Kind im Leibe tödten, damit sie durch die Schwangerschaft und die Erziehung des Kindes dem Manne nicht beschwerlich fallen. Dies thun sie, so lange sie noch nicht 30 Jahre alt. Empfangen sie nach diesen Jahren und gebären sie glQckhch, fo ziehen sie das Kind auf. Der Grund, die Leibesfrucht zu tödten, liegt auch wohl mit darin, weil sie während der Schwangerschaft und wälirend des Säugens keine Gemeinschaft mit dem Manne haben dürfen. Aus der gleichen Ur- sache findet nadi Dchrizhoff'er bei den Abipouerinnen die Ab- treibung statt.

Die Mbayu> m i'araguay treiben dejjhalb die Kindi*r ul», weil die Frauen fürchten, durch das Austragen der Kiinlvr früh- zeitig zu altem, und weil ihnen bei ihren Stmpuzen das .Vuf/.iehcn der Kinder zu beschwerlich ist. Auch die bereiU auf 20(i Seelen zusammengeschmolzenen Payaguas üben die Abtreibung fleiasig.

Die Indianer-Weiber am Orinoco sind über die Wirkung d<'« Kindergebürens zweierlei Meinung, wie der Abt (fäi berichtet.:

96. Die Frdcl

StüSn^mter den Völkern wen

pinige sind der Ansicht, es gehe durch iVfthe und öftere Entbin- dungen die Schönheit bald verloren, wogegen andere glauben, dass gerade durch Entbindungen in sehr jugendlichem Alter die weib- liche Schönheit am besten erhalten werde. Jene entledigen sich der Schwangerschaft durch Gebrauch fruchtabtreibender Mittel, diese suchen möglichst bald Kinder zur Welt zu bringen.

Während einige nordamerikanische ludiauerstämme den künstlichen Abortus verabscheuen, z. B. die Chippeways, sind viele andere Stämme wegen der bei ihnen heimischen Sitte, die Kinder abzutreiben, dem Aussterben nahe. Bei rlen Winipegs z.B. hatte im Jahre 1842 eine Frau durchschnittlich nur ein Kind; im 0 r egon - Gebiete fanden sich deren mei.st nur zwei. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass an dieser scheinbaren Unfruchtbarkeit der natürliche und künstliche Abortus ihre Schuld tragen. In einigen nordamerikanischen Volksstämmen pflegen iia,ch.Hitnter die Fami- lien nur 3 bis 4 Kinder aufzuziehen, die übrigen werden abgetrieben. Häufig ist das Abtreiben bei den Knistenaux nach Mackemie, und bei den Indianern von Astoria im Oregon- Gebiete nach Jl/ose*.

Die Weiber der Cadawba-lndianer exercirten nach Smith die Abtreibung der Frucht sehr, besonders wenn sie ausserehelich geschwängert wurden. Es ist begreiflich, dass solches widernatür- liche Treiben ihre Gesundheit zerstört, ihr Geschlecht entnervt und viel Veranlassung zu Fehlgeburten gegeben hat. Dass Smith selten Mütter fand, die mehr als 2 Kinder hatten, lässt sich hieraus mit Leichtigkeit erklären.

Von den Dakotas berichtet Schontkraft, dass sie als Abortiv- mittel mehrere Pflanzen benutzen, die aber in manchen Fällen Mutter und Kind den Tod bringen. Unehelich Geschwängerte üben regel- mässig die Abtreibung, aber auch Verheirathete thua das nicht selten.

Ueber das Vorkommen des künstb'chen Abortus bei den nord- amerikanischen Indianern sagt Engdmann : , Bei manchen unserer Indianer, namentlich bei denen, die durch die Berührung mit der Civilisation laxere Moral haben, findet sich Abtreibung häufig. Einige Stämme haben ein Recht hierzu, in Rücksicht auf die Gefahr, welche der Mutter durch die Geburt eines Half-Bred- Kindes erwächst, das tlir gewöhnlich so gross ist, dass sein Durch- tritt durch das Becken der indianischen Mutter meist eine Unmög- hV'hk».'it ist.*

9(i. Die Fmchtabtreibuiig anter den Völkern weisser Rasse.

Ex ist bekannt, dass unter den Weissen Nordamerikas die I.\btreibung sehr üblich ist, und dass insbesondere in allen grossen jStädten der Vereinigten Staaten eigene Anstalten existireu, in [denen Mädchen un<l Frau«?n eine frühzeitige Entbindimg bewerkstelligen,

XIX. ünzeitigi^Jeoarwr

denn alle amerikanische Zeitungen der Union enthalten öffent- liche Anzeigen solcher höllischen Etahlissementa. Nicht selten sollen Weiber mit Wissen ihrer Ehegatten diese Institute aufsuchen. Man findet darin so wenig etwas Unmoralisches, dass, wie herichtet wird, Frauen ganz flüchtigen Bekannten erzählen, dass sie keine Kinder zu haben wünschten und daher nach St. Louis oder New-Orleans gehen, um ihre Leibesfrucht abzutreiben. Diese Sitte hat sich auch schnell in den Städten Californiens heimisch gemacht.

In New- York schickt ein Quacksalber ein Circular umher, welche* ,To Ladies enceinte" adresairt ist und iu welchem er den Ladies empfiehlt; «wbose healih will not Warrant their incurring riske incident to umtemity, j

or ihe culniinatiou of whicb threatens an impleasent denouement

a new and highly important scientific discovery, recently made by a regularlj educated phy^ician and surgeon of extensive experience."

Auch in Europas grossen Städten scheint die Fruchtabtrei- bnng tlberhand zu nehmen. Dies wird dadurch wahrscheinlich, dass, wie Tardieti in Paris statistisch nachwies, sich die Unter- suchungen gegen gewerbsmässige Fruchtabtreibung mehren.

In Paris wurden 1826 1830 nur 12 Personen wegen Abtreibung an- geklagt, 1846 50 aber 46, und im Jahre 1853 so^ax 111 Personen, von denen 58 yerurtheilt wurden. Aber der Verdacht der Zunahme der Frachtab- treibung trifft nicht bloss Paris, sondern auch andere Städte. Nach Tardiru waren unter 100 wegen dieses Verbrechens von 1854 bi» 1861 Abgeurtheiltea 37 Hebammen, 9 Aerzte, 1 Droguist, 2 Charlatane etc.

Nach der Ansicht aller Sachverständigen wird die Fruchtabtrei- bung in Paris vollkoionien haudwerksmässig namentlich durch die einzelnen Hebammen und in .Privatentbindungsanstalten' betrieben, deren wahrer Zweck allgemein bekannt ist. Manche führen darüber in fast unumwundenen Ausdrücken Buch, wie Über andere gehurt«- hülfiiche Verrieb tungeu, und machen ihre Operationen um eine ge- ringe Belohnung. Ausser den Hebammen sind es nvir Aerzte, welche sich mechanischer Mittel bedienen; die alten Weiher, die Pfuscher und die Schwangeren selbst beschränken sich gewöhnlich auf trei- bende Tränkeben.

In den Jahren 1846 1850 konnten von 188 F&Uen von Abtreibung nur j bei 22 die Urheber des Verbrechens angeschuldigt werden. Unter 683 un- reifen, in der Morgue su Paris aasgestelltcn Früchten stammen ^n, närolicb i 519, aus den ersten 6 Monaten der Schwangerschaft, und mit Wuhrschcin- lichkeit lassen sich unter denselben die Mehrzahl der abgetriebenen Kröcht«! vermutben. Die Zahl der Todt- und Unrcif<?eborennn ist in Paris in starkemf Zunehmen. 1S05 kam 1 Todtgeburt auf 1612,12 Einwohner, 1849 dogegva i 1 auf 340,90, was gewiss auch durch die steigende Häufigkeit det .\btrnibuDff j bedingt ist. .\uch Foley giebt an, dass in der Pariser Moi ür-

frUchte in wachsender Zahl rork&men: 1851 bis 1860 war der u. . ^Uhr-J

liehe Durchschnitt 49. von 1861 bid 1869 schon 57,S, und endlicii voa U bis 1879 sog^iir beinnh" '-'i

Eine ausführlici ehe Arbeit Qbor di ' in FrAakrcich]

vorgekommenen gvTUJii; tv n. r , i . ' -v— »Ir

GalUot, nach dessen B«r> v "1^$^

96. Die Fruchtabireibtmg unter den Völkern weisser Rasse. 545

gemachten Fälle auf 1032 belaufen. Die Anklagen vertheilen sich nach Perioden folgendermaaasen:

im Jahre 1831—1835 zu 41 Fällen, im Jahre 1856—1860 zu 147 Fällen, , , 1836—1840 , 67 , , 1861-1865 , 118 ;,

, 1841-^1845 , 91 , , , 1866-1870 84

, 1846—1850 , 113 , , , 1871—1875 , 99 ,

, 1851—1855 172 , , , 1876—1880 ,100 ,

Der Einflass des Bildungsgrades zeigt sich darin, dass von 100 rerpfiegten Weibern 29 weder lesen noch schreiben konnten. Die Statistik Gälliofs weist aus, dass sich die Zahl der als Abtreiberinnen zur Anzeige gekommenen Hebammen allmählich vergrössert hat, dass aber ihre Yertheilung auf Stadt und Land eine ganz besondere Bevorzugung der grossen Städte zeigt. Galliot schliesst seine Resultate mit den Worten: ,0n se plaint de tous cöt^s, en France, de la d^croissance de la population. On a fait recemment de nombreuses lois pour prot^ger l'enfant; nous venons ä notre tour demander une protection pour le foetus.*

Obgleich nur ein unverkältnissmässig geringer Theil der Frucht- abtreibungen in Frankreich zur Kenntniss der Gerichte kommt, 80 konnte doch auch GaUiot aus seiner Statistik schliessen, dass in diesem Lande das Verbrechen in beständiger Zunahme begriffen ist, imd dass insbesondere Hebanunen sich c^bei betheiligen. Gal- liot fordert strenge staatliche üebei^achung der Privatentbindungs- anstalten, die ebenso nothwendig ist, wie die der Privatirrenanstalten. Ebenso wie der Kindermord kommt nach GaUiot's Ermittelungen der künstliche Abortus in gewissen Perioden des Jahres häufiger vor, als in anderen. Während die meisten Kindermorde in Frank- reich von Januar bis April vorkommen (Conceptionsmonate : April bis Juli), dann von August bis December (Conceptionsmonate des Weins und des Camevals), geschehen die meisten Fruchtabtreibungen 4 5 Monate nach den erwähnten Conceptionsperioden. üebrigens giebt es in Frankreich bestimmte Orte, welche im besonderen Rufe stehen, dass Schwangeren dort geholfen wird: Paris wird häufig deshalb von schwangeren Engländerinnen aufgesucht, tmd nament- lich wird Givors von Lyonerinnen frequentirt, da dort ein Arzt, eine Hebamme und ein Gewürzkrämer das Geschäft betrieben; letz- terer, der die Operation mit einer Stecknadel vollführte, gestand, seit mindestens 10 Jahren thätig gewesen zu sein.

Eine Statistik der Fruchtobtreibungen in den Culturländem kann sich überhaupt nur auf die vorgekommenen Gerichtsfalle be- schranken. Eine solche hat Hausner geliefert, indem er angiebt: Das Verbrechen der Abtreibung der Leibesfrucht wurde entdeckt: In Oesterreich in 7 Fällen jährlich,

, Grossbritannien , 35 ,

, Preussen 21 ,

, Frankreich , 20 ,

, Bayern , 20 , .

, Hannover , 12 , ,

Spanien , 11 .

, Sachsen , 8 .

»Württemberg , 5 . Sloit, Dm W*ib. I. a. Aufl. 35

546

XIX. ünzeiöge Geburten.

Demnach kameu solche Fälle relativ am häufigsten zur Be- volkennigszahl in Hannover, am seltensten in Frankreich vor.

Allein ans solchen Zahlen kann man über die relative Ver- breitung des üebels durchaus nicht schliessen; denn wir wissen- nicht, wie viele Fälle den Gerichten entgingen.

Von Steyermark sagt Fossd, dass dort Fruchtabtreibnngen nicht seltener sind als anderswo.

In Serbien forscht die Städterin, welche meist sehr verwöhnt und verhätschelt ist, nach Mitteln, um nicht zu gebären ; Aborfciva werden gesucht und theuer bezahlt. Jedes .Jahr kommen verschie- dene Fälle vor, wo junge Frauen ihren sträflichen V^orsatz mit dem frühen Tode bezahlen. (Valenta.)

,Wie Jukic^ bezeufft, «ind Kimlesmorde unter den slavischen Türken und, wie er zögernd hinzusetzt, in Nachahmung der tflrkiechen Dummheit auch unter Christen an der Tagesordnung. Dasselbe ist auch in den slii« voni sehen Niederungen der Fall, wo die Bäuerinnen noch häufiger ihre Leibesfrucht abtreiben. Vor zehn Jahren wurden die Weiber eines ganxon Dorfes bei Pozfiga wegen Fruchtabtreibung in Untersuchung gezogen. Eine Mutter hatte ihrer eigenen Tochter eine Spindel in den Leib gestosäen. um eine Abortirung zu erzielen. Die Tocht^er starb an der inneren Verletzung. Der Mann itlhrte Klage und so kam die ganze Sache ans Tageslicht. Im Ganzen wurden etwa 30 Frauen angeklagt. Die Sache verlief aber im Sande." {Krauss. ')

Bei den Südslaven zwingen manche ge'ivissenlose Männer öfters ihre schwangeren Frauen zu schweren Arbeiten, damit sie auf jeden Fall abortiren. Die Volksstimme verurtheilt indessen scharf ein solches Vorgehen, und brandmarkt es mit Schimpf mid Schande. (Krauss.^)

Nach J/ascÄÄ*a soll auch in Schweden die Kinde-sabtreibung gewerbsmässig geübt werden.

In Italien kommt Fruchtabtreibung häutig vor. Ziino be- richtet in seinem Lehrbuch der gerichtlichen Medicin, dass es in Neapel bestimmte Häuser giebt, in welchen dieselbe vorgenommen wird-, als Reclame dient diesen Häusern ein eleganter Cilri^ka.Hten, in dem sich Alkohol -Präparate als SJammlung couservirter Fötus befinden. Der Herausgeber hat derartige Aushängekästen zu sehen keine Gelegenheit gehabt.

Auch schon im alten Rom war die Frachtabtreibung wohl- bekannt; anfänglich waren die Sitten allerdings streng und ib'e Ehe heilig; aber mit der moralischen Zerrüttung der Kaiserzeit wurde auch dieses Verbrechen hätifig, so dass Jutcnalis san^r

.\ber in reich vergoldetüm Bett ist die Wöchnerin wJtcn. Dahin bringet Kunst, dabin ansneilichf HUlfi^

Freue Dich. ' ■. des». ui>

Reich' ihr - ik, d*«nn

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Säoim'

97. Die Beweggrfinde ftir die Fracbtabtreibung. 547

Die Zauberiimeti und Wahrsagerinnen in Rom, welche als Nebenbeschäftigung und besondere Specialitat die Fruchtabtreibungen ausübten, hiessen Sagae. Man meint, dass hiervon das franzö- sische Sage-femme herzuleiten sei. {GaUiot)

97. Die Beweggrfinde ffir die Fmchtabtreibang.

Fast möchte es wohl überflüssig erscheinen, dass wir hier einen besonderen Abschnitt den Beweggründen widmen, welche die Frauen und Mädchen zu dem gewaltsamen Mittel der Fruchtabtreibimg zu yeranlassen vermögen, aber wer die vorhin zusammengestellten Angaben mit Aufoierksamkeit gelesen hat, dem wird es längst schon aufgefallen sein, dass hier die treibende Ursache durchaus nicht in allen Fallen die gleiche ist. ,Es bedarf immer mächtiger Motive, sagt Stricker, um die natürliche Zärtlichkeit der Mutter zu ihrem geborenen oder ungeborenen Kinde in Zerstörungstrieb umzuwan- deln." Auch diesem Satze stimmt unser Material nicht zu. Selbst bei ziemlich hoch civilisirten Völkern ist wohl die Zärtlichkeit der Mütter gegen das noch ungeborene Kind im Allgemeinen keines- wegs sehr tiefgehend, und bei den wilden Nationen genügt, wie wir sahen, oft ein kleiner ehelicher Zwist, um die Frau zu dem künst- lichen Aborte zu bewegen.

Allerdings ist die allergewöhnlichste und am weitesten ver- breitete Ursache der Fruchtabtreibung die Absicht, eine entehrende Schwangerschaft, zu beseitigen, sei es dass es sich um die Schwän- gerung einer Unverehelichten handelt, sei es dass eine Ehefrau das Product eines Ehebruches zu vernichten gedenkt. Also die Furcht vor der Schande oder vor der in solchen Fällen nicht selten sehr harten Strafe lässt die Weiber zu den Abortivmitteln greifen. Nächst- dem sind es die Nahrungssorgen, welche der Fruchtabtreibung zu Grunde liegen, die gefürchtete oder die reale Unmöglichkeit, für einen neuen Zuwachs der Familie den nothwendigen Lebensunter- halt zu erwerben. Doch spielt hier nicht selten auch die Mode ihre Rolle ; es ist nicht Sitte, in den ersten Jahren der Ehe nieder- zukommen, oder es ist gebräuchlich, nicht mehr als ein oder zwei Kinder zu besitzen, folglich werden alle übrigen Befruchtungen vor- zeitig wieder vernichtet. Auch die Scheu der Frau, sich den Mühen des Säugens zu unterziehen, oder den Strapazen, die mit der War- tung eines jungen Köndes, namentlich bei nomadisirenden Völkern, verbunden sind, kommen als Beweggrund in Betracht, sowie das Bestreben, dem gestrengen Ehemann die Unbequemlichkeiten einer Eleinkinderstube zu ersparen. Die Eifersucht und die weibliche Eitelkeit sind auch keineswegs ganz schuldlos. Die erstere ver- anlasst den künstlichen Abort, wenn die Frau fürchtet, dass in

85*

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ten.

Folge ihrer Schvrangerschaft ihr Ehegemahl sich anderen Weibeni zuwenden möchte. Aus Eitelkeit abortiren die Weiber in der Hoffnung, sich durch die Vermeidung einer Gravidität möglichst lange ihre Korperformen jiigendlich und mädchenhaft und nament- lich ihre Brüste prall und rund zu erhalten. Das unstillbare Ver- langen nach geachlechtlichem Verkehr mit dem Gatten, welcher der Frau während der Schwangerschaft vollständig fem bleiben muss, giebt bei manchen Nationen eine wichtige Triebfeder for die Aborte ab. Manche Frauen, die mehrere Jahre ihr Kind zu säugen pflegen, unterbrechen auch künstlich eine erneute Gravidität, um nicht durch dieselbe ihre Milch zu verlieren. Das4 auch bei einem vorüber- gehenden oder einem tieferen Groll gegen den Ehemann manche Weiber den letzteren dadurch zu kränken suchen, dass sie ihre Leibes- frucht abtreiben, das haben wir bereits gesagt. Nur ein Beweg- grund ist noch zu erwähnen, und das ist gerade der einzige, welcher vor der Moral zu bestehen vermag, nämlich die ärztliche Sorge ftir die Gesundheit und das Leben der Mutter, welche durch die Ent- bindung zu normaler Zeit in die höchste Gefahr gebracht werden würde. Dass auch Naturvölker solche Rückeichten kennen, das be- weist der oben citirte Ausspruch Engehuanns über die Indiane- rinneu.

98. Die AbortiTmIttel.

Eine sehr grosse Zalil von Mitteln und Wegen haben die ver- schiedenen Völker herausgefunden, um das in dem Mutterleibe keimende Leben noch vor der Geburt wieder auszulöschen. Theils sind es Arzneien und Medicamente, die sie zu diesem Zwecke in Anwendimg bringen, theils sind es Manipulationen mechanischer Natur. Je roher ein Volk ist, mit um so rücksichtsloseren Mitteln gebt es zu Werke. Viele der jetzt auch noch bei uns als Volks- mittel benutzten Arzneien wurden schon von den Aerzteu der früheren Epochen als Abortivmittel benutzt. Allein auch gewisse operative Eingriffe, deren sich die Aerzte bei uns erst in der Neuzeit be- dienen, sind schon seit sehr alter Zeit bei einzelnen Völkerschaften in Gebraueh-

Scbon die alt indischen .\er/to, dereu Malerin modica vor«ig«weilt> { eine vegetabilisclie war, übten den kiinbtlicben Abortus aufi. Sie l>e«a8«mi eine Liste von zusanimenf^esetzten Abtreibungspr^paraten, nnd zwar kam f(ir jeden Bcbwaogerscbaftsmonat ein anderes in Anwendung. So fUr den ersten Monat: Glycjrrhiza glabra, Tectonae grandis seinen, Aeclepias roaea und PinuB Devaadäru; für den zweiten Monni: Osalis (asmantaaa). SeRamuni Orientale, Piper lotigum. Rubin mnnjuata und Aspantgus racetnoatta und »0. fort bis zum 0. Monat: Glycyrrbiza gbibra, Panicum dactylnm, A ',-■• roaea und Echitee frutescens. Die^e Mittel gaben die alten Bmhnianei um Abortub zu bewirken, wenn der Leib der Sil . j,^

auRrieb; docb bebnujiteten schon diiuial« einige Jftii

98. Die Abortivmittel. 549

bisweOen von selbst verschwindet. Auch Brechmittel gaben dio Aorst« «ur Abtreibung der Fracht, jedoch finde ich nicht-, dass von mech(vni$chon Mit- teln die Rede ist.

Anch den alten Juden waren Abortirmittel bekannt; ihr Gebrauch war aber auf das strengste verboten.

Bei den alten Griechen war es zu Plato's Zeit den Hebammen er- laubt, Abortus hervorzubringen, wo es ihnen nützlich schien, (r. SitboMj Die Alten schieden die Abortiva in tp96ifia und enmutt', letztere vorhindom die Conception, das tpQ'o^iov zerstört die geschehene Conception. Atokia benutzt die Frau, um zu verhindern, dass der männliche Same sofort nach dem Coitus die Befruchtung des Eies vollbringen kann, sei os, indem sie sich bückt und kauert, damit der Same nicht in den Grund des THorus ge- lange, sei es, dass sie niest, sei es, dass sie kaltes Wasser trinkt, dasM Hin «Ion Muttermund mit altem Oel, Honig, Opobalsam, Wachs u. s. w. beHtrcioht und mit einem Wattebausch verstopft. Ein Abortivmittel rieth auch Hippokratn in dem Buche: ,De natura pueri'' einer Harfenspielerin, und obgleich nr ausspricht, dass keiner Frau ein qt&oQtov gereicht werden dürfe, weil es Haoho der Heilkunst sei, das von der Natur Erzeugte zu schützen und zu erhalten, so hat er in diesem Falle doch bewirkt, dass nach 7maligom Springen eine angeblich 6 Tage alte Frucht abging, die er möglichst genau bcschrnibt.

Als Abortiva sollen bei den alten Griechen und Römern Mentha pelugium und Safran (Crocus sativus) gebräuchlich gewesen Huin.

Bei denBaktrern, Medern und Persern gab es alte Weiber, welche den geschwängerten Mädchen die Frucht mittelst „Baga" oder „Kravpata" oder anderer „auflösender" Baumarten abtrieben, doch ist mir nicht bekannt, welche Baumarten hiermit bezeichnet wurden. (IJuneker.)

Im alten Rom wurde der künstliche Abortus nicht selten ausgeführt. Soranus aber zog ihn nur nach bestimmten Indicationon (Kleinheit der ()«- bännutter (?), Enge des Muttermundes, Geschwülste in demsnlb^m) in An- wendung, er erklärte jedes Abortivum für gefährlich und motnto, Ahmh man lieber die Conception verhindern solle, als dass man gonöthigt word», tb-n Embryo zu zerstören. War der Fötus in der Schwangersohaft ahgostorWon, so mnsste er durch Abortiva abgetrieben werden. Dun Abortus b'twirkU) man in solchen Fällen nach thranuSf Aetitu n. s. w. durch CoinpresNion (\nn Unterleibes mit Binden, Conquassationen, durch Klystiere von Adiitring(inti»n, Fei taoii und Absynthium; Frictionen der Scharatheile, Bäder, A<lstring«rnti<)n zum inneren Gebrauch, Pflaster ans Cyclamen, Klateriiini, AricDiisia, Absyn- thium, Coloqninthen , Coccos cnidius, Nitrura, Opoponax u. n. w.; iirttch- mittel, Niesemittel; endlich legte man auch einen I'nsiiuH au« Iris, Galbanuin, Coccus cnidins, Teri>entfain mit Rosen*- und Cypßrnöl gemischt, ein und machte am anderen Morgen an die Oenitali<;n Dämpfe mit «>n<;r Abkochung von Foenu graecum und Artemisia. Die Kntfernung «nnes t^idtnn Kindns ans dem Uterus sollt« nach Hfiranwi Anrtih Einlegen trockener Hr.hwhunnn, zuerst dünner, später dick'jr, tular durch Kinleg^m von I'afiyni« in da« Ori- ficium bewirkt werden.

Jene von fioranwi, Aüiiu und And«r«;n Ufinunnifm S\iiu:'\\tftutiUi\ monhitf man nun in Rom wohl auch in Nolch^n Fäl1«»i l>«!nMt7,^n, wo di« »ng«'g<rb<m<:n gebnrtshfilflichen Indication<;n f'ir Erregung d'r« Aborto« ni'hi vorlaig<-n. Allein die Mitt*l, welch»? al« Abortiva im Volk«: M^i 'J»'n »l»>?n fClm'-rn vri- btioehHeh war«n, bestand«» ni^ht blo«s au« inn^rtm M*uht:Mn*:nt.*rtt, «ond^n <W wurde hierbei aacb *nn «ng«n^ tiintrtim*-ni b^nrjtzt {^/rütff 4*v Y.tiAffjtf

650

XIX. Unzeitige Geburten.

sphacles. Vielleicht ist dies ein Pessoriam, dessen aicb auch die Aente nF Erregung dee Abortus bedienten.

Die alten Arnber benutzten, wenn die Geburt wegen Kleinheit GebUrenden derselben geiUhrlich zu werden dTohte, als Abtreibungsmittel Aderlasa, Heben und Tragen von gchwereo Lasten, Hungern, Reiz des Mutter- mundes durch Einbringen von zusammengeroUteni Papier, einer Federepule, eines Stückchen Holz u. s. w. Dabei war eine grosse Menge innerer Arznei- mittel gebräuchlich. Namentlich bei Avicenna findet man diese Dinge auf- gezählt ; aber auch ein eigeathümliches langhalsiges „Instrumentuni triangu- latae extremitatis" benutzte er, um den Muttermund damit zu eröffnen und hierauf Stotte zur Erregung des Abortus zu injiciren. Die arabischen Frauen jener Zeit verfuhren ausserordentlich leichtsinnig hinsichtlich der Abtreibung und entledigten sich mit derselben Gewissenlosigkeit ihrer Frucht, wie noch jetzt die Frauen im Morgenlande. Abulkasem, der im Anfange de» 12. Jahrhunderts in Spanien lebte, ti-itt in einem Kapitel: „De Cautela medici, quod non decipiatur a mulieribus in provocatione menstnii ne de* atmatur conceptus" kräftig gegen den überall verbreiteten Gebrauch, sich daa Kind abtreiben zu lassen, auf und warnt die Aerzte, Folge zu lei«t«n, wenn sie von den Weibern veranlasst werden, da» Kind abzutreiben. Sollte der künstliche Abortus nöthig erscheinen, so solle man eine geschickte Heb- amme zu Rathe ziehen.

Die Abortiv-Mittel der alt-arabischen Aerzte hat Pfaff" zusammen- gestellt. Es sind: Calendula ofBcinalis Gummi ammoniac. Herb. Aluali Epidemium alpin. Aaag)'ris foctida Juniperus Sabina Iris florenl. Cyclamen europaeum Artemisia arborescens Adianthum Capillua Vc- neris Amjris Gileadensis Lumbricua terreatris Supinus Terme« Punaces Heraclion Daucus Carota Gentiana lutea Nux Äbysainic»

Lepidium sativum. Cucumis Colocynthidis (in der Scheide getragen, tödtet die Frucht) Cheiranthus Cheiri Arpaslathus Oleum Abrot>«ni

Oleum irinum Meloe vesicator Aristolochia rotunda Crocu» sa- tivus Gnaphalium songuineum Aspidium filii mas Seseli tortuosum

Saponaria offic. Stachis germanica Ferula persica Lauru« caf<»ic& Angnjum senecta Sesamum Orientale Alumen Pinus Cedra» Anchusa tinctor Nigella sativa Strobili Pini Inula Lanms nobiTi».

Bryonia dioica Mari'ubium plicatum Rubia Tinctor. Mentha Momordica elaterium Cardamomum Veronica auagallis Cottni arabicus Hedera helix Clinopodiuni vulgare Centaureum majus Galbanum Apium petrosciinum Bubon macedonicum Daphne cnidiuiu

Myrrha Thymus SerpillL

Diese Mittel wurden theils innerlich angewendet, theils a\n reis^ade Pessarien in die Scheide eingeführt, theils wurde Abortus erzengt durch Einführung kleiner, mit reizenden Pulvern bestreuter Wollbiusohe in die Gebärmutter, nachdem vorher durch erweichende Pessarien eine Oeffhoo^ des Muttermundes bewerkstelligt war. Wir können uns wohl vor la*»

die örtlich wirkenden Mittel, in deren Application die altarabi- in

vielleicht grosse Virtuosen waren, den gewünschten Erfolg hat :.7Ik

wegs können wir jedoch annehmen, dass viele der innerlich gorti 'irl

die baabsichtigte Wirkung äusserten. l> au ihre Wirkuug bumhtJi

gewiss nicht auf den Ergebnissen gutei nng 1

Die deutschen Aerzte des l(i. J;; iimiki- atniet*

liehen Mitteln zur Abtreibung des abgebt. ; u i ITiifrn

und Eüelsmist. von eia«m Natt'Cmhalg, tou Ai

98. Die Abortivinittel

551

lam, Upoponax, Ftirberröthe, Habicht- und Taubentoiat. Man gab der Frau WeiQ titit Asa foetidu, Raute, Myrrhe oder mit Sevenbaum, auch Ab* kochung von Feigen, Foenu grnceuui, Raute, Doste, legte ihr einen ZapJeJi von Baumwolle in die Scheide, mit Gummi animoniacuiu, Opoponai, Cbriät- wurz (Helleboru.s), Läusesamen (Staphysagria), Osterlucey (Aristolochia), Colo- quinthen. Kuhgiille und Rautensaft; auch bestrich man dieses Zäpfchen mit Rnuten8uft und Scaromonium, mit Uohlwurz, Sevenbaum, Gailenkrease u. s. w. Die Frau niusste die Milch einer anderen Frau trinken; ferner Diptamsaft mit Wein; dann folgten Bfider mit Wasserminzc, Gertwurz, Beifuss, Juden- pech n. i, w. Erst ziemlich spilt kamen wirkaamere Arzneien zur Kenninifis derAerzte. In Michard's Botanik heisst es: Früher war Seeale in Deutsch- id Geheimmittel, aber schon 1747 wurde es von einem Geburtshelfer an- rendet; spater untersuchte es Jenner in England genauer. Wir gelangen nunmelir zu einer Uebersicht des Verfahrens bei den jetzigen Völkerschaften und zwar wollen wir mit den irn- civiliairten beginnen.

A^ara fragte einst die Mbaya- Frauen in Paraguay, durch welche Mittel sie die Abtreibung bewerkstelligen? ,Du sollst es gleich sehen," gaben sie ihm zur Antwort. Dax'auf legte sich eine der Frauen vollkommen nackt auf die Erde nieder und zwei alte Weiber fingen au, ihr mit den Fäusten die heftigsten Schläge auf den Unterleib zu versetzen, bis das Blut aus den Geschlechtstheileu herauslief. Dies war für sie ein Zeichen, dasa die Fracht im Abgehen begriffen sei, und A^aya erfuhr auch nach wenig Stunden, dass sie wiiklich abgegangen war. Zugleich sagte man ihm al)er auch, dass manche von diesen Weibern für ihr ganzes Leben die nachtheiligsten F'olgen davon empfinden, und dass viele sogar theils während der Operation selbst, theüs an den Folgen derselben sterben. Auch Renggfr sagt von den Payaguas in Pa- raguay: Hat eine Frau schon mehrere Kinder, so lässt sie sich bei der näch.sten Schwangerschaft den Leib mit Fäusten kneten, um eine frühzeitige Niederkunft herbeizuführen, ein V^erfahren, welches sogar von weissen Mädchen in Paraguay nachgeahmt wurde. Bei den Queka-lndianern im hohen Nordwesten Amerikas bat Jacohsen mit angesehen, wie die Medicinmäuner auf dem ren von Weibern und Mädchen knieeu, um keimendes Leben zu icken. Der künstliche Abortus wird in Alaska (Nordamerika) bei den Indianern zuweilen im 4. Schwangerschaft.«iraonate durch Kneten und Comprimiren des Utenus vermittelst der Hand durch die Buuchdecken ausgeführt.

Ueber das Abtreibungsverfahren der Eskimos berichtet Bea- \tda: Aehnlich, wie sich im missionarisirten Grönland die Schwan- geren des Kaminstockee (ein Stück Hol/ zum Ausweiten der tia^sen Fufisbt'kleidung) zu diesem Zwecke bedienen, so benutzen die Ita- nerinn)>n des Smith-Sundes entweder den Peitschenstiel oder elnou andern Gegenstand und klopfen oder pressen sich damit gegen da« Abdomen, welche Procedur mehrmab des Tages wiederholt

XIX. Unze

wird. Eine andere Art der Abtreibung der Leibesfrucht besteht in der Perforation der Erabryonalhüllea , eine Operation, die wns in gelindes Staunen versetzt. Eine dünngeschnitzte Walross- oder Seehimdsrippe ist an ihrem einen Ende messerschneidenartig zuge- schärft, während das entgegengesetzte stumpf und abgerundet ist. Das erstere trägt einen aus gegerbtem Seehundsfell genähten cylin- drisehen Ueberzug, der an beiden Enden oifen ist und dessen Länge derjenigen des schneidenden Theiles des Knochenstücks entsprichtr Sowohl an das obere als an das untere Ende dieses Futterals ist ein etwa 15 18 Zoll langer Faden aus ttennthiersehne befestigt. Wird diese Sonde in die Vagina eingettihrt, so ist der schneidende Theil durch den Lederüberzug gedeckt. Wenn die Operirende weit genug in die Geschlechtsöfinimg eingedrungen zu sein glaubt, so übt sie einen sanft«n Zug auf den an dem unteren Ende des Futte- rals befestigten Faden aus. Hierdurch wird selbstverständlich die Messerschneide blossgelegft, worauf eine halbe Umdrehung der Sonde vorgenommen wird, verbunden mit einem Stosse nach oben und innen. Nachdem die Ruptur der Embryonalhüllen erfolgt, zieht man das Instrument wieder zurück ; zuvor aber wird ein Zug auf den oberen Faden des Messerfutterals ausgeführt, um den scharfen Theil der Sonde zu bedecken und hierdurch einer Verletzung des Ge- schlechtscanals vorzubeugen. Bessels erfuhr, dass diese Operation von den Schwangeren stets selbst ausgefiihrt wird.

Die Bewohner der nördlichen Hudsonsbai nöthigen ihre Weiber^ sich durch den Gebrauch eines gewissen, dort allgemein wachsenden Krautes ihre Frucht abzutreiben, um sich von der be- schwerlichen Last ihrer hülflosen Familie zu befreien. (EUis.) Das- selbe thun auch die Irnkes innen in Cnnada, sowohl die verhei- ratheten als auch die unverheiratheten. {Frank.)

Von den Eingeborenen Kamtschatkas berichtet Steiler: .Man kann von den Itälmenen sagen, dass sie in der Ehe mehr Ab- sicht auf die Wollust, als auf Erzeugung der Kinder haben, indem sie die Schwangerschaft mit allerlei Arzneimitteln hintertreiben und die Geburt sowohl mit Kräutern, als mit violenten äusserlichen Unternehmungen abzutreiben suchen. Die Kinder abzutreiben haben sie verschiedene Mittel, welche ich bis dato nur dem Namen nach weiss, aber noch nicht gesehen habe. Das grausamste ist, dass sie die Kinder im Mutt«rleibe todt drücken und ihnen Arm und Beine durch alte Weiber zerbrechen und zerquetschen lassen. Und abor- tiren sie nach diesen die todte Frucht ganz, oder sne putrescirt und kommt in Stücken von ihnen, und geschieht es öfters, dass anch die Mutter ihr Leben darüber lassen mnas," In Sibirien benntatCB die Mädchen die Wurzel von Adonia vemalis und Adonis apennina. (FranJc.)

Wenn bei den Mongolen ein Mädchen w£hrend d£>r Probe- zeit geschwängert wird. >«> Iw'fn-Ir. si« ftir-K iliiri'lk i/i.WftltiSrfini»» iTrri<<li>|j.

theils äusserliche, «um 14.

98. Die AbortivTuittel.

553

mders giebt es eri'ahrene alte Weiber unter den Kalmücken, dnrch lange fortgesetztes Reiben des Unterleibes, durch Auf- legen glühender, in eine alte Schubsohle gewickelter Kohlen auf die Gegend der Gebärmutter und durch andere hautschauemde Mani- pulationen, welche die Mädchen mit der grössten Geduld ertragen sollen, diesen Zweck zu erreichen suchen. (Pallas,)

la Japan ist künstliche Erregung des Abortus nicht gestattet; sie gilt in den besseren Gesellschaftsklassen fiir eine grosse Schande. Dennoch wird dieselbe bei unehelich Schwangeren und selbst bei ver- heiratheten Frauen aus den niederen Ständen sehr häufig ausgeführt Ton einer Art Hebammen, die im Uebrigen ganz unwissend sind.

Sie bedienen sich seit alter Zeit üazu eines Verfahrens, das erst in diesem Jahrhundert bei einigen Geburtshelfern für die kflustlichä Erregung der Frühgeburt in Aufnahme gekommen ist. Dies Verfahren besteht darin, daas ein mehr als Fuss langes Stück der biegsamen, etwa an Dicke einem Gänsekiel gleichenden Wurzel von Archyanthes aspera Thunberg zwischen UteniHwand und Eihäute geschoben und daselbst 1 2 Tage liegen gelassen wird. Die Wurzel wird vor dem Einführen, das mit Hülfe von zwei in die Vagina eingeschobenen Fingern geschieht, mit Moschus bestrichen, ansser- deoa wird auch innerlich Moschus gegeben. Der Erfolg dieses Verfahrens ist sicher. Eine Modification desselben ist die Einführung von Seidenfäden, die mit Moschns imprügnirt sind, in den Müttermund. Aber auch die rohe Methode des Einstosscns von schwertförmig zugespitzten Bambusstäben oder zugespitzten Zweigen einiger Sträncher in den Muttermund kommt vor und führt nicht selten zum Tode. Als geeigneter Moment zur Ausführung gilt der 4. und 5. Schwangerschaftsmouat.

In der chinesischen Abhandlung über Geburtshülfe, welche V, Mitrtius übersetzte und die von einem chinesischen Arzt zur Belehrung des Volies geschrieben ist, werden die Mittel genannt, welche dem Volke zur möglichst schnellen und gefahrlosen Ent- fernung einer abgestorbenen Frucht angerathen werden.

„Im Falle man vergewissert ist, dass die Fracht bereits im Leibe der Matter abgestorben, so m'nss mau der Mutter die Arznei Fo-scba-san ein- geben. Nach dieser wird die Frucht sehr leicht und ohne Schmerzen ab- gehen. Sollte genanntes Mittel nicht die gewünschte Wirkung hervorbringen, dann mische man einen Theil von der Arznei Fin-wei-san mit drei Thoileu von der Arznei Pu-si-uh-jem zusammen und lasse diese Mischung die Mutter einnehmen. Diese vortrefflichen Mitt«>l haben uralte weise Männer zum Besten der Nachkommenschaft zusammengesetzt. Da« Mittel selbst zu bereiten ist eine sehr leichte Sache, es kann dies ein Jedes. Mache daher ja von keiner anderen unbekannten oder ungewöhnlichen Medicin Gebrauch.*

Der Arzt hält diese Abortivmittel demnach nur beim Tode der Frucht Tür indicirt. Das Volk in China wird sich wohl kaum auf diew Indication beschränken.

Auf der Insel Formosa wird der Leib der Schwangeren mit Ffi^sen getreten, um Abortus zu bewirken. Von den Chinesen ^ n hierzu, mich Scherser, vielfach der Moschus (Shu-

'••ht. Slam exigtirt ein Abortivmittel , welches von den Einge»

XIX. Lnzeitige Geburten.

borenen vielfach benutzt, aber geheim gehalten wird, wenigstens konnte Schombimfk y welcher sich Mühe gab, Näheres darüber ru erfahren, nicht herausbekommen, welche Pflanze man hierzu benutzte, denn mau konnte ihm nur so viel mittheilen, dass es ein Mittel vegetabilischer Natur sei.

In Karikal, einer französischen Besitzung in Ostindien, wird unter der Bezeichnung schwarzer Kümmel die Nigella sativa (eine Helleborus-Art) benutzt, deren scharfutherische Samen in klei- neren Gaben (bis 15 Gran) als Emmenagogum, in grösseren als Abortiviun wirken sollen ; sie werden gepulvert und mit Palmzucker als Paste genommen. [CanoUe) Die Mainaten, die dort woh- nen, Itihren in den Uterus ein festes Instrument, welches die Form eines dünnen Steckens hat. Sie sprechen auch von der Anwendung einer geschnittenen Binse, die an ihren beiden Enden 0,10 Ctm. lang und 4 Millini. im Durchmesser ist, in den Uterus gebracht wird und hier liegen bleibt.

Auch in dem übrigen Indien ist die Abtreibimg der Leibes- frucht selir gebräuchlich. Ueber die Mittel, welche hier angewendet werden, berichtet Sfiorft:

,Der Saft der friachen Blätter von Bambuea arundicea, der Milchsaft verschiedener Euphorbiaceen (E. tirucalli, E. fortüis» E. Antiqaorum und Calatrapis gigantea), auch Aea foelida, vermischt mit verschiedenen wohl- riechenden und gewürzhaften Substanzen, wird viel benatzt. Als das wirk- samste Mittel wird jedoch die Plumbago Zej'lanica angesehen, deren Wurael gewöhnUch innerlich gereicht, aber auch local angewendet wird. Die Wurael wird dann Eugeq)itzt und imiss mit grosser Gewalt in den Uterus geschoben werden, da Shortt die Wurzel in inehreren Fällen noch daselbst antraf, während die Frucht bereits auegestossen war. In der Leiche einer Frau, die abortirt hatte, ward der Fundus uteri an drei verschiedenen Stellen per- forlrt gefunden. Solche Fälle sollen nicht selten sein, wie denn anderweitig» Oebälrmutterkranl^heiten infolge solcher Behandlung dort sehr häufig sind.*

Unter den Hindus in Calcutta giebt es Leute, die sich pro- fessionsmässig mit dem Geschäfte des Abortus befassen und sich dazu entweder des Eihautstiches oder medicamentöser Tränke be- dienen, in welchen Asa foetida eine grosse Rolle zu spielen scbemt. (Webb.)

Nach einem älteren Berichte {Krimi fs) soUen in Ostindien die löderlichen Frauenzimmer sich ihr Kind durch imreife Ananas abtreiben, und hiermit steht es vielleicht in Zusarauienhang, dik<* die Schwangeren auf Keisar, selbst wenn sie an Gelüsten leidea« die Ananas nicht essen dürfen.

Um gleich bei dem malaiischen Archipel zu bleiben, tm eine andere Angabe von Ilietlel erwähnt, dass die Frauen auf Ba- bar, um den Abortus einzuleiten, einen Extract von «^niicheni Pfeö'er in Arac trinken. Ausserdem aber tritt derjeiii^,' schwängerte, täglich im Haui^e oder im Wald.' vorsi Leib, um die Frucht zu entfernen. Bei den (>

98. Die Abortivmittel. 555

loresen auf Djailolo sind Abortiva aus Kalapa-Oel, Citronen- saft und verscliiedenen Baum wurzeln bereitet, viel in Gebrauch.

Kindsabtreibung ist auch auf den Neu-Hebriden (Insel Vate) gebrauchlich und zwar wird dieselbe theils durch pflanzliche, theils durch mechanische Mittel angestrebt. Für jede dieser beiden Arten haben sie einen besonderen Namen. Die in Anwendung gezogene Pflanze ist nicht bekannt, sie heisst bei ihnen nur Pflanze der Fruchtabtreibung (Pflanze des Saibirien). Die mechanische Art be- steht in Drücken und Kneten des Leibes durch die Hebanuuen, wo- durch das Kind getodtet wird. An dieser Behandlung (mitimauri genannt) geht ein Theil der Frauen zu Grunde. (Jamieson.)

Die Noeforezen, ein Papua-Stamm auf der Insel Noefoor, unweit Neu-Guinea, betreiben die Fruchtabtreibung, wenn ihre Frauen 3 4 Kinder geboren haben und nun nicht mehr gebären wollen. Die Frauen lassen sich ausser dem Gebräu, das sie ein- nehmen, ihren Leib mit einem Rohrbande fest zusammenschnüren und dann mit Füssen treten, so dass die Frucht mit Gewalt abge- trieben wird, (van Hassdt.)

Von den Samoa-Inseln wird berichtet, dass man sich dort »mechanischer Mittel' zum Abortiren unter den Eingeborenen bedient.

Eine grosse Kunstfertigkeit in der Kunst des Abtreibens be- sitzen nach de Rochas' Angabe die Papuas auf Neucaledonien; eine sehr gebräuchliche Art abzutreiben nennen sie die „Bananen- Kur". Scheinbar besteht sie darin, dass die Schwangere gekochte grüne Bananen siedend yerschlingt. Da die Bananen völlig vmschäd- lich sind, so dienen sie, wie Rochas meint, nur zur Verschleierung des wahren, bis jetzt noch nicht entdeckten Abortivraittels. Nicht selten horte Rochas aus dem Munde der Eingeborenen: ,Da geht auch Eine, die Bananen genommen hat.* Auch Moncelon giebt an, dass ihre Mittel unbekannt, aber vegetabilischer Natur wären. Er glaubt, dass gewisse Baumrinden dazu benutzt werden.

Von den Eingeborenen der australischen Colonie Victoria schreibt Oherländer : Abortion durch Druck kommt keineswegs selten vor, besonders nach einem Zanke zwischen Mann und Frau.

In Persien lassen sich die Schwangeren, insbesondere die Unverheiratheten, im 6. oder 7. Monat den Abortus dadurch herbei- führen, dass die Hebamme mittelst eines Hakens die Eihäute sprengt, was in Teheran von mehreren deshalb renommirten Hebammen mit grosser Geschicklichkeit ausgeführt wird. Nur einzelne unglück- liche Geschöpfe wollen sich selbst helfen; sie setzen massenhafte Blutegel an, machen Aderlässe an den Füssen, nehmen Brechmittel aus Sulphas cupri, Drastica oder die Sprossen von der Dattelkrone; und fruchten alle diese Mittel nicht, so lassen sie sich den Unter- leib walken und treten. Viele dieser Unglücklichen gehen zu Grunde. Fohk, der dies erzählt, wurde in Teheran oft um Abortivmittel

XIX. Uiueitige Geburten.

gebeteiL In der persischen Provinz Gilan am caspischen Meere bewirkt man die Abtreibung durch Schläge, Stöase, Druck u. 8. w. auf den Bauch, innerlich durch drastische Purganzen. (Häntssche's Mittheil.)

In der Türkei treiben die Hebammen die Frucht durch Ein- führung irgend eines reizenden Körpers (z. B. einer Pfeilenspitze) in die Gebärmutter ab. (Eratn.) Den türkischen Weibern sind nach Oppenheim der Safran und die Sabina als Abortivmittei be- kannt; ausserdem bedienen sie sich häufig der Foha aurantiorum mit der Jalappen- Wurzel, die sie mit kpchendera Wasser infon- diren und als Thee trinken lassen, ein Mittel, das sie seiner Sicher- heit wegen allen anderen vorziehen, nur sollen seiner Anwendung lebensgefahrliche Blutungen folgen.

Die Weiber in Alexandrien benutzen Pfeffer, auch Lorbeer und andere Mittel, ausserdem übt man hier das Kitzeln der Gebär- mutter mittelst eines Stückes Holz aus. (Bericht des ehemal. Consul Gerhard.)

Von den jetzigen Arabern wird Aehnliches berichtet; so sagt Jiique, Militärant in Algerien, daas die Matronen, welche boi den arabiacUen Stämmen Algiers die Entbindungen besorgen, auch den künstlichen Abortus einleiten, indem sie die Function der Eihäute ausführen. Rüiue gab selbst bei einer auf solche Weise entbundenen Frau in der Nähe dea Muttermunde«, den die ungeschickte Hand der Matrone verfehlt hatte, zwei bis drei Wunden, die Ton einem spitzen Instrumente herrührten. Wenn die Eingeborenen in Algerien fürchten, dass das Kind ün Mutterleibe abgestorben ist, so luuaa die Schwangere ein Getränk zu sich nehmen, bestehend aus Honig und vrarmer Milch, in welchem Pulver von Vitriol Zdadj aufgelöst ist, dann soll das Kind abgehen; sollte letzteres aber noch nicht ganz todt sein, so wird es sich auf die Seite wenden und dann bestimmt ausgetrieben werden. {Berthera»d.)

Andere Abtreibemittel, deren sich die Frauen der Eingeborenen in Algerien bedienen, sind: die saure Milch einer Hilndin, vermischt mit zer- quetschten und geschulten Quitten getrunken. Oder die Frau muas drei Tage lang eine Abkochung der Spargel wurxel und der Färberröthe- (Krupp-) wuncel trinken. Oder ein Taleb musa auf dem Boden einer Tasse zwei Worte aus dem Koran achreiben, und man wäscht dann diese Worte üb mit einer Mischung von Wasser, Oel, Kümmel, Raute und Rettig; diee« Sub- stanzen rauss die Frau selbst auf dem Boden der beschriebenen Tanse xcr^ quetschen und hin- und herreibeu, dann drei Tage lang davou trinken; hierauf wird das Kind in ihrem Leibe eine solche Lage bekommen, daas leicht abgeht. Audi umss die Frau 10 Tage lang fünfmal tt^'llch eine Mischung von Milch und Salz trinken; ist daa Kind hiervon nicht herab- gestiegen, so trinke sie süsse und saure Milch von zwei Kühen, gemischt mit Essig; schon ein Schluck davon befreit sie vom Kinde. Sie miscfaea Spargel und Talarfarat (?) durcheinander, actzen ein wenig Mehl tu und kochen es mit etwas Wasser; hiervon essen sie drei Tage laug, wtlbrvod deren sie gleichzeitig Wasser trinken aus einer Tasse, auf deren Boden g** schrieben stehen die Worte; Mit Gott! Djbrahil (Name eine» Engel«) t Mit Gott, mein Engel (hier folgt der Name des Engels der Frau) ! Mit Qottl Srafil (Name eine« Engels)! Mit Gottl Äzrail (Name eines Engel«)! Mit Univ. MohamiiKd (der Prophet)! Grass sei ihm, zrweimal Gnissl Er Ut ••, '

98. Die Abortivmittel. 557

welcher auferweckt, der darch seine Kraft vom Tode wieder erstehen lässt. Er hat gesagt: Er lebe! zu dir, die zum ersten Male empfangen hat; er hat CB gesagt, wenn sie trinkt während dreier Tage die Farbe, mit welcher in die Tasse geschrieben ist. {Bertherand.)

Vor Abortas schreckt man nach Nachtigal auch in Fezzan nicht stoück, denn kein Gesetz verbietet ihn; iJte Weiber besorgen ihn mittelst Kügelchen von Rauchtabak oder von Baumwoue mit iem Safte des Oschar (Colotropis precera), innerlich sollen Russ irdener Kochgeschirre imd eine Henna-Maceration dieselbe Wirkung haben. In Aetbiopien wird Holz und Harz der Ceder, des Sade- banmes zur Erzeugung des Abortus benutzt. {Hartmann.) In Massaua benutzt man nach Brehm's mir übergebenem Bericht Absud einer nicht näher bezeichneten Thuja-Art. Die Ausführung des künstlichen Abortus geschieht bei den Wol off -Negern durch Marabuts; doch nicht alle von diesen betreiben das Qeschäft, viel- mehr wohnen die Specialisten im Inneren, besonders in der Gegend von Cayor. Dortbin begeben sich die freiwilligen Opfer, um von dem Kinde befreit zu werden. Worin das Verfahren besteht, konnte de JRochebrune nicht erfahren, nur so viel glaubt er erforscht zu haben f dass in gewissen Fällen Arzneien eine Rolle spielen, dass jedoch auch mechanische Handlungen nicht ausgeschlossen sind.

Die Negerinnen in Old-Calabar nehmen im dritten Schwan- gerschaftsmonat Medicin, um, wie sie sagen, zu prüfen, welchen Werth die Empfangniss habe:

Sie unterscheiden nämlich drei Arten einer misslungenen Conception: 1. die Conception von ZwUlingen, 2. die Conception eines zu früh abgehenden Embryo, und 8. die Conception eines Kindes, welche» bald nach der Geburt ■tirbt. Sie nehmen nun die Medicin zu dem Zwecke ein, um eine solch«* Conception zn vernichten, bevor sie, wie sie meinen, völlig Platz gegriffen hat. Diese Arzneien werden durch den Mund, durch den After und durch die Scheide eingeführt. Zuerst auf dem Wege durch den Mund und durch den After; wenn dann eine blutige Ausscheidung aus der Vagina erfolgt, so wird die Wirkung dieser Arzneien unterstützt durch eine unmittelbare Appli- .eation an den Oebärmuttermund. Zu letzterem Zweck nehmen sie eine von drei Pflanzen, eine Euphorbia, eine Leguminose oder ein Amomum. Das Stengel- ende des Blattstieis der Euphorbia, welches seinen Saft ausschwitzt, wird in die Vagina geschoben; zu demselben Zweck wird die Schote einer Hüli«en- frocht eingelegt oder eine kleine Menge Guineapfefier mit Speichel zu einer Masse zosammengerieben; dieser GuineapfefTer aber ist eine Amomuui-Art. Nach Verlauf weniger Tage tritt Abortus ein. Allein es ist nicht der wahr«.- und einfache Abortus, welchen die Negerinnen wUnHchen, es ist nach ihrer Meinung nur ein unter jenen Bedingungen auftretender. Kr findet nur zur Verhinderung einer jener drei Conceptionsarten statt, welche nach An-icht der Negerweiber unnatürliche sind und keinen Halt im Uterus haben.

Aber nicht selten kommt e.s vor, da.s.s i'w Wirkung eine zu starke war; später entwickeln sich constitutionelle Störungen und oiffanische Leiden, und es folgt der Tod. (Henan.) Bei den Herero giß Pfe£fer als Abortivmittel.

558

XTX. tTttzeitIg« Geburten.

Bei den Weissen in Amerika sollen die gewerbsmässigen Ab- treiber besonders Junipenis virgininna gebrauchen. ^ait be- obachtete dort vier Vergiltuugsfälle mit diesem Mittel. Doch wird auf alle Fälle Ton den geübteren Personen ein mechanisches Ver- fahren- benutzt.

Die Engländerinnen gebrauchen nach Taylor namentlich Juniperus Sabina, aber die Blätter des Taxus (Eibenbaimi) scheine ebenfalls renommirt und gebräuchlich zu sein; auch Eisenmittel (Siil" phat, Chlorit) und in seltenen Fällen Canthariden werden angewendet.

In Russlaud sind als Abortivmittel nach Krcbel's Angabe innerlich Sublimat, Sabina und Seeale comutum gebräuchlich. In Esthland aber nehmen die schwangeren Mädchen Mercurius vivua mit Fett gemischt; nach v. Lua: inuner vergeblich.

Eine ganz besondere Methode zur Fruchtabtreibimg scheint ein Pfuscher in Schweden auszuüben. Edlhuj berichtet von eint>m tödtlich abgelaufenen Fall, wo sich eine Frauensperson von eint-m Feldhüttenbesitzer eine geheime Manipulation machen Hess ; derselbe gab ihr eine Röhre, die sie so weit als möglich in den Leib ein- fTihren musste ; dann that er in dieselbe einen Stotf und blies hinein. Bei der Sectiou fand sich eine arsenige Säure im Uterus.

Im jetzigen Griechenland ist nach den mir von Professc Damian Geonf in Athen vor mehreren Jahren zugegangenen brief- lichen Mittheilungen am gebräuchlichsten Opium oder Belladonna, welches die Frauen gewaltsam in die Scheide einführen; weniger gebräuchlich ist das Sitzen auf sehr heissen sttMuemen Berkt?ti innerhalb des Bades, und drittens die Pellentia, namentlich Kuda odorans, Sabina und der Bernstein, selten allgemeine Aderl&aee, welche immer am Fusse gemacht werden.

Bei weitem die grosste Erfind imgsgabe auf dem Gebiete der unsauberen Kunst des Fruchtabtreibens scheint Frankreich be- wiesen zu haben, wenn man auch nicht leugnen kann, dass im Volke auch eine Reihe ganz unschuldiger Mittel in Gebrauch gezogen werden. Namentlich haben Tardim und Goilard diesem Oeg« stände ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Meerzwiebel, Sassaparilk Guajak, Aloe, Melisse, Camille, Artemisia, Safran, Absinth, Vanillf», Wacliholder, aber auch Seeale comutum, Jodpräparate und Alo.""-, Juniperus Sabina und dessen ätherisches Oel kamen ihnen vor. Durch letzteres, durch Cantharidenpulver mit Magnesia sulphuricj und durch einen Trank, welcher aus Feldkelle, Rainfarm, Johaunia kraut, Sadebaimi und Russ bereitet, sahen sie mehr als die Hälfte" der Schwangeren zu Grunde gehen.

Bäder und Blutentziehuugen aller Art, körperliche Uel mQdung, Fall, Stösse und Schläge gegen den Leib wurden el falls oft in Anwendung gezogen. Ausserdem kommen abor at hier die directen Einführungen in die Gel r vor, Ui»'

durch Strick- imd Häkelnadeln. Auch die i. liit wai' i

98. Die Abortivmittel.

559

Fallen versucht wordeu. Die MortalitÄt (i«*r zur Kenntnis» der Be- hörden gekommenen Fälle betrug 60 Procent,

Unter den slavischen Volksstämmen Deutschlands scheinen ziemlich ähnliche Abortivmittel heimisch zu sein, wie unter den deutschen. In Böhmen suchten sich nach J[/a.sr7//ra schwangere Mädchen die Frucht durch Bier mit Paeonia, durch Asarum enro- paeum, durch Decoct von Ruta graveolens und GlaubersalzJösung abzutreiben. Zechmeister berichtet, dass in der Gegend von Essegg in Böhmen nicht selten Schwangere im 5. oder 6. Monat abortiren mit Holte gewisser Frauen, welche die Sache systematisch betreiben, indem sie mittelst einer Spindel diu-ch den Muttermund die Eihäute, ja auch den Kindeskopf durchstechen. In einem Falle war dem Mädchen ein sechs Zoll langer federkieldicker Zweig in die Scheide so eingeführt wordeu, dass sein vorderes Ende im Muttermund sich befand, während das andere rlickwärts in der Masse des Kreuz- beines steckte.

Die Abortivmittel, welche im Volke in den verschiedenen Theileu Deutschlands in Anwendung gezogen werden, bieten im Ganzen nur geringe Abweichungen von einander dar. lieber die im Frankeuwalde gebräuchlichen Mittel zum Abtreiben führe ich die Angaben an, welche wir durch Flügel erhielten. Dort bezeichnet man besonders hohes und weites Hiuauslangen mit den Armen, schweres Heben, Tragen, Tanzen, Springen, liolperiges Fahren , freiwilliges Fallen , Belastimg des Leibes , sich treten lassen u. s. w. als der Schwangerschaft sehr feindliche, beziehungs- weise hülfreiche Vorgänge. Manche Weiber legen einen holien VV.'ith auf das Auswinden von nasser Wäsche mit einiger Kraft. .Mutter kraut* wird im Frankenwalde jedes Kraut genannt, von dem ma^i glaubt, dass es treibende, die Thätigkeit der Gebärnmtter anregende oder auch beruhigende Kräfte besitzt, so zunächst Me- lisse, dann Minze, Raute u, s. w. Fast dmrchweg kennt man den Sadebaum, Segelesbaum, weit seltener das Mutterkorn. In massigem Rufe stehen ferner Brech- und Abfilhrraittel, besonders Aloe, dann starker Katfee, Ziinmt. Safran: die Mutterblätter d. h. Sennesblätter reinigen bekanntlich die Gebärmutter. Vom Schiesspulver sagt eine rohe Weise: es macht olfen, da müsse es ztt einem Loche hinaas. Im Stern- und Planetenbalsam (Perubalsam) vermuthet man eine y^ geheime Kraft., er dient gegen L^nvermögen nnd als

fu. Essig trinken, viel Kochsalz essen, dauernd hungern, ' viel Hratuitwein, überhaupt scharte giftige Sachen zu sich zu nehmen, gelten weiter als Abortiva, Buben, meint man, seien leichter ab- zutreiben, als Mädchen. «Das kann ju kein Mord sein, denn es hat ju kein Leben," sagt nuwj unschukligerweise und verleitet durch ilen Umstand, djuss <lie Schwjingere in der ersten Hälfte der Schwan- gerschuft die Bewegungen des Kindes nicht fühlt. Man bittet wohl auch den Arzt um ein Mittel, »welches die Jsabelschmu- abfris.st.* Im Frankenwaldc glauben aueh die geschwängerten Mädchen,

560 ^I^- Unzeitige Gebarten.

durch wiederholten Aderlass die Frucht abtreiben zu können, auch lassen sie sich spitze Gegenstände in die Scheide stossen.

Wenn man den Mädchen in der Pfalz durch Fragen entlockt, dass sie schon Thee von den Blättern des Sevenbaumes (Juniperus Sabina) getrunken haben, so kann man 6 gegen 1 setzen^ dass man eine Schwangerschaft vor sich habe, die man nur unter der Form einer Krankheit vertreiben soll. {Pauli.) In Schwaben suchen sich die. Mädchen die Frucht ebenfaUs durch Sadebaum oder Beifiiss ab- zutreiben, auch glaubt man dort, dass man die todte Frucht ab- reiben kann, wenn man die Frau mit Ro^sschmalz von unten hinauf räuchert. (Bück.)

Die Steyermärkerinnen benutzen nach Fossel als Abortive scharfe Abführmittel, Mutterkorn, Jimiperus Sabina, die Zweige und Blätter von Rosmarin und Aufgüsse von Theer.

In der Gegend von Ohrdruff (Thüringen) glaubt man im Volke, dass die Schwangerschaft verschwinde, wenn eine Schwan- gere einen Tropfen Blut unter gewissen Ceremonien in einen Baum bohrt.

In früher Zeit scheint schwarze Seife als Abortivmittel gegolten zu haben, denn schon Lindenstolpe nennt sie unter denselben: „famosus in Belgio sapo niger".

Im Herzogthum Schleswig fand Thomsen, PKysikus in Oappeln, dass von einer Frau, welche das Abtreiben gewerbs- mässig betrieb, regelmässig gewisse Mittel in einer b^itunmten Reihenfolge in Anwendung gebracht wurden.

Sic verordnete zuerst Abkochungen von Hopfen und Brombeerblättem (RubuB fructicosus), dann Thymian oder Quendel (Thymus serpyllnm), Ros- marin (in Schleswig von den gemeinen Leuten nur als Topfzierpfiänze cultivirt) und Camillen; ferner Geil (Spartium scoparium), der aus einer ent- fernten Haidegegend herbeigeschafft werden musste. Darauf ging die Frau zu den stärker wirkenden Mitteln, zum 'Lebensbaum (Thuja occidentalin, dort nur in geschlossenen Gärten als Zierstrauch gehegt und oft von den Mädchen als Emmenagognm und ' Abortivum heimlich benutzt) und zur Sa- bina (Juniperus sabina) Ober. Andere Mittel, welche in jener Gegend ge- bräuchlich sind, sind das ilorescirendo Kraut des gemeinen Beifusses (Arte- misia Tulg.), Brechmittel und Abkochungen der Blüthen der grossen gefüllten Bauerrose (Paeonia). Das Hauptmittel aber der erwähnten berfihmten Ab- treiberin war Safran (Crocus sativus), von dem die Schwangere etwa eine Drachme mit einer Flasche Wasser unter Zusatz von etwas Stärke gekocht in zwei Portionen früh und Abends zu sich nehmen musste (die Folgen waren nach 1/2 Stunde üebelkeit mit Würgen, Müdigkeit, Eingenommensein und Schmerzen des Kopfes, und nach dreitägigem Gebrauche des Mittels Schmerzen im Leibe und Reissen in allen Gliedern). Wurde hierdurch nicht die er- wünschte Wirkung erzielt, so nahm die Abtreiberin mit Hülfe eines Mannes mechanische Manipulationen vor: Die Schwangere musste sich auf den Rücken legen, worauf die Abtreiberin beide Fäuste auf den Bauch der Schwangeren stemmte und damit so stark, als letztere es aushalten konnte, vom Nabel abwärts in's Becken presste. Nun legte sich der Gehülfe der Abtreiberin aaf die Knie zwischen die beiden ausgespreiztm Beine der Schwangeren hin, fabt

)ie Ahortiviuittcl.

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Ficgeru in die Scheide uud arbeitete dariii bo lang« beram , bis es ihm gslang, eine ..dttnae Haut" zu durcbatoseen. Diese Operation, -vrelcUe als eine sebr scbmerahafte bezeichnet wurde, hatte uicbt jedesmal sogleich den gewünschten Ert'olg, sondern musste in mehrtägigen Zwi^cbenräuraen, in einem FaHe sogar fünfmal, wiederholt werden, ehe der Abortua wirk- lich eintrat.

Werfen wir noch einmal einen Blick zurllck auf die Fülle der Abtreibeniittel, wie das Volk sie in den verschiedensten Tbeüen der Erde in Anwendung zieht, so sind wir im Stande, sie in bestimmte grossere Kategorien zu ordnen. Am spärlichsten vertreten finden wir die sympathetischen Mittel: sie scheinen in einer so wichtigen und beängstigenden Lebenslage sich nicht das hinreichende Ver- trauen haben erwerben zu können. Unter den innerlich, meistens bi der Form heisser Aufgüsse, also von Thee, gebrauchten Medicamenten finden sich imter vielen absolut wirkungslosen starke Aroniatica, Brech- und Abfuhnnittef, reizende Stotfe, aber endlich auch solche, welche eine directe Einwirkimg auf die Älusculatur der Gebärmutter ausüben. Dann folgen die Maassnahmeu, welche man als die , nicht Verdacht erregenden" bezeichnen konnte. Das sind in erster Linie die grossen Anstrengimgen des KJ'trpers : übermüdendes Gehen imd Tanzen, Lastenheben, Witsch eringen und absichtliche.s Fallen. Hier scbliessen sich das gewaltsame Schütteln des Körpers, sowie auch die heissen Bäder, die Aderlässe, das Hungern und die Niesemittel an. Den Uebergang zu den örtlichen Mitteln bilden die raedicamen- sn Klystiere, die Application von reizenden Pfiastem oder von Ihenden, in eine Schuhsohle gehüllten Kohlen auf den Leib, und endlich die heissen Käucherungen der Genitalien.

Die eigentliclv local angewendeten Methoden der Fruchtabtrei- bung scheiden sich wieder in solche, welche von aussen vom Bauche her die Gebärmutter treffen, und solche, welche theils auf die Vulva, theils auf die Vagina mit dem Scbeidentheile der Gebärnmtter, theils endlich auf die Höhle des Uterus selbst direct einzuwirken suchen.

Der Leib wird lange Zeit gerieben, geknetet, mit den Fäusten gepresst, gewalkt und geschlagen, gestossen uud mit den Fü.'isen getreten. Auch kniet man sich darauf. Bisweilen wird der Bauch vorher durch fest umgelegte Binden oder durch ein Kohrband ein- geschnürt. Die äussere Scham wird mit starken Reibungen be- handelt oder dicht mit Blutegeln besetzt. In die Vagina legt man irritirendc Stoffe. Diese sind theils feht, theils in Pastonform, oder man imprägnirt auch mit ihnen Pessarien oder Baumwoilentampons. Der Scheidentheil des Uterus wird mit Stöckchen gekitzelt. Der Muttermund wird durch Presaschwiimme, Papyrusröllchen, Feder- spublen, Stöckcben oder Pfeifenspitzen eröffnet, Wicken- and Watte- bäusche, mit Arzneistoffeti irobibirt, werden hiii j ' J"t, Einbla- sungen und Einspritzungen werden ausgelVihrt. haben die Leute auch gelernt, spitzige Instrumente zwinchtui tue Frucht und

Plgi«, Du Waib. I t AuS.

36

f,62 XIX. ünzeitige Geborten.

die Gebärmutterwand zu scliieben oder die Eihäute zu perforireu, und die hierzu benutzten Gegenstände haben wir von sehr verschieden- artiger Natur befunden. War auch von diesen letzteren Manipula- tionen manche nicht gerade sehr geschickt ausgefallen, so las.sen sie doch bereits ein Verständniss und eine Einsicht in das Wesen und in die anatomischen Verhältnisse der Schwangerschaft erkennen, wie man sie so tiefstehenden Schichten der Bevölkerung und so wenig civilisirten Nationen durchaus nicht a priori zugetraut hätte.

99. Tersache znr Beschränkung der Frachtabtreibung.

Schon in frühen Zeiten hat die Gesetzgebung der Fruchtabtrei- bung ihre Aufmerksamkeit zugewendet, Ln alten Gesetzbuche der Perser, „Vendidad*, welches die Rechtsgrundsätze Zorousfer's enthält, lesen wir:

„Wenn ein Mann ein Mädchen geschwängert hat und zu dieser sagt : suche dich mit einer alten Frau xu befreunden, und diese Fmu bringt Bangha oder Fra^pata oder eine andere der auflösenden Baumarten, so sind daa Mädchen, der Mann und die Alte gleich strafbar. Jedes Mädchen, welche« auh Scham vor den Menschen seiner Leibesfrucht einen Schaden beifQgt, niusä für die Beschildigung des Kindes bflssen," (Duncker.)

Auch die Meder und Baktrer bestraften die Abtreibung.

Das brahmanische Gesetzbuch des Manu, welches die Lebens- Tveise in den Haupt- und Misch- Kasten der Hindu regelt, verbietet und bestraft ebenfalls die Abtreibung.

Die Abtreibungsmittel waren bei den Juden Mreng verboten; eine Anwendung derselben wurde als eine Abart des Kindesmordes betrachtet, und nach Flaviun Jost^phust mit dem Tode bestraft.

Wichtig ist hier auch die Bestimmung von 2. Moses 21 :

„Wenn Männer sich hadern und verletzen ein schwangeres Weib, dass ihr die Frucht abgeht, und ihr kein Schaden widerHlhrt, so soll man ihn nm Geld strafen, wieviel des Weibes Mann ihm auferlegt, und soll es geben nach der Schiedsrichter Erkennen. Kommt ihr aber ein Schaden daraus, so soll er lassen Seele um Seele, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand am Hand. Fnss am Fuss, Brand um Brand, Wunde um Wunde, Beule um Beule."

Aus Aristofchs' Schriften geht hervor, dass die Griechen das Uerbeifiihren einer P'ehl- oder Frühgeburt nicht als Verbrechen, sondern unter Umständen als ein ziilässiges Verfahren betrachteten. Die Stelle bei diesem Autor lautet :

„Wenn aber in der Ehe wider Erwarten Kinder erzeugt werden, »o soll die Frucht, bevor sie Empfindung and Leben empfangen hat, abgetrieben werden ; was hierbei mit der Heiligkeit der Gesetze übereinstimmt, wa« nicht, i*it eben nach der Empfindung und dem Leben der Frucht za beurlh^ilen '•

Es scheint demnach die Absicht gewesen zu sein, die Eltern, welche keine Kinder erzeugen wollten, zur Fruchtabtreibung xu berechtigen, damit nicht etwa durch Übermässige Belastung der

99. Versal

lg der FruchtabtrMDäagr

wenig bemittelteu Familie mit Kindersegen das Gemeinwesen ge- schädigt werde : nur durfte im Einzelfalle das Kind noch nicht lebenslahig sein,

Aehnliohe Ansichten sprach Plato aus; er gestattete den Hebammen die Abtreibung der Frucht vorzunehmen, indem er sagte: „Sie können die Gebärende erleichtern oder auch eine Fehlgeburt herbeiführen, wenn man eine solche beabsichtigt." Lichtenstndt und SchJcienmtdier betrachten diese Beförderung der Frühgeburt durch Hebammen als ein auf den Wunsch der Schwangeren verantitaltetea Abtreiben der Leibesfrucht; LictUenstädt ver- luthet auch, dass vielleicht ein solches Fördern der Frühgeburt hier gemeint kein könne, welches aus physischen Gründen zva Erhaltung der Mutter und des Kindes notb wendig sei. Allein in dieser Beziehung hat Plato in keiner Weise Andeutungen gegeben, vielmehr ganz allein die Hebammen für be- rechtigt erklärt, Kinder abzutreiben.

In Rom herrschte dieselbe Sitte selbst bei den Frauen der Vornehmen, Sctieca erwähnt dieses Laster als eine gewöhnliche Sache. „Nie,'* sagt er zu seiner Mutter Helvia, ,hast Du Dich Deiner Fruchtbarkeit geschämt, als wäre es ein Vorwurf Deines Alters , nie hast Du gleich Anderen Deinen gesegneten Leib als eine ananständige Last verborgen, nie Deine hofinungsvolle Frucht in Deinen Eingeweiden selbst getodtet."

Wie stark verbreitet im damaligen Rom die Unsitte der Frucht- abtreibung war, das haben wir bereits oben aus JurtnaVs Munde gehört. Es kam so weit, dass der Mann fOr seine schwangere Frau einen sogenannten Bauchhüter anstellte.

Der Gnmd dieser Erscheinung, dass die civilisirten Völker des classischen AUerthum.s das Alitreiben so gleichgültig ansahen, ist in der bei ilmen verbreiteten Meinung zu suchen; dass der Fötus uoch kein Mensch, sondern bloss ein Theil der mütterlichen Ein- geweide sei. Grosse Unterstützung gewährte einer solchen Ansicht auch die stoische Schule. Die Geringschätzung eines kindlichen Le- bens ging ja unter den Griechen uud Ufiraern bekanntlich so weit, dass man ein soeben zur Welt gekommenes Kind noch keineswegs flir einen zum Fortleben berechtigten Menschen hielt, so lange diisselbe noch nicht vom Vater durch die Aufhebung (Sublatio) an- erkannt und aufgenommen wurde. Noch rücksichtsloser durfte man wohl gegen ein uoch nicht geborenes Kind verfalu-en. Den- noch gab es Männer, wie Seticca, Juvenal, Ovid, die aufgeklärt genug waren, (he Abtreibung tHr eine verabscheuungswUrdige Hand- lung zu erklären. Der Letztere sagt: Dio zuerst es begann, sich die keimende Frucht xu entreissen, HJltt* in der blutigen Thal wahrlich zu sterben verdient. Also allein, dass den Leib man nicht zeih' entstellender Runzeln, klUlitest den Kampfplatz Du zu entsetzlichem Werk?

Was dorcfawahlt ihr den eigenen Leib mit spitzigen Waffen? Qt^ht entsetzliche« Gift Kindern noch vor der Geburt?

Das bat die Tigerin nimmer gethan in Armeniens Be^gschlacht, Selber die Löwin hat nimmer die Jungen erwürgt!

3G*

564

XIX. Cnzeitige Geburten.

Aber die zärtlichen Mädchen, sie thnn'a doch triöl sie die Strafe. Oft, wer vernichtet die Frucht, tödtet ^ch .selber dadurch; TAdtet sich selbBt und liegt mit entfeBseltem Haar auf deoi Hobstosa, Und wer immer sie siebt, ruft: Ihr geschah nach YerdienHt.

Im Einklänge mit den erwähnten allgemein herrschenden Anschau- ungen war denn auch die Kiudesabtreibung nach den Gesetzen der Romer nicht verboten oder für strafbar erklärt. Es stand ja den Eltern frei, die Neugeborenen nach Willkür aufzuziehen oder aus- zusetzen. Nur dann, wenn besondere, 8trafl)are Zwecke mit der Kindesabtreibung verbunden waren, wurde gegen die betrefiend* Person vorgegangen.

Die Miksia, deren Cicero erwühut, Hess sich durch Geld bestechen, um mit dem Abtreiben ihrer Frucht ge\ri8scn Verwandten einen Dienst zu leisten ; er behandelte in seiner Oratio pro Clueutio den Fall der Abtreibung, wobei er die Yerurtheiluug der rou Seitenerben bestochenen Mutter lediglich vom Gesichtspunkte einer Eigeuthumsbeächildigung des Vaters motivirt. Die Kaüer Secerus und Antonius haben, wie das Justinianische Recht^buch zeigt, als eine ausserordentliche Strafe die Verbannung fflr eine Kindesabtreiberin festgesetzt*) bloss wegen des dem Ehemanne dadurch erwachsenen Schadens. Allerdings hat derselbe Codex auch Strafen auf den gewerbsmilHbigen Ver- kauf von Liebestränken und Abtreibemitteln geeetzt"). allein diese Ver- fügung zeigt, dass man nur in diesem Handel ein eigentliche« Delictum sah: dagegen wird die abtreibende Schwangere dabei gar nicht erwähnt. So lieaa man dem Unfug, sich der Frucht zu entledigen, völlig freien Lauf; dieselbe war wahrscheinlich deshalb nehr ausgebreitet, weil zur Zeit der Sitten- verderbnias die vornehmen Frauen danach strebten, sich die Schönheit zu erhalten und nicht durch Schwangerschaft, Geburt. Wochenbett und Kinder- erziehang im freieü Genasse des Lebens gestOrt zu werden.

Von den Germanen hatte Tacüus zwar behauptet, dass sie die Zahl der Bunder zu beschränken ftir verbrecherisch halten. Da- gegen ist durch Grimm u. A. nachgewiesen worden, dass bei ihnen einst allgemein die Sitte herrschte, die Kinder auszusetzen. So scheint es. dass TacUiis lediglich darauf hindeuten wollte, dass die Germanen jenen römischen Brauch, durch klinstliche Mittel Abor- tus zu bewirken, nicht übten.

Dass jedoch auch diese Sitte der Fruchtabtreibung germa- nischen Völkern bekannt war, beweist da.s bajuvarische Gesetz VU, 18 und das salische Gesetz XXI. 2. Andeutungen über die Anwendung von Abortivmitteln im Norden macheu Hävam 26, Fiölsvinnsm. 23; vgl. Lex Rectitudines 89. Bei den Friesen war nach der Lex Ffision. V. 1 die Abtreibung straflos. {Weinhold^ Jedoch rechnet das friesische Gesetzbuch unter die Menschen,

*) „Lidignnm enim videri potest. impune eam moritum tiberi« fraudasae."

'*) iiQui abortionis aut amatorium poculum dant, et«i dolo non focia&t tarnen, quia mali exempli res est, humiliores in metollum, hon««UordB i& insulam, amissa parte bonorum, relegantur, quodsi eo molier ftllt bomo

'. sammo sappjicio affioiantor."

99, Versuche 7.ar Beschräakung^ der Fruchtabtreibung.

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»^naQ, ohne Wehrgel<l zu zahlen, iödten könne, solche, die ein Kind von der Mutter abtreiben.

Die ältesten deutschen Gesetzbücher beschränkten sich darauf, den durch Kindesabtreibung angesteUten Schaden durch Geldstrafe blissen zu lassen: Das alemannische, vom Frankenkon ig Dac^o- hert (t 683) erneute Recbtsbuch bestrafte lediglich den, der ein^ Schwangere abortiren machte (höher, wenn es eine weibliche Frucht i betraf, als wenn diese männlichen Geschlechts war oder letzteres nicht erkamit wurde). Das salfräukische und das ripuarischei Recht straft den Thäter um Geld, und zwar um so höher, wenn die Mutter dabei zu Grunde ging.

Nach dem bavari sehen Gesetze aus dem 7. Jahrhundert be- Ktraft« man Mitschuld an der Fruchtabtreibung mit 200 Geissei- hieben, die Mutter aber mit Sclaverei; starb die Mutter, so wurde die Mitschuldige mit dem Tode bestraft. Auch die Sammlung von westgothischen Gesetzen von Chindastvind (f 652) und seinem Sohne Jiecestvintl (f 672) enthalt unter der Rubrik .Antiqua* Be- stimmungen gegen die Abtreibung: Wer einen Abtreibetrank einer Schwangeren giebt, wird hingerichtet; eine Sclavin, die ein solches Mittel sich verschaflFt, erhält 200 Peitschenhiebe; eine freie Schul- dige wird zur Sclavin gemacht. Ein Freier, der durch Gewaltthat Abortus einer Frau herbeiführte, bezahlte bei einem ausgebildeten Fötus 250 Solidi, bei einem nichtausgebildeten nur 100. Ging die Mirtter zu Grunde, so trat stets die Todesstrafe ein. {Spangcnbcrg.)

Von den Kirchenvätern wurde die Fruchtabtreibung geradezu als Homicidium bezeichnet, und wenn auch einige Synodalbeschlüsse auf dieses Vorgehen nur eine Busse gesetzt hatten, bald von sechs, bald von zehn .lahren, so bezeichnete doch schon die sechste con- stHntinopolitanische Synode die Abtreibung direct als Mord.

Auch Papst Stephan V. schrieb um 886: „Si ille, qui con- eptnm in utero per abortum deleverit, homicida est" u. s. w. In laBTentandener Ausl^ung mosaischer Aussprüche erklärte dann iuf Grund unrichtiger üebersetzung der Septuaginta der Kirchen- vater Ätujustinus , dass eine Frucht bis zum 40. Schwangerschafts- tage imhelebt sei: auf Abtreibung einer solchen stand Geldbusse, auf Abtreibung einer älteren, belebten Frucht hingegen die Todes- strafe. Dieses verschiedene Strafmaass wurde auch beibehalten und ein ^Glossator des Codex Justinianus, Accnrsnis, verlangte, dass die Ab- reibung einer imbelebteu Frucht (vor 40 Tagen Alters) mit Verbannung, "die Abtreibung einer belebten Frucht mit Todesstrafe belegt werde.

Als Deutschland ein gemeinsames Reich geworden, und als jene ältesten germanischen Gesetzbücher durch die Sammlungen alter Rechtsgebrüuche ersetzt wurden, z. B. durch den Sachsen- und Schwaben-Spiegel, in welchen die Abtreibung gar nicht er- yvrähnt wird, so hielt man sich von da an wohl vielfach an den fuNtiniunischen Codex, der sich in Deutschland mehr und melur heimisch machte. Durch diesen Codex und seine Glossatoren kam

566

XIX. Cnaeitige Gebarten.

dann wiederum jene Theorie des kanonischen Rechts über »belebte" und , unbelebte* Früchte in die 1533 vom Kaiser Carl V. veröfl'ent- licbie peinliche Gerichtsordnung, die Carolina, welche bestimmte:

,So Jemand einem Weibsbild darch Bezwang, Essen oder Trinken ein lebendig Kind abtreibt, so solch üebel vorsätzlicher und boshofier Weise geschieht, so soll der Mann mit dem Schwerdte als Todtschläger und die Frau, 80 aie es auch an ihr selbst thäte, ertränkt oder sonst zum Tode be- etruft werden. So aber ein Kind, das noch nicht lebendig war, von einem Weibsbild getrieben würde, sollen die ürtheilei- der Strafe halber bei den RecbtsvcrsUlndigen oder sonst, wie zu Ende dieser Ordnung gemeldet wird. Raths pfiegen."

In Frankreich wurden die fränkischen Gesetze durch das kanonische Recht, verbunden mit dem römischen, allmählich ver- drängt. Die Parlamente Hessen die Abtreiber einfach aufknüpfen; die Revolution änderte diese drakonische Gesetzgebung dahin ab, dass der gefällige Helfer zu 20jähriger Kettenstrafe venirtheilt Wurde; [Über die Frau, an der der Abortus vollzogen war, wurde nichts bestimmt.

Die Engländer besassen seit dem \'i. Jahrhundert in dem Fleta ihre Gesetzsammlimg; diese bedrohte den Abortus mit der Todesstrafe, indem man dabei von dem Gesichtspunkte ausging, dass durch dieses Verbrechen eine Beeinträchtigung des Staates herbeigeführt werde. Ein Gesetz von 1803, die Ellenborough- Acte, hielt noch den Unterschied zwischen belebter und unbelebter Frucht fest.

In Oesterreich verfilgte das Josephinische Gesetzbach von 1787 , dass eine Schwangere, die durch geflissentliche Hand- lung sich ein todtes Kind abtreibt oder abtreiben lässt, ein Capital- verbrechen begeht und 1 Monat bis 5 Jahre hartes Gefängnis» zu gewärtigen habe; Mitschuldige erhalten kürzeres linderes Geiangniss.

Das preussische Landrecht von 1794 verfügte: Weibspersonen, welche sich eines Mittels bedienen, die Leibesfrucht abzutreiben, haben schon dadurch Zuchthausstrafe auf <> Monate bis 1 Jahr verwirkt. Wirklich vollbrachte Abtreibung innerhalb der ersten 30 Schwangerschaftswocben ist mit 10 Monaten bis 1 Jalir Zucht- haus bedroht. Helfer litten gleiche Strafe, erhielten aber bei mehr- facher Ausübung des Verbrechens Staupenschlag.

Allein es gab und giebt auch heute noch Volker, die nicht erat dem Christenthiune das sittliche Empfinden nach dieser Rich- tung verdanken. Schon längst, ehe bei Griechen und Römern die Abtreibung in Aufnahme kam, lebten, wie wir sahen, Völker- schaften, welche die Abtreibung bestraften : die alten Juden, sowie die Meder, Baktrer und Perser. Auch im alten Reiche der Inka wurde die künstliche Fehlgebmrt mit dem Tode bestraft.

In China ist die Abtreibung allerdings durch den Strai'codex verboten, und der Artikel 292, der von der Präparation der Gifte han- delt, bedroht den Uebertreter mit 100 Bambushieben und 3 Jahren £xil; trotzdem aber findet man in allen Städten, besonders in Peki ng,

09. Versuche £ur OescbrlLakung der Fruohtabtreibang.

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die Wände an den Strassen mit Annoncen bedeckt, welche Mittel zvir Herstellung der Menstruation anbieten, unter welchen sich wirk- liche Abortivmittel verbergen. Die Polizei bekümmert sich nicht darum. Wenn dennoch einmal die Sache zur Untersuchung gelangt, 80 erkundigt eich der Mandarine nicht nach der Thatsaohe des Lbortus, sondern nach den persönlichen Verhältnissen, die das Ver- brechen entschuldbar machen, und dieses bleibt dann unbestraft. In dem Buche Si-Yuen-Lu ßudet sich auch angegeben, wie man erkennen kann, ob eine Fruchtabtreibung .stattgefunden hat: mau soll in die Scheide Quecksilber bringen; wird dessen Glanz matt, so fand Abtreibung statt; auch soll die Magistratsperson durch eine Hebamme constatiren lassen, ob das, was aus der Scheide abge- gangen ist, ein Fötus oder ein Blutcoagiduiu sei. {Martin.)

Auch unter den heutigen uncultivirten Völkern giebt es einzelne, wenn auch nur wenige, bei denen von einer Bestrafung der künst- lichen Frühgeburt die Rede ist; es sind dies die Battas in Asien und die Kaf fern stamme (Waitz), welche Strafen auf dieses Ver- gehen setzten; letztere bestrafen sogar den mitwirkenden Arzt. {Pcscliel)

Auch der türkische Strafcodex enthält zwar Straf bestim-

raungen, doch in einer so undeutlichen Fassung, dass die Richter

nie genau ermitteln können, wer eigentlich zu bestrafen ist. Das

Lbortiren hat unter der türkischen Bevölkerung eine so colossale

liuadehnung gewonnen, dass die Regierung sich seit Jahren vergebens

bemüht, eine wirksame Abhülfe zu schaffen. In der Hauptstadt

kommen jährlich 4000 Fälle vor, und zwar ausschliesslich unter der

türkischen Bevölkerung allein. Die türkische Zeitung «Dsche-

ride i-Havadis* vom Februar 1877 berichtet: 95 Proc. der Kinder

und mehr als ^/^ der Mütter sollen der Barbarei zum Opfer fallen.

in einem eigenthUmlichen Gegensatze zu diesen legislatorischen

Bestimmungen der Türken steht die folgende Angabe:

Noch im December des Jabres 1875 erliess die Mutter de« Sultans Abdul Asia eine Verordoung, in welcher aie allen Insaaseu des grossfQrst- Uchen Palastes ein Oe«etz einschärfte, das in letzter Zeit ausser Gebrauch gekouimen zu sein schien, nfimlich dass, so oft eine ßewohnenn des Palastes schwanger sei, dafür gesorgt werden mflsse, dass sie abortire-, gelinge die Operation nicht, ao dUrfe bei der Geburt' des Kindes die Nabelschnur niL-ht unterbanden werden; diejenigen Kinder aber, die jetzt im Paläste wären. dQrften niemals zum Vorschein kommen. Zur AusfQhnmg dieser Barbarei existirt e:ine eigene Klasse von Megären, welche unter dem Namen Canld ehe, „die blutigen Hebammen", bekannt sind, und w(>lche ihr schauerliches Gewerbe in den Palä8t«>n der Grossen uugescheut treiben.

Da das vorliegende Buch nicht juristischen Zwecken dient, so entgehen wir der Versuchung, einen Vergleich zwischen den heute in aen Culturstaaten über die Fruchtabtreibung gültigen Gesetzen izustellen, und wir tilierlassen es dem Gesetzgeber, die Schatten- »iten der Ijestehenden Verordnungen zu erkemien und deren Ver- onening herbeizufuhren. Ftür uns ist es genügend gewesen, die

568

XIX. Unzeitige Geburten.

ungeheure Verbreitung zu zeigen, welche dieses Laster besitzt, und auf die Gefahr hinzuweisen, welche dem einzelnen Individuum nicht allein, sondern dem ganzen Volke daraus erwächst. Denn manche Naturvolker verdanken ihr rapides Zusammenschmelzen und ihr definitives Verschwinden von der Erde zum nicht geringen Theile dem Verbrechen der Fnichtabtreibung.

C. Die Frühgeburt.

100. Wann ist die Frocht lebensfähig l

Es hat nicht unwesentlich zu der Entschuldigung der absieht» liehen Fehlgeburten mit beigetragen, dass luan in der ersten Zeit der Schwangerschaft den Embryo als einen unbelebten Gegenstand betrachtete. Lange Abhandlungen sind darüber geschrieben worden, von wann an die Frucht als belebt zu betrachten sei, oder nit anderen Worten, zu welcher Zeit ihr die Seele gegeben würde. Lutgi 'Bonaciolo ist der Meinung, dass der männliche und weibliche Same 45 Tage gebraucht, um Saft, Blut, Fleisch und die übrigen Theile des Embryo zu bilden. Tune anima.rationalis a sublimi Deo creatur, creataque infunditur.

Die Aerzte haben ziemlich früh Abnormitäten an dem weib- lichen Kürper kennen gelernt, welche die Frau in die höchste Lebensgefahr bringen mussten, wenn sie zu normaler Zeit einer Ent- bindung unterliegen sollte. Daher scheuten sich die Aerzte, und zwar mit vollem Hechte, nicht, in solchen Fällen den künstlichen Abortus einzuleiten. Dieses schreibt auch Moschion vor:

„Wenn die Schwangere einen festen Auswuchs oder sonst ein Hindemins am Muttermunde hat, so soll die Fehlgeburt erregt werden; denn die reife Frucht, die sie nicht gebären könnte, müsste absterben, oiid «de selbst würde in die grösste Lebensgefahr versetzt werden."

Nun war es natürlicherweise nicht mehr femliegend, zu über- legen, von welcher Zeit der Schwangerschaft an denn wohl ein zu früh geborenes Kind am Leben erhalten werden könne.

Es ist nun interessant, zu sehen, was tVir eine lange Lebens- dauer ein falscher Lehrsatz haben kann, wenn eine grosse Autorität ihn aufgestellt hat.

Uippokrates hatte die Ansicht, dass eine im 8. Monat geborene Frucht (Foetus octimestris) nicht lebensfähig sei, eine siebenmonat- liche dagegen fortleben könne. Aristoteles ist .sich in der Sache nicht ganz sicher; denn obgleich er die Octimestrefl ftir lebensfähig erklärt, so setzt er doch hinzu: zumal in Aegypten, dagegen weniger in Griechenland. Galen scliliesst sich in .seiner Abhand- lung nfQi iniaf^i^von' ßgnpMv der Hippokratischeu Ansicht an. I>ie®e Meiimng über die LebensunfUhigkeit eines achtmonatlichen Kindes theilten auch die Talmudisten. Da sieh in der Erfahrung diese Theorie nicht bewährte, so halfen sie sich dadurch aus der Vor-

101. Die kUnstliclie Frühgeburt.

569

lefjenlwit, daas sie ein Kind, welches im 8. Monat lebend geboren vkiirJe, nur für ein siebenmonatliches erklärten, welches nur einen Monat zu lange im Uterus verweilt habe.

Koch lange hielt man au der Lehre des Hippokrates fest. So finden wir sie bei dem arabischen Arzte Ävicenmi wieder. Auch Bernard von Gordon zu Montpellier trug sie in seinem 1305 verfassten „Liliüm medicinae" vor und suchte sie aus plane- tarischen Grllnden zu beweisen. Noch weiter aber in der Astro- logie und im Glauben an den £influss der Gestirne auf das Leben des Fötus in den verschiedenen Schwangerschaftsmonaten ging Jacob von Forli, um 1400 Lehrer zu Padua: in seiner Expo- iltio zu Avicenna's Kapitel de gener. embryonis meint er: Im 1. Monat herrscht Jupiter quasi juvans pater als Geber des Lebens; im 7. Monat die Luna als Betorderin des Lebens durch ihre Feuchtigkeit und das von der Sonne empfangene Licht; dagegen im 8. Monat Saturn^ der Feind des Lebens, welcher die Kinder auffrisst; deshalb kann kein um diese Zeit geborenes Kind leben bleiben; im 9. ^louat regiert wieder der erhaltende Ze?« und erhält das Kind am Leben. Wir sehen, wie lange sich unter den Aerzten die falsche Ansicht erhielt, wie sehr sich aber auch der Aberglaube einer späteren Zeit noch mit der Mythologie der Römer vermischte.

Selbst noch der aufgeklärte französische Arzt Pari' huldigte der hippokratischen Ansicht über die Lebensunfähigkeit der acht- monatlichen Früchte, während er diejenigen von 7 Monaten für lebensföbig erklärte.

Man hatt« aiich eine natürliche Erklärung für dieses eigen- thümliche Verhalten aufgestellt, und zwar wurde das Stürzen des Kindes dafür verantwortlich gemacht. Mit sieben Monaten sollte dieses Stürzen erfolgen und dann konnte das Kind sofort gejboren werden und am Leben bleiben. Wenn es aber nach dem Stürzen noch femer im Mutterleibe verharrte, dann konnte es sich von der Erschütterung im Laufe nur eines Monats noch nicht wieder soweit erholt haben, um die Strapazen der Geburt überleben zu können; dazu waren zwei volle Monate erforderlich.

Bei den Kabilen gilt die Frucht mit dem 7. Monat für lebensfähig.

Xach Schrrmhr sieht man Kinder, welche vor der 29. Woche

geboren werden, ganz regelmässig zu Grunde gehen, aber auch

die Mehn;ahl der vor der 33. Woche geborenen Kinder pflogen in

|d' n Tagen nach der Geburt schon wieder zu sterben. Später

l^'jv" können jedoch am Leben bleiben.

101. Die kQnfütllche Frühgebnrt.

Wir können den Abschnitt über die unzeitigen Geburten nicht ohne mit zwei Worten der künstlichen FrQhgeburt zu

570

XIX. Unzeitige Geburten.

gedenken. Lag bei den Kindeeabtreibungen fast immer die be- wusste Absicht vor, das Leben des sich bildenden Kindes zu ver' nichten, so ist der wesentliche Zweck der künstlichen FrUhgeburt gerade, das Leben des Kindes womöglich zu erhalten. Dieser ope- rative £iugriil' beündet sich daher auch nicht, wie die Einleitung der absichtlichen Fehlgeburten, in den Händen der Pfuscher, son- dern ganz aiLSSchliesslich in denjenigen der Aerzte. Stets handelt es sich nur um solche Fälle, in denen die mechanischen Verhält- nisse in dem Korperbau der Schwangeren das Austreten eines aus- getragenen Kindes unmöglich machen und die Mutter daher unfehl- bar bei der Entbindung zu Grunde gehen würde. Allerdings haben gewichtige ärztliche Stimmen noch im vorigen Jahrhuudert unter diesen Bedingungen den künstlichen Abortus vertheidigt. Und auch jetzt noch muss derselbe bei gewissen plötzlichen Erkrankungen der Mutter zu ihrer Lebensrettung eingeleitet werden. Aber für ge- wöhnlich macht man heute den Versuch, ausser dem Leben der Mutter auch noch dasjenige des Kindes zu erhalten. Und so lässt man der Schwangerschaft ungestört ihren Gang, bis die Zeit erreicht Lst, in welcher man hoffen darf, dass das Kind schon seine Lebens- fähigkeit erreicht hat, wie wir gesehen haben, also nicht vor der zweivmddreissigsten Woche. Für die Ausführung sind verschiedene Methoden empfohlen, die in den Lehrbüchern der Geburtehülfe nach- zusehen sind.

Die erste Empfehlung der künstlichen Frühgeburt ging um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von England aus, namentlich von Deütnan und Macaulay, in Deutschland wurde sie im Jahre 1804 zum ersten Male von Menzel ausgeführt. Ablehnend ver- hielten sich die Franzosen unter der Führung von Bau4elot:que gegen die Operation, aber seit 1831, wo Stalte in Strassburg sie zum ersten Male im Lande in Anwendung zog, ist sie auch allmählich dort zum Gemeingut aller Gynäkologen geworden.

103. Die Todtgebnrten.

Es mag dem Leser fast wie eine Wiederholung erscheinen, wenn wir, nachdem wir in den früheren Abschnitten in so ausführ- licher Weise über die todten Früchte, wie sie durch den natür- lichen oder durch den willkürlich, sei es in verbrecherischer, sei es in therapeutischer Absicht, herbeigeführten Abortus geboren wurden, gehandelt haben, hier nun noch einmal auf die Todtge- burten zurilckkommen. Wenn wir aber auch manches Aehnliclie werden berühren müssen, so wird man doch wohl solir bald heraus- flihlen, dass diese Wiederholungen in Wirklichkeit dennoch nur schein- bare sind. Von einem Abortus im strengeren Sinne des Wortes pflegt man dem allgemeinen Sprachgebrauche gemäss nämlich nur in denjenigen Fällen zu sprechen, in welchen der innerhalb des

102. Die Todtgeburtei».

Ö71

Mutterleibes abgestorbene und durch vorzeitige Welieuthätigkeit »US der Gebärmutter ausgestossene und zu Tage geförderte Embryo noch im Ganzen massige und geringe Körperdimensionen darbietet, wo derselbe also, um es mit anderen Worten auszudrücken, sieb noch in einem relativ jugendlichen Alter seiner Entwickelung inner- halb des mütterlichen Organismus befunden hatte. Wenn nun aber die Frucht eine bedeutend längere Zeit im Mutterleibe gelebt hatte, wenn sie bereits die Zeit erreichte, in welcher normaler Weise der Fötus ausgetragen ist, oder wenn an diesem Zeitpunkte nicht viel mehr mangelte, oder wenn wenigstens diejenigen Monate der Schwan- gerschaft bereits herangekommen waren, in welchen unter günstigen Umständen ein zwar zu früh, aber doch lebend geborenes Kind schon am Leben erhalten werden kann, wenn also die körperliche Ausbildung und die Grössendimensionen des Embryo schon einen ziemlich erheblichen Grad angenommen haben, dann pflegt man, wenn die Frucht ohne Leben zu Tage gefordert wird, nicht mehr von einem Abortus, sondern von einer Todtgeburt zu sprechen.

Jedes Kind also, was mit gänzhch oder fast vollständig vollen- deter körperlicher Entwickelung nicht lebend geboren wird, ist eine Todtgeburt. Naturgemäss haben wir hier aber mancherlei Unter- schiede und Abstufungen zu statuiren. Denn es ist, wie wohl kaum erst für uns zu erwähnen nothwendig ist, eine recht erhebliche Diflereuz, ob das sich entwickelnde Kindchen innerhalb des mütter- lichen Organismus abstirbt und ob dann die kleine Leiche noch eine mehr oder weniger lauge Zeit von der Mutter getragen wird, oder ob der Fötus zwar lebend und gesund den normalen Abschluss seiner intrauterinen Entwickelung erreichte, dann aber durch das unglückliche Zusammentreffen besonderer unheilbringender Umstände noch während des Qeburtsactes oder sogleich nach der Beendigung desselben sein junges Leben wieder einbüssen musste.

Sefar mit unrecht haben bei manchen Völkern die Miltter oder die Heb- ammen als Todtgeburten diejenigen GeburtaiUlle bezeichnet, wo sie das Neu- geborene sogleich nach erfolgter Entbindung umgebracht haben. Wir finden •olche traurigen Verhilltniflse bei gewissen Indinneretilmmen, aber auch bei den Hindu, auf den Philippinen und in gewiüiicn Gebieten Contra t- afrikas. Eine besonders hochgradige Verbreitung hatte diese Form der gewaltsamen Todtgeburten angeblich im Anfangs unseres .Jahrhunderts in den Sclavenstaaten des südlichen Nordamerika. Hier soll es in gewissen Districten lange Zeit aU die Regel gegolten haben, dass die schwarzen Heb- ammen die neugeborenen Kinder der Sclavinneu bereits während der Geburt durch einen Stich mit der Nadel in das Gehirn todteten, um sie vor einem ähnlichen grausamen und unglücklichen Schicksale, wie dasjenige ihrer Er* zeuger war, zu bewahren.

Ein Abateibeu eines lebenden und bis zu der Zeit der Reife und vollen Entwickelung auBgctragenen Kindes während der Geburt kommt im üebrigen immer nur bei schweren Störungen des Geburtsmechanismus und ganz bc- , «ondcrR durch lange Zeit hindurch fortgesetzte Compression des Nabelstranges durch die Wandungen der Geburtswege £u Stande. Hierdurch wird die Blut- circulation von dem Mutterkuchen aus in dem kindlichen Organismtia unter-

572

XIX. Unzeitige Gebarten.

brechen und auf diese Weise ein Stillstand aeines Herzens und damit naiur- gemHas sein Tod herbeigefQhrt. Dass auch bisweilen unglückliche GrOsien- verhilltnisse des Fötus im Vergleiche su der Weite der Geburtawege der Mutter- für die Äerzte die zwingende Veranlassung werden k&nnen, das Kind, um seine Geburt zu ermSglichen und das bedrohte Leben der Matter zu erhalten, innerhalb des mütterlichen Leibes zu tödten, zu zerstückeln und zu zerkleinem, das werden wir in einem späteren Abschnitt ausführlicher zu besprechen haben.

Die Ursachen nun, welche aas Absterhen eines dem Zeitpunkte des Ausgetragenseins beteits nahen Fötua herbeizuführen vermögen, sind sehr mannigfacher Art und decken sich im Grossen und Ganzen mit den Ursachen des natürlichen Abortus. Vor Allem sind es starke Gewalteinwirkungen auf den mütterlichen Organismus oder erhebliche psychische Erregungen und schwere acute Erkran- kungen der Mutter, aber auch gewisse constitutionelle Krankheiten der Mutter nicht allein, sondern auch des Vaters. Wenn der Em- bryo abgestorben ist, so hat natürlicherweise die Schwangerschaft, wenigstens in ihrer physiologischen Bedeutxmg, ihr Ende erreicht. Es ist damit aber durchaus noch nicht gesagt, dass nun das todte Kind auch sogleich durch die Kräfte der Natur aus dem Mutter- leibe herausbefördert würde. Allerdings kann unter Umständen die Ausstossung des abgestorbenen Fötus schon sehr bald nach seinem Tode erfolgen; in ausserordentlich zahlreichen Fällen jedoch wird er mehrere Wochen und selbst Monate hindurch in der mütterlichen Gebärmutter zurückgehalten, und es kann sogar vorkommen, dass er einen beträchtlich langen Zeitraum über die normale Schwanger- schaftsdauer hinaus immer noch seine Stelle innerhalb des Mutter- leibes behauptet.

Man möchte nun glauben, dass dieses längere Verweilen ^der kleinen Leiche im Inneren des Uterus bei ihr einen ganz erheblichen Fäulnissprocess hervorrufen müeste. Das ist nun aber keineswegs der Fall. Solch ein ab- gestorbenes Kind verbreitet, wenn es zu Tage . gefördert ist, nicht einen fauligen, sondern nur einen faden Geruch; es ist matschig weich, und alle seine Theile zeigen eine vollkommene Durcbtränkung mit einem röthlichen Blutwassor, während die Oberhaut sich in Blasen oder in Fetzen abhebt. Man bezeichnet diesen Zustand als eine Erweichung, als eine MaceraUon Jea Embrj'o. Ist der letztere sehr lange Zeit über die normale Schwangerschafts- dauer hinaus im Imaeren des mütterlichen Organismus zurückgebalten worden, dann kann er durch einen bestimmten Modus, der fettigen Degeneration oder durch die Impi^gnining mit Kalksalzeu ein wacb^artiges oder selbst ein eteinartig verhärtetes Ansehen darbieten, und wir haben dann ein Bei- spiel eines sogenannten Lithopädlon, eines Steinkindes vor unH. Das sind Zustände, welche in das Bereich der Pathologie gehören und die wir an dieser Stelle nicht weiter verfolgen können.

Es ist mm wohl ausserordentlich natürlich und begreiflich, dass, weon einem Weibe in den vorgerückten Monaten der Schwan- gerschaft irgend eine von den weiter üben auseinandcrgesetzteu Schädlichkeiten begegnet war, unt^r denen ihr g.inzer Organismus*] nnd namentlich ihr Nervensystem in erheblicher Weise gelitten

102. Die Todtgeburl

573

hatte, sie selber aowolil als auch ihre Umgebung einige Sicherheit darüber zu haben wünschten, ob der unter ihrem Herzen sich ent- wickelnde Sprössling durch diese unglücklichen Zufälle getödtet wurde, oder ob er trotz derselben noch am Leben geblieben sei. Bereits vor mehreren Juhrhunderten sind die Aerzte bemüht ge- wesens für ein solches Abgestorbensein der Kinder im Mutterleibe untiügliche Kennzeichen aufzustellen. Aber schon die grosse An^ zahl (lieser Merkmale, die sie zusammengebracht haben, liefert uns den deutlichen Beweis von der ausserordentlichen Schwierigkeit, diese Angelegenheit mit unumstösslicher Sicherheit zu entscheiden. So finden wir in Roesslins Rosengarten die folgenden Bemerkungen:

, Durch a^wölflf zeichen hinunten beschrieben wird erkand ein tod Kind in Mutterleib. Erstlich, so der Frawen brüste welk und weich werden. Das ander zeichen eines todt«n Kindes, So sich das Kind nicht mehr reget in Mutter leib, und eich doch vorhin gereget hat. Da« dritte. Wenn dus ^ind in Mutterleib liegt, feit von einer seiten zur anderen, wie ein stein, ao sich die Frawe umbkeret. Das vierde zeichen, So der Frawen ir leib erkaldet, und der Nabel, und sind doch vorhin warm gewesen. Das fünffte zeichen ist, So aus der Bermuiter gehen böse stinkende Flüsse, und besonder, so die Frawen scharpffe hitzige krankheit gehabt. Das sechste zeichen. Wenn den Frawen ihr äugen tieiV stehen im Heubt, und das weis braun wird, und ihre äugen starren, die Letltzen werden bleifarb und tunckelblaw. Das sibende zeichen eines todten Kindes inn Mutterleib, so die Fraw unterm Nabel und inn den gemechten gros wee hat, ihr angesiebt gantz ungcstalt und missfarbe. Dan achte, So die Fraw begierde hat lu widerwertiger speis fid trenck, ao man sonst nicht pflegt zu messen. Das neund, so sie nicht ichlaffen mag. Das zehend, so die Frawe die hamwinde on unterlag hat, bpg;irde zn stuelgang mit drängen und nSten, schafft doch wenig oder gar nicht. Da* eilffte zeichen. Der Frawen wird gewonlich ihr athem stincken und Übel riechen am andern oder dritten tag, nach dem dajs Kind tod ist. Daa zwcllfte zeicheD, So mercket man, ob das kind {■od ist inn Mutter leib, weiuk man ein Hand inn warmem waseer gewermet, und geleget auff der Frawen leib, reget sich denn das Kind nicht von der werme, so ist es Tod. Und ihemehr der zeichen funden werden an einer Schwanger Frawen, je gewisser man ist, das das kind im Mutter leib tod ist."

Die Trüglichkeit und Unzuverlässigkeit von einem grossen Theile dieser Zeichen wird auch wohl dem Nichtmediciner sofort einleuchtend .sein, und die heutigen Geburtshelfer sind sich über die erheblichen Schwierigkeiten, hier einen absolut sicheren Entscheid zu treffen, vollkommen einig. Noch im Jahre 1886 sixgt-Karl Schroedcr: , Gewissheit von dem erfolgten Tode geben nur die durch den etwa geöffneten Muttermund hindurch deutlich gefÜiilten schlotternden Kopfknochen." Allerdings eii.stirt ja nun eine Ileihe von Vor- kommnissen, welche den Verdacht auf den erfolgten Tod der Frucht in hohem Grade zu erwecken im Stande sind. Das ist namentlich das Aufhören der Kindeabewegungen und das Verschwinden der Herztöne des Embryo.

Die KinilcKbi'wcgungon haben in der Meinung der Frauen eine ganft' |li' 'itung. Von ihrem ersten Auftreten au rechnen sie die

[i: nger»chart, sehr mit Unrecht, denn ßmch erwähnt, daM

574

XIX. Unzeitige Geburten.

die erste Bewegung bald schon in der z'wOlften Woche, bald erst in dem siebenten Monat bt'merkt \ranle. Man glaubte aach, daes die Knaben »iuh früher bewegen, als die Mädchen. Ja selbst eine kunstgescbicbtliche Be- deutung haben die Kindsbewegungen erhalten durch das „Hüpfen im Leibe" der Elisabeth von dem embryonalen Johannes dem Täufer als Zeichen der Huldigung bei seiner ersten Begegnung mit dem ebeufallä noch ungeborenen Christum (LucM I, 41). Dieser in der christlichen Kunst bekanntlich sehr vielfach Idinstlerisch geschilderte Gegenstand hat eine Fülle von bildlichen und plastischen Darstellungen der Schwangergchaft hervorgerufen.

Die Her/.töne des Embrj'O sind von einem geschulten Geburtshelfer deut- lich zu diagn osticiren. Verschwinden dieselben gleichzeitig mit den Kindes- bewegungen, nachdem sie soeben noch mit Sicherheit nachweisbar waren, dann ist ein gegründeter Verdacht auf ein erfolgtes Absterben der Fruclit vorhanden.

Aus allen diesen Auseinandersetzungen wird der Leser die Ueberzeu^ng gewonnen haben, dass eine absolut sichere Ent- scheidung, ob eine Frucht im Leibe abgestorben sei oder nicht, durchaus keine leichte Sache ist, und dasa nur ein geschulter Ge- burtshelfer im Stande sein kann, hierüber ein endgültiges L^rtheü abzugeben.

103. Falsche Schwangerschaften.

Wir können unsere Besprechung der Schwangerschaft nicht abschliessen, ohne noch mit wenigen Worten gewisser krankhafter Zustände zu gedenken, welche im Stande sind, für Andere oder so- gar auch für die von ihnen be- trofiene Frau selber die irr- thUmliche Vermuthung wach zu rufen, dass eine Schwanger- schaft vorhanden sei. Es ge- hören hierhin in erster Linie gewisse Arten von Geschwül- sten des Unterleibes, Blasen- würmer der Leber mid des grossen Netzes und namentlich Cysten- Bildungen der Eier- stöcke, die sogenannte Eier- stockawassersucht. Da diesel- ben gar nicht selten unverhei- rathete und oft sogar noch recht jugendliche Individuen befallen, und da ihralhnäh- I lieh dicker und dicker werden- der Leib ihnen, wenn sie be- kleidet sind, das unbestreitbare Aussehen einer Schwangeren Tt irt «I . u TN . I. V* Äiebt, so haben die armen

Niwii Piiotogtmpliie.) Madchen auaser unter ihrer

KrankLeit gar häufig auch noch unter mancher spöttischen Bemer- kung zu leiden.

Die höheren Grade dieser ungl&cklichen Affection lassen den Bauch zu ganz unglaublichen Dimensionen sich ausdehnen (Fig. 40), und nicht mit Unrecht hat man gesagt, dass schliesslich der gesanimte Körper wie ein Anhängsel des Bauches erscheine.

Gewisse Formen der freien Bauchwassersucht, welche den Leib ebenfalls ähnlich wie in der Schwangerschaft auszudehnen vermögen, werden dennoch selten zu Verwechselungen Veranlassung geben, weil sie fast ausschliesslich bei älteren Personen sich finden, deren allge- meine Erscheinung keinerlei Zweifel über die Schwere ihres Leidens aufkommen lässt.

Eine Affection, welche nicht nur die Umgebung der Frau, sondern auch diese selbst irre zu führen vermag, ist zum Glück nicht sehr häufig; sie hat aber nichtsdestoweniger in den früheren Jahrhun- derten eine ganz hervorragende Rolle gespielt. Es ist das die , falsche Schwängerung", welche zu der Entstehimg der Mondkälber führt. Der Name Mondkalb, auch Mondkind, ungestaltes Fleisch, böse BUrde genannt, stammt daher, dass man sich einbildete, dass der Mond eine ganz directe Einwirkimg auf die Entstehung dieser Dinge habe. Im Lateinischen heissen sie Mola, was angeb- lich von der durch sie verursachten Beschwerde (moles) herkom- men soll. Man hat hier zweierlei Zustände zusammengeworfen, einerseits wahre Monstrositäten, die zu der Gruppe der kopflosen, Alissgeburten gehören, und andererseits krankhaft entartete Eier, welche auch als sogenannte Fleischmolen beschrieben worden sind. Die in dem Uterus festgewachsenen Mondkälber, von denen bei einigen Schriltstelleru die Rede ist, sind besonders grosse, breit aufsitzende Gebärmutterpolypen gewesen. Bei Moriceau heisst es;

„Ein Mondkalb aber ist nichts anderos, als ein Fleisch-Klumpen ohne Bein, ohne Gelenk und ohne Untenichied der Gliedniaassen. Das hat keine Oesialt, noch ordentliche und aaagemachte Bildnu», und wird wider die Na* tar, in der Beer-Mutter, nach dem BciüchlufT von des Mann» und Weib« ver- dorbenen Samen gezeuget. Jedoch giebt es je zu Zeiten einige, die einen .\nfang einer entwortfenen Gestalt haben. Gewiss ist. daas die Weiber diese Oewächse nicht zeugen, sie haben denn beygeschlatfen. und werden so wol beede Samen dazu erfordert, als zu einer rechten Zeugung.

Die Mondklllbcr cnseugen sich gemeiniglich, wann einer von den Samen sowol der von dem Mann, als der von dem Weib, oder alle bet'do zugkich bchwarh und verdorben sind, da die Beer-Multcr »ich nicht bemnliet, inu eine wahre Zeugung, als vermittelst der Geister, deren die Samen ullor voll •eyn müssen, aber um so viel desto leichter, je mehr da« wenigo, das sich da befindet, ausgcloscben, und gleichsam ersteckt und ertrilnkt ist von der Menge grobes verdorbenen Monat-Bluts, das da manohmal, bald nach der EmpflngnuB zufleugt, und der Natur nicht der Weil IlLst, das jenige, so sie mit grosser Mühe hat angefangen, auszumachen, und indem sie also ihr Werck, dasselbe alles durch einander und in eine Unordnung werffend, verwirret, so wird aus dorn Samen und diesem Geblüt ein rechter un geschaffen er Kluni- peUj das wir ein Mondkalb nennen, und sich gemeiniglich anderswo nicht

576

XIX. ünaeitige Geburten.*

erzeuget, als nur in der Frauen ihrer Beor-Mutter. und eich niiDmeruiehr oder doch gHr selten, in allen andern Thiore Beer-Mutter, weil diese keine Monat- Zeit haben, wie jene finden lasset."

Die ADzeichen, woran die Schwangerschaft mit einem solchen Mondkalbe' zu erkennen sei, die Unterschiede, welche seine Be- wegungen von denen eines wirklichen Fötus darbieten, die medica- mentösen und die operativen Mittel, welche nothwendig sind, um die Frau von dieser Mola zu befreien, finden in den älteren geborta- hölflichen Werken ihre auslührhche Erörterung; wir können sie aber au dieser Stelle njit Stillschweigen übergehen.

Noch eine dritte Gattung der scheinbaren St^hwaugerschaft müssen wir aber einer kurzen Betrachtung unterziehen. Sie ist es, welche dem Volkamunde zu dem Spottverse die Veranlassung gegeben hat: „Und wenn sie denkt, sie hat ein Kind, Diinn hat sie den ganzen Banch voll Wind."

Ein allgemein anerkannter deutscher Name existirt für diesen Zustand nicht; die Franzosen nennen ihn grossesse nerveuse, die Engländer mit weniger treffender Bezeichnung spurioua pregnancy. Es handelt sich hierbei um die volle, aber irrige Ueber- zeugung von Seiten der Frau, das ssie schwanger sei, und sie empfindet nach und nach wirklich alle subjectiven Erscheinungen der Gravidität.

Von diesen Zuständen sagt Schroeder:

„Dieselben kommen ebenso häufig vor bald nach der Heirath, aU im Beginn des klimakterischen Alters, am häufigsten, aber doch nicht aosschlie««« lieh, bei verheinitheten Frauen, besonders solchen, die «ich dringend Kinder vrQnschen. Dabei schwillt das Abdomen in Folge von Tympanitis und Fell- ahlagerung in den Bauebdecken und im Netz oft zu einer beträchtlichen Ausdehnung an, Linea alba und Warxenhof färben sich bräuDlich, die Bniat- drüsen schwellen stark an und entleeren Colostrum. Ausserdem glauben dio Frauen deutliche, mitunter sogar häufige und lästige Fruchlbewegungvn stu sparen; ja am berechneten Eade der Schwangerschaft legen sie sich wohl ins Bett und klagen über heftige Wehen."

Wenn nun auch Schroeder sich dahin äussert, dass diese Fälle mehr ,p.sychologi8«:h interessant als diagnostisch schwierig* sind, so giebt er doch selber zu, dass nicht selten die sichere Entscheid düng nur in der Chlorofonnoarkose getrofi'en werden kann, und die Erfahrung hat gelehrt, dass hier bisweilen sogar berühmte Geburts- helfer sich haben irreführen las.sen Was für deprimirende Empfin- dungen, wieviel getäuschte Hotfnungen mit der Erkenntnis« dieser Grossesse nerveuse für die arme Frau und ihre Umgebung verbun- den sind, das bedarf wohl keiuer weiteren Auseinandersetzung. Weutt übrigens die Frauen die üeberzeugung erlangt haben, dass sie nicht schwanger waren, dann verschwinden" alle die vorher be- schriebeneu Symptome der Schwangerschaft- sehr schnell, ohne ein weiteres Zuthun des Arztes.

£nde des ersten Bandes.

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