Abb. 15. Innenansicht der Martinskirche in Sindelfingen

Einen Eindruck, wie diese ältere romanısene Kirche ausgesehen haben mag, gibt uns die Innen- aufnahme der Sindellinger Martinuskirche,

Zum Schluß soll noch auf die Halbbasis, die an der letzten gotischen Rundsäule unter dem jetzi- gen Münsterboden festgestellt wurde, hingewie- sen werden. Diese Rundsäule und ebenso diejeni- gen auf der Ostseite des romanischen Turmes ste- hen so, daß sich der Schluß aufdrängt, daß west- lich und östlich des Turmes zunächst Halbsäulen angeordnet waren, die erst später, wohl erst nach dem Einsturz der Türme, als Vollsäulen, östlich des Turmes als Doppelsäulen ausgebildet wurden.

Da die Aufnahmen des Stadtbauamts noch nicht vollständig durchgearbeitet sind, sollen die Aus- führungen als vorläufiges Ergebnis der Ausgra- bungen gewertet werden. Es wäre wünschens- wert, wenn einmal durch sie eine Diskussion über das oben Gesagte in Gang käme, und zum zweiten, daß nach Verarbeitung der Aufnahmen weitere Ergebnisse herausgeschält werden könnten.

Quellen: 1. Pläne im städtischen Museum und Ar- chiv: a) von 1855, b) von 18%, c) von 1927/1950. 2. Fotogra- fische und zeichnerische Aufnahmen des Stadtbauamts 1964/65. 3. Inaugural-Dissertation über „Das Langhaus der Heiliskreuzkirche in Schwäbisch Gmünd“ von Dr. Heinke Creutzfeld, 1953, 4 Hans Weigert: Die Martins- kirche in Sindelfingen in Schwäbische Heimat 1963 Seite 375 fi, 5, Alt-Sindelfingen; Herausgegeben vom Heimat- seschichtsverein 1951 Seite 36 f. 6. Dr. Anton a Die Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd 1925. 7. Die Kunst- und Altertumsdenkmäle in Württemberg kreis), erste Hälfte 1907. 8. Gradmann: Kunstwanderun- gen in Württemberg und Hohenzollern, 3 Auflage 1955, hieraus die Grundrisse von Sindel fingen, an Veringendort, Brenz und Faurndau

Der „bayerische Hiesel” und der Gmünder Offizier

Johann Ferdinand Schedel

©

Albert Deibele i

Heute noch lebt der „bayerische Hiesel“ im Volks- mund, obwohl nur noch wenige Näheres von ihm wissen, Viele nehmen ihn als allgemeine Bezeich- nung für einen ungeschlachten Bayern, so wie wir Gmünder als Naze, die Aalener als Kopperla und die Tübinger Weingärtner als Gogen bekannt sind. Der „bayerische Hiesel“ aber hat gelebt und war wie der „Schinderhannes“ und der „Schwarze Ve-

Tefal Wilddieb und Räuber-Hauptmann einstens `

in aller Munde. Wie fast alle Bandenführer hatte auch der Hiesel bei dem niederen Volke viele An- hänger, stets schonte er den kleinen Mann, suchte bei ihm Unterschlupf, benützte ihn zu Späherdien-

sten und belohnte ihn dafür meistens reichlich. Die

Bauern aber sahen sehrrgerne, wenn mit dem Wild- stand aufgeräumt wurde; denn zu den Zeiten dieser Räuberbanden war der Wildschaden außer- ordentlich groß, und die Jagdfrevel wurden mei-

stens srausam bestraft.

Der „bayerische Hiesel“, Matthias Klostermaier ‚mit Namen, wurde 1738 zu Kissing bei Friedberg am n Lech geboren. Die Eltern waren einfache, aber

achtbare Leute. Hiesel arbeitete zuerst als Bauern- knecht, bis ihn seine Jagdleidenschaft auf schiefe Bahnen führte. Jahrelang konnte er seine Wild- diebereien verdecken, als er aber erkannt war, floh er vor seinen Verfolgern in die Wälder. Da er sich nicht mehr öffentlich zeigen konnte, wurde er notgedrungen zum Dieb und Räuber und dann auch noch zum Totschläger. Bald sammelten sich um ihn eine Anzahl von Personen, die aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen waren und nichts weiter als das Leben zu verlieren hätten. Mit ihnen durchzog Hiesel Bayern, Schwaben und Franken, holte sich seinen Unterhalt, wo er ihn

‚finden konnte, und alle seine Anhänger wehrten

sich ihrer Haut, sobald sie angegriffen wurden. Allmählich wurde Hiesels Bande zu einer großen. Landplage. Mit Hilfe der kl einen Leute konnte er

lange allen N achstellungen entgehen. Die Förster,

Landjäger und Amtsknechte hatten unruhige Zei- ten. Um die Bande aufzuheben, wurde Militär lange vergeblich eingesetzt. Im Anfang des Jahres 1771 trieb sich Hiesel im Gebiet des Hoch-

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stifts Augsburg (das bischöfliche Herrschaftsge- biet) herum. Da erhielt Oberleutnant Johann Fer- dinand Schedel in Dillingen den Auftrag, mit einem Kommando zu versuchen, das Land südlich von Augsburg von dem „bayerischen Hiesel“ freizu- machen. Mit 54 Grenadieren, 16 Jägern und 4 Amts- knechten rückte Schedel aus. Er hatte das Glück, die Bande am 14. Januar 1771 in einem Wirtshaus zu Osterzell bei Kaufbeuren zu überraschen. Die Räuber wußten, was ihnen bei Ergreifung bevor- stand und wehrten sich verzweifelt, Zwei vonihnen wurden erschossen, 8 verwundet, und nur noch einer blieb ohne Verletzungen. Nun ergab sich die Bande. Die Gefangenen wurden nach Dillingen

geführt und ins Stockhaus (schwerstes Gefängnis)

gelegt und Tag und Nacht aufs strengste bewacht. Hiesel kam in den Kerker eines sicheren Stadt- turms, Mußte er vor den Richtern erscheinen, so wurde er von 8 Grenadieren unter Leitung eines Korporals vorgeführt. Man warf der Bande ne- ben vielen Diebereien besonders 12 gewaltsamste KRäubereien, 8 Landesfriedensbrüche und 9 Tot- schläge vor. Das Gericht sprach, wie erwartet, über Hiesel und mehrere seiner Anhänger die Todes- strafe aus, die alsbald in Dillingen vollstreckt. wurde.

Oberleutnant J en Ferdinand Schedel erhielt als Anerkennung von seinem Bischof und Landes- herrn einen Becher und eine Dose aus Silber, Sche- del brachte es noch bis zum Major. Er starb am 19. April 1808 im 81. Lebensjahre zu Dillingen und wurde dort auf dem alten Friedhof (heute Wittels. bacher Anlage) begraben. Seine Gedächtnistafel . an der südlichen Friedhofmauer soll sich noch er- halten haben und auf ihr folgendes zu lesen sein:

Hier unter diesem Leichenstein ruht die Asche des Herrn Ferdinand von Schedel Major des Schwäbischen Kreises in seinem 81 ten Jahr den 19, April 1808,

Er ging voll Mut im Kugelregen seine Bahn Und warf dem Schröckensjäger Hiesel Ketten an; Ihn seine Heldentaten zu belohnen

Rief Gott ihn hin zu höheren Regionen.

Wer ist nun dieser Offizier Johann Ferdinand Schedel? Es ist ein Gmünder, weshalb ich diese Geschichte ‘des „bayerischen Hiesels“ hierherge- setzt habe. Schedel wurde geboren 1729 als Sohn des Fähnrichs Johann Konrad Schedel, der seit 1727 mit Maria Seraphine Schleicher verheiratet war. Er brachte es noch zum Hauptmann im Graf Fugserschen Infanterie-Regiment und starb 1771

im 78. Lebensjahr, 58 Jahre lang hatte er beim

Schwäbischen’ Kreis Militärdienst getan.

In Gmünd war früher wohl bekannt, daß sein Sohn Johann Ferdinand Schedel den berüchtigten Räuber Maithias Klostermaier gefangen hatte. Im Familienregister der Münsterpfarrei, angelegt vor. 200 Jahren von Stadtpfarrer Doll, findet sich von - späterer Hand neben dem Geburtseintrag von Jo- hann Ferdinand Schedel folgender Beisatz: „Hat

den berüchtigten Räuberhauptmann vulgo bayri-

scher Hiesel gefangengenommen am 14. Januar 1771 zu Österzell in Bayern.“

Matthias Klostermaier hat noch lange im An- denken der kleinen Leute gelebt, und selbst das Volkslied hat sich seiner angenommen. Eines der- selben, das wohl am besten die Stimmung des Vol- kes verrät, lautet:

Bin i der bairisch Hiesel, Koa Kugel geht mir ei, Drum fürcht i a koan Jaga Und sollts der Teuf sei.

Im Wald drauß is mei Hoamath, Im Wald drauß is a Leb’n:

Da schieß i d’ Reh und d’ Hirscha Und d’ Wildsehwei a daneb’ m

Es gibt koa schönr’s Leben, Als i führ auf der Welt. Dia Bauern ga'n mir zessen Und wenn i's brauch au Geld. Drum tu i d’ Felder schützen Mit meine tapfre Leut, Und wei nur grad hi komm, Ui Gott, is dös a Freud! Und kommt die letzte Stunde Und mach i .d’ Auga zu, Soldat’n, Scherg’n und Jaga : Erst dann habt’s vor mir Ruah. Dann wird sis Wild vermehra Und springen kreuzwohlauf, Und d’ Bauern wern of rufen: Geh! Hiesel, steh wieder auf! Der Volksdichter Hermann Schmid hat: 1923

eine etwas schmalzige Erzählung „der bayrische

Hiesel“ herausgegeben, wo natürlich die „edle“

Räubersbraut nicht fehlen darf. Schmid schreibt

über das Ende von Hiesel: Er wurde wegen Wild- diebereien, Öffentlichen Gewalttaten, Landfrie- densbrüchen, Räubereien mit vorsätzlichen Tot- schlägen dem Scharfrichter übergeben, zur Richt- statt geschleift, mit dem Rad durch Zerstoßung seiner Glieder von oben herab vom Leben zum Tod gerädert, alsdann der Kopf vom Körper ge-

trennt, dieser in vier Stücke zerhauen und die =

einzelnen Stücke an den Landstraßen aufgehängt.

Der Kopf aber wurde auf den Galgen gesteckt. 2 Es ist bei Schmid nicht klar, ob diese Schilde-

rung dem Gerichtsurteil entnommen oder nur ein

Gebilde seiner dichterischen Gedankenwelt ist. Ich

möchte das letztere vermuten. Über Johann Fer- dinand Schedel aber liegt urkundlich fest (Stadt- archiv), daß er ein überaus heftiger Mann gewesen war, mit dem nicht gut Kirschen zu essen war. Als einmal einer seiner Verwandten geliehenes Geld bei ihm in Dillingen zurückforderte, prügelte er ihn so sehr, daß er ärztliche Hilfe in a nehmen mußte.

Quellen: Familienregister Münster um 1760, Foto Stadt-

archiv, Band 7, S. 108; Keller, Josef: Durch 400 Jahre

Dillinger Geschichte. 1, Band, S. 147 ff; Schmid, Hermann:

Der bayerische Hiesel, Union-Verl, 1922; private Mittei- lungen vor Amandus Sattler, Bayreuth; Herders Con- versationslex. 1876, L,S, sn Stadtarchiv, Familienkunda liches R. 1373. -.

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