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EIN BLICK ZURÜCK Aus der Geschichte der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd

Von Oberstudienrat Albert Deibele

I. Heimatland der Staufer Zwischen Bergen und Bächen

Der Kreis Schwäbisch Gmünd umfaßt Gebiete des Keupers und des Juras, die sich scharf von einander unterscheiden. Der Keuper besteht meist aus weichen Sandsteinen und wasserundurchlässigen Lehmen und Mergeln. Über ihm liegt der Jura. Er ist aus harten, rissigen Kalksteinen aufgebaut, die mit mächtigen Lehm- lagern abwechseln. Der Farbe nach unterscheidet man von oben nach unten den Weißen, Braunen und Schwarzen Jura. Vor Millionen von Jahren war auch das Keuperland von der Juradecke überzogen. Regen, Schnee, Wind, Hitze und Kälte, vor allem aber unsere Flüsse haben die Juradecke weithin zerstört und den darunter liegenden Keuper bloßgelegt. Tag für Tag geht diese Zerstörung weiter. Scharf greifen die Bäche in die Flanken der Schwäbischen Alb, graben sich tiefe Schluchten und enge Täler und lösen ganze Teile des Gebirges aus ihrem Zusammenhange los. Dieser Kampf der Bäche gegen das Gebirge hat die Gmünder Landschaft geformt und ist ihr wesentliches Merkmal.

Nur noch bei Bartholomä befindet sich in unserem Kreise ein kleines Stück der geschlossenen Albhochfläche. Die harten weißen Kalksteine sind von Milliarden

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Beeren

größerer und kleinerer Ritzen und Spalten durchzogen. Da das Wasser den Kalk auflöst, werden diese Spalten immer größer. Sie verschlucken heute fast augenblicklich den Regen, so daß die weiten Täler wasserlos daliegen. Darum betet der Albbauer: „Herr, laß wenigstens einmal im Tage regnen; nur bei der Ernte gib mir ein paar Tage schönes Wetter!“ Es wäre vergebliche Mühe, hier oben einen Brunnen graben zu wollen.

Ein ganz anderes Bild bietet der Albrand. Er ist in fein geformte Einzelberge aufgelöst. Am Rosenstein beginnen sie und setzen sich fort über den Scheuelberg, das Bargauer Horn, den Hornberg, das Kalte Feld, den Stuifen, Rechberg und Hohenstaufen. Je weiter wir nach Westen kommen, desto mehr sind die Berge vom Wasser zugeschliffen worden und desto niedriger sind sie. Das Kalte Feld steigt auf 781 m empor und bildet eine weite Hochfläche. Der Stuifen erreicht noch 757 und der Rechberg 707 m. Der Hohenstaufen aber endet schon bei 684 m. Am Fuße dieser Berge schaut noch ein Stücklein des Braunen Juras hervor. Da seine Sande und Lehme sehr weich sind, hat die Verwitterung leichte Arbeit mit ihnen. Nur südlich des Rechbergs breitet er sich im Rehgebirge über eine größere Fläche bis zur Fils aus. Auf ihm liegen die Schlösser Ramsberg und Staufeneck; auch der Aasrücken gehört ihm an.

Vor dem Gebirge liegt die breite, wellige Ebene des Schwarzen Juras. Je weiter wir nach Norden kommen, desto mehr löst er sich in Streifen, Bänder und Fetzen auf, bis er bei Gschwend vollständig verschwindet. An seine Stelle treten die Sandsteine und Letten der Keuperlandschaft. Sie heben sich durch das Grün ihrer Wälder und Wiesen deutlich vom Getreide- und Obstland des Schwarzen Juras ab. Waldbedeckt ist auch der Braune Jura. Er umgürtet die Hänge der Alb mit einem schmalen Saum von Nadelwäldern. Ganz anders ist die Hochfläche der Alb. An ihren sonnigen Berghängen tritt zwischen malerischen Wacholder- und Schlehbüschen das nackte Kalkgestein zutage, und nur das genügsame Schaf findet hier noch eine Weide. Die tieferen Stellen der wasserlosen Täler und Mul- den sind dagegen mit schweren Lehmen angefüllt. Auf ihnen gedeihen Weizen und Gerste, sowie der schwere Albhaber. Allerdings wird in trockenen Jahren das Stroh nur handhoch. Die Obstbäume sind hier oben selten. Die Winter sind ihnen zu hart und schneereich.

Unsere großen geschlossenen Dörfer liegen fast alle im Schwarzen Jura. Das Waldgebiet des Keupers und die sandigen Hochflächen des Braunen Juras sind mit Weilern und Einzelhöfen durchsetzt, die Jahrhunderte nach unseren Dörfern entstanden. Die Bauern pflanzen Roggen und Kartoffeln und züchten Vieh. Der Wald aber ist es, der ihnen den Geldbeutel füllt.

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Vor- und Frühgeschichte

Unser Kreis ist für die Vorgeschichte nicht von derselben Bedeutung wie etwa die Kreise Heidenheim oder Ulm. Doch ist er keineswegs arm an Funden. Bei Ausgrabungen in der Kleinen Scheuer auf dem Rosenstein fand man 1919 Funde ! aus dem Ende der Eiszeit, etwa von 20000 v. Chr. Aber auch auf den Markun- | gen von Ruppertshofen, Eschach und Alfdorf sind Funde aus jenen fernen Zei- | ten bekannt. Damals herrschte bei uns ein Klima wie heute in Lappland. Die we- nigen Menschen unserer Heimat jagten hauptsächlich Rentiere, deren Herden sie | folgten. Jahrhundertelang hat der Höhlenbär die Kleine Scheuer bewohnt, bis I ihn schließlich die Menschen daraus verdrängten. Nun diente die Höhle als E Stützpunkt für ausgedehnte Jagdzüge. Noch ist deutlich die Stelle zu erkennen, E an deren offenem Feuer die Jagdbeute geröstet und verzehrt wurde. Es wurden dort Überreste von Rentieren, Wildpferden, Hyänen, Bären und Eisfüchsen ge- funden. Auch die einfachen Werkzeuge jener Menschen haben sich dort erhalten: Schlagsteine, Messerklingen, Pfeilspitzen, Stichel, Bohrer, Kratzer, Schaber, Har- punen, Meißel und Nadeln. Alles ist mühsam aus Horn und Feuersteinen her- ausgeschlagen worden, die aus den Schotterfeldern Oberschwabens stammen. T Um 15 000 v. Chr. zieht ein neuer Menschenstamm in unsere Gegend ein und E hält sich hier etwa 10 000 Jahre lang. Es waren Jäger, Fischer und Sammler. Das Klima war inzwischen wesentlich wärmer geworden. Unsere Heimat glich einem weiten Park. Überall, wo bei einer Quelle oder einem Bach sich eine son- 4 nige Halde befand, wurde Rast gemacht. Gegen hundert solcher Stellen sind T schon bekannt. Die Reisighütten dieser Leute sind längst zerfallen, ihre Horn- und Knochengeräte verwittert; erhalten aber haben sich noch Tausende unver- wüstlicher Feuersteingeräte, die selten länger als ein Finger sind.

Auch diese Völker vershwanden. Wohin wer will das sagen. Keine schriftliche Kunde und kein Denkstein reicht in jene graue Zeiten hinauf. Die | Menschen, die nun bei uns auftauchen, stehen hoch über ihren Vorfahren. Es sind | seßhafte Bauern, die sich schmucke Häuser aus Holz errichten und sie mit 4 Schilf und Stroh decken, Der Acker liefert ihnen Weizen, Gerste, Hirse und Bohnen, die Viehzucht Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. Der Hund ist | ihnen längst ein trauter Hausgenosse geworden. Wohl haben auch diese Leute noch Steinwerkzeuge, aber sie verstehen schon, diese zu schleifen und zu polie- ren. Sie konnten auch schon feuerfeste Töpfe herstellen und verstanden es, diese recht gefällig zu formen und zu verzieren. Durch einzelne Funde haben sich diese Menschen bei uns ausgewiesen; doch wurde noch keine Siedlung gefunden.

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Um das Jahr 2000 v. Chr. wurde in Mitteleuropa das Kupfer bekannt, und bald lernte man, es mit Zinn zu Bronze zu schmelzen. Über tausend Jahre lang stellte nun der Mensch seine Geräte, Waffen und Schmucksachen aus Bronze her. Unsere Gegend scheint von diesen Wandervölkern gemieden worden zu sein, die dichten Wälder sagten ihnen nicht zu. Doch bezeugten sie ihre Anwesenheit durch einige Gegenstände, so durch eine schöne Pfeilspitze, die 1927 bei Gmünd gefunden wurde.

Reichlichere Spuren haben die Hallstattleute (800—500 v. Chr.) bei uns hinter- lassen. Sie kamen aus den östlichen Alpenländern und standen kulturell sehr hoch. Vor allem waren sie treffliche Töpfer. Ihre wohlgeformten Gefäße bemalten sie gar fein mit schwarzer, roter und brauner Farbe. Auch von ihnen wurde noch die Bronze verwendet, und sie stellten aus ihr treffliche Gefäße und herrlichen Schmuck her. Die Hallstattleute waren von mächtigen Fürsten beherrscht, die über kostbare Schmuckstücke, Gefäße und Waffen aus Bronze und goldene Stirn- und Armreifen, Ketten und Ohrringe verfügten. Es müssen damals recht unru- hige Zeiten gewesen sein; denn überall wurden ausgedehnte Fliehburgen und Schutzwälle angelegt. Die ganze Hochfläche des Rosensteins (80 ha) ist eine ein- zige solcher Festungen aus Wällen und Gräben, durch Mauerwerk und Balken- lagen verstärkt. Nicht minder wehrhaft, wenn auch kleiner, waren die Fliehbur- gen auf dem benachbarten Mittelberg und Hochberg. Zu jener Zeit kam das Eisen auf. Die Hallstattleute schmiedeten aus ihm mächtige zweischneidige Schwerter. Die Toten wurden in Grabhügeln beigesetzt. Einzeln und in ganzen Gruppen finden sie sich über den ganzen Kreis zerstreut, besonders häufig auf dem Aalbuch, bei Mögglingen und Schechingen. Nach den recht bescheidenen

Grabbeigaben scheinen diese Menschen unserer Gegend nicht mit Reichtümern -

gesegnet gewesen zu sein.

Um 500 v.Chr. zogen die Kelten in Württemberg ein. Es waren Bauern, die sich in ihrer Lebensweise nicht wesentlich von unserer heutigen Landbevölkerung unterschieden. Als Ackerbauern und Viehzüchter mieden sie unsere Wälder. Doch wurde vor einigen Jahren bei Wäschenbeuren eines ihrer Gehöfte festgestellt. Die Kelten kamen schon mit den Römern und Germanen in friedliche und kriege- rische Beziehungen. Damit kommen wir in geschichtlich bekanntere Zeiten.

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Römisches Limesland

Unter Kaiser Augustus (gest. 14 n. Chr.) besetzten die Römer das ganze linke Rheinufer. Durch das Rheinknie bei Basel erhielt jedoch die Grenze des Römi- schen Weltreiches einen ungünstigen Verlauf, der in den folgenden Jahrzehnten verbessert wurde. Zunächst wurde in der Mitte des ersten Jahrhunderts die Front vom Hochrhein bis zur Donau und dann auf die Höhe der Alb vorgeschoben. An deren Nordrand, der Wasserscheide folgend, wurde eine Verkehrsstraße an- gelegt und diese durch befestigte Kasernen, sog. Kastelle, gesichert. Zu diesem „Alblimes“ gehörten die Kastelle Donnstetten, Urspring, Heidenheim und Ober- dorf am Ipf. Die Garnisonen von Basel bis Mannheim marscierten an den Nek-

kar und bauten die Kastelle Köngen, Cannstatt, Benningen usw. (Neckarlimes).

So kam das Knie der Grenzbefestigung von Basel nach Köngen.

Zwischen 125 und 144 wurden die Albkastelle nach Norden vorgeschoben. So kam Kastell Donnstetten auf den Schierenhof, Urspring nach Böbingen, Heiden- heim nach Aalen. Die Römer standen nun mitten in unserem Kreise. Etwas spä- ter wurde der „Neckarlimes“ gegen Osten vorgeschoben, Köngen wurde nach Lorch, Cannstatt nach Welzheim verlegt. Das Grenzknie lag nun bei Lorch. Damit hatte das Römerreich seinen tiefsten Vorstoß nach Deutschland unternommen.

Römischer Gutshof. (Nach Stuhlinger, Die Schwäbische Alb)

Die Kastelle genügten zur Sicherung der Grenze nicht mehr. In der Provinz Rätien (Rotenbach bis Regensburg) wurde längs der Grenze ein 2 m hoher Pa- lisadenzaun errichtet mit hölzernen Wachtürmen, die etwa 600 m voneinander entfernt waren. Nur durch ein hochgelegenes Einsteigloch konnte man in das Innere der Türme gelangen. Jeder Turm besaß einen Umgang, auf welchem die Wachen patrouillierten und ihre Signale abgaben, bei Tag mit Flaggen, bei Nacht

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mit Fackeln. Die Türme standen auf beherrschenden Höhen, an Ausmündungen von Tälern und an Straßenübergängen.

Der rätische Limes ist bei uns sehr unregelmäßig geführt. Zwischen den Türmen verläuft er zwar geradlinig, ab dort winkelt er oft ab. Ohne ersichtlichen Grund führt er über schwierigstes Gelände, über Sumpfgebiete, Rutschungen und Schluchten. Er hatte wohl nur die Remstalstraße zu sichern. Daneben konnte er gegen räuberische Banden und Schmuggler Sicherheit bieten. Im großen Kampfe war er bedeutungslos. Später wurde das rätische Befestigungswerk durch Stein- bauten ersetzt. An die Stelle der hölzernen Türme traten steinerne; die Palisade mußte einer Mauer weichen. Diese beginnt 80 m westlich des Rotenbachs. An dieser Stelle fand man die Reste eines römischen Altars, der wohl den Grenz- göttern geweiht war. Die Mauer war mindestens 2,5 m hoch und 1 m breit. An steilen Hängen war sie durch Streben gestützt. So zieht sie sich über Berg und Tal und erreicht nach 166 km bei Regensburg die Donau. An manchen Stellen unseres Kreises, auch in Wäldern, konnte die Mauer nicht festgestellt werden. Man bekommt den Eindruck, als ob hier die Befestigungsanlagen gar nicht zum Abschluß gekommen wären. Ein Angriff war in diesem Urwaldgebiet auch nicht zu befürchten.

Ganz anders waren die Befestigungen in Obergermanien (Lorch bis Koblenz). Sie schließen mit einem deutlichen Wall an die rätische Mauer im Rotenbachtal an, der sich aber rasch verliert. Erst von Lorch ab läßt er sich wieder einwandfrei verfolgen. Dieser Wall war zwei Meter hoch, auf dem Kamm zwei Meter breit. Vor ihm lag ein zwei Meter tiefer Spitzgraben, der oben sieben Meter breit war. Vor dem Graben verlief noch eine hohe Palisade. Auch an dem Damm standen Wachttürme. Beim Bemberlesstein und bei der Götzenmühle (nördlich von Lorch) haben sich deren Fundamente noch trefflich erhalten.

Der Limes durchzieht unseren Kreis in einer Länge von 30 km als Saugraben, Pfahlgraben und Teufelsmauer. An ihn erinnern noch die Flurnamen Pfahl, kur- zer Pfahl, Pfahläcker und der Ortsname Pfahlbronn. Im Grubenholz (nördlich von Mögglingen) führt der Limes durch ein großes Grabhügelfeld. An einem der Hügel wurde ein römischer Töpferofen angelegt.

In unserem Kreise wurden 3 Hauptkastelle, 2 Numeruskastelle und eine rö- mische Feldwache nachgewiesen. Am weitesten gegen Westen liegt das Kastell Lorch, das eine Fläche von 2,5 ha bedeckt. Innerhalb seiner Umfassungsmauern liegen heute die Stadtkirche, das Pfarrhaus, das Rathaus und das „Ratsstüble“. Zum Kastell Lorch gehörte vermutlich auch das Kleinkastell Deinbach über dem Rotenbach, das nur 25 m im Quadrat mißt.

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Am Westende von Gmünd liegt das Kastell Schierenhof, etwa von der gleichen Größe wie das Kastell Lorch (157 m breit, 130 m lang). Hier lag die erste rä- tische Kohorte, 500 Mann stark. 1000 m jenseits der Rems liegt im Walde ver- steckt das Numeruskastell Freimühle. Es wurde 1902 ausgegraben.

Geht man von Gotteszell aus auf der südlichen Seite des Schießtals bis in die Nähe der Schießstände, so trifft man dort auf gut erhaltene Stücke der rätischen Mauer und auf eine römische Feldwache, die ein Quadrat von 14,5 m Seiten- länge bildet.

Das Kastell Böbingen liegt auf einer Bergnase zwischen Klotzbach und Rems. Durch den Neubau der Volksschule wurde viel von ihm zerstört.

Nur bei dem Kastell Lorch befand sich auch eine bürgerliche Ansiedlung. Das beweist der römische Friedhof, der östlich der Stadt angeschnitten wurde. Bei den übrigen Kastellen siedelten nur wenige Händler und Handwerker.

. Die Siedlung Lorch scheint sich über die Römerzeit hinweggerettet zu haben. worauf ihr römischer Name Lauracum hindeutet. Unser Kreis wurde von einer Reihe römischer Straßen durchzogen.

Schwäbische Bauern roden

Seit die Römer in Gallien eingedrungen waren, wurden sie Nachbarn der ger- manischen Stämme. Nun hörten die kriegerischen Verwicklungen für Jahrhun- derte nicht mehr auf. Zur selben Zeit kamen sämtliche deutschen Volksstämme in Bewegung. Die Schwaben oder Alemannen, die einstens in Schleswig-Holstein, dann in Brandenburg saßen, stießen über Magdeburg an den Main und den Neckar vor. Nach mehreren vergeblichen Anstürmen gelang es ihnen, 260 n. Chr. den Limes zu überrennen und die römische Grenzverteidigung aufzu- rollen. Die Kastelle und die römischen Siedlungen wurden teils zerstört, teils zerfielen sie in Wind und Wetter und der Wald nahm von ihnen Besitz. Nur die Flurnamen hielten hin und wieder die Erinnerung an sie wach.

Zwischen Main und Bodensee hörte man nun schwäbische Laute. Immer wieder versuchten unsere Vorfahren nach dem ersehnten Gallien und Italien vorzu- stoßen. Zum Glück ist ihnen dieses nicht gelungen: sonst wären sie ebenso in dem fremden Volkstum untergegangen wie die Goten, Vandalen, Burgunder oder Langobarden.

So blieb ihnen schließlich nichts anderes übrig, als sich in dem neuen Lande ein-

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zurichten. Da die Schwaben Bauern waren, besiedelten sie zuerst das alte Kul- turland der römischen und keltischen Gutshöfe. Günstiges Siedlungsgelände fan- den sie auch auf den Liasebenen des Albvorlandes, während sie die sandigen zertalten Waldgebiete des Keupers und des Braunen Juras mieden. Aller Wahr- scheinlichkeit nach erfolgte die Besiedlung unseres Kreises von Osten her. Dort im Bayrischen wurde der Limes erstürmt: im Osten liegen auch die großen, zusammenhängenden Ebenen des Albvorlandes. Über den Rücken zwi- schen Stuifen und Rechberg wurde der Anschluß an die ähnlichen Verhältnisse im Filstal hergestellt. Auf den flachwelligen, gut bewässerten Liasebenen ent- standen die ersten Dörfer unseres Kreises. Als „ingen-Dörfer‘ heben sie sich von den späteren Siedlungen deutlich ab. Zu ihnen zählen Gröningen, Schechingen, Heuchlingen, Mögglingen, Böbingen, Iggingen, Mulfingen, Bett- ringen, Göggingen und Wißgoldingen. Diese Dörfer mögen ursprünglich 70 bis 150 Menschen beherbergt haben. Die Markungen sind auffallend groß. Nur Mulfingen macht hierin eine Ausnahme, Vielleicht gehörten zu ihm früher die Markungen Leinzell und Horn; aber auch so wäre die Markung noch recht be- scheiden.

Die römische und keltische Bevölkerung war in unserem Kreise recht spärlich. Die Römer duldeten nämlich in einem breiten Streifen vor dem Limes keine Siedlung, zudem war unser Kreis Grenzland und lockte daher nicht zur Ansied- lung. Man findet daher bei uns sehr wenige römische und keltische Gutshöfe. Deren Bevölkerung mag 260 n. Chr. größtenteils mit den römischen Legionen unser Land verlassen haben.

Die ersten schwäbischen Dörfer entstanden an ergiebigen Wasserstellen in

fruchtbarem Bauernland. Fast immer hebt sich in jeder Siedlung ein großer Hof.

ab, der Maier-, Fron- oder Salhof, zu dem auch die besten Stücke der Markung gehören. Der Besitzer dieses Hofes hat gewöhnlich große Vorrechte unter den Dorfbewohnern. Diese bauten ganz unregelmäßig in der Nähe des Maierhofes, so daß ihre Höfe einen wirren Haufen bilden. Diese „Haufendörfer“ erschwe- ren heute den Verkehr außerordentlich. Die Elur wurde in drei große Felder oder Ösche aufgeteilt, die Osche wieder in Gewanne, welche durch die Gelände- form und die Fruchtbarkeit des Bodens ihre Abgrenzung bekamen. Ihre Namen, die Flurnamen, sind wichtige Mittel zur Erforschung der Frühgeschichte der Dörfer. Von jedem Gewann erhielt jeder Bauer seinen Teil. So wurde die Mar- kung gerecht verteilt, aber der Besitz sehr zerstückelt. Diese Zerstückelung und der Mangel an Wegen machten den Flurzwang nötig; es mußte also jedes Ge- wann gleichartig angebaut werden, und zwar in einem dreijährigen Wechsel. Ein

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Teil der Markung, hauptsächlich Wiesen und Waldstücke, wurde nicht verteilt,

sondern blieb als „Allmand“ im Eigentum der Gemeinde.

Die rasche Vermehrung der Bevölkerung zwang schon früh die Gemeinden,

nach neuem Bauernland zu suchen. Es erfolgte zunächst ein Ausbau auf der eige-

nen Markung. Teile der Allmanden wurden neuen Familien übergeben oder auf

ausgedehnten Allmandstücken Tochtergemeinden gegründet. So kam es zu den IE beiden Gröningen, Böbingen und Bettringen. | Bald aber mußte der Wald für Siedlungszwecke angegriffen werden. Es folgte | nun die Rodungszeit. Wald gab es im Kreise Gmünd damals noch genug. Nicht 11 nur das gesamte Keuperland und der Braune Jura waren mit Wald bedeckt, son- | dern auch die schmalen Streifen, Bänder und Fetzen des Liaslandes zu beiden | | Seiten der Rems und nördlich der Lein. Besonders die Liasstreifen, aber auch die | Gebiete des Braunen Juras zwischen Rechberg und Fils wurden nun gerodet. Diese Rodetätigkeit setzte in der Gmünder Gegend früher als in anderen Teilen | Württembergs ein. Sie muß schon erfolgt sein, ehe der Wald als Königsgut in BE die Hände des Hochadels kam, also schon zu merowingischer und karolin- i gischer Zeit. Die späteren Siedlungen des Hochadels und der Klöster lassen I: nämlich die ordnende Hand des Grundherrn erkennen, wie z. B. in den Wald- | hufendörfern. Die Rodungssiedlungen des Gmünder Gebiets sind genau so un- regelmäßig, der Besitz genau so zersplittert wie bei den alten Haufendörfern. Und doch muß eine leitende Persönlichkeit bei der Gründung der Weiler vor- o handen gewesen sein, und sie finden wir in dem Ortsnamen. Ein Utz war es, | unter dem die ersten Hofstätten zu Utzstetten angelegt wurden. Ein Hariling, ein Husso ließ die ersten Höfe in Herlikofen und Hussenhofen aufbauen, und unter Führung eines Muoto und Duro wurden an den Wiesenhängen, den „Wangen“, Mutlangen und Durlangen erbaut. Die Einzelhöfe aus jener Zeit tragen vielfach heute noch die Namen ihrer Gründer: manche aber haben in- | zwischen ihren Namen geändert. Die neuen Dörfer und Weiler hatten keine so großen Markungen wie die Mutterorte, meistens besaßen sie auch keinen Orts-

adel.

Eine abweichende Entwicklung nahm Lorch. Unsere Vorfahren mieden bei der wi Besitznahme des Landes die römischen und keltischen Gutshöfe. Sie waren ihnen

fremd und unheimlich. Die fränkischen Grafen und Priester dagegen knüpften

bewußt an das römische Gemäuer an. So wurde in Lorch mitten in das Kastell

die uralte Marienkirche hineingesetzt, und auch die Bevölkerung, vielleicht Nach-

kommen der vorgermanischen Bewohner, siedelte innerhalb des Kastells.

Die heutigen Siedlungsnamen verleiten oft zu irriger Deutung. Waldstetten ist

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eine Siedlung der Walschen oder Wälschen, also der Fremden. Wetzgau ist aus dem alten Weggesheim entstanden, gehört also zu den „Heimorten“, wahr- scheinlich auch Bargau, das einstens Bargen hieß. Die verschiedenen Deinbach haben mit einem Bach nichts zu tun. Ihr Name kommt aus Tahabuch = lehmige Boden. Lenglingen ist keineswegs ein altes „ingendorf“. Es hieß früher Leng- nang = langes Feldstück. Ebenso haben die beiden Lintal nichts mit einem Tal zu tun. Bartholomä ist ein neuer Name, genommen von dem Kirchenheiligen. Früher hieß der Ort Laubenhardt, also lichter Laubwald. Ein überaus wert- volles Mittel, das Alter der Siedlungen zu bestimmen, bilden die Friedhöfe. Die Gaben, welche man den Toten in das Grab legte, lassen eine ziemlich ge- naue Bestimmung der Zeit zu. Die Toten wurden in unmittelbarer Nähe des Dorfes in Reihen beigesetzt. Leider sind in unserem Kreis nur in Mögglingen und Zimmern solche Friedhöfe bekannt. An anderen Orten mögen sie längst überbaut sein.

Fränkischer Einfluß

Die Alemannen grenzten im Norden an den mächtigen Stamm der Franken. Diese Nachbarschaft wurde für sie schicksalhaft. In ihrem Ausdehnungsdrange stießen beide Stämme hart aufeinander. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Alemannen 496 beim Zülpich am Niederrhein vollständig geschlagen. Ein großer Teil des Stammes erlag dem Schwert oder geriet in Gefangenschaft. Nur das Eingreifen der Ostgoten, die damals in Bayern saßen, rettete die Alemannen vor der Vernichtung. Als neue Nordgrenze des Stammes wurde eine Linie be- stimmt, die von der Hornisgrinde über den Asperg, Hagberg bei Gschwend und Hohenberg bei Ellwangen zum Hesselberg führt. So weit waren damals die siegreichen Heere der Franken vorgedrungen. Der Kreis Gmünd stößt also im Norden hart bis an diese Grenze vor, ohne sie ganz zu erreichen. Die gesamte Bevölkerung unseres Kreises ist also schwäbisch.

Die Franken führten nun in Schwaben ihre Verwaltungsform ein und be- setzten die wichtigsten Stellen des Staates mit fränkischen Familien. Durch die Franken kamen die Alemannen auch in ganz enge Beziehungen zum Christen- tum. Um 670 dürfte der größte Teil der Alemannen, namentlich die Ober- schicht, Christen gewesen sein. Um 750 wurde das Christentum zur Staatsreli- gion erhoben. Durch die vielen Schenkungen an die Klöster setzen nun die ersten schriftlichen Urkunden kräftig ein und erhellen das Dunkel, in welches unsere

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Gegend eingehüllt war. Noch im 8. Jahrhundert (782) ist Mulfingen genannt, 854 Iggingen, ein Beweis, daß damals die Bevölkerung längst über den Limes in das Waldland vorgestoßen war. Die ältesten Kirchen in Alemannien sind Martinskirchen. Martinus war der große Volksheilige der Franken. Fast gleich- altrig sind die Kirchen, welche St. Michael und Johannes dem Täufer geweiht sind. Iggingen besitzt eine Martinskirche, ebenso Lautern. Die Kirchen in Wei- ler, Oberböbingen und Spraitbach sind oder waren Michelskirchen. Wißgoldin- gen hat Johannes den Täufer zum Patron. Obwohl Weiler, Lautern und Sprait- bach sicherlich keine Urdörfer sind, müssen sie also zur Zeit der Christiani- sierung schon bestanden haben.

In den alten Dörfern finden wir fast überall einen Ortsadel, der meist dem nie- deren Adel angehört. Dieser entstand wohl aus den alten vornehmen Geschlech- tern, die schon zur Zeit der Landnahme eine bevorzugte Stellung im Stamme eingenommen haben, oder er bildete sich später aus den unfreien Dienstmannen des Hochadels. Der niedere Adel besaß den größten Hof der Gemeinde, den Fron-, Sel- oder Maierhof, außerdem die besten Acker sowie die fettesten Wiesen, die Hofwiesen oder den Brühl. Er war der Führer der Gemeinde und übernahm den militärischen Schutz, wofür ihm das Dorf Frondienste und Ab- gaben zu leisten hatte. Auffallend sind in unserem Kreise die vielen Adels- sitze außerhalb der Dörfer an den großen Verkehrsstraßen; so sitzen die Rin- derbacher, Brogenhofer und Eutigkofer an der großen Remstalstraße, die Herrn von Stubenberge und Hertlinsweiler an der Straße über den Furtlepaß, ferner die von Ganegg am Paß zum Christental. Sie wurden vielleicht schon von den Franken zur Sicherung dieser Straßen auf ihre bescheidenen Sitze gesetzt. Von noch größerer Bedeutung für unseren Kreis wurde die Entwicklung des Hochadels. Er entstand aus den Gaugrafen, die an des Königs Statt einem Gau oder einer Hundertschaft vorstanden. Der Hlochadel hatte außerdem den Heer- bann zu führen, ihm unterstanden die königlichen Pfalzen (Höfe) und das kö- nigliche Waldland. Er hatte auch die einträglichen Zölle als Lehen inne und be- saß den Wildbann. Diese Grafenwürde wurde schon sehr frühe erblich. In un- seren Kreis herein ragen im Osten die Pfalzgrafen von Dillingen, Donauwörth und von Süden her die Herren von Helfenstein, die über Geislingen saßen. Wer Graf vom Drachgau war, der hauptsächlich die schwach besiedelten Gebiete des Keuperlandes umfaßte, ist nicht bekannt. Die Abgrenzung der alten Kirchen- sprengel von Lorch und Iggingen lassen jedoch vermuten, daß von diesen Orten aus ein maßgeblicher Einfluß auf unseren Kreis ausgeübt worden ist. Erst mit den Staufern tritt auch der Drachgau in das helle Licht der Geschichte.

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Gmünd entsteht

Schwäbisch Gmünd gehört nicht zu den ältesten Siedlungen unseres Kreises. Zur Zeit der Landnahme war das Remstal mit dichten Urwäldern bedeckt, und die Rems wie ihre Zuflüsse waren ungebändigte Wildbäche. Schon früh wurden die weiten Waldgebiete Reichsgut. Dies läßt sich noch um 1300 auf dem Boden un- serer Stadt nachweisen. Gegen eine alte Siedlung spricht auch die kleine Urmar- kung. Diese erhielt erst viel später durch die Markungen Rinderbach, Brogen- hofen und Eutigkofen, in jüngster Zeit auch durch Wetzgau Zuwachs. Die Ur- markung war vollständig aus dem Waldgebiet herausgeschnitten und endigte überall da, wo das Bauernland des Schwarzen Jura begann. Von jeher ist auf der Markung Gmünd sehr wenig Getreide gebaut worden. Unsere Markung kennt deshalb auch als einzige des Kreises keine Dreifelderwirtschaft. Für eine jüngere Siedlung spricht auch der Umstand, daß Gmünd bis 1297 kirchlich nach Lorch gehörte, und daß die Grenze zwischen den Urkirchen Lorch und Iggingen mitten durch die Markung Gmünd geht. Gotteszell gehörte kirchlich schon zu Iggingen. Allzu spät darf man aber die Gründung einer Siedlung auf dem Boden der heutigen Stadt auch nicht ansetzen, weil eine so günstige Ver- kehrslage nicht lange ein leerer Raum bleiben kann. Die ersten Siedler mögen Handwerker, aber keine Bauern gewesen sein.

Im 8. Jahrhundert wird unser Kreis in die Weltpolitik der Franken hineinge- zogen. 746 wurde dem Herzogtum Schwaben ein Ende bereitet. Pipin suchte hierauf durch große Erwerbungen im Elsaß Schwaben enger an Franken zu ket- ten. Karl der Große aber (768/814) setzte mit einem kühnen Schwung über ganz Alemannien hinweg und begann den Aufmarsch gegen Bayern. Eine wohl- ausgeklügelte Reichskirchenpolitik sollte seinen Zielen dienen. Zunächst wurde an der Grenze von Bayern das große Kloster Ellwangen errichtet. Zur selben Zeit wurde aber auch eine ganze Reihe kleiner Klöster oder Zellen gegrün- det, welche die Verbindung mit den elsäßischen Besitzungen herstellen und den christlichen und fränkischen Einfluß stärken sollten. Ein getreuer Gefolgsmann der fränkischen Herrscher war Abt Fulrad im großen Reichskloster Saint Denis in Frankreich. Auch er gründete eine Reihe von kleinen Klöstern, so in unse- rer Gegend Eßlingen und Herbrechtingen, die in seinem Testamente von 777 aufgeführt sind. In einem zweiten Testament von 782 ist auch ein Klösterlein in „gamundias“ in Allemannien verzeichnet. Es ist dies die erste Nennung un- serer Stadt. Ihr Name ist zweifellos von der Mündung des Waldstetter Baches in die Rems hergenommen. Das Klösterlein lag wohl auf dem heutigen Mün-

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sterplatz. Wenig glaubhaft ist, daß es auf dem Platz des späteren Veitskirchlein, also auf dem Johannisplatze, stand. Wie seinen anderen Gründungen dürfte Fulrad auch Gmünd das Marktrecht verschafft haben. Als Marktort mußte es mit einer Mauer umfaßt werden. Zieht i man von der Grät aus durch das Buhls-Gäßle eine Linie zum Glockenturm, von | diesem zur Augustinuskirche und weiter zur Ostseite des Klösterle, von da die | Brandstatt abwärts zum Gebäude der Landespolizei und wieder zurück zur Grät, so dürfte die Marktsiedlung umrissen sein. Das Untergeschoß des Glocken- | turms mag von einem alten Turm dieser Ortsbefestigung stammen. Der Aus- | stieg auf die Mauer und einige Schießscharten haben sich noch erhalten. Ob von | diesem fränkischen Klösterlein die Christianisierung der Umgebung ausgegan- | gen ist, oder ob es nur ein Absteigequartier der fränkischen Großen auf ihrem | Wege zur bayrischen Grenze gewesen ist: wir wissen es nicht. Wie ein Blitz in finsterer Nacht erhellten die Urkunden von 777 und 782 für einen Augenblick die Geschichte unserer Heimat; sofort aber sinkt alles wieder für Jahrhunderte in tiefstes Dunkel zurück. Erst die Zeit der Staufer brachte neues Licht.

Die Stadt der Staufer

Zur Zeit, als Kaiser Heinrich IV. (1056/1105) in härteste Kämpfe mit dem Papsttum verwickelt war, saß zu Wäschenbeuren Friedrich von Büren, den der Kaiser „als den Treuesten im Frieden und den Tapfersten im Kriege“ erprobt hatte. Um Friedrich sich noch mehr zu verbinden, belehnte er ihn mit dem Herzogtum Schwaben und gab ihm Agnes, seine einzige Tochter, zur Frau. So von kaiserlicher Gnade umstrahlt, erbaute sich Friedrich die gewaltige Herzogs- burg auf dem Staufen und nannte sich nun nach dieser: von Staufen.

Mit Friedrich treten die Staufer in die Reihe der großen schwäbischen Herr- schergeschlechter ein, ebenbürtig den Welfen, die ihnen noch so viel zu schaffen machten, und den Zähringern, zu denen auch die Herzöge von Teck gehörten.

Ob die Herren von Büren von den Franken in das Schwabenland gesetzt wor- den waren, ob sie zuerst auf der Burg Lorch saßen oder im Dorfe Wäschen- beuren ihren Stammsitz hatten, all dies wissen wir nicht. Nur so viel ist sicher, daß sie nicht vom Wäscherschlößlein stammen. Mit Friedrich I. beginnt der märchenhafte Aufstieg des Staufergeschlechtes. Schon sein zweiter Sohn brachte die Kaiserwürde an sich und herrschte als Konrad III. von 1138 bis 1152. Der

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Enkel war der gewaltige Friedrich Barbarossa (1152/1190), wohl die glän- zendste Herrschergestalt auf dem deutschen Kaiserthrone.

Mit dem staufischen Hause kam Gmünd schon sehr frühe in enge Berührung. Zunächst berichtet uns die Sage mit ihrer blütenreichen Sprache aus jener Zeit. Nach dieser soll sich damals auf dem Grunde unserer Stadt nur ein Jägerhaus befunden haben. Mit Vorliebe sollen die Staufen in diesem Teil des Remstals gepirscht haben. Und da geschah es, daß die Herzogin Agnes auf der Jagd ihren Ehering verlor. Das war eine böse Sache mit schlimmen Vorbedeutungen! Agnes machte daher auch das Gelübde, sie wolle an der Stelle, wo der Ring ge- funden werde, eine Kirche erbauen. Siehe da! Kurz darauf fand sich der Ring im Geweih eines erlegten Hirsches. Getreu ihrem Versprechen erbaute die Her- zogin die Johanniskirche, um welche sich nun die Stadt entwickelte. Eine andere Sage weiß, daß Gmünd zuerst Kaisersgereut geheißen habe und im Jahre 1110 von den Staufern erbaut worden sei. Was dürfte nun der Kern dieser Sagen sein? Sicherlich dieser, daß die Staufer, und unter diesen schon Friedrich I. und seine Gemahlin Agnes, Förderer und Wohltäter von Gmünd gewesen sind, und daß unter ihnen die Wälder im Remstal weit zurückgedrängt worden sind. Was sagt die Geschichte? Herzog Friedrich I. erbaute nicht nur das Herzogs- schloß auf dem Staufen, sondern um 1102 auch das Kloster Lorch und be- stimmte es zur Grablege seines Geschlechtes. Vielleicht war er auch der Erbauer der Vorgängerin der heutigen Johanniskirche, ja, es ist schon die Vermutung ausgesprochen worden, daß diese dem Täufer geweihte Kirche zur Taufkirche der Staufer bestimmt worden sei. Doch darüber wissen wir nichts Bestimmtes. Bekannt ist, daß die Staufer große Organisatoren waren. Schon als Herzöge sicherten sie sich ihren Besitz durch zahlreiche Burgen. Zur Kaisermacht gelangt, hatten sie in den Welfen die gefährlichsten Gegner. Darum begann Barbarossa mit dem Bau von Großburgen, nämlich von Städten. Eine Stadt besaß das Marktrecht, war befestigt, trat aus dem Rechtsverband der Umgebung heraus, war frei und hatte ihr eigenes Gericht. Der königliche Schultheiß sprach Recht an des Königs Statt. Gegen geringe Zinsen erhielten die Bürger Hofstellen, die aber binnen Jahresfrist überbaut sein mußten. So lange die Mauern gebaut wur- den, waren die Städte steuerfrei. Vor der Stauferzeit gab es in ganz Württem- berg keine einzige Stadt. Die erste, die zu dieser Würde erhoben wurde, war Gmünd. Sie wurde die Veste des Stammlandes und bildete mit der Burg Stau- fen eine Einheit. Schon 1162 werden 15 Zeugen aus Gmünd als „Cives“ di. Bürger, bezeichnet, und 1188 wird Gmünd geradezu „burgus“ genannt. Gmünd muß also kurz vor 1162 zur Stadt erhoben worden sein. Nun folgten rasch

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weitere Städtegründungen in Schwaben, namentlich an dessen Ostgrenze, weil der gefährliche Welfe in Bayern saß. | Die Städtegründungen erfolgten vor allem nach militärischen Gesichtspunkten. Lag eine Siedlung ungünstig, so wurde sie an einen anderen Platz verlegt. Auch von dem alten Marktort Gmünd dürfte nicht allzu viel übrig geblieben sein. i Die neue Stadt wurde mit Mauern und Türmen umfangen, so daß die Befesti- gung folgendermaßen verlief: Turniergraben, Badmauer, Waisenhausgasse, Hos- pitalgasse, Kalter Markt, Königsturmstraße, Paradiesstraße und zurück zum Turniergraben, wo noch das längste Stück dieser alten Stadtmauer zu sehen ist. Weitere kleine Reste sind bei der Badmauer, der Waisenhausgasse, im Spitalhof und in der Fischergasse festzustellen. Die neue Befestigung machte eine Verlegung der Rems und des Josefsbaches, der Tierbach hieß, nötig. Damals floß die Rems durch die heutige Schmiedgasse, die Kappelgasse, den Durchgang beim Spital und die Ledergasse. Sie empfing auf dem unteren Marktplatz den Tierbach. Dieser kam von der Sebaldstraße herein. Auf einem zugeschütteten Bett liegen heute das „Kreuz“, das Kornhaus, das Rathaus, der Marktplatz. Beim „Weißen Hahnen“ wurde die Rems, bei der Remszeitung der Tierbach um die Mauer geleitet. Eilen wir etwas voraus! Bei | der Anlage des späteren Mauerringes, der sich durch die heutigen Türme noch | abzeichnet, erfolgte eine nochmalige Ablenkung, und zwar der Rems beim | | Í

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Schmiedtor, des Tierbachs bei der Waldstetter Brücke. Der Lauf des Tierbachs wurde geradezu die Achse der Stadt. Die ehemaligen Flußläufe heben sich noch deutlich im Stadtplan ab. Die alte Talstraße führte durch die Bocksgasse und die Rinderbachergasse. Von ihnen zweigen sich die Gassen rippenförmig nach beiden

| Seiten gleichmäßig ab. Ebenso ist es bei der Waldstetter Gasse, die früher durch

í den Nonnenweg und die Münstergasse die alte Marktsiedlung erreichte. Zwischen diesen klaren Aufbau schiebt sich ein Mittelstück von dem Sebaldplatz über das Kornhaus bis zum Spital: das aufgeschüttete Bett des Tierbachs.

{ Im alten Remsbett liegen die Gebäude zwischen der Vorderen und Hinteren

Schmiedgasse, die Häuser hinter dem Hahnen bis zum Spital und der freie

Raum der Ledergasse. So wurde also die alte Marktsiedlung vollständig umge- |

staltet.

Gmünd muß eine der bedeutendsten Städte der Gründungszeit gewesen sein.

Vielleicht war es der Mittelpunkt eines größeren Verwaltungsbezirkes. Darauf

deutet die hohe Stadtsteuer hin, welche Gmünd aufzubringen hatte, bedeu-

tend mehr als Eßlingen und das Doppelte von Ulm. Rasch wurde der Raum

innerhalb der Stadtmauer ausgefüllt. Es muß geradezu eine Landflucht einge-

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treten sein, so daß die Siedlungen Rinderbach, Brogenhofen und Eutigkofen mit ihren Markungen verschwanden. So erklärt sich die langgestreckte Form der Gmünder Markung. Aber auch viele Adelige zogen nach Gmünd herein. Als „Geschlechter“ hatten sie anfänglich die Führung des Gemeinwesens und die Verteidigung in den Händen. Im Gegensatz zu den Bürgern erbauten sie sich Steinhäuser und Wehrtürme, die in das Befestigungswesen der Stadt einbezo- gen wurden. Reste davon finden sich noch in der Grät, welche einen Turm um- schließt, dann im Hintergebäude der Pfauenapotheke und bei der Gewerbe- schule. Die wichtigsten Gmünder Geschlechter waren die Alwich, Brogenhofen, Turn, Eberwein, Guland, Häberling, Im Steinhaus, Klebzagel, Mösgglinger, Rinderbacher, Ruch, Schopp, Stöbenhaber, Taler, Vener, Vetzer, Wolf und Zei- selmüller.

Gmünd bildete von Anfang an bis heute den unbestrittenen geistigen und wirt- schaftlichen Mittelpunkt eines geschlossenen Gebietes. Von der großen Bedeu- tung dieser Stadt zeugen auch die vielen Klöster, die hier schon früh entstan- den. Das Franziskanerkloster, gegründet um 1220, ist vielleicht das älteste die- ses Ordens in Deutschland. Nicht viel später kamen die Frauen nach Gotteszell. Sie lebten erst nach der Regel des heiligen Augustinus, dann nach derjenigen des heiligen Dominikus. Die Augustiner kamen 1284, die Dominikaner um 1294 nach Gmünd. 1445 stiftete Anna Hammerstätter das Klösterlein St. Ludwig, in welchem fromme Frauen erst als Seelschwestern, dann als Franziskanerinnen Gott dienten. Die letzte Ordensgründung zur Reichsstadtzeit erfolgte durch die Kapuziner. Sie kamen 1644 nach Gmünd und konnten 10 Jahre später die Weihe ihres Klosters feiern. Alle diese Klöster wurden zu Beginn des 19. Jahr- hunderts durch Württemberg aufgehoben. Die Gebäude stehen noch mit Aus- nahme des Kapuzinerklosters, das 1810 abgebrochen wurde.

Eine eigentümliche Sache ist es mit den freien Bauern im Walde. Sie besaßen durchweg kleine, aber eigene Güter, die meist auf wenig fruchtbaren Sandbö- den lagen. Schon das weist darauf hin, daß sie sehr spät angesiedelt wurden. Die meisten von ihnen waren in der Waibelhube zusammengeschlossen. Sie sie- delten nicht in geschlossenen Gebieten, sondern waren weit zerstreut von Bett- ringen bis über Gschwend hinaus. Am dichtesten saßen sie bei Ruppertshofen. Diese Bauern besaßen bis ins 13. Jahrhundert ihr eigenes Gericht, das unter einem königlichen Vogt Recht sprach und selbst die Todesstrafe verhängen konnte. Die Bauern waren die Schöffen; der geschäftsführende Schöffe hieß der Waibel. Viele dieser freien Güter wurden im Laufe der Jahrhunderte von Gmünd, Lorch, Württemberg und Limpurg aufgekauft und zu Lehen gemacht.

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Die alten Rechte gingen immer mehr verloren; aber bis in die Neuzeit hinein retteten sich noch viele dieser Bauern das Eigentumsrecht an ihren Gütern. Eine zweite, weit kleinere Gruppe freier Bauern bildeten die Siebzehner mit dem Mittelpunkt in Selach. | Der bekannte Forscher Karl Weller glaubt, daß diese freien Bauern von den I Staufern zur Kolonisierung der menschenleeren Waldungen nördlich der Rems herbeigerufen worden seien. Neuestens neigt man dazu, in ihnen fränkische Ko- | lonisten zu sehen. Da es in den weiten königlichen Waldungen keinen niedern | Adel gab wie in den Dörfern des fruchtbareren Vorlandes, konnten sich diese Bauern längere Zeit ihre Reichsunmittelbarkeit erhalten. \ Die vielen Adeligen, welche in Gmünd zusammengezogen waren, stellten eine i große militärische Macht dar. Der Turniergraben erinnert noch heute an die | ritterlichen Kampfspiele. Als adeliges Vergnügen galt aber zu allen Zeiten die | j Jagd. Es scheint, daß mit dem Stadtrecht die Gmünder von Friedrich Barba- rossa auch ein ausgedehntes ‚Jagdgebiet, die Freie Pirsch, erhielten. Urkunden haben sich aus dieser Zeit allerdings nicht erhalten. Die Grenze der Freien Pirsch | verlief vom Hohenstaufen zur Lein, dieser entlang zur Jagst bei Westhausen, | dann dem Albrand folgend über Bernhardus, Nenningen und Staufeneck zurück | zum Hohenstaufen. Ursprünglich durfte wohl nur der Adel jagen, später jeder | Bürger, eine Zeit lang sogar auch die Bauern. Armes Wild! Als man 1780 die | ganze Freie Pirsch abstreifte, wurde nur ein einziges Häslein gesichtet. 1804 |i wurde mit 400 Treibern eine zweitägige Jagd durchgeführt. Die Beute: 2 Hasen | und eine Katze. Wichtiger als die Jagd war für den Inhaber der Freien Pirsch das Recht, Eicheln, Bucheln und Wildobst zu ernten und Zaunholz zu schlagen. Auch gewisse Wei- derechte waren mit der Freien Pirsch verbunden. Die Eicheln waren das Mast- futter für die Schweine, die Bucheln lieferten vorzügliches Speiseöl, das Wild- | obst aber gab die „Schnitze“ und „Hutzeln“. Die Jagd und das Sammeln der | Wildfrüchte führte zu endlosen Streitereien mit Württemberg und Rechberg. 1806 wurde dieses alte Recht aufgehoben. Heute ist die Jagd in den Händen der Gemeinden, des Staates und der größeren Grundbesitzer. Die Wildfrüchte | sind belanglos geworden. f Von den staufischen Königen und Kaisern waren hier zu Gaste: Konrad IIl., Friedrich II., Heinrich VI. und Konrad IV., dazu Konradin. Gmünd war ihre getreue Stadt. Sie sollte für ihre Kaisertreue sogar einmal mit dem Kirchenbann belegt werden, doch kam diese Maßnahme nicht zur Durchführung. í Die Staufer ließen ihren Besitz durch kurzfristig angestellte Beamte verwalten.

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An der Spitze eines größeren Bezirks stand der Landpfleger. Zu jeder Land- pflege gehörte ein Landgericht. Die Landpflegen zerfielen in Amter, deren Mittelpunkt eine Stadt, eine Burg oder ein Dorf war. Der höchste Verwal- tungs- und Gerichtsherr des Amtes war der Amtmann oder Vogt. Er wurde durchweg aus dem Adel genommen. Gmünd scheint, der Steuer nach, der Mit- telpunkt eines größeren. Amtes gewesen zu sein. Der höchste Beamte in der Stadt selbst war der Reichsschultheiß. Er wurde vom Vogt aus den angesehen- sten Familien der Stadt bestimmt. Dem Schultheißen war die niedere Gerichts- barkeit übertragen. Diese befaßte sich besonders mit Zivilsachen wie Käufe, Verkäufe, Verträge und Erbschaften. In Strafsachen durfte er nur solche Fälle richten, bei denen es nicht um „Haut und Haar“, um „Kopf und Hals“ ging. Zu den Sitzungen des Gerichts berief der Schultheiß aus den ersten Bürgern eine Anzahl von Schöffen als „geschworene Richter“. Die Gesamtheit der Bürger hatte das gefällte Urteil zu bestätigen.

Der Schultheiß war auch der oberste Finanzbeamte der Stadt, welcher für das Aufkommen der Abgaben haftete. Ein von ihm bestimmter Ausschuß von Bür- gern unterstützte ihn bei der Festsetzung der Steuerumlagen und bei Maßnah- men zur Verteidigung der Stadt. Die Bürgerschaft selbst wählte sich die Ratge- ben oder Stadträte. Diese wurden besonders in Kriegszeiten, wenn die kaiserli- che Gewalt behindert war, bedeutungsvoll. Ihr geschäftsführender Vorstand war der Bürgermeister, der Erste unter Gleichen. Diese Verfassung Rat und Bürgermeister wurde die Verfassung der Städte überhaupt. Der erste Gmünder Bürgermeister war Berthold Klebzagel. Sein Grabmal befindet sich noch im Münster.

Die Bürgermeister verdrängten die Reichsschultheißen immer mehr. Schließlich kaufte die Stadt von Kaiser Sigismund (1410/37) um 2000 Gulden das Amt des Reichsschultheißen. Damit war der Schultheiß ein städtischer Beamter ge- worden. Er wurde jetzt nur noch mit untergeordneten Geschäften betraut.

Gmünd wird freie Reichsstadt

Die Staufer verlegten bald das Hauptgewicht ihrer Politik nach Italien. So wurde wohl mancher Plan, der auch für Gmünd bedeutungsvoll gewesen wäre, nicht ausgeführt. Mit Konrad IV. erlosch 1254 die staufische Herrscherreihe, mit Konradin 1268 dieses Geschlecht überhaupt.

In der kaiserlosen Zeit rissen sich die Fürsten um die staufischen Güter. Würt-

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temberg, das sich als Erbe des Herzogtum Schwaben betrachtete, sicherte sich die reichste Beute. Als Rudolf von Habsburg (1273-91) das entrissene Reichsgut zurückforderte, mußte es zu Zusammenstößen mit Württemberg kommen. In den schweren Kämpfen, welche Rudolf mit Eberhard I. von Württemberg führ- te, standen ihm die staufischen Städte treu zur Seite. Die meisten von ihnen | konnten sich dadurch den Zugriffen Württembergs erwehren, so daß sie jetzt | | nur unter Kaiser und Reich standen. Aus staufischen Städten waren Reichsstädte | geworden. Um ihre schwer errungene Freiheit zu sichern, schlossen sie sich unter | Führung Ulms zum Schwäbischen Städtebund zusammen. Fast 200 Jahre lang N währten die erbitterten Kämpfe mit den Fürsten, namentlich mit Württemberg. | Von Anfang an nahm Gmünd an den Kriegszügen des Schwäbischen Städtebun- | des teil. 1311 fielen die Gmünder mit anderen Reichsstädten unter Führung von | Eßlingen in Württemberg ein, zerstörten die Grablege der Württemberger zu | Beutelsbach, deren Stammschloß auf dem Rotenberg bei Untertürkheim und | fast sämtliche Burgen um Stuttgart. Stuttgart selbst mußte sich den Eßlingern | ergeben. Eberhard floh außer Landes. Erst der Tod Heinrichs von Luxemburg | 1313 ermöglichte ihm die Rückkehr. Durch Uhlands Balladen wurden die | Schlachten von Reutlingen und Döffingen bei Weilderstadt bekannt. Bei Reut- | lingen (1377) siegten die Städter über Ulrich, den Sohn Eberhards II., zu Döf- | fingen dagegen (1388) wurden sie vollständig geschlagen. Viele Gmünder, dar- | N, unter ihr Anführer Wolf vom Tal, verloren das Leben. | ) Noch schlimmer erging es der Stadt 1449. Damals entstand wieder eine Fehde | mit Württemberg, weil Eßlingen mit Genehmigung des Königs seinen Zoll er- | höhte. Die Gmünder unter Melchior von Horkheim, verstärkt durch die Haller, l zogen am 1. September gegen die Burg Waldstetten, die den Rechbergern, den

Verbündeten der Württemberger, gehörte. Die Burg wurde eingenommen und N niedergebrannt. Der Rückzug der Städter verlief in voller Unordnung. Plötz- lich fiel Ulrich von Rechberg über die siegesgewissen Städter her und brachte ; ihnen eine vernichtende Niederlage bei. Die Gmünder verloren ihr Stadtbanner, £ eine große Büchse, vier Schlangenbüchsen, 400 Panzer, 44 Wagen, dazu 225 l Gefangene und 105 Tote. Das war fast die gesamte waffenfähige Bevölkerung | der Stadt und die gesamte Kriegsausrüstung. Die Gmünder vertrieben nun ihren : Hauptmann Melchior von Horkheim aus der Stadt, der sich im nahen Horn | eine stattliche Burg baute. Nachdem diese durch mehrere Hände gegangen war, j wurde sie 1746 abgebrochen und 1759 an ihrer Stelle von den Herren von E Schwartzach ein luftiges Schlößlein erbaut. Auch sonst waren die Gmünder an

N der Zerstörung mancher Burg beteiligt, so an derjenigen von Ravensbttg 1393,

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Geroldseck 1422 und Maienfels 1441. Sicherlich sind auch die meisten Burgen unserer Umgebung in den Städtekriegen von den Gmündern zerstört worden, so Bettringen, Waldau, Granegg u. a.. Selbst in der blutigen Schlacht bei Semlßach 1386 und in den Hussitenkriegen (1419/34) hatten die Gmünder eine Anzahl von Toten zu beklagen.

Endlich erkannten die Städte und die Fürsten, daß eine friedliche Vereinigung vorteilhafter sei als die dauernden Fehden. 1488 traten nun die Städte und der Adel zum Schwäbischen Bund zusammen. In kurzer Zeit waren 140 Raubburgen gebrochen und die Straßen vom Gesindel frei. Eine herrliche Blüte für alle zeich- nete sich ab. Da brachten die Religionswirren bald neues Elend in das Land.

Die kirchliche Ordnung

Das Christentum kam in unsere Gegend sicherlich sehr spät. Gmünd lag ja an den Grenzen von Alemannien und den alten Bischofsitzen ferne. Die irisch- schottischen Mönche des 7. Jahrhunderts kamen nicht zu uns, betrachteten üb- rigens die Missionstätigkeit nicht als ihre Aufgabe. Gewiß ist der Übertritt des alemannischen Stammes zum Christentum um 570 nicht ohne Einfluß auf unsere engere Heimat geblieben; aber ein grundlegender Umschwung dürfte erst einge- treten sein, als die Franken dem schwäbischen Herzogtum 746 ein Ende bereite- ten und nun, alles ordnend, in Schwaben eingriffen. Auch die Kirche mußte ihren politischen Zwecken dienen. Die Kirchenheiligen St. Martin zu Iggingen und Lautern, St. Michael zu Weiler und Oberböbingen und St. Peter zu Mögg- lingen lassen vermuten, daß die Kirchen dieser Orte bis ins 8. Jahrhundert hin- aufreichen. Damals dürften auch die Grenzen der Diözesen Augsburg und Kon- stanz festgelegt worden sein. Der größte Teil unseres Kreises gehörte damals zur Diözese Augsburg, die hier eine sackartige Ausstülpung bis zur Wieslauf bildete. Konstanzisch waren die Orte im Gebiet der Fils und auffallend Wald- Stetten.

Die Urkirchen befanden sich am Sitz der politischen Führer. Da sie eine Reihe von Gemeinden zu versehen hatten, besaßen sie meist mehrere Geistliche. Sicher- lich besaß Lorch eine Urkirche, wahrscheinlich auch Iggingen. Die Pfarrkirche zu Lorch dürfte 13 Pfründe umfaßt haben, eine Zahl, die von Christus und den zwölf Aposteln abgeleitet ist. Die Pfründner schlossen sich zu einer klosterähn- lichen Vereinigung, den Chorhertn oder Kanonikern, zusammen. Von einem die- ser Chorherrn wurde Gmünd kirchlich versorgt. Es ist anzunehmen, daß er

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schon früh in Gmünd seinen Wohnsitz genommen hat. Nach der Gründung des Klosters Lorch um 1100 löste sich das Chorherrenstift auf. Manche Pfarreien machten sich selbständig, andere darunter auch Gmünd kamen an das Kloster Lorch. Von diesem wurde 1297 die Pfarrkirche Gmünd dem Domkapitel Augsburg überlassen. Der Sitz des Dekans blieb in Lorch, auch nachdem das Dekanatamt 1327 vom Domkapitel Augsburg erworben worden war. 1544 konnte das hiesige Spital zum Heiligen Geist die Zehnten und das Patronats-

Eine sehr große Ausdehnung hatte auch das Dekanat Iggingen. Zu ihm gehörten außer Iggingen noch Mutlangen. Herlikofen, Lindach, Lautern, Spraitbach u.a.

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II. Leben und Arbeit im Mittelalter

Zünfte, Träger der Wirtschaft für 600 Jahre

Die ungünstigen landwirtschaftlichen Bedingungen auf der hiesigen Markung zwangen von Anfang an die Bevölkerung, sich dem Gewerbe und Handel zuzu- wenden. Die Handwerker und die Kaufmannschaft schlossen sich schon früh zu Zünften zusammen, die nun für 600 Jahre die Träger der städtischen Wirtschaft wurden. Gleiche Handwerksarten bildeten zusammen eine Zunft.

Im alten Gmünd gab es meistens acht Zünfte, nämlich die Krämer, Tuchmacher, Schneider, Bäcker, Gerber, Schuster, Küfer und Metzger. Ihnen waren die übri- gen Gewerbe angeschlossen. Die Angehörigen derselben Zunft besiedelten oft ganze Straßenzüge und hatten manchmal auch gemeinsame Verkaufsräume, die Bänke. Das erleicherte die Überwachung durch Zunflmeister und Obrigkeit.

An der Spitze einer Zunft standen die Oberacht- und Achtmeister. Sie regelten die kleinen Vorkommnisse innerhalb ihrer Zunft. Streitigkeiten unter den Zünf- ten oder der Zünfte mit dem Rat, auch größere Reibereien zwischen Meistern und Gesellen wurden von der Gesamtheit der zünftigen Meister in den „Mor- gensprachen“ behandelt. Jede Zunft hatte ihr Zunfthaus oder wenigstens ihre Herberge. Dort befand sich die Zunftlade, welche die Kleinodien, das Geld und die Schriftstücke der Zunft barg. Vor offener Lade schwuren Meister und Ge- sellen, hier erfolgte auch die Aufnahme in die Zunft und das Ledigsprechen der Lehrlinge. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erhielten die Zünfte „Ordnungen“. Diese regelten die Belange der Erzeuger und Verbraucher, die Ausbildung der Lehrlinge und Gesellen, die Verteilung der Arbeitskräfte, die Arbeits- und Frei- zeit, die Wanderschaft, den Erwerb der Meisterschaft. Sie schützten das Hand- werk gegen unlauteren Wettbewerb und fremde Konkurrenz. Sie überwachten die Güte der Waren und bestimmten die Verkaufspreise. Nur abgestempelte Waren wurden als meisterwürdig anerkannt.

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Die Zünfte suchten ihre Mitglieder auch sittlich-religiös zu erziehen. Schon die Aufnahme in die Zunft verlangte eine makellose Geburt und ein einwandfreies Vorleben. Die Teilnahme am kirchlichen Leben war Voraussetzung. Manche Zunft bildete eine ausgesprochene religiöse Bruderschaft. Zum mindesten wählte man sich einen Schutzheiligen und stiftete einen Jahrtag. An diesem war mor- gens feierlicher Gottesdienst für die lebenden und verstorbenen Mitglieder, nach- mittags fröhliches Treiben auf dem Zunfthaus.

Im bürgerlichen Leben traten die Zünfte oft geschlossen auf. So hielten die Metzger am Fastnachtsdienstag ihren großen Ritt nach Gotteszell und führten am Palmsonntag den „Palmesel“ in feierlicher Prozession vom Spital zum Münster. Die Küfer zogen an ihrem Jahrtag mit einem großen Weinfaß, auf dem St. Urban saß, in der Stadt herum und führten alte Tänze auf.

Es konnte nicht ausbleiben, daß die Zünfte bald eine angesehene Stellung einnah- men. Das zeigte sich schon nach außen. Wohl gingen die Handwerker gewöhnlich in Schurz und Mütze auf die Straße; in Gesellschaft aber erschienen sie mit Mantel und Degen, die Ledigen in Blau, die Meister in Schwarz mit Samtkragen. Ursprünglich hatte der Reichsschultheiß in Verbindung mit dem Adel die ge- samte Gewalt der Stadt in den Händen. Dann drängten sich immer mehr die Bürger nach vorn. Die Zeit arbeitete für sie. Viele der alten Adelsgeschlechter waren weggezogen, ausgestorben oder verarmt. Auch durch Einheira® hatte sich manchmal die Grenze zwischen der „Ehrbarkeit“ und den Bürgern verwischt, ohne je ganz zu verschwinden. Der erste Einbruch in die Allgewalt des Adels erfolgte am Ende der Stauferzeit. Der Sage nach sollen die Adeligen 1284 ver- trieben worden sein. In Wirklichkeit war um diese Zeit eine Verfassungsän- derung vorgenommen worden, bei welcher die Bürger Anteil am Stadtregiment bekamen. Die bürgerliche Selbstverwaltung hatte begonnen. Der erste hier ge- wählte Bürgermeister war Berthold Klebzagel, der 1284 starb.

Trotz dieser Änderung saßen nur die besitzenden Klassen und die Kaufmann- schaft neben den „Geschlechtern“ im Rate. Das empfanden die Zünfte mit Recht als Zurücksetzung, umso mehr, als sie die Grundlage der Wirtschaft, der Vertei- digung und der Sicherheit der Stadt bildeten. Darum finden wir vom 14. Jahr- hundert ab in fast allen Städten eine Auflehnung der Zünfte gegen die herr- schenden Schichten. In Gmünd erkämpften sich die Zünfte 1360 das Recht, daß ihre Meister bei wichtigen Dingen im Rate gehört werden mußten. Von 1462 trat ein Teil der Zunflmeister sogar in den Rat ein. Von seinen 24 Mitgliedern saßen acht auf der Bürger-, weitere acht auf der Gemeindebank, acht waren Zunftmeister. Diese stellten nun oft auch den Bürgermeister.

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Die führenden Gewerbe

Welche Gewerbe waren im alten Gmünd führend? Von Anfang an waren die Sensen- und Wafjenschmiede sehr stark vertreten. Ihnen standen an Zahl und Bedeutung die Gerber wenig nach. Auch die Leineweber und Tuchmacher bil- deten eine starke Zunft. Zahlreiche Bürger beschäftigten sich mit der Herstellung von Rosenkränzen oder Paternostern aus Gagat, Bein, Holz, Glas und Ala- baster. Nun war es nur noch ein kleiner Schritt zur Verfertigung von Arm- und Halsketten, dann von Schmuck überhaupt. Doch errang sich das Schmuckwaren- gewerbe erst nach dem 30jährigen Kriege hier die führende Stellung. Blühend in ihrem Gewerbe, gesund in ihrer Verwaltung trat die Stadt in das 16. Jahr- hundert ein. Die gesamte Bürgerschaft hatte an dem Aufschwung teil und geizte nicht, von ihrem Wohlstand für kirchliche und weltliche Aufgaben große Opfer zu bringen. Doch nun war der Höhepunkt erreicht. Die wirtschaftlichen und religiösen Umwälzungen der kommenden Jahrzehnte brachten alles ins Wanken.

Blütezeit

Die Jahrhunderte von den Staufern bis zum Ende des Mittelalters bedeuten die höchste Blütezeit der Stadt. Rasch füllte sich der erste Mauerring, und immer noch strömten die Siedler herbei. „Stadtluft macht frei“, das lockte; denn wer ein volles Jahr unangefochten in der Stadt gelebt hatte, war frei, auch wenn er in tiefster Leibeigenschaft geboren war. Noch zur Stauferzeit bildeten sich die Ker- ne von Vorstädten, die bald von einer neuen Mauer eingefaßt wurden. Vier To- re führten in die Stadt, nämlich das Untere Tor (beim Fünfknöpfigen Turm), das Schmied-, Rinderbacher- und Waldstetter Tor. Zum Unteren Tor gehörten das Bocks- und das Josentor. An besonders wichtigen Stellen wurde die Mauer durch Zwinger verstärkt. Die neue Befestigung verlangte eine nochmalige Ver- legung von Rems und Josefsbach. Um 1370 müssen die Arbeiten, wenigstens in der Hauptsache, fertig gewesen sein; denn 1378 beklagten sich die Vorstädte, daß in der Nacht die Tore zur Innenstadt geschlossen seien. Von der zweiten Stadtmauer sind noch sechs Türme und einzelne Mauerstücke in der Honig- und Turmgasse vorhanden. Das übrige wurde leider zwischen 1820 und 1870 abge- brochen. Der letzte Mauerring war so weit angelegt, daß die Stadt erst nach 1870 über ihn hinauswuchs.

Trotz der gewaltigen Ausgaben für die Stadterweiterung und der größeren für

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die vielen Kriege hatte die Stadt noch Geld übrig zum Bau von Kirchen, Ka- pellen und Klöstern. Hiezu stifteten die Bürger ganze Vermögen. So wurde die bescheidene Kapelle auf dem Johannisplatz durch ein Kleinod, die heutige Jo- hanniskirche, ersetzt. Die kleine romanische Pfarrkirche auf dem Münsterplatz mußte dem Hauptwerk der Parler, dem gewaltigen Heilig-Kreuz-Münster, wei- chen. In jener Blütezeit entstanden auch die großen Klosterbauten, zu denen die Bürger ein gut Teil beigesteuert haben, dazu eine Anzahl von Kapellen, von de- nen sich noch die Leonhards- und Katharinenkapelle, allerdings in veränderter Form, erhalten haben.

Gewaltige Leistungen der kleinen Stadt bedeuten die Stiftungen der beiden Spitäler und der Erwerb eines größeren Staatsgebietes. Doch davon später. Große Opfer verlangte auch der Ausbau der Freiheiten der Stadt. Von den stets geldbedürftigen Kaisern konnte ein Recht um das andere erworben werden, so daß Gmünd am Ende des Mittelalters fast ebenso unabhängig wie die Fürsten dastand. Die kaiserlichen Privilegien betrafen besonders den Erwerb der Selbst- verwaltung, die Verleihung der Niederen und Hohen Gerichtsbarkeit, die Be- freiung von fremden Gerichten, dann viele Vergünstigungen, betreffend die Steu- ern, Zölle, das Geleitwesen und die Märkte.

Die Stadt erwirbt ein Staatsgebiet

Obwohl die Lage von Gmünd zwischen großen, landgierigen Nachbarn wie Württemberg, Ellwangen und Limpurg dem Erwerb eines Staatsgebietes nicht günstig war, konnte sich die Stadt doch schon früh ein solches erwerben. Zum größten Teil stammt es aus dem hohenstaufisch-rechbergischen Besitz, so Weiler Bargau, Iggingen, Mutlangen, Teile von Böbingen und Straßdorf. Auch man- cher Hof der freien Waibelhube konnte aufgekauft werden.

Beträchtlich war der Erwerb aus dem Besitz der Gmünder Geschlechter. Diese besaßen oft außerhalb der Stadt ihre Burg oder ihren Burgstall, so die Herli- kofer, Rinderbacher, Mögglinger, Brogenhofen, Eutigkofen, Wolfstal, daneben aber in Gmünd noch ein oder mehrere Häuser. Außerdem gehörte ihnen ein großer Streubesitz in den Waldgebieten nördlich der Rems, also im selben Ge- biet, wo die freien Bauern saßen. Es scheint, daß manche Geschlechter erst durch die Staufer in unsere Gegend zur Sicherung der Verkehrswege gezogen worden sind. Das ergibt sich schon aus der Lage der Burgställe. Damals aber dürften die freien Bauern schon auf ihren Höfen gesessen haben, denn schwer-

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lich wären diese sonst frei geworden. Im Besitze der Geschlechter befinden sich auch einige Mühlen und Fischwasser, dazu die Brot- und Fleischbänke der Stadt. Mit dem Niedergang der Staufer verlor der hiesige Adel bald seine führende Stellung. Die alten Burgställe wurden aufgegeben, manche Familie wanderte ab, starb aus oder verarmte, und immer mehr übernahmen die Bürger die Aufgaben des Adels. Diese Veränderungen der Verhältnisse gaben manchen Anlaß zum Erwerb von Grund und Boden. Durch einen großzügigen Tausch mit Limpurg konnte die Stadt 1552 ihren Besitz, der bis nach Kaisersbach, Gschwend und Kirchenkirnberg reichte, vorteilhaft abrunden, doch blieb er trotzdem immer noch mit vielem Fremdbesitz durchsetzt. Den reichsten Besitz brachten das Spital. und Gotteszell an sich. Demgegenüber waren die Güter, welche der Stadt un- mittelbar gehörten, bescheiden, noch bescheidener der Besitz der hiesigen Manns- klöster, die ja Bettelorden angehörten. Ursprünglich war das Gmünder Staats- gebiet in zwei Ämter zusammengefaßt; dann wurden es vier, nämlich Sprait- bach, Iggingen, Bettringen und Bargau. 1728 ging man wieder auf zwei Ämter, Spraitbach und Bettringen, zurück.

Das Hospital zum Heiligen Geist

Von Rom aus verbreiteten sich seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts die „Brü- der vom Heiligen Geist“ über ganz Deutschland. Diese klösterliche Gemeinschaft hatte sich die Pflege der Armen und Kranken, der Pilger und Waisen, überhaupt aller Hilfsbedürftigen zur Aufgabe gestellt. Wahrscheinlich wurden „die Brüder“ schon um 1240 vom Kloster Lorch aus in Gmünd eingeführt, wo sie ein Ho- spital als Anhängsel der Kirchengemeinde gründeten.

Im 14. Jahrhundert kam das Spital in die Hände der Stadt und erlebte rasch eine ungeahnte Blüte. Nach wenigen Jahrzehnten war es reich an Ackern, Wie- sen, Wäldern, Schafweiden, Mühlen, Höfen und Fischwassern, ja Teile ganzer Ortschaften gehörten ihm. Amter und Pfarreien konnte es besetzen, seit 1544 sogar die Stadtpfarrstelle Gmünd. Mit Genehmigung des Papstes wurden ihm die Einkünfte der Pfarreien Lautern, Mögglingen, Unterbettringen und Weiler überlassen. Viele Bürger kauften sich mit hohen Summen in das Spital ein. Bald übertraf das Vermögen des Spitals weit dasjenige der Stadt. Das Spital trug nicht nur die Kosten für die gesamte Armen- und Waisenpflege, sondern auch einen Großteil der Kirchen- und Schullasten. Durch seinen Grundbesitz und den Bezug der Zehnten wirkte es regelnd und ordnend auf die Getreide-

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und Viehpreise ein. In Zeiten der Not half es großzügig aus. Durch Jahrhun- derte war es das finanzielle Rückgrat der Stadt und ihrer Bürger. Die Ablö- sung der Zehnten, Gülten und Fronen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm dem Spital einen großen Teil seines Vermögens. Gegen 1850 kam es sogar in Schwie- rigkeiten, so daß Wälder und Höfe abgestoßen werden mußten. Durch die Be- rufung der „Barmherzigen Schwestern“ und durch eine moderne Verwaltung er- holte sich das Spital rasch. Heute trägt es wieder den größten Teil der Kranken- und Fürsorgelasten.

Auch das Spital der Sondersiechen zu St. Katharina ist sehr alt, denn es wird schon 1326 genannt. Es diente besonders der Pflege von Personen mit anstek- kenden und ekelerregenden Krankheiten und wurde deshalb vor die Tore der Stadt hinaus gebaut. Später erfüllte es dieselben Aufgaben wie das Spital in der Stadt. An Bedeutung und Vermögen stand es stets hinter dem Hospital zum Hl. Geist zurück. Besondere Wohltäter waren die Herren von Rechberg. In der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde es mit dem Hospital zum Heiligen Geist vereinigt. Sein Kirchlein ist ein Schmuckkästlein. Bei St. Katharina wurden einstens die Missetäter enthauptet.

Schulstadt seit eh und je

Von altersher besitzt Gmünd mit Recht den Ehrentitel einer Schulstadt. Keine Gemeinde in Württemberg kann früher als unsere Stadt eine Schule nachweisen. Schon 1189, also kurz nach der Erhebung der Stadt, erfahren wir von einem Reinbold, „scolasticus de Gmundin“. Im Jahre 1295 ist gar von einem „rector scolarum Gamundae“, also von dem Leiter der Gmünder Schulen die Rede. Et- was mehr als 100 Jahre später (1416) stiftete der Gmünder Geistliche Eried- rich im Steinhaus die reiche Spende von 1982 Gulden zur Ausbildung von Stu- denten, fügte aber bei, wenn die Zinsen nicht benötigt würden, solle man sie für die lateinische Schule in Gmünd benützen, damit man bessere Lateinlehrer haben könne. Zu jener Zeit befand sich die Lateinschule in der Nähe des Augustinerklosters, wohl auf demselben Platz, auf welchem 1578 unter Bürger- meister Goldsteiner ein Neubau für die Lateinschule errichtet worden ist (heute Stadtarchiv). Die hiesige Lateinschule muß Tüchtiges geleistet haben, denn sonst wäre die hohe Zahl der Gmünder Universitätsstudenten nicht erklärlich. In Frei- burg studierten von 1488 bis 1539 nicht weniger als 48, in Tübingen von’ 1477 bis 1535 50 Gmünder. Unter ihnen befindet sich der erste Student, der sich in

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Tübingen eintragen ließ. Im 15. Jahrhundert finden wir Gmünder Studenten außerdem auf den Hochschulen zu Heidelberg, Wien, Ingolstadt, Bamberg, Wittenberg, selbst in Rom und Krakau.

Sicherlich ist auch die Volksschule von Gmünd, früher Deutsche Schule genannt, sehr alt. Die Gmünder Lateinschule setzt eine Deutsche Schule geradezu voraus; denn wo sollten die angehenden Studenten sonst Lesen und Schreiben erlernen. Der 1295 genannte „rector scolarum Gamundiae“ kann sehr wohl als Vorstand einer lateinischen und deutschen Schule, also der Gmünder Schulen, aufgefaßt werden. Der Unterricht in der Deutschen Schule beschränkte sich lange Zeit auf Religion, Lesen und Schreiben. Die Lehrer hatten für ihren Beruf keine eigent- liche Vorbildung. Wer Lesen und Schreiben, allenfalls noch etwas Singen ver- stand, war genügend vorgebildet. Man erwartete von der Deutschen Schule nicht viel; die Zeitverhältnisse verlangten das auch nicht. Bücher, Zeitungen und Zeit- schriften in unserem Sinne gab es nicht. Papier und Handschriften waren im Preise für den gemeinen Mann unerschwinglich. Erst der Buchdruck und die weiter entwickelte Wirtschaft gaben-der Deutschen Schule einen merklichen Auf- trieb. Von den inneren und äußeren Verhältnissen der deutschen und der latei- nischen Schulen der damaligen Zeit ist nicht viel bekannt. Erst die schreibfreu- digere Neuzeit gewährt tiefere Einblicke.

Meisterleistungen des Banhandwerks

Die kleine Reichsstadt hat im Mittelalter eine bemerkenswert große Zahl be- deutender Bauten erstellt und Männer hervorgebracht, welche weit über die Grenzen von Gmünd hinaus Bedeutung erlangten.

Da ist zunächst die Johanniskirche. Diese dreischiffige spätromanische Pfeiler- basilika wurde um 1220 an der Stelle einer kleineren Vorgängerin, der Turm etwas später um 1250 erbaut. Die Außenseiten von Kirche und Turm zeigen eine Fülle von phantastischen Gestalten und rätselhaften Ornamenten, die ein- zeln oder in ganzen Bändern angeordnet sind. Der Künstler hat alle Unholde von Wasser, Luft und Erde in den Stein gebannt und sie durch magische Kno- ten und Schlingen gebändigt. Als Erbauer der Kirche kommt wohl bloß das Kloster Lorch in Frage. Stilistisch erinnert manches an Hirsau; aber der Ein- fluß der Lombardei, namentlich der romanischen Bauten zu Pavia, Verona und Mailand darf nicht übersehen werden. Besonders wirkungsvoll ist die West-

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fassade. Wuchtig und schwer steigt die Wandfläche empor. Man spürt die Zeit des Burgenbaus und erlebt den verhaltenen Ernst der romanischen Bauten. Demgegenüber wirkt der Turm recht anmutig. Schwaben hat in romanischer Zeit keinen schöneren geschaffen. Den Grundstoc bildet ein massıger Würfel. In langen Schrägen führt er überaus malerisch ins Achteck über. Dieses bildet sofort ein reizendes Doppelgeschoß mit gekuppelten Spitzbogenfenstern. Mit Wödans wilder Jagd schließt das Mauerwerk gegen das Zeltdach ab. So roma- nisch der Turm gedacht ist, so gotisch wirkt er durch das drängende Aufwärts- streben seiner Teile. Das Bildwerk hat von jeher berechtigtes Aufsehen erregt. Aus der fast unübersehbaren Menge an Kleinbildwerk ragt die Madonna an der Südwestecke heraus. Sie scheint wie mit einem Zimmerbeil aus einem Block herausgehauen. Das Steife und Unbewegliche wird zur himmlischen Ruhe. Recht ergreifend ist die Kreuzigungsgruppe im Bogenfeld des Haupteingangs. Fast kindlich, noch ganz in der Holztechnik, sind die Körper behandelt. Und doch geht vom Ganzen ein unbeschreiblicher Zauber aus. Der reiche Figurenschmuck am Westportal der Südseite gibt dem Kunstgelehrten noch manches Rätsel auf. Das Innere der Kirche atmet heilige Ruhe und feierlichen Ernst. Die Ausstat- tung stammt aus dem letzten Jahrhundert. Sie ist nicht in allem befriedigend. Das Münster zum Heiligen Kreuz gehört zu den bedeutendsten Baudenkmälern Deutschlands. Es ist die älteste Hallenkirche Süddeutschlands, ein Werk von erhabener Schönheit. Der Bau wurde etwa 1310 begonnen und gegen 1380 in der Hauptsache abgeschlossen. Die beiden Türme an der Nahtstelle zwischen Chor und Schiff, die von einer älteren romanischen Kirche stammten, stürzten 1497 zusammen. Das Münster ist unzweifelhaft ein Werk der Parler, wenn auch ihr Anteil am Münster nicht abgegrenzt werden kann. Heinrich Parler von Köln entwarf wahrscheinlich den Bau und begann ihn von Westen her. Aus seiner Bauhütte ging eine große Zahl hochbegabter Meister hervor, die an fast allen großen Bauten der damaligen Zeit in Mitteleuropa arbeiteten. Peter, sein Sohn, vollendete den Veitsdom zu Prag. Es war wohl dessen Bruder Johannes, der 1351 am Münster den gewaltigen Chor begann, der zu den wegweisenden Lei- stungen der Gotik gehört und durch seine Bauhütte zweifellos das städtische Le- ben lange Zeit beeinflußte. Welche Fülle von Türmchen, Baldachinen, Schwib- bögen, Wasserspeiern! Welch feines Maßwerk der Fenster! Welcher Reichtum an glänzendem Figurenwerk! Volkstümliche Schöpfungen sind die Chorportale, namentlich das an der Südseite mit dem erschütternden Jüngsten Gericht. Die Wirklichkeitsnähe dieser Figuren und Figurenszenen wirkte erneuernd und be- lebend auf die ganze nachfolgende Bauplastik Schwabens ein.

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Überwältigend wirkt das Innere. Elf schlanke Säulenpaare tragen das Gewölbe einer mächtigen Halle. Die Seitenschiffe sind zur Höhe des Hauptschiffes hin- aufgeführt. Besonders malerisch wirkt der Kranz der Seitenkapellen, der sich als sieben Seiten eines Zwölfecks um den Chor legt. Von der alten Ausstattung haben sich nur noch Reste erhalten. Aus spätgotischer Zeit stammt der wert- volle Stamm-Jesse-Altar und der Sebaldusaltar. Das Chorgestühl von 1550 ist eine Meisterarbeit von Adolf Daucher in feiner Renaissance. Das gewaltige Or- gelgehäuse, eines der besten des Barock, wurde vom Gmünder Künstler Johann Michael Maucher 1688 geschaffen. Einzelne Steinfiguren in edelster Gotik wur- den aus den Vorhallen in das Innere des Münsters versetzt. Ein köstlicher Bau ist der Glockenturm, dessen Untergeschoß in das frühe Mittelalter zurückreicht. Im Dachstuhl hängen die Glocken des seit 1497 turmlosen Münsters.

Hans Baldun g Grien und Jörg Ratgeb

Einer der größten Söhne unserer Stadt ist Hans Baldung genannt Grien, ge- boren um 1484. Stolz bezeichnet er sich auf seinem Hauptwerk, dem Hochaltar zu Freiburg, als Gamundianus. Von 1503 bis 1505 arbeitete er in Dürers Werkstatt und wurde sein begabtester Schüler. Form und Farbe vereinigen sich bei ıhm zu einer kraftvollen Harmonie. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er als hoch- geachteter Mann zu Straßburg. 1545 wurde er in den Großen Rat dieser Stadt gewählt, starb aber noch in demselben Jahre.

Einer der tüchtigsten und sicher der eigenwilligste Maler der spätgotischen Zeit, ein Mann voll sprudelnden Lebens und nie versiegender Erfindungsgabe, ist Jörg Ratgeb. Er wurde vor 1470 zu Gmünd geboren. Holbein d. A. und Mathias Grünewald waren seine großen Vorbilder. Längere Zeit weilte er in Italien. Re- volutionär durch und durch, in seinem Leben wie in seiner Kunst, stellte er sich 1525 den aufrührerischen Bauern als Anführer zur Verfügung. Nach seiner Ge- fangennahme wurde er 1526 zu Pforzheim gevierteilt. Seine bedeutendsten Wer- ke sind der Herrenberger Altar (Staatsgalerie in Stuttgart), der Altar in Schwai- gern und die Wandgemälde im Karmeliterkloster zu Frankfurt.

Auch Johann Wisslinger, der „Vater der mathematischen und astronomischen Wissenschaften Deutschlands“ soll aus unserer Stadt stammen. Er verfaßte den ersten Kalender. 1443 starb er zu Wien.

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Hans Baldung Grien aus Gmünd war eine der vielseitigsten Künstler- persönlichkeiten des ausgehenden Mittelalters. Die Technik der Zeich- nung, des Holzschnitts, der Tafel- und Glasmalerei beherrschte er eben- so wie das religiöse, profane und mythologische Figurenbild oder das Porträt. Der hier abgebildete Holz- schnitt „Behexter Stallknecht“ ent- stand 1544. Er zeigt rechts oben über der Hexenrute das Gmünder Einhornwappen.

An der Schwelle der Neuzeit

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Das Ende des Mittelalters fand die Stadt in schönster Blüte. Die Streitigkei- ten mit den Fürsten waren beendet, ja die Städte traten mit diesen in ein enges Bündnis, den Schwäbischen Bund. Kaiser Maximilian verkündete den allgemei- nen Landfrieden und ging streng gegen die Friedensstörer vor. Langsam trat eine nie gekannte Sicherheit auf den Landstraßen ein, was dem Handel und Ge-

werbe sehr zustatten kam.

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Von dem Wohlstand Gmünds zu jener Zeit zeugt die rege Bautätigkeit. Um 1500 erstand sowohl das Kornhaus wie auch das Amtshaus des Spitals. Als 1497 die beiden Türme des Münsters einstürzten, konnten die großen Schäden in wenigen Jahren behoben werden. 1523 erstellte Peter Brem auf dem oberen Marktplatz ein neues Rathaus in großen Ausmaßen. Leider wurde der prächtige Fachwerkbau 1793 abgebrochen. Nicht viel später dürfte die Grät auf uralten Grundmauern erstellt worden sein. Daß auch an der Stadtbefestigung tüchtig gearbeitet wurde, beweist die Jahreszahl 1498 am Schmiedturm.

Doch zeigte das ausgehende Mittelalter auch düstere Schatten. Es gärte in al- len Kreisen und allen Ständen. Die alten Ideale verblaßten immer mehr. Die Einheit im kirchlichen und politischen Denken kam immer mehr ins Schwanken. Der Humanismus mit einer neuen Gedankenwelt, die dem klassischen Altertum entlehnt war, durchsetzte mehr und mehr die Fürstenhöfe und die gebildeten Kreise des Bürgertums. Das beschleunigte den Zerfall, der sich nur allzu deutlich im kirchlichen und bürgerlichen Leben zeigte. In Gmünd mußte 1476 gegen die Frauen in Gotteszell mit aller Schärfe vorgegangen und eine Reform erzwungen werden. Auch bei den Mannsklöstern und der Weltgeistlichkeit scheint nicht alles in Ordnung gewesen zu sein, was aus dem Verhalten einzelner zu Beginn der Reformation zu schließen ist. Nicht minder bedenklich sah es an den Für- stenhöfen aus. Gmünd hatte an seinem Nachbarn, dem Herzog Ulrich von Württemberg, den besten Anschauungsunterricht. Man stand am Anfang einer neuen Zeit, welche mit der Allmacht der Kirche und mit der Gewalt der Fürsten aufräumen wollte. Das erste Ziel wurde erreicht; die Fürsten aber gingen aus den nun einsetzenden Kämpfen als überlegene Sieger hervor und konnten noch fast 300 Jahre lang das Volk niederhalten. Die Reichsstädte sanken von Jahr- zehnt zu Jahrzehnt von ihrer stolzen Höhe herab und waren bald nur noch Schatten ihrer einstigen Bedeutung.

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III. Stationen zur Gegenwart

1525: Bauernkrieg

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erschütterten immer wieder soziale Aufstände den süddeutschen Raum. Nicht etwa, daß die Bauern in besonders drückenden Verhältnissen gelebt hätten, nein, sie erfreuten sich hierzulande eines bescheide- nen Wohlstandes. Allein, die neuzeitlichen Gedanken hatten die altgewohnten Beziehungen zwischen Obrigkeit und Untertanen erschüttert. Die Erhebung der Bauern gegen Herzog Ulrich von Württemberg 1514 konnte nur mit Blut nie- dergeschlagen werden. Kurz darauf wurden die Massen durch Martin Luther in ihrem Innersten aufgewühlt. In Gmünd traten die ersten Prädikanten Ende 1524 und Anfang 1525, also kurz vor Beginn des Bauernkrieges, auf.

Am 18. März 1525 berichtete der Vogt von Lorch an die Regierung zu Stuttgart, daß sich die Untertanen von Gmünd nun auch empört hätten. Zehn Tage später riefen die Bauernführer die Gmünder Bauern auf, sich bei Iggingen zu sammeln, „widrigenfalls wir euch greifen lassen an Leib, Ehr und Gut.“ 2000 Bauern fan- den sich dort zusammen, 400 weitere marschierten von Alfdorf nach Mögg- lingen. Das dürfte fast die ganze wehrfähige Mannschaft der Bauern unserer Umgebung gewesen sein. Auch in der Stadt Gmünd hatte die Bewegung ihre Anhänger, besonders bei den Zünften. Diese brachten sogar die Schlüssel zu den Toren in ihre Hände. Die Regierung der Stadt lag damals bei außerordentlich klugen Männern. Ein Aufruf an die Bürger war so gefaßt, daß ihn jeder zu sei- nen Gunsten auslegen konnte. So wurde der innere Friede vorläufig erhalten und vor allem Zeit gewonnen. Am 30. März sandten Bürgermeister und Rat Gesandte in das Lager der Bauern nach Hohenstadt mit einem Aufruf des Schwäbischen Bundes, worin die Aufrührer aufgefordert wurden, nach Hause zurückzukehren. In diesem Falle würden sie straffrei ausgehen. Der Anführer der Bauern, Jörg Betz, ließ anderen Tages den Gesandten sagen, „die Bauern

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Aufständische Bauern umzingeln einen Ritter

seien der Sache schon uneinig geworden und abgezogen“. Die aufrührerische Stimmung in der Stadt, verstärkte sich trotzdem. Am Karsamsag, den 15. April, besetzte eine größere Anzahl von Bürgern die ganze Nacht hindurch in voller Wehr den Marktplatz. Sie ertrotzten vom Rat die Herausgabe eines Gefangenen und die Absetzung des Städtmeisters. Einer Plünderung des Predigerklosters mußte der Rat tatenlos zusehen und sich auch gefallen lassen, daß neben dem eigentlichen Rat noch eine Abteilung der Aufständischen als ständige Behörde auftreten durfte. Diese unruhigen Bürger standen der religiösen Umsturzbewe- gung sehr nahe. Am Ostermontag, dem Tag der Weinsberger Bluttat, traten die Bauern des Limpurger, Gmünder und Haller Gebiets den Vormarsch nach Murrhardt an. Ihr Kanzler war Wolfgang Kürschenesser, Pfarrer zu Fricken- hofen. Nach der Plünderung des Benediktinerklosters Murrhardt zogen sie nach Lorch, raubten auch dort das Kloster aus und brannten darnach das Schloß Ho- henstaufen und das Kloster Adelberg nieder. Die württembergischen Bauern versperrten ihnen den weiteren Vormarsch in ihr Land, und nun wurde der

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Marsch auf Gmünd beschlossen. Die Stadt richtete einen flehentlichen Hilferuf an den Schwäbischen Bund nach Ulm; allein dieser konnte keine Truppen frei- machen. Nur schwer gelang es Bürgermeister und Rat, einen offenen Aufruhr der Bürger niederzuhalten und deren Verbindung mit den Bauern zu verhindern. Diese sandten am 29. April ein Schreiben an die Stadt, forderten die Einführung der Reformation, die Annahme der 12 Artikel und freien Durchzug. Die sog. 12 Artikel enthielten die Forderungen der Bauern. Sie waren bereit, den Zehn- ten aus dem Getreide zu bezahlen, verlangten aber die Aufhebung der übrigen Abgaben und Fronen, die Beseitigung der Leibeigenschaft, die Zurückgabe all dessen, was den Bauern unrechtmäßig abgenommen worden war, namentlich Wald, Wiese und Wasser, dann gerechtes Gericht für alle und freie Wahl des Pfarrers. Auch diesmal wußte der Rat eine solch diplomatische Antwort zu ge- ben, daß die Bauern aus ihr alles oder auch nichts herauslesen konnten. Die

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Öffnung der Tore aber wurde abgelehnt. Auch an eine „ehrsame Gemeinde und die evangelischen Brüder“ in Gmünd richteten die Bauern ihr Ansinnen, doch ohne Erfolg. Nachdem Lorch ausgeplündert worden war, wurde das Kloster an- gezündet und der Marsch auf Gmünd angetreten.

Von der Kreuzmühle aus versuchten die Bauern wiederum, ihre Forderungen durchzusetzen, allein vergebens. Nun zogen sie über Wetzgau nach Mutlangen, wo das Hauptquartier aufgeschlagen wurde. Um die Bauern nicht zu reizen, wurde den Bürgern gestattet, gegen Bezahlung in das Lager Wein und Brot zu liefern. Aufs neue wandte sich der Rat hilfesuchend an den Bund. Er berichtete am 5. Mai, daß 8000 Bauern vor ihren Mauern lagern, der Stadt das Wasser ab- graben und über die Mauern schießen würden. Doch am selben Tag verlegten die Bauern das Hauptquartier nach Gaildorf. Vor dem Abzug brannten sie noch das Kloster Gotteszell nieder. Am 7. Mai verlangten sie nochmals die Annahme des Evangeliums und der 12 Artikel. Sollte ihnen nicht willfahrt werden, so würden sie aus göttlicher Gerechtigkeit gegen die Stadt vorgehen, als „den Gott- losen und den Feinden Gottes“. Am selben Tage hatten auch die Gmünder den Bauern einen Brief geschrieben, in welchem sie sich als Vermittler zu einem güt- lichen Ausgleich anboten „jedoch allweg auf Willigung und Zugeben des Schwäbischen Bundes“. In beiden Lagern hatte man inzwischen erkannt, daß die Entscheidungsschlacht bevorstehe, und niemand konnte damals ihren Ausgang ahnen. Die Bauern gingen deshalb freudig auf die Anregung der Gmünder ein und baten, „sich schleunigst ins Werk zu setzen, aber so wenig wie möglich den Schwäbischen Bund einzuflechten“. Die Bitte der Bauern, die Stadt zu öffnen, wurde erneut zurückgewiesen. Die Stadt sei jedoch erbötig, das heilige Evange-

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Mittelalterliches Dorf

lium zu handhaben und Mißbräuche abzuschaffen. Ohne Vorwissen der Stände des Bundes aber würde sie keine Vermittlung aufnehmen.

Durch die Ereignisse des 12.Mai wurde die Stadt aller Sorgen enthoben. An diesem Tage vernichtete der Bauernjörg das Hauptheer der Bauern bei Böblin- gen. Was nun weiter geschah, war nur noch eine häßliche Rache. Am 24. Mai schickte Jörg Truchseß an die Bauern bei Gaildorf die Aufforderung, sich zu unterwerfen, was auch geschah. Die kluge Haltung in diesen Wirren hatte der Stadt viel Unglück erspart und ihr das Vertrauen der Bauern und des Schwä- bischen Bundes erworben. Deshalb wurde der Gmünder Bürgermeister Egen in die Kommission berufen, welche von den Aufständischen die Brandschatzung einzuziehen hatte. Auch war Gmünd unter den Städten, in welchen die Bauern erneut den Huldigungseid abzulegen hatten.

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Prädikanten, Wiedertäufer und der Württemberger

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Von den vielen Reichsstädten ist Gmünd eine der wenigen, die nicht zur neuen Lehre übergetreten sind. Gegner der neuen Richtung waren von Anfang an Bür- germeister und Rat. Sie erhielten nach einigem Schwanken auch die Unterstüt- zung der Zunftmeister. Sämtliche Gmünder Stadtpfarrer waren zu jener Zeit ehrenwerte, treu kirchlich gesinnte Männer, ja scharfe Eiferer. Gegen sie konn- ten die -der neuen Lehre zugeneigten Priester, noch weniger die unwürdigen Geistlichen in Stadt und Land, auch der zuchtlose Teil der hiesigen Mönche nicht aufkommen. Unter solchen Umständen war der Sieg der katholischen Sache un- ausbleiblich. -

Die ersten evangelischen Predigten wurden hier 1523 von dem Barfüßermönc Johann Schilling aus Rothenburg gehalten. Darauf verlangten fünf Bürger vom Magistrat, ihnen einen Prädikanten zu stellen, der ihnen das lautere Evangelium verkündige. Der Rat aber lehnte ab; denn er habe allen Predigern befohlen, das lautere Evangelium zu verkünden (natürlich nach katholischer Auffassung). Genaueres wissen wir vom zweiten Prädikanten, dem gelehrten Andreas Alt- hamer. Er war 1498 zu Brenz an der Brenz geboren, studierte zu Augsburg Theologie, kam als Präzeptor an die Lateinschule nach Schwäbisch Hall, hierauf nach Reutlingen und dann 1524 als Helfer des Stadtpfarrers Köllin nach Gmünd. Sofort verkündete er gegen den Willen seines Stadtpfarrers die neue Lehre und bildete hier eine kleine Gemeinde. Unter dem Druck der beginnenden Bauernunruhen wurde dieser gestattet, zu ihren Predigten zu läuten. Mit seiner Bewerbung um die freigewordene Stadtpfarrstelle hatte er keinen Erfolg. In ju- gendlichem Ungestüm fiel Althamer mit seinem Anhang am 3. März 1525 in das Predigerkloster ein und störte den Gottesdienst. Es kam auch zu Plünderun- gen und Beschädigungen dieses Klosters. Als die aufrührerischen Bauern vor der Stadt lagerten, konnte er es durchsetzen, daß einem Ausschuß der Neugläubigen die Eigenschaft einer ständigen Behörde zuerkannt wurde. Nach Beendigung der Gefahr wurde alles wieder rückgängig gemacht. Althamer blieb unbeugsamer Kämpfer. Als ihm die Ehe mit einer hiesigen Bürgerstochter versagt wurde, zog er mit bewaffneten Anhängern zum Münster und segnete seine Ehe selber ein, worauf er abgesetzt wurde. Nun fühlte er sich in Gmünd nicht mehr sicher und floh nach Nürnberg. Vergebens bewarb er sich wiederholt um das hiesige Bei- sitzrecht für sich und seine Frau. Nach den Bauernunruhen ging der Magistrat scharf gegen das unkirchliche Verhalten mancher Mönche und Weltgeistlichen vor, Er zeigte darin einen größeren Eifer als die vorgesetzte geistliche Behörde.

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Allein, es bedurfte vieler Jahre, ehe hier dauernde Ordnung geschaffen war. Große Sorge bereiteten die Wiedertäufer, die sich hier rasch ausbreiteten. 1529 wurde eine größere Zahl von ihnen bei Wasser und Brot gefangengesetzt. Wer widerrief, wurde freigelassen. Nach 42wöchiger Haft blieben noch fünf Männer, eine Frau und ein Knabe von 15 Jahren fest. Sie alle wurden am 7. Dezember 1529 mit dem Schwert gerichtet.

Ganz energisch ging man nun auch gegen die Evangelischen vor. Die Stadt war gegen sie ebenso unnachsichtig wie die benachbarten protestantischen Länder ge- gen die Katholiken. Die ihres Glaubens willen vertriebenen Katholiken fanden hier eine zweite Heimat. Das katholisch gebliebene Gmünd nahm damals eine eigentümliche Stellung ein. Aus den Protestantisch gewordenen Ländern wurden von Geistlichen, Mönchen und Privaten große Geldsummen und kirchliche Ge- genstände wie Kelche, Monstranzen, Meßgewänder u.a. hierhergeflüchtet, was der Stadt manche Unannehmlichkeit verursachte. Mit der Verleihung des Bür- gerrechts wurde man sehr vorsichtig. Nur noch katholische Personen wurden auf- genommen, neugläubige nur dann, wenn sie versprachen, wieder katholisch zu werden. Streng achtete man darauf, daß in den Gmünder Orten nur eifrige alt- gläubige Priester angestellt würden.

1544 ging das Besetzungsrecht der hiesigen Stadtpfarrstelle an das Spital über. Nun konnte der Rat noch eifriger als bisher für die katholische Sache wirken. Sein erster Vorschlag für die hiesige Pfarrstelle war der hochgelehrte, streng katholische Benediktiner Jakob Spindler, ein einstiger Mönch von Lorch. Nach der Eroberung der Stadt durch die protestantischen Sachsen und Hessen am 25. November 1546 mußte man den Schmalkaldenern versprechen, in Gmünd die Reformation einzuführen. Da sich kurz darauf das Kriegsglück wandte, blieb dieses Versprechen ohne Bedeutung. Trotz aller Verfolgung war die kleine protestantische Partei noch recht rührig. Sie fand um 1554 in Johann Schreppel am Spital einen eifrigen Prediger. Stadtpfarrer Spindler beklagte sich bitter beim Magistrat, schilderte die trostlosen religiösen Verhältnisse und bat um sei- ne Entlassung. Der Rat versprach, die Klagen zu prüfen und verbot sofort dem verklagten Schreppel seine „ärgerlichen Spitalpredigten“. Spindler starb 1565. Seine Nachfolger Jakob Mayer und Schroth waren ebenfalls eifrige Katholiken, die dem Kampfe mit dem Protestantismus nicht auswichen. 1573 berichtete der Rat dem neu gewählten Bischoff Johann Egloff, daß die neue Lehre bedenklich um sich greife. Sogar bei der Besetzung des Rats wolle Mangel an geeigneten Leuten erscheinen, wolle man nicht evangelisch Gesinnte dazu nehmen. Er beklagt sich auch, daß nicht alle Geistliche sich priesterlich halten würden.

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Aus einer Schrift des Rats von 1574 ist zu ersehen, daß viele vornehme Bürger sich mit Auswärtigen verheiraten und dadurch zur neuen Lehre gezogen würden. Auch würden diese außerhalb der Stadt das lutherische Nachtmahl nehmen. Um endlich Frieden zu bekommen, erließ der Rat an die Protestanten die Auffor- derung, entweder zur katholischen Kirche zurückzukehren oder auszuwandern. Dagegen sträubten sich natürlich die Protestanten und verlangten 1574 noch- mals freie Religionsübung als ihr Recht. Die Stadt berief sich aber auf den Re- ligionstrieden. Nach diesem hatte in einer Reichsstadt keine Konfession das Recht auf öffentliches Bekenntnis, wenn es dort nicht schon 1552 geduldet wor- den war. Die Stadt konnte aber nachweisen, daß sie gerade zu dieser Zeit den Kampf gegen Schreppel geführt hatte. Von einer Duldung des evangelischen Be- kenntnisses konnte also 1552 keine Rede sein. Das war rechtlich unanfechtbar, wenn auch menschlich gesehen sehr hart.

Die Ausschaffung der Protestanten verursachte aber unvorhergesehene Schwie- rigkeiten und zog sich noch jahrelang hin. Verschiedene Reichsstädte und Für- sten nahmen sich der hiesigen Protestanten an und ließen es nicht an Drohungen fehlen. Württemberg war der schärfste Gegner von Gmünd und hatte dazu doch die wenigste Ursache, weil es selbst zu den unduldsamsten Ländern zählte. Es war für Gmünd eine schwere Zeit. Man fürchtete die Sperrung der württember- gischen Märkte und der Zufuhr der dringend nötigen Lebensmittel. Die eigenen Bundesgenossen der Gmünder, der Bischof von Augsburg, der Herzog von Bay- ern und selbst der Kaiser, konnten der Stadt keine Sicherheit gegen Württemberg bieten. Trotzdem stellte Gmünd alle Bedenken zurück und führte den Kampf weiter. 1590 wurde verordnet, daß keine Ehe eingesegnet werden dürfe, wenn die Brautleute nicht zuvor das katholische Glaubensbekenntnis abgelegt hätten. Auf diesen neuen Druck hin trat ein Teil der Protestanten zur katholischen Re- ligion zurück; die übrigen wanderten aus. Von 1600 ab war Gmünd eine rein katholische Stadt. Weitere Versuche einiger Protestanten, doch noch Erleichte- rungen zu bekommen, blieben ohne Bedeutung. Auch darin folgte Gmünd dem unduldsamen evangelischen Württemberg. Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die freie Religionsübung ein unantastbares Recht eines jeden Staatsbürgers geworden.

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Diemar von Lindach

Mitten in den religiösen Wirren wurde Gmünd in eine Fehde hineingezogen, die ihr mehr Schaden verursachte als später der Schmalkaldische Krieg. Zu Lindach saß Hans Diemar, der „wegen der Obrigkeit und wegen eines Gutes zu Lin- dach“ mit der Stadt in Streit geriet. Durch einen seiner Reisigen ließ er am 18. Oktober 1543 in den Schlagbaum am Unteren Tor einen Fehdebrief gegen die Stadt stecken. Ganz nach der Weise der alten Raubritter fing er nun an, die nächste Umgebung der Stadt mit Feuer und Schwert zu verheeren, das Vieh wegzutreiben und die Gmünder Untertanen zu brandschatzen. Einem Gmünder Bürger ließ er die Finger abschneiden und ihm befehlen, diese dem Magistrat in Gmünd zu überbringen. Die Gmünder zogen vor sein Schloß, vermochten es aber nicht einzunehmen. Mit Spott und Hohn mußten sie abziehen. Diemar wurde beim Kammergericht verklagt und in die Acht getan. Die Spanier nahmen ihn gefangen und führten ihn nach Schorndorf. Dort wurde auf kaiserlichen Be- fehl peinlich gegen ihn verhandelt. Die Gmünder aber bemächtigten sich seiner Güter. Als die Spanier abzogen, ließen sie ihn frei. Nun nahm sich Herzog Christoph seiner an und brachte 1554 einen gütlichen Vergleich zustande. Hans Diemar bekam seine Güter zurück und dazu noch 400 Gulden. Doch gingen die Streitigkeiten der Diemar mit Gmünd und Württemberg, auch unter sich selbst, weiter. Württemberg drängte auf den Verkauf der Diemar’schen Güter zu Lin- dach und konnte diese 1577 und 1581 erwerben.

Entmachtung der Zünfte

Da in fast allen Städten die Zünfte zur Reformation neigten, die Geschlechter dagegen an der alten Religion festhielten, verfügte Karl V. eine neue Verfas- sung der Reichsstädte. Die Durchführung in hiesiger Stadt wurde dem kaiser- lichen Kommissär Haas übertragen. Die Zunftmeister wurden aus dem Rat ent- fernt und die konservativen Kreise verstärkt. Die hiesigen elf Zünfte wurden auf acht zusammengezogen. Ihre acht Zunftmeister bedurften der Bestätigung durch den Magistrat, während sie früher frei gewählt wurden. Die Befugnisse der Zünfte waren nur noch gering. Gegen ihre Entscheidungen konnte beim Rat Einspruch erhoben werden.

An der Spitze der Stadt standen drei Bürgermeister, die sich alle vier Monate im Amte ablösten. Ihnen zur Seite standen fünf Senatoren, die von den Bür-

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gern gewählt, und 16 Ratsherren, die mit einfacher Mehrheit von dem Gesamt- magistrat bestimmt wurden. Ein engerer Ausschuß aus den Bürgermeistern und zwei Senatoren bildete den Geheimen Rat. Er hatte die Hauptlast der Verwal- tung zu tragen, namentlich seit ihm 1546 auch noch die Ergänzungswahlen zu den Ratsstellen übertragen wurden. Die ersten Bürgermeister der neuen Rich- tung waren Hans Rauchbein, Caspar Debler und Johann Bletzger.

Diese Neugliederung des Stadtregiments führte zu dauernden Streitigkeiten, die namentlich im 18. Jahrhundert sehr ernste Formen annahmen. In der Tat hatten es einige Familien verstanden, sich fast der ganzen Stadtverwaltung zu bemächtigen. Überall saßen „Vettern“ und mißbrauchten nicht selten ihre Gewalt. Streitigkeiten überall: zwischen Bürgern und Rat und innerhalb des Rats und der Beamtenschaft.

Handelsherr und Bürgermeister Rauchbein

Die bedeutendste Persönlichkeit dieser drangvollen Jahre war Bürgermeister Hans Rauchbein, ein schon fast zur legendenhaften Gestalt gewordener Vertre- ter der alten katholischen und kaiserlichen Ordnung. Rauchbein, wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu Gmünd geboren, erlernte das Kaufmannsgewerbe und wurde ein angesehener Handelsherr. Durch seine Heirat mit der Schwester des Kanonikers Thomas Haas in Backnang, der für Gmünd große Stiftungen gemacht hat, wurde er noch enger mit der katholi- schen Partei verbunden, der er wohl immer angehört hat. 1533 finden wir ihn als Ratsherrn, 1537 zum erstenmal als Bürgermeister. Das war zur Zeit, als noch die Zünfte das Stadtregiment in Händen hatten. Als Karl V. 1552 die Verfas- sung zugunsten der Geschlechter änderte, gehörte Rauchbein zu den dreien, die als erste zu Bürgermeistern auf Lebenszeit gewählt wurden. 1544 erhielt er ein Wappen, das auf einem Schrägbalken das herkömmliche Kaufmannszeichen auf- weist. Rauchbein starb am 2. Juni 1563. Die Tätigkeit Rauchbeins fiel also in eine Zeit, in welcher unter gewaltigen Geisteskämpfen das Alte zu Grabe getragen und zum Neuen der Grund gelegt wurde. Er war ein treuer Anhänger seiner Kirche und nichts deutete darauf hin, daß er je einmal schwankend war. Seine Persönlichkeit trug wesentlich zum Sie- ge der katholischen Sache in unserer Stadt bei. Unter seiner Regierung erwarb sich das Spital vom Domkapital Augsburg das Patronatsrecht über die. hiesige Pfarrkirche. Den aus protestantischen Gebieten vertriebenen Familien und

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Geistlichen gab er hier eine neue Heimat. Rauchbein war auch kaisertreu bis ins Innerste. Als die Schmalkaldener 1546 Gmünd belagerten, war er die Seele

Bei der Umgestaltung der Verfassung 1552 arbeitete er eng mit dem kaiser- lichen Rat Heinrich Haas zusammen. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn

Zahlreiche „Ordnungen“ wurden daher unter ihm erlassen, Ordnungen, welche die Befugnisse der städtischen Amter klar abgrenzten, und Ordnungen für die

bein als Schiedsrichter und Vermittler. Neben: seinem Amte als Bürgermeister versah er noch umfangreiche Nebengeschäfte, so die des Spitalpflegers. Als Rauch- bein’1552 zu seinem Kaiser nach Innsbruck kam, übergab ihm dieser einen sil- bervergoldeten Pokal, der heute noch im Münster zu sehen ist.

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Belagert, geplündert, gerettet

Die religiösen Wirren führten im Jahre 1546 zu kriegerischen Verwicklungen. Die im Schmalkaldischen Bunde vereinigten Stände zogen mit starker Heeres- macht gegen den Kaiser. Bei Göppingen versammelte sich ein kleineres Heer aus Württembergern, Badenern und Pfälzern. Ihnen mußte Gmünd, das treu auf der Seite des Kaisers stand, 8000 Gulden bezahlen. Dafür erhielt die Stadt die Ver- sicherung, daß sie „fürohin keines Überzugs, Gewalt, noch anderer Gefahr“ be- fürchten müsse. Das Hauptheer unter Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen wandte sich gegen Ingolstadt, wo die kaiser- lichen Truppen lagen. Nach anfänglichen Erfolgen zogen sich die Schmalkalde- ner auf ein Lager zu Giengen a.d.Br. zurück. Auf die Kunde, daß Moritz von Sachsen in das Land des Kurfürsten Johann Friedrich eingefallen sei, traten die Sachsen und Hessen den Rückweg in ihre Länder an. Am 25. November kamen sie, etwa 40000 Mann stark, vor den Toren von Gmünd an. Sofort wurde die Stadt in den Verteidigungszustand gesetzt und Bürgermeister Rauchbein beauf- tragt, den Widerstand zu leiten. Die Stadt wurde von den Schmalkaldenern auf- gefordert, sich zu ergeben, eine Besatzung von einigen Fähnlein aufzunehmen und 20000 Gulden Kriegskosten zu bezahlen. Ferner sollten den Feinden die Klöster und die geistlichen Güter übergeben werden. Bürgermeister Rauchbein rief nun den Rat und die Bürgerschaft zusammen und teilte ihnen diese Bedin- gungen mit. Die ganze Gemeinde schwor einhellig, lieber Gut und Blut zu ver- lieren, als dem Kaiser untreu zu werden. Sofort wurde die waffenfähige Bevölke- tung der gmündischen Dörfer in die Stadt gerufen. Die Sachsen und Hessen aber begannen bei der Pfennigmühle zu schanzen und Geschütze in Stellung zu bringen. In der Frühe des 26. Novembers begann die Beschießung, die sofort be- antwortet wurde. Von der Hofstatt aus leitete Rauchbein die Abwehr. Gegen Mittag wurde die Beschießung eingestellt. Etwa 130 Kugeln waren in dıe Stadt geschossen worden. Sie hatten das Rinderbacher Tor und die anschließende Stadt- mauer bis zum Königsturm stark beschädigt. Auch an einigen Gebäuden in der Stadt war Schaden angerichtet worden. Glücklicherweise aber ging es ohne Ver- letzte und Tote ab. Die Belagerer dehnten nun ihre Angriffe gegen Westen aus, und es war ein feindlicher Sturm zu befürchten. Da blieb der Stadt nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Bei den ganz ungleichen Kräften war weiterer Wider- stand sinnlos. Die ersten Truppen, die nun einmarschierten, plünderten die Stadt gründlich aus; besonders die Klöster und die Häuser der Geistlichen hatten zu leiden; aber auch die übrige Bevölkerung vom Bürgermeister bis zum Taglöh-

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ner erhielt keine Schonung. Dr. Leonhard Haug wurde von den übermütigen Soldaten zum Tor hinausgeführt und blieb seither verschollen.

Als der Kurfürst von Sachsen in die Stadt einritt, fiel ihm der Bürgermeister mit etlichen Räten zu Füßen und bat um Gnade. Johann Friedrich aber blieb unerbittlich. Die Stadt habe Widerstand geleistet und sei deshalb auf Gnade und Ungnade angenommen worden. Sämtliche Gelder der Stadt und ihr Silber- geschirr wurden beschlagnahmt, ebenso die Pflegschaftsgelder, die Schatzgelder die Türkensteuer und manche Kapitalien,

waren. Trotzdem sollte noch eine Kriegssteuer von 50.000 Gulden bezahlt werden. Schließlich wurde diese Summe auf 20000 Gulden ermäßigt. Zwei an

ren Bürgermeister Paul Goldsteiner und Franz Brei

Verpflichtung, die Augsburger Konfession anzunehmen. In den Friedensbedin- gungen datiert „in unserem Lager zu Neckarsulm“ den 2. Dezember 1546 be-

„auch vom Papsttum und abgöt-

. das alleinseligmachende Gotteswort .., augsburgischer Konfession annehmen und nach gelehrten...

Pfarrern trachten, welche ihnen das Wort Gottes lauter Not wandte sich die Stadt am 11. Dezember nach

gen Sieg errang, zerschlug sich diese Sache. Schlimmer als die Hessen in der Stadt gehaust zu haben. Ihnen werden hauptsächlich die Plün- derungen zugeschrieben. Bei ihrem Abmarsch brannten sie noch das Kloster Got- teszell nieder. In ihr Lager nach Lorch und Schorndorf mußten ihnen die Gmün- der Wein, Brot, Haber, 300 Rinder und 600 Schafe schicken. Den Bauern welche die Waren ablieferten, wurden die Wagen samt den Pferden weggenom- men. Gegen alle Abmachungen legte Herr von Heydeck auch noch einige Fähn- lein Knechte nach Gmünd und zog sie erst zurück, als die Stadt ihnen den Sold bezahlt hatte. Am 18. Dezember kam ein kaiserlicher Kommissar nach Gmünd, dem die Stadt aus fröhlichem Herzen den Treueid erneuerte. Die den Schmal- kaldenern angeschlossenen Städte mußten der Stadt Gmünd große Entschädi- gungssummen bezahlen, im ganzen etwa 13 000 Gulden.

Zum Dank für die treue Haltung der Stadt schenkte Kaiser Karl V. dem Bür- germeister Rauchbein 1552 besagten silbernen vergoldeten Kelch, den Rauchbein der Pfarrkirche als Speisekelch schenkte. Die Stadt aber ließ zum ewigen Ge-

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denken eine der hereingeschossenen Kugeln im Münster einmauern und dazu eine Tafel setzen, welche von der Not anno 1546 erzählt.

Das Jahr 1552 brachte dem Kaiser einen gewaltigen Rückschlag. Gegen Abtre- tung von Metz, Toul und Verdun erkaufte sich Moritz von Sachsen ein Bündnis mit Frankreich und erhob sich nun gegen seinen Wohltäter, den Kaiser. Auf seine Seite traten sofort die Führer der protestantischen Partei, sowie Albrecht, Markgraf von Kulmbach. Dieser rückte rasch an die Donau vor und brand- schatzte auf dem Wege dorthin unsere Stadt mit 6663 Gulden. Kurz darauf mußte sich die Stadt verpflichten, den Kaiser in keiner Weise zu unterstützen, dagegen auf Verlangen der protestantischen Fürsten eine Besatzung aufzuneh- men, und wenn nötig, diese auch zu verpflegen. Dafür wurde der Stadt die Frei- heit der Religionsübung und die Sicherheit ihrer Habe zugesichert. Der Friede von Passau am 16. Juli 1552 beendete diesen für Deutschland überaus folgen- schweren Feldzug.

Gmünd erholte sich rasch von den Verlusten im Schmalkaldischen Krieg. Schon von 1550 ab konnte das Münster mit auserlesenen Werken aus der Werkstatt Adolf Dauchers ausgestattet werden. Dieser große Künstler schuf im neuen Stil der Renaissance das herrliche Chorgestühl, den Trog der Kanzel und die untere Empore der Orgel. A

Noch vor Ausbruch des 30jährigen Krieges begann der kunstsinnige Kirchen- meister Kaspar Vogt (etwa 1586/1646) mit seinen trefflichen Werken in hiesi- ger Stadt. Durch ihn erhielt nicht nur der denkwürdige Salvator seine heutige Gestalt, sondern er schuf auch die nicht minder reizvolle Herrgottsruhkapelle. Die Vertreibung der Protestanten blieb nicht ohne nachteilige Wirkungen auf die Gmünder Wirtschaft, denn manche von den Vertriebenen gehörten zu den rührigsten Geschäftsleuten. Die Blütezeit der Reichsstädte war vorbei. Die re- ligiösen Wirren und ihre Folgen vernichteten deren wirtschaftliche Vormacht- stellung im Reiche.

Im Dreißigjährigen Krieg

Die religiösen Spannungen, die von 1613 an auch in Gmünd zu unseligen Hexen- prozessen führten, verschärften sich von Jahr zu Jahr. Die protestantischen Stände schlossen sich in der Union, die katholischen in der Liga zusammen. 1618 brachen die Unruhen in Böhmen aus, die nur anfangs den Charakter eines Re- ligionskrieges besaßen, später zu Raubkriegen in- und ausländischer Fürsten

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ausarteten. Das kleine katholische Staatsgebiet von Gmünd inmitten einer über- wiegend protestantischen Umgebung war von Anfang an in einer mißlichen La- ge. Schon 1619 erzwangen sich württembergische Truppen den Durchzug durch die Stadt, besetzten ihr ganzes Gebiet und behandelten es gegen alle Abmachun- gen wie feindliches Land. Unendlich viel hatte damals schon die Bevölkerung an Mißhandlungen und Plünderungen zu leiden. Durch den Sieg Tillys bei Wimpfen 1622 blieb Süddeutschland auf längere Zeit von Kriegshandlungen verschont. Doch mußte Gmünd ungeheure Kriegskosten bezahlen; auch kam es hin und wieder zu Durchmärschen mit ihren gewohnten üblen Erscheinungen. Die Stadt berechnete ihre Kriegskosten von 1618 bis 1630 auf 232 000 Gulden; das sind nach unserem Gelde Millionenwerte, Was aber erst die folgende Zeit an Not, Elend, Hunger und Tod brachte, ist kaum zu beschreiben. Nach der Lan- dung der Schweden 1630 und vollends nach dem Eingreifen der Franzosen 1635 war der Krieg nur noch ein Morden und Plündern. 1632 besetzten die Schweden Schorndorf. Schwedische. und württembergische Truppen sammelten sich im obe- nfeld legte sein Regiment in das Gmün- der Gebiet und verlangte von der Stadt eine Brandschatzung von 4000 Gulden und gleich darauf von 9000 Reichstalern. 1633 schlossen sich die protestantischen ammen und verlangten von Gmünd eine monatliche Abgabe von 3186 Gulden. Außerdem mußte noch ein Kriegs- zehnten abgeliefert werden, also die doppelte Menge an Getreide. Der Kriegs- zehnte mußte in das Magazin nach Nördlingen geführt werden. Die Bauern wa- ren so erbost, daß nur unter der Bewachung durch Soldaten die Ernte und damit auch der Zehnten eingebracht werden konnten. Zu jener Zeit erhielt Christoph Martin von Degenfeld von der Krone Schwedens die Einkünfte der Gmünder Klöster und Geistlichen, angeblich als Ersatz für vorgeschossene Steuergelder. Nicht genug damit: immer mehr Truppen wurden in die Stadt geworfen, im- mer neue Krankenabteilungen hierher verlegt. Waren die Bedrängnisse in der Stadt schon riesengroß, so wurden sie auf dem Lande himmelschreiend. Der Chronist schreibt: Bürger und Bauern waren aus Angst, Not, Schmerz und Kum- mer von Haus gelaufen, worüber ein Stein sich erbarmen möchte.

Anfangs Mai 1634 zogen die meisten Truppen von hier ab gegen den Kaiser. Bei Nördlingen kam es im selben Jahre zur größten Schlacht des Krieges. Die schwedischen und württembergischen Truppen wurden von den kaiserlichen fast vollständig aufgerieben. Die kläglichen Reste wälzten sich in toller Flucht das Remstal hinab. Die Kaiserlichen besetzten das Gmünder Gebiet; aber die „Freun- de“ hausten so schlimm wie die Feinde.

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77 in einem Grab

Dem Heer folgte die Pest. Ein schreckliches Sterben hob nun an. Jeden Abend läutete die Pestglocke. Dann zogen vermummte Männer den offenen Pestkar- ren durch die Gassen. Die Räder waren mit Filz oder Leder umwickelt, um die Leute durch das Gepolter nicht aufzuschrecken. Eine Handschelle rief die Be- wohner an die Fenster. Wo ein Toter lag, war mit Kreide ein großes Kreuz an die Türe gezeichnet. In Leintücher verpackt wurden die Toten auf den Karren geworfen. Blieb es in den Häusern still, so wurde mit Sand und Steinchen an die Fenster geworfen und gerufen: „Köpfe raus!“ Zeigte sich auch dann niemand, so wußte man, daß im Hause alles tot oder sterbenskrank war. Rasch wurden die Toten in Massengräbern beigesetzt. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man hier auf einem Grabstein lesen:

„Ist das nit eine harte Plag 77 in einem Grab!“

Das Totenbuch vom Münster verzeichnet in jener Zeit nicht mehr die Namen von allen Gestorbenen. Auf dem Lande lagen die meisten Felder brach, Viele Leute nährten sich von Eicheln, Kleie, Mühlstaub, Nesseln, Schnecken, Pilzen, Mäusen, Hunden und gefallenen Pferden. 1637 hörte endlich das große Sterben auf. Der Rat verordnete, daß für alle Zeiten in der Bocksgasse auf keiner Kirch- weihe mehr getanzt werden dürfe, weil hier der Tod seinen Tanz begonnen habe. Die Bewohner dieser Gasse gelobten eine Wallfahrt auf den Salvator, die seit- her jedes Jahr am Rochustage (16. August) stattfindet. Jedes Haus dieser Gasse hängte zur Erinnerung an jene schreckliche Zeit auf der Bühne ein großes Kreuz auf. Eines derselben schmückt heute die Rückseite des Hauses Bocksgasse 39. Ein anderes aus dem Hause Bocksgasse 36 wird alljährlich der Rochusprozession vorangetragen.

Nach dem Erlöschen der Pest dauerte der Krieg immer noch 11 Jahre. Beson- ders schlimm war das Jahr 1638. Da wurden Iggingen und Bargau samt ihren Kirchen niedergebrannt. Auch viele andere Häuser in Stadt und Land wurden beschädigt, ausgeplündert oder eingeäschert. Es sah traurig aus. Der Magistrat von Gmünd berichtete 1641 an den Kaiser, daß in der Stadt nur noch die Hälf- te, auf dem Lande nur noch der 5. oder 6. Teil der Bewohner anwesend sei. Die anderen seien tot oder sie seien wegen andauernder Drangsal von Haus und Hof gewichen. Trotzdem wurden immer noch neue Abgaben aus der Bevölkerung herausgepreßt. Endlich kam der Friede vom 24. Oktober 1648. Die Stadt hat

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ihren gesamten Schaden während der 30 Kriegsjahre auf 1627 000 Gulden be-

rechnet. Das sind 16 Tonnen Gold oder im heutigen Werte eine Summe von über 100 Millionen DM.

Gmünder Schmuck

Der 30jährige Krieg hatte Gmünd und sein Gebiet völlig ausgesaugt. Der größ- te Teil der Bevölkerung war zugrunde gegangen. Viele Höfe waren niederge- brannt, standen leer oder zerfielen. Den Bauern, welche die Schreckensjahre überstanden hatten, fehlten die Zugtiere und die Gerätschaften, und so blieben große Teile der Markungen noch lange Zeit brach liegen. Mit dem Friedensschluß waren keineswegs gesicherte Verhältnisse eingetreten. Noch viele Jahre zogen verwilderte Soldaten mit einem Troß von Weibern und Kindern sowie allerlei Gesindel und Bettelvolk durch unsere Gegend. Die Lücken, welche Krieg und Seuchen unter der Bevölkerung gerissen hatten, füllten sich allmählich durch den großen Geburtenüberschuß, aber auch durch Zuwanderung aus Tirol, Vorarlberg und der Schweiz.

In Gmünd lief das gewerbliche Leben wieder an, und es ist erstaunlich, wie rasch die Stadt sich erholte. Das Schmuckgewerbe blühte immer mehr auf und be- herrschte nach 100 Jahren die gesamte Wirtschaft. Gmünder Waren gingen nach allen Ländern Europas und waren auf allen großen Märkten des Festlandes zu finden. Um 1770 gab es hier eine italienische, böhmische, schweizerische, franzö- sische, holländische, Österreichische, preußische, bayerische und sächsische Hand- lung. Das früher führende Gewerbe der Waffen- und Sensenschmiede ging mehr und mehr zurück. An dessen Stelle trat die Baumwollspinnerei, und als diese nicht mehr lohnend war, ging man zur Wollstrickerei und zur Herstellung von Schleiern über. Später kam noch die Gold- und Perlstickerei dazu. In diesen Ge- werben waren naturgemäß hauptsächlich Frauen beschäftigt.

Die Gmünder Waren, auch der Schmuck, wurden durch den Großhandel, aber auch durch Hausierer vertrieben. Die vielen Reisen machten das Gmünder Völk- lein aufgeweckt, gewandt und welterfahren. Sie förderten aber auch den Hang zu einem gepflegten, etwas leichten Lebensstil. Dadurch hob sich die hiesige Be- völkerung scharf von den steifen württembergischen Beamten ab, die seit 1802 hier tonangebend waren. Deren Frauen wurden nicht gerade schmeichelhaft als „Stuttgarter Wingertesmätzen“ bezeichnet.

Leider wurde die Aufwärtsbewegung nach dem Westfälischen Frieden immer

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wieder durch kriegerische Ereignisse gestört. Die französischen Raubkriege des 17. Jahrhunderts schlugen ihre Wellen bis ins Remstal. Besonders schlimm aber wirkte sich der Spanische Erbfolgekrieg (1701 bis 1714) aus. Durchzüge, Einquar- tierungen und Steuern lasteten jahrelang auf der Stadt und lähmten Handel und Wandel. Die Not und die dauernden Kriegslasten führten zu einer allgemeinen Unzufriedenheit. Die Bauern standen gegen die Bürger, die Bürger waren unter sich zerfleischt: alles aber stand gegen die Obrigkeit. Seit 1700 kam es zu offener "Widersetzlichkeit und Empörung. Der Kaiser selbst mußte einschreiten und die Stadt besetzen lassen. Nach langen, kostspieligen Prozessen, Verhören, und Untersuchungen wurde von einer kaiserlichen Kommission im Jahre 1723 ein weitläufiger Vergleich zwischen Bauern, Bürgerschaft und Stadtregierung ge- schlossen, der wenigstens nach außen hin die Gegensätze ausglich. Doch gärte es das ganze 18. Jahrhundert hindurch unter der Bürger- und Bauernschaft. Trotz alledem brachte dieses Jahrhundert der Stadt zunächst eine wirtschaftliche Blüte. Allerdings war der Wohlstand nicht mehr so gleichmäßig wie einstens verteilt, sondern einzelne Familien hoben sich deutlich ab, so die Stahl, Debler, Mayer und Storr.

Hemmschuh der Zünfte

Schon längst waren die Zünfte von ihrer stolzen Höhe gefallen. Auch sie waren erfüllt von Streitigkeiten, von Streitigkeiten innerhalb der eigenen Zunft und von solchen unter den einzelnen Zünften. So ging es abwärts und abwärts. Mit kleinlicher Eifersucht wurden die wirklichen oder vermeintlichen Rechte vertei- tigt. Neue „Ordnungen“ und „Verordnungen“ des Magistrats schafften immer nur für kurze Zeit Frieden. Immer mehr wurden die Zünfte zu einem Hemm- schuh der Entwicklung, besonders seit sich die liberalistische Arbeitsform lang- sam Bahn brechen wollte und die Fürsten sich der Gewerbetätigkeit in ihren Ländern immer mehr annahmen. Das führte in den Städten zu einer großen Ar- beitslosigkeit. Die Gegenmaßnahmen der Zünfte waren meist verfehlt, kurzsich- tig und eigennützig. Sie vergrößerten nur das Übel. So wurden bei der Ausbil- dung der Lehrlinge die Meistersöhne einseitig bevorzugt. Von den übrigen Lehr- Jingen wurden unerschwingliche Aufnahmegebühren verlangt; ebenso wurde die Sitzzeit der Gesellen verlängert. Die Meisterprüfung wurde dazu benützt, un- bequeme Konkurrenten zu beseitigen. Man verlangte vom künftigen Meister unzweckmäßige, lange Zeit erfordernde Arbeiten aus teurem Material, die nach-

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her unverkäuflich waren. Auf diese Weise würgte man einen gesunden Nach- wuchs und heilsamen Wettbewerb ab.

Das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts brachte den Zusammenbruch der alt- überlieferten patriarchalischen Wirtschaftsverhältnisse. Die Wirtschaftspolitik Josefs II. war der schwerste Schlag gegen die Stadt. Durch überhöhte Schutz- zölle wurde die Einfuhr der Gmünder Waren nach Österreich, ihrem Haupt- absatzgebiet, vollständig lahmgelegt. Mehr als hundert Goldschmiedefamilien wanderten nach Wien aus und bauten dort zum Schaden ihrer Heimat eine neue Schmuckwarenindustrie auf. Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend zogen in unsere Stadt ein. Als dann noch die Ideen der französischen Revolution auch auf das Handwerk angewandt wurden, hatte die Sterbestunde für die Zünfte ge- schlagen. Preußen führte 1820, Württemberg 1828 die Gewerbefreiheit ein.

Das barocke Gmünd

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts arbeitete hier der überaus begabte Baumeister Kaspar Vogt. Es ist schade, daß ihm durch die Ungunst der Zeit größere Auf- gaben versagt blieben. 1617/20 gab er den Felsenkapellen des Salvators ihre einzigartige malerische Gestalt; 1622 erstellte er die Herrgotts-Ruhkapelle, ein Werk von feinstem Geschmack. Das Altarblatt zu dem reizenden Hochaltar ist ein schönes Werk des Gmünder Künslers Christo ph Friedel.

Der Wohlstand des 18. Jahrhunderts äußerte sich in einer wahren Bauleiden- schaft. Sämtliche hiesigen Klöster führten Neubauten auf. Von Dominikus Zim- mermann stammt der fein empfundene Hochaltar der Franziskanerkirche. Jo- hann Michael Keller aus Neckarsulm baute eine Reihe vornehmer Häuser, so das Rathaus, das heutige Stadtpostamt, das Kapitelhaus und das duftige Schlößchen im Stadtgarten. Seine Werke fallen durch ihre Abgewogenheit, das feine Form- gefühl und den vornehmen Schwung ihrer Linien auf. Tüchtige Maler arbeite- ten besonders in den Klosterkirchen. So schuf Johann Anwander, einer der be- deutendsten deutschen Barockmaler, seine großen leuchtenden Fresken in der Augustinuskirche. Leider ist sein Hauptwerk in der Predigerkirche durch Ein- bauten von Kasernenräumen vollständig zerstört worden. Es war das größte Barockgemälde Europas. Ein recht begabter Barockmaler war auch Josef Wannen- macher. Von ihm stammen die schönen Fresken in der Franziskanerkirche, in der Leonhards- und Katharinenkapelle. Ein überaus fruchtbarer Maler war der aus Wallerstein gebürtige Georg Strobel, der erste Zeichenlehrer an der 1777 er-

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richteten Gewerbeschule. Wenn er auch nicht zu den Großen unter den Malern gehört, so wurde er doch für unsere Stadt dadurch von Bedeutung, daß er im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts eine große Zahl der angesehensten Bürger unserer Stadt porträtierte, so daß die Personen, welche damals die Geschicke der Stadt bestimmten, uns im Bilde erhalten blieben.

In Schmiedeisenarbeiten leistete die Familie Storr Vorzügliches. Leider wurden viele Oberlichtergitter, Fensterkörbe, „Spione“, Wasserspeier, Grabkreuze aus dieser Zeit entfernt oder fielen dem Rost zum Opfer. Einige schöne Stücke haben sich noch zum Glück erhalten oder wurden rechtzeitig im hiesigen Heimat- museum geborgen. Auch die schönen Barockportale mit ihrem malerischen Wap- pen verschwinden immer mehr, wie auch das funkelnde Messingbeschläg auf den alten, schweren, dunkeleichenen Türen. Einstens gab es kaum ein Haus in der Altstadt, das nicht wenigstens etwas von der Lebensfülle und -freudigkeit des Barocks zeigte.

Zum Schlusse sei noch des Gmünder Passionsspiel gedacht, das weitum sehr be- rühmt war. Alljährlich wurde es am Gründonnerstag und Karfreitag auf dem Münsterplatze aufgeführt und schloß mit einer großen Prozession. Über 150 Gruppen beteiligten sich an ihr. Die Höhepunkte der Leidensgeschichte, wie die Fußwaschung, das Abendmahl usw. wurden durch musikalische Einlagen unter- strichen. Außerdem wurden jährlich sich ändernde musikalische Einlagen aufge- führt, die zu ganzen Oratorien anschwollen. Das Spiel kam wohl durch die Kapuziner im 17. Jahrhundert nach Gmünd, wurde textlich und musikalisch im- mer wieder verändert und erweitert. Der letzte Text von 1369 stammt von dem Geistlichen Johann Sebastian von Rittershausen aus Immenstadt und umfaßt über 2200 meist recht holprige Verse. Der größte Teil der recht guten Musik wur- de von dem Gmünder Dominikaner Angelus Dreher, dem Ordensgeistlichen Aloys Bernard von Berkheim und dem Ellwanger Musikdirektor Schmidt 1769 ff. komponiert. Die letzte Aufführung erfolgte 1803; dann wurde das Passionsspiel vom württembergischen Staat verboten.

Fortschritt erfordert Wissen

In der Neuzeit machte sich die Notwendigkeit einer guten Schulbildung immer mehr geltend. Der Buchdruck schaffte Lesestoffe, die auch für den Bürger er- schwinglich waren. Die religiösen Wirren, die sich überstürzenden Entdeckun-

gen und Erfindungen jener Zeit sorgten für allgemein packende Stoffe. Die Aus-

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Schon früh erhielt die hiesige Lateinschule ihre Schulordnung,. Diejenige von 1674 wird ausdrücklich als „revidiert“ bezeichnet. Nach dem Geiste der Zeit legte man großen Wert auf christlichen Unterricht, Besuch des Gottesdienstes, Teilnahme am kirchlichen Leben der Gemeinde und Kirchengesang. Damit die

das Franziskanerkloster als einzige lateinische Schulanstalt und übernahm die seitherigen Lehrer.

Mit dem Beginn der Neuzeit wurde auch der Deutschen Schule, wie damals die Volksschule hieß, erhöhte Beachtung geschenkt. Die Reichsstadt hatte ja längst schon ihre Deutsche Schule, nun wurden auch überall auf dem Lande sol- che eingerichtet. Sämtliche Knaben und Mädchen sollten die Deutsche Schule be- suchen; aber dies blieb noch lange ein frommer Wunsch. Sonst hätte der Magi- strat nicht immer wieder zum Besuch der Schule auffordern müssen; auch wäre die hohe Zahl der des Lesens und Schreibens Unkundigen, die weit in das 19. Jahrhundert hinein in den Akten nachweisbar ist, nicht zu erklären. Nur während des Winters von Michaeli ab wurde unterrichtet. Unter solchen Umständen mußten die Leistungen dieser Schule recht bescheiden sein. Die Lehrer besaßen keinerlei Berufsausbildung, sondern waren meistens Handwerker, Invaliden und abgedankte Soldaten, die oft selbst kaum lesen und schreiben konnten. Es war schon viel, wenn ein angehender Lehrer sich vor Antritt seiner Stelle bei einem Nachbarkollegen einige Kunstgriffe des Schulhaltens zeigen ließ. Schlimm war es auch, daß es lange Zeit keine Schulhäuser gab. Die Schüler setzten sich in die Werkstatt oder die Wohnstube ihres Lehrers, und während dieser vielleicht Schuhe flickte und seine Frau wusch, backte oder die Kinder betreute, ging der Unterricht nebenher.

In der Stadt waren die Verhältnisse besser. Hier wurde der Wert einer umfas- senden Schulbildung immer mehr erkannt. Das zeigte sich schon darin, daß manchmal städtische Kanzlisten, ja sogar Priester, sich an der Deutschen Schule betätigten. Doch blieb dies stets eine Ausnahme. Auch in der Stadt besaß die Deutsche Schule noch lange kein eigenes Schulgebäude. Die Besoldung der Lehrer bestand hauptsächlich in Früchten und Holz. Auch das sehr geringe Schulgeld fiel ihnen zu. Auf dem Lande war meist der Mesnerdienst mit dem Schuldienst verbunden. In diesem Falle mußte der Mesnerdienst das Haupteinkommen lie- fern. Auch in der Stadt brachten die Kirchendienste den Lehrern einiges Ein- kommen, namentlich dem Kantor. Außerdem mußte der Stadtpfarrer und die Priesterbruderschaft den Kantor und die Lehrer mehrmals im Jahre zu einem Mahle einladen. Daran nahm niemand Anstoß. Wer das Amt eines Lehrers an- trat, mußte erst einen feierlichen Diensteid leisten. Wie die Lateinschule, so er- hielt auch die Deutsche Schule ihre „Ordnung“, die vor allem die Erziehung be- tonte. Edel gesinnte Bürger stifteten für arme Kinder das Schulgeld. Besonders freigebig zeigte sich Dekan Ignaz Stahl zu Dinkelsbühl, ein geborener Gmünder. Er vermachte 1715 der Stadt 2000 Gulden, daß sie zwei weitere Schulmeister an-

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Felbiger an, welcher eine geregelte Lehrerausbildung forderte. Unsere Stadt, die sich gerne an das katholische Österreich anlehnte, führte 1778 die „Normal- schule“ von Felbiger ein. Sie ließ Thomas Kratzer, den späteren Dekan, in der neuen Methode gründlich ausbilden und ernannte ihn dann zum Direktor der „Normalschule“. Als solcher hatte er die übrigen Lehrer des Gmünder Gebiets zu schulen.

1780 errichtete die Stadt eine Sing- und Musikschule, welche musikbegabte Kin- der unentgeltlich unterrichtete. Die gut gemeinten Maßnahmen des Magistrats kamen leider nicht zur vollen Wirkung. Erst Württemberg, das über andere Möglichkeiten verfügte, brachte das Schulwesen rasch in die Höhe. Es gab in dem neu erworbenen Gebiete sofort einheitliche Richtlinien für die Volksschulen heraus. Seit 1805 hatten ‘sämtliche Kinder vom 6. bis zum 14. Lebensjahr die Schule zu besuchen. Wer nicht lesen und schreiben konnte, durfte nicht wandern und nicht heiraten. Ein durchschlagender Erfolg in der Volksbildung trat aber erst ein, als 1811 in Eßlingen, 1825 zu Gmünd ein Lehrerseminar eröffnet wurde.

So werde 1777 hier die erste Gewerbeschule Württembergs gegründet, die aller- dings nur den bescheidenen Namen Zeichenschule führte,

Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts unterrichtete Pater Mansuetis mit vie- lem Erfolg einen Gehörlosen. Stadtpfarrer Kratzer nahm als Direktor der Normalschule den planmäßigen Unterricht einiger Gmünder Gehörlosen auf und konnte dann den württembergischen Staat dazu bewegen, daß hier im Jahre 1808 die erste Gehörlosenschule des Landes gegründet wurde. Von Gmünd aus verbreitete sich dieser Unterricht im ganzen Lande und über seine Grenzen hin- aus. Auch die Betreuung von Jugendlichen Blinden wurde zur selben Zeit in

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1802: Ende der Reichsstadt

Die Zeit der Reichsstädte war vorüber. Die Kriege mit Frankreich besiegelten vollends deren Schicksal. Im Frieden von Lunéville 1801 erhielt Frankreich das ganze linke Rheinufer zugesprochen. Die deutschen Fürsten, welche dadurch Ge- bietsverluste erlitten hatten, sollten rechtsrheinisch entschädigt werden. Würt- temberg bekam als Ersatz eine Reihe von Reichsstädten, darunter auch Schwä- bisch Gmünd.

Am 6. Sepember 1802 um 9 Uhr abends traf ganz unerwartet der württem- bergische Regierungsrat von Reischach hier ein und verlangte für den kommen- den Tag die Einberufung des „Ganzen Rates“, Diesem wurde eröffnet: da an- dere Fürsten die ihnen zugewiesenen Länder schon provisorisch besetzt hätten, sehe sich der Herzog von Württemberg genötigt, zur Wahrung seiner ihm zuge- sicherten Rechte eine Truppenabteilung nach Gmünd und sein Gebiet zu legen. Das Militär habe strenge Weisung, sich nicht im mindesten in die Zivilver- waltung zu mischen; auch sei ihm nur Obdach zu gewähren, nicht aber Ver- pflegung. Zwei Tage darauf rückte württembergisches Militär hier ein und be- setzte die Hauptwache und die Tore. Die Gmünder Stadtsoldaten wurden ent- lassen oder in das württembergische Heer gesteckt.

Am 18. Oktober kam der Befehl, die Einkünfte der Stadt und ihrer Klöster auf das genaueste zu verzeichnen. Die eigentliche Besitzergreifung erfolgte am 25. November 1802. Der Herzog ließ bekanntmachen: „Auf Grund des Luné- viller Friedens ist die Stadt Schwäbisch Gmünd und ihr Gebiet mit allen Rech- ten und Einkünften an Württemberg gekommen. Der Herzog verlangt unbe- dingte Unterwerfung und Huldigung. Dafür verspricht er, das Wohl der Stadt zu fördern und die Bewohner in der Ausübung der katholischen Konfession zu schützen. Die Beamten sollen vorderhand in ihren Stellungen bleiben. Ihr Ver- halten wird über ihre weitere Zukunft entscheiden.“ In die führenden Beamten- stellen rückten aber sofort Altwürttemberger ein. Die Steuerrückstände wurden rücksichtslos eingezogen und alle Kassen genau überprüft. Das geldhungrige Württemberg hob sofort sämtliche Klöster auf und beschlagnahmte deren Ver- mögen. Auch der Besitz der Stadt und seiner Spitäler wurde nicht geschont. Überall griff die harte Hand des Landesherrn ordnend, regelnd, gebietend und verbietend durch. Die folgenden langen Kriegsjahre waren nicht dazu angetan, ein milderes Regiment einzuführen. Erst als nach dem Tode von König Friedrich (1816) ruhigere Zeiten unter einem milderen Herrscher eintraten, konnten manche Härten, Übereilungen und Ungerechtigkeiten wieder gut gemacht wer-

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den. Mit der Besitznahme der Stadt durch Württemberg hatte für Gmünd das Mittelalter eigentlich erst aufgehört. Die Änderungen wurden gelassen aufge- nommen; denn man spürte, daß mit oder ohne Napoleon die Reichsstädte sich hätten nicht mehr halten können. Verwaltung, Recht, Schulwesen, Wirtschaft, Verkehr, Militär: alles mußte von Grund auf neu aufgebaut werden. Man muß Württemberg aber das Zeugnis ausstellen, daß es alles getan hat, die Wohlfahrt

seines ganzen Staatsgebietes, darunter auch unsere Stadt, nach Kräften zu fördern.

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